Verfassung von Berlin: Kommentar [Reprint 2019 ed.] 9783111397641, 9783110069327


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German Pages 392 [396] Year 1978

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Table of contents :
Die Autoren
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verfassungen
Vorspruch
Abschnitt I: Die Grundlagen
Abschnitt II: Die Grundrechte
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Abschnitt IV: Die Regierung
Abschnitt V: Die Gesetzgebung
Abschnitt VI: Die Verwaltung
Abschnitt VII: Die Rechtspflege
Abschnitt VIII: Das Finanzwesen
Abschnitt IX: Übergangs- und Schlußbestimmungen
Sachregister
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Verfassung von Berlin: Kommentar [Reprint 2019 ed.]
 9783111397641, 9783110069327

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Pfennig/Neumann Verfassung von Berlin

Sammlung Guttentag

Verfassung von Berlin Kommentar herausgegeben von

Gero Pfennig und Manfred J. Neumann bearbeitet von

Wolfgang Härth Gisela von Lampe Rolf-Peter Magen Manfred J. Neumann Gero Pfennig Gerhard Pfennig Eggert Schwan

W G DE

1978 Walter de Gruyter • Berlin • New York

Zitiervorschlag z. B. von Lampe in P f e n n i g / N e u m a n n , V v B , Art. 1, Rdn. 1

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Verfassung von Berlin: Kommentar/hrsg. von Gero Pfennig u. Manfred J. Neumann. Bearb. von Wolfgang H a r t h . . . - 1 . Aufl. - Berlin, New York: de Gruyter, 1978. (Sammlung Guttentag) ISBN 3-11-006932-6 NE: Pfennig, Gero [Hrsg.]; Harth, Wolfgang [Bearb.]

© Copyright 1977 by Waller de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung. J. Guttentag. Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., 1 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Druck: E. Kieser KG, Augsburg Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe G m b H , Berlin 61

Die Autoren Wollgang Harth Senatsrat, Leiter des wissenschaftlichen Dienstes und stellvertretender Direktor beim Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin. (Art. 28 bis 3 9 , 4 5 , 46, 88)

Gisela von Lampe Universitätsrätin an der Freien Universität Berlin, vormals wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverwaltungsgericht. (Art. 1, 87, jeweils zusammen mit Gero Pfennig)

Rolf-Peter Magen Senatsrat beim Senator für Inneres, dort Referatsleiter für Wahlrecht und stellvertretender Leiter der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht; Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege. (Art. 2 - zusammen mit Gero Pfennig - , 25 bis 27, 54, 55 - zusammen mit Neumann)

Manfred J. Neumann Wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin; Rechtsanwalt. (Art. 4, 5, 40 bis 44, 47, 49, 50 bis 53, 55 - zusammen mit Magen - , 56 bis 61)

Dr. Gero Pfennig Assistenzprofessor an der Freien Universität Berlin, Rechtsanwalt; Mitglied des 8. Deutschen Bundestages. (Vorspruch, Art. 1 - zusammen mit v. Lampe 2 - zusammen mit Magen - , 3, 48, 62 bis 72, 84 bis 86, 87 - zusammen mit v. Lampe - , 87 a, 89) V

Dr. Gerhard Pfennig Vormals Direktor beim Landesrechnungshof Berlin; Polizei-Vizepräsident in Berlin; Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege. (Art. 73 bis 83)

Dr. Eggert Schwan Privatdozent, Professor an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege. (Art. 6 bis 24)

VI

Vorwort Die Spaltung Berlins, der nach wie vor vorhandene besatzungrechtliche Status, aber auch die Wandlung des Ansehens von der alten Reichshauptstadt zur „normalen" Großstadt Berlin (West), der die „Hauptstadt der D D R " Berlin (Ost) gegenübersteht, und nicht zuletzt die räumliche Entfernung des Westteils vom übrigen Bundesgebiet haben vielfach vergessen lassen, daß sich die deutsche Gebietskörperschaft Berlin am 1. September 1950 eine von dem Willen aller damaligen deutschen Parteien, die von den Alliierten nach dem Kriege zugelassen und von der Bevölkerung Berlins in seine Volksvertretung frei gewählt worden waren, nämlich von SPD, C D U , L D P und S E D getragene Verfassung gegeben hat. Die tatsächlichen politischen Konstellationen und Machtverhältnisse haben es jedoch mit sich gebracht, daß die Anwendung dieser Berliner Verfassung trotz ihres Gesamt-Berliner Anspruchs auf den Westteil beschränkt ist. Hier hat sich auf der Grundlage dieser Verfassung, die Berlin als Teil der Bundesrepublik Deutschland ausweist und von diesem deutschen Staat durch dessen Verfassung ebenso behandelt wird, ein demokratisches, soziales und freiheitliches Gemeinwesen entwickelt. West-Berlin ist allerdings trotz seines in der Verfassung geäußerten Willens kein „normaler" Teil der Bundesrepublik Deutschland geworden, ebensowenig wie Ost-Berlin ein „normaler" Teil der Deutschen Demokratischen Republik geworden ist. Dies haben die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges verhindert, als sie jeweils den von ihnen besetzten Teil Deutschlands 1955 in die souveräne Staatlichkeit entließen. Sie haben dabei zwar zugelassen, daß jeder Teilstaat Deutschlands mehr oder minder seine Staatsgewalt auch auf den gleichzeitig von ihnen besetzten Teil Berlins ausdehnen konnte, aber zugleich vertraglich festgehalten, daß ihre Besatzungsrechte in ganz Berlin fortbestehen. Der Kommentar befaßt sich mit der faktisch nur für den Westteil geltenden Verfassung von Berlin. E r will deutlich machen, wie dieser Teil unter dieser Verfassung in das Rechts-, Finanz- und politische System der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert ist, gleichzeitig aber wie jedes Bundesland seine Besonderheiten aufweist. Neben den Statusfragen ist ein breiter Raum den Grundrechten gewidmet. Erstmalig und exemplarisch für alle Länderverfassungen wird die besondere Bedeutung von Landesgrundrechten neben den Grundrechten des Grundgesetzes aufgezeigt. VII

Vorwort Ausführlich kommentiert ist ferner das Wahl- und Parlamentswesen Berlins mit der sonst nur noch in Hamburg vorhandenen Besonderheit der Mitgestaltung der Bürger in Bezirksvertretungen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Darstellung der Verwaltung Berlins, das zugleich Aufgaben eines Landes und einer Gemeinde wahrzunehmen hat. Hier werden die sich - vergleichbar nur noch mit Hamburg - aus der Doppelstufigkeit der Verwaltung als Landes- und Bezirksverwaltung ergebenden Probleme wie Personal- und Planungshoheit sowie Kontrolle der Verwaltung umfassend behandelt. Auch das Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung, darüber hinaus Besonderheiten bei der bundeseigenen Verwaltung in Berlin sind dargestellt. Die Kommentierung des Rechtspflegewesens geht vor allem auf die Konsequenzen ein, die sich aus dem Fehlen einer eigenen Verfassungsgerichtsbarkeit und der - umstrittenen - Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Berlin ergeben. Schließlich wird anhand der Finanzverfassung die Einbeziehung Berlins in das Finanz- und Haushaltswesen des Bundes verdeutlicht sowie die Struktur der wirtschaftenden Verwaltung und ihre Kontrolle dargestellt. Der Kommentar gibt insgesamt erstmalig eine zusammenhängende neuzeitliche Darstellung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Berliner Gemeinwesens. Er schließt damit eine Lücke, die durch den. Lauf der Zeit trotz der verdienstvollen Kommentierung der VvB durch Landsberg und Goetz im Jahre 1950 (und einiger Abhandlungen zu Einzelproblemen der VvB) entstanden ist,nicht zuletzt aber auch durch den Umstand, daß es mangels Verfassungsgerichtsbarkeit keine gesicherte Rechtsprechung zu den meisten Fragen gibt. Dies hat offenbar — zur eigenen Überraschung der Autoren — in manchen Bereichen von Legislative, Exekutive und Judikative die Praxis hin und wieder die VvB einfach ignorieren lassen. Die Autoren sind Berliner Juristen aus Wissenschaft und Praxis, die an der Freien Universität, an Fachhochschulen, leitend in Senatsverwaltungen oder als Rechtsanwälte tätig sind. Alle Autoren haben in eigener Verantwortung, wenn auch in Absprache mit den Herausgebern ihre Kommentierung verfaßt. Sie alle haben sich um eine Darstellung bemüht, die in Praxis, Politik, Unterricht und Studium sinnvolle Verwendung finden kann. Besonderen Dank schulden wir dem Verlag, dem das Verdienst zukommt, der interessierten Öffentlichkeit endlich wieder eine Kommentierung der Berliner Verfassung zugänglich zu machen. Berlin, im November 1977 Gero Pfennig Manfred J. Neumann VIII

Inhaltsverzeichnis Seite Abkürzungsverzeichnis Vorspruch (Pfennig)

XIII 1

Abschnitt I: Die Grundlagen Art. Art. Art. Art. Art.

1 2 3 4 5

Status Berlins (von Lampe!Pfennig) Bevölkerung Berlins (Magen/Pfennig) Staatsfunktionen (Pfennig) Gebiet Berlins (Neumann) Flagge (Neumann)

3 50 51 54 56

Abschnitt II: Die Grundrechte Vorbemerkungen (Schwan) Art. 6 Gleichberechtigung (Schwan) Art. 7 Staatsbürgerliche Rechte (Schwan) Art. 8 Meinungsfreiheit Art. 9 Freiheit der Person (Schwan) Art. 10 Postgeheimnis (Schwan) Art. 11 Freizügigkeit (Schwan) Art. 12 Recht auf Arbeit (Schwan) Art. 13 Zugang zu öffentlichen Ämtern (Schwan) Art. 14 Soziale Hilfe (Schwan) Art. 15 Eigentum (Schwan) Art. 16 Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Schwan) Art. 17 Mitbestimmung (Schan) Art. 18 Versammlungsfreiheit (Schwan) Art. 19 Recht auf Wohnraum (Schwan) Art. 20 Religionsausübung (Schwan) Art. 21 Völkerfrieden, Kriegsdienstverweigerung (Schwan) .. .

59 90 97 99 102 105 108 112 114 117 117 120 120 122 126 132 133 IX

Inhaltsverzeichnis

Art. 22 Art. 23 Art. 24

Gesetzliche Feiertage (Schwan) Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan) Grundrechtsmißbrauch (Schwan)

134 135 140

Abschnitt III: Die Volksvertretung Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Abgeordnetenhaus (Magen) Wahlrecht (Magen) Parteien (Magen) Zusammentritt des Abgeordnetenhauses (Härth) Geschäftsordnung (Härth) Präsidium, Öffentlichkeit (Härth) Abstimmung (Härth) Ausschüsse (Härth) Untersuchungsausschuß (Härth) Herbeirufung des Senates (Härth) Immunität u. a. (Härth) Berichterstattung (Härth) Präsident des Abgeordnetenhauses (Härth) Aufwandsentschädigung (Härth) Auflösung des Abgeordnetenhauses (Härth)

.,

142 144 153 156 158 160 162 165 170 174 177 182 183 187 188

Abschnitt IV: Die Regierung Art. Art. Art. Art. Art.

40 41 42 43 44

Senat (Neumann) Wahl des Senates (Neumann) Mißtrauen (Neumann) Regierungsfunktionen (Neumann) Hauptverwaltung (Neumann)

193 200 206 209 215

Abschnitt V: Die Gesetzgebung Art. 45 Art. 46 Art. 47 Art. 48 Art. 49

Gesetze, Eingriffsvorbehalt (Härth) Gesetzeserlaß (Härth) Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Neumann) Altes Recht (Pfennig) ist aufgehoben (Neumann)

218 221 223 229 231

Abschnitt VI: Die Verwaltung Art. 5 0 , 5 1 Grundsätze (Neumann) Art. 52 Rat der Bürgermeister (Neumann) X

233 251

Inhaltsverzeichnis

Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

53 54 55 56 57 58 59 60 61

Bezirksorgane (Neumann) Wahl der Bezirksverordnetenversammlung (Magen) . . Wahlperiode (Magen/Neumann) Zuständigkeit der B W (Neumann) Ausschüsse der B W (Neumann) Bezirksamt (Neumann) Organisation der Bezirksverwaltung (Neumann) Abberufung des Bezirksamtes (Neumann) Personalkompetenz (Neumann)

253 254 257 258 263 266 271 272 275

Abschnitt VII: Die Rechtspflege Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Grundsätze (Pfennig) Richterliche Gewalt (Pfennig) Gesetzesbindung (Pfennig) Verteidigungsrecht, Unschuldsvermutung (Pfennig) .. . Rückwirkungsverbot (Pfennig) Gesetzlicher Richter (Pfennig) Begnadigung (Pfennig) Richterernennung (Pfennig) Richterdisziplinargericht (Pfennig) Verwaltungsgerichtsbarkeit (Pfennig) Verfassungsgerichtshof (Pfennig)

281 282 286 289 290 291 291 293 298 299 302

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen Vorbemerkung (Gerhard Pfennig) Art. 73 Haushaltsplan (Gerhard Pfennig) Art. 74 Haushaltsgrundsätze (Gerhard Pfennig) Art. 75 Staatseinnahmen (Gerhard Pfennig) Art. 76 Haushaltsüberschreitungen (Gerhard Pfennig) Art. 77 Notermächtigung (Gerhard Pfennig) Art. 78 Außerordentlicher Haushalt (Gerhard Pfennig) Art. 79 Haftung (Gerhard Pfennig) Art. 80 Eigenbetriebe (Gerhard Pfennig) Art. 81 Umwandlung von Eigenbetrieben (Gerhard Pfennig) . . Art. 82 Rechnungslegung (Gerhard Pfennig) Art. 83 Haushaltskontrolle, Rechnungshof (Gerhard Pfennig) .

304 309 313 315 318 320 322 323 325 327 328 330

Abschnitt IX: Übergangs- und Schlußbestimmungen Art. 84 Art. 85

Überleitung (Pfennig) Alte Rechtsvorschriften (Pfennig)

335 335 XI

Inhaltsverzeichnis

Art. 86

Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus (Pfennig) Art. 87 Grundgesetz und Berliner Verfassung (Pfennig/von Lampe) Art. 87a Verfassungsgerichtshof (Pfennig) Art. 88 Verfassungsänderung (Hürth) Art. 89 Inkrafttreten (Pfennig)

336 336 337 338

Sachregister

339

XII

336

Abkürzungsverzeichnis a. A. aaO ABl. abl. Abs. Abschn. abw. Achterberg, Norbert ADAC Änd. ÄndG ÄndGGG ÄndGVvB a. E. a. F. AG AGBBauG AGFGO AGJWG

AG KonzG AG KonzVO

AGSGG

AGVwGO

anderer Ansicht am angegebenen Orte Amtsblatt ablehnend Absatz Abschnitt abweichend Zur Freiheit des Mandats, Berlin 1975 Allgemeiner Deutscher Automobilclub Änderung Änderungsgesetz Änderungsgesetz zum Grundgesetz Änderungsgesetz zur Verfassung von Berlin am Ende alte Fassung Amtsgericht Gesetz zur Ausführung des Bundesbaugesetzes vom 21.10.1960 (GVB1. S. 1080) Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.1965 (GVB1. S. 1979) Gesetz zur Ausführung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und zur Regelung der öffentlichen Jugend- und Familienhilfe vom 11. Dez. 1972, i. d. F. vom 18. Sept. 1972 (GVB1. S. 1919) Gesetz über die Zusammenlegung der Amtsgerichte Lichterfelde, Schöneberg und Zehlendorf vom 13. 7. 1973 (GVB1. S. 1015) 1. Verordnung über die Konzentration amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom 14.12.1972 (GVB1. S.2303) m. 1. Änd. vom 14. 7. 1975 (GVB1. S. 1735); 2. Verordnung über . . . vom 4. 12. 1972 (GVBI. S. 2301) m. 1. Änd. vom 23.11.1976 (GVBI. S. 2609) Ausführungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz vom 22. 12. 1953 (GVBI. S. 1521) i. d. F. vom 7. 12. 1971 (GVBI. S. 2097) Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22. 3. 1960 (GVBI. S. 269) m. 1. Änd. vom 8.12.1976 (GVBI. S. 2735) XIII

Abkürzungsverzeichnis AKB AKR allg. allg. M. Alt. Amateurfunk G a. M. Andriof, Udo and. Anl. Anm. Anschütz, Gerhard

AöR ArbG arg. Arndt, Klaus Friedrich

Art. ASOG AuslG AV AvB AvBEG

AZG

b. BAG BannG BAnz. Barschel, Uwe/ Gebel, Volkram BAT Bay., bay. XIV

Alliierte Kommandantur Berlin Alliierter Kontrollrat allgemein, allgemeine allgemeine Meinung Alternative Gesetz über den Amateurfunk vom 14. März 1949 (BGBl. III 9022-1) anderer Meinung Rechtfertigung und praktische Bindung der Immunität der Abgeordneten, Diss. Freiburg 1969 anders Anlage Anmerkung Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919, Kommentar, 14. Aufl., Berlin 1933 - Bad Homburg 1965 Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgericht Argument Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht in Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 3 Artikel Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheitsund Ordnungsgesetz) vom 11. 2.1975 (GVB1. S. 688) Ausländergesetz vom 28. 4. 1965 (BGBl. I S. 353) m. 1. Änd. vom 25.6.1975 (BGBl. IS. 1542) Ausführungsverordnung Abgeordnetenhaus von Berlin Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 10. 8. 1951 i. d. F. vom 6.3.1975 (GVB1. S. 954) Gesetz über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz) vom 2. 10. 1958 (GVB1. S. 947) m. 1. Änd. durch Gesetz vom 8.12.1976 (GVB1. S. 2735) bei Bundesarbeitsgericht Bannmeilengesetz vom 6. 8. 1975 (BGBl. I S. 504) m. 1. Änd. vom 28. 5.1969 (BGBl. IS. 449) Bundesanzeiger Landessatzung für Schleswig-Holstein, Kommentar, Neumünster 1976 Bundesangestelltentarifvertrag Bayern, bayrisch

Abkürzungsverzeichnis BayObLG BayUntAG BayVBl. BayVfGH BayVfGHE BayVfGH-Festschrift BB BBkG

Bd. BDO Behala BeiträgeG ber. BEW BEWAG betr. Bettermann, August/ Neumann, Franz/ Nipperdey, Hans Carl/ Scheuner, Ulrich BfA BPH BFStrG BFStrVermG

BGB BGBl. BGH BGHZ Bgm. BHO BK BK/O BK/L

Bayrisches Oberstes Landesgericht Gesetz über die Untersuchungsausschüsse vom 23. 3. 1970 (GVB1. S. 95, ber. S. 128) Bayerisches Verwaltungsblatt Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungssammlung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes s. u. Festschrift Der Betriebsberater Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26. 7. 1957 (BGBl. I S. 745) m. 1. Änd. vom 23. 5. 1975 (BGBl. I S. 1173) Band Bundesdisziplinarordnung i. d. F. vom 20. 7. 1967 (BGBl. I S. 984) m. 1. Änd. vom 24. 8. 1976 (BGBl. I S. 2486) Berliner Hafen- und Lagergesellschaft Beiträgegesetz vom 24.3.1934 (RGBl. IS. 235) berichtigt Berliner Entwässerungswerke Berliner Kraft- und Licht Aktiengesellschaft betrifft, betreffend Die Grundrechte Bd. 1 - 4 ; Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Berlin 1954-1972

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Bundesfernstraßengesetz in der Fassung vom 1. Oktober 1974 m. 1. Änd. vom 18. 8.1976 (BGBl. IS. 2221) Gesetz über die vermögensrechtl. Verhältnisse der Bundesautobahn und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 2. 3. 1951 (BGBl. I 157) m. 1. Änd. vom 30. 8. 71 (BGBl. IS. 1426) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bürgermeister Bundeshaushaltsordnung vom 19. 8. 1969 (BGBl. S. 1284) m. 1. Änd. vom 23.12.1971 (BGBl. IS. 2133) Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Loseblattsammlung, Hamburg 1950 Befehl der Alliierten Kommandantur Schreiben der Alliierten Kommandantur

XV

Abkürzungsverzeichnis BKC/L Bleckmann, Albert Bln., bin. BlnGebG

BlnRiG

BlnUntAG

BlnVGG

BlnVküG

BlnVwVerfG BlnWG BlnWPG BMinG

Bockelmann, Paul Böckenförde, Ernst-Wolfgang BPr. BR brDepG BReg. Breitfeld, Artur BRep. BRHG

BRiWG

XVI

Anordnung der Alliierten Kommandantur in schriftlicher Form Grundgesetz und Völkerrecht, Berlin 1975 Berlin, berliner, Land Berlin, Berlin (West) Berliner Gesetz über Gebühren und Beiträge vom 22. 5 . 1 9 5 7 (GVB1. S. 516) m. 1. Änd. vom 30.10. 1969 (GVB1. S. 2252) Berliner Richtergesetz vom 18. 1. 1963 (GVB1. S. 93) i. d. F. vom 27. 4. 1970 (GVB1. S. 642) m. 1. Änd. vom 7. 2 . 1 9 7 5 (GVB1. S. 664) bin. Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 22. 6. 1970 (GVB1. S. 925) m. 1. Änd. vom 26.11. 74 (GVB1. S. 2746) bin. Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 8. 1. 1951 (VOB1. I S. 46) i. d. F. vom 3. 12. 1956 (GVB1. S. 1143) und vom 19. 6 . 1 9 5 8 (GVB1. S. 549) bin. Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen vom 29. 1. 1953 (GVB1. S. 106) m. 1. Änd. vom 1 4 . 1 1 . 1 9 6 6 (GVB1. S. 1633) bin. Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8 . 1 2 . 1 9 7 6 (GVB1. S. 2735) bin. Wassergesetz vom 23. 2. 1960 (GVB1. S. 133) m. 1. Änd. vom 1 8 . 1 . 1 9 7 5 (GVB1. S. 634) bin. Wahlprüfungsgericht Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) vom 17. 6. 1953 (BGBl. I S . 407) i. d. F. vom 27. 7. 1971 (BGBl. I S. 116) m. 1. Änd. v o m 2 0 . 1 2 . 1 9 7 4 (BGBl. I S . 3716) Die Unverfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht, Göttingen 1951 Staat, Gesellschaft, Freiheit. - Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt/Main 1976 Bundespräsident Bundesrat Bremer Deputationsgesetz vom 20. 1. 1972 (GBl. 7) m. 1. Änd. vom 26. 3 . 1 9 7 1 (GBl. 159) Bundesregierung Die verfassungsrechtliche Stellung der Berliner Bezirke, Berlin 1953 Bundesrepublik Deutschland Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. 11. 1950 (BGBl. S. 765) m. 1. Änd. vom 2. 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S . 469) (Bundes-)Richterwahlgesetz vom 25. 8. 1956 (BGBl. S. 368) m. 1. Änd. vom 30. 7.1968 (BGBl. I S . 873)

Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz) vom 1. 7. 1957 (BGBl. IS. 667) i. d. F. vom 3.1.1977 (BGBl. S. 21) Bremer Staatsgerichtshof Bundessozialgericht Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz vom 18. 9. 1969 (BGBl. I S. 1688) i. d. F. vom 13. 2. 1976 (BGBl. I S. 289, ber. BGBl. IS. 1150) Berliner Stadtreinigung Bundessteuerblatt Bundestag Diätengesetz vom 3. 5. 68 (BGBl. I S. 334) m. 1. Änd. vom 18. 8.1976 (BGBl. IS. 2195) Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. 12. 1946 (Bay. BS I S. 3) m. 1. Änd. vom 15. 7. 1977 (GVB1. S. 389) Bezirksverordneter Bayerische Verwaltungsblätter Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes s. u. Festgabe Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. 3. 1951 (BGBl. I S. 243) i. d. F. vom 3. 2. 1971 (BGBl. I S. 105) m. 1. Änd. vom 24. 8.1976 (BGBl. IS. 2485) Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen, der Bürgerdeputierten und sonstiger ehrenamtlich tätiger Personen vom 5. 8. 1952 (GVB1. S. 652) i. d. F. vom 1. 3. 1963 (GVB1. S. 355) m. 1. Änd. vom 15. 6. 1972 (GVB1. S. 1042) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen, der Bürgerdeputierten und sonstiger ehrenamtlich tätiger Personen vom 26. 2. 1963 (GVB1. S. 301) i. d. F. vom 6.7.1973 (GVB1. S. 1021) m. 1. Änd. vom 22.10.1974 (GVB1. S. 2627) Bundesversammlung Berliner Verkehrsbetriebe Bezirksverordnetenversammlung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg, baden-württembergisch

XVII

Abkürzungsverzeichnis BWG BWO BWStGH BWStrG BWStrVermG BWUntAG BWVB1. BWW BzA BzAMG BzBgm. BzVG bzw. BzStR ca. CDU Czermak, Fritz DA DBF DB1. DDO DDR Denkschrift SvB ders. DGO d. h. Dietze Diss. Distr. General DJT DM Doc. XVIII

Bundeswahlgesetz vom 7. 5. 1956 (BGBl. I S. 383) i. d. F. vom 1.9.1975 (BGBl. IS. 2325) Bundeswahlordnung vom 16. 5. 1957 (BGBl. I S. 441, 532) i. d. F. vom 3. 9.1975 (BGBl. IS. 2384) Baden-Württembergischer Staatsgerichtshof Bundeswasserstraßengesetz vom 2. 4. 1968 (BGBl. II S. 173) m. 1. Änd. vom 20.12.1976 (BGBl. IS. 3574) Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21. 5.1951 (BGBl. IS. 352) Baden-Württembergisches Untersuchungsausschußgesetz vom 3.3. 76 (GBl. S. 194) Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Berliner Wasserwerke Bezirksamt Gesetz über die Rechtsstellung der Bezirksamtsmitglieder vom 12. 7. 1960 (GVB1. S. 652) m. 1. Änd. vom 12.6.1969 (GVB1. S. 639) Bezirksbürgermeister Bezirksverwaltungsgesetz vom 30. 1. 1958 (GVB1. S. 126) i. d. F. vom 5. 7. 1971 m. 1. Änd. vom 13. 12. 1974 (GVB1. S. 2810) beziehungsweise Bezirksstadtrat zirka Christlich Demokratische Union Die Stellung Berlins in der Rechts-, Gerichts- und Finanzordnung der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Bonn 1967 Deutschland-Archiv Dokumente zur Berlin-Frage Dienstblatt des Senats von Berlin Dienst- und Disziplinarordnung für die Angestellten und Arbeiter des Landes und der Stadt Berlin Deutsche Demokratische Republik Denkschrift des Senats von Berlin, DsAvB 2/1759 derselbe Deutsche Gemeindeordnung vom 30. 1. 1935 (RGBl. I S. 49) das heißt Bezirksverfassung vermittelt Bürgernähe, Demokratische Gemeinde 1969,189 Dissertation District General Deutscher Juristentag Deutsche Mark Document

Abküizungsverzeichnis DÖV Doehring, Karl/ Ress, Georg Dok. I, II Dreher, Eduard Drexelius, Wilhelm/ Weber, Renatus DRiG

DsAvB DsBT DsStW DStR DuR DV DVB1. DVO-AZG

DVO-PolZG E EA EBeitrG EDV EG EGGVG

EGKSV

EGStGB

EGStPO

Die öffentliche Verwaltung Staats- und völkerrechtliche Aspekte der Berlin-Regelung, Frankfurt/M. 1972 s. u. v. Münch Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 37. Aufl., München 1977 Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952, Kommentar, 2. Aufl., Berlin-New York 1972 Deutsches Richtergesetz vom 8. 9. 1961 (BGBl. I S. 1665) i. d. F. vom 19. 4. 1972 (BGBl. I S. 713) m. 1. Änd. vom 18.2.1977 (BGBl. IS. 297) Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin Drucksache des Deutschen Bundestages Drucksache der Stadtverordnetenversammlung Deutsches Staatsrecht (s. u. Maunz) Demokratie und Recht Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Verordnung zur Durchführung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes vom 7. 10. 1958 (GVB1. S. 974) i. d. F. vom 15. 9. 1975 (GVB1. S. 2614) m. 1. Änd. vom 25. 8.1975 (GVB1. S.2198) Verordnung zur Durchführung des Polizeizuständigkeitsgesetzes vom 1. 2. 1971 (GVB1. S. 348, 547) i.d.F. vom 3.2.1975 (GVB1. S. 783) Entscheidung, Entscheidungssammlung Europa-Archiv Erschließungsbeitragsgesetz vom 27. 6. 1962 (GVB1. S. 579) m. 1. Änd. vom 2.11.1972 (GVB1. S. 2091) Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 77) m. 1. Änd. vom 16. 3. 1976 (BGBl. 1581 ber. 2088) Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. 4. 1951 (BGBl. 1952 II S. 447) m. 1. Änd. vom 26. 11. 1974 (ABl. EG Nr. L 318/22) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469) m. 1. Änd. vom 16. 3. 1976 (BGBl. IS. 581) Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung vom 1. 2. 1877 (RGBl. S. 346) m. 1. Änd. vom 14. 12. 1976 (BGBl. 13341)

XIX

Abkürzungsverzeichnis EhrRiEG

EigG

EigVO einschl. EnqG

EntnazifG Erl. etc. EuGH EuGHE EurR EuWG

EvStL EWG EWGV

f Fauser, Bernd FDP FernmG Festgabe BVfG Festschrift BayVfGH Festschrift für Laforet

XX

Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter vom 26. 7. 1957 (BGBl. I S. 900) i. d. F. vom I. 10. 1969 (BGBl. I S. 1753) m. 1. Änd. vom 22. 11. 1976 (BGBl. IS. 3221) Gesetz über die Eigenbetriebe des Landes Berlin vom I I . 12. 1959 (GVB1. S. 1229) i. d. F. vom 1. 10. 1973 (GVB1. S. 1742) m. 1. Änd. vom 23. 11. 1976 (GVB1. S. 2651) Eigenbetriebsverordnung vom 21. 11. 1938 (RGBl. S. 1656) einschließlich Gesetz über Enquete-Kommissionen des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 7. 12. 1970 (GVB1. S. 1974) m. 1. Änd. vom 23.2.1976 (GVB1. S. 350) Zweites Gesetz zum Abschluß der Entnazifizierung vom 20. 12. 1955 (GVB1. S. 1022) m. 1. Änd. vom 26.11.1974 (GVB1. S. 2746) Erläuterungen et cetera Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofes Europarecht (Entwurf eines) Gesetz(es) über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (DsBT 8/361) Evangelisches Staatslexikon Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957 (BGBl. II S. 766 ber. S. 1678 und 1958 BGBl. II S. 64) m. 1. Änd. vom 26.11. 1974 (ABl. EG Nr. L 318/22) folgender Die Stellung der Regierungsmitglieder und ihrer Vertreter im Parlament, Diss., Bonn 1973 Freie Demokratische Partei Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14.1.1928 (RGBl. IS. 8) m. 1. Änd. vom 2. 3.1974 (BGBl. IS. 469) Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz; Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Tübingen 1976 Verfassung und Verfassungsrechtsprechung - Festschrift zum 25jährigen Bestehen des bayerischen Verfassungsgerichtshofes, München 1972 Verfassung und Verwaltung in Theorie und Wirklichkeit - Festschrift für Wilhelm Laforet anläßlich seines 75. Geburtstages, München 1952

Abkürzungsverzeichnis Festschrift für E. Menzel Recht im Dienst des Friedens - Festschrift für Eberhard Menzel zum 65. Geburtstag, Berlin 1975 Festschrift für Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle - Festschrift für Hans Schäfer zum 65. Geburtstag, Köln/Berlin/ Hans Schäfer Bonn/München 1975 Festschrift für Scheuner Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, Berlin 1973 Festschrift für Weber Im Dienst an Recht und Staat - Festschrift für Werner Weber zum 70. Geburtstag, Berlin 1974 FeuerStG Feuerschutzsteuergesetz vom 1. 2.1939 (RGBl. S. 113) ff fortfolgende Finanzgericht FG FGO Finanzgerichtsordnung vom 6. 10. 1965 (BGBl. I S. 1477) m. 1. Änd. vom 14.12.1976 (BGBl. IS. 3341) Berlin - Hauptstadtanspruch und Westintegration, Fijalkowski, Jürgen Schriften des Instituts für politische Wissenschaften, Bd. 20, Köln/Opladen 1967 Fischer, Herrmann/ Die Deputation in der Berliner Bezirksverwaltung, Goetz, Harry Berlin 1953 FN, Fn. Fußnote FrEntzG Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen vom29.6.1956 (BGBl. IS.559) m. 1. Änd. vom 16.3.1976 (BGBl. IS. 581) Friesenhahn, Ernst Der Wandel des Grundrechtsverständnisses in: Verhandlungen des 50. DJT, Bd. II, München 1974 Freie Universität Berlin FU FVG Gesetz über Finanzverwaltung i.d.F. vom 30. 8. 1971 (BGBl. I S. 1426) m. 1. Änd. vom 14. 12.1976 (BGBl. I S. 3341) GA Goldtammers Archiv Berliner Gaswerke Gasag Gesetzblatt GBl. GB1DDR Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik GBlnG siehe StGemG siehe BlnGebG GebBG Gehring, Norbert Parlament - Regierung - Opposition, Münchener Studien zur Politik, Bd. 14, München 1969 Geller, Gregor/ Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl. Göttingen 1963 Kleinrahm, Kurt/ Fleck, Hans-Joachim gem. gemäß GemFinVO pr. Gemeindefinanzverordnung vom 2.11.1932 (GS S. 341) GemFinG pr. Gemeindefinanzgesetz vom 15.12.1933 (GS S. 442) GemHVO Gemeindehaushaltsverordnung vom 4. 9.1937 (RGBl. IS. 921)

XXI

Abkürzungsverzeichnis GemO GEStG Gentz, Manfred GenV

Georgi GG GGOI Giese, Friedrich/ Schunck, Egon GmbH GnadG

GO GOAvB GOßT

GOBW GOBzA GOLRH GONdsLT GOSvB Götz, Volkmar Grabitz, Eberhard GStA GStO GVB1. GVG GWB h. A. XXII

Gemeindeordnung Grunderwerbsteuergesetz vom 18. 7. 1969 (GVB1. S. 1034) Die Unverletzlichkeit der Wohnung - Art. 13 des GG, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 84, Berlin 1968 Generalvertrag - Vertrag über die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten vom 26.5.1952 i. d.F. vom 30.3.1955 (BGBl. II S.301, 305) Das Prinzip der wahrheitsgetreuen Parlamentsberichtserstattung, Diss. Göttingen 1927 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung vom 18. 2.1975 (ABl. 1975, 573) gegebenenfalls Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Aufl., Frankfurt/Main 1976 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über den Ausschuß für Gnadensachen vom 19. 12. 1968 (GVB1. S. 1767) m. 1. Änd. vom 6. 3. 1970 (GVB1. S. 474) Geschäftsordnung Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 4. 7.1974 (GVB1. S. 1684) Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 28. 1. 1952 (BGBl. II S. 389) i. d. F. vom 22. 5. 1970 (BGBl. I S. 628) m. 1. Änd. vom 24. 6. 1975 (BGBl. I S. 1848) Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung Geschäftsordnung des Bezirksamtes Geschäftsordnung des Landesrechnungshofes Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages Geschäftsordnung des Senats von Berlin vom 9. 4. 1963 (ABl. S. 547) i. d. F. vom 6. 5. 1969 (ABl. S. 616) Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl., Göttingen 1975 Freiheit und Verfassungsrecht, Tübingen 1976 Generalstaatsanwalt Grundstücksordnung der einzelnen Bundesländer vom 28.10.1969 (DB1. 691 Nr. 85) Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz i. d. F. vom 9.5.1975 (BGBl. IS. 1077) m. 1. Änd. vom 3.12.1976 (BGBl. 13281) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 (BGBl. I S. 1081) i. d. F. vom 4. 4. 1974 (BGBl. I S. 869) m. 1. Änd. vom 14.12.1976 (BGBl. IS. 3341) herrschende Ansicht

Abkürzungsverzeichnis Haas HAG Hamann, Andreas/ Lenz, Helmut Harnischfeger, Horst Hauck, Peter Halbs. Hb., Hdb. HbAvB HbDStR heGemO

HeStGH Hesse, Konrad HG HGrG h. M. Hmb., hmb. hmbBzVG hmbGVBl. hmbVfGH HohZG HundesteuerG Hübner, Emil/ Oberreuter, Heinrich/ Rausch, Heinz HV i. d. F. i. e. S. i. Erg. ImmRiLi insbes. i. S. i. S. d.

Verfassung von Groß-Berlin, 4. Auflage, Berlin 1947 Haushaltsrechtsanpassungsgesetz vom 1. 8. 1966 (GVB1.S. 1162) Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949,3. Aufl., Neuwied, Berlin 1976 Planung in der sozialstaatlichen Demokratie, Neuwied, Berlin 1969 Das richterliche Prüfungsrecht in Berlin, Diss. Berlin 1968 Halbsatz Handbuch Handbuch des Abgeordnetenhauses von Berlin Handbuch des Deutschen Staatsrechts hessische Gemeindeordnung i. d. F. vom 1. 7. 1960 (GVB1.1960 S. 103) m. 1. And. vom 30. 8.1976 (GVB1. 1976 IS. 325) Hessischer Staatsgerichtshof Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl., Karlsruhe 1976 Haushaltsgesetz Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1273) m. 1. Änd. vom 21.12.1974 (BGBl. IS. 3656) herrschende Meinung Hamburg, hamburger, hamburgisch hamburger Bezirksverwaltungsgesetz vom 16. 9. 1969 (hmbGVBl. S. 179, m. 1. Änd. vom 1. 7.1974 (hmbGVBl. S. 235) hmb. Gesetz- und Verordnungsblatt Staatsgerichtshof der Freien und Hansestadt Hamburg Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin vom 13.5.1954 (GVB1. S. 289) Hundesteuergesetz vom 31. 3. 1939 (ABl. S. 394) m. 1. Änd. vom 26.11.1974 (GVB1. S. 2746) Der Bundestag von innen gesehen, München 1969 Verfassung des Landes Hessen vom 1.12. 1946 (GVB1. S. 229) m. 1. Änd. vom 23.4.1970 (GVB1.1S. 281) in der Fassung in engerem Sinne im Ergebnis Richtlinien in Immunitätsangelegenheiten in HbAvB 7. WP Bd. I insbesondere im Sinne im Sinne des (der) XXIII

Abkiirzungsverzeich nis i. V. m. JA Jäckel, Hartmut Jahrb. Ö R N F JR JuS JWG

JZ Kaiser, Joseph-H. KamG

KassO KG Kieler Symposium

KiStG

Kleinschmittger, Karl-Heinz Knies, Wolfgang Knörr, Alexander Körte, Heinrich

Kottenberg, Kurt/ Rehn, Erich KPD KPM Krebs, Walter Kreutzer, Heinz KRG Kröger, Klaus

XXIV

in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Grundrechtsgeltung und Grundrechtssicherung, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 42, Berlin 1967 Jahrbuch des öffentlichen Rechts - Neue Folge Juristische Rundschau Juristische Schulung Gesetz für Jugendwohlfahrt i. d. F. vom 6. 8. 1970 (BGBl. I S. 1197) m. 1. Änd. vom 2. 7. 1976 (BGBl. I S. 1762) Juristenzeitung Planung I - V I , Baden-Baden 1 9 6 5 - 6 8 Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker vom 18.12.1961 (GVB1. S. 1753) i. d.F. vom 27.7.1967 (GVB1. S. 1429) m. 1. Änd. vom 26. 11. 1974 (GVB1. S. 2746) Kassenordnung vom 7 . 1 0 . 1 9 6 9 (DB1. 19691 Nr. 84) Kammergericht Ostverträge/Berlin-Status/Münchener Abkommen, Beziehungen zwischen Bundesrepublik Deutschland und D D R , Hamburg 1971 Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften im Land Berlin vom 15. 2. 1967 (GVB1. S. 361) i. d. F. vom 9. 7. 1975 (GVB1. S. 1829) Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten, Diss., Düsseldorf 1963 Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, München 1967 Die Kompetenz von Berlin (West) zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge, Diss., München 1975 Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen; Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Bd. 5, 1956 Geschäftsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 8. Aufl., Siegburg 1968 Kommunistische Partei Deutschlands Königlich Staatliche Porzellan-Manufaktur Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, Schriften zum öffentlichen Recht, Berlin 1975 Die Neuordnung der Berliner Bezirksverwaltung, D Ö V 1959,429 (Sonderdruck) Kontrollratsgesetz Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/ Main 1972

Abküizungsverzeichnis KSchG

LAbstG

LAbstO LAG Landsberg, Kurt/ Goetz, Harry LBG

LBesG LDO LDP Leimich, Peter

Leisner, Walter Lerche, Peter LfbG LfbV

LG LHO

lit. LK LKG LNK LPD LPD Berlin LPD

Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951 (BGBl. I S. 499) i. d. F. vom 25. 8. 1969 (BGBl. I S. 1317) m. 1. Änd. vom 5. 7.1976 (BGBl. IS. 1769) Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid zur Auflösung des Abgeordnetenhauses vom 27. 11. 1974 (GVB1. S. 2774) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid zur Auflösung des Abgeordnetenhauses vom 22.9.1976 (GVB1. S. 2291) Landesarbeitsgericht Die Verfassung von Berlin vom 1. September 1950, Kommentar, Berlin 1951 Landesbeamtengesetz vom 24. 7. 1952 (GVB1. S. 603) i. d. F. vom 1. 1. 1972 (GVB1. S. 288) m. 1. Änd. vom 7.2.1975 (GVB1. S. 669) Landesbesoldungsgesetz vom 2. 4.1958 (GVB1. S. 314) i. d. F. vom 1. 8. 1969 (GVB1. S. 1980) m. 1. Änd. vom 7.2.1975 (GVB1. S. 669) Landesdisziplinarordnung vom 8. 5. 1969 (GVB1. S. 515) m. 1. Änd. vom 7.2.1975 (GVB1. S. 669) Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Die Vermögensrechnung der öffentlichen Hand, Köln/ Berlin/Bonn/München 1968; Schriften zur Verwaltungslehre III Die Bayerischen Grundrechte, Wiesbaden-Drontzheim 1968 Ubermaß und Verfassungsrecht, Köln/Berlin/München/Bonn 1961 Gesetz über die Laufbahnen der Beamten vom 3. 12. 1958 (GVB1. S. 1126) i. d. F. vom 5. 6. 1973 (GVB1. S. 946) m. 1. Änd. vom 22.2.1974 (GVB1. S. 466) Verordnung über die Laufbahnen der Beamten vom 20. 5. 1969 (GVB1. S. 594) i. d. F. vom 1. 1. 1977 (GVB1. S. 158) Landgericht Landeshaushaltsordnung vom 29. 7. 1966 (GVB1. S. 1148) i. d. F. vom 8.1.1973 (GVB1. S. 402) m. 1. Änd. vom 13.12.1974 (GVB1. S. 2810) Buchstabe Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 9. Aufl., Berlin-New York 1974 Landeskrankenhausgesetz vom 13. 12. 1974 (GVB1. S. 2810) m. 1. Änd. vom 17.12.1975 (GVB1. S. 3006) Landesnervenklinik Liberale Partei Deutschlands Landespostdirektion Berlin Landespressedienst

XXV

Abkürzungsverzeichnis Landesrechnungshof Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13.12.1949 i. d. F. vom 15. 3. 1962 (GVOB1. S. 123) i. d. F. vom 12.12.1969 (GVOB1. S. 279) Landessozialgericht LSG LVwA Landesverwaltungsamt LVwAG Gesetz zur Änderung von Verwaltungsgesetzen und des Landesbeamtengesetzes vom 18. 2. 1964 (GVB1.1 252) Gesetz über die Wahlen zum AvB und zu den BezirksLWG verordnetenversammlungen vom 28. 3. 1958 (GVB1. S. 305) i. d. F. vom 13. 3. 1974 (GVB1. S. 594) m. 1. Änd. vom 29. 6.1977 (GVB1. S. 1209) Wahlordnung für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus LWO und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 12. 7. 1958 (GVB1. S. 663) i. d. F. vom 29. 6. 1974 (GVB1. S. 1862) m. 1. Änd. vom 26. 11. 1974 (GVB1. S. 2746) mit Berliner Bezirksverwaltung, Stuttgart/Berlin/Köln/ Machalet, Eberhard Mainz 1973 Berlin im geteilten Deutschland, München/Wien 1973 Mahncke, Dieter Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 4. Aufl., MünMang, Johann/Maunz, Theodor/Mayer, Franz/ chen 1975 Obermayer, Klaus Das Bonner Grundgesetz Bd. I, II, Berlin/FrankfurtMangoldt, Herrmann Main 1964 von/Klein, Friedrich Maunz, Theodor Deutsches Staatsrecht, 20. Aufl., München 1975 Maunz, Theodor/Dürig, Grundgesetz, Kommentar (Loseblattsammlung), MünGünter/Herzog, Roman/ chen, Stand Oktober 1977 Scholz, Rupert Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, LoseMaunz, Theodor/Sigblattsammlung, München, Stand 1977 loch/Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Ulsamer, Gerhard/Klein, Franz m. Anm. mit Anmerkung(en) MdA Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin MdB Mitglied des Deutschen Bundestages MDHS s. u. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz m. E. meines Erachtens Handkommentar zur Verfassung des Freistaates Meder, Theodor Bayern, München 1971 Mitteilungen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses MittPrAvB von Berlin Mill. Millionen m. krit. mit kritischer m. 1. Änd. mit letzter Änderung LRH LS

XXVI

Abkürzungsveizeichnis MRK

Münch, Ingo von ders. MvB m. w. N. Nawiasky, Hans/ Leusser, Claus/ Gerner, Erich/ Schweiger, Carl/ Zacher, Hans Nauber Nds., nds. ndsGemO NF n. F. NJW NPD Nr. NW, nw. nwGemO

o. a. Obermayer, Klaus OFD o. g. OLG OVG OVGE OWiG

PartG PersVG

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 (BGBl. 1952 II S. 686), Gesetz vom 7. 8. 1952 (BGBl. II S. 953), m. 1. Änd. vom 20. 1. 1966 (BGBl. 1968 II S. 1126, BGBl. 1972 IIS. 105) Dokumente des geteilten Deutschlands, Bd. I u. II, Stuttgart 1968 Grundgesetzkommentar, Bd. I u. II, München 1976 Magistrat von Berlin mit weiteren Nachweisen Die Verfassung des Freistaates Bayern, München 1964, Loseblattsammlung

Das Berliner Parlament, 2. Aufl. 1975 Niedersachsen, niedersächsisch niedersächsische Gemeindeordnung i. d. F. vom 7. 1. 1974 (GVB1. S. 1) m. 1. Änd. vom 2. 12. 1976 (GVB1. S. 183) neue Folge neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nationaldemokratische Partei Deutschland Nummer Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch nordrhein-westfälische Gemeindeordnung vom 22. 12. 1975 (GBl. 1976 S. 1) m. 1. Änd. vom 4. 6. 1976 (GBl. S. 499) oben angegeben Mitbestimmung in der Kommunalverwaltung, Berlin 1973 Oberfinanzdirektion oben genannt Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Oberverwaltungsgerichtes Gesetz über Ordnungswidrigkeiten i. d. F. vom 2. 1. 1975 (BGBl. IS. 80) m. 1. Änd. vom 20. 8.1975 (BGBl. IS. 2189) Gesetz über die politischen Parteien vom 24. 7. 1967 (BGBl. I S. 773) m. 1. Änd. vom 24. 7. 1974 (BGBl. I S. 1537) Berliner Personalvertretungsgesetz vom 26. 7. 1974 (GVB1. S. 1669) m. 1. Änd. vom 13. 12. 1974 (GVB1. S. 2810) XXVII

Abkürzungsverzeichnis PetG Plog, Ernst/ Wiedow, Alexander PolPr. PolPrG PolZG PostG PostVG pr. PrAvB PrBRH PrLRH RB RBG RdB Rdn. RechO RechtsVO RegG

Rehm, Hannes RG RGSt RHG RHO RiA RiG RiGWO Ritzel, Heinrich/ Bücker, Joseph XXVIII

Petitionsgesetz vom 25.11.1969 (GVB1. S. 2511) Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Berlin 1958 Polizeipräsident Gesetz über die Wahl und Rechtsstellung des Polizeipräsidenten vom 7. 7.1953 (GVB1. S. 572) Polizeizuständigkeitsgesetz vom 2. 10. 1958 (GVB1. S. 959); aufgehoben durch § 50 II Nr. 1 ASOG Gesetz über das Postwesen vom 28. 7. 1969 (BGBl. I S. 1006) m. 1. Änd. vom 2. 3.1974 (BGBl. IS. 469) Postverwaltungsgesetz vom 24. 7. 1953 (BGBl. IS. 676) m. 1. Änd. vom 21.12.1970 (BGBl. IS. 1765) preußisch Präsident des Abgeordnetenhauses Präsident des Bundesrechnungshofes Präsident des Landesrechnungshofes Regierender Bürgermeister Reichsbeamtengesetz i. d. F. vom 18. 5. 1907 (RGBl. S. 245) Rat der Bürgermeister Randnummer Rechnungsordnung Rechtsverordnung Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der in einzelnen Verwaltungszweigen des Landes Berlin beschäftigten Personen vom 26.4.1974 (BGBl. IS. 379/GVB1. S. 43) Analyse und Kritik der Bundeshaushaltsreform, BadenBaden 1975 Reichsgericht Entscheidungssammlung des Reichsgerichtes in Strafsachen bin. Gesetz über den Rechnungshof vom 21. 7. 1966 (GVB1. S. 1145) m. 1. Änd. vom 13. 12. 1974 (GVB1. S. 2810) Reichshaushaltsordnung vom 31. 12.1922 (RGBl. 23 II S. 17) m. 1. Änd. vom 23.4.1934 (RGBl. IS. 232) Recht im Amt Berliner Richtergesetz vom 18. 1. 1963 (GVB1. S. 93) i. d. F. vom 27. 4. 1970 (GVB1. S. 642) m. 1. Änd. vom 7.2.1975 (GVB1. S. 669) Wahlordnung zum Berliner Richtergesetz vom 25. 3. 1963 (GVB1. S. 385) m. 1. Änd. vom 19.1.1970 (GVB1. S. 285) Handbuch über die parlamentarische Praxis mit Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Frankfurt/M. 1975

Abkürzungsverzeichnis RiWG

Gesetz über die Wahl der Präsidenten der oberen Landesgerichte und der Generalstaatsanwälte vom 11. 7. 1957 (GVB1. S. 741) m. 1. Ä n d . vom 21. 12. 1965 (GVB1. S. 1979)

RiWO

Richterwahlordnung vom 9. 1. 1951 (VOB1. I S. 240) i. d. F. vom 27.4.1970 (GVB1. S. 93)

Röhring, Hans-Helmut/ Sontheimer, Kurt Rspr. RuP

Handbuch des deutschen Parlamentarismus, München 1970 Rechtsprechung Recht und Politik

RuStAngG

Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913 ( R G B l . S. 583) m. 1. Ä n d . vom 2. 7. 1976 (BGBl. I S. 1749)

RV

Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. 4.1871 ( R G B l . S. 63)

RVermG

Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen vom 16. 5.1961 ( B G B l . I S . 597)

RzW

Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht lage zur NJW1949/1950) siehe Seite

s. S. s. a. sa.

(Bei-

siehe auch saarländisch

saarländisches Landtagsgesetz vom 20. 7. 1973 ( A B l . S. 517) m. 1. Änd. vom 16. 7.1975 ( A B l . S. 850) Das Interpellationsrecht in der Bundesrepublik und im Sauer, Karl Freistaat Bayern, München 1968 Sowjetische Besatzungszone SBZ D e r Bundestag, 2. Aufl., Opladen 1975 Schäfer, Friedrich Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtssetzung gehörende Schmelter, Hubert A k t e der Legislative, Berlin 1977 Schmidt-Bleibtreu, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Bruno/Klein, Franz Deutschland, 3. Aufl., Berlin 1973 Schmidt-Räntsch, Günter Deutsches Richtergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 1973 Schiedermair, Hartmut Der völkerrechtliche Status Berlins nach dem ViersaLTG

Schönke, A d o l f / Schröder, Horst Schonfeld SED SenG

mächteabkommen vom 3. September 1971, Berlin 1975 Strafgesetzbuch, Kommentar, 18. Aufl., München 1976 Das Zitier-, Zutritts- und Rederecht des Art. 43 G G , Diss., Köln 1973 Sozialistische Einheitspartei Deutschland Gesetz über die Rechtsstellung der Mitglieder des Senats vom 7. 7. 1959 (GVB1. S. 591) i. d. F. vom 1. 6. 1975 (GVB1. S. 1473) m. 1. Änd. vom 18. 12. 1974 (GVB1. S. 2922)

XXIX

Abkürzungsverzeichnis SFB SG SH, sh shGemO

SiegelVO sog. sowj. Sp. SPD v. Spindler, Joachim/ Becker, Willi/ Starke, Ernst Spitta, Theodor Spreng, Rudolf/Birn, Willi/Feuchte, Paul Srocke, Ernst st. StA StaatsbürgerschaftsG StadtverfassungsG StB, Sten. Ber. StBAvB StBStW SteuerGnadG StGB StGemG

StGH StPO Str.

StrRAnpG StV

Stw

s. u. SvB

XXX

Sender Freies Berlin Sozialgericht Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein, i. d. F. vom 6. 4. 1973 (GVOB1. S. 89) m. 1. Änd. vom 10. 12. 1974 (GVOB1. S. 486) Verordnung über die Landessiegel vom 28. 10. 1954 (GVB1. S. 622) sogenannt sowjetisch Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Die Deutsche Bundesbank, 4. Aufl., Stuttgart 1973 Kommentar zur bremischen Verfassung, Bremen 1966 Die Verfassung der Länder Baden-Württembergs, Stuttgart 1954 Bezirksverwaltungsgesetz von Berlin, Text und Erläuterungen, Berlin 1975 ständige Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft (der DDR) vom 16.10.1972 (GBl. DDR IS. 265) siehe StGemG Stenografische Berichte Stenografische Berichte des Abgeordnetenhauses von Berlin Stenografische Berichte der Stadtverordnetenversammlung Steuergnadengesetz vom 22. 5. 1957 (GVB1. S. 515) Strafgesetzbuch i. d. F. vom 2. 1. 1975 (BGBl. I S. 1) m. 1. Änd. vom 23.12.1976 (BGBl. IS. 3945) pr. Gesetz über die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27. 4. 1920 (GS S. 123) m. 1. Änd. vom 30.3.1931 (GS S. 39) Staatsgerichtshof Strafprozeßordnung i. d. F. vom 7. 1. 1975 (BGBl. I S. 129) m. 1. Änd. vom 18.8.1976 (BGBl. IS. 2181) streitig Strafrechtsanpassungsgesetz vom 3. 12. 1974 (GVB1. S. 2746) Stadtverordneter Stadtverordnetenversammlung siehe unten Senat von Berlin

Abkürzungsveizeichnis Trossmann, Hans u. u. a. u. ä. u. a. m. UbemahmeVO UdSSR з. Ü L G

UntAG UnterbrG

unzutr. UN UN-Doc Urt. usw. и. v. m. u. U. USA v. VA Vbm. VBW

Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, Kommentar zur Geschäftsordnung, München 1977 und und andere und ähnliches und anderes mehr Übernahmeverordnung Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 3. Überleitungsgesetz vom 4. 1. 1952 (BGBl. I S. 1/ GVB1. S. 393) m. 1. Änd. vom 10. 8. 1967 (BGBl. I S. 877/GVB1. S. 1242) siehe BlnUntAG Gesetz über die Unterbringung von Geisteskranken, Geistesschwachen und Suchtkranken vom 5. 6. 1958 (GVB1. S . 5 2 1 ) unzutreffend United Nations (Vereinte Nationen) Dokumente der Vereinten Nationen Urteil und so weiter

VHH

und verschiedenes mehr unter Umständen Vereinigte Staaten von Amerika von, vom Verwaltungsakt Vorbemerkung Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 2. 2. 1953 (GBl. S. 173) m. 1. Änd. vom 3. 3. 1976 (GBl. S. 176) Vermögensordnung vom 30. 6. 1969 (DBI. 1969 I Nr. 55) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinswesens (Vereinsgesetz) vom 5. 8. 1964 (BGBl. I S. 593) m. 1. Änd. vom 2 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S . 469) Verhandlungen Verwaltungsgericht siehe Bin V G G vergleiche von Hundert Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. 10. 1947 (BremGBl. S . 2 5 1 ) Landesverfassung der Freien und Hansestadt Hamburg

Viaion, Friedrich Karl

vom 6. 6. 1952 (Bl. 100-a) m. 1. Änd. vom 14. 1. 1972 (GVB1. S. 15) Haushaltsrecht, 2. Auflage, Berlin 1959

VermO VereinsG

Verh. VG VGG vgl. v. H. VHB

XXXI

Abkürzungsverzeichnis

v.

bin. Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen vom 29. 1. 1953 (GVB1. S. 106) m. 1. Änd. vom 14.11.1966 (GVB1. S. 1633) Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13.4 1951 (GVB1. S. 103) i. d. F. vom 2 8 . 4 . 1 9 7 2 (GVB1. S. 171) von, vom

VNW

Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

vo

18. 6. 1950 ( G V S. 127) m. 1. Änd. vom 24. 6. 1974 ( G V S . 220) Verordnung Verordnungsblatt Vorbemerkung

VkiiG

VNV

VOB1. Vorbem. VRP VS VvB WDStRL W G B VwArch. VwGO VwRspr. VwVfG

WahlPrüfungsG WBK Wiezcorek, Bernhard Wild, Gisela Wilke, Kay-Michael Witte-Wegemann, Gertrud WiO w. Nachw. b. W o l f f , Hans-Julius/ Bachof, Otto

vom

Verfassung für Rheinland Pfalz vom 18. 5.1947 (VOB1. S. 209) m. 1. Änd. vom 7.2.1975 (GVB1. S. 49) Verfassung des Saarlandes vom 15. 12. 1947 (Amtsbl. S. 1077) i. d. F. vom 6.11.1974 (Amtsbl. S. 978) Verfassung von Berlin vom 1. 9. 1950 (VOB1.1 S. 433) m. 1. Änd. vom 20. 6.1977 (GVB1. S. 1126) Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin vom 19. 8. 1946 (VOB1. S. 295) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1. 1960 ( B G B l . I S. 17) m. 1. Ä n d . vom 3.12.1976 ( B G B l . I S . 3281) Sammlung der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976 ( B G B l . I S. 1253) m. 1. Änd. vom 2. 7. 1976 ( B G B l . I S. 1749) s. W p r ü f G Wohnungsbaukreditanstalt Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, aufgrund der Rechtsprechung kommentiert, 2. Aufl., Berlin 1976 Die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und die Anordnung zu ihrer Verkündung, Diss., Heidelberg 1969 Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik, Berlin 1976 Recht und Kontrollfunktion der großen, kleinen und mündlichen Anfragen im Deutschen Bundestag, Berlin 1972 Wirtschaftsordnung vom 9. 11. 1971 (DB1. 1971 I Nr. 99) weitere Nachweise Verwaltungsrecht, I I 4. Aufl., München 1976

Abkürzungsverzeichnis WP WPG WprüfG

WRV ZAÖRVR z. B. ZBR ZfP Zieger, Gottfried Zinn, Georg/ Stein, Erwin zit. Zivier, Ernst Renatus zutr. ZParlR z. T. ZRP ZPO z. Z.

Wahlperiode bin. Wahlprüfungsgericht Gesetz über die Prüfung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 16. 10.1958 (GVB1. S. 1021) m. 1. Änd. vom 7 . 1 0 . 1974 (GVB1. S. 2566) Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung) vom 11. 8.1919 (RGBl. S. 1383) Zeitschrift für ausländisches öffentliches und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Parlamentsfragen Berlin-Fibel, Berlin 1975 Die Verfassung des Landes Hessen, Kommentar, Berlin 1963, Loseblattsammlung zitiert Der Rechtsstatus des Landes Berlin, 3. Aufl., Berlin 1977 zutreffend Zeitschrift für Parlamentsrecht zum Teil Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilprozeßordnung i. d. F. vom 12. 9. 1950 (BGBl. S. 533) m. 1. Änd. vom 1 4 . 1 2 . 1 9 7 6 (BGBl. I S. 334) zur Zeit

XXXIII

Verfassungen GG BV VH LS RV VBW VHB VHH VNV VNW VRP VS VvB WGB WRV

XXXIV

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (BGBl. I S . 1) m. 1. Änd. vom 23. 8 . 1 9 7 6 (BGBl. I S . 2382) Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. 12. 1946 (Bay. BS I S. 3) m. 1. Änd. vom 19. 7.1977 (GVB1. S. 389) Verfassung des Landes Hessen vom 1. 12.1946 (GVB1. S. 229) m. 1. Änd. vom 2 3 . 4 . 1 9 7 0 (GVB1.1S. 281) Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. 12. 1949 i. d. F. vom 15. 3 . 1 9 6 2 (GVOB1. S. 123) i. d. F. vom 1 2 . 1 2 . 1 9 6 9 (GVOB1. S.279) Verfassung des Deutschen Reiches vom 1 6 . 4 . 1 8 7 1 (RGBl. S. 63) Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. 11. 1953 (GBl. S. 173) m. 1. Änd. vom 3. 3 . 1 9 7 6 (GBl. S. 176) Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. 10. 1947 (Brem. GBl. S. 251) mit Änderungen Landesverfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. 6. 1952 (Bl. 1 0 0 - a ) m. 1. Änd. vom 1 4 . 1 . 1 9 7 2 (GVB1. S. 15) Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 1 3 . 4 . 1 9 5 1 (GVB1. S. 103) i. d. F. vom 2 8 . 4 . 1 9 7 2 (GVB1. S. 171) Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. 6. 1950 (GV S. 127) m. 1. Änd. vom 24. 6 . 1 9 7 4 (GV S. 220) Verfassung für Rheinland Pfalz vom 18. 5. 1947 (VOB1. S. 209) m. 1. Änd. vom 7 . 2 . 1 9 7 5 (GVB1. S. 49) Verfassung des Saarlandes vom 15. 12. 1947 (Amtsbl. S. 1077) i. d. F. vom 6 . 1 1 . 1 9 7 4 (Amtsbl. S. 978) Verfassung von Berlin vom 1. 9 . 1 9 5 0 (VOB1.1 S. 433) m. 1. Änd. vom 20. 6.1977 (GVB1. S. 1126) Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin vom 19. 8. 1946 (VOB1. S. 295) Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung) vom 1 1 . 8 . 1 9 1 9 (RGBl. S. 1383)

Verfassung von Berlin vom 1. September 1950 (VOB1.1S. 433); zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 1977 (GVB1. S. 1126)

Die Stadtverordnetenversammlung hat auf Grund des Artikels 35 der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin die nachstehende Verfassung ausgearbeitet und unter Zustimmung des Magistrats am 4. August 1950 beschlossen. Sie wird hiermit verkündet:

Vorsprach In dem Willen, Freiheit und Recht jedes Einzelnen zu schützen, Gemeinschaft und Wirtschaft demokratisch zu ordnen, dem Geiste des sozialen Fortschritts und des Friedens zu dienen, und in dem Wunsche, die Hauptstadt eines neuen geeinten Deutschlands zu bleiben, hat sich Berlin diese Verfassung gegeben. Erläuterungen Der Vorspruch der VvB betont zunächst den Willen des Verfassungs- 1 gebers, nach den Jahren der Diktatur Freiheit und Recht des Menschen als Einzelwesen besonders zu schützen. Er ist Hinweis auf die im Abschnitt II der Verfassung aufgeführten Grundrechte der Berliner Einwohner, deren Schutz mit allen staatlichen Mitteln er zusichert. Gleichzeitig bringt der Vorspruch zum Ausdruck, daß nunmehr in Abkehr von der Diktatur das Gemeinwesen demokratisch geordnet sein soll. Zusammen mit dem Hinweis auf den Willen nach sozialem Fortschritt ist dies dahingehend zu verstehen, daß Berlin ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat sein soll, dessen Staatsgewalt und Staatwerdung dem Frieden dient. Der Wunsch, Berlin möge die Hauptstadt eines neuen geeinten 2 Deutschlands bleiben, bringt zum Ausdruck, daß Berlin seine zentrale 1

Vorspruch Kraft als Deutschlands Hauptstadt nicht verloren hat, sondern derzeit nur in widernatürlicher Weise aufgespalten ist. Die VvB geht selbstverständlich davon aus, daß nach Beendigung der Spaltung nur Berlin Hauptstadt eines neuen geeinten Deutschlands sein kann. 3 D e r Ausdruck, daß sich „Berlin" diese Verfassung gegeben hat, ist keine Mißachtung der Berliner Bürger als Inhaber der Staatsgewalt (vgl. Art. 2), sondern als Hinweis darauf zu verstehen, daß Berlin nunmehr ein Land geworden ist, das sich selbst eine Verfassung gibt, nachd e m es in den Jahrhunderten seines Bestehens als Stadt die Verfassung immer von übergeordneten Instanzen erhalten hatte (Landsberg/Goetz, S. 4 0 f ) .

2

Abschnitt I Die Grundlagen

Artikel 1 (1) Berlin ist ein deutsches Land und zugleich eine Stadt. (2) Berlin ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. (3) Grundgesetz und Gesetze der Bundesrepublik Deutschland sind für Berlin bindend. Art. 1 ist im Zusammenhang mit Art. 87 zu sehen, der lautet: (1) Art. 1 Abs. 2 und 3 der Verfassung treten in Kraft, sobald die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen unterliegt. (2) In der Übergangszeit kann das Abgeordnetenhaus durch Gesetz feststellen, daß ein Gesetz der Bundesrepublik Deutschland unverändert auch in Berlin Anwendung findet. (3) Soweit in der Übergangszeit die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen (Abs. 1) unterliegt, sind die Bestimmungen des Grundgesetzes auch in Berlin geltendes Recht. Sie gehen den Bestimmungen der Verfassung vor. Das Abgeordnetenhaus kann im Einzelfall mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder anders beschließen. Art. 85 der Verfassung findet sinngemäß Anwendung. (4) In der Übergangszeit sollen die verfassungsmäßig bestellten Organe von Berlin die für das Verhältnis von Bund und Ländern maßgebenden Bestimmungen des Grundgesetzes soweit wie möglich als Richtlinien für die Gesetzgebung und Verwaltung beachten. Materialien

1. vgl. zu Art. 11: Art. 64,143 VHB; 1 VHH; zu Art. 1 II: Art. 23 GG; 23 II VBW; 11,178 BV; 64 VHB; 1 VHH; 64 HV; 11VNV; 111 VNW; 741VRP; 60 VS; 1 LS 2. VVGB: Art. 1 3. Änderungen: 3

Art. 1

Abschnitt I: D i e Grundlagen

Erläuterungen A. Berlin als deutscher Stadtstaat 1

Die Frage des Doppelcharakters Berlins als Stadt und Land stand im Mittelpunkt der Erörterungen der S t W und war zwischen den Fraktionen der SPD, C D U und LPD einerseits und der SED andererseits kontrovers. Bereits wegen grundsätzlicher Ablehnung der förderalen Struktur Deutschlands und mit der weiteren Begründung, daß Berlin als gegenwärtiger und zukünftiger Mittelpunkt Deutschlands eine Sonderstellung einnehmen müsse, sah die SED in ihrem Entwurf folgende Bestimmung vor (Art. 1): „Berlin ist eine Stadt und die Hauptstadt Deutschlands. Als Hauptstadt gehört sie keinem der deutschen Länder an."

Demgegenüber waren sich alle anderen Fraktionen einig, daß Berlin nach der Auflösung Preußens ein selbständiges Land sein müsse. Die Vorstellungen von SPD und C D U gingen anfangs nur in der Frage auseinander, ob Berlin ein Land, bestehend aus einzelnen Gemeinden (SPD), oder Land und Stadt zugleich (CDU) sein solle. 2 Art. 1 I legt den Doppelcharakter Berlins als einer Gebietskörperschaft fest, die ein Land und zugleich eine Stadt ist. 3 Unter Berlin im Sinne der VvB ist, wie sich aus Art. 4 ergibt, GesamtBerlin zu verstehen. Von den 20 in Art. 4 II VvB genannten Bezirken gehören 12 zu West-Berlin und 8 zu Ost-Berlin (vgl. Art. 4, Rdn. 4). Obwohl die VvB infolge der politischen Entwicklung von Anfang an nur in West-Berlin wirksam werden konnte, wird ihr rechtlicher Geltungsanspruch für ganz Berlin dadurch legitimiert, daß sie in ihren wesentlichen Teilen noch von der Gesamtberliner S t W beschlossen wurde, (vgl. Denkschrift SvB, S. 2; zur besonderen Problematik der Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland s. unten Rdn. 24). Nach allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch wird mit dem Namen „Berlin" jedoch nicht nur wie insbes. in Art. 1, Gesamt-Berlin, sondern teilweise entweder nur der westliche oder nur der östliche Teil der Stadt belegt (zur Berlin-Terminologie vgl. auch Carstens, Festschrift für Scheuner, S. 67; ferner Pestalozza JR 1972, 45). 4 Nach überwiegender Ansicht entwickelte sich Groß-Berlin bereits in den Jahren 1945 bis 1949 von einer Stadtgemeinde und einem staatlichen Verwaltungsbezirk zu einem Land (Kreutzer, D Ö V 1955, 13; Rauschning E A 1961, 667; a. A. und für konstitutive Bedeutung wohl Landsberg/Götz S. 45; Püttner D Ö V 1969, 830). Nach der faktischen Auflösung Preußens bei Kriegsende, bestätigt durch das K R G Nr. 46 vom 25. Februar 1947 (VOB1. S. 68), wurde Groß-Berlin mangels Ein4

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Art. 1

beziehung in das Gebiet eines anderen deutschen Landes die „für das Gebiet der Stadtgemeinde Berlin alleinige berufene öffentliche Gebietskörperschaft", so Art. 1 I W G B . Mit dem Ubergang der staatlichen Befugnisse des ehemaligen Deutschen Reiches und des Landes Preußen auf die Stadt Berlin erwarb diese den Status eines Landes. Wegen der Allkompetenz der Besatzungsmächte in der ersten Zeit nach dem Kriege ist allerdings zweifelhaft, von welchem Zeitpunkt an ein Übergang der staatlichen Befugnisse auf Berlin erfolgte (Einzelheiten hierzu bei Nagel, Die rechtliche Lage West-Berlins, Diss. Würzburg 1964, S. 79 ff). Mit der Formulierung, daß Berlin ein deutsches Land ist, wird bereits 5 in Art. 11 ein gesamtstaatlicher Bezug hergestellt. Berlin ist, gleichgültig wie sein in Abs. 2 und 3 geregeltes Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland zu bestimmen ist, ein Gliedstaat innerhalb eines größeren Verbandes Deutschland. Es gehört zu dem nach deutschem Verfassungsrecht als fortbestehend zu denkenden Deutschen Reich (vgl. B V f G E 3 6 , 1 , 1 5 f). Berlin ist Land und Stadt zugleich. Staat und Gemeinde sind keine 6 verschiedenen Rechtssubjekte. Landesverwaltung und Stadtgemeindeverwaltung werden nicht getrennt, sondern von denselben Organen ausgeführt (vgl. Erl. zu Art. 3 und 50). Stadtstaat in diesem Sinne ist neben Berlin nur noch Hamburg, während Bremen einen Gemeindeverband aus den Städten Bremen und Bremerhaven bildet. Kennzeichnend für die Stadtstaaten Hamburg und Berlin ist ihr zweistufiger Verwaltungsaufbau. Die Bezirke in Berlin sind im Gegensatz zu denen Hamburgs jedoch weitgehend kommunalisiert. Sie sind gemäß Art. 50 Abs. 2 VvB an der Verwaltung Berlins nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung beteiligt und haben den Charakter von Selbstverwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit, § 2 Abs. 1 BezVG (vgl. Art. 50, Rdm 12). Der Verwaltungsaufbau Berlins hat damit eine kommunalrechtliche Prägung, in der eine gewisse Abkehr von dem Grundsatz der Stadtstaatlichkeit zu sehen ist (Kreutzer D Ö V 1959, 429). B. Der alliierte

Status

Berlins

Die staatsrechtliche Stellung Berlins ist eng verzahnt mit der Rechts- 7 Stellung der Besatzungsmächte in dieser Stadt, dem sog. alliierten Status Berlins. Nach übereinstimmender westlicher Auffassung untersteht GesamtBerlin besatzungsrechtlich auch heute noch dem „Viermächtestatus", dessen Grundlage die militärische Besetzung Deutschlands und die Übernahme der obersten Regierungsgewalt durch die Siegermächte 5

Art. 1

Abschnitt I: Die Grundlagen

einerseits und die bereits vor Kriegsende zwischen den Hauptsiegermächten getroffenen, durch den Beitritt Frankreichs später ergänzten Vereinbarungen über die Einteilung der Besatzungszonen in Deutschland andererseits sind. 8 Für die Bundesrepublik Deutschland und für die DDR wurde das Besatzungsregime zwar 1955 für beendet erklärt. In dem GenV zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Westmächten behielten sich die Westalliierten jedoch insbesondere „die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes" vor. Im Moskauer Vertrag zwischen der DDR und der Sowjetunion vom 20. September 1955 (Text: von Münch Dok. IS. 440) fehlt zwar ein ausdrücklicher Berlin-Vorbehalt, jedoch wurde der Vertrag, wie es in der Präambel heißt, „unter Berücksichtigung der Verpflichtungen, die die Deutsche Demokratische Republik und die Sowjetunion gemäß den bestehenden internationalen Abkommen, die Deutschland als Ganzes betreffen, haben", geschlossen. Zu diesen Abkommen gehören auch die für den besatzungsrechtlichen Berlin-Status maßgeblichen Viermächtevereinbarungen (vgl. Zivier, S. 181; Knörr, S. 43 ff). Mit der Besetzung der Westsektoren erwarben die Westmächte auf 9 Grund des völkerrechtlichen Titels der „occupatio bellica" originäre, von der Duldung der Sowjetunion unabhängige Besatzungsrechte in ganz Berlin, die sie gemeinsam mit der Sowjetunion in der dem AKR unterstellten AKB ausübten. Die Sowjetunion war nach der Eroberung Berlins zwar kurze Zeit tatsächlich alleinige Besatzungsmacht. Mit dem Einzug der Westmächte in Berlin verlor sie die sich aus der Eroberung ergebenden Rechte, ebenso wie die Westmächte ihre Besatzungsrechte in den von ihnen eroberten Teilen Deutschlands (Thüringen, SachsenAnhalt) verloren, als sie diese vereinbarungsgemäß der Sowjetunion überließen. Der entscheidende Passus der genannten Vereinbarungen (Londoner Protokoll vom 12. September 1944 mit Ergänzungsabkommen vom 14. November 1944, DBF Nr. 1 und 2), der Berlin als 5. Besatzungsgebiet ausweist, lautet in seiner Endfassung (nach dem Beitritt Frankreichs im Juli 1945, DBF Nr. 19): „Deutschland, innerhalb der Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestanden, wird zum Zwecke der Besetzung in vier Zonen eingeteilt, deren je eine einer der vier Mächte zugewiesen wird, und ein besonderes Berliner Gebiet, das gemeinsam von den vier Mächten besetzt wird."

10

De iure besteht der Viermächtestatus Gesamt-Berlins auch heute noch fort. Die nach dem Auszug des sowjetischen Vertreters aus der AKB auf Dreimächte-Basis in den Westsektoren weiterarbeitende AKB 6

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Art. 1

versteht sich nach der Erklärung der Kommandanten der Westsektoren von Groß-Berlin vom 21. Dezember 1948 (DBF Nr. 78) als identisch mit der Viermächte-Kommandantur, wenngleich die Durchführung ihrer Entscheidungen auf die Westsektoren beschränkt ist. In der genannten Erklärung heißt es zwar weiter, daß die Tätigkeit der Viermächte-Verwaltung wieder aufgenommen werden könnte, wenn die Sowjetbehörden sich zur Einhaltung der alliierten Abkommen entschlössen. Da die Sowjetunion ihre besatzungsrechtlichen Verwaltungsbefugnisse im Ostsektor bis auf wenige Residuen (s. Rdn. 12ff) aufgegeben hat, üben die Westmächte die Verwaltungsverantwortung in West-Berlin alleine aus, weil und solange sie daran gehindert sind, sie zusammen mit der Sowjetunion in Ost-Berlin auszuüben. Durch einseitige Erklärungen der Sowjetunion konnte der Viermächtestatus Gesamt-Berlins nicht beendet werden, da Gründe für eine Vertragsauflösung nicht gegeben waren und sind (Einzelheiten s. Zivier, S. 62ff). Die östliche Auffassung, nach der ganz Berlin nach dem Kriege terri- 11 torial zur Sowjetischen Besatzungszone gehörte und den westlichen Alliierten nur ein von der Sowjetunion abgeleitetes Recht auf Teilnahme an einer gemeinsamen Verwaltung eingeräumt war, ist mit dem klaren Wortlaut des Londoner Protokolls und den diesem beigefügten Karten unvereinbar (zum Viermächtestatus und zur Auseinandersetzung mit der östlichen Auffassung vor allem Riklin, Das Berlin-Problem, 1967, S. 244ff, 276ff; Zivier, S. 53 ff; D. Mahncke, Berlin im geteilten Deutschland, 1973, S. 77 ff, 84ff; Fijalkowski, S. 107 ff). Die daraus hergeleiteten Folgerungen, auf denen die östlichen, im Laufe der Zeit mehrfach geänderten Ansichten zum Rechtsstatus Berlins basieren, waren und sind zum Teil noch: territoriale Zugehörigkeit Gesamt-Berlins zur D D R , Widerrechtlichkeit der Ansprüche der Bundesrepublik Deutschland auf West-Berlin, Völkerrechtswidrigkeit des weiteren Verbleibens der Westmächte in Berlin (inzwischen aufgegeben), kein aus den Besatzungsrechten der Westmächte herzuleitendes Zugangsrecht nach Berlin (zur Zugangsproblematik vor Abschluß des ViermächteAbkommens vgl. Zivier, S. 163 ff). Nach den seit etwa Mitte der 60er Jahre von der Sowjetunion und der D D R vertretenen Ansichten wird von der faktischen Entwicklung West-Berlins zu einer selbständigen politischen Einheit ausgegangen, bezüglich derer die Sowjetunion ein Mitspracherecht beansprucht (vgl. die Schriften von Boldyrew, Westberlin und die europäische Sicherheit, 1973; Rschweski, Westberlinein politisches Gebilde sui generis, 1970; Wyssozki, Westberlin, 1974; weitere Nachweise, auch zur DDR-Literatur bei Knörr, S. 23 FN 33, S. 60 FN 6,7). 7

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Abschnitt I: Die Grundlagen

Überreste der Viermächteverwaltung bestehen im wesentlichen nur noch in der Alliierten Luftsicherheitszentrale (vgl. dazu und zu den weiteren Relikten aus der gemeinsamen Besatzungszeit — Bewachung des Spandauer Kriegsverbrechergefängnisses und des sowjetischen Ehrenmals, Militärmissionen - Zieger, Berlin-Fibel, 1975, S. 11 ff, 22ff) und in den Betriebsrechten an den Anlagen der Reichsbahn (sie!) einschließlich der Stadtbahn („S-Bahn") und Schleusen, die aus praktischen Erwägungen in ganz Berlin den Verwaltungsorganen der SBZ eingeräumt waren und später auf die D D R übergingen, wobei jedoch das Eisenbahngelände in West-Berlin der Verfügungsmacht allein der westlichen Alliierten unterliegt (Einzelheiten und weitere Nachweise s. Fijalkowski, S. 161 ff). 13 Besatzungsrechtliche Vorbehalte der drei Westmächte haben verhindert, daß West-Berlin formal die gleiche Rechtsstellung einnimmt wie die anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland (s. dazu Rdn. 22ff). 13 a Ost-Berlin hat in einzelnen Beziehungen ebenfalls einen auf Besatzungsrechten beruhenden Sonderstatus, dessen augenfälligster Ausdruck der ungehinderte Zugang von Militärpersonal, insbes. von Militärpatrouillen der Westalliierten in den östlichen Teil der Stadt und die Tatsache ist, daß der Ost-Berliner Luftraum in einem Umkreis von 20 Meilen um das Kontrollratsgebäude der Kontrolle der Alliierten Luftsicherheitszentrale unterliegt (Dokument vom 22. Oktober 1946, D B F Nr. 37). Nach ausdrücklicher Bestimmung gehört auch der Flugplatz Schönefeld zu den Flugplätzen unter alliierter Aufsicht (zur diesbezüglichen Rechtspraxis s. Zieger, Berlin-Fibel, S. 22). Auch auf staatsrechtlicher Ebene ist Ost-Berlin, wenn auch meist in verdeckter Form, Sonderregelungen unterworfen. So werden die Abgeordneten für die Volkskammer der D D R in Ost-Berlin nicht direkt gewählt, sondern von der S t W entsandt ( § 7 1 des Gesetzes über die Wahlen zu den Volksvertretungen der D D R vom 24. Juni 1976 — GBl. D D R I, S. 301 - in Verbindung mit dem Beschluß des Staatsrates der D D R über die Wahlkreise . . . vom 18. August 1976 - GBl. D D R I, S. 396). Die Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer gelten in OstBerlin erst nach Übernahme durch den Magistrat, wobei das Übernahmeverfahren immer mehr vereinfacht worden ist: Bis Ende 1976 war es Praxis, im Verordnungsblatt für Groß-Berlin die Texte der übernommenen Rechtsvorschriften nicht mehr abzudrucken, sondern nur noch mit ihrer Fundstelle im DDR-Gesetzblatt zu bezeichnen. (Das VOB1. für Groß-Berlin ist allerdings seitdem nicht mehr erschienen, so daß über die Fortdauer des Übernahmeverfahrens Ungewißheit besteht; ferner ist für den Namen der Stadtverwaltung und des Stadtgerichts im

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Mai 1977 der Zusatz „von Groß-Berlin" durch „von Berlin, Hauptstadt der D D R " ersetzt worden.) Daß in Ost-Berlin das StaatsbürgerschaftsG der D D R zwar übernommen, das auch in der BRep. einschl. Berlin (West) geltende RuStAngG von 1913 aber anders als im übrigen Bereich der D D R nicht aufgehoben worden ist (vgl. § 2 ÜbernahmeVO vom 17. März 1967 - VOB1. für Groß-Berlin I, S. 345 - i. V. m. § 19 II StaatsbürgerschaftsG der D D R vom 20. Februar 1967 - GBl. D D R I, S. 3), kennzeichnet ebenfalls die Sonderstellung, die Ost-Berlin innerhalb der D D R einnimmt. Auch bei der Erteilung von Visa für Deutsche mit Wohnung in West- 1 3 b deutschland und für Ausländer und Staatenlose besteht für die Einreise nach Ost-Berlin ein gegenüber der Einreise in die D D R vereinfachtes Verfahren (zur geänderten Rechtspraxis für Ausländer und Staatenlose seit Januar 1977 s. Zivier S. 87; zur neueren Rechtsentwicklung in OstBerlin s. ferner Zieger, Berlin-Fibel, S. 48ff; Kipke RuP 1976, 23; D. Mahncke, Berlin im geteilten Deutschland, 1973, S. 49ff; grundlegend: Mampel, Der Sowjetsektor von Berlin, 1963). Das Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 (Bulletin 1971, 14 S. 1360), in den Ostblockstaaten als „Vierseitiges Abkommen über West-Berlin" apostrofiert, schafft keinen neuen Berlin-Status. Es wurde geschlossen auf der Grundlage der „Viermächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten und der entsprechenden Vereinbarungen und Beschlüsse der Vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die nicht berührt werden" (Abs. 3 der Präambel) und dient der Regelung praktischer Fragen zur Beseitigung von Konflikten. Drei Grundprinzipien sind für das Vertragswerk bestimmend: 1. Fortbestand der individuellen und gemeinsamen Rechte (Nr. 3 der Allgemeinen Bestimmungen, Abs. 3 der Präambel), 2. Berücksichtigung und keine einseitige Veränderung der bestehenden Lage (Nr. 4 der Allgemeinen Bestimmungen, Abs. 4 der Präambel), 3. Vorbehalt der unterschiedlichen Rechtsauffassungen (Nr. 4 der Allgemeinen Bestimmungen, Abs. 6 der Präambel). Mit dem Abschluß des Viermächte-Abkommens wurde die besät- 15 zungsrechtliche Stellung der Westmächte in Berlin von der Sowjetunion grundsätzlich zwar bestätigt. Welche Rechte und Verantwortlichkeiten im einzelnen bestätigt wurden, geht wegen des Vorbehalts der unterschiedlichen Rechtsauffassungen aus dem Vertragstext nicht klar hervor. Insbesondere konnte keine ausdrückliche Einigung über die räumliche Abgrenzung des Verhandlungsobjektes erzielt werden. Für die westliche Auffassung, nach der sich das Abkommen auf ganz Berlin erstreckt, spricht vor allem der Aufbau des Vertragswerkes. Während in der Präambel und in den Allgemeinen Bestimmungen (Teil I) 9

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der Ausdruck „betreffendes Gebiet" verwendet wird, bezieht sich Teil II ausdrücklich nur auf die Westsektoren und impliziert damit, daß OstBerlin lediglich von diesem Teil nicht betroffen wird (vgl. Kenneth Rush E A 1972, D 54ff). Für die Einbeziehung Ost-Berlins in das Abkommen spricht ferner, daß sich die im Abkommen in Bezug genommenen Rechte und Verantwortlichkeiten und entsprechenden Vereinbarungen und Beschlüsse der vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit immer nur auf Groß-Berlin bezogen haben und daß außerdem die Bestimmungen des Allgemeinen Teils weitgehend überflüssig wären, wenn sie nur West-Berlin beträfen (zur Problematik im einzelnen s. Zivier, S. 198ff; Knörr, S. 17 ff). 16

Die praktischen Regelungen, die in Teil II des Abkommens enthalten sind, betreffen vier Bereiche: 1. ziviler Personen- und Güterverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin auf Straßen-, Schienen- und Wasserwegen, 2. Bindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik Deutschland, 3. Besuchsmöglichkeiten und andere Verbesserungen für West-Berliner und Gebietsaustausch, 4. Vertretung der Interessen West-Berlins im Ausland und konsularische Tätigkeit der Sowjetunion in West-Berlin. Dazu sind in den Anlagen I bis IV konkretere Regelungen enthalten. Die deutschen Ausführungsvereinbarungen zu den Fragen 1. Transitverkehr, 2. Reise- und Besuchsverkehr für West-Berliner in die D D R , 3. Gebietsaustausch, 4. Verbesserung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Texte bei v. Münch, Dok. II, S. 123ff, 558ff, 570ff, 234ff) werden im Schlußprotokoll mit den anderen Teilen des Viermächte-Abkommens zusammengebunden. Dem Vertragswerk sind ferner folgende Dokumente beigefügt: 1. Interpretationsbrief der Westmächte an den Bundeskanzler (betr. einzelne Bindungen West-Berlins an die Bundesrepublik Deutschland), das von der Sowjetunion offiziell zur Kenntnis genommen wurde; 2. Vereinbartes Verhandlungsprotokoll I über Reisedokumente der Bewohner West-Berlins; 3. Vereinbartes Verhandlungsprotokoll II über sowjetische Tätigkeiten in West-Berlin; 4. Interpretationsschreiben der Westmächte an den Bundeskanzler 10

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(betr. den allgemeinen Status Berlins), das der Sowjetunion nicht offiziell mitgeteilt wurde. Zur rechtlichen Qualifikation der Dokumente im einzelnen und zum Komplex der innerdeutschen Ausführungsvereinbarungen s. Zivier S. 174 ff, 184 ff. Teil II des Abkommens ist nicht in der für Völkerrechtsverträge üblichen Form gefaßt. Er enthält einseitige Erklärungen der Sowjetunion (betr. den Zugang durch das Territorium der DDR und Besuchsmöglichkeiten und andere Verbesserungen für West-Berliner) und einseitige Erklärungen der Westmächte (betr. Bindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik). In einseitige Mitteilungen sind auch die Anlagen I bis III gefaßt, nur Anlage IV betr. Außenvertretung hat die Form eines Vertrages (Notenwechsel). Damit ist den faktisch geteilten Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen der Besatzungsmächte Rechnung getragen worden, die gegenseitig anerkannt wurden. Ein Mitspracherecht der Sowjetunion hinsichtlich West-Berlins, das über die Zusagen der Westmächte im Viermächte-Abkommen hinausgeht, besteht nicht (vgl. Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins nach dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971,1975, S. 66f). Auf Grund der fortbestehenden Gebietshoheit der Westmächte in West-Berlin und auf Grund und im Rahmen der Souveränitätsvorbehalte der Westmächte gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion gegenüber der DDR (s. oben Rdn. 8) ist anzunehmen, daß die Westmächte und die Sowjetunion im Viermächte-Abkommen Verfügungen treffen konnten, die für die deutschen Staatsorgane verbindlich sind (vgl. Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht [1975], S. 106; Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins nach den Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971, S. 68ff; Zivier, S. 180ff). Die Einhaltung dieser Anordnungen kann jedoch nur die jeweilige Besatzungsmacht verlangen. Rechtspflichten zwischen der Bundesrepublik Deutschland samt West-Berlin und der DDR samt Ost-Berlin sind außerhalb des Komplexes der deutschen Ausführungsvereinbarungen und der diese tragenden Bestimmungen des Viermächte-Abkommens nicht begründet worden (Zivier, S. 184). Zu den Regelungen des Abkommens, die die Bindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik allgemein betreffen, vgl. Rdn. 22ff. Zu den statusrelevanten Einzelregelungen vgl. Rdn. 38ff. Zum Gebietsaustausch vgl. Art. 4, Rdn. 6. Die Ausübung der obersten Gewalt durch die AKB in West-Berlin erfolgt nach den in der Erklärung vom 5. Mai 1955 BKC/L (55) 3 (GVBL, S. 335) festgelegten Regeln, durch die das sog. Kleine Besatzungsstatut vom 14. Mai 1949 aufgehoben wurde. Danach übt Berlin 11

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seine Rechte, Machtbefugnisse und Verantwortlichkeiten nach der VvB lediglich unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Vorbehalte der Alliierten aus. Die alliierten Behörden behalten sich jedoch das Recht vor, Maßnahmen, falls notwendig, „zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen, zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und zur Erhaltung des Status und der Sicherheit Berlins, seiner Wirtschaft, seines Handels und seiner Verbindungslinien" zu treffen (Art. II). Sie verpflichten sich, Machtbefugnisse „normalerweise" nur auf den sog. vorbehaltenen Gebieten auszuüben. Dazu zählen: Sicherheit, Interessen und Immunität der Alliierten, Abrüstung und Entmilitarisierung, zivile Luftfahrt, Beziehungen Berlins zu ausländischen Behörden, Deckung der Besatzungskosten, Befehlsbefugnis über die Berliner Polizei, soweit sie zur Gewährleistung der Sicherheit Berlins notwendig ist. Außerdem wird bekräftigt, daß Berlin die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland übernehmen darf, insbesondere die Gesetzgebung über „Währung, Kredite und Devisen, Staatsangehörigkeit, Reisepässe, Ausund Einwanderung, Auslieferung, Vereinheitlichung der Zoll- und Handelsgebiete, Handels- und Schiffahrtsabkommen, Freiheit des Güterverkehrs sowie Außenhandels- und Zahlungsabkommen" (Art. IV; diese Zusicherung stimmt überein mit derjenigen, die im Schreiben der drei Hohen Kommissare an den Bundeskanzler vom 26. Mai 1952 i. d. F. des Briefes vom 23. Oktober 1954 - BGBl. 1955 II, S. 500 enthalten ist). Bei Verstoß gegen die alliierte Gesetzgebung oder gegen die in der Erklärung vom 5. Mai 1955 festgelegten Rechte der alliierten Behörden kann die Berliner Gesetzgebung einschließlich der Gesetzgebung zur Übernahme des Bundesrechts (s. unten Rdn. 47) aufgehoben oder für nichtig erklärt werden (Art. VII). Durch verschiedene, gemäß Art. VI der Erklärung aufrechterhaltene alliierte Rechtsvorschriften sind insbesondere den deutschen Gerichten bestimmte Beschränkungen z. B. bei der Verfahrensbeteiligung von Angehörigen der Besatzungsmacht oder der Auslegung alliierter Anordnungen auferlegt. Die Einwohnerregistrierung richtet sich ebenfalls nach alliierten Vorschriften (weitere Einzelheiten s. Zivier, S. 75f). In einer Anordnung vom 30. September 1974 B K / O (74) 11 (GVB1., S. 2576) hat die A K B nochmals betont, daß die von der Bundesrepublik Deutschland übernommenen Gesetze und auf Berlin ausgedehnten Verträge auch ohne ausdrückliche Vorbehalte seitens der A K B die Rechte und Verantwortlichkeiten der Alliierten und die alliierte Gesetzgebung nicht berühren und daß die Berliner Behörden und Dienststellen die alliierte Gesetzgebung strikt zu befolgen haben. 21

Trotz der fortbestehenden Gebietshoheit der Alliierten in WestBerlin üben die deutschen Staatsorgane ursprüngliche deutsche Staats12

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gewalt aus, die durch das Besatzungsrecht lediglich beschränkt ist. Die Besatzungsgewalt in Deutschland war und ist Fremdherrschaft. Die deutsche Staatsgewalt beruht nicht auf einer Rückübertragung durch die Besatzungsmacht, sondern lebt in dem Maße auf, in dem sie durch den A b b a u der Besatzungsgewalt freigegeben ist (vgl. Maunz M D H S , Präambel, R d n . 27, jedoch nicht unstreitig; zur Rechtsstellung der Besatzungsmächte in Deutschland s. ausführlich Schenk, Die Viermächteverantwortung für Deutschland als Ganzes, insbes. deren Entwicklung seit 1969, 1976, S. 3 ff). Auch die Tätigkeit der deutschen Staatsorgane auf den vorbehaltenen Gebieten ist Ausübung deutscher Staatsgewalt (Zivier S. 73). C. Berlin (West) als Land der Bundesrepublik

Deutschland

Nach den übereinstimmenden Regelungen der VvB und des G G ist Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland. D e r Berliner Verfassungsgeber hat seinen Willen in Art. 1 II klar 2 2 formuliert. Art. 1 III, der hervorhebt, daß das G G und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland für Berlin bindend sind, zieht aus dem in Abs. 2 konstatierten Bund-Land-Verhältnis eine normalerweise selbstverständliche Folgerung und kann nur als Bekräftigung des Willens zur lückenlosen Eingliederung Berlins in den Bund verstanden werden. Obwohl Art. 87 I bestimmt, daß Art. 1 II und III erst in Kraft treten, „sobald die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen unterliegt" und obwohl das G G in Berlin nur beschränkt anwendbar ist (s. dazu unten Erl. R n d . 38 ff), ist die Bundeszugehörigkeit Berlins auf Grund des Art. 87 I nicht aufgeschoben. D e r Berliner Verfassungsgeber wollte die Stellung Berlins im Bund in Übereinstimmung mit dem G G beschreiben. Mit Art. 87 I sollte die Rechtslage gekennzeichnet werden, die auf Grund des Besatzungsvorbehalts zum G G vermeintlich bestand ( S t B - S t W II/S. 530). In den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde der im Genehmigungsschreiben zum G G enthaltene Besatzungseingriff allgemein dahin verstanden, daß die Mitgliedschaft Berlins im Bund vorerst aufgeschoben sei (vgl. dazu Finkelnburg JuS 1967, 544 m. w. N.). Danach erhält die Bestimmung des Art. 87 insgesamt ihren Sinn als Vorsorgeregelung für eine weitestgehende Anbindung Berlins an den Bund in der Übergangszeit. Eine nach dem G G bereits bestehende Bundeszugehörigkeit Berlins sollte nach dem Willen des Berliner Verfassungsgebers jedenfalls nicht gemindert werden. O b eine vom G G abweichende Statusregelung nach dem Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker überhaupt möglich gewesen wäre 13

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(so Doehring S. 10; andeutungsweise auch Draht AöR 82, 36), kann daher ebenso dahinstehen wie die Frage, ob Art. 87 eine vom Willen des Berliner Verfassungsgebers getragene oder auf Wunsch der Besatzungsmächte eingefügte Bestimmung ist (letzteres nehmen an BVfGE 7, 1; Draht aaO S. 36). 23 Nach Art. 23 Satz 1 GG gehört Groß-Berlin zu den Ländern, in denen das GG zunächst gilt. Damit ist nach heute h. M. ausgesagt, daß Berlin zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört und deren Gliedstaat ist (vgl. z. B. Maunz, MDHS, Art. 23, Rdn. 5; a. A. Dennewitz, BK Art. 1, Anm. II 1). 24 Obwohl das GG mit dem Ausdruck Groß-Berlin Gesamt-Berlin meint, besteht in Theorie und Praxis, wenn zumeist auch unausgesprochen oder ohne Begründung, Einigkeit, daß nur der westliche Teil Berlins Land der Bundesrepublik Deutschland geworden sein kann. Das BVfG hat in seinen den Status Berlins betreffenden Entscheidungen zu dieser Frage nicht Stellung genommen. In Auslegung des BWG und auf die sonstige Terminologie des Bundesgesetzgebers verweisend hat es den Begriff „Land Berlin" jedoch ausdrücklich auf die westlichen Sektoren der Stadt beschränkt (BVfGE 5, 2, 7). Im Grundlagenvertragsurteil (BVfGE 36, 1, 16f) heißt es zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland: „Die Bundesrepublik umfaßt also, was ihr Staatsvolk und ihr Staatsgebiet anlangt, nicht das ganze Deutschland, unbeschadet dessen, daß sie ein einheitliches Staatsvolk des Völkerrechtssubjekts .Deutschland' (Deutsches Reich), zum dem die eigene Bevölkerung als untrennbarer Teil gehört, und ein einheitliches Staatsgebiet .Deutschland' (Deutsches Reich), zu dem ihr eigenes Staatsgebiet als ebenfalls nicht abtrennbarer Teil gehört, anerkennt. Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den .Geltungsbereich des Grundgesetzes' . . ., fühlt sich aber auch verantwortlich für das ganze Deutschland . . . Derzeit besteht die Bundesrepublik aus den in Art. 23 GG genannten Ländern, einschließlich Berlin; der Status des Landes Berlin der Bundesrepublik Deutschland ist nur gemindert und belastet durch den sog. Vorbehalt der Gouverneure der Westmächte."

