226 8 20MB
German Pages 706 [708] Year 2000
Pfennig /Neumann Verfassung von Berlin
Sammlung Guttentag
Verfassung von Berlin Kommentar herausgegeben von
Gero Pfennig und Manfred J. Neumann bearbeitet von
Henning Lemmer Manfred J. Neumann Karl-Josef Stöhr
Gisela von Lampe Rolf-Peter Magen Gero Pfennig
3., neubearbeitete Auflage
w DE
G 2000 Walter de Gruyter · Berlin · New York
Zitiervorschlag von Lampe in Pfennig/Neumann, VvB, Art. 78, Rn 1
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Verfassung von Berlin : Kommentar / hrsg. von Gero Pfennig und Manfred J. Neumann. Bearb. von Gisela von Lampe ... - 3., neubearb. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 2000 (Sammlung Guttentag) ISBN 3-11-015524-9
© Copyright 2000 bei Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz, Gräfenhainichen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH, Göttingen
Die Autoren Gisela von Lampe Universitätsoberrätin a . D . an der Freien Universität Berlin, dort ehem. wissenschaftliche Betreuung und Leitung der staats- und verwaltungsrechtlichen Abt. der Bibliothek des Fachbereichs Rechtswissenschaft (Artikel 78-84) Henning Lemmer Senatsrat a. D., ehem. Justitiar beim Abgeordnetenhaus von Berlin (Artikel 40-53, 59, 60, 100) Rolf-Peter Magen Senatsdirigent a.D., ehem. Leiter der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht beim Senator für Inneres, Lehrbeauftragter (Artikel 2, 38, 39, 54, 61-63, 69-71, 99a) Dr. Manfred J. Neumann Rechtsanwalt und Notar in Berlin, Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin (Artikel 4, 5, 55-58, 64, 66-68, 72-77, 96, 99) Dr. Gero Pfennig Rechtsanwalt und Notar in Berlin (Vorspruch, Artikel 1, 3, 65, Vorbemerkungen zum Abschnitt Finanzwesen, Artikel 85-95, 97, 98, 101) Dr. Karl-Josef Stöhr Rechtsanwalt in Berlin (Vorbemerkungen zum Abschnitt Grundrechte, Staatsziele, Artikel 6-37)
V
Geleitwort Die Verfassung von Berlin mit ihren kaum mehr als hundert Artikeln darf kein Buch mit sieben Siegeln sein. Immerhin bestimmt sie die Grundlagen des öffentlichen Lebens im Land Berlin. Die Verfassung begründet und bestätigt staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, sie ordnet die Zuständigkeiten für staatliche Machtausübung, und sie setzt die Regeln für die Zusammenarbeit der unterschiedlichen politischen Kräfte, die in unserem Parlament über die Politik im Land Berlin entscheiden. Dabei ist einbezogen der demokratische Meinungsstreit, der im parlamentarischen Verfahren unentbehrlich ist und gerade deshalb der verfassungsrechtlichen Gewährleistung bedarf. An die Verfassung richtet sich daher der Anspruch, daß sie die rechtlichen Grundlagen unseres demokratischen Gemeinwesens in knapper Form und vor allem einigermaßen verständlich zusammenfaßt. Diesem Anspruch wird sie, im ganzen gesehen, durchaus gerecht. Der Verfassungstext muß also nicht unbedingt in die Normalsprache übersetzt werden. Wer indessen die Tragweite und die Bedeutung einer Verfassungsbestimmung ermessen möchte und zB Näheres über die Begründung oder den Zweck einer Vorschrift erfahren will, wird sich das Verständnis erleichtern, wenn er auf kundige Erläuterung zurückgreift. Dazu dient der vorliegende Band, der nun bereits in der 3. Auflage erscheint und unter dem Kürzel Pfennig/Neumann längst allgemeine Bekanntheit erlangt hat. Er ist zum unverzichtbaren Ratgeber nicht nur der Juristen und nicht nur für die Verwaltungen geworden, sondern er leistet auch im politischen Entscheidungsprozeß nützliche Dienste. Darüber hinaus bietet der Band eine unerschöpfliche Erkenntnisquelle für jeden politisch Interessierten, der Zusammenhänge erkunden möchte oder dem es, umgekehrt, darauf ankommt, speziellen Einzelfragen etwas genauer auf den Grund zu gehen. Seit dem Erscheinen der 2. Auflage im Jahre 1987 haben entscheidende Veränderungen unser staatliches Gemeinwesen umgeformt. Die deutsche Einheit und mit ihr die Wiedervereinigung Berlins brachten den Tag, von dem Ernst Reuter vorausschauend sagte: „... dieser Tag wird die Wende unserer ganzen Geschichte und auch VII
Geleitwort die Wende der europäischen Geschichte einleiten." Anlaß für die Bemerkung des damaligen Oberbürgermeisters Ernst Reuter war das Inkrafttreten der Verfassung von Berlin. Er gab damals, am 1. Oktober 1950, vor der Stadtverordnetenversammlung unter lebhaftem Beifall der Erwartung Ausdruck, daß am Tage der Wiedervereinigung die Verfassung „ohne Einschränkung in ganz Berlin gelten" und daß dann „die Flagge eines freien und geeinten Deutschlands über dem Brandenburger Tor wehen" werde. Ganz im Sinne Ernst Reuters erlangte die Verfassung von Berlin nach der Wiedervereinigung Geltung in der gesamten Stadt. Die Verfassung hatte sich im Kern bewährt und auch manchen Belastungsproben standgehalten. Aus der Überarbeitung der Verfassung, mit der das Abgeordnetenhaus nach der Wiederherstellung des geeinten Berlin einen Verfassungsauftrag aus dem Jahre 1990 erfüllte, sind der Geist und die Institutionen eines freiheitlichen und demokratischen Gemeinwesens gekräftigt hervorgegangen. Die überarbeitete Verfassung von Berlin vom 23. November 1995, die durch Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde, ist nun Gegenstand des vorliegenden Kommentars, dem ich viele aufmerksame Leser wünsche.
Reinhard Führer Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin
VIII
Vorwort zur 3. Auflage In den Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands fanden Landesverfassungsfragen ein größeres Interesse als jemals zuvor in der Wissenschaft. Die neuen Landesverfassungen in den östlichen fünf Bundesländern waren ursächlich für eine breite Erörterung in der Literatur und zahlreiche Entscheidungen der neu entstandenen Landesverfassungsgerichte. Sie sind inzwischen in einer Sammlung von Landesverfassungsgerichtsentscheidungen des Verlags miterfaßt. Berlin hat dabei in der Übergangszeit unmittelbar nach der Wiedervereinigung eine Zwitterphase durchlebt. Alte Status- und Rechtsschutzprobleme verloren ihre Bedeutung mit der Beendigung der VierMächte-Verantwortung für Berlin und Deutschland, neu in 1990 aufgeworfene Verfassungsfragen im Zusammenhang mit der Geltung der Verfassung von Berlin von 1950 für Gesamtberlin erwiesen sich als politische Probleme im Umgang mit der durch den Einigungsvertrag vorgesehenen Art und Weise der Integration der Ostberliner elf Bezirke und West-Staakens in das bestehende Bundesland Berlin. Den in den Vorauflagen vertretenen Standpunkt, daß Berlin als Ganzes bei Wegfall der alliierten Vorbehalte aufgrund seiner Verfassung von 1950 und des Grundgesetzes ipso iure vollgültiges Land der Bundesrepublik werde, hat die Wiedervereinigung bestätigt. Mit dem Wegfall wurde erstmalig die Einrichtung eines Verfassungsgerichts möglich. Die dafür nötige Verfassungsänderung und die weiteren, durch den Einigungsvertrag vorgegebenen Verfassungsänderungen in 1990 waren nur der Anfang für eine Überarbeitung der gesamten Verfassung, die erst mit dem Beginn der sog. Großen Koalition nach den Wahlen im Dezember 1990 zielstrebig zu der Verfassung von 1995 führte. Diese - im wesentlichen nur aktualisierte Verfassung enthält einen erweiterten Grundrechte- und StaatszieleKatalog, ausführlichere Bestimmungen über Parlament, Verwaltung und Finanzwesen sowie die verfassungsmäßige Ausrichtung auf eine Zusammenarbeit und Vereinigung mit dem Land Brandenburg. Wesentliche Veränderungen erfuhr die Verfassung in 1998 durch die Parlaments-, Verwaltungs- und Bezirksreform, die Berlin nicht nur eine Verkleinerung des Landesparlaments und der Landesregierung, sondern auch eine bisher nicht gekannte Aufgabenabgrenzung zwischen Hauptverwaltung im Sinne einer Landesverwaltung und den IX
Vorwort
Bezirksverwaltungen im Sinne einer örtlichen Verwaltung brachte. Die zwischenzeitlich angestrebte Vereinigung mit dem Land Brandenburg, die Berlin nach dem Staatsvertrag zu einer kreisfreien Stadt im Land Berlin-Brandenburg gemacht hätte, blieb verfassungsrechtlich eine Episode. Die 3. Auflage des Kommentars gibt eine vollständige Darstellung des Verfassungsrechts unter Einbeziehung der Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung bis zum Herbst 1999, in Einzelfállen auch darüber hinaus. Mit Dank für ihre Mitarbeit an der 2. Auflage haben die Herausgeber das Ausscheiden von Wolfgang Härth, Bernd Löhning und Eggert Schwan zu verzeichnen. Die Neuauflage machte für die Autoren in einigen Bereichen wegen der eingetretenen Veränderungen eine fast vollständige Überarbeitung notwendig. Alle Autoren haben wie in den Vorauflagen in eigener Verantwortung, wenn auch in Absprache mit den Herausgebern ihre Kommentierung verfaßt. Beim Verlag möchten wir uns dafür bedanken, daß er erneut die Kommentierung der Berliner Verfassung ermöglicht hat.
Berlin, im Februar 2000
X
Gero Pfennig Manfred J. Neumann
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Die tatsächlichen politischen Konstellationen und Machtverhältnisse haben es jedoch mit sich gebracht, daß die Anwendung dieser Berliner Verfassung trotz ihres Gesamt-Berliner Anspruchs auf den Westteil beschränkt ist. Hier hat sich auf der Grundlage dieser Verfassung, die Berlin als Teil der Bundesrepublik Deutschland ausweist und von diesem deutschen Staat durch dessen Verfassung ebenso behandelt wird, ein demokratisches, soziales und freiheitliches Gemeinwesen entwickelt. West-Berlin ist allerdings trotz seines in der Verfassung geäußerten Willens kein „normaler" Teil der Bundesrepublik Deutschland geworden, ebensowenig wie Ost-Berlin ein „normaler" Teil der Deutschen Demokratischen Republik geworden ist. Dies haben die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges verhindert, als sie jeweils den von ihnen besetzten Teil Deutschlands 1955 in die souveräne Staatlichkeit entließen. Sie haben dabei zwar zugelassen, daß jeder Teilstaat Deutschlands mehr oder minder seine Staatsgewalt auch auf den gleichzeitig von ihnen besetzten Teil Berlins ausdehnen konnte, aber zugleich vertraglich festgehalten, daß ihre Besatzungsrechte in ganz Berlin fortbestehen. Der Kommentar gibt insgesamt erstmalig eine zusammenhängende neuzeitliche Darstellung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Berliner Gemeinwesens. Er schließt damit eine Lücke, die durch den Lauf der Zeit trotz der verdienstvollen Kommentierung der VvB durch Landsberg und Goetz im Jahre 1950 (und einiger Abhandlungen zu Einzelproblemen der VvB) entstanden ist, nicht zuletzt aber auch durch den Umstand, daß es mangels Verfassungsgerichtsbarkeit keine gesicherte Rechtsprechung zu den meisten Fragen gibt. Dies hat offenbar - zur eigenen Überraschung der Autoren - in manchen Bereichen von Legislative, Exekutive und Judikative die Praxis hin und wieder die VvB einfach ignorieren lassen.
Berlin, im November 1977
Gero Pfennig Manfred J. Neumann XI
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Die Landesverfassungen Literaturverzeichnis
XVII XXXVII XXXIX
Vorspruch (Pfennig)
1
Abschnitt I: Die Grundlagen Art. 1 Art. 2 Art. 3 Art. 4 Art. 5
Status Berlins (Pfennig) Träger der öffentlichen Gewalt; Bevölkerung Berlins ( Magen ) Gesetzgebende Gewalt; Staatsfunktionen (Pfennig) Gebiet Berlins (Neumann) Flagge, Wappen, Siegel (Neumann)
3 9 12 15 24
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele Vorbemerkungen (Stöhr) Art. 6 Schutz der Menschenwürde (Stöhr) Art. 7 Allgemeine Handlungsfreiheit (Stöhr) Art. 8 Recht auf Leben; Freiheit der Person (Stöhr) Art. 9 Verteidigungsrecht; Unschuldsvermutung (Stöhr) Art. 10 Gleichheit; Gleichberechtigung; Gleichstellung (Stöhr) Art. 11 Gleichstellung Behinderter (Stöhr) Art. 12 Ehe, Familie, Kinder; Lebensgemeinschaften; Alleinerziehende (Stöhr) Art. 13 Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Stöhr) Art. 14 Meinungs- und Informationsfreiheit (Stöhr) Art. 15 Rechtliches Gehör; Verbot von Rückwirkung, Doppelbestrafung und Ausnahmegerichten; Rechtsweggarantie (Stöhr) Art. 16 Brief-, Post-, Fernmeldegeheimnis (Stöhr) Art. 17 Freizügigkeit; Berufsfreiheit (Stöhr) Art. 18 Recht aufArbeit (Stöhr)
. .
27 29 33 37 43 44 50 52 59 60
63 71 73 77 XIII
Inhaltsverzeichnis Art. 19 Staatsbürgerliche Rechte; Zugang zu öffentlichen Ämtern (Stöhr) 78 Art. 20 Bildung und Kultur (Stöhr) 83 Art. 21 Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung, Lehre (Stöhr) 84 Art. 22 Soziale Sicherung; Soziale Einrichtungen (Stöhr) . . . 90 Art. 23 Eigentum; Enteignung (Stöhr) 91 Art. 24 Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Stöhr) 95 Art. 25 Mitbestimmung (Stöhr) 95 Art. 26 Versammlungsfreiheit (Stöhr) 96 Art. 27 Vereinigungsfreiheit; Streikrecht (Stöhr) 98 Art. 28 Recht auf Wohnraum; Unverletzlichkeit des Wohnraums (Stöhr) 101 Art. 29 Glaubens-, Gewissens-, Bekenntnisfreiheit; Strafbarkeit von Rassenhetze (Stöhr) 104 Art. 30 Völkerfrieden; Kriegsdienstverweigerung (Stöhr) . . 106 Art. 31 Umwelt- und Tierschutz (Stöhr) 107 Art. 32 Sport (Stöhr) 108 Art. 33 Datenschutz (Stöhr) 109 Art. 34 Eingabe-, Beschwerde- und Petitionsrecht (Stöhr) 111 Art. 35 Gesetzliche Feiertage (Stöhr) 113 Art. 36 Wesensgehaltgarantie; Widerstandsrecht (Stöhr) . . . 114 Art. 37 Grundrechtsmißbrauch (Stöhr) 118
Abschnitt III: Die Volksvertretung Art. Art. Art. Art.
38 39 40 41
Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.
42 43 44 45 46 46 a 47 48 49 50
XIV
Abgeordnetenhaus (Magen) Wahlrecht (Magen) Fraktionen (Lemmer) Geschäftsordnung; Präsidium; Rechte des Präsidenten (Lemmer) Einberufung; Öffentlichkeit (Lemmer) Beschlußfahigkeit; Mehrheit (Lemmer) Ausschüsse; Enquete-Kommissionen (Lemmer) ... Rechte jedes Abgeordneten (Lemmer) Petitionsausschuß (Lemmer) Verfassungsschutz-Ausschuß (Lemmer) Datenschutzbeauftragter (Lemmer) Untersuchungsausschüsse (Lemmer) Herbeirufung des Senats (Lemmer) Berichtspflicht des Senats; EU- und Bundesangelegenheiten; StaatsVerträge (Lemmer)
119 126 149 156 168 172 178 183 192 196 199 203 212 215
Inhaltsverzeichnis
Art. Art. Art. Art.
51 52 53 54
Indemnität und Immunität (Lemmer) Berichterstattung (Lemmer) Abgeordnetenentschädigung (Lemmer) Wahlperiode; vorzeitige Beendigung; Zusammentritt des Abgeordnetenhauses (Magen)
218 225 227 230
Abschnitt IV: Die Regierung Art. Art. Art. Art.
55 56 57 58
Senat (Neumann) Wahl des Senats (Neumann) Mißtrauen (Neumann) Regierungsfunktionen (Neumann)
237 250 259 268
Abschitt V: Die Gesetzgebung Art. 59 Gesetze; Eingriffsvorbehalt; Öffentlichkeit (Lemmer) Art. 60 Gesetzeserlaß; Verkündung und Inkrafttreten von Gesetzen und Rechtsverordnungen (Lemmer) . . . . Art. 61 Volksinitiative (Befassungsinitiative) (Magen) . . . . Art. 62 Volksbegehren ( Magen) Art. 63 Volksentscheid (Magen) Art. 64 Rechtsverordnungen des Senats und der Bezirke; Verwaltungsvorschriften (Neumann) Art. 65 Rechtsvereinheitlichung; altes Recht (Pfennig) . . . .
280 286 289 295 300 304 327
Abschnitt VI: Die Verwaltung Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.
66, 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
67 Grundsätze (Neumann) 330 Rat der Bürgermeister (Neumann) 370 Bezirksorgane (Magen) 372 Wahl der Bezirksverordnetenversammlung (Magen) . 375 Wahlperiode (Magen) 384 Zuständigkeit der BVV (Neumann) 385 Ausschüsse der BVV; Bürgerdeputierte (Neumann) . 399 Bezirksamt (Neumann) 407 Organisation der Bezirksverwaltung (Neumann) . . . 413 Abberufung des Bezirksamtes (Neumann) 418 Personalkompetenz (Neumann) 423 XV
Inhaltsverzeichnis Abschnitt VII: Die Rechtspflege Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.
78 79 80 81 82 83 84
Grundsätze (v. Lampe) Richterliche Gewalt (v. Lampe) Gesetzesbindung (v. Lampe) Begnadigung (v. Lampe) Richterernennung (v. Lampe) Richterdisziplinargericht (v. Lampe) Verfassungsgerichtshof (v. Lampe)
432 433 439 441 444 451 453
Abschnitt VIII: Das Finanzwesen Vorbemerkungen (Pfennig) 554 Art. 85 Haushaltsplan (Pfennig) 562 Art. 86 Haushaltsgesetz; Finanzplan (Pfennig) 578 Art. 87 Staatseinnahmen; Kreditbeschaffung (Pfennig) . . . 580 Art. 88 Haushaltsüberschreitungen (Pfennig) 587 Art. 89 Notermächtigung (Pfennig) 591 Art. 90 Außerordentlicher Haushalt (Pfennig) 595 Art. 91 Haftung (Pfennig) 597 Art. 92 Eigenbetriebe (Pfennig) 599 Art. 93 Umwandlung von Eigenbetrieben u. a.; Vermögensveräußerung ( Pfennig) 604 Art. 94 Rechnungslegung; Mißbilligung (Pfennig) 606 Art. 95 Rechnungshof; Rechnungs-, Haushalts- und Wirtschaftlichkeitskontrolle (Pfennig) 609 Abschnitt IX: Übergangs- und Schlußbestimmungen Art. 96 Art. Art. Art. Art. Art. Art.
Gemeinsame Einrichtungen mit Brandenburg und anderen Ländern (Neumann) 97 Vereinigung mit Brandenburg (Pfennig) 98 Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus (Pfennig) 99 Verfahren der Bezirksamtsbildung bis 2010 ( Neumann ) 99 a Zusammenlegung von Bezirken in der 14. WP ( Magen ) 100 Verfassungsänderungen (Lemmer) 101 Inkrafttreten (Pfennig)
Sachregister XVI
618 627 631 632 634 637 641 643
Abkürzungsverzeichnis aA aaO Abg AbgG abgedr ABl abl Abs Abschn abw abwM ADAC And ÄndG aE aF AFG AfP AG AGArbGG
AGB AGBauGB
AGBG AGFGO
AGJWG
AGKonzG
anderer Ansicht am angegeben Ort Abgeordnete(r) Abgeordnetengesetz des Bundes idF ν 21.2.1996 (BGBl 326) m 1 Änd ν 16.12.1997 (BGBl 2998) abgedruckt Amtsblatt ablehnend Absatz Abschnitt abweichend abweichende Meinung Allgemeiner Deutscher Automobilclub Änderung Änderungsgesetz am Ende alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Presserecht Amtsgericht; Ausführungsgesetz; Aktiengesellschaft Ausführungsgesetz zum Arbeitsgerichtsgesetz ν 2.10.1980 (GVB1 2196) m 1 Änd ν 23.3.1992 (GVB173) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuches ν 11.12.1987 (GVB1 2731) idF ν 7.11.1999 (GVB1 578) Gesetz zur Regelung der allgemeinen Geschäftsbedingungen Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung ν 21.12.1965 (GVB1 1979) idF ν 10.5.1977 (GVB1 922) m 1 Änd ν 23.3.1992 (GVB1 73) Gesetz zur Ausführung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und zur Regelung der öffentlichen Jugend- und Familienhilfe ν 11.12.1972 idF ν 18.12.1972 (GVB11919) Gesetz über die Zusammenlegung der Amtsgerichte Lichterfelde, Schöneberg und Zehlendorf ν 13.7.1973 (GVB11015)
XVII
Abkürzungsverzeichnis AGKonzVO
AGSGG
AGVwGO
AK
AKB AKR AktG allg allgM Allg VwV Alt aM amtl Begr ÄndG and Angeh Anh Ani Anm Ans ao AO AöR AP ArbGG ArbR ArchPF ArchVR Aufl arg Art AS A S O G Bin
AT ausf Ausf
XVIII
1. VO über die Konzentration amtsgerichtlicher Zuständigkeiten ν 4.12.1972 (GVB1 2303) m 1 Änd v20.10.1997 (GVB1512) 2. VO ν 4.12.1972 (GVB12301) Ausführungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz ν 22.12.1953 (GVB11521) idF ν 7.12.1971 (GVB1 2097) m 1 Änd ν 23.3.1992 (GVB1 73) Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung ν 22.3.1960 (GVB1 269) idF ν 22.2.1977 (GVB1 577) m 1 Änd ν 29.3.1994 (GVB1102) Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, s Literaturverzeichnis Alliierte Kommandantur Berlin Alliierter Kontrollrat Aktiengesetz allgemein allgemeine Meinung Allgemeine Verwaltungsvorschrift(en) Alternative anderer Meinung amtliche Begründung Gesetz zur Änderung (von) anders Angehörige Anhang Anlage Anmerkung Ansicht außerordentlich Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Archiv für das Post- und Fernmeldewesen Archiv der Völkerrechts Auflage Argument Artikel Amtliche Sammlung Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) ν 14.4.1992 (GVB1 119) m 1 Änd ν 11.5.1999 (GVB1 164) Allgemeiner Teil ausführlich Ausführung
Abkürzungsverzeichnis AusfBest ausi AuslG AvB A v B Drs AvBEG AvLHO AVO Az AZG
Β b BAG BannG BAnz BAT Bay, bay BayObLG BayUntAG
BayVBl BayVerf BB BBG Bbg, bbg BbgVerf BBkG Bd, Bde BDHE BDO BDSG Begr, begr Behala Beil BeiträgeG Bek Bern ber bes Best, best
Ausführungsbestimmung(en) ausländisch Ausländergesetz Abgeordnetenhaus von Berlin Drucksache(n) des Abgeordnetenhauses von Berlin Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin ν 10.8.1951 idF ν 21.7.1978 (GVB1 1497) = L A b g G Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung Ausführungsverordnung Aktenzeichen Gesetz über die Zuständigkeit der allgemeinen Berliner Verwaltung (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz) idF ν 22.7.1996 (GVB1 302, ber GVB1 472) m 1 Änd ν 13.7.1999 (GVB1 374) Bund(es) bei Bundesarbeitsgericht Bin Bannmeilengesetz v l 7 . 3 . 1 9 8 7 ( G V B 1 4 8 2 ) m 1 Änd ν 16.2.1998 (GVB1 18) Bundesanzeiger Bundesangestelltentarifvertrag Bayern, bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Bay Gesetz über die Untersuchungsausschüsse ν 23.3.1970 (GVB195, ber 128) m 1 Änd ν 10.7.1998 (GVBl 382) Bayerische Verwaltungsblätter Bayerische Verfassung Betriebsberater Bundesbeamtengesetz Brandenburg, brandenburgisch Verfassung des Landes Brandenburg Gesetz über die Deutsche Bundesbank Band, Bände Entscheidungen des Bundesdisziplinarhofs Bundesdizsiplinarordnung Bundesdatenschutzgesetz Begründung, begründet Berliner Hafen- und Lagerhaus-Betriebe Beilage Beiträgegesetz ν 24.3.1934 ( R G B l I 235) Bekanntmachung Bemerkung berichtigt besonders, besondere Bestimmung, bestimmte, er)
XIX
Abkürzungsverzeichnis betr BetrVG BEWAG BfA BFH BFStrG BGB BGBl BGH Bgm BGS BHO bish BK BKC/L BK/L BK/O Bin, bin BlnBetrG
BlnDSG BlnGebG BlnHochschulG BlnNatSchG BlnRiG
BlnUntAG
BlnVküG
BlnVwVerfG
BlnWG
BlnWPG BMin
XX
betreffend Betriebsverfassungsgesetz Berliner K r a f t - und Licht-Aktiengesellschaft Bundesversicherungsanstalt f ü r Angestellte Bundesfinanzhof Bundesfernstraßengesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt, ohne Ziff = Teil I, mit II = Teil II, mit III = Teil III Bundesgerichtshof Bürgermeister Bundesgrenzschutz Bundeshaushaltsordnung bisher, bisherige K o m m e n t a r zum Bonner Grundgesetz (Bonner K o m mentar) s Literaturverzeichnis A n o r d n u n g der Alliierten K o m m a n d a n t u r in schriftlicher F o r m Schreiben der Alliierten K o m m a n d a n t u r Befehl der alliierten K o m m a n d a n t u r Berlin, berliner, Land Berlin, Berlin(West) Bin Betriebegesetz (Eigenbetriebsreformgesetz) ν 9.7.1993 (GVB1 319) m 1 Änd ν 17.5.1999 (GVB1183) Bin Datenschutzgesetz ν 17.12.1990 (GVB1 1991, 16, ber 54) m 1 Ä n d ν 3.7.1995 (GVBl 104) Bin Gesetz über Gebühren und Beiträge ν 22.5.1957 (GVBl 516) m l Ä n d ν 15.4.1996 (GVBl 126) Bin Hochschulgesetz ν 5.10.1995 (GVBl 728) m 1 Änd ν 7.10.1999 (GVBl 545) Bin Naturschutzgesetz i d F ν 10.7.1999 (GVBl 390) Bin Richtergesetz ν 18.1.1963 (GVBl 93) idF ν 27.4.1970 (GVBl 642, ber 1638) m 1 Änd ν 21.9.1995 (GVBl 608) Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin ν 22.6.1970 (GVBl 925) m 1 Änd ν 2.11.1993 (GVBl 543) Bin Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen ν 29.1.1953 (GVBl 106) m 1 Änd ν 9.11.1995 (GVBl 764) Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung ν 8.12.1976 (GVBl 2735, 2898) m 1 Änd ν 15.10.1999 (GVBl 564) Bin Wassergesetz ν 23.2.1960 (GVBl 133) idF ν 3.3.1989 (GVBl 606) m 1 Änd ν 26.10.1995 (GVBl 695) Bin Wahlprüfungsgericht Bundesminister; Bundesministerium
Abkürzungsverzeichnis BMinG BPr BR BRDrs BReg Brem, brem bremDepG BremVerf BRep BRH BRHG BRiWG BRRG BSG BSHG Bsp BSR BStBl BT BTAbgG BTDrs BV BVerfG BVerfGG BVEntschG BVers BVG BVV BVerwG BW, bw BW Verf BWB BWG BWO BWStrG BWStrVermG BW U n t A G
BWVB1 BWV
Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) Bundespräsident Bundesrat Bundesratsdrucksache Bundesregierung Bremen, Bremer Bremer Deputationsgesetz ν 2.3.1948 (GBl 31) id F ν 20.1.1972 (GBl 7) m 1 Änd ν 3.3.1998 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen Bundesrepublik Deutschland Bundesrechnungshof Gesetz über den Bundesrechnungshof (Bundes)Richterwahlgesetz Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtengesetzes (Beamtenrechtsrahmengesetz) Bundesozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Berliner Stadtreinigung Bundesteuerblatt Bundestag Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages Bundestagsdrucksache Bezirksverordnete(r) Bundesverfassungsgericht Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung, der Bürgerdeputierten und sonstigen ehrenamtlichen tätigen Personen Bundesversammlung Berliner Verkehrsbetriebe Bezirksverordnetenversammlung Bundesverwaltungsgericht Baden-Württemberg, baden-württembergisch Verfassung des Landes Baden-Württemberg Berliner Wasserbetriebe Bundeswahlgesetz Bundeswahlordnung Bundeswasserstraßengesetz Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen Baden-Württembergisches Untersuchungsausschußgesetz ν 3.3.1976 (GBl 194) m 1 Änd ν 11.10.1993 (GBl 605) Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Bundeswehrverwaltung
XXI
Abkürzungsverzeichnis BzA BzAMG
bzgl bzw
Bezirksamt Gesetz über die Rechtsstellung der Bezirksamtsmitglieder ν 12.7.1960 (GVB1 652) idF ν 1.4.1985 (GVB1 652) Bezirksbürgermeister Bezirksstadtrat Bezirksverwaltungsgesetz ν 30.1.1958 (GVB1126) idF ν 17.7.1989 (GVB1 1494) m 1 Änd ν 13.7.1999 (GVB1 374) bezüglich beziehungsweise
ca
zirka
D DA DBB DBF DB1 DDO
Deutschland Deutschland-Archiv Deutscher Beamtenbund Dokumente zur Berlin-Frage Dienstblatt des Senats von Berlin Dienst- und Disziplinarordnung für die Angestellten und Arbeiter des Landes und der Stadt Berlin Denkschrift des Senats von Berlin, AvB Drs 2/1759 derselbe Deutsche Gemeindeordnung ν 30.1.1935 (RGBl 149) dergleichen das heißt dieselben Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation District General Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitschrift Dokument Der öffentliche Dienst Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache(en) desgleichen Demokratie und Recht Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Verordnung zur Durchführung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes ν 7.10.1958 (GVB1 974) idF ν 8.6.1982 (GVB1 969, 1548) m 1 Änd ν 14.1.1986 (GVB1 67) - ersetzt durch den Zuständigkeitskatalog im Anhang des AZG
BzBgm BzStR BzVG
Denkschrift SvB ders DGO dgl dh dies DIHT Diss Distr General DJT DNotZ Doc DöD DÖV DRiG DRiZ Drs dsgl DuR DV DVB1 DVO DVO-AZG
XXII
Abkürzungsverzeichnis DVO-VVVG
DVP E EA EAG EBeitrG ebd ed(s) EDV EE A EG EGBGB
EGGVG EGKSV
EGMR EGStGB EGStPO EG-Vertrag
EhrRiEG Einf; einf EigG EinigungsV
Einl einschl EKD EKMR EMRK engl EnqG
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid ν 3.11.1997 (GVB1 583) Deutsche Verwaltungspraxis Entwurf; Entscheidung Europa-Archiv; Einstweilige Anordnung Europäische Atomgemeinschaft Erschließungsbeitragsgesetz idF ν 12.7.1995 (GVB1 444) ebenda editor(s) Elektronische Datenverarbeitung Einheitliche Europäische Akte ν 17./28.2.1986 Europäische Gemeinschaften; EG-Vertrag Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch ν 21.9.1994 (BGBl 2494, ber 1997 1061) m 1 Änd ν 21.7.1999 (BGBl 1642) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ν 18.4.1951 (BGBl 1952 II 477) idF ν 1.1.1995 (ABl E G Nr. L 1/1) geändert durch den Amsterdamer Vertrag ν 2.10.1997 (BGBl 1998 II 387) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ν 25.3.1957 geändert durch Vertrag ν 7.2.1992 idF ν 2.10.1997 (BGBl 1998 II 387) Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter Einführung; einführend Gesetz über die Eigenbetriebe des Landes Berlin ν 11.12.1959 (GVB11229) idF ν 13.7.1999 (GVB1 374) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R über die Herstellung der Einheit Deutschlands ν 31.8.1990 (BGBl II 889) Einleitung einschließlich Evangelische Kirche in Deutschland Europäische Kommission für Menschenrechte Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten englisch Gesetz über Enquête-Kommission des Abgeordnetenhauses von Berlin ν 7.12.1970 (GVB11974) m 1 Änd ν 23.2.1976 (GVB1 350)
XXIII
Abkürzungsverzeichnis EntnazifG
entspr Entw Enko ErgBd Erl ES EstG ESVGH etc EU EuGH EuGRZ EuR EURATOM EU-Vertrag Eu W G
ev eV ev luth EvStl EWG EWWU EZB f, ff FG FGO Fn FernmG FeuerStG
FraktG
FrEntzG
FS FU
XXIV
Zweites Gesetz zum Abschluß der Entnazifizierung ν 20.12.1955 (GVB1 1022) m 1 Änd ν 29.11.1993 (GVB1 576) entsprechend Entwurf Enquête-Kommission Ergänzungsband Erläuterung(en) Entscheidungssammlung Einkommensteuergesetz idF ν 16.4.1997 (BGBl 821 ) m 1 Änd ν 24.3.1999 (BGBl 402) Entscheidungssammlung der Verwaltungsgerichtshöfe et cetera Europäische Union; EU-Vertrag Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechtszeitschrift Europarecht Europäische Atomgemeinschaft Vertrag über die Europäische Union ν 7.2.1992 idF ν 2.10.1997 (BGBl 1998 II 387, ber 1999 II 416) Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland ν 16.6.1978 idF ν 8.3.1994 (BGBl 423, ber 555) evangelisch eingetragener Vertrag evangelisch-lutherisch Evangelisches Staatslexikon Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Wirtschafts- und Währungsunion Europäische Zentralbank folgend, folgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung ν 6.10.1965 (BGBl 1477) m 1 Änd ν 16.6.1997 (BGBl 1430) Fußnote Gesetz über die Fernmeldeanlagen Feuerschutzsteuergesetz ν 1.2.1939 (RGBl 113) idF ν 10.1.1996 (BGBl 18) m 1 Änd ν 17.12.1997 (BGBl 3039) Gesetz über die Rechtsstellung der Fraktionen des Abgeordnetenhauses von Berlin ν 8.12.1993 (GVB1 591) Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ν 29.6.1956 (BGBl 559) m 1 Änd ν 26.8.1998 (BGBl 2461) Festschrift (für) Freie Universität Berlin
Abkürzungsverzeichnis FVG
Gesetz über die Finanzverwaltung idF ν 30.8.1971 (BGBl 1476)
G GA Gasag GBl GBl D D R GE geänd gem GemFinVO GemFinG GemGer
Gesetz Goltdammers Archiv Berliner Gaswerke Gesetzblatt Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Gesetzentwurf geändert gemäß pr Gemeindefinanzordnung ν 2.11.1932 (GS 341) pr Gemeindefmanzgesetz ν 15.12.1933 (GS 442) Gemeinsames Gericht der Länder Berlin und Brandenburg Gemeindehaushaltsverordnung ν 4.9.1937 (RGBl 921) Gemeindeordnung gegebenenfalls Generalvertrag - Vertrag über die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten ν 26.5.1952 idF ν 2 30.3.1955 (BGBl II 301, 305) Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung ν 18.2.1975 (ABl 573) gleicher Ansicht Gesetz über den Ausschuß für Gnadensachen ν 19.12.1968 (GVB1 1767) m 1 Änd ν 28/29.9.1990 (GVB12119) Geschäftsordnung Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin ν 18.6.1998 (GVB1 154) m 1 Änd ν 18.11.1999 (GVB1 627) Geschäftsordnung des Bundestages Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung Geschäftsordnung des Bezirksamtes Geschäftsordnung des Landesrechnungshofes Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags Geschäftsordnung des Senats von Berlin ν 9.4.1963 (ABl 547) m 1 Änd ν 2.12.1986 (ABl 1962) (Bundes-)Grunderwerbsteuergesetz ν 26.2.1997 (BGBl 418, ber 1804) m 1 Änd ν 24.3.1999 (BGBl III FNA 610-6-10) Gedächtnisschrift (für) Generalstaatsanwalt Grundstücksordnung der einzelnen Bundesländer Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien)
GemHVO GemO ggf GenV
GewO GG GGO I gl A GnadG
GO GO AvB
GO BT G O BVV GO GO GO GO
BzA LRH NdsLT SvB
GrEStG
GS GStA GStO GV
XXV
Abkürzungsverzeichnis GVABl
GVB1 GVG GWB hA Halbs HbAvB HandwO HbStR
HbVerfR
Hess, hess hessGemO HG HGFG HGrG
Hinw hL HLKO hM Hmb, hmb hmbBzVG hmbGVBl HohZG HRG Hrsg, hrsg Hs HStrG
id F idR idS
XXVI
Gesetz-, Verordnungs- und Amtsblatt für die Bezirke Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Treptow, Köpenick, Lichtenberg, Weißensee, Pankow, Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Ansicht Halbsatz Handbuch des Abgeordnetenhauses von Berlin Handwerksordnung Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland (hrsg ν Isensee/Kirchhoff) s Literaturverzeichnis Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (hrsg ν Benda/Maihofer/Vogel) s Literaturverzeichnis Hessen, hessisch hessische Gemeindeordnung idF ν 1.4.1981 (GVB11 66) Haushaltsgesetz Gesetz zur Fortentwicklung des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder ν 19.8.1969 (BGBl 1273) m 1 Änd ν 26.8.1998 (BGBl 2512) Hinweis herrschende Lehre Haager Landkriegsordnung ν 18.10.1907 (RGBl 1910 107) herrschende Meinung Hamburg, hamburgisch Hamburger Bezirksverwaltungsgesetz ν 11. Juni 1997 (GVB1 205) m 1 Änd ν 6.10.1998 (GVB1207) Hamburger Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin ν 13.5.1954 (GVB1 289) Hochschulrahmengesetz Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Bin Gesetz zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts des Haushalts (1996) ν 15.4.1996 (GVB1 126); (1997) ν 12.3.1997 (GVB1 69); (1998) ν 19.12.1997 (GVB1 686) in der Fassung in der Regel in diesem Sinne
Abkürzungsverzeichnis iE ieS IFG IHK im allg ImmRiLi
im Ergebnis im engeren Sinne Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin ν 15.10.1999 (GVB1 561) Industrie- und Handelskammer Berlin im allgemeinen Richtlinien in Immunitätsangelegenheiten in H b A v B 13. W P Bd I
insb insg iSd iSv
insbesondere insgesamt im Sinne des (der) im Sinne ( v o n )
InsO int IVG
Insolvenzordnung international Bin Informationsverarbeitungsgesetz ν 9.10.1992 (GVB1 305, ber 1993 6) m 1 Ä n d ν 12.3.1997 ( G V B l 69)
iVm iVz
in Verbindung mit im Verhältnis zu
iw iwS iZw
im Wesentlichen im weiteren Sinne im Zweifel
JA JbÖR N F JblntR JbSächsOVG JR Jura JuS JWG JZ
Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts - Neue Folge Jahrbuch für internationales Recht Jährbücher des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Juristische Rundschau Jura - Juristische Ausbildung Juristische Schulung Gesetz für Jugendwohlfahrt Juristenzeitung
Kap KassO kath KG KiStG
Kapital; Kapitel Kassenordnung ν 7.10.1969 (DB1 1969 I N r . 84) katholisch Kammergericht Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften im Lande Berlin ν 15.2.1967 ( G V B l 361) idF ν 8.11.1997 ( G V B l 607)
KO KOM Komm KRG krit KSchG
Konkursordnung Kommission der Europäischen Union Kommentar Kontrollratsgesetz kritisch Kündigungsschutzgesetz
LAG
Lastenausgleich; Landesarbeitsgericht
XXVII
Abkürzungsverzeichnis LAbfG LAbgG
LAbstG
LAbstO
LBG
LBesG
LDO
LfbG
lfd LfVG
LG LGG LHO
lit LKG
LKV
LNK Losebl LRH LS LSA LSG
XXVIII
Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfallen in Berlin ν 21.12.1993 (GVB1 651) Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin ν 21.7.1978 (GVB1 1497) m 1 Ä n d v 15.5.1999 (GVB1 161) Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses ν 27.11.1974 idF ν 17.4.1984 (GVB1 600) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid ... idF ν 15.3.1986 (GVB1 528) Landesbeamtengesetz ν 24.7.1952 (GVB1603) idF ν 20.2.1979 (GVB1 368) m 1 Änd ν 19.12.1997 (GVB1 686) Landesbesoldungsgesetz ν 24.4.1958 (GVB1 314) idF ν 9.4.1996 (GVB1 160) m 1 Änd ν 6.10.1999 (GVB1 542) Landesdisziplinarordnung ν 8.5.1969 (GVB1 515) idF ν 1.9.1979 (GVB1 546) m 1 Änd ν 20.4.1993 (GVB1187) Gesetz über die Laufbahnen der Beamten ν 3.12.1958 (GVB1 1126) idF ν 9.8.1996 (GVB1 152) m 1 Änd ν 19.12.1997 (GVB1 686) laufend Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz idF ν 25.3.1995 (GVB1 254) m 1 Änd ν 2.3.1998 (GVB126) Landgericht Bin Landesgleichstellungsgesetz ν 31.12.1990 (GVB11991 8) m 1 Änd ν 10.6.1998 (GVB1 132) Landeshaushaltsordnung ν 5.10.1978 (GVB1 1961) idF ν 20.11.1995 (GVB1 805, ber 1996 118) m 1 Änd ν 13.7.1999 (GVB1 374) Buchstabe Landeskrankenhausgesetz ν 13.12.1978 (GVB1 2810) idF ν 1.9.1986 (GVB1 1533) m 1 Änd ν 19.5.1998 (GVB1 102) Landes und Kommunalverwaltung. Verwaltungsrechts-Zeitschrift für die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Landesnervenklinik Loseblattsammlung Landesrechnungshof Leitsatz Land Sachsen-Anhalt, (Adj) sachsen-anhaltinisch Landessozialgericht
Abkürzungsverzeichnis It LT LV LVerfGE
LVwA LVwAG
LWahlG
LWO
m m Anm m krit A n m m zust Anm maW MdA MdB MdEP MDHS MDR mE MittPrAvB m 1 Änd MSKU
MvB mwN m Hinw MV
Nachw Nds, nds ndsGemO
laut Landtag Literaturverzeichnis, Schrifttumsverzeichnis Amtliche Sammlung der Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Landesverwaltungsamt Gesetz zur Änderung von Verwaltungsgesetzen und des Landesbeamtengesetzes ν 18.2.1964 (GVB1252) Gesetz über die Wahlen zum AvB und zu den Bezirksverordnetenversammlungen ν 25.9.1987 (GVB1 2370) m 1 Änd ν 2.12.1998 (GVB1432) (Landes-)Wahlordnung für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen ν 8.2.1989 (GVB1 373) m 1 Änd ν 3.8.1995 (GVB1 540) mit mit Anmerkung(en) mit kritischer Anmerkung (von) mit zustimmender Anmerkung mit anderen Worten Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin Mitglied des Deutschen Bundestages Mitglied des Europäischen Parlaments Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar s Literaturverzeichnis Monatsschrift des Deutschen Rechts meines Erachtens Mitteilungen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin mit letzter Änderung Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, s Literaturverzeichnis Magistrat von Berlin mit weiteren Nachweisen mit Hinweis(en) Mecklenburg-Vorpommern; (Adj) mecklenburgvorpommersche(r) Nachweis(e) Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Gemeindeordnung idF ν 22.8.1996 (GVB1 382) m 1 Änd ν 17.12.1998 (GVB1 710)
XXIX
Abkürzungsverzeichnis NdsVBl NF nF NJ NJW Nov Nr NVwZ NVwZ-RR
NW, nw nwGemO
NWVB1 o O oa oä OFD og OHG oJ OLG ÖPNV OrdZG
oV OVG OWIG
ParlRat PartG PersVG
PetG
phG
XXX
Niedersächsische Verwaltungsblätter. Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung Neue Folge neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Novelle Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report. Verwaltungsrecht. Neue Entscheidungen aus den Bereichen: Allg. VerwaltungsR, Bau- und PlanungsR Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Nordrhein-westfälische Gemeindeordnung ν 22.12.1975 (GVB1 1976 1) idF ν 14.7.1994 (GVNW 666) m 1 Änd ν 12.12.1995 (GVNW 1199) Nordrhein-westfalische Verwaltungsblätter oben Ordnung oben angegeben oder ähnlich Oberfinanzdirektion oben genannt Offene Handelsgesellschaft ohne Jahr Oberlandesgericht Öffentlicher Personennahverkehr Gesetz über die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden ν 23.11.1992 (GVB1 350) m 1 Änd ν 12.11.1997 (GVB1 596) - zum Beginn der 14. WP aufgehoben und durch den Anhang zum ASOG ersetzt ohne Verfasser Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten idF ν 2.1.1975 (BGBl 80) m 1 Änd ν 26.1.1998 (BGBl 164) Parlamentarischer Rat Gesetz über die politischen Parteien Berliner Personalvertretungsgesetz ν 26.7.1974 (GVB11669) idF ν 14.7.1994 (GVB1 337) m 1 Änd ν 2.11.1997 (GVB1 596) Bin Gesetz über die Behandlung von Petitionen an das AvB (Petitionsgesetz) ν 25.11.1969 (GVB12511) persönlich haftender Gesellschafter
Abkürzungsverzeichnis PolPr pr PresseG PrAvB PrBRH PrLRH Prot RA RAussch RB RBG RdB RdErl Rdschr RechO RechtsVO Reg RG RGBl RHG RHO RhPf, rhpf Ri RiA RiGWO RiWO Rn ROW Rs Rspr RuP RuStAngG RV RVermG RVO RzW S
Polizeipräsident preußisch Berliner Pressegesetz ν 15.6.1965 (GVB1 744) m 1 Änd ν 15.10.1999 (GVB1 564) Präsident des Abgeordnetenhauses Präsident des Bundesrechnungshofes Präsident des Landesrechnungshofes Protokoll Rechtsanwalt Rechtsausschuss Regierender Bürgermeister Reichsbeamtengesetz idF ν 18.5.1907 Rat der Bürgermeister Runderlaß Rundschreiben Rechnungsordnung Rechtsverordnung Regierung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Bin Gesetz über den Rechnungshof ν 21.7.1966 (GVB1 1145) idF ν 1.1.1980 (GVB1 2) m 1 Änd ν 17.4.1984 (GVB1 600) Reichshaushaltsordnung ν 21.12.1922 (RGBl 23 II 17) m 1 Änd ν 23.4.1934 (RGBl I 232) Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch Richtlinie Richter im Amt Wahlordnung zum Berliner Richtergesetz ν 25.3.1963 (GVB1 385) idF ν 26.8.1988 (GVB1 1650) Richterwahlordnung ν 9.1.1951 (VOB1 240) idF ν 27.3.1970 (GVB1650) Randnummer (-ziffer) Recht in Ost und West Rechtssache Rechtsprechung Recht und Politik s StAG Verfassung des Deutschen Reiches ν 16.4.1871 (RGBl 63) Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen ν 16.5.1961 (BGBl 597) Reichsversicherungsordnung Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht (Beilage zur NJW 1949/1950) Seite, Satz
XXXI
Abkürzungsverzeichnis s sa Saarl, saarl SaarlLTG Sachs, sächs SächsVBl sachsen-anh SBZ SchlH SenG
SFB SG SGB schlhGemO
Slg so sog SöR sowj Sp st StA StAG
siehe siehe auch Saarland, saarländisch Gesetz über den Landtag des Saarlandes ν 20.6.1973 ( A B l 525) Sachsen, sächsisch Sächsische Verwaltungsblätter sachsen-anhaltinisch, s a L S A Sowjetische Besatzungszone Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Gesetz über die Rechtstellung der Mitglieder des Senats ν 1.6.1975 (GVB1 1479) idF ν 1.3.1979 (GVB1 469) m 1 Ä n d ν 22.12.1998 (GVB1431) Sender Freies Berlin Sozialgericht Sozialgesetzbuch Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein idF ν 23.7.1996 ( G V O B 1 529, ber 1997 350) m 1 Ä n d ν 16.12.1997 ( G V O B 1 4 7 4 ) Sammlung
StGH
siehe oben sogenannt(e) Schriften zum Öffentlichen Recht sowjetisch Spalte ständig Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Staatsangehörigkeitsgesetz ν 22.7.1913 ( R G B l 583) m 1 Ä n d ν 15.7.1999 ( B G B l 1618) Stenographische Berichte Stenographische Berichte des Abgeordnetenhauses von Berlin Stenographische Berichte der Stadtverordnetenversammlung Steuergnadengesetz ν 22.5.1957 (GVB1 515) Strafgesetzbuch pr Gesetz über die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin ν 27.4.1920 ( G S 123) m 1 Ä n d ν 30.3.1931 ( G S 39) Staatsgerichthof
StPO str StrG stRspr StRAnpG
Strafprozessordnung strittig, streitig Bin Straßengesetz ν 28.2.1985 (GVB1 518) ständige Rechtsprechung Strafrechtsanpassungsgesetz ν 3.12.1974
StV
(GVB12746) Stadtverordneter
StVV
Stadtverordnetenversammlung
StB StBAvB StBStVV SteuerGnadG StGB StGemG
XXXII
Abkürzungsverzeichnis su SvB s Zt
siehe unten Senat von Berlin seiner Zeit
teilw Thür, thür ThürVBl Tz
teilweise Thüringen, thüringisch Thüringer Verwaltungsblätter Textziffer
u ua uä uam Überbl Übk ÜbernahmeVO üM umstr unstr UntAG UnterbrG
unten unter anderem, und andere und ähnliche und anderes mehr Überblick Übereinkommen Übernahmeverordnung überwiegende Meinung umstritten unstrittig, unstreitig s BlnUntAG Bin Gesetz über die Unterbringung von Geisteskranken, Geistesschwachen und Suchtkranken ν 5.6.1958 (GVB1 521) unveröffentlicht unzutreffend United Nations (Vereinte Nationen) Dokument der Vereinten Nationen Urteil und so weiter unter Umständen und vieles mehr
unv unztr UN UN-Doc Urt usw uU uvm ν VA Vbm VBB VereinhG
VereinsG Verf VerfG VerfGH
von, vom Verwaltungsakt; Vier-Mächte-Abkommen über Berlin ν 3.9.1971 Vorbemerkung Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg Gesetz über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts ν 28.11.1990 (GVB1 2119) ua geänd durch 2. VereinhG ν 10.12.1990 (GVB1 2289), 3. VereinhG ν 19.12.1991 (GVB1 294), 4. VereinhG ν 23.6.1992 (GVB1200), 5. VereinhG ν 18.3.1993 (GVB1121), m 1 Änd ν 1.11.1995 (GVB1 707) (Bundes-)Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinswesens (Vereinsgesetz) Verfassung(en); s Die Landesverfassungen Verfassungsgericht Verfassungsgerichtshof
XXXIII
Abkürzungsverzeichnis VerfGHG VerfOst
Verh VermG VermO Vers VerwRefG VG VGG vgl vH VKüG
VO VOB1 Vor Voraufl VR VVDStRL VVGB VVVG VvB VvB 1950 VwArch VwGO VwRspr VwVfG WiO w Nachw b WP WPG WprüfG
XXXIV
Bin Verfassungsgerichtshofgesetz ν 8.11.1990 (GVB1 2246) m 1 Änd ν 11.6.1997 (GVB1 304) Verfassung für Berlin (Ost) ν 22.4.1948 idF des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung von Berlin ν 11.7.1990 (GVAB1 1) Verhandlung (Bundes-)Vermögensgesetz idF ν 21.12.1998 (BGBl 4026) Vermögensordnung ν 30.6.1969 (DB1 1969 I Nr. 55) Versicherung (Bin) 2. Verwaltungsreformgesetz ν 25.6.1998 (GVB1 177) Verwaltungsgericht Bin Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (3. Verwaltungsreformgesetz ν 17.5.1999 (GVB1 171)) vergleiche von Hundert Bin Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen ν 29.1.1953 (GVB1106) m 1 Änd ν 9.11.1995 (GVB1 764) Verordnung Verordnungsblatt Vorbemerkungen Vorauflage - Pfennig/Neumann (Hrsg), Verfassung von Berlin, Kommentar, 2. Auflage, Berlin, 1987 Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin ν 19.8.1946 (VOB1 295) Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid ν 11.6.1997 (GVB1 304) Verfassung von Berlin ν 23.11.1995 (GVB1 779) m 1 Änd ν 3.4.1998 (GVB1 82) Verfassung von Berlin ν 1.9.1950 (VOB1 433) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtsordnung Sammlung der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetz; Bin Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaftsordnung ν 9.11.1971 (DB1 1971 I Nr. 99) weitere Nachweise bei Wahlperiode Bin Wahlprüfungsgericht Gesetz über die Prüfung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen ν 16.10.1958 (GVB1 1021)
Abkürzungsverzeichnis WRV
Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung)
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Parlamentsfragen zitiert Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Parlamentsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend zum Teil zutreffend zur Zeit
zB ZBK ZfP zit ZLuftR ZParlR ZPO ZRP zust zT zutr zZ
XXXV
Die Landesverfassungen BW Verf BayVerf VvB 1950 VvB BbgVerf BremVerf HmbVerf Hess Verf MV Verf NdsVerf NW Verf RhPfVerf SaarlVerf SächsVerf LSAVerf SchlH Verf ThürVerf
Verfassung des Landes Baden-Würtemberg ν 11.11.1953 (GBl 173) m 1 Ànd ν 15.2.1995 (GBl 269) Verfassung des Freistaates Bayern ν 2.12.1946 (Bay BS I 3) m 1 Änd ν 27.10.1995 (GVB1 730) Verfassung von Berlin ν 1.9.1950 (VOB1 I S 433) m 1 Änd ν 8.6.1995 (GVBl 339), außer Kraft getreten am 29.11.1995 Verfassung von Berlin ν 23.11.1995 (GVBl 779) m 1 Änd ν 3.4.1998 (GVBl 82) Verfassung des Landes Brandenburg ν 20.8.1992 (GVBl I 298) m 1 Änd ν 24.6.1997 (GVBl 68) Verfassung der Freien Hansestadt Bremen ν 21.10.1947 (GBl 251) m 1 Änd ν 7.1.1994 (GBl 289) Landesverfassung der Freien und Hansestadt Hamburg ν 6.6. 1952 (B11 100a) m 1 Änd ν 20.6.1996 (GVBl 129) Verfassung des Landes Hessen ν 1.12.1946 (GVBl 229) m 1 Änd ν 20.3.1991 (GVBl 101, 102) Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ν 23.5. 1993 (GVOB1 371) Niedersächsische Verfassung ν 19.5.1993 (GVBl 107) m 1 Änd v21.11.1997 (GVBl 480) Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen ν 18.6.1950 (GV 127) m 1 Änd ν 14.11.1992 (GV 448) Verfassung für Rheinland-Pfalz ν 18.5.1947 (VOB1 209) m 1 Änd ν 13.12.1993 (GVBl 591) Verfassung des Saarlandes ν 15.12.1947 (ABl 1077) m 1 Änd ν 27.3.1996 (ABl 422) Verfassung des Freistaates Sachsen ν 27.5.1992 (GVBl 243) m 1 Änd ν 12.12.1997 (GVBl 529) Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ν 16.7.1992 (GVBl 600) Verfassung des Landes Schleswig-Holstein ν 13.6.1990 (GVOB1 391) m 1 Änd ν 27.9.1998 (GVOB1280) Verfassung des Freistaates Thüringen ν 25.10.1993 (GVBl 625)
XXXVII
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XLV
Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 (GVB1 S 779); zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 1998 (GVB1 S 82) Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat am 8. Juni 1995 folgende Verfassung beschlossen, der die Bevölkerung Berlins in der Volksabstimmung vom 22. Oktober 1995 zugestimmt hat.
Vorspruch In dem Willen, Freiheit und Recht jedes einzelnen zu schützen, Gemeinschaft und Wirtschaft demokratisch zu ordnen und dem Geist des sozialen Fortschritts und des Friedens zu dienen, hat sich Berlin, die Hauptstadt des vereinten Deutschlands, diese Verfassung gegeben:
Erläuterungen Der Vorspruch der VvB betont zunächst den Willen des Verfas- 1 sungsgebers, nach den Jahren der Diktatur und Spaltung Freiheit und Recht der Menschen in ganz Berlin besonders zu schützen. Er ist Hinweis auf die im Abschnitt II der Verfassung aufgeführten Grundrechte der Berliner Einwohner, deren Schutz mit allen staatlichen Mitteln er zusichert. Gleichzeitig bringt der Vorspruch zum Ausdruck, daß nunmehr in Abkehr von den Diktaturen das gesamte Gemeinwesen demokratisch geordnet sein soll. Zusammen mit dem Hinweis auf den Willen nach sozialem Fortschritt ist dies dahingehend zu verstehen, daß Berlin ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat1 ist, dessen Staatsgewalt im Geist des Friedens ausgeübt wird.
1
Ein unmittelbar rügefähiges individuelles Recht ergibt sich hieraus nicht, LVerfGH LVerfGE 1,81.
1
Vorspruch
2
Der Hinweis, Berlin als die Hauptstadt des vereinten Deutschlands habe sich diese neue Verfassung gegeben, bringt zum Ausdruck, daß Berlin seine zentrale Kraft als Deutschlands Hauptstadt nicht verloren hat, sondern nach Beendigung der Spaltung Deutschlands und Berlins seine natürliche Funktion wieder eingenommen hat. 3 Der Ausdruck, daß sich „Berlin" diese Verfassung gegeben hat, ist keine Mißachtung der Berliner Bürger als Inhaber der Staatsgewalt 2 , zumal die wahlberechtigten Bürger dieser Verfassung in der Volksabstimmung am 22. Oktober 1995 mit hinreichend großer Mehrheit zugestimmt haben und damit Berlin sich durch seinen Souverän diese Verfassung gegeben hat. Der Ausdruck ist vielmehr als Hinweis darauf zu verstehen, daß Berlin unverändert ein Land3 geblieben ist, das sich selbst eine Verfassung gibt, nachdem es in den Jahrhunderten seines Bestehens als Stadt die Verfassung immer von übergeordneten Instanzen erhalten hatte. 4 An diesem Status hat der EinigungsV nichts geändert, auch wenn er dem Verfassungsgeber in Bund und Land nahegelegt hat, Berlin und Brandenburg zu einem gemeinsamen Bundesland werden zu lassen.5
2 Vgl Art 2 Rn 1 und 5 ff. 3 Vgl dazu Art 1 Rn 2f und Zivier § 25.1. 4 Landsberg/Goetz S 40 f. 5 Vgl dazu Art 97 Rn 1 ff und Art 5 EinigungsV.
2
Abschnitt I Die Grundlagen
Artikel 1 (1) Berlin ist ein deutsches Land und zugleich eine Stadt. (2) Berlin ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. (3) Grundgesetz und Gesetze der Bundesrepublik Deutschland sind für Berlin bindend. Materialien 1. vgl zu Art 1 I: Art 1 1 BayVerf; 64, 143 BremVerf; 1 HmbVerf; 65 HessVerf; 1 I MV Verf; 1 I 1 NdsVerf; 1 I Satz 2 NW Verf; 74 I RhPfVerf; 60 SaarLVerf; 1 Satz 1 SächsVerf; 1 I LSA Verf; 1 SchlH Verf; 44 I ThürVerf zu Art 1 II: Präambel GG; 23 II BW Verf; 178 BayVerf; 1 I BbgVerf; 64, 143 BremVerf; 1 HmbVerf; 64 und Präambel HessVerf; 1 II MV Verf; 1 II 2 NdsVerf; 1 II NW Verf; 74 I RhPfVerf; 60 SaarlVerf; 1 Satz 1 SächsVerf; 1 1 LSA Verf; 1 SchlH Verf; 44 1 ThürVerf zu Art 1 III: Art 2 I BW Verf; 2 III V BbgVerf; 152 BremVerf; 64 II Satz 2 HmbVerf; 153 I 151 152 HessVerf; 5 III MV Verf; 2 II 3 II NdsVerf; 4 I NW Verf; 141 RhPfVerf; 97 Nr 3 SaarLVerf; 77 I, 81 Nr 3 SächsVerf; LSA Verf 2 IV 75 Nr 5 2. VVGB: Art 1; VvB 1950: Art 1 3. Änderungen: Die Fassung des Art 1 ist unverändert seit dem 1. September 1950.1
Erläuterungen A r t 1 I legt den Doppelcharakter Berlins als einer Gebietskörper- 1 schaft fest, die L a n d u n d zugleich Stadt ist.
1
VOB11 S 433; zu damaligen Einschränkungen vgl Fn 7, 8 und 11. 3
Art. 1 2
Abschnitt I : Die Grundlagen
Die Frage des Doppelcharakters Berlins als Stadt und Land stand schon im Mittelpunkt der Erörterungen der StVV und war zwischen den Fraktionen der SPD, CDU und LPD einerseits und der SED 2 andererseits kontrovers. Bereits wegen grundsätzlicher Ablehnung der föderalen Struktur Deutschlands und mit der weiteren Begründung, dass Berlin als gegenwärtiger und zukünftiger Mittelpunkt Deutschlands eine Sonderstellung einnehmen müsse, sah die SED in ihrem Entwurf folgende Bestimmung vor (Art 1): „Berlin ist eine Stadt und die Hauptstadt Deutschlands. Als Hauptstadt gehört sie keinem der deutschen Länder an."
Demgegenüber waren sich alle anderen Fraktionen einig, dass Berlin nach der Auflösung Preußens ein selbständiges Land sein müsse. Die Vorstellungen von SPD und CDU gingen anfangs nur in der Frage auseinander, ob Berlin ein Land, bestehend aus einzelnen Gemeinden (SPD), oder Land und Stadt zugleich (CDU) sein solle. 3 Nach überwiegender Ansicht entwickelte sich Groß-Berlin bereits in den Jahren 1945 bis 1949 von einer Stadtgemeinde und einem staatlichen Verwaltungsbezirk zu einem Land. 3 Nach der faktischen Auflösung Preußens bei Kriegsende, bestätigt durch das KRG Nr 46 vom 25. Februar 1947 (VOB1 S 68), wurde Groß-Berlin mangels Einbeziehung in das Gebiet eines anderen deutschen Landes die „für das Gebiet der Stadtgemeinde Berlin alleinige berufene öffentliche Gebietskörperschaft", so Art 1 I VVGB. Mit dem Übergang der staatlichen Befugnisse des ehemaligen Deutschen Reiches und des Landes Preußen auf die Stadt Berlin erwarb diese den Status eines Landes. Wegen der Allkompetenz der Besatzungsmächte in der ersten Zeit nach dem Kriege ist allerdings zweifelhaft, von welchem Zeitpunkt an ein Übergang der staatlichen Befugnisse auf Berlin erfolgte.4
2
Jetziger Name: PDS, vgl „Neues Deutschland", Berlin (Ost) vom 5.2.1990, abgedruckt in Texte zur Deutschlandpolitik, Reihe III. Band 8 a, 1990, hrsg vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. 3 Kreutzer DÖV 1969, 11, 13; Rauschning EA 1961, 667; aA und für konstitutive Bedeutung des Art 1 I wohl LandsberglGoetz S 45; Püttner D Ö V 1969, 829. Die jetzige Fassung des Art 1 I existierte bereits in dem von Gesamtberliner StVV beschlossenen Entwurf der VvB vom 22.4.1948, zu deren Genehmigung durch die A K B es wegen der Spaltung der Stadt nicht mehr kam (vgl dazu Voraufl Art 1 Rn 10). 4 Einzelheiten hierzu bei Nagel S 79 ff und die Präambel der von den vier Alliierten Kommandanten in der AKB (vgl dazu Voraufl Art 1 Rn 9 ff, 2Iff, 44ff, 121 ff) vor den Wahlen zur StVV im Oktober 1946 erlassenen VVGB ν 13.8.1946, abgedr in LandsberglGoetz, S 222ff.
4
Status Berlins (Pfennig)
Art. 1
Unter Berlin im Sinne der VvB ist „Groß-Berlin" zu verstehen, dh die Stadtgemeinde, die auf Grund des preußischen StGemG vom 27. April 1920 durch Zusammenschluß mehrerer Stadt- und Landgemeinden sowie Gutsbezirke entstanden ist, zuzüglich der durch die Regelungen des EinigungsV5 von Brandenburg zu Berlin endgültig durch Eingemeindung hinzugekommenen Flächen. Von den 20 auf Grund dieses Gesetzes gebildeten Verwaltungsbezirken gehörten während der Spaltung 12 zum westlichen und 8, später faktisch 11 zum östlichen Teil der Stadt 6 . Durch den EinigungsV gelangten alle Gebiete zu Berlin, in denen jemals zum Abgeordnetenhaus oder zur Stadtverordnetenversammlung von Berlin gewählt wurde. So kam West-Staaken wieder zum Bezirk Spandau, die Bezirke Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf wurden mit ihrem gesamten, zT in Brandenburg gelegenen Gebiet als Bezirke Berlins anerkannt. Das Gebiet Berlins ist nunmehr durch Art 41 umschrieben. Infolge der politischen Entwicklung konnte die VvB von Anfang an 4 zwar nur in West-Berlin wirksam werden. In ihren wesentlichen Teilen ist sie jedoch noch von der Gesamtberliner S t W beschlossen worden. Darauf beruhte ihr Geltungsanspruch für Groß-Berlin.7 Zum damaligen Zeitpunkt war die Teilung der Stadt noch nicht erfolgt.8 Entsprechend Art 1 II EinigungsV und der seit dem EinigungsG 9 geltenden Präambel des GG mit ihrer Aufzählung der Bundesländer sowie dem bis dahin geltenden Art 23 I GG aF war eine Neufassung des Art 1 VvB 1950 auch im Jahr 1990 unnötig: mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet10, also auch in ganz Berlin, am 3. Oktober 1990 wurde der Geltungsanspruch der VvB 1950 für Groß-Berlin 11 verwirklicht, indem die nach DDR-Kommunalverfassungsrecht kreisfreie Stadt Berlin mit 11 Bezirken und West-
5
Art 1 EinigungsV mit Protokoll, s Fn 9. Zu den territorialen Grenzen im einzelnen vgl Erl zu Art 4 und in der Vorauflage zu Art 4. ι Vgl Denkschrift SvB, S 2. 8 Die 1950 in Kraft getretene Fassung des Art 1 mit den Einschränkungen des Art 87 und der Überprüfungsklausel des Art 88 II VvB 1950 spiegelt die Situation bei der Spaltung wieder. Die SED hatte zuletzt vorgeschlagen als Text: „Die Stadt Berlin ist die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und gehört keinem der deutschen Länder an", vgl Hans J. Reichhardt (Hrsg) Bd II S 1582. 9 Vom 23.09.1990, BGBl II, S 885, 890. 10 Zum Geltungsanspruch des G G für Berlin vor dem 3. Oktober 1990 vgl Vorauflage Art 1 Rn 31, 44 ff. 11 Vgl Vorauflage Art 1 Rn 2. 6
5
Art. 1
Abschnitt I : Die Grundlagen
Staaken als Teil des Bezirks Spandau tatsächlich entsprechend dem Landesverfassungsrecht kraft Bundesrecht in das bestehende, von alliierten Vorbehalten 12 nicht mehr berührte 13 , Bundesland Berlin integriert wurden 14 . Berlin war damit in allen seinen Teilen unter uneingeschränkter Geltung der VvB 1950 Land der Bundesrepublik Deutschland, nachdem Art 1 II und III VvB 1950 gemäß Art 87 I VvB 1950 bereits durch die Aufhebung des alliierten Status 15 in Kraft getreten waren. Dementsprechend beschrieb Art 1 VvB 1950 auch die Verfassungswirklichkeit seit dem 3. Oktober 1990 zutreffend, wenn auch nicht die politische Wirklichkeit des Jahres 1990 16 . Verfassungs- und staatsrechtliche Folge war kraft EinigungsV, also kraft Bundesrechts 17 , die Geltung des GG und der VvB 1950 ab 3. Oktober 1990 im gesamten Bundesland Berlin, darüber hinaus die Geltung allen Bundesrechts in der durch den EinigungsV und das 6. ÜLG 1 8 modifizierten Form sowie die Geltung allen unter der VvB 1950 erlassenen Rechts in der durch den EinigungsV und das 1. Berliner Gesetz über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts 19 modifizierten Form, ferner die Geltung des als Berliner Landesrecht gem. EinigungsV 20 und gem § 2 und Anlage 3 zum 1. Vereinheitlichungsgesetz fortgeltenden Rechts der D D R in den Teilen des Landes Berlin, in denen das G G bis zum 3.10.1990 nicht galt. Sinn-
Zum alliierten Status Gesamt-Berlins vgl Vorauflage Art 1 Rn 7 ff. „2 + 4-Vertrag" über die Souveränität Deutschlands; Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 1 2 . 9 . 1 9 9 0 , BGBl II S 1317, 1318 und Bekanntmachung über das Inkrafttreten vom 15.3.1991, BGBl II S 587. " Finkelnburg L K V 1991, 6, 7 und 8. 15 Erklärung der Vier Mächte über die Aussetzung ihrer Vorbehaltsrechte über Berlin und Deutschland als Ganzes vom 1 . 1 0 . 1 9 9 0 , in der Bekanntmachung vom 2 . 1 0 . 1 9 9 0 , BGBl II S 1331. 16 Im Jahr 1990 war die Beteiligung aller politischen Kräfte in West und Ost am Vereinigungsprozeß gewünscht. Deshalb nahmen auch Erwägungen über die Notwendigkeit einer neuen, „gemeinsam" zu erarbeitenden Verfassung für Berlin breiten Raum ein. Mit Rücksicht auf die VerfOst (s dazu Fn 25) hatte Berlin die VvB 1950 bereits geändert durch Gesetz vom 3. September 1990, GVB1 S 1877, vgl. dazu Finkelnburg L K V 1991, 6, 8. 17 Vgl Finkelnburg L K V 1991, 6, 7. 18 Gesetz zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin(West) vom 2 3 . 9 . 1990 (BGBl I S 2016). Vom 2 8 . 9 . 1 9 9 0 (GVB1 S 2119). 2 0 Vgl zB Protokoll zum Einigungsvertrag I Ziff 5 bzgl Kirchensteuerrecht (bis 3 1 . 1 2 . 1 9 9 0 ) , ferner zB Anlage 1 zum Einigungsvertrag Kap III Sachgebiet A Abschnitt IV zu Nr 3 Buchst A. 12 13
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Status Berlins (Pfennig)
Art. 1
gemäß gleiches galt für alle Organisations- und Verwaltungsentscheidungen sowie Rechtsprechungsakte. Nicht durch Bundesrecht vorgesehen war die Fortgeltung irgendwelchen Kommunalrechts 2 1 aus Zeiten der D D R , ferner nicht eine Fortgeltung irgendwelchen originären Landesrechts aus Zeiten der D D R , da es solches auf dem Gebiet der D D R bis z u m 3. Oktober 1990 nicht gab. Mithin gab es seit dem 3. Oktober 1990 auch nicht mehr irgendein v o n der am 6. Mai 1990 nach dem Kommunalverfassungsrecht 2 2 und dem Kommunalwahlgesetz 2 3 der D D R gewählten 2 4 StVV in Ost-Berlin jemals beschlossenes Recht einschließlich sog Landesverfassungsrechts 2 5 . Daran änderte auch nichts §1 II des 1. Berliner Vereinheitlichungsgesetzes, weil bereits zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 3. Oktober 1990 das in Bezug g e n o m m e n e v o n der StVV beschlossene Recht kraft EinigungsV nicht mehr galt.
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Vgl §5 Kommunalverfassung (Fn 22); als Landesrecht galt jedoch weiter die DDR-Entschädigungsverordnung für Kommunalverordnete. Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der D D R (Kommunalverfassung) vom 17.5.1950, GBl I S 255. Gesetz über die Wahlen zu Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen am 6. Mai 1990 vom 6.3.1990 (GBl I S. 99). Von Deutschen und Ausländern, §3 Abs 2 Kommunalwahlgesetz (aaO Fn 23). Der Anspruch der auf den „Runden Tisch" zurückgehenden, ohne Volksabstimmung beschlossenen Verfassung Ost, eine Landesverfassung zu sein, widersprach nicht nur der damals geltenden DDR-Verfassung, die keine Länderverfassungen zuließ (vgl Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der D D R [Verfassungsgrundsätze] vom 17.6.1990, GBl I S 229 und §§ 1 I, 20 Ländereinführungsgesetz vom 22. 7.1990 [GBl I S 955] mit ÄndG vom 13.9.1990 [GBl I S 1567]), sondern auch dem EinigungsV, der ein Bundesland Ost-Berlin mit einer fortgeltenden Verfassung bis zu einer Vereinigung mit Berlin (West) in Übereinstimmung mit dem Ländereinführungsgesetz der D D R nicht vorgesehen hatte. Insofern ist der Vergleich bei M. Finkelnburg (Die Ostberliner Verfassung vom 23. Juli 1990, Diss. 1995, 199) mit Baden und Würtemberg irrig, die als Bundesländer nach Art 23 S 1 G G aF bereits existierten. Die Verfassung Ost ist deshalb allenfalls eine Kommunalsatzung oder ein Entwurf einer Landesverfassung gewesen. Unzutreffend ist auch die Auffassung von Ziekow LKV 1999, 89, 91, wonach die VvB 1950 nur vorläufig ab 3.10.1990 galt. Dies war lediglich der (nicht erfüllte) Wunsch der VerfOst, deren Art 88 IV 2 Nr 1 davon sprach, daß eine „endgültige Verfassung von Berlin zu erarbeiten" und „durch Volksentscheid in Kraft zu setzen" sei, während Art 88 II VvB idF des 22. ÄndG vom 23.9.1990 (GVB1 S 197) zutreffend vorsah, daß die VvB 1950 einer Überarbeitung zu unterziehen war. 7
Art. 1
Abschnitt I : Die Grundlagen
Wegen der unmittelbar am 3. Oktober 1990 erfolgten Erstreckung der VvB 1950 auf das seit 1947 bestehende und das eingemeindete Gebiet Berlins hatte die Feststellung des neugewählten Abgeordnetenhauses am 11. Januar 1991 über die Gültigkeit der VvB 1950 als gesamtberliner Verfassung vor allem politische Bedeutung.26 Die damit in Kraft tretenden neuen Bestimmungen in Art 4 I, 49, 84 VvB 1950 wiederholten inhaltlich nur, was aufgrund des EinigungsV bundes(verfassungs)-rechtlich ohnehin galt. Der im Einigungsvertrag vorgesehene Grundsatz der Diskontinuität jeglicher DDR-Staatlichkeit 27 , mit Ausnahme der enumerativ aufgeführten und der zeitweise aufrechtzuerhaltenen Staatlichen Organe 28 sowie Rechts-, Organisations-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsakte, hatte bezüglich Berlins zur Folge, daß die Wiedervereinigung Berlins rechtstheoretisch schneller war als die Wiedervereinigung insgesamt. Der Teil Berlins, in dem die VvB bis zum 3. Oktober 1990 faktisch nicht galt und dessen Ost-Berliner Teil das Ländereinführungsgesetz 29 der DDR in § 1 II vorsorglich als mit „Landesbefugnissen" ab Bildung der Länder ausgestattet charakterisiert hatte, war ab Inkraftsetzung des GG im Beitrittsgebiet am 3. Oktober 1990 bereits in der Übergangszeit bis zur Wahl der Landtage in den fünf neuen Ländern am 14. Oktober 1990 und der Bildung der Landesregierungen von der Entwicklung dieser fünf Länder abgekoppelt. § 1 II des LändereinführungsG galt kraft EinigungV nicht fort. 30 Bundesrepublik und DDR hatten im EinigungsV vereinbart, daß es nach der Wiedervereinigung nur eine Verfassung, ein Parlament und eine Regierung31 in Berlin gab.32 Daran konnte auch 26
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Dasselbe gilt für die Feststellung des AvB, daß am 11. Januar 1991 die 12. WP des AvB begann. Damit war auch politisch ein Schlußstrich gezogen für die zwischenzeitliche deklatorische Mitbeschlussfassung der StVV bei der Berliner Gesetzgebung, die sich entgegen dem EinigungsV weigerte, ihre Arbeit zu beenden, vgl Finkelnburg LKV 1991, 6, 7. Zum Zeitpunkt des staatsrechtlichen Untergangs der DDR, vgl Stern; Schmidt-Bleibtreu (Hrsg) Einf 1. Teil A V 5a insb bb und Begründung zu Kap I Art 1 des EinigungsV, BTDrs. 11/7760 S 355ff. Landesbeauftragte und Bezirkstage. Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juli 1990 (GBl I Nr 51 S 955) idF vom 30. August 1990 (GBl I Nr 58 S 1422). Anlage II Sachgebiet A Abschnitt II zum EinigungsV. Art 16 EinigungsV mit Protokoll I 9 bringt zum Ausdruck, daß im Unterschied zu den fünf beitretenden Ländern es in Berlin keiner Regierungsbildung bedurfte, sondern (aus politischen Gründen) eine Senatserweiterung stattfinden würde. Finkelnburg LKV 1991, 6, 7.
Art. 2
Bevölkerung Berlins (Magen)
eine (aus durchaus guten Gründen) differierende politische Gestaltung der Wiedervereinigung in Berlin nichts ändern. Mit der Formulierung, daß Berlin ein deutsches Land ist, ist es bei 5 der Betonung der Eigenstaatlichkeit Berlins auch in der VvB 1995 geblieben. Sie ist begrenzt durch die Zugehörigkeit Berlins als Bundesland zur Bundesrepublik Deutschland, Art 1 II, und dem sich daraus ergebenden Vorrang des Grundgesetzes und der Bundesgesetze, Art 1 III. Berlin ist Land und Stadt zugleich. Staat und Gemeinde sind keine 6 verschiedenen Rechtssubjekte. Landesverwaltung und Stadtgemeindeverwaltung werden nicht getrennt, sondern von denselben Organen ausgeführt. 33 Stadtstaat in diesem Sinne ist neben Berlin nur noch Hamburg, während Bremen einen Gemeindeverband aus den Städten Bremen und Bremerhaven bildet. Kennzeichnend für die Stadtstaaten Hamburg und Berlin ist ihr zweistufiger Verwaltungsaufbau. Die Bezirke in Berlin sind im Gegensatz zu denen Hamburgs jedoch weitgehend kommunalisiert. Sie sind gemäß Art 66 II VvB an der Verwaltung Berlins nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung beteiligt und haben den Charakter von Selbstverwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit, §2 1 BzVG 34 Der Verwaltungsaufbau Berlins hat damit eine kommunalrechtliche Prägung, in der eine gewisse Abkehr von dem Grundsatz der Stadtstaatlichkeit zu sehen ist. 35
Artikel 2 Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben. Sie üben nach dieser Verfassung ihren Willen unmittelbar durch Wahl zu der Volksvertretung und durch Abstimmung, mittelbar durch die Volksvertretung aus. Die Vorschriften dieser Verfassung, die auch anderen Einwohnern Berlins eine Beteiligung an der staatlichen Willensbildung einräumen, bleiben unberührt. Materialien 1. vgl Art 20 GG; 25 BW Verf, 2 BayVerf; 2, 3 BbgVerf; 66 BremVerf; 3 HmbVerf; 70, 71 HessVerf; 3 MV Verf, 2 NdsVerf; 2 N W Verf; 74, 75 RhPfVerf; 61, 65 SaarlVerf; 3, 4 SächsVerf; 2, 42 LSA Verf; 2 SchlH Verf; 45, 46 ThürVerf 2. W G B : Art 2; VvB: 1950 Art 2. 33
Vgl Erl zu Art 3 und 66/67 sowie grundlegend Sendler JR 1985, 441 ff. 34 Vgl Art 66/67 Rn 3, 10. 35 Kreutzer DÖV 1959,429.
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Art. 2
Abschnitt I: Die Grundlagen
Erläuterungen 1
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Ebenso wie Art 20 Abs 2 GG, bestimmt Art 2, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Staatsvolk iSd Art 2 ist die Gesamtheit der Deutschen iSd Art 116 GG, die in Berlin ihren Wohnsitz haben. Unter Wohnsitz ist der melderechtliche Wohnsitz, die Hauptwohnung in Berlin zu verstehen (vgl Art 39). Öffentliche Gewalt iSd Verfassungsvorschrift ist die Staatsgewalt in Form ihrer drei Funktionen: Gesetzgebung (Legislative), ausführende Funktion (Exekutive) und Gerichtsbarkeit (Judikative). Das G G bekennt sich zur repräsentativen Demokratie (Art 20 GG). Während die WRV die Möglichkeit vorsah, auf Reichsebene Volksbegehren und Volksentscheide in bezug auf die Gesetzgebung (Art 73, 76 WRV) sowie die Wahl und Abwahl des Reichspräsidenten (Art 41, 43 WRV) durchzuführen, kennt das G G nur im Bereich der Neugliederung des Bundesgebietes die plebiszitären Instrumente des Volksbegehrens und Volksentscheides (Art 29 GG). Ein Sonderfall, der durch die Wiedervereinigung bedingt ist, ist eine vorgesehene Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg, die nach Art 118a G G eine Vereinbarung beider Länder durch Staatsvertrag und eine anschließende Volksabstimmung in beiden Ländern verlangt (Näheres siehe Komm, zu Art 97 VvB). Bis zum 17. ÄndG vom 22.11.1974 (GVB1 S 2741) sahen auch Art 3 Abs 1 iVm Art 45 Abs 2, 49 und 88 Abs 2 neben der Gesetzgebung durch das AvB auch die Möglichkeit der Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid vor. Die entsprechenden Gesetzentwürfe des SvB und aus der Mitte des AvB für ein Ausführungsgesetz sind seinerzeit nicht verabschiedet worden. Die Gründe dafür ergeben sich aus den Erläuterungen zu Art 61 Rn 6. Daher beschränkte sich seinerzeit ein Volksentscheid nur auf die vorzeitige Beendigung der W P des AvB (vgl Art 39 Abs 3); bis zum 20. ÄndG VvB vom 26.2.1981 (GVB1 S 346) hieß es „vorzeitige Auflösung des AvB". Nunmehr ist auch die Volksgesetzgebung möglich (vgl Art 62-63). Die Teilhabe des Volkes an der Staatsgewalt beschränkt sich auf die Teilnahme an den Wahlen zum AvB und zu den BVVen sowie an der Befassungsinitiative (Art 61), Volksbegehren (Art 62) und Volksentscheid (Art 63). Auf bezirklicher Ebene kann das Volk an Bürgerbegehren (§§40 ff BzVG) teilnehmen. Die neu aufgenommene Vorschrift, die anderen Einwohnern Berlins (Ausländern und Staatenlose) eine Beteiligung an der staatlichen Willensbildung einräumt, bezieht sich auf die durch Art 70 geschaf10
Bevölkerung Berlins (Magen)
Art. 2
fene Möglichkeit, daß auch Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der EU an den Wahlen zur BVV teilnehmen können (vgl Art 70 Rn 6). Bei der sogenannten Befassungsinitiative (Art 61) sind alle volljährigen Einwohner Berlins, also auch Angehörige von nicht der Europäischen Union angehörigen Staaten und Staatenlose, aktiv abstimmungsberechtigt (vgl Art 61 Rn 12). Die VvB geht von einer Volksvertretung aus, dh nur das AvB soll 6 die Stellung der Volksvertretung besitzen. Das wird auch durch Art 3 Abs 1 deutlich, wonach nur das Verfassungsorgan, das Gesetzgebungsbefugnisse hat, die Volksvertretung ist. Zweifel können jedoch bestehen, ob nicht auch die BVVs örtliche Volksvertretungen sind. Wegen ihres Zustandekommens (Wahl durch die deutsche Bevölkerung und durch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EU des Bezirks, ihre Organisation, Arbeitsweise und Kontrollaufgaben) könnte man sie als lokale Volksvertretungen ansehen. 1 Die heutige Auffassung geht davon aus, daß die BVVen, da sie in der Verfassung in dem Abschnitt über die „Verwaltung" stehen, Teil der Verwaltung Berlins sind. 2 Daher dürfte die Bezeichnung als „örtliches Mitwirkungsorgan" der Stellung der BVVen eher gerecht werden. Da sowohl der SvB in seiner Gesamtheit, als auch die Präsidenten 7 der oberen Landesgerichte vom AvB gewählt werden (Art 82 Abs 2), und Berufsrichter nur nach Mitwirkung eines vom AvB zu bildenden Richterwahlausschusses 3 auf Lebenszeit ernannt werden dürfen (BlnRiG), hat das Volk auch mittelbar über das AvB Einfluß auf die Exekutive und Judikative. Ebenso wird das Volk bei der Wahl des BzA an der Zusammensetzung der Verwaltungsbehörde des Bezirks und durch die Schöffenvorauswahl (§ 36 Abs 1 GVG) und der ehrenamtlichen Richter am VG und OVG (§28 VwGO) durch die BVVen an der Berufung der Laienrichter mittelbar beteiligt.
1
Oehler Verfassung und Verwaltung der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände, 1929 S 58. Ebenso Machalet Berliner Bezirksverwaltung, 1974 S 116; Srocke Bezirksverwaltungsgesetz von Berlin, 1979 S 7; Breitfeld Die verfassungsrechtliche Stellung der Berliner Bezirke, 1953 S 78, Zivier Verfassung und Verwaltung von Berlin, 3. Aufl 1998 S 322ff. 2 VerfGH JR 1996, 54. 3 Zu dessen fehlender Absicherung in der VvB vgl Art 82 Rn 4.
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Art. 3
Abschnitt I: Die Grundlagen
Artikel 3 (1) Die gesetzgebende Gewalt wird durch Abstimmung und durch die Volksvertretung ausgeübt. Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Regierung und der Verwaltung, die richterliche Gewalt in den Händen unabhängiger Gerichte. (2) Volksvertretung, Regierung und Verwaltung einschließlich der Bezirksverwaltungen nehmen die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahr. Materialien 1. vgl. Art 20 II 2 GG; Art 25 III, 27 II, 45, 65 BW Verf; Art 5 BayVerf; Art 2 IV BbgVerf; Art 67 Brem Verf; Art 48 II, 33, 55, 65 4 I HmbVerf; Art 116, 126 HessVerf; Art 20 I, 41 I, 69, 76 M V Verf; Art 28 I, 42 II, 56 I NdsVerf; Art 3, 56 II, 72, 77 N W Verf; Art 77, 107, 121 RhPfVerf; Art 65 II, 91, 109 SaarlVerf; Art 3 II Satz 2, 70 II, 77 I, 82 I SächsVerf; Art 2 II, 41 I, 77 I, 83 I, 86 I LSA Verf; Art 2 II-III, 10 I Satz 3, 26 I, 37 II, 43 I SchlH Verf; Art 47 I-III, 70 I, 81 II, 86 I, 90 ThürVerf 2. VVGB: Art 2 III; VvB 1950: Art 3 Änderungen: -
Erläuterungen 1
Art 3 I bringt das Gewaltenteilungsprinzip zum Ausdruck. Die SED wollte dieses von ihr abgelehnte verfassungstheoretische Prinzip dadurch unterlaufen, daß dem Art 3 ein dritter Absatz angefügt werden sollte: „Die Volksvertretung übt die Kontrolle über die gesamte Verwaltung und die Ausführung der Gesetze aus." Dieser Zusatz sollte insbesondere die Unabhängigkeit der Gerichte begrenzen. 2 Wie Art 20 II 2 G G legt Art 3 I VvB ausdrücklich als verfassungsrechtlichen Grundsatz das Gewaltenteilungsprinzip fest. Da die Gewaltenteilung zum Wesen des Rechtsstaats gehört 1 , ist Berlin durch Art 28 I 1 G G hierzu verpflichtet. 3 Durch Art 3 I wird die Staatsgewalt („Öffentliche Gewalt" iS des Art 2 I) nicht aufgeteilt, sondern hinsichtlich ihrer Ausübung behält diese Vorschrift dreifach gegliederte Staatstätigkeiten auch dreifach gegliederten Staatsorganen vor. Art 3 I weist die Legislative
• Herzog in M D H S Art 20 Abschn V Rn 124.
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Staatsfunktionen (Pfennig)
Art. 3
(Art 59ff) den wahlberechtigten2 Einwohnern Berlins (Art 62, 63) und der Volksvertretung (AvB, Art 38), die Exekutive der Regierung (SvB, Art 55) und ihren Verwaltungsstellen, die Judikative unabhängigen Gerichten (Art 79) zu. Der auf der Montesquieuschen Dreiteilungslehre beruhende Grund- 4 satz der Gewaltenteilung ist nicht als scharfe Trennung der Funktionen der einheitlichen Staatsgewalt zu verstehen. Die Gewaltentrennung ist nicht restlos durchgeführt, vielmehr sind alle drei Gewalten miteinander verschränkt, wie zB Art 64 und Art 82 zeigen. Der Grundsatz besagt, daß keines der drei Organe in den Bereich der Zuständigkeit eines der beiden anderen Organe übergreifen soll, vielmehr alle drei Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen sollen, um die Staatsmacht im Interesse der Freiheit des einzelnen zu beschränken. Mit der gesetzgebenden Gewalt ist die Rechtsetzung im Sinne der 5 Art 59, 60 und 62 gemeint. Wenn Art 3 I bestimmt, daß die Exekutive in den Händen der Regierung (des SvB3) und der ihr nachgeordneten Verwaltung liegt, so unterscheiden dementsprechend die Art 5 5 ff die Regierungstätigkeit ieS als Teil der Exekutive von der Verwaltung im allgemeinen, insbesondere auch durch die Bezirke, die durch Art 66 ff geregelt wird. Nachgeordnete Verwaltung iS des Art 3 I ist dabei nicht nur die in Art 67 angesprochene Hauptverwaltung, durch die der SvB zentrale Aufgaben wahrnimmt, nachgeordnet sind vielmehr auch die Verwaltungen der Bezirke, die die sonstigen Angelegenheiten der Verwaltung wahrnehmen (Art 67 II), obwohl diese Verwaltungen dem SvB nicht untergeordnet sind wie die Hauptverwaltung, insbesondere nicht seiner direkten Aufsicht unterstehen. Die Verwaltungen der Bezirke sind in die Gesamtverwaltung eingeordnet und an der Gesamtverwaltung beteiligt im Rahmen der vom SvB bestimmten Grundsätze und der von ihm aufgestellten Richtlinien für die Verwaltung. Insoweit sind sie dem SvB nachgeordnete Verwaltung und deshalb zwar nicht in Art 3 I 2 als Teile der vollziehenden Gewalt besonders aufgeführt, aber in Art 3 II als Aufgabenträger erwähnt. Zu der nachgeordneten Verwaltung 4 gehören im übrigen auch die 6 Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts des Landes Berlin, die als mittelbare Staatsverwaltung Teil der
2
Vgl dazu Erläuterungen zu den Art 61 bis 63. 3 Vgl Hürth JR 1986, 221, 222. 4 Vgl dazu im einzelnen Art 66/67 Rn 4 ff.
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Art. 3
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Abschnitt I : Die Grundlagen
Hauptverwaltung sind. Hierzu zählen zB die Rechtsanwalts-, Notarund Ärztekammern, Universitäten, die DKLB-Stiftung. Durch Art 3 1 2 wird die Rechtsprechung als selbständige und unabhängige dritte Gewalt festgelegt. „Rechtsprechung" ist die Entscheidung dessen, was in Anwendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Tatbestand rechtens ist, durch eine neutrale Instanz. 5 Die rechtsprechende Gewalt ist gegen Einwirkungen der beiden anderen Gewalten stärker abgeschirmt als umgekehrt. Akte der Rechtsetzung und der Exekutive sind ihrer Kontrolle unterworfen 6 . Deshalb müssen die Gerichte vor allem von der Exekutive getrennte Institutionen sein.7 Art 3 1 2 bringt gleichzeitig wie Art 92 GG zum Ausdruck, daß Akte der rechtsprechenden Gewalt nicht von den Trägern der beiden anderen Gewalten getroffen werden dürfen 8 , weil sie ausdrücklich in die Hände unabhängiger Gerichte gelegt sind. Art 3 II ist im Zusammenhang mit Art 1 I zu sehen. Danach sind Landesverwaltung und Stadtgemeindeverwaltung nicht getrennt, sondern werden von denselben Organen ausgeführt. 9 Art 3 II bezeichnet die Aufgaben Berlins als gleichzeitig die einer „Gemeinde", eines „Gemeindeverbandes" und eines „Landes". Alle drei Aufgabenkreise zusammen sind von der Volksvertretung, nicht jedoch vom (Wahl)Volk 10 , von Regierung und Verwaltung wahrzunehmen, da Staat und Gemeinde keine verschiedenen Rechtssubjekte sind. Mithin haben das AvB und der SvB mit seinen Verwaltungsbehörden nicht nur die staatlichen Aufgaben eines Landes wahrzunehmen, sondern auch gleichzeitig die kommunalen Aufgaben der Stadtgemeinde Berlin, während die Bezirksverwaltungen grundsätzlich nur die örtlichen kommunalen Aufgaben wahrnehmen (Art 66 II, 67 III 2). Der Hinweis auf die Aufgaben eines Gemeindeverbandes bedeutet nicht, daß die Verwaltungsbezirke Berlins die Stellung selbständiger Gemeinden und die Gesamtstadt die Stellung eines Gemeindeverbandes hätte. Er ist lediglich dadurch verständlich, daß Berlin mit dem StGemG auch die Aufgaben aus dem Aufgabenkreis einer früheren Provinz (als Gemeindeverband) übernommen hatte, obwohl Berlin
5
Zum Begriff und dem Problem seiner selbständigen Definition vgl Herzog in M D H S Art 20 Abschn V Rn 70 ff, Art 92 Rn 22 ff. 6 S im einzelnen bei Art 80 und 84. 7 Vgl BVerfGE 4, 331, 346; 27, 312, 321. « Vgl BVerfGE 22,49, 76, 81. 9 Vgl Art 1, Rn 3, 4, 6; vgl grundlegend Sendler JR 1985, 441 ff. 10 Zu dessen Aufgabenbeschränkungen vgl die Erl zu Art 61 und 62.
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Art. 4
Gebiet Berlins (Neumann)
nach diesem Gesetz Einheitsgemeinde und ein Stadtkreis wurde, aber gleichzeitig die Stellung einer Provinz hatte. Berlin ist als Stadt Einheitsgemeinde geblieben, AvB und SvB mit nachgeordneter Verwaltung haben neben den Landesaufgaben auch die der Einheitsgemeinde zu erfüllen.
Artikel 4 1 (1) Berlin umfaBt die Bezirke Mitte, Tiergarten, Wedding, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg, Charlottenburg, Spandau, Wilmersdorf, Zehlendorf, Schöneberg, Steglitz, Tempelhof, Neukölln, Treptow, Köpenick, Lichtenberg, Weißensee, Pankow, Reinickendorf, Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf. (2) Jede Änderung seines Gebietes bedarf der Zustimmung der Volksvertretung. Eine Änderung der Zahl und der Grenzen der Bezirke kann nur durch Gesetz vorgenommen werden. Für Grenzänderungen von geringerer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. ι Art 4 erhält durch das 2. ÄndG ν 3.4.1998 (GVB1 S 82) ab 1. Januar 2001 folgende Fassung: „Artikel 4 (1) Berlin gliedert sich in zwölf Bezirke. Diese umfassen die bisherigen Bezirke 1. Mitte, Tiergarten und Wedding, 2. Friedrichshain und Kreuzberg, 3. Prenzlauer Berg, Weißensee und Pankow, 4. Charlottenburg und Wilmersdorf, 5. Spandau, 6. Zehlendorf und Steglitz, 7. Schöneberg und Tempelhof, 8. Neukölln, 9. Treptow und Köpenick, 10. Marzahn und Hellersdorf, 11. Lichtenberg und Hohenschönhausen, 12. Reinickendorf. (2) Jede Änderung seines Gebietes bedarf der Zustimmung der Volksvertretung. Eine Änderung der Grenzen der Bezirke kann nur durch Gesetz vorgenommen werden. Für Grenzänderungen von geringerer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, kann durch Gesetz abweichendes bestimmt werden." Vgl zu Abs 1 auch §§1,3 GebietesreformG ν 1.10.1998 (GVB1 S 138) und § 1 I BzVG.
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Art. 4
Abschnitt I: Die Grundlagen
Materialien
1. vgl: Art 29,118, 118a GG; Art 2 IV HmbVerf 2. WGB: Art 1; VvB 1950: Art 4 3. Änderungen: 2. ÄndG VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82). Erläuterungen: 1
Durch das 2. ÄndG VvB, das unter Beachtung der Form des Art 100 erlassen wurde, wird die Verwaltungsstruktur Berlins grundlegend verändert. Die seit dem Groß-Berlin-Gesetz von 1920 traditionellen 20 (später 23) Bin Bezirke werden nach Maßgabe des Art 4 Abs 1 zu nur noch zwölf Bezirken neu zusammengefaßt. Dabei bleiben lediglich Reinickendorf, Spandau und Neukölln in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Die neuen Bezirke werden gem dem ebenfalls durch die Verfassungsänderung vom 3. April 1998 eingefügten Art 99a zum 1. Januar 2001 gebildet. Die weitergehende Regelung findet sich im Gebietsreformgestz vom 10. Juni 1998 (GVB1 S 131). Darin sind auch die notwendigen Änderungen des BzVG enthalten. Gegen die Bezirksreform kann eine BVV nicht im Wege der Organklage vorgehen. Einen entsprechenden Antrag der BVV Prenzlauer Berg hat der VerfGH als unzulässig zurückgewiesen, da eine BVV nicht beteiligtenfähig im Organstreitverfahren ist.2 Gem § 2 des GebietsreformG wird die Senatsverwaltung für Inneres ermächtigt, die Grenzen der Bezirke gegeneinander im GVB1 bekanntzugeben. 2 Durch Art 4 wird das Landesgebiet Berlins festgesetzt und unter den Schutz der Verfassung gestellt. Seit der Verfassungsänderung vom 3. September 1990 waren die 23 Bezirke in Art 4 I explizit aufgeführt („Berlin umfaßt die Bezirke ..."). Sie genossen somit verfassungsrechtlichen Bestandsschutz in der Form, daß eine Abschaffung einzelner Bezirke gleichzeitig eine Textänderung darstellte und folglich nur durch eine Verfassungsänderung erfolgen konnte. Die neue Formulierung beschränkt sich in Art 4 I 1 auf die Festschreibung der Anzahl der Bezirke. Satz 2 umschreibt die Gebiete der neuen Bezirke jedoch genau, indem ausdrücklich die „alten" Bezirke aufgeführt werden, aus denen sich im Jahre 2001 die neuen Bezirke bilden. Die weggefallene ausdrückliche Nennung der (neuen) Bezirksnamen in Satz 2 zusammen mit der festgeschriebenen Anzahl in Satz 1 läßt nicht mehr so eindeutig wie früher erkennen, ob auch die neuen Bezirke verfassungsrechtlichen Bestandsschutz genießen werden.
2 VerfGH 46/98, LKV 1999, 102. 16
Gebiet Berlins (Neumann)
Art. 4
Am „Tag der Deutschen Einheit", dem 3.10.1990, hat sich nicht 3 nur die Einheit Deutschlands vollendet, sondern wurde auch das seit 1948 geteilte Berlin wiedervereinigt. Die zwölf West- und elf Ost-Berliner Bezirke sind seitdem wieder eine Stadt und bilden, wie es in Art 1 II des Einigungsvertrages heißt, das Land Berlin. Die alliierten Vorbehaltsrechte, niedergelegt vor allem in dem Genehmigungsschreiben zum Grundgesetz vom 12.5.1949 und in der „Erklärung über Berlin" vom 5.5.1955, die bisher mit Rücksicht auf den Viermächtestatus der Stadt die Stellung (West-)Berlins als Bundesland einschränkten, die Bundesgesetze nur nach einem Übernahmeakt durch das AvB in Bin gelten ließen, den Bin Abgeordneten im Bundestag das Stimmrecht teilweise vorenthielten, keine unmittelbaren Bundestagswahlen in Bin, sondern nur eine Wahl der Bundestagsabgeordneten durch das AvB am Tag der Bundestagswahl gestatteten und die dem BVerfG die direkte Jurisdiktion über Berlin verwehrten, sind ersatzlos entfallen. Berlin ist seit dem 3.10.1990 ein einheitliches, gleichberechtigtes und vollwertiges Bundesland. 3 Berlin erhielt damit den durch den EinigungsV allerdings erweiterten 3 Bestand, von dem seit 1949 der bisherige Art 23 S 1 G G („Groß-Berlin") und seit 1950 die VvB als Wunschziel/Anspruch ausgingen; die Wiederherstellung der Einheit Berlins ist daher mit Recht nicht als ein „Neugliederungsfall" iSv Art 29 G G anzusehen. 4 Seit der Wiedervereinigung gilt die VvB für das gesamte Berliner 4 Stadtgebiet. Aber schon davor verwies Art 4 I 1 VvB (aF) auf das Gebiet von Groß-Berlin (also die durch das StGemG vom 27.4.1920 entstandene Stadtgemeinde), das bei Inkrafttreten der VvB mit seinen 20 Bezirken bestand, und beanspruchte damit die Geltung der VvB für Gesamt-Berlin. Nach der VvB kann eine Änderung des Gebiets von Berlin nur mit 5 Zustimmung des AvB erfolgen. Besatzungsrechtliche Sonderregelungen sind hinfällig geworden. Beachtlich sind bei Gebietsänderungen jedoch Art 118a G G sowie die Regelungen des Art 29 GG. Dieser sieht für umfassende Neugliederungen des Bundesgebiets die Regelung durch Bundesgesetz mit volksentscheidlicher Bestätigung vor (Art 29 Abs 1-6 GG). Sonstige Änderungen können durch Staatsverträge der betroffenen Länder oder durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats erfolgen, wenn das betroffene Gebiet nicht mehr als 50000 Einwohner hat (vgl Art 29 VII GG). Gem Art 29 VIII G G können die Länder eine Neugliederung des von ihnen umfaßten Ge-
3 Vgl Art 1 Rn 4; zum Landesgebiet Art 1 Rn 3; Finkelnburg LKV 1991, 6. Finkelnburg LKV 1991, 6,7.
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Art. 4
Abschnitt I: Die Grundlagen
bietes durch Staatsvertrag regeln, ohne daß es einer Beachtung der Abs 1-7 des Art 29 G G bedarf. Der Staatsvertrag bedarf allerdings seinerseits der Zustimmung des Bundestages. Für eine Fusion von Berlin und Brandenburg gilt als lex specialis zu Art 29 G G der Art 118a GG und als landesverfassungsrechtliche Ergänzung Art 97.5 6 Eine Änderung der Bezirksgrenzen kann gem Art 4 II 2 nur durch (einfaches) Landesgesetz vorgenommen werden, da die genauen Grenzen der Bezirke nicht explizit durch die Verfassung bestimmt werden. Man könnte annehmen, daß die Aufführung der Bezirke in Art 4 I auch die bestehenden Grenzen bes schützt. Allerdings spricht die Systematik des Art 4 II dagegen, da für Grenzänderungen mit geringer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, durch ein Grenzänderungs-Gesetz Abweichendes bestimmt werden kann. § 1 II BzVG sieht vor, daß solche Grenzänderungen durch RechtsVO des SvB vorgenommen werden können, wenn die beteiligten Bezirke zustimmen. Uber eine Zustimmung entscheiden die jeweiligen BVVen (§ 12 II Nr 5 BzVG). Für die bloße Änderung der Grenzen der Bezirke reicht demnach ein einfaches Landesgesetz aus. 7 Für Gebietsänderungen allerdings, durch die die Anzahl der Bezirke verändert werden soll, bedarf es eines verfassungsändernden Gesetzes. Zwar wird in Art 4 II 2 kein expliziter Unterschied zwischen einer Änderung der Anzahl und einer Änderung der Bezirksgrenzen mehr gemacht (vgl Art 4 II 2 VvB aF), jedoch ist eine Differenzierung auch nicht unbedingt erforderlich, da eine Änderung der Anzahl der Bezirke zwangsläufig eine Grenzänderung mit sich bringt und daher die Formulierung „Änderung der Grenzen" idR auch die Änderung der Bezirksanzahl beinhaltet. Die Anzahl der Bezirke genießt durch ihre Festschreibung in Art 4 I im Gegensatz zu den Grenzen einzelner Bezirke besonderen Schutz. Die Änderung der Zahl der Bezirke steht damit unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt. Betrachtet man den Wortlaut des Art 4, so besteht ein Konflikt zwischen Art 4 I und 4 II 2. Denn einerseits werden die einzelnen Bezirke durch die Verfassung in ihrem Bestand verbürgt, 6 andererseits spricht Art 4 II 2 nur von einer Änderung „durch Gesetz", benutzt also nicht die Formulierung „verfassungsänderndes Gesetz" (wie aber zB Art 2 1 2 HmbVerf), so daß nach dem Verfassungstext ein einfaches Gesetz zur Änderung der Bezirksanzahl ausreichen könnte.
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Näheres s u Rn 15; ausführlich Erl zu Art 97. β Vgl zur alten Formulierung: Haaß LKV 1996, 84.
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Gebiet Berlins (Neumann)
Art. 4
Eine Verfassungsänderung stellt bes Bedingungen an die Form und 8 die Mehrheitsverhältnisse bei der Abstimmung über das verfassungsändernde Gesetz. Gern Art 100 erfordern Änderungen der Verfassung eine Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten MdA. Da jede Verfassungsänderung gleichzeitig Gesetzgebungsakt ist, gelten im übrigen die Vorschriften der Art 59, 60 über das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren. 7 Fraglich ist, ob jeweils eine ausdrückliche Änderung des Wortlauts erfolgen muß, wie es Art 79 I 1 G G für die Bundes-Verfassung vorschreibt, oder ob eine Verfassungsänderung auch durch ein sog. verfassungsdurchbrechendes Gesetz erfolgen kann. 8 Eine solche Regelung ist in der VvB nicht enthalten. Art 28 I 1 G G schreibt für die Landesverfassungen eine Homogenität hinsichtlich der Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats iSd G G vor. Das Prinzip, daß Verfassungsänderungen nur mit Textänderungen zulässig sind, gehört hingegen nicht diesen Grundsätzen an, die Art 28 I 1 G G als verbindlich für alle Landesverfassungen erachtet. 9 Eine Verfassungsdurchbrechung ist damit in den Ländern grundsätzlich möglich. Allerdings ist es einhellige Meinung von AvB und SvB, daß Verfassungsänderungen nicht durch verfassungsdurchbrechendes, sondern nur durch verfassungsänderndes Gesetz erfolgen können. 10 Daher kann in Berlin eine Verfassungsänderung nur durch ausdrückliche Änderung des Verfassungstextes erfolgen. Die Frage, ob für eine Änderung der Anzahl der Bezirke eine 9 Verfassungsänderung nötig sei oder nicht, beschäftigte schon die Verfassungsgeber der Bin Verfassung von 1948, auf der die VvB 1950 aufbaute. Der bis zur Verfassungsänderung vom 3. September 1990 gültige Art 4 II VvB lautete wie folgt: „Berlin ist in 20 Bezirke eingeteilt. Eine Änderung der Zahl und der Grenzen der Bezirke kann nur durch Gesetz vorgenommen werden. Für Grenzänderungen von geringerer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. " Schon in den Sitzungen des Verfassungsausschusses zur Nachkriegsverfassung wurde dieses Problem aufgegriffen. So merkte der Vorsitzende Otto Suhr in
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Zivier Rn 54.1. Zu dieser Frage vgl ausf Rn 2 zu Art 100. Vgl David Art 51 Rn 19; Maunz in M D H S Art 28 Rn 35, der davon ausgeht, daß Erleichterungen oder Erschwerungen b der And ν Landesverfassungen im Rahmen der in Art 28 I 1 G G enthaltenen Verweisung auf Art 20 G G möglich sind. Vgl Hürth Vorauf! Art 88 Rn 1; Lemmer Art 100 Rn 2.
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Art. 4
Abschnitt I: Die Grundlagen
der Sitzung v o m 11.9.1947 an, d a ß alle F r a k t i o n e n sich d a r ü b e r klar seien, d a ß diese 20 Verwaltungsbezirke keine u n a b ä n d e r l i c h e n G r e n z e n darstellten, d a ß m a n es aus praktisch-taktischen E r w ä g u n gen nicht f ü r o p p o r t u n halte, sie im M o m e n t zu ä n d e r n , d a ß aber, w e n n sie geändert w ü r d e n , dies d u r c h ein Gesetz geschehen müsse, u n d w e n n die Z a h l 20 enthalten bleibe, auch d u r c h ein verfassungsä n d e r n d e s Gesetz. Wolle m a n die Z u s a m m e n l e g u n g von Bezirken erleichtern, so sei es zweckmäßig, die Zahl herauszulassen. 1 1 Insofern k a n n diese Aussage f ü r die Notwendigkeit einer Verfassungsä n d e r u n g sprechen. Allerdings, so gehen Suhrs A u s f ü h r u n g e n weiter, herrsche im Verfassungsausschuß Einigkeit d a r ü b e r , d a ß immer, wenn in einem Artikel gesagt sei: Ä n d e r u n g e n sind durch Gesetz möglich, so solle dies immer heißen: einfaches, nicht qualifiziertes Gesetz. 1 2 Schließlich stellte Suhr bei der Sitzung des Verfassungsausschusses v o m 27.2. 1948 auf A n f r a g e fest, d a ß die Zahl der 20 Bezirke nicht Ewigkeitswert h a b e n solle u n d d a ß eine Ä n d e r u n g der Z a h l keine Verfassungsä n d e r u n g bedeute, also d u r c h einfaches Gesetz erfolgen könne. 1 3 Die G e g e n m e i n u n g hielt eine Verfassungsänderung indes f ü r nötig. Eine Ä n d e r u n g der A n z a h l der Bezirke stelle eine Ä n d e r u n g des W o r t l a u t s der Verfassung dar, so d a ß es eines verfassungsändernden Gesetzes bedürfe.'4 10
In der Diskussion zur aktuellen Ä n d e r u n g merkte Körting im Rechtsausschuß an, d a ß f ü r die Ä n d e r u n g e n einschl der Gebietsr e f o r m ein verfassungsänderndes Gesetz nötig sei, weil die Z a h l der Bezirksverordneten geändert werde u n d die Übergangsregelung betroffen sei. Die Gebietsreform als solche beinhalte dagegen keine notwendige Verfassungsänderung, weil schon n a c h bisherigem Verfassungrecht A n z a h l u n d Grenzen der Bezirke d u r c h Gesetz festgelegt würden. Die jetzige F a s s u n g des A r t 4 sei Fortschreibung des Rechtszustandes der bisherigen Verfassung. 1 5
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Sitzung des Verfassungsausschusses ν 11.9.1947 in Reichhardt Bd I, S 813. 12 Sitzung des Verfassungsausschusses ν 11.9.1947 aaO, S 814. 13 Sitzung des Verfassungsausschusses ν 27.2.1948, in Reichhardt Bd II, S 1293. 14 Landsberg/Götz S 57 (Erl zu Art 4 VvB aF, insofern stützt sich die Argumentation natürlich auf den alten Verfassungstext). '5 Rechtsausschuß Prot 13/28 S 15 f.
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Gebiet Berlins (Neumann)
Art. 4
A u c h Zivier hält eine Verfassungsänderung bei der V e r ä n d e r u n g der A n z a h l der Bezirke nicht f ü r erforderlich. 1 6 D e m ist entgegenzuhalten, d a ß eine solche Kompetenz-Kompetenz 11 des einfachen Gesetzgebers dem Verfassungsgesetz seinen V o r r a n g nehmen würde. 1 7 In Berlin sind Verfassungsänderungen den Bestimmungen des A r t 100 unterworfen, der eine Zweidrittelmehrheit der gewählten M d A , bei Ä n d e r u n g der Art 62, 63 u n d in A r t 97 II sogar eine zusätzliche Volksabstimmung vorsieht. D u r c h die Erschwerung der A b ä n d e r b a r k e i t wird f ü r das Verfassungsgesetz erhöhter Bestandsschutz u n d Stabilität erreicht sowie die übergeordnete Stellung der Verfassung im Vergleich z u m einfachen Gesetz betont. Gestattet der Verfassungsgesetzgeber dem einfachen Gesetzgeber, seinerseits den W o r t l a u t der Verfassung zu ändern, w ü r d e dieser Schutz nach u n d n a c h ausgehöhlt u n d Art 100 in unzulässiger Weise umgangen. Es gehört zur Idee der Verfaßtheit, f ü r das Verfassungsgesetz einen prinzipiellen Stand u n d eine erschwerte A b ä n d e r b a r k e i t vorzusehen. 1 8 Dies m u ß auch f ü r die Landesverfassungen gelten. D a m i t ist allerdings nichts über den praktischen W a n d e l einer Verfassung ausgesagt. Verfassungswandel ist die Erscheinung, nach der sich die H a n d h a b u n g der Verfassungsnormen d a d u r c h ändert, d a ß den unverändert gebliebenen W o r t e n des Verfassungstextes allmählich ein anderer als der ursprüngliche Sinn beigelegt wird. 1 9 So k a n n es v o r k o m m e n , d a ß Verfassungsrechtssätze durch N o r m e n u n t e r h a l b der Verfassungsebene konkretisiert werden. Hierbei handelt es sich aber nicht u m Verfassungsänderung im technischen Sinne. Eine explizite Ermächtigung des Verfassungsgesetzgebers zur Verfassungsänderung d u r c h den einfachen Gesetzgebers k a n n es mithin nicht geben. Selbst wenn m a n a n n i m m t , d a ß nach dem bis z u m 3 . 9 . 1 9 9 0 gül- 1 2 tigen W o r t l a u t der Verfassung eine V e r ä n d e r u n g der Bezirksanzahl keiner Verfassungsänderung unter den Voraussetzungen des A r t 88 VvB 1950 bedurfte, so k a n n jedoch die „Verschärfung" des Schutzes der Bezirke d u r c h den W o r t l a u t von A r t 4 VvB (Fassung v o m 3.9.1990) nicht übersehen werden. 2 0 A u c h der aktuellen F a s s u n g des A r t 4 ist die genaue Z u s a m m e n s e t z u n g des Gebietes der zwölf neuen
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Zivier Rn 31. 6. Er weist allerdings darauf hin, daß bloße Grenzänderungen ggf auch durch RechtsVO möglich sind. Eine Verfassungsänderung hält er indes für eine vollständige Neugliederung der Bin Bezirke für geboten. 17 Vgl Kirchhof in HbStR, § 14 Rn 31.
'8 Kirchhof aaO. '9 Stern Staatsrecht I, §5 III 2 S 161. 20 Haaß LKV 1996, 84; s a Vorauf!.
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Abschnitt I : Die Grundlagen
Bezirke zu entnehmen, was als Fortführung der Verstärkung des verfassungsmäßigen Schutzes und der Bestandsgarantie für jeden einzelnen Bezirk gewertet werden kann. Hätte man 1990 bloß auf die neue Situation reagieren wollen (in Ost-Bln waren seit 1950 die drei Bezirke Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf hinzugekommen), so hätte dies auch durch Ersetzung der Zahl 20 durch die Zahl 23 in Art 4 II VvB 1950 geschehen können (ggf neben einer Änderung des Art 4 I VvB 1950 bzgl des Gebiets der bisherigen Gebietskörperschaft Groß-Berlin). Die tatsächliche Änderung zum Wortlaut von 1990 ist als erste Stärkung der Rechtsstellung der Bezirke zu werten, wie sie durch die Verfassungs- und Verwaltungsreform von 1994 in größerem Umfange eingetreten ist. Es ist nicht davon auszugehen, daß durch die Verfassungsänderung vom 3. April 1998 diese Stärkung der Bezirke wieder rückgängig gemacht werden sollte. Bedenkt man weiterhin, daß die Diskussion um die Frage der rechtlichen Voraussetzungen der Änderung der Bezirksanzahl langanhaltend und sehr heftig geführt wurde, so spricht auch der Wortlaut der Norm selbst, so wie ihn der Verfassungsgeber letztendlich bestimmt hat, dafür, daß es einer Verfassungsänderung bedarf. 13
Andererseits läßt sich in der Argumentation innerhalb der Diskussionen im AvB zur Verfassungsänderung von 1990 nur ersehen, daß durch die Änderung die VvB lediglich eine Anpassung an die neuen Rechtsverhältnisse erfolgen sollte. 21 Es ist jedoch schon allein durch die namentliche Aufführung der einzelnen Bezirks in Art 4 I VvB 1950 und der genauen Umschreibung ihres Gebiets in Art 4 II VvB (Fassung vom 3.4.98) ungleich schwieriger, eine praktisch „automatische Änderung" des Verfassungstextes bei Änderung der Bezirksanzahl anzunehmen, zumal eine Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers durch den Verfassungsgesetzgeber abzulehenen ist. Der Eingriff in den bisherigen Verfassungswortlaut war bei Veränderung der Bezirksanzahl (eine Verminderung konnte ja nur durch Zusammenlegung von Bezirken erreicht werden) erheblich bedeutsamer als die bloße Änderung einer Zahl im Verfassungstext. Daher muß das Wortlautargument einen höheren Stellenwert einnehmen, so daß auch die isolierte Veränderung der Bezirksanzahl nur durch eine Verfassungsänderung unter Beachtung der Vorschriften des Art 100 erfolgen kann. Wünschenswert ist allerdings, daß die Frage der Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit eines qualifizierten Gesetzesvorbehalts, vergleichbar der Hamburger Regelung (Art 2 12 HmbVerf), in der VvB explizit geregelt wird.
21 Vgl Prot der 1. Lesung zum 22. ÄndG ν 16.8.1990, PlPr 11/37 S 1897C.
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Art. 4
Bei Grenzänderungen zwischen Berlin und Brandenburg, bei denen 14 weniger als 50000 Einwohner betroffen sind, kommt die vergleichsweise einfache Regelung in Betracht, die in Art 29 VII G G iVm dem BundesG vom 30. Juli 1979 (BGBl I S 1325) vorgesehen ist.22 Nach dieser Norm reicht ein Staatsvertrag aus. Dieser ist allerdings auch erforderlich, wenn es sich nur um minimale Grenzänderungen handelt. 23 Ob hierzu eine parlamentarische Zustimmung nötig ist, ergibt sich aus dem Yerfassungsrecht der beteiligten Länder. Für Bin gilt insoweit Art 4 II 1, wonach jede (also auch eine minimale) Änderung des Staatsgebiets einer Zustimmung der Volksvertretung bedarf. 24 Art 29 VII G G und das ergänzende Bundesgesetz sehen außerdem vor, daß die betroffenen Kreise und Gemeinden anzuhören sind; eine entsprechende Anhörung der auf Berliner Seite betroffenen Bezirke ist zwar weder im G G und dem AG des Bundes, noch in der VvB ausdrücklich vorgeschrieben, jedoch aufgrund des Art 66 II geboten. 25 Dem RdB muß wegen Art 68 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Für eine Fusion der Länder Berlin und Brandenburg findet sich eine 15 Sonderregelung in Art 118a GG, wonach eine Neugliederung des die beiden Länder umfassenden Gebietes abweichend von den Vorschriften des Art 29 G G unter Beteiligung der Wahlberechtigten Berlins und Brandenburgs durch Vereinbarung beider Länder erfolgen kann. Die entsprechende Ermächtigungsnorm zur Vereinigung findet sich für Bin in Art 97 VvB; ein Staatsvertrag der Länder Bin und Bbg über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes bedarf nach Art 97 II VvB der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der MdA sowie der Zustimmung durch Volksabstimmung nach Maßgabe des Staatsvertrages. 26 Die erforderliche Zustimmung durch die beiden Länderparlamente zur versuchten Fusion von 1995 erfolgte am 22. Juni 1995. Jedoch hat sich die Bbg im Gegensatz zur Bin Bevölkerung bei der darauf folgenden Volksabstimmung gegen eine Fusion ausgesprochen. 27
22 Zivier Rn 31.5. 23 Zivier aaO; Kunig in vMünch/Kunig, Art 29 Rn 51. 24 Zivier aaO. 25 Zivier aaO. 26 Zum Staatsvertrag und zu Neugliederung der Region Bln-Bbg vgl Art 97 Rn Iff; Rüß LKV 1995, 337ff; vgl auch Drügemöller LKV 1995, 393, 395; BbgVerfG, Urt ν 21.3.1996 - VfGBbg 18/95, LKV 1996, 203 ff. 27 Zum gescheiterten Fusionsversuch vgl Rn 3f zu Art 96 und ausführlich Rn 3 f zu Art 97.
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Art. 5
Abschnitt I: Die Grundlagen
Artikel 5 Berlin führt Flagge, Wappen und Siegel mit dem Bären, die Flagge mit den Farben Weiß-Rot. Materialien 1. vgl: Art 22 GG; 24 BW Verf; 1 5 HmbVerf; 66 HessVerf; 1 III 74 III RhPfVerf; 62 SaarlVerf; ThürVerf 2. VVGB: Art 1 III; VvB 1950: Art 3. Änderungen: -
II, III BayVerf; 4 BbgVerf; 68 BremVerf; MV Verf; 1 III NdsVerf; 1 II N W Verf; 2 II-IV SächsVerf; 1 II LSA Verf; 44 II 5
Erläuterungen 1
Die Führung von Flaggen, Wappen und Siegeln ist ein altes Recht der Städte. Das Siegel dient dazu, Urkunden und sonstige wichtige Willenserklärungen bes kenntlich zu machen; es ist die äußerliche Bestätigung der Gültigkeit. Das Wappen dient dazu, äußerlich zu kennzeichnen, wem das fragliche Gebäude oder eine sonstige Einrichtung gehört oder dient. 2 Das Landeswappen zeigt in silbernem (weißem) Schilde einen aufgerichteten schwarzen Bären mit roter Zunge und roten Krallen. Auf dem Schild ruht eine goldene, fünfblätterige Laubkrone, deren Stirnreif aus Mauerwerk mit einem Tor in der Mitte ausgestattet ist (§ 1 I HohZG). Die Landessiegel zeigen das Landeswappen (§31 HohZG). 3 Das erste Siegel der Stadt Bin erscheint schon im zwölften Jahrhundert; im Jahre 1280 kommt der Bär im Siegel hinzu. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entsteht die Bin Flagge mit den Farben Weiß und Rot und dem schwarzen Bären. Die Herkunft der Farben und des Bären sind nicht eindeutig zu klären. Wahrscheinlich ist das „Rot" aus den brandenburgischen und das „Schwarz" aus den preußischen Farben entlehnt. Die Mauerkrone als Symbol des Stadtrechts ist schon vom ältesten Siegel von Bin aus dem zwölften Jahrhundert überliefert, das die Inschrift trägt: „Sigillum de berlin burgensium". Das Siegel von 1280 zeigt erstmals den Bären unter dem Brandenburgischen Adler. Das Heroldsamt des preußischen Königs legt im Jahre 1709 Wappen und Siegel für Berlin obrigkeitlich fest: Das ist der stehende schwarze Bär, darüber der rote Bbg und der schwarze preußische Adler und darüber die Kurkrone; 1839 wird letztere durch die Mauerkrone ersetzt. Inzwischen sind preußischer und Bbg Adler entfallen, der Bär ziert allein Wappen und Siegel. 24
Flagge (Neumann)
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Warum Berlin den Bären im Wappen führt, kann nicht sicher erklärt werden. Einige mutmaßen, daß Markgraf Albrecht der Bär sozusagen der Gründer Berlins sei. Es wird aber auch angenommen, daß es sich um ein „redendes" Wappen handele, dh der Bär wurde gewählt, weil der Wortklang der ersten Silbe des Wortes „Berlin" (gleich Bär-lin) gleichklingt. So soll es auch zu erklären sein, daß die Vororte Bernau und Bernburg den Bären im Wappen hätten. 1 Die Landesflagge zeigt die Farben rot-weiß-rot in drei Längsstreifen, wobei die beiden äußeren Streifen je ein Fünftel, der mittlere Streifen drei Fünftel der Flaggenbreite einnimmt; der mittlere Streifen ist mit der etwas nach der Stange hin verschobenen Wappenfigur ohne Schildumrahmung belegt, § 2 1 HohZG. Die Bezirke führen das Landeswappen; der SvB hat den Bezirken Bezirkswappen verliehen (Ermächtigung dazu in § 1 II 1 HohZG), die in besonderen Anlässen neben dem Landeswappen geführt werden können (§1 II 2 HohZG). Die Bezirkswappen haben ebenfalls amtlichen Charakter. Sie führen sämtlich das Symbol der Stadtmauer und darin eingebettet das Wappen Berlins mit dem Bären. Bin Behörden führen das Landessiegel; es kommt in der Form des großen und des kleinen Landessiegels zur Verwendung ( § 1 1 LSiegelVO). Das große Landessiegel zeigt das Landeswappen, umgeben von einem Laubkranz; das kleine Landessiegel zeigt das Landeswappen mit einer die siegelführende Stelle bezeichnenden Umschrift (§ 1 II LSiegelVO). Wer zu welchem Anlaß zur Verfügung über das große Landessiegel berechtigt ist, ergibt sich aus der LSiegelVO. Alle Gebäude und Gebäudeteile, die von Dienststellen und sonstigen Einrichtungen des Landes Berlin und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts benutzt werden, sowie Dienstwohngebäude und öffentliche Verkehrsmittel des Landes Berlin sind zu beflaggen. ( § 1 1 1 BeflaggVO). Wer wie zu welchem Anlaß beflaggt, ergibt sich aus der BeflaggVO. Grundsätzlich wird eine Beflaggung vom Innensenator angeordnet bzw. bedarf seiner Zustimmung (vgl § 1 I lit b, II; § 3 II BeflaggVO). Örtliche Beflaggungen aus besonderem Anlaß bedürfen hingegen der Zustimmung des Bezirksamts, wobei §1 I lit b unberührt bleibt. Fraglich ist, ob das AvB seine Beilaggung selbst anordnen kann. Dafür spricht, daß es sich beim AvB nicht um eine der Exekutive angehörende Dienststelle oder sonstige Einrichtung des Landes Berlins handelt. Der PrAvB könnte also als Hausherr aus eigener Rechtsvoll-
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So Haas VVGB S 31.
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Abschnitt I : Die Grundlagen
kommenheit die Beflaggung des Preußischen Landtages (Sitz des AvB) anordnen. Allerdings ist der Sitz des Parlaments ein öffentliches Gebäude iSd § 5 I HohZG, für das der SvB die Ausgestaltung durch RechtsVO (in Form der BeflaggVO) treffen kann. Eine unterschiedliche Beflaggungsweise des Preußischen Landtages würde zudem zu unnötigen Verwirrungen führen. 9 Die Verunglimpfung der Farben, der Flagge oder des Wappens Berlins ist nach §90 a I Nr 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Ebenso wird nach § 90a II StGB bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge oder ein von der Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfung daran verübt. Ordnungswidrig nach §124 I OWiG handelt, wer unbefugt das Wappen Berlins oder einen entsprechenden Teil eines Landeswappens oder einer Dienstflagge benutzt. 2 Diesen Wappen oder Wappenteilen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind (§ 124 II OWiG).
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Zur Frage der Verwendung des Landeswappens durch Notare auf Briefbögen vgl für das nds Recht BGH Beschluß ν 29.11.1999, NotZ 9/99.
Abschnitt II Grundrechte, Staatsziele Vorbemerkungen Das Verhältnis von Bundes- und Landesgrundrechten 1. Verfassungsprozessuale Lage Der VerfGH nimmt in ständiger Rechtsprechung für sich in An- 1 spruch, Entscheidungen Berliner Gerichte am Maßstab von in der Verfassung von Berlin verbürgten Individualgrundrechten zu messen, die nicht im Widerspruch zu Bundesgrundrechten stehen. 1 Solche Individualgrundrechte, soweit sie inhaltlich mit den Grundrechten übereinstimmen, sind auch dann von der rechtsprechenden Gewalt des Landes Berlin zu beachten, wenn diese Bundesrecht anwendet. Die Verletzung solcher Rechte ist gleichermaßen bundes- wie landesverfassungswidrig.2 Dagegen kann der VerfGH nicht 2 - Maßnahmen der Gerichte des Landes Berlin auf Grundrechtsverstöße überprüfen, welche inhaltlich Gegenstand bundesgerichtlicher Entscheidungen gewesen sind; - die Gültigkeit von Akten der Bundesgesetzgebung oder die Verfassungsgemäßheit der Entscheidungen von Gerichten des Bundes anhand des Landesverfassungsrechts überprüfen. 3 Die Prüfungskompetenz des VerfGH besteht also immer auch dann 3 und insoweit, wie es sich um eine Verkennung von spezifisch grundrechtlichen Maßgaben für die Anwendung einfachen Bundesrechts durch Berliner Gerichte handelt, sofern es sich bei diesen grundrechtlichen Maßgaben um gemäß Art 31, 142 G G mit dem Bundesrecht nicht in Widerspruch stehende - und demzufolge von diesem nicht „gebrochene" - Rechte aus der Verfassung von Berlin handelt. 4
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VerfGH VerfGH VerfGH VerfGH
LVerfGE 1, 169 ff; ausführlich dazu Art 84 Rn 105 ff. aaO. aaO S 180. aaO. 27
Vor
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
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Nicht überprüft werden können jedoch Grundrechte des Grundgesetzes, die in der VvB keine Entsprechung finden, wie zB die Pressefreiheit. 5 5 Nach der Auffassung des VerfGH liegt in solchen Fällen stets sowohl ein Verstoß gegen Bundes- wie gegen Landesgrundrechte vor. 6 2. Materiell-rechtliche Rechtslage 6
Ob und wann Grundrechte „übereinstimmen" im Sinne des Art 142 G G und wann danach die soeben beschriebene Prüfungskompetenz des VerfGH eröffnet ist, richtet sich nach materiellem Recht. 7 Das materielle Verhältnis von Bundes- zu Landesgrundrechten war seit jeher umstritten. 7 Klärung brachte nunmehr die Rechtsprechung des BVerfG. 8 Danach ist die Inhaltsgleichheit nach dem Schutzbereich der Grundrechte und nach ihren Einschränkungsmöglichkeiten zu klären, nicht nach ihrem Wortlaut. 9 Liegt Übereinstimmung vor, so handelt es sich entgegen der herrschenden Meinung 10 nicht um ein einheitliches Grundrecht, und zwar schon deshalb nicht, weil der Bund nicht Adressat der Landesgrundrechte ist.11 8 Übereinstimmung liegt nicht nur bei völliger Inhaltsgleichheit der betreffenden Grundrechte vor; vielmehr ist eine solche grundsätzlich auch dann gegeben, wenn Landesgrundrechte einen weitergehenden Schutz gewähren als die Bundesgrundrechte, und zwar in denjenigen Fällen, in denen die bundesrechtliche Regelung Spielräume für die Berücksichtigung von weitergehendem Landesrecht läßt, 12 es sei denn, durch die weitere Gewährleistung werden (zB in dreipoligen Verhältnissen) Bundesgrundrechte Dritter beschränkt und damit verletzt. In solchen Fällen findet Art 31 G G Anwendung. 9 Aber auch dann, wenn Grundrechte des G G weiteren Schutz gewähren als die Landesgrundrechte, liegt für gewöhnlich eine Übereinstimmung vor. Dies gilt dann, wenn die Bundesgrundrechte nicht zugleich eine Art Höchstschranke für grundrechtliche Gewährleistung bieten, mit anderen Worten deren Auslegung nicht ergibt, daß ein weitergehender Schutz untersagt ist, 13 was regelmäßig der Fall ist. 5 Art 5 Abs 1 Satz 2 GG; VerfGH aaO. s VerfGH aaO. 7 Vgl zum früheren Meinungsstand Pieroth in Jarass/Pieroth Art 142 Rn 2f. « BVerfGE 96, 345 ff; vgl dazu ausführlich Art 84 Rn 109 ff. 9 Huber in Sachs, Art 142 Rn 8. ό BVerfGE 22, 267, 271. 11 Vgl Huber in Sachs Art 142 Rn 8 Fn 18. 12 BVerfGE 96, 345, 366. 13 BVerfGE 96, 345, 365.
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Zu beachten ist schließlich, daß auch einfaches Bundesrecht wegen 10 Art 31 G G Landesverfassungsrecht verdrängt. 3. Geschichte der Berliner Grundrechte Die VVGB vom 13.8.1946 14 enthielt außer dem Gleichberechti- 11 gungsgrundsatz in Art 2 Abs 2 W G B keinerlei Grundrechte. Erst der Entwurf der VvB ν 22.4.1948 15 , danach die VvB 1950 enthielten in den Art 6 bis 24 des Abschnitts II einen Katalog von Grundrechten. Diese widersprachen teilweise dem Bundesrecht. 16 In der Übergangszeit der Jahre 1990/1991 wurde der Katalog insbesondere durch die Art 21a-c VvB 1950 (Art 31, 33, 34) ergänzt. Der Grundrechtskatalog der von der S t W Ost-Berlins 17 beschlossenen, mit dem 3. Oktober 1990 außer Kraft getretenen VerfOst 18 hat in einigen Fällen die Neufassung der Grundrechte und Staatsziele im Abschnitt II der VvB beeinflußt.
Artikel 6 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Materialien 1. Art 1 I GG; Präambel und Art 2 II BW Verf; 100 BayVerf; Präambel und Art 7 BbgVerf; 5 I Brem Verf; 3 Hess Verf; Präambel und Art 5 II MV Verf; 3 NdsVerf (allgemein); 4 N W Verf (allgemein); Präambel und Art 4 (Schutz der Ehre) RhPfVerf; Art 1 I SaarlVerf; 14 SächsVerf; 4 I LSA Verf; 1 I ThürVerf 2. VvB 1950: 3. Änderungen: -
Erläuterungen Das Grundrecht der Menschenwürde war in der VvB 1950 nicht 1 kodifiziert worden; eine erste Berücksichtung für das Gebiet des Landes Berlin findet sich in Art 6 VerfOst. Gleichwohl hatte der VerfGH bereits vor Inkrafttreten des Art 6 als ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz ein Grundrecht des einzelnen auf Achtung seiner Men14
Abgedruckt bei LandsbergtGoetz S 222 ff. S dazu Art 1 Rn 3 Fn 3. 1« Vgl Voraufl Vorbem Rn 28 f vor Art 6. 17 Zu deren Wahl vgl Art 1 Rn 4 Fn 22 bis 24. 18 Zu deren Entstehung und rechtlichen Qualität vgl Art 1 Rn 4 Fn 25. 15
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schenwürde durch die staatliche Gewalt aus der VvB 1950 entwickelt. 1 Das Gericht meint, zwar sei die Menschenwürde als Verfassungsgrundsatz nicht explizit in der VvB 1950 enthalten; jedoch sei die Verfassung eines Gliedstaates eines Bundesstaates nicht in der Verfassungsurkunde, dem geschriebenen Text, allein enthalten. In sie hinein wirkten vielmehr auch Bestimmungen der Bundesverfassung. Erst beide Elemente, die Verfassungsurkunde und die in sie hineinwirkenden Bestimmungen der Bundesverfassung, machten die Verfassung des Gliedstaates aus. 2 Außerdem leitete das Gericht den Schutz der Menschenwürde mittelbar aus der Existenz anderer Grundrechte her, so aus Art 9, 6, 8, 11, 20 VvB 1950.3 Art 6 ist wortidentisch mit Art 1 Abs 1 G G , so daß die dort entwickelten Grundsätze in vollem Umfang auch Geltung für Art 6 beanspruchen. Die Menschenwürde ist der oberste Wert im verfassungsrechtlichen Wertesystem und gehört zu den tragenden Konstitutionsprinzipien des Staates. 4 Die Verfassung stellt die Würde des Menschen in den Mittelpunkt der grundrechtlichen Werteordnung. Folgerichtig gehört nach dem System des Grundgesetzes die Menschenwürde zu den Bestimmungen, die Art 79 Abs 3 G G für unabänderlich erklärt. Die Tatsache, daß eine solche Bestimmung in der VvB fehlt, führt jedoch nicht zu einer Abschwächung des Schutzgehalts des Art 6 gegenüber Art 1 Abs 1 GG. Die positive Bestimmung des Schutzbereichs der Menschenwürde macht Schwierigkeiten. Der Inhalt des Menschenwürdebegriffs kann nicht allgemein, sondern nur im zu untersuchenden Einzelfall bestimmt werden. 5 Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt. 6 Es widerspricht daher der Würde des Menschen, ihn zum „bloßen Objekt des Staates" zu machen. 7 Eine solche objekthafte Behandlung liegt aber nicht schon vor, wenn der einzelne sich übergeordneten Allgemeininteres-
1 VerfGH LVerfGE 1, 56. 2 VerfGH aaO S 60 u Berufung auf BVerfGE 1, 208, 232; 27, 44, 55; 66, 107, 114; in diesen Entscheidungen ging es allerdings nicht um den grundrechtlichen Bereich. 3 VerfGH aaO S 61. " VerfGH aaO S 61; BVerfGE 35, 366, 376. 5 BVerfGE 30,1, 25. 6 BVerfGE 87, 209, 228. 7 BVerfGE 9, 167,171; 87, 209, 228.
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Menschenwürde (Stöhr)
Art. 6
sen fügen muß. Hinzukommen muß, daß er einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt, oder daß in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Mißachtung der Würde des Menschen lieg.8 Das Grundrecht der Menschenwürde schützt gegen Angriffe auf 8 die Menschenwürde durch andere, wie Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung und Ächtung. 9 Menschenwürde heißt aber auch, daß von Verfassungs wegen der Mensch nicht des Staates wegen existiert, sondern der Staat dem Menschen dient. Das Gebot, die Menschenwürde zu achten, verpflichtet die staatliche Gewalt zur Unterlassung. Hingegen verpflichtet das Gebot, die Menschenwürde zu schützen, zu positivem Handeln. 10 Bei der Auslegung des Art 1 Abs 1 G G wird darüber diskutiert, ob 9 diese Bestimmung überhaupt ein eigenständiges Grundrecht im Sinne eines Abwehrrechts, oder nicht vielmehr lediglich eine den Staat verpflichtende Verfassungsnorm enthalte. Für Art 6 ist der Streit entschärft, weil hier - anders als in Art 1 Abs 3 G G - nicht von den „nachfolgenden Grundrechten" die Rede ist; außerdem enthält die VvB - wiederum im Unterschied zum G G - keine Ewigkeitsgarantie wie Art 79 Abs 3 GG. Darüber hinaus knüpft die VvB ein dichtes Netz von Grundrechtsgewährleistungen, denen gegenüber Art 6 keinen eigenständigen zusätzlichen grundrechtlichen Schutzbereich eröffnet: Sämtliche Grundrechte enthalten spezialgesetzliche Ausprägungen des Grundsatzes der Menschenwürde. Überall dort, wo ein Grundrecht verletzt wird, ist auch die Menschenwürde verletzt. Die Auslegung des Art 6 als eigene Schutzbereichsgewährleistung würde zugleich zu einem Zurückdrängen des materiellen Schutzgehalts führen, 11 denn die in Art 6 geforderte „Unantastbarkeit" der Menschenwürde führt dazu, daß immer dann, wenn in die Menschenwürde des Art 6 eingegriffen wird, zugleich ein Verstoß gegen sie vorliegt.12 Im System grundrechtlicher Gewährleistungen statuiert Art 6 also keinen eigenständigen, gegenüber den übrigen Grundrechten überschießenden Schutzbereich; vielmehr wirkt sich Art 6 als „Schrankenschranke" aus, also als Kerngewährleistung innerhalb der betroffenen Spezialgrundrechte, deren Verletzung stets zur (Grund-) Rechtswidrigkeit des staatlichen Eingriffs führt. 13
« BVerfGE 30, 1,25 f. 9 BVerfGE 1, 97, 104. ό Dreier in Dreier Art 1 Abs 1 Rn 77 f. Ί Vgl dazu Höfling JuS 1995, 857, 860. 12 Schlink in Pieroth/Schlink Art 1 G G Rn 3. 13 So auch Dreier in Dreier Art 1 Abs 1 Rn 72.
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Art. 6 10 11
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Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Der VerfGH geht wie selbstverständlich von dem Grundrechtscharakter des Rechts auf Menschenwürde aus. 14 Grundrechtsträger sind alle Menschen, also auch Kinder, 15 Ausländer, Geisteskranke, Straftäter und wie der VerfGH zutreffend feststellt, auch derjenige, der schwerer Straftaten beschuldigt ist, die in unerträglicher Weise gegen die Wertordnung der Verfassung verstoßen. 16 Dabei verletzt es bereits das Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde, wenn ein Strafverfahren fortgesetzt wird, obwohl nach den tatrichterlichen Feststellungen davon auszugehen ist, daß der Angeklagte infolge schwerer und unheilbarer Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende des Strafverfahrens in erster Instanz nicht mehr erleben wird. 17 Eine von Verfassungs wegen gebotene absolute Altersgrenze für ein Strafverfahren gibt es allerdings nicht. 18 Geschützt wird auch das werdende Leben im Mutterleib. 19 Die in dem Recht auf Menschenwürde verkörperte Gewährleistung endet nicht erst mit dem Tode. 20 Nicht geschützt sind juristische Personen. 21 Gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Grundrechten durch Art 6 geschützt ist die Intimsphäre:22 Art 6 schützt gegen Folter, Sklaverei, Leibeigenschaft, Deportation, Brandmarkung, Stigmatisierung uä. 2 3 Lebenslänglich Verurteilte müssen die Möglichkeit haben, der Freiheit wieder teilhaftig zu werden. 24 Im Strafvollzug bedeutet das Gebot zur Achtung der Menschenwürde insbesondere, daß grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen verboten sind; 25 der Täter darf nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten Wert- und Achtungsanspruchs gemacht werden. 26 14 15
'6 17 18 i? 20 21 22
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VerfGH LVerfGE 1, 56, 64. BVerfGE 74, 102,124f. VerfGH LVerfGE 1, 56, 64. VerfGH aaO. VerfGH aaO. BVerfGE 3 9 , 1 , 4 1 f; 88, 203, 251. BVerfGE 30,173, 194. Jarass in Jarass/Pieroth Art 1 Rn 5. BVerfGE 27, 344, 350f: „Unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist". Dreier in Dreier Art 1 Abs 1 Rn 79. BVerfGE 4 5 , 1 8 7 , 2 4 5 f f ; 72,105,113. BVerfGE 4 5 , 1 8 7 , 2 2 8 . BVerfGE 28, 389, 391.
Art. 7
Handlungsfreiheit (Stöhr)
Auch das Gebot zur Resozialisierung verurteilter Straftäter wird 17 aus der Menschenwürde hergeleitet. 27 Art 6 verbietet Organentnahmen gegen den Willen des Betroffen sowie Zwangssterilisationen. Die Vorschrift gewährleistet auch das Existenzminimum. 28 Der Staat muß daher die Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Leben schaffen. 29 Daraus folgt zugleich, daß der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muß, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. 30 Art 6 gewährleistet jedoch keinen Schutz der Menschenwürde 18 gegen den frei geäußerten Willen des Betroffenen. Peep-Shows 31 , geschmacklose Veranstaltungen wie „Zwergenweitwurf' 32 uä können daher nicht auf der Grundlage des Art 6 untersagt werden.
Artikel 7 Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Materialien 1. Art 2 I GG; 1 BW Verf; 101 BayVerf; 10 BbgVerf; 3 I BremVerf; 2 I HessVerf; 5 II MV Verf (iVm GG); 3 II NdsVerf (iVm GG) ; 4 I N W Verf (iVm GG); 1 I RhPfVerf; 2 I SaarlVerf; 15 SächsVerf; 5 I LSA Verf; 3 II ThürVerf. 2. VvB 1950: 3. Änderungen: -
Erläuterungen Die in Art 7 thematisierte allgemeine Handlungsfreiheit war in der 1 VvB 1950 nicht gewährleistet und lehnt sich ersichtlich an Art 2 Abs 1 G G und Art 7 Abs 1 VerfOst an.·
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BVerfGE 35, 202, 235 ff. BVerfGE 82, 60, 80. BVerfGE aaO. BVerfGE aaO, S 85. A A BVerwGE 64, 274, 280. VG Neustadt NVwZ 1993, 98.
ι VerfGH LKV 1997, 66.
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Art. 7 2
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Art 7 enthält zwei verschiedene Grundrechte: einmal die allgemeine Handlungsfreiheit und zum anderen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. 2 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das bundesverfassungsrechtlich 3 wiederum eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, ist spezialgesetzlich in Art 33 kodifiziert.
1. Allgemeine Handlungsfreiheit 3
In der Ausprägung des Art 7 als allgemeine Handlungsfreiheit wird nicht etwa nur ein begrenzter Bereich der Persönlichkeitsentfaltung geschützt, sondern jede Form menschlichen Handels ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. 4 4 Eingriffe in den Schutzbereich des Art 7 liegen unzweifelhaft bei imperativen und gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen vor. 5 5 Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 7 liegt nach Auffassung des VerfGH jedoch nicht bei allen aus staatlichem Handeln folgenden Belastungen vor; Art 7 gibt ein Abwehrrecht gegenüber Verwaltungsakten oder anderen Eingriffen in den persönlichen Rechtskreis, welche den einzelnen in dem Sinne unmittelbar betreffen, daß sie als solche ihm gegenüber rechtlich erhebliche Wirkungen auslösen. 6 Ein solches Betroffensein liegt bei einer Straßenbenennung nicht vor. 7 Faktische Eingriffe in Art 7 VvB müssen daher von einigem Gewicht sein.8 6 Absolut geschützt und damit der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist nur ein Kernbereich privater Lebensgestaltung.9 Im übrigen steht die allgemeine Handlungsfreiheit unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung, der Rechte anderer und des Sittengesetzes. Unter der verfassungsmäßigen Ordnung wird die Gesamtheit der formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehenden Normen verstanden. 10 Damit statuiert Art 7 im Ergebnis nichts anderes als einen allgemeinen Gesetzes- bzw. Rechtsvorbehalt. 11 Be-
2
Dreier in Dreier Art 2 Abs 1 Rn 8. 3 BVerfGE 65, 1 ff. * BVerfGE 6, 32, 36; 54, 143, 146; 80, 137, 152 f. 5 Pieroth/Schlink S 88. 6 VerfGH LKV 1997, S 66. ? VerfGH aaO. » So auch BVerwGE 65, 167, 174; aA Pieroth/Schlink S 87 f. 9 BVerfGE 9 0 , 1 4 5 , 1 7 1 . 10 StRspr seit BVerfGE 6, 32 ff. 11 Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 14.
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Handlungsfreiheit (Stöhr)
Art. 7
schränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit auf der Grundlage solcher Rechtsvorschriften verletzen Art 7 nicht. 12 Die beiden anderen Eingriffsvorbehalte, die „Rechte anderer" und das „Sittengesetz", spielen angesichts der weiten Auslegung des Begriffs der „verfassungsmäßigen Ordnung" praktisch keine Rolle. 13 Dies ist bei der Auslegung des Art 2 Abs 1 G G seit langem allgemeine Meinung. Um so verwunderlicher ist, daß bei der Einführung des Art 7 in die YvB wieder auf die beiden obsoleten Begriffe zurückgegriffen wurde. 14 „Rechte anderer" meint die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte anderer sowie subjektive Rechtspositionen auch ohne grundrechtlichen Rang, wobei aber bloße Interessen anderer nicht ausreichen. 15 Unter Sittengesetz werden die allgemein anerkannten Wertvorstellungen unserer Rechtsgemeinschaft verstanden. 16 Die verfassungsmäßige Ordnung stellt Art 7 nicht unter einen formellen Gesetzesvorbehalt; das Grundrecht ist vielmehr durch jede Rechtsnorm, insbesondere auch durch Ortsrecht 17 oder durch richterliche Rechtsfortbildung einschränkbar. 18 Erforderlich sind allerdings „Außenrechtssätze"; 19 daher sind Verwaltungsvorschriften nicht ausreichend. 20 Die zur Prüfung stehende Rechtsvorschrift darf darüber hinaus nicht gegen andere Normen der VvB verstoßen, so gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Kompetenzvorschriften der Verfassung. 21 In materieller Hinsicht bietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Maßstab, nach dem die allgemeine Handlungsfreiheit eingeschränkt werden darf. 2 2 Dabei gilt - wie auch sonst bei der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - , die Maßgabe, daß, je mehr der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe um so sorgfältiger gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürger abgewogen werden müssen. 23 12 BVerfGE 34, 369, 378f; 55, 144, 148. 13 Kunig in vMünch/Kunig Art 2 Rn 19. i" Vgl auch Pestalozza LKV 1995, 344, 346 Fn 22. i5 Kunig aaO Rn 20. '6 BVerfGE 6, 389, 434f. 17 Jarass in Jarass/Pieroth Art 1 Rn 17; BVerfGE 54, 143, 144. '8 BVerfGE 74, 129, 153. " Kunig aaO Rn 23. 20 Kunig aaO. 21 BVerfGE 80, 137, 153. 22 BVerfGE aaO. 23 BVerfGE 17, 306, 314.
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Art. 7
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht 13
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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist die zweite Ausprägung des Art 7. Während die soeben besprochene allgemeine Handlungsfreiheit den Menschen in seiner aktiven Hinwendung zur Außenwelt schützt, meint der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zunächst das Recht des einzelnen auf Gewährung eines individuellen Schutzraums, der Abwesenheit von staatlicher Beeinflussung, also ein Recht, in Ruhe gelassen werden. 24 Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört außerdem das Recht des einzelnen, seine Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit zu bestimmen, 25 verkörpert etwa im Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort. 26 Das ebenfalls in diesen Kontext gehörende, vom BVerfG entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung 27 wird von Art 33 geschützt. Schließlich schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht den einzelnen gegen unwahre Behauptungen und gegen Angriffe auf seine persönliche Ehre. 28 Im Unterschied zur allgemeinen Handlungsfreiheit kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischen Personen nicht zugute. 29 Auch Tote werden nicht geschützt. 30 Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts können durch rechtliche und faktische Einwirkungen geschehen. 31 Auch für die Beschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird die Schrankentrias des Art 7 angewendet, so daß auch dieses Recht dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung unterfällt. 32 Dabei steht dieses Recht - im Unterschied zur allgemeinen Handlungsfreiheit - unter dem Vorbehalt förmlicher Gesetze, an deren Bestimmtheit vergleichsweise hohe Anforderungen gestellt werden: 33 Voraussetzung und Umfang der Beschränkungen müssen sich klar und für den Bürger erkennbar ergeben (Gebot der Normenklarheit). 34
BVerfGE 27, 1, 6; 44, 197, 203. BVerfGE 54, 148, 155. BVerfG aaO. BVerfGE 65, 1,41 ff. Murswiek in Sachs Art 2 G G Rn 73. Für abgeschwächte Anwendung BGHZ 98, 94, 97 f. BVerfGE 30, 173, 194. 31 Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 32. 32 BVerfGE 65, 1,44; 79, 256, 269. 33 BVerfGE 65, 1, 44. 3" BVerfG aaO. 25 2 6 27 28 29 30
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Leben, Freiheit der Person (Stöhr)
Art. 8
Auch für die Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeits- 18 rechts ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden. Dabei gilt eine Art Sphärentheorie: Die sog Intimsphäre als innerste Persönlichkeitssphäre ist der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt vollständig entzogen. 35 In die um diesen Kernbereich angesiedelte Privatsphäre kann zwar eingegriffen werden, jedoch nur unter besonders strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 36 Demgegenüber lassen sich Eingriffe in die Sozialsphäre durch überwiegende Allgemeininteressen rechtfertigen. 37
Artikel 8 (1) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. (2) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 24 Stunden darüber in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde. Die nächsten Angehörigen haben das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben. (3) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen. Materialien 1. a) zu I: Art 2 II GG; 2 I BW Verf (iVm GG); 99 (incidenter), 102 I BayVerf; 8, 9 I BbgVerf; 5 II, III (incidenter) BremVerf; 3, 5 HessVerf; Präambel MV Verf (iVm GG); 3 NdsVerf (iVm GG); 4 N W Verf (iVm GG); 3, 5 I RhPfVerf; 1 Satz 2, 3 SaarlVerf; 16 Satz 1, Satz 2 SächsVerf; 5 II Satz 1, Satz 2 LSA Verf; 3 Satz 1, Satz 2 ThürVerf b) zu II und III: Art 104 GG; 102 II BayVerf; 9 II, III BbgVerf; 5 IV BremVerf; 19 II HessVerf; 5 III RhPfVerf; 13 II SaarlVerf; 17 III SächsVerf; 23 LSA Verf; 4 III, IV ThürVerf 2. VvB 1950: Art 9 11; Art 9 II und III 3. Änderungen: -
35 BVerfGE 38, 316, 320. 36 BVerfGE 34, 238, 245. 37 BVerfGE 80, 367, 373. 37
Art. 8
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Erläuterungen Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 1
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Art 8 Abs 1 S 2 wurde aus der VvB 1950 übernommen (Art 9 Abs 1 Satz 1 VvB 1950). Art 9 Abs 1 S 2 VvB 1950 wurde Art 15 Abs 5 Satz 2. Art 8 Abs 1 S 1 entspricht Art 2 Abs 2 Satz 1 GG. Eine ähnliche Regelung enthielten Art 7 Abs 1 und 2 VerfOst. Die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit stellen innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung einen Höchstwert dar. 1 Art 8 Abs 1 Satz 1 enthält einmal die Funktion eines klassischen Abwehrrechts, zum anderen aber auch eine vom Staat zu erfüllende objektiv-rechtliche Schutzpflicht. Das Leben und damit das Recht zu leben beginnt mit der Vereinigung von Ei und Samenzelle (Konzeption) und nicht erst mit der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter. 2 Das Leben endet mit dem Tode, also dem sog „Hirntod". Vom Schutzbereich des Art 8 nicht umfaßt ist die Entscheidung über das eigene Leben durch Selbstmord, Wunsch auf Gnadentod oä. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt den Menschen in biologisch-physiologischer Hinsicht; 3 dem werden nichtkörperliche Einwirkungen gleichgesetzt, die ihrer Wirkung nach körperlichen Eingriffen gleichzusetzen sind. 4 Nicht zur körperlichen Unversehrtheit gehört hingegen das soziale Wohlbefinden. 5 Eingriffe in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit können durch finale und nichtfinale, unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigungen bewirkt werden. 6 Auf die Erheblichkeit der Beeinträchtigung kommt es für die Eingriffsqualität nicht an; diese ist für die Rechtfertigung des Eingriffs von Bedeutung. 7 In das Grundrecht kann gemäß Art 8 Abs 1 S 3 aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Erst recht kann wegen der höheren parlamentarischen Legitimierung - unmittelbar durch Gesetz einge-
1 BVerfGE 49, 24, 53. Offengelassen im BVerfGE 88, 203, 251; vgl Murswiek in Sachs G G Art 2 Rn 145. 3 BVerfGE 56, 54, 73. 4 BVerfGE aaO S 75. 5 Pieroth/Schlink S 91. 6 Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 47, 49. 7 Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 48; Pieroth/Schlink S 91 f; aA BVerwGE 46, 1,7. 2
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Leben, Freiheit der Person (Stöhr)
Art. 8
griffen werden.8 Im Hinblick auf die strikte Bindung gemäß Art 64 Abs 1 genügt auch eine Rechtsverordnung.9 Im übrigen steht Art 8 Abs 1 S 1 jedoch unter Pariamentsvorbehalt.10 Da wegen des hohen Ranges des Art 8 Abs 1 an die Eingriffsermächtigung hohe Anforderungen zu stellen sind,11 scheiden Eingriffe durch Satzungen oder aufgrund von Gewohnheitsrecht aus.12 Auch indirekte Grundrechtseingriffe sind nur unter Beachtung des 8 Gesetzesvorbehalts zulässig. In materieller Hinsicht ist eine strenge Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen.13 Neben der Funktion des Art 8 Abs 1 S 1 als klassisches Abwehrrecht ergibt sich aus dessen objektivem Gewährleistungsgehalt für 9 den Staat die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben zu stellen, dh es auch vor rechtswidrigen Eingriffen anderer zu bewahren.14 Trotz des objektiv-rechtlichen Gehalts dieser Schutzpflicht kann 10 der Grundrechtsträger nach Auffassung des BVerfG dessen Verletzung geltend machen, denn in der Verletzung der Schutzpflicht liege zugleich eine Verletzung des Grundrechts. 15 Dem Gesetzgeber wie auch der Exekutive kommt bis zur Erfüllung der Schutzpflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum läßt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Diese weitere Gestaltungsfreiheit kann von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft werden.16 Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist im Hinblick auf diese Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, daß die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann sich diese Gestaltungsfreiheit in der Weise verengen, daß allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht genügt werden kann, 17 dies etwa bei der Gefahr einer schweren Grundrechtsbeeinträchtigung.18
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Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 54. Starck in vMangoldt/Klein Art 2 Abs 2 Rn 132. Starck aaO. Starck aaO. Starck aaO; aA Jarass in Jarass/Pieroth aaO Rn 54. BVerfGE 66, 191, 195. Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 50. BVerfGE 77, 170,214. BVerfGE aaO S 215. BVerfGE aaO. Jarass in Jarass/Pieroth Art 2 Rn 51.
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Art. 8
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Artikel 8 Abs 1 Satz 2 und 3, Abs 2 u 3 11
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Art 8 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 und 3 entsprechen Art 9 VvB 1950. Art 9 VerfOst enthielt eine ähnliche Regelung. Art 9 Abs 1 S 2 VvB 1950 wurde in Art 15 Abs 5 S 2 übernommen. Die Verbürgung des Grundrechts auf Freiheit der Person entspricht sowohl in Formulierung wie auch im Inhalt derjenigen des Art 2 Abs 2 S 2 GG. 1 9 Die Norm verbürgt die Freiheit gerade der körperlichen Bewegungsfreiheit und nicht etwa die Freiheit des einzelnen vor jedwedem staatlichen Zwang. 20 Bereits Art 9 VvB 1950, der keinen ausdrücklichen Schranken vorbehält enthielt, war nach Rechtsprechung des VerfGH aufgrund eines Gesetzes einschränkbar. 21 Nunmehr ist in Art 8 Abs 1 S 3 ein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt auch für das Freiheitsgrundrecht aufgenommen worden. In materieller Hinsicht gilt nach der Rechtsprechung des VerfGH: Die Einschließung eines Beschuldigten in eine Haftanstalt darf nur dann angeordnet und aufrechterhalten werden, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten. 22 Zu den Belangen des Gemeinwohls, denen gegenüber der Freiheitsanspruch des Beschuldigten unter Umständen zurücktreten muß, gehören die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung 23 sowie einer funktionstüchtigen und wirksamen Strafrechtspflege. 24 Nach Art 8 Abs 2 S 1 ist jeder Verhaftete oder Festgenommene binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde, und nach Art 8 Abs 3 ist er binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen. Dagegen ist nach Art 104 Abs 3 S 1 G G lediglich der wegen Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Nach Art 8 Abs 2 S 2 haben die nächsten Angehörigen das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich i' 20 21 22 23 24
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LVerfGE 1, 44, 50. VerfGH aaO. VerfGH LVerfGE 1,44, 52 f; 1, 169, 187. VerfGH LVerfGE 1, 44, 53; 1, 169, 187. VerfGH LVerfGE 1, 54, 53. VerfGH LVerfGE 1, 169, 187.
Leben, Freiheit der Person (Stöhr)
Art. 8
von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben. 25 Dagegen ist nach Art 104 Abs 4 G G nicht von jeder Verhaftung oder Festnahme, sondern nur von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich entweder ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Danach ergibt sich für die Berliner Exekutive und Judikative unter Berücksichtigung der aus Art 1 Abs 3 abzuleitenden Mindestgarantie der Bundesrechte folgende Rechtslage: Auch für bloße Freiheitsbeschränkungen ist nach Art 104 Abs 1 S 1 G G eine förmliche gesetzliche Eingriffsermächtigung erforderlich; außerdem sind dabei die in den Gesetzen vorgeschriebenen Formen zu beachten. Das Gesetz muß die materiellen Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung mit hinreichender Deutlichkeit regeln. 26 Rechtsverordnung genügen dem Gesetzesvorbehalt nur dann, wenn der Gesetzgeber die Voraussetzungen hinreichend bestimmt regelt.27 Unter Freiheitsentziehung im Sinne des Art 104 Abs 2 G G ist die allseitige Beschränkung der Freiheit der Person zu verstehen, bei der der Betroffene gezwungen wird, an einem bestimmten Ort zu verweilen, 28 während unter Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art 104 G G alle Beeinträchtigungen der körperlichen Bewegungsfreiheit verstanden werden. 29 Wird die Bewegungsfreiheit nur kurzfristig aufgehoben, wie etwa bei einer Sistierung, liegt keine Freiheitsentziehung vor. 30 Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden, Art 104 Abs 1 S 2 GG. Uber die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat grundsätzlich nur der Richter zu entscheiden, und zwar vorher, Art 104 Abs 1 S 1 GG. 3 1 Erfolgt die Anordnung nicht vor Ablauf der Haft, so muß der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt werden. 32 Bei der Gefährdung von Leben oder körperlicher Unversehrtheit kann das Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten dann, wenn der Verlust des staatlichen Strafanspruchs auf dem Spiel steht, eine Aufhebung der Untersuchungshaft ausschließlich unter der Voraus-
25 Art 8 Abs 2 S 3. 2° BVerfGE 83, 1, 23; VerfGH LVerfGE 2, 16, 18. 11 VerfGH LVerfGE 2,16, 18. !2 VerfGH LVerfGE 5, 58, 60; 7, 19, 24. '3 BVerfGE 87, 234, 255; VerfGH DVB1 2000, 51, 55 zur Gleichbehandlung im Gebührenrecht. 14 VerfGH NJW 1995, 1344.
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Gleichberechtigung (Stöhr)
Art. 10
Art 10 Abs 1 begründet keine Verpflichtung der zuständigen Be- 10 hörde, zugunsten von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines gemeinsamen Wohnberechtigungsscheines nach der Härteklausel des § 5 Abs 1 S 2 e WoBindG deshalb auf die Voraussetzung eines 3jährigen Zusammenlebens zu verzichten, weil die Möglichkeit der Eheschließung verwehrt ist. 15 Die Ermäßigung der Rechtsanwaltsgebühren um 20 % (bzw. heute 11 10%) in den neuen Bundesländern und Berlin verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Artikel 10 Abs 2 Art 10 Abs 2 entspricht Art 3 Abs 3 GG, allerdings erweitert um das Verbot der Benachteiligung wegen der sexuellen Identität. Art 6 Abs 2 S 3 VerfOst enthielt eine ähnliche Regelung. „Geschlecht" im Sinne dieser Bestimmung meint die Unterscheidung zwischen Mann und Frau; 1 6 unter „Abstammung" wird die natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren verstanden. 17 „Rasse" ist die Zugehörigkeit zu Gruppen mit bestimmten biologisch vererblichen Merkmalen. 18 Dabei reicht es, wenn das Vorhandensein dieser Merkmale lediglich behauptet wird. 19 „Heimat" ist die örtliche Herkunft nach Geburt oder Ansässigkeit, 20 „Herkunft" die ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung. 21 „Sprache" ist die Muttersprache, einschließlich des Dialekts. 22 Das Merkmal des Glaubens ist in einem weiteren Sinne zu verstehen, der auch areligiöse oder antireligiöse Überzeugungen einschließt. 23 Ebenso ist die politische Anschauung weit zu verstehen. Geschützt ist nicht nur das Vorhandensein einer politischen Anschauung beim Grundrechtsträger, sondern auch dessen Äußerung. 24
'5 VerfGH aaO. '6 Heun in Dreier G G Art 3 Rn 112. " BVerfGE 9, 124, 128. 18 Starck in vMünch/Kunig Art 3 Rn 27. !» Osterloh in Sachs Art 3 Rn 293. 20 BVerfGE 5, 17, 22. 21 BVerfGE aaO. 22 Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 71. 23 Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 72. 2·» BVerfGE abwM 63, 266, 304; aA BVerfGE 39, 334, 368.
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Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Eine bloße Überzeugung, die nicht nach außen tritt, bedarf keines rechtlichen Schutzes. 25 „Sexuelle Identität" ist das geschlechtliche Selbstverständnis des Menschen und wohl vor allem im Hinblick auf das Verbot der Benachteiligung von Homosexuellen in die Verfassung aufgenommen worden. 26 Träger des Grundrechts sind alle natürlichen Personen. Juristische Personen sind Grundrechtsträger nur bei den Diskriminierungsverboten wegen des Glaubens und der politischen Anschauung. 27 Für die Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Art 10 Abs 2 ist es unerheblich, ob dieser Eingriff bezweckt war oder in erster Linie andere Zwecke verfolgt wurden. 28 Eingriffe sind nur aufgrund eines Gesetzes zulässig, Verwaltungsvorschriften etc reichen nicht aus. 29 Nicht jede Ungleichbehandlung, die an die in Art 10 Abs 2 genannten Merkmale anknüpft, verstößt gegen das Diskriminierungsverbot. 30 Differenzierende Regelungen sind (nur) dann zulässig, wenn sie ihrer Natur nach nur bei Personen der einen Gruppe auftreten können; 31 die Ungleichbehandlung muß aber zwingend erforderlich sein.32
Artikel 10 Abs 3 21
Art 10 Abs 3 präzisiert und erweitert die Regelung des Art 6 Abs 2 VvB 1950. Satz 1 entspricht Art 3 Abs 2 S 1 GG; die Sätze 2 und 3 lehnen sich an Art 3 Abs 3 S 1 G G und Art 6 Abs 3 VerfOst an. 22 Eine etwas abgewandelte Fassung enthielt Art 6 Abs 2 VvB 1950. 23 Art 10 Abs 3 verbietet eine Andersbehandlung von Menschen, die an das Geschlecht anknüpft; darüber hinaus enthält Art 10 Abs 3 aber auch ein Verbot mittelbarer Diskriminierungen. 33
25 BVerfGE 63, aaO. 26 Vgl Finkelnburg, Moritz
Die Ost-Berliner Verfassung vom 23.7.1990,
Sili. 27
Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 73. BVerfGE 85,191, 206; aA noch BVerfGE 77, 84, 101. OVG N W NJW 1989, 2560. BVerfGE 85, 191,207. BVerfGE aaO. 32 BVerfGE aaO. 33 Vgl Osterloh in Sachs Art 3 Rn 260.
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Gleichberechtigung (Stöhr)
Art. 10
Art 10 Abs 3 S 1 ist eine spezialgesetzliche Ausprägung von Art 10 Abs 1 und Abs 2, Verstöße gegen jene Regelungen verletzen daher stets auch diese Vorschriften. 34 Art 10 Abs 3 S 2 enthält einen direkten Handlungsauftrag für den Gesetzgeber. Dieser Auftrag wurde eingelöst durch das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) vom 31.12.1990. 35 Noch weiter geht S 3, der Fördermaßnahmen zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten zuläßt. Der VerfGH läßt offen, ob diese Verfassungsnorm subjektive Ansprüche einzelner begründet, 36 was zutreffend zu verneinen ist. Das Diskriminierungsverbot des Abs 3 S 1 und der Förder- und Teilhabeauftrag stehen in einem bislang wenig geklärten Verhältnis zueinander. Richtig dürfte sein, daß immer dort, wo die Verpflichtungen des Gesetzgebers zu Förderung und Teilhabe eingelöst werden, die in den Schutzbereich des Satzes 1 eingreifende Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.37 Träger des Grundrechts sind alle natürlichen Personen, nicht aber juristische Personen sowie Personenvereinigungen. 38 Direkte Ungleichbehandlungen, also solche, die funktional unmittelbar an das Geschlecht anknüpfen, sind, soweit sie ausnahmsweise (wegen der Sätze 2 und 3) möglich sind, nur dann zulässig, wenn sie durch eine formelle gesetzliche Grundlage gedeckt sind. 39 Jenseits der Sätze 2 und 3 ist das Geschlecht als Ansatz für eine Ungleichbehandlung nur insoweit zulässig, als die Regelung zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich ist.40 Es ist insoweit eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten. 41 Eine indirekte Ungleichbehandlung ist demgegenüber zulässig, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist und somit nichts mit der Diskriminierung wegen des Geschlechts zu tun hat; auch hier ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich. 42 Durch die Sätze 2 und 3 gedeckte Regelungen vermögen eine Ungleichbehandlung insoweit zu rechtfertigen, als in Ausführung des
3t BVerfGE 85,191, 207; 92, 91, 109. 35 GVB11991 S 8. VerfGH LVerfGE 7, 3, 8. 37 So auch BVerfGE 92, 91, 112; zu den Grenzen vgl EuGH DVB1 1998, 183 ff und Art 55 F n 4 4 . 38 Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 52. 39 OVG N W NJW 1989, 2561 unter Hinweis auf die Wesenlichkeitstheorie. BVerfGE 85,191, 197; 92, 91, 109; EuGH C-285/98 Urteil ν 11.1.2000. 41 Osterloh in Sachs Art 3 Rn 274. 42 Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 59.
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Art. 11
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Auftrages zur Gleichstellung faktische Nachteile, die typischerweise ein Geschlecht treffen, durch dieses Geschlecht begünstigende Regelungen ausgeglichen werden. 43 Zulässig sind daher auch Quotenregelungen. 32 Zulässig sind auch Ungleichbehandlungen, die durch kollidierendes Verfassungsrechts angezeigt sind, so etwa der Schutz der Mutter in Art 12 Abs 6, wobei auch hier der Gesetzesvorbehalt gilt.
Artikel 11 Menschen mit Behinderungen dürfen nicht benachteiligt werden. Das Land ist verpflichtet, für die gleichwertigen Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung zu sorgen. Materialien 1. Art 3 III Satz 2 GG; 2 a BW Verf; 12 IV, 26 I, 29 III Satz 2, 48 IV BbgVerf, 7 II SächsVerf 2. VvB 1950: 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Art 11 S 1 entspricht Art 3 Abs 3 S 2 GG.' In der VvB 1950 hat die Norm keine Entsprechung. Art 6 Abs 4 VerfOst enthielt eine ähnliche Regelung. 2 Indem Art 11 das Benachteiligungsverbot in einem eigenen Artikel im Anschluß an den allgemeinen Gleichheitssatz festschreibt, wird dessen eigenständige Bedeutung betont, die sich daraus ergibt, daß Behinderung nicht ein bloßes Anderssein bezeichnet, sondern vielmehr eine Eigenschaft ist, die die Lebensführung für den Betroffenen auch bei einem gesellschaftlichen Einstellungs- und Auffassungswandel gegenüber Behinderten grundsätzlich schwieriger macht. 2 3 Art 11 S 1 enthält ein subjektiv-rechtliches Gleichheitsgrundrecht zugunsten Behinderter, 3 während S 2 einen objektiv-rechtlichen Hand43
Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 60.
' VerfGH JR 1999, 365. 2 VerfGH JR 1999, 365. 3 Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 79; aA Osterloh in Sachs Art 3 Rn 305: Abwehrrecht.
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Behinderte (Stöhr)
Art. 11
lungsauftrag an den Gesetzgeber zur Förderung und Intergration Behinderter 4 formuliert. Unmittelbare Leistungsansprüche gewährt die Norm nicht, 5 wohl aber ein derivatives Teilhaberecht. 6 Selbst bei einem unterstellten Leistungsanspruch aber würde der Anspruch stets unter dem Vorbehalt dessen stehen, was der Einzelne vernünftigerweise vom Staat verlangen kann. Bei notwendigen allgemeinen Kürzungen darf er daher auch weniger Mittel bereitstellen und gewährte Leistungen wieder ganz oder teilweise zurücknehmen. 7 Die Einführung von Eigenbeteiligungen bei einem Behindertenfahrdienst ist daher verfassungsrechtlich zulässig. 8 Grundrechtsträger sind ausschließlich natürliche Personen, nicht dagegen juristische Personen oder Personenvereinigungen, beispielsweise Behindertenverbände. 9 Eine Beeinträchtigung liegt immer vor, wenn staatliches Verhalten Behinderte schlechter behandelt als nicht Behinderte, ohne daß es auf das Gewicht der Andersbehandlung ankommt, 10 darüber hinaus wie bei Art 10 Abs 3 - aber immer auch dann, wenn eine staatliche Maßnahme sachlich an ein anderes Differenzierungskriterium anknüpft, die aber im Ergebnis zu einer Schlechterbehandlung von Behinderten führt. 11 Art 11 will also insoweit den Schutz des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 10 Abs 1 für Behinderte verstärken. 12 Eine Besserstellung von Behinderten wird durch Art 11 nicht verboten, in manchen Bereichen (etwa im ÖPNV) ist sie durch Art 11 S 2 gefordert. 13 Eine Benachteiligung von Behinderten kann nämlich auch bei einem Ausschluß von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird. 14 Eine Benachteiligung Behinderter ist nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn die staatliche Regelung im Hinblick auf den
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VerfGH JR 1999, 365, 366. 5 Vgl Scholz in M D H S I Art 3 Abs 3 Rn 174; offen BVerfGE 96, 288, 304 und VerfGH, JR 1999, 365, 365. 6 Osterloh in Sachs Art 3 Rn 306. ι VerfGH JR 1999, 365, 366. « VerfGH aaO. » Heun in Dreier Art 3 Rn 121. 10 Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 82. 11 Jarass aaO. 12 VerfGH JR 1999, 365, 366. 13 Heun in Dreier Art 3 Rn 122. i" VerfGH JR 1999, 365, 366.
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Art. 12
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Schutzzweck unerläßlich, also zwingend ist. 15 Direkte Ungleichbehandlungen sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig. 16
Artikel 12 (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. (2) Andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften haben Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung. (3) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. (4) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten ihrem Erziehungsauftrag nicht nachkommen. (5) Wer in häuslicher Gemeinschaft Kinder erzieht oder für andere sorgt, verdient Förderung. (6) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. (7) Frauen und Männern ist es zu ermöglichen, Kindererziehung und häusliche Pflegetätigkeit mit der Erwerbstätigkeit und der Teilnahme am öffentlichen Leben zu vereinbaren. Alleinerziehende Frauen und Männer, Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt haben Anspruch auf besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis. Materialien 1. a): Art 6 I GG; 124 I BayVerf; 26 I Satz 1 BbgVerf; 2 I BremVerf; 4 HessVerf; 5 I Satz 1 N W Verf; 23 I RhPfVerf; 22 I SaarlVerf; 22 SächsVerf; 24 I LS A Verf; 17 I ThürVerf b): 26 II BbgVerf; 23 III BremVerf c): Art 6 II GG; 12 II BW Verf; 125 I BayVerf; 26 I Satz 1 BbgVerf; 23 I Satz 1 BremVerf; 55 I Satz 1 HessVerf; 8 I Satz 2 HessVerf; 25 I, 27 I RhPfVerf; 24 I Satz 1 SaarlVerf; 22 III SächsVerf; 11 I LSA Verf; 18 I, 21 ThürVerf d): Art 6 III GG; 27 BbgVerf; 23 II BremVerf; 55 I Satz 2 HessVerf; 25 I RhPfVerf; 24 I Satz 2 SaarlVerf; 22 IV SächsVerf; 11 II LSA Verf; 18 II, III ThürVerf e): 125 II, III BayVerf; 26 I Satz 2, 27 III BbgVerf; 23 I Satz 2 BremVerf; 22 II SächsVerf; 22 II LSA Verf; 17 II ThürVerf
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Heun aaO. Jarass in Jarass/Pieroth Art 3 Rn 84.
Ehe, Familie, Erziehung (Stöhr)
Art. 12
f): Art 6 IV GG; 126 I BayVerf; 26 I Satz 2 BbgVerf; 5 I Satz 2 N W Verf; 24 RhPfVerf; 23 SaarlVerf; 22 V Sachs Verf; 17 III ThürVerf g): 26 I Satz 2, 48 IV BbgVerf; 54 Brem Verf; 30 II HessVerf; 55 RhPfVerf; 47 SaarlVerf; 39 II LSA Verf 2. VvB 1950:3. Änderungen: -
Erläuterungen Art 12 entspricht strukturell Art 6 GG. Die VvB 1950 enthielt kein 1 entsprechendes Grundrecht, wohl aber die VerfOst in Art 17.
1. Artikel 12 Abs 1 Art 12 Abs 1 enthält sowohl ein abwehrrechtliches Freiheitsgrund- 2 recht als auch eine Institutsgarantie und eine wertentscheidende Grundsatznorm. 1 Als Freiheitsrecht verpflichtet Art 12 Abs 1 den Staat, Eingriffe in 3 die Ehe und die Familie zu unterlassen. 2 Als Institutsgarantie sichert die Norm den Kern der das Familienrecht bildenden Vorschriften gegen eine Aufhebung oder wesentliche Umgestaltung und schützt gegen staatliche Maßnahmen, die bestimmende Merkmale des Bildes von Ehe und Familie, das der Verfassung zugrundeliegt, beeinträchtigen. 3 Die in Art 12 Abs 1 enthaltene „wertentscheidende Grundsatznorm", nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, erreicht zwar nicht das Maß an Verbindlichkeit, das der Institutsgarantie oder dem Freiheitsrecht eigen ist. Der zur Berücksichtigung familiärer Bindungen verpflichtende Schutzauftrag des Staates wirkt jedoch auf die gesamte, die Familie betreffende Rechtsordnung ein, mag sie zu Eingriffen ermächtigen, zu Leistung und Teilhabe berechtigen oder zum Handeln, Dulden oder Unterlassen verpflichten. 4 Ehe ist das auf Dauer angelegte und staatliche beurkundete Zu- 4 sammenleben von Mann und Frau in einer umfassenden, grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft. 5 Nichteheliche und gleich-
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BVerfGE 80, 81, 92. BVerfG aaO. BVerfG aaO; BVerfGE 7 6 , 1 , 4 9 . BVerfGE 80, 81, 92 f. BVerfGE 62, 323, 330.
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Art. 12
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Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
geschlechtliche Lebensgemeinschaften sind daher nicht durch Abs 1, wohl aber, wenn auch in vermindertem Umfang, durch Abs 2 geschützt. Familie ist die Gemeinschaft von Eltern und Kindern. Neben der durch Geburt entstandenen Familie wird grundsätzlich auch jede andere von der staatlichen Rechtsordnung anerkannte Gemeinschaft von Eltern und Kindern geschützt. 6 Art 12 Abs 1 umfaßt auch das Recht auf familiäres Zusammenleben. 7 Als Grundrechtsträger kommen in- und ausländische natürliche Personen, nicht aber juristische Personen in Betracht. 8 Eingriffe in das Grundrecht sind alle staatlichen Maßnahmen, die Ehe und Familie schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen. Nicht finale Beeinträchtigungen stellen Eingriffe nur dar, wenn sie „wirtschaftlich einschneidend" sind. 9 Art 12 Abs 1 enthält keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt; daher sind Eingriffe in die verfassungsrechtliche Freiheitsgewährleistung nur durch verfassungsimmanente Schranken zulässig, wobei die Konkretisierung dieser Schranken durch Gesetz erfolgen muß. 10 Verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist der jeweilige Eingriff nur dann, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.11 Als Diskriminierungsverbot hindert Abs 1 den Staat daran, rechtliche Nachteile gerade an Ehe und Familie zu knüpfen. 12 Die Ungleichbehandlung kann in diesem Bereich durch „einleuchtende Sachgründe", „aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses" 13 oder durch „besondere Rechtfertigungsgründe" 14 gerechtfertigt werden. Nur wenn außer einer rechtlichen auch eine tatsächliche - regelmäßig in einer Pflege der häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommende - Verbundenheit besteht oder (wieder) hergestellt werden soll, ist eine Anwendung des Art 12 Abs 1 sachlich gerechtfertigt. 15 Einen grundrechtlichen Anspruch auf Nachzug eines Kindes in das Land Berlin gewährt Art 12 Abs 1 nicht. 16
« BVerfGE 80, 81,90. 7 VerfGH JR 1998, 232, 233. 8 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 6 Rn 6. 9 BVerfGE 15, 328, 335. 10 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 6 Rn 14. 11 BVerfGE 76, 1,41 ff. 12 BVerfGE 76, 1,72. '3 BVerfGE 78, 128, 130. 14 BVerfGE 13,290,299. 's VerfGH JR 1998, 232, 232. 16 VerfGH aaO.
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Ehe, Familie, Erziehung (Stöhr)
Art. 12
2. Artikel 12 Abs 2 Art 12 Abs 2 entstammt aus der Regelung des Art 17 Abs 1 S 2 VerfOst. In der VvB 1950 und im G G ist die Bestimmung ohne Vorläufer. Unter der Landesverfassungen finden sich lediglich in Art 26 Abs 2 BbgVerf und in Art 23 Abs 3 BremVerf ähnliche Regelungen. Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind alle auf Dauer angelegten umfassenden Verbindungen zwischen Erwachsenen, die nicht verheiratet sind. Geschützt sind sowohl Bindungen zwischen Mann und Frau als auch gleichgeschlechtliche Bindungen und Lebensgemeinschaften, die aus mehr als zwei Personen bestehen. Im Ausland geschlossene Mehrehen fallen unter Art 12 Abs l. 17 Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft ist eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine gleichzeitige Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. 18 Während im Bereich des Grundgesetzes nichteheliche Lebensgemeinschaften sich nur auf Art 2 Abs 1 G G berufen können, 19 schützt Art 12 Abs 2 nichteheliche Lebensgemeinschaften eigenständig, wenn auch der Schutz der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber dem intensiven Grundrechtsschutz der Ehe zurückbleibt. 20 Ob es sich bei der Gewährleistung des Art 12 Abs 2 um Konkretisierungen des inhaltsgleichen Art 3 G G handelt, hat der VerfGH offengelassen; 21 die Frage ist aber zu bejahen. Art 12 Abs 2 enthält als Diskriminierungsverbot ein aus den Gleichheitsgrundrechten entlehntes Verbot, nichteheliche Lebensgemeinschaften allein aufgrund der Tatsache der Nichtehelichkeit anders zu behandeln als eheliche Lebensgemeinschaften. Eine Schlechterstellung von „sonstigen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften" gegenüber der Ehe und Familie ist durch Abs 1 erlaubt; verboten ist hingegen eine Besserstellung Homosexueller gegenüber heterosexuellen Lebensgemeinschaften. 22 In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht kann ein Ausländer, der in einer homosexuellen Partnerschaft in Berlin 17
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Schmitt-Kammler in Sachs Art 6 Rn 7. BVerfGE 87, 234, 264. BVerfGE 82, 6, 16. AvBDrs 12/4874 S 8. VerfGH JR 1998, 505, 507. VerfGH LVerfGE 3, 10, 13 ff.
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leben will, aus Art 12 Abs 2 keinen Anspruch herleiten, ebenso behandelt zu werden wie ein mit einer deutschen Staatsangehörigen Verheirateter. 23 16 Wie auch im Bereich von Abs 1 kann eine Ungleichbehandlung auch hier durch „einleuchtende Sachgründe", „aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses" oder „besondere Rechtfertigungsgründe" gerechtfertigt sein. 24
3. Artikel 12 Abs 3 17 18 19 20
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Art 12 Abs 3 entspricht wörtlich der Bestimmungen des Art 6 Abs 2 S 1 GG. Ein ähnliche Regelung enthielt Art 17 Abs 4 VerfOst. Das Elternrecht des Art 12 Abs 3 enthält ein Grundrecht und zugleich eine korrespondierende Pflicht der Eltern. 25 Die Bestimmung gewährleistet die Wahrnehmung der Elternverantwortung im Interesse des Kindeswohls.26 Durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen ist neben Art 12 Abs 1 auch Abs 3 berührt. 27 Aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, die Art 12 Abs 3 zu entfalten vermag und die von jedem betroffenen Elternteil geltend gemacht werden können, greifen nicht über die Gewährleistung in Abs 1 hinaus. 28 Einen grundrechtlichen Anspruch auf Nachzug gewährt auch Abs 3 nicht. 29 Das Elternrecht umfaßt die Pflege, dh die Sorge für das körperliche Wohl und die Erziehung, dh die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung, die Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder, insgesamt die „umfassende Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes". 30 Art 12 Abs 3 enthält ein klassisches grundrechtliches Abwehrrecht,31 daneben aber auch eine Institutsgarantie, die die wesentlichen Elemente des Elternrechts gegen Veränderungen durch den zur Ausgestaltung berufenen Gesetzgeber schützt. 32
23 VerfGH JR 1998, 505, 507; LVerfGE 3, 10, 14. 24 Vgl oben Rn 9. 25 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 6 Rn 28. 26 VerfGH JR 1998, 232. " VerfGH JR 1998, 232 f. 28 VerfGH aaO. 29 VerfGH aaO. 30 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 6 Rn 29. 31 Schmitt-Kammler in Sachs Art 6 Rn 47. 32 Schmitt-Kammler in Sachs Art 6 Rn 50.