Die Formulierung des BVfG, daß die Bundesrepublik Deutschland derzeit aus den in Art. 23 Satz 1 GG genannten Ländern bestehe, ist, da sie nicht nur ungenau (betr. Groß-Berlin und die nicht mehr bestehenden Länder Baden, Württemberg-Baden und WürttembergHohenzollern), sondern auch unzutreffend (betr. das in Art. 23 Satz 1 GG nicht genannte Land Baden-Württemberg und das Saarland) ist, zur Umschreibung des Bundesgebietes untauglich. Weil wegen der faktischen Abtrennung Ost-Berlins die grundgesetzliche Ordnung von Anfang an nur in West-Berlin wirksam werden konnte und weil sich das GG selbst zum Effektivitätsprinzip bekannt hat, konnte von dem einheit14

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liehen Staatsgebiet Deutschland und der einheitlichen Gebietskörperschaft Groß-Berlin nur West-Berlin in das Bundesgebiet einbezogen werden (so auch Maunz MDHS, Art. 23, Rdn. 30; Schuster, Deutschlands staatliche Existenz im Widerstreit politischer und rechtlicher Gesichtspunkte, 1963, S. 106; Rumpf, Land ohne Souveränität, 2. Aufl., 1973, S. 139; Hoffmann in Kieler Symposium, S. 232; Fijalkowski, S. 105; auf die fehlende Zustimmung der Sowjetunion zur Einbeziehung Ost-Berlins in die Bundesrepublik Deutschland, auf die im Schrifttum z. T. abgestellt wird - Schrifttumsnachweise bei Knörr S. 97 - käme es nur dann an, wenn die Besatzungsmächte Inhaber der territorialen Souveränität wären, dazu s. unten Rdn. 33). Die Erwähnung Groß-Berlins in Art. 23 Satz 1 G G und die gleichzeitige Beschränkung des Bundesgebietes auf den tatsächlichen Geltungsbereich des G G lassen sich am ehesten aus der historischen Situation erklären: Zur Zeit des Inkrafttretens des G G war die Teilung Berlins noch nicht in der gegenwärtigen Weise erfolgt (vgl. auch v. Münch, Art. 23, Rdn. 7; Maunz MDHS, Art. 23, Rdn. 30; Tomuschat, D Ö V 1973,805). An der verfassunggebenden Gewalt des Parlamentarischen Rates für Berlin kann nicht deshalb gezweifelt werden, weil die westlichen Militärgouverneure nur die Ministerpräsidenten der Länder, nicht aber den Oberbürgermeister von Berlin zur Einberufung des Parlamentarischen Rates ermächtigt hatten (unzutr. Hamann/Lenz, Anm. B 3). Nicht die Besatzungsmächte, sondern das deutsche Volk waren Träger des pouvoir constituant (Draht A ö R 82, 53). Der Einbeziehung Berlins in den Bund steht nicht entgegen, daß Berlin nicht in der Präambel des GG erwähnt ist. Die Präambel umschreibt nicht das Bundesgebiet, sondern zählt die Länder auf, in denen das deutsche Volk das G G beschlossen hat, wobei die Beschreibung historisch ungenau ist: Berliner Abgeordnete wirkten im Parlamentarischen Rat - allerdings ohne Stimmberechtigung - mit, die Berliner S t W stimmte am 19. 5. 1949 dem G G zu (zur Entstehungsgeschichte des G G ausführlich Finkelnburg JuS 1967, 543). Auch Art. 144 II GG, der davon ausgeht, daß die Anwendung des GG in einem der in Art. 23 G G aufgeführten Länder oder Landesteile - gemeint ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung das Land Berlin — Beschränkungen unterliegen könne, enthält selbst keine Einschränkung der Mitgliedschaft Berlins im Bund (h. M.; ausführlich Draht A ö R 82, 33 ff), sondern sichert im Hinblick auf die vom Parlamentarischen Rat erwarteten Einsprüche die Mitwirkung der Vertreter Berlins im B T und BR. Anordnungen und Erklärungen der Westmächte: In ihrem Genehmi15

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gungsvorbehalt zur VvB vom 29. August 1950 B K / O (50) 75 (VOB1. S. 440), der nach Art. I der Erklärung über Berlin vom 5. Mai 1955 (s. oben Rdn. 20) weiterhin gültig ist, hat die A K B Art. 1 II und III „zurückgestellt" und erklärt, daß „während der Übergangsperiode Berlin keine Eigenschaften eines zwölften Landes" haben wird. Der Berlin betreffende Genehmigungsvorbehalt zum G G , der in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure vom 12. Mai 1949 enthalten ist, lautet in deutscher Übersetzung ( D B F Nr. 94): „Ein dritter Vorbehalt betrifft die Beteiligung Groß-Berlins am Bund. Wir interpretieren den Inhalt der Artikel 2 3 und 1 4 4 Abs. 2 des Grundgesetzes dahin, daß er die A n n a h m e unseres früheren Ersuchens darstellt, demzufolge Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft im Bundestag oder im Bundesrat erhalten und auch nicht durch den Bund regiert werden wird, daß es jedoch eine beschränkte Anzahl Vertreter zur Teilnahme an den Sitzungen dieser gesetzgebenden Körperschaften benennen darf."

In den früheren Ersuchen an den Parlamentarischen Rat, auf die in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens Bezug genommen wird, war lediglich angekündigt worden, „daß mit Rücksicht auf die gegenwärtige Lage der Teil des Art. 22 (des heutigen Art. 23), der sich auf Berlin bezieht, suspendiert werden" müsse und daß nicht zugestimmt werden könne, „daß Berlin als ein Land in die ursprüngliche Organisation der Bundesrepublik Deutschland einbezogen" werde (Noten vom 2. März und 22. April 1949, D B F Nr. 84 und 85). Der in dem Genehmigungsschreiben zum G G enthaltene Vorbehalt ist, wie in dem Schreiben der drei Hohen Kommissare an den Bundeskanzler vom 26. Mai 1952 i. d. F. des Briefes X vom 23. Oktober 1954 ( B G B l . 1955 II, S. 5 0 0 ) ausdrücklich klargestellt worden ist, gemäß Art. 2 des Deutschland-Vertrages weiterhin gültig. Die Westmächte haben ihre Ansicht zur Rechtsstellung Berlins in mehreren Erklärungen und Anordnungen aus der Zeit von 1949 bis 1952 (vgl. die Nachweise bei Finkelnburg JuS 1967, 544, FN 27 ff), vor allem in dem Einspruch der A K B gegen die Übernahme des B V G G nach Berlin vom 20. Dezember 1952 ( D B F Nr. 97) zum Ausdruck gebracht. Deutlich formuliert haben sie sie sodann erst wieder in dem aus Anlaß der Niekisch-Entscheidung des B V f G ergangenen Schreiben der A K B an den R B und den PrAvB vom 24. Mai 1967 (NJW 1967, 1742). Im Viermächte-Abkommen haben die Westmächte in Teil II B erklärt, „daß die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden, wobei sie berücksichtigen, daß diese Sektoren so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil) der Bundesrepublik Deutschland sind und auch weiterhin nicht von ihr regiert w e r d e n . "

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Dem ist in Anlage II 1 der Satz hinzugefügt: „Die Bestimmungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der in den Westsektoren befindlichen Verfassung, die zu dem Vorstehenden in Widerspruch stehen, sind suspendiert worden und auch weiterhin nicht in Kraft."

Das BVfG hat auch nach Inkrafttreten des Viermächte-Abkommens 2 7 mit Bindungswirkung für alle Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden des Bundes und der Länder (BVfGE 36, 1, 17, 32 - Grundlagenvertrag; ferner B V f G E 37, 57 - Brückmann-Entscheidung) an seiner in der Entscheidung B V f G E 7, 1 begründeten Auffassung festgehalten, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland sei, dessen Status durch den Genehmigungsvorbehalt zum G G dahin modifiziert worden sei, daß es durch den Bund nicht regiert („governed") werden dürfe und keine Stimmberechtigung in B T und BR habe. Ausgehend von der gewollten Geltung des G G für Berlin hat es im Anschluß an die Abhandlungen von Draht (insbesondere A ö R 82, 27 ff) den Genehmigungsvorbehalt zum G G als eine von den deutschen Gerichten zwar zu beachtende Maßnahme angesehen, bei der aber zu fragen sei, welchen Wirkungsgrad sie habe. Entscheidend sei, was in dem Schreiben objektiv und für den deutschen Partner erkennbar zum Ausdruck gekommen sei. Im Genehmigungsschreiben hätten die Westmächte Art. 23 Satz 1 G G weder ausdrücklich suspendiert noch eine ausdrückliche Feststellung getroffen, daß Berlin nicht in die ursprüngliche Organisation der Bundesrepublik einbezogen sei. Der für die VvB ausgesprochene Vorbehalt könne, da die A K B nur für Berlin zuständig sei, nicht als Eingriff gewertet werden, der die Geltung des G G mit Bezug auf Berlin weiter einschränke, als sich aus dem Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum G G ergebe. Von seinem Standpunkt aus konsequent hat das BVfG sich mit den späteren Interpretationen des Genehmigungsvorbehaltes, vor allem den Erklärungen der Westmächte im Viermächte-Abkommen, nicht auseinandergesetzt. Nach der von Draht (AöR 82, 48) näher begründeten Auffassung ist mit der Qualifizierung des alliierten Vorbehaltes als „Maßnahme" gesagt, daß sie einer authentischen Interpretation durch die Besatzungsmächte unzugänglich ist. Die Staatspraxis ist seit Ende der 50er Jahre davon ausgegangen, 2 8 daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland mit den sich aus den Besatzungsvorbehalten ergebenden Einschränkungen ist (zur Rsp. der Bundesgerichte vgl. Delbrück in Kieler Symposion, S. 214; ferner Denkschrift SvB, S. 2; zur ausländischen Staatspraxis: Tribunal de Grande Instance de la Seine, NJW 1968,1590). Im westdeutschen Schrifttum wird die sog. Integrationstheorie mit 2 9 17

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zum Teil vom B V f G abweichender Begründung vertreten. Kreutzer (Die Rechtsstellung Berlins, Berliner Forum, 1968, S. 22) bejaht den Bundeslandcharakter Berlins, weil nach deutschem Rechtsverständnis die Beziehungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne die denknotwendige Voraussetzung der de-jure-Mitgliedschaft im Bund vorstellbar seien. Finkelnburg (NJW 1974, 1969) nimmt an, daß trotz ursprünglicher Suspension des Art. 23 G G die seit dem Jahre 1957 im Bund, in Berlin und in den übrigen Bundesländern praktizierte Entscheidung des B V f G zu einem gewohnheitsrechtlichen Bestandteil des Bundes und Berlins geworden sei, so daß die staatsrechtliche Zugehörigkeit Berlins zum Bund außer Frage stehe. Demgegenüber geht die sogenannte „Als-Ob-Theorie" (begründet von Wengler, Festschrift für Leibholz, S. 939, ders. EvStL Art. „Berlin"; ders. J Z 1974, 528) davon aus, daß die Bundesrepublik Deutschland und Berlin staats- und völkerrechtlich noch nicht wiedervereinigte Teile Deutschlands seien, die sich in dem Ausmaß, in dem die westlichen Alliierten dies zulassen, so verhalten dürften, als ob Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland sei. (Eine verfassungsrechtliche Pflicht zu einem solchen Verhalten wird für den Bund aus dem Wiedervereinigungsgebot hergeleitet, für Berlin wird auf den freien politischen Willen der Berliner abgestellt; vgl. auch Schachtschneider J R 1975, 223; Uhlitz D Ö V 1968, 524; Lerche, B V f G - Festgabe I, S. 724, der für Bund und Berlin eine „allgemeine Anstrengungs- und Bemühenspflicht" aufgrund der beschränkten Geltung des G G in Berlin annimmt.) Bei den neuerdings häufiger vertretenen „Assoziationstheorien" handelt es sich zumeist darum, eine plakative Bezeichnung für die als ein Bündel von Einzelbeziehungen unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene vorgestellten Bindungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland zu finden, wiewohl eine vertragliche Grundlage für die Annahme eines Assoziationsverhältnisses zum Teil vermißt wird (vgl. Knörr, S. 162; Kloss, Vereinte Nationen, 1972, 117; ferner Fahrni, Die Assoziation von Staaten mit anderen Staaten, 1968, S. 99ff; Gascard, DA 1 9 7 2 , 1 1 5 8 ; Menzel, D Ö V , 1 9 7 2 , 1 ) . Die Vertreter der Theorie eines „Gliedstaates sui generis" gehen von der durch Besatzungsrecht geprägten Sonderstellung Berlins im Bund aus, führen aber die bestehenden Bindungen auf ein Rechtsverhältnis besonderer Art zurück, das neben einem potentiellen bundesstaatlichen Grundkern einzelne staatenbundliche Elemente aufweise (Maunz, DStR, S. 406; ähnlich Zivier, S. 136). Auch wenn man nicht wie das B V f G auf den objektiven Erklärungswert des alliierten Vorbehaltes zum G G oder wie Finkelnburg auf Verfassungsgewohnheitsrecht abstellt, sondern auf den mehrfach, zuletzt im 18

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Art. 1

Viermächteabkommen zum Ausdruck gebrachten Willen der Westmächte, ergibt sich, daß Berlin dem Bund kraft eines Verfassungsrechtsverhältnisses zugehört, das Teil der im Viermächteabkommen garantierten Bindungen ist (ähnlich auch Ress, Der Staat 1972, 27,44 FN 72, der von einer aufschiebend bedingten Zugehörigkeit Berlins zum Bund ausgeht; zum Begriff der „Bindungen" s. Zivier, S. 211 ff; Knörr, S. 128 ff). Hierbei wird unterstellt, daß es für die staats- und völkerrechtliche Beurteilung des Verhältnisses Berlins zum Bund auf den Inhalt der Erklärungen der Westmächte überhaupt ankommt. Weil die Besatzungsmacht nach allgemeinem Völkerrecht nur Inhaber der obersten Gewalt, nicht aber Inhaber der territorialen Souveränität ist, könnte zweifelhaft sein, ob von ihren Entscheidungen die staatliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit von Teilen des besetzten Gebietes abhängig sein kann (vgl. Röper DA 1971, 801, 1130; ferner von Münch in Internationales Recht und Diplomatie, 1972, 143ff; ders. in Kieler Symposion S. 244; Fijalkowski S. 119; auch Draht AöR 82, S. 49ff; von der Verbindlichkeit der „Status"-Bestimmungen des Viermächte-Abkommens gehen aus z. B. Doehring in Doehring/Ress, Staats- und völkerrechtliche Aspekte der Berlin-Regelung, 1972, S. 4; Kimminich, Die Friedenswarte, 1974, 9 ff, FN 5; Wilke, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik, 1976, S. 88; Verbindlichkeit nur für Berlin nimmt an Knörr, S. 110; für staatsrechtliche Unverbindlichkeit - allerdings aufgrund anderer Erwägungen — Finkelnburg NJW 1974,1970). Die Formulierung des Viermächte-Abkommens, daß die Westsekto- 34 ren „so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil)" - in den Originaltexten der Westmächte „constituent part" und „élement constitutif" - seien, schließt einen staatlichen Zusammenhang zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland nicht aus. Sie läßt die Deutung zu, daß die Westsektoren nur nicht vollgültig in die Verfassungsorganisation der Bundesrepublik Deutschland einbezogen sind und nicht die gleiche Rechtsstellung haben wie die anderen Bundesländer (in diesem Sinne Erklärung der Bundesregierung, Bulletin 1971, S. 1372; Baumeister RuP 1973, 139ff; Carstens, Festschrift für Scheuner, S. 73ff; Zivier S. 215 f; a. A. auch einige Vertreter des westlichen Schrifttums, die die Begriffe „konstitutiver Teil" und „Teil" gleichsetzen, z. B. Külz DuR 1974, 277; nach den auf unveröffentlichte Quellen gestützten Angaben von Doeker/Melsheimer/Schröder RuP 1973, 85 hat sich der Verhandlungsvorschlag der Sowjetunion, daß Berlin kein „Teil" der Bundesrepublik Deutschland sei, nicht durchsetzen können). Die Richtigkeit der o. g. Deutung ergibt sich aus der Bezugnahme auf den bisherigen Zustand („wie bisher"): 19

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Abschnitt I: Die Grundlagen

Mit dem „govern-Vorbehalt" zum GG wollten die Westmächte den Berlin betreffenden Teil des Art. 23 Satz 1 GG ebenso suspendieren wie sie Art. 1 II und III VvB suspendiert haben (Anl. II 1 des ViermächteAbkommens; ferner Erklärung der Bundesregierung, Bulletin 1971, S. 1379 m. w. N.). Damit haben sie jedoch im Rahmen der obersten Gewalt gehandelt, die ihnen nach allgemeinem Völkerrecht zukommt, da sie keine über die Sicherung ihrer eigenen besatzungsrechtlichen Stellung hinausgehende Befugnis zu Eingriffen in die Deutsche Verfassungsgebung und zur Regelung territorialer Fragen in Anspruch genommen haben. Aufgehoben werden sollte nicht der die Zugehörigkeit Berlins zum Bund gründende Verfassungsakt - Art. 23 Satz 1 GG - , einstweilen aufgeschoben werden sollte vielmehr nur die Realisierung des Status eines Bundeslandes. Das ergibt sich schon daraus, daß die Westmächte ihre Genehmigung zum Inkrafttreten des GG und der VvB von einer Streichung oder Abänderung der Berlin in den Bund einbeziehenden Vorschriften nicht abhängig gemacht haben. Mit ihrem Willen ist Art. 23 Satz 1 GG potentiell geltendes Recht, das für den Status Berlins allein maßgeblich ist, wenn die Besatzungsrechte wegfallen. Berlin (West) braucht daher dem Bund nicht mehr beizutreten. Bei Aufgabe der besatzungsrechtlichen Vorbehalte fällt es nicht in einen rechtsleeren Raum, sondern nimmt automatisch die gleiche Rechtsstellung ein wie die anderen Bundesländer (so auch Rauschning/Oppermann/Stern in Finis Germaniae, Symposion 1977, S. 38, 43; Wengler JZ 1974, 528; Zivier, S. 220; a. A. Wilke, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik, 1976, S. 81). Vom Prinzip her und ihrem Wesen nach sind die Besatzungsrechte vorläufiger Natur. Daran ändert auch nichts das Viermächte-Abkommen, das allerdings klarstellt, daß die Aufgabe der besatzungsrechtlichen Vorbehalte bezüglich Gesamt-Berlins nur mit Zustimmung aller vier Mächte zulässig ist (zur verfassungsrechtlichen Problematik des Viermächte-Abkommens und der von Doehring/Ress, Staats- und völkerrechtliche Aspekte der Berlin-Regelung, 1972, S. 6ff, 44ff, vertretenen These von der verfassungswidrigen Mitwirkung der Bundesregierung am Zustandekommen des Viermächte-Abkommens s. Zivier, S. 190ff). Alleiniges Ziel der besatzungsrechtlichen Vorbehalte war es, die juristische Basis für die Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes zu sichern, auf dem Freiheit und Sicherheit Berlins beruhen (Rush, EA, 1972, D 54ff, 57). Wenn Berlin den vollen Status eines Bundeslandes ohne jede Einschränkung erlangt hätte, wäre die oberste Gewalt der AKB verlorengegangen, die jedoch wegen des fortbestehenden Viermächtestatus nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb sind Verfahren entwickelt worden, die es der AKB gestatten, durch Rückgriff auf die 20

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dem Besatzungsstatus unterworfenen Berliner Organe die Ausübung von Bundesstaatsgewalt unter Kontrolle zu halten und gegebenenfalls rückgängig zu machen. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem BVfG und den 3 5 Westmächten zum Status Berlins beruhen darauf, daß es für die Bundesrepublik Deutschland, die sich als teilidentisch mit dem Deutschen Reich versteht (BVfGE 36,1; zur Kritik an der Teilidentitätsrechtsprechung z. B. Scheuner D Ö V 1973, 583) weder ausgeschlossen ist, daß ihr ein Gebiet zugehört, das nur bedingt den vollen Status eines Bundeslandes hat (vgl. für das Deutsche Reich und Elsaß-Lothringen Art. 6 a RV), noch ausgeschlossen ist, daß ihr ein Land zugehört, über das sie die oberste Gewalt noch nicht erlangt hat und in dem Bundesstaatsgewalt nur in dem von der AKB zugelassenen Umfang wirksam werden kann (das bestätigt Art. 144 II GG). Für die Westmächte ist hingegen die Aussage, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist, gleichbedeutend mit der Aussage, daß der Bund in Berlin Gebietshoheit ausübt (vgl. Lush, The international and comparative Law Quarterly, Bd. 14, 1965, S. 742, der den Nachweis erbringt, daß die AKB in allen Bereichen ihre oberste Gewalt behalten hat, und der es deshalb für logisch unmöglich hält, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist). Die Feststellung der Westmächte in Teil II b des Viermächte-Abkommens, daß Berlin kein „constituent part" der Bundesrepublik Deutschland sei, besagt daher dasselbe wie der zweite Halbsatz, daß nämlich Berlin nicht von der Bundesrepublik Deutschland regiert wird (so auch Wengler J Z 1974, 528, 632; Röper D A 1971, S. 1130f). Dementsprechend haben die Westmächte gegen die nach deutschem Verständnis mit der Frage der Gebietshoheit über Berlin nicht gekoppelte Einbeziehung in den Bund keine Einwände erhoben. Der vom B V f G E 7, 1 aufgestellten These von der Bundeslandeigenschaft Berlins sind sie erst 10 Jahre später, nämlich mit Schreiben der AKB vom 21. Mai 1967 (NJW 67,1742) aus Anlaß der Entscheidung des BVfG im Niekisch-Fall (E 19, 377) entgegengetreten. In diesem Fall sahen sie offenbar ihre Gebietshoheit tangiert, weil das BVfG aus der Bundeszugehörigkeit Berlins erstmals Konsequenzen für seine Zuständigkeit in einer „Berliner Sache" gezogen hatte. Die Meinungsdifferenz zwischen dem BVfG und den Westmächten ist in der Sache eine Meinungsdifferenz in der Auslegung des „govern-Vorbehalts". Da die Westmächte keine Maßnahmen getroffen haben, die die ver- 3 6 fassungsrechtliche Zugehörigkeit Berlins zum Bund ausschließen, ergibt sich: 1. Die derzeit zwischen dem Bund und Berlin bestehenden Bindungen werden nicht nur dadurch zum Völkerrecht hin abgeschirmt, daß sie 21

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Abschnitt I: Die Grundlagen

unter dem „Dach des Reiches ausgebildet" wurden (so Grawert, Staat, 1973, 298, 305; auch Zivier, S. 136f), sondern daß es sich um vorweg zugelassene und wegen der fortbestehenden Gebietshoheit der AKB in Berlin besonders ausgestaltete Einzelbeziehungen einer noch nicht in allen Punkten vollwirksamen Mitgliedschaft handelt. 2. Für die deutschen Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte ist der Wille des deutschen Verfassungsgebers nicht dadurch unbeachtlich geworden, daß seiner Verwirklichung ein — im Prinzip — zeitlich begrenztes Hindernis entgegensteht. Bund und Berlin sind kraft des Art. 23 Satz 1 GG (in Verbindung mit Art. 1 II VvB) in dem von den Westmächten im Einzelfall zugelassenen oder geduldeten Umfang verpflichtet, die Stellung Berlins der eines Vollmitgliedstaates anzupassen. 3. Ob die verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Beziehungen Berlins zum Bund ausreichen, um Berlin bereits jetzt als Land der Bundesrepublik Deutschland erscheinen zu lassen, ist eine Frage der Definition. Mit dem Begriff der staats- oder völkerrechtlichen Assoziation ist die Stellung Berlins im Bund wegen des bestehenden Verfassungsrechtsverhältnisses jedenfalls nicht zutreffend und mit der „Als-obTheorie" nicht ausreichend gekennzeichnet. 37 Für die Ausübung von Hoheitsbefugnissen durch den Bund kommt es, gleichgültig welcher der oben (Rdn. 27 ff) wiedergegebenen Ansichten zum Status Berlins man folgt, auf die Auslegung des „govern-Vorbehaltes" an. Der „govem-Vorbehalt" besagt nicht, daß der Bund in Berlin überhaupt keine Hoheitsbefugnisse wahrnehmen darf (a. A. Wengler, Festschrift für Leibholz, S. 957f, JZ 1974, 528). Die tatsächlichen Verhältnisse in Berlin können nach der „Als-ob-Theorie" nur mittels komplizierter Rechtskonstruktionen - „Organunion" bei der Tätigkeit von Bundesgerichten und Bundesbehörden - oder gar nicht erklärt werden: Eine Umdeutung der Bundesgewalt in Berliner Landesgewalt gelingt z. B. nicht bei der völkerrechtlichen Vertretung durch die Bundesrepublik Deutschland (Wengler JZ aaO FN 41; auf weitere Erklärungslücken weist hin: ZivierS. 133f, 106). Zweck des „govern-Vorbehaltes" war es, eine unmittelbare organisatorische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland vorerst aufzuschieben (BVfGE 1, 72), um die Entscheidungsfreiheit der AKB bei der Ausübung ihrer besatzungsrechtlichen Befugnisse in Berlin zu sichern (BVfGE 19, 385). Daraus folgt zum einen, daß der „govern-Vorbehalt" die Ausführung aller drei Staatsfunktionen umfaßt (BVfGE 1, 70, 73; 7, 1 heute unstreitig, weitere Nachweise siehe bei Hauck S. 62ff), und zum anderen, daß Bundesgewalt jedenfalls mit Zu22

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lassung oder Duldung durch die AKB wirksam werden kann. Dieser Auffassung sind offenbar auch die Westmächte, die für die im Viermächte-Abkommen erwähnten Bundesorgane das „govern-Verbot" als „Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über die Westsektoren Berlins" interpretiert haben. Impliziert z. B. ein nach Berlin übernommenes Gesetz die Ausübung von Hoheitsbefugnissen durch den Bund, so übt der Bund in diesem Falle keine unmittelbare Staatsgewalt aus. Ob das „govern-Verbot" die Ausübung jeder unmittelbaren Staatstätigkeit ausschließt oder nur „ein kurz formuliertes prinzipielles Verbot politisch bedeutsamer Einwirkung auf die Berliner Landesgewalt" enthält (BVfGE 19, 385; 20, 266), ist eine Frage, die bei der Zuständigkeitsabgrenzung des BVfG in Berliner Sachen streitig ist (s. Rdn. 63 ff). D. Einbeziehung Berlins in das Normensystem des Bundes Nach der herrschenden Integrationstheorie gilt das GG in Berlin un- 3 8 mittelbar, soweit nicht die Besatzungsvorbehalte seine Anwendung beschränken (BVfGE 7, 1). Art. 87 III 1 hat demzufolge nur deklaratorische Bedeutung und besagt zugleich, daß der in Berlin anwendbare Teil des GG auch Bestandteil der VvB ist (zur Geltung inhaltsgleichen Landesverfassungsrechts s. BVfGE 36, 342). Nach den Theorien, nach denen Berlin nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert ist, beruht die Geltung des GG auf der Rezeption durch den Berliner Verfassunggeber (Hauck, S. 48 f, der sich mit den Ungereimtheiten der Formulierung des Art. 87 III 1 auseinandersetzt; Lerche BVfG - Festgabe I, S. 722; Wengler JZ 1974, 532). Sinn des Art. 87 III war es, dem GG trotz damals angenommener Suspendierung der Mitgliedschaft so weit wie möglich Geltung zu verschaffen (Suhr StB S t W II S. 528). Die — rein theoretische - Frage, ob der Berliner Landesverfassunggeber frei wäre, das rezipierte GG wieder aufzuheben (so wohl Lerche aaO, S. 729), ist aus der Erwägung Rdn. 36 zu verneinen. Der Anwendungs- bzw. Geltungsbereich des GG wird durch den 3 9 „govern-Vorbehalt" eingeschränkt. Eine sinngemäße Wiederholung dieses Vorbehaltes findet sich in Nr. 2 lit. c) S. 1 des Bestätigungsschreibens der AKB zur VvB (BK/O [50] 75). Die weitere Bestimmung dieser BK/O (S. 2 der Nr. 2 lit. c), daß das GG nur insoweit anwendbar sein soll, als es notwendig ist, um einen Konflikt zwischen dem GG und der VvB zu vermeiden, enthält - außer dem für die Praxis kaum relevanten Fall korrespondierender Bestimmungen in der VvB und im GG - keine über den „govern-Vorbehalt" hinausgehende Einschränkung (ausführ23

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Abschnitt I: D i e Grundlagen

lieh dazu Hauck, S. 47). Ein Konflikt zwischen dem G G und der VvB ist nicht nur bei sich widersprechenden Normen, sondern stets möglich, wenn sich bei Anwendung der VvB ein anderes Ergebnis ergäbe als bei Anwendung des G G (so auch Zivier, S. 94; a. A. Knörr, S. 134, zur Problematik im Grundrechtsbereich s. Art. 6 Vbm. Rdn. 4ff). 40 Die Frage, welche Vorschriften des G G mit dem „govern-Vorbehalt" vereinbar sind, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt. Unstreitig ist, daß der Grundrechtsteil des G G (BVfGE 1, 70; BSGE 2, 213), die Grundsätze der Gewalttenteilung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Rechtsstaatlichkeit sowie die Bestimmungen mit grundrechtlichem Gehalt gelten (BVwGE 2, 118; 4, 318; BFHE 79, 57, 64 betr. Art. 100 G G ; BVwGE 24, 235 und O V G Berlin O V G E 6 , 1 0 5 betr. Art. 33 II und V G G ; WPG Berlin DVB1. 1976, 250 betr. Art. 28 I 2 GG). In der Rechtsprechung wurde als maßgebend angesehen, ob die Anwendung einer Vorschrift des G G eine unzulässige organisatorische Einbeziehung in den Bund voraussetze (BVfGE 1, 70) oder ob die Dispositionsbefugnis des Berliner Gesetzgebers unzulässigerweise eingeschränkt werde (das BVwG lehnte mit dieser Begründung die Geltung des Art. 125 G G [JR 1956, 196] ab; dagegen mit Recht Sendler J R 1958, 81; O V G Berlin O V G E 8, 162; mit ähnlicher Begründung lehnte das BVwG auch die Geltung des Art. 19 I 2 G G [E 2, 122] ab; dagegen mit Recht Finkelnburg JuS 1968, 12 FN 21). Im Schrifttum wird überwiegend angenommen, daß das G G insoweit nicht gilt, als es „dem Bund Hoheitsbefugnisse über Berlin verleiht" (Finkelnburg JuS 1968,11 f) oder „die Ausübung von Bundesstaatsgewalt voraussetzt oder ermöglicht" (Hauck, S. 55; wohl auch Mußgnug, Festschrift für W. Weber, 1974, S. 176. Eine unbeschränkte Geltung der Kompetenznormen des G G nimmt dagegen an: Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 102; Geltung für die Berliner Staatsorgane im Falle eines Konfliktes zwischen dem G G und der VvB: Zivier, S. 94 FN 7, vgl. auch S. 152ff). Das vom BVwG herangezogene Kriterium - Dispositionsfreiheit des Berliner Gesetzgebers - ist zur Abgrenzung der gouvernementalen von den nicht gouvernementalen Vorschriften ungeeignet, denn die Geltung jedes Bundesgrundrechts in Berlin beinhaltet eine Einschränkung der Berliner Landesgewalt (Sendler, J R 1958, 84). Zweck des „governVorbehaltes" war es nicht, die Berliner Landesgewalt um ihrer selbst willen von einer Beeinflussung durch das Recht des Bundes freizuhalten, sondern die Entscheidungsfreiheit der AKB bei der Ausübung ihrer Gebietshoheit zu gewährleisten. Daraus ergibt sich: 41 1. Ausgenommen von der Geltung in Berlin sind jedenfalls die Vor24

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schriften des GG, die in den Bereich der nach dem Besatzungsstatut bestehenden Vorbehaltsrechte der AKB fallen (so auch Zivier, S. 94f mit Hinweis auf die verteidigungsrechtlichen Vorschriften und die Notstandsbestimmungen; das erklärt auch, weshalb Art. 89 I G G — Bundeswasserstraßen - und Art. 134 I G G betr. Reichsbahnvermögen in Berlin nicht gelten; dieser Bereich ist wegen der noch bestehenden Residuen der Viermächteverwaltung dem alliierten Status zuzurechnen; zur Geltung von Art. 134,135 G G im übrigen vgl. Art. 48, Rdn. 6). 2. Die Bestimmungen des G G , die dem Bund Hoheitsrechte über 4 2 Berlin verleihen, sind nicht generell „außer Kraft gesetzt" (Finkelnburg JuS 68, 11). Art. 84 und 85 GG, die dem Bund Kontroll- und Weisungsrechte gegenüber den Ländern verleihen, gelten in Berlin Zivier, S. l l l f ; Fijalkowski, S. 155f) weil die AKB dies duldet (vgl. Rd. 55ff). Dasselbe gilt für die nach Art. 32 III erforderliche Zustimmung der BReg. zum Abschluß von Verträgen Berlins mit auswärtigen Staaten (zur diesbezüglichen Praxis s. Knörr, S. 210ff; zum Zustimmungserfordernis allerdings a. A., S. 175 f). 3. Die Bindung der Berliner Verfassungsorgane die an Kompetenz- 4 3 normen des GG kann die Gebietshoheit der AKB in Berlin schon deshalb nicht tangieren, weil hierdurch nur Unterlassungspflichten der Berliner Staatsorgane begründet werden und der Erlaß abweichender Regelungen von der AKB ohnehin nicht verlangt werden könnte. Daß Berlin mit dem Willen der AKB an die Kompetenznormen des G G gebunden sein soll, ergibt sich aus der durch die Vorbehalte unangetastet gebliebenen Vorschrift des Art. 87 IV. Aus dieser Vorschrift entnehmen auch diejenigen Vertreter des Schrifttums, die von einer Nichteingliederung des Landes Berlin in den Bund ausgehen und die Geltung der Kompetenznormen und des Grundsatzes der Bundestreue ablehnen, daß für die Gesetzgebung und Verwaltung Berlins trotz der Fassung des Art. 87 IV als Soll-Vorschrift eine Pflicht besteht, im Zuständigkeitsbereich des Bundes nicht tätig zu werden (Knörr, S. 134, 188; vgl. auch Mußgnug, Festschrift für W. Weber, S. 177 ff). Allerdings ist nach Art. 87 IV die Berliner Landesgewalt nur „soweit wie möglich" gebunden. Daraus ergibt sich aber nicht, daß Berlin in dem Fall, in dem der Bund seine Kompetenzen wegen der hier fortbestehenden Besatzungsrechte nicht wahrnehmen kann, eine eigene Regelung ohne weiteres erlassen darf. Vielmehr erlegen der Grundsatz der Bundestreue (s. Rdn. 36) und Art. 87 IV Berlin die Pflicht auf, seine Verhältnisse an die im übrigen Bundesgebiet bestehenden materiellen Rechtsverhältnisse anzupassen, sofern alliierte Regelungen nicht entgegenstehen. Diese Pflicht kann jedoch nur im Rahmen der durch den Bund vorgegebenen Rechtslage zum Tragen kommen. Der Grundsatz der Bundestreue, der 25

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Abschnitt I: Die Grundlagen

auch für den Bund im Verhältnis zu den Ländern gilt (vgl. BVfGE 12, 205 ff), gebietet vorrangig dem Bund, im Falle seiner Gesetzgebung für gleiche materielle Rechtsverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu sorgen (bei der konkurrierenden Gesetzgebung ist dies sogar Voraussetzung der Ausübung der Bundeskompetenz im Fall des Art. 72 II Nr. 3 GG). Folglich ist der Bund in Fällen, in denen er wegen fortbestehender Besatzungsrechte gesetzgeberisch für den Bereich des Landes Berlin nicht tätig werden kann (wegen der besonderen Problematik hinsichtlich Art. 89 GG für die ehemaligen Reichswasserstraßen im Bereich Berlins vgl. Art. 50, Rdn. 28), verpflichtet, seine Kompetenz dem Land Berlin zu übertragen (so geschehen z. B. beim BWG v. 1953, vgl. Mußgnug, aaO, S. 179f FN 72). Art. 71 GG gibt dem Bund für den Bereich seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz ausdrücklich hierfür eine Delegationsbefugnis (vgl. Maunz MDHS, Art. 71, Rdn. 10). Auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ist eine Delegation zulässig (Maunz MDHS, Art. 72, Rdn. 7) und bei NichtÜbernahme eines Gesetzes nach Berlin erforderlich, soweit die Materie durch den Bund erschöpfend oder teilweise erschöpfend geregelt ist (a. A. Zivier, S. 153, der annimmt, daß die Gesetzgebungsbefugnis des Berliner Landesgesetzgebers erhalten bleibt, wie wenn der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hätte). Erst nach einem entsprechenden Gesetzgebungsakt des Bundes wird Berlin berechtigt und nunmehr durch den Grundsatz der Bundestreue und Art. 87 IV verpflichtet, für eine der Bundesgesetzgebung materiell entsprechende Rechtslage zu sorgen, soweit Besatzungsrechte dem nicht entgegenstehen. Hat der Bund diese Verpflichtung „vergessen", so ist seine Gesetzgebung insoweit wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Bundestreue verfassungswidrig und Berlin ist — ebenso wie im Falle nicht übernommener Rahmengesetzgebung — zu eigener Gesetzgebung befugt, die in dem durch die Besatzungsrechte zugelassenen Rahmen eine Anpassung an die Bundesgesetzgebung enthalten muß. 44

Die Normen des GG, die nicht unter den „govern-Vorbehalt" fallen, gehen den Normen der VvB vor. Nach der Integrationstheorie gilt Art. 31 GG unmittelbar, nach der Nichtzugehörigkeitstheorie gilt er als rezipiertes Recht gemäß Art. 87 III 1, denn mit dem Genehmigungsschreiben der AKB zur VvB - BK/O (50) 75 - sollte Art. 31 GG zur Anwendung verholfen werden (s. Hauck, S. 51). Demzufolge hat Art. 87 III 2, der diesselbe Frage regelt, keine konstitutive Bedeutung (Hauck, S. 59) und ist Art. 87 III 3, nach dem das AvB in der ersten Wahlperiode etwas anderes bestimmen konnte, nicht nur eine nie angewandte und obsolet gewordene, sondern eine von Anfang an nichtige Verfassungsnorm (Denkschrift SvB, S. 5). 26

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Art. 1

Grundgesetzändernde Gesetze bedürfen keiner Übernahme durch den Berliner Landesgesetzgeber (Finkelnburg JuS 1968, 11 f; Zivier, S. 95; a. A. Böhm JR 1964, 122; Wengler, EvStL Sp. 177). Dementsprechend enthalten alle ÄndGGG - bis auf das erste aus dem Jahre 1951 - keine Berlin-Klausel (s. auch Erklärung des Bundesministers des Auswärtigen betr. die Notstandsverfassung, Bulletin 1968, S. 578). Auch vom Standpunkt der Nichteingliederungstheorie ist die Annahme, daß die VvB auf die 1950 in Kraft befindlichen Grundgesetzbestimmungen verweise (Wengler aaO) weder zwingend (vgl. zur Parallelproblematik bei der Aufnahme von Bundesgrundrechten in einzelne Landesverfassungen z. B. Maunz MDHS Art. 142, Rdn. 8) noch im Hinblick auf die vom Berliner Verfassunggeber und der AKB gewollte Rechtseinheit haltbar. Einer Rezeption einschließlich künftiger Rechtsänderungen steht der „govern-Vorbehalt" nicht entgegen, da ohnehin nur die Vorschriften des GG gelten, durch die die Gebietshoheit der AKB nicht eingeschränkt wird. Aus dem „govern-Verbot" folgt, daß das vom Bund gesetzte Recht, durch das das GG nicht abgeändert wird, in Berlin nicht unmittelbar gilt. In den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde ein Teil der Bundesgesetze im Wege paralleler Gesetzgebung nach Berlin übernommen (vgl. Kreutzer JR 1951, 642). Seit 1951 erfolgt die Übernahme von Bundesgesetzen im Wege der sog. Mantelgesetzgebung. Das Verfahren der Mantelgesetzgebung ist in mehreren sich ergänzenden Rechtsvorschriften geregelt. Ermächtigungsgrundlage für den Berliner Gesetzgeber ist Art. 87 II. Mit BK/O (51) 56 (DBF Nr. 131) stellte die AKB klar, daß der in Abs. II lit. c des Bestätigungsschreibens zur VvB BK/O (50) 75 enthaltene Vorbehalt dem in Art. 87 II vorgesehenen Verfahren nicht entgegensteht und daß das AvB die unveränderte Übernahme eines Bundesgesetzes oder auch mehrerer Bundesgesetze (BK/L [52] 19, DBF Nr. 133) in einem Berliner Gesetz feststellen kann. Seit Inkrafttreten des nach Berlin übernommenen 3. ÜLG ist Berlin verpflichtet, diejenigen Bundesgesetze, deren Geltung in Berlin der Bund durch Aufnahme einer Berlin-Klausel vorsieht, innerhalb eines Monats nach ihrer Verkündung gemäß Art. 87 II in Kraft zu setzen (§ 13 I 3. ÜLG). Diese Verpflichtung besteht jedoch nur, sofern die AKB keinen Einspruch gegen die Übernahme erhebt. Eine nachträgliche Aufhebung der übernommenen Gesetze (Art. VII der Erklärung über Berlin vom 5. Mai 1955, s. oben Rdn. 20) wird dadurch vermieden. Nicht übernommen oder in einzelnen Punkten abgeändert wurden vor allem die Gesetze, die in den Bereich der in der Erklärung vom 5. Mai 1955 definierten Vorbehaltsrechte der AKB fallen (Beispiele bei Fijal27

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Abschnitt I: Die Grundlagen

kowski S. 152; Zivier S. 98). Andererseits ist für bestimmte Gebiete die Übernahme der Bundesgesetzgebung ausdrücklich vorgesehen (Art. IV der Erklärung vom 5. Mai 1955 i. V. mit dem Schreiben der drei Hohen Kommissare i. d. F. vom 23. Oktober 1954, s. oben Rdn. 20). Dazu gehört vor allem auch die Gesetzgebung des Bundes im Bereich der Staatsangehörigkeit. 48 Sowohl das Berliner Mantelgesetz als auch das übernommene Gesetz werden im GVB1. verkündet. Die Mantelgesetze haben folgenden Wortlaut (gegenüber dem ursprünglichen Muster - DBF Nr. 135 - wurde die Form geringfügig verändert; meist werden häufig mehrere Bundesgesetze durch ein Mantelgesetz übernommen): Gesetz zur Übernahme von Gesetzen vom . . . Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel I Nachfolgende(s)

Gesetz(e) findet(n) in Berlin

Anwendung:

Artikel II Der Wortlaut von Rechtsverordnungen, die auf Grund des(r) in Artikel I genannten Gesetze(s) erlassen werden, wird im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, der Wortlaut von Verwaltungsvorschriften im Amtsblatt für Berlin von dem zuständigen Mitglied des Senats veröffentlicht.

Artikel III Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Die Vorschriften des(r) in Artikel I genannten Gesetze(s) werden zu dem in diesem Gesetz bezeichneten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens wirksam. Die Berlin-Klausel in dem zu übernehmenden Bundesgesetz hat folgenden Wortlaut (Beschluß des Bundeskabinetts aus dem Jahre 1954, DBF Nr. 136; bei Gesetzen, die Bundesabgabenrecht betreffen, ist die Fassung etwas anders): Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (BGBl. IS. 1) auch im Land Berlin. Gegebenenfalls ist der Satz hinzugefügt: 28

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Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach §14 des Dritten Überleitungsgesetzes. Bundesgesetze über internationale Verträge gelten hingegen mit ihrer Verkündung im BGBl, auch mit Wirkung für das Land Berlin als verkündet, sobald ihre Anwendung in Berlin festgestellt worden ist (§ 3 BlnVküG). Eine Veröffentlichung des Wortlautes des Bundesgesetzes im GVB1. erfolgt nicht. Das Berliner Anwendungsgesetz lautet: . . .tes Gesetz über die Anwendung von Bundesgesetzen über internationale Abkommen der Bundesrepublik Deutschland vom. . . Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel I Nachstehende Gesetze über internationale Abkommen blik Deutschland finden in Berlin Anwendung: 1. . . . mit Wirkung vom. . . 2.

der

Bundesrepu-

...

mit Wirkung vom. . . 3. . . . mit Wirkung vom. . . Artikel II Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblattfür Berlin in Kraft. Rechtsverordnungen, die auf einer nachkonstitutionellen Ermäch- 49 tigungsnorm beruhen, bedürfen, sofern die Ermächtigungsnorm in Berlin übernommen ist, keines Übernahmeaktes in Berlin, § 14 3. ÜLG. Sie sind jedoch im GVB1. zu veröffentlichen (BK/L [52] 81, DBF Nr. 134). Rechtsverordnungen, die auf fortgeltendem Reichsrecht beruhen, enthalten eine Berlinklausel und werden durch eine Übernahmeverordnung nach Berlin übernommen. Alle übernommenen Bundesgesetze und Rechtsverordnungen treten 50 zu dem Zeitpunkt, den sie bestimmen, auch in Berlin in Kraft. Erfolgt die Veröffentlichung im GVB1. nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes oder der Bundes-Rechtsverordnung, so liegt darin keine unzulässige Rückwirkung von Gesetzen. Vorsorglich soll bereits der Bund bei Bestimmungen, die einer rückwirkenden Inkraftsetzung an sich unzugänglich sind, den Zeitpunkt des Inkrafttretens im Land Berlin gegebenenfalls abweichend von dem Inkrafttreten der übrigen Bestimmungen regeln (Beschluß der Bundesregierung, DBF Nr. 136 sub III). 29

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Abschnitt I: Die Grundlagen

Auch kann die Veröffentlichung des Mantelgesetzes oder der Rechtsverordnung im GVBl. z. B. durch Bekanntmachung in der Tagespresse oder im Rundfunk ersetzt werden ( § 2 1 VküG) und so gegebenenfalls das übernommene Bundesrecht rechtzeitig vor oder bei seinem Inkrafttreten in Berlin bekannt gemacht werden. Im übrigen dürften die Grundsätze über die unzulässige Rückwirkung von Gesetzen bei nachträglicher Veröffentlichung im GVBl. wegen der Besonderheiten des Berliner Ubernahmeverfahrens nicht zum Tragen kommen, da die für die Übernahme in Berlin bestimmten Gesetze und Verordnungen mit der Veröffentlichung im BGBl, verkündet sind und von ihrer Übernahme bzw. Geltung (s. Rdn. 49) in Berlin als Regelfall auszugehen ist (vgl. auch BVfGE 18, 429 und Art. 39, Rdn. 9). 51 Ob eine Verfassungspflicht Berlins zur unveränderten Übernahme der Bundesgesetze besteht oder ob diese Pflicht durch das 3. ÜLG begründet worden ist, ist streitig (auf Grund der Integrationstheorie für Verfassungspflicht: BVfGE 7 , 1 , 1 3 f ; 19, 389; dagegen Finkelnburg, JuS 1968, 11; auf Grund der Nichteingliederungstheorie für Verfassungspflicht: Lerche BVfG-Festgabe I, S. 726 ff, Mußgnug, Festschrift f. W. Weber, S. 178 FN 66; dagegen Wengler JZ 1974, 532; Hauck, S. 30). Aus der Form des Art. 87 II als Kann-Vorschrift folgt nicht, daß die VvB die Übernahme von Bundesgesetzen in das Ermessen des Berliner Gesetzgebers stellen wollte (das nehmen an, Finkelnburg, aaO; Hauck, S. 80). Art 87 II ist lediglich eine Verfahrensvorschrift, die das AvB ermächtigt, die Gesetze des Bundes pauschal, in Abweichung von Art. 45, 46 also ohne Beratung und Abstimmung der einzelnen Vorschriften, zu übernehmen (Suhr, StB S t W 11/530). Nach hier vertretener Ansicht (s. o. Rdn. 36) ist Berlin nach dem Grundsatz der Bundestreue, aber auch nach Art. 87 IV verpflichtet, seine Rechtsstellung der eines Vollmitglieds anzupassen. Es muß daher die für die Übernahme in Berlin vorgesehene Bundesgesetze übernehmen, soweit die Besatzungsrechte dem nicht entgegenstehen (vgl. auch Rdn. 43). Daraus folgt zugleich, daß - unabhängig von der Rechtsqualität des nach Berlin übernommenen Rechts - der Berliner Landesgesetzgeber das 3. ÜLG weder aufheben noch im Einzelfall durchbrechen darf (Mußgnug aaO, vgl. auch Zivier, S. 150; anders die in einer Presseverlautbarung der AKB vom 8. Januar 1952 wiedergegebene Meinung der Alliierten, DBF Nr. 147; ferner Wengler aaO; Schachtschneider JR 1975, 223). Für die nach Berlin im Wege der Parallelgesetzgebung übernommenen Gesetze gilt das gleiche (siehe hierzu Finkelnburg JuS 1968,12). Um eine „Durchbrechung" des 3. ÜLG handelt es sich nicht, wenn Berlin — wie im Falle der Änderung des § 218 StGB — das für die Übernahme in Berlin vorgesehene und im BGBl, bereits verkündete 30

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Bundesgesetz deshalb nicht übernimmt, weil durch eine einstweilige Anordnung des BVfG gem. § 32 BVfGG Gesetzesänderungen erfolgten. Zur Bindung der Berliner Verfassungsorgane an die Entscheidungen des BVfG s. unten Rdn. 80. Das gemäß Art. 87 II übernommene Recht gilt in Berlin nach der 52 Rechtsprechung des BVfG und der hM im Schrifttum als Bundesrecht (BVfGE 19, 377, 388; Finkelnburg JuS 68, 12 m. w. N., FN 24; Maunz MDHS Art. 144, Rdn. 13; Bleckmann. Grundgesetz- und Völkerrecht, 1975, S. 102f). Das Übernahmeverfahren ist danach so zu verstehen, daß das AvB aus Gründen, die außerhalb der innerstaatlichen Kompetenzordnung liegen, dem vom Bundesgesetzgeber gesetzten Recht die Geltung in Berlin vermittelt, ohne daß das AvB den Willen hat, selbst gesetzgeberisch tätig zu werden (BVfG aaO; ähnlich die Zustimmung der Reg. der Länder im Fall des Art. 127 GG). Die AKB hat demgegenüber in ihrem Schreiben vom 24. Mai 1967 (NJW 1967, 1742) hervorgehoben, daß zumindest die Berliner Mantelgesetze, durch die Bundesgesetze übernommen werden, gesetzgebende Handlungen des AvB darstellen und sich in rechtlicher Hinsicht von den betreffenden Bundesgesetzen unterscheiden. Zur Rechtsqualität der übernommenen Bundesgesetze selbst hat sie sich nicht geäußert. Im 3. ÜLG wurden jedoch alle Bestimmungen gestrichen, die das in Berlin geltende Recht als Bundesrecht kennzeichneten (DBF Nr. 146). Nach z. T. im Schrifttum vertretener Ansicht wird die Bundesrechts- 5 3 qualität bestritten und das gemäß Art. 87 II übernommene Bundesrecht kraft Rezeption durch den Berliner Landesgesetzgeber als besonders qualifiziertes Landesrecht angesehen (Wengler, JZ 1974, 532; auch Lerche, BVfG-Festgabe I, S. 728). Entsprechend der von der AKB gebilligten Praxis ist auch nach dieser Meinung das übernommene Recht inhaltlich Bundesrecht: Es geht dem sonstigen Landesrecht einschließlich der VvB vor, ist wie Bundesrecht i. S. der prozessualen Vorschriften voll revisibel und unterscheidet sich von jedem anderen rezipierten Recht dadurch, daß ihm ein einheitlicher Geltungsbereich bestehend aus Berlin und dem westdeutschen Gebiet zugrunde liegt (Wengler aaO; zur Rechtspraxis siehe auch Zivier, S. 145ff). Da der Berliner Gesetzgeber kraft des GG verpflichtet ist, die Bundesgesetze zu übernehmen, und diese auch nicht abändern oder aufheben darf, ist die Frage, ob die Gesetze als Bundes- oder Landesrecht zu bezeichnen sind, irrelevant. Allerdings hat das BVfG seine Zuständigkeit zur Entscheidung über Verfassungsbeschwerden in Berliner Sachen unter anderem damit begründet, daß das nach Berlin übernommene Recht „Bundesrecht" sei (BVfGE 19, 377; 37, 57, 62). Jedoch sollte damit nur eine Abgrenzung zu den Fällen geschaffen werden, in denen sich die Rechtssprechung des 31

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Abschnitt I: Die Grundlagen

B V f G als unzulässiges „govern" darstellt, nämlich zum Bereich der eigentlichen Berliner Landesgesetzgebung. V o m sonstigen Landesrecht unterscheidet sich das im Wege der sogenannten Mantelgesetzgebung ü b e r n o m m e n e Recht indessen nicht nur dadurch, daß es inhaltlich Bundesrecht ist und daß der Berliner Landesgesetzgeber bei der Ü b e r n a h m e keinen Ermessensspielraum hat. Es unterscheidet sich entgegen der A n sicht Wenglers auch durch seine Rechtsquelle: das von den Westmächten gebilligte Übernahmeverfahren schließt die A n n a h m e aus, daß das ü b e r n o m m e n e Recht seine Geltung ausschließlich durch den Berliner Gesetzgeber erhält; es ist zumindest von einem gemeinsamen Gesetzgebungsakt des Bundes und des Landes Berlin auszugehen (Zivier, S. 151; Stern DVB1. 1 9 6 3 , 7 0 3 ) . 54 Ein nach Berlin übernommenes Bundesgesetz, das vom Bundesverfassungsgericht B V f G für nichtig erklärt worden ist, verliert in Berlin — ex tunc - seine Gültigkeit. Das folgt nicht aus § 3 1 B V f G G , der in Berlin nicht gilt, sondern daraus, daß d e m Mantelgesetz sein Substrat entzogen wird ( B V f G E 19, 389; B F H BStBl. 1963 III S. 189; E 76, 517; zur Kritik Pestalozza A ö R 96, 27, 76). Die diesbezügliche seit Jahren geübte Praxis der Berliner Gerichte und Behörden gehört zu den „geltende Verfahren bezüglich der Anwendbarkeit der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland", die gemäß d e m Interpretationsschreiben I, lit. d zum V i e r m ä c h t e - A b k o m m e n unverändert bleiben (Mußgnug, Festschrift für W. Weber, S. 166f). Wegen der Bindung der Berliner G e richte an die (verfassungskonforme) Auslegung von Bundesrecht durch das B V e r f G s. R d n . 80. E. Einbeziehung 55

Berlins in die Verwaltung des Bundes

Bei nach Berlin ü b e r n o m m e n e n Bundesgesetzen ist f ü r die exekutive Ausführung dieser Gesetze danach zu unterscheiden, ob es sich um solche handelt, die nach den Art. 83ff G G von den Ländern ausgeführt werden, oder um solche, für die bundeseigene Behörden vorgesehen sind. 56 W e r d e n die Bundesgesetze von den Ländern in eigener Verantwortung ausgeführt, übt gem. Art. 84 III G G die Bundesregierung die A u f sicht darüber aus, ob die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß angewendet werden. In diesem Bereich kann die Bundesregierung auch mit Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 II G G allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen (vgl. auch Knörr S. 145). Einzelweisungen kann sie nur im Ausnahmefalle erteilen, Art. 84 V G G (skeptisch zur Zulässigkeit überhaupt Knörr aaO). Ist vorgesehen, daß die Länder die Bundesgesetze nicht als eigene Angelegenheit, sondern im Auftrag des 32

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

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Bundes ausführen, Art. 85 I GG, erstreckt sich die Bundesaufsicht auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Auch insoweit kann sie mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, Art. 85 II 1 GG. Sie kann auch die einheitliche Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln und hat ein Mitentscheidungsrecht bei der Bestellung der Leiter von Mittelbehörden. Außerdem unterstehen im Rahmen der Auftragsverwaltung die Landesbehörden den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden, Art. 85 III 1 GG. In diesem Rahmen kann die Bundesregierung Berichte und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu Behörden entsenden (skeptisch auch hier Knörr aaO). Die Ausübung der Bundesaufsicht bedeutet Ausübung von Regierungsgewalt gegenüber den Ländern. Diese wirft unter Berücksichtigung der besonderen Stellung Berlins einige Probleme auf. Grundsätzlich gelten die Kontrollrechte des Bundes auch für Berlin. Soweit die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften erläßt, müssen diese in Berlin von dem zuständigen Senatsmitglied im Amtsblatt veröffentlicht werden (BK/L [52] 81 vom 28. August 1952, DBF Nr. 134; vgl. Knörr aaO). Ein „Regieren" des Landes Berlin durch den Bund liegt somit nicht vor, weil die Organe des Landes Berlin sowohl bei der Übernahme des Gesetzes als auch bei seiner Ausführung mitwirken müssen. Dementsprechend können auch Bundesbehörden gem. Art. 85 I 1, 84 V GG für die Berliner Landesbehörden Einzelweisungen erteilen. Um sich hierfür sachkundig machen zu können, muß der Bundesregierung auch möglich sein, Beauftragte zu den Berliner Behörden senden und im Falle der Auftragsverwaltung Bericht und Vorlage der Akten verlangen zu können, Art. 84 III 2, Art. 85 IV 2 GG (so auch Zivier S. U l f ; a. A. Knörr aaO). Ob allerdings bei Mängeln in der eigenverantwortlichen Berliner Ausführung von Bundesgesetzen auf Antrag der Bundesregierung der BR beschließen kann, daß das Land Berlin das Recht verletzt hat (Art. 84 IV 1 GG), dürfte wegen des „govern-Vorbehalts" zumindest zweifelhaft sein, obwohl Berlin im Bundesrat vertreten ist (s. Rdn. 88, 90). Praktisch geworden sind diese Aufsichtsmaßnahmen bisher nicht. Sicher dürfte sein, daß Berlin gegen einen etwaigen Beschluß des BR nicht das BVfG gem. Art. 84 IV 2 GG anrufen kann (s. Rdn. 64). Soweit in übernommenen Bundesgesetzen vorgesehen ist, daß diese in 57 bundeseigener Verwaltung durch bundeseigene Behörden ausgeführt werden, erstrecken sich deren Kompetenzen auch auf Berlin und seine Bürger. Allein an die 50 Bundesbehörden haben ihren Sitz oder zumindest Außenstellen in Berlin, z. B. die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, die Bundesanstalt für Materialprüfung, das Bundesaufsichtsamt 33

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Abschnitt I: D i e Grundlagen

für das Kreditwesen, das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, das Bundeskartellamt, das Bundesversicherungsamt, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, das Bundesgesundheitsamt, die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung und das Bundesumweltamt, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Zum Teil beruht dieser Sitz in Berlin allerdings darauf, daß schon die entsprechenden Reichsbehörden ihren Sitz in Berlin hatten. Gem. B K / O (51) 56 i. d. F. v. B K / O (55) 10 vom 14. Mai 1955 (DBF Nr. 131) muß allerdings bei der Übernahme derartiger Bundesgesetze das Mantelgesetz grundsätzlich festliegen, daß alle Hinweise in den Bundesgesetzen, -Verordnungen und sonstigen Bestimmungen auf irgendeine Bundesstelle oder Bundesbehörde als Hinweise auf die zuständige Berliner Stelle oder Berliner Behörde ausgelegt werden sollen; bei Zweifeln muß Berlin diese durch Klarstellung beseitigen. Eine Ausnahme ist nur vorgesehen, wenn der SvB oder das AvB beschließt, daß die praktische Anwendung des Gesetzes dies erfordert. Die A K B hat klargestellt, daß die Befugnisse und Zuständigkeiten der Besatzungsbehörden von einer Übertragung irgendwelcher Befugnisse an Beamte oder Stellen außerhalb Berlins (insbesondere also auch Bundesbehörden) unberührt bleiben. Die Tätigkeit derartiger Beamter oder Stellen in Berlin einschließlich der Arbeiten, die unter ihrer Anweisung erfolgen, unterliegt den gleichen Bedingungen hinsichtlich der Befugnisse der Besatzungsbehörden wie die Arbeit der Berliner Behörden. Zusätzlich wurde klargestellt, daß die Amtsgewalt der in Berlin ansässigen Behörden als von der Berliner gesetzgebenden Körperschaft oder Regierung abgeleitet gilt (BK/O [51] 63 vom 13. November 1951, D B F Nr. 132). Dies gilt allerdings nur für ihre Amtsgewalt in Berliner Sachen. Dagegen begründet die bloße Tatsache, daß eine Bundesbehörde ihren Sitz in Berlin hat, keine Kontrollbefugnis der Alliierten, sofern die Behörde in westdeutschen Sachen entscheidet (Zivier, S. 115, FN 59). Dadurch, daß insbesondere bei der Ausführung von nach Berlin übernommenen Bundesgesetzen durch bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Bundesoberbehörden gem. Art. 87 II und III G G deren Zuständigkeit sich auch auf Berlin erstreckt, ist Berlin nahezu vollständig gleich den westdeutschen Ländern der Verwaltungshoheit des Bundes unterworfen. Die zuständigen Bundesbehörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten des Bundes werden auch in Berliner Sachen tätig und erlassen Verwaltungsakte gegenüber Berliner Bürgern; die Bediensteten dieser Behörden oder Körperschaften sind Beamte oder Arbeitnehmer des Bundes, auch wenn die betreffende Bundesoberbehörde, öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt (oder Stiftung) ihren Sitz in Berlin hat. 34

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Über die allgemeinen alliierten Bestimmungen hinsichtlich der Berlin 5 8 berührenden Bundesverwaltung hinausgehende Besonderheiten gelten nur in folgenden Bereichen: a) Nach § 5 II VereinsG des Bundes sind Vereinsverbote und ähnliche 5 9 Verfügungen, die gem. § 3 II Nr. 2 VereinsG vom Bundesminister des Inneren erlassen worden sind, von der zuständigen Berliner Behörde erst zu vollziehen, wenn der SvB die Ausdehnung des Verbots oder der Verfügung auf das Land Berlin festgestellt hat. Der Ausdehnungsverfügung des SvB kommt nur deklaratorische Bedeutung zu; sie hat auch keine konstitutive Bedeutung hinsichtlich des Zeitpunkts des Verbotes (OVG Berlin O V G E 10, 160). Vielmehr ergibt sich dieser aus der Verfügung des Bundesinnenministers wie beim Verbot einer in Berlin und im übrigen Bundesgebiet tätigen politischen Partei, wenn diese vom B VfG in Westdeutschland für verfassungswidrig erklärt wird (§ 10 II 2 LWG sieht wegen der Verbotswirkung ausdrücklich vor, daß eine derart verbotene Partei keine Wahlvorschläge für Wahlen zum AvB und der B W einreichen darf, vgl. Rdn. 64). Angefochten werden muß daher materiell das Verbot des Bundesministers des Innern, und zwar vom Gesamtverein beim BVwG, § 50 I, Nr. 2 VwGO. Eine gegen die Ausdehnungsverfügung des SvB erhobene Klage beim O V G Berlin ist von diesem bis zur Entscheidung des BVwG (an die das O V G nach § 51 III VwGO gebunden ist) auszusetzen, §§ 48 II, 51 II VwGO. Nach Unanfechtbarkeit des Vereinsverbotes des Bundesministers des Innern kann die Ausdehnungsverfügung des SvB nicht mehr mit der Begründung angefochten werden, daß das Vereinsverbot rechtswidrig sei (OVG aaO). b) Im Bereich der Wehrverwaltung ist es den Wehrbehörden untersagt, 6 0 Einberufungsbescheide nach Berlin zuzustellen (BVwG VwRspr. [25] 1974, Nr. 126). Dies hat die AKB durch BK/L [69] 29 vom 8. August 1969 ausdrücklich untersagt. Dies gilt auch dann, wenn eine Musterung bereits erfolgt war und der Wehrpflichtige seinen Aufenthalt zwischenzeitlich aus dem übrigen Bundesgebiet nach Berlin verlegt hat, und selbst dann, wenn es sich bei dem Aufenthalt in Berlin (z. B. zu Ausbildungszwecken bei Minderjährigen) nicht um einen ständigen Aufenthalt handelt. Musterungs- oder Einberufungsbescheide können dementsprechend auch nicht im Wege der Amtshilfe durch Berliner Behörden zugestellt werden. Möglich ist allerdings im Wege der Rechts- und Amtshilfe, Haftbefehle in Berlin zu vollstrecken, wenn dem Betreffenden ein Musterungs- oder Einberufungsbescheid vor seinem Umzug nach Berlin im übrigen Bundesgebiet ordnungsgemäß zugestellt (und bestandskräftig gewor35

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Abschnitt I: Die Grundlagen

den) war oder der Betreffende zuvor wegen Fahnenflucht rechtskräftig verurteilt worden war (vgl. Rdn. 62 a. E.). 61 c) Besonderheiten gelten ferner in Berlin im Bereich der Postverwaltung, Finanzverwaltung und Wasserstraßenverwaltung (s. dazu Art. 50/51 Rdn. 26 bis 28; hinsichtlich der Eingliederung Berlins in das Finanzsystem des Bundes vgl. insbesondere Erl. zu Art. 73 ff). Früher bestehende Besonderheiten im Bereich der Währungsverwaltung, insbesondere der Bank Deutscher Länder, sind in Zusammenhang mit der Errichtung der Deutschen Bundesbank fast völlig fortgefallen (vgl. Art. 50, Rdn. 29). F. Einbeziehung Berlins in das Gerichts- und Rechtsprechungssystem Bundes 62

des

Das Land Berlin ist durch Geltung des G V G und der Prozeßordnungen des Bundes nahezu vollständig in das Gerichts- und Rechtsprechungssystem des Bundes eingegliedert (über die Einbeziehung in den Bereich der Rspr. des EuGH s. Rdn. 104). Lediglich das BVfGG durfte nicht nach Berlin übernommen werden; auch ergeben sich nach der BK/O (76) 8 (GVB1., S. 1950) geringfügige Abweichungen hinsichtlich der Kompetenzen des Generalbundesanwalts. Gegen Entscheidungen der Berliner Gerichte sind die in den Prozeßordnungen des Bundes vorgesehenen Rechtsmittel an die obersten Gerichtshöfe des Bundes nach Maßgabe der Prozeßordnungen zulässig, und zwar gleichgültig, ob der Entscheidung der Berliner Gerichte Landes- oder Bundesrecht zugrunde lag. Durch BK/O (51) 10 hat die AKB allerdings hinsichtlich der Anwendbarkeit des G V G eine rechtswahrende Erklärung abgegeben, wonach der alleinige Zweck dieses Gesetzes darin besteht, „unterschiedliche Entwicklungen zwischen dem Gerichtssystem und der Rechtsprechung Berlins und der des Bundesgebiets zu verhindern und diese soweit wie möglich in Ubereinstimmung zu bringen, ohne daß die damit gegebene Zuständigkeit des BGH für Berliner Sachen ein Schritt in Richtung auf die Verwandlung der Westsektoren Berlins in ein zwölftes Land der Bundesrepublik sei" (VOB1. 51, S. 106). Augenfälligster Ausdruck der Zuständigkeit der obersten Gerichtshöfe des Bundes für Berlin ist der Umstand, daß sowohl das BVwG als auch der BGH mit seinem 5. Strafsenat ihren Sitz in Berlin haben. Die Berliner Gerichte und die Gerichte der übrigen Bundesrepublik sind einander zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet, genau wie sich die Exekutivbehörden gegenseitig Amtshilfe leisten müssen (Art. 35 I GG). Daher sind rechtskräftige Urteile, Beschlüsse oder Haftbefehle von Gerichten aus dem übrigen Bundesgebiet in Berlin ohne weiteres voll36

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streckbar und umgekehrt, wobei die Vollstreckbarkeit ebensowenig wie die Pflicht zur Amtshilfe davon abhängt, ob die Rechtsvorschrift, auf der die Entscheidung oder das Rechtshilfeersuchen beruht, im gesamten übrigen Bundesgebiet gilt oder in Berlin übernommen ist (Ausnahmen z. T. bei Rechts- und Amtshilfe in Wehrpflichtsachen, vgl. oben Erl. Rdn. 60). Anders als die obersten Gerichtshöfe des Bundes zählt das BVfG zu 6 3 den obersten Verfassungsorganen des Bundes. An seine Entscheidungen von z. T. weittragender politischer Bedeutung sind alle Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden unmittelbar gebunden. Die AKB hat daher durch B K / O (52) 35 (DBF Nr. 97) die Übernahme des BVfGG insgesamt untersagt. Darin hat das BVfG jedoch kein generelles Hindernis für seine Entscheidungskompetenz in allen Berlin berührenden Sachen gesehen. Nach § 106 BVfGG erstreckt sich die Zuständigkeit des BVfG auch auf Berlin, soweit das G G für Berlin gilt; jedoch gilt dies nur in dem Rahmen, den der „govern-Vorbehalt" zuläßt (BVfGE 7, 14). Aus dem Sinn des „govern-Vorbehaltes" hat das BVfG gefolgert, daß ihm nur solche Entscheidungen verwehrt seien, die sich als Regieren i. S. von politisch bedeutsamen, auf die Berliner Landesgewalt unmittelbar einwirkenden Maßnahmen darstellen (BVfGE 19, 385; 20, 266). Zweck des „govern-Vorbehaltes" war es jedoch nicht, die Berliner Landesgewalt von einer Beeinflussung durch die Bundesgewalt freizuhalten, sondern die Entscheidungsfreiheit der AKB bei der Ausübung ihrer Gebietshoheit über Berlin zu erhalten (s. oben Rdn. 37, 40). Um eine der Entscheidungsgewalt des BVfG entzogene „Berliner Sache" handelt es sich folglich immer dann, wenn die AKB kraft ihrer obersten Gewalt, die auf das Territorium Berlins beschränkt ist, den Sachverhalt selbst regeln könnte, so sie es wollte. Nach einer von Lerche (Festschrift für Leibholz, S. 476) geprägten Formel kommt es darauf an, ob durch die begehrte Entscheidung des BVfG „die in Berlin bestehenden Rechtsverhältnisse irgendeine Änderung erfahren oder nicht" (vgl. auch Lerche, BVfG-Festgabe I, S. 745 f, der auf die Ergänzungsbedürftigkeit dieser Formel selbst hinweist; von dem Abgrenzungskriterium der materiellen Verknüpfung von Sachverhalten mit dem Territorium Berlins geht auch aus Werner, Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Berlin, Diss. 1972, S. 104ff; vgl. auch Hauck, S. 77 ff; ferner Zivier S. 103 f mit Hinweis auf die auch mit dieser Formel verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten). Durch Gestattung oder Duldung im Einzelfall können die Alliierten ihren Vorbehalt immer reduzieren. Von folgendem ist auszugehen: Zum Verbot einer in Berlin tätigen politischen Partei ist das BVfG 6 4 nicht befugt. Vom BVfG in Westdeutschland für verfassungswidrig 37

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erklärte Parteien dürfen keine Wahlvorschläge für Wahlen zum AvB und der B W einreichen, da § 10 II 2 LWG von den Alliierten nicht suspendiert worden ist. Einem Berliner Bürger gegenüber kann vom BVfG nicht die Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 G G ausgesprochen werden. Die Überprüfung der vom AvB nach § 53 BWG vorgenommenen Wahl der Berliner MdB ist nicht möglich, weil sie eine unmittelbare Kontrolle eines Berliner Verfassungsorgans darstellt. Organstreitigkeiten zwischen dem Bund und Berlin oder einem anderen Bundesland und Berlin nach Art. 93 I Nr. 3 und 4 G G können vom BVfG nicht entschieden werden. Unzulässig ist die Entscheidung des BVfG zur Entscheidung von Organstreitigkeiten innerhalb des Landes Berlin (Art. 93 I Nr. 4 Fall 3 GG). Dies hat das BVfG anläßlich einer Organklage der DP (Landesverband Berlin) zutreffend entschieden (BVfGE 7, 190). Unzulässig ist eine Entscheidung des BVfG nach Art. 93 I Nr. 2 G G im abstrakten Normenkontrollverfahren zur Überprüfung von Berliner Landesrecht. Im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 I GG ist zu unterscheiden: - Nicht zuständig ist das BVfG zur Überprüfung der Vereinbarkeit einer Vorschrift des Berliner Landesrechts auf Grundgesetz- oder Bundesgesetzmäßigkeit, gleichgültig ob ein Berliner Gericht oder ein damit befaßter oberster Gerichtshof des Bundes nach Art. 100 I G G zur Vorlage an sich verpflichtet wäre (BVfGE 7 , 1 ) . Insoweit besteht ein eigenes richterliches Prüfungsrecht der Gerichte (vgl. Art. 64, Rdn. 6). - Soweit ein Berliner Gericht oder ein oberster Gerichtshof des Bundes eine in Berlin geltende Bestimmung eines nachkonstitutionellen Bundesgesetzes für nichtig hält (zu vorkonstitutionellen vgl. Art. 64, Rdn. 7), ist zu unterscheiden: - Von einem Berliner Gericht kann das BVfG nach Art. 100 I G G in diesem Falle jedenfalls nicht angerufen werden, da seine Entscheidung das Berliner Gericht unmittelbar binden würde und damit eine unzulässige Einwirkung auf die Landesgewalt darstellte (KG NJW 1966, 598f; a. A. Finkelnburg, JuS 1968,13). - Für Vorlagen oberster Bundesgerichte gem. Art. 100 I G G hat sinngemäß das gleiche zu gelten wie für Verfassungsbeschwerden, mit denen die Anwendung von Bundesrecht durch die obersten Bundesgerichte gerügt wird (s. unten Rdn. 76). Zu einer Entscheidung über derartige Vorlagen ist es bisher noch nicht gekommen (Einzelheiten s. Mußgnug, Festschrift für W. Weber, S. 160, FN 16). Die Zuständigkeit zur Entscheidung der Frage, ob eine Regel des 38

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Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, hat das BVfG auf Grund einer Vorlage des B G H gem. Art. 100 II GG in einer Berliner Sache bejaht (BVfGE 15,25). Diese Entscheidung ist von der AKB zumindest nicht beanstandet worden (auch wohl nicht nachträglich durch das Schreiben vom 24. Mai 1967 - NJW 1967, 1742 da es sich hier nicht um die Überprüfung von nach Berlin übernommenem Bundesrecht handelt). Für die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gilt folgendes: Unzulässig ist die VB gegen die Entscheidung eines Berliner Gerichts in Anwendung Berliner Landesrechts (BVfGE 7 , 1 ) . Unzulässig ist ferner die VB gegen die Entscheidung eines Berliner Gerichts in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften (BVfGE 1, 70). Hiervon sind allerdings zwei Ausnahmen zu machen: - Ist Gegenstand der Entscheidung des Berliner Gerichts ein Hoheitsakt einer in Berlin belegenen Bundesbehörde und richtet sich dieser außerdem gegen einen westdeutschen Beschwerdeführer, so ist nach einhelliger Meinung die Entscheidungskompetenz des BVfG gegeben (BVfGE 20, 257; 20, 271; Mußgnug, Festschrift für W. Weber, S. 164, FN 29; Finkelnburg JuS 1968, 14). Das BVfG hat in seinen Entscheidungen allerdings nicht auf den fehlenden materiellen territorialen Bezug zum Lande Berlin abgestellt, sondern allein darauf, daß eine unmittelbare Einwirkung auf die Landesgewalt (KG) bei der Überprüfung von Hoheitsakten einer Bundesbehörde nach Bundesrecht kein unzulässiges Regieren sei (zur Inkonsequenz dieser Argumentation vgl. Lerche, BVfG-Festgabe I, S. 740). - Betrifft die Entscheidung des Berliner Gerichts die Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften durch eine Landesbehörde (z. B. Entscheidung des GStA beim KG über eine Zulieferung an die D D R nach dem Bundesgesetz über die Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen, Fall Brückmann), so bleibt es bei dem Grundsatz, daß die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist und damit eine Aufhebung der mit der VB angefochtenen gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung nicht in Betracht kommt. Das BVfG hält sich jedoch für befugt, die nach § 95 III BVfGG zugleich auszusprechende Entscheidung der Nichtigerklärung des Gesetzes, auf dem die gerichtliche oder behördliche Entscheidung beruht, zu treffen oder ggf. dieses Bundesrecht verfassungskonform auszulegen, weil Bundesgesetze für das ganze Bundesgebiet einheitlich auszulegen sind (BVfGE 37, 57; zu dem auf Anfrage des KG ergangenen Bescheid des britischen Stadtkommandanten über die Unzulässigkeit der direkten Anwendung des BVfGUrteils und zum bundesuntreuen Verhalten des KG s. Finkelnburg NJW 1974,1970 [FN 20], 1973). 39

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Abschnitt I: Die Grundlagen

Für VB gegen Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes gilt folgendes: - Eine VB gegen eine solche Entscheidung in Anwendung Berliner Landesrechts ist unzulässig, soweit es um die Grund- oder Bundesgesetzwidrigkeit des Berliner Landesrechts geht. - VB, mit denen die Anwendung von nach Berlin übernommenem Bundesrecht gerügt wurde, hat das BVfG für zulässig erachtet (BVfGE 19, 19, 377), weil seine Entscheidung nur eine unmittelbare Kontrolle von Bundesorganen und Bundesrecht beinhalte und sich nur mittelbar auf die Berliner Landesgewalt auswirke (a. A. wohl die AKB in ihrem zu - dieser Entscheidung ergangenen Schreiben vom 24. Mai 1967 - NJW 1967, 1742; VB, bei denen es nicht um die Verfassungsmäßigkeit des nach Berlin übernommenen Bundesrechts geht, sondern mit denen lediglich prozessuale Grundrechtsverstöße des obersten Bundesgerichts gerügt werden, scheint das o. g. Schreiben nicht entgegenzustehen; s. auch Zivier S. 106). In dem oben Rdn. 74 genannten Fall ist eine VB auch gegen Entscheidungen der obersten Bundesgerichte zulässig. Unzulässig sind VB, die sich unmittelbar gegen Berliner Landesrecht richten. Unzulässig sind VB, die sich vor Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 II B V f G G ) gegen VA einer Berliner Behörde mit der Begründung richten, der Entscheidung habe grundgesetzwidriges Berliner Landesrecht zugrunde gelegen. Ferner ist auch die VB auch gegen sonstige Exekutivmaßnahmen der öffentlichen Gewalt Berlins - vor Erschöpfung des Rechtswegs - nicht zulässig (vgl. B V f G E 7,192). An die Entscheidungen des BVfG sind die Berliner Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden auf Grund des § 31 BVfGG nicht gebunden, da dieser in Berlin nicht gilt (s. jedoch Rdn. 80). Wohl aber gilt Art. 31 BVfGG für die obersten Bundesgerichte auch dann, wenn sie in Berliner Sachen entscheiden (ausführlich hierzu Mußgnug, Festschrift für W. Weber, S. 169ff). Auch in diesen Fällen werden die Bundesgerichte nicht etwa zu Organen der Berliner Landesjustiz, wenn sie auch ebenso wie die Berliner Gerichte die in Berlin bestehenden alliierten Vorschriften zu beachten haben (zum letzteren s. Zivier, S. 101 und oben Rdn. 20; zur Theorie Wenglers s. oben Rdn. 37). Erklärt das BVfG ein Gesetz nicht für nichtig (dazu s. oben Rdn. 54), sondern bestätigt es oder legt es verfassungskonform aus, so sind die Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden in Berlin daran kraft des Grundsatzes der Bundestreue (s. oben Rdn. 36) gebunden (so auch Finkelnburg, NJW 1974,1973; nach Mußgnug, Festschrift für W. Weber, S. 172 ff, ergibt sich die Bindung der Berliner Gerichte aus ihrer Einbeziehung in das Gerichtsverfassungs- und Prozeßrecht des Bundes; grund40

Art. 1

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

sätzlich a. A. Wengler, J Z 1974, 534, der von einer nur freiwilligen Befolgung in Berlin ausgeht). Allerdings besteht diese Verfassungspflicht nur, soweit alliierte Anordnungen nicht entgegenstehen. Daraus erhellt, daß der alliierte Einspruch gegen die Ü b e r n a h m e des B V f G G nach Berlin durch die dennoch bestehende Verfassungspflicht zur Beachtung der Entscheidungen des B V f G nicht ausgehöhlt wird: die Möglichkeit der A K B , für Berlin von den Entscheidungen des B V f G abweichende Regelungen zu erlassen, bleibt bestehen. In der Praxis hat die A K B die Bindung Berlins an die Entscheidungen des B V f G bisher stets geduldet. Sie wird daher auch von den Bestimmungen des Viermächte-Abkommens abgedeckt (Zivier, S. llOf). G. Bundespräsenz Bundes

und Teilnahme

Berlins am politischen

Leben

des

Nach der im Viermächte-Abkommen erfolgten A n e r k e n n u n g der zwisehen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin bestehenden Bindungen konnte im Bereich der demonstrativen Bundespräsenz eine Begrenzung von Veranstaltungen des Bundes zugestanden werden, da diese damit an Bedeutung verloren hatten (Rush, E A 1972, D 54). Die BVers sowie das Plenum des B T und des B R dürfen in Berlin nicht mehr zusammentreten. Diese Einschränkung ergibt sich ebenso wie die folgende nicht aus Anlage II Nr. 2 des Viermächte-Abkommens, in der die Bundespräsenz allgemein geregelt wird, sondern ausschließlich aus d e m Interpretationsschreiben I lit. b. Einzelne Ausschüsse des B R und B T dürfen in Berlin tagen, sofern ein Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung und Entwicklung der Bindungen zwischen Berlin und dem Bund besteht (z. B. Beratung eines nach Berlin zu übernehmenden Gesetzes). Mehrere Ausschüsse können aus gegebenepi Anlaß gleichzeitig tagen (Bulletin 1971, S. 1372, Zivier S. 221). Parlamentsfraktionen dürfen in Berlin hingegen nicht gleichzeitig tagen, jedoch bedarf es für ihre Sitzung keines besonderen sachlichen Anlasses. Die Bestimmung über die im Viermächte-Abkommen erwähnte Verbindungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland in Berlin (Anlage II Nr. 3 in Verbindung mit dem Interpretationsschreiben I lit. c) bringt keine Veränderung in der Sache. Das durch Erlaß der BReg. vom 30. November 1953 geschaffene A m t des Bundesbevollmächtigten ( D B F Nr. 149; siehe dazu Görlich, Die staatsrechtliche Stellung des Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland in Berlin, Diss. 1968) und die Berliner Zweigstellen der Bundesministerien sind lediglich in einer „Verbindungsbehörde" zusammengefaßt. 41

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Abschnitt I: Die Grundlagen

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Keine Veränderung in der Sache ergibt sich ferner für die in Anlage II Nr. 2, Interpretationsschreiben I lit. e genannten Staatsorgane: Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesregierung, Bundesminister und Bundesministerien, deren Zweigstellen und Bundesgerichte. Diese dürfen in den Westsektoren keine Verfassungs- oder Amtsakte vornehmen, die im Widerspruch zu der Regelung stehen, daß die Westsektoren wie bisher kein konstitutiver Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland sind und auch weiterhin nicht von ihr regiert werden (Anlage II Nr. 2). Die hiernach unzulässigen Verfassungs- oder Amtsakte sind Akte in Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über die Westsektoren Berlins (Interpretationsschreiben I lit. a). 86 Um Akte in Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über Berlin handelt es sich nicht: (1) Wenn die genannten Organe, die in Berlin ihren Sitz haben oder hier tagen, Verfassungs- und Amtshandlungen vornehmen, die nicht Berlin, sondern nur die Bundesrepublik im übrigen treffen. Nach allgemeinem Völkerrecht könnte die AKB als Inhaberin der obersten Gewalt die Anwesenheit von Bundesorganen und deren auf das übrige Bundesgebiet beschränkte Tätigkeit sogar dann gestatten, wenn Bund und Berlin zwei voneinander getrennte Staaten wären (Wengler EvStL s. Stichw. „Berlin"), (2) wenn die genannten Bundesorgane nur mittelbare Staatsgewalt über Berlin, d. h. Staatsgewalt kraft Zulassung oder Duldung der AKB im Einzelfall ausüben. Eine weitergehende Einschränkung als durch den „govern-Vorbehalt" zum GG ist damit nicht gemacht worden (s. o. Rdn. 37; ferner Erklärung BReg. Bulletin 1971, S. 1372). 87 Die Aufrechterhaltung der übrigen Teile der Bundespräsenz, die nicht im Viermächte-Abkommen erwähnt sind (Beisp. s. Rdn. 57), ist ebenso zulässig wie die Einrichtung weiterer Bundesbehörden. Das ViermächteAbkommen sieht ausdrücklich vor, daß die Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin nicht nur aufrechterhalten, sondern auch weiterentwickelt werden (s. auch Erklärung der Regierungen der Westmächte zur Errichtung des Bundesumweltamtes vom 24. Juli 1974, Text: von Münch, Dok. II, S. 165). Eine einseitige Veränderung der bestehenden Lage, die nach Nr. 4 der Allgemeinen Bestimmungen des Viermächte-Abkommens untersagt ist, liegt darin nicht. Mit der „Lage" im Sinne der Nr. 4 ist die rechtliche Lage gemeint (Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins, S. 164ff), die nicht verändert wird, solange die oberste Gewalt der AKB in West-Berlin erhalten bleibt. 88

Berlin ist in den Gesetzgebungsorganen des Bundes vertreten, die Berliner Vertreter im Bundestag und Bundesrat haben aufgrund alliierter Vorbehalte im Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure der 42

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Art. 1

drei Westmächte zum Grundgesetz bei Gesetzgebungsakten jedoch kein Stimmrecht. Art. 144 II GG enthält eine Übergangsregelung, nach der ein Land oder der Teil eines Landes, in dem die Anwendung des G G Beschränkungen unterliegt (gemeint ist Berlin), gem. Art. 38 G G Vertreter in den Bundestag und gem. Art. 50 G G Vertreter in den Bundesrat enjsgnden können. , Aufgrund der alliierten Vorbehalte können die Berliner Abgeordneten 8 9 im Deutschen Bundestag nicht direkt von den Berliner Bürgern gewählt werden (Bürger mit Hauptwohnung in Berlin und Nebenwohnung in Westdeutschland können allerdings am Ort ihrer westdeutschen Wohnung wählen, vgl. § 16 I BWO). Nach § 53 des in Berlin übernommenen BWG wählt daher das AvB (entsprechend der Anzahl der Berliner Bevölkerung zur Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik) 22 Abgeordnete in den Bundestag sowie eine ausreichende Zahl von Ersatzmännern. Die Wahl erfolgt auf der Grundlage der Fraktionsstärke und -Vorschläge im AvB unwiderruflich für eine Wahlperiode des BTags. Diese Abgeordneten sind in allen Angelegenheiten des Bundestages, wie z. B. allgemeinen Resolutionen, Beschlüssen, Geschäftsordnungsfragen und Wahl des Bundestagspräsidenten sowie in allen Ausschüssen des Deutschen Bundestages voll stimmberechtigt, insbesondere auch im Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat (Art. 77 II GG). Lediglich bei Plenumsbeschlüssen im Gesetzgebungsverfahren und der Wahl des Bundeskanzlers werden ihre Stimmen zwar nicht gesondert abgegeben, aber gesondert gezählt, (viereckiges, statt abgerundetes Format der Stimmkarten) und bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses nicht berücksichtigt. Dementsprechend genießen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus Berlin in allen Gremien und auch im übrigen die gleichen Rechte wie alle Abgeordneten. Sie können den Vorsitz führen, in den Richterwahlausschuß für die obersten Gerichtshöfe des Bundes gewählt werden, Verwaltungs- und Rundfunkräten angehören. Sie unterliegen den gleichen Vorschriften hinsichtlich Diäten und Immunität wie alle übrigen Abgeordneten. Die Mitwirkung Berlins im Bundesrat ist entsprechend der Mitwir- 9 0 kung der Berliner Bundestagsabgeordneten im Bundestag geregelt. Berlin entsendet entsprechend Art. 51 II G G z. Zt. vier Vertreter in den Bundesrat. Diese sind lediglich bei Beschlüssen im Gesetzgebungsverfahren nicht stimmberechtigt. Der RB kann zum Präsidenten des Bundesrates gewählt werden und in dieser Eigenschaft gem. Art. 57 G G den Bundespräsidenten vertreten. Die Mitwirkung Berlins in den übrigen Bundesorganen unterliegt 91 keiner Beschränkung. Berliner Politiker können der Bundesregierung angehören. Sie haben 9 2 43

Art. 1

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Abschnitt I: Die Grundlagen

nicht nur eine Reihe von Bundesministern gestellt, ein Berliner war von 1 9 6 9 - 1 9 7 4 Bundeskanzler. Berliner können auch in das Bundesverfassungsgericht gewählt werden, ein früherer Berliner Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Bundesinnenminister ist zur Zeit Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Nach § 15 B W G kann jeder Berliner Bürger über einen westdeutschen Wahlkreis oder eine westdeutsche Landesliste als voll stimmberechtigter Abgeordneter in den Deutschen Bundestag einziehen. Auch im Gemeinsamen Ausschuß gem. Art. 53 a G G , der zur Zeit aus 22 vom Bundestag aus seiner Mitte bestimmten Abgeordneten und elf Mitgliedern des Bundesrates besteht, wobei jedes Land durch ein von ihm bestelltes Mitglied des Bundesrates vertreten wird, wirken Berliner Vertreter mit. Schließlich sind auch die Berliner Bundestagsabgeordneten und die vom A v B gewählten weiteren Vertreter Berlins in der Bundesversammlung (Art. 54 III G G ) bei der Wahl des Bundespräsidenten voll stimmberechtigt. Die im AvB vertretenen politischen Parteien sind Landesverbände der entsprechenden Parteien in der übrigen Bundesrepublik; sie entsenden voll stimmberechtigte Delegierte in die Bundesparteitage und etwaige andere Parteiorgane, die auf Bundesebene arbeiten. Entsprechendes gilt für die Gewerkschaften und sonstige Organisationen, wie z. B. den Deutschen Sportbund. H. Außenpolitische

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Vertretung

Das V i e r m ä c h t e - A b k o m m e n hat in Teil II D mit der Anlage IV A und B bestätigt, daß die Vertretung Berlins im Ausland nach wie vor zum vorbehaltenen Bereich der drei Westalliierten gehört. Zugleich haben die Vier Mächte aber auch die bisherige Regelung zwischen den Westalliierten und der Bundesrepublik bestätigt, wonach es dieser obliegt, Berlin und seine Bevölkerung nach außen zu vertreten, soweit nicht A n gelegenheiten der Sicherheit und des Status betroffen sind. Mit der Formulierung „Vertretung der Interessen der Westsektoren" anstelle „Vertretung der Westsektoren" wird der westlichen Auffassung Rechnung getragen, daß es sich bei Berlin nicht um ein selbständiges Völkerrechtssubjekt handelt (Zivier, S. 224; Doehring/Hailbronner D A 1974, 1183). 98 In die internationalen Verträge der Bundesrepublik wird Berlin einbezogen. D e r Bund ist von Verfassungs wegen verpflichtet ( B V f G E 36, 1; vgl. auch Zivier S. 144f), das Land Berlin bei jedem A b k o m m e n , ins44

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Art. 1

besondere auch jeder Vereinbarung mit der D D R einzubeziehen, soweit dies nicht durch alliierte Vorbehalte ausgeschlossen ist. Diese Einbeziehung geht zurück auf Abs. 2 (c) der Grundsatzerklärung der AKB vom 14. Mai 1949 i. d. F. vom 7. März 1951, und insbes. auf die BKC/L (52) 6 (DBF Nr. 138). Danach ist die Einbeziehung Berlins gestattet, wenn darüber zwischen dem Bund und Berlin eine generelle Regelung getroffen wird (vgl. dazu die Schreiben des Bundeskanzlers und des RB vom 16.9./19. 12. 1952, D B F Nr. 104) und der Name Berlins im Wortlaut jedes einzelnen Vertrags, in der Beitrittserklärung zum Vertrag oder in einer gesonderten Erklärung genannt wird. Bei Handels- und Zahlungsverträgen genügt die Angabe, daß das Anwendungsgebiet des Vertrags das Währungsgebiet der DM-West ist. Berlin ist aus dem Anwendungsbereich eines Vertrages ausgeschlossen oder nur beschränkt einbezogen, wenn die AKB binnen 21 Tagen nach ihrer Benachrichtigung Einwendungen erhebt. Mit Schreiben vom 26. Mai 1952 i. d. F. des Briefes X vom 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II S. 500) haben die Westalliierten nochmals bekräftigt, daß sie ihre Rechte so ausüben wollten, daß die Bundesbehörden die Vertretung Berlins und der Berliner Bevölkerung sicherstellen könnten. Diese innerhalb der von den Westalliierten festgelegten Verfahren vorgesehene Einbeziehung Berlins in völkerrechtliche Vereinbarungen und Abmachungen, die die Bundesrepublik Deutschland schließt, unter der Voraussetzung, daß die Ausdehnung auf Berlin jeweils ausdrücklich erwähnt wird, ist durch das Viermächte-Abkommen ausdrücklich bestätigt worden (Nr. 2 b der Anlage IV A und B). Mit der Einbeziehung Berlins ist der internationale Vertrag nicht etwa eine völkerrechtliche Vereinbarung Berlins. Träger der völkerrechtlichen Rechte und Pflichten ist allein der Bund (Wengler, J Z 1974, 532 FN 36; Heidelmeyer, NJW 1968, 337), durch ihn ist das Land Berlin einbezogen in dem Umfang, wie der Vertragstext und die Berlin-Klausel des betr. Ratifizierungsgesetz des Bundes (in einigen Fällen enthielt bereits der Vertragstext eine Einschränkung - s. Rdn. 107 [Europawahl] - , in anderen Fällen [zusätzlich] die Berlin-Klausel - s. G zum Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. 1. 1963, das die Bestimmungen über die Verteidigung von der Geltung in Berlin ausnimmt, vgl. Bothe Z A Ö R V R 1965, 223, 2 4 5 f - ) und das Bln. Anwendungsgesetz hierzu seine Einbeziehung vorsehen. Der Vertrag tritt für die Bundesrepublik einschließlich des Landes Berlin zu dem Zeitpunkt in Kraft, der im Ratifizierungsgesetz des Bundes vorgesehen ist (§ 3 Vküb). Weiteres s. oben Rdn. 48. Ob für Berlin vorkonstitutionelle Verträge gelten, hat mit diesen Pro- 9 9 blemen der „Einbeziehung" nichts zu tun, sondern ist allein eine Frage 45

Art. 1

Abschnitt I: Die Grundlagen

der Fortgeltung alten Rechts, wofür die Art. 48 VvB, 123 ff G G (vgl. insbes. Art. 123 II G G ) maßgeblich sind (s. Erl. zu Art. 48 VvB; unzutreffend die Erwägungen K G J R 1972, 4 3 3 m. krit. A n m . Seeber, über die Beachtlichkeit des Briefwechsels zwischen Bundeskanzler und R B vom 16. 9 . / 1 9 . 1 2 . 52 f ü r diese Frage). 100 Verträge mit auswärtigen Staaten kann das Land Berlin gem. Art. 32 III G G nur unter den gleichen Voraussetzungen schließen wie die anderen Bundesländer (s. oben R d n . 42, 43; ferner Zivier, S. 269 f). A m Lindauer A b k o m m e n ist Berlin beteiligt (Einzelheiten s. Knörr S. 192). Z u m Problem der Ausführungs- und Ergänzungsvereinbarungen zum Viermächte-Abkommen sowie zu eventuellen Vertragsabschlüssen kraft Auftrags der A K B s. Knörr S. 215 ff; Zivier S. 269f. 101 A u ß e r in Fragen des Status und der Sicherheit liegt die Interessenvertretung Berlins im außenpolitischen Bereich allgemein beim Bund. Das Auswärtige A m t und die diplomatischen Vertretungen sind für Berlin zuständig (ebenso die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin). Trotz ausdrücklicher Erwähnung der konsularischen Betreuung für Personen mit Wohnsitz in Berlin (Anlage IV A lit. a des ViermächteA b k o m m e n s ) ist hier vieles streitig (z. B. wird von der Sowjetunion die konsularische Betreuung von juristischen Personen mit Sitz in Berlin in A b r e d e gestellt ebenso wie der zu den Aufgaben der Konsulate gehörende Rechts- und Amtshilfeverkehr). Zu diesen und weiteren Streitfragen hinsichtlich der Vertretung der Interessen Berlins in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen (vgl. Nr. 2 c Anlage IV A und B des Viermächte-Abkommens) sowie zu Tagungen und Ausstellungen in Berlin (aaO Nr. 2 d ) s. Wettig, aus politik und Zeitgeschichte B 42/76, 20ff, 32ff; Zivier, S. 227, 231; zu internationalen Sportveranstaltungen: Knecht D A 1976, 305; Cramer D A 1976, 369. Die Einrichtung konsularischer Vertretungen ausländischer Staaten in Berlin sowie die Bestellung und Zulassung ihrer Leiter hat sich die A K B vorbehalten ( B K / O [70] 8; GVB1. 1970 S. 2094 betr. Beitritt der Bundesrepublik zum Wiener A b k o m m e n ) . J. Einbeziehung Berlins in supra- und internationale

Organisationen

Das Viermächte-Abkommen bestätigt ferner ausdrücklich, daß das Land Berlin auch in allen internationalen Organisationen und auf allen internationalen Konferenzen von der Bundesrepublik vertreten wird (vgl. Nr. 2 c der Anlage IV A und B). 102 Berlin gehört zum gesamten Bereich der Europäischen Gemeinschaft und ist damit in die dynamische Fortentwicklung der E G einbezogen. 46

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Art. 1

In den E W G - V e r t r a g und in den Euratom-Vertrag vom 2 5 . März 1 9 5 7 ( B G B l . 1 9 5 7 II S. 7 6 6 u. 1 0 1 4 ) ist es in der für den Abschluß internationaler Verträge üblichen Form einbezogen: B e i Unterzeichnung der Verträge behielt sich die Bundesrepublik vor, bei der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde die Geltung der Verträge für das Land Berlin zu erklären (die Vertragspartner nahmen das nicht nur zur Kenntnis, sondern gaben darüber hinaus eine gemeinsame Berlin-Erklärung ab, B G B l . 1 9 5 7 II S. 7 6 0 ) und gab diese Erklärung später ab ( D B F Nr. 1 4 2 C ) . Das Vertragsgesetz vom 2 7 . Juli 1 9 5 7 ( B G B l . 1 9 5 7 II S. 7 5 3 ) , das in Art. 4 I eine Berlin-Klausel enthält, wurde nach ausdrücklicher Zustimmung durch die A K B und unter Wahrung der alliierten R e c h t e und V e r antwortlichkeiten ( D B F Nr. 1 4 2 D ) nach Berlin übernommen (GVB1. 1 9 5 7 S. 1 7 9 1 ) . (Zu der Frage, ob sich die Einbeziehung Berlins auch aus dem Vertragstext selbst ergibt s. Zieger, Festschrift für E . Menzel, S. 5 8 9 f f , der zutreffend darauf hinweist, daß Art. 2 2 7 I V E W G V Anwendbarkeit auf Hoheitsgebiete, dessen auswärtige Beziehungen ein Mitgliedsstaat wahrnimmt - sich nicht auf Berlin bezieht.) D i e Einbeziehung Berlins in den E G K S - V e r t r a g vom 18. April 1 9 5 1 ( B G B l . 1 9 5 2 II S. 4 4 7 ) ist mindestens seit Abschluß des Vertrages vom 8. April 1 9 6 5 ( B G B l . 1 9 6 5 II S. 1 4 5 4 ) zur Einsetzung eines G e m e i n samen R a t e s und einer Gemeinsamen Kommission der drei Europäischen Gemeinschaften unzweifelhaft. Bei Abschluß dieses Vertrages hatte die Bundesrepublik geltend gemacht, daß sie bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde geltend machen werde, daß der Fusionsvertrag ebenso wie der E G K S V für das Land Berlin verbindlich sei. Nach Zustimmung der A K B zur Übernahme des Fusionsvertrages mit diesem Zusatz hat die Bundesrepublik die angekündigte Erklärung abgegeben (Heidelmeyer N J W 1 9 6 8 , 3 3 7 FN 3). D i e Rechtslage vor Abschluß des Fusionsvertrages war - obwohl alle Beteiligten praktisch von der Einbeziehung Berlins ausgingen (vgl. Zieger a a O , S. 5 8 3 ) - deshalb nicht eindeutig, weil bei Abschluß des E G K S V das Verfahren für die Einbeziehung B e r lins in internationale Verträge noch nicht festgelegt war. Alle von den Organen der E G gesetzten Rechtsakte (Verordnungen, 1 0 3 Richtlinien, Entscheidungen sowie die Urteile des E u G H ) gelten wie im übrigen Bundesgebiet ohne besondere Ü b e r n a h m e - oder Verkündungsakte im Land Berlin als europäisches R e c h t . Lediglich das Inkrafttreten der Verordnungen der E G ( = „ G e s e t z e " ) wird nachträglich deklaratorisch im G V B I . bekanntgemacht, wobei lediglich (gesammelt) auf den Erlaß der Verordnungen durch A n g a b e ihrer Überschriften mit Fundstelle und Veröffentlichungsdatum im A B l . der E G hingewiesen wird mit der Feststellung, daß diese Rechtsvorschriften zum gleichen Zeitpunkt wie im übrigen Geltungsbereich der Verträge in Kraft getreten

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Abschnitt I: D i e Grundlagen

sind (Zieger, S. 598 Fußn. 87a). Allerdings hat sich die AKB vorbehalten,daß ihr „Europäische Verordnungen" (sie!) zuvor zur Kenntnis gebracht werden (BK/L [57] 44 u. 45), ohne daß damit ein eventuelles Aufhebungsrecht beansprucht wird (Zieger, Festschrift für E.Menzel, S. 597ff). Da die Alliierten keine Einwände gegen die Geltung des Art. 177 E W G V für Berlin erhoben haben, sind Berliner Gerichte berechtigt (Art. 177 II) und ggf. als letztinstanzliche Gerichte verpflichtet (Art. 177 III), unter Aussetzung des Verfahrens eine Entscheidung des EuGH durch Vorlage einzuholen, wenn es für ihre Entscheidung auf die Auslegung des EG-Vertragsrechts, Gültigkeit von Handlungen der E G Organe (auch hinsichtlich des Erlasses von EG-Rechtsvorschriften) oder von Satzungen der vom Rat geschaffenen Einrichtungen ankommt (z. B. Kartellsenat des KG, vgl. KG EurR 1969, 147). Bei völkerrechtlichen Verträgen der EG stellt sich, da sie auf deren autonomer Kompetenz beruhen, überhaupt nicht die Frage einer besonderen Erstreckung auf Berlin. Sie bedürfen keiner Berlin-Klausel und ebensowenig wie der Mitwirkung der nationalen Parlamente der des AvB. Lediglich dort, wo die Bundesrepublik zusammen mit der E G Vertragspartner ist (sog. gemischte Verträge) oder wo sie nationale Vorschriften zur Durchführung von Verträgen der E G erlassen muß (ähnlich wie bei den „Richtlinien" [ = „Rahmengesetzen"] der EG), kommt der „govern-Vorbehalt" und damit ggf. das Berlin-Klausel-Verfahren wieder zum Tragen (Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 601 f). Entsprechend der Zugehörigkeit Berlins zur E G haben einige EGInstitutionen ihren Sitz in Berlin, wie z. B. die Außenstelle Berlin des Verbindungsbüros der E G und das „Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung" (EG-Verordnung Nr. 337/75 des Rates, E G ABI. 1975 Nr. 39, S. 1; B K / O [75] 3, GVB1. S. 1132). Ferner werden auch in Berlin die Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland gewählt (vgl. Gesetz zu dem Beschluß und Akt des Rates der E G v. 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 4. 8. 1977, BGBl. II S. 733). Der auf Art. 21 III EGKSV, 138 III EWGV, 108 III EuratomV beruhende Beschluß und Akt des Rates der E G beinhalten als Bestandteil (Art. 15 III des Aktes) die Erklärung der Bundesrepublik, daß der Akt zur Einführung allgemeiner Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments auch für das Land Berlin gilt, daß aber mit Rücksicht auf die bestehenden Rechte und Verantwortlichkeiten der westlichen Alliierten das AvB die Abgeordneten für diejenigen Sitze wählen wird, welche innerhalb des Kontingents der Bundesrepublik Deutschland auf 48

Status Berlins (von Lampe/Pfennig)

Art. 1

das Land Berlin entfallen. Dementsprechend sind die auf Berlin entfallenden 3 Abgeordneten vom AvB zu wählen, § 28 Entw. E u W G mit Berlin-Klausel in § 29 DsBT 8/361. Alle zwei Jahre tagt entsprechend einem Beschluß seines Präsidiums das Europäische Parlament in Berlin, hinzu treten zahlreiche seiner Ausschußsitzungen (Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 605). Die E G hat nicht nur faktisch Berlin mit besonderem Vorrang bei 1 0 8 Messen, Ausstellungen und ihren Kongressen berücksichtigt sowie mit Leistungen durch Kredite der Europäischen Investitionsbank (zum Verfahren vgl. Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 604) und aus dem Europäischen Sozialfonds bedacht. Durch Art. 92 II lit. c E W G V ist rechtlich klargestellt, daß die besondere Begünstigung Berlins durch das BerlinFG nicht dem grundsätzlichen Wettbewerbsverzerrungsverbot des Art. 9 2 1 E W G V zuwiderläuft. Auch der Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zum Europa- 1 0 9 rat (BGBl. 1950 II S. 263; BGBl. 1953 II S. 558) erstreckt sich auf Berlin, eine förmliche Erstreckung des Beitrittsgesetzes ist allerdings erst später erfolgt (BGBl. 1968 II S. 573, GVB1. S. 1456; vgl. im einzelnen Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 587). Dementsprechend kann jeder Berliner Bürger auch gegen Akte der Landesgewalt z. B. die Menschenrechts-Kommission anrufen. Schließlich ist Berlin Teil der Bundesrepublik Deutschland in der 1 1 0 UNO. Sie hat beim Beitritt zu den Vereinten Nationen zusammen mit dem Aufnahmeantrag eine von den Vier Mächten als Mitglieder des Sicherheitsrates zur 28. Vollversammlung akzeptierte (Brief der UdSSR an den Generalsekretär vom 26. 6. 73, UN Doc. [Distr. General] A/9082 - S/10958; Brief Frankreichs, des Vereinigten Königsreichs und der USA vom 10. 12. 73, UN Doc. [Distr. General] A/9431 - S/11150; Brief der UdSSR vom 20. 12. 73, UN Doc. [Distr. General] A/9471 S 11165; Erklärung gegenüber dem Generalsekretär UN Doc. [Distr. General] A/9071 - S/10950) abgegeben, daß sie vom Zeitpunkt ihrer Mitgliedschaft in der U N O an die Rechte und Pflichten aus der Charta auch für Berlin (West) - außer in Fragen der Sicherheit und des Status in Übereinstimmung mit der BKC/L (73) 1 vom 13. 4. 73 übernimmt und die Interessen von Berlin (West) in den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen vertritt (vgl. Bulletin 1973, S. 738). Eine dementsprechende die Verantwortlichkeiten der Westalliierten berücksichtigende Berlin-Klausel enthält das Beitrittsgesetz (BGBl. 1973 II S. 431), das auch in Berlin gilt (GVB1. 1973, S. 1016; vgl. auch Mahnke, Vereinte Nationen 1973, 112 ff).

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Art. 2

Abschnitt I: Die Grundlagen

Artikel 2 (1) Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben. (2) Sie üben nach dieser Verfassung ihren Willen unmittelbar durch Wahl zu der Volksvertretung und durch Volksentscheid, mittelbar durch die Volksvertretung aus. Materialien 1. vgl. Art. 20 II GG; 2 BV; 66 VHB; 25 VBW; 3 VHH; 70/71 HV; 2 VNV; 2 VNW; 75 VRP; 6 2 VS; 2 LS 2. V V G B : Art. 2

3. Änderungen: 7. ÄndGVvB vom 28. 3. 1958 (GVB1. 308)

Erläuterungen 1

Ebenso wie Art. 20 II 1 GG bestimmt A r t 2 I VvB, daß alle Staatsgewalt in Berlin vom Volke ausgeht (Art. 28 I GG). Staatsvolk i. S. des Art. 2 I ist die Gesamtheit der Deutschen i. S. des Art. 116 G G (vgl. Art. 25, Rdn. 3), die in Berlin ihren Wohnsitz haben. Unter Wohnsitz ist der melderechtliche Wohnsitz, die Hauptwohnung in Berlin zu verstehen. Unter Berücksichtigung, daß die VvB ihrem Ansprüche nach für ganz Berlin gilt, kommt es für Art. 2 I nicht darauf an, ob die Hauptwohnung in einem Bezirk West- oder Ost-Berlins liegt. 2 Das G G bekennt sich zur repräsentativen Demokratie (Art. 20 II GG). Während die W R V die Möglichkeit vorsah, auf Reichsebene Volksbegehren und Volksentscheide in bezug auf die Gesetzgebung (Art. 73, 76) und Volksabstimmung mit dem Ziel der Absetzung des Reichspräsidenten (Art. 43) durchzuführen, kennt das G G nur im Bereich der Neugliederung des Bundesgebietes die plebiszitären Instrumente des Volksbegehrens und Volksentscheides (Art. 29). 3 Bis zum 17. ÄndGVvB vom 22. 11. 1974 (GVB1. S. 2741) sahen auch Art. 3 I i. V. m. 45 II, 49 und 88 II neben der Gesetzgebung durch das AvB auch die Möglichkeit der Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid vor (vgl. Art. 3, Rdn. 3). Die entsprechenden Gesetzentwürfe des SvB und aus der Mitte des AvB für ein Ausführungsgesetz sind nicht verabschiedet worden. Nunmehr beschränkt sich ein Volksentscheid nur noch auf die vorzeitige Auflösung des AvB (vgl. Art. 391). Die Teilhabung des Volkes an der Staatsgewalt, die in Abs. 1 als öffentliche Gewalt bezeichnet wird, beschränkt sich auf die Teilnahme an den Wahlen zum AvB und zu den B W e n sowie durch

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Art. 3

Staatsfunktionen (Magen/Pfennig)

Volksbegehren und Volksentscheid zum Zwecke der Auflösung des AvB. Die VvB geht von einer Volksvertretung aus, d. h., nur das AvB soll 4 die Stellung der Volksvertretung besitzen. Das wird auch durch Art. 3 I deutlich, wonach nur das Verfassungsorgan, das Gesetzgebungsbefugnisse hat, die Volksvertretung ist. Zweifel können jedoch bestehen, ob nicht auch die B W e n örtliche Volksvertretungen sind. Wegen ihres Zustandekommens (Wahl durch die deutsche Bevölkerung des Bezirks), ihrer Organisation, Arbeitsweise und Kontrollaufgaben könnte man sie als lokale Volksvertretungen ansehen (so früher: Oehler, Verfassung und Verwaltung der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände, 1929, S. 58, über die Berliner Bezirke: „Die Aufgaben der Stadtverordnetenversammlung hat die Bezirksversammlung", a. A. die heute h. M., vgl. Machalet, S. 116; Srocke, S. 7; Breitfeld, Die verfassungsrechtliche Stellung der Berliner Bezirke, 1953, S. 78). Da sowohl der SvB in seiner Gesamtheit als auch die Präsidenten der 5 oberen Landesgerichte vom AvB gewählt werden und Berufsrichter nur nach Mitwirkung eines vom AvB zu bildenden Richterwahlausschusses auf Lebenszeit ernannt und befördert werden dürfen (§ 2 BlnRiG), hat das Volk auch mittelbar durch das AvB Einfluß auf Exekutive und Judikative. Ebenso wird das Volk bei der Wahl des BzA durch die B W an der Zusammensetzung der Verwaltungsbehörde des Bezirks mittelbar beteiligt.

Artikel 3 (1) Die gesetzgebende Gewalt steht allein der Volksvertretung zu. Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung, die richterliche Gewalt in den Händen unabhängiger Gerichte. (2) Volksvertretung, Regierung und Verwaltung nehmen die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahr. Materialien 1. vgl. Art. 2 0 II 2 G G ; Art. 25 III V B W ; Art. 5 B V ; Art. 67 V H B ; Art. 3,4 V H H ; Art. 116, 126 HV; Art. 2 I VNS; Art. 3 V N W ; Art. 75, 77 VRP; Art. 64 VS; Art. 2 , 9 1 LS. 2. V V G B : Art. 2 III 3. Änderungen: 17. Ä n d G V v B v. 2 2 . 1 1 . 1 9 7 4 (GVB1. S. 2741)

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Art. 3

Abschnitt I: Die Grundlagen

Erläuterungen 1

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Art. 3 I bringt das Gewaltenteilungsprinzip zum Ausdruck. Die SED wollte dieses von ihr abgelehnte verfassungstheoretische Prinzip dadurch unterlaufen, daß dem Art. 3 ein dritter Absatz angefügt werden sollte: „Die Volksvertretung übt die Kontrolle über die gesamte Verwaltung und die Ausführung der Gesetze aus." Dieser Zusatz sollte insbesondere die Unabhängigkeit der Gerichte begrenzen. Wie Art. 20 II 2 G G legt Art. 3 I VvB ausdrücklich als verfassungsrechtlichen Grundsatz das Gewaltenteilungsprinzip fest. Da die Gewaltenteilung zum Wesen des Rechtsstaats gehört (Maunz/Dürig M D H S Art. 20, Rdn. 74), ist Berlin durch Art. 28 1 1 G G hierzu verpflichtet. Durch Art. 3 I wird die Staatsgewalt („Öffentliche Gewalt" i. S. des Art. 2 I) nicht aufgeteilt, sondern hinsichtlich ihrer Ausübung behält diese Vorschrift dreifach gegliederte Staatstätigkeiten auch dreifach gegliederten Staatsorganen vor. Art. 3 I weist die Legislative der Volksvertretung (AvB, Art. 25), die Exekutive der Regierung (SvB, Art. 40) und ihren Verwaltungsstellen, die Judikative unabhängigen Gerichten (Art. 63) zu. Gesetzgebung unmittelbar durch das Volk im Rahmen des Volksentscheids kennt die VvB nicht mehr (vgl. 17. Ä n d G VvB). Der auf der Montesquieuschen Dreiteilungslehre beruhende Grundsatz der Gewaltenteilung ist nicht als scharfe Trennung der Funktionen der einheitlichen Staatsgewalt zu verstehen. Die Gewaltentrennung ist nicht restlos durchgeführt, vielmehr sind alle drei Gewalten miteinander verschränkt, wie z. B. Art. 47 und Art. 69 zeigen. Der Grundsatz besagt, daß keines der drei Organe in den Bereich der Zuständigkeit eines der beiden anderen Organe übergreifen soll, vielmehr alle drei Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen sollen, um die Staatsmacht im Interesse der Freiheit des einzelnen zu beschränken. Mit der gesetzgebenden Gewalt ist die Rechtsetzung im Sinne der Art. 45 und 46 gemeint. Wenn Art. 3 I bestimmt, daß die Exekutive in den Händen der Regierung (des SvB) und der ihr nachgeordneten Verwaltung liegt, so unterscheiden dementsprechend die Art. 40ff die Regierungstätigkeit i. e. S. als Teil der Exekutive von der Verwaltung im allgemeinen, insbesondere auch durch die Bezirke, die durch Art. 50ff geregelt wird. Nachgeordnete Verwaltung i. S. des Art. 3 I ist dabei nicht nur die in Art. 44 angesprochene Hauptverwaltung, durch die der SvB zentrale Aufgaben wahrnimmt (Art. 51), nachgeordnet sind vielmehr auch die Verwaltungen der Bezirke, die die sonstigen Angelegenheiten der Verwaltung wahrnehmen (Art. 51 II), obwohl diese Verwaltungen dem SvB nicht untergeordnet sind wie die Hauptverwaltung, insbesondere nicht seiner 52

Staatsfunktionen (Pfennig)

Art. 3

direkten Aufsicht unterstehen. Die Verwaltungen der Bezirke sind in die Gesamtverwaltung eingeordnet und an der Gesamtverwaltung beteiligt im Rahmen der vom SvB bestimmten Grundsätze und der von ihm aufgestellten Richtlinien für die Verwaltung. Insoweit sind sie dem SvB nachgeordnete Verwaltung und deshalb in Art. 3 1 2 nicht als Teile der vollziehenden Gewalt besonders aufgeführt. Zu der nachgeordneten Verwaltung gehören im übrigen auch die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts des Landes Berlin, die als mittelbare Staatsverwaltung Teil der Hauptverwaltung sind. Hierzu zählen z. B. die Rechtsanwalts-, Notar- und Ärztekammern, Universitäten, die DKLB-Stiftung. Durch Art. 3 1 2 wird die Rechtsprechung als selbständige und unabhängige dritte Gewalt festgelegt. „Rechtsprechung" ist die Entscheidung dessen, was in Anwendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Tatbestand rechtens ist, durch eine neutrale Instanz (Maunz/Dürig, MDHS, Art. 20, Rdn. 85). Die rechtsprechende Gewalt ist gegen Einwirkungen der beiden anderen Gewalten stärker abgeschirmt als umgekehrt. Akte der Rechtsetzung und der Exekutive sind ihrer Kontrolle unterworfen (s. im einzelnen bei Art. 64 und 71). Deshalb müssen die Gerichte vor allem von der Exekutive getrennte Institutionen sein (vgl. B V f G E 4, 331, 346; 27, 312, 321). Art. 3 12 bringt gleichzeitig wie Art. 92 GG zum Ausdruck, daß Akte der rechtsprechenden Gewalt nicht von den Trägern der beiden anderen Gewalten getroffen werden dürfen (vgl. BVfGE 22, 49, 76, 81), weil sie ausdrücklich in die Hände unabhängiger Gerichte gelegt sind. Art. 3 II ist im Zusammenhang mit Art. 1 I zu sehen. Danach sind Landesverwaltung und Stadtgemeindeverwaltung nicht getrennt, sondern werden von den selben Organen ausgeführt (vgl. Art. 1, Rdn. 2, 4, 6). Art. 3 II bezeichnet die Aufgaben Berlins als gleichzeitig die einer „Gemeinde", eines „Gemeindeverbandes" und eines „Landes". Alle drei Aufgabenkreise zusammen sind von Volksvertretung, Regierung und Verwaltung wahrzunehmen, da Staat und Gemeinde keine verschiedenen Rechtssubjekte sind. Mithin haben das AvB und der SvB mit seinen Verwaltungsbehörden nicht nur die staatlichen Aufgaben eines Landes wahrzunehmen, sondern auch gleichzeitig die kommunalen Aufgaben der Stadtgemeinde Berlin. Insoweit folgen sie grundsätzlich den Funktionen der ehemaligen S t W und des ehemaligen MvB nach dem StGemG vom 27. April 1920 mit der Novelle vom 30. März 1931. Der Hinweis auf die Aufgaben eines Gemeindeverbandes bedeutet nicht, daß die Verwaltungsbezirke Berlins die Stellung selbständiger Gemeinden und die Gesamtstadt die Stellung eines Gemeindeverbandes 53

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Art. 4

Abschnitt I: Die Grundlagen

hätte. Er ist lediglich dadurch verständlich, daß Berlin mit dem StGemG auch die Aufgaben aus dem Aufgabenkreis einer früheren Provinz (als Gemeindeverband) übernommen hatte, obwohl Berlin nach diesem Gesetz Einheitsgemeinde und ein Stadtkreis wurde, aber gleichzeitig die Stellung einer Provinz hatte. Berlin ist als Stadt Einheitsgemeinde geblieben, AvB und SvB mit nachgeordneter Verwaltung haben neben den Landesaufgaben auch die der Einheitsgemeinde zu erfüllen.

Artikel 4 (1) Berlin umfaßt das Gebiet der bisherigen Gebietskörperschaft GroßBerlin mit den Gren/.en, die bei Inkrafttreten der Verfassung bestehen. Jede Änderung seines Gebietes bedarf der Zustimmung der Volksvertretung. (2) Berlin ist in 20 Bezirke eingeteilt. Eine Änderung der Zahl und der Grenzen der Bezirke kann nur durch Gesetz vorgenommen werden. Für Grenzänderungen von geringerer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. Materialien 1.Vgl. Art. 23 GG 2. W G B : Art. 1 3. Änderungen: Durch das 6. ÄndGVvB vom 30. 1. 1958 (GVB1. 125) ist Art. 4 II 3 eingefügt worden.

Erläuterungen 1

Art. 4 setzt das Landesgebiet von Berlin fest und unterstellt es dem Schutz der Verfassung. Dabei verweist Art. 4 1 1 auf das Gebiet von Groß-Berlin, das bei Inkrafttreten der VvB bestand, und beansprucht damit die Geltung der VvB für Gesamt-Berlin (zur faktischen Unmöglichkeit vgl. Knörr, S. 210, Anm. 137, und Art. 1, Rdn. 2). Groß-Berlin hatte am 20. 10. 1946 das bis dahin zur preußischen Stadt Berlin gehörende Gebiet übernommen, wie es durch das StGemG vom 27. April 1920 festgelegt und später geringfügig erweitert worden war. 2 Nach der VvB kann eine Änderung des Gebiets von Berlin nur mit Zustimmung des AvB erfolgen. Darüber hinaus ist das gegenwärtige Gebiet Berlins durch das Viermächte-Abkommen vom 3. September 54

Gebiet Berlins (Neumann)

Art. 4

1971 verfestigt (mit der Ermächtigung in II C Abs. 2 und Anl. III Nr. 3 betr. Gebietsaustausch der Exklaven ; vgl. Zivier S 264ff). Eine Änderung des Berliner Gebiets bedürfte somit immer der Zustimmung der vier Alliierten. Dies gilt nicht nur für West-Berlin, sondern auch für OstBerlin. Wenn also Ost-Berlin erreichen wollte, daß ein weiterer Stadtbezirk gebildet wird, der ganz oder teilweise über das vom ViermächteAbkommen bestätigend festgelegte Berliner Gebiet hinausgeht, so bedarf es der Zustimmung auch der West-Alliierten. Art. 4 II 1 übernimmt die Bezirkseinteilung in 20 Verwaltungsbezirke, 3 wie sie schon durch § 14 StGemG vorgenommen worden war. Die 20 Bezirke sind: 1. Mitte 2. Tiergarten 3. Wedding 4. Prenzlauer Berg 5. Friedrichshain 6. Kreuzberg 7. Charlottenburg 8. Spandau 9. Wilmersdorf 10. Zehlendorf 11. Schöneberg 12. Steglitz 13. Tempelhof 14. Neukölln 15. Treptow 16. Köpenick 17. Lichtenberg 18. Weißensee . 19. Pankow 20. Reinickendorf Die Bezirke sind keine Gemeinden, sondern Gebietskörperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. Art. 50, Rdn. 12). Durch Art. 4 II 1 werden sie als Institution gewährleistet. Besatzungsrechtlich unterstehen die Bezirke Kreuzberg, Zehlendorf, 4 Schöneberg, Steglitz, Tempelhof und Neukölln den USA, die Bezirke Tiergarten, Charlottenburg, Spandau und Wilmersdorf Großbritannien und die Bezirke Wedding und Reinickendorf Frankreich. Ost-Berlin stellt das Gebiet des sowjetischen Sektors dar mit den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Treptow, Köpenick, Lichtenberg, Weißensee und Pankow. Vor Inkrafttreten der VvB konnte eine Änderung der Bezirksgrenzen 5 55

Art. 5

Abschnitt I: Die Grundlagen

durch einfache (übereinstimmende) Beschlüsse der S t W und des MvB herbeigeführt werden, wenn die beteiligten Bezirksversammlungen zustimmten. Art. 4 II 2 dagegen setzt fest, daß hierfür nun ein (einfaches) Landesgesetz erforderlich ist, sofern nicht durch Gesetz für Grenzänderungen von geringer Bedeutung Abweichendes bestimmt wird, Art. 4 II 3. 6 Eine Änderung der Zahl der Bezirke kann nicht durch einfaches Landesgesetz vorgenommen werden, sondern bedarf, weil es sich um eine Änderung von Art. 4 II 1 handelt, einer Verfassungsänderung (so auch Landsberg/Götz, S. 57). Über die Aufgliederung Berlins in Bezirke, deren Anzahl und deren Abgrenzung bringt das Vier-Mächte-Abkommen keine Regelungen. Eine Regelung insoweit bedürfte also nicht der Zustimmung aller vier Alliierten. Sofern durch eine Änderung der Bezirksstruktur Auswirkungen auf die besatzungsrechtliche Aufteilung zu besorgen wären, könnte eine solche aber nicht ohne Zustimmung der betroffenen (West-) Alliierten erfolgen. 7 Der Gebietsaustausch aufgrund des Viermächte-Abkommens (vgl. oben Rdn. 2) ist keine Maßnahme aufgrund Art. 4 dieser Verfassung. Der SvB handelt bei Abschluß von Vereinbarungen über den Austausch von Gebieten im Auftrag der Besatzungsmächte (Zivier, S. 265). Die AKB hat durch BK/O (72) 6 vom 3. Juni 1972 - GVB1. S. 998 - angeordnet, daß die erworbenen Gebiete Teile des jeweils angrenzenden Sektors werden. Alle in den betreffenden Sektoren in Kraft befindlichen Gesetze und Beschlüsse finden in den eingetauschten Gebieten Anwendung. Vollzogen wird der Gebietsaustausch durch die Unterzeichnung des Schlußprotokolls, also durch einen Akt der vier Alliierten. Der besatzungsrechtliche Status der betreffenden Sektoren erstreckt sich auf die erworbenen Gebiete und erlischt für die Gebiete, die an die D D R abgetreten worden sind. Zugleich werden die erworbenen Gebiete Territorium der deutschen Gebietskörperschaft Berlin. Die abgetretenen Gebietsteile verlieren ihre Zugehörigkeit zum Land Berlin und unterliegen auch nicht mehr dem Besatzungsrecht der Alliierten. Durch Vereinbarung vom 21. 7. 1972 ist das Gebiet des Potsdamer Platzes nachträglich in den Gebietsaustausch einbezogen worden, vgl. BK/O (72) 9 vom 21. 7. 1972 (Beilage BAnz Nr. 174, S. 41). Dieses Gebiet ist damit zum Bestandteil des britischen Sektors (Bezirk Tiergarten) geworden. Artikel 5 Berlin führt Flagge, Wappen und Siegel mit dem Bären, die Flagge mit den Farben Weiß-Rot 56

Flagge (Neumann)

Art. 5

Materialien 1. Art. 22 GG; 2 4 VBW; 1 II und III BV; 68 VHB; 5 V H H ; 66 HV; 1 II VNV; 1 II VNW; 74 III VRP; 61 VS. 2. VVGB: Art. 1 III 3. Änderungen: -

Erläuterungen Die Führung von Flaggen, Wappen und Siegel ist ein altes Recht der 1 Städte. Das Siegel dient dazu, Urkunden und sonstige wichtige Willenserklärungen besonders kenntlich zu machen; es ist die äußerliche Bestätigung der Gültigkeit. Das Wappen dient dazu, äußerlich zu kennzeichnen, wem das fragliche Gebäude oder eine sonstige Einrichtung gehört oder dient. Wappen und Siegel zeigen im silbernen öder weißem Schilde einen 2 aufgerichteten schwarzen Bären mit roter Zunge und roten Krallen, auf dem Schild ruht eine goldene, fünfblättrige Laubkrone, deren Stirnreif aus Mauerwerk mit einem Tor in der Mitte ausgestattet ist, § 1 H o h Z G . Die Landesflagge zeigt die Farben Rot-Weiß-Rot in drei Längsstreifen, wobei die äußeren Streifen je ein Fünftel, der mittlere drei Fünftel der Flaggenbreite einnimmt, der mittlere Streifen ist mit der etwas nach der Stange hin verschobenen Wappenfigur ohne Schildumrahmung belegt, § 2 1 HohZG. Das erste Siegel der Stadt Berlin erscheint schon im zwölften Jahrhun- 3 dert; im Jahre 1280 erscheint der Bär im Siegel. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entsteht die Berliner Flagge mit den Farben Weiß und Rot und dem schwarzen Bären. Die Herkunft der Farben und des Bären sind nicht eindeutig zu klären. Wahrscheinlich ist das „ R o t " aus den brandenburgischen und das „Schwarz" aus den preußischen Farben entlehnt. Die Mauerkrone als Symbol des Stadtrechts ist schon vom ältesten Siegel von Berlin aus dem zwölften Jahrhundert überliefert, das die Inschrift trägt: „Sigillum de berlin burgensium". Das Siegel von 1280 zeigt erstmals den Bären unter dem Brandenburgischen Adler. Das Heroldsamt des preußischen Königs legt im Jahre 1709 Wappen und Siegel für Berlin obrigkeitlich fest: Das ist der stehende schwarze Bär, darüber der rote brandenburgische und der schwarze preußische Adler und darüber die Kurkrone; 1839 wird letztere durch die Mauerkrone ersetzt. Inzwischen sind preußischer und brandenburgischer Adler entfallen, der Bär ziert allein Wappen und Siegel. Warum Berlin den Bären im Wappen führt, kann nicht sicher erklärt werden. Einige mutmaßen, daß Markgraf Albrecht der Bär sozusagen der Gründer Berlins sei. Es wird aber auch angenommen, daß es sich um ein „redendes" Wappen handele, d. h., der Bär wurde gewählt, weil der 57

Art. 5

Abschnitt I: Die Grundlagen

Wortklang der ersten Silbe des Wortes Berlin (gleich Bär-lin) gleichklingt. So soll es auch zu erklären sein, daß die Vororte Bernau und Bernburg den Bären im Wappen hätten (so Haas, W G B S. 31). 4 Die Bezirke führen das Landeswappen, § 1 II 1 HohZG. Der SvB hat den Bezirken Bezirkswappen verliehen, aufgrund § 1 II 2 HohZG, die bei besonderen Anlässen neben dem Landeswappen geführt werden. Diese Wappen haben ebenfalls amtlichen Charakter. Sie führen sämtlich das Symbol der Stadtmauer und darin eingebettet das Wappen Berlins mit dem Bären. 5 Berliner Behörden führen das Landessiegel; es kommt vor in Gestalt des großen und des kleinen Landessiegels. Wer zu welchem Anlaß zur Verfügung über das große Landessiegel berechtigt ist, ergibt sich aus der SiegelVO. 6 Die Verunglimpfung der Farben, der Flagge oder des Wappens Berlins ist nach § 90 a I Nr. 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Ebenso wird nach § 90 a II StGB bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen Berlins entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Ordnungswidrig nach § 124 I OWiG handelt, wer unbefugt das Wappen Berlins oder den entsprechenden Teil eines Wappens oder einer Dienstflagge Berlins benutzt. Diesen Wappen und Wappenteilen und Flaggen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

58

Abschnitt II Die Grundrechte

Vorbemerkungen Gliederung 1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.3.9 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3

Das Verhältnis der Landesgrundrechte zu den Bundesgrundrechten Der Geltungsgrund der Bundesgrundrechte in Berlin, Art. 87 Abs. 3 VvB Die „Mindestgarantie" der Bundesgrundrechte Die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 GG Art. 1 Abs. 3 GG Art. 142 GG und die Geltung der Landesgrundrechte Ein „einheitliches" Grundrecht? Folgen des „Zurückbleibens" der Landesgrundrechte Soziale Grundrechte Gleichheitsgrundrechte Individuelle Freiheitsgrundrechte Einrichtungsgarantien Rechte des status activus Bestimmungen der VvB, die nicht dem Katalog der Art. 1 - 1 8 GG entsprechen Verhältnis zum einfachen Bundesrecht Grundrechtstheoretisches Vorverständnis, Deutungsweisen, „Dimensionen" der Grundrechte Methode der Grundrechtsinterpretation Deutungsweise der Freiheitsgrundrechte Die sozialen Grundrechte D as Schrankensystem der Freiheitsgrundrechte Ebene der Verbürgung Ebene der Einschränkungsvorbehalte Ebene der Schrankenschranken 59

Vor

Abschnitt II: Die Grundrechte

1. Das Verhältnis der Landesgrundrechte zu den

Bundesgrundrechten

1 1.1 Der Geltungsgrund der Bundesgrundrechte in Berlin (Art. 87 III) Ganz sicher ist zunächst, daß die VvB nicht den Willen hat, die im Abschnitt II mit besonderer Sorgfalt ausgearbeiteten Grundrechtsbestimmungen der VvB dadurch samt und sonders sogleich wieder aufzuheben, daß sie mit Art. 87 III 1 und 2 die Bestimmungen des GG übernimmt und diesen zugleich den Vorrang vor den Regelungen der VvB einräumt. Wie immer man die umstrittene Vorschrift des Art. 142 GG daher auch auslegen mag, so geht es doch auf keinen Fall an, das „bleiben" in dieser Vorschrift so auszulegen, daß darunter nur diejenigen Landesverfassungen zu verstehen sind, die bereits vor Inkrafttreten des GG gegolten haben, nicht dagegen auch diejenigen, die - wie die VvB — nach dem Inkrafttreten des GG geschaffen worden sind (a. A. Groß, DV 1950, 5 ff; v. Mangoldt, Art. 142 GG, S. 664; Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 142 GG, Rdn. 3). Jedenfalls für das Berliner Recht ist wegen der besonderen Rechtslage in Berlin eine solche Auslegung auf jeden Fall ausgeschlossen (a. A. OVG Berlin, DÖV 1974, 28). Im übrigen ist eine solche Auslegung des Art. 142 GG aber auch aus anderen Gründen unzutreffend (BWStGH, BWVB1. 1956, 153; Maunz, MDHS, Art. 142 Rdn. 6; Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 89 m. w. N.). Nach Holtkotten (BK 1. Aufl., Art. 142 GG, Anm. II 5, S. 8) ist die Verwendung des Wortes „bleiben" auf redaktionelle Gründe zurückzuführen, weil nämlich die ursprüngliche Formulierung „stehen nicht entgegen" deswegen als unglücklich angesehen wurde, weil eine höherrangige Norm nach Auffassung der Väter des GG einer niedrigeren Norm niemals „entgegenstehen" könne. Diese ursprüngliche Formulierung zeigt aber ganz eindeutig, daß das „bleiben" nicht zeitlich zu verstehen ist, sondern als Beschreibung des sachlichen Verhältnisses des Landesrechtes zum Bundesrecht (Maunz aaO). Im übrigen ist es wohl auch abwegig, dem GG den Willen zu entnehmen, zwischen Landesverfassungen mit und ohne Grundrechten unterscheiden zu wollen, nur weil die einen anders als die anderen zufällig bereits vor dem Inkrafttreten des GG geschaffen worden sind. Ein vernünftiger Sinn für eine solche Art der Differenzierung ist jedenfalls noch nicht einmal im Ansatz erkennbar. Die Entscheidung darüber, ob die Landesverfassung auch Grundrechte umfassen soll, wollte das GG doch offensichtlich dem Landesverfassungsgeber überlassen. 1.2 Die „Mindestgarantie" der Bundesgrundrechte 2

1.2.1 Diese Mindestgarantie läßt sich nicht der sog. „Homogenitäts60

Vorbemerkungen (Schwan)

Vor

klausel" (BVfGE 36, 342) des Art. 28 I 1 G G entnehmen. Zwar hat danach die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern auch den Grundsätzen des Rechtsstaates „im Sinne dieses Grundgesetzes" zu entsprechen, und gehört weiter zu diesem Rechtsstaatsprinzip im Sinne des Grundgesetzes sicher auch die Existenz von Grundrechten. Dies heißt jedoch nicht, daß auch alle Länder einen Grundrechtskatalog haben müßten, der zumindest all diejenigen Grundrechte umfaßt, die das Grundgesetz kennt. Sonst wären z. B. die V H H , VNV und LS wegen Verstoßes gegen das G G verfassungswidrig, weil diese lediglich ein Organisationsstatut für den Aufbau und die Verteilung der Landesstaatsgewalt, nicht jedoch auch Grundrechte enthalten. Andere Länderverfassungen, die zwar Grundrechte gewährleisten, die jedoch nicht deckungsgleich mit denjenigen des G G sind, wären ebenfalls insoweit verfassungswidrig, als ihr Grundrechtskatalog hinter dem des G G zurückbleibt. Das würde selbst für solche Landesverfassungen gelten, die bereits vor dem G G geschaffen worden sind und die dem Parlamentarischen Rat daher bekannt waren, als er die Homogenitätsklausel in das G G hineinschrieb (z. B. die BV, VHB, HV, VRP). Man wird dem Parlamentarischen Rat schwerlich unterstellen können, daß er eine so weitgehende Bindung des Landesverfassungsgebers und einen solchen Effekt gewollt hat. Dies um so weniger, als die dadurch erzwungene Wiederholung der Bundesgrundrechte in den Landesverfassungen den betroffenen Bürgern in der Sache keine nennenswerten Besserstellungen bringt; denn daß auch die Landesstaatsgewalt an die Bundesgrundrechte gebunden ist, ergibt sich schon aus Art. 1 III GG, so daß es dafür nicht der Wiederholung der Bundesgrundrechte in den Landesverfassungen bedurft hätte. Einziger Effekt einer solchen Wiederholung wäre die Eröffnung des Rechtsweges auch zu den Landesverfassungsgerichten bei Verletzung dieser Rechte. Da jedoch die Existenz einer Landesverfassungsgerichtsbarkeit vom G G - einschließlich der Homogenitätsklausel — nicht erzwungen wird, würde dieser Effekt ohnehin nur dort eintreten, wo der Landesverfassungsgeber - anders als in Berlin — eine Verfassungsgerichtsbarkeit eingerichtet hat. Der Effekt, den die so verstandene Homogenitätsklausel allenfalls auszulösen imstande wäre, würde also von einer Entscheidung abhängen, in der der Landesverfassungsgeber frei ist. Etwas so Unsinniges kann das G G nicht wollen. Man wird daher davon ausgehen können (und müssen), daß Art. 142 GG im Verhältnis zu der Homogenitätsklausel des Art. 28 I 1 G G eine Spezialregelung darstellt. Soweit die Grundrechte gemeint und angesprochen sind, wird das Verhältnis der Landesverfassungen zum Grundgesetz nicht durch Art. 28 I GG, sondern durch Art. 142 G G geregelt. 61

Vor 3

Abschnitt II: Die Grundrechte

1.2.2 Die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" folgt jedoch aus Art. 1 III GG. Wenn es dort heißt, daß die „nachfolgenden Grundrechte . . . Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (binden)", dann ist damit nicht nur die Bundesstaatsgewalt, sondern auch die Landesstaatsgewalt gemeint. Die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" ist also nicht - wie die h. L. jedoch meint (BVfGE 1, S. 264f; Maunz, MD HS Art. 142, Rdn. 14; Holtkotten, BK, Art. 142 GG, Anm. II 2 a, S. 2, m. w. N.; Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 311, 318, m. w. N. in Fn. 28; kritisch dazu Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 16) — eine Folge des Art. 142 G G ; diese Vorschrift trifft Regelungen allein im Hinblick auf die Landesgrundrechte und will ganz offensichtlich zu der Bindungswirkung der Bundesgrundrechte überhaupt keine Aussage treffen; sie ist auch nicht eine Folge aus Art. 28 I GG, sondern sie ergibt sich aus Art. 1 III GG i. V. m. Art. 31 G G , wobei die Wirkung der zuletzt genannten Vorschrift darin besteht, den Landesverfassungsgeber daran zu hindern, die Bindung der Landesstaatsgewalt durch die Bundesgrundrechte aufzuheben oder zu modifizieren.

4 1.3 Art. 142 G G und die Geltung der Landesgrundrechte 1.3.1 Für das Verständnis der noch immer außerordentlich umstrittenen Vorschrift des Art. 142 G G ist mit dem in Rechtsprechung (BVfGE 22, 267 [LS 3], 271) und Literatur (Friesenhahn, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Sonderdruck 1963, S. 33; Holtkotten, BK Art. 103, Erl. II 1; anders ders., Art. 142, Erl. II l b ; Nawiasky, Art. 91 BV, Rdn. 2) immer wieder anzutreffenden Mißverständnis aufzuräumen, daß gleichlautende Bundes- und Landesgrundrechte nur ein einziges „einheitliches" Grundrecht gewährleisteten. Zutreffend ist daran lediglich, daß gleichlautende Landes- und Bundesgrundrechte denselben Lebenssachverhalt schützen, d. h. bei den Freiheitsgrundrechten dieselbe Art der Freiheit, bei den Gleichheitsgrundrechten dieselbe Art der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung und bei den sozialen oder Teilhaberechten dieselbe Art der staatlichen Leistung. Die darauf gerichteten Grundrechte (Ansprüche) sind jedoch durchaus verschiedene: Dem Bürger steht hinsichtlich desselben Verhaltens nicht nur ein Grundrecht zu, sondern deren zwei. Das eine kann er mittels der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen, das andere, sofern es in diesem Land eine Verfassungsgerichtsbarkeit gibt, vor dem Verfassungsgericht des Landes (so auch Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 21). Die vom BayVfGH (E 11, 62

Vorbemerkungen (Schwan)

Vor

11, 16 ff) übernommene Formulierung des BVfG (E 22, 267, 271), man müsse zwischen dem materiellen Gehalt eines Grundrechtes und der Möglichkeit seiner mehrfachen Garantie unterscheiden, ist darum höchst mißverständlich und dient eigentlich nur der Verwirrung. Unter „materiellem Gehalt" eines Rechtes kann man doch wohl eigentlich nur die von der Rechtsordnung verliehene Rechts- oder Willensmacht verstehen, ein bestimmtes Verhalten der Anspruchsadressaten notfalls zwangsweise durchsetzen zu können. Diese Rechts- oder Willensmacht wird dem Berechtigten bei gleichlautenden Bundes- und Landesgrundrechten aber nicht nur einmal, sondern zweimal verliehen. Also handelt es sich auch nicht nur um einen Anspruch, um ein Grundrecht, sondern um deren zwei. „Zwei verschiedene rechtliche Ansprüche (sichern) ein und denselben tatsächlichen Freiheitsraum", wie Leisner (aaO, S. 15) dies in bezug auf gleichlautende Freiheitsgrundrechte zutreffend formuliert hat. 1.3.2 Sodann bedarf aber auch die von der h. L. (Holtkotten, Art. 142 5 GG, Anm. II 2 a ; Böckenförde/Grawert, D Ö V 7 1 , S.119,121; Domcke, S. 319, 324, 327; Kratzer, Festschrift für Laforet S. 116, 124; Körner, D Ö V 1962, 296) nahezu einhellig vertretene Auffassung der Korrektur, daß sich Landesgrundrechte mit Bundesgrundrechten nur dann „in Übereinstimmung" i. S. d. Art. 142 GG befänden, wenn sie entweder die gleiche Aussage oder sogar eine darüber hinausgehende träfen, wenn sie also entweder dasselbe oder ein höheres Maß an Freiheit, Gleichheit oder Leistung (Teilhabe) garantierten, nicht dagegen auch dann, wenn die Garantie des Landesgrundrechtes hinter derjenigen des entsprechenden Bundesgrundrechtes zurückbleibt. Auf die Grundrechte des status activus ist diese These übrigens nie erstreckt worden. Welches Maß die Landesverfassungen der Partizipation des Bürgers an der staatlichen Machtausübung einräumen müssen, ist zu Recht immer nur an der Homogenitätsklausel des Art. 28 I G G gemessen worden. Nach hier vertretener Ansicht (ähnlich auch Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 20f; Maunz, MDHS, Art. 142, Rdn. 14) können sich die Landesgrundrechte sehr wohl auch in diesem dritten Falle „in Übereinstimmung" mit den Bundesgrundrechten befinden; denn entscheidend ist dafür - entgegen der h. L. — nicht, ob die Landesgrundrechte das Niveau der „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" unterschreiten, einhalten oder überschreiten, sondern ob sie der durch das Grundgesetz gegebenen Mindestgairantie widersprechen, anders und besser formuliert: ob sie die durch Art. 1 III G G angeordnete Bindung auch der Landesstaatsgewalt an die Bundesgrundrechte aufzuheben versuchen. Der Widerspruch (vgl. auch Leisner aaO S. 16, 18, 21; Maunz aaO Rdn 12; Rüfner, D Ö V 1967, 668, 669; Bachof, D Ö V 1951, 588), nicht das Zu63

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Abschnitt II: Die Grundrechte

rückbleiben ist also das entscheidende Kriterium dafür, ob sich die Landesgrundrechte „in Übereinstimmung" mit den Bundesgrundrechten befinden oder nicht. Liegt ein Widerspruch vor, dann kommt Art. 31 G G zur Anwendung. Es ist ganz erstaunlich, in welchem Maße die h. A. die Erwähnung des Art. 31 G G in der Vorschrift des Art. 142 G G übersieht oder ihr doch eine gänzlich unzutreffende Auslegung gibt. Die Erwähnung dieser Vorschrift dient keineswegs der Klarstellung, daß bei anderen als Grundrechtsvorschriften Bundesrecht Landesrecht bricht, sondern sie dient der Klarstellung, daß selbstverständlich auch Grundrechtsvorschriften der Landesverfasung dem G G nicht widersprechen dürfen. Ein solcher Widerspruch liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn die Freiheits-, Gleichheits- oder Teilhabegarantien der Landesgrundrechte hinter denjenigen der Bundesgrundrechte zurückbleiben, sondern allein dann, wenn die Landesgrundrechte ein staatliches Verhalten gebieten oder verbieten, das sich mit den Garantien der Bundesgrundrechte nicht vereinbaren läßt. Dies bedarf der gesonderten Exemplifizierung für die Leistungs- oder Teilhabegrundrechte (Rdn. 6), für die Gleichheitsgrundrechte (Rdn. 7f), für die Freiheitsgrundrechte, wobei bei diesen zwischen den subjektiven Freiheits- (besser: Abwehr-)rechten (Rdn. 9 ff) und den institutionellen Freiheitsgewährleistungen (Rdn. 21 ff) zu unterscheiden ist, und für die Rechte des status activus (Rdn. 27). 6 1.3.3 Ohne daß an dieser Stelle schon auf die Rechtsnatur der in der Berliner Verfassung enthaltenen sozialen Grundrechte eingegangen werden soll, so dürfte doch eines feststehen, nämlich daß landesverfassungsrechtliche Leistungsansprüche, die aus solchen Vorschriften entspringen, nicht allein schon deshalb entweder aufgehoben (zur „Aufhebungslehre" vgl. Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 116; Körner, D Ö V 1962, 296) oder aber auf die Ebene der bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistung heraufgehoben bzw. „ergänzt" (zur „Ergänzungslehre" vgl. Holtkotten, BK, Art. 142, Anm. II 2a, S. 2; besonders nachdrücklich in diesem Sinne Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 319, 321 f, 323, 327; w. N. bei Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 20, und Maunz aaO, Rdn. 15) werden müßten, weil sie hinter den entsprechenden bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen zurückbleiben. Die einzige Konsequenz, die sich aus einem solchen Zurückbleiben ergibt, ist die, daß aus der Landesverfassung nicht die gleichen Forderungen abgeleitet werden können wie aus dem GG. Besonders hier, bei den sozialen Grundrechten, zeigt sich, daß sowohl die „Aufhebungslehre" wie auch die „Ergänzungslehre", die freilich beide auch nicht zu den Leistungsgrundrechten, sondern zu den Freiheitsgrundrechten entwickelt worden sind, das Wesen und den Zweck

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des Art. 142 GG verkennen, wenn sie meinen, daß eine „Übereinstimmung" im Sinne dieser Vorschrift immer nur dann vorliegen könne, wenn die Gewährleistung der Landesverfassung das Niveau des GG zumindest erreicht. Nach hier vertretener Auffassung liegt Nichtübereinstimmung lediglich dann vor, wenn die Landesverfassung die Vergabe von Leistungen verbietet, auf die nach der Bundesverfassung ein Anspruch besteht; denn nur in diesem Falle widerspricht die Landesverfassung dem GG. 1.3.4 Ganz ähnlich liegen die Dinge bei den Gleichheitsgrundrechten. 7 Auch dort würde ein Zurückbleiben der Gleichheitsgewährleistungen der Landesverfassung gegenüber denjenigen des GG die Fortgeltung der ersteren nicht beeinträchtigen. Ein Widerspruch zu den Bestimmungen des GG und damit eine Nichtübereinstimmung im Sinne des Art. 142 GG könnte nur in folgenden vier Fällen eintreten: a) Die Landesverfassung gebietet dort Gleichbehandlung, wo das GG Ungleichbehandlung gebietet. b) Die Landesverfassung gebietet dort Ungleichbehandlung, wo das GG Gleichbehandlung gebietet. c) Das Gleichheits- oder das Ungleichheitsgebot der Landesverfassung beschneidet in unzulässiger Weise die grundgesetzlich geschützte Freiheit. Insbesondere diese letzte Fallkonstellation bereitet grundrechtsdogmatisch einige Schwierigkeiten: Zunächst ist davon auszugehen, daß eine jede Gleichbehandlung ebenso wie eine jede Ungleichbehandlung notwendig Freiheiten beschneidet, nämlich diejenige, sich gleich in dem ersten Fall und ungleich in dem zweiten Fall zu verhalten. Da nun weiter die Freiheit des Individuums wegen des Auffangfreiheitsgrundrechtes des Art. 2 I GG auf der Ebene des Grundgesetzes lückenlos geschützt ist, genießen auch diese Freiheiten grundrechtlichen Schutz. Es liegt deshalb in jedem Fall der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung ein Grundrechtseingriff vor, so daß die Zulässigkeit der durch die Landesverfassung gebotenen Gleichbehandlung bzw. Ungleichbehandlung davon abhängt, ob sich bei dem konkret betroffenen Freiheitsgrundrecht ein „passender" Einschränkungsvorbehalt findet und ob die vom Grundgesetz für Freiheitseingriffe vorgesehenen sog. „Schrankenschranken" (Rdn. 20) beachtet sind. Ist eines von beidem nicht der Fall, so ist die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung nach Art. 31 GG unzulässig. d) Die Landesverfassung räumt einem Gleichheitssatz unmittelbare 8 Drittwirkung im Verhältnis zu anderen Bürgern ein. Diese Drittwirkung nimmt den Drittbetroffenen etwas von deren grundgesetzlich verbürgten Freiheit. Sie hat sich daher an den Einschränkungsvor-

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behalten und an den Schrankenschranken der konkret betroffenen grundgesetzlichen Freiheitsgrundrechte messen zu lassen. Dabei kann sich zumindest in der Theorie durchaus eine (partielle) Grundgesetzwidrigkeit der landesverfassungsrechtlichen Drittwirkungsanordnung herausstellen (unzutreffend Rüfner, D Ö V 1967, 670, der stets Grundgesetzwidrigkeit annehmen will, wenn ein Landesgrundrecht anders als ein Bundesgrundrecht Drittwirkung hat). 9

1.3.5 Bei den subjektiven Freiheitsgrundrechten, diese im klassischen Sinne verstanden als unmittelbar aus der Grundrechtsbestimmung entspringende individuelle Abwehrrechte, soll und muß die Frage danach, ob ein Widerspruch zwischen Bundes- und Landesgrundrecht vorliegt, auf den 3 Ebenen der Schutzwirkung der Freiheitsgrundrechte (Verbürgung, Einschränkungsvorbehalte, Schrankenschranken) gesondert gestellt und beantwortet werden.

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Auf der Ebene der Verbürgung ist nach hier vertretener Auffassung das Entstehen eines solchen Widerspruches grundsätzlich ausgeschlossen; denn selbst wenn die Landesgrundrechte in sachlicher (d. h. in bezug auf die verbürgte Freiheitsposition) oder personeller Beziehung (d. h. in bezug auf die Zuerkennung der Grundrechtsträgerschaft) hinter der Gewährleistung des entsprechenden Bundesgrundrechtes zurückbleiben, ist damit noch lange nicht gesagt, daß die vom Verbürgungsbereich nicht erfaßten Freiheitspositionen oder Grundrechtsträger grundrechtlich vogelfrei wären. Die Beschränkung der landesrechtlichen Grundrechtsverbürgungen auf bestimmte Freiheitspositionen bzw. Grundrechtsträger besagt nur, daß die anderen Freiheitspositionen bzw. Grundrechtsträger durch die Landesgrundrechte nicht geschützt werden, besagt jedoch nicht, daß insoweit auch der Schutz der Bundesgrundrechte vor der Landesstaatsgewalt aufgehoben sein soll. Eine solche Art von Umkehrschluß aus der Beschränkung der Verbürgung der Landesgrundrechte ist sicher unzulässig. Die Landesverfassung will und darf eine Aussage über den eigenen Grundrechtsschutz treffen, über denjenigen durch das G G kann sie das jedoch nicht und will sie es vor allem auch gar nicht. Ein Widerspruch zu den Regelungen des G G liegt daher auch bei einem Zurückbleiben des Verbürgungsbereiches des Landesgrundrechtes nicht vor (so auch Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 21). Abzulehnen ist daher z. B. auch die Auffassung von Domcke (BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 327) und Kratzer (Festschrift für Laforet, S. 118) die - getreu der von ihnen vertretenen „Ergänzungslehre" - Art. 19 III GG auch auf Landesgrundrechte anwenden wollen. Die Landesgrundrechte sind auch hinsichtlich ihres personellen Verbürgungsbereiches allein aus sich selbst 66

Vorbemerkungen (Schwan)

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heraus auslegungsfähig. Art. 19 III gilt wie alle grundrechtsbezogenen Vorschriften des G G allein für die Bundesgrundrechte. Eine andere Beurteilung erfordert lediglich der Fall, daß ein Landes- 11 grundrecht im Gegensatz zu dem entsprechenden Bundesgrundrecht dem Freiheitsanspruch unmittelbare Drittwirkung auf der Ebene der Gleichordnung, d. h. im Verhältnis zu anderen Bürgern, verleiht (vgl. dazu Rüfner, D Ö V 1967, 668, 670). Diese Drittwirkung beschränkt natürlich die Freiheit des Verpflichteten. Sie hat sich deshalb daraufhin befragen zu lassen, ob die damit einhergehende Freiheitsbeschränkung eine zulässige Beschneidung des konkret betroffenen Bundes-Freiheitsgrundrechtes des Drittverpflichteten darstellt. Dies hängt - wie oben bei den Gleichheitsgrundrechten schon festgestellt - vom Vorliegen eines „passenden" Einschränkungsvorbehalts und von der Beachtung der Schrankenschranken bei dem oder den konkret betroffenen Bundes-Grundrechten des Drittverpflichteten ab. Sehr viel komplizierter und auch umstrittener ist die Rechtslage bei 1 2 den Einschränkungsvorbehalten. Sicher ist, daß die Landesgrundrechte nur die Landesstaatsgewalt, nicht dagegen auch die Bundesstaatsgewalt zu binden vermögen. Der Bundesgesetzgeber ist daher nicht an die Landesgrundrechte gebunden (a. A. jedoch auch insoweit Milleker, DVBl. 1969, 129, 133). Bundesgesetze sind deshalb auch dann wirksam, wenn sie Eingriffe in Grundrechte vornehmen oder gestatten, die unter die Einschränkungsvorbehalte der Landesgrundrechte nicht passen, die also nicht durch einen landesgrundrechtlichen Einschränkungsvorbehalt gedeckt sind. Die Landesgrundrechte haben in diesem Fall den einfachen Bundesgesetzen nach Art. 31 GG zu weichen. Leisner (Die Bayerischen Grundrechte, S. 29) spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von einem „Leerlaufen der Landesgrundrechte". Sicher ist auch, daß die Landesexekutive und -judikative sich auch 1 3 dann gemäß den in einfachen Bundesgesetzen getroffenen Verhaltensanweisungen verhalten dürfen und müssen, wenn dies den Landesgrundrechten widerspricht. Auch insoweit gilt der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" (so auch Holtkotten, BK, Art. 142, Anm. II 4a, S. 7f; Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 323; Rüfner, D Ö V 1967, 668, 670ff: „Landesverfassungswidriges Landesrecht kann durch Bundesrecht gedeckt sein."). Zweifelhaft ist allenfalls, ob die Landesgrundrechte dann nicht doch eine Bindungswirkung gegenüber der Landesexekutive und -judikative zu entfalten vermögen, wenn das einfache Bundesgesetz einen Ermessensspielraum enthält und wenn eine Ermessensentscheidung, die die Landesgrundrechte beachtet, sich innerhalb des durch das einfache Bundesgesetz eingeräumten Ermessens67

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Abschnitt II: Die Grundrechte

spielraumes hält, ob also in diesem Falle die Landesverfassung die Fähigkeit hat, die Ermessensausübung zu generalisieren und damit einzuschränken. 14

Unproblematisch ist weiter auch, daß der einfache Landesgesetzgeber wie überhaupt die Landesstaatsgewalt nicht nur an die Qualifizierungen der Einschränkungsvorbehalte des eingeschränkten Bundesgrundrechtes gebunden sind, sondern auch an diejenigen des zugleich eingeschränkten Landesgrundrechtes, auch und gerade, wenn diese über diejenigen des Bundesgrundrechtes hinausgehen (vgl. auch Holtkotten, BK, Anm. II 4a, S. 7; Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 314; Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 22).