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Ehe, Familie, Erziehung (Stöhr)
Art. 12
Die Trennung des Kindes von der Familie (Abs 4) ist nur unter den 2 3 dort beschriebenen Voraussetzungen zulässig. Andere Beeinträchtigungen sind nur zum Schutze anderer Verfassungsgüter zulässig, was vor allem, da eine dem staatlichen Wächteramt des Art 6 Abs 2 S 2 G G korrespondierende Regelung fehlt, bei Beeinträchtigungen der Grundrechte des Kindes in Betracht kommen dürfte.
4. Artikel 12 Abs 4 In Art 6 Abs 4 G G findet sich eine ähnliche Bestimmung, wobei dort - weitergehend - Voraussetzung für eine Trennung der Kinder ist, daß die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Die Vorschrift betrifft nur Eingriffe, die eine Trennung der Kinder von den Eltern zugunsten der Begründung eines staatlichen Erziehungseinflusses zum Ziel haben, sie hat also keine aufenthaltsrechtliche Komponente. 33 Eine Trennung der Kinder von den Eltern ist nur zulässig, wenn die Erziehungsberechtigten ihrem Erziehungsauftrag nicht nachkommen und die Einschränkung durch ein formelles Gesetz gedeckt ist. Systematisch steht Abs 4 im engen Zusammenhang zu Abs 3. Art 12 Abs 4 enthält zugleich ein Abwehrrecht gegen staatliche Maßnahmen, die ohne gesetzliche Grundlage und ohne Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Kinder von ihrer Familie trennen, und begründet zugleich ein Vorbehalt für den Gesetzgeber, unter diesen Voraussetzungen die Trennung zuzulassen. 34 „Trennung" ist die tatsächliche Herausnahme des Kindes aus der Familie. Der Begriff der „Erziehungsberechtigten" weitet den Kreis der Grundrechtsträger gegenüber Abs 3 aus. Unter den Begriff fallen neben den Eltern auch Vormund und Pfleger, ggf. auch Pflegeeltern. 35 Der Eingriff ist nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform. 36
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VerfGH JR 1998, 232, 233. BVerfGE 24,119, 139. BVerfGE 75,201,217fr. BVerfGE 79, 51, 60. 57
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Art. 12
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
5. Artikel 12 Abs 5 und 6 30
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Art 12 Abs 5 ist ohne Vorbild in GG und VerfOst. Art 12 Abs 6 entspricht Art 6 Abs 4 GG. Art 17 Abs 4 S 2 VerfOst enthielt demgegenüber eine interessante Erweiterung, indem er den Fürsorgeanspruch nicht nur der Mutter gewährte, sondern auch auf alle diejenigen erstreckte, „die Kinder erziehen". Beide Vorschriften enthalten bindende Aufträge an den Gesetzgeber, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Grundrechte. 37 Als Grundrecht enthält die Vorschrift ein Diskriminierungsverbot, das dem Staat untersagt, die Grundrechtsträger gerade deshalb schlechter zu behandeln, weil sie die grundrechtlich geschützte Tätigkeit ausüben. Abs 5 bleibt dabei angesichts des Wortlautes beider Vorschriften in seinem Schutzgehalt gegenüber Abs 6 zurück. Einen Gesetzesvorbehalt enthalten beide Vorschriften nicht, so daß Eingriffe nur aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht unter Wahrung des Gesetzesvorbehaltes möglich sind.38
6. Artikel 12 Abs 7 35
Art 12 Abs 7 S 1 enthält einen bindenden objektiv-rechtlichen Auftrag an den Gesetzgeber sowie eine verfassungsrechtliche Wertentscheidung. 36 Art 12 Abs 7 S 2 enthält darüber hinaus ein Grundrecht im Sinne eines Diskriminierungsverbotes 39 zugunsten der alleinerziehenden Frauen und Männer sowie der Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt.
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Pieroth in Jarass/Pieroth Art 7 Rn 37. Pieroth in Jarass/Pieroth Art 6 Rn 41. Vgl oben Rn 9 u 15.
Art. 13
Nichteheliche Kinder (Stöhr)
Artikel 13 Den nichtehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Materialien 1. Art 6 V G G ; 118 III Satz 1, 126 BayVerf; 24 BremVerf; 24 II SaarlVerf; 19 II ThürVerf 2. VvB 1950: 3. Änderungen: -
Erläuterungen Art 13 ist ohne Vorbild in G G oder den älteren Verfassungen von 1 Berlin. Thematisch enthält die Vorschrift eine spezialgesetzliche Ausprägung und Verstärkung des in Art 10 Abs 1 enthaltenen Gleichheitssatzes. Mehr noch enthält Art 13 Bedeutung im Rahmen des Art 10 Abs 2: 2 In dieser Vorschrift ist zwar eine Benachteiligung eines Menschen wegen seiner „Abstammung" verboten. Dieses Differenzierungskriterium ist jedoch durch Art 12 eingeschränkt und steht daher an sich einer Berücksichtigung im Familienrecht entgegen. Art 13 gebietet wiederum eben diese Berücksichtigung, indem die Norm ein Diskriminierungsverbot statuiert. Eine Beeinträchtigung des Rechts aus Art 13 liegt immer dann vor, wenn nichteheliche Kinder durch öffentliche Maßnahmen schlechter behandelt werden als eheliche Kinder. Dies kann einmal dadurch geschehen, daß die Maßnahmen ausdrücklich auf die Nichtehelichkeit abhebt, aber auch dadurch, daß eine Regelung nicht auf die Nichtehelichkeit abhebt, im Ergebnis aber zu einer regelmäßigen Schlechterstellung nichtehelicher Kinder hinausläuft. Ungleichbehandlungen sind nur ausnahmsweise und unter Wahrung des Gesetzesvorbehaltes zulässig, wenn sie zur Lösung von Problemen zwingend erforderlich sind, die ihrer Natur nach nur bei nichtehelichen oder ehelichen Kindern auftreten können. Neben der Ausprägung als subjektiv-rechtliches Grundrecht ent- 3 hält Art 13 einen objektiv-rechtlichen Handlungsauftrag für den Gesetzgeber und eine grundrechtliche Wertentscheidung.
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Art. 14
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Artikel 14 (1) Jedermann hat das Recht, innerhalb der Gesetze seine Meinung frei und öffentlich zu äußern, solange er die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt. (2) Jedermann hat das Recht, sich über die Meinung anderer, insbesondere auch anderer Völker, durch die Presse oder Nachrichtenmittel aller Art zu unterrichten. (3) Eine Zensur ist nicht statthaft. Materialien 1. a) zu I: Art 5 I GG; 110 BayVerf; 19 I BbgVerf; 15 I BremVerf; 11 I HessVerf; 9, 10 I RhPfVerf; 5 I SaarlVerf; 20 I SächsVerf; 10 I LS A Verf; 11 I ThürVerf b) zu II: Art 5 I GG; 111,111a BayVerf; 19 I BbgVerf; 15 V BremVerf; 13 HessVerf; 10 I RhPfVerf; 20 I SächsVerf; 101 LS A Verf; 11 I ThürVerf c) zu III: Art 5 I GG; 111 II BayVerf; 19IV BbgVerf; 15 II BremVerf; 11 II HessVerf; 10 I RhPfVerf; 5 SaarlVerf; 20 I SächsVerf; 10 I LS A Verf; 11 II ThürVerf 2. VvB 1950: Art 8 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Art 14 wurde unverändert aus Art 8 VvB 1950 übernommen. Die Norm lehnt sich an die in Art 5 Abs 1 GG verbriefte Meinungsfreiheit an. Während die Schutzgüter der Freiheit der Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre, die in der VvB 1950 nicht erwähnte wurden, nunmehr separat in Art 21 geregelt sind, verzichtet die VvB nach wie vor darauf, die Schutzgüter der Pressefreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film zu gewährleisten.1 Diese Lücken können nicht durch eine Zusammenschau anderer, in der Verfassung von Berlin ausdrücklich aufgenommener Grundrechte geschlossen werden.2 Gleichwohl ist die Pressetätigkeit landesverfassungsrechtlich geschützt, soweit sie sich auf die Meinungsfreiheit in Art 14 berufen kann. 3
ι VerfGH LVerfGE 1, 99, 101. 2 VerfGH aaO. 3 VerfGH LVerfGE 1, 99, 102; LVerfGE 1, 145, 147f.
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Meinungsfreiheit (Stöhr)
Art. 14
In Verbindung mit dem Demokratieprinzip gewährt Art 14 Abs 2 möglicherweise dennoch verfassungsrechtliche Informationsansprüche Presseangehöriger gegenüber dem Staat, deren Rechtsstellung insoweit über die anderer hinausgehen könnte. 4 Neben der Funktion als Abwehrrecht enthält das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung, wobei subjektiv- und objektiv-rechtliche Elemente einander bedingen und stützen. 5 Der Begriff der Meinung ist grundsätzlich weit zu verstehen und umfaßt Werturteile sowie Tatsachenbehauptungen, diese jedenfalls dann, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind. 6 Erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen werden nicht geschützt. 7 Zwar ist in Art 14 nur von „Äußern" der Meinung, nicht auch von deren „Verbreiten" die Rede, jedoch ergibt sich hieraus kein Unterschied zu Art 5 Abs 1 GG. 8 Der Grundrechtsschutz umfaßt hier wie dort die kommunikative Entfaltung desjenigen, der sich verbreiten will, das Verbreiten steht deshalb im Mittelpunkt. 9 Die Freiheit, seine Meinung zu verbreiten (und ihre Kehrseite: die Meinung für sich zu behalten), gibt aber nicht den Anspruch auf Zugang zu Informationen, welche die eigene Meinungsbildung erst ermöglichen, um eine so gebildete Meinung sodann zu verbreiten. 10 Auch das Verbreiten von Tatsachen fallt, soweit es die notwendige Grundlage für die Meinungsbildung oder Verbreitung ist, unter Art 14.11 Träger des Grundrechts sind sowohl natürliche Personen (auch Minderjährige) als auch inländische juristische Personen und Personenvereinigungen . 12 Die durch Art 14 Abs 2 geschützte Informationsfreiheit ist gleichen Inhalts wie in Art 5 Abs 1 S 1 2. Alt. G G verbürgt, stellt also ein Abwehrrecht dar, das davor schützt, daß dem einzelnen der Zugang zu im übrigen allgemein zugänglichen Informationsquellen abgeschnit-
4 Dahingehend VerfGH LVerfGE 1, 99, 104. 5 BVerfGE 7, 198, 204 f; 57, 295, 319f. « BVerfGE 61, 1, 8f. 7 BVerfGE 90, 1, 15; offen VerfGH LVerfGE 1,145, 148. 8 VerfGH LVerfGE 1, 99,102. » VerfGH aaO. 10 VerfGH aaO. 11 Offen VerfGH LVerfGE 1, 99, 103; dafür Degenhart in Bonner Kommentar Art 5 Rn 138. 12 Jarass in Jarass/Pieroth Art 5 Rn 6. 61
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ten wird. 13 Daneben vermittelt auch Art 14 Abs 2 - wie Abs 1 - ein objektives Prinzip, welches den Staat verpflichtet, dem grundrechtlich verbürgten Freiheitsbereich Rechnung zu tragen. 14 „Informationsquellen" sind alle denkbaren Träger von Informationen, unabhängig davon, ob die Informationen eher Meinungen bzw. Tatsachen enthalten oder ob sie öffentliche oder private Angelegenheiten betreffen. 15 Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, die technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, dh einem individuellen, nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. 16 Das Grundrecht des Art 14 Abs 1 garantiert die Meinungsäußerungsfreiheit innerhalb der Gesetze, das Grundrecht ist mithin in stärkerem Maße einschränkbar als nach dem Bundesrecht. 17 Ein Verstoß gegen Art 142 G G liegt hierin jedoch nicht, denn Landesgrundrechte, die gegenüber dem Grundgesetz einen weitergehenden oder wie hier - geringeren Schutz verbürgen, widersprechen dem entsprechenden Bundesgrundrecht nicht, wenn das jeweils engere Grundrecht als Mindestgarantie zu verstehen ist und daher nicht den Normbefehl enthält, einen weitergehenden Schutz zu unterlassen. 18 Des weiteren steht die Meinungsfreiheit unter dem Vorbehalt, daß der Grundrechtsträger „die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt". Damit formuliert Art 14 nichts anderes als den Vorbehalt kollidierenden Verfassungsrechts nämlich des Art 14 Abs 1 S 2 -, 1 9 dem angesichts der Verbürgung des Grundrechts lediglich „innerhalb der Gesetze" (also auch der Verfassungsgesetze) keine eigenständige Bedeutung zukommt. Das Grundrecht der Informationsfreiheit des Art 14 Abs 2 steht demgegenüber überhaupt nicht unter einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt - insofern ist also die Gewährleistung stärker als in Art 5 G G - , so daß eine Einschränkung nur durch Gesetz und zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts zulässig ist.20
13 VerfGH LVerfGE 1, 99, 103. i" VerfGH aaO. 15 Jarass in Jarass/Pieroth Art 5 Rn 12. 16 Jarass aaO Rn 13. 17 Art 5 Abs 2 GG. is BVerfGE 96, 345, 365. A A Voraufl Art 8 Rn 5. 20 A A Voraufl Art 8 Rn 8 unter Hinweis auf den angeblichen (vgl dazu unten Art 36 Rn 4 ff) allgemeinen Gesetzesvorbehalt des Art 23 Abs 2 VvB 1950 (jetzt Art 36 Abs 2 VvB).
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Grundrechte vor Gericht (Stöhr)
Art. 15
Unter Zensur im Sinne des Art 14 Abs 3 ist die Vorzensur zur 12 verstehen. Die Norm bildet eine Schrankenschranke der Absätze 1 und 2.21
Artikel 15 (1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden. (4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs 2 Satz 2 des Grundgesetzes bleibt unberührt. (5) Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Materialien
1. a) zu I: Art 103 I GG; 91 I BayVerf; 52 III BbgVerf; 6 II RhPfVerf; 78 II SächsVerf; 21 IV LSA Verf; 88 I ThürVerf b) zu II: Art 103 II GG; 104 I BayVerf; 53 I BbgVerf; 7 I BremVerf; 22 I Hess Verf; 6 III RhPfVerf; 15 SaarlVerf; 22 I LSA Verf; 88 II ThürVerf c) zu III: Art 103 III GG; 104 II BayVerf; 53 III BbgVerf; 7 II BremVerf; 22 II HessVerf; 6 IV RhPfVerf; 22 II LSA Verf; 88 III ThürVerf d) zu IV: Art 19 IV GG; 67 I BW Verf; 86 BayVerf; 6 I BbgVerf; 141 BremVerf; 61 HmbVerf; 74 NW Verf; 124 RhPfVerf; 20 SaarlVerf; 38 SächsVerf; 21 I LSA Verf; 42 V ThürVerf e) zu V: Art 101 I GG; 52 I BbgVerf; 6 BremVerf; 20 I HessVerf; 6 I RhPfVerf; 14 I, 109 II Satz 1 SaarlVerf; 78 I, 21 II Satz 1, III SächsVerf; 87 II, III ThürVerf 2. VvB 1950: Art 66; 71; 67; 9 I 2 3. Änderungen: -
Erläuterungen Artikel 15 Abs 1 Die Norm ist ohne Vorbilder in der VvB 1950 oder in der Verf- 1 Ost. Der VerfGH sah die Verbürgung des Anspruchs auf rechtliches 21
Vorauf! Art 8 Rn 9.
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Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
Gehör jedoch in Artikel 62 VvB 1950.1 Nach Auffassung des VerfGH ist für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren und damit für eine Ausübung der Rechtspflege gemäß Art 62 VvB 1950 das rechtliche Gehör konstituierend und grundsätzlich unabdingbar. 2 Es handelt sich um das „prozessuale Urrecht des Menschen". 3 2 Im Gegensatz zum Grundgesetz (Art 103 Abs 1 GG) wurde die Bestimmung unter die „Grundrechte" gefaßt. Die Norm ist jedoch inhaltsgleich mit Art 103 Abs 1 G G . 4 3 Der Anspruch auf rechtliches Gehör besteht in jedem Verfahren vor jedem (Berliner) staatlichen Gericht 5 einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit 6 , nicht aber vor Verwaltungsbehörden oder der Staatsanwaltschaft. 7 Dies gilt auch dann, wenn die öffentliche Hand des Landes Berlin Bundesrecht angewandt hat. 8 Grundrechtsträger sind alle Personen einschließlich der juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts. 9 Berechtigt im Verfahren ist jeder Grundrechtsträger, der in einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder in ähnlicher Stellung beteiligt ist oder von dem Verfahren „unmittelbar rechtlich betroffen" wird. 10 4 Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs wird wesentlich durch einfach-rechtliche Normen ausgestaltet; 11 gleichwohl sind die wesentlichen verfassungsrechtlichen Strukturen durch Artikel 15 Abs 1 vorgegeben. 12 Der VerfGH prüft aber nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nach; die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der Nachprüfung durch den VerfGH entzogen. 13 Im einzelnen statuiert Art 15 Abs 1 Aufklärungs- und Informationspflichten für das Gericht. Abs 1 garantiert ein Recht der Betei' VerfGH LVerfGE 1, 81, 86; 195, 198; 2, 9, 12; 3, 38, 41; 83, 85; 4, 46, 50; 5, 23, 25. 2 VerfGH LVerfGE 1, 81, 86. 3 VerfGH aaO unter Verweis auf BVerfGE 55, 1, 6. o VerfGH LVerfGE 1, 169 ; 6, 19, 20. 5 BVerfGE 19, 148, 149. 6 BVerfGE 89, 381, 390. 7 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 103 Rn 5. 8 VerfGH LVerfGE 6, 19, 20 f. 9 Degenhart in Sachs Art 103 Rn 6. 10 BVerfGE 89, 381, 390f. 11 VerfGH LVerfGE 1, 81, 87. 12
Pieroth in Jarass/Pieroth Art 103 Rn 9. 13 VerfGH LVerfGE 2, 9, 13; 4, 46, 50; JR 1999, 187, 187 f.
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Grundrechte vor Gericht (Stöhr)
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ligten auf Kenntnis des Prozeßstoffs und auf Kenntnis, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. 14 Außerdem statuiert das Grundrecht ein Außerungsrecht: Die Par- 5 teien müssen sich zu dem Sachverhalt, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt wird, vor Erlaß der Entscheidung äußern dürfen. 15 Daher verletzt die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften Artikel 15 Abs l. 16 Ein Anspruch auf mündliche Verhandlung wird nicht gewährt. 17 Darüber hinaus hat das Gericht die Ausführungen der Beteiligten 6 zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.18 Daraus ergibt sich eine Verpflichtung zur Berücksichtigung solcher Beweisanträge, die nach der jeweils geltenden Verfahrensordnung als erheblich anzusehen sind. 19 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist indessen nicht verletzt, wenn ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ein Vorbringen unberücksichtigt läßt. 20 Der Anspruch auf Erwägung von Vorbringen bedeutet darüber hinaus nicht, daß das Fachgericht jedes Vorbringen ausdrücklich bescheiden muß. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. 21 Ein Verstoß ist demnach nur dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, daß das Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde. 22 Das trifft etwa zu, wenn ein Gericht schon im Tatbestand seiner Entscheidung eine dem Vorbringen eines Beteiligten widersprechende Tatsache vermerkt und seine Entscheidung ohne weiteres auf diese Tatsache stützt. 23 Einer Entscheidung dürfen daher nur solche Tatsachen und Beweis- 7 ergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Parteien Gelegenheit gegeben war. 24 Das Grundrecht gibt das Recht, sich sowohl zur Tatsachen- als auch zur Rechtslage zu äußern. 25
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BVerfGE 89, 28, 35. '5 BVerfGE 86,133, 144f; VerfGH JR 1998, 232, 234. 16 VerfGH LVerfGE 3, 38, 41. " VerfGH aaO. ι» BVerfGE 11,218,220. ι« VerfGH LVerfGE 7, 49, 56. 20 VerfGH aaO. 21 VerfGH LVerfGE 6, 80, 82. 22 VerfGH LVerfGE 3, 113, 117; JR 1999, 234, 235. 23 VerfGH LVerfGE 6, 80, 82. 2" VerfGH LVerfGE 1, 81, 87; 5, 58, 62. 25 VerfGH JR 1998,451,454.
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Allerdings ist ein Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet. 26 Mit Artikel 15 Abs 1 ist es nicht vereinbar, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Tatsachenvortrag stellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nicht zu rechnen brauchte. 27 Das Grundrecht ist nur dann verletzt, wenn die Entscheidung auf dem Verstoß gegen das rechtliche Gehör beruht; dies ist immer dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte. 28 Berücksichtigung des Vorbringens in derselben oder der Rechtsmittelinstanz heilt den Verstoß. 29 Auch das Recht auf Akteneinsicht (§ 147 StPO) und die Regelung über die Stellung eines Verteidigers zu deren Durchführung (§ 140 StPO) sind vom Gesetzgeber im Rahmen des Strafprozesses vorgesehene Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs. 30 In den Verfahren der Haftprüfung und der Haftbeschwerde muß die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten keine Einsicht in die Ermittlungsakten gewähren (§ 147 Abs 2 StPO); dem Anspruch auf rechtliches Gehör kann auch dadurch Genüge getan werden, daß dem Beschuldigten Kenntnis von dem Untersuchungsergebnis beispielsweise in Form der Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts maßgeblicher Zeugenaussagen gegeben wird. Daneben ist gegen die Versagung der Akteneinsicht die Eröffnung eines zusätzlichen Rechtsweges über § 23 E G G V G verfassungsrechtlich nicht geboten. 31 Das Verwaltungsgericht verletzt durch die Ablehnung der Vertagung und der Anordnung der Vorführung aus der Untersuchungshaft nicht das in Artikel 15 Abs 1 enthaltene Recht. Artikel 15 Abs 1 wird auch durch die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften verletzt. 32 Die Zurückweisung von Prozeßvortrag kann etwa einen Grundrechtsverstoß bedeuten, wenn das Gericht bei der Anwendung des § 296 ZPO von der Auslegung, die diese Vorschrift durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren hat, abweicht,
» VerfGH aaO. 27 VerfGH aaO. 28 BVerfGE 89, 381, 392 f. 29 BVerfGE 73, 322, 326. 30 VerfGH LVerfGE 1, 81, 87. 3' VerfGH LVerfGE 1, 195, 198. 32 VerfGH LVerfGE 3, 83, 85.
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Grundrechte vor Gericht (Stöhr)
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ohne die Gründe hierfür und deren Vereinbarkeit mit dem Grundrecht darzulegen. 33 Das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient unmit- 13 telbar der Verwirklichung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes; 34 die Anforderungen bei der Auslegung und Anwendung der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen Vorschriften dürfen daher nicht überspannt werden. 35 Art 15 Abs 1 ist durch die Versagung von Prozeßkostenhilfe unter 14 Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten verletzt, wenn die wirtschaftlich schwache Partei nicht in der Lage wäre, sich Gehör zu verschaffen. 36
Artikel 15 Abs 2 Eine entsprechende Bestimmung enthielten Art 66 VvB 1950 und Art 66 Verf Ost. Die Bestimmung entspricht Art 103 Abs 2 GG 3 7 . Die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe müssen in den Parlamentsgesetzen enthalten sein.38 Art 15 Abs 2 gebietet dem Landesgesetzgeber, den Straftatbestand gesetzlich zu präzisieren, ferner die Straftat, Strafhöhe 39 und den Strafrahmen. Strafbestimmungen, die die Strafbarkeit einer Tat nach dem Zeitpunkt ihrer Begehung begründen oder verschärfen, sind unzulässig. Darüber hinaus verbietet Art 15 Abs 2 dem Richter oder der Verwaltung die Strafbegründung und die Strafverschärfung im Wege der Analogie. Art 15 Abs 2 gilt nicht nur im Bereich der Kriminalstrafen, sondem auch für Ordnungsstrafen (vor allem Bußgeldbescheide der Verwaltung) sowie grundsätzlich auch für Disziplinarstrafen,40 nicht jedoch für vollstreckungsrechtliche Beuge- und Ordnungsmittel. 41 Verjährungsvorschriften unterliegen jedoch nicht dem Rückwirkungsverbot. 42
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VerfGH aaO. 34 VerfGH JR 1999, 188, 188. 35 VerfGH aaO: Art 15 Abs 1 iVm Abs 4. 36 VerfGH LVerfGE 7, 1, 14. 37 VerfGH LVerfGE 4, 20, 23 f. 38 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 103 Rn 43. 39 VerfGH LVerfGE 4, 20, 24 f. 4 BVerfGE 60, 215, 233. 41 BVerfGE 84, 82, 89. « VerfGH LVerfGE 4, 20, 24. 67
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Abschnitt II : Grundrechte, Staatsziele
Artikel 15 Abs 3 VvB Die Norm hat keine Vorläufer in der VvB 1950 43 und in der VerfOst. Die Bestimmung entspricht Art 103 Abs 3 GG. 20 Unter „dieselbe Tat" ist ein nach natürlicher Lebensauffassung einheitlich zu bewertender Lebensvorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluß hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll, zu verstehen. 44 Art 15 Abs 3 ist nicht nur als Verbot der mehrfachen Bestrafung zu begreifen, sondern auch als Verbot der mehrfachen Verfolgung. 45 21 „Allgemeine Strafgesetze" sind das Kern- und das Nebenstrafrecht, nicht aber das Recht der Ordnungswidrigkeiten, das Dienststrafrecht und das Disziplinarrecht sowie Verwaltungsentscheidungen. 46 22 Nur Urteile deutscher Gerichte, nicht aber auch solche ausländischer Spruchkörper lösen die Wirkung des Art 15 Abs 3 aus. 47 Keine ausländischen Gerichte sind Gerichte der DDR 4 8 sowie der EuGH 4 9 . 19
Artikel 15 Abs 4 23
Eine „beschränkte" Vorbildsregelung findet sich in Art 71 VvB 1950 und in Art 71 VerfOst. Eine allgemeine Rechtsweggarantie enthielt Art 71 Abs 2 VvB 1950 nicht. 50 Die Bestimmung ist identisch mit Art 19 Abs 4 GG. 5 ' 24 Art 15 Abs 4 schützt als „Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung" 5 2 (nur) gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 53 . Auf dem Gebiet des Zivilrechts vermittelt das allgemeine
« Offen VerfGH LVerfGE 4, 20, 25. « BVerfGE 56, 22, 28. « BVerfGE 12, 62, 66. 46 Degenhart in Sachs Art 103 Rn 84. 47 BVerfGE 75, 1, 15. 48 Art 18 Abs 1 EV. 49 BGHSt 24, 54, 57. 50 VerfGH LVerfGE 1, 195, 197. 5" VerfGH JR 1999, 187, 187. 52 BVerfGE 58, 1,40. 53 VerfGH JR 1999, 187, 187; Krüger in Sachs Art 19 Rn 110.
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Grundrechte vor Gericht (Stöhr)
Art. 15
Rechtsstaatsprinzip 54 , das auch in Berlin kraft Landesverfassungsrecht Geltung hat, 55 Rechtsschutz. Abs 4 schützt nur bei der Verletzung subjektiver Rechte des öffentliehen oder privaten Rechts; die Verletzung bloßer Interessen genügt nicht. 56 Rechtsschutz gewährt die Norm nur gegen die gesamte Exekutive einschließlich der Regierung, 57 nicht aber gegen die Legislative und die Rechtsprechung. 58 Daher gewährt Art 15 Abs 4 keinen Anspruch auf Anfechtung richterlicher Entscheidungen. 59 Grundrechtsträger sind In- und Ausländer sowie juristische Personen des Privatrechts. Juristischen Personen des öffentlichen Rechts kommt die Norm nur zugute, wenn diese - ausnahmsweise - Grundrechtsträger sind, jedoch beschränkt auf die Rügen des ihnen zustehenden Grundrechts. 60 Art 15 Abs 4 gewährt dem Rechtssuchenden einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle des ihn treffenden Handelns oder Unterlassens der öffentlichen Gewalt. Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutzgewährung innerhalb angemessener Zeit; 61 die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. 62 Es ist zwar zulässig, daß die Anrufung eines Gerichts von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, wie der Einhaltung einer Frist, abhängig gemacht wird; jedoch darf dadurch der Zugang zum Gericht nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden. 63 Diesem Verfassungsgebot hat nicht nur der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der jeweiligen Verfahrensordnung Rechnung zu tragen, sondern auch die Fachgerichte haben es ungeachtet ihrer grundsätzlichen Kompetenz zur Auslegung und Anwendung des einfachen Verfahrensrechts im Einzelfall zu beachten. 64 Ein
st BVerfGE 54, 277, 291. ss VerfGH LVerfGE 1, 81, 83f; 3, 96, 98. 56 BVerfGE 83, 182, 194. 57 Jarass in Jarass/Pieroth Art 9 Rn 24. 5« BVerfGE 65, 76, 90. 59 BVerfGE 11, 263, 265; VerfGH LVerfGE 6, 22, 27. 60 A A Jarass in Jarass/Pieroth Art 19 Rn 29. VerfGH LVerfGE 4, 76, 78; LVerfGE 6, 22, 27 f. 62 VerfGH aaO. 63 VerfGH JR 1999, 187, 187; vgl. auch BVerfGE 42, 128, 130. 64 VerfGH aaO.
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evidenter Verstoß gegen die Vorschriften über die Ersatzzustellung verletzt daher Art 15 Abs 4. 65
Artikel 15 Abs 5 30
Art 15 Abs 5 Satz 1 entspricht Art 67 VvB 1950 und Art 101 Abs 1 Satz 1 G G sowie Art 67 Satz 1 VerfOst. Satz 2 entspricht Art 101 Abs 1 Satz 2 GG 6 6 und Art 9 Abs 1 Satz 2 VvB 1950 sowie Art 67 Satz 2 VerfOst. 31 Unzulässige Ausnahmegerichte im Sinne des Satz 1 sind Gerichte, die willkürlich in Abweichung von einer generellen gesetzlichen Zuständigkeitsregelung besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle eingesetzt werden 67 . Sie unterscheiden sich von den zulässigen Gerichten für besondere Sachgebiete vor allem dadurch, daß bei diesen der Gleichheitssatz der Verfassung gewahrt und ihre Zuständigkeit gesetzlich im voraus für bestimmte Sachgebiete oder Personengruppen (zB Berufsgerichtsbarkeit) generell geregelt sind. 32 Richter im Sinne des Satz 2 ist neben dem zur Entscheidung berufenen Richter auch das Gericht als organisatorische Einheit und das Gericht als Spruchkörper; 68 die Zuständigkeit des Richters muß sich möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben. 69 Der Gesetzgeber hat die sachliche, örtliche und instanzielle Zuständigkeit der Gerichte und ihrer Spruchkörper festzulegen. 70 Daneben müssen in jährlich aufzustellenden Geschäftsverteilungsplänen die innerhalb des Gerichts zuständigen Spruchkörper und für diese wiederum die entsprechenden Richter bestimmt werden. 71 Mitwirkungspläne im Sinne des § 21g Abs 2 GVG sind für überbesetzte Spruchkörper erforderlich und müssen im voraus generell abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und ebenso die Mitwirkung der Richter in überbesetzten Spruchkörpern regeln. 72 33 Satz 2 ist nur dann verletzt, wenn die Entscheidung auf einer grundlegenden Verkennung von Existenz und Tragweite des Rechts
« VerfGH aaO. 66 VerfGH LVerfGE 6, 63, 65. 67 BVerfGE 3, 223; 8, 182; 19, 43. 68 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 101 Rn 2. BVerfGE 63, 77, 79. ™ BVerfGE 95, 322, 328. 7 ' BVerfGE aaO. 72 BVerfGE aaO S 328 f.
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Art. 16
Briefgeheimnis (Stöhr)
auf den gesetzlichen Richter beruht. 73 Die Unterlassung einer gesetzlich gebotenen Vorlage an ein übergeordnetes Gericht kann einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters bedeuten; 74 dies aber nur, wenn sich die Vorlage dem entscheidenden Richter aufdrängen mußte bzw. sich deren Unterlassung als unvertretbar darstellt. 75
Artikel 16 Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Materialien 1. Art 10 GG; 112 BayVerf; 16 BbgVerf; 15 IV BremVerf (Post); 12 HessVerf (Post); 14 RhPfVerf; 17 SaarlVerf; 27 SächsVerf; 14 SchlH Verf; 7 ThürVerf 2. VvB 1950: Art 10 3. Änderungen: -
Erläuterungen Art 16 entspricht Art 10 VvB 1950 und Art 10 G G sowie dem 1 allerdings unter Gesetzesvorbehalt stehenden Art 11 VerfOst. Obwohl Art 16 keinen Gesetzesvorbehalt formuliert und damit 2 einen weiteren Schutz vermittelt als Art 10 GG, ist die Norm gültig. 1 Aufgrund von Art 10 Abs 2 G G erlassenes, einfachrechtliches Bundesrecht verdrängt allerdings Art 16 insoweit, als sein Regelungsgehalt keine Spielräume für weitergehendes Landesrecht läßt. 2 Art 16 enthält ein - trotz der dreifachen Verbürgung - einheitliches 3 Grundrecht, das die Vertraulichkeit schriftlicher oder fernmeldetechnischer individueller Kommunikation schützt. 3 Das Grundrecht gewährleistet „die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen priva-
73 VerfGH LVerfGE 6, 63, 66. 74 VerfGH LVerfGE 7, 49, 54. " VerfGH aaO. 1 Vgl BVerfGE 96, 345, 365. 2 BVerfGE 96, 245, 365 f. 3 Jarass in Jarass/Pieroth Art 10 Rn 1; aA Vorauf! Art 10 Rn 2.
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ten, vor den Augen der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Nachrichten, Gedanken und Meinungen". 4 Es schützt die Privatsphäre. 5 Das Briefgeheimnis schützt den brieflichen Verkehr der einzelnen untereinander gegen eine Kenntnisnahme der öffentlichen Gewalt von dem Inhalt des Briefes.6 „Brief" ist dabei jede die mündliche Kommunikation ersetzende schriftliche Mitteilung in beliebiger Schrift und Vervielfältigungsart, 7 also auch eine elektronische Mitteilung etwa per e-mail. Das Postgeheimnis vermittelt Schutz für den durch die Post vermittelten Verkehr nicht nur gegenüber der Post, sondern auch gegenüber allen anderen Staatsgewalten, insbesondere der postfremden Exekutive. 8 Es erstreckt sich insbesondere auf den konkreten Inhalt der übermittelten Sendung und schützt vor der Offenbarung (Übermittlung, Weitergabe), wer mit wem durch die Post Briefe und Sendungen wechselt, vor der Öffnung verschlossener Sendungen, vor der Nachforschung nach ihrem Inhalt und vor Eingriffen postfremder Stellen. 9 Das Fernmeldegeheimnis sichert den Einzelnen nicht nur gegenüber der Post, sondern auch Bürger und Post gegenüber anderen staatlichen Stellen. Es schützt den privaten und den geschäftlichen Fernmeldeverkehr vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Die grundrechtliche Gewährleistung umfaßt nicht nur den Inhalt geführter Telefongespräche, sondern auch die näheren Umstände des Fernmeldeverhältnisses. Dazu gehört insbesondere auch die Tatsache, ob und wann zwischen welchen Personen und Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist. 10 Das Grundrecht ist gegenüber neuen, insbesondere elektronischen Ubermittlungsformen dynamisch.11 Aus Art 16 dürfte auch eine staatliche Schutzpflicht erwachsen. 12
* BVerfGE 67, 157, 171. 5 Krüger in Sachs Art 10 Rn 6 ff. 6 BVerfGE 67, 157, 171. 7 Krüger in Sachs Art 10 Rn 12. » BVerfGE 67, 157, 171 f. » BVerfGE aaO S 172. i" BVerfGE aaO. h Krüger in Sachs Art 10 Rn 14. i 2 Vgl Krüger in Sachs Art 10 Rn 21 f.
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Freizügigkeit, Berufsfreiheit (Stöhr)
Art. 17
Anders als Art 10 Abs 2 G G steht der Schutz des Art 16 nicht unter 10 ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt, so daß eine Einschränkung nur zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts durch förmliches Gesetz13 und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglich ist. Grundrechtsträger sind alle natürlichen Personen sowie die inlän- 11 dischen juristischen Personen des Privatrechts sowie Personenvereinigungen.
Artikel 17 Das Recht der Freizügigkeit, insbesondere die freie Wahl des Wohnsitzes, des Berufes und des Arbeitsplatzes, ist gewährleistet, findet aber seine Grenze in der Verpflichtung, bei Überwindung öffentlicher Notstände mitzuhelfen. Materialien
1. Art 11, 12 GG; 109, 166 II BayVerf; 17, 48 I, 49 BbgVerf; 8, 18 BremVerf; 6 HessVerf; 15, 58 RhPfVerf; 9, 44 SaarlVerf (Gewerbefreiheit); 28, 29 SächsVerf; 15, 16 LSA Verf; 5, 35 ThürVerf 2. VvB 1950: Art 11 3. Änderungen: -
Erläuterungen Art 17 entspricht wörtlich Art 11 VvB 1950. 1 Die Norm enthält zwei völlig wesensverschiedene Grundrechte, 2 nämlich das - im G G in Art 11 verbürgte - Recht auf Freizügigkeit und die - im G G in Art 12 geregelte - Freiheit der Berufswahl.
1. Freizügigkeit Das Grundrecht ist in sachlicher Hinsicht identisch mit der Ge- 3 währleistung in Art 11 GG. 1
13 Vgl Art 59 Abs 1 VvB. ' VerfGH LVerfGE 2, 19, 24; JR 1998 505; aA Voraufl Art 11 Rn 2.
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In personeller Hinsicht sind allerdings nicht nur die Deutschen, sondern alle Menschen geschützt. 2 Obwohl Art 17 damit weitergehenden Schutz verbürgt als der korrespondierende Art 11 GG, ist die Norm wirksam. 3 Zur Freizügigkeit gehört als ausdrücklich genannter Unterfall auch („insbesondere") die Wahl des Wohnsitzes; diese ist damit ein Unterfall einer umfassend zu verstehenden Freizügigkeit. 5 Das Grundrecht verbürgt - positiv - namentlich das Recht des freien Zuges, und zwar - dem räumlichen Anwendungsbereich dieser landesrechtlichen Bestimmung entsprechend - des freien Zugangs in den Grenzen des Landes Berlin, dh das Recht, ungehindert durch die Staatsgewalt sowohl von einem Berliner Bezirk in den anderen zu ziehen als auch innerhalb dieser Bezirke nach eigener Wahl Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. 4 Überdies begründet dieses Recht als Kehrseite der persönlichen Freizügigkeit das Recht, nicht ziehen zu müssen, das Recht also, innerhalb von Berlin dort zu bleiben, wo man ist.5 6 Schutz vor der Ausübung ökonomischen Zwangs gewährleistet Art 17 allenfalls gegen solchen Zwang, der einem Zuzugsgebot im Ergebnis gleich käme. 6 Das in Art 17 verbürgte Grundrecht hindert den Landesgesetzgeber nicht daran, Einwohner des Landes stärker zu belasten oder zu begünstigen als Bewohner anderer Länder der Bundesrepublik. 7 Art 17 führt in gleichheitsrechtlicher Sicht nicht weiter als Art 10.* 7 Das Recht auf Freizügigkeit verlangt - neben der Einhaltung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in Art 59 Abs 1 VvB - die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die Gewährleistung eines angemessenen und effektiven Rechtsschutzes.9 Daher ist beispielsweise bei der Ausweisung die wegen Geringfügigkeit erfolgte Einstellung des Ermittlungs- oder Strafverfahrens nach dem vom Verfassungsrecht gebotenen Maßstäben für die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen. 10 Es verstößt nicht gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes, eine Ausweisung, die infolge einer
2 3 t 5 6
VerfGH LVerfGE 2, 19, 24. VerfGH LVerfGE 2, 19, 25. VerfGH aaO. VerfGH aaO. VerfGH LVerfGE 2, 75, 79. 7 VerfGH aaO. 8 VerfGH aaO. ? VerfGH LVerfGE 2, 19, 24; 3, 50, 54ff; JR 1998, 505. Ό VerfGH LVerfGE 3, 50, 54ff.
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Freizügigkeit, Berufsfreiheit (Stöhr)
Art. 17
vorsätzlich begangenen Straftat angeordnet wird, durch eine generalpräventiv motivierte Anordnung der sofortigen Vollziehung durchzusetzen. 11 Angesichts der Tatsache, daß Art 17 ein Einschränkungsvorbehalt 8 nur wegen der Verpflichtung, zur Überwindung öffentlichen Notstandes mitzuhelfen, enthält, wird man eine Einschränkung in sonstigen Fällen nur durch kollidierendes Verfassungsrecht zulassen können. Die „Uberwindung öffentlicher Notstände" bezieht sich auf die Folgen von Erdbeben, Überschwemmungen, Feuersbrünsten, inneren Unruhen ua. 12
2. Freie Wahl des Berufs und des Arbeitsplatzes Nach Auffassung des VerfGH 1 3 ist das in Art 17 verbürgte Recht der Berufsfreiheit inhaltsgleich mit Art 12 G G , jedoch nur was die Freiheit der Berufswahl angeht. Die Freiheit der Berufsausübung 1 4 wird in Art 17 nicht geschützt. 15 Gleichwohl ist Art 17 im Rahmen der Mindergewährleistung gegenüber Art 12 G G gültig. 16 Für die Freiheit der Wahl des Berufs und des Arbeitsplatzes gelten in vollem Umfange die Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht für die Gewährleistung in Art 12 G G entwickelt hat. „Beruf ist jede - selbständige wie unselbständige - Tätigkeit, die in ideeller und materieller Hinsicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. 17 Die Frage, ob die Tätigkeit erlaubt ist, wie häufig gefordert wird, 18 ist nicht für die Frage des Schutzbereichs der Berufsfreiheit, sondern innerhalb der Schrankensystematik von Bedeutung. 19 Berufswahl meint die Entscheidung, überhaupt einen bestimmten Beruf zu ergreifen oder darauf zu verzichten und die Wahl eines bestimmtes Berufs. 20
i' 12 13 w 15 ι« 17 's 19 20
VerfGH LVerfGE 2, 19, 25ff. Vorauf! Art 11 Rn 7. LVerfGE 2, 16, 17f;5, 30,35. Art 12 Abs 1 S 2 GG. VerfGH JR 1996, 146; LVerfGE 5, 14, 17; aA Voraufl Art 11 Rn 41. VerfGH JR 1998, 146, 147. BVerfGE 7, 377, 397; 54, 301, 313. BVerwGE 87, 37, 40 ff. Jarass in Jarass/Pieroth Art 12 Rn 6. BVerfGE 58, 358, 364; 68, 256, 267.
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Die Arbeitsplatzfreiheit umfaßt neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch den Willen des einzelnen, den Arbeitsplatz beizubehalten. 21 Ebensowenig verleiht das Grundrecht unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes. Insoweit obliegt dem Staat lediglich eine aus der Berufswahlfreiheit folgende Schutzpflicht, der die Kündigungsschutzvorschriften hinreichend Rechnung tragen. 22 Art 17 ist bei der Auslegung kündigungsrechtlicher Regelungen zu beachten. 23 15 Art 17 bietet keinen unmittelbaren Schutz vor Kündigungen. Mit der Berufswahlfreiheit ist weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. 24 16 Einen Eingriff in Berufs- bzw Ausbildungsfreiheit stellt jede Regelung dar, die unmittelbar oder mittelbar das Grundrecht berührt. Mittelbare Auswirkungen einer staatlichen Maßnahme stellen einen Grundrechtseingriff dann dar, wenn die Auswirkungen in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen. 25 17 Da die Berufsfreiheit des Art 17 nicht unter Gesetzesvorbehalt steht, kann die Norm - jenseits der Beschränkung aufgrund der Verpflichtung zur Überwindung öffentlicher Notstände - nur durch kollidierendes Verfassungsrecht auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden. 26 Die Schrankenvorbehalte, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat, 27 gelten hier also nicht.
21 22 23 24 25 26 27
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VerfGH JR 1999, 317. VerfGH JR 1999,317,318. VerfGH LVerfGE 5, 30, 35. VerfGH LVerfGE 7, 3, 10. BVerfGE 70,191,214. AA - ohne Begründung - VerfGH JR 1999, 317, 318. Grundlegend BVerfGE 7, 377, 397ff.
Art. 18
Recht auf Arbeit (Stöhr)
Artikel 18 Alle haben das Recht auf Arbeit. Dieses Recht zu schützen und zu fördern ist Aufgabe des Landes. Das Land trägt zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen bei und sichert im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts einen hohen Beschäftigungsstand. Wenn Arbeit nicht nachgewiesen werden kann, besteht Anspruch auf Unterhalt aus öffentlichen Mitteln. Materialien 1. a): Art 166 II BayVerf; 48 I BbgVerf; 8 I BremVerf; 28 II HessVerf; 24 I N W Verf (kein Recht); 53 II RhPfVerf; 45 SaarlVerf; 7 I SächsVerf b): Art 166 BayVerf (...Vollbeschäftigung und ...); 48 I BbgVerf; 39, 40 BremVerf; 38 HessVerf; 17 I MV Verf; 24 I N W Verf; 51, 52 RhPfVerf; 43, 54 SaarlVerf; 39 II LSA Verf; 36 ThürVerf c): Art 168 III BayVerf; 48 II BbgVerf; 49 III BremVerf; 28 III HessVerf; 53 III RhPfVerf; 46 SaarlVerf 2. VvB 1950: Art 12 3. Änderungen: -
Erläuterungen Art 12 VvB 1950 und Art 20 VerfOst enthielten ähnliche Regelun- 1 gen. Satz 1 enthält keinen subjektiv-rechtlichen Abwehr-, Leistungs- oder 2 Teilhabeanspruch, und zwar weder gegenüber einem Dritten noch gegenüber dem Staat, 1 sondern lediglich einen Programmsatz, also ein Staatsziel. 2 Die Sätze 2 und 3 enthalten einen objektiven Handlungsauftrag an den Staat, nämlich einmal - in Satz 2 - im wirtschaftlichen Gesamtgefüge und - in Satz 3 - im Rahmen der Tätigkeit des Landes selbst. Auch Satz 4 enthält kein originäres Leistungsrecht auf Sozialhilfe, sondern lediglich einen derivativen Teilhabeanspruch. 3 Da die Gewährung von Arbeitslosenunterstützung Gegenstand konkurrierender Gesetzgebung ist 4 und der Bund insoweit flächendeckend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, läuft die Regelung überdies leer.
ι VerfGH LVerfGE 7, 3, 8. Voraufl Art 12 Rn 1; VerfGH LVerfGE 7, 3, 8. 3 Vgl Voraufl Art 12 Rn 3. < Art 74 Nr 7 bzw 12 GG. 2
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Art. 19
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Artikel 19 (1) Niemand darf im Rahmen der geltenden Gesetze an der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Ehrenämter gehindert werden, insbesondere nicht durch sein Arbeitsverhältnis. (2) Der Zugang zu allen öffentlichen Amtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt. Materialien 1. a) zu I: Art: 33 I GG; 73 HmbVerf; 25 HessVerf; 59 RhPfVerf; 49 SaarlVerf b) zu II: Art 33 II GG; 94 II BayVerf; 21 I BbgVerf; 128 BremVerf; 59 I HmbVerf; 134 HessVerf; 71 I MV Verf; 19 RhPfVerf; 19 SaarlVerf (Pflicht zur Übernahme); 91 II SächsVerf; 8 II LSA Verf; 9 ThürVerf (Recht auf Mitgestaltung des politischen Lebens) 2. VvB 1950: Art 13 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Abs 1 der Regelung entspricht Art 7 VvB 1950, Abs 2 entspricht Art 13 VvB 1950. 2 Abs 1 hat den Zweck, das Vorfeld für die Ausübung der Rechte des sog status activus zu sichern. Es sind diejenigen Rechte, die - wie zB das aktive und passive Wahlrecht - die Anteilnahme des Bürgers an der Ausübung der staatlichen Macht sichern sollen. Die „öffentlichen Ehrenämter" stellen eine Unterart dieser Rechte dar. Es zählen hierzu zB die Ämter der Bürgerdeputierten (Art 73 Abs 2), Schöffen 1 und Beisitzer in Verwaltungs- und richterlichen Gremien. Abs 1 schafft die „staatsbürgerlichen Rechte oder öffentlichen Ehrenämter" somit nicht selbst, sondern setzt diese voraus. Rechtstechnisch enthält die Vorschrift eine Verweisung auf diejenigen Vorschriften, die solche Rechte gewähren (für das aktive und passive Wahlrecht ist dies zB Art 39). Die Einschränkung „im Rahmen der Gesetze", die in die VvB gegenüber der Regelung in Art 7 VvB 1950 neu aufgenommen wurde, stellt lediglich den bereits zuvor existierenden Zustand klar, daß die Norm nicht unmittelbar von Verfassungs wegen staatsbürgerliche Recht zuweist, sondern demjenigen, der nach Maßgabe einfach-rechtlicher Bestimmungen Zugangsberechtigter zu Ämtern ist, ein Zugangs- und zugleich ein Abwehrrecht gegen diesen Zugang hindernde Maßnahmen zuweist.
ι § 28 GVG; vgl auch Art 79 Rn 7, Art 72 Rn 20.
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Zugang zu öffentlichen Ämtern (Stöhr)
Art. 19
Grundrechtsgehalt ist die Gewährleistung des Zugangs zu Ämtern nur insoweit, als diese bestehen. Eine Institutsgarantie enthält die Norm nicht. Die Vorschrift des Abs 1 in nach ihrer eindeutigen Formulierung es wird insbesondere das in den meisten Fällen private Arbeitsverhältnis erwähnt - nicht nur gegen die staatliche Gewalt, sondern auch gegen andere Privatpersonen gerichtet. Ihr kommt also unmittelbare Drittwirkung zu. 2 Grundrechtstechnisch stellt die Norm für die durch sie Begünstigten ein individuelles Freiheitsrecht dar. Geschützt werden dadurch all diejenigen menschlichen Verhaltensweisen, die mit der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte notwendig einhergehen. Welche Verhaltensweisen das sind, ist im Wege der Verfassungsauslegung zu bestimmen. Der einfache (Landes-) Gesetzgeber hat insoweit auch nicht die Möglichkeit der authentischen Interpretation, obschon aus der Tatsache, daß auch der einfache Gesetzgeber solche Rechte schaffen kann, an die Abs 1 die Garantie der Vorfeldabsicherung knüpft, folgt, daß der einfache Gesetzgeber mittelbar auch Aussagen über den Gewährleistungsbereich des Art 7 zu treffen vermag. Das Grundrecht steht nicht unter Gesetzesvorbehalt, es kann seinerseits nur durch kollidierendes Verfassungsrecht durch ein Gesetz eingeschränkt werden. Im Verhältnis zu den drittverpflichteten Bürgern enthält die Vorschrift des Art 19 Abs 1 einen qualifizierten Einschränkungsvorbehalt („kollidierendes Verfassungsrecht") für die Einschränkung all derjenigen Berliner Freiheitsrechte, deren Ausübung die Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte oder öffentlichen Ehrenämter behindern könnte. Die zur Berufsfreiheit gehörende Vertragsfreiheit des Arbeitgebers ist zB durch Abs 1 dahingehend eingeschränkt, daß sie nicht in der Weise ausgeübt werden darf, daß der Arbeitnehmer in der Wahrnehmung seiner staatsbürgerlichen Rechte und „öffentlichen Ehrenämter" behindert wird. Im Verhältnis zu den dem Drittverpflichteten auch zustehenden Freiheitsgrundrechten des Grundgesetzes stellt die Eingriffsermächtigung und Eingriffsverpflichtung des Abs 1 zugleich die Inanspruchnahme der diesen Grundrechten durch das G G hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte dar. Ein Teilhaberecht (zB auf Erstattung des durch die Wahrnehmung der Rechte oder Ehrenämter entstandenen Lohnausfalles) läßt sich
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der Vorschrift des Abs 1 jedoch weder im Verhältnis zum Staat noch im Verhältnis zu anderen Bürgern (zB dem Arbeitgeber) entnehmen. 3 Abs 2 enthält einen speziellen Gleichheitssatz, der den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 10 Abs 1 verdrängt. Die Norm hat in Anbetracht der Tatsache, daß Art 33 Abs 2 und 3 G G nicht nur die Bundesstaatsgewalt, sondern auch die Landesstaatsgewalt binden, 4 rechtliche Relevanz nur noch dann, wenn sie im Tatbestand oder in der Rechtsfolge, zB hinsichtlich der Art der Differenzierungsverbote und der Differenzierungsgebote, im Verhältnis zur Regelung des G G Unterschiede aufweist. Im Tatbestand bestehen solche Unterschiede jedoch nicht. Der Begriff des „öffentlichen Amtes" im Sinne des Art 19 Abs 2 ist identisch mit demjenigen im Sinne des Art 33 Abs 2 und 3 GG. Er ist auch hier weit auszulegen und umfaßt alle beruflichen und auch ehrenamtlichen Funktionen mit öffentlichem Einschlag bei Bund, Ländern, Gemeinden, Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts. 5 Unterschiede bestehen nur insoweit, als in Abs 2 nur öffentliche Ämter im Land Berlin gemeint sind. Desgleichen bestehen auch in der Rechtsfolge insoweit keine Unterschiede, als auch aus Abs 2 kein Anspruch auf Zugang zu dem öffentlichen Amt fließt, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung im Rahmen des der Behörde zustehenden Beurteilungsspielraums und auf fehlerfreie Ermessensausübung. 6 Ein Anspruch auf Übernahme in ein Amt gewährt Art 19 Abs 2 nicht, es sei denn, jede andere Entscheidung als die der Übernahme des Bewerbers erweist sich als rechtswidrig. 7 Der Ausschluß der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage verstößt nicht gegen Art 19 Abs 2; der übergangene Bewerber muß jedoch so vom Ausgang des Auswahlverfahrens unterrichtet werden, daß er von Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch machen kann. 8 Bei der Beurteilung der Eignung steht der Behörde ein Beurteilungsspielraum zu. Außerdem besteht ein Ermessensspielraum, wenn mehrere gleich geeignete Bewerber zur Auswahl stehen. Auch die in Art 19 einerseits und Art 33 Abs 2 und 3 G G andererseits genannten Unterscheidungskriterien unterscheiden sich nur in der Formulierung, nicht dagegen auch in der Sache: Ebenso 3
Vgl dazu Landsberg/Goetz S 61. Vgl etwa BVerfGE 39, 334. 5 Vgl Pieroth in Jarass/Pieroth Art 33 Rn 5. 6 Vgl auch BayVGH D Ö V 1976, 423, 424; BVerfGE 39, 334, 354. 7 Β A G E 53, 137, 152. 8 BVerfG (Κ) NJW 1990,501.
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wie Art 33 G G schränkt auch Art 19 die Entscheidungsfreiheit der Einstellungsbehörde positiv dadurch ein, daß die Eignung für das erstrebte Amt als das allein zulässige Auslese- und Beurteilungskriterium ausgewiesen wird, und negativ dadurch, daß bestimmte Kriterien ausdrücklich als eignungsfremde Maßstäbe bezeichnet und für unverwertbar erklärt werden, wobei dieses Verbot letztlich freilich doch kein absolutes ist, weil es wie alle speziellen Differenzierungsverbote dem Regiment des Willkürverbotes unterliegt: Das Außerachtlassen dieser (verbotenen) Kriterien darf nicht seinerseits Willkür erzeugen. Zwar spricht Art 19 nur von dem (gebotenen) Unterscheidungskriterium der Eignung, während Art 33 Abs 2 G G daneben auch die Befähigung und fachliche Leistung nennt. Dies macht in der Sache jedoch deshalb keinen Unterschied, weil die Eignung sowohl die Befähigung wie auch die fachliche Leistung umfaßt. 9 Art 19 hat daher im Verhältnis zum G G nur auf die ausdrückliche Erwähnung zweier spezieller Aspekte der Eignung verzichtet. Der Begriff der Eignung ist i.ü. ein „Verweisungsbegriff". Er bezieht sich auf das zu besetzende Amt. „Das Amt verkörpert bestimmte, dienstrechtlich definierte Leistungserwartungen, denen der Bewerber gewachsen sein muß. Diese hängen ab von der Art des jeweiligen Dienstverhältnisses, der Laufbahn, den wahrzunehmenden Aufgaben und sonstigen Merkmalen, die das einschlägige Dienstrecht festlegt". 10 Das in Art 19 genannte und für unzulässig erklärte Unterscheidungskriterium des Geschlechts taucht zwar in Art 33 G G nicht auf, gilt aber über Art 3 Abs 2 und 3 G G gleichermaßen auch im Anwendungsbereich des Art 33 GG. Das gleiche gilt hinsichtlich des „verbotenen" Unterscheidungskriteriums der Herkunft, das zwar auch nicht in Art 33 GG, dafür aber in Art 3 Abs 3 G G auftaucht. Das unzulässige Unterscheidungskriterium des religiösen Bekenntnisses erscheint nicht nur in Art 3 Abs 3 GG, sondern auch in Art 33 Abs 3 GG. Insofern decken sich die Formulierungen der VvB und des GG. Das in Art 19 genannte und für verboten erklärte Unterscheidungskriterium der Partei taucht zwar ausdrücklich weder in Art 3 Abs 3 G G noch in Art 33 Abs 3 G G auf. Dort ist statt dessen von „politischen Anschauungen" (Art 3 Abs 3) und von „Zugehörigkeit oder
9 Maunz in M D H S Art 33 Rn 9. I sense e in Benda/Maihofer/Vogel, S 1162.
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Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung" die Rede. In der Sache bedeutet jedoch auch dies keinen Unterschied. Insbesondere will und kann Art 19 nicht ausschließen, daß die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei den Ausschluß vom Zugang zu öffentlichen Ämtern zur Folge hat; denn selbst wenn er dies wollte, würde er sich damit den Widerspruch zu höherrangigen Regelungen des Bundesverfassungsrechts setzen und folglich gebrochen werden; 11 denn Art 33 Abs 2 und 5 G G verlangen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 12 von Bundesbeamten, aber auch von Landesbeamten die Gewähr des jederzeitigen Eintretens für die freiheitlich demokratische Grundordnung iSd Grundgesetzes, was nach der Rechtsprechung des BAG 1 3 auch für Angestellte und Arbeiter gilt, die ein öffentliches Amt bekleiden. Dies ist nicht nur ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, 14 sondern dies ist auch die Voraussetzung für die Eignung zur Übernahme eines öffentlichen Amtes iSd Art 33 Abs 2 G G und Art 19. Dies Gewähr besteht im Zweifel dann nicht, wenn der Bewerber Mitglied in einer als verfassungsfeindlich erkannten Partei ist. Sehr wohl kann daher die bloße Mitgliedschaft in einer solchen Partei als ausreichender Grund dafür herangezogen werden, daß dem Bewerber der Zugang zum öffentlichen Dienst verweigert wird. Allerdings kommt es auch dabei entscheidend auf die Art des konkreten öffentlichen Amtes an, um das sich das Mitglied einer solchen Partei bewirbt, denn der Begriff der Eignung in Art 19 und Art 33 Abs 2, 3 G G korrespondiert dem konkreten Amt bzw einer bestimmten Laufbahn, nicht hingegen der Ausübung eines öffentlichen Amtes schlechthin. 15 Darin ist ein Verstoß gegen das Parteienprivileg des Art 21 Abs 2 G G schon deswegen nicht zu erblicken, weil diese Bestimmung durch den Ausschluß der Mitglieder einer solchen Partei zum Zugang zum öffentlichen Dienst gar nicht berührt wird und weil, wenn eine solche Berührung doch stattfinden sollte, die Vorschriften der Art 33 Abs 2 und 5 G G als leges speciales im Verhältnis zum Art 21 Abs 2 G G ausgelegt werden müßten. 20
Deutlicher noch als Art 33 G G richtet sich Art 19 gegen die Parteipatronage. Unzulässig ist sowohl die parteiparitätische wie die parteieinseitige Patronage. Das Kriterium der Parteizugehörigkeit unter-
" Art 31 GG. '2 BVerfGE 39, 334. 13 AP Nr 2 zu Art 33 Abs 2 GG. "» Art 33 Abs 5 GG. '5 StGH ESVGH 27, 15,23.
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fällt dem Verbot eignungsfremder Maßstäbe (mit Ausnahme der verfassungsfeindlichen Partei). Anders als Art 33 GG begrenzt Art 19 die Grundrechtsträgerschaft 21 jedoch nicht auf die Deutschen.16 Art 19 findet daher auch auf Ausländer Anwendung. Auch diese haben einen Anspruch auf die Beachtung der Regeln, die Art 19 für den Zugang zum öffentlichen Dienst aufstellt. Darin ist ein Verstoß gegen Art 33 GG nicht zu erblicken, weil die Begrenzung der Grundrechtsträgerschaft auf Deutsche dort nicht dahin gedeutet werden darf, daß die Einstellungskriterien des Art 33 GG bei Ausländern keine Rolle spielen dürfen. Art 19 gilt darum neben Art 33 GG fort - ungeachtet auch der Tatsache, daß diese Bestimmung möglicherweise kein Grundrecht iSv Art 142 GG darstellt.17 Berührt eine arbeitsgerichtliche Entscheidung den gleichen Zugang 22 zu öffentlichen Ämtern, so fordert Art 19 Abs 2, daß die Gerichte diesen Rechten bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften Rechnung tragen.18
Artikel 20 (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Das Land ermöglicht und fördert nach Maßgabe der Gesetze den Zugang eines jeden Menschen zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen, insbesondere ist die berufliche Erstausbildung zu fördern. (2) Das Land schützt undfördertdas kulturelle Leben. Materialien 1. a) zu I: Art 11 BW Verf (... jeder junge Mensch ...); 128 BayVerf; 29 BbgVerf; 27 Brem Verf; 8 MV Verf; 17 N W Verf (Erwachsenenbildung); 31 RhPfVerf; 7 SächsVerf; 25 I LSA Verf; 24 Thür Verf b) zu II: Art 34 BbgVerf; 16 MV Verf; 56 II NdsVerf; 18 N W Verf; 40 RhPfVerf; 111 SächsVerf; 36 LSA Verf; 30 ThürVerf 2. VvB 1950: 3. Änderungen: -
i« BAG ν 6 . 2 . 1 9 8 0 - 5 AZR 848/77. 17 BVerfGE 36, 342 ff. '8 VerfGHJR 1999, 317, 318. 83
Art. 21
Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
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Art 20 hat in der VvB 1950 keine Entsprechung. Eine ähnliche Regelung enthielt Art 21 VerfOst. Art 20 Abs 1 enthält das Recht auf Bildung, wobei die Zuweisung der subjektiven Rechtsposition in Satz 1 enthalten ist, während Satz 2 den Anspruchsumfang definiert. Subjektiv-rechtlich beschränkt sich daher das Recht auf Bildung auf den Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen, wobei die berufliche Erstausbildung besonders hervorgehoben wird. Das Recht besteht nur „im Rahmen der Gesetze", dh nur nach Maßgabe vorhandener Bildungseinrichtungen und deren Ausstattung. 1 Darüber hinaus enthält Art 20 Abs 1 Satz 2 einen objektiv-rechtlichen Handlungsauftrag für den Gesetzgeber, der ihn zur Schaffung und Erhaltung der öffentlichen Bildungseinrichtung verpflichtet. Das Recht besteht auch für Ausländer. Das Zugangsrecht gilt nur für öffentliche, nicht auch für private Bildungseinrichtungen. Unter öffentlichen Bildungseinrichtungen sind solche Institute zu verstehen, deren Träger eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ohne Rücksicht darauf, ob sie im konkreten Fall in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form betrieben wird. 2 Abs 2 enthält eine bloße objektiv-rechtliche Wertentscheidung und einen Handlungsauftrag an die Berliner Träger öffentlicher Aufgaben, das kulturelle Leben zu fördern.
Artikel 21 Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Materialien 1. Art 5 III GG; 108 BayVerf; 31, 34 BbgVerf; 1 I BremVerf; 10 HessVerf; 7 I MV Verf; 9 RhPfVerf; 5 SaarlVerf; 21 SächsVerf; 27 ThürVerf 2. VvB 1950: 3. Änderungen: -
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Ähnl Jutzi ThürVBl 1995 S 54, 55: dieser nimmt bei dem ähnlichen Art 20 ThürVerf in Satz 1 eine Staatszielbestimmung an und hält Satz 2 für das subjektive Recht. Müller SächsVerf Art 29 Anm 2.
Freiheit der Kunst und Wissenschaft (Stöhr)
Art. 21
Erläuterungen Das Grundrecht auf Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wurde 1 durch die am 23.11.1995 1 verkündete Überarbeitung der Berliner Verfassung in den Grundrechtskatalog aufgenommen. Die Formulierung ist gleichlautend mit der des Art 5 III GG. 2 Die Berliner Grundrechtsverbürgung steht jedoch nicht wie im Grundgesetz im Zusammenhang mit der Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit, sondern der Verfassungsgeber wollte die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit im Zusammenhang mit den Gegenständen Bildung und Schulen, Art 20, regeln. 3 Inhaltliche Unterschiede ergeben sich hierdurch jedoch nicht, der Umfang des Grundrechtsschutzes in Art 21 ist mit dem des Art 5 III G G identisch. Demnach können Entscheidungen zu Art 5 III G G zur Auslegung des Art 21 herangezogen werden. Es wurden bereits viele Versuche unternommen, den Kunstbegriff 2 zu definieren. Jeder Versuch leidet unter der Schwäche, daß eine Definition der Kunst ihrem eigentlichen Wesen widerspricht. Grundsätzlich ist deshalb von der Undefinierbarkeit der Kunst auszugehen. Das Bundesverfassungsgericht verwendet die verschiedenen Kunstbegriffe nebeneinander. Jeder Kunstbegriff sollte nur als Indiz für das Vorliegen von Kunst genommen werden. Im Interesse eines umfangreichen, effektiven Grundrechtsschutzes ist von einem weiten Schutzbereich (Kunstbegriff) auszugehen. Nach dem sogenannten formalen Kunstbegriff liegt Kunst vor, 3 wenn das Werk einem bestimmten Werktyp zugeordnet werden kann (zB Gedicht, Malerei, Bildhauerei etc). Die Schwäche dieses Kunstbegriffes besteht darin, daß die in der Kunst wichtigen neuen Kunstformen nicht erfaßt werden. Für den materialen Kunstbegriff ist das wesentliche an der Kunst die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden. 4 Für den offenen Kunstbegriff liegt das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin, daß ihr wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Weg der fortgesetzten Interpretation eine weiter-
' GVB1 95 S 779. 2 VerfGH LVerfGE 7, 3, 9. 3 Vgl Schlußbericht der Enquete-Kommission „Verfassungs- und Parlamentsreform vom 18. Mai 1994", AvBDrs 12/4376 S 28.
4 BVerfGE 67, 213, 226. 85
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Abschnitt II: Grundrechte, Staatsziele
reichende Bedeutung zu entnehmen. 5 Weitere Indizien sind, ob der Urheber sein Werk als Kunst ansieht und ob ein kompetenter Dritter es für vertretbar hält, den Gegenstand als Kunst anzusehen. 6 Der Umfang der Gewährleistung erstreckt sich auf den sogenannten „Werkbereich" (die künstlerische Betätigung selbst, wie zB Vorbereitung, Üben, Produktion) und den „Wirkbereich" (Darbietung, Verbreitung, Vermittlung des Kunstwerkes an Dritte). Die Werbung für ein Kunstwerk wird geschützt. 7 Nicht geschützt wird jedoch die bloße wirtschaftliche Verwertung von Kunst. Auch der Kunstkonsum wird nicht gewährleistet. Neben dem Grundrechtsschutz enthält das Grundrecht eine wertentscheidende Grundsatznorm, die den Staat zur Pflege und Förderung der Kunst verpflichtet; 8 einen subjektiven Anspruch auf Förderung vermittelt die Kunstfreiheit trotz dieses objektiven Förderungsauftrages nicht. 9 Teilweise werden bestimmte Formen der Straßenkunst bei mangelnder konkreter Beeinträchtigungen Dritter im Lichte der Kunstfreiheit als Gemeingebrauch angesehen. 10 Das BVerwG stellt jedoch auf die möglichen abstrakten Nutzungskonflikte ab und qualifiziert Straßenkunst regelmäßig als Sondernutzung, auf die jedoch ein gebührenfreier Anspruch bestehen kann. 1 1 Hiervon sind unter Umständen Ausnahmen bei sogenannter Spontankunst analog zu den Regeln der Spontan Versammlungen zu machen. Neben dem Urheber (Künstler) werden Personen erfaßt, die eine unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum ausüben. 1 2 Träger des Grundrechts können auch juristische Personen oder Personenvereinigungen sein, sofern sie die obigen Voraussetzungen erfüllen. In das Grundrecht wird eingegriffen, wenn durch staatliches Handeln der oben skizzierte Schutzbereich beeinträchtigt wird, so zB durch direkte Verbote oder strafrechtliche Sanktionen. Kein echter Eingriff liegt in dem Verbot, öffentliche Verkehrsflächen zu nutzen, da es hier im Grunde um einen Anspruch auf Teilhabe geht. Die
5 BVerfGE 67, 213,227. (· Vgl vMünch/Kunig Art 5 Rn 90-92. ι BVerfGE 77, 240,251. « BVerfGE 81, 108, 116. « BVerwG NJW 80, 718. Ό So zB OLG Hamm NJW 80, 1702. " BVerwG NJW 87, 1837; 90, 2011. 12 ZB der Verleger, BVerfGE 30, 173, 191, oder der Filmproduzent, BGHZ 130, 205,218.
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Freiheit der Kunst und Wissenschaft (Stöhr)
Art. 21
unberechtigte Verweigerung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis (vgl oben) kann jedoch ebenso zu einer Verletzung der Kunstfreiheit führen. In der Verweigerung einer staatlichen Leistung (Förderung) liegt ebenfalls kein Eingriff. Werden andere Kunstrichtungen/Künstler gefördert, kann sich hieraus in Verbindung mit Art 10 ein Grundrechtsverstoß ergeben, jedoch besteht ein weiter Spielraum des Staates, wie er seinem objektiven Förderungsauftrag nachkommt. Ein Anspruch auf Teilhabe an der staatlichen Förderung ergibt sich hieraus in der Regel nicht. Art 21 enthält keinen Schrankenvorbehalt. Die bei Art 5 III G G auftauchende Frage, ob die Schrankenregelung des Art 5 II G G auf die Kunstfreiheit anwendbar ist, stellt sich in der Berliner Verfassung nicht. Jedoch wird das Grundrecht nicht schrankenlos gewährt, die Grenzen der Kunstfreiheit sind aus der Verfassung selbst zu bestimmen. 13 Schranken können sich aus Kollisionen mit Grundrechten Dritter und anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern ergeben. Aus Art 59 Abs 1 folgt, daß solche Eingriffe nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen dürfen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und dem jeweiligen Verfassungsgut vorzunehmen. 14 Hierbei ist insbesondere der Rang der Kunstfreiheit aufgrund der vorbehaltslosen Grundrechtsgewährung zu beachten. Wissenschaft ist der Oberbegriff zu Forschung und Lehre; wissenschaftliche Tätigkeit umfaßt alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. 15 Forschung ist die geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodisch, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen, Lehre ist die wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse. 16 Die Forschung umfaßt alle vorbereitenden, unterstützenden und organisatorischen Tätigkeiten. Geschützt wird auch die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse und die anwendungsbezogene Forschung, nicht jedoch die bloße Verwertung der Forschungsergebnisse (idR ist dann die Berufsfreiheit einschlägig). Unter die Lehre fallen alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Weitergabe wissenschaftlicher Ergebnisse des Forschenden über eigene oder fremde Forschung stehen. Erfaßt wird die Lehrtätigkeit an den '3 BVerfGE 30,173, 193. ' NW VerfG NVwZ 1993, 57. « BVerfGE 41, 399. 62 Art I Nr 13 G zur Änderung wahlrechtlicher und bezirksverwaltungsrechtlicher Vorschriften. 58
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Art. 40
Fraktionen (Magen)
lieh mit, welche Beträge auf die Landesverbände der Parteien entfallen. Für die Wahlkämpfe bei Kommunal wählen dh in Berlin für gesonderte BVV-Wahlen darf keine staatliche Kostenerstattung erfolgen. Sofern Landtags- und Kommunalwahlen am selben Tag stattfinden, wie es in Berlin nach Art 70 VvB vorgesehen und bis auf die Ausnahme am 24. Mai 1992 auch praktiziert worden ist, läßt sich eine exakte Trennung der Ausgaben nicht erreichen, da zB Werbematerial, Einsatz von Kraftfahrzeugen und Personal für beide Wahlen gemeinsam sind. Der einzelne Bewerber einer Partei hat keinen gesonderten Anspruch auf finanzielle Hilfe, seine Auslagen muß die Partei aus den Mitteln der staatlichen Subvention zahlen. Auch bedürftigen Bewerbern, die Sozialhilfe beziehen, darf ein Sozialhilfezuschuß für die Führung eines Wahlkampfes daher nicht gewährt werden. 63 Zur staatlichen Parteienfinanzierung hat sich generell von Arnim sehr kritisch geäußert. 64
Artikel 40 (1) Eine Vereinigung von mindestens fünf von Hundert der verfassungsmäßigen Mindestzahl der Abgeordneten bildet eine Fraktion. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung. (2) Fraktionen nehmen unmittelbar Verfassungsaufgaben wahr, indem sie mit eigenen Rechten und Pflichten als selbständige und unabhängige Gliederung der Volksvertretung an deren Arbeit mitwirken und die parlamentarische Willensbildung unterstützen. Insofern haben sie Anspruch auf angemessene Ausstattung. Das Nähere über die Rechtsstellung und Organisation sowie die Rechte und Pflichten der Fraktionen werden durch Gesetz bestimmt. Materialien 1. vgl Art 67 BbgVerf; 77 BremVerf; 25 MV Verf; 19 NdsVerf; 85 a RhPfVerf; 47 LSA Verf; 46 SächsVerf; 58 ThürVerf 2. VVGB: ; VvB 1950: Art 27 idF ν 03.06.1991 (GVB1S 113)
« OVG Hamburg NJW 1986, 3224. 64 ν Arnim Die Parteien, der Abgeordnete und das Geld - Parteienfinanzierung in Deutschland - , 1996.
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Art. 4 0
Abschnitt III: Die Volksvertretung
3. Änderungen: 4. a) G über die Rechtsstellung der Fraktionen des AvB (Fraktionsgesetz FraktG) vom 8. Dezember 1993 (GVB1 S 591) b) Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin (GO) idF der Bekanntmachung vom 18. Juni 1998 (GVB1 S 154)
Spezialschrifttum in Auswahl Arndt!Schweitzer ZfP 1976, 71; von Arnim Staatliche Fraktionsfinanzierung, Schriftenreihe des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler 1993; Borchert in AöR 1977, 210; Dach DVB1 1982, 1080; Dellmann in DÖV 1976, 153 mit Schlußwort von Linck; Demmler Der Abgeordnete im Parlament der Fraktionen 1994; Graf von Westfalen Parlamentslehre, 1993; Hagelstein Die Rechtsstellung der Fraktionen im deutschen Parlamentswesen, 1992; Hauenschild Wesen und Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, 1968; Henke Bonner Kommentar Art 21 GG; Jekewitz Politische Bedeutung, Rechtsstellung und Verfahren der Bundestagsfraktionen im Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Bundesrepublik Deutschland, Ein Handbuch, 1989; Kretschmer Fraktionen, Parteien im Parlament, Heidelberger Wegweiser, 1984; Linck DÖV 1975, 689; Mardini Finanzierung der Parlamentsfraktionen durch staatliche Mittel und Beiträge der Abgeordneten, 1990; Meyn JZ 1977, 167 Parlamentsbrauch und Fraktionsgemeinschaft, Schütt-Wetschky Grundtypen der pari. Demokratie 1984, 163ff; Müller Fraktionswechsel im Parteienstaat, 1974; Nauber Das Berliner Parlament, 1986, S 277 ff; Stern § 23; Tschermak von Seysenegg Die Fraktionen im Deutschen Bundestag und ihre verfassungsrechtliche Stellung, 1971, S 29; Weiler ZfP 1978, 18.
Erläuterungen 1
D u r c h die A u f n a h m e einer V o r s c h r i f t ü b e r Fraktionen, die k r a f t der P a r l a m e n t s a u t o n o m i e besser in die G O des P a r l a m e n t s g e h ö r t wie es a u c h f r ü h e r üblich w a r - wird eine V e r f a s s u n g unnötigerweise ü b e r f r a c h t e t . Bis a u f A r t 53 A b s 1 a G G (Regelung ü b e r d e n G e m e i n s a m e n A u s s c h u ß ) verzichtet d a s G G a u f die E r w ä h n u n g v o n F r a k t i o n e n . D i e VvB e r w ä h n t die F r a k t i o n e n a n s o n s t e n n o c h in A r t 44 (Ausschüsse) u n d in A r t 46 a (Verfassungsschutzausschuß). In der gem e i n s a m e n V e r f a s s u n g s k o m m i s s i o n des B T g a b es unterschiedliche A u f f a s s u n g e n ü b e r die N o t w e n d i g k e i t einer A u f n a h m e in d a s G G . Die B e f ü r w o r t e r d e r A u f n a h m e beriefen sich a u f die Rechtssicherheit f ü r die F r a k t i o n e n u n d a u f die N o t w e n d i g k e i t , d e n Verfassungstext der Verfassungsrealität a n z u p a s s e n . Letztlich setzte sich die ableh150
Fraktionen (Magen)
Art. 40
nende Gegenmeinung, daß eine einfachgesetzliche Normierung ausreiche, durch. 1 §§ 45 bis 54 des Abgeordnetengesetzes enthalten Vorschriften über die Fraktionen des BT. 2 Vor Abschluß der Arbeit der Berliner Enquète-Kommission im Mai 1994 wurde durch das 24. ÄndG zur Änderung der VvB 1950 vom 3.6.1991 (GVB1 S 113) die Fraktion im Art 27 verankert. Die Berliner Enko sah den Kern der Regelung in der Finanzierung und deren Kontrolle. 3 Diese Argumente sind nicht ausreichend. Die Verfassungsvorschrift läßt sich nur dadurch rechtfertigen, daß die Festlegung des Quorums für die Fraktionsstärke (jetzt mindestens 5 vH) nicht der jeweiligen einfachen Parlamentsmehrheit überlassen bleiben soll, wodurch uU radikale Mitglieder von wichtigen Aufgaben der Parlamentsarbeit ferngehalten werden. Nunmehr ist immer eine mit qualifizierter Mehrheit (zwei Drittel der gewählten Mitglieder des AvB) zu beschließende Verfassungsänderung erforderlich. Die Verfassungsvorschrift wird ergänzt durch das FraktG und die 2 GOAvB. Bei sich widersprechenden Vorschriften haben nach der Normenhierarchie die des G Vorrang. Die Festlegung der Fraktionsmindeststärke gehört in die Auto- 3 nomie des Parlaments. Die Mindeststärke kann entweder durch eine feste Zahl oder durch einen bestimmten Prozentsatz der Zahlen der Mitglieder des Parlaments bestimmt werden. 4 Sie kann sowohl erhöht als auch vermindert werden. Die Sperrklausel im Wahlrecht läßt sich nicht ohne weiteres auf die Fraktionsstärke übertragen. 5 Für Kommunalparlamente muß die Mindestfraktionsstärke bei zwei Personen liegen, sofern im Kommunalgesetz die Fraktionen ausdrücklich verankert sind. 6 Das FraktG regelt in 22 Paragraphen die 4 - Rechtsstellung und Organisation, - Geld- und Sachleitungen an die Fraktionen und Prüfung durch den RH, - die Beendigung der Rechtsstellung und die Liquidation einer Fraktion, - die Leistungen an parlamentarische Gruppen und fraktionslose Abgeordnete.
' Schlußbericht BT Drs 12/6000 S 89, 90. 2 AbgG idf Bekanntmachung ν 21.2.1996 (BGBl I S 326). 3 Schlußbericht AvB Drs 12/4376, S 15. 4 Tilt h S 1502 ff. 5 BVerfGE 84, 325. * TUchS 1503. 151
Art. 40
Abschnitt III: Die Volksvertretung
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Von erheblicher rechtlicher Bedeutung sind die Vorschriften über die Rechtsstellung (§ 2). Der Rechtsstatus von Fraktionen wird in der Literatur und Rechtsprechung sehr unterschiedlich bewertet und ist zT ungeklärt. 7 Dazu gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen, um einige Beispiele zu nennen: - Notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens 8 , - Vereinigungen des öffentlichen Rechts, - Organe und Unterorgane des Parlaments, - Teil der Staatsorganisation, nicht der Parteien, - Gleichstellung mit Körperschaften des öffentlichen Rechts, - Teil des Staatsorgans „Parlament". 9 Nach der Legaldefinition der § 1, § 2 Abs 1 und 4 FraktG sind Fraktionen Vereinigungen von Mitgliedern des AvB, die sich zur Erreichung gemeinsamer politischer Ziele zusammenschließen. Sie sind als ständige und unabhängige Gliederungen des AvB mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet. Die Fraktionen sind, soweit sie am allgemeinen Rechtsverkehr teilnehmen, juristische Personen des Parlamentsrechts mit originärem Rechtscharakter, die unter ihrem Namen klagen und verklagt werden können. Sie sind jedoch kein Teil der Verwaltung und üben keine öffentliche Gewalt aus. 10 Daher genießen sie aktive und passive Parteifähigkeit und sind als juristische Personen rechtsfähig, geschäftsfähig und prozeßfähig. Für gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Fraktionen ist aber der ordentliche Rechtsweg gegeben, da keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 VwGO vorliegt. Für Organstreitigkeiten in verfassungsrechtlichen Verfahren sind sie nach §§14 Nr 1 und 36 VerfGHG parteifähig. " 6 Allgemein werden Fraktionen als der parlamentarische Zusammenschluß von Abgeordneten derselben Partei bezeichnet. Die Abgeordneten mehrerer Parteien können sich zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschließen. Im BT haben von dieser Möglichkeit die Abgeordneten der C D U und CSU Gebrauch gemacht. 12 Weder Art 40 noch § 1 FraktG stellen es auf die Zugehörigkeit zu einer Partei ab. § 7 Abs 2 GOAvB und § 5 Abs 3 BzVG normieren jedoch diese Voraussetzungen. Darüber hinaus können einer Frak-
7 BVerfGE 20, 104. « BVerfGE 20, 56, 104 ff; Tilch aaO S 1502. 9 Henke in BK Art 21 Rn 12 mit Spezialliteratur. 10 § 2 Abs 4 FraktG. 'i VerfGHE 1, 160ff; JR 1994 S 212ff. 12 7 Abs 3 GOAvB, § 10 GOBT.
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Art. 40
tion auch Abgeordnete einer Partei angehören, die sich nicht an der Wahl beteiligt hat oder parteilose Abgeordnete, wenn die die Fraktion bildende Partei sie als ihren Wahlbewerber aufgestellt hat. Der Hinweis in § 1 Abs 1 FraktG auf die gemeinsamen politischen Ziele bedeutet, daß auch Abgeordnete einer anderen Partei, die als solche nicht die Sperrklausel (5 vH) des LWG überwunden haben, aber Wahlkreissieger geworden sind, sich einer Fraktion anschließen können. Für die Bildung von Fraktionsgemeinschaften und für die Aufnahme von parteilosen Abgeordneten oder einer anderen Partei bedarf es der mehrheitlichen Zustimmung des AvB.13 Fraktionslose Abgeordnete haben nach Art 44 Abs 2 VvB das Recht, in den Parlamentsausschüssen ohne Stimmrecht mitzuarbeiten. Wenn auch Art 40 Abs 2 von einer selbständigen und unabhän- 7 gigen Gliederung der Volksvertretung spricht, so ist eine Fraktion faktisch der parlamentarische Arm einer Partei. 14 Allerdings sieht § 7 Abs 3 GOAvB vor, daß mit Zustimmung des AvB sich auch parteilose Abgeordnete (parteilose Wahlkreissieger) zu einer Fraktion zusammenschließen können. Obwohl Art 38 Abs 1 G G und Art 38 Abs 4 VvB die Weisungsfreiheit des einzelnen Abgeordneten (freies Mandat) im Gegensatz zum sogenannten imperativen Mandat postuliert (vgl Rn 12 zu Art 38), unterliegt der einzelne Abgeordnete einer gewissen Fraktionsdisziplin. Allerdings sind Beschlüsse der Partei (zB Parteitagsbeschlüsse oder das Ergebnis von Mitgliederbefragungen) für die Fraktionen und deren Mitglieder nicht verbindlich. Bei Nichtachtung derartiger Beschlüsse durch Fraktionsmitglieder vermindern sich deren Chancen für die Aufstellung für die nächste Wahl. Der Fraktionszwang darf die Entscheidungsfreiheit und die Selbstverantwortung der einzelnen Abgeordneten nicht beseitigen. 15 Zu den möglichen Sanktionen gegen ständig die Fraktionsbe- 8 schlüsse mißachtende Abgeordnete gehört auch der Ausschluß aus der Fraktion oder aus der Partei 16 ; a.M. Maunz 17 . Ein freiwilliges Ausscheiden oder der Ausschluß eines Abgeordneten aus einer Fraktion führt nicht zu einem Mandatsverlust, da die Verlustgründe abschließend in § 6 LWG geregelt sind. Ein Ausschluß aus der Fraktion muß nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erfolgen und darf nicht willkürlich sein; dies folgt aus der analogen Anwen-
'3 § 7 Abs 3 GOAvB. >" BVerfGE 20,104. '5 BVerfGE 10,4, 14. is VGH München NVwZ 1989,494ff. 17 Maunz Dt. Staatsrecht, 10. Auf! 1961, S 68.
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dung von Art 21 GG. Der Ausgeschlossene kann die ordentlichen Gerichte anrufen, diese können jedoch nur nachprüfen, ob das Ausschlußverfahren ordnungsgemäß verlaufen ist oder ob der Ausschluß willkürlich war. Hat ein Abgeordneter seine Fraktion verlassen, so kann er sich als Hospitant einer anderen Fraktion anschließen. 9 Sinkt eine Fraktion durch Verlust von Mitgliedern (Ausschluß, Austritt oder Spaltung) oder fehlen bei Tod oder Niederlegung auf der Bezirks- oder Landesliste Bewerber, die nachrücken müßten (Erschöpfung der Liste), unter die 5 %-Grenze, so verliert sie den Status und die Privilegien einer Fraktion. 10 Nur Fraktionen haben volle Rechte in den Organen des AvB.19 Art 44 Abs 2 iVm Art 41 Abs 2 Satz 4 VvB schreibt zwingend vor, daß die Fraktionen nach ihrer Stärke in den Ausschüssen vertreten sein müssen. Für die Wahl des Präsidenten und der zwei Vizepräsidenten haben die Fraktionen das Vorschlagsrecht in der Reihenfolge ihrer Stärke. Für die Wahl der übrigen Mitglieder des Präsidiums des AvB schreibt Art 41 Abs 2 VvB ausdrücklich ein sogenanntes Grundmandat für jede Fraktion vor; da es sich nur um ein personelles Vorschlagsrecht handelt, kann dieser Vorschlag mehrheitlich vom AvB abgelehnt werden. Die anspruchsberechtigte Fraktion hat dann ein evtl. meherere erneute personelle Vorschläge zu machen. Die Stärke der Fraktionen wird nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren berechnet. 20 11 Fraktionsbeschlüsse werden in der Regel in Arbeitskreisen, die für bestimmte Fachgebiete gebildet werden, vorbereitet. Diese Beschlüsse sind jedoch nur Vorschläge für die regelmäßig stattfindenden Fraktionssitzungen, die vom Fraktionsvorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter geleitet werden.
18
Herzog/Schick Verfassungsrecht, 2. Aufl 1968 S 186 rechte Spalte. 19 § 7 Abs 7 G O AvB. 20 Die Fraktionsstärken im Parlament werden nach dem Höchstzahlverfahren ermittelt (vgl Rn 11 ζ Art 39). Auf die gleiche Weise werden die Vorsitzendenfunktionen auf die Fraktionen aufgeteilt. Gewöhnlich wird dann im Rahmen einer interfraktionellen Absprache festgelegt, welche Fraktion in den Ausschüssen den Vorsitz übernimmt; kommt eine Einigung nicht zustande, so werden die Vorsitzfunktionen im sog Zugriff-Verfahren vergeben, dh in der sich nach d'Hondt ergebenden Reihenfolge können die Fraktionen unter den gebildeten Ausschüssen sich denjenigen heraussuchen, in dem sie den Vorsitz übernehmen wollen RitzelIBücker Handbuch über die parlamentarische Praxis 1975, § 16 Erl II; Nauber Das Berliner Parlament 1986 S 117ÍT; zur Stärke von BVV-Fraktionen mit Hospitanten s Art 73 Rn 2.
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§ 2 Abs 3 F r a k t G legt fest, daß die Fraktionen der Parlamentarischen Willensbildung im AvB insbesondere dadurch dienen, daß sie - gemeinsame politische Ziele formulieren und durchsetzen, - unterschiedliche politische Auffassungen im Meinungsaustausch mit der Öffentlichkeit, mit Organisationen und Vereinigungen bündeln, - handlungs- und verständigungsfähige Meinungen schaffen und parlamentarische Mehrheiten herbeiführen, - arbeitsteiliges Vorgehen ihrer Mitglieder unterstützen und gewährleisten, - ihre Mitglieder bei der Informationsbeschaffung, -aufbereitung und -Vermittlung unterstützen, - technische und organisatorische Arbeitshilfen und Dienstleistungen für ihre Mitglieder bereitstellen, - während der Dauer der gesamten Wahlperiode in eigener redaktioneller Verantwortung und unter inhaltlichem Bezug zu ihrer Arbeit und Aufgabenstellung die Öffentlichkeit unterrichten, - mit anderen Fraktionen auf regionaler und überregionaler Ebene zusammenarbeiten. Jede Fraktion muß eine schriftliche Satzung haben, die Bestimmun- 12 gen über - die Bezeichnung der Fraktion und deren gewählte Abkürzung, ihren Sitz und die Zugehörigkeit zum Abgeordnetenhaus von Berlin, - den Beitritt, Austritt oder Ausschluß von Abgeordneten, - die Bildung des Fraktionsvorstandes, eines gegebenenfalls zu berufenen Geschäftsführenden Fraktionsvorstandes und die Wahl des oder der Fraktionsvorsitzenden; - die für fraktionsinterne Wahlen und Abstimmungen geltenden Vorschriften; - die Aufstellung des Haushaltsplans, die Aufstellung und Prüfung der Jahresrechnung sowie die Entlastung des Fraktionsvorstandes, - die Auflösung der Fraktion und die Verwendung des bei der Auflösung verbleibenden Vermögens. 21 Die Mitarbeiter einer Fraktion sind entweder Arbeitnehmer der- 1 3 selben oder im Wege der Leihe von der Parlamentsverwaltung für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt worden. Die Fraktionen können keine Beamten-, sondern nur Angestelltenverhältnisse begründen.
21 § 6 FraktG.
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Für ihre Arbeit werden den Fraktionen aus dem Landeshaushalt Zuschüsse gewährt, die aus einem für alle Fraktionen gleichhohen Grundbetrag sowie nach Fraktionsstärke gestaffelter Zuschläge bestehen. 22 Für 1999 erhielten die CDU 4290228 DM, die SPD 3021 108 DM, die PDS 2633 520 D M und die Grünen 2474880 DM. 2 3 Diese Zuschüsse dürfen nur für die Fraktionsarbeit verwendet werden; Überschüsse dürfen nicht an die Partei fließen.24 Die Fraktionen sind verpflichtet, bis zum 31. Juli jedes Folgejahres Rechnung zu legen, die vom LRH geprüft wird. 25 Sofern parlamentarische Gruppen unterhalb des Fraktionsstatus bestehen, haben sie Anspruch auf eine angemessene Ausstattung mit sachlichen und persönlichen Mitteln, sofern auch Fraktionen solche gewährt wurde. 26
Artikel 41 (1) Das Abgeordnetenhaus gibt sich selbst eine Geschäftsordnung. (2) Das Abgeordnetenhaus wählt für die Dauer der Wahlperiode aus seiner Mitte den Präsidenten und zwei Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses sowie die übrigen Mitglieder des Präsidiums. Für die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten haben die Fraktionen das Vorschlagsrecht in der Reihenfolge ihrer Stärke. Für die Wahl der übrigen Mitglieder des Präsidiums hat jede Fraktion das Vorschlagsrecht für ein Mitglied und für so viele weitere Mitglieder, wie nach ihrer Stärke auf die Fraktionen entfallen. Für die Wahl des gesamten Präsidiums wird die Stärke der Fraktionen nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren berechnet. (3) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Sitzungsgebäude aus. Ohne seine Zustimmung darf im Sitzungsgebäude keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden. (4) Der Präsident verwaltet die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Abgeordnetenhauses nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes. Er vertritt das Abgeordnetenhaus in allen Angelegenheiten. Ihm steht die Ernennung, Einstellung und Entlassung der Beamten, Angestellten und Arbeiter zu.