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Eine Ausnahme hiervon muß freilich dann gemacht werden, wenn das GG die Einschränkung des Grundrechtes nicht in das Ermessen des zuständigen Staatsorgans stellt (sog. verfassungsermächtigte Schranke), sondern wenn es sie zwingend vorschreibt (verfassungsangeordnete Schranke) (vgl. dazu Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 132), wie dies z. B. bei Art. 26 G G , Art. 1 I G G und nach dem an sich eindeutigen Text des G G auch bei den Sätzen der sog. „streitbaren Demokratie" der Fall ist: Art. 5 III 2 GG - „Treue zur Verfassung" (vgl. dazu Rüfner, D Ö V 1967, 670), Art. 18 G G (vgl. dazu Rüfner, aaO, S. 670), Art 9 II GG, Art. 21 II GG. Bei den beiden zuletzt genannten Vorschriften ist es freilich umstritten, ob es sich dabei um veriassungsangeordnete Schranken handelt. Die h. L. (vgl. Maunz, MDHS, Art. 9 Rdn. 75 m. w. N.; ders., Art. 142, Rdn. 16; Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 16, 22) räumt der Behörde, die über das Verbot einer gegen Art. 9 II G G verstoßenden Vereinigung zu entscheiden hat, nämlich Ermessen in der Frage des „ob" des Verbotes ein und verwandelt damit den in dieser Vorschrift geregelten verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt in einen lediglich verfassungsermächtigenden. Mit dem eindeutigen Text des Art. 9 II G G („sind verboten") und dem klar erkennbaren Willen der Verfassung dürfte sich das jedoch schwerlich vereinbaren lassen. Auch im Falle des Art. 21 II G G räumt die h. L. (vgl. B V f G E 5, 113; Maunz, MDHS, Art. 21, Rdn. 130; a. A. Seifert, D Ö V 1961, 85; Willms, NJW 1957, 567; Hamann/Lenz, Grundgesetz, Art. 21, Anm. 9) - einem obiter dictum des BVfG im KPD-Urteil folgend - der antragstellenden Behörde (politisches) Ermessen in der Frage ein, ob sie den Verbotsantrag beim BVfG stellen will. Begründet wird dies allenthalben damit, daß die Staatsgewalt es in der Hand haben solle, verfassungswidrige Parteien auch mit anderen, politischen Mitteln zu bekämpfen. Die Verfassung wollte die von ihr neuorganisierte Staatlich68

Vorbemerkungen (Schwan)

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keit den damit notwendig heraufbeschworenen Gefahren jedoch eindeutig gerade nicht aussetzen. Man stelle sich doch einmal vor, daß die NPD bei den Bundestagswahlen im Jahre 1968 mit etwa 10 oder 15% in den Bundestag eingezogen wäre. Dann wäre ein Verbot der schon damals von allen Seiten als verfassungswidrig bezeichneten Partei zwar rechtlich immer noch möglich, politisch aber kaum noch machbar gewesen, ohne nicht in gefährlicher Weise Märtyrer zu schaffen. Diese Gefahr haben die Verfassungsväter offenbar genauer erkannt als deren spätere Interpreten. Sie haben daher schon den Anfängen einer ähnlichen Entwicklung wie in Weimar (und in unseren Tagen bei unseren Nachbarn in Italien und Frankreich) wehren wollen und deshalb verfassungswidrige Parteien verbindlich als „verfassungswidrig" bezeichnet. Entgegen der h. L. ist der Einschränkungsvorbehalt des Art. 21 II GG deshalb nicht ein verfassungsermächtigender, sondern ein verfassungsanordnender. Die von Böckenförde/Grawert (DÖV 1971, 119; 121) in diesem Zusammenhang genannten Vorschriften der Art. 5 II und 8 II G G betreffen jedoch ganz eindeutig nicht verfassungsangeordnete, sondern verfassungsermächtigte Schrankenziehungen und haben daher in diesem Zusammenhang nichts zu suchen. Es ist zwar richtig, daß auch in diesen Fällen der einfache Gesetzgeber letztlich nicht völlig frei in der Schrankenziehung ist und etwa eine solche auch gänzlich unterlassen könnte; denn dies würde nach dem klassischen rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip grundsätzlich unbegrenzter Freiheit zu einer rechtlich völlig ungebundenen, „natürlichen" Freiheit führen, die selbstverständlich eine soziale Unmöglichkeit darstellt. Gleichwohl hat die Verfassung in den Fällen der Art. 5 II und Art. 8 II G G sowohl das „ob" wie auch das „wie" der Schrankenziehung in das - auch politisch zu verantwortende! - Ermessen des einfachen Gesetzgebers gestellt. Dies verbietet die Annahme einer verfassungsangeordneten Schrankenziehung. In den Fällen, in denen das G G die Einschränkung ohne Einräumung eines Ermessensspielraumes gebietet, die Landesverfassung eine solche Art der Grundrechtsbeschneidung jedoch für unzulässig erklärt oder aber — was auf dasselbe hinausläuft — für sie keinen passenden Einschränkungsvorbehalt zur Verfügung stellt, liegt eine Normenkollision im Sinne des Art. 31 G G vor, mit der Folge, daß die entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften „gebrochen" werden. Kein Fall des Art. 31 G G liegt jedoch dann vor, wenn sich ein dafür passender Einschränkungsvorbehalt findet, und sei dies auch lediglich ein „verfassungsermächtigender" in dem o. g. Sinne, d. h. ein solcher, der den Eingriff zwar zuläßt, jedoch nicht zu ihm zwingt, wie das z. B. bei Art. 23 II VvB der Fall ist. In diesem Falle verdichtet sich das Ermessen, das die Landesverfassung hinsichtlich der Schrankenziehung einräumt, infolge 69

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der Einwirkung des Bundesverfassungsrechtes auf Null, d. h. der Eingriff muß vorgenommen werden. Ganz ähnlich verhält es sich, wenn das Bundesgrundrecht unter einem „verfassungsermächtigenden" Einschränkungsvorbehalt steht, das entsprechende Landesgrundrecht jedoch unter einem „verfassungsanordnenden". Auch in diesem Fall liegt keineswegs ein Normwiderspruch vor, sondern es kommt auch hier lediglich zu einer Verdichtung des Ermessens auf Null, und auch dies nur im Verhältnis zur Landesstaatsgewalt und nur so lange, als der einfache Bundesgesetzgeber keine abweichende Regelung getroffen hat; denn diesem steht das vom Bundesgrundrecht eingeräumte Ermessen natürlich unbeeinträchtigt von der Landesverfassung in vollem Umfange zur Verfügung. Weiter liegt nach hier vertretener Auffassung auch dann kein Fall des Art. 31 GG vor, wenn ein ermächtigender Einschränkungsvorbehalt der Landesverfassung weiter geht als der entsprechende ermächtigende oder anordnende Einschränkungsvorbehalt des GG, wenn also nach der Landesverfassung weitergehende Grundrechtsbeschneidungen zulässig sind als nach dem GG (a. A. jedoch die h. L, vgl. Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 22 f; Maunz, MD HS, Art. 142, Rdn. 16, 17; Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 115; Domcke, S. 318 m. w. N. in Fn. 29, S. 327; Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 4). In diesem Fall wird nach hier vertretener Auffassung der weitergehende Einschränkungsvorbehalt nicht aufgehoben, sondern die Möglichkeit seiner Inanspruchnahme schrumpft infolge Ermessensverdichtung auf das auch vom GG für zulässig erklärte Maß. Auch ohne Anwendung des Art. 31 GG bleibt die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" unangetastet. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn die Landesverfassung eine Grundrechtseinschränkung ohne Gewährung eines Ermessensspielraumes anordnet (verfassungsangeordnete Schrankenziehung) und diese Einschränkungen über das nach dem GG zulässige Maß hinausgehen. In diesem Fall widerspricht der landesrechtliche Einschränkungsvorbehalt insoweit (aber auch nur insoweit!) dem GG mit der Folge des Art. 31 GG, als die über das nach dem GG zulässige Maß hinausgehenden Einschränkungen angeordnet worden sind. Die Anordnung verwandelt sich insoweit also in eine Ermächtigung, die jedoch ebenfalls wegen Ermessensschrumpfung nicht in Anspruch genommen werden darf. Ganz ähnlich ist die Rechtslage auch dann, wenn der Einschränkungsvorbehalt des Landesgrundrechtes weniger qualifiziert, d. h. seinerseits beschränkt ist, als derjenige des entsprechenden Bundesgrundrechtes, so daß nach der Landesverfassung wie bei der in Rdn. 17 erörterten Fallgestaltung weitergehende Gundrechtseingriffe zulässig sind als nach dem 70

Vorbemerkungen (Schwan)

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GG. Auch dann kommt es darauf an, ob der Eingriff nach der Landesverfassung angeordnet oder nur zugelassen worden ist. Im Falle der Anordnung gilt das in Rdn. 18 Gesagte, d. h. es liegt ein Fall der Nichtübereinstimmung im Sinne des Art. 142 G G und damit ein solcher des Art. 31 G G vor. Im Falle der bloßen Ermächtigung gilt das in Rdn. 17 Gesagte, d. h., es findet eine Ermessensschrumpfung dahin statt, daß auch von der landesrechtlichen Ermächtigung nur in dem Maße Gebrauch gemacht werden darf, in dem dies nach dem G G zulässig ist. Auch auf der Ebene der Schrankenschranken ist zunächst die Auffas- 2 0 sung der sog. „Ergänzungslehre" abzulehnen, die meint, die in den Landesverfassungen fehlenden, im G G jedoch vorhandenen Schrankenschranken vom G G auf die Landesverfassungen übertragen zu können. Unter „Schrankenschranken" werden hier diejenigen verfassungsrechtlichen Rechtssätze verstanden, die den einfachen Gesetzgeber oder/und die Exekutive und Judikative binden und daran hindern, von den Möglichkeiten der grundrechtlichen Einschränkungsvorbehalte in zu weitgehendem Maße Gebrauch zu machen. So will z. B. Kratzer (Festschrift für Laforet, S. 117 f), der an sich ein Vertreter der sog. „Aufhebungslehre" ist, die Vorschriften der Art. 19 I, II G G auf das Landesverfassungsrecht übertragen. Problematisch ist das insbesondere bei der Zitatklausel des Art. 19 I 2 G G (wie Kratzer auch Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 324). Maunz (MDHS, Art. 142, Rdn. 15) hält dem zu Recht entgegen, daß eine Landesverfassung immer nur ein vom Verfassungsgeber des Landes gestaltetes, nicht auch ein durch Bundesrecht umgestaltetes Grundrecht gewährleisten könne. Ein Landesgrundrecht könne nicht gleichzeitig weitergelten und dennoch seinem Inhalt nach oder in seiner rechtlichen Natur durch das G G verändert werden. Dieser Einwand trägt auch gegenüber der Übertragung bzw. „Ergänzung" der Schrankenschranken; denn diese gehören ebenso zum Inhalt und zu der „rechtlichen Natur" der Grundrechte wie die Verbürgungen oder die Einschränkungsvorbehalte. Die Schrankenschranken der Landesgrundrechte können daher nur der Landesverfassung selbst entnommen werden. Bleiben diese hinter denen des G G zurück, so sind die Berliner Grundrechte keineswegs aufgehoben, vielmehr schrumpft lediglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einschränkungsvorbehalte der Grundrechte dahin, daß sie lediglich noch unter Beachtung der Schrankenschranken ausgeschöpft werden können, die zwar der Landesverfassung fremd sind, die jedoch vom G G für Grundrechtseingriffe solcher Art vorgeschrieben werden. Die Wirkungen des Auseinanderfallens der bundesrechtlichen und der landesrechtlichen Schrankenschranken treten also nicht auf der Ebene der Schrankenschranken selbst ein, sondern auf 71

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der E b e n e der Einschränkungsvorbehalte, und dort kommt es auch in diesem Zusammenhang entscheidend darauf an, ob der konkret in Anspruch genommene Einschränkungsvorbehalt ein verfassungsermächtigender oder ein verfassungsanordnender ist. In dem ersteren Falle kommt es zu der geschilderten Ermessensschrumpfung, in d e m zweiten Fall liegt Nichtübereinstimmung im Sinne des Art. 142 G G vor; denn die Landesverfassung gebietet einen G r u n d rechtseingriff, der nur die Schrankenschranken der Landesgrundrechte zu beachten hat, während das G G einen solchen Eingriff nur unter Beachtung der darüber hinausgehenden Schrankenschranken des G G gestattet. Die in der Literatur (vgl. z. B. Maunz, M D H S , Art. 142, R d n . 13) immer wieder anzutreffende Behauptung, die Ubereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung der Landesgrundrechte mit den Bundesgrundrechten müsse für jedes Normelement der zu vergleichenden Rechtssätze getrennt untersucht werden, bedarf in diesem Punkt daher der Korrektur. 21 1.3.6 D e r Begriff der Einrichtungsgarantien soll hier als Oberbegriff benutzt werden, die Begriffe Rechtseinrichtungsgarantie und Lebenssachverhaltsgarantie (unglücklicher: Existenzgarantie), sowie Institutsgarantie und institutionelle Garantie als Unterbegriffe. Daraus ergibt sich folgende Systematik: Einrichtungsgarantien sind: 1. Rechtseinrichtungsgarantien a) institutionelle Garantien, das sind Rechtseinrichtungsgarantien des öffentlichen Rechtes, z. B. Berufsbeamtentum, Selbstverwaltung der Gemeinden. b) Institutsgarantien das sind Rechtseinrichtungsgarantien des Zivilrechtes, z. B. Eigentum, Erbrecht, E h e und Familie. 2. Lebenssachverhaltsgarantien, das sind Garantien faktischer gesellschaftlicher Zustände (Lebenssachverhalte). Auch hier kann man im Anschluß an C. Schmitt (Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, 1931, passim) zwischen Institutsgarantien und institutionellen Garantien unterscheiden. 22

Bei den Einrichtungsgarantien ist es schon umstritten, ob auf sie die Vorschrift des Art. 142 G G überhaupt anwendbar ist (vgl. z. B. Maunz, M D H S , Art. 142, R d n . 9; H a m a n n / L e n z , Art. 142 G G , A n m . 5 a . E.; Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 28; Böckenförde/Grawert, D Ö V 1971, S. 1 1 9 , 1 2 0 ; v. Mutius, VwArch. 1975, S. 1 6 1 , 1 6 8 ) . Zwar hat dieser Streit ganz erheblich an Bedeutung verloren, nachdem das B V f G (E 36, 342) ausgeführt hat, daß auch andere als 72

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grundrechtliche Landesverfassungsbestimmungen dann fortgelten, wenn sie dem GG nicht widersprechen, daß also Art. 142 GG keinen Ausnahmecharakter hat; gleichwohl wird man doch aber wohl zumindest auf diejenigen „Konnex"- oder „Komplementär"-Einrichtungsgarantien (vgl. dazu C. Schmitt, Hdb. DStR, S. 592, sowie von Mangoldt/Klein, GG, Vorbem. vor den Grundrechten A V 3d, S. 86) die Vorschrift des Art. 142 GG anwenden müssen, die einen Bezug zu den Grundrechtsbestimmungen der Art. 1 - 1 8 GG haben und die deshalb traditionell als „Grundrechte" angesehen worden sind und angesehen werden; denn es ist nicht einzusehen, warum der Begriff „Grundrechte" bei Art. 142 GG enger ausgelegt werden sollte als bei den Art. 1 - 1 8 GG bzw. bei den entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen. Wenn man den dort geregelten Grundrechtsbestimmungen überhaupt institutionelle Gewährleistungen entnehmen will - dies tut die moderne Grundrechtsinterpretation bekanntlich in ganz erheblichem Maße - , dann ist eigentlich nicht recht einzusehen, warum nicht auch diese Art von Gewährleistungen als „Grundrechte" in diesem Sinne angesehen werden sollten. Der Klärung bedürftig ist auch hinsichtlich der Einrichtungsgarantien, 2 3 ob und in welcher Beziehung sie in Widerspruch zu den im Grundgesetz geregelten Grundrechten (Gleichheitsgrundrechte, individuelle Freiheitsgrundrechte, Einrichtungsgarantien) geraten können. Sicherlich möglich und durchaus auch vorstellbar ist es, daß die Landesverfassung ein „Weniger" bzw. ein „Mehr" an grundrechtsbezogenen Einrichtungsgarantien enthält als das GG. Nach hier vertretener Ansicht ist ein „Weniger" an landesverfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantie völlig unproblematisch; denn es schadet ebensowenig wie ein Zurückbleiben der Verbürgung der individualrechtlichen Freiheitsgarantie gegenüber der entsprechenden des GG. Der durch Art. 1 III GG abgesicherte Mindestgehalt institutioneller Freiheitssicherung auch gegenüber der Landesstaatsgewalt wird dadurch nicht angetastet, also steht auch das „Weniger" landesverfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantie „in Übereinstimmung" mit dem „Mehr" der bundesverfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie, weil es diesem nicht widerspricht. Unproblematisch ist weiter auch ein „Mehr" der landesverfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie, soweit es das Verhältnis zu dem „Weniger" der bundesverfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie betrifft. Es bindet die Landesstaatsgewalt, läßt die Bundesstaatsgewalt jedoch unberührt. Im übrigen ist es bei den landesverfassungsrechtlichen Rechtseinrich- 2 4 tungsgarantien aber auch schwer vorstellbar, daß sie in Widerspruch zu solchen der Bundesverfassung geraten. Rechtseinrichtungsgarantien 73

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Abschnitt II: Die Grundrechte

beziehen sich stets auf einen unterverfassungsrechtlichen Normenbestand, den sie in seinem Kernbestand vor dem Zugriff des einfachen Gesetzgebers absichern (vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 240ff; Quaritsch, EvStL 1. Aufl., Art. Institutionelle Garantien, Sp. 801). Dieser unterverfassungsrechtliche Normenbestand ist aber durch die Kompetenzvorschriften des GG (Art. 70ff) klar in einen solchen des Bundesrechtes und einen solchen des Landesrechtes unterschieden. Soweit der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz an diesem Normenbestand etwas verändern will, ist er daran natürlich nicht durch etwaige landesverfassungsrechtliche Rechtseinrichtungsgarantien gehindert. Selbst wenn also beispielsweise das Privateigentum als ein Rechtsinstitut nicht nur durch Art. 14 G G , sondern auch durch Art. 15 I 1 VvB garantiert sein sollte, so würde sich diese Garantie doch auf einen Normenbestand beziehen, der so gar nicht vom Landesgesetzgeber geschaffen worden ist und im Rahmen des Art. 14 G G sowie der Kompetenzordnung des G G dem Bundesgesetzgeber zur Disposition steht. 25

Bei den Lebenssachverhaltsgarantien ist das schon etwas schwieriger. Hier ist es immerhin denkbar, daß der von der Bundesverfassung gewollte Zustand der Gesellschaft nicht mit dem von der Landesverfassung gewollten übereinstimmt. Die Landesverfassung schreibt dann der Landesstaatsgewalt die Herstellung eines anderen Gesellschaftszustandes vor als die Bundesverfassung. In diesem Falle liegt ein Normwiderspruch vor, der seine Lösung durch Art. 31 G G findet. Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch sehr genau darauf zu achten, ob die Bundes- bzw. die Landesverfassung die Herstellung eines bestimmten Gesellschaftszustandes befiehlt oder ob sie dies nur gestattet. Ein echter Normwiderspruch mit der Folge des Art. 31 G G liegt nur in dem ersten Fall vor. Der Sozialisierungsvorbehalt des Art. 15 GG etwa gestattet lediglich, gebietet aber nicht die Herbeiführung eines Gesellschaftszustandes, der die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G enthaltene Lebenssachverhaltsgarantie des tatsächlichen Vorhandenseins von Privateigentum (auch an Produktionsmitteln) durchbricht. Es liegt daher kein Normwiderspruch zu der in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 VvB möglicherweise auch enthaltenen Lebenssachverhaltsgarantie des Privateigentums vor, obwohl der VvB eine dem Art. 15 G G vergleichbare (Um-)Gestaltungsermächtigung unbekannt ist. Die „Lösung" des dadurch aufgeworfenen nur scheinbaren Konfliktes vollzieht sich ohne die Einwirkung des Art. 31 GG. Zwar ermächtigt Art. 15 G G an sich auch den Landesgesetzgeber zur Vornahme von Sozialisierungsmaßnahmen, da dieser jedoch auch an die VvB gebunden ist, der eine solche Ermächtigung fremd ist, vermag der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung des 74

Vorbemerkungen (Schwan)

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Art. 15 G G keinen Gebrauch zu machen. Darin liegt deswegen kein Konfliktsfall im Sinne des Art. 31 GG, weil Art. 15 G G nur ermächtigt, nicht auch verpflichtet. Die VvB ist deshalb nicht gehindert, das durch Art. 15 G G eingeräumte Ermessen für den Landesgesetzgeber bis auf den Nullpunkt zu reduzieren. Macht freilich der Bundesgesetzgeber, der natürlich nicht an die VvB gebunden ist, von der Ermächtigung des Art. 15 G G Gebrauch, so kommt es sehr wohl zu einem echten Normenkonflikt, der seine Lösung durch Art. 31 GG findet. Jedoch ist auch dies nicht ein Konflikt zwischen der Sozialisierungsermächtigung des Art. 15 G G und der in Art. 15 11 VvB enthaltenen Lebenssachverhaltsgarantie, sondern ein solcher zwischen der einfachgesetzlichen Sozialisierungsbestimmung in dem Bundesgesetz und der landesverfassungsrechtlichen Lebenssachverhaltsgarantie. (Zu den Problemen des Art. 15 G G vgl. auch Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 133, dessen Deutung des Art. 15 G G als „korporatives Grundrecht" hier jedoch nicht geteilt wird. Nach hier vertretener Ansicht stellt Art. 15 G G einen Einschränkungsvorbehalt gegenüber der in. Art. 14 I 1 G G — auch — enthaltenen Garantie des Privateigentums als gesellschaftliche Einrichtung [Lebenssachverhalt] dar.) Ein Widerspruch einer landesverfassungsrechtlichen Lebens- 2 6 sachverhaltsgarantie zum G G liegt weiter auch dann vor, wenn die Herstellung des von der Landesverfassung gewollten Gesellschaftszustandes Eingriffe in Freiheitsgrundrechte des G G erfordern würde, die durch die Eingriffsvorbehalte oder die Schrankenschranken des betroffenen Bundesgrundrechtes nicht gedeckt sind. Schließlich können landesverfassungsrechtliche Lebenssachverhaltsgarantien aber auch sehr leicht in Konflikt mit den bundesgrundrechtlichen Gleichheitsgrundrechten geraten. Auf die Gefahr der Herbeiführung gleichheitswidriger Privilegierungen, die mit der institutionellen (Um-)Deutung der Freiheitsgrundrechte notwendig einhergeht, ist ja schon wiederholt hingewiesen worden (vgl. z. B. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 1969, S. 25; Böckenförde, NJW 1974, S. 1529; ders., in: Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 198ff; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100, 2103; Bachof, JZ 1966, S. 130). 1.3.7 Eine solche Kollision, ein solcher Konflikt kann bei den Rechten 2 7 des status activus in keinem Falle entstehen, und zwar deswegen nicht, weil weder der geregelte Sachverhalt noch der verpflichtete Adressat identisch sind und weil zudem auch die durch Bundes- und Landesgrundrechte angeordneten Rechtsfolgen miteinander nicht unvereinbar sind. Der geregelte Sachverhalt ist in dem einen Fall die Teilnahme an der Willensbildung der Bundesstaatsgewalt, in dem anderen Falle die Teil75

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Abschnitt II: D i e Grundrechte

nähme an der Willensbildung der Landesstaatsgewalt. Der durch die Normen verpflichtete Adressat ist in dem einen Fall allein der Bund, in dem anderen Fall allein das Land, und natürlich schließt auch die Teilnahme an der Willensbildung der Bundesstaatsgewalt die Teilnahme an der Willensbildung der Landesstaatsgewalt nicht aus, selbst wenn diese in ihrer Art sehr verschieden ausgestaltet sein sollten. 28 1.3.8 Schließlich gelten nach Art. 142 GG auch diejenigen grundrechtlichen oder grundrechtsbezogenen Vorschriften der VvB fort, die nicht mit Bestimmungen des GG korrespondieren, welche im Katalog der Art. 1 bis 19 GG enthalten sind. Einmal folgt dies daraus, daß Art. 142 GG auch bei anderen grundrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung gelangt (BVfGE 22, 271; Böckenförde/Grawert, DÖV 71, 119; a. A. Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 5). Zum andern aber bleiben überhaupt alle Bestimmungen der Landesverfassung in Kraft, soweit sie dem GG nicht widersprechen, auch wenn sie inhaltlich oder im Wortlaut übereinstimmen (BVfGE 36, 3 4 2 - L S 5 - , 367f). 29 1.3.9 Art. 142 GG trifft allerdings keine Aussage über die Geltung von Landesgrundrechten, die mit einfachem Bundesrecht konkurrieren. Dies ist z. B. bei Art. 71 im Verhältnis zu § 40 VwGO oder bei Art. 16 im Hinblick auf das GWB der Fall. Der „Bestandsgarantie" der Landesgrundrechte, die Art. 142 GG enthält, und die das BVfG (E 36, 342, 367f) auf alle Landesverfassungsbestimmungen ausgedehnt hat, muß hierfür entnommen werden, daß Landesverfassungsrecht nicht nur dann in Kraft bleibt, wenn und soweit es nicht gegen Bundesverfassungsrecht verstößt, sondern auch - und erst recht - dann, wenn es teilweise oder ganz mit einfachem Bundesrecht übereinstimmt, jedoch nur, soweit es ihm nicht widerspricht. Der Fall des Widerspruchs findet seine Lösung durch die Kompetenzvorschriften und durch Art. 31 GG. 2. Grundrechtstheoretisches Vorverständnis, sionen " der Grundrechte 30

Deutungsweisen,

„Dimen-

Wer heutzutage Grundrechte kommentieren und dabei den Anspruch auf Seriosität nicht verspielen will, darf nicht darauf verzichten, zunächst das grundrechtstheoretische Vorverständnis (vgl. dazu Böckenförde, NJW 1974, 1529ff; Ossenbühl, NJW 1976, 2100ff; Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Vortrag zur Eröffnung des 50. DJT, 1974) und die Methode der Grundrechtsinterpretation (vgl. dazu Böckenförde, NJW 1967, 2089 ff; Ossenbühl, NJW 1976, 2105 ff) offenzulegen, von dem aus bzw. mit der er an die Grundrechtsnormierungen herangeht; denn bekanntlich sind die verschiedenen Deutungsweisen der Grundrechte und die Methoden der Grundrechtsinterpretation 76

Vorbemerkungen (Schwan)

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insbesondere bei den Freiheitsgrundrechten - in den letzten 20 Jahren so weit auseinandergedriftet, daß ein Bemühen um rational überprüfbare und vor allem konsensfähige Ableitung von Rechtsfolgen aus den Grundrechten nur dann einen Sinn hat, wenn man zunächst Einigkeit über die Prämissen, nämlich über das zugrunde gelegte Vorverständnis, die (richtige) Deutungsweise der Grundrechte und über die Methoden ihrer Sinnermittlung hergestellt hat. 2.1 Die Methode, die nachfolgend benutzt und im übrigen auch bei 31 der Auslegung von Verfassungsbestimmungen für allein zulässig gehalten wird, ist diejenige der von Savigny (System des heutigen römischen Rechts I, 1840, S. 212ff) exemplarisch entwickelten und in der Gegenwart vor allem von Forsthoff (Rechtsstaat im Wandel, 2. Aufl. 1976, S. 136 ff) vertretenen klassisch-juristischen Hermeneutik, nach der der Sinngehalt einer Rechtsnorm im Weg der grammatischen, logischen, historischen und systematischen Interpretation zu ermitteln ist. Die teleologische Interpretationsmethode wird hier bewußt weggelassen, weil sie nicht wie die im Text genannten Interpretationsmethoden ein Mittel (Instrument) bzw. einen Weg beschreibt, vermittels dessen oder auf dem der Sinngehalt einer Norm offengelegt werden kann, sondern das Ziel einer jeden Auslegung, nämlich die Ermittlung des telos der Norm, d. h. des (objektiven) Zweckes der Regelung. Am Zweck einer Norm hat sich eine jede Auslegung zu orientieren. Die Frage ist nur, wie dieser Zweck ermittelt werden kann. Hier hilft uns nicht die teleologische Auslegungsmethode weiter, sondern allein die von Savigny entwickelten Interpretationsmethoden. Die teleologische Auslegungsmethode „greift" erst in einer späteren Phase der Rechtsanwendung, indem sie nämlich ein Rückfolgern von dem zunächst ermittelten Zweck einer Regelung auf die (dann allein richtige) Auslegung der in der Norm benutzten Begriffe gestattet. Es wird hier also der Auffassung von Larenz (Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 148) gefolgt, nach der die Probleme der Verfassungsinterpretation von denen der allgemeinen juristischen Hermeneutik nicht wesentlich verschieden sind (a. A. aber z. B. auch Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2105). Wenn Böckenförde (NJW 1976, 2091) demgegenüber meint, aus der weitgehend fehlenden Bestimmtheit und der darüber hinaus fehlenden Einbettung der Verfassungsnormen in ein „historisch-dogmatisches Ganzes einer Verfassungsrechtsordnung" folgern zu müssen, daß in die Anwendung der klassisch-hermeneutischen Auslegungsregeln „eine Verfassungstheorie eingebracht" werden müsse, so kann dem keineswegs zugestimmt werden. Zwar ist Böckenfördes Diagnose durchaus zutreffend: mangelnde Bestimmtheit, Vieldeutigkeit, lapidare Kürze, fragmentarischer Charakter, 77

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Abschnitt II: Die Grundrechte

Konkretisierungsbedürftigkeit der meisten Verfassungsnormen, das Fehlen einer „Einfügung in den Zusammenhang strukturgleicher Regelungen". Daraus folgt doch aber allenfalls, daß die Auslegung der Verfassungsnormen im Gegensatz zu denen des einfachen Gesetzes besonders schwierig ist, daß die systematische Interpretation wegen des Fehlens des „Zusammenhanges der entfalteten (Verfassungs-)Rechtsordnung" sehr oft mangels Masse nicht greift und daß deshalb der historischen Interpretationsmethode bei der Verfassungsinterpretation ein besonderer Rang und eine besondere Aufgabe zukommt. Die Verfassungstheorie etwa, d. h. das verfassungs- und grundrechtstheoretische „Vor"verständnis, das Böckenförde (vgl. insbesondere NJW 1974, 1529f) gewissermaßen als „Ersatz" für das fehlende System der Verfassungsnormen an den herkömmlichen Interpretationsmethoden vorbei in die Verfassungsinterpretation einführen will (mit dem wir inhaltlich übrigens durchaus übereinstimmen), ist nach hier vertretener Auffassung das Produkt der vor allem (aber nicht nur!) historischen Auslegung der Verfassungsbestimmungen, insbesondere der Grundrechte selbst. Im übrigen scheint dies im Ergebnis durchaus auch die Auffassung von Böckenförde zu sein; denn auch er ist der Überzeugung, daß „richtig", d. h. verbindlich, nur eine „in der Verfassung ausdrücklich oder implizit enthaltene Verfassungstheorie (sein könne), die aus Verfassungstext und Verfassungsentstehung mit rationalen Erkenntnismitteln erhebbar ist". Was sind diese „rationalen Erkenntnismittel" aber anderes als die von Savigny entwickelten Interpretationsmethoden? Im Ergebnis erweist sich das „Vor"-Verständnis also nur als das Verfassungsverständnis und dieses als ein Produkt der klassischen juristisch-hermeneutischen Auslegung, die sich natürlich auch um die Erkenntnis des hinter den einzelnen Verfassungsnormen stehenden Systemes, Ordnungsgefüges, d. h. der Grundvorstellung und Leitideen, bemühen muß. Es kann Böckenförde (NJW 1976, 2098) eigentlich nur zugestimmt werden, wenn er hierzu ausführt: „Die Erarbeitung und Ausformung einer solchen verfassungsgemäßen Verfassungstheorie muß ihren Ausgang von der Verfassung selbst nehmen, ihren Grundentscheidungen und tragenden Prinzipien, den übernommenen oder modifizierten Elementen der Verfassungstradition, der errichteten Zuordnung und Balancierung der Funktionen/Gewalten u. a. m. Sie muß die darin sich ausdrückende leitende Ordnungsidee, die auch eine komplexe sein kann, ermitteln und zu einer systematischen Orientierung zu entfalten suchen. Daraus kann sich das Grundgerüst eines Verfassungssystems ergeben, wie es in den einzelnen Normierungen der Verfassung sich ausprägt (konkretisiert) bzw. ihnen zugrunde liegt." Dies gilt auch und gerade für das System und die Funktionsweise als Grundrechte. Ins78

Vorbemerkungen (Schwan)

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besondere bei den Freiheitsgrundrechten, bei denen das Vorhandensein eines Grundrechtssystems bekanntlich besonders häufig bestritten wird (vgl. etwa Ehmcke, W D S t R L 20 (1963), S. 82ff; Scheuner, W D S t R L 22 (1965), S. 4 4 f ; Hesse, Grundzüge des deutschen Staatsrechtes, 7. Aufl., S. 125 ff; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 124, 246; in diesem Sinne wohl auch jüngst Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2106), läßt sich ein solches sehr wohl entwickeln, auch ohne daß dabei auf andere als die klassischen Interpretationsmethoden zurückgegriffen werden müßte. Jedenfalls kann Böckenförde (NJW 1976, 2091) keineswegs darin zugestimmt werden, daß die Verfassung - gemeint ist das G G - außerhalb der Regelungen im Kompetenzbereich „keine in einem judiziellen oder verwaltungsmäßigen Sinne schon vollzugsfähigen Einzelregelungen" enthalte. Jedenfalls für die Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte muß dies - schon wegen Art. 1 Abs. 3 G G - entschieden bestritten werden. Wie Böckenförde aber auch Hans Huber (Gedächtnisschrift für Imboden, 1971, S. 191 ff) und Ossenbühl (NJW 1976, S. 2105): Die „feste normative Bindung und Bestimmung durch generelle Vorentscheidung" verflüchtige sich bei den Grundrechtsvorschriften zu bloßen Richtungsangaben. Dies scheint denn doch eine allzu voreilige Kapitulation zu sein. 2.2 Deutungsweise der Freiheitsgrundrechte. Abgelehnt wird hier zunächst die „demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie", nach der die Freiheitsgrundrechte dem Bürger nicht zur freien Verfügung, d. h. zum Belieben, eingeräumt sind, sondern in seiner Eigenschaft als Glied der Gemeinschaft mit der Aufgabe, durch die Inanspruchnahme und Ausübung seiner Grundrechte Demokratie hervorzubringen (vgl. z. B. BVwGE 14, S. 21, 25 - NJW 1962, S. 1532; kritisch zu einem solchen Grundrechtsverständnis auch Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 ff; ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 198 ff; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100, 2103; Bachof, J Z 1966, S. 130). Damit wird der eindeutige Wille der Verfassung, dem Bürger mit den Grundrechten Rechte einzuräumen, nicht aber Pflichten aufzuerlegen, schlankweg auf den Kopf gestellt und zudem der „demokratische", sprich „politische" Gebrauch der Freiheit in gleichheitswidriger Weise privilegiert (vgl. Böckenförde, NJW 1974, S. 1529; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100, 2103; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 230; H. H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 43; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 51; Schwacke, Grundrechtliche Spannungslagen, S. 55, 120 [Fn. 460] mit w. N.). Zu einer derartigen Umfunktionierung der Grundrechte ist wenn überhaupt - allenfalls der verfassungsändernde Gesetzgeber, nicht dagegen auch der Rechtsinterpret befugt, und auch dies ist keineswegs unproblematisch, weil unter dem Schutz der „Zementklausel" des Art. 79

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Abschnitt II: Die Grundrechte

79 Abs. 3 G G bekanntlich auch das Rechtsstaatsprinzip steht, und zu dessen Wesensgehalt dürfte das Verständnis der Freiheitsgrundrechte als Rechte, und zwar solchen zu grundsätzlich freiem Belieben und nicht nur zur Beteiligung an der „Demokratievorbringung", doch wohl gehören. Das Demokratiegebot der Verfassung verlangt im übrigen auf gar keinen Fall eine derartig veränderte Deutung der Grundrechte (so aber Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 59ff, 63 f; kritisch zu diesem Argument auch Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 198f, 268). 33 Abgelehnt wird weiter auch die sozialstaatliche Umdeutung der Freiheitsgrundrechte als Quell von Teilhaberechten (vgl. dazu Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, passim; Häberle und Martens W D S t R L 30, S. 7 ff, 43 ff; Krebs, S. 119 ff, 122 f); denn auch eine solche Umdeutung der Freiheitsgrundrechte hat in der Sache verfassungsändernden Charakter. Das G G hat die soziale Frage ganz bewußt (so auch W. Weber, Der Staat 4 (1965), S. 412ff; Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2104; Maunz, MD HS, Art. 20, Rdn. 175, 197; Friesenhahn, Vortrag 50. DJT, 1974, S. 13,16, 30f) unter Verzicht auf die Gewährung sozialer Grundrechte im Sozialstaatsprinzip aufgefangen und die Ausgestaltung dieses Prinzipes dem einfachen Gesetzgeber überantwortet (so z. B. auch Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 43). Die Berliner Verfassung gewährt solche sozialen Grundrechte und stellt sie den klassischen Freiheitsrechten gegenüber (besonders deutlich z. B. in Art. 19). Daraus folgt, daß auch und gerade die Berliner Freiheitsgrundrechte nicht für die Ableitung von Teilhaberechten taugen. Wo die VvB soziale Grundrechte einräumt, da tut sie dies ausdrücklich. Die Freiheitsgrundrechte will sie jedenfalls nur als Freiheitsgrundrechte verstanden wissen. Diese Entscheidung darf der Interpret nicht im Wege der Ableitung von Leistungsansprüchen aus den Freiheitsgrundrechten unterlaufen. Kritisch gegenüber der „sozialstaatlichen Grundrechtstheorie" auch Böckenförde (NJW 1974, S. 1529ff; ders. NJW 1976, S. 2089ff). Ossenbühl (NJW 1976, S. 2100, 2105) bezeichnet die Teilhabekonstruktion treffend als eine „mit progressiver Attitüde versehene Modekategorie" (w. Nachw. b. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 41, Fn. 89). Die numerus-clausus-Entscheidung des BVfG (E 33, 333) betraf einen Spezialfall. Wenn der einfache Gesetzgeber eine grundrechtlich geschützte Freiheit (Berufsfreiheit) dadurch in bestimmter Beziehung bis auf den Nullpunkt beschneidet, daß er die Aufnahme des Berufes von der Absolvierung einer Ausbildung abhängig macht, für die er - der 80

Vorbemerkungen (Schwan)

Vor

Staat - das Monopol hat, dann verwandelt sich der abwehrende Freiheitsanspruch natürlich in einen Teilhabe- bzw. Leistungsanspruch auf Zulassung zu dieser Ausbildung. Das Übermaßverbot, insbesondere der Grundsatz der Erforderlichkeit, verlangen in diesen Fällen, daß das Verbot der Ausübung des Berufes in dem Maß durch Gewährung der Ausbildung wieder „zurückgenommen" oder „entschärft" wird, in dem dies dem Staat möglich und mit dem verfolgten öffentlichen Interesse vereinbar ist. In diesem Sinne auch Ossenbühl (NJW 1976, 2100, 2104). Auf keinen Fall geht es aber an, die aus den Freiheitsgrundrechten abgeleiteten Teilhaberechte gar als Ermächtigungen bzw. Einschränkungsvorbehalte für die Vornahme von Eingriffen in die grundrechtlichen Abwehrrechte zu mißbrauchen, die Leistungen gewährende Komponente der Freiheitsgrundrechte also gegen deren Eingriffe abwehrende auszuspielen. Prinzipiell abzulehnen ist auch die institutionelle Umdeutung der 3 4 Freiheitsgrundrechte in Garantien gesellschaftlicher Sachverhalte (Lebenssachverhaltsgarantien); denn die Verfassung will - wie sich nicht zuletzt auch aus Art. 1 Abs. 3 G G ergibt - die Freiheit des Individuums unmittelbar durch die Gewährung einklagbarer Abwehransprüche schützen, nicht nur mittelbar durch die Absicherung bestimmter Lebenssachverhalte. Kritisch gegenüber der „institutionellen Grundrechtstheorie" auch Böckenförde (NJW 1974, S. 1529ff) und Ossenbühl (NJW 1976, S. 2100, 2103 f). Im übrigen unterläuft die institutionelle Deutung der Freiheitsgrundrechte aber auch nahezu das gesamte System abgestufter Einschränkungsvorbehalte und Schrankenschranken und führt zudem — ähnlich wie die funktional-demokratische Grundrechtstheorie - zu gleichheitswidrigen Privilegierungen bestimmter Institutionen. Anders als die funktional-demokratische und die sozial-staatliche Grundrechtstheorie vermag die institutionelle Grundrechtstheorie jedoch gute Dienste bei der Auslegung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II G G sowie des Art. 23 II VvB zu leisten. Prinzipiell abzulehnen ist weiter auch die Werttheorie der Grund- 3 5 rechte; denn die Freiheit, die die Grundrechte garantieren, ist nicht eine Freiheit zur Realisierung der in den Grundrechten angeblich ausgedrückten Werte, eine inhaltlich gebundene Freiheit also, sondern ist die prinzipiell ungebundene, natürliche Robinson-Freiheit zur individuellen Beliebigkeit (ebenso Ossenbühl, NJW 1976, S. 2102). Kritisch zur Werttheorie der Grundrechte auch Böckenförde (NJW 1974, S. 1529ff; derselbe, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 235, 239, 245, 262, 268 f, 305 f), Grabitz (Freiheit und Verfassungsrecht, S. 223, 227, 252, 248). 81

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Abschnitt II: Die Grundrechte

Im übrigen verbirgt sich in der Werttheorie aber auch in der Tat nur eine „Verhüllungsformel für den richterlichen bzw. interpretatorischen Dezisionismus" (Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 235, 268), der sich mit der von Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten normativen Wirkung der Grundrechte sicher nicht vereinbaren läßt. Freilich heißt das nicht, daß der Gedanke der Wertordnung, die nach ständig wiederkehrender Behauptung des BVfG sogar eine Wertrangordnung sein soll, grundrechtsdogmatisch völlig unverwertbar ist. Bei den Schrankenschranken etwa, und zwar dort bei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Grundsatz der Angemessenheit, Zumutbarkeit), dessen Anwendung bekanntlich eine Güterabwägung erforderlich macht, ist der Gedanke der Wertordnung recht gut zu verwerten; denn eine Güterabwägung setzt die Bewertung der abzuwägenden Güter voraus. Die Bewertungsmaßstäbe dafür lassen sich jedoch letztlich nur dem an sich außerrechtlichen Gerechtigkeitsempfinden bzw. der allgemein anerkannten Wertordnung entnehmen. Wenn die Werttheorie nun meint, in diesem Zusammenhang auch den Grundrechten eine Wertordnung bzw. Wertrangordnung entnehmen zu können, so kann das eigentlich so lange nichts schaden, als man sich im klaren darüber bleibt, daß das Berufen dieser Wertordnung natürlich nicht die juristische Interpretation der Grundrechte und die Subsumtion des Untersatzes unter den Obersatz zu ersetzen vermag, sondern daß dieses Berufen im Grunde nichts anderes als ein Hinweis darauf ist, daß das Rechtsgefühl, das uns die Wertordnung vermittelt, unter anderem auch von den in der Verfassung enthaltenen Grundrechtsnormierungen gespeist wird. 35a

In diesem Sinne soll hier auch die von Dürig (Festschrift für Nawiaski, 1956, S. 166; ders., MDHS, Art. 3, Rdn. 505 ff) entwickelte und vom BVfG (E 7, S. 198ff) übernommene sog. mittelbare Drittwirkungslehre verstanden werden: Die Wertordnung der Grundrechte, das heißt: das von den Wertentscheidungen der Grundrechte geschulte Gerechtigkeitsempfinden, ist bei der Auslegung und Anwendung der Rechtssätze des Zivilrechtes, insbesondere der Generalklauseln, zu berücksichtigen, besser: als Korrektur zum Wirken zu bringen. 35 b Nicht gefolgt werden kann jedoch der vom BVfG in demselben Urteil entwickelten sog. Wechselwirkungstheorie, nach der die „allgemeinen Gesetze" im Sinne des Art. 5 II G G zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechtes im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müßten. Richtig ist daran lediglich, daß auch die Gesetze bzw. die konkret-individuellen Ein82

Vorbemerkungen (Schwan)

Vor

griffsakte der Exekutive, die unter Inanspruchnahme des im Begriff der „allgemeinen Gesetze" enthaltenen Einschränkungsvorbehaltes die Grundrechte aus Art. 5 I G G beschneiden, sich am Übermaßverbot zu messen lassen haben und daß es dabei im Rahmen der Überprüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Grundsatz der Angemessenheit, Zumutbarkeit) zu einer Güterabwägung kommt, die eine Bewertung sowohl der eingeschränkten Freiheitsposition als auch des Eingriffszweckes, zu dem die Grundrechtsbeschneidung erfolgt, erforderlich macht. In diesem Sinne kommt es durchaus zu einer „Wechselwirkung". Dies hat jedoch überhaupt nichts mit dem Begriff der „allgemeinen Gesetze" zu tun und ist auch keineswegs ein Spezifikum des in Art. 5 II G G enthaltenen Einschränkungsvorbehaltes, sondern dies ist die Konsequenz aus der Tatsache, daß für die Rechtmäßigkeit eines Grundrechtseingriffes nicht schon das Vorhandensein eines „passenden", d. h. einschlägigen Einschränkungsvorbehaltes ausreichend ist, sondern daß es dafür auch der Beachtung der Schrankenschranken, einschließlich derjenigen der Ubermaßverbotsgrundsätze, bedarf. „Einbruchsstelle" für das Eindringen letztlich außerrechtlicher Wert- bzw. Gerechtigkeitsvorstellungen ist also entgegen der Auffassung des BVfG nicht der Begriff der „allgemeinen Gesetze" im Sinne des Art. 5 II GG, sondern ist der zum Übermaßverbot gehörende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Kritisch zur „Wechselwirkungstheorie auch Ossenbühl (NJW 1976, S. 2107). Abzulehnen ist weiter auch die Auffassung des BVfG (BVfGE 12, 1, 3 5 C 4; 28, 243, 261; 30, 173, 193; 32, 98, 108; 33, 23, 32; 33, 52, 70; 40, 196; NJW 1976, S. 491 mit Anm. v. Schnapp; vgl. auch die Darstellung der Rechtsprechung des BVfG bei Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 209ff), daß die Freiheitsgrundrechte dort ihre „immanente" Grenze fänden, wo „andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte" entgegenstehen, daß also, darauf läuft die Verwendung des Gedankens der Wertordnung in diesem Zusammenhang hinaus, neben die (ausdrücklichen oder nicht ausdrücklichen) geschriebenen Einschränkungsvorbehalte der Freiheitsgrundrechte ein weiterer nicht nur ungeschriebener, sondern im Grunde auch unfaßbarer und undefinierbarer tritt, der die Einschränkungen von Grundrechten darüber hinaus auch immer dann gestattet und im Grunde sogar gebietet, wenn irgendwelche Gerechtigkeits- oder Wertvorstellungen, die angeblich in der Verfassung ihren Niederschlag gefunden haben, dies rechtfertigen (kritisch dazu auch Lerche, BayVBl. 1974, S. 180). Damit wird die Normativität der Grundrechte, die Technizität dieser Rechtssätze, zu der sich Art. 1 III G G in geradezu pathetischer Weise bekennt, dem richter83

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Abschnitt II: Die Grundrechte

liehen Dezisionismus, besser: dem richterlichen Gerechtigkeitsgefühl bzw. dessen Willkür preisgegeben (wie hier Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 77). 36 Gegenüber einer solchen Art des Grundrechtsverständnisses kann eigentlich gar nicht genug darauf hingewiesen werden, daß die Väter des GG und damit auch dieses selbst ebenso wie die VvB und deren Väter ganz eindeutig in der rechtsstaatlich-liberalen Grundrechtstradition des sog. rechtsstaatlichen Verteilungsprinzipes standen bzw. stehen, nach dem „im Zweifel die Regelung, die Freiheiten verbürgt, vor derjenigen gilt, die Handlungs- und Eingriffsvollmachten des Staates normiert oder andersartige Einschränkungen festlegt", so daß „die Festlegung staatlicher Handlungs- und Eingriffsrechte im Zweifel abschließenden Charakter hat, während die Festlegung von Freiheitsverbürgungen im Zweifel nicht abschließend, sondern für weitergehende Freiheitsverbürgungen offen ist" (Böckenförde/Grawert, D Ö V 1971, S. 119, 120. Zum rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip allgemein Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl., Berlin 1965, S. 125 ff. Zur Anknüpfung des G G an diese Tradition im besonderen: H. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Vorbem. zu Art. 1, S. 35 ff; Knies, Kunstfreiheit, S. 48; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 134; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 243, 255, 261f m. w. N.; Rupp, A ö R 92 [1967], S. 212, 225 f; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2101). Dieses rechtsstaatliche Verteilungsprinzip hat in dem System von Spezial- und Auffanggrundrechten, von abgestuften und prinzipiell nur auf ein spezielles Grundrecht bezogenen Einschränkungsvorbehalten und von speziellen und allgemeinen Schrankenschranken seinen eindeutigen textlichen Niederschlag gefunden, und zwar sowohl im G G wie auch in der VvB. Es geht daher nicht an, dieses System und das diesem zugrundeliegende rechtsstaatliche Verteilungsprinzip dadurch aus den Angeln zu heben, daß zusätzlich zu den geschriebenen Einschränkungsvorbehalten ungeschriebene, aber angeblich „immanente" Grundrechtsgrenzen erfunden werden, deren Fixierung sodann auch noch dem Rechtsgefühl überlassen wird, was auch dadurch nicht verschleiert zu werden vermag, daß im Brustton der Uberzeugung immerzu die Existenz einer Wertordnung, Wertrangordnung, Rechtswertordnung, Verfassungsrechtswertordnung etc. behauptet wird. Wenn eine Freiheitsposition in den Verbürgungsbereich eines der Grundrechte fällt, dann ist damit eine geschriebene verfassungsrechtliche Entscheidung zugunsten der Unantastbarkeit dieser Freiheitsposition gefallen, die lediglich durch die Existenz einer geschriebenen lex spezialis, d. h. durch den Nachweis der Einschlägigkeit eines der geschriebenen (ausdrücklichen oder nicht ausdrücklichen) Einschränkungsvorbehalte wieder zurückgenommen werden kann. 84

Vorbemerkungen (Schwan)

Vor

Wenn z. B. die Verbreitung des „Mephisto"-Romanes von Klaus Mann (vgl. dazu BVfGE 30, 173) unter den Verbürgungsbereich der Kunstfreiheit des Art. 5 III GG fällt, so kann diese Verbreitung durch den Staat keineswegs schon dann verboten werden, wenn dies mit irgendeiner Wertordnung, Wertrangordnung, Verfassungsrechts-WertRangordnung nicht vereinbar ist, sondern ausschließlich und allein dann, wenn sich der Verfasung ein auf dieses Verbreitungsverbot passender Einschränkungsvorbehalt entnehmen läßt, eine lex spezialis zu Art. 5 III GG also, die freilich nicht ausdrücklich auf Art. 5 III GG bezogen und auch nicht als Einschränkungsvorbehalt formuliert zu sein braucht. Vielmehr genügt es, daß die Auslegung ergibt, daß diese Verfassungsnorm die mit Art. 5 III GG gefallene Entscheidung zugunsten der grundsätzlichen Unantastbarkeit der verbürgten Freiheitsposition insoweit wieder „zurücknehmen" wollte. Art. 1 1 2 GG, der die Staatsgewalt verpflichtet, die Menschenwürde nicht nur (selbst) zu achten, sondern auch (vor anderen) zu schützen, vermag daher sehr wohl einen solchen Einschränkungsvorbehalt abzugeben, sofern sich die Verbreitung des „Mephisto"-Romanes als ein Angriff auf die Menschenwürde des Gustaf Gründgens erweisen sollte. Mit der Übernahme dieses rechtsstaatlichen Verteilungsprinzipes hat 3 7 die Verfassung (auch diejenige des Landes Berlin) zugleich auch der vor allem von P. Lerche (Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, passim) vertretenen sog. Prägungslehre eine Absage erteilt, nach der die von den Grundrechten geschützte Freiheit eine zunächst vom einfachen Gesetzgeber zu prägende bzw. schon geprägte, „verfaßte" sei; denn wenn nach diesem Prinzip die grundrechtliche Freiheit eine prinzipiell unbegrenzte sein soll, dann kann sie nicht eine zunächst vom einfachen Gesetzgeber „verfaßte", d. h. begrenzte sein, sondern dann ist mit „Freiheit" im Sinne der Grundrechte die natürliche, durch keinerlei rechtliche Begrenzungen vorgeformte Freiheit des Robinson Crusoe gemeint, dann schaffen die einfachen Gesetze den Gegenstand der grundrechtlichen Verbürgung nicht erst, sondern sie finden ihn vor und schränken ihn ein. Gegen das hier zugrunde gelegte rechtsstaatlich-liberale Grundrechts- 3 8 Verständnis sind in der Rechtsprechung und Literatur vor allem zwei Einwände erhoben worden: Zum einen wird behauptet, diese Art der Grundrechtsdeutung sei überholt, nicht mehr zeitgemäß, unnötig (vgl. z. B. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 55 m. w. N., 58, 73, 75, 119ff; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 336). Zum anderen wird behauptet, es werde den sozialen Problemen des modernen Staates nicht gerecht, es stünde im Gegensatz zum Sozialstaatsprinzip und sei blind gegenüber der sozialen Frage, d. h. gegenüber den sozialen Voraussetzungen der Realisierung grundrechtlicher Freiheit (vgl. z. B. Grabitz, 85

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Abschnitt II: Die Grundrechte

Freiheit und Verfassungsrecht, S. 205 f; Rupp, Gutachten 46. DJT, S. 186; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 53; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 228). Beide Einwände sind unzutreffend. Solange Menschen im Namen des Staates Macht ausüben, bedarf es auch der (grund-)rechtlichen Sicherung vor Machtmißbrauch. Das ist im 20. Jahrhundert nicht anders als im 18. oder 19. Jahrhundert, eher ist dies heute noch wichtiger, weil die sittlichen, moralischen, vor allem aber religiösen Bindungen, die ehedem noch machtbändigend gewirkt haben, heute weitgehend entfallen sind. Vgl. auch Ossenbühl (NJW 1976, S. 2107): „Die liberale Grundrechtstheorie enthält mit der Charakterisierung der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat eine zeitlose, ewig gültige Aussage. Einer Abwehr der Willkür wird es immer bedürfen, solange es Herrschaft gibt." Die Frage ist daher allenfalls, ob die „modernen" Deutungsweisen der Grundrechte den Freiheitsschutz verbessern oder doch zumindest auf dem alten Stand halten können. Das ist jedoch ganz eindeutig nicht der Fall. Soweit es den Schutz der Freiheit vor staatlichen Eingriffen betrifft, stellen sämtliche neuen Deutungsweisen der Freiheitsgrundrechte, sofern sie nicht nur ergänzend neben die klassische, liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie, sondern an deren Stelle gesetzt werden, eine geradezu lebensbedrohende Gefährdung des Rechtsstaates und der Freiheit dar. Unzutreffend ist auch, daß die liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie der Entfaltung des Sozialstaates und der Lösung der sozialen Frage im Wege stehen. Vielmehr ist es genau umgekehrt so, daß gerade die bürgerlich-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie geradezu optimal geeignet ist, eine Symbiose zwischen Rechtsstaat und Sozialstaat herzustellen. Die Tore, die die den Grundrechten hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte den sozialgestaltenden Aktivitäten des Gesetzgebers offen lassen, sind nämlich bis hin zur Sozialisierung (Art. 15 GG) so weit aufgerissen, daß das von den „modernen" Grundrechtsinterpreten so gern und oft angegriffene „Eingriffs- und Schrankendenken" der Lösung sozialer Probleme eigentlich kaum im Wege stehen kann. Zu Recht weist daher Badura (Der Staat 1975, S. 18), darauf hin, daß auch das liberale Verfassungsdenken eine „Sozialwirkung der Grundrechte" begründe. Richtig ist allerdings, daß sich bei dieser - klassischen - Deutung der Freiheitsgrundrechte auch der sozialgestaltende und umverteilende Staat an den Regeln des Rechtsstaates - z. B. am Übermaßverbot - zu messen lassen hat; dies ist so jedoch nicht nur eindeutiger Wille der Verfassung, sondern obendrein ein Gewinn auch und gerade für den Sozialstaat. 39 2.3 Die sozialen Grundrechte. Das Grundgesetz hat aus gutem Grunde darauf verzichtet, soziale Grundrechte im Sinne von Leistungs86

Vorbemerkungen (Schwan)

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bzw. Teilhaberechten zu garantieren, die allein schon ihrer Ressourcenabhängigkeit wegen (vgl. dazu B V f G E 33, 333; Maunz, MDHS, Art. 20, Rdn. 70; Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 95, 98; Badura, Der Staat 1975, S. 26, 35 f), im übrigen aber auch deswegen nicht als subjektive, einklagbare Rechte verfassungsrechtlich garantiert sein können, weil sie als solche den notwendigen politischen Spielraum des Gesetzgebers und der Exekutive unerträglich verkürzen und letztlich die totale Planwirtschaft erzwingen würden, die — wie die Existenz der Freiheitsgrundrechte erweist — von der Verfassung ganz sicher nicht gewollt ist. Das G G wollte offensichtlich die von Art. 1 III G G erzwungene unmittelbare Verbindlichkeit der Grundrechte nicht sogleich dadurch wieder gefährden, daß es soziale Grundrechte dieser Art garantiert, bei denen die unmittelbare Verbindlichkeit aus der Natur der Sache heraus nicht die gleiche sein kann wie bei den Freiheits- oder Gleichheitsgrundrechten oder bei den Rechten des Status activus. Nicht aus sozialer Blindheit, sondern aus Sorge um die juristische Stringenz der Verfassungssätze hat es sich deshalb darauf beschränkt, die „soziale Frage" in der Staatszielbestimmung, d. h. in dem Verfassungsleitbild des Sozialstaatsprinzips aufzufangen und zu beantworten. Die VvB ist einen anderen Weg gegangen. Sie hat in den Art. 6 Abs. 1 4 0 Satz 2 (Recht a u f . . . wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten), Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 (Recht auf Arbeit), Art. 12 Abs. 1 Satz 3 (Recht auf Arbeitslosenunterstützung); Art. 12 Abs. 2 (Recht der Frauen, Jugendlichen und Körperbehinderten auf besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis); Art. 13 (Anspruch auf Lebensunterhalt in Fällen der Krankheit, des Alters oder der Not); Art. 19 Abs. 1 (Recht auf Wohnung) „soziale Grundrechte" dieser Art normiert. Damit hat es das Sozialstaatsprinzip des GG mit Wirkung für die Landesstaatsgewalt konkretisiert, ohne freilich die zumeist in der Kompetenz des Bundes bzw. — jetzt — sogar supranationaler Institutionen liegende Wirtschaftspolitik nennenswert beeinflussen oder lenken zu können. Diese sozialen Grundrechte enthalten somit weitgehend „Verheißungen, die das Land in eigener Zuständigkeit nicht einlösen kann" (vgl. Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 98,100). 3. Das Schrankensystem

der Freiheitsgrundrechte

41

Im Prinzip unterscheidet sich die Funktionsweise und damit das Schrankensystem der Freiheitsgrundrechte der VvB von denen des G G überhaupt nicht. Auch bei den Freiheitsgrundrechten der VvB sind die Ebenen der Verbürgung, der Einschränkungsvorbehalte und der Schrankenschranken sehr sorgfältig auseinanderzuhalten. Im Detail 87

Vor

Abschnitt II: Die Grundrechte

lassen sich jedoch durchaus einige recht erhebliche Unterschiede feststellen. 42 3.1 Auf der Ebene der Verbürgung unterscheidet sich die VvB vom G G vor allem dadurch, daß es an einem Auffangfreiheitsgrundrecht fehlt, wie es das G G in Art. 2 I (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) enthält. Der grundrechtliche Schutz der Freiheit durch die VvB ist also anders als beim G G nicht lückenlos. Gewisse Freiheitspositionen werden grundrechtlich überhaupt nicht erfaßt und genießen folglich nur den Schutz durch den Eingriffsvorbehalt des Gesetzes, der in der VvB - anders als im G G - freilich ausdrücklich im Text der Verfassung enthalten ist (Art. 45 I). Zwar wird in der Literatur immer wieder behauptet, der Eingriffsvorbehalt des Gesetzes habe seinen dogmatischen Standort in Art. 20 III GG. Dort ist jedoch eindeutig neben dem Vorrang der Verfassung (1. Alt.) lediglich der Vorrang des Gesetzes (2. Alt.) enthalten. Da der Vorbehalt des Gesetzes weiter auch nicht in irgendeiner anderen Vorschrift des G G auftaucht, seine Geltung und Verbindlichkeit jedoch unbestritten sind, gilt er auf der Ebene des Grundgesetzes lediglich kraft Verfassungsgewohnheitsrechtes (vgl. dazu näher Schwan, Vorbehalt des Gesetzes und Zuständigkeitsregelungen, Diss. Berlin 1972, S. 8 ff; ders., Rechtsschutz für den Bürger vor staatlicher Informationssammlung, in: Hoffmann/Tietze/Podlech, Numerierte Bürger, S. 36 ff). Weiter unterscheidet sich die VvB vom G G auf der Ebene der Verbürgung auch dadurch, daß der Katalog der Spezialgrundrechte ein anderer ist, daß die VvB also nicht alle Grundrechte des GG übernommen hat, und dadurch, daß der VvB die Vorschrift des Art. 19 III G G unbekannt ist. Da diese Vorschrift jedoch nur etwas im Grunde Selbstverständliches ausdrückt, nämlich daß Grundrechte in dem Umfange auch für juristische Personen gelten, in dem dies mit dem Wesen des jeweiligen Grundrechtes vereinbar ist, ist die Rechtslage nach der VvB in dieser Beziehung keine andere. Die direkte Anwendung des Art. 19 III G G auf die Berliner Grundrechte (vgl. Domcke, BayVfGHFestschrift, 1972, S. 327; Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 118; a. A. Rüfner, D Ö V 1967, 670) erscheint nach hier vertretener Auffassung jedoch als ausgeschlossen, weil das System der Berliner Grundrechte ebenso wie dasjenige des Grundgesetzes ein in sich geschlossenes ist. Höchst unglücklich ist daher auch die Formulierung von Böckenförde/ Grawert (DÖV 1971, 121), daß einige Grundrechte der Landesverfassung nur „Teil-, Ausführungs-, Spezial- oder Ausdeutungsnormen zu Bundesgrundrechtsbestimmungen" enthielten. 43

3.2 Auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte unterscheidet sich die VvB vom G G vor allem dadurch, daß sie ähnlich wie die Bayeri-

88

Vorbemerkungen (Schwan)

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sehe Verfassung (Art. 98 Satz 2) in Art. 23 II einen (einfachen) GlobalGesetzesvorbehalt kennt, der immer dort zur Anwendung kommt, wo die VvB für den konkreten Eingriff nicht einen speziellen Einschränkungsvorbehalt bereithält. 3.3 Auf der Ebene der Schrankenschranken fehlt eine Bestimmung, 4 4 die der Zitatklausel des Art. 19 1 2 G G entspricht. Es ist daher an sich nicht erforderlich, daß der Berliner Landesgesetzgeber auch die eingeschränkten Berliner Grundrechte zitiert, wie dies z. B. in § 47 ASOG geschehen ist. Sehr wohl ist es aber erforderlich, daß auch der Berliner Landesgesetzgeber die Bestimmungen der eingeschränkten Bundesgrundrechte zitiert; denn Art. 19 I 2 G G gilt auch für ihn (vgl. auch Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 117; a. A. jedoch mit unzutreffender Begründung BVwGE 2, 118, 122; dagegen Finkelnburg JuS 1968, 12 und Art. 1, Rdn. 40). Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II G G findet sich dagegen in Art. 23 II VvB — wenn auch in anderer Formulierung — wieder, und das Gleiche gilt auch für die Gleichheitsgrundrechte. Der Bestimmtheitsgrundsatz (der auch im G G nur partiell im Text auftaucht, z. B. in Art. 80 I 2 GG), das Verbot des Einzelfall- und Einzelpersonengesetzes (Art. 19 I 1 GG), die Übermaßverbotsgrundsätze (die auch im Text des GG nicht auftauchen), die Menschenwürdegarantie (Art. 11 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I G G ) finden sich zwar im Text der VvB überhaupt nicht oder doch nur partiell (so das Sozialstaatsprinzip in den „sozialen Grundrechten" der VvB), diese „Schrankenschranken" sind jedoch über die Homogenitätsklausel des Art. 28 I und II G G zum Bestandteil auch des Verfassungsrechtes von Berlin geworden; denn der Bestimmtheitsgrundsatz, die Menschenwürdegarantie und die Übermaßverbotsgrundsätze gehören sicher zum Kernbestand des Rechtsstaatsprinzipes, und das Sozialstaatsprinzip wird in Art. 28 I G G sogar ausdrücklich angesprochen. Darüber hinaus gehört aber auch die Vorschrift des Art. 1 9 1 1 G G , nach der alle Grundrechte beschneidenden Gesetze „allgemein" sein müssen und „nicht nur für den Einzelfall gelten" dürfen, zum uralten, klassischen Instrumentarium des Rechtsstaats. Zwar ist das Verbot des Einzelfall- und Einzelpersonengesetzes vom Grundgesetz als Schrankenschranke für Eingriffe in die Freiheitsgrundrechte konstruiert worden. Es ist jedoch zumindest im Bereiche des Eingriffsrechtes ein seit je anerkanntes, sowohl aus dem Gleichheitssatz wie auch aus dem Gewaltentrennungsprinzip abzuleitendes rechtsstaatliches Postulat, daß der einfache Gesetzgeber nicht das Recht hat, Einzelfallentscheidungen zu treffen. Art. 19 1 1 G G gilt daher inhaltlich auch im Landesverfassungsrecht. Dies verkennt das 89

Art. 6

Abschnitt II: D i e Grundrechte

BVfG z. B. in E 25, 399 (vgl. dazu auch die zutreffende Kritik von H. H. Rupp, BVfG-Festgabe II, S. 364, 369; im Ergebnis wie hier Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 117).

Artikel 6 (1) Alle Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Sie haben das Recht auf gleiche wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten. (2) Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens dem Manne gleichgestellt. Materialien 1. vgl. zu 1 1 (allgemeiner Gleichheitssatz): Art. 3 I G G ; 1 1 8 1 B V ; 1 HV; 17 VRP; 12 VS z u I 2 (gleiche Entwicklungsmöglichkeiten): Art. 11 V B W zu II (Gleichheit der Frau): Art. 3 II und III G G ; 118 II, 124 II BV; 2, 22 V H B ; 1, 33 HV; 17 VRP; 12, 22 VS

Erläuterungen 1

Abs. 1 beruht auf einer Vorlage der SPD, Abs. 2 auf einer solchen der SED. Entgegen der Auffassung von Friesenhan (Der Wandel des Grund2 rechtsverständnisses, Verh. 50. DJT, Band II, Teil F/G, S. G 20) enthalten die Gleichheitssätze, und zwar auch der allgemeine, und dort sehr wohl auch dessen materielle Komponente, nicht nur „allgemeine Verfassungsgrundsätze" - was immer man darunter auch zu verstehen haben mag - , sondern Grundrechte, und zwar Grundrechte im Sinne von subjektiv-öffentlichen Rechten, von Ansprüchen also, die der einzelne gegenüber dem Staat — notfalls auch vor Gericht — geltend machen kann. Zwar ist es richtig, daß das in der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes letztlich allein enthaltene Willkürverbot durch eine gewisse „Offenheit" und möglicherweise auch durch einen „Mangel an subjektivrechtlicher Anspruchspräzision" geprägt ist (so H. H. Rupp, BVfG-Festgabe II, S. 364, 367). Dies folgt daraus, daß sich im Willkürverbot im Grunde nichts anderes verbirgt als ein Verweis auf außerrechtliche Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen, die natür90

Gleichberechtigung (Schwan)

Art.6

lieh einer präzisen - juristisch verwertbaren - Erfassung nur sehr bedingt zugänglich sind, zumal da das einzige Medium, vermittels dessen diese Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen zugänglich sind oder zugänglich gemacht werden können, das Rechtsgefühl ist mit all den Gefahren subjektiver Entgleisung und Fehldeutung, die diesem notwendig korrespondieren. Es ist jedoch zumindest voreilig, daraus den Schluß zu ziehen, daß das Willkürverbot lediglich den Charakter eines „allgemeinen Verfassungsgrundsatzes", nicht dagegen auch den eines Grundrechtes habe; denn einerseits ist die Rechtsordnung gar nicht in der Lage, auf einen solchen Verweis auf außerrechtliche Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen gänzlich zu verzichten, andererseits bedient sie sich auch keineswegs nur an dieser Stelle einer solchen Verweisungstechnik, sondern z. B. auch beim Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, beim Begriff der „öffentlichen Ordnung" im Polizeirecht, bei den Begriffen „Treu und Glauben" sowie „Sittenwidrigkeit" im Zivilrecht und — wohl - auch bei dem Gebot der Achtung der Menschenwürde, ohne daß dort die These gewagt würde, daß die genannten Rechtsprinzipien deswegen nicht imstande wären, subjektive Rechte zu gewähren. Andererseits wird die Gefährlichkeit eines solchen Verweises, die in dem unkontrollierten Einfließen subjektiver Gerechtigkeitsvorstellungen in die Rechtsanwendung liegt, aber auch ganz wesentlich dadurch gemildert, daß als „willkürlich" keineswegs eine jede Gleich- oder Ungleichbehandlung anzusehen ist, die gegen das Wertoder Gerechtigkeitsgefühl verstößt, sondern nur eine solche, die für jedermann erkennbar, bei der dieser Verstoß evident, offenkundig ist (vgl. BVfGE 12, 326, 333; 18, 121, 124; 19, 105, 115; 23, 135, 143; 37, 121, 129; Rupp, aaO S. 371; Doehring, S. 278). Durch dieses Kriterium der Evidenz, dessen sich die Rechtsordnung in ähnlicher Weise übrigens auch zur Eingrenzung der anderen Verweisungen auf außerrechtliche Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen bedient, werden die Gefahren der Subjektivierung der Rechtsanwendung bei der Anwendung des Willkürverbotes auf ein erträgliches Maß heruntergeschraubt, so daß auch die Anwendung der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes rational, nachvollziehbar und damit konsensfähig wird. Es liegt auf der Hand, daß bei diesem Verständnis des Willkürverbotes der Anerkennung des allgemeinen Gleichheitssatzes als „echtes" Grundrecht nichts im Wege steht. Anders als die Freiheitsgrundrechte sind die Gleichheitsgrundrechte 3 nicht einschränkbar (so auch Meder, Art. 118 BV, Rdn. 5.; a. A. wohl Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 52, 56, und Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 122, der nur deshalb den Globalvorbehalt des Art. 98 Satz 2 BV nicht anwenden will, weil die Gleichheitsgrund91

Art. 6

Abschnitt II: Die Grundrechte

rechte des G G nicht unter einem Einschränkungsvorbehalt stehen). Ähnlich wie bei der Menschenwürdegarantie (a. A. Kloepfer, BVfGFestgabe II, S. 405 ff) gibt es auch bei den Gleichheitsgrundrechten nur ein Entweder — Oder. Entweder es liegt eine Verletzung (Berührung) der Gleichheitssätze, d. h. eine von diesen nicht gestattete Gleichbzw. Ungleichbehandlung vor, dann ist die Maßnahme verfassungswidrig, oder es liegt eine solche Verletzung (Berührung) nicht vor, dann mag die Maßnahme zwar wegen Verletzung anderer Rechtssätze rechtswidrig sein, wegen der Gleichheitssätze ist sie dies jedoch nicht. Der Global-Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II ist daher auf die Gleichheitsgrundrechte nicht anwendbar. Es gibt keine zulässige, legale Einschränkung der Gleichheitsgrundrechte. Wenn eine Einschränkung der Gleichheitsgrundrechte vorliegt, dann ist diese unzulässig. Das „Eingriffs- und Schrankendenken" ist bei den Freiheitsgrundrechten angebracht und sogar notwendig, nicht dagegen auch bei den Gleichheitsgrundrechten. Diese können zwar durch eine lex spezialis verdrängt, nicht aber zulässig eingeschränkt werden (nicht ganz eindeutig in diesem Zusammenhang BVwG, D Ö V 1975, 421, 426, das freilich auch meint, die Gleichheitsgrundrechte als Freiheitsrechte bezeichnen zu dürfen). 4

Im Verhältnis zu den Freiheitsgrundrechten stellen die Gleichheitsgrundrechte Schrankenschranken der letzteren dar, d. h. sie verhindern, daß der Gesetzgeber, die Exekutive oder die Judikative bei der Inanspruchnahme von Einschränkungsvorbehalten, die den Freiheitsgrundrechten von der Verfassung hinzugefügt worden sind, gleichheitswidrige Differenzierungen vornehmen. Nicht dagegen vermögen die Gleichheitsgrundrechte das Vorhandensein eines Einschränkungsvorbehaltes bei den Freiheitsgrundrechten zu ersetzen und damit eine zusätzliche Einschränkbarkeit der Grundrechte zu begründen. 5 Art. 6 1 1 enthält den allgemeinen Gleichheitssatz mit seinen beiden Komponenten (der formellen und der materiellen) und stimmt trotz anderer Formulierung in seinem Gehalt mit Art. 3 Abs. 1 G G überein. 6 Der allgemeine Gleichheitssatz (Abs. 1) hat den Charakter eines Auffanggrundrechtes gegenüber den anderen Gleichheitssätzen der VvB, d. h., er wird dort verdrängt, wo die VvB - wie z. B. in Art. 6 II oder in Art. 13 oder in Art. 26 I (Wahlgleichheit) - spezielle Differenzierungsverbote normiert. Darüber hinaus wird der allgemeine Gleichheitssatz (und werden auch die speziellen Gleichheitssätze) verdrängt durch die in der VvB enthaltenen (immer nur speziellen) Ungleichheitsgebote (z. B. Art. 26 III und IV, der bestimmte Altersgrenzen für die Wahl und Wählbarkeit festlegt und damit Ungleichbehandlungen anordnet, oder Art. 35, der die Abgeordneten durch Gewährung der Immunität privilegiert). 92

Gleichberechtigung (Schwan)

Art. 6

Zwar spricht Art. 6 1 1 nicht - wie Art. 3 I GG - von „allen Mensehen", sondern von „allen Männern und Frauen", erwähnt diese aber offensichtlich nur als pars pro toto und will dadurch andere Menschen (Kinder, nasciturii) nicht von der Garantie ausschließen. Dies zeigt nicht nur der folgende Satz 2, der an den ersten Satz anknüpfend das Recht auf gleiche wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten garantiert und der das Schwergewicht seiner Bedeutung verlieren würde, wenn er nicht auch auf Kinder Anwendung fände, sondern dies ergibt sich auch daraus, daß die VvB auch an anderen Stellen von „Männern und Frauen" spricht, ohne damit die Kinder ausschließen zu wollen (vgl. Art. 18). Darüber hinaus dürfte diese Formulierung auch nicht den Sinn haben, die Verbürgung des Grundrechtes auf die natürlichen Personen zu beschränken, die juristischen Personen also auszuschließen; denn es ist nicht davon auszugehen, daß die Grundrechtsgewährleistung durch die VvB ohne jeden erkennbaren Sinn in einem so zentralen Punkte wie diesem hinter dem klassischen Mindeststandard aller anderen Grundrechtskataloge zurückbleiben wollte, zumal da die Gestattung der Ungleichbehandlung von juristischen Personen eine Verletzung des Kernbestandes des Rechtsstaatsprinzipes bewirken dürfte, die wegen der Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG auch dem Landesverfassungsgeber nicht gestattet ist. Der allgemeine Gleichheitssatz findet daher in dem Umfang auf juristische Personen Anwendung, in dem dies seinem Wesen nach möglich ist. Der allgemeine Gleichheitssatz enthält zunächst die - unproblematisehe - formelle Komponente der Rechtsanwendungsgleichheit, die im Text der Verfasung ausdrücklich formuliert ist und nach der alle „vor dem Gesetz gleich" sind. Die Rechtsanwendungsgleichheit erzwingt die personelle Gleichbehandlung bei der Gesetzanwendung, d. h. die gleiche Anwendung des Gesetzes „ohne Ansehen der Person" auf alle diejenigen Sachverhalte, auf die der abstrakt-generelle Gesetzestatbestand paßt (vgl. Eyermann, Gleichheitssatz, Wurzel des Willkürverbots?, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 45, 48; Schweiger, ebendort, S. 57; Doehring, S. 276). Sie setzt jedoch ebenso wie der zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehörende Vorrang des Gesetzes (Art. 20 III GG), mit dem sie funktionsidentisch ist, die Tätigkeit des Gesetzgebers voraus (Doehring, S. 276). Erst und nur, wenn Gesetze bestehen, vermag die formelle Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes zu „greifen". Gegenüber diesen selbst läuft sie leer. Ganz anders verhält es sich mit der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes, die zwar in der Formulierung des Verfassungstextes nicht zu finden ist, die jedoch nach ständiger Rechtspre93

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Abschnitt II: Die Grundrechte

chung (BVfGE 1, 14, 52; 33, 367, 384; 36, 174, 187) und h. L. (Nachw. b. Doehring, S. 276 ff; Schweiger, aaO; Eyermann, aaO) darin auch enthalten ist. Sie besagt, daß gleiche Fälle gleich und ungleiche Fälle entsprechend ihrer Ungleichheit ungleich zu behandeln sind. Da nun aber Gleichheit gerade nicht Identität bedeutet und zwei verschiedene Lebenssachverhalte sich in gewissen Beziehungen immer und notwendig voneinander unterscheiden, kommt es für die Anwendung der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes darauf an, wie diese Unterschiede beschaffen sind und ob das Abstellen auf sie bei der gleichen oder ungleichen Behandlung zweier Sachverhalte willkürlich ist oder nicht. In der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes verbirgt sich also letztlich nichts anderes als (nur) das Willkürverbot. Freilich ist dieses dem Tatbestand des Gleichheitssatzes, nämlich der Notwendigkeit des Vorhandenseins mindestens zweier Vergleichsfälle, verhaftet und findet Anwendung nur bei der Inbezugsetzung der unterschiedlichen oder gleichen Behandlung dieser Fälle mit den zwischen beiden Fällen bestehenden Sachverhaltsunterschieden. Nur in diesem Umfang vermag der Gleichheitssatz, dogmatischer Standort des Willkürverbotes zu sein (so zutreffend Schweiger, aaO, S. 66 m. w. N. auch zur Gegenmeinung vor allem Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl. 1959, S. 72). 11 Für die praktische Handhabung der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes ergeben sich daraus folgende Fragestellungen: a) Zunächst müssen die Vergleichspaare bestimmt werden, auf die der Gleichheitssatz zur Anwendung gebracht werden soll. Ohne zumindest ein solches Vergleichspaar vermag der Gleichheitssatz nicht zu wirken. b) Sodann ist es erforderlich, die Unterschiede im Sachverhalt der beiden Vergleichsfälle herauszuarbeiten. Das der Gleich- oder Ungleichbehandlung zugrundeliegende Motiv vermag dabei u. U. ein wertvolles Indiz für das Auffinden der richtigen, d. h. maßgeblichen, relevanten Sachverhaltsunterschiede abzugeben. Keinesfalls kommt es für die Anwendung des Gleichheitssatzes jedoch nur auf den Unterschied an, auf den der Gesetzgeber, die Exekutive oder Judikative die Gleich- oder Ungleichbehandlung bezogen, mit dem sie diese also motiviert haben. c) Weiter ist zu fragen, ob die Vergleichsfälle unterschiedlich oder aber gleich behandelt worden sind. d) Wenn eine unterschiedliche Behandlung vorliegt, lautet die weitere Frage: Vermag der unter b) festgestellte Unterschied im Sachverhalt 94

Gleichberechtigung (Schwan)

Art. 6

die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen oder ist das Abstellen auf diesen Unterschied bei dieser Art der unterschiedlichen Behandlung evident willkürlich (mißbräuchlich), verstößt es also offenkundig gegen das (außerrechtliche) Wert- und Gerechtigkeitsempfinden? Wenn das letztere der Fall ist, liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor, andernfalls ist ein solcher nicht gegeben. e) Wenn die Sachverhalte dagegen nicht unterschiedlich behandelt worden sind, lautet die weitere Frage: Ist die Gleichbehandlung angesichts der bestehenden Unterschiede im Sachverhalt evident willkürlich in diesem Sinne? Ist dies der Fall, dann liegt ebenfalls eine Verletzung des Gleichheitssatzes vor, andernfalls ist das nicht der Fall. Trotz des dogmatischen Standortes dieser Bestimmung wird man 1 2 Art. 6 1 2 wohl so deuten müssen, daß er im Grunde gar nicht so sehr ein Gleichbehandlungsgebot zum Ausdruck bringen will, sondern vielmehr und schwergewichtig ein soziales Grundrecht aller auf wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklung. Einerseits ist dieser Vorschrift also ein soziales Grundrecht zu entnehmen, das freilich schon der Unbestimmtheit des geregelten Gegenstandes wegen nicht geeignet ist, ein subjektives, einklagbares Teilhaberecht zu gewähren, sondern lediglich als Programmsatz bzw. als Staatszielbestimmung aufgefaßt werden darf, wobei die Frage der Verbindlichkeit bzw. Unverbindlichkeit als eine jedenfalls in diesem Falle im Grunde akademische dahinstehen soll. Andererseits stellt diese Vorschrift in einem gewissen Sinne aber auch eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar, indem sie den Staat verpflichtet, die Chancen und Möglichkeiten zur wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Entwicklung allen gleichermaßen einzuräumen. Viel mehr als ein Ausrufezeichen vermag die Vorschrift jedoch in beiden Dimensionen nicht zu sein. Art. 6 II enthält das absolute Differenzierungsverbot nach dem Krite- 1 3 rium des Geschlechtes und entspricht damit - trotz anderer Formulierung - der Bestimmung des Art. 3 II bzw. III GG. Freilich ist auch dieses absolute Differenzierungsverbot des Art. 6 II kein vollkommen absolutes, sondern es hebt - auch darin mit Art. 3 II, III des GG übereinstimmend - im Grunde nur die Schwelle für die Zulässigkeit des Abstellens auf dieses Kriterium (Geschlecht) gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz an. Während nach dem allgemeinen Gleichheitssatz — fände er Anwendung — das Abstellen auf dieses Kriterium im Prinzip zulässig, dann jedoch ausgeschlossen wäre, wenn dies „willkürlich" wäre, ist es nach dem speziellen Gleichheitssatz des Art. 6 II genau umgekehrt: Das Abstellen auf das Kriterium des Geschlechtes ist im 95

Art. 6

Abschnitt II: Die Grundrechte

Prinzip unzulässig. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Außerachtlassen dieses Kriteriums „willkürlich" wäre, Willkür erzeugen würde (vgl. Doehring, S. 279 m. w. N. in FN 15). Das Willkürverbot ist also auch bei dem speziellen Gleichheitssatz keineswegs vollkommen verdrängt, es begegnet uns dort jedoch nicht schon in der ersten, sondern erst in einer zweiten Phase der Rechtsanwendung. In diesem Sinne dürfte wohl auch die Rechtsprechung des BVfG (vgl. z. B. BVfGE 11, 277, 278; 15, 337, 343; 39, 334) zu verstehen sein, das eine Differenzierung nach dem Kriterium des Geschlechtes jmmer dann für zulässig erachtet, wenn dies im Hinblick auf die zwischen Mann und Frau bestehenden biologischen und funktionalen Unterschiede als geboten erscheint. 14

Auffällig ist jedoch, daß die VvB im Gegensatz zu Art. 3 II, III GG die Gleichbehandlung von Mann und Frau nicht schlechthin gebietet, sondern (nur) „auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens" und daß dabei die „geistigen Entwicklungsmöglichkeiten", die in Art. 6 1 2 noch neben den „wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten" genannt werden, nicht mehr auftauchen. Gleichwohl wird man aber wohl weder davon ausgehen können, daß die Väter der Verfassung von Berlin den Frauen im Verhältnis zu den Männern eine gleiche geistige Entwicklungsmöglichkeit nicht einräumen wollten oder eine solche womöglich gar für unmöglich hielten, noch davon, daß die Garantie der Gleichbehandlung hinter derjenigen des Grundgesetzes zurückbleiben sollte. Vielmehr wird man wohl davon ausgehen müssen, daß die Väter der VvB davon ausgingen, daß mit der Vorschrift des Art. 6 II die Gleichbehandlung der Frauen in allen Beziehungen sichergestellt sei. Soweit die Formulierung des Art. 6 II dies tatsächlich nicht abdeckt, ist daher die Erwähnung des „staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens" als pars pro toto aufzufassen, von dem aus dann natürlich ein Umkehrschluß nicht gezogen werden kann.

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Art. 6 II enthält - anders als z. B. Art. 118 II BV - nicht nur einen Programmsatz, sondern unmittelbar und sofort, d. h. schon mit dem Inkrafttreten der VvB geltendes Recht (vgl. Landsberg/Götz, S. 59).

16

Eine unmittelbare Drittwirkung auf der Ebene der Gleichordnung im Verhältnis Bürger - Bürger kommt auch der Vorschrift des Art. 6 II nicht zu, weil man wohl nicht davon ausgehen kann, daß der Berliner Verfasungsgeber ¿iie damit notwendig verbundene sehr weitgehende Aufhebung der Privatautonomie gewollt hat. Im übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, daß das Zivilrecht weitgehendst Bundesrecht ist und somit den Berliner Grundrechten im Range vorgeht und daß selbstverständlich auch die Zivil-Richter des Landes Berlin diesen Vor96

Staatsbürgerliche Rechte (Schwan)

Art. 7

rang zu beachten haben und folglich keinen Grundrechtsbindungen unterliegen können, die sich mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbaren lassen (vgl. dazu Art. 6, Vbm. Rdn. 13,16, 25).

Artikel 7 Niemand darf an der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Ehrenämter gehindert werden, insbesondere nicht durch sein Arbeitsverhältnis. Materialien Vgl. Art. 59 VRP; Art. 4 9 VS.

Erläuterungen Die Vorschrift hat den Zweck, das Vorfeld für die Ausübung der 1 Rechte des sog. status activus zu sichern, die man - terminologisch etwas weniger glücklich, weil unpräziser — auch „politische Rechte" nennen könnte. Es sind dies diejenigen Rechte, die - wie z. B. das aktive und passive Wahlrecht - die Anteilnahme (Partizipation) des Bürgers an der Ausübung der staatlichen Macht sichern sollen. Die „öffentlichen Ehrenämter" stellen eine Unterart dieser Rechte dar. Es zählen hierzu z. B. die Ämter der Schöffen (§ 35 GVG) und Beisitzer in Verwaltungsoder richterlichen Gremien. Die Vorschrift des Art. 7 ist nach ihrer eindeutigen Formulierung - es 2 wird insbesondere das in den meisten Fällen private Arbeitsverhältnis erwähnt - nicht nur gegen die staatliche Gewalt, sondern auch gegen andere Privatpersonen gerichtet. Ihr kommt also unmittelbare Drittwirkung zu. Grundrechtstechnisch stellt sie im Verhältnis zu den durch sie Begün- 3 stigten ein individuelles Freiheitsrecht dar. Geschützt werden dadurch all diejenigen menschlichen Verhaltensweisen, die mit der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte notwendig einhergehen. Welche Verhaltensweisen das sind, ist im Wege der Verfassungsauslegung zu bestimmen. Der einfache (Landes-)Gesetzgeber hat auch insoweit nicht die Möglichkeit der authentischen Interpretation. Er hat jedoch die Möglichkeit der Einschränkung dieses Rechtes; denn der Global-Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 Abs. 2 gilt für alle Freiheitsgrund97

Art.7

Abschnitt II: Die Grundrechte

rechte und damit auch für dasjenige aus Art. 7. Freilich hat der einfache Landesgesetzgeber dabei die sog. Schrankenschranken zu beachten. 4 Im Verhältnis zu den dritt-verpflichteten Bürgern enthält die Vorschrift des Art. 7 einen qualifizierten Einschränkungsvorbehalt für die Einschränkung all derjenigen Berliner Freiheitsrechte, deren Ausübung die Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte oder öffentlichen Ehrenämter behindern könnte. Die zur Berufsfreiheit gehörende Vertragsfreiheit des Arbeitgebers ist z. B. durch Art. 7 dahingehend eingeschränkt bzw. einschränkbar, daß sie nicht in der Weise ausgeübt werden darf, daß der Arbeitnehmer in der Wahrnehmung seiner staatsbürgerlichen Recht und „öffentlichen Ehrenämter" behindert wird. In dieser Beziehung stellt die Vorschrift des Art. 7 eine Spezialregelung im Verhältnis zu dem globalen Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 Abs. 2 dar. Mit diesem hat sie zwar gemeinsam, daß sie sich nicht nur auf bestimmte, sondern auf grundsätzlich alle Freiheitsgrundrechte der Berliner Verfassung bezieht. Sie unterscheidet sich von diesem aber zum einen dadurch, daß sie keineswegs zu beliebigen Eingriffen ermächtigt, sondern nur zu solchen, die gegen die Behinderung der Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte und öffentlichen Ehrenämter gerichtet sind (darin liegt die sachliche Qualifizierung dieses Einschränkungsvorbehaltes), und zum anderen auch dadurch, daß sie keineswegs nur den einfachen Gesetzgeber zum Eingreifen ermächtigt, sondern darüber hinaus auch die Exekutive und Judikative und daß sie zudem die angesprochene Staatsgewalt auch keineswegs nur berechtigt, den Eingriff vorzunehmen, sondern daß sie diese hierzu auch verpflichtet, wenn der Tatbestand des Art. 7 erfüllt ist, eine Behinderung der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Ehrenämter also vorliegt. Es handelt sich bei Art. 7 also um einen verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt. 5

Im Verhältnis zu den dem Dritt-Verpflichteten auch zustehenden Freiheitsgrundrechten des Grundgesetzes stellt die Eingriffsermächtigung und Eingriffsverpflichtung des Art. 7 zugleich die Inanspruchnahme der diesen Grundrechten durch das GG hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte dar. 6 Schließlich enthält Art. 7 aber auch einen speziellen Ungleichheitssatz und damit eine Spezialregelung sowohl im Verhältnis zu den Gleichheitssätzen der VvB wie auch denjenigen des GG; denn Art. 7 begünstigt die Träger staatsbürgerlicher Rechte und Inhaber öffentlicher Ämter und privilegiert diese damit. Zu einer solchen Spezialregelung ist der Landesverfassungsgeber jedoch auch im Verhältnis zum GG befugt; denn die Organisation der Landesstaatsgewalt einschließlich der Regelung der Partizipation und deren Vorfeldabsicherung (dies ist der Zweck 98

Art. 8

Meinungsfreiheit (Schwan)

des Art. 7, vgl. Rdn. 1) ist originäres, durch die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 und 2 GG nicht oder doch jedenfalls insoweit nicht beschnittenes Recht des Landesverfassungsgebers (vgl. B V f G E 36, 342ff). Die in der Homogenitätsklausel negativ enthaltene Regelung des Freiraumes für den Landesverfassungsgeber enthält im Grunde schon die Spezialregelung im Verhältnis zu den auf der gleichen Normenebene liegenden Gleichheitssätzen des GG. Ein Teilhaberecht (z. B. auf Erstattung des durch die Wahrnehmung 7 der Rechte oder Ehrenämter entstandenen Lohnausfalles) läßt sich der Vorschrift des Art. 7 jedoch weder im Verhältnis zum Staat noch im Verhältnis zu anderen Bürgern (z. B. dem Arbeitgeber) entnehmen (vgl. dazu auch Landsberg/Götz S. 61).

Artikel 8 (1) Jedermann hat das Recht, innerhalb der Gesetze seine Meinung frei und öffentlich zu äußern, solange er die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt. (2) Jedermann hat das Recht, sich über die Meinung anderer, insbesondere auch anderer Völker, durch die Presse oder Nachrichtenmittel aller Art zu unterrichten. (3) Eine Zensur ist nicht statthaft.

Materialien Vgl. a) Z u l (Meinungsäußerungsfreiheit): Art. 5 I GG; Art. 110 I BV; Art. 15 VHB; Art. 11 HV; Art. 9 VRP; Art. 5 VS b) zu II (Informationsfreiheit): Art. 5 1 GG; Art. 15 V H B c) zu III (Zensurverbot): Art. 51 GG; Art. 111 II BV; Art. 15 VHB; Art. 11 HV; Art. 10 VRP

Erläuterungen Abs. 1 garantiert ein subjektives, individuelles Freiheits-, d. h. Ab- 1 wehrrecht, nicht auch ein Teilhaberecht oder eine Einrichtungsgarantie. Die Verbürgung dieses Abwehrrechtes stimmt hinsichtlich der positi- 2 ven Tatbestandsverkmale mit derjenigen des Meinungsäußerungsfreiheitsrechtes aus Art. 5 Abs. 1 G G überein. 99

Art. 8

Abschnitt II: Die Grundrechte

Zwar spricht Art. 8 nur vom Äußern der Meinung, während Art. 5 I GG auch vom „Verbreiten" spricht. Da die Verbreitung jedoch nur eine spezielle Form der Meinungsäußerung darstellt, bewirkt dies in der Sache keinen Unterschied. Im übrigen spricht Art. 8 I im Gegensatz zum G G auch davon, daß die Meinung frei und „öffentlich" geäußert werden dürfe. Dies deutet ganz deutlich darauf hin, daß auch die Verbreitung von der Verbürgung des Art. 8 I erfaßt sein soll. Auch das Fehlen der Beschreibung der Medien der Meinungsäußerung („in Wort, Schrift und Bild") in der Berliner Grundrechtsbestimmung bewirkt kein Auseinanderfallen der Verbürgungsbereiche. Es kann daher hinsichtlich der Verbürgung des Meinungsäußerungsfreiheitsrechtes auf die Kommentarliteratur zu Art. 5 I G G verwiesen werden. 3

Hinsichtlich der Einschränkungsvorbehalte fallen die Regelungen des G G und der VvB jedoch ganz erheblich auseinander, und zwar reicht die Einschränkbarkeit des Berliner Grundrechtes ganz erheblich weiter als diejenige des Bundesgrundrechtes. Während das Bundesgrundrecht lediglich unter der Schrankentrias der qualifizierten Einschränkungsvorbehalte des Art. 5 II G G steht, hat die VvB das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit unter einen einfachen, nicht qualifizierten Gesetzesvorbehalt gestellt. Dies folgt zwar nicht aus dem globalen Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II - denn dieser findet auf das Grundrecht aus Art. 8 I keine Anwendung - , wohl aber aus der Tatsache, daß die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 8 I nur „innerhalb der Gesetze" garantiert ist. Darin verbirgt sich ein einfacher Gesetzesvorbehalt für alle zur Zeit des Inkrafttretens der VvB bestehenden und für alle zukünftigen Gesetze. 4 Schwierigkeiten bereitet auch die Auslegung des letzten Halbsatzes des Abs. 1 („solange er die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt"): Zunächst einmal wird man darin wohl nicht einen Einschränkungsvorbehalt zu erblicken haben; denn ein solcher hätte neben dem in der Formulierung „innerhalb der Gesetze" verborgenen einfachen Gesetzesvorbehalt nur dann einen Sinn und eine eigene Existenzberechtigung, wenn er sich nicht nur wie dieser an den einfachen Gesetzgeber, sondern unmittelbar auch an die Exekutive und/oder Judikative richten würde. Da darin jedoch zugleich eine partielle Aufhebung des in Art. 45 I enthaltenen, zu den Fundamenten des Rechtsstaatsprinzipes zählenden (Eingriffs-)Vorbehaltes des Gesetzes zu erblicken wäre, wird man der Verfassung den Willen zu einer solchen Anordnung wohl kaum unterstellen können. Wenn darin aber kein Einschränkungsvorbehalt zu erblicken ist, dann kann darin nur noch eine negative Verbürgungsgrenze, ein negatives 100

Meinungsfreiheit (Schwan)

Art. 8

Tatbestandsmerkmal erblickt werden, das gewisse Freiheitspositionen, die an sich in den Verbürgungsbereich des Grundrechtes fallen, wiederum hinausdrängt. Problematisch ist sodann, was man unter der „durch die Verfassung 4 a gewährleisteten Freiheit" zu verstehen hat. Darunter sind nach hier vertretener Auffassung nicht die „kollidierenden" individuellen Freiheitsgrundrechte der anderen Mitbürger zu verstehen; denn nach dem hier zugrundeliegenden Grundrechtsverständnis kann es zu einer solchen Grundrechtskollision gar nicht kommen, weil die Freiheitsgrundrechte danach gerade nicht im Verhältnis der Bürger untereinander gelten - dann wäre eine Grundrechtskollision natürlich möglich, und das eine Grundrecht müßte im Verhältnis zu dem anderen als Einschränkungsvorbehalt ausgelegt werden - , sondern nur im Verhältnis zum Staat. In der Person des Staates, des Grundrechtsverpflichteten, kann es aber, solange man die Freiheitsgrundrechte nicht als Teilhabe- oder Leistungsgrundrechte auslegt, deswegen nicht zu einer Pflichtenkollision kommen, weil der Staat in der Lage ist, sämtliche Abwehrrechte durch bloßes Nichtstun optimal, nämlich zu 100%, zu erfüllen. Die Figur der „Grundrechtskollision", die in den modernen Grundrechtslehren (vgl. B V f G E 28, 243, 261; Lepa, DVB1. 1972, S. 161, 165 ff; Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte, S. 6; Graf, BayVBl. 1971, S. 39ff; Knies, Kunstfreiheit, S. 41; Weber, JuS 1971, S. 39f) eine so bedeutende Rolle spielt, hat deshalb nach dem hier zugrunde gelegten Grundrechtsverständnis in der Grundrechtsdogmatik überhaupt nichts zu suchen. Im übrigen ist die Problematik, die damit einer Lösung zugeführt werden soll, nämlich die Begrenzung der Freiheit des einen Bürgers zugunsten der Freiheit eines anderen Bürgers, keineswegs eine solche auf der Ebene der Grundrechtsverbürgung — wie die Lehre von den Grundrechtskollisionen jedoch meint - , sondern eine solche auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte. Sind somit unter der in dem letzten Halbsatz des Art. 8 I genannten 5 „Freiheit" nicht die Freiheitsgrundrechte aller anderen Bürger zu verstehen, so bleibt nur noch eine Auslegung übrig, die darunter unter Anknüpfung an den Gedanken der institutionellen Grundrechtsdeutung den von der Verfassung gewollten Gesamt-Freiheitszustand der Gesellschaft versteht, die Lebenssachverhaltsgarantie eines bestimmten — freiheitlichen - Gesellschaftszustandes also, kurz: die freiheitliche demokratische Grundordnung, diese verstanden als ein bestimmter faktischer Zustand der Gesellschft. Art. 8 II garantiert das Grundrecht auf Informationsfreiheit, das in 6 Art. 5 1 1 2 . Alt. G G zwar eine andere Formulierung, in der Sache - soweit es die Verbürgung betrifft - aber keine andere Regelung gefunden 101

Art. 9

Abschnitt II: Die Grundrechte

hat. Der Begriff der „allgemein zugänglichen Quelle" (Art. 5 I G G ) ist mit dem Begriff der „Presse oder Nachrichtenmittel aller Art" im Inhalt identisch. 7 Hinsichtlich der Einschränkbarkeit bestehen jedoch erhebliche Unterschiede; denn auf das Berliner Grundrecht auf Informationsfreiheit findet der globale einfache Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II Anwendung, während das Bundesgrundrecht lediglich unter den qualifizierten Einschränkungsvorbehalten des Art. 5 II G G steht. Zu den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, vgl. VorArt. 6 Rdn. 17. 8 Die Formulierung Art. 8 III ist nahezu identisch mit derjenigen des Art. 5 1 3 GG. In der Sache besteht kein Unterschied. Beide Vorschriften enthalten das Verbot einer bestimmten Art der Grundrechtseinschränkung und stellen insofern eine spezielle Art von Schrankenschranke dar. Unter „Zensur" ist die Vorzensur zu verstehen. 9 Der systematischen Stellung nach gilt Art. 8 III sowohl für die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit (Abs. 1) als auch für die Einschränkung der Informationsfreiheit. Auch in dieser Beziehung besteht kein Unterschied zum GG.

Artikel 9 (1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde. Die nächsten Angehörigen haben das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben. (3) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen. Materialien Vgl. a) Z u l 1 („Freiheit der Person"): Art. 2 II 2 GG; Art. 102 I BV; Art. 5 VHB; Art. 5 HV; Art. 5 VRP; Art. 3 , 1 3 VS b) Zu I 2 (gesetzlicher Richter): Art. 101 I 2 GG; Art. 86 I 2 BV; Art. 6 VHB; Art. 20 HV; Art. 6 VRP; Art. 14 VS

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Freiheit der Person (Schwan)

Art. 9

c) Zu II Art. 104 GG; Art. 102 II BV; Art. 5 VHB; Art. 19 HV; Art. 5 VRP; Art. 13 VS d) Zu III Art. 102 II BV; Art. 5 VHB; Art. 19 HV; Art. 5 VRP

Erläuterungen Die Verbürgung des Grundrechtes auf „Freiheit der Person" entspricht sowohl in der Formulierung wie auch im Inhalt derjenigen des Art. 2 II 2 GG. Es ist in beiden Vorschriften die körperliche Fort-Bewegungsfreiheit des Menschen gemeint. Auch in der Konstruktion des Einschränkungsvorbehaltes unterscheidet sich die VvB nicht wesentlich vom GG. Es findet sich zunächst ein einfacher Gesetzesvorbehalt (Art. 2 II 3 G G , Art. 23 II VvB). Dieser Gesetzesvorbehalt wird dann jedoch durch eine ganze Reihe spezieller Regelungen zu einem qualifizierten umgestaltet (Art. 104 G G , Art. 9 I 2, II und III VvB). Zum Teil übernimmt die VvB die Qualifizierungen des G G , z. B.: Garantie des gesetzlichen Richters. Diese Garantie ist im G G in Art. 101 I 2 enthalten und gilt dort nicht nur für die Beschränkungen der Freiheit der Person. In der VvB ist sie in Art. 9 1 2 enthalten, und dort ist es immerhin zweifelhaft, ob sie nicht doch nur für die Eingriffe in die „Freiheit der Person" gilt. Zum überwiegenden Teil variiert sie die vom G G übernommenen Qualifizierungen jedoch, wobei dann die für die Rechtsanwendung relevante Frage vor allem die ist, inwiefern die VvB „strenger", d. h. staatsfeindlicher und bürgerfreundlicher ist als das GG: Nach Art. 9 II 1 ist jeder Verhaftete oder Festgenommene binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde, und nach Art. 9 III ist er binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen. Dagegen ist nach Art. 104 III 1 G G lediglich der wegen Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Nach Art. 9 II 2 VvB haben die nächsten Angehörigen das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben (Art. 9 II 3). Dagegen ist nach Art. 104 IV G G nicht von jeder Verhaftung oder Festnahme, 103

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sondern nur von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich entweder ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Daraus ergibt sich für die Berliner Exekutive und Judikative unter Berücksichtigung der aus Art. 1 Abs. 3 G G abzuleitenden „Mindestgarantie" der Bundesgrundrechte folgende Rechtslage: Für Freiheitsbeschränkungen, die die VvB überhaupt nicht anspricht und regelt, ist nach Art. 104 1 1 G G eine förmliche gesetzliche Eingriffsermächtigung erforderlich und außerdem sind dabei die in den Gesetzen vorgeschriebenen Formen zu beachten. Als „Freiheitsentziehung" im Sinne des Art. 104 II G G soll hier im Anschluß an die wohl h. L. (vgl. z. B. Dürig, M D HS, Art. 104, Rdn. 5 ff; Götz, Allgemeines Polizeirecht, 3. Aufl., S. 154; Stümper, BWVB1. 1962, S. 69; Reder, Die Sistierung von Personen im Bayerischen Polizeirecht, Diss. Würzburg, 1971, S. 99ff; Hamann/Lenz, Art. 104 GG, Anm. B 1 a b) die allseitige Beschränkung der Freiheit der Person verstanden werden, bei der der Betroffene gezwungen wird, an einem bestimmten Ort zu verweilen, während unter „Freiheitsbeschränkung" im Sinne des Art. 104 I G G die lediglich einseitige Beschränkung der Freiheit der Person verstanden werden soll, bei der der Betroffene daran gehindert wird, einen bestimmten Ort zu betreten (Platzverweis). Die in der Literatur mitunter für die Abgrenzung zwischen „Freiheitsbeschränkungen" und „Freiheitsentziehungen" herangezogenen Kriterien der Kurzfristigkeit und der Gezieltheit werden hier also für unverwertbar gehalten. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden, Art. 104 I 2 GG. Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat grundsätzlich nur der Richter zu entscheiden, und zwar vorher, Art. 104 I I GG. Bei Gefahr im Verzuge darf die Freiheitsentziehung ausnahmsweise auch ohne vorherige richterliche Entscheidung erfolgen, diese ist jedoch „unverzüglich", d. h. „ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 I BGB), also so schnell wie möglich herbeizuführen, Art. 104 II 2 GG. Die Justiz hat sich darauf - endlich — durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Organisation einzustellen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten, Art. 104 II 3 GG. Diese Vorschrift will die Polizei gegenüber anderen Behörden nicht privilegieren, sondern sie ist Ausdruck des besonderen Mißtrauens, das die Verfassung gerade gegenüber der 104

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Postgeheimnis (Schwan)

Polizei empfindet. Art. 104 II 2 G G gilt daher selbstverständlich auch für die Polizei. Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde, Art. 9 II 1 VvB. Als Verhafteter oder Festgenommener ist auch derjenige anzusehen, dessen Freiheit aus anderen als Gründen der Strafverfolgung entzogen wird. Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen, Art. 9 III VvB. Es genügt also nicht die Einholung einer richterlichen Entscheidung, sondern der Verhaftete oder Festgenommene ist zu diesem Zweck auch zu dem Richter zu bringen. Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, Art. 104 III 1 GG. Hier ist die Frist also kürzer. Der Richter hat ihm in diesem Falle die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheiten zu Einwendungen zu geben. Außerdem hat der Richter unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen, Art. 104 III 2 GG. Die nächsten Angehörigen haben das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung, Art. 9 II 2 VvB. Sobald eine richterliche Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ergangen ist, ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen, Art. 104 IV G G . Dies gilt jedoch für die nach Art. 104 II 1 vor der Freiheitsentziehung ergehende richterliche Entscheidung erst nach Beginn der Freiheitsentziehung. Der Verhaftete oder Festgehaltene kann verlangen, daß neben den Angehörigen auch andere Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis erlangen, Art. 9 II 3 VvB.

Artikel 10 Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Materialien Vgl. Art. 1 0 1 GG; Art. 2 BWV; Art. 112 BV; Art. 15 V H B ; Art. 12 HV; Art. 14 S. 1 V R P ; A r t . 1 7 V S .

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Art. 10 VvB ist Art. 117 I W R V nachgebildet worden. Ein Antrag der SED, das Postgeheimnis nicht zu schützen, wurde abgelehnt (vgl. Sten. Ber. sub I 3 a). Wortlaut und Verbürgungsbereich der drei Grundrechte, die sich in ihrem Verbürgungsbereich zum Teil überlappen (vgl. Badura, BK, Art. 10 G G , Rdn. 12ff), sind identisch mit demjenigen des Art. 10 GG. Das Briefgeheimnis schützt den Nachrichtenverkehr von Personen mittels nichtmündlicher Mitteilungen jeglicher Schrift- und Vervielfältigungsart in geschlossener Form (BVwGE 6, 299, 300). Geschützt wird der Briefverkehr vor jedem unbefugten Eindringen der öffentlichen Gewalt in die Privatsphäre durch Öffnen des Verschlusses, sonstige Kenntnisnahme, z. B. Durchleuchten oder Weitergabe der Nachricht. Es kommt also nicht darauf an, ob der Briefverkehr mit Hilfe der Post abgewickelt wird oder nicht. Der Schutz des Postgeheimnisses erstreckt sich auf alle der Post übergebenen Sendungen jeder Art von dem Zeitpunkt an, von dem sie sich in alleinigem oder Mitgewahrsam der Post befinden. Der Geheimhaltungspflicht unterliegen Umstände wie Absender und Empfänger, Art und Weise, Ort, Zeit und Dauer der Benutzung sowie die Tatsache der Benutzung selbst. Auch anschließend, z. B. nach Zustellung, darf die Post über diese Umstände nichts an Dritte oder andere Behörden verlauten lassen. Durch das Fernmeldegeheimnis wird der Telefon-, Telegramm-, Fernschreib- und Funkverkehr geschützt, und zwar sowohl der durch die Post als auch der außerpostalisch abgewickelte Fernmeldeverkehr. Dem Umfang nach ist gewährleistet das Geheimnis aller mit dem Fernmeldevorgang zusammenhängenden näheren Umstände (insoweit wie sub 2). Geschützt ist nicht nur der Anschlußinhaber, sondern auch der zur Benutzung berechtigte tatsächliche Teilnehmer, und zwar auch gegenüber dem Inhaber (vgl. O V G Münster NJW 1975, 1335). Am Fernmeldeverkehr Beteiligte haben aber gegeneinander keinen Anspruch auf Wahrung des Geheimnisses, insbesondere kann ein Teilnehmer die Post von ihrer Geheimhaltungspflicht entbinden (BayObLG JZ 1974, 393), z. B. zur Ermittlung beleidigender Anrufe durch eine Fangschaltung. Vom Post- und auch Fernmeldegeheimnis ist zu unterscheiden das postalische Amtsgeheimnis, zu dessen Wahrung die Post gegenüber dem Postbenutzer aufgrund des Benutzungsverhältnisses verpflichtet ist, § § 5 PostG, 10, 11 FernmG. Diese Regelungen gehen z. T. weiter als das Grundrecht. Vom Grundrechtsschutz zu unterscheiden sind weiter auch die straf106

Postgeheimnis (Schwan)

Art. 10

rechtlichen Bestimmungen der §§ 201 ff StGB, die den Bruch u. a. des Brief- und Fernmeldegeheimnisses durch Privatpersonen bestrafen. §§ 353b, 354, 355 StGB regeln den Geheimnisbruch durch Amtspersonen. Die durch § § 1 1 FernmG, 6 AmateurfunkG vorgesehene Geheimhaltungspflicht Privater für Nachrichten, die von einer öffentlichen Zwecken dienenden Fernmeldeanlage ausgehen (z. B. Polizeifunk), ist nicht als Konkretisierung des Art. 10 anzusehen. Sowohl die Berliner Grundrechte auf das Brief-, Post- und Fern- 8 meldegeheimnis als auch die entsprechenden des Bundes stehen unter einem einfachen, unqualifizierten Gesetzesvorbehalt (Art. 10 II 1 GG, Art. 23 II VvB). Art. 10 II 2 G G enthält darüber hinaus die dem Berliner Recht unbekannte Bestimmung, daß der einfache Gesetzgeber die Unterlassung der Mitteilung von einer Beschränkung dieser Grundrechte dann zulassen kann, wenn die Beschränkung dem Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient. Soweit der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz (vgl. Art. 73 Nr. 7, 74 Nr. 1, Art. 105 GG) von dieser Möglichkeit Gebrauch macht oder gemacht hat, gilt das Bundesgesetz natürlich selbst dann, wenn es sich mit der Berliner Verfassung nicht vereinbaren läßt (vgl. Art. 1 G 10, der nicht in Berlin gilt, Art. 12 G 10; zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vgl. BVfG NJW 1971, 275 und das Bundesgesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote v. 24. 5. 1961 i. d. F. BGBl. 19741,437). Die Anwendung der §§ 100a, 100b und 1011 StPO i. d. F. d. Art. 2 G 10 ist in Berlin jedoch durch Anordnung der AKB ausgesetzt worden ( B K / O [69] 6 v. 17. 7. 1969, GVB1. S. 1028). Einschränkungen des Fernmeldegeheimnisses durch die Staatsschutzund Strafverfolgungsbehörden sind daher in Berlin lediglich aufgrund alliierten Rechtes, und auch insoweit in Ermangelung einer abstraktgenerellen Regelung lediglich aufgrund von — geheim bleibenden Anordnungen im Einzelfall zulässig; in einem Rechtsstaat ist dies ein auf die Dauer unerträglicher Zustand. Weitere bundesgesetzlich zugelassene Einschränkungsmöglichkeiten 9 finden sich besonders im Strafprozeßrecht zu § 119 III StPO vgl. BVfG NJW 1974, 26: Anhalten von Briefen mit groben Beleidigungen gegen die Justiz, Steuerstrafverfahrens- und Konkursrecht. Landesgesetze, aufgrund deren das Brief- und Postgeheimnis einge- 10 schränkt werden kann, sind trotz Art. 73 Nr. 7 G G möglich (vgl. v. Mangoldt/Klein, Art. 10 G G , Anm. IV 4; Meder, Art. 112 BV, Rdn. 4). Praktische Bedeutung kommt dem jedoch wohl nur im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr zu, z. B. Anhalten und Kontrolle von 107

Art. 11

Abschnitt II: Die Grundrechte

Briefen oder Paketen, die vermutlich Sprengstoffanschlägen dienen (vgl. § 2 3 , 2 6 ASOG).

Artikel 11 Das Recht der Freizügigkeit, insbesondere die freie Wahl des Wohnsitzes, des Berufs und des Arbeitsplatzes, ist gewährleistet, findet aber seine Grenze in der Verpflichtung, bei Überwindung öffentlicher Notstände mitzuhelfen. Materialien 1. Vgl. zur Freizügigkeit: Art. 11 GG, Art. 109 BV; Art. 18 V H B ; Art. 6 HV; Art. 15, 58 VRP; Art. 9 VS. Zur Berufswahl: Art. 12 GG; Art. 8 V H B ; Art. 52, 58 VRP 2. Art. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16. September 1963 (Prot 4 MRK) - BGBl. 1968 II 422.

Erläuterungen 1

Die Bestimmung enthält eine Reihe von Grundrechtsverbürgungen, die im G G z. T. in gesonderten Bestimmungen enthalten sind: a) das Recht auf Freizügigkeit und auf freie Wahl des Wohnsitzes, im G G in Art. 11 geregelt, b) das Recht auf freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes, im G G in Art. 12 geregelt.

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Die Verbürgung des Freizügigkeitsrechtes durch die VvB reicht in zwei Beziehungen weiter als diejenige durch das G G : a) In personeller Beziehung sind nicht nur die Deutschen, sondern alle Menschen geschützt. Die Ausländer sind nach dem G G hinsichtlich des Schutzes der Freizügigkeit auf das Auffangfreiheitsgrundrecht des Art. 2 1 G G zurückgeworfen (vgl. dazu B V f G E 35, 382; 38, 52). b) In sachlicher Beziehung fehlt die Begrenzung auf das Bundesgebiet. Es dürfte daher nicht nur die Ausreisefreiheit (zur Rechtslage nach dem G G vgl. B V f G E 6, 32 einerseits, Dürig, MDHS, Art. 11, Rdn. 104ff andererseits), sondern auch die Einreisefreiheit (vgl. dazu Dürig, aaO, Rdn. 106 Abs. 4), und zwar auch für Ausländer (vgl. Dürig, aaO, Rdn. 119), von der Verbürgung des Art. 11 umfaßt sein. 108

Freizügigkeit (Schwan)

Art. 11

Die in Art. 11 VvB besonders genannte freie Wahl des Wohnsitzes ist 3 zwar in Art. 11 G G nicht ausdrücklich erwähnt, gehört aber zum Kernbestand des Freizügigkeitsrechtes und ist daher auch in der Verbürgung des Art. 11 GG enthalten. Insofern unterscheiden sich Bundesgrundrecht und Landesgrundrecht also nicht. Die freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes sind im G G und in 4 der VvB übereinstimmend garantiert. Zwar erwähnt die VvB die Ausübung des Berufes nicht ausdrücklich, man wird jedoch den Argumenten des BVfG im Apothekenurteil (BVfGE 7, 377,401; vgl. auch B V f G E 9, 344f; 17, 276) folgen und das Grundrecht der Berufsfreiheit als eine Einheit ansehen können, die sowohl die Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes wie auch die Ausübung desselben erfaßt. Auch insoweit besteht daher Kongruenz zwischen der bundesrechtlichen und landesrechtlichen Verbürgung. Freilich ist die Verknüpfung des Berufsfreiheitsrechtes mit dem Frei- 5 zügigkeitsrecht (vgl. das „insbesondere" in Art. 11 VvB) keineswegs sonderlich glücklich. Kann man die besonders genannte freie Wahl des Wohnsitzes und die mit einem Bein freilich schon in der Berufsfreiheit stehende freie Wahl des Arbeitsplatzes noch als einen Ausfluß der Freizügigkeit ansehen, so gilt das für die freie Wahl des Berufes und dessen Ausübung sicher nicht mehr. Insoweit handelt es sich um die Verbürgung einer ganz anderen Art menschlicher Verhaltensweise. Fraglich ist, worin der Sinn der beiden letzten Halbsätze des Art. 1 1 1 6 liegt, die davon sprechen, daß die verbürgten Rechte ihre Grenze in der Verpflichtung finden, bei Überwindung öffentlicher Notstände mitzuhelfen. Sicher nicht wird man darin eine partielle Zurücknahme der in den davorstehenden Halbsätzen umschriebenen Verbürgung zu erblicken haben. Dies würde nicht nur dem allgemeinen grundrechtlichen Auslegungsprinzip der Vermutung größtmöglicher Freiheitsverbürgung widersprechen, dem im Berliner Recht wegen des Fehlens eines Auffang-Freiheitsgrundrechtes eine besondere Bedeutung zukommt, sondern dem steht auch die ganz erhebliche Unbestimmtheit der in diesen Halbsätzen ausgesprochenen Verpflichtung entgegen, mit der man die Verbürgungsauslegung nach Möglichkeit nicht belasten sollte. Desgleichen wird man darin auch keine den allgemeinen Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II verdrängende Spezialregelung erblicken können, und zwar weder in dem Sinne, daß dieser überhaupt keine Anwendung findet - dies würde sich mit zwingenden Erfordernissen der Rechtswirklichkeit nicht vereinbaren lassen, weil dann z. B. ein ganz erheblicher Teil der berufsregelnden Vorschriften des Landesrechtes verfassungswidrig wäre - , noch in dem Sinne, daß nicht nur - wie es 109

Art. 11

Abschnitt II: Die Grundrechte

Art. 23 II vorsieht — der Gesetzgeber zu Eingriffen ermächtigt wird oder solche zulassen kann (Gesetzesvorbehalt), sondern im Rahmen der genannten Verpflichtungen auch die Exekutive und Judikative unmittelbar; denn dann würden diese Halbsätze des Art. 11 nicht nur eine Spezialregelung im Verhältnis zu dem Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II, sondern auch eine solche im Verhältnis zu dem in Art. 45 I geregelten (Eingriffs-)Vorbehalt des Gesetzes und zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz darstellen, die beide immerhin zum klassischen Kernbestand des Rechtsstaatsprinzipes gehören. Andererseits dürfte jedoch auch eine Auslegung, die diese Halbsätze als lediglich wiederholenden Hinweis auf die nach Art. 23 II ohnehin bestehende Einschränkbarkeit deutet, dem Willen der Verfassung schwerlich gerecht werden, weil man im Zweifelsfalle eine Vorschrift nie so auslegen soll, daß sie überflüssig wird. Aus diesem Grunde sollen die beiden letzten Halbsätze des Art. I I I hier dahin ausgelegt werden, daß sie eine Spezialregelung zu der in Art. 23 II auch enthaltenen Garantie des „Grundgedankens" der Freiheitsgrundrechte darstellen. Soweit es zur Überwindung öffentlicher Notstände (z. B. Erdbeben, Überschwemmungen, Feuersbrünste, innere Unruhen etc.) erforderlich ist, dürfen Bürger zur Mithilfe an der Beseitigung dieser Notstände selbst dann durch ein Gesetz verpflichtet werden, wenn darin eine Antastung des „Grundgedankens" der Grundrechte aus Art. 11 zu erblicken ist. 7 Im Nachfolgenden soll die Gelegenheit genutzt werden, die Funktionsweise der Berliner Freiheitsgrundrechte am Beispiel des Senatsbeschlusses über die Zuzugssperren für Ausländer in gewissen Stadtbezirken zu demonstrieren (Beschluß der SvB vom 29. 10. 1974): Dieser Beschluß soll die Ausländer in deren zwar nicht durch Art. 11 G G , wohl aber durch Art. 2 I G G und Art. 11 VvB geschützten Freizügigkeitsrecht beschränken, zu dessen - in Art. 11 VvB ausdrücklich genannten - Kernbestand das Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes gehört. Soweit verfassungsgemäßes Bundesrecht - der Bund hat nach Art. 73 Nr. 3 G G im Bereiche der Freizügigkeit die ausschließliche Regelungskompetenz - dieses Recht bereits beschränkt, verdrängt dieses etwa entgegenstehendes Landesverfassungsrecht. Die Berliner Grundrechte scheiden daher als Maßstab für die Überprüfung des Bundes-Ausländergesetzes aus. Es soll hier nun dahingestellt bleiben, ob die Bestimmungen des § 7 I und III AuslG eine derart globale Handhabung des dort eingeräumten Ermessens, wie sie in der vom Senat erlassenen Zuzugssperre liegt, überhaupt gestattet, oder ob diese Bestimmungen nicht vielmehr eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles erzwingen. Weiter 110

Freizügigkeit (Schwan)

Art. 11

soll auch dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmungen des Ausländergesetzes mit dem G G vereinbar sind. Insoweit ergeben sich hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes durchaus gewisse Zweifel, und auch hinsichtlich des Gleichheitssatzes scheint die Sache nicht ganz unproblematisch zu sein, obwohl bei einer so weit gefaßten Ermessensermächtigung das Willkürverbot auf der Ebene der abstrakt-generellen Regelung naturgemäß noch nicht so recht „greift". Franz, J R 1976, S. 188, 189 leitet in diesem Zusammenhang zu Recht Bedenken aus dem Gewaltenteilungsprinzip ab. Letztlich ist der Bestimmtheitsgrundsatz nichts anderes als eine konkrete Ausprägung auch des Gewaltenteilungsgrundsatzes; denn je unbestimmter eine gesetzliche Regelung ist, dies zeigt der Senatsbeschluß über die Zuzugssperre besonders deutlich, desto mehr verlagert sich die tatsächliche Machtausübung auf die Seite der Exekutive. Im übrigen muß man m. E. in diesem Zusammenhang auch den zu den „besonderen Gewaltverhältnissen" entwickelten Gedanken der sog. „Wesentlichkeitstheorie" heranziehen (vgl. dazu Oppermann, Gutachten C zum 51. DJT, S. C 48 ff, m. zahlr. w. N. auch zur Rspr.), nach dem alle wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber zu treffen sind. Dies kann doch wohl nicht nur für die „besonderen Gewaltverhältnisse", sondern muß auch für das „allgemeine Gewaltverhältnis" der Ausländer gelten. Schließlich soll sogar dahingestellt bleiben, ob die zitierten Vorschriften des AuslG durch die sowohl später erlassenen als auch spezielleren Vorschriften des Art. 2 Prot. 4 M R K vom 16. 9. 1963 aufgehoben worden sind, wie Franz m. E. zutreffend meint. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und auch die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen des Ausländergesetzes unberechtigt sein sollten, so hat sich doch die Berliner Staatsgewalt bei der Anwendung und Steuerung des in diesen Vorschriften eingeräumten Ermessens durch den Erlaß von Verwaltungsvorschriften oder - was im vorliegenden Fall nichts anderes ist - Senatsbeschlüssen, also Ermessensrichtlinien, so lange auch im Rahmen der Berliner Grundrechte zu halten, als dies nicht zu einem mit dem Bundesrecht unvereinbaren Ergebnis, d. h. zu einer Überschreitung des im Ausländergesetz eingeräumten Ermessens führt (vgl. dazu auch VorArt. 6 Rdn. 13, 14, 16, 20, 25). Dies heißt aber, daß neben den Schrankenschranken des Art. 2 I G G - diese sollen hier ungeprüft bleiben - auch die Schrankenschranken des Berliner Grundrechtes auf Freizügigkeit zu beachten sind. O b sich die vom SvB erlassene Zuzugssperre mit dem im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 6 1 1 ) enthaltenen Willkürverbot, mit dem zum Übermaßverbot gehörenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Grundsatz der Angemessenheit, Zumutbarkeit) und - vor allem 111

Art. 12

Abschnitt II: Die Grundrechte

mit der Menschenwürde-Garantie vereinbaren läßt, die allesamt Schrankenschranken für den Eingriff in den Freiheitsbereich des Art. 11 darstellen, das unterliegt erheblichen landesverfassungsrechtlichen Bedenken. Vgl. auch Franz, aaO, der darauf hinweist, daß die in Berlin lebenden Ausländer durch die mit dem Senatsbeschluß beabsichtigte Zwangsintegration, die in psychologischer Beziehung übrigens eher den Effekt einer Zwangsdesintegration haben dürfte, in eine menschenunwürdige „Paria-Situation" gedrängt werden. Außerdem sollte auch nicht übersehen werden, daß die VvB mit der von der Regelung des G G abweichenden Erstreckung des Verbürgungsbereiches des Freizügigkeitsrechtes auch auf Ausländer in einem gewissen Sinne auch eine spezielle Gleichheitsentscheidung getroffen hat.

Artikel 1 2 (1) Jedermann hat das Recht auf Arbeit. Dieses Recht Politik der Vollbeschäftigung und Wirtschaftslenkung zu Wenn Arbeit nicht nachgewiesen werden kann, besteht Unterhalt aus öffentlichen Mitteln. (2) Frauen, Jugendliche und Körperbehinderte haben besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis.

ist durch eine verwirklichen. Anspruch auf Anspruch auf

Materialien Vgl. zu 1 1 (Recht auf Arbeit): Art. 166 II BV; Art. 8 VHB; Art. 28 HV; Art. 2 4 I 3 V N R W ; Art. 53 VRP; Art. 45 VS; zu 1 2 (Wirtschaftslenkung, Vollbeschäftigung): Art. 39 VHB; Art. 38 HV; zu 1 3 (Arbeitslosenhilfe): Art. 4 9 V H B ; 168 III BV; zu II (Schutz im Arbeitsverhältnis): Art. 13 BWV; Art. 126 III, 167 BV; Art. 25, 37, 49, 52, 54 V H B ; Art. 28, 30 HV; Art. 6, 24 V N R W ; Art. 24, 53, 55 VRP; Art. 25 VS.

Erläuterungen 1

Das „Recht auf Arbeit" gewährt weder im Verhältnis zum Staat noch — gar — im Verhältnis der Gleichordnung auf der Ebene des Privatrechtes einen subjektiven, vor Gericht durchsetzbaren Leistungs- bzw. Teilhabeanspruch auf Zurverfügungstellung einer Arbeit. Vielmehr enthält Art. 1 2 1 1 lediglich einen Programmsatz (ebenso Kratzer, Festschrift für 112

Recht auf Arbeit (Schwan)

Art. 1 2

Laforet, S. 131; Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 119f mit zahlr. w. N.) bzw. eine Staatszielbestimmung, ein Verfassungsleitbild, in dem die Verpflichtung aller Staatsgewalt zum Ausdruck kommt, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß jedermann, der arbeiten will, Arbeit findet. Der nächstfolgende Satz zeigt den Weg auf, auf dem dieses Ziel zu 2 verwirklichen ist, nämlich durch eine Politik der Vollbeschäftigung und durch Wirtschaftslenkung. Auch dieser Satz gewährt keine subjektiven Rechte. Juristisch relevant ist er nur insofern, als er das Recht und die Pflicht der Landesstaatsgewalt begründet, zu dem genannten Zwecke Wirtschaftspolitik zu betreiben und dabei auch lenkend in die Wirtschaft einzugreifen, soweit ihr dafür die Kompetenz zusteht. Freilich schaffen dieses Recht und diese Pflicht nicht die Befugnis, dabei den Rahmen der den Freiheitsgrundrechten hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte zu sprengen und darüber hinausgehende Eingriffe vorzunehmen. Art. 12 I 1 und 2 enthalten nicht ihrerseits einen Einschränkungsvorbehalt für die Freiheitsgrundrechte der VvB (ebenso wohl Zacher, aaO, S. 95, llOf 119). Vollbeschäftigungspolitik und Wirtschaftslenkung haben sich vielmehr innerhalb der von den Grundrechten eingeräumten Bewegungsspielräume zu halten. Eine Sozialisierungsverpflichtung oder -berechtigung läßt sich dieser Vorschrift keinesfalls entnehmen. Art. 12 I 3 gewährt dagegen ein „echtes" subjektives Teilhaberecht 3 auf Arbeitslosenunterstützung, das freilich hinsichtlich der Höhe und Modalitäten der einfach-gesetzlichen „Prägung" nicht nur zugänglich, sondern auch bedürftig ist (für Programmsatzcharakter der entsprechenden Vorschrift der BV, Art. 168 III, jedoch Zacher, BayVfGHFestschrift, 1972, S. 121 m. w. N.). Das Recht vermag jedoch wegen fehlender Regelungskompetenz des Landes keine selbständige Wirksamkeit zu entfalten. Im übrigen besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung bereits aufgrund einfach-gesetzlicher Bundesregelung. Fraglich ist, ob sich auch der Schutzberechtigung des Art. 12 II ein 4 solches - „prägungsbedürftiges" - subjektives Recht entnehmen läßt. Angesichts der Offenheit und Unbestimmtheit dieser Vorschrift wird man das nicht sagen können (für Programmsatzcharakter der ähnlichen Regelung des Art. 167 BV auch Zacher, aaO, S. 120). Der Bestimmung kommt daher auch keine unmittelbare Drittwirkung zu. Im Verhältnis zu den Freiheitsgrundrechten des Arbeitgebers wird man in ihr jedoch einen qualifizierten Einschränkungsvorbehalt erblicken können.

113

Art. 1 3

Abschnitt II: Die Grundrechte

Artikel 1 3 Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt. Materialien Art. 3 3 1 bis III GG; Art. 94 II, 107 IV, 116 BV; Art. 19 VRP

Erläuterungen 1

Art. 13 enthält einen speziellen Gleichheitssatz, der in Anbetracht der Tatsache, daß Art. 33 II und III GG nicht nur die Bundesstaatsgewalt, sondern auch die Landesstaatsgewalt binden (vgl. z. B. Meder, Art. 94 BV, Rdn. 3, Art. 116 BV, Rdn. 1; BayVgH, DÖV 1976, 423, 424; BVfGE 39, 334; BVwG, DÖV 1975, 421), rechtliche Relevanz nur noch dann haben kann, wenn er im Tatbestand oder in der Rechtsfolge, z. B. hinsichtlich der Art. der Differenzierungsverbote oder Differenzierungsgebote, im Verhältnis zur Regelung des GG Unterschiede aufweist (vgl. dazu Art. 6 Vbm. Rdn 7f). 2 Im Tatbestand bestehen solche Unterschiede jedoch nicht. Der Begriff des „öffentlichen Amtes" im Sinne des Art. 13 VvB ist identisch mit demjenigen im Sinne des Art. 33 II und III GG (vgl. dazu Maunz, MDHS, Art. 33, Rdn. 12; Hamann/Lenz, Art. 33 GG, Anm. B 2). 3 Desgleichen bestehen auch in der Rechtsfolge insoweit keine Unterschiede, als auch aus Art. 13 VvB kein Anspruch auf Zugang zu dem öffentlichen Amt (vgl. auch Meder, Art. 94 BV, Rdn. 4) fließt, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung im Rahmen des der Behörde zustehenden Beurteilungsspielraumes und auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. auch Meder, Art. 94 BV, Rdn. 5; BayVGH, DÖV 1976, 423, 424; Hamann/Lenz, Art. 33 GG, Anm. B 2), die sich freilich u. U. zu einem Anspruch auf Einstellung verdichten können. So ist wohl auch BVfGE 39, 334 zu verstehen, wenn es davon spricht, daß das Gericht dem Bewerber „in aller Regel" den Zugang zum öffentlichen Dienst nicht eröffnen könne. Bei der Beurteilung der Eignung steht der Behörde ein Beurteilungsspielraum zu. Zu diesem gesellt sich obendrein ein Ermessensspielraum, wenn mehrere gleich geeignete Bewerber zur Auswahl stehen. 4 Auch die in Art. 13 VvB einerseits und Art. 33 II und III GG andererseits genannten Unterscheidungskriterien unterscheiden sich nur in der Formulierung, nicht dagegen auch in der Sache: 114

Zugang zu öffentlichen Ämtern (Schwan)

Art. 1 3

Zwar spricht Art. 13 VvB nur von dem (gebotenen) Unterscheidungskriterium der Eignung, während Art. 33 II G G daneben auch die Befähigung und fachliche Leistung nennt. Dies macht in der Sache jedoch deshalb keinen Unterschied aus, weil die Eignung sowohl die Befähigung wie auch die fachliche Leistung umfaßt (vgl. BVwG, D Ö V 1975, S. 421, 422; Maunz, M D H S Art. 33, Rdn. 9; Nawiasky/Leusser/Schweiger/Zacher, Art. 94 BV, Rdn. 7). Art. 13 VvB hat daher im Verhältnis zum G G nur auf die ausdrückliche Erwähnung zweier spezieller Aspekte der Eignung verzichtet. Das in Art. 13 VvB genannte (verbotene) Unterscheidungskriterium des Geschlechtes taucht zwar in Art. 33 GG nicht auf, gilt aber über Art. 3 II und III G G gleichermaßen auch im Anwendungsbereich des Art. 33 GG. Das gleiche gilt hinsichtlich des (verbotenen) Unterscheidungskriteriums der Herkunft, das zwar auch nicht in Art. 33 G G , dafür aber in Art. 3 III G G auftaucht. Das (verbotene) Unterscheidungskriterium des religiösen Bekenntnisses taucht nicht nur in Art. 3 III G G , sondern auch in Art. 33 III GG auf. Insofern decken sich sogar die Formulierungen der VvB und des GG. Das in Art. 13 VvB genannte und für verboten erklärte Unterscheidungskriterium der Partei taucht zwar ausdrücklich weder in Art. 3 III G G noch in Art. 33 III G G auf. Dort ist stattdessen von „politischen Anschauungen" (Art. 3 III) und von „Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung" die Rede. In der Sache bedeutet jedoch auch dies keinen Unterschied. Insbesondere will und kann Art. 13 VvB nicht ausschließen, daß die Mitgliedschaft in einer - verbotenen oder (noch) nicht verbotenen - verfassungsfeindlichen Partei den Ausschluß vom Zugang zu öffentlichen Ämtern zur Folge hat; denn selbst wenn er dies wollte - schon dagegen sprechen wegen der auch in der VvB zu findenden Regelungen der sog. „streitbaren Demokratie" (vgl. Art. 18 II, Art. 20 II, Art. 211, Art. 24) ganz erhebliche Bedenken - würde er sich damit zumindest insoweit in Widerspruch zu höherrangigen Regelungen des Bundesverfassungsrechtes setzen und folglich „gebrochen" werden (Art. 31 GG), als er das Verbot der Bewertung der Mitgliedschaft in einer solchen Partei auch für den Fall des Zuganges zu dem öffentlichen A m t des Beamten anordnet; denn Art. 33 II und V G G verlangen nach der zu billigenden Rechtsprechung sowohl des BVwG (DÖV 1975, 521 ff) als auch des BVfGE 39, 334 = D Ö V 1975, 671 m. Anm. Kemper von Bundesbeamten, aber auch von Landesbeamten die Gewähr des jederzeitigen Eintretens für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des GG. Dies ist 115

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Art. 13

Abschnitt II: Die Grundrechte

nicht nur ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG), sondern dies ist auch Voraussetzung für die „Eignung" zur Übernahme in den Beamtendienst im Sinne des Art. 33 II G G und Art. 13 VvB. Diese Gewähr besteht jedoch dann nicht, wenn der Bewerber Mitglied in einer als verfassungsfeindlich erkannten Partei ist. Sehr wohl kann daher die bloße Mitgliedschaft in einer solchen Partei als ausreichender Grund dafür herangezogen werden, daß dem Bewerber der Zugang zum öffentlichen Dienst verweigert wird. Darin ist ein Verstoß gegen das Parteienprivileg des Art. 21 II GG schon deswegen nicht zu erblicken, weil diese Bestimmung durch den Ausschluß der Mitglieder einer solchen Partei vom Zugang zum öffentlichen Dienst gar nicht berührt wird — zu Recht will das BVwG (aaO, S. 425) insoweit allenfalls einen (faktischen) Reflex anerkennen - und weil, wenn eine solche Berührung doch stattfinden sollte, die Vorschriften der Art. 33 II und V G G als leges speciales im Verhältnis zu Art. 21 II G G ausgelegt werden müßten. Im übrigen würde der ganze Streit um die Vereinbarkeit der Berücksichtigung der Mitgliedschaft in einer solchen Partei bei der Prüfung der „Eignung" mit dem Parteienprivileg des Art. 21 II G G dann hinfällig werden, wenn sich die politisch Verantwortlichen, aber auch die Rechtsprechung dazu entschließen könnten, die mit dem eindeutigen Text und Zweck der Verfassung unvereinbare Auffassung aufzugeben, daß trotz Vorliegens des Tatbestandes des Art. 21 II G G (Verfassungsfeindlichkeit) Ermessen bei der Frage bestünde, ob der Verbotsantrag gestellt werden soll (vgl. dazu auch die kritischen Bemerkungen VorArt. 6, Rdn. 15); denn die Formulierungen „sind verfassungswidrig" (Art. 21 II GG) und „sind verboten" (Art. 9 II GG) schließen ein solches Ermessen doch ganz eindeutig aus. Außerdem kann gar nicht genug darauf hingewiesen werden, daß die früher von allen, heute nur noch von der Hälfte der Innenminister für richtig gehaltene sog. Regelvermutung der Verfassungswidrigkeit eines Bewerbers im Falle der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder in einem verfassungsfeindlichen Verein nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern im Grunde sogar allein verfassungskonform ist, weil sie die einzige Möglichkeit darstellt, die totale informatorische Persönlichkeitserforschung aller Bewerber, aber auch aller bereits tätigen Beamten, die in Anbetracht der Möglichkeiten der automatischen Datenverarbeitung und der durch sie heraufbeschworenen Gefahren die größte Gefährdung der Freiheit und des Rechtsstaates überhaupt darstellen dürfte, vermeidet oder doch aber zumindest auf ein Minimum beschränkt. Die Regelvermutung stellt also das allein verfasungszugelassene „mildeste Mittel" im Sinne der verfassungsrechtlichen Übermaßverbotsgrundsätze dar, zumal da im Zweifelsfalle niemand ohne 116

Art. 15

Eigentum (Schwan)

seinen Willen zu der Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein gelangt und der Betroffene es dann in der Hand hat, durch von ihm beherrschte (!) Informationspreisgabe den Gegenbeweis zu der Regelvermutung anzutreten (zu den rechtlichen Problemen der Informationssammlung und -Verarbeitung in der öffentlichen Verwaltung vgl. Schwan, VwArch 1975,120ff; ders. in: Hoffmann/Tietze/Podlech, Numerierte Bürger, S. 36ff; ders. demnächst in: Burhenne/Perband, EDV-Recht, Kommentierung zu § 1 BDSG).

Artikel 1 4 Wer durch Krankheit, Alter oder aus anderen Ursachen in Not gerät, hat Anspruch auf Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln, sofern ein ausreichender Schutz durch die Sozialversicherung nicht gegeben ist. Materialien V g l . Art. 125 III, 168 III, 171 BV; Art. 58 V H B

Erläuterungen Während Art. 12 I 3 einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung 1 gewährt, räumt Art. 14 einen Anspruch auf Fürsorge bzw. Sozialhilfe, d. h. auf den notdürftigen Lebensunterhalt, ein. Der Vorschrift entspringen jedoch ebensowenig subjektive Rechte 2 wie derjenigen des Art. 1 2 1 3 VvB. Dies ergibt sich aus der völligen Unbestimmtheit der Art und H ö h e dieses Anspruches. Vielmehr dürfte darin eine institutionelle Garantie (zu den ähnlichen Vorschriften der Art. 168 III, 171 BV vgl. auch Zacher, BayVfGH-Festschrift S. 95, 106f 121 m. w. N.; Meder, BV Art. 171, Rdn. 1) des vorhandenen Sozialhilferechtes zu erblicken sein, die jedoch deswegen wenig rechtliche Relevanz genießt, weil der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz das BSHG erlassen hat und dieser natürlich nicht durch landesverfassungsrechtliche Einrichtungsgarantien gebunden ist.

Artikel 1 5 (1) Das Eigentum wird gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. 117

Art. 15

Abschnitt II: Die Grundrechte

(2) Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Materialien Art. 14 GG; Art. 103 I, 159 BV; Art. 13 VHB; Art. 45 HV; Art. 60 VRP; Art. 18,51 VS

Erläuterungen 1

Der Begriff des „Eigentums" ist mit demjenigen des G G identisch. Das Landesgrundrecht unterscheidet sich in seinem Verbürgungsbereich daher nicht von dem Bundesgrundrecht. 2 Die Vorschrift gewährt ein subjektiv-öffentliches Freiheitsgrundrecht, das bereits auf der Ebene des Verfassungsrechtes garantiert ist und zu seiner Wirksamkeit daher keiner „Prägung" oder anderweitigen Tätigkeit des einfachen Gesetzgebers bedarf. Wenn der einfache Gesetzgeber das Eigentum regelt, dann handelt es sich dabei um echte Einschränkungen des Grundrechtes. Die Formulierung des in Art. 15 I 2 enthaltenen Einschränkungsvorbehaltes und die Benutzung des Begriffes „Inhalt" neben demjenigen der „Schranken" gestattet keine dahingehende Auslegung, daß es sich dabei nicht um „echte Einschränkungen" handele. (Zu Recht wirft Rupp, BVfG-Festgabe II, S. 368f, dem Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang Begriffsjuristerei vor). Die Schrankenschranken finden daher sowohl auf die Einschränkungen nach Art. 15 I 2 (Inhaltsbestimmung) als auch auf diejenigen nach Art. 15 II (Enteignung) Anwendung. Art. 15 unterscheidet sich in dieser Beziehung überhaupt nicht von den anderen Freiheitsgrundrechten. 3 Art. 15 unterscheidet sich von den anderen Freiheitsgrundrechten jedoch dadurch, daß er das Eigentums-Freiheitsgrundrecht unter zwei verschiedene Einschränkungsvorbehalte stellt, die sich in ihrem tatbestandlichen Anwendungsbereich durch das Kriterium der Intensität voneinander unterscheiden. Es kann hier auf die gesamte Fülle von Literatur und Rechtsprechung zu den verschiedenen Abgrenzungstheorien für die Bestimmung der Grenze zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung verwiesen werden (Schweretheorie, Einzelaktstheorie, Zumutbarkeitstheorie, Privatnützigkeitstheorie etc.) (vgl. statt vieler Dicke, in: Ingo von Münch, Grundgesetz, Band I, Art. 14, Rdn. 46). 4 Daraus, daß Art. 15 VvB nicht auch eine dem Art. 14 II G G entsprechende Vorschrift enthält, ergibt sich kein Unterschied in der Sache; denn diese Vorschrift hat ohnehin nur deklaratorische Natur 118

Eigentum (Schwan)

Art. 15

und bringt nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, die gleichermaßen auch auf die anderen Freiheitsgrundrechte zutrifft (so auch Doehring, S. 326f). Der Einschränkungsvorbehalt des Art. 15 II für Enteignungen unter- 5 scheidet sich von demjenigen des Art. 14 III GG zum einen dadurch, daß es dort heißt, daß Enteignungen „nur auf gesetzlicher Grundlage" vorgenommen werden dürfen, während nach Art. 14 III G G eine solche „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes" erfolgen darf. Aus dieser Formulierung des G G hat das BVfG (E 24, 367, 402f) bekanntlich die Zulässigkeit der konkret-individuellen sog. Legalenteignung gefolgert. Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung mit Art. 19 I 1 G G vereinbar ist, mit dem Berliner Recht dürfte sie jedenfalls nicht vereinbar sein; denn Art. 15 VvB gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Begriff der „gesetzlichen Grundlage" in dieser Bestimmung unter Durchbrechung des Prinzipes der Gewaltenteilung auch so verstanden werden kann, daß darunter auch konkret-individuelle Regelungen des Gesetzgebers fallen. Zum anderen unterscheidet sich Art. 15 VvB von Art. 14 G G auch 6 durch das Fehlen der sog. Junktimklausel; der Einschränkungsvorbehalt des Landesgrundrechtes ist also weniger qualifiziert als derjenige des Bundesgrundrechtes. Gleichwohl tritt das Landesgrundrecht weder außer Kraft, noch wird es auf das Niveau des Bundesgrundrechtes angehoben oder „ergänzt" (zur „Ergänzungslehre" vgl. VorArt. 6, Rdn. 6 , 1 0 , 1 9 , 2 0 , sowie Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 311, 322ff; Maunz, M D HS, Art. 142, Rdn. 18). Vielmehr ist die Rechtslage ganz einfach die, daß der Landesgesetzgeber durch das Landesgrundrecht zwar weniger gebunden ist, daß er dieses Maß der geringeren Bindung jedoch nicht voll auszuschöpfen vermag, weil er wegen Art. 1 III G G außerdem auch an die in diesem Fall strengeren Bindungen der Bundesgrundrechte gebunden ist. Ähnlich wie bei Art. 14 GG ist es auch bei Art. 15 VvB durchaus 7 möglich, der Bestimmung im Wege der Auslegung neben dem dort geregelten subjektiv-öffentlichen Abwehrrecht die Rechtseinrichtungsgarantie des Privateigentums und die Lebenssachverhaltsgarantie des tatsächlichen Vorhandenseins von Privateigentum in genügender Relevanz (also auch an Produktionsmitteln) und Streuung zu entnehmen, nur dürfen diese institutionellen Deutungen des Grundrechtes dann natürlich nicht als Einschränkungsvorbehalte oder gar Einschränkungen der darin auch und vor allem enthaltenen subjektiven Abwehransprüche mißdeutet werden (vgl. dazu VorArt. 6, Rdn. 2 1 - 2 6 , 34). Im Falle der Deutung des Art. 15 VvB als Lebenssachverhaltsgarantie folgt daraus im übrigen die Unzulässigkeit einer durch Landesgesetz 119

Art. 17

Abschnitt II: Die Grundrechte

erfolgenden Sozialisierung (z. B. der Produktionsmittel), weil der Berliner Verfassung eine dem Art. 15 G G entsprechende Regelung fremd ist, die man als Spezialregelung zu der im Eigentumsgrundrecht (auch) enthaltenen Lebenssachverhaltsgarantie auslegen könnte.

Artikel 1 6 Jeder Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist widerrechtlich. Insbesondere stellen alle auf Produktions- und Marktbeherrschung gerichteten privaten Monopolorganisationen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht dar und sind verboten. Materialien Art. 151 II, 156 BV; Art. 41 VHB; Art. 39 HV; Art. 44 VS.

Erläuterungen 1

Fraglich ist, ob die Vorschrift lediglich einen Programmsatz oder unmittelbar geltendes Recht (so Landsberg/Götz, S. 69) enthält. Wenn sie unmittelbar geltendes Recht enthalten sollte, ist weiter fraglich, ob es sich dabei (nur) um einen verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt oder (sogar) um die Eingrenzung (Zurücknahme) des Verbürgungsbereiches vor allem des Eigentumsgrundrechtes aus Art. 15 handelt. Angesichts der Unbestimmtheit der Regelung wird man zumindest bei Satz 1 das erstere annehmen müssen. 2 Im übrigen ist diese Bestimmung aber auch durch höherrangiges Bundesrecht (GWB), das der Bundestag im Rahmen seiner Kompetenz (Art. 74 Nr. 16 GG) mit Wirkung auch für die Landesstaatsgewalt erlassen hat, obsolet geworden.

Artikel 17 Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten in Wirtschaft und Verwaltung ist durch Gesetz zu gewährleisten. Materialien Art. 175 BV; Art. 47 V H B ; Art. 37 HV; Art. 26 VNRW; Art. 70 VRP.

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Mitbestimmung (Schwan)

Art. 17

Erläuterungen Die Vorschrift enthält einen Auftrag zur Regelung an den Landesge- 1 setzgeber, den dieser jedoch nur im Rahmen der ihm nach dem G G zustehenden Regelungskompetenz zu erfüllen vermag. Diese steht für die Mitbestimmung in der Wirtschaft nicht dem Lande, sondern dem Bunde zu, der davon durch Gesetz vom 4. Mai 1976 (BGBl. I, S. 1153) Gebrauch gemacht hat. Dem Landesgesetzgeber obliegt lediglich die Regelung der Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten (Art. 17 spricht nicht auch von den Beamten) in der Verwaltung, mit der offensichtlich die öffentliche Verwaltung gemeint ist. Er hat diesem Auftrag durch Erlaß des Personalvertretungsgesetzes vom 26. Juli 1974 (GVB1. S. 1669) und dem Gesetz über die Eigenbetriebe des Landes Berlin vom 11. 12. 59 (GVB1. S. 1229 mit letzter Änd. GVB1. 1973, S. 1017) entsprochen. Gegen die 1973 für die Eigenbetriebe eingeführte paritätische Mitbestimmung (vgl. § 6 EigG), die nicht nur eine betriebliche, d. h. eine auf die Gestaltung und den Schutz des Arbeitsplatzes im Betrieb gerichtete, sondern eine unternehmerische sein soll, die auf die wirtschaftlichen Entscheidungen Einfluß nimmt (vgl. die in § 7 EigG geregelten Aufgaben des Verwaltungsrats), sind verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Demokratieprinzip geltend gemacht worden (vgl. Obermayer, Mitbestimmung in der Kommunalverwaltung, 1973, S. 50, 54). Die Bedenken greifen jedoch nicht durch, weil dem SvB, der selbst unmittelbarer parlamentarischer Kontrolle unterliegt, das Letztentscheidungsrecht gem. § 8 IV 3 EigG überlassen ist; zu diesem Ersatzbeschlußfassungsrecht des SvB (anstelle des Verwaltungsrats) kommt es, sofern das zuständige Mitglied des SvB Beschlüsse des Verwaltungsrats — mit aufschiebender Wirkung, § 8 I 1 EigG — beanstandet, weil eine Entscheidung oder auch Nichtentscheidung des Verwaltungsrats das öffentliche Interesse beeinträchtige. Dabei liegt eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses immer, aber nicht nur dann vor, wenn ein Beschluß oder Nichtbeschluß des Verwaltungsrats rechtswidrig ist (im Ergebnis so auch O L G Bremen NJW 1977, 1156 m. w. N. gegen Vorinstanz L G Bremen NJW 1976, 333; ebenso Art. 50, Rdn. 23 a). Grundrechtstechnisch enthält die Bestimmung einen verfassungsan- 2 ordnenden Einschränkungsvorbehalt für die Einschränkung insbesondere des Grundrechtes aus Art. 15.

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Art. 18

Abschnitt II: Die Grundrechte

Artikel 18 (1) Alle Männer und Frauen haben das Recht, sich zu gesetzlich zulässigen Zwecken friedlich und unbewaffnet zu versammeln, sowie Vereinigung und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen dürfen keine Zwecke verfolgen oder Maßnahmen treffen, durch welche die Erfüllung von Aufgaben verfassungsmäßiger Organe und öffentlich-rechtlicher Verwaltungskörper gefährdet wird. (3) Das Streikrecht ist gewährleistet. Materialien 1. Zu I (Versammlungsfreiheit): Art. 8 I GG; Art. 113 BV; Art. 16 V H B ; Art. 14 HV; Art. 12 VRP; Art. 6 VS 2. Zu I (Vereinigungsfreiheit): Art. 9 I GG; Art. 114 BV; Art. 17, 48 VHB; Art. 15 HV; Art. 13, 66 VRP; Art. 7, 56 VS 3. Zu II (verfassungswidrige Vereinigungen): Art. 9 II GG; Art. 133 VRP; Art. 8 VS 4. Zu III (Streikrecht): Art. 9 III GG; Art. 51 VHB; Art. 29 HV; Art. 66 VRP; Art. 56 VS

Erläuterungen 1

Die Vorschrift enthält drei verschiedene Freiheitsgrundrechte (Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Streikrecht), die im G G z. T. in besonderen Vorschriften geregelt sind (Art. 8, 9 GG). 2 Die Versammlungsfreiheit unterscheidet sich in der Formulierung der Verbiirgung von derjenigen des G G (Art. 8) in sachlicher Beziehung dadurch, daß die Freiheit vom Anmelde- und Erlaubniszwang nicht ausdrücklich erwähnt wird. Dies bewirkt jedoch keinen Unterschied in der Sache; denn selbstverständlich stellt der Anmelde- und Erlaubniszwang einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit auch dann dar, wenn dies im Text der grundrechtlichen Regelung nicht ausdrücklich angesprochen wird. 3 In personeller Beziehung spricht Art. 18 von „allen Männern und Frauen", während Art. 8 G G das Versammlungsfreiheitsrecht „allen Deutschen" garantiert. Die Verbürgung des Berliner Grundrechtes reicht in dieser Beziehung also weiter als diejenige des entsprechenden Bundesgrundrechtes, weil es auch die Ausländer schützt. Im Effekt bewirkt jedoch auch dies keinen Unterschied; denn auch nach Bundesrecht sind die Ausländer hinsichtlich der Versammlungsfreiheit grundrechtlich keineswegs ungeschützt. Sie genießen zwar nicht den Schutz 122

Versammlungsfreiheit (Schwan)

Art. 18

des Spezialgrundrechtes aus Art. 8 G G , wohl aber denjenigen des Auffang-Freiheitsgrundrechtes aus Art. 2 I G G (BVfG, NJW 1974, S. 227; Isensee; W D S t R L 32, S. 103; Zuleeg, D Ö V 1973, 361, 368; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechtes, 1970, S. 83; ders., JuS 1976, 345, 350; a. A. Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer in der Bundesrepublik, 1972, S. 60ff; ders., NJW 1974, 1043f; Schwabe, NJW 1974,1044 f). Unter einer „Versammlung" im Sinne des Art. 18 ist ebenso wie bei Art. 8 G G das bewußte und gewollte Zusammensein mindestens zweier Personen an einem Ort zum Zwecke der Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes, der keineswegs ein „politischer" zu sein braucht, zu verstehen (vgl. Herzog, MDHS, Art. 8, Rdn. 39ff). Die Versammlung muß ebenso wie bei Art. 8 G G „friedlich und unbewaffnet" sein. Auch in dieser Beziehung unterscheidet sich das Landesgrundrecht nicht von dem Bundesgrundrecht. Es kann daher auch insoweit auf die Kommentierungen zu Art. 8 G G verwiesen werden (vgl. z. B. Herzog, aaO, Rdn. 51 ff). Geschützt sind nach Art. 18 jedoch - anders als nach Bundesrecht lediglich Versammlungen „zu gesetzlich zulässigen Zwecken". In dieser Formulierung verbirgt sich nicht ein negatives Tatbestands-, d. h. hier: Verbürgungsmerkmal, sondern ein einfacher Gesetzesvorbehalt, der freilich neben dem Global-Gesetzesvorbehalt des Art. 23 Abs. 2 VvB an sich überflüssig ist. Die Einschränkbarkeit reicht nach Berliner Recht bei den Versammlungen, die nicht „unter freiem Himmel" (vgl. Art. 8 II GG) stattfinden, somit zwar erheblich weiter als nach dem GG, daraus folgt jedoch nicht, daß der Berliner Einschränkungsvorbehalt insoweit aufgehoben oder „gebrochen" wird (Art. 31 GG), sondern nur, daß er wegen der aus Art. 1 III G G folgenden „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" nicht in Anspruch genommen werden darf. Die Verbürgung der Vereinigungsfreiheit entspricht in sachlicher Beziehung derjenigen des Art. 9 I GG. Sie umfaßt auch die in Art. 9 III G G speziell geregelte Koalitionsfreiheit einschließlich deren negativer Komponente, jedoch ohne die in Art. 9 III Satz 2 G G enthaltene Anordnung der unmittelbaren Drittwirkung. In personeller Beziehung reicht sie weiter, weil sie sich auch auf Ausländer erstreckt, die nach Bundesrecht lediglich den Schutz des Art. 2 I G G genießen. Entgegen der zu Art. 9 I und III G G vertretenen - wohl - h. L. bezieht sich nach hier vertretener Ansicht das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nicht auf einen vom Gesetzgeber geschaffenen oder noch zu schaffenden Inbegriff von Normen, auf eine „verfaßte" Freiheit also, sondern auf die „natürliche" Freiheit, sich mit anderen natürlichen oder 123

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Abschnitt II: D i e Grundrechte

juristischen Personen für längere Zeit freiwillig zusammenzuschließen und sich dabei einer organisierten oder zu organisierenden Willensbildung zu unterwerfen (vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 VereinsG, sowie Maunz, MDHS, Art. 9, Rdn. 35). Es wird hier also sowohl die sog. »Prägungslehre" wie auch die institutionelle Deutungsweise der Vereinigungsfreiheit abgelehnt. Die Tatsache, daß die Vereinigungs- und die Koalitionsfreiheit nach Bundesrecht nicht unter einem Einschränkungsvorbehalt stehen, wenn man von den Regelungen des Art. 9 II und III 3 G G einmal absieht, rechtfertigen nicht die tatbestandliche Umdeutung des Freiheitsbegriffes in eine gebundene Freiheit und damit die Preisgabe des grundsätzlichen rechtsstaatlichen Verteilungsprinzipes, nach der die Freiheit prinzipiell unbegrenzt, deren Beschränkung jedoch stets begrenzt ist. Die Tatsache, daß sich ein Teil der notwendigen Eingriffe in die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nicht bei den ausdrücklichen oder nicht ausdrücklichen Einschränkungsvorbehalten des G G unterbringen läßt, erlaubt dem Interpreten nicht eine derartige Umdeutung des Tatbestandes der grundrechtlichen Verbürgung, vielmehr ist in diesen Fällen ein Appell an den verfassungsändernden Gesetzgeber geboten, damit dieser die von der Rechtswirklichkeit geforderten Einschränkungsmöglichkeiten durch Einfügung eines entsprechenden Einschränkungsvorbehaltes in das G G legalisiert. 9

Art. 18 II ähnelt Art. 9 II GG. Ebenso wie dieser und anders als z. B. Art. 114 II der BV enthält er einen verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt. Der Exekutive steht nach hier vertretener Auffassung also kein Ermessen beim Vollzug des Art. 18 II (und Art. 9 II G G ) zu, wenn dessen Tatbestand erfüllt ist. Der Tatbestand des Art. 18 II reicht freilich zumindest z. T. weiter als derjenige des Art. 9 Abs. 2 GG, so daß nach Art. 18 II weitergehende Eingriffe zugelassen und sogar geboten sind als nach Bundesrecht. Darüber hinaus dürfte die Vorschrift des Art. 18 II im Verhältnis zu dem Global-Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II keine abschließende Regelung enthalten, so daß weitergehende Eingriffe durch Art. 18 II nicht ausgeschlossen werden. Der Sinn des Art. 18 II liegt allein darin, das dem Gesetzgeber nach Art. 23 II zustehende Ermessen in der Frage des „ O b " und „Wie" der Einschränkung in gewissen Fällen auszuschließen. Während Art. 9 II G G solche Vereinigungen verbietet, deren Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verbietet Art. 18 II solche Vereinigungen, deren Zwecke oder Maßnahmen die Erfüllung von Aufgaben verfassungsmäßiger Organe und öffentlich-rechtlicher Verwaltungskörper gefährden. Damit gebietet die VvB ein „Mehr" an Einschränkungen als das GG. Dieses „Mehr" an Einschränkungen 124

Versammlungsfreiheit (Schwan)

Art. 1 8

würde jedoch nur dann gemäß Art. 31 G G „gebrochen" werden, wenn das G G insoweit eine Einschränkungsmöglichkeit nicht eröffnet. O b dies der Fall ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, weil das in Anbetracht des Fehlens eines ausdrücklichen hierauf passenden Einschränkungsvorbehaltes bei Art. 9 G G eine Auseinandersetzung mit der noch völlig ungeklärten Frage nach dem Verlauf der sog. immanenten Grenzen der (Bundes-)Grundrechte erfordern würde, die den R a h m e n der vorliegenden Kommentierung ganz erheblich sprengen würde (vgl. dazu demnächst Schwan, Die Grenzen der grundrechtlichen Abwehrrechte). Bei den Berliner Grundrechten ist die - zweifelhafte - Konstruktion solcher immanenter Grenzen wegen des globalen Einschränkungsvorbehaltes des Art. 23 Abs. 2 entbehrlich. Das in Art. 18 III gewährleistete Streikrecht hat im G G keine aus- 1 0 drückliche Entsprechung. Es wird von der h. L. als in der Garantie der Koalitionsfreiheit enthalten angesehen (vgl. statt vieler v. Münch, G G , Art. 9 Rdn. 46; Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968, S. 4 2 f f ) . Eine Mindermeinung will das Streikrecht beim Auffangfreiheitsgrundrecht des Art. 2 1 G G verorten. Es handelt sich dabei um ein Freiheitsrecht, das nach hier vertretener 1 1 Ansicht genau wie alle anderen Freiheitsrechte nicht irgendeine „verf a ß t e " oder gar „noch zu verfassende Freiheit" (bisher fehlt es bekanntlich an einer Kodifizierung des Arbeitskampfrechtes) schützt, sondern die „natürliche" Freiheit der Arbeitsniederlegung. Schutzobjekt des Streikrechtes ist also nicht ein vom Gesetzgeber erst noch zu „prägendes" oder zu „organisierendes" (so aber Lerche, aaO, S. 3 7 f f ) Rechtsinstitut, sondern eine bestimmte A r t auf der Verbürgungsebene rechtlich (noch) völlig unbegrenzter menschlicher Verhaltensweise, und die einfachen Gesetze, die das Streikrecht regeln, haben weder „prägende" noch „organisierende" Funktionen, sondern sie sind Eingriffsgesetze und haben sich folglich an allen Schrankenschranken messen zu lassen. Freilich schützt Art. 18 III nur das arbeitsrechtliche Streikrecht der 1 2 Arbeiter und Angestellten, nicht also auch dasjenige der Beamten und den sog. politischen Streik i. S. d. vom B A G entwickelten Rspr. (vgl. dazu Maunz, M D HS, Art. 9, R d n . 114, 116) und darüber hinaus auch nur den gewerkschaftlichen, nicht auch den sog. „wilden Streik" (vgl. Maunz, a a O , Rdn. 114). Mit Maunz läßt sich der Begriff des Streikes dahin definieren, daß darunter zu verstehen ist „die gemeinsam und planmäßig durchgeführte Arbeitseinstellung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb eines Berufes oder Betriebs, um dadurch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere in bezug auf Lohn und Arbeitszeit, zu errei125

Art. 19

Abschnitt II: Die Grundrechte

chen, und zwar mit dem Willen zur Fortsetzung der Arbeit nach Erreichung des Kampfzieles oder nach Beendigung des Arbeitskampfes". 13 Das Streikrecht aus Art. 18 III steht unter dem einfachen, globalen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II. Es ist also im Rahmen der Schrankenschranken beliebig einschränkbar. In dieser Beziehung unterscheidet es sich von dem bundesrechtlichen Streikrecht dann nicht, wenn man dieses mit der oben erwähnten Mindermeinung bei Art. 2 I G G verortet; denn im Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung" des Art. 2 I G G verbirgt sich bekanntlich ein allgemeiner, d. h. einfacher, nichtqualifizierter Rechtssatzvorbehalt (vgl. B V f G E 6, S. 32ff). Leitet man das Streikrecht jedoch mit der h. L. aus der in Art. 9 III GG garantierten Koalitionsfreiheit ab, dann ist auch der Berliner Gesetzgeber wegen der aus Art. 1 III G G abzuleitenden „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" daran gehindert, den Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II VvB voll auszuschöpfen; denn Art. 9 III G G ist wegen des Fehlens eines ausdrücklichen Einschränkungsvorbehaltes nur außerhalb des Bereiches der sog. „immanenten" Grundrechtsgrenzen einschränkbar, über deren Verlauf die Grundrechtsdogmatik einen Konsens bisher jedoch noch nicht hat herstellen können. 14 Das Streikrecht des Art. 18 III hat zweifelsohne unmittelbare Drittwirkung, d. h., es garantiert die Streikbefugnis nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber „Staat", sondern auch gegenüber anderen, privaten Arbeitgebern. In dieser Beziehung stellt es zugleich eine Einschränkung der dadurch betroffenen Grundrechte der Arbeitgeber dar.

Artikel 19 (1) Jedermann hat das Recht auf Wohnraum. (2) Der Wohraum ist unverletzlich. Eine Durchsuchung darf nur auf richterliche Anordnung erfolgen oder bei Verfolgung auf frischer Tat durch die Polizei, deren Maßnahmen jedoch binnen 48 Stunden der richterlichen Genehmigung bedürfen. Materialien 1. Zu I (Recht auf Wohnraum): Art. 1 0 6 1 , 1 2 5 III B V ; Art. 14 V H B 2. Zu II (Unverletzlichkeit der Wohnung): Art. 13 G G ; Art. 106 III B V ; Art. 14 V H B ; Art. 8, 19 HV; Art. 7 VRP; Art. 16 VS

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Recht auf Wohnraum (Schwan)

Art. 19

Erläuterungen Abs. 1 garantiert das soziale Grundrecht auf Zurverfügungstellung von Wohnraum. Freilich ist dieses Grundrecht kein „echtes" Grundrecht, jedenfalls nicht in dem Sinne, daß der einzelne daraus ein subjektives Teilhaberecht ableiten könnte. Vielmehr enthält die Vorschrift lediglich einen Programmsatz bzw. eine Staatszielbestimmung, durch den die Staatsgewalt darauf festgelegt wird, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß jedermann ein Dach über dem Kopfe hat (so z. B. auch Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 125, m. w. N., und Meder, Art. 106 BV, Rdn. 1). Abs. 2 garantiert dagegen ein echtes Grundrecht im Sinne eines ohne jede weitere Voraussetzung vor Gericht einklagbaren subjektiven Rechtes auf Freiheit vor staatlichen Eingriffen in die eigene Wohnung, sofern diese nicht durch einen passenden Einschränkungsvorbehalt und durch eine Eingriffsermächtigung gedeckt sind, die nicht gegen eine der Schrankenschranken dieses Grundrechtes verstößt. Der Begriff „Wohnraum" ist identisch mit demjenigen der „Wohnung" in Art. 13 I G G (vgl. dazu B V f G E 32, S. 54). Er hat in § 24 I 2 des Berliner ASOG eine mit der Verfassung übereinstimmende Legaldefinition erhalten. Danach sind darunter zu verstehen: alle Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum. Auch hinsichtlich der Verbürgungserstreckung in personeller Beziehung weist das Berliner Grundrecht gegenüber dem Grundrecht des GG keine Besonderheiten auf. Hier wie dort ist z. B. die zivilrechtliche Berechtigung des Besitzes nicht Voraussetzung der Grundrechtsträgerschaft (zu den Problemen des Art. 13 G G vgl. Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, 1968; Dagtoglou, JuS 1975, 753; Amelung/Schall, JuS 1975, 565, sowie demnächst ausführlich Schwan, Die Grenzen der grundrechtlichen Abwehrrechte). Ganz erhebliche Unterschiede bestehen jedoch bei der Regelung der Einschränkungsvorbehalte. Während Art. 19 II VvB unter dem globalen und einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II steht, der lediglich für „Durchsuchungen" durch die Spezialregelung des Art. 19 II 2 partiell verdrängt wird, steht die Wohnungsfreiheit des Art. 13 GG unter einem System sehr komplizierter und im Ergebnis wenig geglückter qualifizierter Einschränkungsvorbehalte (vgl. dazu Schwan, D Ö V 1975, S. 661). Soweit die VvB weitergehende Einschränkungsmöglichkeiten eröffnet, ist die Rechtslage einfach: Der Berliner Gesetzgeber ist wegen der „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" (Art. 1 III GG) daran gehindert, diese auszuschöpfen. Einfach ist im Prinzip auch die Rechtslage 127

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in dem umgekehrten Fall: Soweit die VvB die nach dem G G bestehenden Einschränkungsmöglichkeiten zusätzlich beschneidet, gilt für den Berliner Gesetzgeber die engere bürgerfreundlichere Regelung der Berliner Verfassung. Das gleiche gilt auch für die Berliner Exekutive, sofern diese nicht aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung tätig wird, die die Regelung des Art. 19 VvB verdrängt (vgl. dazu Art. 6, Vbm. Rdn. 12 ff, 16,25). 6 Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch die Sonderregelung des Einschränkungsvorbehaltes für Durchsuchungen (Abs. 2 Satz 2). Diese unterscheidet sich von der entsprechenden Regelung des Art. 13 II G G in viererlei Beziehungen: a) Einmal dadurch, daß der Ausnahmefall, in dem ausnahmsweise das Erfordernis eines vorherigen richterlichen Durchsuchungsbefehles nicht besteht, statt mit dem Begriff „Gefahr im Verzuge" (so Art. 13 II GG) mit demjenigen der „Verfolgung auf frischer Tat" umschrieben wird. b) Zum anderen dadurch, daß nach der Formulierung des Art. 19 VvB in diesem Ausnahmefall die Polizei zuständig für die Anordnung und Durchführung der Untersuchung ist, während das G G allgemein von den „in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organen" spricht. c) Weiter dadurch, daß die VvB in diesem Ausnahmefall anders als das G G die nachträgliche richterliche Genehmigung binnen 48 Stunden verlangt. d) Schließlich dadurch, daß nur im G G vorgesehen ist, daß die Durchsuchung in dem Ausnahmefall nur in der im Gesetz vorgeschriebenen Form durchgeführt werden darf. Der zuletzt genannte Unterschied (d)) ist nur ein solcher in der Formulierung, nicht auch ein solcher in der Sache; denn daß die in den Gesetzen enthaltenen Formvorschriften beachtet werden müssen, ist eine Selbstverständlichkeit, die schon aus dem Vorrang des Gesetzes folgt (Art. 20 III G G ) und daher bei Art. 13 nicht noch einmal erwähnt zu werden brauchte. Die entsprechende Formulierung hat einen lediglich deklaratorischen Charakter, ihr Fehlen in der VvB daher keine Rechtsfolgen. Sehr viel schwieriger ist die Beurteilung der Rechtsfolgen, die sich aus den unter a) bis c) genannten Unterschieden ergeben: 7 Eine Möglichkeit der Lösung der damit aufgeworfenen Rechtsprobleme ist die der einengenden Interpretation des Durchsuchungsbegriffes; denn dadurch würde Raum geschaffen für die Anwendung des einfachen Gesetzesvorbehaltes des Art. 23 II VvB. Je enger der Begriff der „Durchsuchung" ausgelegt wird, desto schmaler ist der Bereich, in dem sich die besonderen Probleme der Regelung des Art. 19 II 2 VvB stellen. 128

Recht auf Wohnraum (Schwan)

Art. 19

Zu denken wäre dabei etwa daran, den Begriff der „Durchsuchung" unter Orientierung an dem Endzweck, zu dem der Eingriff erfolgt, dahin auszulegen, daß darunter nur diejenigen zu verstehen sind, die zum Zwecke der Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgung erfolgen, wie dies die vor noch gar nicht so langer Zeit h. L. zu Art. 13 II G G in der Tat getan hat ( O L G Braunschweig, DVB1. 1952, S. 533; von Mangoldt/ Klein, Art. 13 G G , Anm. IV 2, S. 402; Kern, in: Neumann/Nipperdey/ Scheuner, Die Grundrechte Band II, S. 104; w. Nachw. b. Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 53, Fn. 3 und 4). Immerhin scheint der Begriff der „Verfolgung auf frischer Tat" auf den ersten Blick eine gewisse Affinität zu dem Zweck der Strafverfolgung und demjenigen der Ordnungswidrigkeitenverfolgung aufzuweisen und deutet zudem die Erwähnung allein der Polizei in der Bestimmung des Art. 19 II 2 VvB scheinbar in eine ähnliche Richtung. Bei genauerer Betrachtung erweist sich jedoch, daß dies nicht die richtige Auslegung des Begriffes der „Durchsuchung" sein kann (so auch zu Art. 13 Abs. 2 G G die nunmehr h. L. vgl. BVwGE 28, 285, 288; Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 56ff; O V G Berlin, JR 1973, S. 388). Zunächst ist es schon nicht zutreffend, daß eine „Verfolgung auf frischer Tat" immer nur bei der Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgung möglich ist. Z. B. bei der Gefahrenabwehr kann sehr wohl auch eine „Verfolgung auf frischer Tat" möglich und erforderlich sein. Sodann deutet aber auch die Erwähnung der Polizei in Art. 19 II 2 keineswegs zwingend dahin, daß mit „Durchsuchung" im Sinne dieser Vorschrift nur die zu Zwecken der Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung erfolgende gemeint sein kann; denn die Polizei hat nach deutscher Rechtstradition seit je nicht nur die Aufgabe der Strafverfolgung zu erfüllen gehabt, sondern auch diejenige der Gefahrenabwehr. Wenn sich überhaupt Rückfolgerungen aus der Erwähnung der Polizei in dieser Vorschrift auf die Auslegung des Begriffes der „Durchsuchung" ziehen lassen sollten, so dürfte dabei diese Doppelfunktion der Polizei doch nicht außer Betrachtung gelassen werden. Im übrigen ist die Bestimmung des Art. 19 II 2 VvB aber auch offensichtlich Ausdruck des Mißtrauens, das der Verfassungsgeber gegenüber der Behörde „Polizei" empfunden hat und das aus seinem Erleben der vor allem von dieser Behörde begangenen Rechtsbrüche im sog. Dritten Reich resultiert. In dieser Beziehung steht Art. 19 II 2 VvB in Gesinnungsgemeinschaft mit Art. 9 II und III VvB, Art. 13 II und III GG, Art. 104 II 3 GG. Daß nun aber die Polizei für die Grundrechte der Bürger bei der Erfüllung der Aufgabe der Gefahrenabwehr weniger „gefährlich" sein soll als bei der Erfüllung der Aufgabe der Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung, das wird man ernsthaft wohl kaum behaupten können. Auch der 129

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Abschnitt II: Die Grundrechte

besondere Schutzzweck des Art. 19 II 2 verbietet somit eine derartige einengende Auslegung des Durchsuchungsbegriffes. Schließlich würde bei einer solchen Auslegung die Bestimmung des Art. 19 II 2 aber auch überflüssig, bzw. durch höherrangiges Bundesrecht in ihrem gesamten Anwendungsbereich aufgehoben sein; denn natürlich ist der einfache Bundesgesetzgeber, der für die Regelung der Strafverfolgung nach Art. 74 Nr. 1 G G zuständig ist und insoweit eine abschließende Regelung getroffen hat (vgl. § 6 E G StPO; vgl. dazu demnächst Schwan, Identitätsfeststellung, Sistierung und Razzia, in: AöR), nicht daran gehindert, den Rahmen des Art. 13 II G G voll auszuschöpfen und sich dabei auch in Widerspruch zu Regelungen der Landesverfassung zu setzen. Man wird dem Landesverfassungsgeber, der die Kompetenzregelung des G G kannte, jedoch schwerlich unterstellen können, daß er die Regelung des Art. 19 II 2 nur für den unwahrscheinlichen Fall schaffen wollte, daß sich an dieser Kompetenzregelung des G G etwas ändert und im Widerspruch zu einer bereits aus der Zeit der Reichsjustizgesetze datierenden Rechtstradition für die Regelung der Strafverfolgung der Landesgesetzgeber zuständig wird, den allein die Berliner Verfassung zu binden vermag. Vielmehr wird man davon ausgehen müssen, daß der Begriff der „Durchsuchung" bei Art. 19 VvB ohne die bei Art. 13 II G G nach Ansicht des Verfassers (DÖV 1975, 661; vgl. auch BVwGE 28, 285 ff einerseits, BVwG, D Ö V 1975, S. 172 andererseits) erforderliche einengende Orientierung an dem Endzweck, zu dem der Eingriff erfolgt, so auszulegen ist, daß darunter zu verstehen ist, das „ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereiches" (BVwG, D Ö V 1975, S. 172). Das heißt aber, daß z. B. auch die zu Zwecken der Gefahrenabwehr erfolgenden Eingriffe, die diese Merkmale erfüllen, dann am Maßstab des Art. 19 II 2 zu messen sind, wenn sie nicht aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung ergehen, die die Regelung des Art. 19 VvB verdrängt. 8

Die Vorschriften des Berliner A S O G etwa (§ 24 I, II) müssen sich sehr wohl an diesem Maßstab messen lassen. Dort ist zwar - in Übereinstimmung mit Art. 13 II G G und auch Art. 19 II 2 VvB - die Zuständigkeit des Richters für die Anordnung der Durchsuchung nur für den Fall des Vorliegens von „Gefahr im Verzuge" durch diejenige der Polizei oder Ordnungsbehörde ersetzt, es fehlt jedoch das Erfordernis der nachträglichen richterlichen Genehmigung innerhalb von 48 Stunden. Das 130

Recht auf Wohnraum (Schwan)

Art. 19

macht diese Vorschrift jedoch nicht verfassungswidrig, vielmehr ist sie in unmittelbarer Anwendung des Art. 19 II 2 dahin zu „ergänzen", daß die Einholung einer nachträglichen richterlichen Genehmigung in der genannten Frist erforderlich ist. Fraglich ist weiter auch, ob die andere Umschreibung des Ausnahme- 9 falles in Art. 19 II 2 VvB („Verfolgung auf frischer Tat" statt „Gefahr im Verzuge") eine Veränderung der Rechtslage zur Folge hat. Es geht der Regelung des Art. 19 II 2 um die Lösung des gleichen Problems wie Art. 13 II G G , nämlich um die Abgrenzung der Zuständigkeit der einen Behörde (Richter) von derjenigen einer anderen Behörde (bei Art. 19 II 2: die Polizei, bei Art. 13 II: „alle anderen Organe"). Außerdem darf man wohl davon ausgehen, daß beide Bestimmungen nicht die Absicht haben, an der Regelung der Zuständigkeit die Erfüllung der konkret wahrgenommenen Aufgabe scheitern zu lassen. Also ist es sinnvoll, die Zuständigkeit des zumeist nicht am Ort des Geschehens befindlichen Richters nur dann durch diejenige der Verwaltungsbehörde, Staatsanwaltschaft oder Polizei zu ersetzen, wenn der Richter nicht rechtzeitig tätig werden kann, ohne das Erreichen des mit der Durchsuchung bezweckten Erfolges zu gefährden. Dies hat das G G mit dem in der Rechtssprache eingebürgerten und daher glücklichen Begriff der „Gefahr im Verzuge" zum Ausdruck gebracht, und dies hat auch die VvB mit der zugegebenermaßen weniger glücklichen Formulierung „bei Verfolgung auf frischer Tat" zum Ausdruck bringen wollen. Die am Zweck dieser Vorschrift orientierte Auslegung ergibt also, daß mit der anderen Formulierung ein anderer Inhalt nicht gemeint war. Wenn von „Verfolgung auf frischer Tat" gesprochen wird, statt von „Gefahr im Verzuge", so liegt darin lediglich ein falscher Zungenschlag. Gemeint ist in beiden Fällen dasselbe. Schließlich wird man die Erwähnung nur der Polizei in Art. 19 II 2 10 auch nicht dahin deuten dürfen, daß für die Vornahme von Durchsuchungen ohne vorherigen richterlichen Durchsuchungsbefehl (Ausnahmefall) ein Zuständigkeitsmonopol der Polizei errichtet werden sollte mit der Folge, daß andere Behörden Durchsuchungen nur aufgrund eines bereits ergangenen richterlichen Durchsuchungsbefehles vornehmen dürfen; denn abgesehen davon, daß dies in der Praxis zu kaum erträglichen Konsequenzen und in vielen Fällen zur Vereitelung des Durchsuchungszweckes führen würde, wenn die Polizei nicht rechtzeitig zur Stelle ist, würde eine solche Auslegung den Zweck des Art. 19 II 2 VvB auch geradezu auf den Kopf stellen. Dieser besteht keineswegs darin, den Schutz vor mißbräuchlichen Durchsuchungen ausgerechnet bei der Polizei zu suchen, sondern dieser besteht darin, die Zulässigkeit von Durchsuchungen, die die Polizei ohne vorherigen richterlichen 131

Art. 20

Abschnitt II: D i e Grundrechte

Durchsuchungsbefehl vornimmt, an besondere Voraussetzungen zu binden, die für die anderen Behörden nicht gelten, nämlich an die Notwendigkeit einer nachträglichen richterlichen Genehmigung binnen 48 Stunden.