22 §§ 8 - 1 0 FraktG. 23 Haushalt 1999 Einzelpl Ol - AvB Titel 68401. 24 BVerfGE 20, 56, 105. 25 § 8 Abs 10 und § 9 FraktG; vgl Art 95 Rn 19 ff. 26 BVerfGE 84, 304, 324.
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Art. 41
Materialien 1. vgl Art 40 GG; 32 BW Verf; 20 BayVerf; 69 BbgVerf; 86, 92, 106 BremVerf; 18 HmbVerf; 84, 86, 99 Hess Verf; 29 MV Verf; 18 NdsVerf; 38 f N W Verf; 85 RhPfVerf; 70 f SaarlVerf; 46 f SächsVerf; 46, 49 LSA Verf; 14 SchlH Verf; 57 ThürVerf 2. W G B : - ; VvB 1950: Art 29 3. Änderungen: Abs 2 ist durch das 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82) neu gefaßt worden.
Erläuterungen Die Vorschrift behandelt die sogenannte Parlamentsautonomie, dh 1 das Recht des AvB, seine Angelegenheiten in eigener Kompetenz selbst zu regeln. Dazu gehört insbesondere die Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments. 1 Abs 1 räumt dem Parlament die alleinige und ausschließliche Befugnis ein, sich eine G O zu geben und seine Organisation und sein Arbeitsverfahren in den Grenzen der Verfassung eigenverantwortlich zu bestimmen. Die Vorschrift steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Status des Parlaments als oberstes Verfassungsorgan. 2 Sie dient im übrigen der Funktionsfahigkeit des Parlaments und zugleich auch dem parlamentarischen Minderheitsschutz, und sie trägt damit der verfassungsgerichtlichen Forderung in bezug auf eine „faire und loyale Anwendung" der GO durch die dazu berufenen Organe Rechnung. 3 Zu den Geschäftsordnungsangelegenheiten, die das Parlament 2 autonom zu regeln hat, gehören traditionell die Bereiche Geschäftsgang und Disziplin. Im einzelnen wird in der G O zB festgelegt, mit welchen Rechten und Pflichten die Abgeordneten an der parlamentarischen Willensbildung mitwirken, welche Mitwirkungsbefugnisse den Fraktionen eingeräumt werden und wie sich der Ablauf der parlamentarischen Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen gestaltet. 4 Die Gliederung des Parlaments und seine unterschiedlichen Gremien
1
BVerfGE 44, 308, 314f; Maunz in M D H S Art 40 Rn lf; Pietzcker in Schneider/Zeh § 10 Rn 4. 2 Vgl Achterberg § 6 S 95; Magiera in Sachs Art 38 Rn 13, der darauf hinweist, daß das Parlament seine Eigenschaft als oberstes Verfassungsorgan mit anderen Staatsorganen teilt (im Bund BPräs, BReg, BR). 3 BVerfGE 80, 188, 229; 84, 304, 332; Hürth Voraufl Art 29 Rn 1; zum minderheitschützenden Charakter der GO insbesondere Mahrenholz BVerfGE 70, 378 (Sondervotum). 4 Zusammenfassend VerfGH LVerfGE 2, 43, 54f.
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
(neben dem Präsidium vor allem Ältestenrat und Ausschüsse) sind ebenso Gegenstand der GO wie die in der Praxis bedeutsamen Fragen der Sitzungsleitung, der Redezeit oder des Abstimmungsverfahrens. 3 Umstritten ist nach wie vor die Rechtsnatur der GO. Die unterschiedlichen Deutungsversuche 5 laufen auf die Frage hinaus, ob der G O die allgemeine Verbindlichkeit eines Rechtssatzes beizumessen ist. Das ist im Ergebnis zu bejahen, obwohl die GO weder die inhaltlichen noch die förmlichen Voraussetzungen eines Gesetzes erfüllt. Vom Regelungszweck her wendet sich die GO ausschließlich an die Mitglieder des Parlaments, und nur die Abgeordneten sind an die Bestimmungen der G O gebunden; das BVerfG hat daher in einer früheren Entscheidung die G O als „autonome Satzung" bezeichnet. 6 Darüber hinaus steht aber die G O in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Eigenschaft des Parlaments als eines obersten Verfassungsorgans. 7 Daher wäre es „nicht ganz zutreffend", die GO als eine lediglich innerparlamentarische Norm aufzufassen. 8 So wird man die G O als eine Rechtsnorm eigener Art aufzufassen haben, der ebenfalls Verbindlichkeit wie anderen Rechtsvorschriften beizumessen ist (zur Frage des Vorrangs Rn 4).9 Obwohl die G O nicht im förmlichen Gesetzgebungsverfahren (vgl Art 59) zustande kommt und auch inhaltlich nicht die Eigenschaft eines Gesetzes aufweist, wird sie einschließlich der jeweiligen Änderungen im GVB1 veröffentlicht. Die Wirksamkeit von Beschlüssen, die die GOAvB betreffen, ist aber nicht abhängig von der Veröffentlichung im GVB1.10 4 Nicht nur in der G O selbst, sondern darüber hinaus auch in anderen Rechtsvorschriften finden sich Regeln, die für das parlamentarische Verfahren von Belang sein können. Das gilt zum Beispiel für das Fraktionsrecht (Art 40 iVm dem FraktG), für die Bildung der Ausschüsse einschließlich der Enquete-Kommissionen, des Petitionsausschusses und der Untersuchungsausschüsse (Art 44, Art 46, Art 46 a, Art 48 iVm dem EnqG, dem PetG bzw dem BlnUntAG). Weiterhin sind die Verfassungsvorschriften über die Wahl des Senats (Art 56) oder über den Entzug des Vertrauens (Art 57) zu nennen, in denen das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten festgelegt ist, sowie die Bestimmungen der Art 59 f über die Behandlung von Gesetzesvorlagen, 5
vMangoldtlKlein!Achterberg/Schulte Art 40 Rn 34. 6 BVerfGE 1, 144, 148; Maunz in M D H S Art 40 Rn 21. 7 BVerfGE 44, 308, 314. 8 Stern II § 26 S 82 f. 9 Nach Art 70 I SaarlVerf regelt der LT seine inneren Angelegenheiten „durch Gesetz und Geschäftsordnung". 10 Vgl Pietzcker in Schneider/Zeh § 10 Rn 27.
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Geschäftsordnung, Präsident (Lemmer)
Art. 41
für die mindestens zwei Lesungen und Ausschußberatung vorgesehen sind. An Hand dieser Beispiele wird deutlich, daß eine Kollision parlamentarischer Verfahrensregeln der G O mit anderen Bestimmungen über das parlamentarische Verfahren durchaus eintreten kann. In diesen Fällen gilt der Vorrang der Verfassung und der Gesetze gegenüber der G O . " Die G O gilt immer nur für eine Wahlperiode des Parlaments (Prin- 5 zip der Diskontinuität).12 Die zeitlich begrenzte Geltung folgt aus der Geschäftsordnungsautonomie, die dem Parlament immer nur für die jeweils laufende Wahlperiode zusteht. 13 Daher beschließt das Parlament jeweils zu Beginn einer Wahlperiode über seine GO, und zwar regelmäßig in der Weise, daß die G O der vorangegangenen Wahlperiode ggf mit vordringlichen Änderungen sofort übernommen wird, während sonstige inhaltliche Neuerungen, falls überhaupt gewünscht, der späteren Beratung im Laufe der Wahlperiode vorbehalten bleiben 14 ; daraus erklärt sich ein gewisses Beharrungsvermögen der GO. 15 Neben dem schriftlichen Text der GO haben ungeschriebene 6 Rechtsregeln in der Form parlamentarischen Gewohnheitsrechts und sog parlamentarischer Observanzen Bedeutung erlangt. 16 Dazu gehört zB die Sitzordnung der Fraktionen (links - rechts), die in der G O nicht vorgesehene Rüge durch den PrAvB als mildestes Disziplinarmittel 17 oder die Möglichkeit, einem MdA auch noch nachträglich einen Ordnungsruf zu erteilen. 18 Die G O und ihre Handhabung
11
Pieroth in Jarass/Pieroth Art 40 Rn 5; Pietzcker in Schneider/Zeh §10 Rn 41; Versteyl in vMünch/Kunig Art 40 Rn 18 mwN; aA vMangoldtl Klein!AchterberglSchulte Art 40 Rn 42; Dreier Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts JZ 1990 S 310, 312ff; Mahrenholz BVerfGE 70, 376ff, und Böckenförde BVerfGE 70, 386ff (Sondervoten). Die Auffassung, es sei systemwidrig, parlamentarische Verfahrensregeln in Gesetzesform zu gießen (Dreier S 315), oder, es sei nicht Sache des Gesetzgebers, eine der GO zugehörende Frage durch Gesetz zu regeln (Mahrenholz), läßt das dem Parlament zustehende gesetzgeberische Ermessen außer Betracht (vgl BVerfGE 70, 324, 3600· Erkennbar zielt die Auffassung von Mahrenholz darauf ab, auf der Ebene des Bundes den BR von jeglicher Mitwirkung in den inneren Angelegenheiten des BT auszuschließen, die ihn in der Tat nichts angehen.
'2 BVerfGE 1, 144, 148; Pietzcker in Schneider/Zeh § 10 Rn 28f. 13 Pietzcker in Schneider/Zeh § 10 Rn 28. 14 Ritzell Bücker Einl GO-BT S 2. •5 Hürth Voraufl Art 29 Rn 3. 16 vMangoldtl Klein!Achterbergl Schulte Art 40 Rn 50. " BVerfGE 60, 374,381. 18 Schulze-Fielitz in Schneider/Zeh § 11 Rn 10.
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
sind eng an ihrer Zweckbestimmung ausgerichtet, nämlich das geordnete Funktionieren des Parlaments im Staats- und Verfassungsleben zu sichern. Hieran orientiert sich die Auslegung der GO, bei der eine reine Wortinterpretation noch weniger als sonst angebracht wäre 19 ; vor allem ist immer auch der jeweilige Zweck der Geschäftsordnungsbestimmung zu berücksichtigen. Eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung der GO kann das AvB nur nach vorausgegangener Beratung im zuständigen Ausschuß beschließen. Während der Plenarsitzung obliegt es dem PrAvB, bei solchen Zweifeln zu entscheiden, dann allerdings ohne präjudizierende Wirkung (§ 89 GOAvB). Dem Regelungszweck der G O dient schließlich die Vorschrift, daß von der GO durch Beschluß abgewichen werden darf, wenn kein MdA widerspricht (§ 91 GOAvB). 7 Ein Beschluß über die Änderung der G O bedarf ebenfalls der vorausgehenden Beratung im zuständigen Ausschuß (§ 90 GOAvB). Dabei steht dem Parlament, wie auch sonst bei der Entscheidung über die eigene Selbstorganisation und über die Regeln eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. 20 Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der GOAvB ist nur im Rahmen eines Organstreits über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Verfassungsorgans oder anderer Beteiligter, die durch die VvB oder die GOAvB mit eigenen Rechten ausgestattet sind, zulässig (Art 84 II Nr 1 iVm §§ 36 ff VerfGHG). Die verfassungsgerichtliche Kontrollintensität ist insofern beschränkt, als die GO und ihre Anwendung der Parlamentsautonomie unterliegen; die Gestaltung des parlamentarischen Verfahrens ist Sache des Parlaments selbst.21 So sind bloße Verstöße gegen die G O regelmäßig einer Kontrolle durch den VerfGH entzogen. 22 Ein Verstoß gegen die GO läßt die Gültigkeit eines Parlamentsbeschlusses in seiner Wirkung nach außen unberührt, was aus der lediglich internen Bindung der GO für das Parlament zu folgern ist.23 8 Der PrAvB wird in der ersten Sitzung einer Wahlp gewählt. Die Wahl wird vom Alterspräsidenten geleitet, der bis zur Wahl des Präsidenten (Abs 2) mit den vier jüngsten Abgeordneten das vorläufig amtierende Präsidium bildet (§ 10 GOAvB). Der PrAvB und die Vizepräsidenten bedürfen zu ihrer Wahl der Mehrheit der Mitglieder des 19 20
21 22 23
Härth aaO. BVerfGE 84, 304, 322; VerfGH LVerfGE 2, 43, 55; Achterberg! Schulte Art 40 Rn 60. vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte Art 40 Rn 61. Vgl BVerfGE 29, 221, 234. Pietzcker in Schneider/Zeh § 10 Rn 42 mwN.
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A v B (§ 11 GOAvB); die einfache Mehrheit genügt also nicht. A b s 2 idF des 2. Ä n d G zur VvB v o m 3 . 4 . 1 9 9 8 sieht nur noch zwei Vizepräs vor; außerdem bestimmt die Vorschrift, daß für die Wahl des PrAvB und der Vizepr den Fraktionen das Vorschlagsrecht in der Reihenfolge ihrer Stärke zusteht. 2 4 Der PrAvB ist auch bisher schon stets von der stärksten Fraktion nominiert worden, was auch in solchen Wahlperioden galt, in denen die stärkste Fraktion die parlamentarische Opposition bildete, sich also in der Minderheit befand. 2 5 D a s Recht der stärksten Fraktion, den PrAvB vorzuschlagen, entspricht allgemeiner parlamentarischer Übung. 2 6 Andererseits hat aber der VerfGH Bin in dem Vorschlagsrecht der Fraktionen nach der Reihenfolge ihrer Stärke einen Verstoß gegen die VvB gesehen, weil es das Recht der M d A und der Fraktionen beeinträchtige, für die v o m A v B vorzunehmenden Wahlen eigene Vorschläge zu machen und, was das einzelne M d A anlangt, auch selbst zu kandidieren. 27 Mit der nunmehr geltenden neuen Textfassung des A b s 2 hat das A v B den V e r f G H Bin insofern korrigiert, als es die bisherige, v o n dem Gericht beanstan-
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Die Reihenfolge der Stärke ist nicht schematisch nach den Mitgliederzahlen der Fraktionen zu bestimmen, sondern gemäß der Reihenfolge der Höchstzahlen festzustellen, die sich nach der d'Hondtschen Berechnung ergibt (vgl Prot der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Inneres und des Rechtsausschusses vom 16.3.1998 - Inn 13/42 und Recht 13/28 s 12f). Zum Verfahren nach d'Hondt vgl Magen Art 39 Rn 11. 7. und 8. WP (1975 bis 1981). Aus den Wahlen zum AvB der 11. WP (1989 bis 1990) gingen die Fraktionen der CDU und der SPD gleich stark hervor; die Fraktionen des AvB lösten das Patt, indem sie sich auf den Vorschlag der CDU, damals in Opposition, verständigten und den Abg Wohlrabe als PrAvB wählten. Magiera in Sachs Art 40 Rn 5; νMangoldtlKlein!AchterberglSchulte Art 40 Rn 25; Ritzell Bücker GO-BT § 2 S 1; Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 42 Rn 29. Vgl auch Partsch Die Wahl des Parlamentspräsidenten AöR 86 N F 47 (1961) 1, 19, der auf die abweichende Praxis des Reichstages zur Kaiserzeit und auf unterschiedliche Auffassungen während der Weimarer Zeit bis 1933 verweist; daher sei zu bezweifeln, daß sich die „bemerkenswerte tatsächliche Praxis" des Bundestages seit 1949, der stärksten Fraktion das Vorschlagsrecht einzuräumen, „bereits" (1961) „zu einem Parlamentsbrauch verdichtet" habe. VerfGH LVerfGE 4, 3, 6 (= JR 1996, 496). Der Beschluß betraf die Wahl der Vizepr des AvB, für die der PrAvB die Vorschläge der Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke nach § 8 I GOAvB zugelassen hatte; den davon abweichenden Vorschlag einer Fraktion hatte der PrAvB zurückgewiesen. Nach Auffassung des VerfGH soll der Grundsatz auch für sonstige vom AvB vorzunehmenden Wahlen gelten, also auch nach der damals geltenden Fassung des Art 41 II für die Wahl des PrAvB. Vgl Art 45 Rn 3. 161
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
dete Praxis wiederhergestellt und in den Verfassungsrang erhoben hat. 28 Hinsichtlich der Zusammensetzung des gesamten Präsidiums, zu dem neben dem PrAvB und den Vizepräs eine nicht vorgeschriebene Zahl weiterer Mitglieder gehört, ist vorgesehen, daß jeder Fraktion ein Grundmandat zusteht, und daß insgesamt die Zusammensetzung nach der Stärke der Fraktionen (d'Hondt) zu erfolgen hat. 29 9 Das AvB wählt den PrAvB, die Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Präsidiums aus der Mitte des Hauses; sie müssen also selbst Mitglieder des A v B sein. Die Wahl erfolgt „für die Dauer der Wahlperiode", so daß eine Abwahl während der Wahlp unzulässig ist. 30 Auch kann der Präsident durch „keinen sonstigen förmlichen Akt" aus dem Amt gedrängt werden. 31 Erst mit dem Ende der Wahlp endet auch das Amt des PrAvB und der anderen Präsidiumsmitglieder. 32 Der PrAvB steht daher in keiner Abhängigkeit von Mehrheits- und Fraktionsmeinungen, und er bedarf, anders als der SvB (Art 57 I), auch nicht fortdauernd des Vertrauens des AvB. 3 3 Ebenso-
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Der Abgeordnete Böger (SPD) hatte zuvor auf die sich aus dem Beschluß des VerfGH ergebende unerwünschte Folge zu Lasten des Minderheitsschutzes aufmerksam gemacht, daß nämlich die Berücksichtigung der Oppositionsfraktionen bei der Wahl der Vizepräs nun nicht mehr zwingend sei (PlenProt 13/5 S 257 Β). 29 Zur Ermittlung des Stärkeverhältnisses nach d'Hondt vgl Magen Art 39 Rn 11. 30 So hM, vgl Achterberg § 10 S 213; Bücker in Schneider/Zeh § 27 Rn 4; Härth Voraufl Art 28 Rn 4; Partsch aaO S 36; Troßmann § 2 Rn 1.3; Stern II § 26 S 90 f mit ausführlicher Darstellung der für den BT geltenden Rechtslage, der auch einen Mißtrauensantrag gegen den Parlamentspräsidenten für unzulässig hält. AA Maunz in MDHS Art 40 Rn 10; Versteyl in vMünch/Kunig Art 40 Rn 4. Zulässig ist die Abwahl des Präsidenten und der anderen Mitglieder des Präsidiums des BayLT (so ausdrücklich § 9 II GOBayLT, vgl auch Art 44 III BayVerf). 3! Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 42 Rn 28. Im BT beruht die Amtszeit „für die Dauer der Wahlperiode" lediglich auf der GOBT, nicht auf einer Verfassungsvorschrift; daher sollen dort nach Maunz aaO Neuwahl und Ausspruch des Mißtrauens zulässig sein. Nach Stern aaO soll es ein nobile officium sein, daß der Parlamentspräsident zurücktritt, wenn er „nicht mehr eine Mehrheit des Hauses hinter sich hat". Diese Auffassung ist abzulehnen, weil es gerade die Aufgabe des Parlamentspräsidenten ist, berechtigte Anliegen der Minderheit erforderlichenfalls gegen die Mehrheit durchzusetzen. Das AvB ist dem Vorschlag der Enquete-Kommission „Verfassungs- und Parlamentsreform" (Schlußbericht S i l f), die Abwahl des PrAvB mit qualifizierter Mehrheit vorzusehen, nicht gefolgt. 32 vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte Art 40 Rn 32. 33 Maunz in MDHS Art 40 Rn 10. 162
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wenig hätte das Ausscheiden des PrAvB aus seiner Fraktion oder eine nachträgliche Änderung der Fraktionsstärken Einfluß auf die Dauer des Amtes. 34 Damit wird der besonderen Aufgabenstellung des PrAvB und auch der anderen Präsidiumsmitglieder Rechnung getragen. Der PrAvB führt die Geschäfte des Hauses 35 , und er leitet die 10 Sitzungen sowohl des Plenums als auch des Ältestenrats und des Präsidiums. Weiterhin übt er die Befugnisse zur Außenvertretung und zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Hause gem Abs 3 und 4 aus. Er muß die Würde des Parlaments und seine Rechte wahren und insgesamt die parlamentarische Arbeit fördern. 36 Dazu gehören die strikte Beachtung der gleichen Mitwirkungsrechte aller Abgeordneten, also insbesondere auch der berechtigten Belange der Opposition, sowie die von dem BVerfG verlangte faire und loyale Anwendung der GO 37 , und zwar ggf auch entgegen den Erwartungen der Parlamentsmehrheit. Sein Amt verpflichtet ihn daher zu parteipolitischer Zurückhaltung. 38 Nur so vermag er zB in Fragen des parlamentarischen Verfahrens zwischen den gegensätzlichen Interessen der Fraktionen zu vermitteln und die wichtige Rolle des Sprechers des ganzen Hauses nach außen wahrzunehmen. Angesichts der dem PrAvB zugewiesenen Vermittlungsfunktion und der ihm auferlegten politischen Zurückhaltung steht er außerhalb des parlamentarischen Meinungsstreits der Fraktionen. Seine Ordnungsmaßnahmen während der Sitzung dürfen zB von den Rednern nicht erörtert werden (§ 76 III GOAvB). 39 Mit seiner Funktion wäre es unvereinbar, wenn er Maßnahmen der Sitzungsleitung während der weiteren Debatte rechtfertigen müßte. Auch sonst widerspricht Kritik an der Amtsführung des PrAvB dem überkommenen Parlamentsbrauch. 40 Die Vizepräsidenten unterstützen den PrAvB in seiner Amts- 11 führung; im Falle der Abwesenheit des PrAvB wird seine Vertretung mit den Vizepräsidenten vereinbart (§ 15 GOAvB). Das Präsidium ist für die inneren Angelegenheiten 41 des AvB zuständig, soweit sie nicht dem PrAvB vorbehalten sind (§13 GOAvB). Die Führung der Geschäfte ist daher Aufgabe des PrAvB (§141 GOAvB), was nicht aus34
Stern aaO. Vgl für den BT (dort abweichende Kompetenzregelung) Troßmann § 7 RnlOff. 36 Im einzelnen vgl Bücker in Schneider/Zeh § 27 Rn 11. 37 BVerfGE 80, 188, 229; 84, 304, 332. 38 Achterberg § 8 S 124; Magiera in Sachs Art 40 Rn 8. 39 Troßmann § 7 Rn 31. 40 RitzelIBäcker GOBT § 36 S 6. 41 Vgl für den BT (dort abweichende Kompetenzzuordnung) Roll in Schneider/Zeh § 28 Rn 41 ff. 35
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schließt, daß er dem Präsidium darüber Auskünfte erteilt und ggf Gelegenheit zur Besprechung gibt. Ausdrücklich ist vorgesehen, daß das Präsidium den Haushaltsplan für das AvB entwirft; 42 das Präsidium ist weiterhin für die Entscheidung über die Vergabe der Räume des AvB an Dritte zuständig. Wird einem MdA vorgeworfen, er habe gegen die Verhaltensregeln für Abgeordnete verstoßen, hat das Präsidium den Sachverhalt aufzuklären und den betroffenen Abgeordneten anzuhören (Abschn VI der Ani 1 zur GOAvB). Daran wird deutlich, daß zu den inneren Angelegenheiten, die im Präsidium beraten werden, auch persönliche Vorgänge der Abgeordneten gehören können, wie zB das Einvernehmen bei der Gewährung einer Unterstützung in besonderen wirtschaftlichen Notfällen (§ 20 LAbgG) oder die Entscheidung über den Verlust des Mandats in bestimmten Fällen (§ 6 III Nr 2 LWG). Vom Präsidium als Beratungsgremium zu unterscheiden ist das „amtierende Präsidium" in der Plenarsitzung, das aus dem PrAvB oder einem Vizepräsidenten und zwei weiteren Präsidiumsmitgliedern als Beisitzern besteht (§ 12 II GOAvB). 12 Nach Abs 2 übt der PrAvB das Hausrecht und die Polizeigewalt im Sitzungsgebäude aus. Die Vorschrift soll den Schutz der Parlamentsautonomie und die Arbeitsfähigkeit des Parlaments gewährleisten und insbesondere den räumlichen Bereich des Parlaments gegen Übergriffe Dritter absichern. 43 Daneben sind die Befugnisse des PrAvB gegenüber den Abgeordneten im Rahmen der Sitzungsleitung zu erwähnen, die den geordneten Ablauf der parlamentarischen Verhandlungen sicherstellen sollen (s Rn 16). Hausrecht und Polizeigewalt des PrAvB erstrecken sich nicht nur auf das Sitzungsgebäude ieS, sondern auf jeden sonstigen Raum, in dem das AvB oder eines seiner Gremien zusammentritt. In das Hausrecht des PrAvB und in die Polizeigewalt sind auch die den Fraktionen zur Nutzung überlassenen Räume einbezogen. Das Nutzungsrecht an den Räumen verleiht den Fraktionen zwar Abwehrrechte gegen jede Kontrolle und jede Störung ihrer parlamentarischen Arbeit. Wenn aber die Fraktionsräume mißbräuchlich genutzt werden, ist der PrAvB zum Einschreiten befugt. 44 Das Hausrecht folgt aus dem (privaten) Besitz-
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43 44
Nach der Systematik der GOAvB kommt dem Entwurf des Haushaltsplans lediglich interne Bedeutung zu. Gemäß vorrangiger Gesetzesnonn ist der Voranschlag des Haushaltsplans maßgebend, den der PrAvB an die Senatsverwaltung für Finanzen übersendet (§ 27 I LHO) und der nur noch im Einvernehmen mit dem PrAvB geändert werden darf (§ 28 II LHO). Magiera in Sachs Art 40 Rn 1, 28; Pieroth in Jarass/Pieroth Art 40 Rn 8. So im Fall eines Hungerstreiks von PDS-Funktionären in Räumen der PDS-Fraktion, VerfGH LVerfGE 4, 12, 19 (=NJW 1996, 2567 f).
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recht Berlins an Gebäuden oder Räumen und berechtigt den PrAvB, gegen Störer auch unter Zuhilfenahme eines Ordnungsdienstes zivilrechtlich vorzugehen. 45 Zur Vorbeugung gegen mögliche Störungen ist eine Einlaßkontrolle für Besucher sowie die Ausgabe von Eintrittskarten bei Plenar- und Ausschußsitzungen zulässig. 46 Darüber hinaus ist der PrAvB im AvB alleiniger Inhaber der Polizei- 13 gewalt;47 insofern übt er Befugnisse hoheitlicher Natur aus. Er darf davon aber nur im Rahmen polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften Gebrauch machen (vgl im einzelnen ASOG Bin). Insoweit kann er sich zur Durchsetzung seiner Anordnungen der Polizeibehörde bedienen, indem er um Amtshilfe ersucht. Die Polizeivollzugskräfte sind dann der Weisung des PrAvB unterstellt. 48 Ohne Amtshilfeersuchen dürfen Polizeivollzugskräfte im AvB nur bei Gefahr im Verzug tätig werden. 49 Der Umfang der Polizeigewalt des PrAvB erstreckt sich auf den klassischen Bereich des materiellen Polizeirechts, ist also nicht auf die jeweilige Zuständigkeit des PolPr nach Maßgabe des OrdZG in der gerade geltenden Fassung beschränkt. Der Begriff der Polizeigewalt umfaßt vielmehr auch die weiteren ordnungsbehördlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. 50 Der PrAvB hat eine Allgemeine Anordnung über die Sicherheit und Ordnung im AvB erlassen, die regelmäßig erneuert wird und über Verhaltenspflichten der Besucher informiert. Verstöße können nach § 106 b StGB strafrechtlich oder nach § 112 OWiG ordnungsrechtlich sowie auch wegen Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) geahndet werden.
45 46 47 48 49 50
νMangoldtIKlein!AchterberglSchulte Art 40 Rn 62ff. Härth Voraufl Art 30 Rn 4; Versteyl in vMünch/Kunig Art 42 Rn 8. Troßmann § 7 Rn 18. Versteyl in vMünch/Kunig Art 40 Rn 24. Achterberg § 8 S 126; Versteyl aaO mwN. Achterberg aaO, S 125; ν Mangoldt! Klein! Achterbergl Schulte Art 40 Rn 64; aA Härth Voraufl Art 37 Rn 6. Der PrAvB ist mithin im AvB für die Ordnungsangelegenheiten zB des Versammlungsrechts oder des Bauordnungsrechts letztlich zuständig, auch wenn er selbstverständlich die Amtshilfe der Fachverwaltungen in Anspruch nehmen wird. Es ist Sache des PrAvB zu entscheiden, welche Veranstaltungen mit wieviel Teilnehmern in den Räumen des AvB nach ordnungsrechtlichen Vorschriften erlaubt sein sollen; denn die Anwendung und Durchführung der Bauordnung oder des Versammlungsgesetzes im Hause des AvB ist Aufgabe des PrAvB, nicht der Exekutive. Die umfassende Verantwortung des PrAvB entspricht dem Polizeibegriff in seiner historischen Bedeutung (vgl Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reichs, 12. Aufl Berlin 1930, Art 28 Nr 3) und folgt im übrigen aus dem Regelungszweck, nämlich der Sicherung der Parlamentsautonomie (vgl Magiera in Sachs Art 40 Rn 28).
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Zusätzlichen Schutz für das Parlament und seine spezifisch parlamentarische Arbeitsweise bieten die Vorschriften über den befriedeten Bannkreis des Tagungsortes des AvB (Bin BannG). Nach diesem G sind innerhalb des befriedeten Bannkreises öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge zwar grundsätzlich verboten. Ausnahmen von dem Verbot kann aber der PrAvB im Einvernehmen mit dem Senator (nicht: Senatsverwaltung) für Inneres zulassen; solche Ausnahmen von dem Versammlungsverbot im Bannkreis müssen an solchen Tagen zugelassen werden, an denen keine Sitzungen des AvB oder seiner Organe und Ausschüsse stattfinden. 51 Die Bannkreisregelung dient der Unabhängigkeit des Parlaments. 52 Sie soll gleichermaßen den Schutz vor körperlicher Gewalt und eine Abschirmung vor Einflußnahmen durch psychischen Druck, der von Versammlungen im räumlichen Vorfeld des Parlaments ausgehen kann, gewährleisten. 53 Parlamentarischer Streit ist demnach vornehmlich innerhalb des Hauses zwischen den im Parlament vertretenen politischen Kräften in den geordneten Bahnen der G O auszutragen und nicht unter dem Druck oder auch als Fortsetzung unmittelbar vor der Tür stattfindender Demonstrationen.
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Im Sitzungsgebäude darf nach Abs 3 Satz 2 des weiteren keine Durchsuchung oder Beschlagnahme ohne die vorherige Zustimmung 51
52 53
Ähnlich die - zunächst befristeten - Regelungen im Bund (vgl G über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes vom 11.8.1999 BGBl I S 1818). Da sich der befriedete Bezirk für den Bundesrat und der Bannkreis für das AvB teilweise überschneidenden (beide Verfassungsorgane sind übrigens im Bannkreis des jeweils anderen gelegen), bedürfen Versammlungen und Aufzüge ggf einer zweifachen Gestattung, über die kumulativ und unabhängig voneinander für den Bund das BMin des Innern im Einvernehmen mit dem Präsidenten des BR und für Bin der PrAvB im Einvernehmen mit dem Senator für Inneres entscheiden. Maunz in MDHS Art 40 Rn 32. OVG Münster DVB1 1994, 541, 543 (rechtskräftig). AA KargllKirsch Bannmeilengesetz und Bannkreisverletzung (§ 106 a StGB) NJ 1997, 561, die der Bannkreisregelung „emotionale Identifikation mit der staatlichen Autorität" zuschreiben und sie daher ablehnen, ohne auf das Urteil und seine ausgewogene Begründung einzugehen. Vgl auch TsatsosIWietschel aaO, die die Regelung bezüglich der Einschränkung der Versammlungsfreiheit zwar für verfassungsgemäß halten, dennoch aber verfassungsrechtliche Bedenken geltend machen, weil nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anspruch, sich vor dem Parlament zu versammeln, Vorrang habe vor dem Schutz der Gesetzgebungsorgane, der durch Auflagen und im Extremfall durch Auflösung der Versammlung gewährleistet werden könne. - Verstöße gegen das Bin BannmeilenG werden nach Wegfall der Strafbestimmung des § 106 a StGB nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt (§ 29a VersammlungsG).
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des PrAvB stattfinden. Die Vorschrift bezweckt die Sicherung der Parlamentsautonomie. 54 Der Zustimmung bedürfen daher die einschlägigen Maßnahmen der Strafverfolgungs- oder Ordnungsbehörden (§§ 94ff StPO; §§ 35 ff ASOG) wie auch solche zur Vollstreckung sonstiger gerichtlicher Entscheidungen. Von Hausrecht und Polizeigewalt sind die Ordnungsbefugnisse des 16 PrAvB gegenüber den MdA in der Sitzung selbst zu unterscheiden (Sitzungsgewalt); hierbei handelt es sich lediglich um die Handhabung der GO zur Gewährleistung des geordneten Ablaufs der Sitzung notfalls durch Rüge, Ordnungsruf, Wortentziehung und ggf Ausschluß aus der Sitzung (§§76ff GOAvB). Die Befugnisse der Sitzungsgewalt stehen dem Parlament insgesamt zu und werden vom PrAvB nach Maßgabe der GO nur kraft Übertragung durch das Parlament wahrgenommen. 55 Weiterhin ist der PrAvB nach Abs 4 zuständig für die Verwaltung 17 der wirtschaftlichen Angelegenheiten des AvB. Er ist dabei an das Haushaltsgesetz gebunden. Zu nennen sind die vielfaltigen Aufgaben der Parlamentsorganisation und der Zuarbeit für die Abgeordneten. Dazu bedient sich der PrAvB der Verwaltung des AvB, die von dem Direktor bei dem AvB geleitet wird. 56 Für das Dienstpersonal der Verwaltung des AvB ist der PrAvB die oberste Dienstbehörde (§ 8 PersVG). In Abs 4 ist geregelt, daß die Einstellung und Entlassung des Dienstpersonals Aufgabe des PrAvB ist, der insoweit im Namen Berlins tätig wird. 57 Dem PrAvB obliegt schließlich die Vertretung des AvB in allen Angelegenheiten. Die staatsrechtliche Außenvertretung Berlins ist indessen ausschließlich Sache des RB (Art 58 I). Die Zuständigkeit des PrAvB bezieht sich auf die rechtsgeschäftliche und prozeßrechtliche Vertretung Berlins in Angelegenheiten des AvB (§ 21 Nr 1 AZG). In verfassungsgerichtlichen Verfahren, zB in Organstreitigkeiten, vertritt er das AvB nach Anhörung des für die Verfassung zuständigen Ausschusses (§ 44 GOAvB). Darüber hinaus gehört zur Vertretung auch die politische Gesamtrepräsentation des AvB nach außen und insbesondere gegenüber den anderen Verfassungsorganen, bei der der PrAvB allerdings möglichst im Einklang mit der Meinung
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Magiera in Sachs Art 40 Rn 32. 55 BVerfGE 60, 374, 379; Pieroth in Jarass/Pieroth Art 40 Rn 10. 56 Nach Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 42 Rn 34 handelt es sich bei der Parlamentsverwaltung um eine Hilfseinrichtung besonderer Art, die mit einer Behörde der allgemeinen Verwaltung und mit der Ministerialverwaltung nur bedingt vergleichbar ist (mwN). Vgl hinsichtlich der Aufgaben der Bundestagsverwaltung im einzelnen Schindler in Schneider/Zeh § 29 Rn 11 ff. 57 Vgl Neumann Art 77 Rn 6.
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des ganzen Hauses bleiben muß. 58 Dem PrAvB obliegt außerdem die Dienstaufsicht über den Präsidenten des LRH (Art 95 II) und den Datenschutzbeauftragten (Art 47 I 2), die beide auch von ihm ernannt werden.
Artikel 42 (1) Das Abgeordnetenhaus wird durch den Präsidenten einberufen. (2) Auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder oder des Senats muß das Abgeordnetenhaus unverzüglich einberufen werden. (3) Die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses sind öffentlich. (4) Wenn ein Fünftel der Abgeordneten oder der Senats es beantragt, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen. Materialien 1. vgl Art 39 III, 42 I, II GG; 33 I BW Verf; 17, 22 I BayVerf; 64 BbgVerf; 88, 91 BremVerf; 21 f HmbVerf; 83, 89 HessVerf; 28, 31 I MV Verf; 21 II, 22 NdsVerf; 38 III, IV, 42 N W Verf; 86 RhPfVerf; 72 SaarlVerf; 48 I SächsVerf; 45, 50 LSA Verf; 15 I SchlH Verf; 57 II, 60 ThürVerf 2. VVGB: Art 6 III, 7 I ; VvB 1950: Art 30 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Mit der Vorschrift erlangen einige Regeln, die das parlamentarische Verfahren betreffen, Verfassungsrang (vgl zB auch Art 41 II, 43, 57 II, 59 IV, 60 I). Die Bestimmung des Abs 1, wonach der PrAvB das AvB einberuft, ist mißverständlich. Handelt es sich um die erste (konstituierende) Sitzung des AvB in einer neuen WP, so wird das AvB naturgemäß nicht von seinem Präsidenten, der ja erst noch gewählt werden soll, einberufen, sondern von dem Präsidenten der vorangegangenen WP (§10 1 GOAvB). Daher ist bei der ersten Sitzung, wie auch sonst bei allen Sitzungen, von dem Selbstversammlungsrecht des Parlaments auszugehen. Das Parlament bedarf für sein Zusammentreten prinzipiell keiner ausdrücklichen Einberufung durch den Präsidenten (vgl Art 39 III GG). 1 Der PrAvB nimmt demzufolge die Einberufung des AvB
58 1
Stern II § 26 S 89; ausführlich Wermser Der Bundestagspräsident, 1984, S 86f. vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte M D H S Art 39 Rn 67.
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Art
39 Rn
24f;
MaunzlKlein
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Einberufung, Öffentlichkeit (Lemmer)
Art. 42
nicht auf Grund eigener verfassungsrechtlicher Kompetenz wahr, sondern er gibt lediglich dem Selbstversammlungsrecht des Parlaments Ausdruck, wenn er zu dessen Sitzungen einlädt. In der Praxis legt der Ältestenrat am Ende jeden Jahres die regelmäßigen Sitzungstermine für das Folgejahr nach Maßgabe des Arbeitsplans fest (§ 19 I GOAvB). Traditionell sind die gewöhnlichen Sitzungstage der zweite und der vierte Donnerstag jeden Monats. Der PrAvB beruft dementsprechend das AvB zu den Sitzungen jeweils unter Beifügung der Tagesordnung ein (§§ 56 f GOAvB). Zu unterscheiden ist zwischen Arbeitssitzungen (ordentlichen Sitzungen) und besonderen (außerordentlichen) Sitzungen, zu denen aus entsprechendem Anlaß außerhalb des Tagungsrhythmus eingeladen wird (§ 56 II GOAvB). In bezug auf die Vorlagen, Anträge und Anfragen, die auf die 2 Tagesordnung gesetzt werden sollen, steht dem PrAvB zwar ein Prüfungsrecht zu (§ 14 IV GOAvB), das aber auf die geschäftsordnungsmäßigen Äußerlichkeiten beschränkt ist. Allenfalls kann der PrAvB eine Initiative dann zurückweisen, wenn sie offensichtlich nicht ernst gemeint ist oder gegen eine Strafvorschrift verstoßen würde. 2 Der PrAvB hat jedenfalls keine Handhabe, parlamentarische Initiativen einer inhaltlichen Kontrolle zu unterziehen und sie ggf zurückzuweisen. Er muß einen Verhandlungsgegenstand zB auch dann auf die Tagesordnung setzen, wenn das AvB infolge ausschließlicher Zuständigkeit des Bundes an einer Befassung gehindert ist.3 Das AvB entscheidet selbst darüber, wie mit einem rechtlich unzulässigen oder verfassungswidrigen Verhandlungsgegenstand zu verfahren ist; es kann zB die weitere Befassung, auch für zukünftige Sitzungen, ablehnen. 4 Darüber hinaus beruft der PrAvB das AvB nach Abs 2 dann ein, 3 wenn ein Fünftel der MdA oder der SvB dies beantragen. Der PrAvB darf nicht ablehnen, sondern er hat dem Ersuchen unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, zu entsprechen, wobei er die Ladefrist von mindestens zwei Tagen zu beachten hat (§ 57 GOAvB). 5 Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen des AvB nach 4 Abs 3 und 4 dient der Transparenz des parlamentarischen Verfahrens und ist ein zwingendes Gebot des Verfassungsrechts. 6 „Öffentliches
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Kabel in Schneider/Zeh § 31 Rn 16. Vgl BbgVerfG DVB1 1999, 708 ff („Eurofighter"); iE zustimmend Jutzi Föderale Grenzen des Befassungsrechts der Landesparlamente NJ 1999, 243 f. Zu beachten ist, daß im BbgLT die TO vom Präsidium beschlossen wird ( § 1 8 1 GOBbgLT). 4 BbgVerfG aaO, S 710. 5 Harth Voraufl Art 30 Rn 3. 6 Maunz in M D H S Art 42 Rn 1. 3
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Art. 42
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus." 7 Aus dem Öffentlichkeitsgebot folgt die weitere Vorschrift des Art 52, wonach niemand wegen wahrheitsgetreuer Berichte aus dem AvB zur Verantwortung gezogen werden darf. Allerdings bleiben Parlamentsbeschlüsse auch dann wirksam, wenn im Einzelfall das Öffentlichkeitsgebot nicht beachtet wurde. 8 Die vorgeschriebene Sitzungsöffentlichkeit besagt, daß im Rahmen der räumlichen Gegebenheiten jedermann das Anrecht auf freien Zutritt hat, wobei natürlich das dem PrAvB zustehende Hausrecht unberührt bleibt. 9 Demgemäß kann eine Einlaßkontrolle durchgeführt werden; zulässig ist die Ausgabe von (unentgeltlichen) Eintrittskarten für die Besuchertribüne, und zwar ggf unter Beachtung der Chancengleichheit der Interessenten. 10 Die Besucher haben sich an die von dem PrAvB erlassene Ordnung zu halten, und sie müssen zB auf jegliche Beifalls- oder Mißfallensbekundungen verzichten; Verstöße können nach § 106b StGB als Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans geahndet werden. 11 Die gelegentlich aufgeworfene Frage, ob Pressevertretern einschließlich der Berichterstatter von Radio und Fernsehen hinsichtlich der Sitzungsteilnahme bevorzugte Rechte zustehen 12 , ist zu bejahen. Im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Presse 13 ist es sachlich gerechtfertigt, Pressevertreter bei Raumknappheit zu bevorzugen und ihnen auch sonst geeignete Arbeitsmöglichkeiten zu gewähren. 14 Öffentlich sind die Verhandlungen des AvB einschließlich seiner Ausschüsse mit den Redebeiträgen der MdA. Daher ist zweifelhaft, ob angesichts des Öffentlichkeitsgebots nicht gehaltene Reden zu Protokoll gegeben werden dürfen, was immer häufiger
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BVerfGE 70, 324, 355. Im einzelnen Binder Die Öffentlichkeit nach Art 42 I 1, 44 I 1 G G und das Recht der Massenmedien zur Berichterstattung DVB1 1985, 1112 ff. vMangoldt/KIein/Achterberg/Schulte Art 42 Rn 6. vMangoldtlKlein!AchterberglSchulte Art 42 Rn 3. Hürth Voraufl Art 30 Rn 4; vMangoldtl Klein!Achterbergl Schulte aaO. Das Verhalten der Besucher ist Gegenstand einer ausdrücklichen Anordnung des PrAvB über die Sicherheit und Ordnung im AvB, die jeweils durch Aushang im AvB bekanntgemacht wird. Nach BVerfGE 50, 234, 241 genießt die Presse jedenfalls bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen grundsätzlich keine weitergehenden Rechte als sonst jeder Bürger. Vgl §§ 3f Bin Pressegesetz vom 15.6.1965 (GVB1 S 744), zuletzt geändert durch G vom 6.4.1995 (GVB1 S 240). Wenzel in Löffler Presserecht, § 4 LPG Rn 150.
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Einberufung, Öffentlichkeit (Lemmer)
Art. 42
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Praxis ist. Auch das Abstimmungsverhalten der MdA im Plenum unterliegt prinzipiell dem Öffentlichkeitsgebot, das in der Zulässigkeit der namentlichen Abstimmung konkreten Ausdruck findet (§ 71 I GOAvB). Die namentliche Abstimmung bildet aber die Ausnahme; bei anderen Abstimmungen gebietet es das Öffentlichkeitsprinzip nicht, das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen MdA öffentlich nachzuweisen. Wahlen können im AvB auch geheim durchgeführt werden, obwohl eine Ausnahme von dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebot insoweit nicht vorgesehen ist (vgl § 74 II GOAvB). 16 Die Öffentlichkeit kann durch Beschluß des AvB für bestimmte 5 Angelegenheiten ausgeschlossen werden, die im staatlichen Interesse oder zum Schutz von Privatgeheimnissen geheimzuhalten sind. Dazu bedarf es zunächst eines Antrages, der von einem Fünftel der Abgeordneten zu stellen ist. Dabei ist nicht situationsbezogen von den zufallig in einer Sitzung anwesenden Abgeordneten auszugehen. Eine solche Auslegung würde der hohen Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips nicht gerecht werden. Für das Antragsrecht maßgebend ist vielmehr die Textfassung der VvB, die ein Fünftel „der Abgeordneten", also aller MdA, verlangt. 17 Will der SvB den Ausschluß der Öffentlichkeit beantragen, so muß zunächst ein Senatsbeschluß herbeigeführt werden; einzelne Senatsmitglieder können in der Sitzung des AvB den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht beantragen. Der Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen, ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen. Die Aussprache über den Verhandlungsgegenstand selbst ist vertraulich, sofern kein anderer Geheimhaltungsgrad beschlossen wird. 18 Für den Beschluß genügt die einfache Stimmenmehr15
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Hierzu sowie zum Thema insgesamt Linck Parlamentsöffentlichkeit ZParl 1992, 673, 882. Zu Protokoll gegebene Reden werden erst nachträglich „öffentlich", sobald die Plenarprotokolle allgemein zugänglich sind; das Gebot der Öffentlichkeit wird also nur unzulänglich erfüllt. Magiera in Sachs Art 42 Rn 4; Pieroth in Jarass/Pieroth Art 42 Rn 1 ; Versteyl in vMünch/Kunig II Art 42 Rn 9; aA Linck aaO S 685 f Pieroth aaO stellt dem Öffentlichkeitsgebot die Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments gegenüber, aus der sich die Zulässigkeit geheimer Wahlen, soweit in der GO vorgesehen, ergeben soll. Vgl auch Pieroth Offene oder geheime Wahlen und Abstimmungen? JuS 1991, 89. So für den BT (dort ein Zehntel) Magiera in Sachs Art 42 Rn 5; Maunz in M D H S Art 42 Rn 9; aA Harth Voraufl Art 30 Rn 6. Mißverständlich ist leider der unterschiedliche Wortlaut in Abs 2 und Abs 4, in denen von einem Fünftel „seiner Mitglieder" bzw „der Abgeordneten" die Rede ist, obwohl ersichtlich dasselbe gemeint ist. In der Geheimschutzordnung des AvB (§ 54 II GOAvB iVm Anlage 6 zur GOAvB) wird im einzelnen geregelt, wie der Geheimhaltung unterliegende
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Art. 43
Abschnitt III: Die Volksvertretung
heit (§ 69 GOAvB). Das AvB kann von dem Beschluß, die Öffentlichkeit auszuschließen, Ausnahmen zulassen und zB die Anwesenheit der Presse gestatten. 19 Wenn das AvB nichts anderes beschließt, bezieht sich der Ausschluß der Öffentlichkeit weder auf die Parlamentsstenographen noch auf die anderen dienstlich anwesenden Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung. Nicht betroffen werden von dem Beschluß die Senatsmitglieder, die immer berechtigt sind, an den Sitzungen des AvB und seiner Ausschüsse teilzunehmen (Art 49 II). Die Ausschüsse können ebenfalls für einen Verhandlungsgegenstand oder Teile davon Vertraulichkeit beschließen (§ 53 I GOAvB).
Artikel 43 (1) Das Abgeordnetenhaus ist beschlußfahig, wenn mehr als die Hälfte der gewählten Abgeordneten anwesend ist. (2) Das Abgeordnetenhaus beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit, falls die Verfassung nicht ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt. Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung. Für die vom Abgeordnetenhaus vorzunehmenden Wahlen kann durch Gesetz oder durch die Geschäftsordnung eine andere Mehrheit vorgeschrieben werden. Materialien 1. vgl Art 42 II GG; 33II BW Verf; 23 BayVerf; 65 BbgVerf; 89 f BremVerf; 19 f HmbVerf; 87 f HessVerf; 32 MV Verf; 21 IV NdsVerf; 44 N W Verf; 88 RhPfVerf; 74 SaarlVerf; 48 II, III SächsVerf; 51 LSA Verf; 16 SchlH Verf; 61 ThürVerf 2. VVGB: Art 7 III; VvB 1950: Art 31 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Abs 1 verlangt für die Beschlußfähigkeit des AvB die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der MdA. Andere als „gewählte" Abgeordnete gibt es nicht; die Vorschrift meint die Hälfte der Gesamtzahl aller Abgeordneten. 1 Die Zahl der MdA schwankt in jeder WP entsprechend der Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate (§19 LWG).
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Verschlußsachen entsprechend dem jeweiligen Geheimhaltungsgrad zu behandeln sind. Maunz in M D H S Art 42 Rn 13. Zum Hintergrund der Formulierung „der gewählten Abgeordneten" oder „der gewählten Mitglieder" (Art 100) vgl Magen Vorauflage, Art 25 Rn 5.
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Beschlußfähigkeit, Mehrheit (Lemmer)
Art. 43
Sie kann sich vorübergehend mindern, wenn ein Abgeordneter ausgeschieden ist, der Nachrücker aber noch nicht das Mandat angenommen hat (§§ 6, 14 IV LWG). Nur die im Sitzungssaal anwesenden MdA werden gezählt; sonstige Anwesenheit im Gebäude des AvB genügt nicht. 2 Die Beschlußfähigkeit bedarf keiner ausdrücklichen Feststellung. Vielmehr ist das AvB immer beschlußfähig, solange nicht der PrAvB die Beschlußunfähigkeit durch Auszählung feststellt. 3 Er wird zu der Auszählung dann veranlaßt, wenn ein MdA die Beschlußfähigkeit anzweifelt, was nur unmittelbar vor Eröffnung der Abstimmung zulässig ist (§ 73 GOAvB). Stellt sich die Beschlußunfähigkeit bei der namentlichen Abstimmung oder bei der Stimmenauszählung (vgl § 70 II GOAvB) heraus, so hat dies der PrAvB ebenfalls festzustellen und die Sitzung zu schließen. Im übrigen besteht eine Vermutung für die Beschlußfähigkeit des AvB 4 , und zwar eine Vermutung, die im nachhinein nicht mehr widerlegt werden kann 5 . Wenn der PrAvB die Beschlußunfähigkeit feststellt, hat er die Sitzung sofort zu schließen (§ 73 III GOAvB). Das AvB ist mit Eintritt der Beschlußunfähigkeit zugleich auch beratungsunfähig. 6 Der Beschluß ist die Äußerungsform, mit der das AvB als Kol- 2 legialorgan seinen Willen erkennbar und verbindlich feststellt. 7 Das AvB darf dabei seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen nicht überschreiten. Unzulässig sind daher im allg Beschlüsse in Angelegenheiten, die dem Bund vorbehalten sind, wie Verteidigung oder Außenpolitik. Jedoch darf sich das AvB im Rahmen seiner parlamentarischen Kontrolle mit Bundesangelegenheiten insoweit befassen, als der SvB an der Gesetzgebung des Bundes im BR mitwirkt. Auch kommt für das AvB ein Befassungsrecht dann in Betracht, wenn das Land Berlin von einem Bundesthema in besonderer Weise - „unmittelbar und direkt" berührt wird. 8 Bei den Parlamentsbeschlüssen kann es sich inhaltlich um Entscheidungen handeln, die auf rechtliche oder verfahrensmäßige Folgen abzielen wie zB Gesetzesbeschlüsse, Wahlen, oder Ausschußüberweisungen. 9 Keine Rechtswirkungen entfalten dagegen 2
Hürth Voraufl Art 31 Rn 1. 3 Vgl Ritzeil Bücker GOBT § 45 S 5. 4 Magiera in Sachs Art 42 Rn 11. 5 Vgl Versteyl in vMünch/Kunig Art 42 Rn 18; vMangoldt/Klein/Achterbergl Schulte Art 42 Rn 33. Nach BVerfGE 44, 308, 320 f soll die Vermutung der Beschlußfähigkeit bei extremer Fallgestaltung offenbar auch nachträglich noch widerlegt werden können. Ritzell Bücker GOBT § 45 S 6. 7 Magiera in Sachs Art 42 Rn 8. 8 Klatt in Schneider/Zeh § 57 Rn 35; vgl auch BbgVerfG DVB1 1999, 708, 710. ? Stern II § 26 S 48f.
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Art. 43
Abschnitt III: Die Volksvertretung
die sog schlichten Parlamentsbeschlüsse, mit denen das AvB, rechtlich nicht verbindlich, ggf aber politisch wirkungsvoll, seine Meinung zu äußern vermag oder auch Ersuchen an den SvB richten kann (Entschließungen, §§ 39 I, 40 I GO AvB). 10 Zu den Beschlüssen zählen auch die einen Antrag ablehnenden Parlamentsentscheidungen. 11 Ein Beschluß des AvB erfordert nach Abs 2 mindestens die einfache Stimmenmehrheit (Abstimmungsmehrheit 12 ), sofern in der VvB selbst nichts anderes vorgesehen ist. Das bedeutet, daß bei der Abstimmung mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen abgegeben werden müssen. Stimmenthaltungen oder ggf ungültige Stimmen werden bei der Ermittlung der Mehrheit nicht mitgezählt (§ 69 II GOAvB). Auch ist ohne Bedeutung, wie viele MdA bei der Abstimmung anwesend sind und wie viele sich davon an der Abstimmung beteiligen. 13 Die Vorschrift stellt weiterhin klar, daß Stimmengleichheit Ablehnung bedeutet. 3
Ausnahmen von dem Prinzip der einfachen Stimmenmehrheit sieht die VvB im Fall des Mißtrauensantrags gegen den SvB oder gegen eines seiner Mitglieder vor; für die Annahme eines solchen Antrags ist die Mehrheit der Gesamtzahl aller MdA erforderlich (Abgeordnetenmehrheit, Art 57 III). Einer Mehrheit von zwei Dritteln der Gesamtzahl aller MdA bedarf jede Änderung der VvB (Art 100) sowie weiterhin ein Staatsvertrag über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes mit dem Land Brandenburg (Art 97 II). Die gleiche Stimmenmehrheit ist ebenfalls vorgeschrieben für den Beschluß über eine Selbstauflösung des AvB (Art 54 II). 4 Während bei Abstimmungen zu Sachfragen Abweichungen von dem Prinzip der einfachen Stimmenmehrheit nur durch eine Vorschrift der VvB selbst zulässig sind, können bei Wahlen durch Gesetz oder durch die GOAvB auch andere (qualifizierte) Mehrheiten festgelegt werden. So erfolgen kraft Verfassungsvorschrift die Wahl des Präsidenten des Rechnungshofs (Art 95 II) mit der Mehrheit der Gesamtzahl aller MdA und die Wahl der Mitglieder des VerfGH „mit Zweidrittelmehrheit" (Art 84 I 2) 14 . Durch Gesetz ist zB bestimmt,
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Stern aaO; Versteyl in vMünch/Kunig Art 42 Rn 16. Die ablehnenden Beschlüsse werden ebenfalls in das Beschlußprotokoll (§ 87 GOAvB) aufgenommen. 12 Pieroth in Jarass/Pieroth Art 42 Rn 4. 13 Vgl Maunz in M D H S Art 42 Rn 17. 14 Nach der Vorschrift werden die Mitglieder des VerfGH „mit Zweidrittelmehrheit gewählt". Der Wortlaut legt eine Auslegung nahe, derzufolge die Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen (Zweidrittel-Stimmenmehrheit) ausreicht, die Zweidrittelmehrheit der Gesamtzahl der MdA (Zweidrittel-Abgeordnetenmehrheit) hingegen nicht erforderlich ist. So wird 11
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Beschlußfähigkeit, Mehrheit (Lemmer)
Art. 43
d a ß die Mitglieder des M e d i e n r a t e s mit einer M e h r h e i t v o n zwei Dritteln der G e s a m t z a h l aller M d A gewählt werden, 1 5 e b e n s o der L a n d e s b e a u f t r a g t e f ü r die U n t e r l a g e n des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen D D R ( § 2 1 S t a s i - B e a u f t r G 1 6 ) o d e r der Berliner D a t e n s c h u t z b e a u f t r a g t e (§ 21 I B l n D S G ) . In der G O ist die W a h l des P r A v B u n d der Vizepräsidenten mit der M e h r h e i t der S t i m m e n der M d A , also der A b g e o r d n e t e n m e h r h e i t ( G e s a m t z a h l aller M d A ) , v o r gesehen (§ 11 Satz 2 G O A v B ) , eine H ü r d e , die sich a u s der V v B selbst nicht ergibt (Art 41 II).'? F ü r W a h l e n k a n n einerseits d a s E r f o r d e r n i s der Zweidrittelmehr- 5 heit d u r c h einschlägige V o r s c h r i f t e i n g e f ü h r t w e r d e n , w e n n d a s E r gebnis a u f einer breiten M e h r h e i t b e r u h e n soll. Andererseits wird m i t u n t e r v o n der Möglichkeit G e b r a u c h g e m a c h t , im Hinblick a u f die f o r m a l e Chancengleichheit der F r a k t i o n e n a u c h kleineren F r a k t i o n e n ein A n r e c h t a u f Berücksichtigung zu geben, d e m sich die P a r l a m e n t s m e h r h e i t f ü g e n m u ß . W e n n d a s A v B Gremien durch Wahlen
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jedenfalls in der Praxis verfahren (PlenProt 12/27 vom 26.3.1992 S 2303 C, PlenProt 13/54 vom 26.11.1998 S 3973 D). Für die Richtigkeit dieser Auslegung spricht auch die Vorgeschichte. Nach dem ursprünglichen Text des Art 72 I VvB 1950 idF vom 1.9.1950 war lapidar vorgesehen, daß die Richter „vom Abgeordnetenhaus gewählt" werden, die Mehrheit der abgegebenen Stimmen also genügt. Die jetzige Textfassung beruht auf dem 25. ÄndG zur VvB 1950 vom 11.12.1991 (GVB1 S 279), mit welcher lediglich die Hürde der Zweidrittelmehrheit eingeführt wurde; weitere konsensfördernde Erschwerungen waren offensichtlich nicht beabsichtigt (vgl Protokoll des Rechtsausschusses 12/14 vom 21.11.1991 S 3 ff, sowie PlenProt 12/19 vom 28.11.1991 S 1481 Β). § 10 I des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks idF vom 1.1.1999 (GVB1 S 130). G über den Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Land Berlin vom 20.11.1992 (GVB1 S 335), geändert durch G vom 5.11.1997 (GVB1 S 578). Zur Kennzeichnung einer erforderlichen Mehrheit bedient sich die VvB leider nicht einer einheitlichen Wortwahl. So wird die Abgeordnetenmehrheit als „Mehrheit der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses" oder auch nur als „Mehrheit seiner Mitglieder" (nämlich des AvB) bezeichnet (vgl Art 57 III, 95 II). Die Mehrheit von „zwei Dritteln der Mitglieder des Abgeordnetenhauses" (vgl Art 97 II) soll offenbar dasselbe besagen wie die Mehrheit von „zwei Dritteln der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses" (vgl ArtlOO). Eine Sonderregelung gilt für die Wahl des RB, der mit der Mehrheit „der abgegebenen Stimmen" gewählt wird; ungültige Stimmen und Stimmenthaltungen werden bei der Ermittlung der Stimmenmehrheit nicht mitgezählt (Art 56 I, § 75 I 3 GOAvB; vgl Neumann Art 56 Rn 7). 175
Art. 43
Abschnitt III: D i e Volksvertretung
zu besetzen hat, ist mitunter im Gesetz geregelt, daß auf Vorschlag der Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke zu wählen ist. Das gilt zB für die Kommission zur Kontrolle der Beschränkungen des Briefund Fernmeldegeheimnisses 18 , der vom AvB zu wählenden Mitglieder des Stiftungsrats der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin 19 , der Hochschulkuratorien 20 oder des Rundfunkrates 2 1 . In diesen Fällen wählt zwar das AvB mit der erforderlichen Mehrheit. Es ist aber in seiner Wahl nicht frei, weil es die Wahlvorschläge nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen berücksichtigen muß. Nach der gesetzgeberischen Absicht soll die Mehrheit einen Wahlvorschlag nur ausnahmsweise ablehnen können, dann aber nur mit der Folge, daß die vorschlagsberechtigte Fraktion einen neuen Wahlvorschlag unterbreitet. 22 Auf Grund einer Entscheidung des VerfGH Bin vom 2.2.1996 zu Art 45 ist zweifelhaft, ob die erwähnten gesetzlichen Vorschriften, soweit sie Wahlen auf Grund der Wahlvorschläge der Fraktionen vorschreiben, verfassungsgemäß sind und noch beachtet werden müssen. 23 Trotz der Entscheidung des VerfGH Bin hat sich jedenfalls das AvB an die bisherigen Regeln gehalten und die genannten Gremienwahlen auch weiterhin nach den Wahlvorschlägen im Stärkeverhältnis der Fraktionen vorgenommen. 24 6 Bei knappen Parlamentsmehrheiten werden gelegentlich zwischen Mehrheitsfraktionen und Opposition Abreden dahin getroffen, daß bei entschuldbarer Verhinderung von MdA die Opposition darauf
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§ 3 III des G zur Ausführung des G zu Art 10 G G ( G 10) in der Fassung vom 25.3.1995 (GVB1S261). 19 § 6 III des G über die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin v o m 2 9 . 1 1 . 1 9 9 3 ( G V B 1 S 579). 20 Vgl § 64 I N r 3 des G über die Hochschulen im Land Berlin (Bin H o c h schulG) in der Fassung v o m 5 . 1 0 . 1 9 9 5 (GVB1 S 728), zuletzt geändert durch Art I des G v o m 9 . 7 . 1 9 9 9 (GVB1 S 367). 21 § 6 III N r 1 der Satzung der Rundfunkanstalt „Sender Freies Berlin" in der Fassung v o m 5 . 1 2 . 1 9 7 4 (GVB1 1975 S 146), geändert durch G v o m 19.10.1995 ( G V B 1 S 6 7 8 ) . 22 Stern II § 28 S 175 am Beispiel des Gemeinsamen Ausschusses nach Art 53 a G G . Vgl SächsVerfGH D Ö V 1996, 783; danach kann im Einzelfall die Parlamentsmehrheit den Wahlvorschlag einer vorschlagsberechtigten Fraktion dann ablehnen, wenn dies z u m Schutz anderer verfassungsrechtlich geschützter Positionen erforderlich ist (S 784); in einem solchen Fall müssen aber verfahrensmäßige Vorkehrungen sicherstellen, daß die Ablehnung nicht von sachwidrigen Gründen bestimmt wird (S 786). 23 V e r f G H L V e r f G E 4, 3, 5 ff ( = JR 1996, 496); vgl auch Art 45 R n 3. 24
Z B Wahl zu Mitgliedern des Vorstandes der Jugend- und Familienstiftung Berlin in der Plenarsitzung v o m 2 8 . 5 . 1 9 9 8 , PlenProt 13/45 S 3455 D .
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Beschlußfahigkeit, Mehrheit (Lemmer)
Art. 43
verzichtet, von einer augenblicklichen Zufallsmehrheit Gebrauch zu machen („Pairing"). Es entspricht menschlicher und politischer Fairness, wenn in einem solchen Fall zB darauf verzichtet werden kann, schwerkranke Abgeordnete ins Parlament zur Abstimmung zu transportieren. 25 Sachentscheidungen werden immer in offener Abstimmung getrof- 7 fen, während Wahlen auch geheim durchgeführt werden (vgl Art 42 Rn 4). Dies entspricht in Deutschland einer langen und festgefügten parlamentarischen Tradition. 26 Abgestimmt wird regelmäßig durch Handzeichen; jedoch kann auch eine namentliche Abstimmung vorgenommen werden, wenn sie von einer Fraktion verlangt wird ( § 7 1 1 GOAvB). Für Abstimmungen ist eine elektronische Abstimmungsanlage vorgesehen, von der außer bei namentlichen Abstimmungen dann Gebrauch gemacht wird, wenn das amtierende Präsidium über das Ergebnis einer Abstimmung mit Handzeichen im Zweifel bleibt (§ 70 IV GOAvB). Ebenso wie Abstimmungen in Sachfragen können auch Wahlen offen stattfinden, sofern nicht eine Fraktion oder mindestens zehn Abgeordnete widersprechen (§ 74 GOAvB); in diesem Fall muß mit verdeckten Stimmzetteln gewählt werden. Mitunter ist die geheime Wahl ausdrücklich vorgeschrieben, so bei der Wahl des RB (§ 75 I GOAvB) oder der Mitglieder des VerfGH (§ 2 I VerfGHG). Hat das AvB nach Maßgabe seiner GO einen Gegenstand der 8 Tagesordnung behandelt und darüber Beschluß gefaßt, gilt nunmehr der Grundsatz der Unverrückbarkeit des Parlamentsbeschlusses.27 Die Beschlüsse des AvB werden in der Form eines Beschlußprotokolls vom PrAvB und einem Beisitzer unterschrieben (§ 87 GOAvB). Das genehmigte Beschlußprotokoll ist eine beweiskräftige Urkunde, deren Richtigkeit aber widerlegt und ggf gerichtlich nachgeprüft werden kann. 28 Die Änderung eines Beschlusses ist nur dadurch möglich, daß ein entsprechender Antrag zu einer der nächsten Sitzungen des AvB gem der G O neu eingebracht wird. Ein Gesetzesbeschluß ist unabänderlich; einer möglichen Änderung unterliegt erst wieder das Gesetz selbst im Wege des normalen Gesetzgebungsverfahrens, nachdem es ausgefertigt und verkündet ist.
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Arndt in Schneider/Zeh § 21 Rn 51. Pieroth, Offene oder geheime Wahlen und Abstimmungen? JuS 1991, 89, 92ff. Vgl auch Art 42 III. Ritzell Bücker GOBT § 48 S 7. Vgl Achterberg § 22 S 668; aA Hürth Vorauf! Art 31 Rn 9.
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Art. 44
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Artikel 44 (1) Das Abgeordnetenhaus setzt nach Bedarf Ausschüsse aus seiner Mitte ein. Die Ausschüsse tagen grundsätzlich öffentlich. (2) Die Zusammensetzung der Ausschüsse sowie die Besetzung der Vorsitze richten sich nach der Stärke der Fraktionen (Artikel 41 Abs 2 Satz 4). Die Fraktionen benennen dem Präsidenten die auf sie entfallenden Mitglieder. Fraktionslose Abgeordnete haben das Recht, in den Ausschüssen ohne Stimmrecht mitzuarbeiten. (3) Alles Nähere regelt die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses. (4) Das Abgeordnetenhaus hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche oder bedeutsame Sachverhalte in einem Lebensbereich Enquete-Kommissionen einzusetzen. Diesen gehören auch vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses auf Vorschlag der Fraktionen berufene sachverständige Personen an, die nicht Mitglieder des Abgeordnetenhauses sind. Das Nähere regelt ein Gesetz. Materialien 1. vgl Art 45 a GG; 34 II BW Verf; 24 II BayVerf; 70 BbgVerf; 98 BremVerf; 23 HmbVerf; 91 HessVerf; 33 MV Verf; 20 NdsVerf; 45 N W Verf; 89 RhPfVerf; 77 SaarlVerf; 52 SächsVerf; 52, 55 LSA Verf; 17 SchlH Verf; 62 I ThürVerf 2. VVGB: Art 7 II; VvB 1950: Art 32 3. Änderungen: Abs 1 bis 3 sind durch das 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82) neu gefaßt worden.
Erläuterungen 1
Die Vorschrift regelt die Einsetzung der für die parlamentarische Arbeit unverzichtbaren Ausschüsse sowie von Enquete-Kommissionen. Als weitere Gremien sind in diesem Zusammenhang neben dem Präsidium (Art 41 II) der Petitionsausschuß (Art 46) und die Untersuchungsausschüsse (Art 48) zu nennen. Nicht in der VvB erwähnt wird der Ältestenrat (§§ 17 ff GOAvB), dem aber eine überragende politische Bedeutung zukommt. 1 In ihm sind die Spitzen der Fraktionen und deren parlamentarische Geschäftsführer vertreten. Der Ältestenrat, der im wesentlichen den PrAvB bei der Führung der Geschäfte unterstützen soll, dient darüber hinaus als Lenkungsausschuß zur Vorbereitung der Tagesordnung wie auch als Aussprachegremium zur Erörterung konfliktträchtiger Einzelfragen des parla-
1
M agier a in Sachs Art 40 Rn 12.
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Ausschüsse, Enquête-Kommission (Lemmer)
Art. 44
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mentarischen Verfahrens. Insofern ist er auch Ort für Geschäftsordnungsdebatten, die denn dem Plenum erspart werden. Er ist indessen kein Ausschuß, weil er nur für die innerparlamentarischen Arbeitsabläufe zuständig ist und zu den Verhandlungsgegenständen selbst weder Beschlüsse faßt noch Beschlußempfehlungen gibt, noch sonst als Parlamentsgremium in das parlamentarische Verfahren eingefügt ist. Da er nur vorbereitend tätig ist und er zudem auf eine leidliche interfraktionelle Zusammenarbeit angewiesen ist, sind die Sitzungen des Ältestenrats ausnahmslos nicht öffentlich. Vermutlich wegen der besonderen Eigenart dieses Gremiums sind dem Ältestenrat Aufgaben bezüglich der Verwendung der Leistungen an die Fraktionen (Regelungen des PrAvB im Einvernehmen mit dem Ältestenrat, § 8 XII FraktG) und hinsichtlich der Angemessenheit der Entschädigung (jährlicher Bericht des PrAvB im Benehmen mit dem Ältestenrat, § 22 I LAbgG) gesetzlich übertragen worden. Ferner kann der PrAvB nur im Einvernehmen mit dem Ältestenrat die Ermächtigung zur Strafverfolgung in den im StGB vorgesehenen Fällen erteilen (Ani 7 der GOAvB). Gesetzlich vorgeschrieben ist die Unterrichtung des Ältestenrats durch den PrAvB über die Zulassung oder die Ablehnung von Versammlungen im befriedeten Bannkreis (§ 2 III Bin BannmeilenG). Aus alledem folgt, daß im Rahmen der parlamentarischen Selbstverwaltung neben dem Präsidium der weder in der VvB noch sonst gesetzlich geregelte Ältestenrat zur Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben durch G oder durch die GO herangezogen wird. Hinsichtlich der Ausschüsse (Abs 1 bis 3) wird bestimmt, daß sie 2 nach Bedarf aus der Mitte des AvB eingesetzt werden. Der Bedarf wird nach der G O insofern vorausgesetzt, als grundsätzlich für jeden Geschäftsbereich des SvB ein ständiger Ausschuß tätig werden soll (§20 GOAvB). Das AvB ist aber frei, weitere Ausschüsse zu bilden und insbesondere für einzelne Angelegenheiten Sonderausschüsse einzusetzen (zB für Verwaltungsreform, Bebauungspläne oä). In den Ausschüssen und nicht im Plenum wird ganz überwiegend die parlamentarische Sacharbeit geleistet.3 Vor allem fällt den Ausschüssen die Aufgabe zu, die von dem AvB zunächst im Plenum behandelten und sodann überwiesenen Vorlagen und Anträge im einzelnen zu beraten und die abschließende Behandlung im AvB durch eine Beschlußempfehlung vorzubereiten. Diese Arbeitsteilung soll dazu dienen, das
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Achterberg § 8 S lOf; Roll in Schneider/Zeh § 28ff; Versteyl in vMünch/ Kunig Art 40 Rn 10 ff. Magiera in Sachs Art 40 Rn 15.
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Art. 44
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Plenum von Fachdebatten zu entlasten, was insbesondere die Gesetzgebung betrifft. 4 Auch ohne besonderen Auftrag können die Ausschüsse Angelegenheiten ihres Geschäftsbereichs besprechen und dann auch ggf dem AvB berichten (sog Selbstbefassungsrecht, § 21 V GOAvB). 5 Darüber hinaus darf der in Europaangelegenheiten zuständige Ausschuß durch Beschluß unmittelbar dem SvB Empfehlungen geben (§ 21a V GOAvB). Mithin wird die dem Parlament insgesamt obliegende Kontrollfunktion gegenüber dem SvB zum guten Teil in den Ausschüssen wahrgenommen, wo im Rahmen der GOAvB die Gelegenheit besteht, einen konkreten Gegenstand ausführlich zu besprechen, das zuständige Senatsmitglied anzuhören und ggf durch Rede und Gegenrede auf den weiteren Fortgang der Sache Einfluß zu nehmen. 6 Gelegentlich wird dadurch der Unterschied zwischen (zulässiger) nachgehender Kontrolle und (unstatthafter) mitgehender Kontrolle des SvB durch das AvB undeutlich. Die Arbeit der Ausschüsse wirkt sich weitgehend auf die gesamte parlamentarische Willensbildung aus. 7 Die VvB sieht daher vor, daß die Ausschüsse, anders als im BT bis zur 13. WP, grundsätzlich öffentlich tagen. 8 3
Die Einsetzung der Ausschüsse geschieht durch Beschluß des AvB in einer der ersten Sitzungen jeder Wahlp. Dabei werden die Geschäftsbereiche, die Stärke und die auf die Fraktionen entfallenden Mitgliederzahlen festgelegt. Zugleich wird auch bestimmt, wie sich die Stellen der Ausschußvorsitzenden, ihrer Stellvertreter und der Schriftführer auf die Fraktionen verteilen sollen. 9 Hinsichtlich der Ausschußzusammensetzung ist das AvB in seiner Entscheidung nicht frei, sondern es muß sich an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Abs 2 halten. Danach sind die Fraktionen in den Ausschüssen im
" Zeh in Schneider/Zeh § 39 Rn 31; Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 42 Rn 40; vgl VerfGH LVerfGE 2, 43, 59. 5 Einzelheiten sowie auch insgesamt zur Problematik Vetter Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland 1986, S lOOff. 6 Vgl Vetter aaO, S 106ff; Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 42 Rn 41. 7 BVerfGE 84, 304, 323. 8 Nach § 69a GOBT sollen im BT in bestimmten Fällen erweiterte öffentliche Ausschußberatungen durchgeführt werden. Die Ausschüsse des BbgLT können öffentlich verhandeln, wenn dies die Ausschußmitglieder beschließen ( § 8 1 1 GOBbgLT). 9 Einzelheiten bei Kese ZParlR 1993, 613, der im übrigen auf die Vorzüge einer Verständigung unter den Fraktionen verweist.
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Ausschüsse, Enquête-Kommission (Lemmer)
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Verhältnis ihrer Stärke vertreten, und in demselben Verhältnis werden auch die Ausschußvorsitze sowie die anderen Ausschußfunktionen auf die Fraktionen verteilt, so daß auch die Oppositionsfraktionen entsprechend ihrer Stärke an der Leitung der Ausschüsse teilnehmen 10 . Anzuwenden ist dabei das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt, das zwar ebenso wie das Berechnungsverfahren nach Hare-Niemeyer zur angenäherten mathematischen Proportion führt, jedoch innerhalb der rechnerisch unvermeidlichen Ungenauigkeit größere Fraktionen tendenziell besser stellt.11 Dieser Effekt mag erwünscht sein, weil meist so eher erreicht wird, daß sich die für die Entscheidung im AvB maßgebenden Mehrheitsverhältnisse auch in kleineren Ausschüssen widerspiegeln. In seiner Zusammensetzung muß jedenfalls grundsätzlich jeder Ausschuß ein „verkleinertes Abbild des Plenums" sein, weil er im Rahmen des parlamentarischen Entscheidungsprozesses seine Aufgabe sonst nicht ausreichend zu erfüllen vermag. 12 Die Ausschüsse sollen nämlich die Beschlüsse des Parlaments vorbereiten und damit zugleich einen Teil des Entscheidungsprozesses entlastend für das Plenum vorwegnehmen. Daraus folgt allerdings nicht, daß jede Fraktion oder Parlamentarische Gruppe in jedem Ausschuß vertreten sein muß. Das sogenannte Grundmandat für jede Fraktion ist nur für das Präsidium (Abs 2), nicht aber für die Ausschüsse vorgesehen. 13 In der parlamentarischen Praxis wird aber darauf geachtet, daß möglichst alle Fraktionen vertreten sind und daß die Ausschüsse dementsprechend zugeschnitten werden. Andererseits haben auch fraktionslose Abgeordnete und Parlamentarische Gruppen, die die Fraktionsmindeststärke nicht erreichen, grundsätzlich Anspruch auf gleichberechtigte Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung. Diesem Erfordernis wird dadurch Rechnung getragen, daß Abgeordnete, die einer Fraktion nicht angehören, in den Ausschüssen das Recht auf Mitarbeit haben, jedoch kein Stimmrecht besitzen (Abs 2 Satz 3).14 Abs 2 Satz 2 sieht vor, daß die Fraktionen die auf sie entfallenden 4 Ausschußmitglieder intern bestimmen und dem PrAvB namhaft machen (vgl § 20 III 2 GOAvB). Danach steht dem AvB keine Entscheidung über die personelle Zusammensetzung der Ausschüsse zu, deren Mitglieder ausschließlich von den Fraktionen zu benennen >o Zeh in Schneider/Zeh § 39 Rn 15. 11 Im einzelnen Schreiber Handbuch des Wahlrechts zum BT, 5. Aufl 1994, § 6 Rn 6. •2 BVerfGE 84, 304, 323; 80, 188, 221 f. '3 Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 42 Rn 47. 14 BVerfGE 80, 188, 224. 181
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sind. Die Vorschrift hat erst mit dem 2. ÄndG zur VvB von 1998 Eingang in die Verfassung gefunden. 15 Bis dahin hatte die einschlägige Vorschrift der VvB seit ihrem Inkrafttreten im Jahre 1950 vorgesehen, daß das AvB die Ausschüsse aus seiner Mitte „wählt". 16 Tatsächlich ist aber das AvB von Anfang an in der Weise verfahren, daß die Ausschußmitglieder niemals gewählt, sondern entgegen dem Wortlaut der Verfassungsvorschrift immer nur von den Fraktionen benannt wurden. Dieses Verfahren entspricht auch der Praxis der übrigen deutschen Parlamente (mit Ausnahme von Bremen 17 ). Erst der Streit über die Zusammensetzung des Ausschusses für Verfassungsschutz in der 13. Wahlp veranlaßte das AvB, den Verfassungstext entsprechend der bisherigen ständigen Praxis neu zu fassen, jedoch abweichend hiervon für den Ausschuß für Verfassungsschutz eine gesonderte Verfassungsvorschrift einzuführen; die Mitglieder dieses Ausschusses sind danach durch das AvB zu wählen (Art 46a). 18 Gewählt und nicht von den Fraktionen benannt werden weiterhin die Mitglieder der Untersuchungsausschüsse (vgl Art 48 Rn 6). 5
Die Ausschüsse können ständige oder nichtständige Unterausschüsse bilden (§ 26 II GOAvB). 19 Die Unterausschüsse werden nur vorbereitend für die Arbeit des Ausschusses tätig, so daß ihnen eine eigenständige politische Aufgabe im Gefüge des AvB nicht zufällt. Die Unterausschüsse setzen sich ausschließlich aus Mitgliedern des jeweils einsetzenden Ausschusses zusammen. 20 6 Instrumente des parlamentarischen Untersuchungsrechts sind neben den Untersuchungsausschüssen (Art 48) die Enquete-Kommissionen (Abs 4). Anders als die Mißstandsuntersuchungen, die regelmäßig Sache der Untersuchungsausschüsse sind, besteht die Aufgabe der Enquête-Kommissionen darin, Entscheidungen des AvB über umfangreiche oder bedeutsame Sachverhalte vorzubereiten. Dabei
'5 Art I Nr 4 des 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82). 16 So Art 32 I der VvB 1950. 17 Art 105 Brem Verf. 18 Vgl Besprechung des Antrags der Fraktion der Grünen über Einberufung des Ausschusses für Verfassungsschutz (AvB Drs 13/642) in der Plenarsitzung vom 29.8.1996, PlenProt 13/12 S 845 Β ff. 19 ZB Unterausschuß Datenschutz des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung; bemerkenswert der Hauptausschuß mit fünf Unterausschüssen (13. Wahlp). 20 vMangoldt!Klein!AchterberglSchulte Art 40 Rn 20. Abweichend die Regelung im BT, wonach dort die Fraktionen für die Besetzung eines Unterausschusses „in Ausnahmefállen" auch Abgeordnete benennen dürfen, die dem Ausschuß selbst nicht angehören (§ 55 I 2 GOBT).
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geht es insbesondere um die Gewinnung und Erarbeitung von Fachinformationen, deren das AvB bedarf. 21 Der sachbezogene und weniger dem aktuellen politischen Meinungsstreit dienende Zweck der Enquête-Kommissionen rechtfertigt die Hinzuziehung von Sachverständigen als gleichberechtigte Mitglieder, die selbst nicht MdA sind. Die Zusammensetzung, die Aufgaben und die Befugnisse der Enquête-Kommissionen sind im Gesetz über die Enquête-Kommissionen des AvB im einzelnen geregelt. Danach muß die EnquêteKommission mit einem bestimmten Auftrag eingesetzt werden, wenn ein Viertel der MdA dies verlangt (§ 1 EnqG). Die Mitglieder der Kommission, sowohl die MdA als auch die anderen Sachverständigen, werden von den Fraktionen benannt und vom PrAvB berufen. Die Kommission kann die Vorlage aller erforderlichen Urkunden, auch von Privatpersonen, verlangen, und sie ist berechtigt, Personen zur mündlichen Anhörung vorzuladen (§ 3 EnqG). Nach Abschluß ihrer Tätigkeit erstattet sie dem AvB einen schriftlichen Bericht (§ 7 EnqG).
Artikel 45 Das Recht der Abgeordneten, sich im Abgeordnetenhaus und in den Ausschüssen durch Rede, Anfragen und Anträge an der Willensbildung und Entscheidungsfindung zu beteiligen, darf nicht ausgeschlossen werden. Die Rechte der einzelnen Abgeordneten können nur insoweit beschränkt werden, wie es für die gemeinschaftliche Ausübung der Mitgliedschaft im Parlament notwendig ist. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung. Materialien 1. vgl Art - GG; - BW Verf; - BayVerf; 56 II BbgVerf; - BremVerf; - HmbVerf; - HessVerf; 22 II MV Verf; 24 I NdsVerf; - N W Verf; - RhPfVerf; SaarlVerf; 51 SächsVerf; 53 LSA Verf; 11 II SchlH Verf; 53 II ThürVerf 2. VVGB: A r t - ; VvB 1950: 3. Änderungen: -
2' Vgl Stern II § 26 S 107f; Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 43 Rn 87. 183
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Erläuterungen 1
Die Vorschrift ist erst mit der überarbeiteten Fassung vom 23.11. 1995 in die VvB gelangt. Aus der Entstehungsgeschichte geht hervor, daß die VvB hinsichtlich der Abgeordnetenrechte der Rechtsprechung des BVerfG angepaßt werden sollte.1 Die vielfältigen Mitwirkungsbefugnisse der Abgeordneten, namentlich das Rede-, Frageund Antragsrecht, sind nunmehr ausdrücklich als parlamentarische Individualrechte ausgestaltet und stehen den MdA unmittelbar zu. 2 Die Abgeordnetenrechte leiten sich demnach nicht aus dem kollektiven Recht des Parlaments ab, sondern haben eigenen Verfassungsrang. 3 Der Rechtsprechung des BVerfG liegt die Überlegung zugrunde, daß die Repräsentation des Volkes nicht von einzelnen oder Gruppen von Abgeordneten und auch nicht von der parlamentarischen Mehrheit bewirkt wird, sondern vom Parlament als Ganzem, dh von der Gesamtheit seiner Mitglieder. Dies setzt voraus, daß das Parlament allen Abgeordneten die Teilnahme an der parlamentarischen Arbeit mit prinzipiell gleichen Rechten ermöglicht. 4 Die demokratische Repräsentation ist egalitär, und die Ausübung des parlamentarischen Mandats folgt der „formalisierten Gleichbehandlung". 5 Daher ist jegliche Diskriminierung oder Privilegierung von Abgeordneten gegenüber anderen MdA unzulässig.
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Die Mitwirkungsrechte der MdA, vor allem das Rede- und Antragsrecht, das Frage- und Informationsrecht oder die Rechte bei parlamentarischen Wahlen, dürfen infolgedessen nur dann eingeschränkt werden, wenn dies die Rücksicht auf die Belange der anderen Abgeordneten, denen dieselben Rechte zustehen, erfordert. Die Rechte der Abgeordneten auf die freie Ausübung des Mandats müssen insofern als Mitgliedschaftsrechte einander zugeordnet und auf-
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Schlußbericht der Enquête-Kommission S 10 mit Bezugnahme auf BVerfGE 80, 188 ff (Wüppesahl). 2 ν Münch in vMünch/Kunig II Art 38 Rn 71 f. 3 Ausführlich NWVerfGH NVwZ 1994, 678f; danach ist das Fragerecht als „originäres Recht" des einzelnen Abgeordneten anzusehen, was den Schutz der parlamentarischen Minderheit und das Recht auf verfassungsmäßige Opposition stärke. A A Troßmann Vorbem vor § 16 Rn 23, wonach der einzelne Abgeordnete dem BT insgesamt zustehende Rechte grundsätzlich nicht ausüben darf, soweit nicht diese Rechte jeweils ausdrücklich zugestanden werden. 4 BVerfGE 80, 188, 218 mwN. 5 BVerfGE 40, 296, 318f; Badura in Schneider/Zeh § 15 Rn 16; Mugiera in Sachs Art 38 Rn 58.
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einander abgestimmt werden. 6 In welcher Weise sich die aus der Parlamentszugehörigkeit ergebenden Mitgliedschaftsrechte der MdA bestimmen, ist im einzelnen in der GOAvB festgelegt, die gem Satz 3 das Nähere zu regeln hat. In der Ausgestaltung der GOAvB steht zwar dem AvB ein weiter Ermessensspielraum zu. Das AvB ist aber nicht befugt, die individuellen Rechte der MdA mehr als notwendig einzuschränken. Umgekehrt sind solche Einschränkungen der Rechte der einzelnen MdA dann zulässig und vielleicht sogar geboten, wenn sie im Hinblick auf die gemeinsame Ausübung der Mitgliedschaft im AvB notwendig sind und alle MdA in gleicher Weise betreffen. Zu den Gründen, aus denen Einschränkungen der Abgeordnetenrechte zulässig sind, gehört neben dem Schutz vorrangiger Yerfassungsgüter auch die Arbeitsfähigkeit des AvB, die ohne bestimmte Regeln nicht gewährleistet wäre. 7 In diesem Sinne notwendig und zulässig sind zB die Bestimmungen über Einladung und TO, die Sitzungsleitung des PrAvB, die Redeordnung, die Behandlung der Anträge wie insgesamt das parlamentarische Verfahren. Neben dem Schutz der individuellen Abgeordnetenrechte besteht das Regelungsziel des Art 45 darin, das Parlament jederzeit zur Wahrnehmung seiner verfassungsmäßigen Funktionen zu befähigen, so daß es namentlich seine Kontrollaufgaben zu versehen, seine politische Rolle als „Forum für Rede und Gegenrede" 8 auszufüllen und politische Entscheidungen zu treffen vermag. Die Vorschrift des Art 45 stellt klar, daß alle diese Belange nur im notwendigen Maß Vorrang haben sollen gegenüber den Rechten, die sich aus dem freien Mandat der MdA ergeben. Die Mitwirkungsrechte der MdA unterliegen darüber hinaus grundsätzlich keiner einschränkenden Reglementierung. 9 Die dem einzelnen MdA zustehenden Rechte dürfen nach Auffas- 3 sung des VerfGH Bin „nur zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments" durch G oder G O eingeschränkt werden. 10 Folgt man dieser Rspr, dann müssen im Zweifel andere Belange des Parlaments den individuellen Abgeordnetenrechten untergeordnet werden. Das gilt zB für die Rechte der parlamentarischen Minderheit oder der Opposition (Art 38 III), deren traditionelle Mitwirkungsmöglich-
6 Dazu ausführlich BVerfGE 80, 188, 219. 7 Badura aaO; Schneider in A K Art 38 Rn 23. 8 BVerfGE 10,4, 13. 9 Grundlegend VerfGH LVerfGE 4, 3, 7 (=JR 1996,496 ff). 10 VerfGH Bin aaO, der insoweit von BVerfGE 80, 188, 220 abweicht. Nach dem BVerfG dient die GO nicht nur der Aufgabenerfüllung des Parlaments, sondern sie muß daneben „das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten an den Aufgaben des Parlaments" wahren.
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keiten der VerfGH im Interesse individueller Abgeordnetenrechte deutlich verkürzt hat. Der VerfGH hat nämlich die Vorschrift der GOAvB, nach der die Wahl der Vizepräs auf Grund der Vorschläge der Fraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis vorzunehmen ist (§§ 8, 9 I, 12 I), für unvereinbar mit Art 45 erklärt. Jeder einzelne Abgeordnete habe nach dieser Vorschrift das Recht, für das Amt Vorschläge zu machen oder auch selbst für das Amt zu kandidieren. Das folge, so der VerfGH, aus den gleichen Teilhaberechten der MdA am Willensbildungsprozeß des AvB. Daher war es nach Auffassung des VerfGH verfassungswidrig, daß für die Wahl nur Wahlvorschläge der Fraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis zugelassen und andere Wahlvorschläge aus der Mitte des Hauses zurückgewiesen wurden.11 Die Interpretation des Art 45 durch den VerfGH ist unbefriedigend.12 Denn die beanstandete Regelung sollte dem Minderheitsschutz bei der Besetzung parlamentarischer Ämter Rechnung tragen, indem sie auch kleineren Fraktionen entsprechend ihrer Stärke ein Anrecht auf Berücksichtigung einräumte. Die Entscheidung des VerfGH hat den Anspruch der Minderheit wie auch der parlamentarischen Opposition auf angemessene Mitwirkung an der Selbstorganisation des Parlaments bedenklich gemindert. Wenn es um die Frage geht, wie die Grenzen der individuellen Abgeordnetenrechte zu bestimmen sind, ist demgegenüber für das BVerfG „der verfassungsrechtlich gebotene, aus dem demokratischen Prinzip folgende Schutz der parlamentarischen Minderheit" ein wesentliches Kriterium. 13 Dieser Schutz soll natürlich nicht im politischen Streit die Minderheit vor der Entscheidung der Mehrheit bewahren. Der parlamentarische Minderheitsschutz gilt nach der Rspr des BVerfG hingegen dann, wenn es um die inneren Angelegenheiten des Parlaments im Rahmen seiner Selbstorganisation geht, und zwar gerade auch bei der Besetzung parlamentarischer Ämter und Gremien. Die 11
Mit der Neufassung des Art 41 II hat das AvB die Entscheidung des VerfGH durch Verfassungsvorschrift nunmehr gerichtsfest dahin korrigiert, daß die Wahl der Vizepräs von Verfassungs wegen nach den Wahlvorschlägen der Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke zu erfolgen hat (vgl Art 41 Rn 8). 12 Kritisch Sondervotum der Richter Dittrich und Körting (LVerfGE 4, 3, 8 ff =JR 1996, 498 f), die die Zusammensetzung des Präsidiums und die Wahl der Vizepräs der inneren Organisation des Parlaments zuweisen. Für deren Regelung stehe dem AvB im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie ein weiter Ermessensspielraum zu. Daher sei das AvB frei, parlamentarischen Minderheiten bei der Besetzung von Repräsentationsfunktionen Chancengleichheit durch Beteiligung nach Fraktionsstärke einzuräumen. '3 BVerfGE 44, 308, 321; 70, 324, 363; 80, 188, 218.