Artikel 2 0 (1) Die ungestörte Religionsausübung ist gewährleistet. (2) Rassenhetze und Bekundung nationalen oder religiösen Hasses widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen. Materialien 1. Zu I (Religionsausübung): Art. 4 I G G ; Art. 4 I B W V ; Art. 107 I bis III B V ; Art. 4 V H B ; Art. 9, 48 HV; Art. 8 VRP; Art. 4, 35 VS. 2. Zu II (Rassenhetze etc.): Art. 119 B V

Erläuterungen 1

Die Verbürgung des Grundrechtes auf Freiheit der Religionsausübung (Abs. 1) stimmt wörtlich und inhaltlich mit Art. 4 II G G überein, es kann daher insoweit auf die Kommentarliteratur zu dieser Bestimmung des G G verwiesen werden. 2 Anders als nach dem G G steht das Berliner Grundrecht auf Religionsausübungsfreiheit jedoch unter dem einfachen und globalen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II, den der Berliner Gesetzgeber freilich nur insoweit auszuschöpfen in der Lage ist, als er damit nicht gegen die aus Art. 1 III G G folgende „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" verstößt. Da das Bundesgrundrecht nicht unter einem ausdrücklichen Einschränkungsvorbehalt steht und folglich nur in dem Bereich außerhalb der sog. „immanenten" Grenzen einschränkbar ist, vermag der einfache Landesgesetzgeber auch nur in diesem Bereich, von dem Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II Gebrauch zu machen. 3

Abs. 2 enthält einen Einschränkungsvorbehalt, der den globalen Gesetzesvorbehalt in zweierlei Beziehungen modifiziert: Zum einen ist der einfache Gesetzgeber nicht mehr frei in der Entscheidung über das „ O b " der Einschränkung, der verfassungsermächtigende Einschränkungsvorbehalt verwandelt sich also in einen verfassungsanordnenden. Zum 132

Völkerfrieden, Kriegsdienstverweigerung (Schwan)

Art. 21

anderen ist er auch nicht mehr frei in der Entscheidung über das „Wie" der Einschränkung; denn er hat die in Art. 20 II genannten Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, soweit ihm dafür die Regelungskompetenz zusteht (vgl. dazu Art. 74 Nr. 1 G G , § 2 I EGStGB). Abs. 2 betrifft jedoch nicht nur das Grundrecht aus Abs. 1 auf Religionsausübungsfreiheit, sondern auch andere Freiheitsgrundrechte, z. B. das auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 8). Auch bei diesen Grundrechten ist der Landesgesetzgeber nur insoweit befugt und verpflichtet, dem Regelungsauftrag des Art. 20 II nachzukommen, als sich ein dafür passender Einschränkungsvorbehalt bei dem entsprechenden Bundesgrundrecht findet. Bei der Meinungsäußerungsfreiheit findet sich ein solcher z. B. in Art. 5 II GG („allgemeine Gesetze" und „Recht der persönlichen Ehre").

Artikel 21 (1) Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen. (2) Jedermann hat das Recht, Kriegsdienste zu verweigern, ohne daß ihm Nachteile entstehen dürfen. Materialien 1. Zu I (Friedliches Zusammenleben): Art. 26 GG; Art. 3 I B W V 2. Zu II (Kriegsdienstverweigerung): Art. 4 III GG; Art. 3 II BWV

Erläuterungen Die Regelung in Abs. 1 entspricht weitgehendst Art. 26 GG. Sie ent- 1 hält ähnlich wie Art. 20 II einen Einschränkungsvorbehalt für alle betroffenen Freiheitsgrundrechte. Dieser Einschränkungsvorbehalt ist gegenüber dem einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II dadurch qualifiziert, daß er dem Gesetzgeber eine Regelungs- und damit eine Einschränkungspflicht auferlegt und daß diese Pflicht darin besteht, eine Strafsanktion zu schaffen. Rechtliche Relevanz hat die Vorschrift jedoch kaum, da die Regelungskompetenz auf diesem Gebiete beim Bunde liegt (vgl. Art. 73 Nr. 1 G G [auswärtige Angelegenheiten], Art. 74 Nr. 1 GG) und dieser hiervon auch Gebrauch gemacht hat (vgl. §§ 80, 80a, StGB). 133

Art. 22

Abschnitt II: Die Grundrechte

Die Regelung der Kriegsdienstverweigerung (Abs. 2) hat in Berlin z. Z. keine rechtliche Relevanz, weil die Wehrpflichtgesetze des Bundes nicht nach Berlin übernommen worden sind und daher in Berlin eine Wehrpflicht nicht besteht. Im übrigen entspricht die Regelung weitgehendst derjenigen des Art. 4 III GG. Es fehlt jedoch die Bindung an die Gewissensentscheidung. Nach Berliner Recht wäre im Falle der Einführung der Wehrpflicht eine Verweigerung des Kriegsdienstes folglich auch dann zulässig, wenn dies nicht auf einem Befehl des Gewissens beruht. Außerdem enthält die VvB anders als das G G auch das Verbot einer jeden an die Kriegsdienstverweigerung anknüpfenden Benachteiligung. Der sog. Wehrersatzdienst würde daher mit der VvB nicht vereinbar sein. Zu beachten ist jedoch, daß die VvB den einfachen Bundesgesetzgeber nicht zu binden vermag (vgl. VorArt. 6, Rdn. 12).

Artikel 22 (1) Der Sonntag und die gesetzlichen Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe geschützt. (2) Der 1. Mai ist gesetzlicher Feiertag. Materialien Vgl. a) Zu Art. 2 2 1 (Sonn- und Feiertage): Art. 140 G G i. V. m. Art. 139 W R V ; Art. 3 I B W V ; Art. 147, 174 BV; Art. 55 I I I - V V H B ; Art. 31 S. 2 und 3, Art. 33 S. 3, 53 HV; Art. 2 5 1 V N R W ; Art. 47, 5 7 1 2 und 3, III VRP; Art. 41 VS b) Zu Art. 2 2 1 1 ( 1 . Mai): Art. 140 G G i. V. m. Art. 139 W R V ; Art. 3 II B W V ; Art. 174 II B V ; Art. 55 V H B ; Art. 3 2 HV; Art. 25 II V N R W ; Art. 57 II V R P

Erläuterung 1

Der Sonntag und die gesetzlichen Feiertage sind bereits durch Art. 140 G G i. V. m. Art. 139 WRV als Arbeitsruhetage geschützt. Art. 139 WRV benennt die gesetzlichen Feiertage jedoch nicht, so daß hierfür die Landesgesetzgebung insoweit zuständig ist, als nicht Bundesrecht eine Regelung getroffen hat. (Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für weltliche gesetzliche Feiertage vgl. Maunz, MDHS, Art. 140 GG, Art. 139 W R V Rdn. 1; für den 1. Mai folgt die Bundeskompetenz aus Art. 74 134

Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan)

Art. 23

Nr. 12 GG, für den 17. Juni aus der Zuständigkeit für gesamtdeutsche Fragen, vgl. B V f G E 12, 205, 241). Art. 74 Nr. 12, für den 17. Juni aus der Zuständigkeit für gesamtdeutsche Fragen, vgl. BVfGE 12, 205, 241.) Durch Bundesrecht sind der 1. Mai und der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit" (Bundesgesetz vom 4. 8. 53, BGBl. I S. 778) zu gesetzlichen Feiertagen bestimmt worden. Art. 22 I benennt ebensowenig wie Art. 139 W R V die gesetzlichen Feiertage. Die Festsetzung bleibt daher dem ausführenden Gesetz überlassen. Art. 22 I enthält somit keine Gewährleistung für das Fortbestehen bestimmter gesetzlicher Feiertage. Von Verfassungs wegen als Arbeitsruhetage geschützt sind nur solche Tage, die als Feiertage durch Gesetz festgesetzt sind. Allerdings ist darüber hinaus auch die Institution der gesetzlichen Feiertage in der Weise gesichert, daß der Gesetzgeber nicht schlechthin alle Feiertage und damit das Institut selbst beseitigen darf. Der 1. Mai ist von einem mit klassenkämpferischer Tendenz ausge- 2 statteten Tag zu einem Weltfeiertag aller Arbeitnehmer geworden (vgl. Stenogr. Ber., sub I 3 a). Art. 22 II ist wie die entsprechenden Bestimmungen in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen dahingehend zu verstehen, daß dieser Feiertag Sinnbild für soziale Gerechtigkeit, des Bekenntnisses zu Freiheit, Frieden, Völkerversöhnung und Menschenwürde sein soll. Subjektive Rechte sind Art. 22 lediglich hinsichtlich der Sonntage und 3 des 1. Mai zu entnehmen. Hinsichtlich der gesetzlichen Feiertage besteht dagegen nur ein Auftrag an den Gesetzgeber zur Regelung. Das Bln. Gesetz über die Lohnzahlungen an Feiertagen ist durch das aufgrund von Art. 74 Nr. 11 und 12 G G ergangene Bundesgesetz über die Lohnzahlungen an Feiertagen vom 2. 8. 1951 (BGBl. I, S. 479) gegenstandslos geworden.

Artikel 23 (1) Die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte sind für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung verbindlich. (2) Einschränkungen der Grundrechte sind durch Gesetz nur insoweit zulässig, als sie nicht den Grundgedanken dieser Rechte verletzen. (3) Werden die in der Verfassung festgelegten Grundrechte offensichtlich verletzt, ist jedermann zum Widerstand berechtigt. 135

Art. 23

Abschnitt II: Die Grundrechte

Materialien Vgl. 1. Zu I (Verbindlichkeit der Grundrechte): Art. 1 III GG; Art. 2 0 VHB; Art. 26 HV; Art. 21 VS 2. Zu II (Globalvorbehalt): Art. 98 Satz 2 B V 3. Zu II („Grundgedanken"): Art. 19 II GG; Art. 63 H V 4. Zu III (Widerstandsrecht): Art. 2 0 I V GG; Art. 19 VHB, Art. 147 H V

Erläuterungen 1

Abs. 1 will ebenso wie Art. 1 III G G sicherstellen, daß die Grundrechte nicht wiederum von der Rechtsanwendung zu bloßen Programmsätzen verniedlicht werden. Es ergibt sich daraus zweifelsfrei, daß die Verfassung die Grundrechte als subjektiv-öffentliche und vor Gericht einklagbare Individualrechte verstanden wissen will. In diesem Sinne benützt sie den Begriff „Grundrecht". Die Bedeutung der Grundrechte als bloße Einrichtungsgarantien, die lediglich reflexartig subjektive Rechte erzeugen, ist daher zumindest im Prinzip ebenso abzulehnen wie die Deutung der Grundrechte als „prägungsbedürftige" (Freiheits-)Verbürgungen; denn auch bei dieser Deutung bestehen subjektive Rechte nicht schon aufgrund des Verfassungsrechtes, sondern erst infolge der „Prägung" durch den einfachen Gesetzgeber. Der einfache Gesetzgeber ist bei dieser Deutung also nicht - wie Abs. 1 es jedoch verlangt - an die Grundrechte gebunden, sondern er ist deren „Schöpfer" und somit „Herr" über sie. Allenfalls als Ergänzung der von Abs. 1 befohlenen subjektiv-rechtlichen Deutung der Grundrechte ist der Gedanke der institutionellen Auslegung verwendungsfähig. Gegen „komplementäre" Einrichtungsgarantien ist daher nichts einzuwenden. Dies gilt jedenfalls so lange, als diese nicht als Einschränkungsvorbehalte oder Spezialregelungen im Verhältnis zu den grundrechtlichen Individualrechten verstanden werden.

Etwas anderes gilt freilich für die sozialen Teilhabe-Grundrechte; denn diese können wegen ihrer Ressourcenabhängigkeit aus der Natur der Sache heraus von der Verfassung nicht als unmittelbar und ohne weitere Voraussetzungen vor Gericht einklagbare Individualrechte gemeint sein. Bei diesen Grundrechten steht daher der Deutung als Einrichtungsgarantie oder als Prägungsermächtigung nichts im Wege. 2 Abs. 2 enthält zunächst einen für alle Freiheitsgrundrechte geltenden und daher „globalen" einfachen, d. h. nichtqualiiizierten Gesetzesvorbehalt, der freilich z. T. durch Spezialregelungen bei den einzelnen Freiheitsgrundrechten verdrängt wird. Das System der Berliner Grundrechte 136

Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan)

Art. 23

ist also ein ganz anderes als dasjenige der Bundesgrundrechte. Während der Grundgesetzgeber bemüht war, den Widerstreit zwischen Freiheit und deren notwendigen Begrenzungen einem bei dem jeweiligen Grundrecht zu findenden und auch gegenüber dem einfachen Gesetzgeber möglichst weitgehend vorprogrammierten Kompromiß zuzuführen, hat der Landesverfassungsgeber die Lösung dieses Konfliktes mit dem Globalvorbehalt des Art. 23 II grundsätzlich dem einfachen Gesetzgeber überantwortet, der nur dort einer strengeren Bindung unterliegt, wo der Globalvorbehalt durch einen qualifizierten Spezialvorbehalt verdrängt wird. In dieser Beziehung gleicht die Berliner Rechtslage derjenigen der Bayerischen Verfassung (vgl. Art. 98 S. 2 BV). Sodann enthält Abs. 2 aber auch die Garantie des „Grundgedankens" 3 der Grundrechte und damit eine Schrankenschranke für die Einschränkung der Freiheitsgrundrechte, die der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II G G schon rein äußerlich sehr ähnlich ist. Hier wie dort stellt sich jedoch die Frage, wie diese Vorschrift auszulegen ist, was man unter „Wesensgehalt" bzw. „Grundgedanken" zu verstehen hat. In dieser Beziehung haben Rechtsprechung und Lehre eine allgemein anerkannte Lösung, einen Konsens bekanntlich noch nicht herzustellen vermocht. (Zu Recht diagnostiziert Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 103, in diesem Zusammenhang einen „tiefgreifenden dogmatischen Dissens".) Es sollen deshalb hier die verschiedenen zu Art. 19 Abs. 2 G G vertretenen Auffassungen vorgestellt und zugleich die Frage beantwortet werden, ob eine dieser Deutungsweisen der Auslegung auch des Art. 23 II VvB dienlich zu sein vermag. Sicher nicht gemeint ist bei der Wesensgehaltsgarantie und bei der Garantie der „Grundgedanken" der Fortbestand der einzelnen objektiven Grundrechtsnorm; denn diese vermag ohnehin nur der verfassungsändernde Gesetzgeber anzutasten, und dessen Möglichkeiten und Begrenzungen sind in beiden Verfassungen an ganz anderer Stelle geregelt (Art. 79 G G , Art. 88 VvB). Die systematische Auslegung ergibt daher, daß sich Art. 19 II G G und Art. 23 II VvB nicht gegen den verfassungsändernden, sondern gegen den einfachen Gesetzgeber richten (so auch Erichsen, NJW 1976, S. 1721,1722). Unzutreffend dürfte weiter auch die vor allem von Dürig (AöR 83, S. 117ff, 156, 136ff; vgl. auch Grabitz, aaO, S. H O f ; Sturm, Festschrift für Geiger, S. 189; BVwG, D Ö V 1975, S. 421, 427) vertretene Auffassung sein, nach der unter „Wesensgehalt" i. S. des Art. 19 II G G die schon durch Art. 1 I G G geschützte Menschenwürde zu verstehen ist; denn diese Auslegung läßt Art. 19 II G G als überflüssig erscheinen. Zwar ist in dieser Beziehung die Rechtslage nach der VvB deswegen etwas anders, weil die Garantie der Menschenwürde darin nicht aus137

Art. 23

Abschnitt II: Die Grundrechte

drücklich enthalten ist. Sie gilt jedoch über die Homogenitätsklausel des Art. 28 I G G auch als Bestandteil des Berliner Verfassungsrechtes, weil sie zum Kernbestand des in dieser Klausel erwähnten Rechtsstaatsprinzipes gehört. Letztlich bedarf es also auch nach Berliner Recht nicht einer Regelung wie derjenigen des Art. 23 II, damit die Menschenwürdegarantie gilt und die Funktion einer Schrankenschranke der Freiheitsgrundrechte zu übernehmen vermag. Desgleichen wird hier auch die sog. absolute subjektiv-rechtliche Deutung des Art. 19 II GG und des Art. 23 II VvB abgelehnt, nach der diese Bestimmungen bewirken, daß ein konkretes subjektives Grundrecht eines bestimmten Grundrechtsträgers, wie sehr es auch immer eingeschränkt werden mag, niemals so weit eingeschränkt werden darf, daß von ihm nichts mehr übrigbleibt, sondern daß immer irgend etwas, ein „Torso" (vgl. Jäckel, Grundrechtsgeltung und Grundrechtssicherung, S. 53; O V G Münster, O V G E 8, 277, 290; BVwGE 1, 269, 273), übrigbleiben muß, der das eigentlich Essentielle des Grundrechtes darstellt, nämlich dasjenige, um dessentwillen das Grundrecht gewährleistet worden ist; denn diese Auslegung mag sich zwar sehr rechtsstaatlich anhören, sie bricht sich jedoch an der Rechtswirklichkeit, weil sie zu nicht akzeptablen Ergebnissen führt. Es gibt in der Landschaft der Grundrechtseingriffe zahlreiche Grundrechtsbeschneidungen, die einerseits sehr wohl bis auf den „Nullpunkt" gehen, die andererseits aber auch nicht verzichtbar sind. Als Beispiele wären hier etwa zu nennen die lebenslängliche Haft oder Sicherungsverwahrung, die Briefzensur, das Abhören von Telefonen, die (totale) Durchsuchung von Wohnungen, der - gezielte oder auch nicht gezielte - tödliche Schuß. Schließlich ist auch die sog. relative subjektiv-rechtliche Deutung dieser Vorschriften abzulehnen, nach der ein Grundrecht lediglich dann in seinem Wesensgehalt bzw. Grundgedanken angetastet ist, wenn es durch den Eingriff stärker eingeschränkt wird, als dies der sachliche Anlaß und Grund, der zu dem Eingriff führt, zwingend gebietet (so z. B. BGH, D Ö V 1953, 370f; w. Nachw. b. Erichsen, NJW 1976, 1721, 1722, Fn. 13). Nach dieser Auffassung ist also die Wirkungsweise der Art. 19 II G G und Art. 23 II VvB identisch mit derjenigen der Übermaßverbotsgrundsätze, so daß diese Vorschriften „nur mehr tautologische Bedeutung" (Grabitz, aaO, S. 105) haben und im Grunde neben dem ohnehin als Teil des Rechtsstaatsprinzipes geltenden Übermaßverbot überflüssig sind. Für zutreffend wird hier jedoch diejenige Auslegung des Art. 19 II G G gehalten, die unter dem „Wesensgehalt" eines Grundrechtes dessen soziale Flächenwirkung (vgl. Herzog, Festschrift für Hirsch, S. 72ff), 138

Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan)

Art. 23

d. h. die „Lebenssachverhaltsgarantie" eines bestimmten faktischen Gesellschaftszustandes versteht (so die wohl h. L. vgl. Lerche, Ubermaß und Verfassungsrecht, S. 239 ff; derselbe Gutachten z. Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 37 f; Erichsen, NJW 1976, 1724; Quaritsch, EvStL, Art. Grundrechte; J. H. Kaiser, Verfassungsrechtliche Eigentumsgewähr, S. 40ff; Jäckel, aaO, S. 57, 59 f, 65, 91, 109, l l l f f , 115; Abel, Einrichtungsgarantien, S. 38f; Rüfner, A ö R 89, 283; H. Rupp, Beweisverbote, Gutachten 46. DJT, S. 165ff, 188; H. H. Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 112ff. Ausführlich zu den Problemen des Art. 19 G G demnächst Schwan, Die Grenzen der grundrechtlichen Abwehrrechte). Der „Wesensgehalt" bzw. der „Grundgedanke" eines Grundrechtes 4 sind bei dieser Auslegung nicht schon dann angetastet, wenn ein einzelnes, individuelles Grundrecht bis auf den Nullpunkt eingeschränkt wird, sondern erst dann, wenn einer Grundrechtsbestimmung keine faktische gesellschaftliche Relevanz mehr zukommt, wenn die Bedeutung einer Grundrechtsbestimmung für die Gesellschaft im ganzen aufgehoben ist. Die Wesensgehaltsgarantie und die Garantie des Grundgedankens richten sich danach nicht so sehr gegen den einzelnen individuellen Grundrechtseingriff, sondern sie richten sich gegen das globale Abwürgen der Freiheit und den massenhaften Flächenangriff auf die Grundrechte, wie er für totalitäre Staatsordnungen typisch ist. Diese an den Gedanken der institutionellen Garantie anknüpfende Auslegung bietet ein Plus an Freiheitssicherung, sie gibt dem Art. 19 II G G eine eigene Bedeutung, sie bricht sich nicht an zwingenden Erfordernissen der Rechtswirklichkeit und sie ist sowohl mit Wortlaut wie Zweck des Art. 19 II G G vereinbar. Letzteres gilt m. E. auch für Art. 23 II VvB, so daß ich keine Bedenken sehe, die Garantie des „Grundgedankens" eines jeden Grundrechtes in der gleichen Weise auszulegen. Das Widerstandsrecht des Art. 23 III geht über dasjenige des Art. 20 5 IV G G hinaus und gestattet den Ungehorsam gegenüber den Gesetzen und anderen Staatsakten der Landesstaatsgewalt nicht erst dann, wenn es jemand unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, sondern schon dann, wenn die in der VvB niedergelegten Grundrechte offenkundig verletzt werden. Es hat unmittelbare Drittwirkung nur dort, wo auch das verletzte Grundrecht eine solche hat. Im übrigen richtet es sich natürlich nur gegen die Landesstaatsgewalt. Ebenso wie bei Art. 20 IV G G ist Widerstand nur als ultima ratio zulässig. Außerdem unterliegen die einzelnen Arten bzw. Formen des Widerstandes den Grundsätzen des Übermaßverbotes.

139

Art. 24

Abschnitt II: Die Grundrechte

Artikel 24 Auf die Artikel 8 und 18 darf sich nicht berufen, wer mißbräuchlich die Grundrechte angreift oder gefährdet, insbesondere wer nationalsozialistische oder andere totalitäre oder kriegerische Ziele verfolgt. Materialien Vgl. Art. 18 GG; Art. 158 BV; Art. 17, 146 HV; Art. 10, 133 VRP; Art. 10 VS

Erläuterungen 1

Die Vorschrift enthält eine Regelung der sog. „streitbaren Demokratie". Grundrechtstechnisch verbirgt sich darin wohl nicht eine einengende Verbürgungsgrenze der dort bezeichneten Freiheitsgrundrechte (Art. 8 und 18), sondern ein verfassungsanordnender und qualifizierter Einschränkungsvorbehalt, der sich bei genauerem Hinsehen als ein Gesetzesvorbehalt erweist; denn man wird wohl kaum annehmen dürfen, daß Art. 24 eine Spezialregelung auch im Verhältnis zu dem in Art. 45 I enthaltenen Vorbehalt des Gesetzes darstellt. Also bedarf es auch für Grundrechtseingriffe auf Grund oder im Rahmen des Art. 24 zunächst einer einfach-gesetzlichen Eingriffsermächtigung (so in bezug auf den ähnlichen Art. 158, 2 BV, auch Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 95, 117). Art. 24 ist insofern auch als ein Gesetzgebungsauftrag aufzufassen. 2 Fraglich ist, ob Art. 24 sich im Tatbestand von Art. 18 GG unterscheidet. Zwar weichen die Formulierungen dieser beiden Vorschriften ganz erheblich voneinander ab. Wenn Art. 24 jedoch von mißbräuchlichem Angriff oder mißbräuchlicher Gefährdung von Grundrechten spricht, so dürften damit nicht die subjektiven Grundrechtsansprüche des einzelnen gemeint sein, denn diese können auf der Ebene des Zivilrechtes ohnehin nicht angegriffen oder gefährdet werden, weil sie dort nicht gelten (keine Drittwirkung), sondern dann dürften damit die Grundrechte als Institution, als wesentliche Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung gemeint sein. Dies ergibt sich auch aus dem für den Angriff und die Gefährdung ausdrücklich genannten Beispiel der Verfolgung nationalsozialistischer oder anderer totalitärer oder kriegerischer Ziele. Dies stellen Angriffe dar, die sich typisch gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung" (vgl. Art. 18 GG) richten und die Grundrechte als Institution bedrohen. 3 Im übrigen ist zu beachten, daß die staatlichen Eingriffe, die unter Berufung auf Art. 24 Freiheitspositionen der Bürger beschneiden, sich 140

Grundrechtsmißbrauch (Schwan)

Art. 24

auch an den Freiheitsgrundrechten des G G messen zu lassen haben. Das G G hat jedoch den Gedanken der Mißbrauchswehr zum Zwecke der Abwehr von Angriffen gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung", zu der auch die Institution der Grundrechte als eines der wesentlichsten Instrumente der Freiheitssicherung zählt, in Art. 18 GG speziell geregelt und dort ein Entscheidungsmonopol des BVfG begründet, das auch dann zu beachten ist, wenn wegen Verletzung des Art. 24 die Freiheit des verfassungsfeindlichen Bürgers beschnitten werden soll. Dieser kann sich dann zwar nicht mehr auf die Grundrechte aus Art. 8 und 18 VvB berufen, die die gleichen menschlichen Verhaltensweisen schützenden Art. 5 I, 8 und 9 G G dürfen jedoch nur dann als verwirkt angesehen werden, wenn das BVfG eine Verwirkungsentscheidung getroffen hat. Der Verlust der Grundrechte aus Art. 8 und 18 VvB ist also nicht notwendig von dem Verlust der entsprechenden Grundrechte aus Art. 5 I, 8 1 , 9 I G G begleitet.

141

Abschnitt III Die Volksvertretung Artikel 25 (1) Das Abgeordnetenhaus ist die von den wahlberechtigten Deutschen gewählte Volksvertretung. (2) Das Abgeordnetenhaus besteht aus mindestens 200 Abgeordneten.

Materialien 1. Vgl. Art. 38 I GG; 27 VBW; 13 BV; 75 VHB; 6 VHH; 75 HV; 3 VNV; 30 VNW; 79 VRP; 67 VS; 9 LS 2. W G B Art. 2 III, 4 3. Änderungen: ÄndG VvB vom 28. 3 . 1 9 5 8 (GVB1. S. 308).

Erläuterungen 1 Die Bezeichnung „Abgeordnetenhaus" weicht von denen der westdeutschen Volksvertretung ab. Die meisten Volksvertretungen führen die Bezeichnung „Landtag". Lediglich in den früheren Hansestädten - jetzt Ländern - Bremen und Hamburg heißen die Parlamente „Bürgerschaft". Durch die Bezeichnung „Abgeordnetenhaus" wird die Doppelfunktion als Landesparlament mit zusätzlichen kommunalen Aufgaben (vgl. Art. 1 I, 3 II) nicht deutlich. Die Bezeichnung entspricht auch nicht der Berliner Tradition. Die Volksvertretung der preußischen Stadt Berlin, die nur kommunale Aufgaben wahrzunehmen hatte, hieß, seit der Städteordnung von 1808, Stadtverordnetenversammlung. 2 Als Berlin 1945 durch die faktische Auflösung Preußens automatisch den Status eines deutschen Landes bekam, wurde durch die W G B diese Bezeichnung für die Volksvertretung von Groß-Berlin beibehalten. Die S t W wurde am 20. 10. 1946 in Groß-Berlin gewählt. Nach der politischen Spaltung im November 1948 fand die Wahl am 5. 12. 1948 nur in den drei Westsektoren statt. Nach der preußischen Verfassung vom 5. 12. 1848 (sog. oktroyierte 142

Abgeordnetenhaus (Magen)

Art. 25

Verfassung) f ü h r t e die von den männlichen Staatsbürgern in indirekter, ungleicher (Drei-Klassen-Wahlrecht) und öffentlicher Wahl gewählte zweite K a m m e r die Bezeichnung „ H a u s der A b g e o r d n e t e n " . Bis,zur Verfassungsänderung vom 28. 3. 1958 lautete Art. 25 Abs. 1: 3 „(1) Das Abgeordnetenhaus ist die von den wahlberechtigten deutschen Staatsangehörigen gewählte Volksvertretung."

D a nach dem G G das Staatsvolk sich nicht - wie sonst allgemein üblich - auf die Staatsangehörigen beschränkt, sondern Art. 116 I G G den Begriff des Deutschen eingeführt hat, mußte die VvB geändert werden. Deutsche im Sinne des Art. 116 I G G sind nicht nur die deutschen Staatsangehörigen, sondern auch die Flüchtlinge oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, deren Ehegatten oder Abkömmlinge, die in d e m Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. 12. 1937 A u f n a h m e gefunden haben. Dieser erweiterte Personenkreis gehört zum Staatsvolk und genießt in der ganzen Bundesrepublik volle staatsbürgerliche Rechte. Ausländer und Staatenlose können sich daher nicht an den Wahlen in Berlin beteiligen. Bei der Beratung der VvB war man sich einig, daß die bisherige Zahl 4 von 130 Stadtverordneten f ü r die Bewältigung der Aufgaben eines Landesund Stadtparlaments nicht ausreichen werde (vgl. Landsberg/Götz S. 75). Die Hauptarbeiten eines Parlaments werden nicht in den Plenarsitzungen, sondern in den Ausschüssen erledigt. Alle Fraktionen eines Parlaments sind daher darauf angewiesen, eine ausreichende Anzahl fachlich qualifizierter Abgeordneter in die Ausschüsse entsenden zu können. A u ß e r d e m geht die VvB davon aus, d a ß sie in ganz Berlin gilt. D a dies 5 jedoch faktisch nicht der Fall ist, reduziert sich die Zahl von mindestens 200 Abgeordneten auf diejenige Anzahl, die der Bevölkerungsrelation zwischen Berlin (West) und Ost-Berlin entspricht (§ 10 L W G ) . U m der Gefahr der Beschlußunfähigkeit und mangelnden Mehrheit zu entgehen, wurden verschiedene Art. der VvB dahingehend geändert, d a ß es n u n m e h r statt „. . . aller . . ." oder „. . . anwesenden . . ." heißt „. . . von den gewählten" Abgeordneten (vgl. Landsberg/Götz S. 20; vgl. Art. 31, 39, 42 III, 44 II, 69 II, 83, 88). So betrug die Mindestzahl bei den Wahlen zum AvB 1958: 133; 1963 und 1967: 134; 1971 und 1975: 133. Vergleicht man die Mindestanzahl der Abgeordneten in den westdeutschen Länderparlamenten im Verhältnis zur Einwohnerzahl, muß man feststellen, daß in Berlin die Relation besonders hoch ist (Bayern 204 zu 10,8 M i l l . / B a d e n - W ü r t t e m b e r g 120 zu 9,2 Mill./Bremen 100 zu 0,7 M i l l . / H a m b u r g 120 zu 1,7 Mill./Hessen 110 zu 5,6 Mill./Niedersachsen 155 zu 7,2 Mill./Nordrhein-Westfalen 200 zu 17,1 M i l l . / R h e i n 143

Art. 26

Abschnitt III: Die Volksvertretung

land-Pfalz 1 0 0 zu 3,7 Mill./Saarland 5 0 zu 1,1 Mill./Schleswig-Holstein: 73 zu 2,6 Mill.). D a das L W G seit 1 9 5 8 ein personalisiertes Verhältniswahlrecht vorsieht (vgl. Art. 2 6 ) , in dem sog. Überhangmandate durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden können, können weder die V v B noch das L W G eine feste Anzahl von Abgeordneten bestimmen, sondern nur die Mindestanzahl, die durch Überhang- und Ausgleichsmandate erhöht werden können. S o umfaßt das A v B vom 17. 2. 1963: 140, vom 12. 3. 1 9 6 7 : 137, vom 14. 3. 1 9 7 1 : 138 und vom 2. 3. 1 9 7 5 / 1 5 . 1. 1976: 147 Abgeordnete.

Artikel 2 6 (1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl auf die Dauer von vier Jahren gewählt. (2) Parteien, für die im Gebiet von Berlin insgesamt weniger als fünf v. H. der Stimmen abgegeben werden, erhalten keine Sitze zugeteilt, es sei denn, daß ein Bewerber der Partei einen Sitz in einem Wahlkreis errungen hat. (3) Wahlberechtigt sind alle Deutschen, die am Tage der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet und seit mindetens drei Monaten in Berlin ihren Wohnsitz haben. (4) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Tage der Wahl das 2 1 . Lebensjahr vollendet haben. (5) Alles Nähere, insbesondere über den Ausschluß vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit sowie über das Ruhen des Wahlrechts, wird durch das Wahlgesetz geregelt. Materialien 1. Vgl. Art. 38, 39 I GG; 26, 28, 30 I V B W ; 14, 16 I BV; 75 bis 78 VHB; 6, 10 I VHH; 7 5 , 7 9 HV; 3 1 , 3 4 VNW; 4 , 6 1 V N V ; 8 0 , 8 3 VRP; 65, 6 8 , 6 9 1 V S ; 9 LS 2. VVGB Art. 3 3. Änderungen: ÄndGVvB vom 28. 3. 1958 (GVB1. 308); 11. ÄndGVvB vom 17. 7. 1969 (GVB1. 1029); 16. ÄndGVvB vom 20. 2. 1974 (GVBI. 450); 18. ÄndGVvB vom 20. 6 . 1 9 7 7 (GVBI. S. 1126)

Erläuterungen 1 Die ursprüngliche Fassung des Artikels 2 6 lautete: (1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl auf die Dauer von vier Jahren gewählt.

144

Wahlrecht (Magen)

Art. 26

( 2 ) Wahlvorschläge können nur von politischen Parteien eingereicht werden. Auf Wahlvorschläge, für die im Gebiet von Berlin insgesamt weniger als fünf vom Hundert der Stimmen abgegeben werden, entfallen keine Sitze. ( 3 ) Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsangehörigen, die am Tage der Wahl das 2 0 . Lebensjahr vollendet und seit mindestens sechs Monaten in Berlin ihren Wohnsitz haben. ( 4 ) V o m Wahlrecht ausgeschlossen ist, wer entmündigt, wegen Schwachsinns unter Vormundschaft gestellt oder nicht im Besitz der staatsbürgerlichen Rechte ist. ( 5 ) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Tage der Wahl das 2 5 . Lebensjahr vollendet haben. ( 6 ) Alles Nähere wird durch das Wahlgesetz geregelt.

Durch die erste Änderung vom 28. 3. 1958 sind die Abs. 2 bis 5 geändert worden. Durch die Änderung des Abs. 2, der der bis Juni 1977 geltenden Fassung entspricht, wurde die verfassungsrechtliche Grundlage für die Einführung des personalisierten Verhältniswahlrechts geschaffen (vgl. Rdn. 12). Durch die Änderung des Abs. 3 wurde die Wahlberechtigung auf den Kreis der Deutschen im Sinne des Art. 116 I G G erweitert (vgl. Art. 25, Rdn. 3). Der Abs. 4, der die Ausschlußvoraussetzungen vom Wahlrecht enthielt, wurde gestrichen. Der neue Abs. 5 enthält eine Erweiterung des bisherigen Abs. 6. Durch die Verfassungsänderung vom 17. Juli 1969 wurde das aktive Wahlalter auf die Vollendung des 18. und das passive Wahlalter auf die Vollendung des 23. Lebensjahres herabgesetzt. Durch die Verfassungsänderung vom 20. Februar 1974 wurde die bis dahin geltende Sechsmonatsfrist in Abs. 3 auf eine Dreimonatsfrist verkürzt und im Abs. 4 das passive Wahlalter auf die Vollendung des 21. Lebensjahres herabgesetzt. Durch die Verfassungsänderung vom 20. Juni 1977 wurde das Monopol der politischen Parteien für das Wahlvorschlagsrecht ersatzlos gestrichen (vgl. Rdn. 11). Grundsätzlich ist der Landesverfassungs- und Landesgesetzgeber frei 2 in der Ausgestaltung seines Landes- und Kommunalwahlrechts. Lediglich durch die sog. Homogenitätsklausel des Art. 28 I G G werden die Länder verpflichtet, die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl zu beachten. Abs. 1 enthält diese allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze und die Dauer der Wahlperiode. Er knüpft an Art. 22 W R V und an Art. 3 W G B an. In beiden Verfassungen vermißt man den Grundsatz der freien Wahl (vgl. aber Rdn. 8), der auch in einigen westdeutschen Landesverfassungen fehlt, während er im GG, in der VNV, der VNW und der VS enthalten ist. Unter allgemeiner Wahl versteht man, daß alle Staatsbürger, die die 3 allgemeinen Voraussetzungen für die Teilnahme an der Wahl erfüllen (z. B. Alter, Wohnsitzdauer) unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer 145

Art. 26

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Abschnitt III: D i e Volksvertretung

Bildung oder ihrem Einkommen wählen dürfen. Das Frauenwahlrecht gibt es in Deutschland erst seit 1918. Gleiche Wahl bedeutet, daß jeder Wahlberechtigte die gleiche Anzahl von Stimmen hat (Zählwert). Unterschiedlich kann jedoch der Erfolgswert einer Stimme sein; insbesondere beim Mehrheitswahlrecht ist eine Stimme erfolglos, wenn sie für einen nicht gewählten Bewerber abgegeben wird. Ebenso ist eine Stimme beim Verhältniswahlrecht erfolglos, wenn sie für einen Wahlvorschlag abgegeben wird, dessen Stimmenzahl nicht ausreicht, um die Sperrklausel (meist 5 %) zu überwinden. Dieser Grundsatz beinhaltet auch die Chancengleichheit für die an den Wahlen teilnehmenden Organisationen und Bewerber, insbesondere bei der Rundfunk- und Fernsehwerbung, bei der Überlassung von Versammlungsräumen und bei der Wahlwerbung im öffentlichen Bereich (z. B. Straßen). Allerdings kann nach § 5 des PartG durch eine sog. abgestufte Gleichbehandlung der Umfang der von den Trägern öffentlicher Gewalt den Parteien zur Verfügung geteilten Möglichkeiten nach der Zahl der Mandate, dem Ergebnis der letzten Wahl und der Größe der Organisation abgestuft werden (vgl. BVfGE 8, 68; 14, 132; 34, 163). Parteien, die im Bundestag in Fraktionsstärke vertreten sind, muß mindestens die Hälfte der Sendezeiten und Werbeflächen überlassen werden wie sie der stärksten Partei eingeräumt werden. Für andere Parteien, die sich an den Wahlen beteiligen, hat die Rechtsprechung ein Viertel anerkannt (OVG Berlin JR 1975,173). Die unmittelbare oder direkte Wahl bedeutet, daß der Wähler beim Personenwahlrecht unmittelbar Kandidaten und beim Listenwahlrecht unmittelbar Parteilisten persönlich wählt, ohne daß zwischen dem Willen des Wählers und der gewählten Person oder Liste der Wille von Wahlmännern zwischengeschaltet wird, wie z. B. beim preußischen Dreiklassenwahlrecht oder bei der amerikanischen Präsidentenwahl (vgl. B V f G E 3, 45; 7 , 6 3 ; 7 , 7 7 ; 21, 355). Der Grundsatz der geheimen Wahl bedeutet, daß sich der Wähler bei der Wahlhandlung ohne Kenntnisnahme durch andere Personen entscheiden kann. Um das Wahlgeheimnis zu wahren, findet der eigentliche Wahlakt in einer abgeschlossenen Wahlzelle statt, der Stimmzettel wird in einen Umschlag gelegt, dieser wiederum in eine verschlossene Urne. Dem Wähler steht es im Wahllokal nicht etwa frei, aus eigenem Entschluß offen zu wählen, weil es sich um ein Ordnungsprinzip handelt, dessen Einhaltung der Wahlvorstand überwachen muß (vgl. B V f G E 3, 19; 3, 383; 4, 375; 5, 77; 6, 121; 12, 33; 12, 135). Die nach dem gleichen Prinzip organisierte Briefwahl ist eine geheime Wahl und deshalb verfassungsmäßig (BVfGE 21, 205). 146

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Der über die Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG geltende Grundsatz der freien Wahl bedeutet, daß Wahlen ohne staatliche Beeinflussung und ohne massiven Druck Privater, die nicht an der Kandidatur beteiligt sind, stattfinden müssen. Die Dauer der Wahlperiode wird den Ländern im GG nicht vorgeschrieben, sie unterliegt der Gestaltungsfreiheit der Landesverfassung oder des Landesgesetzgebers. Da bei Ablauf der Legislaturperiode alle nicht vom Parlament erledigten Vorlagen nach dem Grundsatz der Diskontinuität bei dem neu gewählten Parlament erneut eingebracht und von Anfang an wieder beraten werden müssen, wird vielfach erwogen, die Wahlperiode zu verlängern, um umfangreichere Gesetzesvorhaben vor Ablauf der Legislaturperiode erledigen zu können. Schon jetzt beträgt die Legislaturperiode im Saarland und in Nordrhein-Westfalen fünf Jahre. Die Legislaturperiode beginnt in Berlin nach § 7 III (früher § 8 III) LWG mit dem ersten Zusammentritt des neu gewählten AvB und endet vier Jahre danach. Bei vorzeitiger Auflösung des AvB durch Selbstauflösung endet die Legislaturperiode am Tage der Selbstauflösung; bei Auflösung durch Volksentscheid mit Ablauf des Tages der amtlichen Bekanntmachung. Wird das AvB vor Ablauf der Legislaturperiode neu gewählt, ohne daß ein Selbstauflösungsbeschluß oder ein Volksentscheid dies bedingt haben, und tritt das neu gewählte AvB vor Ablauf der Legislaturperiode zusammen, so endet nach § 7 III (früher § 8 III) LWG die Legislaturperiode mit dem ersten Zusammentritt des neu gewählten AvB. Die Legislaturperiode des AvB hat auch Bedeutung für die der B W e n (vgl. Art. 54 und 55). Bis zur Verfassungsänderung im Juni 1977 normierte Art. 26 II 1 ein Monopol der politischen Parteien im Sinne des § 2 des PartG für Wah!vorschläge. Nach § 2 PartG ist eine Partei eine Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Parteien, deren Ziel es ist, sich nur an Kommunalwahlen zu beteiligen (sog. Rathausparteien), können keine Wahlvorschläge zum AvB einreichen, weil sie nicht als politische Parteien im Sinne des Art. 21 GG und des PartG gelten (BVfGE 6, 367). Aufgrund dieser Verfassungsbestimmung konnten daher Wählergemeinschaften, sonstige Gruppen 147

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Art. 26

Abschnitt III: Die Volksvertretung

und Einzelpersonen keine Wahlvorschläge einreichen. Art. 26 II 1 war Verfassungsbestimmung geworden, weil bei den Beratungen des Verfassungsentwurfs in der Berliner Stadtverordnetenversammlung die SED angeregt hatte, auch anderen Massenorganisationen (z. B. Gewerkschaften, Jugendorganisationen, Frauenverbände) das Wahlvorschlagsrecht einzuräumen. Diese Anregung ist in der D D R für die Wahlen zur Volkskammer späterhin verwirklicht worden. Um dieser Verfälschung vorzubeugen, hatten sich die demokratischen Parteien seinerzeit dahin verständigt, das Vorschlagsrecht auf politische Parteien zu beschränken. Nach der Wahl zum AvB am 2. März 1975 mußte sich das WPG Berlin mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift befassen, weil zwei Einzelbewerber, deren Wahlvorschläge vom Bezirkswahlausschuß Zehlendorf und vom Landeswahlausschuß nicht zugelassen worden sind, das WPG angerufen hatten. Durch die Entscheidung dieses Gerichts (NJW 76, 560) wurde die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf politische Parteien als nicht vereinbar mit Art. 28 I 2 G G erklärt. Danach muß das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Das W P G hat den Grundsatz der allgemeinen, gleichen und freien Wahlen durch das ausschließliche Vorschlagsrecht der Parteien für verletzt angesehen, weil diese Grundsätze es nicht zulassen, „parteiunabhängige aktive Bürger - sei es als einzelne, sei es als mehr oder weniger große Gruppe - von der Einreichung eines Wahlvorschlagsrechts auszuschließen". Das WPG hat zwar die herausragende Stellung der Parteien im politischen Bereich uneingeschränkt bejaht, ihnen jedoch eine monopolartige Stellung im politischen Willensbildungsprozeß abgesprochen. Auf Grund dieser Entscheidung mußten in den Wahlkreisen 2 und 3 des Wahlkreisverbandes Zehlendorf, in denen die Wahl zum Abgeordnetenhaus wegen Nichtzulassung der beiden Einzelbewerber für ungültig erklärt worden war, die Wahl unter Zulassung je eines Wahlvorschlages eines parteiunabhängigen Bewerbers am 25. Januar 1976 wiederholt werden. Auch das BVfG (E 41, 399) hat anläßlich seiner Entscheidung, daß parteiungebundene Einzelbewerber für die Bundestagswahl einen Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung haben, entgegen der Auffassung des BVwG (E 4 4 , 1 8 7 ) und Mußgnugs (JR 1976, 353) eine Monopolisierung des Wahlvorschlagsrechts bei den politischen Parteien für unzulässig und die Zulassung parteiunabhängiger Einzelbewerber für durch Art. 38 I G G geboten erachtet (ebenso Schachtschneider JR 1975, 89; Linck ZfP 1973,191; Seifert, BWG, 2. Aufl. 1965, S. 43). Das bin WPG ist kein Verfassungsgericht. Daher haben seine Entscheidungen keine allgemein verbindliche Wirkung (vgl. Art. 64 Rdn. 148

Wahlrecht (Magen)

Art. 26

9). Dennoch hat der Berliner Gesetzgeber, Art. 26 II und das L W G entsprechend dem Spruch des Wahlprüfungsgerichts geändert. Ferner ist das sog. personalisierte Verhältniswahlrecht (eine Mischung von Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht), wie es für die Bundestagswahlen und für die meisten Landtagswahlen vorgesehen ist, normiert. Dies ergibt sich aus der Festlegung der 5 %-Sperrklausel, die nur im Zusammenhang mit dem Verhältniswahlrecht verständlich ist, und aus dem Hinweis, daß mit einem Wahlkreissitz die Sperrklausel ebenfalls überwunden werden kann, was nur Sinn in bezug auf das Mehrheitswahlrecht hat. In Anlehnung an die W R V war man in Berlin im Gegensatz zu den meisten westdeutschen Ländern bereits mit der Vollendung des. 20. Lebensjahres wahlberechtigt. Durch die Verfassungsänderung vom 17. Juli 1969 wurde das aktive Wahlalter herabgesetzt. Wahlberechtigt sind nur Deutsche im Sinne des Artikels 116 I G G (vgl. Art. 25 Rdn. 3). Damit der Wähler sich mit den politischen Verhältnissen im Wahlgebiet vertraut machen kann, muß er, vom Wahltag zurückgerechnet, ununterbrochen mindestens drei Monate in Berlin seinen Wohnsitz haben. Unter Berlin im Sinne dieser Verfassungsvorschrift ist jeder Teil Groß-Berlins gemeint (vgl. Art. 2, Rdn. 1), so daß auf die Drei-MonatsFrist ein Wohnsitz in Ost-Berlin angerechnet wird; um für das AvB (und eine B W ) wahlberechtigt zu sein, muß am Wahltag allerdings ein Wohnsitz in West-Berlin bestehen. Unter Wohnsitz ist nicht der bürgerlich-rechtliche Wohnsitz im Sinne der §§ 7, 8 BGB gemeint, sondern der sog. wahlrechtliche Wohnsitz, der an das Melderecht anknüpft; dies ist rechtlich zulässig (OVG München in: Der Städtetag 1973, 29; BayVfGH D Ö V 1967, 797). Nach § 1 II LWG kann in Berlin nur jemand wählen, der hier mit Hauptwohnung im Sinne des Melderechts gemeldet ist. Eine Meldung mit Nebenwohnung in Berlin reicht für die Begründung des Wahlrechts nicht aus. Personen, die mehrere Wohnungen in Berlin unterhalten, können nur dort wählen, wo sie mit Hauptwohnung gemeldet sind. Für das passive Wahlrecht müssen alle Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts gegeben sein. Das Wählbarkeitsalter, das ursprünglich an die Vollendung des 25. Lebensjahres geknüpft war, ist nunmehr an die Vollendung des 21. Lebensjahres gebunden. Das LWG vom 29. 6. 1977 (GVB1. S. 1126) geht entspr. der VvB (vgl. Art. 4 Rdn. 1) und wie die früheren LWG von der Fiktion aus, daß Wahlen zum AvB und zu den B W in Groß-Berlin (Ost- und WestBerlin) durchgeführt werden können. Dies war jedoch nur am 20. Oktober 1946 möglich. Die folgenden Wahlen am 5. Dezember 1948, 3. 149

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Dezember 1950, 5. Dezember 1954, 7. Dezember 1958, 17. Februar 1963, 12. März 1967, 14. März 1971, 2. März 1975 fanden nur in WestBerlin statt. Die Wahlen 1946 und 1948 ( S t W - W a h l ) , 1950 und 1954 (AvBWahl) wurden nach dem reinen Listenwahlrecht durchgeführt. Erstmals am 7. Dezember 1958 wurde das personalisierte Verhältniswahlrecht praktiziert. Wegen der Verhinderung der Wahlen in Ost-Berlin müssen die mindestens zu wählenden 200 Abgeordneten entsprechend dem Verhältnis der Bevölkerungszahl von West-Berlin zu Ost-Berlin auf die beiden Teile der Stadt aufgeteilt werden. So entfielen 1958, 1971 und 1975 mindestens 133 Abgeordnete und 1963 und 1967 mindestens 134 Abgeordnete auf West-Berlin. Ebenso muß der Anteil der 120 Wahlkreise auf West-Berlin errechnet und durch den SvB auf die 12 Bezirke (Wahlkreisverbände) verteilt werden. Nach dem neuen LWG werden bei diesen Berechnungen Ausländer im Sinne des § 1 II AuslG nicht mehr berücksichtigt. Wegen des hohen Ausländeranteils muß dieses zwangsläufig zu einer Verminderung der Mindestzahl der WestBerliner Mandate (wahrscheinlich für die Wahl 1979: 126) und der auf West-Berlin entfallenden Wahlkreise (wahrscheinlich für die Wahl 1979: 76) führen. 17 Während das AvB von 1958 bis 1971 nach einem Verhältniswahlsystem ohne Liste gewählt wurde, sind seit 1975 für jeden der 12 Wahlkreisverbände Bezirkslisten eingeführt worden. Der Wähler hatte bisher nur eine Stimme, die für den Wahlkreiskandidaten zählte, zugleich aber auch für die Bezirksliste der Partei, die den Wahlkreisbewerber aufgestellt hatte. Nunmehr sieht das neue LWG eine sogenannte Erststimme des Wählers für einen Wahlkreisbewerber (parteigebunden oder parteiungebunden) und eine sogenannte Zweitstimme für eine Bezirksliste vor. Bezirkslisten können nur von politischen Parteien eingereicht werden. Der Wähler kann seine beiden Stimmen splitten, d. h., er kann mit seiner Zweitstimme die Bezirksliste einer anderen Partei wählen als die, der sein mit der Erststimme gewählter Wahlkreisbewerber angehört. 18 Die Zweitstimmen der Parteien werden auf Landesebene zusammengezählt und nach dem D'Hondtschen Höchstzahlverfahren auf die Parteien verteilt, die die 5 %-Sperrklausel überwunden oder mindestens in einem Wahlkreis nach der relativen Mehrheitswahl den Sieger gestellt haben. Dies so für jede Partei ermittelte Kontingent von Abgeordneten wird für jede Partei gesondert auf die 12 Wahlkreisverbände ebenfalls nach dem Höchstzahlverfahren D'Hondt verteilt. Von diesem für jede Partei und jeden Wahlkreisverband errechneten Kontingent werden die von den Parteien dort bereits in relativer Mehrheitswahl errungenen Mandate abgezogen. Stehen einer Partei dann noch in diesem Wahl150

Wahlrecht (Magen)

Art. 26

kreisverband Sitze zu, werden sie ihr aus der Bezirksliste zugeteilt. Hat eine Partei in einem Wahlkreisverband mehr erfolgreiche Wahlkreisbewerber gestellt als ihr nach dem Verhältniswahlrecht dort zustehen, so behält sie diese Mandate als sogenannte Überhangmandate, wodurch sich die Mindestzahl der zu wählenden Abgeordneten zwangsläufig erhöht. Damit der Proporz wieder hergestellt wird, muß im Fall des Anfalls von Überhangmandaten auf Landesebene eine Neuberechnung stattfinden, die u. U. in anderen Wahlkreisverbänden für andere Parteien zur Zuteilung von sogenannten Ausgleichsmandaten führen kann. So wurden bei der letzten Wahl am 2. März 1975 und bei der durch die Entscheidung des WPG in zwei Wahlkreisen des Wahlkreisverbandes Zehlendorf erforderlichen Wiederholungswahl insgesamt 14 Überhangund Ausgleichsmandate zugeteilt. Durch diesen Ausgleich wird das Berliner Wahlrecht außerordentlich kompliziert (vgl. weiter Magen, Grundriß des Staatsrechts, 6. Auflage 1976, S. 181 ff). Eine Vorschrift über das Ruhen des Wahlrechts sieht das neue LWG 19 in Anlehnung an die neue Fassung des BWG nicht mehr vor. Die Vorschriften über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat 20 (Inkompatibilität), die ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 137 G G haben, sind wegen der unterschiedlichen Regelungen für Beamte und Angestellte der Hauptverwaltung, des AvB und des L R H (inkompatibel) einerseits und für die Beamten und Angestellten der Bezirksverwaltungen und der mittelbaren Landesverwaltung (kompatibel) nicht bedenkenfrei. Die Beamten und Angestellten unterliegen bei der Erledigung von übertragenen Vorbehaltsaufgaben im Sinne des § 3 II A Z G einer Fachaufsicht nach § 8 A Z G , die der mittelbaren Landesverwaltung einer Staatsaufsicht nach § 28 A Z G . Im Falle einer parlamentarischen Tätigkeit kontrollieren diese Beamten und Angestellten die für die Fach- und Staatsaufsicht zuständigen Senatsmitglieder. Art. 137 G G ermächtigt den Gesetzgeber, nur die Wählbarkeit durch 20 a eine Inkompatibilitätsregelung für Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwillige Soldaten auf Zeit und Richter im Bund, in den Ländern und Gemeinden gesetzlich zu beschränken. Da dies eine Ausnahmeregelung ist, ist eine Ausdehnung des dort aufgeführten Personenbegriffs nicht zulässig. Daher steht dem Landesverfassungsgeber nicht das Recht zu, den Verlust eines Mandats für den Fall vorzusehen, daß ein Abgeordneter Mitglied der Regierung (des SVB) würde. Die Mitglieder des SvB stehen nach § 1 SenG in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land Berlin; sie sind also nicht Beamte im Sinne des LBG. Dem Berliner Landesgesetzgeber steht es jedoch frei, durch Änderung des LBG oder des SenG den Mitgliedern des SvB ausdrücklich die Beamteneigenschaft - allerdings dann auch mit 151

Art. 26

Abschnitt III: Die Volksvertretung

allen entsprechenden Konsequenzen - zu verleihen (so auch Maunz MDHS, Art. 137 Rdn. 4). Die Verknüpfung von Ministeramt und Abgeordnetenmandat entspricht jedoch dem hergebrachten Verständnis der parlamentarischen Demokratie (vgl. Schreiber, BWG, 1976, S. 427). In manchen Staaten ist sogar Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Regierung, daß das Regierungsmitglied dem Parlament angehört (z. B. Großbritannien; vgl. auch Art. 52 I V N W ) . 20 b Von dem vorstehenden Problem ist das sog. ruhende Mandat zu unterscheiden. Darunter versteht man eine gesetzliche Regelung, wonach mit der Annahme eines Regierungsamts durch ein Parlamentsmitglied für die Dauer der Zugehörigkeit zur Regierung das Parlamentsmandat entweder a) automatisch, kraft Gesetzes (so in Hamburg und Bremen) oder b) kraft Erklärung des Betreffenden (so in Rheinland-Pfalz und Hessen) ruht, mit der Folge, daß der nächste zu berufende Abgeordnete für die Zeit des Ruhens in das Parlament einrückt. In den Ländern Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz ist das ruhende Mandat in der Verfassung verankert, nicht jedoch im Land Hessen. Während der Weimarer Republik kannten die Länder Anhalt, Bremen, Lippe-Detmold, Lübeck, Mecklenburg-Strehlitz, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das ruhende Mandat (vgl. Braunius, Das parlamentarische Wahlrecht II, 1932, S. 16). In einer Entscheidung des H e S t G H v. 7. Juli 1977 auf Grund eines von 51 Mitgliedern des hessischen Landtages angestrengten Normkontrollverfahrens, wurde die entsprechende Vorschrift über das ruhende Mandat im LWG als mit der H V nicht vereinbar und daher für nichtig erklärt. Der HeStGH hat die Grundsätze der unmittelbaren, gleichen und freien Wahlen durch diese Regelung als verletzt angesehen. Die Unmittelbarkeit der Wahl wird deshalb verletzt, weil der Nachrücker des sog. Ministerabgeordneten sein Mandat wieder verliert, wenn der Ministerabgeordnete während der Legislaturperiode des Parlaments aus der Regierung ausscheidet. Nicht der Wählerwille entscheidet unmittelbar über die Innehabung des Mandats, sondern der Ministerabgeordnete. Die Gleichheit der Wahl wird verletzt, weil es nach der hessischen Regelung Abgeordnete mit einem unterschiedlichen Status gibt, nämlich die, die unbedingt dem Parlament angehören und die, die unter einer auflösenden Bedingung für einen Ministerabgeordneten nachrücken. Das freie Mandat wird berührt, weil für den Nachrücker die Beendigung seines Mandats nicht in seiner, sondern in der Willensentscheidung des Ministerabgeordneten liegt. Leider hat der H e S t G H zu der Frage keine Stellung genommen, ob durch Ergänzung der H V diese Bedenken ausgeräumt würden. Da die drei verletzten Grundsätze nicht nur in der HV, sondern auch in der Homogenitätsklausel des Art. 28 G G verbind152

Art. 27

Parteien (Magen)

lieh für die Länder und Gemeinden steht, würde das ruhende Mandat, auch wenn es in der Verfassung eines Landes verankert ist, gegen höherrangiges Bundesverfassungsrecht verstoßen. Mithin ist die Einführung des ruhenden Mandats nicht zulässig. Die Uberprüfung der Wahlen obliegt einem besonderen Wahlprü- 21 fungsgericht. Nach § 40 I 2 VwGO kann der Landesgesetzgeber öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art auf dem Gebiet des Landesrechts einer anderen Gerichtsbarkeit als der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zuweisen (vgl. dazu im einzelnen Art. 71, Rdn. 5f). Von dieser Möglichkeit hat er Gebrauch gemacht. Einer Erwähnung des W P G in der Berliner Verfassung bedurfte es daher nicht. Nach § 1 IIa WahlprüfG vom 16. 10. 58 (GVB1. S. 1021 m. 1. Änd. GVB1. 1974, S. 2566) ist Vorsitzender der Präsident des Oberverwaltungsgerichts (vgl. dazu Art. 69, Rdn. 7). Soweit im Wahlprüfungsverfahren die Wahl ganz oder teilweise für ungültig erklärt wird, findet gem. § 21 LWG eine Wiederholungswahl nach Maßgabe der Entscheidung des WPG statt. Sie macht eine Neufeststellung des Wahlergebnisses nötig, die auch bei nicht direkt beteiligten Abgeordneten z.B. wegen des Wegfalls eines Ausgleichsmandates zum Verlust des Sitzes führen kann (§ 5 III LWG).

Artikel 2 7 Die staatsrechtlichen Aufgaben der Parteien und ihre Pflichten gegenüber der Öffentlichkeit werden durch ein Gesetz über das Parteiwesen bestimmt Materialien 1. vgl. Art. 21 GG; 133 II VRP 2. V V G B : 3. Ä n d e r u n g e n -

Erläuterungen Aufgrund des Befehls Nr. 2 der Sowj. Militäradministration vom 1 10. 6. 1945 wurden vier Parteien zugelassen (KPD: Gründungsaufruf vom 11. 6. 1945; SPD: Gründungsaufruf vom 15. 6. 1945; C D U : Gründungsaufruf vom 26. 6. 1945; LDP: Gründungsaufruf vom 5. 7. 1945). Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED (Sozialistische 153

Art. 27

Abschnitt III: Die Volksvertretung

Einheitspartei Deutschlands) im sowjetisch besetzten Sektor Berlins und in der SBZ im Mai 1946 wurden sowohl die SPD als auch die neugegründete SED am 31. Mai 1946 nochmals von der AKB bestätigt. Bis zum 6. September 1950 war für die Zulassung und Ablehnung von politischen Parteien ausschließlich die AKB zuständig (BK/O [46] 458 vom 30. 12. 1964 - VOB1. 1947 S. 5). Durch B K / O (50) 77 vom 6. 9. 1950 (VOB1. S. 459) wurde die Zulassung von Anträgen neuer Parteien dem MvB/SvB übertragen; das Ablehnungsrecht behielt sich weiterhin die A K B vor. Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag waren ein demokratisches Programm, eine demokratische Satzung und Abweichungen in der Programmatik und Zielsetzung von anderen bestehenden Parteien. Der MvB erließ am 16. Oktober 1950 Richtlinien über die Zulassung von politischen Parteien in Berlin, die nicht veröffentlicht worden sind, weil sie nur den Charakter von internen Verwaltungsvorschriften hatten. Durch B K / O (51) 70 vom 8. 12. 1951 (GVB1. S. 1140) wurde dem SvB auch das Recht, entsprechende Anträge abzulehnen, übertragen. Von 1945 bis 30. April 1955 wurden von der AKB bzw. vom MvB/SvB insgesamt 13 Parteien zugelassen und 29 abgelehnt. Durch B K / O (55) 5 vom 13. 4. 1955 (GVB1. S. 308) wurden mit Wirkung zum 30. 4. 1955 die beiden B K / O (50) 77 und (51) 70 ersatzlos aufgehoben, so daß seit 1. 5. 1955 auch in Berlin ebenso wie im übrigen Teil der Bundesrepublik Zulassungs- und Betätigungsfreiheit für politische Parteien besteht. 2 Art. 27 ist durch Art. 21 III G G verdrängt worden. Nach dieser Vorschrift des G G gehört die Regelung des Parteiwesens zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Sinne des Art. 71 GG. Da die Kompetenzverteilung des VII. Abschnitts des G G nicht von den Vorbehalten der Alliierten über Berlin betroffen wird (vgl. Art. 1, Rdn. 43), ist der Berliner Gesetzgeber an diese Kompetenzregelung gebunden (Art. 87 Abs. 3 VvB i. V. m. Bestätigungsschreiben zur VvB - B K / O [50] 75 vom 29. 8. 1950 - VOB1. S. 440). Dem Berliner Landesgesetzgeber ist es daher verwehrt, landesrechtliche Regelungen über das Parteiwesen zu erlassen, sofern nicht im Bundesgesetz eine Ermächtigung für den Landesgesetzgeber enthalten ist. Eine derartige Ermächtigung enthält nur § 22 PartG, wonach die Länder gesetzliche Vorschriften über die Erstattung von Wahlkampfkosten für Landtagswahlen erlassen können (vgl. WahlkampfkostenG v. 17. 7. 1970 i. d. F. GVB1. 1974, S. 450). Da das PartG in § 40 eine sog. Berlinklausel enthält, ist es nach Art. 87 II VvB in Verbindung mit § 13 des 3. Ü L G übernommen worden. Alle Vorschriften gelten sowohl für die Berliner Landesverbände der Bundesparteien (CDU, F.D.P. und SPD) als auch für die nur in Berlin 154

Parteien (Magen)

Art. 27

bestehenden Landesparteien (§ 6 IV PartG), z. B. SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin). Allerdings hat die AKB durch BK/O (67) 12 vom 6. Dezember 1967 3 (GVB1. S. 1779) eine Zuständigkeitsänderung angeordnet. So muß der nach § 23 II PartG erforderliche Rechenschaftsbericht und die nach § 6 III PartG erforderliche Mitteilung über Satzung und Programm der Partei, Namen der Vorstandsmitglieder und ihrer Funktionen und die Auflösung nicht dem Präsidenten des Bundestages gegenüber erstattet bzw. dem Bundeswahlleiter gegenüber erfolgen, sondern aufgrund der VO des SvB über die Zuständigkeit von Behörden des Landes Berlin nach dem PartG vom 1. November 1968 (GVB1. S. 1557) dem Senator des Innern gegenüber. Parteien, die sich in Berlin betätigen wollen, bedürfen keiner besonderen Zulassung, sie werden auch nicht in einem Register geführt. Die jährlich abzugebenden Rechenschaftsberichte der nur in Berlin bestehenden Landesparteien sind bisher nicht veröffentlicht worden. Eine Nichterfüllung der sich aus dem PartG ergebenden Verpflichtungen führen zu den im PartG vorgesehenen Sanktionen (z. B. keine Wahlkampfkostenerstattung). Das Verbot Berliner Landesparteien oder der Berliner Landesver- 4 bände von Bundesparteien ist wegen der fehlenden Zuständigkeit des BVfG für Berlin ausschließlich der AKB gem. Abschn. II der Erklärung über Berlin vom 5. Mai 1955 GVB1. S. 335) vorbehalten (vgl. Art. 1, Rdn. 64). Danach behalten die alliierten Behörden das Recht, falls sie es für notwendig erachten, solche Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen, zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und zur Erhaltung des Status und der Sicherheit Berlins, seiner Wirtschaft, seines Handels und seiner Verbindungslinien notwendig sind. Der Begriff „öffentliche Ordnung" im Sinne dieser Erklärung geht über den im Polizeirecht bekannten Begriff ( § 1 1 ASOG) hinaus und umfaßt auch außenpolitische Belange. Die AKB kann auch unterhalb des Verbots und der Auflösung einer Partei oder eines Landesverbandes Maßnahmen, wie z. B. Versammlungsverbot, Werbeverbot, Verbot der Teilnahme an Wahlen zum AvB und zu den BVV anordnen. Die zuständigen deutschen Behörden haben dann im Auftrag der Alliierten die erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung zu ergreifen. Weder die alliierten Anordnungen noch die Vollzugsmaßnahmen sind durch deutsche Gerichte überprüfbar. Die Entscheidung des BGH (RzW 1962, 210), daß es jedem Rechtsuchenden offensteht, sich in Berlin auf die Verfassungswidrigkeit einer Partei in einem anhängigen Rechtsstreit zu berufen, hat die vorstehenden Befugnisse der AKB übersehen und ist daher rechtsirrig.

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Art. 28

Abschnitt III: Die Volksvertretung

Artikel 28 (1) Das Abgeordnetenhaus tritt spätestens zwei Wochen nach Feststellung und Veröffentlichung des Wahlergebnisses unter dem Vorsitz des ältesten Abgeordneten zusammen. (2) Das Abgeordnetenhaus wählt für die Dauer der Wahlperiode aus seiner Mitte den Präsidenten des Abgeordnetenhauses und die übrigen Mitglieder des Präsidiums. Materialien 1. Vgl. Art. 3 9 II, 4 0 1 1 G G ; 30 III, 3 2 1 1 VBW; 16 1 2 , 2 0 I B V ; 81, 8 6 1 1 V H B ; 12 I 2, 18 I 1 V H H ; 83 II, 84 HV; 6 III, 8 I 1 V N V ; 37, 38 I 1 V N W ; 83 IV, 85 II 1 V R P ; 7 2 1 , 69 II 2 VS; 10 II 1 , 1 3 1 LS 2. V V G B : Art. 6 I u . I I 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Das Selbstversammlungsrecht zählt zu den traditionellen Rechten eines jeden Parlaments; es ist Ausfluß der allgemeinen Parlamentsautonomie, d. h. des Rechts eines jeden Parlaments, seine Angelegenheiten selbständig zu regeln. Durch Art. 28 I wird es allerdings eingeschränkt (die S t W wurde noch vom MvB zu ihrer ersten Sitzung einberufen, Art. 6 I W G B ; vgl. Giese, Art. 24 GG, Anm. 1; Maunz, MDHS, Art. 39, Rdn. 22). Der Zeitpunkt des ersten Zusammentritts ist in der VvB nicht genau festgelegt; er muß innerhalb von zwei Wochen nach Feststellung und Veröffentlichung des Wahlergebnisses erfolgen (zur Feststellung und Bekanntmachung des Wahlergebnisses vgl. §§ 78, 79 LWO). Für die Berechnung der Fristen sind die Regeln des BGB (§§ 187 I, 188 II, 193) anzuwenden. Der bisherige Präsident, der ohne Rücksicht auf die Wahlperiode bis zum Zusammentritt des neugewählten AvB seine Geschäfte weiterführt (Art. 39 IV), beruft das Parlament zur ersten Sitzung ein (Art. 30 I, § 10 GOAvB). 2 Das Verfahren bei der Konstituierung ist im wesentlichen im § 10 GOAvB geregelt (vgl. aber Art. 29, Rdn. 2) und ist im übrigen durch alten Parlamentsbrauch vorgegeben (vgl. Ritzel/Brücker, § 1 GOBT, Erl. II). Zwar erlangen die gewählten Kandidaten die Rechtsstellung eines MdA schon mit der Annahme der Wahl und gegebenenfalls dem Ablauf der Wahlperiode des alten Parlaments (vgl. § 5 I 1 LWG, das Parlament selbst wird aber erst funktionsfähig mit der konstituierenden Sitzung. Gleichzeitig enden die Befugnisse des bisherigen Präsidenten und des 156

Zusammentritt des Abgeordnetenhauses (Harth)

Art. 28

zwischen den Wahlperioden amtierenden Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung (Art. 39 III und IV); ebenso endet (spätestens) die Wahlperiode des bisherigen Parlaments (§ 7 III LWG). Da das Präsidium kein Ausschuß des AvB und deshalb Art. 32 II 3 nicht anwendbar ist, können die Fraktionen nicht verlangen, entsprechend ihrer Stärke im Präsidium vertreten zu sein. § 9 G O A v B gibt den Franktionen aber ein solches Beteiligungsrecht. Dementsprechend hat die stärkste Fraktion ein Vorschlagsrecht für die Wahl des PrAvB, was im übrigen parlamentarischem Brauch entspricht (Achterberg S. 25; Maunz, DStR, S. 343; s. a. § 5 II 1 GONdsLT). Das Parlament ist jedoch auch bei Beachtung des Vorschlagsrechts nicht gezwungen, dem Vorschlag zu folgen; es kann den Kandidaten ablehnen und die betreffende Fraktion zwingen, einen neuen Vorschlag zu machen (Uhlitz A ö R 87, 299). Sind zwei oder mehrere gleichstarke Fraktionen vorhanden, so entfällt naturgemäß ein Vorschlagsrecht, und es muß im Falle der Nichteinigung eine Wahl mit mehreren Kandidaten stattfinden. Die Wahl erfolgt mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des AvB (Art. 31 II 3 i. V. m. § I I S . 2 GOAvB). Die VvB erwähnt stellvertretende Präsidenten nicht. Nach § 12 I 4 G O A v B sind aber zwei stellvertr. Präsidenten vorgesehen. Ihre Wahl erfolgt ebenfalls mit der Mehrheit der Mitglieder des AvB (§ 11 S. 2 GOAvB). Die übrigen Mitglieder des Präsidiums werden mit einfacher Stim- 5 menmehrheit gewählt (Art. 31 II 1). Die VvB legt die Zahl der Präsidiumsmitglieder nicht fest; nach § 12 I G O A v B besteht das Präsidium aus dem PrAvB, zwei Stellvertretern und acht weiteren Mitgliedern, die Schriftführer genannt werden ( zu den Aufgaben des Präsidiums vgl. § 13 GOAvB). Davon zu unterscheiden ist das amtierende Präsidium in der Plenarsitzung, das aus einem Präsidenten und zwei Schriftführern besteht (§§ 12 II, 16 GOAvB). Da das Präsidium kein Ausschuß der AvB ist, hat der SvB auch kein Recht auf Einladung zu den Sitzungen des Präsidiums (vgl. Art. 34 II). Die Präsidiumsmitglieder sind „aus der Mitte" des AvB zu wählen, d. h., sie müssen Abgeordnete sein. Die Mitglieder des Präsidiums werden für die Dauer der Wahlperiode 6 gewählt. Sie sind nicht abberufbar, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Stärkeverhältnisse der Fraktionen zueinander während der Wahlperiode in relevanter Weise ändern sollten oder ein Präsidiumsmitglied die Fraktion wechselt (vgl. allerdings § 9 II GOAvB). Ein Mißtrauensvotum ist ebenfalls unzulässig. Für den Präsidenten ist dies mit Recht h. M.; er könnte seiner Pflicht, seine Funktion gerecht und unparteiisch wahrzunehmen (vgl. § 14 II 2 GOAvB), nur schwerlich genügen, wäre er von einer jederzeitigen Abberufbarkeit bedroht (vgl. Troßmann § 2, 157

Art. 2 9

Abschnitt III: Die Volksvertretung

Rdn. 1, 3; Ritzel/Koch § 2, Anm. 7; Ritzel/Brücker § 2, Anm. 5; Schneider/Dennewitz BK Art. 40, Erl. II 9; Drexelius/Weber Art. 18 VHH, Rdn. 1; Giese/Schunck Art. 40. Erl. 1; ferner Uhlitz A ö R 87, 306, der betont, daß die deutsche parlamentarische Praxis davon ausgeht, daß der Parlamentspräsident .nicht abberufen werden kann; Partsch A ö R 86, 36; a. A. - aber widersprüchlich - nur Maunz M D HS Art. 40, Rdn. 10; von Mangoldt/Klein Art. 40, Anm. III 26; SchmidtBleibtreu/Klein Art. 40, Rdn. 1); abberufbar ist der Präsident nur in Bayern (vgl. Art. 44 III 5 BV) und in Bremen unter bestimmten Umständen (Art. 8 6 1 3 VHB). Die Ansicht von Uhlitz (aaO), Schriftführer im Präsidium könnten abgewählt werden, weil sie nur unterstützende Funktion hätten und es deshalb nicht notwendig sei, ihnen eine durch das Verbot der Abberufung gesicherte Stellung gegenüber dem Parlament einzuräumen, ist schon mit Rücksicht auf die Aufgaben des amtierenden Präsidiums als Ganzes bei Abstimmungen (§ 70 GOAvB) nicht schlüssig (i. Erg. ebenso Denkschrift SvB, S. 6 unter Nr. 5).

Artikel 2 9 Das Abgeordnetenhaus gibt sich selbst eine Geschäftsordnung. Materialien 1. Vgl. Art. 4 0 1 2 GG; 32 I 2 VBW; 20 III BV; 106 VHB; 18 I 2 V H H ; 99 HV; 8 1 2 VNV; 3 8 1 2 VNW; 85 I VrP; 7 2 1 V S ; Art. 13 IV LS 2. V V G B : Art. 6 VI 3. Änderungen:-

Erläuterungen 1

Die GOAvB, die das AvB sich aufgrund der Parlamentsautonomie selbst gibt (vgl. Art. 28, Rdn. 1) enthält Bestimmungen über die Organe des AvB und die Verfahrensregeln für die Arbeit des Parlaments; sie sichert damit seine Funktionsfähigkeit, schützt aber vor allem auch die parlamentarische Minderheit. Die Rechtsnatur der G O ist umstritten (vgl. Achterberg S. 15; Maunz M D H S Art. 40, Rdn. 16ff). Für die Praxis ist der Streit aber von geringer Bedeutung und im übrigen durch BVfG (E 1, 144, 148) dahin entschieden, daß die G O eine autonome Satzung darstellt, die der geschriebenen Verfassung und den Gesetzen im Range nachgeht. Daraus ergibt sich einmal, daß die G O nur die 158

Geschäftsordnung (Harth)

Art. 29

Mitglieder des Parlaments bindet (BVfG aaO); zum anderen sind Verstöße allein gegen die G O für die Gültigkeit und Außenwirkung von Beschlüssen des AvB ohne Bedeutung (HeStGH DVB1 1967, 83). Die Satzungsautonomie des Parlaments hat ihre Grenzen aber in der Rechtsstellung des einzelnen Abgeordneten, der die ihm von der Verfassung zugedachte Aufgabe wahrnehmen können muß (BVfGE 1, 156). Die GOAvB läßt eine Abweichung von ihren Vorschriften im Einzelfall durch Beschluß des AvB nur zu, wenn kein Widerspruch erfolgt (§91). Die GOAvB gilt immer nur für die Wahlperiode des Parlaments; 2 jedes neugewählte AvB gibt sich eine neue GO (Maunz MDHS Art. 40, Rdn. 19; BVfGE 1, 148; Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, 1966, S. 126ff). Schon der Reichstag legte großen Wert darauf, nicht an den Willen des vorhergehenden Reichstages gebunden zu sein (Hatschek, Einleitung S. 41). In der Regel wird in der konstituierenden Sitzung die GO des bisherigen Parlaments aber unverändert übernommen und der GOAusschuß mit der Überarbeitung beauftragt. Dabei ist es üblich, daß der Präsident, das Präsidium und die Fraktionen dem GOAusschuß ihre Änderungswünsche mitteilen. Innerhalb der Grenzen der Satzungsautonomie hat das Parlament weitgehende Gestaltungsfreiheit (BVfGE 10, 4, 19). Für die Verabschiedung und auch eine Änderung der G O ist nur die einfache Stimmenmehrheit erforderlich (Art. 31 II 1; anders z. B. Art. 32 I 2 VBW). Die G O wird im GVB1. veröffentlicht; für das Inkrafttreten ist die Veröffentlichung aber unerheblich. Die GO gilt insoweit über die WP hinaus, als noch Organe des Parlaments eine Funktion haben (Art. 39 III u. IV; Rupp-v. Brüneck/Konow Art. 99 HV, Erl. 8). Dies gilt insbesondere auch für die als Anlage zur GO erlassenen Richtlinien in Immunitätsangelegenheiten (Art. 39 V). In der konstituierenden Sitzung aber gibt es bis zur Übernahme des GO des alten Parlaments im Grunde genommen nur Verfahrensregeln, die auf Parlamentsbrauch beruhen; somit ist auch § 90 GOAvB, der Änderungen der G O nur nach Vorberatung im GOAusschuß zuläßt, nicht anzuwenden. Bei der Auslegung der G O ist zu beachten, daß diese Verfahrensre- 3 geln weitgehend eine Sammlung von Übereinkommen zwischen den Fraktionen darstellen, die eine vernünftige und ökonomische Abwicklung der Parlamentsarbeit sichern sollen. Sie sind oft schon im letzten Jahrhundert entwickelt worden, tragen Kompromißcharakter und sind nicht selten aus besonderen Situationen heraus entstanden, ohne daß ihr abstrakter Wortlaut dies erkennen läßt. Durch die am Anfang der Legislaturperiode übliche Übernahme der G O des alten Parlaments unterliegen die Bestimmungen einem sehr starken Beharrungsvermögen 159

Art. 30

Abschnitt III: Die Volksvertretung

(so mit Recht Ritzel/Bücker, Einl. z. Komm, zur GOBT). Deshalb ist noch mehr als bei Auslegung gesetzlicher Vorschriften eine reine Wortinterpretation fehl am Platze. Vielmehr spielt eine größere Rolle die Entstehungsgeschichte und der Parlamentsbrauch (HeStGH, DVB1. 1967, 83; B V f G E 1, 144, 148), der auch dazu herangezogen werden muß, häufig vorhandene Lücken der G O zu schließen. Nicht zuletzt sind die Auswirkungen für die Weiterentwicklung des Parlamentsrechts zu beachten. Die G O setzt im übrigen voraus, daß die von ihr zur Wahrnehmung bestimmter Funktionen berufenen Organe diese in vernünftigen Grenzen ausüben und nicht mißbrauchen (BVfGE 1, 144,149).

Artikel 3 0 (1) Das Abgeordnetenhaus wird durch den Präsidenten einberufen. (2) Auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder oder des Senats muß das Abgeordnetenhaus unverzüglich einberufen werden. (3) Die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses sind öffentlich. (4) Wenn ein Fünftel der Abgeordneten oder der Senat es beantragen, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen. Materialien 1. Vgl. Art. 39 III, 42 I u. II GG; 3 0 IV, 33 I VBW; 17, 22 I BV; 88, 91 V H B ; 21, 22 VHH; 83 II u. V, 89 HV; 6 I V , 9 I V N V ; 38 III u. IV, 42 VNW; 83 V u. VI, 86 VRP; 70 S. 2 - 4 , 74 VS; 10 II, 11 LS 2. W G B : Art. 6111,71 3. Änderungen: 2. ÄndG VvB v. 22. 6 . 1 9 5 6 (GvBl. S. 693)

Erläuterungen 1

Die VvB unterscheidet im Gegensatz zum G G (Art. 39 III 1) und den meisten Länderverfassungen nicht mehr zwischen Wahlperiode und Sitzungsperiode, d. h., die Wahlperiode wird nicht mehr in mehrere Sitzungsperioden eingeteilt. Der PrAvB beruft das Parlament innerhalb der Wahlperiode nach Bedarf zu Sitzungen ein, jedoch ist es Übung, daß das AvB am zweiten und vierten Donnerstag eines jeden Monats tagt (schon die alte S t W tagte Donnerstags). Durch die Streichung der früheren Formulierung des Art. 30 I („Das Abgeordnetenhaus tagt 160

Präsidium, Öffentlichkeit ( H a r t h )

Art. 30

einmal monatlich") ist die Einführung längerer Parlamentsferien im Sommer möglich geworden. Das A v B wird durch seinen Präsidenten einberufen. Der früher im 2 Art. 3 0 II 2 enthaltene Hinweis, daß der PrAvB das Recht habe, jederzeit das Parlament einzuberufen, ist als selbstverständlich gestrichen worden (s. auch Art. 37). Wenn das Parlament aber einen bestimmten Sitzungstermin beschlossen hat, kann der PrAvB es nicht früher einberufen, denn das Selbstversammlungsrecht des Parlaments geht vor (Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 83 HV, Erl: 5). Ebensowenig kommt in diesem Fall ein Antrag der Minderheit nach Abs. 2 in derselben Sitzung in Betracht (Rupp-v. Brüneck/Konow aaO). Die VvB enthält keine Bestimmungen über die Förmlichkeiten der Einladung (anders z. B. Art. 88 III V H B ) ; sie überläßt dies der G O (§§56,57). Ein Fünftel der Abgeordneten oder der SvB können die Einberufung 3 des AvB erzwingen. Eine entsprechende Zahl von Abgeordneten muß die Forderung unterstützen. Auf Seiten des SvB bedarf es eines Beschlusses (Landsberg/Goetz S. 85). Eine Form ist nicht vorgeschrieben. Vom Präsidenten kann nicht geprüft werden, ob ein hinreichender Grund für die Einberufung einer Sitzung vorhanden ist (Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein, Art. 83 HV, Erl. 5). Der Präsident muß dem Ersuchen „unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern entsprechen; allerdings wird er in der Regel die Ladungsfrist des § 57 1 1 G O A v B einzuhalten haben. Für die Verhandlungen des Plenums ist die Öffentlichkeit vorgeschrie- 4 ben (für die Ausschüsse vgl. § 26 V G O A v B , § 7 UntAG; dazu: Linck D Ö V 1973, 513). Dies bedeutet, daß im Zuhörerraum für jedermann und auf der Pressetribüne für jede als Presseberichterstatter ausgewiesene Person grundsätzlich freier Zutritt, genauer gesagt die rechtliche Möglichkeit freien Zutritts besteht (Dürig MD HS Art. 42, Rdn. 3), nämlich nur im Rahmen der räumlichen Gegebenheiten und unter der Voraussetzung, daß der ordnungsgemäße Verlauf der Sitzung nicht behindert wird (Landsberg/Goetz, S. 85; Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 89 HV, Erl. 2). Die unentgeltliche Ausgabe von Eintrittskarten für den Zuhörerraum ist als Maßnahme der Ordnungsgewalt statthaft (Kleinrahm in Geller/Kleinrahm/Fleck, Art. 4 2 VNW, Erl. 2 a; Rupp-v. Brüneck aaO; Versteyl in v. Münch Art. 42, Rdn. 8; differenzierend Drexelius/Weber Art. 21 VHH, Rdn. 4). Der freie Zutritt gibt kein Recht auf eigene Betätigung wie Beifalls- oder Mißfallensäußerungen (Drexelius/Weber aaO Rdn. 2). Öffentlichkeit bedeutet nicht, daß jeder Zuschauer sehen können muß, wie der einzelne Abgeordnete abgestimmt hat; Wahlen mit verdeckten Stimmzetteln (§ 74 II G O A v B ) 161

Art. 31

Abschnitt III: Die Volksvertretung

sind also zulässig (Versteyl aaO Rdn. 9; Dürig aaO Rdn. 5; a. A. nur Feuchte in Spreng/Birn/Feuchte Art. 33 VBW, Erl. 1). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt nur, daß das Plenum, wenn es verhandelt, öffentlich verhandeln muß, schließt aber nicht aus, daß eine Angelegenheit statt im Plenum in (möglicherweise nichtöffentlich tagenden) Ausschüssen verhandelt wird (BVfGE 1,144,150). 5 Der freie Zutritt zu den Verhandlungen des Parlaments gewährt nicht ohne weiteres das Recht, während der Plenarsitzungen Ton- oder Filmaufnahmen zu machen. Wegen der Möglichkeit von Störungen des Sitzungsablaufs ist die Zustimmung des PrAvB erforderlich, die jedoch zu erteilen ist, soweit keine unangemessenen Störungen zu erwarten sind (Rupp-v. Brüneck in Zinn/Stein Art. 89 HV, Rdn. 3; vgl. auch Stober, DVB1. 1976,371). 6 Auf Antrag eines Fünftels der (anwesenden) Abgeordneten oder des SvB (nicht eines einzelnen Senatsmitgliedes) kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen (Art. 30 IV, § 60 G O A v B ; im Gegensatz zu anderen deutschen Verfassungen — z. B. Art. 42 I 2 G G — schreibt die VvB hier keine qualifizierte Mehrheit vor). Geheim bedeutet, daß (außer den Vertretern der Alliierten) nur Senatsmitglieder und Abgeordnete anwesend sein dürfen (Landsberg/Götz S. 86), also auch nicht Beauftragte des SvB und Mitarbeiter der Verwaltung des AvB. Wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, so können dennoch einzelne Personen zugelassen werden, z. B. Berater des Präsidenten, Stenografen, Ordnungskräfte, Pressevertreter (Dürig MDHS Art. 42, Rdn. 12; Versteyl in v. Münch Art. 42, Rdn. 14 meint, dazu bestände kein Anlaß). Aus einer nichtöffentlichen Sitzung darf aber jedenfalls von der Presse nicht berichtet werden; Art. 36 VvB gilt hier nicht (vgl. auch Kleinrahm in Geller/Kleinrahm/Fleck Art. 42 VNW, Erl. 26).

Artikel 31 (1) Das Abgeordnetenhaus ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der gewählten Abgeordneten anwesend ist. (2) Das Abgeordnetenhaus beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit, falls die Verfassung nicht ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt. Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung. Für die vom Abgeordnetenhaus vorzunehmenden Wahlen kann durch Gesetz oder durch die Geschäftsordnung eine andere Mehrheit vorgeschrieben werden. 162

Abstimmung (Harth)

Art. 31

Materialien 1. Vgl. Art. 42 II GG, 33 II V B W ; 23 BV; 89, 90 V H B ; 19, 20 VHH; 87, 88 HV; 9 II V N G ; 4 4 VNW; 87, 88 VRP; 76 VS; 12 LS 2. W G B : Art. 7 III 3. Änderungen: Durch 5. ÄndG VvB v. 15. 1. 1958 (GVB1. S. 41) wurde im Abs. 2 folgender Satz 3 angefügt: „Für die vom Abgeordnetenhaus vorzunehmenden Wahlen kann durch Gesetz eine andere Mehrheit vorgeschrieben werden." Durch 14. ÄndG VvB vom 29. 1. 1971 (GVB1. S. 317) wurden in diesem Satz hinter dem Wort „Gesetz" noch die Worte „oder durch die Geschäftsordnung" eingefügt.

Erläuterungen Die VvB regelt im Gegensatz zum G G - ebenso wie die meisten 1 Länderverfassungen - die Beschlußfähigkeit des Parlaments selbst und überläßt dies nicht der GO. Die Zahl der gewählten Abgeordneten (vgl. Art. 25 Rdn. 5) ist als Folge des Wahlsystems (vgl. die Erläuterungen zu Art. 26) von Wahlperiode zu Wahlperiode variabel; in der 7. Wahlperiode beträgt sie 147. Somit ist für die Beschlußfähigkeit in der 7. Wahlperiode die Anwesenheit von 74 Abgeordneten notwendig. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß alle Mandate besetzt sind (vgl. zum Ausscheiden eines Abgeordneten und zur Feststellung des Nachrückers §§ 5 III u. IV, 6 LWG, § 82 III LWO). Anderenfalls verringert sich vorübergehend auch die für die Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl von Abgeordneten (so Feuchte in Spreng/Birn/Feuchte Art. 33 VBW, Anm. 3; Nawiasky/Schweiger Art. 23 BV, Rdn. 6; Meder Art. 23 BV, Rdn. 2; Kleinrahm in Geller/Kleinrahm/Fleck, Art. 44 VNW, 2 c; ferner für den BT: Maunz M D H S Art. 121, Rdn. 4 f ; Jellinek, Festschrift für Kraus, 1954, S. 93, wobei die unterschiedliche Fassung der Verfassungsbestimmungen in den einzelnen Ländern hier keine Rolle spielt; a. A. ohne nähere Begründung Jellinek im HbDStR II S. 183). Für die VvB liegt schon nach dem Wortlaut der Verfassungsvorschrift die erstere Auffassung nahe. Ob alle Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen, ist belanglos (Kleinrahm aaO Art. 44, Erl. 36; Achterberg S. 75). Die Hälfte der gewählten Abgeordneten muß im Plenarsaal sein; Anwesenheit im Hause genügt nicht (Kleinrahm aaO). Das Verfahren für die Feststellung der Beschlußfähigkeit ist in § 73 G O A v B festgelegt (s. a. BVfG DVB1. 1977,610). Bei Beschlußunfähigkeit ist das Parlament auch nicht beratungsfähig 2 (Ritzel/Koch Anm. 2 zu § 49, Pereis HdDStR I S. 462; so ausdrücklich Art. 87 I HV). Art. 31 I behandelt nur die Beschlußfähigkeit des Plenums, nicht der Ausschüsse (hierzu s. § 2 6 1 1 GOAbghs.). Einfache Stimmenmehrheit bedeutet, daß mehr Ja- als Nein-Stimmen 3 163

Art. 3 1

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

abgegeben worden sein müssen (Abstimmungsmehrheit). Es ist also ohne Bedeutung, wie viele Abgeordnete anwesend waren und wie viele sich davon an der Abstimmung beteiligt, der Stimme enthalten oder ungültige Stimmen abgegeben haben; ebensowenig kommt es auf die gegenwärtige Gesamtzahl der Mandate an (vgl. hierzu Maunz M D H S Art. 42, Rdn. 16ff; Ritzel/Bücker S. 54, Anm. II l b ; § 69 G O A v B ; unrichtig Landsberg/Goetz S. 87). Der Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit wird im Art. 46 I für die Verabschiedung von Gesetzen noch einmal wiederholt. Bei Stimmengleichheit ist der betreffende Antrag abgelehnt. Zum Abstimmungsverfahren s. §§ 70ff GOAvB. Die Verfassung selbst macht aber von diesem Grundsatz verschiedene Ausnahmen. So wird für die Annahme eines Mißtrauensvotums durch Art. 42 III 1 die sog. absolute Mehrheit, d. h., die Mehrheit der gewählten Mitglieder (vgl. Art. 25 Rdn. 5) des AvB vorgeschrieben. In zwei Fällen ist eine sog. qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Mitglieder erforderlich: Art. 39 I 2, 88 I. Für Wahlen ist des öfteren ebenfalls die sog. absolute Mehrheit, vorgesehen: Art. 41 I, 44 II, 69 II, 83 II 2. Außerdem läßt die VvB ausdrücklich für Wahlen durch ein Gesetz oder die G O A v B normierte abweichende Mehrheiten zu. Ferner eröffnet die VvB in einem weiteren Fall die Möglichkeit, daß eine Minderheit die Mehrheit zu einem bestimmten Beschluß zwingt: Art. 33 I, wodurch der Grundsatz des Art. 3 1 1 zwar nicht theoretisch, aber doch praktisch aufgehoben wird (hingegen läßt Art. 30 IV der Mehrheit noch Spielraum). 4 Umstritten ist, ob darüber hinaus die G O andere Mehrheiten festlegen kann. Sieht man in Art. 31 II 1 lediglich eine Konkretisierung des allgemeinen, sich aus dem Demokratiegebot ergebenden Mehrheitsprinzips, so ist es naheliegend, daß die Vorschrift nur dort von Bedeutung ist, wo abschließend Sachentscheidungen mit Außenwirkung getroffen werden. Nur daran ist die staatliche Gemeinschaft interessiert. Art. 31 II 1 steht hier zudem in einem Spannungsverhältnis zu Art. 29, der dem Parlament gestattet, sein eigenes Verfahren zu regeln. Deshalb sind Vorschriften über andere Mehrheiten in Verfahrensfragen, speziell aber auch insoweit Vorschriften, die die Mehrheit im Bereich des Minderheitenschutzes binden, zulässig (so i. Erg. auch Achterberg S. 72; a. A. ohne Begründung Kleinrahm in Geller/Kleinrahm/Fleck Art. 44 VNW, Erl. 26 und 46). Auf die rechtliche Verbindlichkeit der Sachbeschlüsse kommt es allerdings nicht an; deshalb ist die gelegentlich geäußerte Ansicht, politische Entschließungen fielen nicht unter die Bestimmung (Maunz M D H S Art. 42, Rdn. 14; Hamann Art. 42, Anm. 26; v. Mangoldt/Klein Art. 42, Anm. IV 2) abzulehnen.

164

Art. 32

Ausschüsse (Harth)

Zu parlamentarischen Stimmrechtsbeschränkungsvereinbarungen („Pairing") s. Röttger JuS 1977,7. Die fundamentalen Verfahrensprinzipien des Parlaments und das 5 Vertrauen der staatlichen Gemeinschaft in den Bestand eines einmal gefaßten Beschlusses führen zum Grundsatz der Unverrückbarkeit des Parlamentsbeschlusses. Er bedeutet einmal, daß nach Abschluß der Beratung und Abstimmung über eine bestimmte Frage in demselben Beratungsstadium nicht wieder Anträge mit dem Ziel einer Änderung oder Aufhebung des eben gefaßten Beschlusses eingebracht werden dürfen (Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 88 HV, Anm. 6). Zum anderen bedeutet er, daß ein gefaßter und entsprechend der G O verkündeter Beschluß so lange Bestand hat, bis er durch einen entgegengesetzten Parlamentsbeschluß aufgehoben worden ist, was nur ausnahmsweise zulässig ist, so bei Irrtum über den Inhalt der Abstimmungsfrage, sofern der Irrtum für das Ergebnis erheblich sein kann und er bis zum nächsten Tagesordnungspunkt bemerkt wird (Trossmann S. 3 ff; Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 88 HV, Anm. 6; Achterberg S. 77, hält den ganzen Problemkreis für noch nicht vollends geklärt). Bei einem Irrtum über das Abstimmungsergebnis läßt § 70 III G O A v B nur bei einstimmiger Meinung des Hauses eine Wiederholung der Abstimmung zu. Die Beschlüsse des AvB werden in Form eines Beschlußprotokolls 6 beurkundet, das vom Präsidenten und einem Schriftführer unterschrieben wird (§ 87 GOAvB). Die Beschlüsse werden in den „Mitteilungen des Präsidenten" veröffentlicht. Ob ein Beschluß richtig beurkundet worden ist, kann nachträglich auch von einem Gericht nicht mehr geprüft werden, ebensowenig die Frage, ob das Parlament beschlußfähig war (Krüger DÖV 1952, 249).

Artikel 3 2 (1) Das Abgeordnetenhaus wählt nach Bedarf Ausschüsse aus seiner Mitte. (2) In den Ausschüssen müssen die Parteien nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vertreten sein. (3) Für die Ausschüsse gilt sinngemäß die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses. (4) Über Petitionen an das Abgeordnetenhaus entscheidet der Petitionsausschuß, sofem nicht das Abgeordnetenhaus selbst entscheidet. Der Ausschuß kann auch tätig werden, wenn ihm auf andere Weise gewich165

Art. 32

Abschnitt III: Die Volksvertretung

tige Umstände bekannt werden. Der Senat und alle ihm unterstellten oder von ihm beaufsichtigten Behörden und Verwaltungseinheiten sowie die Gerichte haben Auskunftshilfe zu leisten. Der Ausschuß kann Zeugen und Sachverständige vernehmen und vereidigen. Alles Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. Vgl. 45 c GG; 105 I V H B ; 2 5 a VHH; 94 HV; 4 1 a VNW; 90, 9 0 a VRP; 79, 80 VS; 1 4 , 1 5 a LS 2. V V G B : Art. 7 II 3. Änderungen: Abs. 4 wurde durch das 12. ÄndGVvB v. 21. 11. 1969 (GVB1. S. 2511) angefügt.

Erläuterungen 1

Die Beratungen der Ausschüsse dienen weitgehend der Vorbereitung der Entscheidungen des Parlaments (Vorschläge zur Entlastung des Plenums durch die Ausschüsse auf dem Gebiet der Gesetzgebung bei v. Lucius A ö R 97, 568; Achterberg D Ö V 1975, 833, 844; die Möglichkeit einer Delegation außerhalb der Legislativtätigkeit sieht ausdrücklich Art. 105 V VHB vor), jedoch haben die Ausschüsse seit der Parlamentsreform 1969 auch ein Selbstbefassungsrecht (§ 21 V GOAvB; zur Parlamentsreform in Berlin vgl. Härth/Neumeyer ZParlR 1972, 192). Soweit ihnen Verhandlungsgegenstände vom Plenum überwiesen worden sind, müssen sie diese beraten (vgl. BVfGE 1, 153). Bei Anträgen können die Fraktionen gegebenenfalls einen Zwischenbericht verlangen (§ 27 V GOAvB). 2 Das AvB setzt grundsätzlich für jeden von einem Senatsmitglied verwalteten Geschäftsbereich einen ständigen Ausschuß ein. Obwohl Art. 32 I davon spricht, daß das AvB die Ausschüsse „wählt", ist es ständige Praxis des Parlaments, die Ausschüsse durch das Plenum nur „einsetzen" zu lassen, d. h., nur die Zahl, die Stärke und die Geschäftsbereiche der Ausschüsse werden durch das Plenum festgelegt, während ihre Mitglieder von den Fraktionen dem PrAvB benannt werden (§ 20 1 1 u. III GOAvB; dieses Verfahren und seine Vereinbarkeit mit der Verfassung war schon Gegenstand der Erörterungen im GOAusschuß der I. WP). Abgeordnete können auch gegen ihren Willen von ihrer Fraktion wieder aus einem Ausschuß abberufen werden (so mit Recht Trossmann, GOBT, Erl. Rdn. 6 zu § 68; in der Konsequenz wohl ebenso Weiler D Ö V 1973 231; a. A. Klein D Ö V 1972 329). Mitglieder der Ausschüsse können nur Abgeordnete sein (s. hingegen § 2 II 1 166

Ausschüsse (Harth)

Art. 32

EnqueteG). Die Ausschüsse können aber sachkundige Personen und Sachverständige hinzuziehen (§ 28 GOAbghs; s. dazu auch Landsberg/ GoetzS. 88). Die G O A v B enthält einige spezielle Normen für das Verfahren in den 3 Ausschüssen, viele Fragen sind aber ungeregelt (s. Abschnitt VI GOAvB; Art 32 III ist überflüssig und könnte ersatzlos aufgehoben werden, so auch Denkschrift SvB S. 6; Zusammenfassung des Verfahrens der BTAusschüsse bei Frost A ö R 95, 38; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1972, S. 119ff). Die meisten Ausschüsse tagen öffentlich (§ 26 V GOAvB; zur Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen s. a. Linck D Ö V 1973, 513). Beschlüsse werden immer mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt (§ 26 I 2 GOAvB); eine Wiederholung der Abstimmung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. § 70 III i. V. m. § 26 IX GOAvB, Einzelheiten sind strittig vgl. Maunz, Festschrift für Weber, S. 299, 303). Die Ausschußvorsitzenden haben in der Sitzung eine Ordnungsgewalt (s. Art. 34 IV), die aber entsprechend der Stellung des Vorsitzenden im Ausschuß nicht so weit geht wie die Ordnungsgewalt des Präsidenten im Plenum (so mit Recht Bernzen, ZfP 1977, 36); ihnen ist auch durch besondere Anordnung begrenzt das Hausrecht übertragen worden (s. im übrigen die „Grundsätze zur Stellung der Ausschußvorsitzenden" HbAvB 7. WP/Bd. I S. 229). Sondernormen gelten für den Petitionsausschuß (s. unten) und die Untersuchungsausschüsse (vgl. Art. 33). Zu Art. 32 II hat sich die Mehrheit des Verfassungsausschusses des 4 AvB 1956 zutreffend auf den Standpunkt gestellt, daß entsprechend der Tradition des Parlamentsrechts der Begriff der „Parteien" einschränkend im Sinne von „Fraktionen" zu verstehen ist; der Ausschuß hatte sich eine Klarstellung bei einer künftigen Verfassungsrevision vorbehalten (vgl. Denkschrift SvB, S. 6). In der Praxis wird die Stärke der einzelnen Fraktionen in den Ausschüssen nach d'Hondt ermittelt; die Fraktionsstärken im Parlament werden durch die natürlichen Zahlen - beginnend mit 1 - geteilt und aus dem sich daraus ergebenden Zahlenspiegel wird nacheinander die jeweils verbleibende höchste Zahl herausgesucht und der betreffenden Fraktion ein Sitz zugeteilt. Auf die gleiche Weise werden die Vorsitzfunktionen auf die Fraktionen aufgeteilt. Gewöhnlich wird dann im Rahmen einer interfraktionellen Absprache festgelegt, welche Fraktion in welchen Ausschüssen den Vorsitz übernimmt; kommt eine Einigung nicht zustande, so werden die Vorsitzfunktionen im sog. Zugriff-Verfahren vergeben, d. h. in der sich nach d'Hondt ergebenden Reihenfolge können die Fraktionen unter den gebildeten Ausschüssen sich diejenigen heraussuchen, in denen sie den Vorsitz übernehmen wollen 167

Art. 32

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

(zu den einzelnen Berechnungsverfahren s. Ritzel/Bücker § 16, Erl. II; s. a. Nauber, Das Berliner Parlament, 2. Aufl., 1975, S. 84ff). 5 Die Fraktionen werden in der VvB nicht erwähnt, obwohl ihre Tätigkeit für die Arbeit des Parlaments von sehr großer Bedeutung ist. Nach der G O A v B sind Fraktionen Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mindestzahl der Mitglieder des AvB ( § 7 1 1 GoAvB; zu der Frage, welchen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen die geschäftsordnungsmäßige Regelung des Fraktionsstatus unterliegt, s. BayVfGH BayVBl. 1976, 431; Linck D Ö V 1975, 689; Dellmann D Ö V 1976, 153 mit Schlußwort von Linck; Arndt/Schweitzer ZParlR 1976, 71. Zur Entwicklung und Rechtsstellung der Fraktionen Ritzel/Bücker, § 10, Vbm. und Erl. zu §§ 10ff; ferner Hauenschild, Wesen und Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, [1968]). Ihre Rechtsnatur ist umstritten (vgl. dazu Achterberg S. 39). Das BVfG hat die Fraktionen als „Teile und ständige Gliederungen" des Parlaments bezeichnet, die der organisierten Staatlichkeit eingefügt und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (BVfGE 20, 56, 104; DVB1. 1977, 613). Deshalb können ihnen staatliche Zuschüsse gewährt werden (BVfG aaO). Die Wahrnehmung einer Aufgabe durch die Fraktionen schließt naturgemäß eine gewisse Bindung des einzelnen Abgeordneten an seine Fraktion, eine Beschränkung seiner Freiheit ein. Geht diese Bindung nicht über das hinaus, was zur Sicherung des Ablaufs des Parlamentsarbeit geboten ist, so liegt sie im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen, vorausgesetzt, daß die notwendige Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortlichkeit des einzelnen Abgeordneten erhalten bleibt (BVfGE 10, 4, 14; zum Fraktionswechsel zusammenfassend Müller, Fraktionswechsel im Parteienstaat, 1974; zur Praxis der Fraktionsarbeit vgl. Nauber, Das Berliner Parlament, 1975, S. 175 ff; außerdem Meyn J Z 1977,167). 6

Ebenso schweigt die VvB über die Rolle der Opposition. Demgegenüber heißt es in Art. 23 a VHH: (1) D i e Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. (2) Sie hat die ständige Aufgabe, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz und im Einzelfall öffentlich zu vertreten. Sie ist die politische Alternative zur Regierungsmehrheit.

(S. dazu die Erläuterungen bei Drexelius/Weber.) Laut BVfG (E 2,143, 170) ist es nicht nur das Recht der Opposition, außer ihren politischen auch ihre verfassungsrechtlichen Bedenken geltend zu machen, sondern im parlamentarisch-demokratischen Staat geradezu ihre Pflicht (zum ganzen Problemkreis Regierungsmehrheit/Opposition vgl. Norbert Gehring, Parlament-Regierung-Opposition, 1969; Schneider, Die 168

Ausschüsse (Harth)

Art. 32

parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1974; Oppermann und Meyer, W D S t R L 33, 7ff, 69ff, insbesondere S. 64f, lOOff, 113f; ferner Busse/Hartmann ZParlR 1971, 200; Hübner, ZParlR 1970, 44; Schumann, Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, 1976). Nach Art. 32 IV, der an Art. 17 G G anschließt, entscheidet über 7 Petitionen an das AvB in der Regel der Petitionsausschuß. Mit dem Begriff Petition schließt sich die VvB einem alten parlamentarischen Sprachgebrauch an (das G G spricht zwar in den Art. 17 und 45 c ebenso wie Art. 126 W R V - nur von „Bitten und Beschwerden", jedoch wird im Art. 45 c auch der Begriff „Petitionssausschuß" verwendet; vgl. im übrigen auch Art. 23 RV 1871, § 2 I br PetG v. 13. 5. 1969 - BrGBl. S. 57 - und Art. 41 a VNW). Ausgehend von der sprachlichen Herkunft des Wortes (lat. petitio = das Ersuchen, die Bitte) sowie dem Sinn und Zweck des Petitionsrechts gehört zum Wesensmerkmal einer Petition, daß sie ein „petitum" enthält, d. h., mit der Eingabe muß angestrebt werden, das Parlament solle in irgendeiner Weise handeln (Dürig MD HS Art. 17, Rdn. 14; Rohlf J Z 1976, 359; vgl. auch B V f G E 13,132, 150). Daraus folgt umgekehrt, daß Eingaben keine Petitionen darstellen, wenn sie bloße Meinungsäußerungen enthalten (Mitteilungen, Belehrungen, Vorwürfe, Anerkennungen). Nach richtiger Ansicht liegt auch keine Petition vor, wenn ein Bürger nur um eine Auskunft nachsucht (HeStGH D Ö V 1962, 757; Rauball in v. Münch Art. 17, Rdn. 10; a. A. Dürig aaO Rdn. 16; vgl. auch Banse in Hübner/Oberreuter/Rausch, Der Bundestag von innen gesehen, 1969 S. 245; Seidel, Das Petitionsrecht, 1972, S. 18/19). Petitionen bedürfen nicht der Schriftform ( § 2 PetG geht allerdings wohl als Regelfall von der Schriftform aus; Rauball aaO meint, „im Grundsatz" sei die Schriftform zu wahren); auch Geschäftsfähigkeit wird nicht vorausgesetzt (§ 1 II PetG; O V G Berlin DVB1. 1976, 261). Das AvB ist nur zur Behandlung von Petitionen zuständig, die Organe des Landes Berlin betreffen. Betrifft z. B. eine Eingabe die Tätigkeit von Bundesstellen, hat das AvB die Sache an den B T zu verweisen. Die Petitionen werden in der Regel vom Petitionsausschuß beraten und erledigt (so jetzt auch Art. 4 5 c G G ) ; der Ausschuß kann aber die Entscheidung des Plenums einholen und umgekehrt kann eine Fraktion oder eine Gruppe von 10 Abgeordneten beantragen, daß eine Petition im Plenum des AvB entschieden wird (§ 4 II PetG). Der Ausschuß kann auch tätig werden, wenn ihm auf andere Weise gewichtige Umstände bekannt werden (Art. 32 IV 2, § 4 I 2 PetG); er ist damit in die Nähe eines ständigen Untersuchungsausschusses gerückt (s. dazu Rohlf J Z 76, 363). Die Tendenz wird dadurch verstärkt, daß der Ausschuß ein 169

Art. 33

Abschnitt III: Die Volksvertretung

direktes - d. h. ohne vorherige Einschaltung des SvB - Informationsrecht bei allen der Aufsicht des SvB unterstehenden Behörden und den Gerichten hat (allerdings schreibt § 5 III 1 PetG mit Recht eine parallele Unterrichtung des RB vor). Außerdem kann der Ausschuß Zeugen und Sachverständige vernehmen und vereidigen (Art. 32 IV 4, § 6 PetG). Der Petent hat einen Anspruch darauf, daß das Parlament die Eingabe entgegennimmt, sachlich prüft und ihm zumindest die Art der Erledigung schriftlich mitteilt (vgl. aber Art. 68, Rdn. 9). Ein darüber hinausgehender Anspruch auf eine materiell-rechtliche Entscheidung und eine Begründung besteht nicht (BVfGE 2, 225; O V G Berlin D Ö V 1976, 261; BayVfGH D Ö V 1957, 719; O V G Hamburg DVB1. 67, 86; s. a. BVwG NJW 1977, 118). Der Petitionsbescheid ist kein V A (BVwG aaO). Jedoch ist die allgemeine Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht möglich (OVG Berlin aaO). Das Gericht kann nicht die Vorlage der Petitionsakten verlangen, da das Gericht ohnehin nur eine begrenzte Prüfung vornehmen kann; die dafür erforderlichen Unterlagen hat der Kläger in der Regel selbst in den Händen.

Artikel 3 3 (1) Das Abgeordnetenhaus hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. (2) Jedermann ist verpflichtet, den Aufforderungen des Untersuchungsausschusses zum Zwecke der Beweiserhebung Folge zu leisten. Gerichte und Behörden haben Rechts- und Amtshilfe zu leisten; sie haben auf Verlangen Akten vorzulegen und ihren Dienstkräften Aussagegenehmigungen zu erteilen, soweit nicht Gründe der Staatssicherheit entgegenstehen. (3) Berichte der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Nachprüfung entzogen. (4) Der Untersuchungsausschuß kann durch Beschluß den Mitgliedern des Senats und ihren Beauftragten die Anwesenheit in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses gestatten. (5) Alles Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien

1. Vgl. Art. 44 GG; 34 II 3, 35 VBW; 25 BV; 105 VI VHB; 25 VHH; 92 HV; 11 VNV; 41 VNW; 91 VRP; 81 VS; 15 L S 2. VVGB: 3. Änderungen: Art. 33 wurde durch das 13. ÄndGVvB v. 22. 6. 1970 (GVB1. S. 928) neu gefaßt. 170

Untersuchungsausschuß (Harth)

Art. 33

Erläuterungen Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bedarf eines Be- 1 Schlusses des Parlaments (vgl. §§ 1, 2 UntAG), kann aber nach Art. 33 I von der Minderheit erzwungen werden. Dabei bleibt zu beachten, daß der Auftrag an einen Untersuchungsausschuß nicht weiter gehen kann, als die Kompetenz des Parlaments reicht (HeStGH D Ö V 1967, 51). So darf etwa wegen des Prinzips der Gewaltenteilung die Kontrolle der Regierung durch einen Untersuchungsausschuß nicht zu einer Dauereinrichtung werden (h. M., vgl. Maunz MDHS Art. 44, Rdn. 17; Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 92 HV, Erl. 2c; Barschel/Gebel Art. 15 LS, Anm. C I 3). Der Untersuchungsausschuß darf ferner nicht zur Untersuchung rein privater Vorgänge, an denen kein öffentliches Interesse besteht, eingesetzt werden (s. hierzu H e S t G H D Ö V 1972, 568; ferner Versteyl in v. Münch Art. 44, Rdn. 11; Rupp-v. Brüneck/Konow aaO Erl. 2 b wollen den Begriff des öffentlichen Interesses nicht angewendet wissen und stellen allein auf die Parlamentskompetenz ab, was aber zu gleichen Ergebnissen führt). Im allgemeinen verletzt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses jedoch keine grundrechtsgeschützten Rechtspositionen eines einzelnen Bürgers, da Untersuchungsausschüsse nur den Auftrag haben, Beweise zu erheben und diese eventuell zu werten, aber keine unmittelbaren Folgerungen für den Bürger auszusprechen (HeStGH aaO; vgl. § 1 UntAG). Werden im Antrag der Minderheit die genannten Grenzen überschritten, so kann das Parlament trotz Art. 3 3 1 den Antrag ablehnen; die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Auftrages darf nicht dem Ausschuß selbst überlassen bleiben (HeStGH DÖV 1967, 51; ähnlich Barschel/Gebel Art. 15 LS, Anm. I C4).

Andererseits sind nicht nur Untersuchungsausschüsse im Kontrollbe- 2 reich des Parlaments gegenüber der Regierung zulässig, sondern auch solche, die Untersuchungen zur Wahrung von Würde und Ansehen des Parlaments führen sollen, z. B. wegen des Fehlverhaltens eines Abgeordneten (Maunz M D H S Art. 44, Rdn. 4; Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 92 HV, Erl. 2 J). Die VvB schreibt für den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungs- 3 ausschusses ein Quorum von einem Viertel der Mitglieder des AvB (vgl. Art. 31, Rdn. 1) vor. Eine Veränderung des Quorums, etwa dergestalt, daß jede Fraktion ein Antragsrecht hat, bedürfte einer Verfassungsänderung; durch einfaches Gesetz kann der Minderheitenschutz nicht erweitert werden. Dem Untersuchungsausschuß sind weitgehende Rechte an die Hand 4 gegeben, damit er seine Aufgabe erfüllen kann. Die Exekutive (wie 171

Art. 33

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

auch ein Gericht) kann sich gegenüber der Aufforderung nach Aktenvorlage oder Erteilung von Aussagegenehmigungen nur weigern, wenn Gründe der Staatssicherheit geltend gemacht werden. Ob solche vorliegen, wird durch den Sicherheitsausschuß des Parlaments geprüft (§ 14 UntAG). Die Rechte des Ausschusses aus Art. 33 II können aber nur innerhalb der Landesgrenzen und der Organisationsgewalt des Landes geltend gemacht werden (so mit Recht Lässig D Ö V 1976, 727; a. A. Behrend D Ö V 1977, 92 mit Schlußwort von Lässig). Deshalb sind andere Landesbehörden und Bundesbehörden, auch wenn sie ihren Sitz in Berlin haben, nicht zur Auskunft verpflichtet. 5 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob Behörden und Gerichte, die nicht zum Land Berlin gehören, wenn nicht nach Art. 33 II 2, so doch nach Art. 35 I G G dem Untersuchungsausschuß Rechts- und Amtshilfe zu leisten haben. Das hängt zunächst davon ab, ob man den Untersuchungsausschuß als Behörde ansieht. Die Frage ist sehr- umstritten (bejahend z. B. Maunz M D H S Art. 44, Rdn. 27; Versteyl in v. Münch Art. 44, Rdn. 23; Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 92 HV, Erl. 9), aber richtigerweise zu verneinen (so Lässig D Ö V 76, 727; Kleinrahm in Geller/Kleinrahm/Fleck Art. 41 VNW, Erl. 2; Barschel/Gebel Art. 15 LS, Anm. C II 5). Für Berlin ist jedenfalls das oft gebrauchte Argument, der Behördencharakter des Untersuchungsausschusses ergäbe sich aus der Übertragung hoheitlicher Funktionen, weniger tragfähig, da dem Untersuchungsausschuß selbst keine Zwangsbefugnisse mehr zustehen (vgl. §§ 12IV, 13 I u. II, 16 III U n t A G ) . 6

Art. 33 III entzieht Berichte der Untersuchungsausschüsse (vgl. § 19 U n t A G ) der richterlichen Nachprüfung, d. h., daß eine Klage gegen das Parlament wegen der im Bericht enthaltenen Wertungen und Feststellungen nicht möglich ist. Dies rechtfertigt sich aus dem Zweck des Untersuchungsverfahrens und der Autonomie des Parlaments (Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 92 HV, Erl. 2 d; Versteyl in v. Münch Art. 44, Rdn. 24ff hält eine solche Ausnahme von der Justitiabilität für nicht ganz unbedenklich). Im übrigen wird aber durch einen Untersuchungsausschuß kein staatsanwaltschaftliches oder gerichtliches Verfahren in der Durchführung gehindert. Umgekehrt kann jedoch, wenn die Gefahr besteht, daß durch das Untersuchungsverfahren gerichtliche Verfahren oder Ermittlungsverfahren gestört werden, das Verfahren mit Zustimmung des Antragstellers durch Beschluß des Untersuchungsausschusses ausgesetzt werden (§ 18 I U n t A G ; durch Beschluß des Plenums oder des Ausschusses kann das Verfahren wiederaufgenommen werden, § 18 12 UntAG). 7 Die Mitglieder des SvB haben abweichend von Art. 34 II kein Recht auf Anwesenheit in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses (eben172

Untersuchungsausschuß (Härth)

Art. 33

sowenig ihre Beauftragten). § 8 II U n t A G schließt sie von Beratungssitzungen generell aus. Durch die Neufassung des Art. 33 im Jahre 1976 und das auf der Neu- 8 fassung beruhende U n t A G sind für das AvB zahlreiche bisher bestehende Zweifelsfragen geklärt worden. Im U n t A G fehlt eine generelle Bezugnahme auf die Vorschriften der StPO über die Beweisaufnahme (anders § 11 I 2 bayUntAG v. 23. 3. 1970 - GVB1. S. 95 - u. § 13 VI bwUntAG v. 3. 3. 1976 - GBl. S. 194 - ; ähnlich wie das BlnUntAG auch §§ 38ff saLTG v. 20. 6. 1973 - ABl. S. 517 ff; für eine Loslösung von der StPO hat sich auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform des Bundestages in ihrem Schlußbericht v. 2. 12. 1976 - BTDs. 7/5924, S. 51 f - ausgesprochen). Der Berliner Gesetzgeber hat dem Umstand Rechnung getragen, daß ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren kein gerichtsähnliches Verfahren darstellt, sondern ein Verfahren ist, das politischen Zwecken dient (vgl. Stern Z R P 1977, 12). Deshalb sind auch alle Vorschläge verfehlt, die auf eine Neutralisierung des Vorsitzenden hinauslaufen (so allerdings der Bericht der Enquete-Kommission des B T aaO S. 51 u. 53). Das U n t A G nimmt ferner insofern eine Sonderstellung ein, als es nur Zeugen und keinen Betroffenen kennt (vgl. § 19 bwUntAG, Art. 13 bayUntAG, § 54 saLTG; auch die Enquete-Kommission des BT aaO S. 51, 54/55 empfiehlt, die Unterscheidung von Zeugen und Betroffenen aufzugeben); dafür sind die Zeugnisverweigerungsrechte in Berlin erweitert worden (über die Erfahrungen mit der Anwendung des U n t A G s. Härth ZParlR 1972, 463; zum notwendigen Ausbau der Minderheitenposition im Recht der Untersuchungsausschüsse vgl. Linck Z f P 1972, 470). Auch wer materiell betroffen ist, hat keine weiteren Aussageverweigerungsrechte. Nicht ganz bedenkenfrei ist die jetzige Regelung über die Vereidigung von Zeugen ( § 1 2 III U n t A G ) ; hier werden die verfassungsrechtlichen Grenzen zu beachten sein (auf die Rinck DVB1. 1964, 706 sehr nachdrücklich hinweist; zur uneidlichen Falschaussage vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen s. Wagner G A 1976, 257). Nach den Vorschlägen der Enquete-Kommission des BT (Bericht S. 51 u. 55) soll der Eid außerhalb der Sitzung nachträglich auf die schriftliche Aussage des zu Vereidigenden von einem Richter abgenommen werden. Wie Achterberg (DÖV 1975, 833, 838) mit Recht fordert, muß aber bei einer Reform darauf geachtet werden, daß auch die uneidliche Aussage vor einem Untersuchungsausschuß der rechtlichen Sanktion unterliegt. Die Arbeit eines Untersuchungsausschusses endet mit der Kenntnis- 9 nähme des von ihm vorgelegten Berichts (§ 19 I U n t A G ) durch das Plenum, mit der Einstellung des Verfahrens bei gleichzeitiger Auflösung des Ausschusses durch das Plenum (18 II UntAG) oder durch das Ende 173

Art. 34

Abschnitt III: Die Volksvertretung

der Wahlperiode (h. M.: Maunz MD HS Art. 44, Rdn 42; Versteyl in v. Münch, Art. 44, Rdn. 15 bezeichnet dies ohne Begründung als fraglich).

Artikel 3 4 (1) Das Abgeordnetenhaus und seine Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder des Senats fordern. (2) Der Senat ist zu den Sitzungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse einzuladen. (3) Der Regierende Bürgermeister oder sein Vertreter können vor Eintritt in die Tagesordnung unabhängig von den Gegenständen der Beratung das Wort ergreifen. Den Mitgliedern des Senats ist auf Verlangen jederzeit zu den Punkten der Tagesordnung das Wort zu erteilen. (4) Die Mitglieder des Senats unterstehen in den Sitzungen der Ordnungsgewalt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Vorsitzenden des Ausschusses. Materialien: 1. Vgl. Art. 43 GG; 34 VBW; 2 4 BV; 98 VHB; 23 V H H ; 91 HV; 10 VNV; 45 VNW; 89 VRP; 78 VS; 16 LS. 2. W G B : Art. 1 0 1 und II 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Die Kontrollkompetenz ist eine der wichtigsten Aufgaben des Parlaments; dessenungeachtet wird sie als solche nicht in der VvB genannt (anders z. B. Art. 27 II VBW, 116 II HV; s. a. Friedrich, JahrbÖR N F Bd. 24, 61 ff). Die VvB regelt nur einige Teilkomplexe (s. insbesondere Art. 32 IV u. 33). Ausfluß des Kontrollrechts ist das Zitierungsrecht (Maunz, M D H S Art. 43, Rdn. 1; Landsberg/Goetz, S. 92). Dieses Recht steht nur dem Plenum und den Ausschüssen zu, also z. B. nicht dem Präsidium (vgl. dazu Art. 28, Rdn. 3; Kleinrahm in Geller/Kleinrahm/ Fleck Art. 45 VNW, Anm. 4; für die Enquete-Kommission s. § 3 I 2 EnqG) oder dem einzelnen Abgeordneten, ebensowenig Gremien außerhalb des AvB, in die das Parlament Abgeordnete entsandt hat (Maunz, MDHS Art. 43, Rdn. 4). Das herbeigerufene Regierungsmitglied kann sich nicht — wie es nach dem Wortlaut des Art. 34 I zunächst den Anschein hat - mit der bloßen Anwesenheit begnügen; denn An174

Herbeirufung des Senates (Harth)

Art. 3 4

Wesenheit bedeutet nach allgemeiner Ansicht hier nicht stummes Dabeisitzen, sondern Beteiligung an den parlamentarischen Verhandlungen, insbesondere die Pflicht des Zitierten, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen (so schon Anschütz, Art. 33 WRV, Anm. 1; statt vieler Maunz, MDHS Art. 43, Rdn. 8). Der Zitierte hat persönlich zu erscheinen, und zwar auch dann, wenn er anscheinend mit der Sache nicht befaßt ist, denn dem Parlament muß die Möglichkeit gegeben werden, durch Fragen z. B. einen etwaigen Kompetenzkonflikt aufzuklären (im Ergebnis ebenso Maunz MDHS Art. 43, Rdn. 5, 7; v. Mangoldt/Klein Art. 43, Anm. II 1; Fauser, Die Stellung der Regierungsmitglieder und ihrer Vertreter im Parlament, Diss. Bonn 1973, S. 107 f; a. A. Meder, Art. 24 BV, Erl. 1, nach dessen Auffassung ein völlig unzuständiges Regierungsmitglied nicht zu erscheinen braucht; ebenso Nawiasky/Schweiger, Art. 24 BV, Rdn. 3; Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 91 HV, Anm. 3 a; s. a. Schönfeld, Das Zitier-, Zutritts- und Rederecht des Art. 43 GG, Diss. Köln 1973). Das Auskunftsrecht ist begrenzt durch den Aufgabenbereich des 2 Parlaments und einer eventuellen Pflicht des Regierungsmitgliedes zur Verschwiegenheit (Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 91 HV, Anm. 4; Nawiasky/Schweiger, Art. 24 BV, Rdn. 2; Maunz, MDHS Art. 43, Rdn. 8; Klein bei Schmidt-Bleibtreu/Klein Art. 43, Rdn. 3; s. allerdings Art. 30 IV u. §§ 5 3 - 5 5 GOAvB). Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Senatsmitglieder, dem AvB und seinen Ausschüssen Rede und Antwort zu stehen, kann nicht hergeleitet werden, daß der SvB sog. Große Anfragen, Mündliche Anfragen und Kleine Anfragen (vgl. §§ 4 7 - 5 1 GOAvB) beantworten muß, da es in diesen Fällen an dem erforderlichen Beschluß des Plenums oder eines Ausschusses mangelt (Marschall v. Bieberstein HbDStR I S. 536; Pereis HbDStR I S. 459; Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 143; Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, 1966, S. 112; Witte-Wegemann, Recht und Kontrollfunktion der Großen, Kleinen und Mündlichen Anfragen im Deutschen Bundestag, 1972, S. 81 f; Gehrig, Parlament - Regierung - Opposition, 1969, S. 294; Sauer, Das Interpellationsrecht in der Bundesrepublik Deutschland und im Freistaat Bayern, Diss. München 1968, S. 23, 25; a. A. Schäfer, Der Deutsche Bundestag, 1967, S. 60; Möller RiA 1965, 81; Maunz, MDHS Art. 43, Rdn. 1; v. Mangoldt/Klein Art. 43, Anm. III 2; einige meinen, die Verpflichtung der Regierung zur Beantwortung einer Anfrage ergebe sich aus allgemeinen Verfassungsprinzipien, vgl. z. B. Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 91 HV, Anm. 5, wobei aber wohl übersehen wird, daß aus diesen Prinzipien kein Minderheitenrecht 175

Art. 34

Abschnitt III: Die Volksvertretung

resultiert). Aus dem Auskunftsrecht ergibt sich auch kein Recht auf Aktenvorlage (s. dazu aber Art. 32 V H H u. Urt. HmbVfG, VwRsp Bd. 25, S. 513; s. ferner Bogs, Der Staat, 1974, 209). 3 Die Einladungen sind an den SvB, nicht an die einzelnen Senatoren zu richten. Der SvB ist auch zu vertraulichen und geheimen Sitzungen ( § § 5 3 f f GOAvB) einzuladen; eine Ausnahme gilt nur für die nichtöffentlichen Sitzungen der Untersuchungsausschüsse (Art. 33 IV) und für Enquetekommissionen, die keine Ausschüsse i. S. des Art. 34 sind (ebensowenig das Präsidium, vgl. Art. 28, Rdn. 3). Soweit der SvB einzuladen ist, hat er selbstverständlich auch ein Zutrittsrecht; das gilt aber nur für die Senatsmitglieder, nicht für ihre Beauftragten (arg. Art. 40 II; anders Art. 43 II 1 G G ; für die Ausschüsse s. aber § 25 IV 2 GOAvB). 4 Will man im Sinne einer Gewaltenverschränkung die Kräfte von Exekutive und Legislative sorgfältig ausbalancieren, so muß man der Regierung, die die Gesetze auszuführen und die Verwaltung des Gemeinwesens zu leiten hat, das Recht geben, auf die Verhandlungen des Parlaments Einfluß zu nehmen. Dazu dient neben Art. 34 II die Vorschrift des Art. 34 III. Das Recht, vor Eintritt in die Tagesordnung das Wort zu ergreifen, gilt nur für den RB und den Bgm. oder einen änderen Vertreter im Amt; s. dazu auch § 62 V GOAvB. Im Gegensatz zu Art. 34 III gab Art. 10 II W G B jedem Magistratsmitglied das Recht, „während der Beratungen jederzeit gehört zu werden", was zu Mißverständnissen und Schwierigkeiten führte (vgl. Landsberg/Goetz, S. 93). Nach Eintritt in die Tagesordnung haben alle Senatsmitglieder das Recht auf Worterteilung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten. „Jederzeit" heißt, daß der Senator als nächster in der Rednerfolge sprechen darf, ein anderer Redner darf in seinem begonnenen Vortrag aber nicht unterbrochen werden (§ 63 V GOAvB); auch ist eine begonnene Abstimmung zu Ende zu führen (Maunz, M D H S Art. 43, Rdn. 21; Ruppv. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 91 HV, Anm. 9). Ferner bleibt zu beachten, daß Art. 34 III enger gefaßt ist als entsprechende Bestimmungen anderer Verfassungen (z. B. Art. 43 II 2 GG). Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß die Senatsmitglieder weder nach Erledigung eines Tagesordnungspunktes zu diesem noch einmal das Wort ergreifen können, noch das Recht haben, von sich aus nicht auf der Tagesordnung stehende Punkte anzusprechen (ebenso (Landsberg/ Goetz, S. 94; andererseits für das G G Maunz, M D H S Art. 43, Rdn. 21). Die MdA sind auch nicht verpflichtet, während der Ausführungen eines Senatsmitgliedes anwesend zu sein (Maunz aaO). Das Rederecht gilt nur für die Senatsmitglieder, nicht für ihre Beauftragten; dessenungeachtet läßt § 51 I 4 G O A v B in der Fragestunde die Beantwortung von Fragen 176

Art. 35

Immunität (Harth)

der MdA durch einen Senatsdirektor zu. Die Redezeit der Senatsmitglieder kann weder durch die G O noch durch einen besonderen Beschluß des AvB begrenzt werden. Sie wird bei einer Redezeitbeschränkung nicht auf die der Regierungsmehrheit zustehende Redezeit angerechnet und steht — vorbehaltlich des Mißbrauchsverbots — im Ermessen der Regierungsmitglieder (BVfGE 10, 17 f; s. a. Schindler, ZParlR 1971, 251). Dennoch gibt die GOAvB für die Senatsmitglieder einige (unverbindliche) Richtlinien, an die sich diese zu halten pflegen (vgl. z. B. § § 5 1 I 4, 64 V 3); andererseits eröffnet die Rede eines Senatsmitgliedes mitunter neue Redezeiten für die Fraktionen (§§ 52 III 1, 64 VIII GOAvB). Art. 34 IV dehnt die sich aus der Parlamentsautonomie ergebende 5 Ordnungsgewalt des Präsidenten auch auf die Regierungsmitglieder aus (s. Rupp-v. Brüneck/Konow in Zinn/Stein Art. 91 HV, Anm. 10) und unterwirft diese außerdem der Ordnungsgewalt der Ausschußvorsitzenden. Allerdings sind dem Grenzen gesetzt: Eine Wortentziehung oder ein Ausschluß von der Sitzung kommt nach allgemeiner Meinung gegenüber Regierungsmitgliedern nicht in Betracht, es sei denn, sie treten (bei einem gleichzeitigen Mandat) als Abgeordnete auf (Rupp-v. Brüneck/Konow aaO; Anschütz Art. 33 WRV, Anm. 4; Süsterhenn/ Schäfer Art. 89 VRP, Anm. 4).

Artikel 3 5 (1) Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen Äußerungen in Ausübung seines Mandats gerichtlich oder dienstlich oder sonst außerhalb des Abgeordnetenhauses zur Verantwortung gezogen werden. (2) Jeder Abgeordnete hat das Recht, Angaben über Personen, die ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter Mitteilung gemacht haben, und die Herausgabe von Schriftstücken zu verweigern, die ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter übergeben wurden. (3) Kein Abgeordneter darf ohne Genehmigung des Abgeordnetenhauses zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Ausübung der Tat festgenommen wird. (4) Jede Haft oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten ist auf Verlangen des Abgeordnetenhauses aufzuheben. 177

Art. 35

Abschnitt III: Die Volksvertretung

Materialien 1. Vgl. Art. 46, 47 GG; 3 7 - 3 9 VBW; 2 7 - 2 9 BV; 9 4 - 9 6 VHB; 14, 1 5 , 1 7 VHH; 9 5 - 9 7 H V ; 1 4 - 1 6 V N V ; 4 7 - 4 9 VNW; 9 3 - 9 5 VRP; 8 2 - 8 4 VS; 17 LS; 2. y V G B : 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Die Bestimmung geht auf Art. 25 des SPD-Entwurfs und Art. 14 des CDU-Entwurfs zurück, die sich wiederum an der W R V (Art. 36, 37 I u. III, 38) orientierten. Schon nach der 1. Lesung im Verfassungsausschuß stand mit Ausnahme zweier sprachlicher Details der spätere Verfassungstext fest. Die SED hatte während der Beratungen die Streichung der Immunitätsbestimmung des Abs. 3 beantragt. 2 Art. 35 I soll die Redefreiheit und die Freiheit der Meinungsbildung im Parlament gegen Eingriffe durch staatliche Organe sichern (im Bereich des rechtsgeschäftlichen Verkehrs findet die Bestimmung keine Anwendung, Drexelius/Weber, Art. 14 VHH, Rdn. 6; Reh in Zinn/ Stein Art. 95 HV, Anm. 5). Der Indemnitätsschutz gilt aber nur für Abgeordnete, also z. B. nicht für Mitglieder der Regierung ( O V G Münster DVB1. 1967, 51; s. a. Witte/Wegemann DVB1. 1974, 866) oder BV, und nur für einzelne Abgeordnete, nicht für Fraktionen oder Gruppen als solche (OLG Saarbrücken NJW 1953, 1150). Geschützt sind nur Erklärungen, die ein MdA im Parlament, in den Ausschüssen und in den Fraktionen abgibt, im allgemeinen aber nicht Äußerungen gegenüber der Presse (BrStGH DVB1. 1967, 622; KG bei Versteyl ZParlR 1975, 290; hinsichtlich von Presseerklärungen stärker differenzierend O L G Saarbrücken aaO; s. a. L G Krefeld M D R 1968 S. 323; Hemeyer Z R P 1971, 174). Der Indemnitätsschutz gehört zum materiellen Recht und wirkt auch gegen zivilrechtliche, disziplinarrechtliche und ehrengerichtliche Maßnahmen (h. M., Maunz, MDHS Art. 46, Rdn. 1,'6, 19; O L G Karlsruhe D Ö V 1956, 762; BrStGH aaO; dagegen vor allem jetzt Ruland, Der Staat 1975, 457). Auch eine vorbeugende Unterlassungsklage für den Fall einer Wiederholung der Äußerung im außerparlamentarischen Bereich ist nicht zulässig (OLG Stuttgart Urt. v. 10. 12. 7 5 - 4 U 115/75; a. A. L G Koblenz NJW 1961, 125). 3

Strittig ist das Verhältnis von Art. 35 I (und entsprechender Bestimmungen anderer Landesverfassungen) zu § 36 StGB und damit dessen Bedeutung für den strafrechtlichen Schutz der Abgeordneten. Dies ist deshalb wichtig, weil Art. 35 I im Gegensatz zu § 36 StGB den Indemnitätsschutz auch bei verleumderischen Beleidigungen gewährt (abzulehnen ist auf jeden Fall die Ansicht von Rinck J Z 1961, 249 und

178

Immunität (Harth)

Art. 35

Schönke/Schröder, StGB, 17. Aufl., §11, Rdn. 5, § 36 habe die Landesverfassungsbestimmungen vollständig beseitigt, gewähre aber selbst einen Schutz auch im außerstrafrechtlichen Bereich; dies ist nach der systematischen Einordnung des § 36 StGB ausgeschlossen; wie hier StGH Bremen, DVB1. 67, 622, u. OLG München DVbl. 1975, 54). Dreher (StGB, 36. Aufl., § 36 Erl. 2; ebenso Tröndle LK, § 11, Erl. 1) folgend wird man sagen müssen, daß Art. 35 I wegen seiner komplexen Wirkung ein Kernstück des Landesverfassungsrechts darstellt, für dessen Änderung dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz fehlt; denn wegen der föderativen Struktur der Bundesrepublik haben die Länder für die Gestaltung ihres Verfassungsrechts einen eigenen Ermessensspielraum (BVfGE 4, 189; a. A. im Ergebnis DrexeliusAVeber Art. 14 VHH, Rdn. 7; vor allem Reh in Zinn/Stein, Art. 95 HV, Erl. 1, der aber inkonsequenterweise dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den strafrechtlichen Indemnitätsschutz zugestehen und damit verleumderische Beleidigungen vom Indemnitätsschutz ausgenommen wissen will, andererseits aber die Einschränkung des Indemnitätsschutzes durch § 36 StGB auf Äußerungen im Parlament nicht gelten lassen will). Der strafrechtliche Indemnitätsschutz für Mitglieder des AvB bestimmt sich also ausschließlich nach Art. 35 I und deckt sich damit mit dem Indemnitätsschutz in den übrigen Bereichen, insbesondere im Zivilrecht (vgl. KG Urt. v. 24.1. 1975 - GW 1546/74 - ) . Art. 35 II ist im Hinblick auf §§ 53 I Nr. 4 (weiter gefaßt als Art. 35 II, 4 der nach seinem Wortlaut nur die Person des Informanten, nicht die dem MdA anvertrauten Tatsachen schützt), 97 III StPO nur noch für den außerstrafrechtlichen Bereich von Bedeutung (vgl. z. B. §§ 383 ZPO, 93 VwGO, für die Aussage vor einem Untersuchungsausschuß § 12 II 1 UntAG). Das Zeugnisverweigerungsrecht steht nur zur Disposition des MdA, nicht des Parlaments (Maunz, MDHS Art. 47, Rdn. 2, 5); auch die Einverständniserklärung des Gesprächspartners beseitigt nicht das Recht des MdA (so mit Recht Rauball in v. Münch, Art. 47, Rdn. 3 gegen Maunz MDHS Art. 47, Rdn. 6). Die Bestimmung ist auch auf die Gehilfen der MdA anzuwenden (Wieczorek ZPO, § 383, Erl. E Ic 1; vgl. § 53 a I StPO sowie Heizer NJW 1952, 891). Die Herausgabe eines Schriftstückes darf hoheitlich nicht erzwungen werden (Rauball, aaO Rdn. 10). Das Zeugnisverweigerungsrecht überdauert die Mandatszeit (h. M„ Maunz, MDHS Art. 47, Rdn. 7; Rauball, aaO Rdn. 14). MdA sind außerdem hinsichtlich des Vernehmungsortes als Zeugen privilegiert (§ 501 u. III StPO, 382 II u. III ZPO). Bei der Auslegung der Immunitätsbestimmung des Art. 35 III ist zu 5 beachten, daß diese Vorschrift nicht unerheblich von Art. 46 II u. III GG sowie vergleichbaren Bestimmungen anderer Länderverfassungen 179

Art. 35

Abschnitt III: Die Volksvertretung

abweicht. Ferner ist es in der Praxis empfehlenswert, sich zunächst an den „Richtlinien in Immunitätsangelegenheiten" (ImmRiLi; vgl. HbAvB7). WP Bd. I S. 222ff) zu orientieren, die zwar als Anlage zur G O A v B rechtlich keine Außenwirkung besitzen, denen aber als Interpretation der Immunitätsbestimmung durch das Parlament selbst eine gewisse Bedeutung zukommt. Schließlich ist zu beachten, daß das AvB durch Beschluß vom 24. April 1975 auch für die 7. WP die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete wegen Straftaten weitgehend allgemein genehmigt hat (HbAvB 7. WP Bd. I S. 228). Danach ergibt sich folgende Rechtslage: 6

Bei einem ehrengerichtlichen Verfahren, einem Disziplinarverfahren oder einem Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung (§§ 185, 186, 187 a I StGB) politischen Charakters muß schon vor Einleitung des Verfahrens eine Genehmigung des Parlaments eingeholt werden (vgl. Nr. 1 a u. b ImmRiLi).

7

Im übrigen sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren frei, einschließlich aller erforderlichen Maßnahmen (z. B. Blutentnahme, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis; zulässig sind auch Durchsuchungen, so mit Recht Rosen Z R P 1974, 80; dazu auch Bücker Z R P 1975, 23). Der Genehmigung bedürfen aber freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen; die Verhaftung ist jedoch zulässig, wenn das MdA „bei Ausübung der Tat" festgenommen wird (Art. 35 III ist hier enger gefaßt als Art. 46 II G G ; im einzelnen zu dieser Ausnahme Uhlitz DVB1. 1962,123 ff).

8

Überhaupt keine Genehmigung ist für die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens erforderlich (vgl. Nr. 6 ImmRiLi.), denn hierbei wird das M d A nicht „zur Untersuchung gezogen" (a. A. Maunz, M D H S Art. 46, Rdn. 40; Reh in Zinn/Stein Art. 96 HV, Erl. 8; Kleinrahm, in Geller/Kleinrahm/Fleck Art. 48 VNW, Anm. 4 a; s. a. RGSt 24, 205, 209); das gleiche gilt für zivilgerichtliche Verfahren (OLG Karlsruhe NJW 1956,1840).

9

Hingegen ist immer genehmigungspflichtig jede Art von Haft, d. h. Freiheitsentziehung, auch außerhalb des Strafverfahrens, z. B. die Erzwingungshaft nach § 390 II Z P O (im Verfahren zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 899 ff Z P O sind die MdA allerdings schon durch § 904 Nr. 1 Z P O geschützt); aber auch die Unterbringung nach dem UnterbrG. Diese Auslegung der Verfassungsbestimmung ist nach ihrem Wortlaut zwar nicht ganz zweifelsfrei, aber durch den Zweck der Vorschrift, die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu erhalten, geboten (im Ergebnis ebenso Landesberg/Goetz S. 96; a. A. Bockelmann, Die UnVerfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem 180

Immunität ( H a r t h )

Art. 35

Immunitätsrecht, 1951, S. 89, nach einem unzutr. Vergleich zwischen der VvB und der LS). Soll öffentliche Klage erhoben werden, so muß vorher um Aufhebung 10 der Immunität des MdA nachgesucht werden, es sei denn, er ist bei Ausübung der Tat festgenommen worden (vgl. zur Fortsetzung des Verfahrens nach Festnahme bei Ausübung der Tat OLG Bremen NJW 1966, 743). Ebenso ist eine Aufhebung der Immunität erforderlich vor Erlaß eines Strafbefehls oder der Erhebung einer Privatklage. Bei der Aufhebung gilt innerhalb des Parlaments bei Verkehrsdelikten ein vereinfachtes Verfahren (Nr. 4 ImmRiLi.), im übrigen entscheidet endgültig das Plenum. Für die verschiedenen Stadien des Verfahrens ist jeweils eine gesonderte Genehmigung erforderlich (Nr. 7 ImmRiLi.). In jedem Stadium des Verfahrens, ohne Rücksicht auf eine etwa be- 11 schlossene Aufhebung der Immunität und ohne Rücksicht darauf, ob das MdA bei Ausübung der Tat festgenommen worden ist, ist eine Haft oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit eines MdA auf Verlangen des Parlaments aufzuheben (Art. 35 IV, sog. Reklamationsrecht). Durch § 152a StPO ist die jeweilige Landesverfassungsbestimmung 12 im gesamten Bundesgebiet wirksam. Zeitlich ist der Immunitätsschutz begrenzt auf die Mandatszeit (vgl. Art. 28, Rdn. 2, sowie Art. 39 V); jedoch ist das MdA während der Mandatszeit auch gegen solche Verfahren geschützt, die bereits vorher gegen ihn eingeleitet wurden (sog. mitgebrachte Verfahren, h. M. Maunz, MD HS Art. 46, Rdn. 51; a. A. OLG Celle JZ 1953, 564 mit zustimmender Anm. von Bockelmann; s. a. Nr. 8 ImmRiLi.) Der Immunitätsschutz ist kein Recht des MdA, sondern des Parlaments (Schorn, NJW 1966, 234; Andriof, Rechtfertigung und praktische Bedeutung der Immunität der Abgeordneten, Diss. Freiburg 1969), das in seiner Entscheidung frei ist (BayVfGH DÖV 1966, 339; vgl. aber auch Nr. 5 ImmRiLi.). Deshalb ist ein Verzicht des MdA auf die Immunität unbeachtlich (allg. M.). Die Entscheidung des Parlaments ist verwaltungsgerichtlich nicht überprüfbar (Drexelius/ Weber, Art. 15 VHH, Rdn. 8; Bockelmann, aaO S. 24; s. aber Schmelter, Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtsetzung gehörende Akte der Legislative, 1977; S. 166; Bartmann, Die Justiziabilität von Immunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestages, Diss. Köln 1976).

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Art. 36

Abschnitt III: Die Volksvertretung

Artikel 36 Niemand darf wegen wahrheitsgetreuer Berichte über die öffentlichen Verhandlungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse zur Verantwortung gezogen werden. Materialien 1. Vgl. Art. 4 2 III GG; 33 III VBW; 22 H BV; 93 V H B ; 16 V H H ; 90 HV; 9 III VNV; 43 VNW; 87 VRP; 75 VS; 11 II LS; 2. V V G B : 3. Änderungen: —

Erläuterungen 1

Der Art. 36 wurde während der Beratungen des Verfassungsausschusses Anfang 1948 in Anlehnung an Art. 30 W R V mit dem heutigen Text eingefügt. Die SED hatte die Streichung des Artikels beantragt. 2 Die Freiheit der Berichterstattung über die Verhandlungen parlamentarischer Gremien ist historisch gesehen eng verbunden mit dem Prinzip der Öffentlichkeit, denn die Berichterstattung dient der erweiterten Publizität des Parlaments (Georgi, Das Prinzip der wahrheitsgetreuen Parlamentsberichterstattung, Diss. Göttingen 1927, S. 2ff). Sie ist deshalb kein Privileg der Presse, sondern in erster Linie des Parlaments, ohne daß dieses allerdings darüber verfügen kann (Maunz, M D H S Art. 42, Rdn. 28). Für das Strafverfahren ist die NichtVerantwortlichkeit jetzt durch den fast inhaltsgleichen § 37 StGB normiert, so daß Art. 36 hier bedeutungslos ist; er ist noch relevant, z. B. für mögliche zivilrechtliche, disziplinäre oder presserechtliche Konsequenzen (vgl. auch Georgi aaO S. 102; Anschütz, Art. 30 WRV, Anm. 2; Maunz, MDHS Art. 43, Rdn. 36). Er gilt nur für Berichte über Verhandlungen des AvB, nicht aber anderer Parlamente (s. im Gegensatz dazu Art. 16 V H H und 90 HV; vgl. O L G Braunschweig NJW 1953, 516 und B G H NJW 1954, 1252). 3

Berichte sind erzählende Darstellungen eines historischen Vorgangs in seinem wesentlichen Verlauf; geschützt sind also nicht einzelne aus dem Zusammenhang gerissene, wenn auch an sich wortgetreue Äußerungen, ebensowenig eigene Betrachtungen des Berichterstatters (RGSt. 18, 207, 210). Aus dem Wort „Verhandlung" ergibt sich außerdem, daß einzelne Reden nicht darunterfallen (RG aaO). Auf die Form des Berichts kommt es nicht an; er kann schriftlich, mündlich oder über Hörfunk bzw. Fernsehen und durch jede Person gegeben werden 182

Präsident des Abgeordnetenhauses (Harth)

Art. 37

(Dreher StGB, § 37, Anm. 3; Schneider, BK Art. 42, Anm. II 5; Reh, in Zinn/Stein HV, Art. 90, Anm. 4). Wahrheitsgetreu sind Berichte, die mit dem berichteten Vorgang übereinstimmen (RGSt 18, 207, 209). Eine wortgetreue Wiedergabe ist dazu nicht notwendig. Entscheidend ist vielmehr, ob bei einer abgekürzten Wiedergabe mindestens eines zeitlich und sachlich zusammenhängenden Teils der Verhandlung der richtige Eindruck des wirklichen Vorgangs erhalten bleibt (Kleinrahm, in Geller/ Kleinrahm/Fleck Art. 43 VNW, Anm. 4; mißverständlich Dreher J Z 1953, 423). Gedeckt von der Verfassung ist auch die Wiedergabe ehrverletzender Bemerkungen (anders nur Art. 22 II BV; s. auch Dreher StGB § 37, Anm. 2). Im Gegensatz zu Art. 42 III GG, der von Berichten über „die öffent- 4 liehen Sitzungen" spricht (ebenso § 37 StGB), ist im Art. 36 im Anschluß an Art. 30 WRV nur von Berichten „über die öffentlichen Verhandlungen" die Rede, so daß Berichte über Vorgänge am Rande der Verhandlungen - etwa tätliche Auseinandersetzungen - nicht geschützt sind (s. dazu Maunz, M D H S Art. 42, Rdn. 31).

Artikel 3 7 Der Präsident des Abgeordnetenhauses vertritt das Abgeordnetenhaus in allen Angelegenheiten; er übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Abgeordnetenhaus aus. Materialien 1. Vgl. Art. 4 0 II GG; 32 II u. III VBW; 21, 29 II BV, 92 II u. III, 96 II V H B ; 18 II u. III VHH; 86, 97 II HV; 8 II u. III VNV; 39, 49 II VNW; 85 III, 95 II VRP; 73, 84 S. 3 VS; Art. 13 II, 20 LS; 2. V V G B : 3. Änderungen: -

Erläuterungen Die Vertretungsbefugnis des PrAvB ist hier umfassend gemeint. Sie 1 bezieht sich nicht nur auf gerichtliche Verfahren, sondern ebenso auf andere Rechtsgeschäfte und auf Protokollangelegenheiten, also auch auf den repräsentativen Bereich. In § 14 I 1 G O A v B heißt es deshalb: „Der Präsident führt die Geschäfte und vertritt das Abgeordnetenhaus nach außen . . ." und § 14 II 1 G O A v B wiederholt: „Der Präsident. . . wahrt 183

Art. 37

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

die Würde und Rechte des Abgeordnetenhauses und fördert seine Arbeiten." Die GOAvB hebt außerdem hervor, daß der Präsident die Verhandlungen gerecht und unparteiisch zu leiten hat (§ 14 II 2 GOAvB). Diese Verpflichtung obliegt ihm selbstverständlich auch außerhalb des Plenums. Wenn auch der Präsident nach altem parlamentarischen Brauch von der stärksten Fraktion vorgeschlagen wird (vgl. Art. 28, Rdn. 3). dieser nach seiner Wahl weiterhin angehören darf und für diese im Plenum sogar gelegentlich das Wort ergreift (anders z. B. die Stellung des Speakers im britischen Unterhaus, s. Rust, The Pattern of Government, London 1969, S. 38), so hat er dennoch bei der Wahrnehmung seines Amtes ausschließlich die Interessen des Parlaments in seiner Gesamtheit zu vertreten (s. a. BVfGE 1, 115, 116). Damit er diese Aufgabe wahrnehmen kann, hat ihm die Verfassung eine starke Stellung eingeräumt; diese Stellung kann durch die Geschäftsordnung allenfalls im Innenverhältnis eingeschränkt werden ( § 1 3 GOAvB; nicht unbedenklich § 44 III GOAvB; zur Unabsetzbarkeit des Präsidenten vgl. Art. 28 Rdn. 4, zur Abgrenzung der Funktionen des Präsidenten von denen der Ausschußvorsitzenden vgl. die „Grundsätze zur Stellung der Ausschußvorsitzenden" HbAvB 7. WP Bd. I S. 229; s. ferner Zimmerling, Z B R 1 9 7 6 , 368). 2

Der PrAvB schließt die notwendigen privatrechtlichen Verträge ab (z. B. über eine Unfallversicherung für Abgeordnete, s. § 13 EntschG) und stellt bei gegen das Parlament gerichteten strafbaren Handlungen erforderlichenfalls Strafanträge bzw. erteilt die Ermächtigung nach § 106b II StGB (s. aber §§ 90b, 194 IV StGB u. StBAvB 7/1, S. 5). 3 Der Präsident ist die oberste Dienstbehörde für die Beamten der Verwaltung des AvB ( § 3 1 Nr. 2 LBG, außerdem ist er insoweit Dienstbehörde § 4 III LBG); er ernennt (allerdings im Namen des SvB, § 12 12 LBG) und entläßt die Beamten (§§ 64 II, 69 LBG), kann Disziplinarverfügungen erlassen oder ein förmliches Disziplinarverfahren einleiten (§§ 31, 37 I 2 LDO). Er übt die Rechte des Arbeitgebers für die beim AvB beschäftigten Angestellten und Arbeiter aus (s. a. § 14 VI 2 GOAvB; vgl. Art. 61, Rdn. 4ff). Das PersVG räumt ihm eine Sonderstellung ein (§§ 80 I Nr. 2, 81 II 2). Die Mitarbeiter der Fraktionen unterstehen nicht dem PrAvB. 4 Der PrAvB stellt den Haushaltsplan für das AvB auf (s. allerdings § 13 II GOAvB) und teilt ihn dem Senator für Finanzen mit; dieser muß ihn unverändert in den Entwurf des Gesamthaushaltsplans aufnehmen (§ 30 IV LHO). Für seinen Bereich ist der Präsident Wirtschafter (.§ 35 I 2 LHO); er ist aber selbstverständlich an die haushaltsrechtlichen Bestimmungen gebunden, insbesondere auch an den Grundsatz der

184

Präsident des Abgeordnetenhauses (Harth)

Art. 37

Sparsamkeit (Art. 74 II, § 42 LHO). Im Rahmen der Steuerung der Haushaltswirtschaft vom Finanzsenator erlassene Verfügungsbeschränkungen gelten nicht für Ausgaben, für die der PrAvB Wirtschafter ist (§ 43 V LHO). Mit diesen Bestimmungen soll die Autonomie des Parlaments auch von der finanziellen Seite her gesichert werden. Das Hausrecht gibt dem Präsidenten die Möglichkeit, Anordnungen 5 über das Betreten der Räume, in denen das AvB tagt und seine Verwaltung arbeitet, zu erlassen und das Verhalten in diesen Räumen zu regeln. Zu diesem Zweck kann er eine Hausordnung erlassen (zum öffentlichrechtlichen Hausrecht Knemeyer, DÖV 1970, 596). § 3 BannG bestätigt noch einmal diese Rechte des Präsidenten und überträgt ihm darüber hinaus partiell das Hausrecht für das gesamte Gebäude, in dem das AvB tagt; hier kann er (im Einvernehmen mit dem SvB) allerdings nur Anordnungen über das Betreten des Gebäudes treffen. Soweit das Hausrecht des PrAvB reicht, kann er auch Hausverbote aussprechen, wobei er aber an die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung der Räume gebunden ist (zum Rechtscharakter eines Hausverbotes in öffentlichen Gebäuden s. BGH NJW 1961, 308; BVwG DVB1. 1971,111). Ferner hat der PrAvB die Polizeigewalt in den Räumen des AvB, 6 d. h., er ist insoweit anstelle des Polizeipräsidenten Polizeibehörde (Maunz MDHS Art. 40, Rdn. 24), allerdings mit Ausnahme des sog. verwaltungspolizeilichen und des kriminalpolizeilichen Bereichs (so mit Recht Kleinschnittger, Die rechtliche Stellung des Bundespräsidenten, Diss. Bielefeld 1963, S. 132). Durch die Einräumung dieser Stellung werden die allgemeinen Amts- und Vollzugshilfegrundsätze im Verhältnis des Polizeipräsidenten zum PrAvB modifiziert. Gemäß Art. 35 GG vom Polizeipräsidenten dem Parlamentspräsidenten überstellte Polizeibeamte unterstehen ausschließlich dem Parlamentspräsidenten. Die Amts- und Vollzugshilfe erschöpft sich in diesem Fall also darin, daß der Polizeipräsident Personal und Ausrüstung stellt (Leinius NJW 1973, 448). Durch eine besondere schriftliche Vereinbarung zwischen dem Polizeipräsidenten und dem PrAvB ist dies im einzelnen festgelegt worden. Der PrAvB hat außerdem eine „Generelle Anweisung für den Einsatz von Polizeikräften in den Räumen des Abgeordnetenhauses von Berlin" erlassen, in der auch geregelt ist, wann die eingesetzten Polizeibeamten ohne besondere Anordnung des PrAvB handeln dürfen. Die Befugnisse des PrAvB gelten für alle Räume, in denen Gremien des AvB tagen, auch wenn diese sich außerhalb des normalen Sitzungsgebäudes des Parlaments befinden (Versteyl in v. Münch Art. 40, Rdn. 25). Die Anordnungen des PrAvB sind strafrechtlich durch § 106b StGB geschützt; außerdem ist bei Verstößen ein Verfahren nach § 112 185

Art. 37

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

OWiG möglich, für das der PrAvB selbst zuständig ist (Art. 83 StRAnpG v. 3. 12. 1974 - GVB1. S. 2746). 7 Die Bannmeile ist von der Polizei in eigener Verantwortung zu schützen. Der PrAvB hat nur bei bestimmten Veranstaltungen innerhalb der Bannmeile ein Vetorecht (§ 1 BannG). 8 In der VvB fehlt eine Bestimmung (die in allen anderen Verfassungen in der Bundesrepublik enthalten ist), wonach ohne Genehmigung des PrAvB in den Räumen des Parlaments keine Durchsuchungen oder Beschlagnahmen vorgenommen werden dürfen (so z. B. Art. 40 II 2 GG). Aus der Entstehungsgeschichte ist nicht ersichtlich, warum diese in Art. 15 S. 3 des CDU-Entwurfs enthaltene Vorschrift nicht in die Verfassung übernommen worden ist. Es kann sein, daß die Verfasser der Ansicht waren, dies ergäbe sich bereits aus der Polizeigewalt des PrAvB oder seinem Hausrecht (dafür sprechen auch die Ausführungen bei Landsberg/Goetz S. 97 f). Die Genehmigungspflicht für Durchsuchungen und Beschlagnahmen (sowie Verhaftungen vgl. v. Mangoldt/Klein Art. 40, Anm. V 2; ferner Zwangsmaßnahmen auf zivil- oder öffentlichrechtlicher Grundlage, Versteyl in v. Münch Art. 40, Rdn. 29) hat aber weder mit dem einen noch mit dem anderen direkt etwas zu tun (str., s. Kleinschnittger aaO). Dennoch wird man aus der Stellung des Parlaments als unabhängiges, oberstes Verfassungsorgan (wie sie sich insbesondere aus den Art. 2, 25 I, 29, 35 u. 37 ergibt) folgern müssen, daß in seinem Berich Eingriffe der Exekutive der Zustimmung des Parlamentspräsidenten bedürfen (vgl. auch Denkschrift SvB S. 7, die das als selbstverständlich bezeichnet). Dabei sei darauf hingewiesen, daß seit der französischen Konstitution vom 3. 9. 1791 die Parlamente sich auf dieses Recht berufen haben (s. Hubrich, Das Polizeirecht des Reichstags und die Reichsstrafprozeßordnung, Der Gerichtssaal Bd. 71, 127; im übrigen vgl. auch § 96 StPO sowie B G H J Z 1956, 326). 9

Von den Befugnissen nach Art. 37 2. Halbs, scharf zu trennen ist die Ordnungsgewalt des Präsidenten im Plenum (vgl. §§ 76ff GOAvB). Zu den Funktionen des Präsidenten im Gesetzgebungsverfahren s. Art. 45 IV und 46 II. 10 Soweit der Präsident als Dienstbehörde bzw. Arbeitgeber, als Polizeibehörde oder in Ausübung seines Hausrechts handelt, sind seine Entscheidungen gerichtlich nachprüfbar (s. dazu Schmelter, Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtsetzung gehörende Akte der Legislative, 1977).

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Art. 38

Aufwandsentschädigung (Harth)

Artikel 38 Die Abgeordneten erhalten eine Aufwandsentschädigung und das Recht der freien Fahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln, die sich im Besitz von Berlin befinden. Materialien 1. Vgl. Art. 4 8 III GC; 4 0 VBW; 31 BV; 82 V H B ; 13 I V H H ; 98 H V ; 17 III V N N ; 50 V N N ; 97 VRP; 9 III LS. 2. y V G B : Art. 8 3. Änderungen: -

Erläuterungen Die Zahlung einer Entschädigung an Abgeordnete ist im Interesse 1 ihrer Unabhängigkeit unumgänglich. Sie ist eine im Laufe der Entwicklung des deutschen Parlamentarismus langsam erkämpfte Errungenschaft (s. Röhrig/Sontheimer S. 119). Die daraus sich ergebenden Einzelfragen lassen sich aber nur lösen, wenn man den Status des Abgeordneten insgesamt einer näheren Betrachtung unterzieht. Die VvB schweigt hier jedoch weitgehend. Sie kennt noch nicht einmal eine dem Art. 38 I G G entsprechende Vorschrift (wiewohl es sich dabei um allgemein geltendes Parlamentsrecht handelt, vgl. Achterberg S. 31; zur Freiheit des Mandats s. a. HeStGH, Urt. v. 7. 7. 1977 - P. St. 783 - ) und regelt nur Teilaspekte (s. Art. 35). Der Status des Abgeordneten hat sich nach Ansicht des BVfG (E 40, 296, 311) im Laufe der Zeit in mehrfacher Hinsicht geändert. Im Anschluß an BVfGE 4, 144, 151 gelangte das Gericht jedenfalls für den BT (und den saarländischen Landtag) zu der Feststellung, aus der in Art. 48 III G G geforderten Entschädigung für besonderen mit dem Mandat verbundenen Aufwand, sei eine Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie aus der Staatskasse geworden als Entgelt für die Inanspruchnahme des Abgeordneten durch sein zur Hauptbeschäftigung gewordenes Mandat. Das Gericht ließ offen, ob dies auch für alle Landesparlamente gelte (S. 314; s. zum Urteil Henkel DÖV 1975, 819; Häberle NJW 1976, 537; Dietrich Z B R 1976, 97; außerdem zur Zulässigkeit parlamentarischer Funktionszulagen nach dem Urteil Linck ZParlR 1976, 54). Dennoch sind dadurch auch neue Überlegungen für das AvB erforderlich geworden, insbesondere hinsichtlich der (bisher nicht vorgenommenen) Versteuerung der Diäten. Eine Neufassung des Art. 38 liegt deshalb nahe. Die Aufwandsentschädigung wird vom Tage des ersten Zusammen- 2 187

Art. 39

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

tritts des AvB an gezahlt bis zum Ende des Monats, in dem das AvB aufgelöst wird oder seine Wahlperiode abläuft (§ 2 II 1 AvBEG; anders § 23 11 BTEG). Zu den Bezügen nach dem Ausscheiden und an Hinterbliebene vgl. §§ 8 bis 12 AvBEG, die nur für ehemalige Abgeordnete bzw. deren Angehörige gelten, nicht aber für ehemalige Mitglieder der S t W . Eine Erstattung von Lohn- bzw. Verdienstausfall gibt es in Berlin nicht; als pauschaler Ausgleich dient eine Sonderdiät nach § 2 a AvBEG. 3 Auf die Aufwandsentschädigung werden andere Bezüge aus öffentlichen Kassen in bestimmtem Umfang angerechnet, so z. B. eine Aufwandsentschädigung als MdB (§ 2 III AvBEG). Das MdA selbst kann allerdings auf die ihm gewährten Leistungen nicht verzichten und diese Ansprüche nicht übertragen (§ 15 II AvBEG), es sei denn, sie wurden nur auf Antrag gewährt; damit sind diese auch unpfändbar (§ 851 I ZPO). Mit der genannten Bestimmung des AvBEG soll verhindert werden, daß das MdA unter Druck gesetzt wird (vgl. auch B V f G E 20, 56,103). 4 Das Parlament ist berechtigt, die Entschädigung für seine Mitglieder selbst festzusetzen. Denn in einer parlamentarischen Demokratie läßt es sich nicht vermeiden, daß das Parlament in eigener Sache entscheidet. Gerade in einem solchen Fall verlangt aber das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip, daß der gesamte Willensbildungsprozeß für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird (BVfGE 40, 296, 327). Eine Festsetzung in völlig unangemessener Höhe würde gegen das Willkürverbot verstoßen (BayVfGHE 20, 95,101).

Artikel 3 9 (1) Das Abgeordnetenhaus kann durch eigenen Beschluß oder auf Volksbegehren durch Volksentscheid vor Ablauf der Wahlperiode aufgelöst werden. Der Beschluß des Abgeordnetenhauses bedarf der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der gewählten Mitglieder. Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Fünftel der Wahlberechtigten einem Volksbegehren zugestimmt hat. Der Volksentscheid wird nur wirksam, wenn mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten sich daran beteiligt. (2) Die Neuwahl des Abgeordnetenhauses muß spätestens acht Wochen nach der Beendigung der Wahlperiode oder der vorzeitigen Auflösung erfolgen. (3) Bis zum Zusammentritt des neu gewählten Abgeordnetenhauses 188

Auflösung des Abgeordnetenhauses (Magen)

Art. 3 9

nimmt ein Ausschuß des Abgeordnetenhauses die Rechte der Volksvertretung wahr. (4) Der Präsident des Abgeordnetenhauses führt seine Geschäfte bis zum Zusammentritt des neu gewählten Abgeordnetenhauses. (5) Der Präsident des Abgeordnetenhauses und die Mitglieder des Ausschusses genießen während dieser Zeit die Rechte aus den Artikeln 35 bis 38. Materialien 1. Vgl. Art. 39, 45 GG; 36, 4 3 , 4 4 VBW; 18, 26 BV; 1 0 , 1 1 , 31 V H H ; 80, 81, 93 HV; 6, 7, 12 VNV; 35, 40, 68 III VNW; 84, 92, 109 VRP; 71, 86 VS; 18, 19, 31 LS. 2. VVGB: 3. Änderungen: 17. ÄndGVvB vom 22. November 1974 (GVB1. S. 2741).

Im Gegensatz zum G G , das weder ein Selbstauflösungsrecht des BT noch die Möglichkeit der vorzeitigen Parlamentsauflösung durch Volksbegehren und Volksentscheid vorsieht, ist es nach VBW, BV, VNV, VRP und VvB möglich, daß das Volk in einer Volksabstimmung die vorzeitige Auflösung des Parlaments herbeiführt. Die Berliner Regelung knüpft an die prVf. vom 30. November 1920 an. Auch in der Weimarer Zeit sahen mehrere Landesverfassungen die vorzeitige Auflösung des Landtags durch Volksbegehren und Volksentscheid vor. In den Ländern Lippe-Detmold (März 1931), Preußen (Juni 1931), Anhalt (Juni 1931), Sachsen (März 1932) und Oldenburg (März 1932) fanden Volksbegehren mit dem Ziel der vorzeitigen Auflösung des Landtags statt. Die Volksbegehren in den Ländern Preußen, Sachsen und Oldenburg führten zu anschließenden Volksentscheiden; bis auf den Oldenburger Fall blieben alle Volksentscheide ohne Erfolg. In der ursprünglichen Fassung des Art. 39 I war das Volksbegehren nicht vorgesehen, dies ist erst durch das 17. ÄndGVvB eingefügt worden. Das LAbstG und die LAbstO sehen ein dreistufiges Verfahren für die Auflösung des AvB vor, nämlich - Antragsverfahren, - Volksbegehren und - Volksentscheid. Träger des Volksbegehrens können eine Person, eine Mehrheit von Personen, eine Vereinigung i. S. d. VereinsG oder eine politische Partei i. S. d. PartG sein. Verbotene Organisationen und Parteien haben dieses Recht nicht. Der Träger des Volksbegehrens muß zusammen mit seinem schriftlichen Antrag, der den Wortlaut des Volksbegehrens enthalten 189

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Abschnitt III: D i e Volksvertretung

muß, mindestens 8 0 0 0 0 Unterschriften von stimmberechtigten Berlinern auf besonderen nach amtlichen Mustern vorgeschriebenen Unterschriftsbogen beibringen. Die Stimmberechtigung ergibt sich aus den Vorschriften des LWG. Dem Senator des Innern ist mindestens ein Monat vor dem Beginn des Sammeins der Unterschriften von dem Träger des Volksbegehrens darüber eine schriftliche Mitteilung zu machen. Der Senator prüft den Zulassungsantrag daraufhin, ob die erforderlichen Formalien erfüllt, die ausreichende Zahl von Unterschriften beigebracht worden sind, ob der Träger des Volksbegehrens keine verbotene Organisation ist und ob nicht innerhalb von zwei Jahren vor Eingang des Antrages ein entsprechendes Volksbegehren erfolglos stattgefunden hat. Dem Antrag muß stattgegeben werden, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind; dem Senator des Innern steht hierbei kein Ermessen zu. Die Träger des Volksbegehrens können ihren Antrag jederzeit bis zum Beginn der Eintragungsfrist zurücknehmen. Wird der Antrag zugelassen, findet ein Volksbegehren statt, für das amtliche Eintragungslisten gefertigt und ausgelegt werden. Jedem nach dem LWG an einem Stichtag wahlberechtigten Bürger steht das Recht zu, sich persönlich mit seiner Unterschrift in die Eintragungsliste einzutragen. Zur Vorbereitung und Durchführung des Volksbegehrens und des Volksentscheides wird vom SvB ein Landesabstimmungsleiter und von jedem BzA werden Bezirksabstimmungsleiter ernannt. Das Volksbegehren war erfolgreich, wenn sich ein Fünftel der Wahlberechtigten in die Eintragungslisten eingetragen haben, das sind z. Z. etwas mehr als 300000 Personen. 5

Dem AvB steht es nun frei, von sich aus innerhalb von zwei Monaten darüber zu entscheiden, ob es sich angesichts des erfolgreichen Volksbegehrens selbst auflösen will oder nicht. Sollte das AvB dies nicht oder nicht mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Drittel seiner gewählten Mitglieder (vgl. Art. 25, Rdn. 2) beschließen, so findet innerhalb von zwei Monaten nach dem ablehnenden Beschluß ein amtlicher Volksentscheid statt. 6 Die Abstimmungsberechtigten müssen in geheimer Abstimmung, mit Stimmzetteln, in Stimmlokalen, persönlich oder durch Briefabstimmung abstimmen; ein Abstimmungszwang besteht nicht. Der Volksentscheid wird nur wirksam, wenn sich mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten daran beteiligt (z. Z. ca. 750000) und wenn davon wiederum die Mehrheit der Beteiligten für die Auflösung gestimmt haben, somit beträgt das minimale Quorum für den Erfolg z. Z. ca. 375 000 Ja-Stimmen. 7 Unabhängig von dem plebiszitären Verfahren der Auflösung des AvB kann sich dieses auch jederzeit durch einen eigenen Beschluß vor Ablauf der Wahlperiode auflösen (Selbstauflösung). Eine solche Entscheidung 190

Auflösung des Abgeordnetenhauses (Magen)

Art. 39

wird dann gefällt werden, wenn entweder eine sog. Patt-Situation entstanden ist, d. h. die Regierungsfraktionen über die gleiche Stimmenzahl verfügen wie die Oppositionsfraktionen, oder wenn die Regierungsfraktionen nur über eine ganz knappe Mehrheit verfügen, durch die eine kontinuierliche parlamentarische Arbeit nicht mehr gesichert ist. Sowohl bei dem erfolgreichen Volksentscheid als auch bei einer vor- 8 zeitigen Auflösung des AvB durch eigenen Beschluß muß spätestens innerhalb von acht Wochen die Neuwahl des AvB und wegen Art. 55 II auch der 12 B W e n . erfolgen. Die Acht-Wochen-Frist beginnt bei der plebiszitären Auflösung mit der amtlichen Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses des Volksentscheides im GVB1., im Falle eines AvB-Beschlusses mit dem Tage der Beschlußfassung. Für die Berechnung der Frist gelten die §§ 186ff BGB. Das GG und die westdeutschen Verfassungen sehen für die Zeit 9 zwischen der normalen oder der vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode und dem Zusammentritt des neuen Parlaments einen sog. Interimsausschuß oder ständigen Ausschuß vor, der die Rechte der Volksvertretung gegenüber der Regierung wahrzunehmen hat, (vgl. Art. 45 GG). Dieser Ausschuß darf nur mit Abgeordneten des alten Parlaments besetzt sein. In Berlin besteht nach § 24 GOAvB dieser Ausschuß aus dem PrAvB, seinen Stellvertretern und 21 von den Fraktionen benannten stimmberechtigten Mitgliedern. Die VvB schweigt über die Befugnisse dieses Ausschusses. Im G G wird lediglich gesagt, daß er die Rechte eines Untersuchungsausschusses hat und daß ihm das Recht der Gesetzgebung, die Wahl des Bundeskanzlers und die Anklage des Bundespräsidenten nicht zustehen. Da in der VvB die Beschränkung „Wahrung der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Regierung" fehlt, könnte man folgern, daß der Berliner Ausschuß mehr Rechte habe als der des BT. Aus der Bezeichnung „Ausschuß" folgt jedoch, daß er keinesfalls die Rechte des Plenums hat, d. h., er ist kein Ersatzparlament, das den SvB oder einzelne Mitglieder abwählen, Gesetze beschließen kann. Insbesondere steht ihm natürlich auch nicht das Recht zu, die Übernahme von Bundesgesetzen zu beschließen. Bundesgesetze können in einer parlamentslosen Zeit nicht übernommen werden, sie bleiben bis zum Zusammentritt eines neuen AvB liegen. Bei einer durch die parlamentslose Zeit bedingten Verzögerung der Übernahme könnten sich dann hier nur Probleme aus dem rückwirkenden Inkrafttreten von Bundesgesetzen in Berlin ergeben. Dies ist nach allgemeinem Verfassungsrecht unbedenklich bei Gesetzen, die den Bürger begünstigen. Problematisch wird es nach der Rechtsprechung des BVfG (13, 215, 13, 261) bei sog. belastenden Gesetzen. Das grundsätzliche Rückwirkungsverbot folgt aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes des Bürgers (BVfGE 1, 265). 191

Art. 3 9

Abschnitt III: D i e Volksvertretung

Daraus folgt aber zugleich, daß das Verbot rückwirkender Gesetze nicht greift, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers nicht gegeben ist. Wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte, greift der Vertrauensschutz nicht durch (BVfGE 18, 429). Lediglich bei verschärfenden Strafgesetzen ist unter keinem Gesichtspunkt eine rückwirkende Inkraftsetzung in Berlin möglich (vgl. auch Art. 1, Rdn. 50). Wohl wird man dem Ausschuß allerdings das Recht zubilligen, Anfragen an den SvB zu stellen, die Anwesenheit der Mitglieder des SvB zu fordern (Art. 34). Mangels einer entsprechenden Vorschrift in der VvB wird man ihm nicht das Recht eines Untersuchungsausschusses zubilligen können. Es wäre daher zu begrüßen, wenn das AvB durch Ergänzung der VvB die Rechte und Befugnisse dieses Ausschusses eindeutig normieren würde. 10 Während der Legislaturperioden führt der PrAvB, der nach § 24 G O A v B Mitglied des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung ist, seine Geschäfte weiter. Die stellvertretenden Präsidenten haben dieses Recht nicht, sie wirken nur in dem Ausschuß zur Wahrung der Rechte des Volksvertretung mit. Das bedeutet, daß nach Ablauf der Legislaturperiode oder nach Auflösung des Parlaments der PrAvB weiterhin das Recht hat, die noch vom Parlament beschlossenen Gesetze nach Art. 46 II auszufertigen. Für den Fall seines Ausfalls in dieser Übergangszeit fehlt es an einer entsprechenden Legitimation für seine Vertreter. 11 Da sowohl der PrAvB als auch alle anderen Mitglieder des Parlaments mit Ablauf der Legislaturperiode oder durch Auflösung des AvB ihre Stellung als Abgeordnete verloren haben, müssen ihnen ihre Immunität (Art. 35 III), ihre Indemnität (Art. 35 I), das Zeugnis- und Herausgabeverweigerungsrecht (Art. 35 II) durch Verfassung besonders garantiert werden. Dies geschieht durch Art. 39 V. Das gilt ebenso für die weiteren Rechte nach den Art. 36 bis 38.