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gleichen Teilhaberechte aller MdA erfordern insofern die Beteiligung der Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke. 14 Über die Selbstorganisation des AvB hinaus sieht eine Reihe gesetzlicher Regelungen über die Besetzung nichtparlamentarischer Gremien vor, daß die Wahlen nach den Wahlvorschlägen der Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke vorzunehmen sind (vgl Art 43 Rn 5). Es ist zweifelhaft, ob diese Regelungen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung im Lichte der Rspr des VerfGH standhalten. Art 45 gewährleistet weiterhin die Mitwirkung der MdA an der 4 Willensbildung und Entscheidung durch Rede, Anfragen und Anträge. Das Recht auf freie Rede im Parlament ist „eine in der Demokratie unverzichtbare Kompetenz zur Wahrnehmung der parlamentarischen Aufgaben, die den Status als Abgeordneter wesentlich mitbestimmt" und „unmittelbar der Erfüllung der in der Verfassung normierten Staatsaufgaben" dient. 15 Die freie Rede im Parlament ist daher wesentlicher und unverletzlicher Teil der Verfassungsordnung selbst. Insofern unterscheidet sie sich von dem allgemeinen Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art 14, unter dessen Schutzbereich sie nicht fällt. 16 Das AvB kann zwar im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie das parlamentarische Rederecht ausgestalten und begrenzen. Das Wesen und die grundsätzliche Aufgabe des Parlaments, „Forum für Rede und Gegenrede" zu sein, dürfen aber nicht angetastet werden. 17 Daher gehört zur freien Ausübung des Mandats und zum Rederecht, daß die Abgeordneten im Rahmen der GOAvB über Form und Inhalt ihrer Redebeiträge ausschließlich selbst entscheiden und in dieser Beziehung keiner Kontrolle unterliegen. An Inhalt und Verfahrensweise bei der Besprechung von Gesetzes- 5 vorlagen hat indessen die neuere verfassungsgerichtliche Rspr zusätzliche Anforderungen gestellt, die in der Verfassung - und auch in der GO - nicht vorgesehen sind. Das gilt für solche Fälle, in denen die Verfassung selbst eine bestimmte Regelung trifft, es zugleich aber dem Gesetzgeber überläßt, von der Regel unter näheren Voraussetzungen Ausnahmen zuzulassen. Dem Gesetzgeber steht dann ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum darüber zu, ob und mit welchem Inhalt er von seiner Ausnahmebefugnis zur abweichenden Gesetzesregelung Gebrauch machen will. Dementsprechend soll nun den Gesetzgeber nach dieser Rspr eine Darlegungslast dafür treffen,
14 Vgl Steiger in Schneider/Zeh § 25 Rn 7, 9 ff. 15 BVerfGE 60, 374, 380. 16 So für den Anwendungsbereich des G G BVerfG aaO. 17 Schreiner in Schneider/Zeh § 18 Rn 32 im Anschluß an BVerfGE 10,4, 12ff.
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daß der Ausnahmefall gegeben ist und er die gesetzliche M a ß n a h m e ergreifen darf. Im Gesetzgebungsverfahren müssen daher im einzelnen die Gründe dargelegt und erörtert werden, die die angestrebte gesetzliche Regelung rechtfertigen sollen. K o m m t der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Darlegungspflicht nicht nach, kann im Verfassungsrechtsstreit die fragliche Gesetzesregelung als Verstoß gegen die Verfassung gewertet und für nichtig erklärt werden. 1 8 D a s BVerfG hat im Fall der erhöhten Kreditaufnahme (Art 115 I 2 G G , vgl Art 87 II 2 VvB) verlangt, daß der Haushaltsgesetzgeber „auch in den Plenarsitzungen" eine eigene Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzung, nämlich die A n n a h m e einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, vornimmt. Beurteilung und Einschätzung des Parlaments müssen dabei bestimmte Anforderungen inhaltlicher Art erfüllen und sogar vor dem Hintergrund der Auffassungen in Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft „nachvollziehbar und vertretbar erscheinen". 19 Im gleichen Sinne hat der V e r f G H Bin den Standpunkt eingenommen, daß die A n w e n d u n g des Begriffs „gesamtstädtische Bedeutung", der die
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Die Entstehungsgeschichte eines G, wie sie sich in den Motiven und Materialien des Gesetzgebers darstellt, bietet häufig wertvolle Hinweise für die Gesetzesauslegung, vgl Heinrichs in Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl München 1998, Einl Rn 37. Die erwähnte verfassungsgerichtliche Rspr will es dabei nicht belassen. Vielmehr verändert sie ihrerseits durch thematische Vorgaben den Inhalt der Gesetzesberatung. " BVerfGE 79, 311, 344ff zu Art 115 I 2 GG. Das BVerfG verweist darauf, daß eine derartige förmliche Darlegungslast oder Darlegungspflicht im Gesetzgebungsverfahren auch in der Literatur bisher nicht vertreten worden sei, und bezieht sich dazu auf Birk DVB1 1984, 745. Vgl auch BVerfGE 77, 84, 106f; 90, 145, 172f; im Unterschied zu BVerfGE 79, 311 verzichten beide Entscheidungen darauf, vom Gesetzgeber Erwägungen zur Gesetzesbegründung im Gesetzgebungsverfahren zu verlangen. Noch in BVerfGE 75, 246, 268 hatte das Gericht ausgeführt, daß es für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines G nicht auf „die Gedankenlosigkeit' oder die subjektive Willkür des Gesetzgebers" ankomme, sondern daß allein „das objektive Fehlen der von Verfassungs wegen anzuerkennenden gesetzgeberischen Zielsetzungen" zur Verfassungswidrigkeit führe. Auch Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Klein Art 76 Rn 16 geht von der Begründungspflicht für ein verkündetes G dann aus, wenn dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielrraum eingeräumt ist; Sannwald läßt ebenfalls im unklaren, weshalb ein gewöhnliches, vom Gesetzgeber „gedankenlos" erlassenes G verfassungsgemäß ist, wenn es sich nur objektiv mit der Verfassung vereinbaren läßt, während es bei dem G im Rahmen eines eingeräumten Beurteilungsspielraums weniger oder überhaupt nicht auf objektive Gründe als vielmehr auf die subjektiven Motive des Gesetzgebers ankommen soll. 188
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Verlagerung von Zuständigkeiten von den Bezirken zur Hauptverwaltung durch gesetzliche Regelung zuläßt (Art 67), verfassungsgerichtlich darauf hin überprüft werden kann, ob die Beurteilung des Gesetzgebers, die erweiterte Zuständigkeit sei infolge gesamtstädtischer Bedeutung gegeben, „nachvollziehbar und vertretbar" sei, und zwar an Hand von Stellungnahmen oder sonstigen Erklärungen, die in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen sind. 20 Nach dieser Rspr wird es weniger oder überhaupt nicht auf die inhaltliche Richtigkeit oder Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidung ankommen. Erst recht tritt die Frage in den Hintergrund, ob rechtlich relevante Gründe für die gesetzliche Maßnahme objektiv zu erkennen sind. Von größerer Bedeutung für die Verfassungsmäßigkeit ist vielmehr, ob die Äußerungen im Parlament der verfassungsgerichtlich verlangten Darlegungspflicht genügen. Das in Art 45 gewährleistete Recht der freien Rede ist dann be- 6 rührt, wenn die MdA, die sich in ihren parlamentarischen Rede beitragen zur Sache äußern, gezwungen werden, für die von ihnen vertretene Meinung bestimmte Gründe anzugeben. Die Teilnahme der MdA an der Willensbildung und Entscheidungsfindung darf nämlich nur dann beschränkt werden, wenn es „für die gemeinschaftliche Ausübung der Mitgliedschaft im Parlament notwendig" ist. Daher ist die verfassungsgerichtliche Rspr über die Darlegungslast des Gesetzgebers bedenklich. Der Abgeordnete muß es sich zwar gefallen lassen, sich für sein Tun und Lassen gegenüber der Öffentlichkeit politisch rechtfertigen zu müssen. Parlamentarische Entscheidungen unterliegen aber, anders als Verwaltungsbescheide, keinem rechtlichen Begründungszwang. In bezug auf ihre Redebeiträge ist jede Reglementierung der Abgeordneten ausgeschlossen und mit Art 45 unvereinbar. 21 Das Recht, sich im parlamentarischen Verfahren an der Willens- 7 bildung des AvB und an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, steht nach Art 45 den MdA zu. Anderen Personen wird hingegen ein solches Beteiligungsrecht am parlamentarischen Verfahren nicht ein-
20 VerfGH LVerfGE 3, 28, 31 f (=JR 1996, 54); vgl auch Art 66, 67 Rn 25; ähnlich auch NWVerfGH DVB1 1999, 127Iff, wonach der N W L T die Gründe nachvollziehbar hätte darlegen müssen, aus denen er im Kommunalwahlrecht eine Sperrklausel vorgesehen hat; die Erwägungen des LT entbehrten „einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage". 21 Vgl BVerfGE 10, 4, 12; danach gehört es zu der jedem Abgeordneten verliehenen Eigenständigkeit, daß er im Plenum von seinem Rederecht „selbständig Gebrauch machen kann"; Rederecht heißt übrigens nicht Redepflicht; Abgeordnete dürfen auf Redebeiträge verzichten, ohne daß deswegen die Rechtmäßigkeit eines Gesetzesbeschlusses zweifelhaft wäre.
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geräumt, abgesehen von den in der VvB selbst vorgesehenen Ausnahmen. 22 Davon abweichend vertritt aber der VerfGH die Auffassung, das AvB sei verfassungsrechtlich verpflichtet, in bestimmten Fällen nicht gewählte nichtparlamentarische Betroffene im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren durch Anhörung zu beteiligen. 23 So hat der VerfGH im Fall der Schließung eines Fachbereichs durch G den Universitäten ein eigenes und unmittelbares Recht auf Teilnahme am Gesetzgebungsverfahren durch Anhörung zugebilligt und damit zugleich dem AvB die alleinige und ausschließliche Kompetenz verweigert, die Belange der Allgemeinheit mit denjenigen der Wissenschaft im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit (Art 21) nach eigenem Ermessen selbst abzuwägen und sich die dazu nötigen Informationen zu verschaffen. Unklar bleibt, ob und ggf inwieweit die Auffassung des VerfGH auch für andere vergleichbare Regelungsfelder Geltung beansprucht. Jedenfalls ist das Ergebnis, wonach das AvB verpflichtet sein soll, in derartigen Fällen Dritte, und sei es nur beratend 2 4 , obligatorisch am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen, mit dem Prinzip der parlamentarischen Repräsentation des Volkes kaum zu vereinbaren. Die gewählten MdA - niemand sonst - besitzen die demokratische Legitimation für alle Aufgaben, Tätigkeiten und Befugnisse, die die VvB dem AvB zuweist. 25 Neben den Bedenken aus 22
Eine Pflicht zur Anhörung Dritter ist für die Vertreter einer erfolgreichen Volksinitiative vorgesehen (Art 61 13); davon abgesehen haben die Mitglieder des SvB Anwesenheits- und Rederecht im AvB und in seinen Ausschüssen (Art 49 I bis III) sowie der Bin Datenschutzbeauftragte (§ 22 IV BlnDSG) vgl auch Pietzcker in Schneider/Zeh § 10 Rn 26. 23 VerfGH LVerfGE 5, 37, 46 ff (=JR 1997, 418 ff). 24 Selbstverständlich machen die Ausschüsse des AvB von der Möglichkeit des § 28 I GOAvB Gebrauch, ggf sachkundige Personen anzuhören, zu denen auch Betroffene und Interessenten gehören können. Die Bedeutung der Entscheidung des VerfGH liegt darin, daß das Gericht Pflichtanhörungen mit dezidierten Verfahrensabläufen (Fristen) vorschreibt und insofern in das vom AvB in der GOAvB festgelegte parlamentarische Verfahren eingreift. Gerade die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen der Verfassung ist Sache des gesetzgebenden Organs, das nach Ermessen selbst darüber bestimmt, wer in einem nach der Verfassung nicht vorgeschriebenen Anhörungsverfahren zu Wort kommen soll (BVerfGE 36, 321, 330). Der VerfGH ist in der erwähnten Entscheidung auf die Bedeutung der GOAvB, an die sich das AvB gehalten hatte, nicht eingegangen. 25 Vgl BVerfGE 77, 1, 40; insbesondere BVerfGE 83, 37, 51, wonach sich die Entscheidungen der Staatsgewalt keineswegs „von den jeweils Betroffenen her" legitimieren müssen; Böckenförde in Isensee/Kirchhof HbStR II § 30 Rn 28, der auf die Gefahren des Interessenpartikularismus hinweist; Pieroth in Jarass/Pieroth Art 20 Rn 4; Sachs in Sachs Art 20 Rn 36.
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Art. 45
Art 45 berührt es auch den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art 3 I), wenn, wie hier, die Gerichtsbarkeit durch verfahrensgestaltende Vorgaben in den Kernbereich der parlamentarischen Willensbildung hineinzuwirken sucht und damit zugleich auch die Geschäftsordnungsautonomie des AvB (Art 41 I) übergeht. Art 45 verweist im übrigen auf die GOAvB, in der das Nähere zu 8 regeln ist. So unterliegt das parlamentarische Rederecht bestimmten zulässigen Einschränkungen zB in bezug auf die Reihenfolge der Worterteilung und insbesondere hinsichtlich der Redezeit (§ 63 f GOAvB). Je nach dem Gegenstand der Tagesordnung beträgt die Redezeit für jede Fraktion im allgemeinen zwischen fünf und fünfzehn Minuten, für ein fraktionsloses MdA fünf Minuten. Als Grundregel gilt, daß kein MdA das Wort ergreifen darf, solange ihm nicht der PrAvB das Wort erteilt hat. 26 Fast ohne Einschränkung ist das Fragerecht als parlamentarisches Individualrecht geregelt. Das gilt zwar nicht für Große Anfragen, die entweder von einer Fraktion oder von mindestens zehn MdA eingebracht werden müssen (§ 47 I GOAvB). Jedes MdA hat aber das Recht, in einer Kleinen Anfrage vom SvB schriftlich Auskunft über bestimmte Vorgänge zu verlangen (§ 50 GOAvB) oder innerhalb der Fragestunde eine Mündliche Anfrage an den SvB zu richten (§ 51 GOAvB). 27 Demgegenüber ist das Antragsrecht nicht als ein parlamentarisches Individualrecht ausgestaltet, sondern steht den Fraktionen oder mindestens zehn MdA zu (§ 39 I GOAvB). Die erforderliche Mindestunterstützung für einen Antrag und damit die entsprechende Einschränkung der Abgeordnetenrechte sind im Interesse der Funktionsfähigkeit des AvB verfassungsrechtlich zulässig (vgl auch Art 59 Rn 4).28 Dem Recht, Anträge zu stellen, entspricht der Anspruch der MdA, daß sich das AvB mit den Anträgen auch tatsächlich befaßt; das AvB muß darüber beraten und die Beratung mit einem Ergebnis - Annahme oder Ablehnung abschließen. 29 Im Zuge der Beratung dürfen Änderungsanträge ein26
Achterberg § 22 S 615 mwN. Weitergehende Informationsansprüche stehen den Abgeordneten des Bbg LT gemäß Art 56 II und III Bbg Verf zu (vgl Schulze in Simon/Franke/ Sachs § 11 Rn 5f). Danach haben die Mitglieder des Bbg LT auf entsprechendes Verlangen, das an die Landesregierung zu richten ist, Zugang zu den Behörden und Dienststellen, die ihnen auch aus Dateien Auskünfte erteilen und Akten vorlegen müssen. Dieser jedem Abgeordneten des Bbg LT zustehende Informationsanspruch soll sogar Vorrang haben vor den datenschutzrechtlichen Belangen Dritter (Verfassungsgericht des Landes Bbg LVerfGE 4, 179, 1840· 28 VerfGH LVerfGE 2,43, 60 f. 29 BVerfGE 1, 144, 153; BayVerfGH DVB1 1995, 150.
27
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Art. 46
Abschnitt III: Die Volksvertretung
gebracht werden mit dem Ziel, abweichend von der ursprünglichen Antragsfassung den nunmehr abgeänderten Antragstext zur Abstimmung zu stellen. Auch ist der Ersetzungsantrag zulässig, mit dem der ursprüngliche Antrag durch eine neue Textfassung vollständig ersetzt wird (§ 40 III GOAvB). Andererseits darf aber der Gegenstand des Antrags nicht ausgewechselt werden. Die Antragsteller können verlangen, daß im Parlament über ihr Antragsbegehren der Sache nach eine Beschlußfassung herbeigeführt wird. 30
Artikel 46 Zum Schutz der Rechte der Bürger wird ein Ausschuß des Abgeordnetenhauses eingerichtet, der über Petitionen entscheidet, sofern nicht das Abgeordnetenhaus selbst entscheidet. Der Ausschuß kann auch tätig werden, wenn ihm auf andere Weise Umstände bekannt werden. Der Senat und alle ihm unterstellten oder von ihm beauftragten Behörden und Einrichtungen sowie die Gerichte haben Auskunftshilfe zu leisten. Der Ausschuß kann Zeugen und Sachverständige vernehmen und vereidigen. Das Nähere regelt ein Gesetz. Materialien 1. vgl Art 4 5 c G G ; 35a BW Verf; - BayVerf; 71 BbgVerf; 105 V BremVerf; 2 5 a HmbVerf; 94 HessVerf; 35 M V Verf; 26 NdsVerf; 41 a N W Verf; 90a RhPfVerf; 78 SaarlVerf; 53 SächsVerf; 61 LSA Verf; 19 SchlH Verf; 65 ThürVerf 2. VVGB: Art 7 II; VvB 1950: Art 32 IV 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Die Vorschrift schließt an das Petitionsrecht (Art 34) an, nach welchem jeder das Recht hat, sich mit schriftlichen Anträgen, Anregungen oder Beschwerden an die zuständigen Stellen zu wenden. Soweit sich Petitionen an das AvB richten, weist die VvB dem Petitionsausschuß die Aufgabe der Bearbeitung und Beantwortung zu. Der Petitionsausschuß wird daher zwar wie die anderen Ausschüsse des AvB 30
N W VerfGH DVBl 1999, 1362 ff. Danach liegt zB ein unzulässiger Änderungsantrag vor, wenn eine Fraktion mit ihrem Antrag den Verzicht auf eine Ausbildungsplatzabgabe erreichen wollte, ein dazu eingebrachter Änderungsantrag aber statt dessen nur noch die allgemeine Forderung nach Ausbildungsplätzen für alle Jugendlichen zum Gegenstand hat.
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Petitionsausschuß (Lemmer)
Art. 46
gebildet (Art 44 iVm § 20 GOAvB); jedoch ist der Petitionsausschuß ein ständiger Pflichtausschuß, und das AvB muß ihn von Verfassungs wegen einsetzen. 1 Die geltende Fassung des Art 46 geht zurück auf eine Verfassungsänderung aus dem Jahre 19692, die darauf abzielte, eine wirksamere Kontrolle der Exekutive durch das AvB zu erreichen und zugleich auf die zunehmende Kompliziertheit des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger zu reagieren. Auch sollte die damalige Änderung des Petitionsrechts Bestrebungen zuvorkommen, die Institution des Ombudsman nach skandinavischem Vorbild auf Berlin zu übertragen. 3 Neben seiner gesetzlichen Zweckbestimmung hat sich der Petitionsausschuß als wirksames Instrument erwiesen, dem Parlament zusätzliche Informationen über akute Problemfelder, über fehlerhaftes Verwaltungshandeln oder über Schwierigkeiten bei der Akzeptanz gesetzlicher Regelungen zu verschaffen. 4 Das Nähere in bezug auf die Einzelheiten des Verfahrens bei der Behandlung der Petitionen ist im PetG geregelt.5 Der Petitionsausschuß befaßt sich mit den Eingaben in dem ge- 2 nannten Sinne und beschränkt sich, entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, keineswegs nur auf solche Petitionen, die „zum Schutz der Rechte der Bürger" eingereicht werden. Er gewährleistet den freien und unmittlelbaren Zugang des einzelnen zu Parlament und Verwaltung ohne Rücksicht auf Verfahrens- und kompetenzrechtliche Vorfragen. 6 Daher sind in weiter Auslegung des Begriffes unter Petitionen neben den Beschwerden sämtliche Eingaben zu verstehen, die ein Anliegen zum Gegenstand haben und sich nicht in bloßen Mitteilungen oder Meinungsäußerungen erschöpfen. 7 Der Petitionsausschuß eröffnet damit für den Bürger die Möglichkeit, seine Sache „außerhalb der normalen Rechtsbehelfe und Gerichtsverfahren" an kompetenter Stelle zu Sprache zu bringen. 8 Zuständig für die Ent1 Vitzthum/März in Schneider/Zeh § 45 Rn 1 f. M 2 . ÄndG zur VvB vom 25.11.1969, GVB1 S 2511. 3 Zum Vorstehenden PrAvB Sickert 60. Plenarsitzung vom 13.11.1969 (PlenProt S 625); vgl νMangoldt!Klein!Achterberg!Schulte Art 45c Rn 5ff. 4 ν Mangoldt!Klein!Achterberg! Schulte Art 45 c Rn 1 f. Vgl auch die jährlichen Berichte des Petitionsausschusses, zB Bericht für die Zeit vom 28.1.1998 bis zum 23.2.1999, AvBDrs 13/3538. In dieser Zeit wurden über 2700 Petitionen abschließend erledigt. 5 Das PetG verdient insofern Beachtung, als sein Wortlaut seit dem Inkrafttreten vor 30 Jahren unverändert geblieben ist, obwohl seine Bestimmungen vielfältig und permanent angewendet werden (vgl allerdings Fn 11). 6 Burmeister in Isensee/Kirchhof, HbStR II § 32 Rn 5. 7 Magiera in Sachs Art 45 c Rn 3. 8 vMangoldt/KleinlAchterberglSchulte Art 45c Rn 46.
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Art. 46
Abschnitt III: Die Volksvertretung
gegennahme, die Bearbeitung und die Beantwortung aller Petitionen, die das AvB einschließlich seiner Gremien erreichen, ist der Petitionsausschuß. 9 Dabei ist von einer formellen Allzuständigkeit des Petitionsausschusses auszugehen, und zwar außerhalb der etwaigen Zuständigkeit der einzelnen Fachausschüsse des AvB. 10 Das bedeutet zunächst, daß der Petitionsausschuß die Petitionen selbst behandelt und einen anderen Ausschuß nur dann beteiligt, wenn er im Bedarfsfall dessen Stellungnahme einholen will (§ 4 V PetG). Darüber hinaus hat der Petitionsausschuß das Recht zur Selbstbefassung, dh er wird tätig auch ohne Vorliegen einer Petition, „wenn ihm auf andere Weise Umstände bekannt werden", die sein Tätigwerden erfordern." 3 Zur Aufklärung von Sachverhalten stehen dem Petitionsausschuß weitgehende Befugnisse zu. So kann er vom RB, von den Senats- und Bezirksverwaltungen und von allen anderen Berliner Behörden und von den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mündliche oder schriftliche Auskünfte und Berichte sowie Aktenvorlage verlangen (§5 1 PetG). 12 Gegenstand einer Aktenvorlage können auch Personalakten Dritter sein, allerdings nur in dem Umfang, der zur Erledigung der Petition erforderlich ist. 13 Weiterhin ist der Petitionsausschuß zur Ortsbesichtigung in den Einrichtungen Berlins berechtigt. Er verfügt sogar über die Befugnis, Zeugen und Sachverständige eidlich und uneidlich zu vernehmen. In der Praxis stützt sich der Petitionsausschuß vor allem auf die Aktenanforderung und auf schriftliche Berichte, und er macht gelegentlich auch von der Befugnis Gebrauch, von den betroffenen Verwaltungen mündliche
9
vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte Art 45c Rn 12; dies gilt allerdings bei Massenpetitionen in Form einer Befassungsinitiative gem Art 61, vgl Art 61 R n 9 u 18. 10 Burmeister in Isensee/Kirchhof, HStR II § 32 Rn 47; die Zuständigkeit greift aber nicht über den Wirkungskreis des AvB hinaus, vgl Art 48 Rn 3. 11 In der bis 1995 gültig gewesenen Fassung der VvB 1950 (Art 32 IV) waren „gewichtige Umstände" erforderlich, um die Selbstbefassung zu rechtfertigen. Das Wort „gewichtig" ist schon im Schlußbericht der EnquêteKommission (S 14) gestrichen worden; es ist daraufhin bei der Überarbeitung der VvB weggefallen. § 4 I PetG ist gegenüber Art 46 nachrangig, so daß die Einschränkung, wonach die Selbstbefassung erst bei „gewichtigen" Umständen zulässig sei, keine Bedeutung mehr hat. Der Petitionsausschuß macht von dem erweiterten Recht zur Selbstbefassung nur maßvoll Gebrauch. 12 Zum Recht auf Aktenvorlage vgl BVerfGE 67, 100, 129. '3 OVG Münster NJW 1988, 2496f.
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Petitionsausschuß (Lemmer)
Art. 46
Berichte zu verlangen. Hingegen kommt es kaum vor, daß eine Sachaufklärung durch Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen stattfindet. Abgesehen von der unterschiedlichen Aufgabenstellung unterscheidet sich der Petitionsausschuß vom Untersuchungsausschuß dadurch, daß er über keine Zwangsmittel bei seinen Ermittlungen in der Hand hat und zB die Vorlage von Beweismitteln ebensowenig wie das Erscheinen von Zeugen, geschweige denn deren Aussage, erzwingen kann. Auch sind im Petitonsausschuß Minderheitsrechte nicht vorgesehen; vielmehr gelangt der Petitionsausschuß im Wege der in Ausschüssen üblichen Mehrheitsbildung zu seinen Entscheidungen. 14 Aus der Allzuständigkeit des Petitionsausschusses folgt nicht, daß 4 er in den an ihn herangetragenen Angelegenheiten in der Sache selbst auch entscheidungsbefugt ist. Der Ausschuß kann aber eine Sache zur Kenntnisnahme oder zur Uberprüfung zB an den SvB überweisen und immerhin näher bezeichnete Maßnahmen empfehlen (im einzelnen § 7 I PetG). Der Petitionsausschuß kann die Petition auch dem AvB zur abschließenden Beschlußfassung vorlegen. Ebenso wie der Petitionsausschuß ist allerdings auch das AvB nicht befugt, anstelle des SvB selbst zu entscheiden. Der Beschluß des AvB hat zwar nur die Bedeutung einer Aufforderung, dem aber als Parlamentsbeschluß besonderes politisches Gewicht zukommt. Bei bezirklicher Zuständigkeit wird die Petition dem Ausschuß für Eingaben und Beschwerden der BVV zur Stellungnahme oder ggf zur Erledigung zugeleitet (§ 11 PetG). Eine Uberweisung kommt auch dann in Betracht, wenn die Petition in den Zuständigkeitsbereich des Bundes oder eines anderen Landes fallt. Obwohl dem Petitionsausschuß keine Abhilfekompetenz zusteht, muß er dennoch einer umfassenden Petitionsbehandlungspflicht genügen. 15 Er ist nämlich verpflichtet, die Petition sachlich zu prüfen und über das Ergebnis den Petenten zu unterrichten. Der Ausschuß muß das Ergebnis zwar nicht begründen, soll aber jedenfalls den Petenten über den Sinn der Entscheidung aufklären, wie es im G heißt (§ 7 II PetG). 16 Bei Streit um die Rechtmäßigkeit der Behandlung einer Petition ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, denen allerdings keine materielle Entscheidung über den Gegenstand des Petitionsanliegens zusteht, sondern die lediglich in formeller Hinsicht den ordnungsgemäßen Verfahrensgang im Peti-
14 15 16
M agier a aaO Art 45 c Rn 14. Burmeister in Isensee/Kirchhof HbStR § 32 Rn 48. BayVerfGH NVwZ 1988, 820 f; vgl VerfGH LVerfGE 2, 5 f.
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Art. 46a
Abschnitt III: Die Volksvertretung 17
tionsausschuß überprüfen können. Für Petitionen gilt nicht das Prinzip der parlamentarischen Diskontinuität, so daß nach Ende der W P die Behandlung einer Petition von dem Petitionsausschuß der neuen WP fortgesetzt wird, die nicht erledigte Petition also nicht erneut eingereicht werden muß (§ 13 PetG). 18
Artikel 46 a Das Abgeordnetenhaus wählt aus seiner Mitte einen Ausschuß für Verfassungsschutz. Für die Wahl der Mitglieder steht den Fraktionen das Vorschlagsrecht in entsprechender Anwendung des Artikels 44 Abs 2 Satz 1 zu. Materialien 1. vgl Art - GG; - BW Verf; - BayVerf; - BbgVerf; - BremVerf; - HmbVerf; - HessVerf; - MV Verf; - NdsVerf; - N W Verf; - RhPfVerf; - SaarlVerf; SächsVerf; - LSA Verf; - SchlH Verf; - ThürVerf 2. VVGB: Art - ; VvB 1950: 3. Änderungen: Eingefügt durch das 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82 LfVG).
Erläuterungen 1
Die Vorschrift besagt zunächst nur, daß ein Ausschuß für Verfassungsschutz zu bilden ist.1 Gegenstand der Vorschrift ist weiterhin, wie der Ausschuß für Verfassungsschutz zu besetzen ist. Während die übrigen Ausschüsse besetzt werden, indem die Fraktionen die auf sie entfallenden Ausschußmitglieder dem PrAvB benennen (Art 44 II), verlangt die Verfassung für den Ausschuß für Verfassungsschutz 17
18
1
BVerfG NVwZ 1989, 953; BVerwG NJW 1976, 637f. So auch OVG Bin JuS 1976, 464, das den Petitionsbescheid nicht als Verwaltungsakt ansieht, weil er in sachlicher Beziehung keine Außenwirkung entfaltet, sondern nur die tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus dem Petitionsanspruch darstellt. vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte aaO, Art 45c Rn 38. Der Ausschuß für Verfassungsschutz wurde erstmals auf Grund des G über das Landesamt für Verfassungsschutz idF vom 31.7.1989 (GVB1 S1545) eingesetzt. Bis zur 12. WP (1991-1995) gehörte der Geschäftsbereich Verfassungsschutz zum Ausschuß für Inneres, Sicherheit und Ordnung.
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Verfassungsschutz-Ausschuß (Lemmer)
Art. 46a
die Wahl der Ausschußmitglieder aus der Mitte des AvB. 2 Da der Ausschuß Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen hat und sich seine Aufgaben auch sonst von denen der anderen Ausschüsse unterscheiden, bedürfen seine Mitglieder einer Vertrauensgrundlage, die bei einer Benennung lediglich durch die Fraktionen nicht ohne weiteres zu erzielen ist, sondern erst durch Wahl hergestellt werden kann. Die Vorschrift beruht auf der Verfassungsänderung durch das 2. ÄndG zur VvB von 1998.3 In Art 46 a wird auf die sonst übliche Bestimmung verzichtet, daß 2 das Nähere durch G zu regeln ist. Dem AvB stand es demnach frei, die den Ausschuß betreffenden Einzelheiten in der GOAvB oder, wie geschehen, durch G festzulegen (vgl LfVG). Nach dem G obliegt dem Ausschuß die parlamentarische Kontrolle des SvB in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (§33 I LfVG). 4 Trotz dieser gesetzlichen Aufgabenbestimmung nimmt der Ausschuß neben seiner Kontrolltätigkeit nach Maßgabe des G die weiteren normalen parlamentarischen Ausschußfunktionen auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes wahr wie zB die Beratung überwiesener Vorlagen und Anträge (§211 GOAvB). Der SvB muß den Ausschuß umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichten (§35 I LfVG). Der Ausschuß (nicht: das einzelne Ausschußmitglied) hat das Recht auf Auskunfterteilung, Akteneinsicht, auf Zugang zu Einrichtungen der Behörde und auch auf Anhörung von Dienstkräften (§35 II LfVG). Der SvB darf die Unterrichtung des Ausschusses nur dann verweigern, wenn das zur Abwendung von Nachteilen für den Bund oder ein Land erforderlich ist. Wie die übrigen Ausschüsse (mit Ausnahme des Petitionsausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses) tagt auch der Ausschuß für Verfassungsschutz grundsätzlich öffent2
Vgl Art 44 Rn 4. Die abweichende Fassung des § 33 II LfVG ist durch das 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998 gegenstandslos geworden. 3 Art I Nr 5 des 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82); zur Entstehungsgeschichte des Art 46a s o Art 44 Rn 4 sowie Fn 18. " Nach § 25 X ASOG idF des ÄndG vom 11.5.1999 (GVB1 S 164) unterrichtet der SvB das AvB jährlich über bestimmte polizeiliche Maßnahmen mit technischen Mitteln zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen (elektronische Überwachung). Die parlamentarische Kontrolle auf der Grundlage dieses Berichts wird nach dem G von einem Kontrollgremium ausgeübt, wobei im G vorgesehen ist, daß die Vorschriften des 5. Abschn des LfVG (Parlamentarische Kontrolle) entsprechend gelten. Das G läßt es zu, daß das AvB auf ein weiteres Kontrollgremium verzichtet, sondern die Kontrollaufgabe nach § 25 X ASOG dem Ausschuß für Verfassungsschutz überträgt, was im Hinblick auf die gegebene Sachnähe naheliegt.
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Art. 46a
Abschnitt III: Die Volksvertretung
lieh (vgl § 26 V GOAvB); der Ausschuß macht aber häufig von der im G vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Öffentlichkeit durch Beschluß auszuschließen, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines einzelnen dies gebieten (§ 34 LfVG). Ähnlich wie der Verteidigungsausschuß des BT kann der Ausschuß für Verfassungsschutz als Untersuchungsausschuß tätig werden, allerdings nur dann, wenn ihn das AvB für einen bestimmten Untersuchungsgegenstand ausdrücklich dazu eingesetzt hat (§ 35 IV LfVG). 5 3 Hinsichtlich der Wahl der Ausschußmitglieder steht nach der Vorschrift den Fraktionen das Vorschlagsrecht entsprechend ihrer Stärke zu, wie das auch für die anderen Ausschüsse in Art 44 II 1 vorgesehen ist. Die Ausschußmitglieder sind aber trotzdem zu wählen, dh jedes Ausschußmitglied bedarf für seine Mitgliedschaft der Stimmenmehrheit des AvB. Das bedeutet nicht, daß das AvB den Wahlvorschlag einer Fraktion ohne weiteres zurückweisen darf. Mit der Wahl der Ausschußmitglieder entsprechend dem Vorschlagsrecht der Fraktionen soll erreicht werden, daß die Parlamentsmehrheit ggf auch solche Abgeordnete im Ausschuß akzeptieren muß, die ihr politisch nicht genehm sind. Diese Verfahrensweise ist Ausdruck des Prinzips, daß das Recht der Minderheitsfraktionen auf chancengleiche Ausübung der parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten nicht in das Belieben der Mehrheit gestellt werden darf. 6 Andererseits ist die Zurückweisung des Wahlvorschlags einer Fraktion nicht schlechthin ausgeschlossen. Das AvB darf ein vorgeschlagenes MdA dann ablehnen, wenn der Ablehnungsgrund in mangelnder Eignung oder fehlender Vertrauenswürdigkeit liegt, wobei dem AvB ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zusteht, der nur einer begrenzten verfassungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.7
5 6 7
Vgl im einzelnen Hernekamp in vMünch/Kunig Art 46 a Rn 8. BVerfGE 70, 324, 365. So SachsVerfGH D Ö V 1996, 783, 785 im Fall der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächs LT; bleiben im Anschluß an die Zurückweisung des vorgeschlagenen Abgeordneten weitere Wahlgänge ohne Ergebnis, so ist es nach Auffassung des SächsVerfGH Aufgabe des Parlaments, „etwa im Rahmen eines parlamentar. Verständigungsverfahrens" einen Ausgleich zu suchen. Vgl auch Arndt in Schneider/Zeh § 50 Rn 28 zur Beteiligung der Opposition bei der Besetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission des BT. - Unzutreffend ist die Auffassung von Zivier Rn 40, 5, wonach „in Ausnahmefällen und aus übergeordneten Gründen - etwa zur Wahrung von Staatsgeheimnissen - " Fraktionen von der Mitarbeit in einzelnen Ausschüssen ausgeschlossen werden könnten; dieses Ergebnis ist entgegen Zivier insbesondere nicht aus BVerfGE 70, 324 herzuleiten (vgl im einzelnen BVerfGE 70, 324, 362 ff).
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Datenschutzbeauftragter (Lemmer)
Art. 47
Artikel 4 7 (1) Zur Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wählt das Abgeordnetenhaus einen Datenschutzbeauftragten. Er wird vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses ernannt und unterliegt dessen Dienstaufsicht. (2) Das Nähere regelt ein Gesetz. Materialien 1. vgl Art - GG; - BW Verf; - BayVerf; 74 BbgVerf; - BremVerf; - HmbVerf; HessVerf; 37 MV Verf; - NdsVerf; - NW Verf; - RhPfVerf; - SaarlVerf; 57 SächsVerf; 63 LSA Verf; - SchlH Verf; 69 ThürVerf 2. VVGB: Art -; VvB 1950: 3. Änderungen: -
Erläuterungen Die Vorschrift über den Datenschutzbeauftragten ist mit der Über- 1 arbeitung der VvB neu aufgenommen worden. Sie verankert nunmehr die Institution des Datenschutzbeauftragten in der VvB und beseitigt verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich seiner Kompetenzen, die bis dahin lediglich durch einfaches G geregelt waren. 1 Das Amt des Datenschutzbeauftragten hat eine „erhebliche Bedeutung für den effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung", insbesondere in Anbetracht der für den Bürger bestehenden Undurchsichtigkeit der Speicherung und Verwendung von Daten im Zuge der automatischen Datenverarbeitung. 2 Dieser Bedeutung soll die Vorschrift Rechnung tragen. Der Datenschutzbeauftragte hat die Aufgabe, die Einhaltung der 2 Datenschutzvorschriften bei den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen zu kontrollieren (§ 24 I BlnDSG). Ausgenommen von der Kontrolle sind die Gerichte, soweit sie nicht in Verwaltungsangelegenheiten tätig werden (§ 24 II BlnDSG). Eine vergleichbare Ausnahme ist für das AvB nicht vorgesehen, so daß prinzipiell nicht nur die Parlamentsverwaltung, sondern insgesamt das AvB vom Datenschutzbeauftragten kontrolliert werden kann. Allerdings wird im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit verfassungsmäßige Rechte des AvB einschließlich seiner Ausschüsse, der Fraktionen und der MdA einer Kontrolle entgegenstehen. 3 Jedermann ist berechtigt, sich an den
ι Vgl Neumann Voraufl Art 50, 51 Rn 7. 2 BVerfGE 65, 1,46; s auch Art 33 Rn 2f. 3 Das Problem hat bisher offenbar weder in der Rspr noch in der Literatur
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Art. 47
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Datenschutzbeauftragten zu wenden, wenn der Verdacht besteht, daß öffentliche Stellen gegen Datenschutzvorschriften verstoßen (§ 27 BlnDSG). Das gilt auch für die Dienstkräfte der Behörden selbst, die insoweit den Dienstweg nicht beachten müssen. Der Datenschutzbeauftragte wird nicht nur auf Beschwerden hin tätig, sondern er nimmt nach Ermessen auch in eigener Initiative die ihm übertragenen Kontrollbefugnisse wahr. 4 Die Behörden und öffentlichen Stellen haben den Datenschutzbeauftragten zu unterstützen und ihm insbesondere auf Verlangen Auskunft, Akteneinsicht und Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren (§ 28 I BlnDSG). 5 3 Der Datenschutzbeauftragte beanstandet gegenüber den zuständigen Mitgliedern des SvB bzw gegenüber den Bezirksämtern oder den sonst Verantwortlichen festgestellte Mängel bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 26 BlnDSG). Darüber hinaus kann er Empfehlungen zur Verbesserung des Datenschutzes oder zur Beseitigung bestimmter Mängel geben, und er muß auf Anforderung des AvB oder des SvB Gutachten und Berichte erstatten (§§ 26 III, 29 I BlnDSG). Weiterhin soll der Datenschutzbeauftragte die Auswirkungen der automatischen Datenverarbeitung darauf hin beobachten, ob sie etwa zu einer Beschränkung der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten führen (§ 24 III BlnDSG). Von Bedeutung ist weiterhin die Pflicht des Datenschutzbeauftragten, ganz allgemein über das Ergebnis seiner Tätigkeit jährlich dem AvB und dem RB zu berichten. 6 Er kann sich seinerseits „jederzeit" aus eigener Initiative an das AvB wenden (§ 29 III BlnDSG). Hervorzuheben ist das außerordentliche Recht des Datenschutzbeauftragten, vor dem AvB oder einem Ausschuß zu erscheinen und, ohne MdA oder Mitglied des SvB zu sein,
4 5
6
eine nennenswerte Rolle gespielt, vgl Auernhammer Bundesdatenschutzgesetz 3. Aufl 1993 § 24 Rn 3; GolalSchomerus, s Fn 4. GolalSchomerus B D S G 6. Aufl 1997, § 24 Anm 3. Nach § 18 IFG ist dem Bin Datenschutzbeauftragten neben dem Datenschutz nunmehr auch die Aufgabe zugefallen, das Recht jedes Menschen auf Akteneinsicht und Informationszugang zu wahren. „Jeder Mensch" hat nach der genannten Vorschrift das Recht, den Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht, wie die neue Amtsbezeichnung lauten soll, anzurufen. In bezug auf Akteneinsicht und Informationszugang hat der Beauftragte dieselben Befugnisse wie der Datenschutzbeauftragte auf dem Gebiet des Datenschutzes. ZB Bericht des Berliner Datenschutzbeauftragten zum 31. Dezember 1997, AvBDrs 13/2610. Ähnlich wie bei dem Wehrbeauftragten des BT sind die „Hauptwaffe" des Datenschutzbeauftragten seine Berichte (vgl Hernekamp in vMünchyKunig Art 45 b Rn 33).
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Datenschutzbeauftragter (Lemmer)
Art. 47
das Wort zu ergreifen; er ist sogar dazu verpflichtet, wenn das die Mehrheit verlangt (§ 22 IV BlnDSG). Der weitreichenden Kontrollkompetenz des Datenschutzbeauf- 4 tragten entspricht seine Unabhängigkeit in der Amtsführung, die im G ausdrücklich vorgesehen ist (§ 22 II BlnDSG). Er wird für die Dauer von fünf Jahren mit der Abgeordnetenmehrheit gewählt und vom PrAvB ernannt. Seine Bestellung beruht also nicht auf einer Personalentscheidung der Exekutive, was seine Unabhängigkeit verfassungsrechtlich stärkt. Damit stimmt überein, daß in Art 47 ein Vorschlagsrecht des SvB nicht vorgesehen ist, so daß die MdA auf Grund von Wahlvorschlägen aus der Mitte des Hauses entscheiden. 7 Vor Ablauf seiner Amtszeit darf er gegen seinen Willen, ähnlich wie ein Richter, nicht entlassen werden (§ 21 III BlnDSG). Von der Exekutive ist er auch insofern unabhängig, als er, in dieser Hinsicht dem Landesrechnungshof vergleichbar (vgl Art 95 I), aus dem Gefüge der allgemeinen Verwaltung herausgelöst ist und der Dienstaufsicht des PrAvB untersteht. Hinsichtlich der eigenen Dienstkräfte übt der Datenschutzbeauftragte die Befugnis einer obersten Dienstbehörde folgerichtig selbst aus (§8 N r 3 a PersVG). Er hat auch sonst die Eigenschaft einer obersten Landesbehörde (§ 22 II BlnDSG) und unterliegt keiner Rechtsaufsicht und keiner Fachaufsicht. 8 Die organisatorische Distanz zur übrigen Verwaltung und seine 5 Zuordnung zum Parlament, wie sie in Art 47 Ausdruck findet, machen den Datenschutzbeauftragten indessen nicht zu einem Organ des Parlaments. Dies hatte die Enquete-Kommission zwar so beabsichtigt, indem sie in ihrem Schlußbericht den Datenschutzbeauftragten ausdrücklich als „Hilfsorgan" des AvB in Anspruch nehmen wollte. 9 Der Wortlaut des Art 47 trägt aber dem ursprünglichen Regelungs7
Überholt durch Art 47 I und damit gegenstandslos geworden ist die Regelung des alten, textlich aber unverändert gebliebenen § 21 I BlnDSG, wonach dem SvB das Vorschlagsrecht zustand. Art 47 hat als die spätere und höherrangige Norm gegenüber § 21 I BlnDSG Vorrang. Das Wahlvorschlagsrecht ist in Art 47 nicht geregelt, so daß dieses Recht gern Art 45 Satz 1, 38 IV, 40 II den MdA und den Fraktionen gebührt (VerfGH LVerfGE 4, 3, 6f; vgl BVerfGE 41, 399, 417, mit dem Hinweis auf den allgemeinen Grundsatz, daß zur Wahlfreiheit auch ein freies Wahlvorschlagsrecht gehört). Weder durch G noch durch GO darf übrigens das Recht der MdA und der Fraktionen, Vorschläge für ein parlamentarisch zu besetzendes Amt zu machen, beschränkt werden, es sei denn, daß die engen Voraussetzungen des Art 45 Satz 2 vorliegen (VerfGH LVerfGE 4, 3, 7; vgl Art 45 Rn 2).
8
So Grell Landesdatenschutzgesetz für BW 1980 § 15 Rn 5. Schlußbericht S 14; vgl auch Stellungnahme des SvB (AvB Drs 12/5224 S 8).
9
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Art. 47
Abschnitt III: Die Volksvertretung
wünsch nicht Rechnung. Die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten und seine Rechtsstellung deuten vielmehr auf seine Unabhängigkeit auch im Verhältnis zum AvB. 10 Darin unterscheidet er sich zB von der Institution des Wehrbeauftragten, der als ausdrücklich so bezeichnetes „Hilfsorgan" des BT der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle dient (Art 45b GG). Das bedeutet, daß der Wehrbeauftragte im Rahmen seiner Hilfsfunktion Weisungen des BT zu befolgen hat, und daß seine Befugnisse nicht weiter reichen als diejenigen des BT, von dem er seine Kompetenz ableitet. 11 Eine vergleichbare parlamentarische Hilfsfunktion wird dem Berliner Datenschutzbeauftragten nicht zugewiesen. Auch gegenüber dem AvB ist er, was seine inhaltliche Arbeit anlangt, frei von Weisungen. Vorgesehen sind lediglich Arbeitsaufträge, die AvB und SvB erteilen können, indem sie Berichte und Gutachten anfordern. Da der Datenschutzbeauftragte kein Organ des AvB ist, ist sein Pflichtenkreis auch nicht auf den Bereich der verfassungsmäßigen Kompetenzen des AvB beschränkt. So ist er nicht nur, wie das Parlament, für die nachgehende Kontrolle der Verwaltung zuständig, sondern zu seinem Tätigkeitsbereich gehören auch Aufgaben der begleitenden Kontrolle oder sogar auch solche einer vorweggenommenen Überwachung, die künftiges Verwaltungshandeln von vornherein in Einklang halten soll mit den Anforderungen des Datenschutzes (vgl §§ 26 III, 29 I BlnDSG).
10
11
Die unabhängige Rechtsstellung des Datenschutzbeauftragten ist, mit Varianten, im Bund und in den Ländern im wesentlichen übereinstimmend geregelt (vgl Dammann in Simitis ua BDSG, Losebl-Ausg 4. Aufl Stand November 1992, § 2 2 Rn 3). Busch in Schneider/Zeh § 51 Rn 31 und 33; Hernekamp in vMünch/Kunig Art 45 b Rn 20 und 7.
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Untersuchungsausschuß (Lemmer)
Art. 48
Artikel 48 (1) Das Abgeordnetenhaus hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. (2) Die Untersuchungsausschüsse haben das Recht, Beweise zu erheben. Sie sind dazu verpflichtet, wenn dies von den Antragstellern oder einem Fünftel der Ausschußmitglieder beantragt wird. Die Beweiserhebung ist unzulässig, wenn sie nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrages liegt. (3) Jeder ist verpflichtet, den Aufforderungen des Untersuchungsausschusses zum Zwecke der Beweiserhebung Folge zu leisten. Gerichte und Behörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet; sie haben auf Verlangen Akten vorzulegen und ihren Dienstkräften Aussagegenehmigungen zu erteilen, soweit nicht Gründe der Sicherheit des Bundes oder eines deutschen Landes entgegenstehen. (4) Berichte des Untersuchungsausschusses sind der richterlichen Nachprüfung entzogen. (5) Der Untersuchungsausschuß kann durch Beschluß den Mitgliedern des Senats und ihren Beauftragten die Anwesenheit in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses gestatten. (6) Alles Nähere, auch die Bestimmung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl Art 44, 45 a GG; 35, 36 I BW Verf; 25 BayVerf; 72 BbgVerf; 105 IV BremVerf; 25 HmbVerf; 92 f HessVerf; 34 MV Verf; 27 NdsVerf; 4 0 f N W Verf; 91 f RhPfVerf; 79 f SaarlVerf; 54 SächsVerf; 54 LS A Verf; 18 SchlH Verf; 64 ThürVerf 2. VVGB: Art - ;VvB 1950: Art 33 3. Änderungen: Abs 6 neugefaßt durch das 2. ÄndG zur VvB vom 3.4.1998
Erläuterungen Das Untersuchungsrecht gehört zu den wichtigsten Instrumenten 1 der parlamentarischen Kontrolle, weil es dem Parlament selbst das Mittel in die Hand gibt, Sachaufklärung mit Hilfe hoheitlicher Befugnisse in einem geordneten Verfahren zu erreichen. 1 Einzelheiten der
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Vgl Schröder in Schneider/Zeh § 46 Rn 1; Pieroth in Jarass/Pieroth Art 44 Rn 1.
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Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, ihrer Zusammensetzung und des Verfahrens sind gem Abs 6 im BlnUntAG geregelt. 2 Das AvB kann bei Bedarf Untersuchungsausschüsse einsetzen. Die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses besteht darin, in Erfüllung des Untersuchungsauftrags bestimmte Sachverhalte zu untersuchen, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, sowie dem AvB über das festgestellte Ergebnis zu berichten. 2 Die politische Bewertung des festgestellten Sachverhalts ist Sache des AvB, nicht des Untersuchungsausschusses. Das AvB verfügt mit dem Untersuchungsausschuß über ein Instrument, unabhängig von Regierung und Justiz mit hoheitlichen Mitteln selbständig Sachverhalte zu ermitteln. 3 Ein Untersuchungsausschuß dient namentlich bei konkretem Anlaß der gezielten Kontrolle der Regierung, vor allem natürlich dann, wenn Mißstände vermutet werden (Mißstandsenquöte). Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß insbesondere die parlamentarische Minderheit von dem meist öffentlichkeitswirksamen Instrument des Untersuchungsausschusses Gebrauch macht. 4 In der Tat werden die insoweit legitimen Belange der Minderheit bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und im Verfahren des Ausschusses ausdrücklich berücksichtigt, worin zugleich auch die Tatsache Ausdruck findet, daß die parlamentarische Auseinandersetzung von dem Spannungsverhältnis zwischen den die Regierung tragenden Mehrheitsfraktionen und der in der Minderheit befindlichen Opposition bestimmt wird und längst nicht mehr vom Streit zwischen Regierung und Parlament. 5 Neben den MiBstandsenquêten sind die sog Gesetzgebungsenqueten zur sachlichen Absicherung gesetzgeberischer Maßnahmen und die Kollegialenquêten zu erwähnen, die sich mit einem möglichen Fehlverhalten der Abgeordneten selbst befassen. 6
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vMangoldt/Klein/AchterberglSchulte Art 44 Rn 1. 3 BVerfGE 49, 70, 85. 4 Vgl Zeh in Isensee/Kirchhof HbStR II § 43 Rn 84, der dem Untersuchungsverfahren „beachtliche Wirksamkeit" im Hinblick auf die Regierungskontrolle durch die Opposition, auf die Selbstreinigung des Parlaments und auf die Korrektur administrativer Fehlentwicklungen attestiert. s BVerfGE 49, 70, 85. 6 BVerfGE 94, 351, 369; danach muß das Verfahren Sicherungen zum Schutz des Abgeordnetenstatus enthalten, wenn die Kollegialenquête „ausnahmsweise" gestattet ist. Ferner Schröder in Schneider/Zeh § 46 Rn 6; insbesondere Vetter Abgeordneten-Überprüfung durch Untersuchungsausschüsse? Ein Beitrag zur Stasi-Diskussion in den deutschen Parlamenten, ZParlR 1993,211.
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Traditionell steht zwar dem Parlament als Ganzem das Unter- 3 suchungsrecht zu, das aber nur durch die von dem Parlament eingesetzten Untersuchungsausschüsse ausgeübt werden kann. 7 Im Plenum selbst können zB keine Zeugen und Sachverständigen vernommen werden. Da sich die Kompetenz des Ausschusses aus dem Untersuchungsrecht des Parlaments ableitet, kann folglich der Wirkungskreis des Untersuchungsausschusses nicht über den des Parlaments hinausgreifen (sog Korollartheorie). 8 Insofern umfaßt die Untersuchungskompetenz neben dem Verantwortungsbereich der Regierung zB auch noch den Bereich privater Unternehmen, die aus staatlichen Mitteln subventioniert oder steuerlich gefördert werden. Dagegen endet die parlamentarische Kompetenz dann, wenn es nur noch um Privatangelegenheiten ohne öffentliches Interesse geht; das Untersuchungsrecht läßt die Privatsphäre des einzelnen unberührt. 9 Trotz öffentlichen Interesses bleibt ein Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung von der parlamentarischen Untersuchung verschont, weil der Regierung zB im Bereich der internen Beratung ein „nichtausforschbarer Diskretionsbereich" 10 zugebilligt werden muß. 11 Schranken für die Kompetenzen eines Untersuchungsausschusses des AvB ergeben sich auch aus dem Bundesstaatsprinzip. Angelegenheiten des Bundes und der anderen Länder sind der parlamentarischen Untersuchungskompetenz des AvB entzogen, wobei aber die
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Schröder in Schneider/Zeh § 46 Rn 1; Stern II § 26 S 63. 8 BVerfGE 77, 1, 44. 9 Vgl vMangoldtlKlein!AchterberglSchulte Art 44 Rn 24ff mwN; ferner auch BVerfGE 65, 1, 46. 10 Stern Die Kompetenz der Untersuchungsausschüsse, A ö R 109 (1984), 199, 239. 11 So Stern aaO, der an die vom Gewaltenteilungsprinzip geschaffene Funktionsteilung erinnert; diese dürfe auch im Wege der parlamentarischen Kontrolle nicht aufgehoben werden; BbgVerfG LVerfGE 7, 123, 133 f; im Ergebnis auch BVerfGE 67, 100, 139 sowie vMangoldtl Klein! Achterbergl Schulte Art 44 Rn 68. Nach Auffassung des BayVerfGH NVwZ 1986, 822, 824 erstreckt sich die parlamentarische Kontrolle nicht auf den „Kernbereich der Exekutive", zu der zB die Willensbildung der Regierung einschließlich der Erörterungen im Kabinett und der ressortinternen und -übergreifenden Abstimmungsprozesse gehören. Kritisch dazu BremStGH NVwZ 1989, 953, 956, der sich aber nur gegen die „pauschale" Zurechnung des Beratungsbereichs zum „Geheimhaltungs-Kernbereich" der Regierung wendet (S 958), bei „Einzelgeheimnissen" hingegen eine Beschränkung der Kontrollkompetenz offenbar für möglich ansieht.
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Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann 1 2 . Wegen der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen sind gemeinsame Untersuchungsausschüsse unter Beteiligung mehrerer Parlamente nicht möglich. Sofern ein Untersuchungsgegenstand parallel von Untersuchungsausschüssen unterschiedlicher Parlamente untersucht wird, wäre es allenfalls vertretbar, die Beweisaufnahme in gemeinsamen Sitzungen, ganz oder teilweise, stattfinden zu lassen, wobei natürlich die jeweiligen Verfahrensvorschriften - kumulativ - zu beachten sind. Eine Untersuchungskompetenz des AvB ist zu bejahen, wenn es um Mitwirkungs- oder Aufsichtsbefugnisse des SvB geht, deren ordnungsgemäße Wahrnehmung Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle sein kann. Ahnliches gilt auch in bezug auf den Aufgabenbereich der Bezirke, soweit diese nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung im Rahmen der VvB zuständig sind (Art 66 II) und der direkten und unmittelbaren Kontrolle durch das AvB nicht unterliegen. 13 4 Abs 6 überläßt die Regelung der näheren Einzelheiten des parlamentarischen Untersuchungsrechts einem einfachen G. Das demgemäß ergangene BlnUntAG sieht vor, daß ein Untersuchungsausschuß durch Beschluß eingesetzt wird ( § 2 1). Nach Abs 1 muß das AvB einen solchen Beschluß fassen, wenn ein Viertel seiner Mitglieder die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragt. Der Beschluß muß ebenso wie der zugrunde liegende Antrag den Untersuchungsgegenstand „genau umschreiben" (Bestimmtheitsgebot, § 2 1 BlnUntAG). 14 Auftrag und Wirkungskreis des Ausschusses sind dadurch eingegrenzt. Der Untersuchungsausschuß darf sich nur mit abgeschlossenen Vorgängen befassen. 15 Mit der VvB unvereinbar sind daher die Tätigkeit der Exekutive begleitende und erst recht vorbeugende oder gar ständige Untersuchungsausschüsse. Der Ausschuß für Verfassungsschutz (Art 46 a) bildet keine Ausnahme. Damit dieser Ausschuß als Untersuchungsausschuß tätig werden kann, muß
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Ausführlich vMangoldtlKlein/Achterbergl Schulte Art 44 Rn 36ff; Versteyl in vMünch/Kunig Art 44 Rn 21. 13 Zum Problem der parlamentarischen Untersuchung gegenüber Körperschaften der kommunalen Selbstverwaltung vMangoldtl Klein!Achterbergl Schulte Art 44 Rn 52. "» Vgl Stern II § 26 S 63. 15 BVerfGE 67, 100, 139; Schröder in Schneider/Zeh § 46 Rn 16. Insofern steht dem Untersuchungsausschuß - im Unterschied zum Plenum - eine sog „dirigierende" Kontrolle (Klein in Isensee/Kirchhof HbStR II § 40 Rn 30, 32) nicht zu, womit zulässige parlamentarische Willensbekundungen zur Beeinflussung der Regierungstätigkeit gemeint sind.
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ihm jeweils durch ausdrücklichen Beschluß des AvB ein bestimmter Untersuchungsauftrag erteilt werden (§ 35 IV LfYG). Die Minderheit (mindestens ein Viertel der MdA), die die Ein- 5 Setzung des Untersuchungsausschusses verlangen kann, bestimmt auch den Gegenstand des Untersuchungsauftrages. Gegen den Willen der antragstellenden Minderheit darf der Untersuchungsgegenstand grundsätzlich nicht verändert werden (§ 2 II BlnUntAG). Dies folgt nicht nur aus der gesetzlichen Regelung, sondern ergibt sich aus dem Sinn des Verfassungstextes. Danach darf die Parlamentsmehrheit das von der Minderheit verlangte Untersuchungsverfahren nicht verzögern, und ebensowenig darf sie das Ziel und das Ergebnis der Untersuchung durch die Erweiterung oder Änderung des Auftrages verwässern. 16 Daher läßt das BlnUntAG die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes nur dann zu, wenn dadurch keine wesentliche Verzögerung des Verfahrens zu erwarten ist 17 , wobei der Kern des Untersuchungsgegenstandes unangetastet bleiben muß. Obwohl die Minderheit die Einsetzung des Untersuchungsausschusses und den Untersuchungsgegenstand im Ergebnis allein bestimmen kann, ist dennoch ein formeller Beschluß des AvB notwendig. Das AvB, dh die Stimmenmehrheit, darf den Einsetzungsantrag auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen, und es kann uU auch kleine Ergänzungen in dem erwähnten Sinne vornehmen. 18 Im AvB werden demgemäß Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen regelmäßig vor der Beschlußfassung im Plenum zunächst zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses regelt sich 6 abweichend von der allgemeinen Vorschrift der VvB über die Besetzung der Ausschüsse des AvB (vgl Art 44 II). Insoweit hat die Spezialnorm des Abs 6 in der geänderten Fassung mit der Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung Vorrang vor Art 44 II. Danach soll der Untersuchungsausschuß in der Regel aus höchstens zehn Mitgliedern und der gleichen Zahl von Stellvertretern bestehen, die
BVerfGE 49, 70, 87 f; νMangoldtlKleinlAchterberglSchulte Art 44 Rn 91 mwN. " So ausdrücklich BVerfGE 49, 70, 88. 18 ν MangoldtlKleinlAchterbergl Schulte Art 44 Rn 88f, die darauf verweisen, daß ohne Einsetzungsbeschluß die späteren Anordnungen eines „vermeintlichen Untersuchungsausschusses" der rechtlichen Grundlage entbehren; aA Maunz in M D H S Art 44 Rn 35, der auf die Praxis des BT verweist, bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auf eine besondere Beschlußfassung „weitgehend" zu verzichten und nur noch über die Zahl der Ausschußmitglieder zu entscheiden.
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von den Fraktionen vorgeschlagen und vom AvB gewählt werden (§ 3 BlnUntAG). Vom AvB - und nicht vom Ausschuß - werden auch der Vorsitzende und sein Stellvertreter gewählt, wobei diejenigen Fraktionen das Vorschlagsrecht haben, die bei der Besetzung der Ausschußvorsitze nach den allgemeinen Regeln an der Reihe sind (Art 44 II; §§ 8 f G OAvB). 7 Nach Abs 2 und Abs 3 stehen dem Untersuchungsausschuß weitgehende Rechte zu, damit er seinen Auftrag erfüllen kann. Beweise sind zu erheben, wenn die Antragsteller oder ein Fünftel der Ausschußmitglieder dies verlangen. In der Vorschrift werden die Antragsteller ausdrücklich genannt für den seltenen Fall, daß sie (mindestens ein Viertel der MdA) im Ausschuß tatsächlich nur mit weniger als einem Fünftel der Ausschußmitglieder vertreten sein sollten. 19 Der Untersuchungsausschuß, der durch Beschluß entscheidet, muß den Beweisanträgen der qualifizierten Minderheit folgen, wenn sie im Rahmen des Untersuchungsauftrages liegen. Nach dem BlnUntAG finden auf die Beweisaufnahme die Vorschriften der StPO sinngemäß Anwendung. Wie in einem gerichtlichen Verfahren kann der Ausschuß Zeugen vernehmen oder Sachverständige anhören und ggf vereidigen. Zeugen sind verpflichtet, vor dem Untersuchungsausschuß zu erscheinen und wahrheitsgemäß auszusagen. Zulässig sind Maßnahmen zur Erzwingung einer Zeugenaussage (§ 12 IV BlnUntAG). Auf Antrag des Untersuchungsausschusses setzt das Gericht gegen den säumigen Zeugen ein Ordnungsmittel fest. Ebenso kann das Gericht die zwangsweise Vorführung des Zeugen anordnen. Zuständig ist das Amtsgericht Tiergarten, und zwar auch in bezug auf solche Zeugen, die außerhalb des Landes Bin ihren Wohnsitz haben. 20 Erforderlichenfalls sind die Behörden eines anderen Landes oder des Bundes zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet (Art 35 I GG). 21 Zeugen können in bestimmten Fällen die Aussage verweigern (§§ 52 bis 55 StPO), namentlich auch dann, wenn sie sich mit ihrer Aussage selbst belasten würden (§ 55 StPO). Das BlnUntAG enthält
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Vgl Schlußbericht der Enquête-Kommission S 10. Zur Praxis vgl Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des AvB - 13. WP (AvB Drs 13/2745 S 9) Der säumige Zeuge konnte mit Hilfe des Gerichts, wenn auch ohne förmlichen Vorführungsbeschluß, zur Aussage veranlaßt werden. BVerwG DVB1 1988, 852ff. Das Gericht verweist auf die herausragende Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle im Regierungssystem des Bundes und der Länder und auf die Notwendigkeit, die Untersuchungsausschüsse auch über den Geltungsbereich der Landesgesetze hinaus mit wirksamen Befugnissen auszustatten.
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keine Regelungen über die Rechtsstellung eines von dem Untersuchungsverfahren nachteilig Betroffenen, weil das Verfahren auf die Sachverhaltsfeststellung gerichtet ist und nicht auf Schuldzuweisung oder gar Verurteilung eines Beschuldigten. Dennoch kann ein festgestellter Sachverhalt einen Betroffenen moralisch und auch rechtlich belasten, wenn auch nur als eine nicht beabsichtigte Nebenfolge. Auch ohne ausdrückliche Verfahrensregelung steht daher dem Betroffenen ein Mindestanspruch auf faire Behandlung zu, der sich aus dem Grundrecht der Menschenwürde herleitet. 22 Dazu gehört insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör. Von besonderer Bedeutung für die Beweiserhebung ist das Recht 8 des Untersuchungsausschusses, die Vorlage von Akten zu verlangen. Der Aktenherausgabeanspruch, soweit er sich an Behörden des Landes Bin richtet, folgt unmittelbar aus der Kontrollaufgabe des Parlaments und hat Verfassungsrang; Rechtsgrundlage des Vorlageverlangens ist daher die verfassungsrechtliche Kompetenz des AvB gegenüber der Bin Verwaltung. 23 Soweit die Mitwirkung von Behörden des Bundes oder anderer Länder erforderlich wird, müssen sie im Rahmen der Rechts- und Amtshilfe auf Ersuchen des Untersuchungsausschusses tätig werden (Art 35 I GG). 2 4 Im übrigen ist jede Person verpflichtet, dem Untersuchungsausschuß Beweisgegenstände auf entsprechende Aufforderung zu überlassen. Falls erforderlich, kann der Untersuchungsausschuß die benötigten Beweismittel von dem zuständigen Gericht beschlagnahmen lassen; auch kann ggf eine Durchsuchung angeordnet werden (§131 BlnUntAG). 25 Der Schutz privater oder geschäftlicher Geheimnisse rechtfertigt 9 kein Zeugnisverweigerungsrecht. Vielmehr ist dem grundrechtlichen Geheimhaltungsschutz des Bürgers durch eine darauf gerichtete Verfahrensgestaltung Rechnung zu tragen, zB durch die NichtÖffentlichkeit der Beweisaufnahme oder durch die Anwendung der Ge-
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Wohlers NVwZ 1994, 40 mwN. So für die Beziehungen zwischen BT und BReg BVerfGE 67, 100, 128f, 134. 2·* K G N S t Z 1993,403 f. 25 Das Herausgabeverlangen des Untersuchungsausschusses ist eine schlichte öffentlich-rechtliche Willenserklärung und kein Verwaltungsakt, OVG Münster NVwZ 1987, 608 ff. Der erforderliche Rechtsschutz des Herausgabeadressaten ist nach Auffassung des OVG Münster dadurch gesichert, daß der auf Antrag des Untersuchungsausschusses ergehende richterliche Beschluß über die Beschlagnahme mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Vgl auch Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des AvB 13. WP - (AvB Drs 13/2745, 80-
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heimschutzordnung. Wenn es die Grundrechtspositionen eines Beteiligten erfordern, besteht nach verfassungsgerichtlicher Rspr die Möglichkeit, daß die Offenlegung von Unterlagen auf eine kleine Zahl von Ausschußmitgliedern, zB auf den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter, beschränkt wird. 27 10 Eine Untersuchung kann sich auch sonst auf Angelegenheiten beziehen, die der Geheimhaltung unterliegen oder die vertraulich zu behandeln sind. Im parlamentarischen Regierungssystem ist das Wohl des Staates nicht der Regierung allein, sondern dem Parlament und der Regierung gemeinsam anvertraut. 28 Ohne Beteiligung an dem geheimen Wissen der Regierung wäre das Parlament außerstande, seine parlamentarischen Rechte, zumal sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung, auszuüben. Daher hat der SvB den Untersuchungsausschuß durch Informationen zu unterstützen, und zwar, soweit erforderlich, in einer Weise, die zugleich das Dienstgeheimnis wahrt. 29 Dazu ist Voraussetzung, daß das AvB selber wirksame Vorkehrungen zur Wahrung von Dienstgeheimnissen trifft. Das ist geschehen mit der Geheimschutzordnung für das AvB. 30 Die früher übliche Praxis der Untersuchungsausschüsse, ohne rechtliche Grundlage von Fall zu Fall jeweils eigene Geheimschutzordnungen zu beschließen, war zweifelhaft und letztlich unverbindlich. 31 Herr des Untersuchungsverfahrens ist der Untersuchungsausschuß, dem es obliegt, die Geheimschutzordnung in konkreter Angelegenheit eigenverantwortlich anzuwenden. Mithin kann der SvB, der dem Untersuchungsausschuß geheime Unterlagen überlassen soll, die Anwendung der Geheimschutzordnung des AvB nicht erzwingen. Wenn jedoch der Untersuchungsausschuß den erforderlichen Geheimschutz nicht gewährleistet, entfällt die Verpflichtung des SvB zur Vorlage
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vMangoldt/Klein!AchterberglSchulte Art 44 Rn 76 mwN; s auch Art 33 Rn 3. BVerfGE 77, 1, 56; s auch BVerfGE 74, 7 ff und Art 33 Rn 7f. 28 BVerfGE 67, 100, 136. 29 Für die Untersuchungsausschüsse des BT vgl BVerfGE 67, 100, 134; s auch BVerfGE 70, 324, 358f. 30 Ani 6 zur GO AvB. 31 Vgl 1. Bericht (Zwischenbericht) des 1. Untersuchungsausschusses des AvB - 10. WP - (AvB Drs 10/1297 S 1 0 0 sowie HmbVerfG LVerfGE 3, 194, 212f; danach bewirkt die von einem Ausschuß ohne gesetzliche Grundlage beschlossene Datenschutzordnung, die weder veröffentlicht ist noch zur GO des Parlaments gehört und deren Rechtsnatur unklar ist, allenfalls eine Selbstbindung der Ausschußmitglieder; sie gewährleistet keinen hinreichenden Schutz personenbezogener Daten im Untersuchungsverfahren. 27
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geheimer Unterlagen. 32 Der Befugnis des SvB, nach Abs 3 ggf Auskünfte zu verweigern und sich dazu auf Gründe der Sicherheit des Bundes oder eines deutschen Landes zu berufen, ist im Hinblick auf die erwähnte verfassungsgerichtliche Rspr keine eigenständige Bedeutung mehr beizumessen. Die Sitzungen des Untersuchungsausschusses, die der Beweis- 11 aufnähme dienen, sind öffentlich, es sei denn, der Ausschuß hat aus den im BlnUntAG genannten Gründen einzelne Personen oder die gesamte Öffentlichkeit, letztere mit Zweidrittelmehrheit, ausgeschlossen (§ 7). Da sich die parlamentarische Untersuchung auf die sanktionslose Tatsachenfeststellung beschränken muß, kommt dem Öffentlichkeitsprinzip eine hohe verfassungsrechtliche Bedeutung zu. 33 Die Mitglieder des SvB und ihre Beauftragten dürfen auch in nichtöffentlichen Sitzungen anwesend sein, wenn der Ausschuß so beschließt (Abs 5); sein Beschluß bedarf allerdings der Zweidrittelmehrheit (§ 8 III BlnUntAG). Die Anwesenheit der Mitglieder des SvB und ihrer Beauftragten in den Beratungssitzungen kommt aber nicht in Betracht (§ 8 II BlnUntAG). Das Untersuchungsverfahren schließt ab mit einem schriftlichen 12 Bericht, der dem AvB zu erstatten ist (§ 19). Wenn der Ausschuß zu keinem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, wird in der Regel zugleich auch ein Minderheitsbericht vorgelegt. 34 Berichte der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Nachprüfung entzogen (Abs 4).35
32 Vgl BVerfGE 67, 100, 137. 33 Versteyl in vMünch/Kunig Art 44 Rn 26 mwN. 34 Schröder in Schneider/Zeh § 46 Rn 41. 35 Vgl OVG Hmb N V w Z 1987, 61 Off. Die vergleichbaren Vorschriften in Art 25 VI HmbVerf sowie in Art 44 IV 1 GG schaffen nach Auffassung des OVG Hmb eine Ausnahme von Art 19 IV G G (Rechtsweggarantie) „und damit einen gerichtsfreien Raum".
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Art. 49
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Artikel 49 (1) Das Abgeordnetenhaus und seine Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder des Senats fordern. (2) Der Senat ist zu den Sitzungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse einzuladen. Den Mitgliedern des Senats ist auf Verlangen zur Tagesordnung das Wort zu erteilen. (3) Der Regierende Bürgermeister oder sein Vertreter kann vor Eintritt in die Tagesordnung unabhängig von den Gegenständen der Beratung das Wort ergreifen. Das Nähere wird durch die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses geregelt. (4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat die Opposition das Recht der ersten Erwiderung. (5) Die Mitglieder des Senats unterstehen in den Sitzungen der Ordnungsgewalt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Vorsitzenden des Ausschusses. Materialien 1. vgl Art 43 GG; 34 BW Verf; 24 BayVerf; 66 BbgVerf; 98 BremVerf; 23 HmbVerf; 91 Hess Verf; 38 MV Verf; 23 NdsVerf; 45 N W Verf; 89 RhPfVerf; 76 SaarlVerf; 49 SächsVerf; 52 LS A Verf; 21 SchlH Verf; 66 ThürVerf 2. VVGB: Art 10 ;VvB 1950: Art 34 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Die Vorschrift enthält Verfahrensregeln, die das parlamentarische Zusammenwirken der Verfassungsorgane AvB und SvB betreffen. Der Anspruch, die Anwesenheit der Mitglieder des SvB zu verlangen (Zitierrecht), steht dem AvB selbst sowie ebenfalls seinen Ausschüssen zu (Abs 1). Das Zitierrecht ist Ausdruck der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. 1 Daher ist ein solches Recht für Enquête-Kommissionen, Unterausschüsse, auch Ältestenrat und Präsidium, denen keine vergleichbaren Befugnisse zur Kontrolle des SvB zustehen, nicht vorgesehen. 2 In der Regel liegt es im Interesse der Mitglieder des SvB, in den Gremien des AvB anwesend
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Stern II § 26 S 52. vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte gier a in Sachs Art 43 Rn 3.
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Art 43 Rn 21 f; einschränkend Ma-
Herbeirufung des Senats (Lemmer)
Art. 49
zu sein und auf die Verhandlungen Einfluß zu nehmen, wenn Angelegenheiten des eigenen Geschäftsbereiches behandelt werden. Eine Beschlußfassung über die Ausübung des Zitierrechts findet daher in der Praxis kaum statt. 3 Häufig werden andererseits von Seiten der Opposition Anträge auf Herbeizitierung eines Mitglieds des SvB gestellt, wenn zB bei Aufruf eines Verhandlungsgegenstandes das zuständige Mitglied des SvB noch nicht im Saal anwesend ist; schon die Antragstellung genügt regelmäßig, um sein unverzügliches Erscheinen zu erreichen und mitunter den PrAvB zu einer das Mitglied des SvB tadelnden Bemerkung zu veranlassen. 4 Das Zitierrecht richtet sich ausschließlich an ein bestimmtes Mit- 2 glied des SvB. Bei Verhinderung des zuständigen Mitglieds des SvB ist die Vertretung durch ein anderes Mitglied des SvB nach Maßgabe des Vertretungsplans ( § 9 1 GOSvB) zulässig; die Vertretung durch einen Staatssekretär oder sonst durch einen Beauftragten kommt dagegen nicht in Betracht. 5 Von dem herbeizitierten Mitglied des SvB wird nicht nur ein „stummes Dabeisitzen" verlangt, sondern er soll sich an der parlamentarischen Verhandlung beteiligen und zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung stehen. 6 Aus dem Zitierrecht hat sich das dem Parlament gegenüber der Regierung zustehende Fragerecht abgeleitet (Interpellationsrecht). 7 Dem Zitierrecht des AvB entspricht das Recht der Mitglieder des 3 SvB, in den Sitzungen des AvB und seiner Ausschüsse anwesend zu sein.8 Zu diesem Zweck müssen die Mitglieder des SvB zu den Sitzungen eingeladen werden. Auch hier geht es nicht um ein schlichtes Dabeisein, sondern um den Anspruch, an den Verhandlungen der parlamentarischen Gremien mit Rederecht teilzunehmen. Abs 2 be-
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vMangoldt/Klein/A eh t erber glSchul te Art 43 Rn 3. ZB PlenProt 13/13 S 924 (C), 13/16 S 1081 (Β), 13/17 S 1187 (Β). So für den BT Versteyl in vMünch/Kunig Art 43 Rn 24; aA Stern II § 26 S 54, der unter Hinweis auf Art 62 G G das Zitierrecht auf alle Regierungsmitglieder erstrecken will und es nicht nur auf ein jeweils zuständiges Regierungsmitglied bezieht. Magiern in Sachs Art 43 Rn 6 mwN. So immer noch ν Mangoldtl Klein!Achterbergl Schulte Art 43 Rn 4, vgl auch einschränkend Rn 17. Streng genommen wäre danach das Interpellationsrecht abhängig von einem Mehrheitsentscheid des Parlaments. Nach BVerfGE 70, 324, 355 erwächst hingegen dem einzelnen Abgeordneten aus seinem Abgeordnetenstatus ein individuelles Recht auf Information. Zum Thema insgesamt Hölscheidt D Ö V 1993, 593. vMangoldtlKlein/AchterberglSchulte Art 43 Rn 32.
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Art. 4 9
Abschnitt III: Die Volksvertretung
stimmt daher, daß den Mitgliedern des SvB auf Verlangen das Wort zur Tagesordnung zu erteilen ist. Die Mitglieder des SvB dürfen sich also nur zu dem aufgerufenen Verhandlungsgegenstand äußern. Das Rederecht steht einem Mitglied des SvB „jederzeit" zu (§ 63 V GOAvB), was bedeutet, daß ihm außerhalb der Reihe der Wortmeldungen als nächster Redner das Wort zu erteilen ist, ohne daß aber der Redebeitrag eines anderen Redners unterbrochen werden darf. 9 Für die Ausschüsse gilt, daß dort auch die Beauftragten der Mitglieder des SvB, also außer den Staatssekretären auch weitere Mitarbeiter der Senatsverwaltungen, teilnehmen dürfen (§ 25 IV 2 GOAvB). Insbesondere in den Plenarsitzungen werden die Mitglieder des SvB den Standpunkt der Regierung vertreten müssen, der sich nicht immer mit der Mehrheitsmeinung des Hauses decken muß. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zulässig, die Redezeiten der Mitglieder des SvB auf die nach der GOAvB den Mehrheitsfraktionen zustehenden Redezeiten anzurechnen. 10 Andererseits wird in Abs 4 bestimmt, daß nach den Redebeiträgen des SvB die Opposition das Recht der ersten Erwiderung hat. Weiterhin ist in der GOAvB vorgesehen, daß im Anschluß an die Wortmeldung eines Mitgliedes des SvB jeder Fraktion eine Redezeit von mindestens zehn Minuten zusteht (§ 64 VII GOAvB). Abs 3 räumt darüber hinaus dem RB oder seinem Vertreter das Recht ein, vor Eintritt in die Tagesordnung und unabhängig von den Verhandlungsgegenständen das Wort zu ergreifen. Diese Befugnis ermöglicht die Abgabe von Regierungserklärungen gerade auch zu aktuellen Themen, die an die Tagesordnung nicht gebunden sind. 11 Auch hier gilt, daß sich eine Aussprache anschließt. 4
In Abs 5 wird klargestellt, daß die Mitglieder des SvB in den Sitzungen des AvB der Ordnungsgewalt des PrAvB und in den Ausschußsitzungen derjenigen des Ausschußvorsitzenden unterstehen. Insoweit müssen sie auch die GOAvB gegen sich gelten lassen, die sonst nur für die MdA verbindlich ist.12 Das Ordnungsmittel des Ausschlusses aus der Sitzung kommt für die Mitglieder des SvB allerdings im Hinblick auf Abs 2 nicht in Betracht. 13
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Hürth Voraufl Art 34 Rn 4. BVerfGE 10, 4, 19. Zur Redezeit der Regierungsmitglieder vgl Versteyl in vMünch/Kunig Art 43 Rn 34. 11 vMangoldtlKleinl A eh ter berglSchul te Art 43 Rn 65. 12 Vgl Magiern in Sachs Art 40 Rn 31. '3 Graul NJW 1991, 1717. 10
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Berichtspflicht des Senats, Staatsverträge (Lemmer)
Art. 50
Artikel 50 (1) Der Senat unterrichtet das Abgeordnetenhaus frühzeitig und vollständig über alle in seine Zuständigkeit fallenden Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung. Dies betrifft auch Angelegenheiten der Europäischen Union, soweit das Land Berlin daran beteiligt ist. Staatsverträge sind vor ihrer Unterzeichnung durch den Senat dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis zu geben. Der Abschluß von Staatsverträgen bedarf der Zustimmung des Abgeordnetenhauses. (2) Der Senat unterrichtet das Abgeordnetenhaus über Gesetzesvorhaben des Bundes und über die Angelegenheiten der Europäischen Union, soweit er an ihnen mitwirkt. Materialien 1. vgl Art 59 GG; 50 BW Verf; 72 II BayVerf; 91 II BbgVerf; - BremVerf; 32, 43 HmbVerf; 103 II HessVerf; 39 MV Verf; 25, 35 II NdsVerf; 66 N W Verf; 101 RhPfVerf; 95 II SaarlVerf; 50 SächsVerf; 62, 69 II LSA Verf; 22, 30 II SchlH Verf; 67 IV ThürVerf 2. VVGB: A r t - ; VvB 1950:3. Änderungen: -
Erläuterungen Die Vorschrift hat erst mit der überarbeiteten VvB vom 23.11. 1 1995 Eingang in den Verfassungstext gefunden. Sie folgt einer Entschließung der Präsidenten der LT und soll „einer schleichenden Auszehrung der Kompetenzen der Länder" und ihrer Gesetzgebungsorgane entgegenwirken. 1 Für diese Fehlentwicklung wird eine fortschreitende Kompetenzverlagerung auf den Bund und darüber hinaus auf die Europäische Union verantwortlich gemacht. Zugleich wird ein Kompetenzzuwachs der Landesregierungen beklagt, auf die wesentliche Staatsaufgaben, zB die Planung oder die Kooperation der Länder untereinander, übergegangen sind, Aufgaben, die sie weitgehend selbst in eigener Verantwortung ohne die Mitwirkung der Parlamente wahrnehmen. 2 Ziel ist daher die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle.3
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2 3
Entschließung der Konferenz der Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 14.1.1983, ZParlR 1983, 357. Schlußbericht der Enquête-Kommission S 16; s auch Vbm 15 vor Art 85. Zum Thema insgesamt vgl Hölscheidt D Ö V 1993, 593.
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Art. 50 2
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Die Informationspflicht obliegt dem SvB als Kollegium. Sie ist als eine „Bringschuld" des SvB geregelt. Der SvB ist also gehalten, die Informationen „spontan", dh ohne Aufforderung dem AvB zuzuleiten. 4 Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben. Nach der GOAvB liegt es allerdings nahe, die Abgeordneten in der Form einer Vorlage - zur Kenntnisnahme - zu unterrichten (§ 32 VI GOAvB). 5 In Europaangelegenheiten sind die besonderen Verfahrensvorschriften der GOAvB zu beachten (§ 21 a). Danach sind Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union mit herausragender Bedeutung für Bin, die zugleich auch „wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren", berichtspflichtig. Dazu gehören generell Vorhaben der Europäischen Union, mit denen der BR befaßt ist. Die Unterrichung hat stets in einem frühen Stadium zu erfolgen, zB im Zuge der Gesetzgebung des Bundes oder in Angelegenheiten der Europäischen Union bereits vor der Mitwirkung des SvB.6 Bei Staatsverträgen ist die Information „vor ihrer Unterzeichnung" vorgesehen (Abs 1 Satz 3), womit offensichtlich gemeint ist, daß die Unterrichtung, ggf vor der Paraphierung, bereits dann zu erfolgen hat, wenn der SvB den Vertragsabschluß plant. 7 Über die bloße Kenntnisnahme hinaus erlangt das AvB auf diese Weise die Möglichkeit, auf den Inhalt des geplanten Staatsvertrages politisch Einfluß zu nehmen. 8 Gegenstand der Informationspflicht sind alle in die Zuständigkeit des SvB fallenden Vorhaben von „grundsätzlicher Bedeutung". Hingegen ist nicht die Rede von Vorhaben, denen „wesentliche" Bedeutung zukommt. Demnach richtet sich der Kreis der Informationspflichten nicht nach der sog Wesentlichkeitstheorie des BVerfG. 9 Vielmehr wird sich die Auslegung der Vorschrift an dem Begriff der staatsleitenden Ent-
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6 7 8 9
Neumann (Heinzgeorg) Art 79 Rn 4. ZB Vorlage - zur Kenntnisnahme - vom 25.11.1997 (AvB Drs 13/2231) über den beabsichtigten Abschluß eines Staatsvertrages über das Gemeinsame Krebsregister der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Schlußbericht der Enquête-Kommission aaO. So ausdrücklich Art 67 IV ThürVerf. Vgl Linck in Linck/Jutzi/Hopfe Art 67 Rn 22. So in Art 79 BremVerf für den Bereich der Zusammenarbeit mit Bund, Ländern und Europäischer Union. Neumann (Heinzgeorg) aaO Art 79 Rn 10, sieht daher die Informationspflicht des Senats in Bremen nach den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG konkretisiert. Das würde bedeuten, daß vornehmlich nur über Vorhaben mit Grundrechtsrelevanz zu informieren ist (vgl BVerfGE 47, 46, 79).
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Berichtspflicht des Senats, Staatsverträge (Lemmer)
Art. 50
Scheidung zu orientieren haben, so daß der SvB über Vorhaben informieren muß, die sich auf das Staatsganze auswirken und nicht nur partikulare Interessen berühren. 10 Bei der Auslegung steht dem SvB ein weites Ermessen zu. 11 Für Staatsverträge mit dem Bund oder anderen Ländern gilt gem 3 Abs 1 Satz 3, daß der SvB nicht nur vor ihrer Unterzeichnung informieren muß, sondern daß er nach der Unterzeichnung die ausdrückliche Zustimmung des AvB einzuholen hat (§ 20 I 2 AZG). 12 Nicht unter die Zustimmungspflicht fallen die Verwaltungsabkommen, durch die solche Angelegenheiten geregelt werden, die im Rahmen dés Vollzugs vorhandener Gesetze erledigt werden oder die keiner gesetzlichen Grundlage bedürfen. 13 Beziehen sich dagegen die vertraglichen Regelungen auf Gegenstände der Gesetzgebung, handelt es sich immer um einen der Zustimmung des AvB unterliegenden Staatsvertrag. Das ist der Fall, wenn die Vertragsregelungen zB Rechte und Pflichten der Bürger berühren. 14 Dasselbe trifft auch auf Vereinbarungen mit finanziellen Auswirkungen zu, für die die haushaltsmäßigen Voraussetzungen erst noch geschaffen werden müssen. 15 Darüber hinaus ist es denkbar, daß auch andere Gegenstände im Wege eines Staatsvertrages geregelt werden, wenn ihnen ein besonderes politisches Gewicht beizumessen ist.16 Das AvB kann über einen Staatsvertrag nur im Ganzen abstimmen 4 (§ 33 V GOAvB). Daher ist es nicht möglich, Teilen eines Staatsvertrages zuzustimmen, ihn im übrigen aber abzulehnen. Ebenso sind Änderungsanträge zum Staatsvertrag ausgeschlossen, weil der Vertragstext schon ausgehandelt ist und einseitig nicht mehr verändert werden kann. 17 Mit dem Erlaß des Vertragsgesetzes wird der Staatsvertrag, der regelmäßig im GVB1 als Anlage mitveröffentlicht wird, in verbindliches Landesrecht umgesetzt (Transformationsfunktion des Vertragsgesetzes). 18 Verbindlichkeit zwischen den Vertragspartnern erlangt der Staatsvertrag allerdings erst durch die Ratifikation, dh durch die Erklärung gegenüber den anderen Vertragspartnern, an
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Vgl Linck aaO. Linck aaO. 12 Zum Abschluß von Staatsverträgen im einzelnen Neumann Art 58 Rn 5. 13 Stern I § 14 S 502 f. 14 Linck aaO Art 77 Rn 9. 15 Im einzelnen Linck aaO Art 77 Rn 7. 16 Für den Bereich des Bundes vgl Jarass in Jarass/Pieroth Art 59 Rn 10; für den Bereich Berlin/Brandenburg vgl Erl zu Art 97. 17 Streinz in Sachs Art 59 Rn 51. '8 Vgl BVerfGE 29, 348, 358f. 11
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A r t . 51
Abschnitt III: Die Volksvertretung
den Staatsvertrag gebunden zu sein. Dies ist Sache des RB, der Bin nach außen vertritt. Durch die Zustimmung des AvB wird der RB zum Vertragsabschluß ermächtigt, aber nicht verpflichtet. 19
Artikel 51 (1) Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen Äußerungen in Ausübung seines Mandats gerichtlich oder dienstlich oder sonst außerhalb des Abgeordnetenhauses zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. (2) Jeder Abgeordnete hat das Recht, Angaben über Personen, die ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter Mitteilung gemacht haben, und die Herausgabe von Schriftstücken zu verweigern, die ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter übergeben wurden. (3) Kein Abgeordneter darf ohne Genehmigung des Abgeordnetenhauses zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Ausübung der Tat festgenommen wird. (4) Jede Haft oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten ist auf Verlangen des Abgeordnetenhauses aufzuheben. Materialien 1. vgl Art 4 6 f GG; 37-39 BW Verf; 27-29 BayVerf; 57-59 BbgVerf; 9 4 - 9 6 BremVerf; 14f, 17 HmbVerf; 95-97 HessVerf; 24 MV Verf; 14-16 NdsVerf; 47-49 N W Verf; 93-95 RhPfVerf; 81-83 SaarlVerf; 55 f SächsVerf; 57-59 LSA Verf; 24 SchlH Verf; 55 f ThürVerf 2. VVGB: Art - ; VvB 1950: Art 35 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Die Vorschriften über Indemnität und Immunität, die auf parlamentarischer Tradition beruhen, waren bereits in der VvB 1950 enthalten und sind im Rahmen der überarbeiteten Fassung vom 23.11.1995 durch Satz 2 in Abs 1 dahin ergänzt worden, daß verleumderische Beleidigungen vom Indemnitätsschutz nicht erfaßt
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Vgl Jarass in Jarass/Pieroth Art 59 Rn 14.
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Indemnität, Immunität (Lemmer)
Art. 51
werden. 1 Die Ergänzung folgt dem Vorschlag der Enquête-Kommission. 2 Die in Abs 1 geregelte Indemnität dient der Gewissensfreiheit der 2 Abgeordneten und zugleich einer sachgerechten Parlamentsarbeit. 3 Die Indemnität fördert die freie Diskussion im Parlament, die unbelastet von Rücksichten auf etwa betroffene Dritte geführt werden soll.4 Die Wirkung der Indemnität besteht darin, daß ein Abgeordneter wegen des Inhalts eines parlamentarischen Redebeitrags weder strafrechtlich noch sonst in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren belangt werden kann. Seine Äußerung bleibt, sofern sie einen Straftatbestand verwirklicht, rechtswidrig und ggf auch schuldhaft. Sie kann aber nicht bestraft werden, weil die Indemnität als ein persönlicher Strafausschließungsgrund entgegensteht. 5 Der Schutz der Indemnität gilt nur für Äußerungen in Ausübung des Mandats. Dazu gehört zB nicht das vorzeitig an die Presse gegebene Manuskript einer Anfrage oder einer Rede. 6 Ebensowenig werden Äußerungen geschützt, die zwar im Zusammenhang mit dem Mandat fallen, aber nicht in Ausübung des Mandats. Die Äußerungen des MdA bei nichtparlamentarischen Gelegenheiten, zB in Parteiveranstaltungen oder Pressegesprächen, unterliegen daher nicht dem Indemnitätsschutz. 7 Einbezogen hingegen sind alle Äußerungen in Gremien, in denen sich die parlamentarische Willensbildung vollzieht, also nicht nur im Plenum, sondern auch in Ausschuß- und Fraktionssitzungen, im Präsidium und Ältestenrat, und zwar auch dann, wenn die Sitzungen außerhalb des Parlamentsgebäudes stattfinden. 8 Der Begriff der Äußerung ist weit auszulegen und umfaßt auch Kundgaben durch konkludentes Handeln, nicht hingegen Tätlichkeiten, die keinesfalls unter den Schutz der Indemnität fallen. 9 Mitgliedern
' Vgl Hürth Voraufl Art 35 Rn 1. Schlußbericht der Enquête-Kommission S 10. 3 Schlußbericht aaO; vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte Art 46 Rn 3; ausführlich Harth Die Rede- und Abstimmungsfreiheit der Parlamentsabgeordneten in der BRep, 1983, S 91 ff. 4 BGHZ 75, 384, 387; vgl Magiera in Sachs Art 46 Rn 1; Trute in vMünch/ Kunig Art 46 Rn 4. 5 Lenckner in Schönke/Schröder StGB, 25. Aufl 1997, § 36 Rn 1. 6 BGHZ aaO. 7 Magiera in Sachs Art 46 Rn 4. Das KG (24.1.1975 - 9 W 1546/74), zitiert bei Versteyl ZParlR 1975, 290, bezieht ausdrücklich Äußerungen in Fraktionen in den Indemnitätsschutz ein, lehnt dies aber für Presseerklärungen eines MdA ab. 8 Magiera in Sachs Art 46 Rn 5. 9 BVerwGE 83, 1, 16. 2
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Art. 51
Abschnitt III: Die Volksvertretung
des SvB steht der Indemnitätsschutz nur dann zu, wenn sie zugleich MdA sind l 0 . Ist das nicht der Fall, kommt ihnen aber ggf der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) zugute. 11 3 Das MdA darf wegen seiner Äußerung in Ausübung des Mandats nicht zur Verantwortung gezogen werden. Das bedeutet insbesondere Schutz vor strafgerichtlicher Verfolgung einschließlich der staatsanwaltlichen oder polizeilichen Ermittlungen, des weiteren vor ehrengerichtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren und in zivilgerichtlichen Prozessen (Ansprüche wegen Schadenersatz, Unterlassung). 12 Das MdA darf nicht nur während seiner Mitgliedschaft im AvB wegen seiner parlamentarischen Äußerungen nicht verfolgt werden, sondern zu keiner Zeit, also auch nicht nach der Beendigung des Mandats. 1 3 Unangetastet bleibt die Ordnungsgewalt des PrAvB in bezug auf das parlamentarische Verhalten der MdA. Ihm obliegt auch hinsichtlich der Redebeiträge der MdA die Aufgabe, notfalls mit den Ordnungsmitteln der GOAvB die parlamentarische Ordnung zu wahren. 14 Das MdA kann auf die Indemnität nicht verzichten, auch kann die Indemnität vom AvB im Einzelfall nicht aufgehoben werden. 15 Ausgenommen von dem Indemnitätsschutz sind verleumderische Beleidigungen, dh die Behauptung unwahrer Tatsachen wider besseres Wissen, mit denen ein anderer herabgewürdigt werden soll (§ 187 StGB). 4 Die parlamentarische Indemnität ist außer in Abs 1 weiterhin bundesrechtlich in § 36 StGB geregelt, und zwar für die Mitglieder des BT, der Bundesversammlung und der Gesetzgebungsorgane eines Landes. Sie bezieht sich nur auf den Schutz vor Strafverfolgung, während die Indemnität nach Abs 1 weiter reicht und auch disziplinarrechtliche und zivilgerichtliche Verfahren umfaßt (s Rn 3). Was den strafrechtlichen Bereich anlangt, ist demnach die parlamentari-
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11 12 13 14 15
So vMangoldtlKleinlAchterberglSchulte Art 46 Rn 8. Nach hM soll das Indemnitätsprivileg bei einem Abgeordneten, der zugleich Regierungsmitglied ist, nur dann zum Zuge kommen, wenn er sich in seiner Eigenschaft als Abgeordneter äußert; seine Rede im Parlament, gehalten als Regierungsmitglied, soll demnach nicht unter dem Indemnitätsschutz stehen, zB Achterberg S 241; Maunz in M D H S Art 46 Rn 8; aA Graul NJW 1991, 1717. vMangoldtlKlein!AchterberglSchulte Art 46 Rn 8. Pieroth in Jarass/Pieroth Art 46 Rn 4 vMangoldtlKlein!Achterbergl Schulte Art 46 Rn 7. vMangoldtl Klein!Achterbergl Schulte Art 46 Rn 26. Pieroth in Jarass/Pieroth Art 46 Rn 3.
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Indemnität, Immunität (Lemmer)
Art. 51
sehe Indemnität doppelt geregelt, nämlich einerseits in der bundesrechtlichen Vorschrift des § 36 StGB und andererseits in der landesrechtlichen Verfassungsvorschrift des Abs 1. Als die für die MdA maßgebende Norm ist indessen Abs 1 anzusehen, während demgegenüber § 36 StGB als rechtliche Grundlage für die parlamentarische Indemnität der MdA ausscheidet. 16 Da die Indemnität als ein sich aus der VvB ergebendes Recht aufzufassen ist, kann sie ggf Gegenstand einer Organstreitigkeit sein, über die der VerfGH zu entscheiden hat (Art 84 II Nr 1, § 37 VerfGHG). Das unabdingbare persönliche Vertrauensverhältnis des Bürgers 5 zum Abgeordneten und ebenso die unverzichtbare Information des Abgeordneten erfordern dessen Zeugnisverweigerungsrecht sowie ein Beschlagnahmeverbot in bezug auf schriftliche Unterlagen. Die Vorschrift des Abs 2 dient ebenfalls der Funktionsfähigkeit des AvB. 17 Sie wäre weitgehend wirkungslos, wenn ihre Anwendbarkeit auf die Person des MdA beschränkt bliebe. Daher sind in die Regelung Mitarbeiter des MdA (falls vorhanden) und, wichtiger für das AvB, solche der Fraktion einbezogen. 18 Genau genommen steht ihnen kein „Recht" auf Zeugnisverweigerung zu, sondern sie müssen eine Zeug-
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Zwar hat Bundesrecht Vorrang vor Landesrecht (Art 31 GG). Das Land besitzt aber die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit zur Regelung des eigenen Parlamentsrechts, dessen Bestandteil die Indemnitätsregelung ist. Kraft Sachzusammenhangs durfte daher der Landesgesetzgeber bei der Gestaltung des Parlamentsrechts die Indemnität einbeziehen, ohne gegen Art 31 G G zu verstoßen. Ein solches reflexartiges Hineinwirken in die Bundeskompetenz ist zulässig, wenn das Regelungsziel des Landesgesetzgebers „ausschließlich auf die Ordnung einer seiner Kompetenz unterfallenden Materie gerichtet ist" (BVerfG NJW 1996, 2497 mwN, vgl auch BVerfGE 98, 145, 158). Das gilt um so mehr, als sich die Bedeutung der Indemnität weniger aus dem Strafrecht herleitet, sondern aus dem Parlamentsrecht, wo der Indemnitätsregelung eine wichtige Funktion zum Schutz vor Beeinträchtigungen der parlamentarischen Tätigkeit zukommt (Magiern in Sachs Art 46 Rn 1); im Ergebnis übereinstimmend Klein in Schneider/Zeh § 17 Rn 5, der daraufhinweist, daß die mit §36 StGB angestrebte Vereinheitlichung des Indemnitätsrechts in Bund und Ländern aus Kompetenzgründen „unerreichbar" war. Nach Hürth Die Rede- und Abstimmungsfreiheit der Parlamentsabgeordneten in der BRep, Berlin 1983, S 105 f, ist sogar von der Nichtigkeit des § 36 StGB auszugehen, soweit er Landtagsabgeordnete betrifft; aA Kewenig!Magiera ZParlR 1981, 223, 230, die ausschließlich an Art 31 G G anknüpfen.
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Pieroth in Jarass/Pieroth Art 47 Rn 1. Trute in vMünch/Kunig Art 47 Rn 3 mwN, hM.
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Art. 51
Abschnitt III: Die Volksvertretung
nisverweigerungspflicht befolgen, solange der Abgeordnete von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht. Inhaltlich bezieht sich das Zeugnisverweigerungsrecht auf Angaben über Personen, die dem MdA in dieser Eigenschaft Kenntnisse über Tatsachen anvertraut haben, sowie über die anvertrauten Tatsachen selbst (vgl § 53 I N r 4 StPO). Daraus folgt, daß das MdA außerhalb der Reichweite des parlamentarischen Berufsgeheimnisses selbstverständlich allen gesetzlichen Zeugenpflichten unterliegt. 19 Auch nach dem Ende des Mandats bzw des Arbeitsverhältnisses bei Mitarbeitern wirken Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot fort. 20 Auf beides kann das MdA verzichten, indem es aussagt oder in die Herausgabe des Schriftstücks einwilligt. Wenn das MdA auf das Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet, muß der Mitarbeiter die allgemeine Aussagepflicht befolgen, dem insofern kein eigenes, sondern entsprechend dem Regelungszweck nur ein von dem MdA abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Über das Recht verfügt nur das MdA selbst, der auch nicht an einen früheren oder allgemeinen Verzicht gebunden ist. Dem AvB steht insoweit keine Kompetenz zu. 21 Das MdA ist auch dann zur Zeugenaussage nicht verpflichtet, wenn ihn ein etwa betroffener Dritter von der Verschwiegenheitspflicht entbindet. 22 Abs 2 gilt für Zeugnis- und Auskunftspflichten in sämtlichen gerichtlichen und behördlichen Verfahren. 23 Auch hier hat die Regelung der VvB Vorrang vor einschlägigen Bestimmungen in den jeweiligen Verfahrensgesetzen (zB § 53 I Nr 4 StPO; vgl Rn 4). Im übrigen gilt für die MdA, daß sie in gerichtlichen Verfahren ausschließlich nur in Bin als dem Sitz des Parlaments zu vernehmen sind, solange sie sich in Bin aufhalten (§ 50 I StPO, § 382 II ZPO). 24 6 Während auf Grund der Indemnität parlamentarische Äußerungen von etwaiger Strafbarkeit schlechthin ausgenommen sind, besteht die Wirkung der Immunität nach Abs 3 darin, daß eine Straftat zwar strafbar bleibt, für die Dauer des Immunitätsschutzes aber nicht verfolgt werden kann, es sei denn, das AvB hebt die Immunität auf. Die Immunität hat in diesem Rahmen ganz allgemein die strafrechtliche Unverletzlichkeit des MdA zur Folge. Mit der Vorschrift wird,
" Maunz in M D H S Art 47 Rn 1. Magier a in Sachs Art 47 Rn 5. 21 M agiera aaO Rn 3. 22 Vgl Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO § 53 Rn 45. 23 Magiera in Sachs Art 47 Rn 5. 24 Die Bestimmung soll Störungen der Parlamentsarbeit durch auswärtige Zeugentermine ausschließen (Kleinknechtl Meyer-Goßner aaO § 50 Rn 1). Ähnliches gilt für die Mitglieder des SvB. 20
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Indemnität, Immunität (Lemmer)
Art. 51
ähnlich wie bei der Indemnität, die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und auch die Wahrung seines Ansehens bezweckt. 25 Abgeordnete dürfen durch strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen in ihrer parlamentarischen Tätigkeit nicht behindert werden, wenn nicht das Parlament selbst seine Zustimmung gegeben hat. 26 Daher handelt es sich nicht um ein Privileg des betroffenen Abgeordneten, der für sich selbst auf die Immunität nicht verzichten kann; die Aufhebung der Immunität ist vielmehr dem Parlament selbst vorbehalten. 27 Gegenstand des Immunitätsschutzes sind nicht nur gerichtliche und staatsanwaltliche Verfolgungsmaßnahmen, sondern auch polizeiliche und sonstige verfolgungsähnliche Maßnahmen einschließlich der ehrengerichtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren sowie auch der Ersatzzwangshaft im Rahmen des Verwaltungszwangs nach § 16 VwVG. 28 In zeitlicher Hinsicht ist die Immunität auf die Dauer des Mandats beschränkt, wobei auch sog mitgebrachte Verfahren, die schon vor der Annahme des Mandats eingeleitet waren, in den Immunitätsschutz eingeschlossen sind. 29 Nach dem Ende des Mandats kann das MdA ohne Einschränkung zur Verantwortung gezogen werden, und zwar auch für ein eventuelles Fehlverhalten während der Dauer des Mandats. Die Verjährung der strafrechtlichen Verfolgung und Vollstreckung ruht während der Mandatszeit (§§ 78b StGB). Von der Immunität werden Zivilprozesse gegen ein MdA nicht erfaßt. 30 Im einzelnen regelt das AvB selbst Umfang und Verfahren der Im- 7 munität im Rahmen der GOAvB. 31 Danach werden strafrechtliche Ermittlungsverfahren, außer wegen Beleidigungen politischen Charakters, sowie disziplinarrechtliche und Ehrengerichtsverfahren allgemein genehmigt. Jedoch ist vor der Einleitung des Verfahrens dem
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vMangoldtlAchterberglKlein!Schulte Art 46 Rn 31. Vgl Stern I § 24 S 1061. vMangoldtlAchterbergl Klein! Schulte Art 46 Rn 32. So die hM, zB B D H E 1, 184, 185; Härth Voraufl Art 35 Rn 2; Klein in Schneider/Zeh § 17 Rn 41; Magiera in Sachs Art 47 Rn 14. A A BVerwGE 83, 1, 8 f. Für das AvB ist der Meinungsstreit ohne Belang, da Ordnungswidrigkeiten von der Immunität ausgenommen sind und die Durchführung von Ehrengerichts- und Dienststrafverfahren generell genehmigt ist (vgl Nr 6 ImmRiLi und Nr 1 der Ani 5 zur GOAvB). Magiera in Sachs Art 46 Rn 12. Magiera in Sachs Art 46 Rn 15. ImmRiLi, Ani 2 zur GOAvB, und Beschluß des AvB vom 11.1.1991 über das Genehmigungsverfahren in Immunitätsangelegenheiten, Ani 5 zur GOAvB
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Art. 51
Abschnitt III: Die Volksvertretung
PrAvB und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen, auch dem betroffenen MdA Mitteilung zu machen (Nr 1 der Ani 5 zur GOAvB). Die Genehmigung zur Strafverfolgung ist erst dann einzuholen, wenn die StA nach dem Abschluß der Ermittlungen Anklage erheben will. Der entsprechende Antrag der StA, der an den PrAvB zu richten ist, wird an den für die GO zuständigen Ausschuß weitergeleitet, der unter bestimmten Voraussetzungen entweder selbst entscheidet oder zu einer Beschlußempfehlung für das Plenum gelangt (Nr 4 ImmRiLi). Bei Verstößen gegen die Verkehrsvorschriften soll die Immunität grundsätzlich aufgehoben werden (Nr 5 ImmRiLi). Im übrigen steht die Aufhebung der Immunität im pflichtgemäßen Ermessen des AvB. 32 Sie gilt zunächst nur für die Strafverfolgung bis zum Abschluß des Verfahrens und ist jeweils gesondert zu entscheiden für die Untersuchungshaft und den Vollzug einer Freiheitsstrafe (Nr 7 ImmRiLi). Keiner Genehmigung bedarf die Verhaftung auf frischer Tat. 8
Genehmigungspflichtig ist immer die Haft, dh die angeordnete Freiheitsentziehung auch außerhalb eines Strafverfahrens. 33 Dazu gehören der polizeiliche Gewahrsam (§ 30 ASOG), die Ordnungshaft (zB § 380 ZPO) oder die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung (§ 8 PsychKG). Ist die Genehmigung zur Strafverfolgung erfolgt, sind im Rahmen des Ermittlungsverfahrens auch solche Maßnahmen zulässig, die die Ausübung des parlamentarischen Mandats ggf behindern können, die aber die körperliche Bewegungsfreiheit des MdA nicht weiter beeinträchtigen (zB Durchsuchung, Postüberwachung, Beschlagnahme). 34 9 Dem AvB steht ein sog Reklamationsrecht zu, dh es kann jederzeit die Aufhebung der Haft oder einer sonstigen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines MdA verlangen (Abs 4). Das Verlangen läuft darauf hinaus, daß die Immunität eines MdA ganz oder teilweise wiederhergestellt wird 35 .
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Magier a in Sachs Art 46 Rn 21. Härth Vorauf! Art 35 Rn 7; Klein in Schneider/Zeh § 17 Rn 49. vMangoldtlAchterbergl Klein! Schulte Art 46 Rn 57 m w N auch in bezug auf aA. vMangoldtlAchterberglKleinlSchulte Art 46 Rn 59.
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Art. 5 2
Berichterstattung (Lemmer)
Artikel 5 2 Niemand darf wegen wahrheitsgetreuer Berichte über die öffentlichen Verhandlungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse zur Verantwortung gezogen werden. Materialien 1. vgl Art 42 III GG; 33 III BW Verf; 22 II BayVerf; 64 III BbgVerf; 93 BremVerf; 16 HmbVerf; 90 Hess Verf; 31 II MV Verf; 22 II NdsVerf; 43 N W Verf; 87 RhPfVerf; 73 SaarlVerf; 48 IV SächsVerf; 50 IV LSA Verf; 15 II SchlH Verf; 60 III ThürVerf 2. VVGB: Art - ; VvB 1950: Art 36 3. Änderungen: -
Erläuterungen Die Verhandlungsöffentlichkeit (Art 42 III) 1 ist als ein wesent- 1 liches Element des demokratischen Parlamentarismus anzusehen. 2 Daraus leitet sich folgerichtig die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Berichterstattung über die Verhandlungen des AvB und seiner Ausschüsse ab. Die Vorschrift unterscheidet sich von dem Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art 14 VvB, Art 5 GG) dadurch, daß die Freiheit der Parlamentsberichterstattung keinem Gesetzesvorbehalt unterliegt. 3 Geschützt ist die Berichterstattung in Schrift, Bild und Wort, wobei keine Rolle spielt, wer berichtet (Journalist, sonstiger Zuhörer) und in welcher Form berichtet wird (Presse, privates Gespräch). 4 Es muß sich um einen Bericht darstellenden Charakters handeln, so daß Meinungsbekundungen oder Kommentare über Parlamentssitzungen am Privileg der Parlamentsberichterstattung nicht teilnehmen. Wahrheitsgetreu und damit geschützt ist ein Bericht dann, wenn er aus der parlamentarischen Verhandlung einen Geschehensablauf richtig und vollständig wiedergibt. 5 Daher dürfen ggf auch ehrverletzende Bemerkungen wieder-
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Hürth Voraufl Art 36 Rn 2. M agiera in Sachs Art 42 Rn 16; vgl insbesondere Stern I § 6 S 191. Pieroth in Jarass/Pieroth Art 42 Rn 6. Nach Maunz in M D H S Art 42 Rn 28 soll der Vorschrift des Art 42 III G G Grundrechtscharakter zukommen, obwohl nach hM die freie Parlamentsberichterstattung ein Parlamentsprivileg ist und nicht etwa ein Privileg der Presse. Vgl Magiera in Sachs Art 42 Rn 17. Magiera in Sachs Art 42 Rn 18.
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Art. 52
Abschnitt III: Die Volksvertretung 6
gegeben werden. Die Freiheit der Parlamentsberichterstattung gilt auch dann, wenn der Bericht den Geschehensablauf gekürzt und zusammengefaßt wiedergibt, sofern der zutreffende Eindruck des Hergangs erhalten bleibt. 7 2 Die Vorschrift privilegiert nur Berichte über öffentliche Verhandlungen des AvB, dh namentlich die Aussprache über die Gegenstände der Tagesordnung (vgl § 59 GOAvB). Geschehnisse außerhalb der Aussprache gehören dazu, zB Unruhe auf der Zuhörertribüne, Happenings von MdA oder Tätlichkeiten. 8 Nicht unter die Vorschrift fallen Berichte über Äußerungen, die nicht Teil der öffentlichen Verhandlungen des AvB waren, zB Äußerungen aus Fraktionssitzungen, nichtöffentlichen Sitzungen oder Gesprächen am Rande der Sitzung; für solche Berichte gilt ggf das allgemeine Grundrecht der Informationsfreiheit (Art 14 VvB, Art 5 GG). Der Schutzbereich der Vorschrift betrifft neben der Strafverfolgung auch alle sonstigen staatlichen Sanktionen wie dienstrechtliche, zivilrechtliche und presserechtliche Maßnahmen. 9 4 Der Schutz der freien Parlamentsberichterstattung ist außer in Art 52 weiterhin in § 37 StGB geregelt. Nach dieser bundesrechtlichen Vorschrift bleiben wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen auch der Landesparlamente und ihrer Ausschüsse von jeder Verantwortung frei. Der Vorschrift kommt aber gegenüber Art 52 nur eine nachrangige Bedeutung zu, weil das Recht der freien Parlamentsberichterstattung hinsichtlich der Landesparlamente zur Gesetzgebungskompetenz der Länder und nicht des Bundes gehört. 10 Abgesehen davon bezieht sich § 37 StGB nur auf mögliche strafrechtliche Sanktionen, nicht aber auf die sonstigen, zB dienstrechtlichen Maßnahmen wegen der Parlamentsberichterstattung. Ähnlich wie im Fall der Indemnität (Art 51 I) handelt es sich bei dem Recht auf freie Parlamentsberichterstattung um einen Strafausschließungsgrund. Enthält ein Parlamentsbericht objektiv einen Verstoß gegen das Strafrecht, so bleibt zwar das Verhalten rechtswidrig und ggf schuldhaft, ist aber dennoch nicht strafbar infolge des ausdrücklichen Straf-
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Härth Voraufl Art 36 Rn 3. Härth Voraufl aaO. In Anlehnung an Art 42 III GG, der die privilegierte Berichterstattung auf die „Sitzungen" erstreckt, während in Art 52 VvB einschränkend von „Verhandlungen" die Rede ist. Vgl Magiera in Sachs Art 42 Rn 19 mwN; aA Härth aaO, wonach nur die Aussprache, nicht aber der gesamte Sitzungsablauf Gegenstand der Vorschrift sein soll. Magiera in Sachs Art 42 Rn 20. Vgl dazu Art 51 Rn 4.
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Art. 5 3
Abgeordnetenentschädigung (Lemmer) 11
ausschließungsgrundes nach Art 52. Die Bedeutung der Vorschrift besteht darin, daß sie von vornherein eine freie und uneingeschränkte Parlamentsberichterstattung gewährleistet, in laufenden Strafverfahren aber kaum angewendet werden muß. 12
Artikel 53 Die Abgeordneten erhalten eine angemessene Entschädigung. Alles Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl Art 48 III GG; 40 BW Verf; 31 BayVerf; 60 BbgVerf; 82 BremVerf; 13 I HmbVerf; 98 Hess Verf; 22III MV Verf; 13 III NdsVerf; 50 NW Verf; 97 RhPfVerf; - SaarlVerf; 42 III SächsVerf; 56 V LSA Verf; 11 III SchlH Verf; 54 ThürVerf 2. VVGB: Art 8; VvB 1950: Art 38 3. Änderungen: Abs 2 (freie Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel) aufgehoben durch das 1. ÄndG zur VvB vom 14.6.1996 (GVB1 S 233).
Erläuterungen Der Text der Vorschrift berücksichtigt die Rechtsprechung des 1 BVerfG zur Frage der Abgeordnetendiäten. 1 Bis zum 19. ÄndG zur VvB 1950 vom 18.7.1978 2 war lediglich eine „Aufwandsentschädigung" vorgesehen (Art 38 VvB 1950). Für die seitdem vorgesehene „angemessene Entschädigung" war die Überlegung ausschlaggebend, daß die Tätigkeit der Abgeordneten nicht nur des BT, sondern auch der LT zu einem die Arbeitskraft fordernden Beruf geworden ist, der die Zeit und die Arbeitskraft eines Abgeordneten ganz oder teilweise 11
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Lenckner in Schönke/Schröder StGB § 37 Rn 1; aA νMangoldtlKlein!Achterberg/Schulte Art 42 Rn 54 mwN, wonach bei der Parlamentsberichterstattung sogar die Rechtswidrigkeit entfällt. Die Auffassung von Lenckner vermag im Interesse der Rechtsordnung eher zu überzeugen, weil strafbares Verhalten rechtswidrig bleibt, die Tat im Interesse der vollständigen Parlamentsberichterstattung aber nicht bestraft wird. Vgl Hürth Voraufl Art 37 Rn 4.
' BVerfGE 40, 296 („Abgeordnetendiäten"). 2 GVB1S 1333.
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Art. 5 3
Abschnitt III: Die Volksvertretung
in Anspruch nimmt. 3 Unter diesem Aspekt ist die Entschädigung als Entgelt anzusehen, das der Bestreitung des Lebensunterhalts des MdA dient. Sie soll zugleich die Unabhängigkeit des MdA sicherstellen. 2 Dabei war in Betracht zu ziehen, daß die Inanspruchnahme durch das Mandat im Laufe der Zeit gewachsen ist, so daß ein Abgeordneter weit davon entfernt ist, mit einer als allgemein üblich zu veranschlagenden Regelarbeitszeit sowohl den mandatsbezogenen und als auch seinen beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Zudem verlangt die parlamentarische Demokratie in einer komplizierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft, in der zugleich die Anforderungen des Rechtsstaats, der Grundrechte und des Pluralismus zu berücksichtigen sind, „vom Abgeordneten mehr als nur ehrenamtliche Nebentätigkeit". 4 Ohne den berufsmäßigen Einsatz seiner Arbeitskraft, zumindest iS einer Teilzeittätigkeit, wird daher auch der Abgeordnete eines LT die mit dem Mandat verbundenen Aufgaben nicht erfüllen können. Jedenfalls handelt es sich bei der Entschädigung nicht mehr um die Erstattung von Aufwand für den Inhaber eines Ehrenamts, sondern um die Bezahlung einer beruflichen Tätigkeit, die mit der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes, nämlich das eines Abgeordneten, verbunden ist.5 Die Entschädigung ist indessen nicht als Gegenleistung für geschuldete oder geleistete Dienste des MdA aufzufassen. Sie trägt vielmehr den Charakter einer „Alimentation" 6 , weil das MdA keine Dienste schuldet, sondern als Inhaber eines öffentlichen Amtes das Mandat frei und unabhängig wahrnimmt. Auch insofern sind daher die MdA einander formal gleichgestellt, so daß Differenzierungen in der Höhe der Entschädigung, etwa wegen unterschiedlich starker Inanspruchnahme, nicht zulässig sind. Ausnahmen gelten nur für den PrAvB und die Vizepräs, die nach der VvB herausgehobene Aufgaben wahrnehmen (vgl Art 41 II).? 3
Die Einzelheiten der Entschädigung sind, wie in Satz 2 vorgesehen, durch G, nämlich im LAbgG, geregelt. Die Höhe der Entschädigung (derzeit monatlich 5600 DM, § 6 LAbgG) liegt im Vergleich mit den
3
Vgl Eschenburg zitiert in BVerfGE 40, 296, 311. « BVerfGE 40,296, 313; vgl auch BVerfGE 76, 256, 342. s BVerfGE 40, 296, 314; Magiern in Sachs Art 48 Rn 18. 6 Magiera aaO Art 48 Rn 23. 7 Vgl BVerfGE 40, 296, 318. Zulässig hingegen sind Entgelte und Aufwandsentschädigungen aus Fraktionsmitteln an MdA, die besondere Funktionen der Fraktion wahrnehmen (§ 8 X Nr 2 b FraktG).
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Abgeordnetenentschädigung (Lemmer)
Art. 53
anderen Landesparlamenten an drittletzter Stelle.8 Neben der Entschädigung erhält das MdA eine Amtsausstattung (Kostenpauschale monatlich 1700 DM, § 7 LAbgG) zur Abgeltung der durch das Mandat veranlaßten Mehraufwendungen wie Porto, Telefon und Fahrkosten; für jedes Fernbleiben von einer Sitzung wird die Kostenpauschale um 50 D M gekürzt. Auf die Entschädigung werden in bestimmtem Umfang andere Einkommens- oder Versorgungsbezüge aus öffentlichen Kassen angerechnet (§ 21 LAbgG). Je nach Dauer der Mitgliedschaft erhält das ausgeschiedene MdA mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters (frühestens ab dem 61. Lebensjahr) eine Altersentschädigung, die zB 35 vH der Entschädigung beträgt, wenn neun Jahre Mitgliedschaft zurückgelegt sind und das 63. Lebensjahr vollendet ist (§ 11 LAbgG). Die Entschädigung unterliegt ebenso wie die Altersentschädigung der Einkommensteuer. 9 Da nach der VvB das Nähere durch G geregelt wird, ist es unver- 4 meidlich, daß das AvB als das verfassungsmäßige Gesetzgebungsorgan in eigener Sache zu entscheiden hat. 10 Auf der anderen Seite bietet aber gerade das Gesetzgebungsverfahren die Gewähr, daß die Willensbildung und der Entscheidungsprozeß in aller Öffentlichkeit stattfinden und für jedermann durchschaubar sind. Diesem Gesichtspunkt kommt bei der Entschädigungsregelung besondere Bedeutung zu. 11 Der PrAvB hat bis zum 31. Mai jeden Jahres im Benehmen mit dem Ältestenrat dem AvB einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung vorzulegen (§ 22 LAbgG). Dieser Bericht wird als Drs des AvB veröffentlicht. 12 Er wird vorbereitet durch Beratung in einer unabhängigen Kommission, der der Präsident des RH und andere sachverständige Mitglieder angehören (§ 22 IV LAbgG). An Hand der Entwicklung der Bruttoverdienste und Sozialrenten gelangt die Kommission jeweils zu einem Vorschlag, der entsprechend den
8
Vgl von Arnim in Schneider/Zeh § 16 Tabelle 1 (Stand 1988); die drittletzte Position des AvB ist nach dem Beitritt der neuen Länder unverändert geblieben. 9 § 22 Nr 4 EStG. Vgl BVerfGE 40, 296, 328. 10 Auch ohne Satz 2 bedarf eine Entschädigungsregelung der Gesetzesform, vgl BVerfGE 40, 296, 327. 11 BVerfGE 40, 296, 327. '2 ZB Bericht des PrAvB vom 5.11.1998 (AvB Drs 13/3245). Was die Höhe der Entschädigung anlangt, geht die Kommission ganz allgemein davon aus, daß sich das AvB selbst als ein Teilzeitparlament versteht; andererseits muß aber nach Auffassung der Kommission der Lebensunterhalt für solche MdA, die kein weiteres Einkommen erzielen, ausreichend sichergestellt werden (S 2).
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Art. 54
Abschnitt III: Die Volksvertretung
gesetzlichen Anforderungen (§ 22 II LAbgG) auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die daraus folgenden strukturellen Veränderungen berücksichtigt. 13 Die Kommission vermag zwar dem AvB die Verantwortung für seine Entscheidung in eigener Sache nicht abzunehmen, ermöglicht aber ein weitgehend objektives Verfahren mit einem Ergebnis, das in der Öffentlichkeit rational nachvollzogen werden kann. 14 5 Das früher in Abs 2 geregelte Recht der MdA auf freie Benutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel, die sich im Besitz Berlins befinden, ist mit dem 1. ÄndG zur VvB ersatzlos weggefallen. Damit wurde der ausdrücklichen Gesetzesregelung Rechnung getragen, daß mit der Gewährung der monatlichen Kostenpauschale ua auch die Fahrkosten der MdA abgegolten werden (§ 7 II LAbgG). Nach Bundesrecht ist allerdings ein Anspruch der Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften der Länder auf freie Benutzung der Eisenbahnen des Bundes innerhalb der jeweiligen Gebietskörperschaft vorgesehen. 15 Das AvB hat aber auf die Inanspruchnahme der freien Eisenbahnbenutzung verzichtet, so daß für Berlin demgemäß auch die bundesgesetzlich festgelegte Abgeltungszahlung an die Bahn entfallen ist.
Artikel 54 (1) Das Abgeordnetenhaus wird unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 5 für fünf Jahre gewählt. Die Wahlperiode beginnt mit dem ersten Zusammentritt des Abgeordnetenhauses. Die Neuwahl findet frühestens 56 Monate und spätestens 59 Monate nach dem Beginn der Wahlperiode statt. (2) Das Abgeordnetenhaus kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließen, die Wahlperiode vorzeitig zu beenden.
13
14 15
Hinsichtlich der langfristigen Entwicklung hat die Kommission festgestellt, daß sich der Rückstand der Entschädigung gegenüber der Einkommensentwicklung seit 1979 auf 40% belaufe (Stand 1994), so daß das Zurückbleiben der Entschädigung nunmehr als strukturell vorgegeben zu erachten sei und bei der künftigen Anpassung unberücksichtigt bleiben müsse (Bericht des PrAvB vom 9.9.1997 AvB Drs 13/2070 S 2). Vgl Schlußbericht der Enquête-Kommission S 9. Art 8 § 3 des G zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (EisenbahnneuordnungsG - ENeuOG) vom 27.12.1993 (BGBl I S 2378, 1994 S 2439).
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Wahlperiode, vorzeitige Auflösung, Zusammentritt (Magen)
Art. 54
(3) Die Wahlperiode kann auch durch Volksentscheid vorzeitig beendet werden. (4) Im Falle der vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode findet die Neuwahl spätestens acht Wochen nach dem Beschluß des Abgeordnetenhauses oder der Bekanntgabe des Volksentscheides statt. (5) Die Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt des neugewählten Abgeordnetenhauses. Das Abgeordnetenhaus tritt spätestens sechs Wochen nach der Wahl unter dem Vorsitz des ältesten Abgeordneten zusammen.
Materialien
1. vgl Art 39 GG; 30, 43 BW Verf; 16, 18 BayVerf; 62, 76-78 BbgVerf; 75, 76 BremVerf; 10, 11 HmbVerf; 79, 82 HessVerf; 27 MV Verf; 9, 10, 30 NdsVerf; 34-37 NW Verf; 83, 84, 109 RhPfVerf; 43, 45, 60 LSA Verf; 67, 69 SaarlVerf; 44, 58 SächsVerf; 13 SchlH Verf; 50 ThürVerf 2. VVGB: - ; VvB 1950: Art 39 3. Änderungen: Abs 1 durch das 2. ÄndG VvB ν 3. April 1998 (GVB1 S 82) 4. a) Landeswahlgesetz vom 25. September 1987 (GVB1 S 2370), zuletzt geändert durch G vom 22. Dezember 1998 (GVB1 S 432) b) Landeswahlordnung vom 8. Februar 1988 (GVB1 S 373), zuletzt geändert durch VO vom 1.2.1999 (GVB1 S 64) c) G über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vom 11. Juni 1997 (GVB1 S 304) d) VO über Durchführung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Abstimmungsordnung) vom 3. November 1997 (GVB1 S 583)
Erläuterungen Die Dauer der WP wird den Ländern im G G nicht vorgeschrieben, 1 sie unterliegt der Gestaltungsfreiheit der Landesverfassung oder des Landesgesetzgebers. Da bei Ablauf der Legislaturperiode alle nicht vom Parlament erledigten Vorlagen nach dem Grundsatz der Diskontinuität bei dem neu gewählten Parlament erneut eingebracht und von Anfang an wieder beraten werden müssen (vgl Rn 3), ist in den Ländern Bay, Bbg, Nds, NW, RhPf, Sachs, Saarl und Thür eine fünf Jahre dauernde WP festgelegt worden. Die Dauer der WP wurde in der Enquête-Kommission des BT und 2 des AvB 1 eingehend erörtert. Während die Bundeskommission keine
' BT Drs 12/6000, S 94, 95; AvB Drs 12/4376, S 14, 15.
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Empfehlung für die Verlängerung auf fünf Jahre abgegeben hat, hat sich die Berliner Kommission mehrheitlich für eine Dauerregelung ausgesprochen. In beiden Kommissionen bestand Übereinstimmung, daß für eine Effektivität und Kontinuität der Parlamentsarbeit (Einarbeitungszeit für neue Mitglieder, Verminderung der Gesetzgebungsberatungen im letzten halben Jahr vor Neuwahlen, kein Zeitdruck für umfangreiche Gesetzgebungsarbeiten) eine längere Legislaturperiode von 5 Jahren nützlich wäre. In der Bundeskommission wurde jedoch in einer mehr als vierjährigen WP die Gefahr eines Defizits der Repräsentation des Wählerwillens befürchtet, die ohne gleichzeitige Einführung von plebiszitäten Elementen (Volksbegehren) und (Parlamentsauflösung durch Volksentscheid) nicht vertretbar sei.2 Da nunmehr in Art 62 und 63 VvB diese Möglichkeiten vorgesehen sind, entfallen in Berlin diese Bedenken. Eine Verfassungsänderung während einer laufenden W P mit dem Ziel, in dieser Zeit die WP zu verkürzen oder zu verlängern, ist nicht möglich, da andernfalls die Rechte des Wählers und der gewählten Abgeordneten einschneidend berührt werden würden. 3 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat jedoch eine Verlängerung der WP in einer besonderen Zwangslage für zulässig erklärt. 4 Hiergegen sind jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden. 5 Daher kann die Änderung der WP nur in der folgenden WP wirksam werden. Eine Verkürzung der WP ist nur über den in Art 54 Absätze 2 und 3 VvB vorgesehenen Weg möglich. 3 Mit dem Ende der WP endet für den Abgeordneten sein Status, zB Diätenbezug, Immunität, Indemnität, Zeugnisverweigerungsrecht (personelle Diskontinuität). Die sogenannte sachliche Diskontinuität bedeutet, daß alle Vorlagen, die einer Beschlußfassung durch das AvB bedürfen, als erledigt gelten und in der folgenden WP neu eingebracht werden müssen. Dies gilt auch für Vorlagen zur dritten Lesung gem Art 59 Abs 5 VvB. Dadurch soll den neu in das AvB gewählten Abgeordneten die Möglichkeit gegeben werden, eine Vorlage von Anfang an neu zu beraten. Außerdem haben sich die Mehrheitsverhältnisse im AvB durch die Wahlen verändert.
2
AaO. 3 BVerfGE 1, 14, 33; 62, 1,32. 4 BayVerfG DÖV 1958, 300. 5 MangoldlKleinlAchterberglSchulte Art 39, Rn 4 GG; Das Deutsche Bundesrecht, November 1995, Erl 1 zu Art 39 GG.
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Wahlperiode, vorzeitige Auflösung, Zusammentritt (Magen)
Art. 5 4
Der Beginn der W P hängt vom Wahltag ab, weil Art 54 Abs 5 4 Satz 2 VvB vorschreibt, daß das AvB spätestens sechs Wochen nach der Wahl zusammentreten muß; der Wahltag hat daher eine große Bedeutung. Für die Bundestagswahl wird der Wahltag nach § 16 BWG vom BPr festgelegt, der dabei jedoch in der Regel den Vorschlag der BReg übernimmt. In Berlin wird der Wahltag nach § 33 Abs 2 LWG vom Senat festgesetzt. Während bei der Europawahl die Wahl an mehreren Tagen stattfinden kann, kennt das deutsche Wahlrecht nur eine 1-Tages-Wahl. Am Wahltag können Wahlberechtigte, die von Berlin abwesend oder verhindert sind, das Wahllokal aufzusuchen, durch Briefwahl wählen. Da die Wahlen ausschließlich von der Verwaltung vorbereitet und durchgeführt werden, ist es sinnvoll, daß nicht das Parlament, sondern der Senat den Wahltag bestimmt. Dabei wird er natürlich versuchen, sich vorher mit den Parteien auf einen, auch diesen genehmen Termin zu einigen. Es sind jedoch auch administrative Belange zu berücksichtigen, wie zB Mehrfachbelastung des Statistischen Landesamtes (zB durch Großzählungen), Berücksichtigung von Ferien, um eine hohe Wahlbeteiligung sicherzustellen und um genügend Wahlhelfer zur Verfügung zu haben (in Berlin werden ca. 25000 ehrenamtliche Mitglieder für die Wahlorgane benötigt). Der Senat ist jedoch nicht frei in der Festlegung des Wahltages, weil durch Art 54 Abs 1 Satz 3 ausdrücklich vorgeschrieben wird, daß die Neuwahl frühestens sechsundfünfzig und spätestens neunundfünfzig Monate nach dem Beginn der WP stattfinden muß. Innerhalb dieser Spanne von drei Monaten kann der Wahltag vom Senat durch förmlichen Senatsbeschluß festgelegt werden. Dies kann schon sehr frühzeitig geschehen. Der Termin muß öffentlich bekanntgemacht werden, um den Parteien, Einzelbewerbern und Wählergemeinschaften Gelegenheit zu geben, mit ihren Vorbereitungen frühzeitig zu beginnen. Grundsätzlich kann der Senat den Termin nach der Bekanntmachung nur ändern, wenn außergewöhnliche Umstände eintreten, da die Kandidaten und Parteien im Vertrauen auf den ursprünglich festgelegten Termin bereits feste Vorbereitungen getroffen haben könnten; dies gilt insbesondere bei einer Vorverlegung des Wahltages. 6 Das BVerfG hat als Orientierungspunkt für das der Regierung auf- 5 zuerlegende Verbot, ihre Öffentlichkeitsarbeit in Form von Wahlwerbung zu betreiben, etwa den Zeitpunkt gelten lassen, an dem der
6 LVerfG RhPf DÖV 1984, 720; NVwZ 1984, 574.
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Bundespräsident den Wahltag für die Bundestagswahl bestimmt. 7 Bei einer sehr frühzeitigen Bekanntgabe eines Wahltages würde diese Sperrwirkung für die Öffentlichkeitsarbeit des Senats sehr früh eintreten. Daher hat man sich in den Ländern darauf verständigt, diese Form der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung spätestens fünf Monate vor dem Wahltag einzustellen. Damit sich die Bewerber, Parteien und Wählergemeinschaften sowie die Verwaltung auf die Wahlen vorbereiten können, gibt der Senat außer dem Wahltermin auch die Mindestzahl der in Berlin zu wählenden Abgeordneten (130), die Zahl der Wahlkreise (78) und deren Verteilung auf die Wahlkreisverbände (Bezirke) sowie die örtliche Abgrenzung der Wahlkreise sehr frühzeitig 8 im ABl bekannt. Im Gegensatz zum Bund und zu den westdeutschen Ländern (mit Ausnahme von SchlH), in denen die örtliche Abgrenzung der Wahlkreise im G festgelegt wird, obliegt dies in Berlin gemäß § 9 Abs 4 LWG den Bezirken. Vor der Beschlußfassung des BzA dürfen die zuständigen Parteiversammlungen keinen Wahlkreisbewerber aufstellen, weil im Gegensatz zu den Listenbewerbern dort nicht nur die Benennung der Bewerber vorgenommen wird, sondern auch eine Zuordnung der Bewerber zu bestimmten, räumlich beschriebenen Wahlreisen erfolgt.* Das AvB kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder, dh der tatsächlich gewählten (zZ 169) Mitglieder beschließen, die WP vorzeitig zu beenden. Eine solche Entscheidung wird dann gefallt werden, wenn entweder eine sog. Patt-Situation entstanden ist, dh die Regierungsfraktionen verfügen über die gleiche Stimmenzahl wie die Oppositionsfraktionen, oder wenn die Regierungsfraktionen nur über eine knappe Mehrheit verfügen, durch die eine kontinuierliche parlamentarische Arbeit nicht mehr gesichert ist. Im Gegensatz zum GG, das weder ein Selbstauflösungsrecht des BT noch die Möglichkeit der vorzeitigen Parlamentsauflösung durch Volksbegehren und Volksentscheid vorsieht, ist nach den Verfassungen von BW, Bbg, Brem, NW und Bin möglich, daß das Volk in einer Volksabstimmung die vorzeitige Beendigung der WP herbeiführt. Die Berliner Regelung knüpft an die Preußische Verfassung vom 30. November 1920 an. Auch in der Weimarer Zeit sahen mehrere Landes-
7
BVerfGE 44, 125, 153. § 9 LWG: Verteilung der Wahlkreis auf die Bezirke spätestens 44 Monate, örtliche Abgrenzung spätestens 47 Monate nach Beginn der WP. 9 OVG Münster DÖV 1983,477; DVB1 1983, 52. 8
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Wahlperiode, vorzeitige Auflösung, Zusammentritt (Magen)
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Verfassungen die vorzeitige Auflösung des Landtages durch Volksbegehren und Volksentscheid vor. In der allerersten Fassung des Art 39 Abs 1 VvB 1950 war das Volksbegehren nicht vorgesehen; dies ist erst durch das 17. ÄndG VvB vom 22.11.1974 eingefügt worden. Dazu war ein AusfG vom 27.11. 1974 (GVB1 S 2774), zuletzt geändert durch G vom 8.11.1990 (GVB1 S 2246), ergangen. Nunmehr regeln die unter N r 4 der Materialien aufgeführten Gesetze und Verordnungen das Verfahren. Nähere Einzelheiten vgl Art 62 und 63. Hinsichtlich der im Jahre 1981 in dieser Beziehung erfolgten Ereignisse vgl Rn 15 zu Art 39 der Vorauflage. Sowohl bei einem erfolgreichen Volksentscheid als auch bei einer vorzeitigen Auflösung des AvB durch eigenen Beschluß muß spätestens innerhalb von acht Wochen die Neuwahl des AvB und wegen des Art 70 auch die der BVVen erfolgen. Die 8-Wochen-Frist beginnt bei der plebiszitären Auflösung mit der amtlichen Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses des Volksentscheides im GVBl, im Falle des AvB-Beschlusses mit dem Tage der Beschlußfassung. Für die Berechnung der Frist gelten die §§ 186 ff BGB. Während bei einer durch Zeitablauf beendeten W P und bei rechtzeitiger Festlegung des Wahltermins eine ausreichend lange Vorbereitungszeit für die Parteien und die Verwaltung zur Verfügung steht, müssen bei einer vorzeitigen Beendigung der WP die Wahlvorbereitungen in wenigen Wochen abgewickelt werden. Daher sieht § 80 a LWO sehr verkürzte Fristen vor. Bis zur konstituierenden Sitzung des neugewählten AvB behalten alle Abgeordneten ihre bisherigen Rechte; dies ist nicht der Fall, wenn sie vorher ihr Mandat niederlegen. In diesem Fall müssen auch für die nur noch relativ kurze Zeit Nachfolger berufen werden, weil es keine parlamentslose Periode mehr gibt. Nach § 33 Abs 1 LWG müssen die Wahlen an einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag stattfinden. Da diese Vorschrift nicht in der Verfassung vorgeschrieben ist, kann sie durch ein einfaches Gesetz geändert werden. Um eine hohe Wahlbeteiligung nicht zu gefährden, sollten Wahlen nicht an einem Arbeitstag stattfinden. Allerdings kann sich durch die Festlegung auf einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag die 8-Wochen-Frist verkürzen. Eine Verlängerung ist nicht zulässig (vgl Rn 2). Da es keinen Ausschuß zur Wahrung der Rechte des AvB mehr gibt (vgl Rn 8 zu Art 39 der Vorauflage und Rn 9 zu Art 39 der ersten Auflage), darf es keine parlamentslose Zeit geben. Das aufgelöste AvB muß also bis zum Zusammentritt des neuzuwählenden AvB mit allen Rechten und Pflichten weiterarbeiten. 235
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Das Selbstversammlungsrecht zählt zu den traditionellen Rechten eines jeden Parlaments; es ist Ausfluß der allgmeinen Parlamentsautonomie, das heißt das Recht eines jeden Parlamentes, seine Angelegenheiten selbständig zu regeln. Durch Art 54 Abs 5 VvB wird es allerdings eingeschränkt. Der genaue Zeitpunkt des ersten Zusammentritts ist in der Verfassung nicht festgelegt. Die späteste Frist ist auf den Wahltag bezogen worden und beträgt nunmehr sechs Wochen. Allerdings muß erst die amtliche Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses durch den Landeswahlausschuß abgewartet werden. Dieser kann erst zusammentreten, wenn ihm von den Bezirkswahlausschüssen die vorläufig festgestellten regionalen Wahlergebnisse in amtlichen Protokollen mitgeteilt worden sind. Dafür haben die Bezirkswahlausschüsse bis zu 10 Tagen nach dem Wahltag Zeit. 10 Die Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses im Abi. hat nunmehr nur noch deklaratorische Bedeutung und braucht nicht mehr abgewartet zu werden. Da der Landeswahlausschuß erfahrungsgemäß spätestens 14 Tage nach der Wahl zusammentrat, bleibt gegenüber dem früheren Rechtszustand nunmehr für den Termin der ersten Sitzung etwas mehr Zeit. Der bisherige Präsident, auch wenn er nicht wieder zum Abgeordneten gewählt worden ist, legt den genauen Termin der ersten Sitzung fest 11 , beruft das Parlament zur ersten Sitzung ein.
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Der älteste Abgeordnete (Alterspräsident), und wenn dieser dazu nicht bereit oder in der Lage ist, der nächst älteste Abgeordnete, eröffnet die Sitzung, beruft die vier jüngsten Mitglieder zu Beisitzern und bildet mit ihnen bis zur Wahl des Präsidenten das vorläufig amtierende Präsidium; er stellt die Beschlußfähigkeit des Hauses durch Namensaufruf fest und führt die Wahl des Präsidenten durch. 12 Danach ist seine Funktion erloschen. Er gehört nicht dem Präsidium an. Scheiden jedoch der Präsident und seine beiden Stellvertreter aus, so hat der Alterspräsident unverzüglich die Ersatzwahl zu veranlassen. 13
!0 § 11 § § '3 §
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70 LWO. lOGOAvB. 10 Abs 3 GOAvB. 12 Abs 4 GOAvB.
Abschnitt IV Die Regierung
Artikel 55 (1) Die Regierung wird durch den Senat ausgeübt. (2) Der Senat besteht aus dem Regierenden Bürgermeister und bis zu acht Senatoren, von denen zwei zu Bürgermeistern gewählt werden. Materialien 1. vgl Art 62 GG; 45 I, II BW Verf; 43 BayVerf; 82 BbgVerf; 107 I BremVerf; 33 HmbVerf; 100 Hess Verf; 41 MV Verf; 28 NdsVerf; 51 N W Verf; 98 I RhPfVerf; 86 SaarlVerf; 59 SächsVerf; 64 I LSA Verf; 26 I SchlH Verf; 70 I, II ThürVerf 2. VVGB: Art 11; VvB 1950: Art 40 3. Änderungen: Abs 2 geändert durch das 2. ÄndG VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82).
Erläuterungen Der SvB ist die Landesregierung des Landes Berlin. Er übt die 1 eigentlichen Regierungsgeschäfte aus, ist aber auch Verwaltungsspitze, ohne Verwaltungsbehörde zu sein.1 Unter „Regierung" iSv Art 55 I ist die politische Leitung der Exekutive zu verstehen. 2 Dem SvB untersteht unmittelbar die Hauptverwaltung, wie sich aus Art 67 I VvB, § 2 I AZG ergibt. Der insofern klärende, aber als überflüssig erachtete Art 44 VvB 1950 (Hauptverwaltung, Justizverwaltung und ebenso die Polizei unterstehen dem SvB, Wahl der Generalstaats-
1
2
Vgl Drügemöller LKV 1995, 393, 395: Der SvB ist nicht oberste Landesbehörde, sondern bloßes Regierungskollegium und hat keinen Behördencharakter. Zivier Rn 43.2.
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Abschnitt IV: Die Regierung
anwälte und des PolPr ist entfallen). Der SvB ist also auch dafür zuständig, die Verwaltung (dh den „unpolitischen" Teil der Exekutive) zu leiten. 3 Art 67 I stellt klar, daß der SvB grundsätzlich diejenigen Aufgaben wahrnimmt, die von gesamtstädtischer Bedeutung sind. Insoweit unterstehen ihm auch die Bezirksverwaltungen. Grundsätzlich hat der SvB auch eine Weisungsbefugnis über alle Verwaltungsorgane im Bereich der Hauptverwaltung, die einer damit korrespondierenden parlamentarischen Verantwortlichkeit unterliegen. Hinsichtlich der Bezirke kann anstelle der Fachaufsicht ein Eingriffsrecht geregelt sein (vgl Art 67 I S 3 VvB, § 13a AZG). 4 Der SvB und seine Mitglieder tragen gegenüber dem Parlament die politische Verantwortung für das Handeln der Verwaltung. 5 2 Mit der Änderung des Art 55 II durch das 2. ÄndG VvB besteht der SvB nur noch aus höchstens 9 Mitgliedern. Dies bedeutet eine Reduzierung um 2 Mitglieder gegenüber der vor der Verwaltungsund Verfassungsreform 1994/95 geltenden Regelung, die ihrerseits die Anzahl der Mitglieder um 7 verringert hatte. 3 Jeder Senator ist Spitze einer Senatsverwaltung und leitet seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung innerhalb der Richtlinien der Regierungspolitik (Ressortprinzip, Art 58 V 1 VvB, vgl § 6 I GOSvB). Damit betont die VvB die Gleichstellung und Selbständigkeit der einzelnen Senatsmitglieder stärker als das G G und die meisten anderen Landesverfassungen. 6 Bei Meinungsverschiedenheiten oder auf Antrag des RB entscheidet der SvB (Art 58 V 2 VvB). 4 Die Mitglieder des SvB werden vom AvB gewählt, Art 56 I und II VvB. Die Zahl der Geschäftsbereiche des SvB sowie ihre Abgrenzung werden auf Vorschlag des RB vom AvB beschlossen (Art 58 IV 1). Notwendig ist die Bestellung eines Senators für Finanzen, Art 88 III, und eines Senators für Justiz, Art 95 II, 98 IV GG, vgl auch §§ 2 I, 8 I BlnRiG. Zumindest der Justizsenator muß aber nicht zwangsläufig personenverschieden mit dem Inhaber eines anderen Ressorts sein.7 Ferner ist von der Notwendigkeit der Bestellung eines Bürgermeisters auszugehen, der dem RdB vorsitzt und den RB bei dessen Verhinderung vertreten kann. Nach der Verfassungsänderung vom 3. April 1998, durch die die Wahl von zwei Bürgermeistern festgeschrieben wird, ergibt sich ebenfalls indirekt, daß der SvB aus mindestens drei
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Zivier aaO. Vgl zum Eingriffsrecht Rn 33 zu Art 66/67. Zivier aaO. Zivier Rn 45.2. S unten Rn 12.
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Senat (Neumann)
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Mitgliedern bestehen muß. Bgm und Senatoren werden jeweils auf Vorschlag des RB vom AvB gewählt (Art 55 II VvB). Vertretungsregelungen unter den Mitgliedern des SvB sind der VvB 5 nach der Änderung des Art 40 VvB 1950 durch die Verfassungsänderung vom 23. September 1995 nicht mehr zu entnehmen. Die Vertretung des RB ist in § 4 I GOSvB geregelt. Er wird bei Abwesenheit oder sonstiger Behinderung durch den Bgm vertreten (S 1). Ist auch der Bgm abwesend oder verhindert, so wird er nach der geltenden Regelung durch das an Dienstjahren älteste Mitglied des SvB vertreten. Bei gleicher Zahl von Dienstjahren vertritt den Bgm das an Lebensjahren älteste Senatsmitglied (S 2). Allerdings ergibt sich aus der Neufassung des Art 55 II, daß von den Mitgliedern des SvB nunmehr zwei zu Bürgermeistern gewählt werden, was insofern bei der Vertretungsregelung zu beachten ist, aber noch nicht Niederschlag in der GOSvB oder den gesetzlichen Regelungen gefunden hat (Ausnahme: § 11 I 1 lit a SenG idF ν 22.12.1998, GVB1 S 431). Welcher von beiden Bgm den RB zunächst vertritt, ist daher noch ungewiß. Jedenfalls aber ist der Regelung der Einführung eines zweiten Bürgermeisteramtes durch das 2. ÄndG VvB keine Hierarchie zwischen den beiden Bürgermeisterämtern zu entnehmen. Es ist jedoch davon auszugehen, daß es erst zu einer Vertretung durch ein anderes Senatsmitglied kommen wird, wenn sowohl der RB als auch beide Bgm verhindert sind. 8 Die Zuständigkeit des SvB ist der VvB nur verstreut zu entnehmen 6 (vgl aber insb § 10 GOSvB). So beschließt der SvB über: 1. den Vorschlag über die Richtlinien der Regierungspolitik, Art 58 II; 2. Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Senatsmitglieder berühren, Art 58 V 2; 3. das Verlangen auf unverzügliche Einberufung des AvB, Art 42 II; 4. die Einbringung von Gesetzentwürfen beim AvB, Art 59 II, 62 II; 5. das Verlangen auf Vornahme einer dritten Lesung eines Gesetzes, Art 59 V; 6. den Erlaß von RechtsVO, wenn er durch Gesetz dazu ermächtigt wurde, Art 64 I; 7. Begnadigungen, Art 81; 8. Haushaltsüberschreitungen (Art 88 I); 9. die jährliche Rechnungslegung gegenüber dem AvB, Art 94 I; 10. Vorschläge über die Besetzung und Abberufung der Präsidenten der oberen Landesgerichte (Art 82 II) und des Präsidenten des LRH (Art 95 II); 8 Vgl Art 56 Rn 13, Art 58 Rn 18.
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Abschnitt IV: Die Regierung
11. Einstellungen, Entlassungen usw der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gem Art 77 I, 82 I 1 u II; 12. die GOSvB, Art 58 IV 2. 7
Die Zuständigkeit des SvB zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften zur Ausführung von Gesetzen ist selbstverständlich (vgl Art 64 III 2, 67 II 2), so daß Art 47 II 1 VvB 1950 entfallen konnte. Sie ist gesetzlich wie bisher in § 6 AZG festgeschrieben. Allerdings schreibt § 6 III A Z G 9 vor, daß Verwaltungsvorschriften auf ein zwingend gebotenes Mindestmaß zu beschränken sind. Den verfassungsmäßig gewährleisteten Mitwirkungsrechten der Bezirke an der Verwaltung (vgl Art 66 VvB) ist in §6 IV AZG Rechnung getragen. Danach hat die Innenverwaltung als Bezirksaufsichtsbehörde beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften dafür zu sorgen, daß die bezirkliche Mitwirkung an der Verwaltung gefördert und geschützt und die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der bezirklichen Organe nicht beeinträchtigt wird. Hierin ist ein weiterer konsequenter Schritt zur Wahrung und Stärkung der bezirklichen Selbstverwaltungsrechte zu sehen. Weitere Zuständigkeiten des SvB ergeben sich aus einfachen Gesetzen, oder aus der GOSvB, zB Zustimmung zu Staatsverträgen und Verwaltungsvereinbarungen, § 20 AZG, Maßnahmen im Rahmen der Bezirksaufsicht, §§ 1 1 1 3 a AZG, Abstimmungsverhalten im Bundesrat (§ 17 III GOSvB). Wird eine Angelegenheit dem Senatskollegium vorgelegt, dann ist seine Entscheidung für das federführende Senatsmitglied verbindlich, dies gilt auch in den Fällen, in denen die Vorlage freiwillig erfolgte. 10 8 Die Kompetenz, über die Richtlinien der Regierungspolitik zu entscheiden, haben weder der RB, noch der SvB. Sie werden zwar vom RB im Einvernehmen mit dem SvB bestimmt, bedürfen aber der Billigung des AvB (Art 58 II). Diese Regelung, für die sich im G G und in den Verfassungen der anderen Länder keine Parallele findet, räumt dem Parlament ein Mitwirkungsrecht in Fragen ein, die eigentlich zum innersten Zuständigkeitsbereich der Exekutive gehören. 11 Allerdings ist dieses Mitwirkungsrecht beschränkt: Der SvB ist berechtigt, von den vom AvB gebilligten Richtlinien der Regierungspolitik ohne Zustimmung des AvB abzuweichen. 12
9
In der durch das Zweite Verwaltungsreformgesetz geänderten Fassung ν 25. Juni 1998 (GVB1 S 177). Ό Zivier Rn 45.4. 11 Zivier Rn 45.5; vgl auch Rn 19 zu Art 58. Driehaus Art 55 Anm 2; VerfGH LVerfGE 2, 80; N V w Z 1995,472 = DVB1 1994,428.
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Auch die grundsätzliche Organisation der Regierungsgeschäfte erfolgt durch das AvB, welches gem Art 58 die Zahl der Geschäftsbereiche des SvB sowie ihre Abgrenzung auf Vorschlag des RB beschließt. Der SvB ist einziges Regierungsorgan. Dem AvB steht eine Regie- 9 rungskompetenz nicht zu. Das Parlament regiert und verwaltet nicht selbst, sondern kontrolliert die Regierung, 13 auch durch Ersuchen und Empfehlungen. Der SvB ist bei der Wahrnehmung der ihm von der Verfassung übertragenen Aufgaben an keine Vorgaben oder Weisungen des AvB gebunden, sofern nicht die Verfassung im Einzelfall etwas anderes bestimmt. Die VvB enthält keinen Parlamentsvorbehalt, das AvB besitzt daher kein generelles Mitwirkungsrecht bei grundlegenden Entscheidungen der Regierung. 14 Die Kompetenz des AvB zum Erlaß des Haushaltsplans, der verbindlichen Festlegung der Geschäftsverteilung und der Billigung der Regierungsrichtlinien steht dem nicht entgegen. 15 Der SvB hat also pflichtgemäß selbst zu entscheiden, ob er einem einfachen Parlamentsbeschluß nachkommt (eine vom AvB beschlossene Weisung in Form eines Gesetzes ist hingegen rechtlich erzwingbar). Die Nichtdurchführung eines solchen schlichten Parlamentsbeschlusses kann das AvB allenfalls durch ein Mißtrauen gem Art 57 sanktionieren. Anders als die Bundesregierung, aber so wie die anderen Landes- 10 regierungen, muß der SvB auch die Funktion eines Staatsoberhaupts ausüben. So steht ihm das Begnadigungsrecht (Art 81 VvB), das Recht auf Ordensverleihung und das Recht auf Ernennung, Einstellung usw der Landesbediensteten zu (Art 77, 82). Die Aufgaben beim abschließenden Erlaß eines Gesetzes, wie sie dem Bundespräsidenten gem Art 82 G G zustehen, sind in Bin zwischen dem RB und dem PrAvB aufgeteilt, Art 60 II. Die ungeschriebenen Aufgaben eines Staatsoberhauptes, wie Anordnung von Staatstrauer, Staatsbegräbnissen, Beflaggung der öffentlichen Gebäude uvm stehen dem SvB im ganzen zu (vgl zB § 5 HohZG). Der Regierende Bürgermeister ist nur „primus inter pares" im SvB; 11 er sitzt ihm vor und repräsentiert ihn (Art 58 I). Er hat kaum eigen-
13 BVerfGE 1, 372, 394. 14 Driehaus Art 55 Anm 1; VerfGH, aaO. 15 Das Budgetrecht des AvB wird im übrigen nicht verletzt, wenn die für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe im Haushaltsplan vorgesehenen Mittel b Nichtweiterführung dieser Aufgabe zur Deckung der m den Haushaltstiteln übereinstimmenden Abwicklungskosten verwandt werden; VerfGH, aaO.
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ständige Regierungsfunktionen. Allerdings steht ihm mit der Senatskanzlei ein eigener Verwaltungsunterbau zur Verfügung. Die Senatskanzlei unterstützt den RB und den SvB bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ( § 5 1 GOSvB). In den Verwaltungsgeschäften der Senatskanzlei wird der RB vom Chef der Senatskanzlei vertreten (§ 5 III GOSvB). 12 Fraglich ist, ob der RB zugleich Fachsenator sein kann. Dies ist, von praktischen Schwierigkeiten abgesehen, solange unbedenklich, wie keine Interessenkonflikte bei der Vereinigung der Funktion des RB und eines Fachsenators in einer Person auftreten können. 16 Unerheblich dafür ist jedenfalls die Stichentscheidungsregelung des Art 58 I 3 VvB, da ein Mitglied des SvB, das mehrere Geschäftsbereiche leitet, auch nur eine Stimme hat. 17 Konflikte können jedoch auftreten wegen des Widerspruchsrechts des Finanzsenators gegen einen SvB-Beschluß von finanzieller Bedeutung, wenn der RB gleichzeitig Finanzsenator ist. 18 Ähnliches gilt für das Amt des Innensenators, vgl § 16 III GOSvB, der traditionell die Funktion des „Verfassungsministers" hat. Seit der Regierungsneubildung nach der Wahl zur 14. WP hat der RB gleichzeitig das Amt des Justizsenators inne. Die Justizverwaltung wurde in die Staatskanzlei inkorporiert. Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Regelung werden trotz der gleichen Staatspraxis in den Ländern Bremen und MV Bedenken erhoben. 19 Der VerfGH NW hat aus Gründen des Vorbehalts des Gesetzes (Wesentlichkeit 20 ) die Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium in N W für verfassungswidrig erklärt: eine Zusammenlegung bedürfe eines förmlichen Parlamentsgesetzes. 21 Zwingend begründet erscheint
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In Bay regelt Art 50 BayVerf ausdrücklich, daß sich der Ministerpräsident bei der anfänglichen Ressortverteilung selbst einen Geschäftsbereich vorbehalten oder vorübergehend sogar mehrere Geschäftsbereiche selbst übernehmen kann (Art 50 Satz 2 BayVerf; vgl Schweiger in Nawiasky/Schweiger/Knöpfle Art 50 Rn 8; zur entsprechenden Regelung für den Sächs MPr s Art 59 III 2 SächsVerf.). 17 Vgl Rn 18 zu Art 58. 18 Vgl § 16 I GOSvB, stimmt der RB in einer obligatorischen zweiten Sitzung mit der Mehrheit der Senatsmitglieder für den ursprünglichen Beschluß, hat der Widerspruch keine Folgen, § 16 I Sätze 2, 3 GOSvB; im Fall des Art 88 III ist allerdings ein Beschluß des AvB herbeizuführen. 19 Vgl VerfGH N W DVB1 1999, 714ff zur Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium in N W und Kritik Kühnasts, Tagesspiegel ν 2.12.1999 (der Justizsenator sei weisungsberechtigt gegenüber der StA, was insbesondere bei den Ermittlungen zum Großflughafen zu Verquickungen führen könne). 20 Zur Wesentlichkeitstheorie vgl Rn 2 zu Art 59 und Rn 4, 5 zu Art 64. 21 VerfGH N W aaO; auf die weitere Darlegung der Entscheidungsgründe dieser Entscheidung, die durchaus für bedenklich gehalten werden kann,
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diese Entscheidung nicht. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob das Justizministerium aus Gründen der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit (die auch Garant für Rechtssicherheit ist) gegenüber dem „Regierungschef eigenständig bleiben muß. Dies ist zu verneinen. Bei den Aufgaben der Justizverwaltung handelt es sich um Exekutiv-Tätigkeit. Die Judikative ist und bleibt unabhängig (vgl Art 79 I VvB, 97 I GG). 2 2 Weder RB noch Justizsenator können die richterliche Entscheidungsfindung beeinflussen. Politisch mag die Zusammenlegung bedenklich sein, weil in der Bevölkerung der Eindruck entstehen könnte, die Justiz sei nunmehr abhängig von den politischen Entscheidungen der Regierung und verliere so ihre Objektivität. Juristisch kann daraus nichts gefolgert werden. 23 Das politische Schicksal des RB hängt nicht von dem anderer 13 Senatsmitglieder ab oder umgekehrt, da gem Art 57 II das AvB nur jedem einzelnen Senatsmitglied das Vertrauen entziehen kann. Der RB hat nach Art 56 II nur ein Vorschlagsrecht für die Besetzung des SvB. Das bedeutet, daß er lediglich verhindern kann, daß Personen, die sein Vertrauen nicht besitzen, in den SvB gewählt werden. Er kann jedoch nicht Personen seines Vertrauens entgegen dem Willen des AvB durchsetzen. Er kann ebensowenig aus eigener Machtvollkommenheit die Größe des SvB bestimmen (Art 58 IV). Anders allerdings als den Regierungschefs in Hmb und Brem steht ihm allein das Vertretungsrecht nach außen gem Art 58 I zu (vgl Art 43 HmbVerf, 118 BremVerf, wo das Vertretungsrecht nur dem gesamten Senatskollegium zuerkannt wird). Andererseits darf nicht verkannt werden, daß das AvB ebensowenig personelle oder kompetenzmäßige Entscheidungen für die Bildung des SvB gegen den Willen des RB treffen kann; denn die Entscheidungen des AvB können nur auf Antrag bzw Vorschlag des RB erfolgen (Art 56 II, 58 II u IV). In der VvB ist den Bürgermeistern nur an zwei Stellen Erwähnung 14 geschenkt: Nach Art 55 sind sie zwei von sechs weiteren Senatsmitgliedern neben dem RB, nach Art 68 II ist „der Bürgermeister" Mitglied des RdB.
22 23
soll an dieser Stelle verzichtet werden, es wird aber auf die kritischen Anmerkungen Wielands (DVB1 1999, 719ff) verwiesen. Vgl zur sachlichen Unabhängigkeit der Richter Rn 4 zu Art 79. Weder die Dienstaufsicht des Justizsenators über die StA gern § 147 Nr. 2 G V G (vgl zum Begriff der Dienstaufsicht Rn 37 zu Art 66/67) noch das Verfahren der Richterwahl (vgl ausf Rn 2 bis 6 zu Art 82) oder die Regelungen der Art 95 II, 98 IV GG, die nur vom Vorhandensein des Amtes eines Ministers für Justiz in den Ländern ausgehen, sprechen gegen eine Eingliederung des Justizressorts in die Senatskanzlei.
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Die Rechtsstellung der Senatsmitglieder im übrigen ist nicht in der Verfassung, sondern im SenG, einem einfachen Landesgesetz, geregelt. Die VvB enthält keine ausdrückliche Ermächtigung zu einem solchen Gesetz (anders Art 53 BW Verf, 40 HmbVerf, 45 II MV Verf, 62 I SächsVerf, 67 II LSA Verf; 28 II RhPfVerf; für Besoldungsregelungen Art 58 BayVerf, 112 II Brem Verf, 105 HessVerf, 25 I 2 NdsVerf; 641 NW Verf; 106 RhPfVerf stellt den Besoldungsanspruch der Regierungsmitglieder fest, ermächtigt also implizit den Landesgesetzgeber zur Regelung, ebenso die Saarl Verf und das GG). 16 Als einzige deutsche Verfassung enthält die VvB auch keine Vorschrift über den Amtseid (anders Art 48 BW Verf, 56 BayVerf, 88 BbgVerf, 109 Brem Verf, 38 HmbVerf, 111 HessVerf, 44 MV Verf, 31 NdsVerf, 53 N W Verf, 100 RhPfVerf, 89 SaarlVerf, 61 SächsVerf, 66 LSA Verf, 28 SchlH Verf, 71 ThürVerf, 64 II GG). Dennoch ist daraus nicht zu schließen, daß die VvB eine Eidesleistung der Senatsmitglieder verfassungsmäßig ausgeschlossen hätte. Es entspricht deutscher Staatsrechtstradition, daß jeder in einem öffentlichen Dienstoder Treueverhältnis Stehende, sei er Beamter auf Lebenszeit oder auf Probe, Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst, aber auch sonst Inhaber eines öffentlichen Amtes, einen Amts- oder Diensteid abzulegen hat. Als einzige Ausnahme gelten die Parlamentspräsidenten im Bund und in den Bundesländern, obwohl sie sogar Dienstbehörde für die Bediensteten der Parlamentsverwaltung sind. 24 Es bedarf also keiner verfassungsmäßigen Regelung dafür, daß die Senatsmitglieder bei Übernahme ihres Amtes (§ 2 SenG) eine Verpflichtung auf die VvB abgeben müssen. Daß dies in Eidesformel vorgeschrieben wird, muß einer einfachgesetzlichen Regelung zugänglich sein. 17 Der RB, die Bgm und die Senatoren stehen in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis zum Land Berlin. Die Vorschriften des Beamtenrechts finden auf sie aber keine Anwendung, soweit das SenG nicht auf die beamtenrechtlichen Regelungen verweist. 25 Allerdings sind sie Beamte iSd Straf- und Amtshaftungsrechts. 26 Sie sind Amtsinhaber auf Zeit. Die Eidesformel ist in § 3 SenG geregelt. Die Mitglieder des SvB erhalten eine vom PrAvB vollzogene Urkunde über ihre Wahl und ihre Vereidigung, wobei in der Urkunde der Geschäftsbereich des Mitglieds des SvB zu bezeichnen ist (§ 4 SenG). Das Amt darf erst nach der Vereidigung ausgeübt werden (§ 3 II SenG). 18 Das Amt eines Senatsmitglieds beginnt mit der Annahme der Wahl, § 2 SenG. Es endet außer mit dem Tode mit dem Rücktritt oder mit 24 25 26
Vgl zur Dienstherrenfunktion: Stern II § 26IV 2, 90 und oben Art 41 Rn 17. Zivier aaO. Zivier Rn 45.1.
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einer Neubildung des SvB (§ 14 I 1 SenG). Die Mitglieder des SvB können jederzeit von ihrem Amt zurücktreten (Art 56 IV). Ist gegen ein Senatsmitglied ein Mißtrauensantrag angenommen worden, so endet die Amtszeit nicht automatisch, sondern nur, wenn binnen 21 Tagen nach Annahme des Mißtrauensanträges die Neuwahl eines Senators erfolgt ist, Art 57 III 4 VvB, § 14 II SenG. Im Falle des Art 57 III 3 (Geschäftsführung) endet die Geschäftsführung mit Amtsantritt des Nachfolgers ( § 1 4 1 2 SenG, Art 57 III 3 VvB). Die Mitglieder des SvB dürfen neben ihrem Amt keine Tätigkeit 19 berufsmäßig ausüben, insb dürfen sie weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, oder einem sonstigen Organ oder Gremium eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören ( § 6 1 SenG). Diese Unvereinbarkeit soll eventuellen Interessenkollisionen und der Gefahr einer Vermischung der wirtschaftlichen Interessen eines Senators mit seinem Regierungsamt vorbeugen. 27 Allerdings kann der SvB die Zugehörigkeit zu einem Organ oder Gremium eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens, mit Ausnahme der Unternehmensleitung, zulassen, wenn die Wahl oder Entsendung im öffentlichen Interesse liegt (§ 6 II 1 SenG). Ebenso kann der SvB die Ausübung einer Tätigkeit als Hochschullehrer gestatten (§ 6 III SenG). Für die Tätigkeit in einem Unternehmensorgan ist § 7 SenG zu beachten. In diesem Zusammenhang ist auch § 26 I Nr 6 LWG Berlin zu beachten. Danach scheiden Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem Bin mit mehr als 50 % beteiligt ist, mit dem Erwerb der Mitgliedschaft im AvB aus ihrer beruflichen Funktion aus. Diese Regelung wurde vom BVerfG auf ihre Vereinbarkeit mit dem G G hinsichtlich der möglichen Verletzung der Regelungskompetenz des Landes, der Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht und mit den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit der Wahl überprüft, wobei es nicht zu Beanstandungen kam. 28 Nach Auffassung des BVerfG scheidet ein Mitglied eines Organs eines privatrechtlichen Unternehmens gem § 26 I N r 6 LWG automatisch mit seiner Wahl zum Mitglied des AvB aus dem Unternehmen aus. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Anstellungsverhältnis endgültig beendet wird, die Rechte und Pflichten aus diesem Rechtsverhältnis ruhen vielmehr nur. Nach dem Ende seines Mandats hat der Betreffende gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Wiederverwendung. Diese Regelung gilt zwar primär nur für Mitglieder des AvB, da es für Senatsmitglieder die Sonderregelung 27
So David Art 39 Rn 1 für die entsprechende Hamburger Regelung; vgl auch Herzog in M D H S Art 66 Rn 3. 28 BVerfG DÖV 1999, 69 ff.
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der §§ 6, 7 SenG gibt. Ist ein Senatsmitglied jedoch gleichzeitig Mitglied des AvB, 29 dann scheidet es schon wegen § 26 I Nr 6 LWG aus der Geschäftsführung des Unternehmens aus, so daß es auf die §§ 6, 7 SenG nicht mehr ankommt. Ausgeschlossen ist auch die gleichzeitige Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung (§ 4 BMinG). 20 Mitglieder des SvB können ferner nicht gleichzeitig MdB und des Europäischen Parlaments sein. Zwischen dem Mandat eines Bundestagsabgeordneten und der Mitgliedschaft im Bundesrat besteht nach herrschender Lehre eine Inkompatibilität.30 Wenn also ein Landesminister (im Fall Berlins also ein Senator) zum MdB gewählt wird oder umgekehrt, muß eine Entscheidung getroffen werden, ob er die eine oder die andere Funktion übernehmen soll.31 Zwar kann der Fall eintreten, daß ein Landesminister nicht ordentliches Mitglied des Bundesrats ist, so daß er bei Anerkennung der genannten ungeschriebenen Inkompatibilität doch MdB bleiben könnte, jedoch wird man auch diese Kombination als von der Verfassung mißbilligt ansehen müssen, und zwar schon deshalb, weil jedes Mitglied einer Landesregierung nach Art 51 I S 2 G G geborener Vertreter der ordentlichen Bundesratsmitglieder ist.32 Im übrigen aber wirken auch diejenigen Mitglieder einer Landesregierung, die nicht ordentliche Bundesratsmitglieder sind, als Kabinettsmitglieder bei der Instruktion der Bundesratsmitglieder an der Willensbildung des Bundesrats mit. 33 Im Ergebnis darf somit kein Senatsmitglied ein Bundestagsmandat innehaben. Ebenso ist die gleichzeitige Mitgliedschaft eines SvB-Mitgliedes im Europäischen Parlament ausgeschlossen (Art 6 1 1 . Alt des Aktes zur Einführung allg unmittelbarer Wahlen der Abg des EP, § 22 II Nr 12 Eu WG). 21
Nach überkommenem Verständnis erstreckt sich das Nebentätigkeitsverbot eines Senatsmitgliedes nicht auf die Ausübung eines Abgeordnetenmandats; 34 daran hat sich auch durch das Diäten-Urteil 35 nichts geändert. Solange ein Senatsmitglied nicht gleichzeitig Mitglied des AvB ist, steht ihm weder die Immunität (nach Art 51 III u IV), noch die Indemnität (nach Art 51 I, 52), noch ein Zeugnisverwei-
29
Was ohne weiteres möglich ist, s u Rn 21. 30 Vgl Maunz in MDHS Art 51 Rn 19; Jekewitz in AK-GG Art 51 Rn 6. 31 Maunz in MDHS Art 51 Rn 19. 32 Maunz aaO. 33 Maunz aaO; vgl Partschi Genzer AöR 76, 186, 199 ff. 34 Insofern abschließender Katalog des § 26 LWahlG; Senatoren sind nicht aufgeführt. " BVerfGE 40, 296.
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gerungsrecht (nach Art 51 II) zu; dies gilt auch, soweit sie Mitglieder des Bundesrats sind. 36 Da sie aber Inhaber eines öffentlichen Amtes sind, gelten für sie die allgemeinen Aussagebeschränkungen (vgl § 54 StPO iVm § 9 SenG); über Ausnahmen entscheidet der SvB. Die ehrenamtliche Ausübung von Funktionen ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen. So dürfen Senatsmitglieder Parteiämter oder Verbandsfunktionen ehrenamtlich bekleiden, soweit ein Interessenkonflikt mit der Amtsführung ausgeschlossen ist. 37 Da die Vorschriften des Beamtenrechts auf die Mitglieder des SvB 2 2 keine Anwendung finden, soweit das SenG nicht auf die beamtenrechtlichen Regelungen verweist (s o), hat das zur Folge, daß ein Disziplinarverfahren gegen Senatsmitglieder nicht möglich ist (vgl § 10 S 2 SenG); ein dienstliches oder außerdienstliches Fehlverhalten kann - wenn strafrechtliche Maßnahmen nicht in Betracht kommen - nur durch politische Sanktionen (Abwahl gem Art 57 II VvB) geahndet werden. 38 Die Mitglieder des SvB, insb die Senatoren, unterstehen also keiner Dienstaufsicht. Die Aufsichtskompetenz des RB gem Art 58 III VvB beinhaltet keine Dienstaufsicht, sondern ein politisches Aufsichtsrecht. Die vom SvB eingesetzten Beauftragten für bestimmte Sach- 2 3 bereiche, zB die Ausländer- oder Frauenbeauftragte, gehören jeweils einer Senatsverwaltung an; sie unterliegen also dem Weisungsrecht des betreffenden Senatsmitglieds und den allgemeinen Vorschriften über die Kompetenzverteilung. Dienstrechtlich sind sie zumeist Verwaltungsangestellte mit Zeitvertrag. 39
3« Vgl Maunz in M D H S Art 51 Rn 20-22. 37 Interessant ist in dieser Beziehung die Frage, ob der Finanzsenator zB ehrenamtlicher Präsident ν Hertha BSC sein kann (nach bw Vorbild: MeierVorfelder als Präsident des VfB Stuttgart); zu einem Interessenkonflikt kann es hier kommen, wenn der Finanzsenator als zuständiger Vertreter des Landes Berlins für die Vermietung des Olympia-Stadions zuständig ist und auf der anderen Seite in Funktion des Präsidenten des Fußballclubs als Mieter auftritt; in dieser Konstellation wäre eine Vereinbarkeit ν Amt und ehrenamtlicher Tätigkeit abzulehnen. Für die entsprechende Fragestellung in BW (Minister als Präsident eines Profi-Fußballvereins) vgl Feuchte Art 53 Rn 8 m Verweis auf Plenarprotokolle 8/9, S 328; 8/73, S 5951 f). 38
So Zivier Rn 45.1, der darauf hinweist, daß § 10 S 2 SenG auch für dienstliche Verfehlungen gilt, die der Betroffene vor seiner Amtszeit als Senator in einem anderen öffentlichen Amt begangen hat. Zweifelhaft sei hingegen, ob das Verhalten während der Amtszeit in einem Disziplinarverfahren berücksichtigt werden kann, wenn der Senator später wieder ein anderes Amt im öffentlichen Dienst übernimmt (Fn 11 zu Rn 45.1). 39 Zivier Fn 7 zu Rn 81.3.1.
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Die Einrichtung der Frauenbeauftragten ergibt sich aus dem LGG (früher LandesantidiskriminierungsG), das den Auftrag des Art 10 III 40 ausfüllt. In Art 3 II GG/10 III VvB ist der Gleichberechtigungsgrundsatz von Frauen und Männern festgeschrieben. Das Land ist verpflichtet, die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen und zu sichern. Das LGG gilt für die Berliner Verwaltung, landesunmittelbare öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, für den PrAvB, den Berliner Datenschutzbeauftragten und den LRH (§ 1 LGG). Es schreibt als Grundsatz die Gleichstellung von Männern und Frauen fest und verbietet Abreden, die das Recht der Frauen auf Gleichstellung einschränken (Diskriminierungen), § 2 1 LGG. Nach § 16 L G G ist in jeder Dienststelle iSd PersVG eine Frauenvertreterin zu wählen. Sie ist bei allen die weiblichen Dienstkräfte betreffenden sozialen Maßnahmen, bei allen organisatorischen und personellen Maßnahmen, sowie bei allen Vorlagen, Berichten und Stellungnahmen zu Fragen der Frauenförderung zu beteiligen (§17 1 LGG). Für diejenigen Dienststellen iSd PersVG mit Ausnahme der Hochschulen iSd § 1 des Bin HochschulG, die einen Gesamtpersonalrat bilden, wird eine Gesamtfrauenvertreterin gewählt (§ 18 a LGG). Der SvB hat nach § 19 I L G G dem AvB im Abstand von zwei Jahren über die Durchführung dieses Gesetzes zu berichten. 25 Die Bestellung einer Frauenbeauftragten kann gem § 16a VII L G G durch mindestens drei Wahlberechtigte vor dem VG angefochten werden. 41 Voraussetzung ist, daß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung bleibt die Frauenvertreterin im Amt. Wird die Ungültigkeit der Wahl festgestellt, sind unverzüglich Neuwahlen anzusetzen. § 16a VIII LGG ermächtigt den SvB zum Erlaß von RechtsVO über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl der Frauenvertreterin, wovon er durch Erlaß der VO über die Wahl zur Frauenvertreterin (WOFrau) vom 3. Juni 1993 Gebrauch gemacht hat (GVB1 S 246). Die Begriffe Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte wer« Vgl dazu Art 10 Rn 25 ff. 41 Vgl VG Bin NVwZ-RR 1996, 406 ff; mangels damals einschlägiger spezialgesetzlicher Regelungen entschied das Gericht anhand der Verfahrensvorschriften der VwGO.
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den idR synonym verwendet. Jeweils wird der Notwendigkeit Ausdruck verliehen, von Seiten der kommunalen Verwaltung eine für Fraueninteressen zuständige Institution zu schaffen. 42 Jedoch kann man Differenzierungen treffen: Der Begriff „Frauenbeauftragte" erfaßt speziell die Sorge um die gleichberechtigte Handlung der Frau in einem Gemeinwesen, wohingegen der Begriff „Gleichstellungsbeauftragte" als maßgeblichen Tätigkeitsschwerpunkt die Sorge um die rechtliche und tatsächliche Beachtung von Art 3 II beinhaltet und sich sichtbar am Wortlaut des G G orientiert. 43 So besteht vom Namen her bei der Gleichstellungsbeauftragten auch die Pflicht, sich um die Männer zu kümmern, insb, um eine umgekehrte Diskriminierung zu verhindern. 44 § 76 III AuslG setzt das Vorhandensein von Ausländerbeauftragten 2 6 in den Ländern und Gemeinden voraus. Für den Ausländerbeauftragten des Bundes stellt Satz 1 klar, daß er eine öffentliche Stelle iSd des § 76 I und II AuslG ist.45 Für alle Ordnungsaufgaben in Angelegenheiten des Aufenthaltsrechts der Ausländer ist gem Zuständigkeitskatalog zum ASOG das Landeseinwohneramt zuständig. Aufgabe der Ausländerbeauftragten sowohl des Bundes als auch der Länder und Gemeinden ist es, sich um die Bedürfnisse der Ausländer zu kümmern, ihre soziale und berufliche Integration zu för« Mayer NVwZ 1994, 1182, 1183. Mayer aaO. 44 Mayer aaO; vgl hierzu EuGH DVB1 1998, 183 ff (LS), wonach Art 2 I und IV der RI 76/207/EGW des Rates ν 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ν Männern und Frauen hinsichtlich des Zuganges zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der b gleicher Qualifikation ν Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts in bezug auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung weibliche Bewerber in behördlichen Geschäftsbereichen, in denen im jeweiligen Beförderungsamt einer Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind, bevorzugt zu befördern sind, sofern nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Voraussetzung dazu ist allerdings, daß diese Regelung den männlichen Bewerbern, die die gleichen Qualifikationen besitzen, in jedem Einzelfall garantiert, daß die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, b der alle die Person der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfallt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen. Weitere Voraussetzung ist, daß solche Kriterien keine diskriminierende Wirkung gegenüber den weiblichen Bewerbern haben. Eine automatische Bevorzugung der weiblichen Bewerberin ist danach ausgeschlossen. 43
45
Kloesel / Christi Ηäußer Deutsches Ausländerrecht 1996 Nr 110 § 76 Rn 15.
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dem, ihre Interessen der Regierung und dem Parlament gegenüber zu vertreten und diese in allen Ausländerfragen zu beraten. 27 Der Bin Datenschutzbeauftragte nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. 46
Artikel 56 (1) Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt. (2) Die Wahl der Bürgermeister und der Senatoren erfolgt auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters durch das Abgeordnetenhaus. (3) Kommt auf Grund des Vorschlages des Regierenden Bürgermeisters innerhalb einer Frist von 21 Tagen ein Senat nicht zustande, so ist der Auftrag zur Senatsbildung erloschen und eine Neuwahl vorzunehmen. (4) Die Mitglieder des Senats können jederzeit von ihrem Amt zurücktreten. Materialien 1. vgl Art 63 I, 64 I GG; 46, 47, 55 I BW Verf; 44, 45 BayVerf; 83, 84, 85 I 2 BbgVerf; 107 II-IV BremVerf; 34, 35 I HmbVerf; 101, 113 I Hess Verf; 42, 43, 50 1 MV Verf; 29, 30, 33 I NdsVerf; 52, 62 I N W Verf; 98 II-III RhPfVerf; 87 SaarlVerf; 60, 68 I SächsVerf; 65, 71 I LSA Verf; 26 II-IV SchlHVerf; 70 III-IV, 75 I ThürVerf 2. VVGB: Art 3 II, 5 Nr. 1; VvB 1950: Art 41 3. Änderungen: Abs 2 geändert durch das 2. ÄndG VvB vom 3.4.1998 (GVB1 S 82).
Erläuterungen 1
Durch den eindeutigen Wortlaut des Art 56 VvB hat sich der Verfassungsgeber dafür entschieden, daß alle Regierungsmitglieder unmittelbar vom AvB gewählt werden müssen. Dabei wird zunächst der RB gewählt, die Wahl der Bgm und der Senatoren erfolgt dann auf Vorschlag des RB durch das AvB. 1 Es kommt dem RB also nur ein Vorschlagsrecht zu, eine Ernennung der weiteren Senatsmitglieder ohne Zutun des AvB ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Hierin kommt die Stellung des RB als 4
« Vgl Erl zu Art 47 VvB. ι Vgl Rn 20 zu Art 58.
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„primus inter pares" zum Ausdruck. Auf Bundes-Ebene hat der Bundeskanzler zwar grundsätzlich auch nur ein Vorschlagsrecht, bei dem er allerdings nach verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten in der Ermessensentscheidung frei ist.2 Ernannt werden die Bundesminister vom Bundespräsidenten, vgl Art 64 I GG. Der Bundespräsident ist jedoch dem Grundsatz nach verpflichtet, die vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Bundesminister zu ernennen. 3 Ein strenges Kanzlerprinzip iSd Art 64 I G G verwirklichen von den anderen Bundesländer Bbg (Art 84 BbgVerf), MV (Art 43 MV Verf), N W (Art 52 III N W Verf), Sachs (Art 60 IV SächsVerf), LSA (Art 65 III LSA Verf), SchlH (Art 26 II SchlH Verf) und Thür (Art 70 IV ThürVcrf). In den übrigen Bundesländern bedarf es zumindest der Zustimmung des Parlaments. Die ausdrückliche Formulierung des Art 56 II macht es notwendig, daß die Bgm und Senatoren auf Vorschlag des RB durch das AvB gewählt werden müssen. Dies gilt auch während einer laufenden Legislaturperiode und selbst dann, wenn der zu wählende Bgm vorher bereits Senator war. Es würde dem Zweck der Vorschrift widersprechen, daß ein bereits gewählter Senator ohne erneute Beteiligung des AvB Bgm werden kann. Der Zustimmungswille des AvB bei einer vorangegangenen Wahl eines Kandidaten zum Senator geht nicht so weit, daß er gleichzeitig die Zustimmung zur Ausübung des Amts eines Bürgermeisters beinhaltet. Eine erneute Wahl durch das AvB ist damit zwingend notwendig. Durch die Verfassungsänderung vom 3. April 19984 besteht die Regierung nur noch aus dem RB sowie höchstens acht Senatoren, von denen nunmehr zwei zu Bürgermeistern gewählt werden. 5 Die Bestellung des SvB erfolgt nicht auf bestimmte Amtszeit. Weder 2 das Amt des RB noch das der übrigen Senatsmitglieder endet nach der VvB mit der Beendigung der W P des AvB, wie etwa das Amt des Bundeskanzlers und der Bundesregierung nach Art 69 II G G mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages endet. Eine gegenteilige Auffassung findet in der VvB keine Stütze. Dies widerspricht auch nicht dem Prinzip der parlamentarischen Abhängigkeit des SvB vom AvB, Art 57 I. 6 Das Vertrauensprinzip macht es zwar notwendig, daß der SvB abberufen werden kann, es verlangt aber nicht, daß jedes neu 2
Herzog in MDHS Art 64 Rn 9. Zur Frage des Bestehens eines Weigerungsrecht vgl Herzog in MDHS Art 64 Rn 12 ff. 4 GVB1 S 82. 5 S hierzu Rn 2 zu Art 55 VvB. 6 IdS auch BVerfGE 27, 44 zu Art 21 SchlH Verf. 3
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Abschnitt IV: Die Regierung
zusammen getretene AvB die Pflicht hat, den SvB neu zu wählen. Um einer verzögerten Regierungsbildung und damit einer längeren Übergangszeit ohne SvB vorzubeugen, ist es überdies sinnvoll, daß der „alte" SvB im Amt bleibt, bis der neue SvB gewählt worden ist. Ferner ist die Regelung des Art 57 III 4 zu beachten, wonach ein Mißtrauensvotum seine Wirksamkeit verliert, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist. Diese Vorschrift spricht gegen die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Neubildung des SvB. 3 Eine aM geht hingegen von einer generellen Neubildung des SvB nach einer Neuwahl des AvB aus, da unter „Abgeordnetenhaus" das im Amt befindliche gewählte Parlament zu verstehen sei, obwohl es dem Verfassungstext nicht eindeutig entnommen werden könne. 7 So müsse auch insb dann ein neuer SvB gewählt werden, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse durch die Wahl nicht geändert haben und an der Zusammensetzung des SvB keine Änderungen vorgenommen werden sollen. Ein gewichtiges Argument für diese Meinung ist, daß die von der Wählerschaft über das Parlament zur Regierung führende Legitimationskette unterbrochen wäre, wenn die Amtszeit einer Regierung den Zusammentritt des neugewählten Parlaments überdauern würde, was nicht iSd parlamentarischen Demokratie wäre. 8 Etwas anderes solle nur gelten, wenn das neugebildete AvB aufgrund geänderter Mehrheitsverhältnisse nicht oder noch nicht in der Lage sei, einen neuen SvB zu bilden. Eine Rücktrittspflicht des alten SvB nach der Neuwahl des AvB lasse sich aus der Verfassung nicht herleiten. Dies sei vor allem von Bedeutung, wenn sich im neugewählten Parlament keine tragfähige Mehrheit für die Neuwahl des SvB finden lasse. Die Verfassungsorgane seinen zwar rechtlich verpflichtet, sich um die Bildung eines SvB zu bemühen, der sich auf das Vertrauen der Parlamentsmehrheit stützen kann, jedoch sei diese Pflicht praktisch nicht durchsetzbar. 9 Auch Schweiger nimmt nach dem Grundgedanken der parlamentarischen Demokratie bzgl der entsprechenden Regelung für Bay an, daß bei Auflösung oder Abberufung des Landtags nach Art 181 und III BayVerf die Amtsdauer des Ministerpräsidenten ende, obwohl dies der BayVerf nicht zu entnehmen sei; der Ministerpräsident leite aber die Geschäfte der Staatsregierung weiter. 10 4
Große Bedeutung wird dem Streit nicht beizumessen sein, da es ständige Praxis geworden ist, daß der SvB nach einer Neuwahl des ι Zivier Rn 44.2. 8 Körte Verfassung und Verwaltung des Landes Nds S 253 f. 9 Zivier aaO Fn 5 zu Rn 44.2. 10 Schweiger in Nawiasky/Schweiger/Knöpfle Art 44 Rn 3b.
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Art. 56
AvB seinen Rücktritt erklärt und damit eine Senatsneubildung ermöglicht hat. Konsequenzen hätte es, wenn ein Rücktritt nicht erfolgen würde. Nach der ersten Meinung könnte das AvB eine Senatsneubildung nur mit einem Mißtrauensvotum gem Art 57 gegen den RB oder den SvB erzwingen. Allerdings würde das AvB gegen seine verfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen, wenn es nach einem Mißtrauensvotum gegen den alten SvB und vor Bildung des neuen nicht wenigsten einen Rumpfsenat von mindestens drei Mitgliedern mit der Fortführung der Geschäfte beauftragte, weil in diesem Fall ein von der Verfassung zwingend vorgeschriebenes Staatsorgan nicht vorhanden wäre. 11 Nach der zweiten Meinung würde ein einfaches Weiterführen der Geschäfte eine Unvereinbarkeit mit der Verfassung darstellen und aus diesem Grunde der alte SvB seine Daseinsberechtigung verlieren. Ist hingegen das neue AvB nicht in der Lage, einen neuen SvB zu bilden, gilt das zur ersten Meinung Gesagte entsprechend. Ein automatisches Ende der Amtszeit der Regierung (oft ist das 5 Ende der Amtszeit des Ministerpräsidenten geregelt und das der Minister daran geknüpft) mit dem Zusammentritt eines neuen Parlamentes ist für BW (Art 55 II BW Verf), Bbg (Art 85 I BbgVerf), Brem (hier erfolgt die Wahl der Senatoren für die Dauer der WP, Art 107 Brem Verf), Hess und Nds (die Regierung muß zurücktreten Art 113 II HessVerf - bzw gilt als zurückgetreten - Art 33 II NdsVerf - , sobald ein neugewählter Landtag erstmalig zusammentritt), MV (Art 5(1 I MV Verf), N W (Art 62 II NW Verf), Saarl (Art 87 III SaarlVerf), Sachs (Art 68 II SächsVerf), LSA (Art 71 I LSA Verf), SchlH (Art 27 I SchlH Verf) und Thür (Art 75 II ThürVerf) ausdrücklich geregelt. Folglich fehlt eine entsprechende Regelung nur für Bay, Bin, Hmb und PhPf. Der alte SvB führt die Regierungsgeschäfte mit vollen Rechten und Pflichten so lange weiter, bis ein neuer SvB gewählt worden ist und wird nicht darauf beschränkt, eine Art Notgeschäftsführung zu vollziehen. Die Senatsbildung beginnt damit, daß das AvB den RB mit der 6 Mehrheit der abgegebenen Stimmen wählt (Art 56 I). Danach ist dem Gewählten - nach Annahme der Wahl - der Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, der gem Art 56 III auf 21 Tage befristet ist. Die Wahlgrundsätze des Art 56 sehen vor, daß der RB mit der 7 Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt ist. Bei der Ermittlung der Abstimmungsmehrheit werden nach dominierendem verfassungsrecht11
Zivier aaO Rn 44.2; s auch Art 57 Rn 10.
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Abschnitt IV: Die Regierung
liehen Verständnis Stimmenenthaltungen und ungültige Stimmen nicht berücksichtigt. Dies wird von der herrschenden Lehre für die grundgesetzlichen Regelungen dadurch begründet, daß eine Stimmenenthaltung gerade keine Stimmenabgabe sei, sondern deren Gegenteil.12 8 Eine andere Auffassung vertritt den Standpunkt, daß Stimmenenthaltungen und ungültige Stimmen sehr wohl mitzuzählen und dabei als Gegenstimmen zu werten seien.13 Dabei stützt sich die Gegenmeinung auf den Wortlaut des § 75 I S 3 GOAvB und hält diese Regelung nach dem Wortlaut der VvB für ausdrücklich geboten. Dies läßt sich jedoch nicht aus dem bloßen Wortlaut „ Mehrheit der abgegebenen Stimmen" entnehmen. Auch ist aufgrund des oben Gesagten zweifelhaft, ob die Regelung des § 75 I 3 GOAvB überhaupt verfassungsmäßig ist. Die Verfassungsmäßigkeit könnte auf Art 43 II 3 VvB gestützt werden, der ausdrücklich abweichende einfach-gesetzliche Regelungen oder solche, die sich aus der GOAvB ergeben, zuläßt (vgl hierzu § 69 II GOAvB). Dagegen spricht allerdings, daß die Wahl des RB gem Art 56 nach verfassungssystematischer Stellung (vierter statt dritter Abschnitt) und auch nach dem Wortlaut (Mehrheit der abgegebenen Stimmen statt einfacher Stimmenmehrheit) gesonderten Wahlgrundsätzen unterliegt. Sie haben den Charakter einer lex specialis und lassen eine Übertragung der Ermächtigung des Art 43 II 3 VvB nicht zu. Überdies gestattet Art 43 II 3 VvB lediglich, geschäftsordnungsmäßig eine „andere Mehrheit" vorzuschreiben; eine Änderung des Zählmodus unter Beibehaltung der verfassungsgesetzlich angeordneten Mehrheitsverhältnisse läßt er hingegen nicht zu. Ferner ist zu bedenken, daß es in der VvB auch weiterhin parallele Formulierungen für die Ermittlung der Abstimmungsmehrheit gibt, die „Mehrheit der abgegebenen Stimmen" (so hier), die „Mehrheit der gewählten Mitglieder" des AvB (zB Art 57 III 1) und die einfache Stimmenmehrheit (vgl Art 43 II 1). Wenn es aber der Gesetzgeber nach langer und kontrovers geführter Diskussion bei der alten Formulierung gelassen hat, dann hat er insofern beredt geschwiegen und es muß bei der alten Praxis bleiben. Im Ergebnis können Stimmenenthaltungen und ungültige Stimmen bei der Auszählung nicht berücksichtigt werden. Die Gegenmeinung 12
13
So faßt Maunz in M D H S Art 42 Rn 18 die hL zusammen, hegt jedoch Bedenken, weil man Stimmenenthaltungen gegen den Sprachgebrauch durchaus auch als abgegebene Stimmen bezeichnen könnte. Es entspreche jedoch dem herkömmlichen Staatsrecht, sie nicht mitzuzählen (Art 32 I 1 WRV, anders aber Art 28 S 1 ReichsVerf ν 1871), und es sei nicht ersichtlich, daß das G G ν diesem Herkommen abweichen wollte. Zi vier Rn 44.3.
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ist abzulehnen, eine solche Interpretation des § 75 I 3 GOAvB wäre mit Art 56 nicht vereinbar. Der bloß beauftragte RB ist trotz der Regelung des Art 56 I nicht 9 „RB im Amt", sondern nur „RB im Titel". Denn die Regierungsgeschäfte führt nur der SvB als Kollegium (Art 55 I). Ein SvB iSd VvB ist aber erst gebildet, wenn die Vorschläge des nach Art 56 I beauftragten RB sowohl für die Geschäftsverteilung (Art 58 IV 1 VvB) als auch für die personelle Besetzung der weiteren Senatsämter (Art 56 II VvB) im AvB binnen 21 Tagen die erforderliche Mehrheit gefunden haben. Diese zwischenzeitliche Stellung des RB entspricht der eines Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes, der zwar gewählt, dessen Regierung aber noch nicht die von Verfassungs wegen erforderliche Zustimmung des Parlaments zur Amtsübernahme hat. Er wird daher zu Recht gelegentlich als „Ministerpräsident designatus", der noch nicht endgültig Regierungschef ist, bezeichnet. 14 Bis zum Abschluß der Senatsbildung darf der dahingehend beauftragte RB also auch keine anderweitigen Amtshandlungen betreiben. 15 Aus dieser Stellung ergibt sich auch, daß Inkompatibilitäten keine Rollt: spielen, da der RB seine Aufgaben noch nicht übernommen hat. Der alte SvB muß spätestens nach der Wahl eines „beauftragten" 10 RB (Art 56 I) zurücktreten (der alte RB muß schon vorher zurückgetreten sein), da das Amt eines Senatsmitglieds ua mit einer Neubildung des SvB endet (§ 14 I 1 3. Alt SenG; die Senatsbildung beginnt ihrerseits mit der Wahl eines neuen RB, vgl Art 56 I, III). Der alte SvB hat jedoch auf Verlangen des PrAvB die Regierungsgeschäfte weiterzuführen; 16 dies entspricht auch der Praxis seit 1951. Der alte SvB oder die Senatsmitglieder, die in der Übergangszeit die Geschäfte fortführen, haben jedoch die gleichen verfassungsrechtlichen
15
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Feuchte Art 46 Rn 8. Fraglich ist dies b der Wiederwahl des alten RB, wo die Situation vorliegt, daß der amtierende RB im Amt und der neue „beauftragte RB" eine Person sind. Den amtierenden RB trifft die Pflicht der Weiterführung der Amtsgeschäfte in der Übergangsphase aus seiner bisherigen Stellung heraus, seine neuerliche Beauftragung m der Regierungsbildung kann hieran nichts ändern (vgl Zivier Rn 44.3) Es besteht aber, wie b einem erfolgreichen Mißtrauensvotum, kein Rechtsanspruch des gesamten SvB, auf Fortführung der Amtsgeschäfte, was sich aus der Formulierung „auf Verlangen verpflichtet" in Art 57 III 3 VvB ergibt. Ein Rumpfsenat muß aber vorhanden bleiben. Generell kann das Verlangen zur Fortführung der Amtsgeschäfte b Rücktritt oder Mißtrauensvotum nur der PrAvB aussprechen, nicht also der RB oder der SvB (vgl Rn 9 zu Art 57 VvB).
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Abschnitt IV: Die Regierung
Befugnisse wie vor dem Rücktritt (das gilt auch bei der Fortführung der Amtsgeschäfte nach einem Mißtrauensvotum). 17 Die dienstrechtliche Stellung eines Senatsmitglieds endet gem § 14 I 2 SenG erst mit dem Amtsantritt des Nachfolgers. Es kann also (und das ist dann der umgekehrte Fall zu dem in Fn 12 geschilderten) für die Übergangszeit der Umstand eintreten, daß es zwei RB gibt, einen amtierenden und einen beauftragten. Erst mit dem Abschluß der Senatsbildung durch den beauftragten RB und dem Amtsantritt des neugebildeten SvB (vgl §§ 2, 3 II SenG) hört der alte - mit der Wahrnehmung der Geschäfte betraute - SvB (ggf unter Einschluß des alten RB) auf zu amtieren. 11 Der Auftrag zur Regierungsbildung erlischt automatisch nach 21 Tagen; ein Rücktritt des bis dahin erfolglosen RB ist nicht erforderlich. Allerdings hat der beauftragte RB für den Fall, daß er für die vorgeschlagenen Senatoren keine Mehrheit im AvB findet, die Möglichkeit, neue Vorschläge zu unterbreiten. Sind mit dem Ablauf der 21-Tages-Frist keine Vorschläge zur personellen Besetzung des SvB (Art 56 II VvB) und zur Zahl bzw zur Abgrenzung der Geschäftsbereiche (Art 58 IV) durch den beauftragten RB ergangen, so ist unverzüglich ein neuer RB zu wählen. Dabei steht es jedoch der Mehrheit des AvB frei, den gescheiterten RB erneut mit der Senatsbildung zu beauftragen. 18 Sind hingegen Vorschläge ergangen und folgt das AvB den Vorschlägen und nehmen die Gewählten die Wahl an, dann ist die Senatsbildung abgeschlossen. Der bis dahin nach Art 56 I beauftragte RB wird damit nunmehr als „RB im Amt" bestätigt. 12 Gem § 3 I SenG leisten die Mitglieder des SvB nach der Annahme ihrer Wahl den Amtseid, also auch der RB. Danach darf der neugebildete SvB die Regierungsgeschäfte übernehmen, womit spätestens die Amtszeit des alten SvB endet (vgl § 14 I SenG). Da die Vereidigung nicht konstitutiv wirkt, wäre auch eine vorherige Vereidigung des beauftragten RB unschädlich. Da aber § 3 I SenG vom Eid der Mitglieder des SvB spricht und der Eid gem § 3 II SenG ausdrücklich auf die Amtsführung bezogen ist, ein solches Amt aber frühestens mit der Neubildung des SvB bestehen kann, hat der PrAvB die Vereidigung des bloß nach Art 56 I beauftragten RB zu unterlassen. In der Praxis ist dagegen allerdings gelegentlich verstoßen worden (zB Vereidigung Albertz 1966; Vereidigung Stobbe 1977). 13 Das Amt des Regierenden Bürgermeisters endet entweder durch Rücktritt (Art 56 IV), durch Tod oder durch Abwahl nach den Vor-
17
Zivier Rn 44.4. 's Zivier Rn 44.3.
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Wahl des Senats (Neumann)
Art. 56
Schriften des Art 57 III (Mißtrauensvotum). Der Rücktritt erfolgt gegenüber dem PrAvB. Bei einem Rücktritt endet das Amt des RB mit dem Zugang der Rücktrittserklärung an das AvB zu Händen des PrAvB (§ 14 I 1 SenG), der RB hat jedoch auf Verlangen des PrAvB seine Geschäfte bis zur Amtsübernahme eines Nachfolgers fortzuführen. Wird dem RB das Mißtrauen nach Art 57 II ausgesprochen, so endet seine Amtszeit erst mit dem Amtsantritt des Nachfolgers (§ 14 I 2 SenG). Auch nach einem Mißtrauensvotum hat der RB auf Verlangen des PrAvB seine Amtsgeschäfte weiterzuführen. Enden Amt und Amtszeit durch Tod, so amtiert einer der Bgm als Regierungschef. Das AvB hat aber gem § 56 I einen neuen RB zu wählen, der einen neuen SvB vorschlagen muß. Der alte „RumpfSenat" muß spätestens nach der Neuwahl des RB zurücktreten, um eine Neuwahl des SvB aufgrund der Vorschläge des neuen RB zu ermöglichen. Entsprechendes gilt beim Rücktritt des RB. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn bis zum Zusammentritt des neuen SvB nach der Wahl zur 14. W P des AvB eine eindeutige Regelung hinsichtlich des Umstandes, daß nunmehr zwei Senatoren gleichzeitig Bgm sind (Art 55 II), getroffen worden wäre. Es ist aber davon auszugehen, daß sich der SvB auch ohne GO-Regelung darüber einigt, welcher von beiden Bgm als Regierungschef im Falle des Todes oder Rücktritts des RB amtiert. Insofern hängt die Vertretungsregelung für die Übergangszeit beim Fehlen einer sonstigen Regelung von einer Entscheidung des SvB als Kollegium ab. Die Mitwirkungsbefugnis des AvB beschränkt sich auf die Wahl der Bgm aufgrund des Vorschlags des RB. Die Ämter der Bgm und der Senatoren enden (vgl § 14 SenG) eben- 14 falls mit Rücktritt, Tod oder durch erfolgreiches Mißtrauensvotum (Art 56 IV, 57 III). Dagegen kann der RB die Entlassung eines anderen Senatsmitglieds nicht - wie zB der Bundeskanzler nach Art 64 I G G - anders als auf dem Wege des Art 57 II erreichen. Ihm steht also weder ein Entlassungsrecht zu, noch kann er ein Senatsmitglied durch einen Senatsbeschluß dazu zwingen. Tritt ein Senator zurück, so hat er seine Amtsgeschäfte auf Verlangen des PrAvB vorläufig weiterzuführen (vgl o Rn 13). Nach dem Ausscheiden eines Senators aus dem SvB, hat der RB gem Art 56 II dem AvB einen Nachfolger zur Wahl vorzuschlagen. Bei einem Mißtrauensvotum ist allerdings Art 57 III 4 zu beachten, wonach das Mißtrauensvotum hinfällig wird, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist. Alternativ zur Wahl eines neuen Senators kann das AvB auf Vorschlag des RB den Geschäftsbereich des ausgeschiedenen Mitglieds 257
Art. 56
Abschnitt IV: Die Regierung
gem Art 58 IV 1 einem anderen Senatsmitglied übertragen oder auf mehrere Senatsmitglieder verteilen. 19 15 Die VvB bestimmt keine ausdrücklichen Voraussetzungen für die Wählbarkeit eines Senatsmitgliedes. Entsprechend deutscher Verfassungstradition muß ein Mitglied des SvB mindestens bei der Amtsübernahme Deutscher iSd Art 116 G G sein; ihm darf nicht das Recht fehlen, öffentliche Ämter zu bekleiden. Die Senatsmitglieder können auch MdA sein, müssen dies jedoch nicht; lediglich eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Bundestag und Europäischen Parlament ist ausgeschlossen. 20 Eine Altersgrenze ist in Bin nicht vorgeschrieben (anders zB in Bay: Art 44 II BayVerf für den Ministerpräsidenten 40 Jahre; in BW: Art 46 I 2 BW Verf für den Ministerpräsidenten 35 Jahre). 16 Fraglich ist, ob ein Senatsmitglied gleichzeitig Mitglied des Landtages eines andern Bundeslandes sein kann. Aus den Inkompatibilitätsregelungen der §§ 6, 7 SenG ergeben sich keine diesbezüglichen Einschränkungen. Grundsätzlich besteht ein Verbot nur dann, wenn Interessenkollisionen zu befürchten sind. 21 In Bin gibt es auch keine dem Art 66 S 1 G G vergleichbare Regelung, wonach ein Senator kein anderes besoldetes Amt ausführen darf. Art 66 S 1 G G gestaltet damit die „personelle Gewaltenteilung" näher aus und umfaßt ausschließlich Staatstätigkeiten im Bereich des Bundes und der Länder. 22 Stellt man auf das grundlegende Problem möglicher Interessenkollisionen ab, so sind solche jedenfalls dann zu befürchten, wenn ein Senator gleichzeitig Mitglied einer anderen Landesregierung ist. Dies ergibt sich schon aus der theoretischen Mitgliedschaft im Bundesrat, die der Betreffende dann für zwei Länder innehaben könnte. 23 Interessenkollisionen im Falle einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in einem anderen Landtag können sich ergeben, wenn der Abgeordnete als nur seinem Gewissen unterworfenes Mitglied des Landtages in einer Sache abstimmen muß, die das Verhältnis mit Bin berührt und zu Interessenkonflikten mit seinem Amt als Mitglied des SvB führen könnte. 24 Grundsätzlich spricht dies dagegen, daß ein Mitglied des Zivier Rn 44.4 S 181. 20 Vgl Rn 20 zu Art 55. 21 Vgl Rn 19 f zu Art 55. 22 Herzog in M D H S Art 66 Rn 2; entsprechende Regelung in Art 39 HmbVerf. 23 Vgl Art 51 I 2 G G und o Rn 19 f zu Art 55. 24 Als Beispiele können angeführt werden: Abstimmungen zum Länderfinanzausgleich oder Zustimmung zu Staatsverträgen oder Entscheidungen der Kultusministerkonferenz, die Belange unterschiedlicher Bundesländer berühren und so das SvB-Mitglied zu einem widersprüchlichen Entscheidungsverhalten zwingen könnten.
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Art. 5 7
SvB gleichzeitig Mitglied des Landtages eines anderen Bundeslandes sein kann. Das Fehlen einer Wählbarkeitsvoraussetzung führt zur Ungültigkeit 17 der Wahl des entsprechenden Senatsmitgliedes. Allerdings berührt die Ungültigkeit einer Senatorenwahl nicht die Wirksamkeit von Amtshandlungen, die bis zur verfassungsgerichtlichen Feststellung der Wahlungültigkeit vorgenommen worden sind. 25 Die Ungültigkeit der Wahl wird auch nicht durch nachherige Erfüllung der Wählbarkeitsvoraussetzung oder Zeitablauf geheilt. 26
Artikel 57 (1) Der Senat bedarf des Vertrauens des Abgeordnetenhauses. (2) Das Abgeordnetenhaus kann dem Senat und jedem seiner Mitglieder das Vertrauen entziehen. Die namentliche Abstimmung darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe des Mißtrauensantrages im Abgeordnetenhaus erfolgen. (3) Der Beschluß über einen Mißtrauensantrag bedarf der Zustimmung der Mehrheit der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Bei Annahme eines Mißtrauensantrages haben die davon betroffenen Mitglieder des Senats sofort zurückzutreten. Jedes Mitglied des Senats ist verpflichtet, auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterzuführen. Das Mißtrauensvotum verliert seine Wirksamkeit, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist. Materialien 1. vgl Art 67 G G ; 54, 55 III BW Verf; 44 III BayVerf; 85 II, 86 BbgVerf; 110, 111 Brem Verf; 35 II-III, 36 HmbVerf; 114 HessVerf; 50 II u. IV, 51 M V Verf; 32, 33 IV NdsVerf; 61, 63 N W Verf; 99 RhPfVerf; 87 V, 88 SaarlVerf; 69 SächsVerf; 72, 73 LSA Verf; 35, 27 II SchlH Verf; 73 ThürVerf 2. VVGB: Art 9 II 2, 3, 11 I 2, 6 bis 8; VvB 1950: Art 42 3. Änderungen: -
25
BremStGH N V w Z 1994, 996; in diesem Urt ging es um die Frage der Wählbarkeitsvoraussetzung ,Hauptwohnung in Brem'; diese Wählbarkeitsvoraussetzung ist durch die letzte Verfassungsänderung der Bremer Verfassung ν 1. N o v . 1994 aufgehoben worden (vgl GVB1 S 289, 291 und den aktuellen Art 107 II Brem Verf). Die allgemeinen Grundsätze haben jedoch weiterhin Gültigkeit und lassen sich auch auf Bin übertragen. BremStGH, aaO.
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Art. 57
Abschnitt IV: Die Regierung
Erläuterungen 1
Nach Art 57 I VvB bedarf der SvB als Landesregierung des Vertrauens des AvB. Dieser Grundsatz ist in der deutschen parlamentarischen Demokratie auch für die Länder durch Art 28 I 2 G G verbindlich festgelegt. Das bedeutet praktisch, daß jede Landesregierung sei es insgesamt, sei es der Regierungschef allein - zu wählen ist und eine Abberufungsmöglichkeit bestehen muß. 1 Das Vertrauensprinzip verlangt allerdings nicht, daß jedes neu zusammengetretene AvB den SvB neu zu wählen hat. 2 2 Dieses Prinzip, das die Abberufungsmöglichkeit der Regierung garantiert, ist in den verschiedenen deutschen Verfassungen unterschiedlich ausgeformt. Das G G sieht eine Abberufung der Regierung nur über den Bundeskanzler vor; ein Mißtrauensvotum gegen den Bundeskanzler kann nur dadurch erfolgen, daß der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen (konstruktives Mißtrauen, Art 67 I GG). Noch in Art 54 WRV war lediglich ein schlichtes Mißtrauensvotum mit Rücktrittsfolge vorgesehen, jedoch war die Möglichkeit der vereinfachten Abberufung überaus gefährlich für die Stabilität der Regierung. 3 In der Abänderung durch das G G wurde eine entscheidende Umorientierung des parlamentarischen Regierungssystems gesehen. 4 Eine dem Art 67 G G entsprechende Regelung findet sich auch in Art 54 I BW Verf, 86 I BbgVerf, 110 BremVerf, 35 II HmbVerf, 50 II MV Verf, 32 III NdsVerf, 61 I NW Verf, 69 I SächsVerf, 72 I LSA Verf, 35 SchlH Verf und 73 ThürVerf. Im Saarl dagegen kann der Regierung das Mißtrauen durch Beschluß des Landtages ausgesprochen werden, ohne daß gleichzeitig oder auch später ein Nachfolger gewählt werden müßte. Bin, RhPf und Hess haben einen Mittelweg gewählt, der dem Prinzip des konstruktiven Mißtrauens entspricht. Dabei wird das Vertrauen nicht durch gleichzeitige Neuwahl eines Nachfolgers entzogen, sondern der Mißtrauensantrag entfällt mit Wirkung ex tunc, wenn nicht binnen einer bestimmten Frist ein Nachfolger gewählt wird (s o in Art 57 III VvB, 114 V HessVerf, 99 V RhPfVerf). Allerdings hat das Mißlingen einer Neuwahl in Hess und RhPf die Auflösung des Landtags zur Folge. Bay beschreitet einen Sonderweg, indem dem
' BVerfGE 27, 44. Str, vgl Rn 2 f zu Art 56. 3 Stern I § 22 III 3 S 989 f. 4 Stern aaO. 2
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Art. 57
Ministerpräsidenten die Rücktrittspflicht auferlegt wird, wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen (Art 44 III BayVerf). Anders als im Bund und in denjenigen Ländern, wo allein der 3 Ministerpräsident vom Parlament gewählt wird, kann in Bin jedem Senatsmitglied einzeln oder dem SvB insgesamt das Mißtrauen ausgesprochen werden. Das ergibt sich aus der eindeutigen Formulierung des Art 57 II 1 VvB. Ebenso ist es in Brem (Art 110 BremVerf) und Hmb (Art 35 I HmbVerf), in RhPf (Art 99 I RhPfVerf) und im Saarl (Art 88 SaarlVerf). Eine ähnliche Regelung hat auch BW, wo der M P aufgefordert werden kann, einen Minister zu entlassen (Art 56 BW Veri). Das Mißtrauen kann nur auf einen Mißtrauensantrag hin aus- 4 gesprochen werden, der der Unterstützung einer Fraktion oder von mindestens einem Viertel der anwesenden Abgeordneten bedarf (§ 45 GOAvB). Die Ablehnung eines Gesetzentwurfs des SvB, auch des Haushaltsplanentwurfs, bedeuten zwar politisch, nicht aber verfassungsrechtlich den Ausspruch eines Mißtrauens. Vom Mißtrauen zu unterscheiden sind auch Mißbilligungs- und Tadelbeschlüsse des AvB. Über ihre Zulässigkeit ist zwar in der VvB nur in Art 94 II 2 etwas gesagt; sie liegen aber in der politischen Kompetenz des AvB und sind zulässig. Anders als zB Art 36 I HmbVerf sieht die VvB nicht ausdrücklich vor, daß der SvB oder ein Senatsmitglied die Vertrauensfrage stellen kann, also einen Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen. Die entsprechende Vorschrift des Entwurfs, der dies vorsah, ist ohne Begründung fallengelassen worden. Daraus ist zu schließen, daß die Vertrauensfrage zwar auch von der Regierungsseite her gestellt werden kann; anders als zB in Hmb zieht aber die Verweigerung des Vertrauens keine Rechtsfolgen nach sich, wie die Auflösung des AvB oä. Der Mißtrauensantrag ist an den PrAvB zu richten, der ihn dem AvB bekanntzugeben hat. Die namentliche Abstimmung darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe erfolgen (Art 57 II 2 VvB). Eine Begründung ist für den Antrag nicht vorgeschrieben, wird aber in aller Regel vorgenommen werden. Der Antrag bedarf zu seiner Annahme nicht wie die Wahl eines Senatsmitglieds der einfachen, sondern der Mehrheit der gewählten Mitglieder des AvB. Das AvB kann die Mißtrauensregelung des Art 57 II und III VvB nicht dadurch umgehen, daß es einen Beschluß zur Verkleinerung der Geschäftsbereiche und damit der Anzahl der Mitglieder des SvB 261
Art. 57
Abschnitt IV: Die Regierung
trifft, für den dann nur die einfache Mehrheit erforderlich wäre. Dem steht das Vorschlagsrecht des RB aus Art 58 IV entgegen, der allein einen solchen Antrag stellen könnte. Aber auch ein dahingehendes Zusammenwirken des RB und des AvB führt lediglich zum Wegfall eines Geschäftsbereiches, nicht des Amtes eines Senators. Die Folge ist, daß das betroffene Senatsmitglied Senator ohne Geschäftsbereich würde. 5 Ein Senatsmitglied, dem das Vertrauen entzogen worden ist, muß sofort zurücktreten (Art 57 III 2 VvB). Aus der insofern zwingenden Formulierung der Norm ergibt sich eine Rechtspflicht zum Rücktritt des betreffenden Senatsmitglieds. Diese Rechtspflicht stellt jedoch noch keinen automatischen Rücktritt dar, sondern verpflichtet das Senatsmitglied zur unverzüglichen Abgabe einer Rücktrittserklärung. 5 Kommt es dieser Rechtspflicht nicht nach, so kann gem Art 84 II N r 1 VvB vor dem Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren angestrengt werden, durch das die bestehende Rechtspflicht festgestellt werden kann. 6 Jedes Mitglied des SvB ist verpflichtet, auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterzuführen (Art 57 III 3 VvB). Diese Vorschrift ist analog anwendbar, wenn einzelne Senatsmitglieder oder der gesamte SvB zurücktreten, ohne daß ein Mißtrauensvotum des AvB vorliegt. 6 Grundsätzlich dient eine Regelung der Geschäftsführung nach einem erfolgreichen Mißtrauensvotum der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Regierungsorgans, es soll keine regierungslose Zeit entstehen. 7 7 Auch das GG (Art 69 III GG) sieht die Möglichkeit vor, daß Bundeskanzler und Bundesminister bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers die Geschäfte auf Verlangen des Bundespräsidenten (den Bundeskanzler betreffend) bzw auf Verlangen des Bundeskanzlers (hinsichtlich der Bundesminister) fortführen. Herzog führt hierzu aus, Art 69 III G G gehe offensichtlich davon aus, daß es nach einem Regierungssturz besser sei, die verschiedenen Bundesministerien zunächst unter der Leitung der gerade abgesetzten Bundesminister zu belassen, als sie sich gewissermaßen selbst zu überlassen. 8 Dies sei insb für den Fall eines mehrere Monate dauernden Interregnums
s Vgl Zinn/Stein Art 114, Nr 7. Zivier Rn 44.4. 7 Vgl David Art 37 Rn 15; KunzmannIHaaslBaumann-Hasske Art 68 Rn 5, die die verfassungsrechtliche Einrichtung einer geschäftsführenden Regierung m der Notwendigkeit der kontinuierlichen Staatsleitung durch parlamentarisch verantwortliche Regierungsorgane erklären. 8 Herzog in M D H S Art 69 Rn 47. 6
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anzunehmen, wo es in der Tat vorzuziehen sei, daß jedenfalls eine gewisse Leitung und Kontrolle der Ressorts durch eine politische Spitze sichergestellt werde. Die Formulierung des Art 57 III 3 („auf Verlangen") bedeutet 8 insb, daß auf die Fortführung der Geschäfte kein Rechtsanspruch des betroffenen Senatsmitglieds besteht. Die Fortführung der Geschäfte tritt nicht automatisch ein, sondern es muß ein entsprechendes Verlangen ausgesprochen werden. Nach Zivier läßt sich eine Rechtspflicht zur Weiterführung der Amtsgeschäfte trotz des eindeutigen Wortlauts von Art 57 VvB in der Praxis kaum durchsetzen. 9 Allerdings ist auch hier an ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gem Art 84 II Nr 1 VvB zu denken, durch das die Pflicht des betroffenen Senatsmitglieds zur Weiterführung der Amtsgeschäfte positiv festgestellt werden kann. 10 Unter diesen Voraussetzungen ist es äußerst unwahrscheinlich, daß sich das betroffene Mitglied weiterhin der Verpflichtung zur Geschäftsführung entzieht, was politisch höchst problematisch wäre. Außerdem könnte das sich weigernde Senatsmitglied gem Art 91 I VvB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Fraglich ist, wer befugt sein kann, dieses Verlangen auszusprechen. 9 Unstrittig dürfte dies das AvB (ggf durch den PrAvB als seinem Repräsentatenten) sein, da es die Senatsmitglieder wählt und ihnen das Vertrauen entziehen kann. So war im Entwurf zunächst auch nur vorgesehen, daß das Verlangen lediglich vom AvB ausgesprochen werden kann. In der 61. Sitzung des StVV bestand aber unter allen Fraktionen mit Ausnahme der SED Einigkeit darüber, daß dieses Verlangen auch vom SvB soll ausgehen können. Das ist insofern inkonsequent, weil weder der SvB noch der RB (der lediglich das Vorschlagsrecht hat) das Senatsmitglied gewählt oder in sein Amt berufen haben. Es ist vielmehr an den Grundsatz anzuknüpfen, daß derjenige, der eine Person in ein Amt beruft, auch über die vorläufige Weiterbeschäftigung oder Fortführung der Geschäfte durch sie entscheidet. Da der Ausspruch des Mißtrauens nur durch das AvB erfolgen kann, wird das Verlangen zur vorläufigen Weiterführung des Amtes auch nur vom AvB oder zumindest vom PrAvB ausgesprochen werden können. Es kann nicht angenommen werden, daß der SvB eine Person mit der Fortführung von Amtsgeschäften be-
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Zivier aaO. Dies ist jedoch wegen der Zeitkomponente eine eher theoretische Möglichkeit.
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traut, die - manifestiert - nicht das Vertrauen des Parlaments besitzt. 11 Etwas anderes kann gelten, wenn das AvB eine andere Person als den bisherigen Amtsinhaber bestimmen will. Dies ist wegen des grundsätzlichen Vorschlagsrechts des RB jedenfalls nicht ohne dessen Zustimmung möglich. Ferner spricht die Formulierung des Art 57 III 3 VvB dagegen, das betreffende Senatorenamt mit einem anderen als dem ausgeschiedenen Senator bis zum Amtsantritt des Nachfolgers zu besetzen. Art 57 III 3 geht davon aus, daß das Verlangen nur gegenüber dem ausgeschiedenen Senator ausgesprochen werden kann. 12 Wird das betreffende Senatsmitglied nicht mit der Fortführung der Aufgaben betraut, so ist davon auszugehen, daß bis zur Wahl eines Nachfolgers sein Ressort von einem anderen Senatsmitglied nach den allgemeinen Stellvertretungsregelungen übernommen wird, die dafür ohne weiteres ausreichend sind. 13 10 Wird dem SvB insgesamt das Vertrauen entzogen, so steht es dem AvB frei, lediglich einen Teil seiner Mitglieder zur Fortführung der Geschäfte aufzufordern. Ein geschäftsführender Rumpfsenat muß bis zur Senatsneubildung aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Gründen aber fortbestehen. 14 Nur so ist die Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Regierung während der Übergangsphase gewährleistet. Fraglich ist, aus wie vielen Mitgliedern dieser Rumpfsenat bestehen soll. Von vornherein auszuschließen ist die theoretische Möglichkeit, nur eine Person als Rumpfsenat bestehen zu lassen, da dann auf jeden Fall das Merkmal eines Kollegiums nicht mehr gewahrt ist. Nach dem römisch-rechtlichen Grundsatz „tres sunt consilium" könnte man davon ausgehen, daß der Rumpfsenat mindestens aus dem RB und zwei weiteren Senatoren, mithin aus drei Personen bestehen muß. 15 Dafür spricht schon Art 55 II. Ob Senatoren gleichzei-
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Vgl auch Zivier Rn 44.4, der hierzu anmerkt, daß in der Praxis das Verlangen traditionell ν PrAvB ausgesprochen werde, der dabei aber nur als Sachwalter des AvB handele. Die frühere Praxis, nach der der RB die anderen Senatsmitglieder zur Fortführung der Amtsgeschäfte aufforderte, sei aufgegeben worden. Gegen die Möglichkeit der Beauftragung dritter Personen spricht sich für den Bereich des G G auch Herzog in M D H S Art 69 Rn 57 aus. Vgl hierzu u R n 17. Zivier Rn 44.4. So auch Zivier Rn 44.2, der davon ausgeht, daß das AvB drei Senatsmitglieder mit der Fortführung der Geschäfte beauftragen muß, da es anderenfalls gegen seine verfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen würde.
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tig die Ämter der Bgm wahrnehmen müssen, kann dahingestellt bleiben, da es für die Übergangszeit vertretbar erscheint, auf die besondere Bestellung von Bürgermeistern zu verzichten. Art 68 II spricht dafür, wenigstens einen Senator gleichzeitig die Funktion eines Bürgermeisters wahrnehmen zu lassen. Für das Erfordernis von drei Mitgliedern des Rumpfsenats sprechen auch die Rechtsnormen, die vom Vorhandensein bestimmter Funktionsträger ausgehen. 16 Zu Recht geht man davon aus, daß der Finanzsenator und der Innensenator vom RB personenverschieden sein müssen, nicht jedoch der Justizsenator. 17 Für eine Ubergangsphase kann mithin eine Vertretungsregelung eingreifen, so daß das Vorhandensein von mindestens zwei Senatoren neben dem RB als Rumpfsenat ausreichen könnte. Zumindest für ein Interregnum von kurzer Dauer kann die Ressortleitung auch durch die jeweiligen Staatssekretäre vorgenommen werden. 18 Folglich könnte ein Rumpfsenat für die Übergangszeit aus drei Personen, dem RB, der gleichzeitig Justizsenator ist, und einem Innen- sowie einem Finanz-Senator gebildet werden. Die Hessische Verfassung kommt insofern zu einer glücklicheren 11 Lösung, indem sie ausdrücklich eine verfassungsunmittelbare Pflicht 19 vorschreibt, daß die Landesregierung, die zurückgetreten oder der durch den Landtag das Vertrauen entzogen worden ist, die laufenden Geschäfte bis zu deren Übernahme durch die neue Landesregierung weiterzuführen hat (Art 113 III HessVerf). Dabei betrifft diese Vorschrift nur den Fall des zurückgetretenen Ministerpräsidenten, wodurch auch die „Arbeitsverhältnisse" sämtlicher Regierungsmitglieder enden, nicht jedoch den Rücktritt eines einzelnen Ministers. 20 Hmb verhindert eine regierungslose Übergangzeit ebenfalls da- 12 durch, daß die HmbVerf die Weiterführung der Geschäfte bei einem Rücktritt des gesamten Senats vorschreibt (Art 37 I HmbVerf).
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Vgl zB Art 88 III für den Finanzsenator, Art 95 II, 98 IV G G für den Justizsenator; §§ 1 I b, 3 II BeflaggVO, 8 III, 16 III GOSvB, 9 I AZG für den Innensenator. 17 Vgl Rn 12 zu Art 55. 18 Vgl § 9 II GOSvB; zur entsprechenden Problematik im Bund: Herzog in M D H S Art 69 Rn 47. 19 ZinnlStein Art 113 Nr 4. 20 Zinn/Stein aaO. Dort wird auch auf den grundsätzlichen Unterschied der hessischen Regelung (Fortführung der lfd Geschäfte) zu den entsprechenden Regelungen der anderen Landesverfassungen (Weiterführung der Geschäfte) Bezug genommen.
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Tritt ein einzelnes Senatsmitglied aufgrund eines Mißtrauensvotums zurück, so kann es vom PrAvB als dem Repräsentanten des AvB aufgefordert werden, die Geschäfte bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers fortzuführen. Es erscheint jedoch insoweit inkonsequent, ein einzelnes Senatsmitglied seine Geschäfte weiter betreiben zu lassen, dem gerade das Vertrauen des AvB entzogen worden ist. Hierfür sprechen jedoch insb praktische Erwägungen. 21 In Hmb entscheidet bei einem Rücktritt einzelner Senatoren der Senat darüber, ob sie sofort ausscheiden oder die Geschäfte bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers fortführen (Art 37 II HmbVerf). 22 Brem sieht für die Abwahl des Senats oder seiner Mitglieder ein konstruktives Mißtrauensvotum vor (Art 110 BremVerf). Zwar kann ein Mißtrauensvotum schon vorher beschlossen werden, es tritt aber erst mit der Wahl eines neuen Senats(mitglieds) in Kraft. Bis dahin bleibt der alte Senat/der alte Senator im Amt, eine geschäftsführende Amtsausübung liegt nicht vor. 23 14 Das Amt eines abgewählten Senatsmitglieds endet außer durch Tod gem § 14 I SenG erst mit dem Rücktritt oder mit der Neubildung des SvB; im Falle des Mißtrauensvotums, das mit der Aufforderung zur Fortführung der Amtsgeschäfte (Art 57 III 3 VvB) verbunden ist, endet das Amt mit dem Amtsantritt des Nachfolgers. Wird das Verlangen nicht erklärt, so endet im Falle des Mißtrauensvotums die Amtszeit des betroffenen Senatsmitglieds mit dessen Rücktritt (Art 57 III 2 VvB). Auch wenn entgegen Art 57 III 2 der Rücktritt nicht erklärt wird, kann das AvB mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gem. Art 56 II einen Nachfolger wählen. Das Amt des Abgewählten endet dann auf jeden Fall mit dem Amtsantritt des Neugewählten, dh nach der Annahme der Wahl und seiner Vereidigung. 15 Kann sich das AvB nicht binnen einer Frist von 21 Tagen mit einfacher Mehrheit (Art 56 I VvB) auf einen neuen Kandidaten einigen oder in Übereinstimmung mit dem RB erreichen, daß mit diesem Ressort nicht ein neuer Senator, sondern eines oder mehrere der vorhanden Senatsmitglieder betraut werden (Art 58 IV 1 VvB), verfällt das Mißtrauensvotum mit Wirkung ex tunc: Die Lage ist so, als ob
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Vgl o Rn 7 (Anm Herzogs zur entsprechenden Regelung im GG). Vgl David Art 37 Rn 15: Die durch § 1 I SenatsG festgeschriebene Mindestzahl ν 10 Senatoren sei Indiz für die Einschätzung der Bürgerschaft, welche Anzahl ν Senatoren für die Funktionsfähigkeit des SvB nötig ist. Bis zu einer E nach Abs 2 hält David den Hamburger Senat für verpflichtet, auf die Einhaltung der Mindestzahl zu achten. Neumann (Heinzgeorg) Art 110 Rn 14.
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ein Mißtrauensantrag keine Mehrheit gefunden hat (vgl auch § 14 II SenG: dann gilt das Amt als Senatsmitglied nicht als beendet). Hat jedoch vor Ablauf dieser Frist das betroffene Senatsmitglied seinen Rücktritt erklärt und ist damit aus dem SvB ausgeschieden, so kann gegen seinen Willen dieses Ausscheiden auch nicht durch eine nachträgliche Unwirksamkeit des Mißtrauensvotums rückgängig gemacht werden. In diesem Fall bleibt die Verpflichtung, die freigewordenen Geschäftsbereiche neu zu besetzten oder auf die restlichen Senatsmitglieder zu verteilen. Von einem Verfall des Mißtrauensvotums kann dann nicht mehr gesprochen werden. Die vergleichbaren Regelungen in Art 114 V HessVerf, 99 V RhPfVerf sind insofern konsequenter, indem sie eine Auflösung des Landtages anordnen. Hinsichtlich der Neuwahl ist zu berücksichtigen, daß das AvB bei 16 der Wahl des RB frei ist, daß die übrigen Senatsmitglieder aber auf Vorschlag des RB zu wählen sind. Richtet sich das Mißtrauensvotum gegen einen Bgm oder Senator, so ist der RB verpflichtet, dem AvB innerhalb der Frist einen Kandidaten für die Neubesetzung vorzuschlagen. 24 Ist ein Senatsmitglied nicht aufgrund eines Mißtrauensvotums, 17 sondern durch freiwilligen Rücktritt oder durch Tod ausgeschieden, so kann sein Geschäftsbereich - ohne organisatorische Veränderung 25 - beliebig lange einem anderen Senatsmitglied zur kommissarischen Wahrnehmung übertragen werden. 26 Gem § 9 Abs 1 GOSvB bestimmt sich die Vertretungsregelung nach Maßgabe des Vertretungsplans. In Angelegenheiten, für die nach der VvB oder anderen Rechtsvorschriften nicht ausschließlich die Senatsmitglieder zuständig sind, sind die Staatssekretäre ständige Vertreter der Mitglieder des SvB (§ 9 II 1 GOSvB). Der VerfGH entscheidet insb im Organstreitverfahren über die 18 Auslegung der VvB aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die VvB oder durch die GOAvB mit eigenen
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Zivier Rn 44.4 und Fn 10: Der RB könnte allerdings absichtlich einen Kandidaten vorschlagen, der im AvB keine Mehrheit findet, so daß das Mißtrauensvotum nach Ablauf ν 21 Tagen seine Wirkung verliert. Ein solches Verhalten käme - jedenfalls unter normalen Verhältnissen - aber einem politischen Selbstmord gleich. Das AvB hätte im übrigen die Möglichkeit, nach Ablauf der 21-Tage-Frist ein erneutes Mißtrauensvotum auszusprechen. 25 Vgl Art 58 Rn 21. 26 Zivier aaO.
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Rechten ausgestattet sind (Art 84 II Nr 1 VvB, § 14 Nr 1 VerfGHG). Somit kann auch die Handlungsweise des SvB oder eines Senators vor dem VerfGH überprüft werden. 27
Artikel 58 (1) Der Regierende Bürgermeister vertritt Berlin nach außen. Er führt den Vorsitz im Senat und leitet seine Sitzungen. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag. (2) Der Regierende Bürgermeister bestimmt im Einvernehmen mit dem Senat die Richtlinien der Regierungspolitik. Sie bedürfen der Billigung des Abgeordnetenhauses. (3) Der Regierende Bürgermeister überwacht die Einhaltung der Richtlinien der Regierungspolitik; er hat das Recht, über alle Amtsgeschäfte Auskunft zu verlangen. (4) Die Zahl der Geschäftsbereiche des Senats sowie ihre Abgrenzung werden auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Der Senat gibt sich seine Geschäftsordnung. (5) Jedes Mitglied des Senats leitet seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung innerhalb der Richtlinien der Regierungspolitik. Bei Meinungsverschiedenheiten oder auf Antrag des Regierenden Bürgermeisters entscheidet der Senat. Materialien 1. vgl zu Art 58 I 1 VvB: Art 59 GG; 50 BW Verf; 47 III BVV; 118 1 2 BremVerf; 43 HmbVerf; 103 I HessVerf; 47 I M V Verf; 35 I NdsVerf; 57 N W Verf; 101 RhPfVerf; 95 I SaarlVerf; 65 I SächsVerf; 69 I LSA Verf; 77 I ThürVerf vgl zu Art 58 I 2 und 3, II-V VvB: Art 65 GG; 49 BW Verf; 47 ff BayVerf; 115 ff. Brem Verf; 42 HmbVerf; 104 HessVerf; 46 MV Verf; 37, 39 II NdsVerf; 54ff. N W Verf; 105 RhPfVerf; 90f SaarlVerf; 63f. SächsVerf; 68 LSA Verf; 76 ThürVerf vgl weiterhin Art 91 BbgVerf; 30 I, 29 SchlH Verf 2. VVGB: Art 11 III, V und VI, 12 I 1 und 2; VvB 1950: Art 43 3. Änderungen: -
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Vgl zum Umfang Art 84 Rn 44.
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Erläuterungen Durch Art 58 I 1 erhält der RB die Befugnis, Berlin nach außen zu 1 vertreten. Dabei meint Art 58 I 1 nur die staatsrechtliche Vertretung, wie auch aus § 20 I AZG zu ersehen ist. Darunter fallen also nicht die rechtsgeschäftliche Vertretung und die Vertretung in Verwaltungsangelegenheiten (Verwaltungsabkommen), vgl §§ 20 II, 21 AZG. Zum staatsrechtlichen Vertretungsrecht des RB gehört begrifflich der Abschluß von Verträgen, die sich auf die Gesetzgebung beziehen (vgl Art 59 II 2. Alt GG) oder die die politischen Beziehungen des Landes regeln (Art 59 II 1. Alt GG), weiterhin der Abschluß völkerrechtlicher Verträge, die Berlin mit auswärtigen Staaten abschließt und schließlich die sonstige staatsrechtliche und politische Repräsentation, wie der Verkehr mit Organen des Bundes (§ 29 f GOSvB) und der Verkehr mit Behörden anderer Länder (§ 31 GOSvB). Zur Vertretung nach außen gehört nicht die Mitarbeit im Bundes- 2 rat, weil hier das Land nicht gegenüber dem Bund, sondern im Bund, dh in einem Bundes-Organ auftritt. Gem Art 51 II G G hat das vereinte Berlin vier Stimmen im Bundesrat (da es mehr als 2 Mio. Einwohner hat). Jedoch können die Stimmen eines Landes nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder und deren Vertreter abgegeben werden (Art 51 III 2 GG). Die vier Bundesratsmitglieder werden vom SvB bestellt (§ 17 II GOSvB). Vor jeder Bundesratssitzung beschließt der SvB über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat; kommt ein Senatsbeschluß nicht rechtzeitig zustande, entscheidet ein Senatsausschuß, dem der RB, der Bgm, der Senator für Bundes-Angelegenheiten und die beteiligten Senatsmitglieder angehören (§ 17 III GOSvB). Die Tätigkeit im Bundesrat ist originäre Aufgabe der Landesregierung. Das AvB kann den SvB um eine bestimmte Art der Stimmenabgabe im Bundesrat ersuchen, bindend wäre ein solcher AvB-Beschluß für die Berliner Vertreter im Bundesrat allerdings nicht. Die administrative Zusammenarbeit der Länder untereinander ist 3 häufig praktiziert und vom G G nicht verboten, wenngleich auch nicht ausdrücklich zugelassen. Sie ergibt sich aus einem dem Bundesstaatsprinzip immanenten Grundsatz, daß nämlich die Länder Staaten sind und ihre nach dem G G zugewiesenen Kompetenzen im Lichte dieser Staatlichkeit eigenständig ausführen dürfen, soweit sie nicht gegen die Bundesverfassung (und ihr eigenes Verfassungsrecht) verstoßen. 1
• Stern II S 785.
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Zum Zusammenwirken einzelner oder mehrerer Länder mit dem Bund bedarf es der Grundlage eines Staatsvertrages oder, wenn nur Verwaltungskompetenzen betroffen sind, einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung; gemeinsame Einrichtungen in Privatrechtsform bedürfen einer solchen Grundlage nicht (zB die Frankfurter Flughafen AG). 2 Staatsverträge sind alle Verträge, die entweder in den Kompetenzbereich der Gesetzgebung eingreifen oder die politischen Beziehungen des Landes regeln. 3 5 Für den Abschluß von Staatsverträgen ist nach § 20 I 1 A Z G der RB zuständig. Solche Verträge Berlins mit der BRep oder mit den deutschen Ländern bedürfen, soweit sie nicht der Zustimmung des AvB unterliegen, der Zustimmung des SvB (§ 20 I 2 AZG). 4 Weiterhin wurde im Zuge der Verfassungsänderung von 1995 im neuen Art 50 I der Grundsatz aufgestellt, daß Staatsverträge vor ihrer Unterzeichnung durch den SvB dem AvB zur Kenntnis zu geben sind und der Abschluß von Staatsverträgen der Zustimmung des AvB bedarf. Staatsverträge zwischen zwei Ländern (Gliedstaatenverträge) oder zwischen Ländern und dem Bund werden ähnlich wie völkerrechtliche Verträge behandelt; sie bedürfen der Ratifikation durch die Parlamente der Partner, gelten aber zunächst nur „inter pares" und schaffen erst im Wege der Transformation geltendes Recht 5 für die Bürger. Nach der insoweit unzweideutig gefaßten Verfassungslage im Bund (Art 59 II GG) oder zB im Saarl (Art 95 II SaarlVerf) oder in Bin (Art 50 I 4 VvB) erfolgt die Transformation durch die in Gestalt eines förmlichen Parlamentsgesetzes erteilte Zustimmung zum Vertragsschluß ß Der Zustimmungsbeschluß des AvB ist also ein legislativer Akt und erfolgt deshalb in Gesetzesform, dies folgt auch aus den Art 59, 90 I VvB. Nach dem Zustimmungsgesetz obliegt dem RB die Ratifikation, dh er unterzeichnet die entsprechende Urkunde allein.7 6 Inwieweit etwaige Abschlußmängel bei Staatsverträgen mit dem Bund oder anderen Bundesländern auch im Außenverhältnis zu berücksichtigen sind, ist strittig.
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Püttner DtZ-Informationen 1991, 121, 125. Zivier Rn 74.1.2; dies ergebe sich aus der ν Verfassungsgeber gewollten Anlehnung an Art 59 II G G (Fn 40 zu Rn 74.1.2). 4 Zum Abschluß ν Staatsverträgen durch den SvB vgl auch Rn 3 zu Art 50. 5 Püttner aaO. s Schmidt NVwZ 1986,276. 7 Vgl Art 50 Rn 4; zum Begriff der Zustimmung vgl auch Rn 1 zu Art 96. 3
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Für den völkerrechtlichen Bereich gilt, daß ein ratifizierter Staats- 7 vertrag mit einem auswärtigen Staat gleichwohl gegenüber den Vertragspartnern als wirksam angesehen werden muß, auch wenn er an staatsrechtlichen Mängeln leidet, im schlimmsten Fall selbst dann, wenn er verfassungswidrig ist. Um diese aufgrund der Verschiedenheit der Rechtsordnungen denkbare Konstellation zu vermeiden, hat das BVerfG frühzeitig einen Antrag auf Prüfung von Vertragsgesetzen (Art 59 II GG) für zulässig gehalten, bevor der Bundespräsident sie ausfertigt und verkündet. 8 Damit ist für den Bereich der völkerrechtlichen Verträge eine Ausnahme vom Grundsatz der Unstatthaftigkeit vorbeugende Normenkontrolle gemacht. Neuerdings hält das BVerfG die Bundesregierung sogar für verpflichtet, das Inkraftsetzen eines völkerrechtlichen Vertrages hinauszuzögern, bis dem BVerfG Gelegenheit zu einer Entscheidung gegeben worden ist.9 Fraglich ist, ob auch bei Staatsverträgen zwischen Ländern und 8 dem Bund oder auch zwischen den Ländern untereinander, die an Abschlußmängeln leiden, nach völkerrechtlichen Grundsätzen die Bindungswirkung nichtsdestoweniger aufrechtzuerhalten ist oder ob solche Verträge unwirksam und damit nichtig sind. Eine Meinung geht hierbei von dem völkerrechtlich orientierten Grundsatz aus, daß Staatsverträge zwischen den Ländern untereinander trotz einer innerstaatlichen Unwirksamkeit wirksam und verbindlich seien.10 Die Gegenmeinung vertritt den Standpunkt, daß dieser Grundsatz im Bundesstaatsverhältnis wegen der Gedanken der Bundestreue und der Länderverbundenheit im Bundesstaat keine entsprechende Beachtung und Legitimation entfalten könne. 11 Für die Klärung dieser Streitfrage ist zu differenzieren: Die ein- 9 zelnen Landesverfassungsgerichte der Länder können eine Unwirksamkeit eines Vertrages nicht verbindlich für den Vertragspartner feststellen, da dem innerstaatlichen Verfassungsrecht keine Außenwirkung zukommt. Dazu bedarf es einer übergeordneten Rechtsebene. Es gilt dabei der Grundsatz, daß es sich bei dem Verhältnis zwischen den Ländern untereinander nicht um ein völkerrechtliches, sondern um ein staatsrechtliches Verhältnis handelt. In dieser Konse-
« BVerfGE 1, 396,413; Ipsen Rn 805, 234 f. Ipsen aaO m Verweis auf BVerfGE 36, 1, 15. 10 So Maunz in M D H S Art 32 Rn 66, der ν einer „völkerrechtsähnlichen Ebene" b einem Vertragsschluß zwischen einzelnen Bundesländern ausgeht. " Schneider DÖV 1957, 644, 647 f; BVerwGE 50, 137, 142 ff. 9
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quenz sind sich die Rspr des BVerfG und BVerwG einig.12 Mit dem Verweis auf das Bundesstaatenrecht ergeben sich aber erst die eigentlichen Interpretationsprobleme; denn dieses Recht enthält keine konkreten Aussagen über das für Gliedstaatenverträge maßgebliche Recht. Es bedarf also des Rückgriffs auf den Grundsatz der Bundestreue oder allgemeiner Rechtsprinzipien wie pacta sunt servanda, des Verbots des Rechtsmißbrauchs oder der clausula rebus sie stantibus. Durch die Heranziehung solch anerkannter allgemeiner Rechtsgrundsätze ist es aber unvermeidlich, auch die Regeln des Völkerrechts als Interpretationshilfsmittel zu berücksichtigen, da nicht darüber hinwegzusehen ist, daß die vertragsschließenden Rechtssubjekte Staaten sind. 13 Insoweit behält das Völkerrecht für das Gliedstaatenvertragsrecht auch dann seine Bedeutung, wenn für seine ergänzende Anwendung kein Raum ist, weil das Verhältnis der Länder im Bundesstaat zueinander lückenlos durch das BVerfG geregelt ist.14 10
Im Ergebnis ist also nach dem Gesagten davon auszugehen, daß in vertraglichen Streitfällen zwischen zwei Bundesländern, bei denen es um die Unvereinbarkeit einer Vertragsklausel mit der Verfassung eines Vertragspartners geht, die Klärung des Einzelfalls vor einem Bundes-Gericht (BVerfG oder BVerwG, zB im Verfahren nach § 50 I Nr 1 VwGO) herbeizuführen ist. Dies ist durch den Grundsatz der Bundestreue der Vertragspartner geboten. 15 Von einer unmittelbaren Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Vertrages wird man nach dem Gesagten hingegen nicht ausgehen können. 11 Für Verwaltungsabkommen gilt Art 58 I 1 VvB nicht, denn nach überkommendem Verständnis handelt es sich hier nicht um eine Vertretung nach außen. Dementsprechend regelt § 20 II AZG, daß Verwaltungsvereinbarungen mit Behörden der BRep oder deutscher Länder von der zuständigen Senatsverwaltung abgeschlossen werden. Hier gilt das Ressortprinzip des Art 58 V VvB, was Art 59 II 2 G G entspricht. Soweit ein Mitglied des SvB nicht zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften befugt ist (vgl § 6 II AZG), bedarf es zum Abschluß der Verwaltungsvereinbarung der Zustimmung des SvB, § 20 II 2 AZG. 12 Die Vertretung des Landes in Verwaltungsangelegenheiten richtet sich nach der VvB, den einschlägigen Gesetzen (insb AZG) und den
'2 Stern I, § 19 IV 3, 756 ff mwN. 13 Stern aaO. 14 Stern aaO; im Wortlaut so BVerfVGE 34, 216, 232 und zust BVerwGE 50, 137, 146, 151. 15 Vgl Stern aaO.
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Organisationsakten der Exekutive (zB Geschäftsverteilung des SvB, innerbehördliche Regelungen); grundsätzlich vertritt dabei jede Behörde (oberste Landesbehörde, nachgeordnete Behörde, BzA) Bin im Rahmen ihrer Zuständigkeit. 16 Innerhalb der Behörden ist die Zeichnungsbefugnis der Verwaltungsbediensteten durch Organisationsakt zu regeln, allerdings kann das Land Zuständigkeitsüberschreitungen einzelner Verwaltungsangehöriger gegenüber dem Betroffenen nur geltend machen, wenn dieser den Zuständigkeitsmangel kannte oder kennen mußte. 17 Bei den sonstigen Verträgen, die nicht Staatsverträge oder Verwal- 13 tungsabkommen sind, benötigt der RB die Zustimmung des SvB. Die Abgrenzung zwischen Staatsverträgen, politischen Verträgen und Verwaltungsabkommen ist praktisch nicht immer einfach. Verwaltungsabkommen sind Verträge über solche Gegenstände, für die keine gesetzgeberischen Akte erforderlich sind und die auch nicht politische Beziehungen Berlins zu anderen Ländern, zum Bund oder zu auswärtigen Staaten regeln. Es muß sich um Gegenstände handeln, die mit den Mitteln des Verwaltungsrechts ohne Gesetzbehandelt werden können. Die Bezeichnung eines Vertrages ist hierbei nicht entscheidend, maßgeblich ist der materielle Inhalt. 18 Nach dem Wegfall der alliierten Sonderbestimmungen umfaßt die 14 Vertretung nach außen nun auch uneingeschränkt den Abschluß von (völkerrechtlichen) Verträgen Berlins mit auswärtigen Staaten nach Art 32 III GG. Allerdings ist diese Abschlußkompetenz nach der Wertung des Art 32 I G G nur in dem begrenzten Bereich zulässig, wo den Ländern eine Gesetzgebungszuständigkeit eingeräumt ist. Ihnen steht jedoch ein Anhörungsrecht zu, wenn der Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen dem Bund und einem ausländischen Staat die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt (Art 32 II GG). Die besonderen Verhältnisse eines Landes werden zB berührt, wenn bei einem Vertrag des Bundes mit einem Nachbarstaat ein Land an diesen angrenzt, auf das der Vertrag stärkere Rückwirkungen als auf andere Länder ausübt, oder wenn ein Land in stärkerem Maße als andere durch einen Vertrag des Bundes erfaßt wird (zB bei einem Vertrag mit der Montanunion: alle Länder mit Bergbaugebieten). 19 Die Anhörung muß vor dem Abschluß des Vertrages gesche-
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Zivier Rn 74.2. Zivier aaO. Vgl zur Abgrenzung für die bundesstaatliche Regelung in Art 59 GG: Ipsen Rn 960. Maunz in M D H S Art 32 Rn 21.
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hen. Jedoch besteht kein Anhörungsrecht, wenn der Bund Verträge abschließt, deren Transformation in die Kompetenzen der Länder fällt; hier sind keine besonderen Verhältnisse eines Landes betroffen, sondern Gesetzgebungskompetenzen aller Länder berührt. 20 15 Die Bestimmung des Art 32 III G G eröffnet den Bundesländern jedoch keine Befugnis zur eigenen Außenpolitik, sondern trägt allein der bundesstaatlichen Kompetenzordnung Rechnung. 21 Durch den Zustimmungsvorbehalt des Art 32 III wird ausgeschlossen, daß sich einzelne Bundesländer in Gegensatz zur Außenpolitik der Bundesregierung setzen. Denn nach außen hin hat die Bundesrepublik als einheitlicher Staat aufzutreten. 16 Der Eingungsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der D D R von 1990 ist als völkerrechtlicher Vertrag anzusehen, da er von (vor der Vereinigung noch) eigenständigen Völkerrechtssubjekten geschlossen wurde. 22 Insoweit stellt sich die Frage der Bindungswirkung des Vertrages für die neuen Bundesländer und Gesamt-Berlin. Zunächst ist festzuhalten, daß ein völkerrechtlicher Vertrag auch die in einen Staat eingegliederten Länder bindet. Allerdings entstanden die neuen Bundesländer erst zum 3. Oktober 1990 (auch die Erweiterung des Landes Berlin mit 23 Bezirken begann erst mit diesem Datum, vgl Art 1 Rn 4), zu einem Zeitpunkt, an dem es die D D R schon nicht mehr gab; sie konnten also auch nicht als Teil der D D R gebunden werden. Da die D D R mit der Wiedervereinigung nicht mehr existent war, somit praktisch ein Vertragspartner wegfiel und damit auch die gegenseitigen Pflichten erloschen wären, mußte die Fortgeltung des Vertrages auf staatsrechtlicher Ebene gesichert werden. Hierfür steht nach der Rspr des BVerfG als ungeschriebenes Verfassungsrecht ein Vertragsregime für (Bundes-)Länderabkommen zur Verfügung, das sogar auch bei Wegfall der einen Vertragspartei für den verbleibenden Partner grundsätzlich von einer fortdauernden Bindungswirkung ausgeht. 23 Um dem Einigungsvertrag zu dieser Wirkung zu verhelfen, ist also nur die Annahme nötig, daß er mit der Vereinigung zu einem staatsrechtlichen Vertrag mutiert ist, wenn man ihm nicht schon von vorneherein mit dem BVerfG einen
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Ipsen Rn 952; etwas anderes gilt allerdings in Angelegenheiten der EU, Art 23 II, IV, V 2 GG. Ipsen Rn 954. Fastenrath DtZ 1991,429, 429 f; BVerfGE 82, 316, 320. So BVerfGE 22, 221, 231, bzgl des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Bayern und dem Freistaat Coburg über die Vereinigung beider Staaten ν 14. 2. 1920.
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völkerrechtlich-staatsrechtlichen Doppelcharakter zusprechen will.24 Insofern ist von einer staatsrechtlichen Bindung der neuen Bundesländer und Gesamt-Berlins an den Einigungsvertrag auszugehen. 25 Für die rechtsgeschäftliche Vertretung Berlins gelten §§ 2Iff AZG. 17 Danach sind zur Vertretung Berlins zuständig: - der PrAvB in Angelegenheiten des AvB (§ 21 N r 1 AZG) - jedes Mitglied des SvB in seinem Geschäftsbereich (Nr 2) - der PrLRH in Angelegenheiten des LRH (Nr 3) - in Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit einer Sonderverwaltung oder einer der Hauptverwaltung unterstellten nichtrechtsfähigen Anstalt gehören, deren Leiter (Nr 4) - in Angelegenheiten eines zur Hauptverwaltung gehörenden Eigenbetriebes 26 die Geschäftsleitung nach Maßgabe des EigG, wobei §§ 22-24 AZG auf Eigenbetriebe keine Anwendung finden (Nr 527). - für die rechtsgeschäftliche Vertretung Berlins in Bezirksaufgaben das zuständigen Mitglied des BzA (§ 25 I 1. Halbs AZG) - in Angelegenheiten der Krankenhausbetriebe der Verwaltungsleiter nach Maßgabe des L K G (§ 25 I 2. Halbs AZG). Der RB führt den Vorsitz im SvB und leitet seine Sitzungen; seine 18 Stimme gibt bei Stimmengleichheit den Ausschlag (Stichentscheid, Art 58 I S 2 u. 3 VvB). Führt nicht der RB, sondern der Bgm den Vorsitz, so geht diese Befugnis idR auf diesen Bgm 28 über, vgl § 14 I 2 iVm § 4 GOSvB. Wenn der RB und der Bgm abwesend sind, übernimmt den Vorsitz im SvB der an Dienstjahren älteste, bei einer Übereinstimmung der an Lebensjahren älteste Senator ( § 4 1 GOSvB). Einem Senator steht der Stichentscheid nicht zu (das ergibt sich aus dem „falls"-Wortlaut des § 14 VI 4 GOSvB). Der RB oder sein Vertreter beruft die Sitzungen des SvB ein. Die Beratungen sind vertraulich (§ 14 II GOSvB). Der SvB ist beschlußfähig, wenn mindestens die
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Fastenrath DtZ 1991, 429, 430; ausdrücklich zum Grundlagenvertrag BVerfGE 36, 1, 23 f; eine parallele Einstufung des Einigungsvertrages legt dessen verfassungsrechtliche Grundlegung in Art 23 S 2 aF nahe, BVerfGE 82,316, 320. 25 Vgl zur weiteren Problematik Fastenrath DtZ 1991, 429, 431 ff. 26 Derzeit keine Eigenbetriebe in der Hauptverwaltung, vgl Rn 4 zu Art 66/67. 2 ? § 21 Nr 5 angefügt durch das EigG ν 13.7.1999, GVB1 S 374. 28 Zu beachten ist, daß es noch keine Neuregelung der GOSvB bzgl der zwei Bürgermeisterämter gibt. Durch SvB-Beschluß ist bisher lediglich geregelt, welcher Bgm im RdB, Art 68 II, auftritt. Zur Notwendigkeit weiterer Vertretungsregelungen vgl auch Rn 13 zu Art 56.
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Art. 58
Abschnitt IV: Die Regierung
Hälfte seiner Mitglieder anwesend sind, die Beschlußfassung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 14 VI GOSvB). Dabei hat auch ein Senatsmitglied, das mehrere Geschäftsbereiche leitet, nur eine Stimme. 19 Anders als dem Bundeskanzler nach Art 65 S 1 G G und den meisten Ministerpräsidenten in den Ländern, steht dem RB als Regierungschef die Richtlinienkompetenz nur eingeschränkt zu. Gem Art 58 II VvB bestimmt der RB die Richtlinien der Regierungspolitik nämlich nur im Einvernehmen mit den anderen Senatsmitgliedern. Der Entwurf bedarf weiterhin der Billigung des AvB. Diese Regelung, für die sich im G G und in den Verfassungen der anderen Länder keine Parallele findet, räumt dem Parlament ein Mitwirkungsrecht in Fragen ein, die eigentlich zum innersten Zuständigkeitsbereich der Exekutive gehören. 29 Die Richtlinien der Regierungspolitik werden traditionell im Rahmen der Regierungserklärungen des SvB dem AvB unterbreitet und zur Abstimmung gestellt. 30 Die Richtlinien müssen also auf alle Fälle der Mehrheit der Bin Bürger, die durch das AvB repräsentiert werden, entsprechen. Die Billigung der Richtlinien durch das AvB erfolgt durch einfachen Beschluß, nicht durch Gesetz. Es gilt auch hier das strenge Antragsprinzip, dh das AvB kann die vorgelegten Richtlinien nur bestätigen oder ablehnen, Änderungsmöglichkeiten stehen ihm nicht zu. 31 Jedoch hat der Berliner VerfGH in seinem Urt zu den Berliner Staatlichen Schauspielbühnen (Schiller-Theater, Schiller-Theater Werkstatt und Schloßpark-Theater) die Befugnisse des AvB dahingehend eingeschränkt, daß der SvB berechtigt ist, von den vom AvB gebilligten Richtlinien der Regierungspolitik ohne Zustimmung des AvB abzuweichen. 32 20
Anders als dem Bundeskanzler und den meisten Ministerpräsidenten steht dem RB nicht die volle Organisationskompetenz über die Regierung zu. Die Zahl der Geschäftsbereiche des SvB sowie ihre Abgrenzung werden vom AvB beschlossen, Art 58 IV 1 VvB. Allerdings hat der RB das alleinige Vorschlagsrecht für die Geschäftsverteilung. Eine Bindung an einen SvB-Beschluß gibt es schon aus dem praktischen Grunde nicht, weil die Wahl der anderen Senatsmitglieder
» Zivier Rn 45.5. 30 Zivier a.a.O. 31 Hürth JR 1986,221,224. 32 VerfGH JR 1996, 103 ff = NJW 1995, 858ff = NVwZ 1995, 472.
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Regierungsfunktionen (Neumann)
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idR nach dem Vorschlag erfolgt. Die Mitglieder des SvB werden vom AvB auf Vorschlag des RB gewählt. 33 Fraglich ist allerdings, wie weit die Rechte des AvB gehen, insb, ob 21 die Kompetenzen des AvB gem Art 58 IV 1 VvB nur die Einrichtung und Auflösung eines Ressorts umfassen, oder ob auch die Zuteilung von Aufgaben und Sonderbehörden sowie ihre Verlagerung unter den Senatoren der Zustimmungspflicht unterliegen. Anders als im Bund und in den meisten Bundesländern hat - übernommen aus der alten Magistratsverfassung - das Berliner Parlament echte Mitwirkungsrechte über die Organisation der Regierung. Organisationsregelungen können sich aber nicht in der Namensgebung erschöpfen. Geschäftsverteilung bedeutet also inhaltlich die Zuweisung von Verwaltungsaufgaben, ebenso die Unterstellung von Sonderbehörden unter bestimmte Senatsverwaltungen. Dementsprechend muß eine Zuständigkeitsänderung innerhalb des SvB für eine Sonderbehörde als Änderung der Geschäftsbereiche der betroffenen Senatsverwaltungen verstanden werden. Demnach muß der RB auch insoweit die Zustimmung des AvB einholen. 34 Einen allgemeinen Parlamentsvorbehalt enthält die VvB allerdings nicht. Das AvB besitzt daher kein generelles Mitwirkungsrecht bei grundlegenden Entscheidungen der Regierung. 35 Gem Art 58 III VvB überwacht der RB die Einhaltung der Rieht- 22 linien der Regierungspolitik und hat das Recht, über alle Amtsgeschäfte der Senatsmitglieder Auskunft zu verlangen. Nach § 1 II GOSvB, der ausdrücklich auf die Verfassungsregelung des Art 58 III VvB verweist, kann er jederzeit von den Mitgliedern des SvB die Vorlage von Akten oder sonstigen Unterlagen, seine Beauftragten können Auskünfte über Vorgänge und Maßnahmen in den Geschäftsbereichen verlangen. Die Aufsicht ist keine Fachaufsicht und auch keine Dienstaufsicht, sondern eine Überwachung in bezug auf die Einhaltung der Richtlinien der Regierungspolitik. Ist der RB der Meinung, daß ein Senatsmitglied gegen diese Richtlinien verstoßen hat, hat er keine Befugnisse etwa nach Art der Bezirks- oder Staatsaufsicht. Bei Streitpunkten über die Anwendbarkeit und die Auslegung von Richtlinien entscheidet letztlich der SvB, Art 58 V 2 VvB,
33 Siehe Rn 1 zu Art 56. 34 Hierzu wird auf einen Fall aus dem Jahre 1976 verwiesen, in dem der SvB die Neuregelungen der Zuständigkeiten für die damaligen Eigenbetriebe nach der Auflösung des Ressorts für Verkehr und Betriebe dem AvB nicht zur Zustimmung vorgelegt hat. Nach der VvB und dem Gesagten wäre eine Zustimmung aber erforderlich gewesen. 35 VerfGH JR 1996, 103ff = NJW 1995, 858 ff = NVwZ 1995,472.
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Abschnitt IV: Die Regierung
§ 2 II GOSvB (danach entscheidet zunächst der RB, das betroffene Senatsmitglied kann aber dagegen die Entscheidung des SvB, im Fall des Art 88 III uU darüber hinaus die Entscheidung des AvB herbeiführen, vgl unten Rn 25). Die Rechte des AvB, den SvB in jeder seiner Tätigkeiten zu kontrollieren, wird dadurch nicht berührt. Auch ein Entlassungsrecht steht dem RB gegenüber anderen Senatsmitgliedern nicht zu; er kann allerdings dem AvB vorschlagen, einem Senatsmitglied das Vertrauen gem Art 57 VvB zu entziehen. 23 Die VvB betont die Gleichstellung und Selbständigkeit der einzelnen Senatsmitglieder (Ressortprinzip) stärker als das G G und die meisten anderen Landesverfassungen. 36 Die garantierte Selbständigkeit gewährleistet grundsätzlich die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Senatoren als Ressortchefs. Weder der RB noch das Kabinett können unmittelbare Weisungen in ein Ressort hineingeben; an Senatsbeschlüsse ist ein Senatsmitglied in seine alleinige Ressortkompetenz berührenden Fragen nicht gebunden. Erst bei Meinungsverschiedenheiten über Fragen übergreifender Ressortzuständigkeit entscheidet der SvB als Kollegium (Art 58 V 2 VvB, § 7 II 1 GOSvB). § 7 II 2 GOSvB sieht vor, daß der Anrufung des SvB der Versuch einer Verständigung unter Einschaltung des RB vorausgehen soll. 24 Der SvB gibt sich seine GO, Art 58 IV 2 VvB. Sie bedarf keiner Genehmigung (anders Art 65 GG). Nach hM hat sie Rechtsnormcharakter (Satzung); allerdings bindet sie nur die Mitglieder des SvB. Sie wird indes nicht im GVB1, sondern ABl veröffentlicht. Anders als die GOAvB - deren Wirkung sich auf die Legislaturperiode beschränkt - endet die Wirkung der GOSvB auch nicht mit der Amtszeit eines SvB. 25 In der GOSvB sind bestimmte Beteiligungspflichten von Senatsmitgliedern untereinander vorgesehen. So ist bei allen Entwürfen von Gesetzen und RechtsVO sowie bei grundsätzlichen Rechtsfragen der Senator für Justiz einzuschalten, § 8 II GOSvB. Soweit Maßnahmen, insb Gesetzentwürfe und Rechts VO, die Verfassung oder die Organisation der Verwaltung berühren, ist - ggf neben dem Senator für Justiz - der Senator für Inneres zu beteiligen, § 8 III GOSvB. Bei allen Angelegenheiten von finanzieller Bedeutung ist gem § 8 IV GOSvB der Senator für Finanzen einzuschalten; diesem Senator steht ein besonderes Einspruchsrecht zu. Beschließt der SvB in einer Frage von finanzieller Bedeutung gegen oder ohne die Stimme des Finanzsenators, so kann dieser bis zur nächsten ordentlichen Sitzung gegen den Beschluß Widerspruch erheben, woraufhin über die Angelegen-
36
Zivier Rn 45.2.
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Art. 58
heit nochmals zu beraten und abzustimmen ist (§161 GOSvB). Nach § 16 I 3 GOSvB muß die Ausf des Beschlusses unterbleiben, wenn nicht in der zweiten Sitzung in Anwesenheit des Finanzsenators oder eines Vertreters von der Mehrheit aller Senatsmitglieder der erste Beschluß bestätigt wird und der RB bei diesem Beschluß mit der Mehrheit gestimmt hat. Erhebt der Senator für Finanzen Einspruch gegen einen Beschluß des SvB, durch den einer Haushaltsüberschreitung zugestimmt wird, so ist ein Beschluß des AvB gem Art 88 III herbeizuführen (§ 16 II GOSvB). In Personalsachen steht ein ähnliches Widerspruchsrecht gem § 16 26 III GOSvB dem Senator für Inneres zu.
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Abschnitt V Die Gesetzgebung
Artikel 59 (1) Die für alle verbindlichen Gebote und Verbote müssen auf Gesetz beruhen. (2) Gesetzesvorlagen können aus der Mitte des Abgeordnetenhauses, durch den Senat oder im Wege des Volksbegehrens eingebracht werden. (3) Die Öffentlichkeit ist über Gesetzesvorhaben zu informieren. Gesetzentwürfe des Senats sind spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem betroffene Kreise unterrichtet werden, auch dem Abgeordnetenhaus zuzuleiten. (4) Jedes Gesetz muß in mindestens zwei Lesungen im Abgeordnetenhaus beraten werden. Zwischen beiden Lesungen soll im allgemeinen eine Vorberatung in dem zuständigen Ausschuß erfolgen. (5) Auf Verlangen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Senats hat eine dritte Lesung stattzufinden. Materialien 1. vgl Art 76 I GG; 58 f BW Verf; 70 I, 71 BayVerf; 75 BbgVerf; 123 BremVerf; 4 8 - 5 0 HmbVerf; 116 f, 119 HessVerf; 55 MV Verf; 41 f NdsVerf; 65, 67 N W Verf; 107 f RhPfVerf; 98 SaarlVerf; 70 Sachs Verf; 77 LSA Verf; 37 SchlH Verf; 81 ThürVerf 2. VVGB: Art 33 I; VvB 1950: 45 3. Änderungen: -
Erläuterungen 1
Der Vorbehalt des G besagt zunächst, daß bestimmte Maßnahmen der Exekutive einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. 1 Unproblematisch ist der Gesetzesvorbehalt dann, wenn in der VvB selbst bestimmt ist,
1
Jarass in Jarass/Pieroth Art 20 Rn 28a im Anschluß an Herzog in M D H S .
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Gesetze, Eingriffsvorbehalt, Öffentlichkeit (Lemmer)
Art. 59
in welchen Fällen eine Regelung nur durch Gesetz in Betracht kommt. 2 In Abs 1 wird darüber hinaus in Übereinstimmung mit der traditionellen bürgerlich-demokratischen Staatsauffassung die Regel bekräftigt, daß Gebote und Verbote, Maßnahmen also, die Eingriffe der Exekutive in Freiheit und Eigentum darstellen, nur dann verbindlich sind, wenn sie auf einem G beruhen. 3 Abgesehen davon steht es dem Gesetzgeber frei, G in allen Bereichen zu erlassen, die einer staatlichen Regelung zugänglich sind; sie müssen nur allgemein verbindlich sein, und es darf sich nicht um G handeln, die lediglich einen Einzelfall regeln sollen. 4 Der in diesem Sinne verstandene herkömmliche Vorbehalt der G 2 wird indessen den Aufgaben und der Funktion des demokratischen Rechtsstaates längst nicht mehr gerecht. Auch von einem liberalen Staatswesen wird erwartet, daß es maßvoll in dem begrenzten Rahmen der Verfassung auf die Lebensverhältnisse der Bürger gestaltend Einfluß nimmt. Dazu reicht es nicht, lediglich Gebote und Verbote zu verhängen. Der Staat muß vielmehr aktiv Vorkehrungen treffen, um seine eigenen, in der Verfassung niedergelegten Staatsziele zu verwirklichen. 5 Dies gilt namentlich für den weiten Bereich der Sozialund Leistungsverwaltung, deren Auswirkungen für den Bürger existentielle Bedeutung haben können; hierzu bedarf es daher der Legitimation durch das vom Volk gewählte Staatsorgan. 6 Von staatlichen Maßnahmen hängt ab, ob und in welcher Weise dem einzelnen die Teilhabe an den Grundrechten eröffnet wird und inwieweit er zB Zugang zu den von ihm gewünschten Bildungseinrichtungen erhält. 7 Kommt einer staatlichen Maßnahme auf diese Weise Grundrechts-
2
Vgl Art 36 II (Einschränkungen der Grundrechte), 47 (Datenschutzbeauftragter), 48 VI (Untersuchungsausschüsse), 61 III (Volksbegehren), 67 III (Zuständigkeit der Hauptverwaltung) usw. 3 Harth Voraufl Art 45 Rn 1. Im G G fehlt eine dem Abs 1 vergleichbare Vorschrift; nach Ossenbiihl in Isensee/Kirchhof HbStR III § 62 Rn 31 ist die überkommene „Freiheit und Eigentum"-Formel ungeschriebener Gesetzesvorbehalt im Anwendungsbereich des GG. 4 Schmidt-Bleibtreu in Schmidt-Bleibtreu/Klein Art 19 Rn 3 a. Zulässig sind hingegen sog Maßnahmegesetze, dh auf einen konkreten Sachverhalt abgestellte G {Schmidt-Bleib treu aaO Rn 5); vgl Stern I § 20 S 827 im Anschluß an BVerfGE 25, 371,396. s Vgl Stern I § 20 S 810. 6 Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu/Klein Art 20 Rn 26. 7 VerfGH LVerfGE 5, 37, 44 ff (= JR 1997, 418); BVerfGE 33, 303, 331 f numerus clausus - zum Anspruch auf Zugang zu staatlichen Einrichtungen als Voraussetzung für die Verwirklichung von Grundrechten; vgl Schnapp in ν Münch/Kunig Art 20 Rn 46; Stern I § 21 S 933 f mwN.
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relevanz zu, so ist n a c h der v o m B V e r f G entwickelten sog Wesentlichkeitstheorie der Gesetzgeber verpflichtet, im normativen Bereich die wesentlichen, namentlich die grundrechtsrelevanten Entscheidungen selbst zu treffen u n d nicht der Verwaltung zu überlassen. 8 Die K o m petenz des P a r l a m e n t s f ü r die wesentlichen, grundrechtsrelevanten Entscheidungen des Staates folgt aus dem Demokratieprinzip. N u r die Volksvertretung ist unmittelbar v o m Volk demokratisch legitimiert u n d daher allein berufen, „die zentralen F r a g e n der gemeinschaftlichen O r d n u n g zu entscheiden". 9 Andererseits darf die R s p r des B V e r f G nicht als Beitrag zur D o g m a t i s i e r u n g verstanden werden; das Gericht selber f o r d e r t bei der Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts im einzelnen große Behutsamkeit u n d w a r n t v o r den Ge-
8
Zur Wesentlichkeitstheorie vgl auch Art 64 Rn 4 f. Gesetzliche Regelung zB erforderlich: Überwachung des Schriftverkehrs von Strafgefangenen (BVerfGE 33, 1, l l f i ) ; Facharztordnung (BVerfGE 33, 125, 158f); Zulassungsbeschränkungen für Studienbewerber - numerus clausus (BVerfGE 33, 303, 346 ff); obligatorische Förderstufe im Schulwesen (BVerfGE 34, 165, 192 f); Ausschluß von der Reifeprüfung wegen Verstoßes gegen die Schulordnung (BVerfGE 41, 251, 259 f mwN); Reform der gymnasialen Oberstufe (BVerfGE 45, 400, 417 ff); Sexualerziehung in der Schule (BVerfGE 47, 46, 78 f); Schulausschluß wegen unzureichender Leistungen (BVerfGE 58, 257, 268 ff); weiterhin die Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium, bei der es um die grundsätzliche Frage geht, wie die Dritte Gewalt institutionell gesichert und ihre verfassungsrechtlich vorgezeichnete Eigenständigkeit hervorgehoben werden soll (NWVerfGH DVB1 1999 S 714ff mit krit Anmerkung von Wieland S 719ff, der die Ausweitung des Gesetzesvorbehalts auf den Bereich der Regierungsorganisation ablehnt). - Keine gesetzliche Regelung erforderlich: Schließung staatlicher Bühnen (VerfGH LVerfGE 1, 131, 136, = JR 1996 S 103), weil, so das Gericht, dies keine Entscheidung von unmittelbarer rechtlicher Bedeutung für das Verhältnis des Landes Bin zu seinen Bürgern sei und damit keine für alle verbindlichen Gebote und Verbote begründet würden.
9
Stern I § 20 S 811. Relativierend VerfGH aaO, der im Anschluß an BVerfGE 49, 89, 124f darauf hinweist, daß das AvB nach der gewaltenteilenden Kompetenzordnung der VvB keinen Vorrang vor den anderen Staatsgewalten besitze und ihm demzufolge auch keine generelle Zuständigkeit für Entscheidungen in wesentlichen Fragen auf Grund eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts zustehe. Der Hinweis auf die Kompetenzordnung der VvB hätte im konkreten Fall (Schließung staatlicher Schauspielbühnen) sicherlich genügt. Hingegen werden die zweifelnden Bemerkungen des Gerichts der Bedeutung der Volksvertretung als des zentralen Repräsentationsorgans im demokratischen Staat weniger gerecht (s dazu Böckenförde in Isensee/Kirchhof HStR II § 30 Rn 17; Sachs in Sachs Art 20 Rn 38).
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fahren zu weitgehender Vergesetzlichung. 10 Insofern ist umstritten, was im einzelnen als wesentlich anzusehen ist und dem Gesetzesvorbehalt unterliegt. 11 Während nach der Wesentlichkeitstheorie der Gesetzgeber gehalten ist, grundlegende, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen, soweit der Sache nach solche Bereiche überhaupt staatlicher Regelung zugänglich sind, können in diesem Sinne nicht wesentliche Angelegenheiten von der Exekutive wahrgenommen werden, solange jedenfalls der Gesetzgeber von seiner Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch macht. 12 Nimmt das AvB seine Zuständigkeit als Gesetzgeber wahr, so sind 3 die Erfordernisse des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens einzuhalten, dem ein „besonderes Maß an Richtigkeit" zugeschrieben wird. 13 Im Unterschied zur bürokratischen Entscheidung der Exekutive ist das parlamentarische Verfahren nach Abs 2 bis 4 iVm der GOAvB durch die Mitwirkung einer Personenvielzahl unter Einschluß der Opposition gekennzeichnet, zum weiteren durch einen „tiefgestaffelten Willensbildungsprozeß" in Form von mindestens zwei Lesungen im Plenum sowie Ausschußberatungen sowie schließlich durch die Information der Öffentlichkeit und der Möglichkeit öffentlicher Diskussion. 14 Gesetzesvorlagen können nach Abs 2 aus der Mitte des AvB ein- 4 gebracht werden. Die GOAvB sieht dazu vor, daß Gesetzesanträge (ebenso wie Entschließungsanträge) nur namens einer Fraktion oder von mindestens zehn MdA eingebracht werden können (§ 39 I 3 GOAvB). Mit diesem begrenzten Initiativrecht soll die Funktionsfähigkeit des AvB sichergestellt werden, die beeinträchtigt wäre, wenn das aufwendige parlamentarische Verfahren ohne jede Aussicht auf eine nennenswerte Unterstützung in Gang gesetzt würde. 15 Inhaltlich wird
•o BVerfGE 47, 46, 79; Stern I § 20 S 812ff. Ossenbühl (in Isensee/Kirchhof HStR III § 62 Rn 46) erinnert an „wesentliche" Fragen, die, verfassungsgerichtlich unbeanstandet, überhaupt nicht durch förmliches G geregelt seien, wie zB solche des Arbeitskampfrechts oder des Staatshaftungsrechts. 11 Dazu insbesondere BVerfGE 58, 257, 268 f. •2 Vgl BVerfGE 49, 89, 126 f. « ν Arnim Zur „Wesentlichkeitstheorie" des BVerfG, DVB1 1987, 1241, 1243. 14 Nach vArnim aaO ist die Wesentlichkeitstheorie gerechtfertigt durch das besondere Maß an Richtigkeit, wie es dem Gesetzgebungsverfahren eigen ist. '5 VerfGH LVerfGE 2, 43, 61; vgl Lücke in Sachs Art 76 Rn 10. Auch zulässigen Anträgen einer Minderheit steht oft die sichere Ablehnung bevor; sie dienen aber immerhin der „Verdeutlichung und Akzentuierung des eigenen politischen Willens" der Antragsteller (Schneider, zitiert bei Bryde
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Abschnitt V: Die Gesetzgebung
das Initiativrecht dadurch ausgeübt, daß dem AvB ein ausformulierter Gesetzentwurf vorgelegt wird. 16 Möglich ist auch, daß die Antragsteller auf einen eigenen ausformulierten Entwurf verzichten und statt dessen einen Beschluß des AvB herbeiführen, mit dem der SvB seinerseits zur Vorlage eines Gesetzentwurfs aufgefordert wird. 17 5 Gesetzesvorlagen des SvB können nicht von einem einzelnen Mitglied des SvB im Rahmen der selbständigen Leitung seines Geschäftsbereichs eingebracht werden (vgl Art 58 V). Sie bedürfen vielmehr eines Senatsbeschlusses (§10 Nr 4 GOSvB). 18 Der Gesetzentwurf wird sodann dem AvB als Vorlage - zur Beschlußfassung - zugeleitet. Ähnlich wie im BT werden Gesetzgebungswünsche des SvB zuweilen auch von den den SvB tragenden Fraktionen aufgegriffen und als Gesetzentwürfe aus der Mitte des AvB eingebracht. 19 Schließlich können dem AvB Gesetzesvorlagen auch im Wege des Volksbegehrens zur Behandlung und Beschlußfassung zugeleitet werden. Die Vertrauensleute des Volksbegehrens haben das Recht, von den Ausschüssen angehört zu werden (§ 28 III GOAvB); im übrigen bleibt das Gesetzgebungsverfahren unverändert. 6 Das Prinzip des öffentlichen Gesetzgebungsverfahrens wird durch die Vorschrift des Abs 3, die mit der Überarbeitung von 1995 in die VvB neu aufgenommen wurde, erweitert und konkretisiert. Danach ist die Öffentlichkeit über Gesetzesvorhaben zu unterrichten, wobei unklar ist, in welchem Stadium die Unterrichtung erfolgen soll.20 Die Pflicht zur Unterrichtung der Öffentlichkeit obliegt, je nach dem Ursprung des Gesetzesvorhabens, dem AvB oder dem SvB.21 Abgesehen davon hat der SvB das AvB über Gesetzentwürfe spätestens dann zu informieren, wenn sie betroffenen Kreisen bekanntgegeben
in Schneider/Zeh § 30 Rn 27) und erfüllen damit ungeachtet des Abstimmungsergebnisses eine legitime und wichtige Funktion im parlamentarischen Meinungsstreit. 16 Vgl Bryde in Schneider/Zeh § 30 Rn 14. 17 Gelegentliche Praxis im BT, vgl Bryde in Schneider/Zeh aaO. 18 Hürth Voraufl Art 45 Rn 4. 19 Bryde in Schneider/Zeh § 30 Rn 28. 20 Abs 3 geht zurück auf einen Vorschlag der Enquête-Kommission (vgl Schlußbericht S 21 f)· Die Kommission hat den Zeitpunkt der Pflichtunterrichtung bewußt offen gelassen. In Betracht kommt der Zeitpunkt der Antragseinbringung im AvB bzw des Senatsbeschlusses bei Senatsvorlagen, weil erst dann von einem Gesetzesvorhaben wirklich die Rede sein kann. Das hindert natürlich weder Fraktionen noch Senatsverwaltungen, die Öffentlichkeit nach Ermessen in einem früheren Stadium zu informieren, wenn Gesetzesvorhaben geplant sind oder vorbereitet werden. 21 So Schlußbericht der Enquête-Kommission aaO.
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Art. 59
werden. Die Bestimmung soll gewährleisten, daß die MdA mindestens den gleichen Informationsstand wie interessierte Dritte haben. 22 Jedes G muß nach Abs 4 in zwei Lesungen beraten werden, dh 7 zweimal auf die TO von Sitzungen des AvB gesetzt werden. Die Vorschrift soll der besonderen Verantwortung bei der Verabschiedung von Gesetzen Rechnung tragen und die Sorgfalt bei der Gesetzgebung fördern. 23 Die Regelung wird ihrem Zweck nur dann gerecht, wenn den MdA zwischen den beiden Lesungen Zeit und Gelegenheit zur abermaligen Prüfung des Gesetzesvorhabens eingeräumt wird. Das bedeutet, daß sich die zweite Lesung nicht an die erste Lesung anschließen darf. Wann sie frühestens zulässig ist, überläßt Abs 4, im Unterschied zu Art 90 I, einer sachgerechten Auslegung im Sinne des Regelungszwecks, mit dem zB die zweite Lesung noch am selben Sitzungstag nicht vereinbar wäre. 24 Wenn das Gebot zweier Lesungen nicht eingehalten wird, kommt das G nicht verfassungsmäßig zustande. 25 Der Regelungszweck findet verstärkten Ausdruck in der weiteren Bestimmung, nach der zwischen den beiden Lesungen im allgemeinen eine Ausschußberatung erfolgen soll (Abs 4 Satz 2). Auf Verlangen des PrAvB oder des SvB hat nach Abs 5 eine dritte 8 Lesung stattzufinden. Sie bietet die Möglichkeit, nach der Beschlußfassung der zweiten Lesung, aber vor der Ausfertigung des G, nachträglich festgestellte Fehler oder Unstimmigkeiten zu korrigieren. 26 Die dritte Lesung ist zwar an keine Voraussetzung gebunden, abge22
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Mit der Vorschrift wollte die Enquete-Kommission einem „Mißstand" abhelfen, vgl Schlußbericht aaO. So bereits Art 45 III VvB 1950. In der 22. Sitzung des Verfassungsausschusses vom 8.10.1947 erklärte dazu der Abgeordnete Dr. Suhr (SPD), eine „demokratische Gesetzgebung sei nur möglich, wenn sie sich der größten Sorgfalt bei Verordnungen und Gesetzen befleißige. Diese Sorgfalt werde aber nur durch eine mehrfache Beratung, im allgemeinen mit Abständen und unter Uberweisung an einen Ausschuß gewährleistet." (Reichhardt Bd I S 890). Nach § 33 I GO AvB beginnt die zweite Lesung frühestens am zweiten Tag nach Schluß der ersten Lesung. Eine Verbindung der ersten mit der zweiten Lesung ist der Sache nach ein Verzicht auf die zweite Lesung, der nach der VvB und übrigens auch nach Art 49 II HmbVerf und nach Art 77 III LSAVerf unzulässig ist. Im BT und in den meisten LT sind zwei oder mehr Lesungen lediglich in der jeweiligen G O vorgesehen, so daß im Rahmen einer zulässigen Abweichung von der GO auf eine weitere Lesung verzichtet werden kann. Landsberg/Goetz Art 45 Erl 4. - Die entgegenstehende Auffassung von Hürth Voraufl Art 45 Rn 6 wird nicht aufrecht erhalten, weil sie die Funktion und den Zweck der zweiten Lesung nicht genügend berücksichtigt. Während der 12. WP sind zB immerhin neunmal bereits in zweiter Lesung
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sehen d a v o n , d a ß ein ausdrückliches Verlangen des P r A v B o d e r des SvB vorliegen m u ß . 2 7 A u s d e r Systematik der R e g e l u n g ergibt sich a b e r , d a ß die dritte L e s u n g n u r als n a c h t r ä g l i c h e r N o t b e h e l f gegen einen f e h l e r h a f t e n Gesetzesbeschluß gedacht ist, nicht a b e r als I n s t r u m e n t dienen soll, u m die politische A u s e i n a n d e r s e t z u n g n a c h d e m A b s c h l u ß des in zweiter L e s u n g b e e n d e t e n G e s e t z g e b u n g s v e r f a h r e n s e r n e u t zu e r ö f f n e n . 2 8 W e d e r f ü r die dritte L e s u n g n o c h f ü r d a s d a r a u f gerichtete Verlangen ist eine Frist vorgesehen. D a a b e r G „unverzüglich" auszufertigen sind ( A r t 60 II), m u ß die Initiative zur d r i t t e n Les u n g schnell erfolgen, w e n n sie der A u s f e r t i g u n g z u v o r k o m m e n will. 29
Artikel 60 (1) Gesetze werden vom Abgeordnetenhaus mit einfacher Mehrheit beschlossen, soweit die Verfassung nichts anderes bestimmt. (2) Gesetze sind vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses unverzüglich auszufertigen und sodann binnen zwei Wochen vom Regierenden Bürgermeister zu verkünden.
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verabschiedete Gesetzesbeschlüsse im Wege der dritten Lesung geändert worden. AA Härth Voraufl Art 45 Rn 7, der an den Fall einer dritten Lesung während der 1. WP erinnert. Damals hatte das AvB eine Gesetzesvorlage des SvB in zweiter Lesung abgelehnt, auf Verlangen des SvB aber eine dritte Lesung durchgeführt, die schließlich mit der Annahme der Vorlage endete (PlenProt 1/41 S 275, 1/42 S 336). Indessen wird aus der fehlenden Fristgebundenheit der dritten Lesung klar, daß in zweiter Lesung abgelehnte Gesetzesvorhaben einer dritten Lesung nicht zugänglich sind, weil andernfalls zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt das Gesetzgebungsverfahren wiederaufgenommen werden könnte, was mit dem Grundsatz der Unverrückbarkeit eines Parlamentsbeschlusses nicht vereinbar wäre (vgl Art 43 Rn 8). In der 11. WP ist versucht worden, durch einen Gruppenantrag aus der Mitte des AvB den PrAvB zu einer dritten Lesung zu veranlassen. Damit sollte auf die Inkraftsetzung des in zweiter Lesung beschlossenen Antidiskriminierungsgesetzes, das der damalige PrAvB Wohlrabe für verfassungswidrig hielt und das er nicht ausfertigen wollte, Einfluß genommen werden. Der Antrag wurde schließlich zurückgezogen, obwohl die Mehrheit des Hauses hinter ihm stand (AvBDrs 11/1308, PlenProt 11/45 S 2364 Β f)· Der Vorgang bestätigt den Ausnahmecharakter der dritten Lesung. Daher muß nach § 21 GOSvB das Verlangen des SvB auf Vornahme einer dritten Lesung spätestens am siebenten Tag nach der Verabschiebung des G um 12 Uhr dem PrAvB zugestellt werden.
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Gesetzeserlaß, Verkündung (Lemmer)
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(3) Jedes Gesetz und Jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem sie verkündet worden sind. Materialien 1. vgl Art 77 I 2, 82 GG; 59 I, 63 BW Verf; 72 I, 76 BayVerf; 81 BbgVerf; 123, 126 BremVerf; 48, 52, 54 HmbVerf; 116, 120-122 HessVerf; 58 MV Verf; 42 I, 45 NdsVerf; 66, 71 N W Verf; 107, 113 f RhPfVerf; 102 f SaarlVerf; 70 II, 76 SächsVerf; 77 I, 82 LSA Verf; 37 II, 39 SchlH Verf; 81 II, 85 ThürVerf 2. VVGB: Art 5 (2) II, 33; VvB 1950: 46 3. Änderungen: -
Erläuterungen Das AvB hat nach Abs 1 die Aufgabe und die alleinige Kompe- 1 tenz, die Landesgesetze nach Maßgabe der bundesstaatlichen Ordnung der BRep zu beschließen. 1 Soweit nach den Vorschriften des G G dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zusteht oder er im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung von seinen Gesetzgebungsbefugnissen Gebrauch gemacht hat, besteht von Verfassungs wegen für die Landesgesetzgebung eine „Sperrwirkung" (Art 70ff GG). 2 Vom Grundsatz her soll die Zuständigkeit des Bundes die Ausnahme sein; im Zweifel ist von der Regelzuständigkeit der Länder auszugehen (Art 70 I GG). Das AvB faßt Gesetzesbeschlüsse mit einfacher Mehrheit; dh für die Annahme einer Gesetzesvorlage müssen mehr Ja-Stimmen als NeinStimmen festgestellt werden (vgl Art 43 II). Die Annahme eines die VvB ändernden G erfordert demgegenüber eine Mehrheit von zwei Dritteln aller MdA (Art 100). Der Gesetzesbeschluß unterliegt dem Grundsatz der Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums. Er kann also in demselben Gesetzgebungsverfahren vom AvB nicht mehr geändert und auch nicht korrigiert werden. 3
ι Vgl Stern § 18 S 609 f. Im einzelnen Kunig in vMünch/Kunig Art 71 Rn 1, 72 Rn 6 ff. 3 Vgl Lücke in Sachs Art 77 Rn 3. - Haben zwei Lesungen stattgefunden, kann allerdings das AvB, wenn der PrAvB oder der SvB es verlangen, im Wege der dritten Lesung seinen Gesetzesbeschluß ändern (s Art 59 Rn 8); sonst ist nur die Änderung des G in einem neuen Gesetzgebungsverfahren möglich.
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Der vom AvB verabschiedete Gesetzesbeschluß entfaltet zunächst keine Außenwirkung. Vielmehr bedarf er nach Abs 2 der Ausfertigung und der Verkündung. Mit der Ausfertigung wird die Urschrift des G hergestellt, und es wird zugleich beurkundet, daß der Gesetzeswortlaut mit dem vom AvB beschlossenen Text übereinstimmt. 4 Zuständig für die Ausfertigung ist der PrAvB. 5 Mit der Ausfertigung bestätigt der PrAvB, daß der Gesetzesbeschluß verfassungsgemäß zustande gekommen ist. 6 Fraglich ist, ob dem PrAvB neben dem Prüfungsrecht in verfahrensmäßiger Hinsicht im Rahmen der Ausfertigung auch ein materielles Prüfungsrecht in bezug auf die inhaltliche Verfassungsmäßigkeit des G zusteht. Insofern ist seine Funktion mit der des BPr vergleichbar, der die Bundesgesetze auszufertigen hat. 7 Der BPr hat sich trotz einer in Anspruch genommenen umfassenden Prüfungsbefugnis 8 die Ablehnung der Ausfertigung eines G nur für den Fall vorbehalten, daß für ihn die Verfassungswidrigkeit „offenkundig und zweifelsfrei" ist. 9 Druckfehler und andere offensichtliche Unrichtigkeiten dürfen - und müssen - im Zuge der Ausfertigung berichtigt werden, wobei der materielle Normgehalt nicht mehr angetastet werden darf. 10 Die Ausfertigung der G hat unverzüglich zu erfolgen, dh ohne schuldhaftes Zögern. Der Tag der Ausfertigung ist das Datum des G .
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Das ausgefertigte G wird dem R B zugeleitet, dem nunmehr die Verkündung, dh die amtliche Bekanntgabe des Gesetzestextes, obliegt (§ 88 GOAvB). Sie muß binnen zwei Wochen erfolgen. Verkündungsorgan ist das Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin." Als Tag der
Vgl Lehngut Die Verweigerung der Ausfertigung von G, DÖV1992, 439 f. In den meisten Bundesländern ist die Ausfertigung Sache des Ministerpräsidenten. Die Ausfertigung durch den Landtagspräsidenten ähnlich wie im Land Bin ist in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vorgesehen. 6 Einzelheiten, auch zur Vorgeschichte der Vorschrift, vgl Härth Die Befugnis des PrAvB zur Prüfung verabschiedeter Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit J R 1978, 489; s auch Art 63 Rn 10. 7 Die materielle Prüfungskompetenz des BPr wird bejaht von Lehngut aaO; Schiaich in Isensee/Kirchhof HStR II § 49 Rn 34; Stern II § 30 S 234 f; aA Lücke in Sachs Art 82 Rn 3. » Dazu BVerfGE 34, 9, 23. 9 Vgl Schreiben des BPr Carstens an den Bundeskanzler vom 2 6 . 6 . 1 9 8 1 (Bulletin der BReg 1981, 545). - Dieses Ergebnis entspricht auch der überwiegenden Literaturmeinung, vgl Pieroth in Jarass/Pieroth Art 82 Rn 3 mwN. 10 BVerfGE 4 8 , 1 , 1 8 f. 11 In § 1 a V K ü G ist geregelt, wie Pläne, Karten und Zeichnungen zu verkünden sind. 4
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Verkündung gilt derjenige Tag, an dem das Verkündungsblatt „ausgegeben", nämlich an seine Bezieher ausgeliefert wird (§ 1 IV VKüG). Ist das rechtzeitige Erscheinen des GVB1 unmöglich, so können G und RechtsVO durch Presse, Plakatanschlag, Rundfunk oder auf andere geeignete Art verkündet werden (§ 2 VKüG). Erst mit der Verkündung ist das G rechtlich existent.12 Der Tag, an dem das G in Kraft tritt, soll nach Abs 3 im G selbst 4 festgelegt werden. Das kann ein bestimmter Tag in der Zukunft oder der Tag der Verkündung sein oder auch - mit Einschränkungen - ein zurückliegender Tag in der Vergangenheit, von dem an das G rückwirkend gelten soll.13 Wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht genannt, so tritt das G mit dem 14. Tag nach der Verkündung in Kraft (Abs 3 Satz 2).
Artikel 61 (1) Alle Einwohner Berlins haben das Recht, das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeiten mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen, zu befassen. Die Initiative muß von 90000 volljährigen Einwohnern Berlins unterzeichnet sein. Ihre Vertreter haben das Recht auf Anhörung in den zuständigen Ausschüssen. (2) Initiativen zum Landeshaushalt, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen der öffentlichen Unternehmen sowie Personalentscheidungen sind unzulässig. (3) Das Nähere regelt ein Gesetz. Materialien 1. vgl Art 76 BbgVerf; 59 MV Verf; 47 NdsVerf; 80 LSA Verf; 41 SchlH Verf; 68 ThürVerf 2. VVGB: - ; VvB 1950: 3. Änderungen: 4. a) G über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vom 11. Juni 1997 (GVB1 S 304) b) VO zur Durchführung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Abstimmungsordnung) vom 3. November 1997 (GVB1 S 583)
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Pieroth in Jarass/Pieroth Art 82 Rn 5. Ossenbühl in Isensee/Kirchhof HStR III § 63 Rn 65. Rückwirkende G, die belastend in abgeschlossene Tatbestände eingreifen sollen, sind danach grundsätzlich unzulässig. 289
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c ) G über den Verfassungsgerichtshof vom 8. November 1990 (GVB1 S 2246), zuletzt geändert durch G vom 11. Juni 1997 (GVB1 S 304).
Erläuterungen 1
Während in der repräsentativen Demokratie die gesetzgeberischen Entscheidungen ausschließlich im Parlament gefällt werden und die Beteiligung des Volkes auf die Teilnahme an den Wahlen beschränkt wird, gibt die plebiszitäre Demokratie dem Volk einen erweiterten Spielraum, weil es durch Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide und Wahl der staatlichen Repräsentanten am staatlichen Geschehen mitwirken kann. 2 Nach der WRV wurde der Reichspräsident auf 7 Jahre unmittelbar vom Volk gewählt (Art 41) und konnte durch Volksentscheid abgewählt werden (Art 43). Vom Reichstag beschlossene Gesetze konnte der Reichspräsident zum Volksentscheid bringen (Art 73, 74). Auf Initiative des Volkes konnte durch Volksbegehren und Volksentscheid über einen Gesetzentwurf bzw. über eine Verfassungsänderung beschlossen werden (Art 76). Von 1919-1933 gab es im Reich drei Volksbegehren (März 1926: SPD und K P D Entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürsten/Oktober 1928: K P D Verbot des Baues des Panzerkreuzers „Deutschland"/November 1929: Nationalistische Parteien Ablehnung des Young-Planes) und 5 Volksbegehren in den Ländern LippeDetmold (März 1931), Preußen (Juni 1931), Anhalt (Juli 1931), Sachsen (März 1932) und Oldenburg (März 1932) mit dem Ziel der vorzeitigen Auflösung des Landtages. Lediglich die Volksbegehren über die Fürstenenteignung, über die Ablehnung des Young-Planes und in den Ländern Preußen, Sachsen und Oldenburg führten zu anschließenden Volksentscheiden. Bis auf den Oldenburger Fall blieben alle Volksentscheide ohne Erfolg. 3 Im Parlamentarischen Rat sprach sich die Mehrheit gegen die Aufnahme plebiszitärer Elemente in das G G aus. Lediglich für die Neugliederung des Bundesgebietes sieht Art 29 G G Volksabstimmungen vor. 4 Auch eine vom BT 1972 eingesetzte Enquête-Kommission kam zu der Auffassung, die Einführung von Volksbegehren, Volksentscheiden und der Direktwahl des Bundespräsidenten nicht zu empfehlen. 1
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Woyke S 220/21.
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Die in der 12. WP des BT eingesetzte gemeinsame Verfassungskommission lehnte eine Aufnahme plebiszitärer Elemente in das G G ab. 2 Die Hauptbedenken waren sowohl verfassungssystematische als auch verfassungspolitische Gründe. Plebiszite seien der modernen pluralistischen Gesellschaft und Demokratie nicht gemäß. Sie gäben darüber hinaus aktiven Minderheiten und gut organisierten Vertretern partikularer Interessen, das Instrumentarium, ihre Macht noch stärker als bisher auf Bundesebene durchzusetzen. 3 Dagegen wurden bei der verfassungsmäßigen Neugestaltung der 5 BRep in vielen Länderverfassungen plebiszitäre Elemente aufgenommen. 4 In der VvB ν 1950 (Art 3 Abs 1 iVm Art 45 Abs 2, 49 und 88 6 Abs 2) war bis zum 17. ÄndG vom 22.11.1974 (GVB1 S 2741) neben der Parlamentsgesetzgebung die Möglichkeit der Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid vorgesehen. Durch dieses G wurde auch Art 72, der die Errichtung eines Verfassungsgerichtshofes vorsah, suspendiert. 5 Diese Eleminierung hing mit dem damaligen Status von Berlin (West) zusammen. Nach deutschrechtlicher Auffassung waren während der Spaltung Deutschlands die im Wege der Parallel- und später Mantelgesetzgebung übernommenen Bundesgesetze Bundesrecht und nicht Landesrecht. 6 Die Alliierten hielten es aber für Landesrecht. 7 Die politisch Verantwortlichen befürchteten daher, daß im Falle der Einführung der Volksgesetzgebung die Alliierten verlangen könnten, daß auch in Berlin geltende Bundesgesetze durch Volksbegehren und Volksentscheid geändert werden können. Die Kritik von Pestalozza 8 an der Abschaffung der Vorschrift über Volksgesetzgebung ist daher nicht gerechtfertigt. Die vom AvB am 26.9.1991 eingesetzte Enquête-Kommission 7 „Verfassungs- und Parlamentsreform" hat in ihrem Schlußbericht empfohlen, Elemente der Volksgesetzgebung in die VvB aufzunehmen und der Bevölkerung mehr Teilnahmerechte einzuräumen. 9 Die Gegner der Befürwortung äußerten dagegen die Befürchtung, daß ein
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Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission BTDrs 12/6000, S 8 3 - 86. 3 Dgl S 85 Nr 2. 4 Nr 1 der Materialien zu Art 61-63. 5 Erl zu Art 72 VvB der Vorauflage. 6 BVerfGE 19, 377. 7 Magen S 301-305. « Pestalozza LKV1995,344 ff. 9 Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungs- und Parlamentsreform, AvB Drs 12/4376, S 20/21.
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Rationalitätsverlust in der Politik durch eine Emotionalisierung eintreten könne und die Volksgesetzgebung nicht im gleichen Maße wie die parlamentarische Arbeit in Ausschüssen und im Plenum geeignet sei, zu abgewogenen, differenzierten und kompromißfreundlichen Lösungen zu führen. 10 Nach dem Chruschtschow-Ultimatum 1958, in dem gefordert wurde, „Berlin zu einer freien Stadt ohne westalliierte Truppen zu machen", wurde in politischen Kreisen der Stadt erwogen, durch eine nur konsultative Volksbefragung die Berliner Bevölkerung über die Anwesenheit westalliierter Truppen in Berlin-West zu befragen. Das Ergebnis hätte keine rechtlich verbindliche Wirkung gehabt. Im Gegensatz dazu haben erfolgreiche Befassungsinitiativen (Art 61), Volksbegehren (Art 62), Volksentscheide (Art 63) und Bürgerbegehren (§§ 4 0 42 BzVG) rechtliche Folgerungen und verpflichten AvB und die Verwaltung zu den in der VvB und den Gesetzen vorgesehenen Verfahren. Während in den Ländern BW, Bay, Bbg, Hess und SA auch führende Kommunalrepräsentanten unmittelbar vom Volk gewählt werden, ist diese Möglichkeit in Berlin nicht vorgesehen. Die Volksbeteiligung in Bin beschränkt sich nur auf die vorstehend aufgeführten Verfahren im Rahmen von landesrechtlichen Entscheidungszuständigkeiten bzw bei bezirklichen Bürgerbegehren auf Angelegenheiten, für die die BVV zuständig ist (vgl Einzelerläuterungen zu Art 61-63). Art 61 und die §§ 1-9 des G vom 11.6.1997 befassen sich ausschließlich mit der Volksinitiative, die eine Form der Massenpetition ist. Diese Bezeichnung „Volksinitiative" ist insofern irreführend, als auch ein Volksbegehren eine Form der Volksinitiative darstellt. Zur Klarstellung hätte die Bezeichnung „Befassungsinitiative" den Kern dieser Volksbeteiligung besser verdeutlicht, zumal sich diese Bezeichnung aus dem Wortlaut des Art 61 herauslesen läßt. Im Gegensatz zum Volksbegehren und Volksentscheid und zum bezirklichen Bürgerbegehren, an der sich nur Wahlberechtigte beteiligen, räumt Art 61 allen volljährigen (§ 2 BGB) Einwohnern Berlins die Teilnahmemöglichkeit an der Befassungsinitiative ein. Daher sind alle Ausländer, also nicht nur EU-Bürger und Staatenlose teilnahmeberechtigt. Wegen des Wohnsitzes vgl Rn 14 zu Art 39. Da eine zulässige Befassungsinitiative nur zu einer Beratung im AvB, zur Anhörung der Vertrauensperson und zur Aussprache im AvB führen, ist das AvB nicht zu einer gesetzlichen Umsetzung des Begehrens der Träger verpflichtet. Da also kein Akt deutscher Landesstaatsgewalt
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Schlußbericht der Enquête-Kommission S 20 rechte Spalte.
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erfolgen muß, ist die Teilnahme von Nichtdeutschen verfassungsrechtlich unbedenklich und verstößt nicht gegen Art 20 Abs 2 GG, der für jedes Bundesland verbindlich ist. Träger der Befassungsinitiative können einzelne oder mehrere natürliche Personen (§§ 1 ff BGB), Personenvereinigungen (zB rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Vereinigungen (§§ 21 ff BGB/§2 VereinsG) und Parteien im Sinne des Art 21 G G sein.11 Während für das Teilnahmerecht nach Art 61 VvB und § 1 des G vom 11. Juni 1997 ein Wohnsitz in Berlin gefordert wird, schweigt das G, ob auch die Träger ihren Sitz in Berlin haben müssen. Da die Träger Initiatoren sind und die Unterzeichner nur Unterstützer, wird man für die Träger der Befassungsinitiative auch Wohnsitz oder bei Vereinigungen den Sitz in Berlin verlangen müssen. Bei politischen Parteien kann Träger nur der Berliner Landesverband der Partei sein. Dies muß bei der Zulässigkeitsprüfung durch den Präsidenten des AvB berücksichtigt werden. Der Gegenstand der Befassungsinitiative ist beschränkt auf Gegenstände der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen und in die Entscheidungszuständigkeit des AvB fallen. Bei der Auslegung dieser beiden Kriterien kann man großzügig sein, da nach der Beratung im AvB es diesem freisteht, ob und ggf welche Konsequenzen es ziehen will. Berlin betreffende Gegenstände sind auch überregionale Angelegenheiten, sofern sie Berlin mittelbar betreffen können (zB Verlauf der Transrapidbahn, Rechtschreibungsreform). Abgrenzungsschwierigkeiten können aber zB dort aufkommen, wo durch ein bezirkliches Bürgerbegehren nach §§ 40 ff BzVG, das allerdings nur von Wahlberechtigten initiiert werden kann, eine regionale Befassungsmöglichkeit gegeben ist. Da das AvB auch sogenannte schlichte Parlamentsbeschlüsse fassen kann, die an den Senat gerichtet, aber für diesen nicht verbindlich sind, können durch die Befassungsinitiative auch derartige Themen (zB Abstimmungsverhalten Berlins im BR) an das AvB herangetragen werden. Nicht zulässig sind Initiativen zum Landeshaushalt, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen der öffentlichen Unternehmen sowie Personalentscheidungen. Anregung zu Landesgesetzen sind zulässig, haben aber anders wie bei Volksbegehren und Volksentscheiden keine besondere Wirkung, da, wie erwähnt, das AvB nur zu einer Beratung, nicht aber zu weiteren Maßnahmen verpflichtet ist. Das G vom 11. Juni 1997 regelt in den §§ 1-9 sehr eingehend das Verfahren. Die Träger (vgl Rn 13) müssen den mit Gründen ver-
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G über Volksinitiative usw § 3.
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sehenen Wortlaut des Anliegens schriftlich dem PrAvB zuleiten. Die erforderlichen 90 000 Unterschriften müssen aus Datenschutzgründen einzeln auf gesonderten amtlichen Unterschriftsbögen, die die Träger auf eigene Kosten, die nicht erstattet werden, herzustellen und zu beschaffen haben, geleistet werden. Jeder Unterschriftsbögen muß den Wortlaut der Vorlage oder ihren wesentichen Inhalt enthalten. Die Unterschriftsleistung muß innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eingang des Antrages beim AvB erfolgt sein. Daher haben die Initiatoren nur eine begrenzte Zeit zum Sammeln von Unterschriften. Die Träger müssen 5 Vertrauenspersonen mit Namen und Anschrift angeben, die verbindliche Erklärungen für den Träger abgeben und entgegennehmen können. 12 17 Die vom PrAvB innerhalb von 15 Tagen nach Eingang des Antrages vorzunehmende Prüfung der Zulässigkeit beschränkt sich nur auf die materiellen Voraussetzungen des Art 61 Abs 1 und 2 VvB und §§ 1-6 des G . ' 3 Die Bezirksämter überprüfen innerhalb von 20 Tagen die Anzahl und die Gültigkeit der Unterschriften; ihre Prüfung endet, wenn mindestens 90000 gültige Unterschriften festgestellt worden sind. Zur verwaltungsmäßigen Vereinfachung ist es nicht erforderlich, daß die Wohnsitzüberprüfung nur für den dafür zuständigen Bezirk erfolgt. 14 Während Zulässigkeitsmängel innerhalb einer angemessenen Frist beseitigt werden können (zB Ergänzung der Vertrauensperson, Klarstellung des wesentlichen Inhalts ohne Änderung desselben), gibt es für fehlende Unterschriften keine Nachbesserungsfrist. Daher empfiehlt es sich, mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzahl von Unterschriften zu sammeln, weil erfahrungsgemäß ein Teil der Unterschriften ungültig ist.15 Fällt die Überprüfung der Voraussetzungen und der Unterschriften positiv aus, stellt der PrAvB die Zulässigkeit des Antrages fest, andernfalls weist er den Antrag zurück. Die positive oder negative Entscheidung wird der Vertrauensperson mitgeteilt. 16 18 Innerhalb von 4 Monaten nach Feststellung der Zulässigkeit haben die zuständigen Ausschüsse des AvB öffentlich (Art 44 Abs 1 VvB) über die Vorlage zu beraten; die Vertrauenspersonen haben ein Recht auf Anhörung. Verzichten die Vertrauenspersonen auf eine An-
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G über Volksinitiative usw § 5. '3 Dgl § 7 Abs 1. 14 Dgl § 7 Abs 3. "5 Dgl § 7 Abs 2. 16 Dgl §8.
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hörung, ist die Befassungsinitiative erledigt. Erfolgt eine Anhörung, muß über die Initiative einer Aussprache im Plenum des AvB stattfinden. Dem AvB steht es frei, ob und welche Konsequenzen es zieht. 17 Gegen eine negative Entscheidung des PrAvB über die Zulässigkeit 19 der Befassungsinitiative (§ 8 des G) können die Träger innerhalb eines Monats nach Zugang der Entscheidung schriftlich Einspruch beim Berliner Verfassungsgerichtshof erheben. 18 Das BVerfG ist zur Überprüfung von Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts, die in derartigen landesverfassungsrechtlichen Streitigkeiten ergangen sind, nicht berufen. 19
Artikel 62 (1) Volksbegehren können darauf gerichtet werden, Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben, soweit das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz hat. Sie sind innerhalb einer Wahlperiode zu einem Thema nur einmal zulässig. Mit dem Volksbegehren muß ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf vorgelegt werden. (2) Der dem Volksbegehren zugrundeliegende Gesetzentwurf ist vom Senat unter Darlegung seines Standpunktes dem Abgeordnetenhaus zu unterbreiten. (3) Volksbegehren können auch auf die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses gerichtet werden. (4) Ein Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn mindestens zehn vom Hundert der zum Abgeordnetenhaus von Berlin Wahlberechtigten innerhalb von zwei Monaten dem Volksbegehren zugestimmt haben. (5) Volksbegehren zur Verfassung, zum Landeshaushalt, zu Dienstund Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen der öffentlichen Unternehmen sowie Personalentscheidung sind unzulässig. Materialien 1. vgl Art 59 BW Verf; 74 BayVerf; 77 BbgVerf; 70-72, 76 BremVerf; 124 HessVerf; 60 M V Verf; 48, 50 NdsVerf; 68 N W Verf; 109 RhPfVerf; 99, 100 SaarlVerf; 7 0 - 7 2 SächsVerf; 81 LS A Verf; 42 SchlH Verf; 82 ThürVerf
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G über Volksinitiative usw § 9. ι» §§ 41, 45 Abs 2 N r 2 und 4 des G ν 11. Juni 1997; § 14 N r 7, §§ 55 ff VerfGHG. 19 BVerfGE 6 , 4 4 5 , 449; 30, 112, 122; 96, 231, 242.
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2. VVGB: -; VvB 1950: Art 39 Abs 3 3. Änderungen: 4. vgl Nr 4 der Materialien zu Art 54 und 61 MeldeG vom 26. Februar 1985 (GVB1S 507) idF des G ν 11. Juni 1997 (GVB1S 304)
Erläuterungen 1
Das Volksgesetzgebungsverfahren (Volksbegehren und Volksentscheid) ist neben der Teilnahme an den Wahlen zu den Volksvertretungen das bedeutsamste Institut der Volksbeteiligung. Es kann zu einer Mobilisierung, aber auch zu einer Emotionalisierung der Bevölkerung führen. Da die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch die Regelungen im G G über die ausschließliche, konkurrierende und Rahmengesetzgebung des Bundes (Art 71-75 GG) nur noch auf wenige Gebiete (zB Kultur, Schulwesen, Polizeirecht, Wahlrecht, Kommunalrecht und teilweise Baurecht) beschränkt worden ist, bleibt für den Landesgesetzgeber kein allzu großes Betätigungsfeld. Daher darf der Gesetzentwurf nicht dem GG, sonstigem Bundesrecht und der VvB widersprechen. 2 Außerdem wurde in der Berliner Enko (vgl auch Rn 7 zu Art 61) darauf hingewiesen, daß die Volksgesetzgebung nicht im gleichen Maße wie die parlamentarische Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen geeignet sei, zu abgewogenen, differenzierten und kompromißfreudigen Lösungen zu führen. 1 In den Parlamentsausschüssen werden meist langwierige Diskussionen geführt, Abänderungsanträge erörtert und Sachverständige gehört; all dies unterbleibt bei der Volksgesetzgebung, bei der sich die abstimmende Bevölkerung nur für eine Zustimmung oder Ablehnung des Gesetzentwurfs aussprechen kann. Ist der angenommene Gesetzentwurf beim Vollzug nicht praktikabel oder rechtlich zu beanstanden, müssen diese Mängel durch vom Parlament zu beschließende ÄndG korrigiert werden. 3 Das Volksbegehren sieht ein 3-stufiges Verfahren vor, nämlich - Antragsverfahren, - Volksbegehren, - Volksentscheid. Träger des Volksbegehrens können eine natürliche Person, eine Mehrheit von Personen, eine Vereinigung im Sinne des VereinsG oder eine politische Partei im Sinne des PartG sein; verbotene Organisationen und Parteien haben dieses Recht nicht. Hinsichtlich der 1
Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungs- und Parlamentsreform AvBDrs 12/4376 S 20 rechte Spalte.
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Wohnsitzvoraussetzungen für die Träger (vgl Rn 13 zu Art 61). Der Träger des Volksbegehrens muß zusammen mit seinem schriftlichen Antrag, der den Wortlaut des Volksbegehrens enthalten muß, mindestens 25000 (bei einem Volksbegehren zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode des AvB 50 000) Unterschriften von zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zum AvB wahlberechtigten Berlinern auf besonderen, nach amtlichem Muster vorgeschriebenen Unterschriftsbogen beibringen. Die Stimmberechtigung ergibt sich aus den Vorschriften des LWG. EU-Bürger sind daher nicht teilnahmeberechtigt. Volksbegehren können darauf gerichtet sein, Gesetze zu erlassen, 4 zu ändern oder aufzuheben, soweit Berlin Gesetzgebungskompetenz dafür hat. Während einer WP ist ein Volksbegehren zum gleichen Thema nur einmal zulässig, auch wenn die Trägerschaft gewechselt hat. Bei einer vom Senator für Inneres vorzunehmenden Zulässigkeitsprüfung wird es uU schwierig werden, festzustellen, ob ein Volksbegehren das gleiche Thema umfaßt; der Begriff Thema ist eng auszulegen. Thema ist nicht identisch mit Materie. So können zB zu schulgesetzlichen Regelungen mehrere Volksbegehren möglich sein. Das Wiederholungsverbot bezieht sich nur auf vom SvB als zulässig festgestellte Volksbegehren. Wird einem Antrag mangels der Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen vom SvB nicht zugelassen, kann ein auf dasselbe Thema gerichtetes Volksbegehren auch innerhalb der WP erneut beantragt werden. Volksbegehren zur Verfassung (vgl VerfGH LKV 1999, 3600, zum 5 Landeshaushalt, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen der öffentlichen Unternehmen sowie Personalentscheidungen sind unzulässig, weil es sich hier - von der Verfassung abgesehen - um Bereiche handelt, die zT der Tarifautonomie der Sozialpartner unterliegen oder mit weitreichenden finanziellen Planungen verbunden sind, die durch ein erfolgreiches Volksbegehren und Volksentscheid durcheinandergebracht werden würden, so daß Planungssicherheit insbesondere hinsichtlich des Landeshaushaltes gefährdet wäre. Während einer W P muß zwischen einem erfolglosen Volksbegeh- 6 ren auf vorzeitige Beendigung der Wahlperiode und dem erneuten Antrag auf Zulassung einer Frist von mindestens 12 Monaten liegen.2 Auch ein Antrag, der später als 40 Monate nach Beginn der W P gestellt wird ist, ist unzulässig, da sich ein Volksbegehren wegen des regulären Ablaufs der WP erübrigt. 3
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G über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vom 11. Juni 1997 (GVB1 S 304) § 12 Abs 2. 3 Dgl § 12 Abs 2.
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Die Träger eines Volksbegehrens haben keine unbeschränkte Zeit für das Sammeln der Unterschriften zu ihrem Antrag. Die Unterschriftsleistungen müssen innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eingang des Antrages bei dem Senator für Inneres erfolgt sein, sonst sind sie ungültig. 4 8 Während sich bei der Befassungsinitiative (Art 61) die staatliche Mitwirkung nur auf die Prüfung der Zulässigkeit beschränkt, mündet das Verfahren bei der Volksgesetzgebung und bei der vorzeitigen Beendigung der W P nach Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen durch den Senator für Inneres und durch die BzÄ (Überprüfung der Unterstützungsunterschriften) in einem amtlichen Verfahren. Das Verfahren umfaßt ua die Prüfung der Abstimmungsberechtigung, die Bekanntmachung im ABl für Berlin über den Namen und Anschrift des oder der Träger, den Wortlaut des Volksbegehrens (beim Volksgesetzgebungsverfahren ist der Wortlaut des Gesetzentwurfs mitzuteilen), über Fristen und sonstige Formalitäten, wie die Bestellung des Abstimmungsleiters, die Auswahl der Auslegungsstellen, die Festlegung der Auslegungszeiten, den Druck der Unterschriftsbögen und Eintragungsscheine, die Überwachung des Volksentscheides sowie die amtliche Feststellung der Ergebnisse. 5 9 Für die Überprüfung des Antrages und der 25000 bzw 50000 Unterstützungsunterschriften sind dem Senator für Inneres und den BzÄ im G relativ kurze Fristen gesetzt. 6 Allerdings ist den BzÄ das Recht eingeräumt worden, ungeachtet ihrer örtlichen Zuständigkeit auch die Daten zu nutzen, zu speichern und zu löschen, für die ein anderes BzA Aufgaben der Meldebehörde wahrnimmt. Nur dadurch können die relativ kurzen Fristen eingehalten werden. 7 Bei dem derzeitigen Personalmangel in der Berliner Verwaltung dürften dennoch Fristüberschreitungen im Bereich des Möglichen liegen. Da es sich hier um gesetzliche, jedoch verwaltungsinterne Fristen handelt, führt eine Überschreitung zu keinen rechtlichen Konsequenzen. 10 Reichen jedoch verschiedene Träger zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb der WP Anträge ein, die das gleiche Thema behandeln, so ist der erstgestellte Antrag vorrangig zu behandeln. Ergibt die Überprüfung, daß beide Anträge zulässig sind, so ist nur der erstgestellte Antrag - auch, wenn für ihn eine Nachfrist zur Beseitigung festgestellter Zulässigkeitsmängel festgesetzt worden ist und diese 4
Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid ν 11. Juni 1997 (GVB1S 304)§ 15 Abs 1. 5 Dgl §§ 18, 20, 21, 24, 25; vgl Art 84 Rn 165ff. 6 Dgl § 17 Abs 1. 7 Dgl §42.
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Volksbegehren (Magen)
Art. 62
innerhalb der vom Senator für Inneres gesetzten Frist beseitigt wurden - zuzulassen. Eine Nachbesserung fehlender Unterschriften ist jedoch nicht möglich. 8 Die späteren Anträge müssen wegen Verbots der Themenwiederholung abgelehnt werden, es sei denn, der früher gestellte Antrag wird zurückgenommen (vgl Rn 11). Die Träger des Volksbegehrens können ihren Antrag jederzeit bis 11 zum Beginn der Eintragungsfrist zurücknehmen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung durch den Senator für Inneres im ABl, die nach Feststellung der Zulässigkeit des Antrages durch den SvB erfolgen muß, kann der Zulassungsantrag nicht mehr geändert werden. 9 Wird der Antrag zugelassen, findet ein Volksbegehren statt. Bei 12 Volksbegehren und Volksentscheid gilt anders als bei Wahlen, bei denen staatlicherseits das Neutralitätsgebot eingehalten werden muß, das Sachlichkeitsgebot, dh der SvB, die Parteien und auch die Öffentlichkeit (zB Medien) dürfen gegen den Gesetzentwurf Stellung nehmen, zumal die Stellungnahme des SvB gegenüber dem AvB vielfach kritisch ausfallen wird. 10 Der vom SvB für die Wahlen zum AvB bestellte Landeswahlleiter, 1 3 meist der Direktor des Statistischen Landesamtes, nimmt die Aufgaben des Landesabstimmungsleiters wahr. Die BzÄ müssen zur Vorbereitung und Durchführung auf Bezirksebene je einen Abstimmungsleiter und seinen Stellvertreter bestellen. Es werden Auslegungsstellen und einheitliche Tage und Zeiten für die Eintragung festgelegt. 11 Wegen des Datenschutzes werden nicht mehr, wie früher, Eintragungslisten ausgelegt, sondern jeder Stimmberechtigte, der am Tage der Unterzeichnung zum AvB wahlberechtigt ist, bekommt in der von ihm frei zu wählenden Auslegungsstelle, die nicht mehr an seinen Wohnsitz gekoppelt ist, einen amtlichen Unterschriftsbogen. 12 Eintragungsberechtigte, die sich während der gesamten Eintragungsfrist nicht in Berlin aufhalten oder infolge eines körperlichen Leidens oder eines Gebrechens oder aus sonstigen Gründen gehindert sind, die Auslegungsstelle persönlich aufzusuchen, erhalten auf Antrag von dem für ihren Wohnsitz zuständigen BzA einen Eintragungsschein und den Unterschriftsbogen, die bis zum Ende der Eintragungsfrist an das zuständige BzA zurückzusenden sind. 13
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Gesetz über Volksinitiative usw § 17 Abs 2. Dgl § 19. BVerfGE 96, 231 betr Bayerischen Volksentscheid. G über Volksinitiative usw §§ 20, 21. Dgl § 2 2 Abs 2. Dgl §23.
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Ein Volksbegehren mit dem Ziel des Erlasses eines Gesetzes ist zustandegekommen, wenn ihm mindestens ein Zehntel der Stimmberechtigten - am Tage der Unterzeichnung zum AvB Wahlberechtigte - zugestimmt hat. Bei einem Volksbegehren zur vorzeitigen Beendigung der WP muß dem Antrag mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten zugestimmt haben. Als Zahl der Stimmberechtigten gilt die Zahl der Stimmberechtigten am letzten Tag der Eintragungsfrist. 14 15 Gegen die Entscheidungen über den Zulassungsantrag (§ 17) und gegen die Feststellung des Ergebnisses des Volksbegehrens (§ 25) können die Vertrauenspersonen oder ein Viertel der Mitglieder des AvB innerhalb eines Monats nach Zugang der Entscheidung an den Beschwerdeführer oder nach der öffentlichen Bekanntmachung Einspruch beim VerfGH erheben. 15 Sofern dieser dem Einspruch stattgeben sollte, tritt hinsichtlich der aufgrund dieses Gesetzes zu wahrenden Fristen an die Stelle der angegriffenen Entscheidung die des VerfGH. 16 Wegen der Zuständigkeit des BVerfG vgl Rn 19 zu Art 61. 16 Nach Art 100 kann Art 62 nicht durch eine Verfassungsänderung allein geändert werden, es bedarf zusätzlich noch einer Volksabstimmung. 17 Nach § 29 MeldeG dürfen den Trägern der Volks- und Bürgerbegehren (§ 40 BzVG) Adressenlisten für die Werbung aus dem Einwohnerregister zur Verfügung gestellt werden. Allerdings kann der Bürger gegen die Überlassung seiner Anschrift innerhalb einer öffentlich bekanntzugebenden Frist Widerspruch einlegen.
Artikel 63 (1) Ist ein Volksbegehren zustande gekommen, so muß innerhalb von vier Monaten über den Gesetzentwurf ein Volksentscheid herbeigeführt werden. Das Abgeordnetenhaus kann einen eigenen Gesetzentwurf zur gleichzeitigen Abstimmung stellen. Der Volksentscheid unterbleibt, wenn das Abgeordnetenhaus den begehrten Gesetzentwurf inhaltlich in seinem wesentlichen Bestand unverändert annimmt.
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G über Volksinitiative usw § 26. Dgl § 41. Dgl § 41 Abs 3.
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(2) Ein Gesetz ist durch Volksentscheid angenommen, wenn sich entweder mindestens die Hälfte der zum Abgeordnetenhaus von Berlin Wahlberechtigten am Volksentscheid beteiligt und die Mehrheit für das Gesetz stimmt oder bei geringerer Stimmbeteiligung mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten für das Gesetz stimmt. (3) Der Volksentscheid über die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses ist herbeizuführen, wenn ein Fünftel der zum Abgeordnetenhaus von Berlin Wahlberechtigten dem Volksbegehren zugestimmt hat. Der Volksentscheid wird nur wirksam, wenn sich mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten daran beteiligt und die Mehrheit für die vorzeitige Beendigung stimmt. (4) Der Präsident des Abgeordnetenhauses fertigt das durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetz aus; der Regierende Bürgermeister verkündet es im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin. (5) Das Nähere zum Volksbegehren und Volksentscheid, einschließlich der Veröffentlichung des dem Volksentscheid zugrundeliegenden Vorschlages, wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl Art 43, 60 BW Verf; 18, 7 2 - 7 4 BayVerf; 78 BbgVerf; 6 9 - 7 4 , 76 BremVerf; 124 Hess Verf; 60 M V Verf; 49 NdsVerf; 109, 115 RhPfVerf; 100 SaarlVerf; 72, 73 SächsVerf; 81 LSA Verf; 42 SchlH Verf; 82 ThürVerf 2. VVGB: - ; VvB 1950: Art 39 Abs 3 3. Änderungen: 4. Vgl N r 4 der Materialien zu Art 62.
Erläuterungen Erfolgreiche Volksbegehren (vgl Art 62) haben rechtliche Konse- 1 quenzen. War das Volksbegehren auf die vorzeitige Beendigung der WP des AvB gerichtet, so hat das AvB mit 2/3-Mehrheit darüber zu entscheiden, ob es sich selbst auflösen will (Art 54 Abs 2). Sofern dies der Fall ist, muß innerhalb von 8 Wochen nach dem Beschluß des AvB die Neuwahl für das AvB und die Wahlen für die BVVs stattfinden (Art 54 Abs 4, Art 70 Abs 1 VvB), andernfalls muß innerhalb von zwei Monaten nach Veröffentlichung des Gesamtergebnisses des Volksbegehrens ein Volksentscheid herbeigeführt werden. 1 Hinsichtlich des Gesetzentwurfs, der zu einem erfolgreichen Volks- 2 begehren geführt hat, bleibt es ebenfalls der Entscheidungskompetenz des AvB überlassen, ob es diesen Gesetzentwurf annimmt oder ' § 2 9 A b s 1 N r 2 G v 11.6.1997.
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ablehnt. Im Falle der Annahme darf er inhaltlich im wesentlichen Bestand nicht verändert werden. Das heißt, nur rechtliche Unebenheiten, Widersprüche zu anderen Gesetzen oder nicht vollziehbare Verfahrensvorschriften dürfen verändert werden. Bei der Beschlußfassung durch das AvB muß in der Drs, die zur Abstimmung vorliegt, ausdrücklich kenntlich gemacht werden, ob und welche Veränderungen beschlossen wurden. 2 3 Das AvB kann aber auch bei einem Volksentscheid einen alternativen Gesetzentwurf zur Abstimmung vorlegen, über den das AvB vorher mehrheitlich abgestimmt haben muß. 3 Eigene Entwürfe von Fraktionen, des SvB oder der Opposition sind in diesem Stadium der Volksgesetzgebung nicht zulässig. Um einen Überraschungseffekt zu vermeiden, muß ein von der Mehrheit des AvB getragener Gesetzentwurf spätestens 45 Tage vor dem Abstimmungstag eines Volksentscheides beschlossen sein.4 Hatten mehreren Volksbegehren mit unterschiedlichen Gesetzentwürfen Erfolg, so sollen die Volksentscheide möglichst am selben Tag stattfinden. 5 4 Der Tag des Volksentscheides, der an einem Sonntag oder gesetzlichen Feiertag liegen muß, wird vom SvB innerhalb von 15 Tagen nach Veröffentlichung des Gesamtergebnisses des Volksbegehrens im Abi bekanntgegeben werden. 6 Die Vorbereitung und Durchführung des Volksentscheides obliegt dem Landesabstimmungsleiter (Landeswahlleiter), dem Statistischen Landesamt, dem Senator für Inneres und den Bezirksämtern. 7 5 Während für das Volksbegehren nur Deutsche, die am Tage ihrer Unterschriftsleistung zum AvB wahlberechtigt waren, zeichnungsberechtigt sind, kommt es für die Teilnahme am Volksentscheid auf die Wahlberechtigung am Abstimmungstag an. 8 Stehen mehrere Gesetzentwürfe zur Abstimmung (vgl Rn 3) hat jeder Stimmberechtigte soviele Stimmen wie Gesetzentwürfe vorliegen.9 Der Abstimmungsberechtigte kann nur mit „ja" oder „nein" auf amtlich hergestellten Stimmzetteln in Wahlkabinen in den von den Bezirksämtern ausgewählten Abstimmungslokalen abstimmen.
2 G ν 11.6.1997 §29 Abs 2. 3 D g l § 3 0 Abs 1. 4 Dgl § 30 Abs 2. 5 Dgl §29 Abs 4. 6 Dgl §32 Abs 1. 7 Dgl §§ 31,43 iVm LWG u LWO. 8 Dgl § 33. « Dgl § 34 Abs 3.
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Ein Gesetzentwurf ist angenommen, wenn sich entweder mindestens die Hälfte der zum AvBWahlberechtigten am Volksentscheid beteiligen (Wahlberechtigte am 10.10.1999: 2 414493) und mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen für den Gesetzentwurf oder bei geringerer Stimmbeteiligung mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten für den Gesetzentwurf stimmen. 10 Sind bei einer gleichzeitigen Abstimmung über mehrere Gesetzentwürfe, die den gleichen Gegenstand betreffen, die für eine Annahme erforderlichen Voraussetzungen erfüllt worden, so ist der Gesetzentwurf angenommen, der die meisten Ja-Stimmen erhalten hat. Ist die Zahl der Ja-Stimmen für mehrere Gesetzentwürfe gleich, so ist derjenige angenommen, der nach Abzug der auf ihn entfallenden NeinStimmen die größte Zahl der Ja-Stimmen auf sich vereinigt. Sind die so gebildeten Differenzen gleich, so werden die betreffenden Gesetzentwürfe innerhalb von zwei Monaten in einem erneuten Volksentscheid zur Abstimmung gestellt.11 Ein Volksentscheid über die vorzeitige Beendigung der WP ist erfolgreich, wenn sich mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten daran beteiligt und mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die vorzeitige Beendigung stimmt. 12 Hinsichtlich der Rechtsfolgen der vorzeitigen Beendigung der W P vgl Art 54 Rn 10. Der Landesabstimmungsleiter veröffentlicht das Gesamtergebnis des Volksentscheides innerhalb einer Frist von 20 Tagen nach dem Tag der Abstimmung im ABl. 13 Ist ein Gesetz durch Volksentscheid angenommen worden, so fertigt es der PrAvB unverzüglich aus. Der RB verkündet es binnen zwei Wochen im GVB1. Wird die WP des AvB durch Volksentscheid vorzeitig beendet, so gibt der PrAvB unverzüglich nach der Veröffentlichung des Gesamtergebnisses des Volksentscheides die vorzeitige Beendigung derWP im GVB1 bekannt. 14 Rechtsbehelfe gegen die Feststellung des Ergebnisses des Volksentscheides sind innerhalb eines Monats durch Einspruch beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. 15 Sofern ein durch Volksentscheid zustande gekommenes G Fehler enthalten sollte oder nicht durchführbar ist, könnte es zweifelhaft
Ό GV 11 Dgl '2 Dgl 13 Dgl Dgl 15 Dgl
11.6.1997§36Abs 1. § 36 Abs 2. § 36 Abs 3. §39. § 40. §41.
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sein, ob der PRAvB die Ausfertigung verweigern darf; dies sieht weder die VvB noch das G vor. Eine dritte Lesung nach Art 59 Abs 5, in der Korrekturen beschlossen werden könnten, ist nur für die vom AvB beschlossenen G vorgesehen. Daher muß das AvB durch ein ÄndG eine rechtlich einwandfreie und praktikable Regelung herbeiführen. Der gesetzgeberische Zweck darf dadurch jedoch nicht beseitigt werden. Dem AvB bleibt es jedoch unbenommen, auch während einer laufenden W P das G aufzuheben oder abzuändern. Ein Bestandsschutz für ein im Volkgsgesetzgebungsverfahren beschlossenes G sieht die VvB nicht vor. 16 11 Nach Art 100 ist Art 63 ebenso wie Art 62 nicht allein durch einen verfassungsändernden Beschluß des AvB zu ändern oder aufzuheben; es bedarf zusätzlich noch einer Volksabstimmung.
Artikel 64 (1) Durch Gesetz kann der Senat oder ein Mitglied des Senats ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung müssen im Gesetz bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Rechtsverordnung anzugeben. (2) Zur Festsetzung von Bebauungsplänen und Landschaftsplänen können die Bezirke durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Die Ermächtigung kann sich auch auf andere baurechtliche Akte, die nach Bundesrecht durch Satzung zu regeln sind, sowie auf naturschutzrechtliche Veränderungsverbote erstrecken. Dies gilt nicht für Gebiete mit außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung. Das Nähere regelt ein Gesetz. (3) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 sind dem Abgeordnetenhaus unverzüglich zur Kenntnisnahme vorzulegen. Verwaltungsvorschriften sind dem Abgeordnetenhaus auf Verlangen vorzulegen. Materialien 1. vgl Art 80 G G ; 61 BW Verf; 55 Nr 2 BayVerf; 80 BbgVerf; 124 BremVerf; 53 HmbVerf; 107, 118 HessVerf; 57 MV Verf; 43 NdsVerf; 70 N W Verf; 110 RhPfVerf; 104 SaarlVerf; 75 SächsVerf; 79 LSA Verf; 38 SchlH Verf; 84 ThürVerf 2. VVGB: Art 11 II N r 3-5 und III; VvB 1950: Art 47 3. Änderungen: -
"s AA Zivier S 209.
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Erläuterungen Art 64 Abs 1 VvB ermächtigt in Anlehnung an Art 80 G G den SvB 1 oder eines seiner Mitglieder zum Erlaß von RechtsVO, wenn dies durch einfaches Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. RechtsVO sind Rechtsnormen im Staat-Bürger-Verhältnis, 1 idR 2 abstrakt-generelle Anordnungen zur Regelung staatlicher Angelegenheiten. Im Unterschied zu einem formellen Gesetz durchlaufen RechtsVO nicht das ordentliche parlamentarische Gesetzgebungsverfahren, sondern werden direkt von einem Exekutivorgan erlassen. Das Problem eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung wird dadurch vermieden, daß RechtsVO immer einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, 2 so daß die Legitimationskette gewahrt bleibt. Der Unterschied zu einem VA nach § 35 VwVfG besteht grundsätzlich darin, daß eine VO zukunftsoffene generelle Regelungen trifft, wohingegen ein VA einen konkreten Fall regeln will. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich zur Allgemeinverfügung (zB Verkehrsschilder) gem § 35 S 2 VwVfG. 3 Art 64 I VvB gilt nicht für Satzungen, die ebenso wie RechtsVO 3 materielles Recht setzen. Eine eindeutige Unterscheidung von Regelungsinhalt her kann zwischen Satzungen und Verordnungen nicht getroffen werden. Satzungen werden aufgrund - gesetzlich eingeräumter - Satzungsautonomie erlassen. Sie sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden (zB von Selbstverwaltungskörperschaften, wie zB Universitäten, oder Organen, wie zB SvB, AvB, LRH, BzA, BVV). 4 Eine Satzung beruht also auf einem Akt einer nichtstaatlichen Stelle.5 RechtsVO sind Ausdruck einer Dekonzentration der Gesetzgebung im Rahmen der Gewaltenteilung; Satzungen hingegen entsprechen einer dezentralisierten Struktur des Gemeinwesens, dh einer Aufgliederung in eine Vielzahl territorial oder personal radizier-
1 BVerfGE 1, 197; 10, 50; 28, 132, 144. Vgl Art 80 I GG, 61 I BW Verf, 55 Nr 2 BayVerf, 64 I VvB, 80 BbgVerf, 124 BremVerf, 53 HmbVerf, 118 HessVerf, 57 I MV Verf, 43 I NdsVerf, 70 N W Verf, 110 I RhPfVerf, 104 I SaarlVerf, 75 I SächsVerf, 79 I LSA Verf, 38 I SchlH Verf, 84 I ThürVerf. 3 Vgl weiterführend die umfassende Kommentarliteratur, t BVerfGE 10, 20, 50. 5 BVerfGE aaO. 2
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ter Gemeinschaften, die als Selbstverwaltungsträger ihre Angelegenheiten selbständig ordnen und (durch Satzungen) regeln. 6 Die Abgrenzung ist oft schwierig. Nicht als Satzung, sondern als RechtsVO soll es jedenfalls anzusehen sein, wenn von einer staatlichen Aufsichtsbehörde eine normgemäße Regelung für einen Selbstverwaltungsverband erlassen wird (sog „oktroyierte Satzung"). 7 4 Da das Prinzip der Funktionentrennung im G G selbst angelegt und jede Funktion verfassungsrechtlich legitimiert ist, läßt sich aus dem Demokratieprinzip kein allumfassender Parlamentsvorbehalt ableiten. 8 Grundsätzlich ist also eine rechtssetzende Regelung durch RechtsVO der Exekutive möglich. Von der Bestimmung der Rechtsnatur einer Maßnahme als RechtsVO ist aber klar abzugrenzen, ob der zu regelnde Gegenstand überhaupt die Regelung durch RechtsVO erlaubt. Denn die Befugnis der Exekutive zum Normerlaß soll nicht übertrieben ausgedehnt werden können. 9 Diesem Bedürfnis wollte das BVerfG mit der Entwicklung der sog Wesentlichkeitstheorie10 Rechnung tragen: Auch jenseits der Gesetzesvorbehalte des Grundrechtsteils kann der Gesetzgeber zu eigener Normierung verpflichtet sein.11 Eine Ausdehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts über die überkommenen Grenzen hinaus sollte dahingehend vorgenommen werden, daß die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen müsse, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des „Eingriffs". 12 Auch staatliches Handeln, das dem Einzelnen Leistungen oder Chancen gewährt oder anbietet, sei für die Freiheit des Einzelnen nicht weniger bedeutungsvoll, als ein Eingriff. Grundlegende Entscheidungen habe der Gesetzgeber selbst zu treffen, da das parlamentarische Verfahren ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen gewährleiste. 13
6 Ossenbühl in HbStR, III § 64 Rn 6. 7 Vgl zur Abgrenzung: Wilke AöR Bd 98 (1973), 196 (207) und BVerfGE 10, 20, 49 ff. « Ipsen Rn 666 mit Verweis auf BVerfGE 49, 89, 125 ff; 68, 1, 87. 9 BVerfGE 40, 237, 248ff, 47,46, 78f; 58, 257, 268ff; Ipsen aaO. 10 Zur Wesentlichkeitstheorie vgl auch Rn 2 zu Art 59. 11 Ipsen Rn 696. 12 BVerfGE 40, 237, 249f. !3 BVerfGE aaO.
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Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Eingriffe in Freiheit und 5 Eigentum, aber auch die Entscheidung aller wesentlichen Fragen, die die Bürger unmittelbar betreffen, unter dem Gesichtspunkt des „Vorbehalts des Gesetzes"14 einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen und nicht bloß aufgrund einer Verwaltungsvorschrift erfolgen können. 15 Art 80 GG gilt grundsätzlich nur für die RechtsVO des Bundes und 6 damit nicht unmittelbar oder analog für die Länder; Art 28 G G verlangt lediglich eine demokratische und rechtsstaatliche Anbindung der Verordnungsgebung an die Gesetzgebung. 16 Zwar haben die Länder nach Art 28 I 1 G G das Prinzip der Gewaltenteilung zu beachten. Art 80 G G stellt hingegen nur eine Konkretisierung dieses Verfassungsprinzips dar. 17 Nur die aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem folgenden Grundsätze sind auch für die Landesgesetzgebung, also auch für die Verordnungsgebung verbindlich. 18 Jedoch wird durch die Angleichung der Formulierung des Art 64 I VvB an Art 80 I G G deutlich, daß der Berliner Verfassungsgeber eine dem Art 80 G G vergleichbare Regelung treffen wollte. Art 64 I VvB begrenzt mithin die Rechtssetzungsbefugnis der Exekutiven und stellt klar, daß jede Legislativtätigkeit der Exekutiven in Form der Verordnungsgebung als eigentliche Durchbrechung der Gewaltenteilung einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. 19 Art 64 I VvB stellt klar, daß zunächst nur der SvB als Landesregie- 7 rung iSv Art 80 I 1 G G anzusehen ist, wenn ein Bundesgesetz zum Erlaß von Verordnungen ermächtigt. Grundsätzlich ist der Adressat
14
Vgl auch Rn 2 zu Art 59. Zur Kritik an der Wesentlichkeitstheorie vgl Ramsauer in AK-GG Art 80 Rn 27 mwN; Ossenbühl in HbStR III § 62 Rn 44 ff (Hauptproblem sei die Best, was im konkreten Fall „wesentlich" ist; das BVerfG stellt hierbei auf das Kriterium der sog. „Grundrechtsrelevanz" ab: Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeute „wesentlich" idR „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" - BVerfGE 47, S 46, 79); Bryde in ν Münch/ Kunig, G G , Art 80 Rn 21 (der unter Hinw auf BVerfGE 58, 257, 276 ff anmerkt, das BVerfG tendiere dazu, entweder eine Regelung unmittelbar durch den Gesetzgeber zu verlangen oder, wenn es dieses nicht für erforderlich hält, auch keine besonderen Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung mehr zu stellen, so daß Art 80 I 2 G G seine selbständige Bedeutung zu verlieren drohe); vgl auch Schnapp in vMünch/Kunig, GG, Art 20 Rn 46. 16 David Art. 53 Rn 7; vgl Gern Dt Kommunalrecht Rn 258. 17 David Art 53 Rn 7 mwN. 18 BVerfGE 55, 207, 226; 58, 257, 277. " Vgl Maunz in M D H S Art 80 Rn 1 ff.
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der Ermächtigung im Gesetz zu nennen. Es findet sich aber keine dem Art 80 I S 4 G G entsprechende Vorschrift zur Subdelegation, 20 vgl allerdings die Sonderregelung in Art 64 II VvB. Weiterhin stellt Art 64 I 2 VvB die Anforderung, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Ebenso ist das Zitiergebot des Art 80 I 3 G G in Art 64 I 3 VvB enthalten. Gem Art 60 III 1 VvB soll außerdem jede RechtsVO den Tag ihres Inkrafttretens bestimmen. Generell unterliegen RechtsVO im Gegensatz zu Satzungen dem Bestimmtheits- und Zitiergebot des Art 80 I GG. 2 1 Diese Formerfordernisse ergeben sich zwingend aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip. Das Parlament soll seine Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, daß es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, daß schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll.22 8
Die auf bundesgesetzlicher Ermächtigungsgrundlage von den Landesregierungen erlassenen RechtsVO sind nicht Bundesrecht, sondern RechtsVO des Landesrechts.23 Es wird also mit Erlaß einer RechtsVO durch den SvB oder eines seiner Mitglieder in jedem Fall Landesrecht geschaffen, unabhängig davon, ob die Ermächtigung auf Bundesgesetz oder Landesgesetz beruht. Folglich stehen RechtsVO des Landesrechts jedem Bundesrecht im Range nach, auch dem Bundesverordnungsrecht . 9 Betrachtet man zunächst die bundesrechtliche Ebene, so können Adressaten einer Verordnungsermächtigung zunächst nur die Bundesregierung, ein Bundesminister oder eine Landesregierung sein. Wird durch Bundesgesetz die Bundesregierung ermächtigt, ist damit im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Weimarer Zeit („Auch ein Reichsminister ist gleichzeitig Reichsregierung") nicht gleichzeitig ein Bundesminister zum Erlaß befugt. 24 Oberste Bundesbehörden oder deren Leiter oder oberste Landesbehörden können nicht unmittelbar
20
Zur Subdelegation s u Rn 14 ff. Gern Dt Kommunalrecht Rn 258; vgl BVerfGE 26, 16, 27; 55, 207, 226; 34, 52, 59. 22 BVerfGE 58, 257, 277. 23 BVerfGE 18, 407; Ossenbühl in HbStR III § 64 Rn 27 mwN, auch ausdrücklich zur Gegenmeinung. 24 Stern II § 38 III S 667; vgl BVerfG 11, 77, 84f; Maunz in M D H S Art 80 Rn 38.
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durch Bundesgesetz ermächtigt werden. 25 Auch kann ein Landesminister nicht unmittelbar ermächtigt werden. 26 Entsprechend bestimmt die Berliner Regelung als unmittelbaren 10 Delegatar nur den SvB oder ein Mitglied des SvB (Art 64 I VvB). Zweifelhaft ist, ob es zulässig sein soll, wenn der SvB als Kollegium anstelle des eigentlich ermächtigten einzelnen Senatsmitglieds tätig wird. Zivier nimmt aus praktischen Gründen an, daß eine derartige VO auch auf Vorlage des ermächtigten Senatsmitglieds vom Kollegium erlassen werden könne, wobei die Vorlage ohne Zustimmung des betreffenden Mitglieds nicht verändert werden dürfe; verneine man die Zulässigkeit, so müßte das jeweilige Senatsmitglied (wenn es sich politisch „absichern" wollte) die VO vor Erlaß dem SvB vorlegen.27 Hiergegen spricht der in Art 58 V VvB niedergeschriebene Grund- 11 satz der Eigenverantwortlichkeit. Es kann also in Berlin zur Situation einer Umgehung von diesem Prinzip kommen, wenn der SvB eigenmächtig anstelle des eigentlich zuständigen Senators die RechtsVO erläßt. Dies würde einen Verstoß gegen das Ressortprinzip darstellen. Ferner bezweckt ein Gesetz, das nur einen einzelnen Minister (Senator) ermächtigt, eine Beschleunigung des Verfahrens, die bei einer Entscheidung des Kollegiums nicht erreicht werden könnte. Es ist daher festzuhalten, daß ein Verordnungserlaß durch den SvB anstelle des ermächtigten Senators grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die Ermächtigung und das Ressortprinzip rechtswidrig ist. Auch auf Bundesebene wird mit Hinweis auf das Prinzip der 12 Eigenverantwortlichkeit die Auffassung vertreten, daß das Kollegium Bundesregierung nicht befugt sei, anstelle des Ministers zu handeln. 28 Eine Weitergabe der Ermächtigung an die Bundesregierung sei auch deshalb nicht denkbar, da dies grundsätzlich nicht im Einklang mit dem Sinn des ermächtigenden Gesetzes stände. 29
25 Maunz in M D H S Art 80 Rn 41 mwN. 26 Stern aaO; BVerfG 11, 77, 84 ff; aber: Ist nach der jeweiligen Landesverfassung auch ein Landesminister die „Landesregierung", dann kann zwar einerseits die Ermächtigung des Bundesgesetzes nur die Landesregierung als Adressaten haben, aber verordnungsbefugt ist dann auch der einzelne Landesminister (BVerfGE 11, 77, 86; Maunz in M D H S Art 80 Rn 40; auch vMangoldtlKlein Art 80 Anm V 4 b S 1928). Dies ist jedoch zZ in keinem Bundesland der Fall. 27 Zivier Fn 11 zu Rn 55.1. 2 « Maunz in M D H S Art 80 Rn 39. 29 Maunz aaO.
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Für die Problematik der Ermächtigung der Bezirksämter zum Erlaß von RechtsVO sei auf die Anm zu Art 64 II verwiesen (siehe unten Rn 32 ff). Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Weitergabe der Ermächtigung zum Verordnungserlaß möglich (Subdelegation). Dies wird auf bundesrechtlicher Ebene durch Art 80 I 4 G G deutlich gemacht. Das Bundesrecht knüpft allerdings an die Zulässigkeit der Subdelegation bes Voraussetzungen. Die Weiterübertragung von Verordnungsgewalt ist ein Akt rechtssetzender Gewalt. Insofern muß gem Art 80 I 4 G G das ermächtigende (förmliche) Gesetz bereits die Subdelegation zulassen, ferner bedarf es für die Weitergabe einer RechtsVO. Die Form der Weiterübertragung ist in Art 64 VvB anders als in Art 80 I 4 G G zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben; da es sich aber um Kompetenzveränderungen handelt, bedarf die Subdelegation selbst einer RechtsVO. Diese Voraussetzungen sind jedoch ähnlich wie beim Fehlen des Bestimmtheitsgebotes als allgemeine rechtsstaatliche Erfordernisse zu sehen. 30 Zur Einhaltung dieser allgemeinen Erfordernisse zwingt das Homogenitätsprinzip (Art 28 I GG). Eine Subdelegation ist daher bei Beachtung der Voraussetzungen, die Art 80 14 G G vorgibt, auch in Berlin zulässig. So können neben der durch den Wortlaut des Abs 1 zulässigen Ermächtigung für einzelne Senatsmitglieder (Sub-) Delegatare auch Staatsorgane auf anderer Ebene sein. Ein numerus clausus der Subdelegatare besteht nicht (weder in Art 80 GG, noch in Art 64 VvB). Gedacht ist bei der Subdelegation in erster Linie an die den obersten Landesbehörden nachgeordneten Behörden sowie an juristische Personen des öffentlichen Rechts. 31 In Berlin kann möglicher Delegatar also zB der PrAvB sein. Eine Ermächtigung zum Verordnungserlaß kann vorsehen, daß zwei oder mehrere Stellen zusammenwirken. So sind gemeinsame Verordnungen vorstellbar, die von mehreren Senatsmitgliedern erlassen werden. Solche gemeinsamen Verordnungen können nur gemeinsam erlassen und aufgehoben werden. Ein mitermächtigter Senator könnte auch nicht durch Beschluß gem. Art 58 V VvB zur Mitwirkung gezwungen werden. Fraglich ist, ob gemeinsame Verordnungen insoweit ausgeschlossen sind, als eine Exekutivstelle und das AvB zur gesamten Hand ermächtigt werden sollen. Nach der geltenden Fassung des Art 64
30 S hierzu: BVerfGE 55, 207, 226; Ossenbühl in HbStR III § 64, Fn 43 zu Rn 17. 31 Für Art 80 GG: Ossenbühl in HbStR III § 64 Rn 30.
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VvB besteht für das AvB nicht mehr das Recht, RechtsVO des SvB durch Beschluß abzuändern oder aufzuheben. 32 Der Wegfall ergab sich aus der Anpassung des aus der alten Magistratsverfassung 33 übernommenen Abs 1 an die durch das G G vorgegebenen Rahmenbedingungen der Gewaltenteilung, die auch in den Stadtstaaten Geltung hat. 34 Natürlich kann der Gesetzgeber weiterhin durch im Rang über der RechtsVO stehendes formelles Gesetz eine RechtsVO ändern oder aufzuheben, was verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Ebenso könnte das AvB durch eine zwar rechtlich unverbindliche, aber ggf politisch wirksame Resolution den SvB auffordern, eine VO zu ändern. 35 Es spricht auch nichts dagegen, eine RechtsVO aufzuheben, wenn das AvB dies verlangt, soweit die RechtsVO unter einem entsprechenden Vorbehalt erlassen worden ist, wie es zB die Regelung des Art 109 IV 4 G G vorsieht. Praktisch sinnvoller ist die Ermächtigung an ein Organ, das an die 18 Zustimmung eines anderen gebunden wird. So kann zB ein Senator an die Zustimmung eines anderen Senators oder die des SvB gebunden werden, wobei auch hier der Zustimmende nicht gem Art 58 V VvB gebunden werden kann. Eine VO könnte auch von der Zustimmung des AvB abhängig gemacht werden. 36 Somit kann der Verordnungserlaß zB vom Einvernehmen mit einem Parlamentsausschuß, dem PolPr, dem Präsidenten eines Gerichts oder dem PrAvB (vgl § 2 BannmeilenG) abhängig gemacht werden. Eine einmal erteilte Zustimmung kann nicht einseitig zurückgenommen werden. Da eine VO einer gültigen Rechtsgrundlage bedarf, muß das er- 19 mächtigende Gesetz zum Zeitpunkt der Verkündung der RechtsVO bereits in Kraft getreten sein.37 Jedoch kann eine RechtsVO bereits vor Inkrafttreten der Ermächtigungsnorm beschlossen und datiert sein. Wenn die RechtsVO nach dem Inkrafttreten der Ermächtigungsnorm verkündet wird, tritt sie mit der Verkündung in Kraft. 3 8
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Vgl Art 47 I 2 VvB aF. Die Möglichkeit des AvB zur Abänderung oder Aufhebung von RechtsVO des SVB war einzigartig in der deutschen Verfassungslandschaft. 33 Dort konnten gem Art 13 VVGB Verordnungen verbindlich nur erlassen werden, wenn StVV und MvB dies übereinstimmend beschlossen hatten. 34 Einzelbegründung Art 47, Nr 1.3, AvBDrs. 12/3350 S 8; vgl auch o Rn 1. « Zivier Fn 12 zu Rn 55.1. 36 Vgl für die Zustimmung des BT: Maunz in M D H S Art 80 Rn 60; BVerfGE 24, 184, 199; Wilke AöR 98 (1973), 196, 227 mwN. 37 Vgl BVerfGE 3, 260; ZBR 1972, 248. 3 « Maunz in M D H S Art 80 Rn 26; BVerfGE 3, 255, 259 f; vgl auch ZBR 1972, 248.
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Dagegen wird eine RechtsVO, die ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen wurde, nicht dadurch geheilt, daß später eine gesetzliche Ermächtigung zu ihrem Erlaß erteilt wird; die RechtsVO muß in diesem Fall erneut verkündet werden.39 Nach verschiedenen Entscheidungen des BVerfG soll das nachträgliche Erlöschen der Ermächtigungsnorm die Weitergeltung der RechtsVO nicht berühren. 40 Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen größtenteils auf den Wegfall vorkonstitutioneller Ermächtigungen. Hierfür ist die Auffassung vielleicht vertretbar. Für nachkonstitutionelle Gesetze muß etwas anderes gelten. Der heutige Verordnungsgeber ist in das vorgegebene Programm des Ermächtigungsgesetzes, das auf bundesrechtlicher Ebene den Vorgaben des Art 80 I 2 GG genügen muß, eingebunden, so daß er nur noch in einem verhältnismäßig engen Rahmen wirken kann. Die Ermächtigungsgesetze geben den Rahmen vor, so daß den Verordnungen nur noch die ausgesparten Lücken bleiben. Insofern bilden die Ermächtigungsgesetze und RechtsVO eine funktionale Einheit, die dazu führt, daß die einen ohne die anderen nicht legitim wären und demzufolge die RechtsVO das rechtliche Schicksal des Ermächtigungsgesetzes teilt.41 20 RechtsVO sind grundsätzlich von der erlassenden Stelle auszufertigen. So ist für die Ausfertigung und Verkündung von RechtsVO, die der SvB erlassen hat, der Regierende Bgm und bei Hausverordnungen das erlassene Senatsmitglied zuständig.42 Für Verordnungen der einzelnen Senatoren und des SvB bestätigt dies § 3 II GOSvB. Die Verkündung aller Verordnungen hat im GVB1 zu erfolgen, § 1 VküG. § 4 V 3 AGBauGB und § 10 V 3 NatSchGBln bleiben unberührt (§ 1 a S 2 VküG). 21 Unstrittig kann der Gesetzgeber RechtsVO außer Kraft setzen oder auch ihre Weitergeltung anordnen. Dies bedarf aber der Gesetzgebungsform, so daß schon in förmlicher Hinsicht nunmehr Gesetzesrecht entsteht, soweit das Gesetz nicht einen anderen Rang festlegt.43 Für Verordnungen zur Gefahrenabwehr („Polizeiverordnungen")
Maunz in M D H S Art 80 Rn 26. « Vgl BVerfGE 9, 3, 12; 12, 341, 347; 14, 245, 249; Maunz in M D H S Art 80 Rn 24. 41 So auch Ossenbühl in: HbStR § 64 Rn 71; Wilke AöR 98 (1973) 196, 235. Vgl für die Gegenmeinung: Maunz in M D H S Art 80 Rn 24 (der sich allerdings auf diejenigen Entscheidungen des BVerfG bezieht, die ν Wegfall vorkonstitutioneller Ermächtigungsgrundlagen handeln). 42 Zivier Rn 55.1. « Vgl unten Rn 29.
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nach § 33 ASOG Bin ist allerdings zu beachten, daß diese gem. § 36 ASOG Bin spätestens 10 Jahre nach Erlaß automatisch außer Kraft treten. Eine Verlängerung kann nur durch Neuerlaß der VO entstehen; eine bloße Neuveröffentlichung genügt nicht. Die Abänderung einer RechtsVO tritt erst mit ihrer Verkündung 22 bzw mit Verkündung der abgeänderten Fassung der VO in Kraft. Da das AvB den Verordnungsgeber ursprünglich zum wirksamen Verordnungserlaß ermächtigt hat, bleibt die vom Verordnungsgeber erlassene Norm in der ursprünglichen Form bis zu einer Abänderung wirksam. Fraglich ist, wie solche Verordnungen anzusehen sind, die ent- 2 3 weder durch formelles Gesetz ganz oder teilweise geändert worden sind oder die selbst ändernd in formelle Gesetze eingreifen. Grundsätzlich ist nach dem Wortlaut von Art 80 I 2 G G davon auszugehen, daß der Verfassungsgeber weitere Einwirkungsrechte des Gesetzgebers neben der Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß von RechtsVO - nicht vorgesehen hat. 44 Dennoch sind sonstige Einwirkungen in der Staatspraxis nicht unüblich. Das Parlament gibt dem Verordnungsgeber das Rechtssetzungs- 2 4 Programm vor (Art 80 I 2 GG). Der Verordnungsgeber kann in bestimmten Fällen zur Rechtssetzung gezwungen werden. Solche Regelungen lassen sich aus dem Verhältnis der funktionalen Zweckeinheit zwischen RechtsVO und ermächtigendem Gesetz rechtfertigen. Der Verordnungsgeber kann verpflichtet werden, dem einheitlichen Ziel beider Rechtssetzungsakte, das der Gesetzgeber vorgibt, zu folgen, wenn anderenfalls das Ziel, das der parlamentarische Gesetzgeber mit seinem Rechtssetzungsakt erreichen wollte, nicht erreicht werden könnte. 45 Das Parlament kann auch die Regelung der Materie selbst übernehmen und eine RechtsVO durch ein Gesetz ersetzen 46 oder durch bloße Bezugnahme auf ihren Inhalt in Gesetzesrang erheben. 47 Auch ist seit dem Preisgesetz-Urteil des BVerfG unstrittig, daß sich das Parlament unter bestimmten Voraussetzungen für konkrete Normsetzungsakte des Verordnungsgebers Zustimmungs- und Aufhebungsrechte vorbehalten kann. 48 Eine solche „Zustimmungsermächtigung" sei jedenfalls für solche Sachbereiche mit dem G G vereinbar, für die ein legitimes Interesse der Legislative anerkannt werden
« Vgl Upa AöR 105 (1980) S 337, 346 ff. « Lepa AöR 105 (1980) S 337, 348. Lepa AöR 105 (1980) S 337, 351. 47 BVerfGE 22, 330, 346. 48 BVerfGE 8, 274, 321.
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müsse, zwar einerseits die Rechtssetzung auf die Exekutive zu deligieren, sich aber andererseits - wegen der Bedeutung der zu treffenden Regelung - entscheidenden Einfluß auf Erlaß und Inhalt der VO vorzubehalten. 49 Nach der allgemeinen Anerkennung der Wesentlichkeitstheorie ist diese Argumentation heute nicht mehr anzugreifen. Gerade in den Gebieten, bei denen die Wesentlichkeitstheorie an ihre Grenzen stößt, 50 ist es notwendig, der Exekutive den nötigen Handlungsspielraum zu belassen. Die Mitwirkung der Legislativen kann dann im Rahmen der Zustimmung zur RechtsVO erfolgen. Für die Frage, wann ein besonderes Interesse des Gesetzgebers hinsichtlich der Bedeutung des Regelungsgegenstandes anzunehmen ist, kann eine allgemeingültige Antwort nicht gegeben werden; es wird ihm jedoch ein erheblicher Beurteilungsspielraum zugebilligt werden müssen. 51 Anerkannt ist ein legitimes Interesse des Parlaments zur Sicherung einer Eingriffsmöglichkeit auf den Verordnungsgeber im Bereich des Zoll-, Zolltarif- und des Preiswesens. 52 Dies hat zur Folge, daß die Exekutive bei solchen Verordnungsermächtigungen die jeweilige RechtsVO im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe nicht mehr selbst ändern kann und insofern ihrer eingeräumten Rechtssetzungsbefugnis, zu der zwingend auch ein gewisser Beurteilungsspielraum gehört, verlustig geht. 25 Fraglich bleibt, ob auch eine punktuelle Korrektur von RechtsVO durch das Parlament möglich ist. Nimmt man dies an, dann ständen sich innerhalb eines Normwerkes Rechtsnormen von verschiedenem Rang gegenüber, die RechtsVO hätte Gesetzesrang, soweit sie der Gesetzgeber korrigiert hat. Teilweise wird hierin ein Verstoß gegen die Rechtssicherheit und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip gesehen, weil nicht mehr ohne weiteres ersichtlich sei, um welche Qualität von Normen es sich im Einzelfall handele. 53 26 Eine Gegenmeinung geht davon aus, daß gegen eine solche Regelung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken beständen. 54 Bei einer punktuellen Änderung sei die Rechtslage eindeutig, der Rang der einzelnen Rechtsvorschriften lasse sich aus den Verkündungsblättern entnehmen. Der Normadressat könne auch nicht ver-
« BVerfGE aaO. 50 ZB überall dort, wo aufgrund ständig wechselnder Voraussetzungen ein schnelles Reagieren gefordert ist und eine Regelung durch Parlamentsgesetz die Handlungsfähigkeit lähmen würde, si Lepa AöR 105 (1980) S 337, 350. 52
BVerfGE 8,274, 321.
« Sinn SöR 151 (1971) S 36. 54 Lepa KöR 105 (1980) S 337, 351.
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unsichert werden, da er durch eine Änderung des Verordnungsgebers genauso stark gebunden sei, wie durch eine Änderung des Gesetzgebers. Der Verordnungsgeber hingegen, für den eine gesetzliche Änderung allein bedeutsam sei, weil ihm in den entsprechenden Bereichen seine Normsetzungsbefugnis entzogen worden sei, müsse die Rechtslage, die sich aus dem BGBl ergebe, bei späteren Novellierungen kennen, wovon auszugehen sei. Fälle, in denen sich die Notwendigkeit ergebe, daß eine vom Parlament partiell geänderte Vorschrift in den betreffenden Punkten wiederum geändert werden müsse, was dann durch das Parlament geschehen müßte, seien eher selten. 55 Wenn eine umfassende Novellierung der RechtsVO erforderlich sei, werde sich der partiell geänderte Teil ohnehin als obsolet erweisen. Folglich entständen bei einer partiellen Änderung einer RechtsVO durch den Gesetzgeber weniger verfassungsrechtliche, als vielmehr Probleme der Rechtssetzungspraktikabilität. 56 Nicht von der Hand zu weisen ist der Einwand, daß die Existenz 2 7 von Rechtsnormen unterschiedlichen Ranges innerhalb eines Normwerkes zu Problemen bei der Änderung oder Aufhebung der RechtsVO führt, weil immer überprüft werden müsse, welchen Rechtscharakter die jeweilige Norm hat (ggf führt dies auch innerhalb einer Norm zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn zB nur ein Absatz geändert worden ist). Es ist also jeweils eine gründliche Recherche der „Geschichte" der zu ändernden RechtsVO nötig. Dies mag vielleicht schwierig sein, unmöglich ist es hingegen nicht. Ist also eine Differenzierung des Rechtscharakters der einzelnen Normen möglich und wird danach verfahren, so können verfassungsrechtliche Bedenken nicht entstehen. Eine Verletzung der Rechtssicherheit wird auch nicht anzunehmen sein, da für den Normadressaten beide Regelungen (RechtsVO oder Gesetz) verbindlich sind. Insofern ist der zweiten Meinung zuzustimmen. Auch die Tatsache, daß der Gesetzgeber jederzeit eine RechtsVO durch Gesetz ersetzen kann, spricht für die Zulässigkeit einer nur partiellen Änderung „von oben". Diese stellt im Vergleich zur Ersetzung bloß ein Weniger da, das im Rahmen der erläuterten Voraussetzungen zulässig sein muß. Probleme können sich bei solchen Mischformen jedoch im Verfah- 2 8 ren nach Art 100 I GG ergeben. So wie es einerseits nicht unschlüssig ist, die dargestellte Abgrenzung durch intensives Suchen auch zu finden, so ist es umgekehrt schwer voraussehbar, wie sich zB letztlich das BVerfG nach Art 100 Abs 1 G G verhält. Eine Verwerfungskom-
55 Lepa AöR 105 (1980) S 337, 352. 56 Lepa aaO.
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petenz steht dem BVerfG nur für nachkonstitutionelle formelle Gesetze zu. RechtsVO sind gerade nicht erfaßt. 57 Insofern ergibt sich eine ähnliche Problematik wie bei der Unterscheidung zwischen vorkonstitutionellen 58 und nachkonstitutionellen Gesetzen. Bei der Problematik einer bloßen partiellen Nachkonstitutionalität sieht Maunz die Grenze der Vorlagefähigkeit in dem durch den Gesetzgeber publizierten neuen Gesetzesbefehl. 59 Nur für die Teile eines vorkonstitutionellen Gesetzes, die von dem ÄndG erfaßt werden, ist der Wille des Gesetzgebers zur Bestätigung und Überführung in den nachkonstitutionellen Bereich erkennbar. Insofern könne es auch eine partielle Vorlagefähigkeit geben. Entsprechendes gilt allerdings nicht für RechtsVO, die teilweise durch änderndes Gesetz in Gesetzesrang erhoben worden sind. 60 29 Um unnötige Verwirrung und Recherchearbeit zu vermeiden ist allerdings wünschenswert, daß der Gesetzgeber einen einheitlichen Verordnungsrang für solche RechtsVO vorschreibt, die teilweise durch Gesetz geändert worden sind. Dies ist zB in § 6 des 1. Gesetzes zur Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts vom 28.9.1990 oder auch für die Börsenzulassungsverordnung durch Art 13 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998 61 geschehen. 30 Unter gesetzesändernden RechtsVO versteht man solche, die der Exekutive die Befugnis geben, den Wortlaut formeller Gesetze zu ändern oder vom Gesetz abweichende Neuregelungen zu erlassen. 62 Ihre Zulässigkeit ist strittig. Teilweise wird mit Hinblick auf die gegenüber förmlichen Gesetzen prinzipiell geringere Geltungskraft angenommen, daß Verordnungen die Bestimmungen bestehender förmlicher Gesetze nicht abändern könnten. 63 Diese Auffassung scheint durch Art 129 Abs 3 G G bestätigt zu werden, wonach vorkonstitutionelle Rechtsvorschriften, die zu ihrer (eigenen) Änderung oder Ergänzung ermächtigen, erloschen
57
Maunz in M D H S Art 100 Rn 7; BVerfGE 1, 184, 201; 48, 40, 45. Diese können ebenfalls nicht im Verfahren nach Art 100 G G ν BVerfG nachgeprüft werden, hier hat vielmehr jeder einzelne Richter Verwerfungskompetenz, vgl Maunz in M D H S Art 100 Rn 12. 59 Maunz in M D H S Art 100 Rn 17. 60 Vgl dazu unten Art 84 Rn 94. ¿i BGBl I S 786, 794. « Ossenbühl in HbStR, § 64 Rn 22. 63 Bettermann, M D R 1952, 1, 4; Maunz in M D H S Art 80 Rn 8 geht ν einer Beschränkung auf Ausnahmefalle aus, die verfassungsrechtlich oder gesetzlich bes zugelassen sein müssen. 58
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sind. Sie wird indes überwiegend abgelehnt. Wenn eine formalgesetzliche Ermächtigungsgrundlage den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, den Wortlaut formeller Gesetze zu ändern, dann wird durch den Gesetzgeber selbst zum Ausdruck gebracht, daß seine Regelung nur grundsätzlich gelten soll. Das Gesetz ist unter Verordnungsvorbehalt erlassen worden; wird dieser realisiert, dann handelt es sich nicht wirklich um eine Änderung, sondern es wird das Gesetz sachgerecht angewendet, indem von einer bestehenden Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht wird 64 . Auch wenn eine Abänderung formeller Gesetze durch RechtsVO bei entsprechendem Inhalt und Umfang der Ermächtigungsgrundlage zulässig ist, darf sich der parlamentarische Gesetzgeber der ihm vorbehaltenen Gesetzgebungsaufgabe jedoch nicht in der Weise entäußern, daß er durch Gesetz selbständige Rechtssetzungsbefugnisse auf die Exekutive überträgt. 65 Die Begriffe „gesetzesvertretende" und „gesetzesergänzende" 31 RechtsVO sind irreführend. Sie stammen aus der Weimarer Zeit und finden nur noch in Art 129 III G G Erwähnung. Die Frage ihrer Zulässigkeit hat sich durch die Regelung in Art 80 I 2 G G für nachkonstitutionelle Verordnungsermächtigungen erledigt: Eine RechtsVO, die sich auf eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage stützt, mag man als gesetzesvertretend oder gesetzesergänzend bezeichnen; rechtliche Folgen entstehen hieraus nicht mehr. 66 Art 64 Abs 2 VvB ist durch Gesetz vom 6.7.1994 67 eingefügt wor- 3 2 den und führt zu einer seltsamen und in der deutschen Verfassungslandschaft einzigartigen 68 Situation. Den Berliner Bezirken, die nach dem Grundsatz der Einheitsgemeinde kein bezirkliches Selbstverwaltungsrecht iSd Art 28 II G G besitzen, 69 sondern nur Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne eigene Rechtspersönlichkeit (§2 1 BzVG) sind, fehlte bislang das den Gebietskörperschaften eigene Recht der Normschaffung. Durch die Einfügung des Abs 2 können jetzt die Bezirke durch Gesetz ermächtigt werden, Bebauungs- und Landschaftspläne sowie andere bauliche Akte, die nach Bundesrecht durch Satzung zu regeln sind, und naturschutzrechtliche Verände-
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Ossenbühl in HbStR III § 64 Rn 22; Ramsauer in A K - G G Art 80 Rn 41. Badura Staatsrecht Abschn F Rn 16. 66 Ramsauer in A K - G G Art 80 Rn 41 a.