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Abschnitt IV Die Regierung

Artikel 4 0 (1) Die Regierung wird durch den Senat ausgeübt. (2) Der Senat besteht aus dem Regierenden Bürgermeister, dem Bürgermeister als seinem Vertreter sowie höchstens 16 Senatoren. Materialien 1. Vgl. Art. 62 GG; 45 I und II VBW; 43 I und II BV; 107 I VHB; 33 I VHH; 100 HV; 191 und n VNV; 51 VNW; 98 I V R P ; 88 V S ; 2 1 I L S 2. VVGB: Art. 11 3. Änderungen: -

Erläuterungen Dadurch, daß nach dem 2. Weltkrieg und durch die Auflösung des 1 Landes Preußen Berlin den Charakter eines Landes erhalten hat, mußte die alte noch auf Gemeinderecht ruhende Magistratsverfassung abgelöst werden und Berlin eine Landesregierung erhalten. Die SED hatte erfolglos beantragt, die Bezeichnung „Magistrat" dennoch beizubehalten. Berlin orientierte sich an der Senatsverfassung der Hansestädte Bremen und Hamburg. Die Bezeichnung „Regierender Bürgermeister" ist vor allem von der SPD gegen den Vorchlag der C D U : „Präsident des Senats" (so die Bezeichnung in Bremen und Hamburg) durchgesetzt worden. Der SvB ist die Landesregierung des Landes Berlin. Er übt die eigent- 2 liehen Regierungsgeschäfte aus, ist aber auch Verwaltungsspitze, ohne Verwaltungsbehörde zu sein (vgl. Art. 44 I). Gem. Art-, 40 II besteht der SvB höchstens aus 18 Mitgliedern; z. Zt. 3 hat er 13 Mitglieder. Jeder Senator ist Spitze einer Senatsverwaltung, es sei denn, er ist „Senator ohne Geschäftsbereich". Der RB wie auch der 193

Art. 40

Abschnitt IV: Die Regierung

Bgm. können zugleich Senator sein bzw. die Funktion eines Senators ausfüllen; andererseits muß der Bgm. entgegen der ständigen Praxis nicht notwendig Senator sein. 4 Die Mitglieder des SvB werden vom AvB gewählt, Art. 41 I und II. Die Zahl der zu wählenden Senatsmitglieder wird nicht vom RB, sondern vom AvB verbindlich festgelegt, Art. 41 II, 43 IV. Notwendig ist die Bestellung eines Senators für Finanzen, Art. 76 III, und eines Senators für Justiz, Art. 95 II, 98 IV GG. Allerdings könnten auch diese Ämter durchaus vom RB oder vom Bgm. wahrgenommen werden. 5 Durch wen ein Senatsmitglied im Verhinderungsfalle vertreten wird, regelt die VvB nur in einem Falle: der RB wird vom Bgm. vertreten. Im übrigen ist die Vertretung durch die GOSvB geregelt. Danach wird der RB bei Abwesenheit oder Verhinderung des Bgm. zunächst durch den vom SvB zur Vertretung des Bgm. bestellten Senator, alsdann durch den an Dienstjahren ältesten Senator, bei gleicher Zahl von Dienstjahren als Senatsmitglied durch den an Lebensjahren ältesten Senator vertreten", § 4 GOSvB. In der Praxis ist z. Zt. kein Senator zur Vertretung des Bgm in dieser Funktion bestellt. Somit wird bei Abwesenheit sowohl des RB als auch des Bgm. der SvB vom dienstältesten Senator geleitet, nicht etwa von dem Senator, der den Bgm. in seiner Eigenschaft als Senator vertritt. Die übrigen Mitglieder des SvB werden in Fällen der Verhinderung durch ein anderes Senatsmitglied nach Maßgabe eines Vertretungsplans vertreten, § 9 I GOSvB. Als Verwaltungschef wird ein Senator durch seinen Senatsdirektor vertreten, § 9 II GOSvB. 6

Die Zuständigkeit des SvB ist der VvB nur bruchstückhaft zu entnehmen. So beschließt der SvB über: 1. den Vorschlag für die Richtlinien der Regierungspolitik, Art. 43 II; 2. Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Senatsmitglieder berühren, Art. 43 V 2; 3. das Verlangen auf unverzügliche Einberufung des AvB, Art. 30 II; 4. die Einbringung von Gesetzesentwürfen beim AvB, Art. 45 II, 49 II; 5. das Verlangen auf Vornahme einer dritten Lesung eines Gesetzes, Art. 5 0 I V ; 6. den Erlaß von Rechtsverordnungen gemäß Art. 47 I; 7. den Erlaß von Verwaltungsvorschriften zur Ausführung von Gesetzen, Art. 47 II, Art. 5 1 1 und II; 8. Begnadigungen, Art. 68; 9. Haushaltsüberschreitungen, Art. 76 I; 10. die jährliche Rechnungslegung gegenüber dem AvB, Art. 82; 11. Vorschläge über die Besetzung und Abberufung der Präsidenten 194

Senat (Neumann)

Art. 40

der oberen Landesgerichte, der Generalstaatsanwälte, des P r L R H und des Polizeipräsidenten, Art. 4 4 II, 6 9 II, 83 I I ; 12. Einstellung, Entlassung usw. der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gem. Art. 6 1 1 , 6 9 1 1 u. I I ; 13. Geschäftsordnung des Senats, Art. 4 3 I V 2 . D i e Kompetenz, über die Richtlinien der Regierungstätigkeit und die Organisation der Regierungsgeschäfte zu entscheiden, ist weder dem S v B noch dem R B als Regierungschef vorbehalten. Dies wird verbindlich vom A v B festgelegt (Art. 43 II u. I V ) . Weitere Zuständigkeiten des S v B ergeben sich aus einfachen Gesetzen oder aus der G O S v B , z. B . Zustimmung zu Staatsverträgen und V e r waltungsvereinbarungen, § 2 0 A Z G , Maßnahmen im Rahmen der B e zirksaufsicht, §§ 1 1 - 1 3 A Z G , Abstimmungsverhalten im B R , § 17 G O S v B , Beantwortung von G r o ß e n Anfragen des A v B , § 2 2 G O S v B . Anders als die B R e g . , aber so wie die anderen Landesregierungen, 7 muß der S v B auch Funktionen eines Staatsoberhaupts ausüben. S o steht dem S v B das Begnadigungsrecht (Art. 6 8 ) , das Recht auf Ordensverleihung, das R e c h t auf Ernennung, Einstellung usw. der Landesbediensteten zu (Art. 6 1 , 6 9 ) . D i e Aufgaben beim abschließenden Erlaß eines Gesetzes, wie sie dem Bundespräsidenten gem. Art. 8 2 G G zustehen, sind in Berlin zwischen R B und P r A v B aufgeteilt, Art. 4 6 II. D i e ungeschriebenen Aufgaben eines Staatsoberhauptes, wie Anordnung von Staatstrauer, Staatsbegräbnissen, Beflaggung der öffentlichen G e b ä u d e u. v. m. stehen dem S v B im ganzen zu (vgl. z. B . § 5 H o h Z G ) . D e r S v B ist einziges Regierungsorgan, dem A v B steht eine Regie- 8 rungskompetenz nicht zu. Das Parlament regiert und verwaltet nicht selbst, sondern kontrolliert die Regierung ( B V f G E 1, 3 9 4 ) , auch durch Ersuchen und Empfehlungen. D i e Kompetenz des A v B zum Erlaß des Haushaltsplans, der verbindlichen Festlegung der Geschäftsverteilung und der Regierungsrichtlinien stehen dem nicht entgegen. S o kann das A v B weder Einzelweisungen in Verwaltungstätigkeiten an den S v B erlassen noch z. B . das Abstimmungsverhalten im B R festlegen. Solange eine „ W e i s u n g " nicht im Wege materieller Gesetzgebung erfolgt, sind Beschlüsse des A v B , die Regierung sollte einen bestimmten R e g i e rungsakt vornehmen, sich in bestimmter Weise verhalten usw., nur von politischem Charakter und nicht rechtlich erzwingbar. D e r S v B hat pflichtgemäß selbst zu entscheiden, ob er dem Beschluß nachkommt. D i e Nichtdurchführung eines solchen schlichten Parlamentsbeschlusses kann das A v B allenfalls durch ein Mißtrauen (Art. 4 2 ) sanktionieren. D e r R B ist nur „primus inter p a r e s " im S v B ; er sitzt ihm vor und 9 repräsentiert ihn. Eigenständige Regierungsfunktionen sind ihm kaum 195

Art. 40

Abschnitt IV: D i e Regierung

vorbehalten. Ebensowenig ist das politische Schicksal des RB von dem anderer Senatsmitglieder noch umgekehrt deren Verbleiben im Amt von dem des RB abhängig gemacht, Art. 42 II. Der RB hat für die Besetzung des SvB lediglich ein Vorschlagsrecht, Art. 41 II. Er kann damit Personen seines Vertrauens nicht gegen den Willen des AvB durchsetzen, sondern lediglich Personen, die sein Vertrauen nicht besitzen, verhindern. Er kann ebensowenig aus eigener Macht die Größe des SvB bestimmen, Art. 43 IV. Anders allerdings als die Regierungschefs in Hamburg und Bremen steht ihm allein das Vertretungsrecht nach außen gemäß Art. 43 11 zu (vgl. dort Rdn. 1 ff). In der VvB ist dem Bgm. nur an zwei Stellen Erwähnung geschenkt: Nach Art. 40 II ist er der Vertreter des RB, nach Art. 52 II ist er Mitglied des RdB. 11 Die Rechtsstellung der Mitglieder des SvB ist nicht in der Verfassung, sondern im SenG geregelt, einem einfachen Landesgesetz. Die VvB enthält keine ausdrückliche Ermächtigung zu einem solchen Gesetz (anders Art. 53 VBW, 40 VHH, 28 II VRP; für Besoldungsregelungen Art. 58 BV, 112 II VHB, 105 HV, 25 I 2 VNV, 64 I VNW; Art. 106 VRP stellt den Besoldungsanspruch der Regierungsmitglieder fest, ermächtigt also implizit den Landesgesetzgeber zur Regelung; ebenso die VS und das GG.). Als einzige deutsche Verfassung enthält die VvB auch keine Vorschrift über die Eidesleistung (anders Art. 48 VBW, 56 BV, 109 VHB, 38 VHH, 111 HV, 22 VNV, 53 VNW, 100 VRP, 91 VS, 23 LS, 64 II GG). Dennoch ist daraus nicht zu schließen, daß die VvB eine Eidesleistung der Senatsmitglieder verfassungskräftig ausgeschlossen hätte. Es entspricht deutscher Staatsrechtstradition, daß jeder in einem öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis Stehende, sei er Beamter auf Lebenszeit oder auf Probe, Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst, aber auch sonst Inhaber eines öffentlichen Amtes, einen Amts- oder Diensteid abzulegen hat. Als einzige Ausnahme gelten die Parlamentspräsidenten im Bund und in den Bundesländern, obwohl sie sogar Dienstbehörde für die Bediensteten der Parlamentsverwaltung sind. Es bedarf also keiner verfassungsmäßigen Regelung dafür, daß die Senatsmitglieder bei Übernahme ihres Amtes (§ 2 SenG) eine Verpflichtung auf die VvB abgeben müssen. Daß dies in Eidesformel vorgeschrieben wird, muß einer einfach gesetzlichen Regelung zugänglich sein. 12 Der RB, der Bgm. und die Senatoren stehen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land Berlin. Sie sind Wahlbeamte auf Zeit. Die Eidesformel ist in § 3 SenG geregelt. Die Senatsmitglieder erhalten eine vom PrAvB vollzogene Urkunde über ihre Wahl und ihre Vereidigung mit der Bezeichnung ihres Geschäftsbereichs, § 4 SenG. 196

Senat (Neumann)

Art. 40

Das Amt eines Senatsmitglieds beginnt mit der Annahme der Wahl, 1 3 § 2 SenG. Es endet mit dem Tod oder mit dem Rücktritt (Art. 41 IV) oder mit einer Neubildung des SvB, § 14 SenG. Durch die Annahme eines Mißtrauensantrages gem. Art. 42 III 2 endet das Amt eines Senatsmitgliedes nicht automatisch, sondern nur dann, wenn binnen 21 Tagen nach Annahme des Mißtrauensantrages die Neuwahl eines Senators erfolgt ist, Art. 42 III 4, § 14 II SenG. Im weiteren vgl. Art. 41, Rdn. 14,16 und Art. 42, Rdn. 10. Senatsmitglieder dürfen neben ihrem Amt keine Beschäftigung 1 4 berufsmäßig ausüben, § 6 SenG. Ausgenommen ist die Möglichkeit, daß der SvB die Ausübung der Tätigkeit als Hochschullehrer gestattet, § 6 III SenG. Für die Zugehörigkeit zu Aufsichts- oder Verwaltungsräten sind §§ 6 II, 7 SenG zu beachten. Ausgeschlossen ist auch die gleichzeitige Tätigkeit als Mitglied der BReg. (§ 4 BMinG). Nach nunmehr h. M. dürfen die Mitglieder des SvB auch nicht Mitglieder des BT sein. Die Funktionen eines MdB und eines ordentlichen von der Landesregierung dazu bestellten - Mitglieds des BR sind nach ungeschriebenem Verfassungsrecht unvereinbar (Maunz, M D H S Art. 51, Rdn. 19). Nach Art. 5 1 1 2 GG sind aber alle Mitglieder einer Landesregierung geborene Vertreter der ordentlichen BR-Mitglieder. In der Regel sind die nicht ordentlich bestellten Mitglieder von der Landesregierung ohnehin als Vertreter bestellt; so auch in Berlin, vgl. Beschluß SvB vom 12. Mai 1977. Im übrigen aber wirken auch diejenigen Mitglieder einer Landesregierung, die nicht ordentliche BR-Mitglieder sind, als Kabinettsmitglieder bei der Instruktion der BR-Mitglieder an der Willensbildung des BR mit (Partsch/Genzer, A ö R 76, 186); nach § 17 GOSvB bestimmt das Kollegium des SvB über das Abstimmungsverhalten der BR-Mitglieder im BR. Im Ergebnis darf somit kein Senatsmitglied ein BT-Mandat innehaben. Nach überkommenem Verständnis erstreckt sich das Nebentätigkeitsverbot eines Senatsmitglieds nicht auf die Ausübung eines Abgeordnetenmandats; daran hat sich auch durch das Diäten-Urteil (BVfGE 40, 296) nichts geändert. Die ehrenamtliche Ausübung von Funktionen ist ebenfalls grundsätzlich nicht ausgeschlossen. So dürfen Senatsmitglieder Parteiämter oder Verbandsfunktionen ehrenamtlich bekleiden, soweit ein Interessenwiderstreit mit der Amtsführung ausgeschlossen ist. Sofern ein Senatsmitglied nicht gleichzeitig Mitglied des AvB ist, steht 1 5 ihm weder die Immunität (nach Art. 35 III und IV) noch die Indemnität (nach Art. 35 I, 36) noch ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach Art. 35 II) zu; dies gilt auch, soweit sie Mitglieder des B R sind (vgl. Maunz, M D H S Art. 51, Rdn. 20—22). Da sie aber Beamte sind, gelten für sie die 197

Art. 40

Abschnitt IV: D i e Regierung

allgemeinen Aussagebeschränkungen (vgl. § 54 S t P O i. V. m. § 9 S e n G ) ; ü b e r A u s n a h m e n entscheidet der SvB. 16 Die Mitglieder des SvB, insbesondere die Senatoren, unterstehen keiner Dienstaufsicht (a. A . L a n d s b e r g / G o e t z S. 104, 114). G e m ä ß § 10 SenG findet ein Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied des SvB während seiner Zugehörigkeit zum SvB nicht statt. Seine Verantwortlichkeit bestimmt sich ausschließlich nach Art. 42. Die Aufsichtskompetenz des R B gem. Art. 43 III beinhaltet keine Dienstaufsicht, sondern ein politisches Aufsichtsrecht (vgl. Art. 43, R d n . 15). 17 Regierung als materielle Staatstätigkeit ist die Leitung und F ü h r u n g des Staatsganzen. Im R a h m e n der verfassungsgestaltenden G r u n d e n t scheidungen gibt sie sowohl der Gesetzgebung als auch der Verwaltung die Richtung auf bestimmte politische Ziele, plant die Gestaltung und Umgestaltung der Lebensverhältnisse, stellt den Staat nach außen und nach innen dar und bestimmt solcherart sein besonderes Wesen. Die Regierungstätigkeit ist die eigentlich politische Staatstätigkeit. Dies drückt vor allem aus, d a ß Regierungstätigkeit nicht vollständig rechtsgeleitet, rationalisierbar ist. Im demokratischen Staat, wo alle Staatsgewalt vom Volke abgeleitet ist, stehen sich Regierung und Volksvertretung nicht als Gegenspieler gegenüber. Der Gesetzgeber ist auf Information und Initiativen der Regierung, diese auf die Gefolgschaft des Gesetzgebers angewiesen. 18 B e s o n d e r e n A u s d r u c k findet dies im Bereich der Planung durch die auf allen Gebieten der Politik unverwünschte Entwicklungen verhindert, erwünschte erleichtert und angestrebt werden sollen. Von den Inhalten der Planung her unterscheidet man: indikative Planung, die sich auf informatorische Sammlung und Verarbeitung von Daten und Vorausberechnungen f ü r gewisse Lebensbereich als G r u n d l a g e realisierender M a ß n a h m e n der Gesetzgebung und Regierung beschränkt (z. B. Wirtschafts- o d e r Investitionsplan, Sozialplan). Influenzierende Planung setzt d a r ü b e r hinausgehend Ziele, Prioritäten, Schwerpunkte, legt V o r haben und Unterlassungen fest und sieht Lenkungsmittel vor, um die planerischen Entscheidungen zu erreichen (z. B. Schulentwicklungsplan). Verpflichtet und ermächtigt ein Plan die Regierung o d e r V e r waltung zu bestimmten M a ß n a h m e n und stellt entsprechende Mittel dafür zur Verfügung, so spricht man von einem imperativen Plan (zu Begriff und Formen der Planung in Deutschland vgl. vor allem J. H. Kaiser, Planung I—VI; Harnischfeger, Planung in der sozialstaatlichen D e m o k r a t i e , 1969; Kewenig, D Ö V 1973, 23; Hoenisch, Planifikation, 1974). 19

In Berlin ist in den letzten Jahren ein „Berliner Modell eines Regierungs-Planungssystems" entwickelt worden (vgl. vor allem Battis,

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Senat (Neumann)

Art. 40

VwArch. 1976, 156ff). „Planungszentrale" ist die Senatskanzlei, wo als besondere Abteilung die Planungsleitstelle gebildet wurde. Das Berliner Modell geht von einer Kombination ständiger und nichtständiger Planungsinstutionen aus. Ständige Planungseinheiten sind - der Planungsbeauftragte bei jeder Senatsverwaltung und - die Planungskommission, die von den Planungsbeauftragten gebildet wird. Dieser kleinen Planungskommission sitzt der Chef der Planungsleitstelle vor. Sie wird zur großen Planungskommission unter Einbeziehung der Senatsdirektoren, wo der Chef der Senatskanzlei den Vorsitz führt. Schließlich - die Planungsleitstelle in der Senatskanzlei. Ab 1978 wird in jedem Bezirk ein bezirklicher Planungsbeauftragter eingesetzt, der die bezirkliche Kontaktstelle innerhalb des Berliner Planungssystems sein soll. Schon bisher gibt es bezirkliche Planungskommissionen, die sich aus den Planungsbeauftragten bei den Abteilungen der Bezirksämter gebildet haben. Neben den ständigen gibt es nichtständige Planungseinheiten, nämlich - Planungsausschüsse, in denen die Leitungsebene der beteiligten Ressorts (Senatoren oder Senatsdirektoren), Vertreter des RdB und der zuständigen Ausschüsse des AvB vertreten sind; darüber hinaus können Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen hinzugezogen werden; - Planungsteams, die für konkrete Projekte eingesetzt werden. In der Zusammensetzung der Planungsausschüsse zeigt sich, daß das 20 AvB an der ressorts-übergreifenden Planung als integraler Faktor des Planungswesens vorgesehen ist; denn jede der drei im AvB vertretenen Fraktionen entsendet einen Abgeordneten in die jeweiligen Planungsausschüsse. Daneben hat das AvB aber einen eigenen Parlamentsausschuß für Planung und Stadtentwicklung eingerichtet, der insoweit die Regierungsplanung kontrolliert. Es ist ohnedies nicht zu verkennen, daß ein umfassendes System politischer Planung der Regierung einen faktischen Kompetenzzuwachs bringt, wobei vor allem dem Informationsvorsprung der Regierungsstellen und der Ausrichtung der Verwaltung an den Informationen und den durch Planspiele gewonnenen Perspektiven eine weitreichende Wirkung zukommt. Im Hinblick auf den allerorten beobachteten Machtzuwachs der Exekutive zu Lasten der Legislative ist dies kritisch zu verfolgen. Als verfassungsrechtliche „Bremse" wird deshalb diskutiert, daß dem Parlament an der politischen Planung ein originäres Beteiligungs-, ja Mitwirkungsrecht zustehen müsse: Planung sei sachlogisch nicht gouvernemental und nicht originärer Bereich der Exekutive. Statt dessen wird von einer Verbunddezision zwischen erster und zweiter Gewalt gesprochen, denen beide die 199

Art. 4 1

Abschnitt IV: Die Regierung

Regierung im materiellen Sinne, also die staatsleitende Tätigkeit „zur gesamten H a n d " obliegen soll (Kewenig, D Ö V 73, 23; Boeckenförde, Der Staat 1972, 429; Friesenhahn W D S t R L 16, 37). Eine solche Partizipation im Sinne einer „Staatsleitung zur gesamten Hand" läßt sich aber den Verfassungsbestimmungen bisher nicht entnehmen. Einfachgesetzlich dürfte aber einer Beteiligung des AvB oder sogar einer Integration eines Parlamentsausschusses in das Regierungsplanungssystem nichts im Wege stehen. 21 Darüber hinaus bestehen aber nicht nur Befürchtungen im Hinblick auf eine Entmachtung der Legislative, sondern auch auf einen Zentralismus zu Lasten der Bezirke. Ob die Integration der bezirklichen Planung durch die Bestellung eines bezirklichen Planungsbeauftragten auch mit dem Erfolg gelingt, daß vermehrt „der Bedeutung der bezirklichen Mitarbeit an ressorübergreifender Planung Rechnung getragen" wird (Begründung des SvB, LPD vom 8. 2. 1977), wird zu beobachten sein. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß politische Planung mit Finanzplanung Hand in Hand geht, und daß die Bezirke in finanzieller Hinsicht praktisch „Kostgänger" des SvB sind (vgl. Art. 50, Rdn. 12; Art. 73, Rdn. 13). Einen Vorstoß zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle über die Regierungsplanung hat die C D U im Oktober 1976 unternommen, als sie einen Gesetzesentwurf über ein parlamentarisches Planungskontrollgesetz eingebracht hat, dem sicherlich weitere Initiativen von verschiedener Seite folgen werden. 22 Die Berliner Planungseinheiten, und zwar sowohl die nicht ständigen als auch die ständigen, besitzen innerhalb der Berliner Verwaltung keine abschließende Planungs- und Entscheidungskompetenz. Dies ist z. B. in Hamburg anders, wo innerhalb der Senatskanzlei ein zentraler Planungsstab besteht. Für seinen Aufgabenbereich hat der mit 27 Mitarbeitern besetzte Planungsstab gegenüber den beteiligten Ressorts eine Genehmigungskompetenz.

Artikel 4 1 (1) Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt. (2) Die Wahl des Bürgermeisters und der Senatoren erfolgt auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters durch das Abgeordnetenhaus. (3) Kommt auf Grund des Vorschlages des Regierenden Bürgermeisters 200

Wahl des Senats (Neumann)

Art. 41

innerhalb einer Frist von 21 Tagen ein Senat nicht zustande, so ist der Auftrag zur Senatsbildung erloschen und eine neue Wahl vorzunehmen. (4) Die Mitglieder des Senats können jederzeit von ihrem Amt zurücktreten. Materialien 1. Vgl. Art. 6 4 1 GG; 4 6 , 4 7 VBW; 44, 45 BV; 107 V H B ; 34, 35 I V H H ; 1 0 1 , 1 1 3 I H V ; 2 0 , 2 4 1 V N V ; 52, 6 2 1 VNW; 98 II VRP; 89 VS; 21 II, III, 22 LS 2. V V G B : Art. 3 II, 5 Nr. 1 3. Änderungen: -

Erläuterungen Während SPD, SED und L D P das jetzige System vertraten, wonach 1 alle Senatsmitglieder vom AvB zu wählen sind, verfolgte die C D U die Einführung des „Kanzlerprinzips", wonach allein der RB vom AvB gewählt wird, der dann den Bgm. und die Senatoren ernennt. Der Verfassungsgeber hat sich dafür entschieden, daß alle Regie- 2 rungsmitglieder unmittelbar vom AvB gewählt werden müssen. Die Stellung des R B als „primus inter pares" kommt darin zum Ausdruck, daß er als erster zu wählen ist, die anderen Senatsmitglieder nur auf seinen Vorschlag vom AvB gewählt werden können. Das strenge Kanzlerprinzip nach Art des Bundes (Art. 64 G G ) verwirklichen im Prinzip nur SH und NW; Hamburg und Bremen sehen ebenfalls die Wahl aller Senatsmitglieder durch das Parlament vor, wobei hier der Senat selbst den Regierungschef (Präsidenten des Senats) und dessen Stellvertreter (Bürgermeister bzw. zweiter Bürgermeister) wählt. Gemäß Art. 46 III VBW, 45, 46 BV, 112 HV, 20 IV VNV, 98 II 4 VRP und 89 II VS bedarf in den übrigen Bundesländern immerhin die vom Ministerpräsidenten vorgenommene Zusammensetzung der Landesregierung der Zustimmung oder Bestätigung des Landtages. Die Bestellung eines SvB erfolgt nicht auf bestimmte Zeit. Weder das 3 Amt des R B noch das der übrigen Senatsmitglieder endet nach der VvB mit der Beendigung der Wahlperiode des AvB, wie etwa das Amt des Bundeskanzlers und der BReg. nach Art. 69 II G G mit Zusammentritt eines neuen B T endet. Die gegenteilige Auffassung (Landsberg/Goetz S. 106) findet in der VvB keine Stütze. Die hier vertretene Auffassung parlamentarischen widerspricht auch nicht dem Prinzip der Abhängigkeit des SvB vom AvB, Art. 42 I (in diesem Sinne auch B V f G E 27, 44 zu Art. 21 LS). Das Vertrauensprinzip macht es zwar notwendig, daß der SvB abberufen werden kann; es verlangt aber nicht, 201

Art. 4 1

Abschnitt IV: Die Regierung

daß jedes neuzusammentretende AvB die Pflicht hat, den SvB neu zu wählen. Eine solche Regelung besteht außer in Schleswig-Holstein (Art. 21 LS) z. B. auch im Stadtstaat H a m b u r g (Art. 34 V H H ) . Mit Zusammentritt eines neuen Parlaments wird der SvB auch nicht darauf beschränkt, eine A r t Notgeschäftsführung zu vollziehen (vgl. Barschel/ Gebel Art. 21, A n m . C III 2 b); er bleibt voll im A m t . Bisher hat allerdings in Berlin der SvB jedesmal nach einer Neuwahl des AvB seinen Rücktritt erklärt und damit eine Senatsneubildung nach Art. 4 1 ermöglicht. O h n e den Rücktritt des SvB könnte das A v B ansonsten eine Senatsneubildung nur über ein Mißtrauensvotum gem. Art. 42 III gegen den SvB oder den R B (vgl. unten Rdn. 13) erzwingen. 4 Die Senatsbildung beginnt damit, daß das A v B den „Regierenden Bürgermeister mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen" (vgl. Art. 31, Rdn. 3) wählt, Art. 41 I. Damit ist dem Gewählten - nach Annahme der Wahl - der A u f t r a g zur Regierungsbildung erteilt, der auf 21 Tage befristet ist, Art. 41 III. 5 Trotz der Formulierung des Art. 41 I ist der Gewählte dennoch nicht als R B im A m t G e m ä ß Art. 4 0 1 kann nur der SvB im ganzen die Regierungsgeschäfte führen. Ein SvB i. S. der VvB ist somit erst gebildet, wenn die Vorschläge des nach Art. 4 1 1 beauftragten R B sowohl für die Geschäftsverteilung (Art. 43 IV 1) als auch für personelle Besetzung der weiteren Senatsämter (Art. 41 II) im AvB binnen 21 Tagen die erforderliche (einfache) Mehrheit gefunden haben. D e r bloß beauftragte R B ist somit nicht „ R B im A m t " (Suhr), sondern nur „ R B im Titel". Diese Stellung entspricht der eines Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes, der zwar gewählt, dessen Regierung aber noch nicht die von Verfassungswegen erforderliche Z u stimmung des Parlaments zur A m t s ü b e r n a h m e hat (z. B. nach Art. 46 III 1 V B W , 20 III VNV). Spreng/Birn/Feuchte (Art. 46 VBW, A n m . 3) bezeichnen ihn daher zu Recht als „Ministerpräsidenten designatus", der „noch nicht endgültig Regierungschef" ist (vgl. auch Körte, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, S. 156, zu Art. 20 III, 2 1 1 VNV). 6 D e r nach Art. 4 1 I beauftragte R B darf daher vor Abschluß der Senatsbildung - abgesehen davon, daß nach § 3 II SenG das A m t eines Senatsmitglieds ohnehin erst nach der Vereidigung ausgeübt werden darf - keine Amtshandlungen vornehmen, also z. B. weder Berlin nach außen vertreten (Art. 43 I 1) noch den Vorsitz im noch amtierenden SvB übernehmen, noch gar an Abstimmungen teilnehmen. Vor allem aber darf er nicht nach Art. 46 II an der Gesetzesverkündung mitwirken; verkündet er ein vom P r A v B ausgefertigtes Gesetz, ist dies verfassungswidrig (und das Gesetz nicht in Kraft getreten). 202

Wahl des Senats (Neumann)

Art. 41

Er darf als beauftragter RB einzig die Regierungsbildung betreiben und die Vorschläge gem. Art. 41 II, 43 IV 1 gegenüber dem AvB machen; das ist indes auch keine Amtsführung i. S. einer Regierungstätigkeit gem. Art. 40 I, also auch nicht von einer vorherigen Vereidigung (nach § 3 II SenG) abhängig. Ebensowenig spielen Inkompatibilitäten eine Rolle. So könnte auch ein MdB oder der PrAvB nach Art. 4 1 1 mit der Senatsbildung beauftragt werden, ohne daß sie ihre Funktionen vorher oder nach Annahme der Wahl niederlegen müßten. Erst mit Beginn des Amtes als RB, also nach erfolgreicher Senatsbildung (vgl. unten Rdn. 8), besteht insoweit eine Inkompatibilität (vgl. Art. 40, Rdn. 14). Spätestens nach der Wahl eines „beauftragten" RB nach Art. 41 I 7 muß der alte SvB im übrigen (der alte R B muß schon vorher durch Rücktritt, Abwahl nach Art. 42 III oder aus anderen Gründen aus dem Amt geschieden sein) zurücktreten, jedoch auf Verlangen des PrAvB (vgl. unten Rdn. 17) die Regierungsgeschäfte weiterführen; dies entspricht auch der Praxis seit 1951. Dadurch kann in Berlin der Fall eintreten, daß es zwei RB gibt, nämlich einen amtierenden und einen mit der Regierungsbildung beauftragten (Kielinger, Verfassungsausschuß 1/50 Prot. S. l f ; ebenso Suhr, aaO; ders. StB AvB 1/S. 701). Erst mit dem Abschluß der Senatsbildung durch den beauftragten RB (vgl. oben Rdn. 5) und dem Amtsantritt des neugebildeten SvB (vgl. §§ 2, 3 II SenG) hört der alte - mit der Wahrnehmung der Geschäfte betraute SvB (ggf. unter Einschluß des alten RB) auf zu amtieren. Innerhalb der 21-Tage-Frist des Art. 41 III muß der nach Art. 41 I 8 beauftragte RB dem AvB Vorschläge für die Abgrenzung und die Zahl der Geschäftsbereiche (Art. 43 IV 1) des neuzubildenden SvB und die personelle Besetzung (Art. 41 II) vorlegen. Grundsätzlich werden danach bestimmte Personen für bestimmte Geschäftsbereiche gewählt (dabei genügt auch hier die „Mehrheit der abgegebenen Stimmen", zum Begriff Art. 31 Rdn 3). Folgt das AvB den Vorschlägen und nehmen die Gewählten die Wahl an, ist die Senatsbildung abgeschlossen, der nach Art. 4 1 1 beauftragte RB damit nunmehr als „ R B im A m t " bestätigt. Nach Abschluß der Senatsbildung erfolgt die Vereidigung aller 9 Senatsmitglieder ( § 3 1 SenG), auch die des RB. Danach darf der neugebildete SvB die Regierungsgeschäfte übernehmen, womit spätestens die Ämter früherer Senatsmitglieder enden (vgl. § 14 I SenG). Da die Vereidigung eines Senatsmitglieds nach § 3 I SenG nicht konstitutiv wirkt, sondern nur ein Hindernis für die Übernahme der Amtsgeschäfte ausräumt, wäre auch die Vereidigung des beauftragten RB vor erfolgreichem Abschluß der Senatsbildung unschädlich. Da aber § 3 I SenG vom Eid der Mitglieder des SvB spricht und der Eid gem. § 3 II 203

Art. 41

Abschnitt IV: Die Regierung

ausdrücklich auf die Amtsführung bezogen ist, ein solches Amt aber frühestens mit der (Neu-)Bildung des SvB bestehen kann, hat der PrAvB die Vereidigung des bloß nach Art. 41 I beauftragten RB zu unterlassen. In der Praxis ist bisher zweimal (Vereidigung Albertz 1966; Vereidigung Stobbe 1977) dagegen verstoßen worden. 10

Findet ein Vorschlag des nach Art. 4 1 1 beauftragten RB keine Mehrheit, kann er dem AvB neue Vorschläge unterbreiten, wobei er allerdings an die 21-Tage-Frist des Art. 41 III gebunden bleibt. Ist es ihm nicht gelungen, für seine Vorschläge eine Mehrheit zu finden, ist sein Auftrag automatisch erloschen; es bedarf keines Rücktritts. Das AvB hat unverzüglich eine Neuwahl nach Art. 41 I vorzunehmen, wobei es nicht gehindert ist, denselben Politiker mit der Senatsbildung wiederum zu beauftragen. Solange die Regierungsbildung nicht erfolgreich abgeschlossen ist, amtiert der alte SvB weiter. 11 Das Amt des RB endet durch: a) Rücktritt (Art. 4 1 I V ) , b) Tod oder c) Abwahl nach Maßgabe des Art. 42 III.

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Die Rücktrittserklärung ist an das AvB zu Händen des PrAvB zu richten. Der Rücktritt wird erst mit Zugang wirksam. Damit endet das Amt des RB gem. § 14 1 1 SenG. Auf Verlangen des PrAvB (vgl. unten Rdn. 17) hat er die Geschäfte bis zur Amtsübernahme eines Nachfolgers weiterzuführen. Das AvB hat daraufhin gem. Art. 4 1 1 einen neuen RB zu wählen. Ist das geschehen, haben die restlichen Mitglieder des SvB zurückzutreten, um die Neubildung des SvB auf Grund der Vorschläge des neuen RB gem. Art. 41 II zu ermöglichen.

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Entsprechendes gilt für die Beendigung des Amtes des RB durch Tod. Auch hier erlischt das Mandat des bisherigen SvB nicht automatisch; als Regierungschef amtiert der Bgm. Der „Rumpf-Senat" hat spätestens nach der Neuwahl eines RB nach Art. 41 I zurückzutreten. So ist auch — im bisher einzigen Falle - nach dem Tode des R B Reuter im Herbst 1953 verfahren worden.

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Wird dem RB nach Art. 42 III das Mißtrauen ausgesprochen, endet sein Amt erst mit dem Amtsantritt eines Nachfolgers (§ 14 I 2 SenG). Das ist nicht schon bei Neuwahl eines R B nach Art. 41 I, sondern erst mit Abschluß einer Neubildung des SvB (vgl. oben Rdn. 8) der Fall. Denn wenn der nach Art. 41 I beauftragte RB innerhalb der 21-TageFrist des Art. 42 III 4 eine Regierungsneubildung nicht erfolgreich abschließen kann, verliert das Mißtrauensvotum gegenüber dem alten RB seine Wirksamkeit. Gem. § 14 II SenG gilt sein A m t dann auch nicht als unterbrochen. 204

Wahl des Senats (Neumann)

Art. 41

Nach einem Mißtrauensvotum hat der RB auf Verlangen des PrAvB (vgl. Art. 42, Rdn. 9) seine Amtsgeschäfte weiterzuführen. Über den Wortlaut des Art. 41 IV hinaus steht auch dem SvB insgesamt ein Rücktrittsrecht zu. Dies setzt einen einstimmigen Beschluß im SvB voraus, der dann vom RB im Namen des SvB dem PrAvB überreicht wird. Der zurückgetretene SvB hat auf Verlangen des PrAvB die Geschäfte bis zum Abschluß einer Senatsneubildung weiterzuführen. Die Ämter des Bgm. und der Senatoren enden (vgl. § 14 SenG) ebenfalls durch a) Rücktritt (Art. 41IV), b) Tod oder c) Abwahl nach Maßgabe des Art. 42 III. Dagegen kann der RB eine Entlassung eines anderen Senatsmitglieds nicht - wie z. B. der Bundeskanzler nach Art. 64 I G G - anders als über den Weg des Art. 42 III VvB erreichen. Ihm steht also weder ein Entlassungsrecht zu noch kann er ein Senatsmitglied durch einen Senatsbeschluß zum Ausscheiden zwingen. Tritt ein Senator zurück, hat er auf Verlangen des PrAvB seine Amtsgeschäfte vorläufig weiterzuführen. Der SvB oder der RB können ein solches Verlangen nicht aussprechen (zur Begründung vgl. Art. 42, Rdn. 9). Nach dem Rücktritt, dem Tod oder einem erfolgreichen Mißtrauensvotum nach Art. 42 III hat der RB gem. Art. 41 II dem AvB einen Vorschlag für die Wahl eines Nachfolgers zu unterbreiten; allerdings ist Art. 42 III 4 zu beachten. Der VvB bestimmt nicht ausdrücklich Voraussetzungen für die Wählbarkeit eines Senatsmitgliedes. Entsprechend deutscher Verfassungsrechtstradition muß ein Mitglied des SvB mindestens bei der Amtsübernahme Deutscher i. S. d. Art. 116 G G sein (Geller, in Geller/Kleinwahn/Fleck Art. 52 VNW, Anm. 3 b; Meder Art. 45 BV, Rdn. 1); ihm darf nicht das Recht fehlen, öffentliche Ämter zu bekleiden (vgl. auch Drexelius/Weber Art. 34 V H H , Anm. 2). Er darf MdA sein, muß dies aber nicht (anders als z. B. Art. 52 I VNW für den Ministerpräsidenten); er darf sein Mandat auch beibehalten (vgl. Art. 40, Rdn. 14). Eine Altersgrenze ist anders als z. B. in Bayern (Art. 44 II BV für Ministerpräsident: 40 Jahre) oder in Baden-Württemberg (Art. 46 I 2 VBW für Ministerpräsident: 35 Jahre) in Berlin nicht vorgeschrieben. Ein ruhendes Mandat des Regierungsmitglieds, das zugleich Abgeordneter ist, kennt Berlin nicht; zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. Art. 26, Rdn. 20 a.

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Abschnitt IV: Die Regierung

Artikel 4 2 (1) Der Senat bedarf des Vertrauens des Abgeordnetenhauses. (2) Das Abgeordnetenhaus kann dem Senat und jedem seiner Mitglieder das Vertrauen entziehen. Die namentliche Abstimmung darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe des Mißtrauensantrages im Abgeordnetenhaus erfolgen. (3) Der Beschluß zu einem Mißtrauensantrag bedarf der Zustimmung der Mehrheit der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Bei Annahme eines Mißtrauensantrages haben die davon getroffenen Mitglieder des Senats sofort zurückzutreten. Jedes Mitglied des Senats ist verpflichtet, auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterzuführen. Das Mißtrauensvotum verliert seine Wirksamkeit, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist. Materialien 1. Vgl. Art. 67 GG; 54 VBW; 44 III BV; 110, 111 V H B ; 35, 36 VHH; 114, 115 HV; 2 3 , 3 1 VNV; 61, 63 VNW; 99 VRP; 90, 96 VS; 30 LS 2. V V G B : Art. 9 II 2 , 3 , 1 1 1 2 , 6 bis 8 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Die im Entwurf zur VvB vorgesehene Vertrauensfrage des SvB an das AvB ist gestrichen worden (vgl. aber Rdn. 6). 2 Der SvB bedarf als Landesregierung des Vertrauens des AvB. Dieser Grundsatz ist in der deutschen parlamentarischen Demokratie auch für die Länder durch Art. 28 I G G verbindlich festgelegt. Das bedeutet praktisch, daß die Regierung - sei es insgesamt, sei es der Regierungschef allein — zu wählen ist und eine Abberufungsmöglichkeit bestehen muß (BVfGE 27, 44). Das Vertrauensprinzip verlangt allerdings nicht, daß jedes neu zusammengetretene AvB den SvB neu zu wählen hat (vgl. Art. 41, Rdn. 4). 3 Die Ausformung dieses Prinzips in den verschiedenen deutschen Verfassungen ist hinsichtlich der Abberufung unterschiedlich. Nach dem G G ist eine Abberufung der Regierung nur über den Bundeskanzler (Kanzlerprinzip) und auch nur dadurch möglich, daß ein neuer Bundeskanzler gewählt wird (Konstruktives Mißtrauen), Art. 67 I G G (ebenso Art. 54 I VBW; 110 VHB; 35 II V H H ; 23 III VNV; 61 VNW; 30 LS). Im Saarl. kann dagegen der Regierung das Mißtrauen durch einfachen Beschluß des Landtages ausgesprochen werden, ohne daß gleichzeitig oder auch später ein Nachfolger gewählt werden müßte, Art. 90 VS. 206

Mißtrauen ( N e u m a n n )

Art. 42

Berlin, Rheinland-Pfalz und Hessen haben eine Mittellösung gewählt, die dem Prinzip des konstruktiven Mißtrauen entspricht. Danach wird das Vertrauen nicht durch gleichzeitige Neuwahl eines Nachfolgers entzogen; die Wirkung eines Mißtrauensbeschlusses entfällt aber - mit Wirkung von Anfang an wenn nicht binnen einer bestimmten Frist ein Nachfolger gewählt wird, so Art. 4 2 III 4 V v B , 114 HV, 99 V R P . Die Frist beträgt in Berlin 2 1 Tage. Anders als im Bund und in den Ländern, wo allein der Ministerpräsi- 4 dent vom Parlament gewählt wird, kann in Berlin jedem Senatsmitglied einzeln oder dem S v B insgesamt das Mißtrauen ausgesprochen werden (so auch in Hamburg und Bremen). Das Mißtrauen kann nur auf einen Mißtrauensantrag einer Fraktion 5 oder eines Viertels der anwesenden Abgeordneten (vgl. § 45 G O A v B ) hin ausgesprochen werden. Die Ablehnung eines Gesetzentwurfs des SvB, auch des Haushaltsplanentwurfs, bedeuten zwar politisch, nicht aber verfassungsrechtlich den Ausspruch eines Mißtrauens. V o m Mißtrauen zu unterscheiden sind demnach Mißbilligungs- und Tadelbeschlüsse des A v B . Über ihre Zulässigkeit ist zwar in der V v B nichts gesagt; sie liegen aber in der politischen Kompetenz des A v B und sind zulässig. Im Gegensatz z. B . zu Art. 3 6 I V H H sieht die V v B nicht ausdrücklich 6 vor, daß der S v B oder ein Senatsmitglied die Vertrauensfrage stellen kann, also einen Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen. Die entsprechende Vorschrift des Entwurfs, die dies vorsah, ist ohne Begründung fallengelassen worden. Daraus ist zu schließen, daß die Vertrauensfrage zwar auch von der Regierungsseite her gestellt werden kann; anders als in Hamburg z. B . zieht aber die Ablehnung der Vertrauensfrage keine Rechtsfolgen nach sich, wie Auflösung des A v B o. ä. D e r Mißtrauensantrag ist an den P r A v B zu richten, der ihn im A v B 7 bekanntzugeben hat. Erst 48 Stunden nach der Bekanntgabe im A v B darf die Abstimmung stattfinden. Eine Begründung ist für den Antrag nicht vorgeschrieben, wird aber in aller Regel vorgenommen werden. Über den Antrag ist in namentlicher Abstimmung zu entscheiden. D e r Antrag bedarf zu seiner Annahme nicht wie die Wahl eines Senatsmitglieds der einfachen, sondern der qualifizierten Mehrheit („Mehrheit der gewählten Mitglieder", zum Begriff vgl. Art. 31, Rdn. 3). Das A v B kann die Mißtrauensregelung des Art. 4 2 II und III V v B 8 nicht dadurch umgehen, daß es einen Beschluß — für den dann nur die einfache Mehrheit erforderlich wäre - trifft, wonach die Anzahl der G e schäftsbereiche und damit die Anzahl der Senatsmitglieder verkleinert wird. (Anders die Regelung in Art. 35 III V H H . ) Ein solcher Antrag könnte gemäß Art. 4 3 I V nur vom R B gestellt werden. Aber auch bei

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Art. 42

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Abschnitt IV: Die Regierung

einem solchen Zusammenwirken zwischen RB und AvB kann zwar einem Senatsmitglied sein Geschäftsbereich entzogen werden, sein Amt dagegen nicht; dies wäre als Beschluß zur Änderung der Geschäftsbereiche gem. Art. 43 IV anzusehen, wodurch das betreffende Senatsmitglied Senator ohne Geschäftsbereich würde. Da Berlin als einziges Land keinen Verfassungsgerichtshof eingerichtet hat, besteht auch keine Möglichkeit, gegen den SvB oder eines seiner Mitglieder Anklage wegen Verletzung seiner Amtspflichten zu erheben. Ein Senatsmitglied, dem das Vertrauen entzogen worden ist, kann nicht von sich aus, sondern nur auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterführen. Im Entwurf war zunächst vorgesehen, daß dieses Verlangen nur vom AvB ausgesprochen werden kann. In der 61. Sitzung der S t W bestand unter allen Fraktionen mit Ausnahme der SED Einigkeit darüber, daß dieses Verlangen vom AvB oder vom SvB soll ausgehen können. Das ist insofern inkonsequent, weil weder der SvB noch der RB das Senatsmitglied gewählt oder in sein Amt berufen haben. Es ist vielmehr an dem Grundsatz anzuknüpfen, daß derjenige, der eine Person in ein Amt beruft, über die vorläufige Weiterbeschäftigung oder Fortführung der Geschäfte durch ihn entscheidet. Da der Ausspruch des Mißtrauens nicht in der Kompetenz des SvB, sondern allein des AvB besteht, ist das Verlangen vom AvB insgesamt oder zumindest vom PrAvB auszusprechen. Es kann auch nicht angenommen werden, daß der SvB eine Person mit den Aufgaben eines Senators betrauen kann, der — manifestiert — nicht das Vertrauen des Parlaments besitzt. Das Amt eines abgewählten Senatsmitglieds endet gem. § 14 SenG erst mit Amtsantritt des Nachfolgers oder mit dem Rücktritt gem. Art. 42 III 2. Auch wenn entgegen Art. 42 III 2 der Rücktritt nicht erklärt wird, kann das AvB mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (zum Begriff Art. 31, Rdn. 3) gem. Art. 41 II einen Nachfolger wählen. Das Amt des Abgewählten endet dann auf jeden Fall mit der Annahme der Wahl durch den Neugewählten. Kann sich das AvB nicht binnen 21 Tagen mit einfacher Mehrheit (Art. 41 I) auf einen neuen Kandidaten einigen oder in Übereinstimmung mit dem RB erreichen, daß mit diesem Ressort nicht ein neuer Senator, sondern eines der vorhandenen Senatsmitglieder betraut wird (Art. 43 IV 1), verliert das Mißtrauensvotum rückwirkend seine Wirksamkeit: Die Lage ist so, als ob ein Mißtrauensantrag keine Mehrheit gefunden hat (vgl. auch § 14 SenG).

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Art. 43

Regierungsfunktionen (Neumann)

Artikel 4 3 (1) Der Regierende Bürgermeister vertritt Berlin nach außen. Er führt den Vorsitz im Senat und leitet seine Sitzungen. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag. (2) Der Regierende Bürgermeister bestimmt im Einvernehmen mit dem Senat die Richtlinien der Regierungspolitik. Sie bedürfen der Billigung des Abgeordnetenhauses. (3) Der Regierende Bürgermeister überwacht die Einhaltung der Richtlinien; er hat das Recht, über alle Amtsgeschäfte Auskunft zu verlangen. (4) Die Zahl der Geschäftsbereiche des Senats sowie ihre Abgrenzung wird auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Der Senat gibt sich seine Geschäftsordnung. (5) Jedes Mitglied des Senats leitet seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung innerhalb der Richtlinien der Regierungspolitik. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Senat. Materialien: 1. Vgl. zu Art. 43 I 1: Art. 59 GG; 50 VBW; 47 III BV; 103 I 1 HV; 26 I VNV; 57 VNW; 101 VRP; 97 VS; 251 LS; 1181 2 VHB; 43 VHH; zu Art. 43 I 2 und 3, II bis V: Art. 65 GG; 49 VBW; 47ff BV; 115ff VHB; 41 f VHH; 102,104ff HV; 68 ff VNV; 54ff VNW; 104f VRP; 92f VS; 24 LS 2. VVGB: Art. 11 III, V und VI, 12 I 1 und 2 3. Änderungen: -

Erläuterungen Art. 43 I 1 überträgt dem R B die Befugnis, Berlin nach außen zu 1 vertreten. Diese Regelung ist in der Beratung bis zum Schluß kontrovers geblieben (vgl. StB S t W 1/65, S. 4 0 f f ) ; der MvB wollte die Regelung des Art. 11 W G B erhalten wissen, wonach Berlin durch den gesamten Magistrat vertreten wurde. Die S t W widersprach mit ihrem Beschluß auch der Auffassung, daß der R B im Namen des gesamten SvB handelt. D e r Stadtverordnete Dr. Peters ( C D U ) führte dazu aus, daß der R B im Tätigwerden nach außen in seiner Aktivität nicht durch eine Beteiligung des SvB erheblich vermindert werden dürfe. D a s schließt allerdings nicht aus, daß der R B bei seiner Tätigkeit an Zustimmungspflichten anderer Körperschaften gebunden werden kann (vgl. unten R d n . 4 f ) . Art. 43 1 1 meint nur die staatsrechtliche Vertretung; davon geht auch 2 § 20 I A Z G aus. D a r u n t e r fallen also nicht die rechtsgeschäftliche Vertretung und die Vertretung in Verwaltungsangelegenheiten (Verwaltungsabkommen und -Vereinbarungen). 209

Art. 43 2a

Abschnitt IV: Die Regierung

Zur staatsrechtlichen Vertretung gehören begrifflich der Abschluß von Verträgen, die sich auf die Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, d. h. die Staatsverträge i. e. S. (Art. 59 II 1 2. Alt. GG), sowie solcher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Landes regeln (vgl. Art. 59 II 1 1. Alt. GG), weiterhin an sich der Abschluß völkerrechtlicher Verträge, die Berlin mit auswärtigen Staaten (vgl. Art. 1, Rdn. 100 und unten Rdn. 9) abschließt, sowie schließlich die sonstige staatsrechtliche und politische Repräsentation, vor allem gegenüber den Besatzungsmächten, § 32 GOSvB, den höchsten Organen des Bundes, § 29 GOSvB, und der anderen Bundesländer, § 31 GOSvB. 3 Zur Vertretung nach außen gehört nicht die Mitarbeit im BR, weil hier die Länder nicht gegenüber dem Bund, sondern im Bund, d. h. in einem Bundesorgan auftreten. Gem. Art. 51 II G G stehen Berlin dort z. Zt. vier Stimmen zu; gem. Art. 51 III G G können diese Stimmen nur einheitlich abgegeben werden. Allerdings sind die Berliner Mitglieder des BR entsprechend dem alliierten Vorbehalt nicht voll stimmberechtigt (vgl. Art. 1 Rdn. 90). Die Mitglieder Berlins im BR werden vom SvB bestellt, § 17 II GOSvB, Art. 51 I 1 GG. Der SvB beschließt vor jeder Bundesratssitzung über das Abstimmungsverhalten; für den Fall, daß ein Senatsbeschluß nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, entscheidet ein Ausschuß, dem der RB, der Bgm., der Senator für Bundesangelegenheiten und die beteiligten Senatsmitglieder angehören, § 17 III GOSvB. Die Geschäftsführung für Bundesratssachen obliegt dem Senator für Bundesangelegenheiten. Die Tätigkeit im BR ist orginäre Aufgabe der Landesregierung. Das AvB kann den SvB um eine bestimmte Art der Stimmabgabe im Bundesrat ersuchen, bindend wäre ein solcher AvBBeschluß für die Berliner Vertreter im B R nicht (vgl. Art. 40, Rdn. 8). 4 Verträge Berlins mit der Bundesrepublik Deutschland oder deutschen Ländern bedürfen, wenn sie Gegenstände der Gesetzgebung betreffen oder zu ihrer Durchführung eines Gesetzes bedürfen (Staatsverträge), der Zustimmung des AvB. Diese in § 20 I 2 A Z G vorgesehene Regelung entspricht Art. 59 II G G und der Regelung in anderen Bundesländern (z. B. Art. 25 II 2 LS). Ein Gegenstand der Gesetzgebung wird betroffen, wenn durch einen Vertrag Rechte und Pflichten für die Bewohner des Landes begründet werden, wozu ein Gesetz sonst erforderlich ist (Maunz, MDHS Art. 59, Rdn. 17). Weiterhin sind solche Verträge zustimmungsbedürftig, in denen das Land Berlin eine Verpflichtung übernimmt, deren Erfüllung allein durch Verabschiedung eines Gesetzes möglich ist, z. B. also für Verträge, die finanzielle Mittel erfordern, welche im Haushaltsgesetz bewilligt werden müssen (vgl. Barschel/Gebel, Art. 25 LS, Anm. C II 3b). In der VvB ist nicht vorgesehen, daß bei solchen Verträgen vorher der SvB zustimmen 210

Regierungsfunktionen (Neumann)

Art. 43

muß; auch § 20 I 2 A Z G verlangt die Zustimmung des SvB nur bei Verträgen, die nicht der Zustimmung des AvB unterliegen. Der Zustimmungsbeschluß des AvB ist ein legislativer Akt und erfolgt deshalb in Gesetzesform; dies folgt auch aus Art. 45, 73ff. Nach dem Zustimmungsgesetz obliegt dem RB die Ratifikation, d. h., er unterzeichnet die entsprechenden Urkunden allein (vgl. auch Landsberg/ GoetzS. 112). Etwaige Abschlußmängel bei Staatsverträgen mit dem Bund oder anderen Bundesländern sind auch im Außenverhältnis zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt im völkerrechtlichen Bereich, wo ein ratifizierter Staatsvertrag mit einem auswärtigen Staat gleichwohl gegenüber dem Vertragspartner als wirksam angesehen werden muß, wenn die Zustimmung des Parlaments versagt oder unwirksam erteilt worden ist (vgl. Maunz, M D H S Art. 59 G G , Rdn. 25). Diese durch das Völkerrecht bedingte Rechtsauffassung kann im Verhältnis der Bundesländer zueinander und im Verhältnis eines Landes zum Bund keine Geltung beanspruchen, weil hier die Grundsätze der Bundestreue und der Länderverbundenheit im föderativen Staat einen solchen Vertrauensschutz nicht gebieten. Fehler beim Abschluß eines innerdeutschen Staatsvertrages führen deshalb gegenüber dem Vertragspartner zur Rechtswidrigkeit des Staatsvertrages (BVwG NJW 77, 66; BayVfGH BayVBl. 1973, 526, 528; Schneider, D Ö V 1957, 644). Bei Verträgen, die nicht Staatsverträge oder Verwaltungsabkommen sind, bedarf der RB zum Abschluß der Zustimmung des SvB. Für Verwaltungsabkommen gilt Art. 43 I 1 nicht, denn nach überkommenem Verständnis handelt es sich hier nicht um eine Vertretung nach außen. Dementsprechend regelt § 20 II A Z G , daß Verwaltungsvereinbarungen mit Behörden der Bundesrepublik oder deutscher Länder von dem zuständigen Mitglied des SvB abgeschlossen werden; hier gilt das Ressortprinzip des Art. 43 V. Dies entspricht Art. 59 II 2 GG. Soweit ein Mitglied des SvB auf dem Gebiet des abzuschließenden Verwaltungsabkommens nicht zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften befugt ist (nach §§ 6 II, 36 A Z G ) , bedarf es zum Abschluß der Verwaltungsvereinbarung der Zustimmung des SvB. Die Abgrenzung zwischen Staatsverträgen, politischen Verträgen und Verwaltungsabkommen ist praktisch nicht immer einfach. Verwaltungsabkommen sind Verträge über solche Gegenstände, für die keine gesetzgeberischen Akte erforderlich sind und die auch nicht politische Beziehungen Berlins zu anderen Ländern, zum Bund oder zu auswärtigen Staaten regeln. Es muß sich um Gegenstände handeln, die mit den Mitteln des Verwaltungsrechts ohne Gesetz bearbeitet werden können. Die Bezeichnung eines Vertrages ist hierbei nicht entscheidend, maßgebend 211

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Art. 4 3

Abschnitt IV: Die Regierung

ist der materielle Inhalt. Die Abgrenzung wird danach zu treffen sein, ob die Regelung, würde sie nicht in einem Vertrag, sondern in einem innerstaatlichen Akt geregelt, durch Verwaltungsvorschrift oder Verwaltungsakt oder eine andere Maßnahme des Verwaltungsrechts bestimmt werden könnte - dann handelt es sich um ein Verwaltungsabkommen - , oder ob für diese innerlandesstaatliche Regelung ein Gesetz erforderlich wäre - dann handelt es sich um einen Staatsvertrag. Politische Beziehungen regeln Verträge dann, wenn sie nicht Gegenstände der Gesetzgebung umfassen, wenn ihr Inhalt also nicht dergestalt ist, daß er dem deutschen Rechtsnormbegriff entsprechend durch eine Gesetzesnorm gesetzt werden müßte; andererseits darf es sich nicht um bloße Verwaltungsvereinbarungen handeln (vgl. zur weiteren Abgrenzung noch Maunz, M D H S Art. 59, Rdn. 14f). 9 An sich umfaßt begrifflich die Vertretung nach außen auch den Abschluß von (völkerrechtlichen) Verträgen Berlins mit auswärtigen Staaten, wie das für die anderen Bundesländer nach Art. 32 III G G vorgesehen ist. Die Alliierten haben sich jedoch die Vertretung Berlins gegenüber auswärtigen Staaten grundsätzlich vorbehalten, so daß Art. 32 III G G nur in dem Maße Anwendung finden kann, wie die Alliierten die auswärtige Vertretung Berlins durch den Bund zugelassen haben. (Zu Form und Inhalt der völkerrechtlichen Vertretung Berlins vgl. Art. 1, Rdn. 100 f). 10

Für die rechtsgeschäftliche Vertretung Berlins gelten §§ 21 ff A Z G . Danach sind zur Vertretung Berlins zuständig: a) der PrAvB in Angelegenheiten des AvB, b) ein Mitglied des SvB in seinem Geschäftsbereich, c) der P r L R H in Angelegenheiten des LRH, d) in Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit einer Sonderverwaltung oder einer der Hauptverwaltung unterstellten nichtrechtsfähigen Anstalt gehören, deren Leiter, e) in Angelegenheiten der Eigenbetriebe die Geschäftsleitungen nach Maßgabe des EigG, f) gemäß § 25 A Z G in übertragenen Vorbehaltsaufgaben und in bezirkseigenen Angelegenheiten das zuständige Mitglied des BzA, g) gemäß § 25 I A Z G in Angelegenheiten der Krankenhausbetriebe der Verwaltungsleiter nach Maßgabe des LKG. 11 Der R B führt den Vorsitz im SvB und leitet seine Sitzungen; gemäß Art. 43 I 3 gibt seine Stimme bei Stimmengleichheit in Abstimmungen des SvB den Ausschlag. Führt nicht er, sondern der Bgm. den Vorsitz, geht diese Befugnis auf ihn über, vgl. § 14 VI 4 GOSvB (ebenso Spitta zu Art. 117 VHB). Sofern der R B und der Bgm. abwesend sind, wird der RB nach Maßgabe des § 4 GOSvB von einem anderen Senator vertreten 212

Regierungsfunktionen (Neumann)

Art. 43

(vgl. Art. 40, Rdn. 5); diesem steht der Stichentscheid nicht zu. Der RB oder sein Vertreter beruft die Sitzungen des SvB ein. Die Beratungen sind vertraulich, § 14 II GOSvB. Der SvB ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend sind, § 14 VI GOSvB. Die Beschlußfassung erfolgt grundsätzlich mit einfacher Mehrheit. Anders als dem Bundeskanzler nach Art. 65 S. 1 G G und den meisten 1 2 Ministerpräsidenten in den Ländern steht dem RB als Regierungschef die Richtlinienkompetenz nur eingeschränkt zu. Er entwirft die Richtlinien der Regierungspolitik und muß dann über sie ein Einvernehmen im SvB erzielen. Danach legt er sie zur Billigung dem AvB vor. Die Richtlinien der Regierungspolitik müssen auf alle Fälle dem Willen der Mehrheit der Berliner Bürgerschaft, repräsentiert durch das AvB, entsprechen. Die Bekanntgabe dieser Richtlinien erfolgt grundsätzlich in Form einer Regierungserklärung des RB vor dem AvB. Die Billigung durch das AvB erfolgt durch einfachen Beschluß, nicht durch Gesetz. Es gilt das strenge Antragsprinzip, d. h., das AvB kann die vorgelegten Richtlinien nur bestätigen oder ablehnen, Änderungsmöglichkeiten stehen ihm nicht zu. Anders als dem Bundeskanzler und den meisten Ministerpräsidenten 1 3 steht dem RB keine Organisationskompetenz über die Regierung zu. Die Zahl der Geschäftsbereiche sowie ihre Abgrenzung wird vom AvB beschlossen, Art. 43 IV 1. Dem R B steht dafür aber das alleinige Vorschlagsrecht zu. Eine Bindung an einen SvB-Beschluß gibt es nicht, praktisch schon deshalb nicht, weil dieser Vorschlag in der Regel vor der Wahl der anderen Senatsmitglieder zu erfolgen hat. Die Senatsmitglieder werden nach dem Vorschlag des RB für bestimmte Geschäftsbereiche vom AvB gewählt (vgl. Art. 41, Rdn. 3). Der SvB arbeitet zur Zeit mit folgenden Geschäftsbereichen: 14 1. R B mit Senatskanzlei 2. Bundesangelegenheiten (Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund) 3. Inneres 4. Justiz 5. Schulwesen 6. Wissenschaft und Forschung 7. Kunst 8. Arbeit und Soziales 9. Gesundheit und Umweltschutz 10. Familie, Jugend und Sport 11. Bau- und Wohnungswesen 12. Wirtschaft 13. Finanzen 213

Art. 43

Abschnitt IV: Die Regierung

15

Das bei der Regierungsbildung 1974 gebildete Ressort Verkehr und Betriebe ist 1976 nach Rücktritt des damaligen Senators aufgelöst worden; das AvB hat der Auflösung zugestimmt. Umstritten ist allerdings, ob die Kompetenz des AvB gem. Art. 43 IV 1 nur die Einrichtung und Auflösung eines Ressorts umfaßt oder ob auch die Zuteilung von Aufgaben und Sonderbehörden sowie ihre Verlagerung unter den Senatoren der Zustimmungspflicht unterliegen. Der SvB hatte im Jahr 1976 z. B. die Neuregelung der Zuständigkeiten für die Eigenbetriebe nach Auflösung des Ressorts Verkehr und Betriebe dem AvB nicht zur Zustimmung vorgelegt. Dies widerspricht der VvB. Anders als im Bund und in den meisten Bundesländern hat - überkommen aus der alten Magistratsverfassung - das Berliner Parlament echte Mitentscheidungsrechte über die Organisation der Regierung. Organisationsregelungen können sich aber nicht in der Namensgebung erschöpfen; Geschäftsverteilung bedeutet also inhaltlich die Zuweisung von Verwaltungsaufgaben, die Unterstellung von Sonderbehörden unter bestimmte Senatsverwaltungen. Dementsprechend muß eine Zuständigkeitsänderung innerhalb des SvB für eine Sonderbehörde, also auch für einen Eigenbetrieb, als Änderung der Geschäftsbereiche der betroffenen Senatsverwaltungen verstanden werden. Demnach muß der RB auch insoweit die Zustimmung des AvB einholen.

16

Gem. Art. 43 III überwacht der RB die Einhaltung der Richtlinien; dazu hat er das Recht, über alle Amtsgeschäfte der Senatsmitglieder Auskunft zu verlangen. Nach § 1 II GOSvB kann er jederzeit von den Mitgliedern des Senats die Vorlage von Akten oder sonstigen Unterlagen, seine Beauftragten können Auskünfte über Vorgänge und Maßnahmen in deren Geschäftsbereichen verlangen. Diese Aufsicht ist keine Fachaufsicht, und auch keine ausgesprochene Dienstaufsicht, sondern eine Überwachung in bezug auf die Einhaltung der Richtlinien der Regierungspolitik. Ist der RB der Meinung, daß ein Senatsmitglied gegen diese Richtlinien verstoßen hat, hat er keine Befugnisse etwa in Art der Bezirks- oder Staatsaufsicht. Bei Streitpunkten über die Anwendbarkeit und die Auslegung der Richtlinien entscheidet letztlich der SvB, Art. 43 V 2, § 2 II GOSvB. Die Rechte des AvB, den SvB in jeder seiner Tätigkeiten zu kontrollieren, wird dadurch nicht berührt. Auch ein Entlassungsrecht steht dem R B gegenüber anderen Senatsmitgliedern nicht zu; ihm steht allerdings frei, dem AvB vorzuschlagen, einem Senatsmitglied das Vertrauen gem. Art. 42 II zu entziehen.

17

Genau wie Art. 65 II G G sieht Art. 43 V VvB für den SvB das Ressortprinzip vor. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der SvB als Kollegium. § 7 II 2 GOSvB sieht vor, daß der Anrufung des SvB der Versuch einer Verständigung unter Einschaltung des RB vorausgehen soll. 214

Art. 44

Hauptverwaltung (Neumann)

In der nach § 43 IV 2 erlassenen GOSvB sind bestimmte Beteiligungs- 18 pflichten von Senatsmitgliedern untereinander vorgesehen. So ist bei allen Entwürfen von Gesetzen und Rechtsverordnungen sowie bei grundsätzlichen Rechtsfragen der Senator für Justiz einzuschalten, § 8 II GOSvB. Soweit Maßnahmen und Gesetzesentwürfe die Verfassung oder die Organisation der Verwaltung berühren, ist — gegebenenfalls neben dem Senator für Justiz — der Senator für Inneres zu beteiligen, § 8 III GOSvB. Bei allen Angelegenheiten von finanzieller Bedeutung ist gem. § 8 IV GOSvB der Senator für Finanzen einzuschalten. Diesem Senator steht gem. § 16 GOSvB ein besonderes Einspruchsrecht zu. Beschließt der SvB in einer Frage von finanzieller Bedeutung gegen oder ohne die Stimme des Senators für Finanzen, so kann dieser bis zur nächsten ordentlichen Sitzung gegen den Beschluß Widerspruch erheben, woraufhin über die Angelegenheit nochmals zu beraten und abzustimmen ist. Nach § 16 I 3 GOSvB hat die Ausführung des Beschlusses zu unterbleiben, wenn nicht in der zweiten Sitzung in Anwesenheit des Senators für Finanzen oder eines Vertreters von der Mehrheit aller Senatsmitglieder der erste Beschluß bestätigt wird und der RB bei diesem Beschluß mit der Mehrheit gestimmt hat. Erhebt der Senator für Finanzen Einspruch gegen einen Beschluß des SvB, mit dem einer Haushaltsüberschreitung zugestimmt wird, so ist gem. Art. 76 III VvB ein Beschluß des AvB herbeizuführen. In Personalsachen steht ein ähnliches Widerspruchsrecht gem. § 16 III GOSvB dem Senator für Inneres zu. Die GOSvB bedarf nach Art. 43 IV 2 keiner Genehmigung (and. 19 Art. 65 GG); nach h. M. hat sie Rechtsnormcharakter (Satzung); allerdings bindet sie nur die Mitglieder des SvB. Sie wird indes nicht im GVBl., sondern im ABl. veröffentlicht. Anders als die GOAvB endet ihre Wirkung auch nicht mit der Amtszeit eines SvB.

Artikel 4 4 (1) Dem Senat untersteht unmittelbar die Hauptverwaltung einschließlich Justizverwaltung und Polizei. (2) Die Generalstaatsanwälte und der Polizeipräsident werden auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt und abberufen. Materialien 1. Vgl. Art. 51, 6 9 V B W ; 49, 55 B V ; 118, 127 V H B ; 42, 55 V H H ; 29, 43 V N V ; 77 V N W ; 116 VS;

215

Art. 44

Abschnitt IV: Die Regierung

2. VVGB: Art. 12 IV 3. Änderungen: 4. ÄndGVvB vom 11. 7.1957 (GVB1. S. 741)

Erläuterungen 1

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Im ersten Entwurf stand Art. 44 im Abschnitt über die Verwaltung, wo er funktional auch hingehört. Die S t W ordnete ihn dann doch hier ein, da er die Kompetenz des SvB als Regierungsgewaltträger umschreibt. Die besondere Benennung von Justizverwaltung und Polizei ergibt sich aus der politischen Lage nach dem zweiten Weltkrieg, weil zu dieser Zeit diese beiden Verwaltungszweige der AKB unterstanden. Mit der besonderen Nennung wollte Berlin den deutschen Anspruch anmelden, daß Justizverwaltung und Polizei deutschen Stellen zu unterstehen haben. Allerdings ist Art. 44 I immer noch durch alliierten Vorbehalt modifiziert (vgl. B K / O [58] 3 vom 14. 3. 1958 betr. Überwachung der Berliner Polizei; GVB1. S. 304). Art. 44 II ist im Jahre 1957 geändert worden, indem eine qualifizierte Mehrheit („Mehrheit der Mitglieder" des AvB; zum Begriff Art. 31, Rdn. 3) für die Wahl des PolPr. und der zwei GStA vorgeschrieben worden ist; Berlin verfügt im Gegensatz zu anderen Bundesländern sowohl über einen GStA beim LG, als auch einen GStA beim K G (in anderen Ländern: OLG). Bis 1957 genügte für die Wahl die einfache Mehrheit. Der SvB ist nicht selbst Verwaltungsbehörde, sondern lediglich Regierungsorgan. Die Formulierung, daß ihm die Hauptverwaltung unterstehe, steht dem nicht entgegen, weil Art. 44 I nicht die Verwaltungsorganisation regeln will. Die Vorschrift ist vielmehr Ausdruck des Verständnisses, daß Regierung und Verwaltung die Exekutive bilden. Die GStA und der PolPr. sind gemäß Art. 44 II Wahlbeamte, die auf Lebenszeit gewählt werden, §§ 5 RiWG, 3 I PolPrG; bei einer vorzeitigen Abberufung treten sie in den Wartestand, §§ 6 I RiWG, 4 II PolPrG. Die Wahl kann nur auf Vorschlag des SvB erfolgen, das AvB kann also der Regierung keinen GStA oder PolPr. aufzwingen. Nach dem RiWG (§ 2 II) bzw. dem PolPrG (§ 1 III) sollen die zu Wählenden mindestens 35 Jahre alt sein. Für den PolPr. ist eine Befähigung zum Richteramt nicht vorgeschrieben. Der Wortlaut von Art. 44 II legt nahe, anzunehmen, daß auch die Abberufung von einem entsprechenden Vorschlag des SvB abhängig ist. Die Ausführungsgesetze, § § 6 1 1 RiWG, 4 I PolPrG, sehen das auch zwingend vor. Landsberg/Götz (S. 117) jedoch halten nur für die Be216

Hauptverwaltung (Neumann)

Art. 44

setzung der Posten einen Vorschlag des SvB für erforderlich. Für diese Ansicht spricht zunächst folgendes: Die Bindung an einen Vorschlag des SvB soll verhindern, daß das Parlament der Regierung für drei der wesentlichen Exekutivfunktionen unterhalb der Regierungsebene bestimmte Personen aufzwingen kann. Es gelten die entsprechenden Überlegungen wie zu dem Vorschlagsrecht des RB für die Wahl des Bgm. und der anderen Mitglieder des SvB gem. Art. 41 II. Dieser Gesichtspunkt greift indes nicht bei der Abberufung. So wie das AvB ohne Begründung sich weigern kann, den Vorschlag des SvB für die Besetzung eines Postens mit einer bestimmten vorgeschlagenen Person vorzunehmen, könnte das AvB auch ohne Begründung die Abberufung vornehmen. Eine solche Regelung würde der Abberufung von Senatsmitgliedern gemäß Art. 42 II entsprechen. Dagegen ist nicht zu verkennen, daß sich der Wortlaut des Art. 44 II von dem Wortlaut der Art. 41 II, 42 II durchaus unterscheidet. Außerdem darf nicht verkannt werden, daß auch nach der alten Gesetzeslage 1957, also bis zur Neufassung des Art. 44 II, einfachgesetzlich die Abberufung eines GStA oder des PolPr. an den Vorschlag des SvB gebunden war. Berücksichtigt man also einerseits den Wortlaut und andererseits die Tatsache, daß der Verfassungsgeber angesichts der einfachgesetzlichen Regelung keine Änderung insoweit in Art. 44 II vorgenommen hat, kommt man nicht umhin, anzuerkennen, daß der Verfassungsgeber davon ausgeht, daß auch die Abberufung an einen entsprechenden Vorschlag des SvB gebunden ist. Sollte also das AvB die Abberufung eines GStA oder des PolPr. be- 7 gehren, und der SvB einer entsprechenden Anregung des AvB nicht folgen, bleibt nur die Möglichkeit des Mißtrauens gegenüber dem zuständigen Senator oder gegenüber dem gesamten SvB. Ein unmittelbarer Weg zur Abberufung durch das AvB erscheint durch die Verfassung verschlossen. Der Abberufungsantrag wie der Akt der Abberufung durch das AvB 8 bedürfen keiner Begründung. Vorgeschrieben ist zur Abberufung die Mehrheit der gewählten Mitglieder (vgl. oben Rdn. 3).

217

Abschnitt V Die Gesetzgebung

Artikel 45 (1) Die für alle verbindlichen Gebote und Verbote müssen auf Gesetz beruhen. (2) Die Gesetzesvorlagen werden von dem Senat oder aus der Mitte des Abgeordnetenhauses eingebracht. (3) Jedes Gesetz muß in mindestens zwei Lesungen im Abgeodnetenhaus beraten werden. Zwischen beiden Lesungen soll im allgemeinen eine Vorberatung in dem zuständigen Ausschuß erfolgen. (4) Auf Verlangen des Präsidenten des Abgeordentenhauses oder des Senats hat eine dritte Lesung stattzufinden. Materialien 1. Art. 76 I G G ; 58, 59 V B W ; 70, 71 BV; 123 I V H B ; 48 II, 49, 50 V H H ; 116 S. 1, 117, 119 H V ; 32, 33 III VNV; 65, 67 V N W ; 107, 108, 114 V R P ; 100 VS; 32 LS. 2. W B B : Art. 33 I. 3. Änderungen und Ergänzungen: Durch 17. Ä n d G V v B v. 22. 11. 1974 (GVB1. S. 2741) erhielt Art. 45 II die jetzige Fassung; die Möglichkeit der Einbringung von Gesetzesvorlagen durch Volksbegehren wurde damit beseitigt.

Erläuterungen 1

Art. 45 I normiert den Vorbehalt des Gesetzes. Der Vorbehalt des Gesetzes ist ein Vorbehalt der Entscheidung grundlegender, einer Normierung im Gesetzgebungsverfahren zugänglicher Fragen durch den Gesetzgeber (Hesse, Grundziige des Verfassungsrechts, 9. Auflage, S. 207; s.a. Landsberg/Goetz, S. 118; Spreng/Birn/Feuchte, Art. 58 VBW). Insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung hat der Gesetzgeber die der staatlichen Gestaltungsfreiheit offenliegende Rechtsspähre selbst abzugrenzen; dies gebieten auch Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) und Demokratieprinzip (Art. 20 II GG), B V f G E 218

Gesetze, Eingriffsvorbehalt (Härth)

Art. 45

34,165,192; V G H Kassel NJW 1976, 1856 m.w.N. Selbst in sogenannten besonderen Gewaltverhältnissen kommt eine Einschränkung der Grundrechte nur in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Formen in Betracht, kann also nur durch Gesetz erfolgen (so für Strafgefangene B V f G E 33,1,11; 40,276, 283). Im übrigen ist auf die jeweils betroffenen Lebensbereiche und Rechtspositionen des Bürgers und die Eigenart der Regelungsgegenstände insgesamt abzustellen. Die von der konstitutionellen, bürgerlich-liberalen Staatsauffassung des 19. Jahrhunderts geprägte Formel, ein Gesetz sei nur dort erforderlich, wo „Eingriffe in Freiheit und Eigentum" in Rede stehen, wird dem heutigen Verfassungsverständnis nicht mehr voll gerecht. Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung liegt es näher, anzunehmen, daß die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muß (BVfGE 40,237,249; s. ferner BrStGH DVB1. 1977, 617; O V G Berlin DVB1. 1975, 905; Henke A ö R 101,576, unter besonderer Berücksichtigung des Sozialrechts). Für den Berliner Landesgesetzgeber erwachsen aus einem solchen modernen Verständnis des Vorbehalts des Gesetzes insbesondere Folgerungen im Bereich des Schulrechts. Die grundlegenden Entscheidungen hat der Gesetzgeber zu treffen (vgl. B V f G E 34,165 betr. hessische Förderstufe; NJW 1976, 947 betr. weltanschauliche Ausrichtungen der Schule; NJW 1976, 952 betr. gesetzliche Gestaltung der Schulorganisation; s. auch NJW 1976, 1309; BVwG NJW 1975, 1180). Der Gedanke der Anstaltsgewalt, also des besonderen Gewaltverhältnisses, kann eine besondere Exekutivmaßnahme nicht von der Geltung des Gesetzesvorbehalts bei Grundrechtseingriffen befreien (zur Abrenzung der einfachen Organisationsregelung von der wesentlichen Grundlagenentscheidung vgl. insbesondere Oppermann, Gutachten C zum 51. DJT, passim; Starck NJW 1976, 1375; beispielsweise zum Sexualkundeunterricht im Konfliktverhältnis zwischen Elternrecht einerseits und gesellschaftlichem Erziehungsauftrag der Schule andererseits vgl. BVwGE 47,194 und O V G Berlin O V G E 12,133). Umgekehrt sind nach Art. 45 I Gesetze für Einzelpersonen bzw. sögenannte Einzelfallgesetze nicht als solche unzulässig (zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. B V f G E 25, 371, 396; Nawiasky/Schweiger, Art. 70, BV, Rdn. 4). Gesetzesvorlagen können nicht von einem einzelnen Senatsmitglied eingebracht werden, sondern nur vom SvB (vgl. §§ 10 Nr. 4, 11, 12 I, IV, 19 I, II GOSvB). „Aus der Mitte des Abgeordnetenhauses . . ." bedeutet, daß das Parlament nicht nur als solches ein Initiativrecht hat, vielmehr kann dies 219

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Art. 45

Abschnitt V: D i e Gesetzgebung

auch einer Gruppe von Abgeordneten zustehen (§ 39 I GOAvB; vgl. auch B V f G E 1, 144, 153). Daß die G O A v B das Initiativrecht nur einer Fraktion oder einer Gruppe von mindestens 10 Abgeordneten zubilligt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Initiativrecht hat zum Inhalt, daß das Parlament sich mit dem Gesetzesvorschlag beschäftigt, d. h. darüber berät und beschließt. Die G O kann das Initiativrecht nicht sachlich einschränken, z. B. nicht verlangen, daß die Gesetzesvorlage mit einem Deckungsvorschlag versehen wird (BVfGE 1, 144, 153). Die ursprünglich in der VvB vorgesehene Möglichkeit der Einbringung einer Gesetzesvorlage durch Volksbegehren wurde durch das 17. ÄndGVvB vom 22. 11. 1974 beseitigt (vgl. dazu Schachtschneider JR 1975, 221). 4 Die VvB hat für das Gesetzgebungsverfahren selbst nur wenige Regeln aufgestellt (Art. 45 III, IV, 46) und im übrigen dies der G O A v B überlassen. 5 Die VvB ist neben der V H H die einzige in Geltung befindliche Verfassung in der Bundesrepublik, die eine Vorschrift über die Zahl der Lesungen für alle Gesetzesvorlagen enthält. Von Art. 49 V H H unterscheidet sich die Regelung des Art. 45 III dadurch, daß die Ausschußberatung in der Regel zwischen den beiden Lesungen liegt (s. §§ 30 II 2, 31, 32 I - IV, 33 GOAvB). Art. 45 III ist im Ergebnis als Sollvorschrift zu lesen, d. h., von der VvB her bestehen keine Bedenken, im Ausnahmefall zwei Lesungen an einem Tage abzuhalten (arg. e contr. aus Art. 78 I) oder auch ohne dazwischen liegende Ausschußberatung beide Lesungen zusammenzufassen (vgl. § 33 I 1 GOAvB, aber auch § 35 I; bei sog. Mantelgesetzen zur Übernahme von Bundesrecht - Art. 87 II ist dies sogar vorgeschrieben, § 32 III GOAvB). Dies darf aber bei Landesgesetzen nicht zur Regel werden, denn Art. 45 III ist eine Vorsichtsmaßnahme, die dem Parlament eindringlich die Verantwortung für seine Tätigkeit vor Augen führen soll (Landsberg/Goetz S. 119; ähnlich Drexelius/Weber Art. 49 VHH, Rdn. 3). 6

Das Recht der PrAvB und des SvB, eine dritte Lesung zu beantragen, wird sachlich von der VvB nicht eingeschränkt. Die Auffassung von Landsberg/Goetz (S. 119), es müßten nach der zweiten Lesung neue Umstände eingetreten sein, findet weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte der VvB eine Stütze. Das AvB ist bei einem entsprechenden Antrag des PrAvB oder des SvB gezwungen, eine dritte Lesung abzuhalten. Aber die VvB hindert das Parlament auch nicht, selbst eine dritte Lesung zu beschließen (vgl. Art. 45 III 1). Eine dritte Lesung kann auch stattfinden, wenn die Vorlage bzw. der Antrag in zweiter Lesung abgelehnt worden ist (so ist jedenfalls in der Praxis bereits verfahren worden, StBAvB 1/41, S. 275). 7 Weder die VvB noch die G O A v B enthalten eine Frist für das Ver220

Art. 46

Gesetzeserlaß (Härth)

langen auf Abhaltung einer dritten Lesung. Eine gewisse zeitliche Begrenzung ergibt sich lediglich aus der Pflicht des PrAvB, Gesetze unverzüglich auszufertigen (Art. 46 III). Der SvB selbst hat sich eine Frist von einer Woche nach der Verabschiedung des Gesetzes in zweiter Lesung gesetzt (§ 21 GOSvB). In der Praxis pflegt der SvB innerhalb weniger Tage gegenüber dem PrAvB schriftlich zu erklären, daß er auf eine dritte Lesung verzichte.

Artikel 46 (1) Gesetze werden vom Abgeordnetenhaus mit einfacher Mehrheit beschlossen, soweit die Verfassung nichts anderes bestimmt. (2) Gesetze sind vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses unverzüglich auszufertigen und sodann binnen zwei Wochen vom Regierenden Bürgermeister zu verkünden. (3) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem Ablauf des vierzehnten Tages in Kraft, an dem sie verkündet worden sind. Materialien 1. vgl. Art. 77 I, 82 I 1 u. II GG; 59 III, 63 I u. IV VBW; 72 I, 76 BV; 123 III, 126 V H B ; 48 II, 52, 54 VHH; 116 S. 2, 1 2 0 - 1 2 2 HV; 33 I, 36 VNV; 66 S. 1, 71 I u. III VNW; 107, 113 VRP; 67 12, 104, 105 VS; 321, 3 4 1 u. III LS. 2. W G B : Art. 5 Nr. 2 II, 33 I 2 u. II. 34. 3. Änderungen: -

Erläuterungen Der Verfassungsentwurf der SPD-Fraktion enthielt lediglich dem 1 jetzigen Abs. 2 entsprechende Bestimmungen (Art. 36); der heutige Abs. 2 geht allerdings inhaltlich auf Art. 41 des SED-Entwurfs zurück. Schon nach der 1. Lesung im Verfassungsausschuß wies der Entwurf im Art. 25 - bis auf geringe Abweichungen - den Wortlaut der jetzigen Abs. 1 u. 2 auf. Abs. 3 ist erst bei der Überarbeitung im Jahre 1950 eingefügt worden ( D s S t W 11/970 a). Gesetze werden vom AvB mit einfacher Mehrheit beschlössen; eine 2 Zwei-Drittel-Mehrheit ist bei einer Verfassungsänderung erforderlich (Art. 88 I). Der Gesetzgebungsbeschluß kann nur vom Plenum gefaßt und die Befugnis dazu nicht auf die Ausschüsse delegiert werden (so 221

Art. 46

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Abschnitt V: Die Gesetzgebung

ausdrücklich Art. 70 III BV, 67 I 3 VS; Lucius A ö R 97, 568 meint, gegen die Einführung des „italienischen Modells" beständen keine schwerwiegenden Bedenken). Zur Haftung für normatives Unrecht vgl. Haverkate Z R P 1977, 33. Der PrAvB hat von der VvB als einziger Parlamentspräsident der Bundesrepublik die Aufgabe zugewiesen bekommen, die Gesetze auszufertigen; er übt damit insoweit die Funktion eines Staatsoberhauptes aus (so mit Recht Landsberg/Goetz S. 120 f). Bei der Ausfertigung des Gesetzes muß der Präsident offensichtliche Unrichtigkeiten im Gesetzesbeschluß beseitigen, soweit dadurch der Gesetzesbeschluß nicht verfälscht wird. In bestimmten Fällen muß eine Berichtigungsurkunde hergestellt werden (s. dazu im einzelnen Kirn, Z R P 1973,49; Schiffer, Festschrift für Hans Schäfer, 1975, S. 39). Da Bundesgesetze oft schon vor der Verkündung und außerdem gewöhnlich mehrere in einem Mantelgesetz übernommen werden (vgl. Art. 87 II), wird der PrAvB traditionsgemäß am Anfang einer jeden Wahlperiode vom Plenum ermächtigt, erforderlichenfalls Datum und Fundstelle der übernommenen Gesetze zu ergänzen, das Ubernahmegesetz in Teilen auszufertigen, die Nummernfolge zu berichtigen und Unstimmigkeiten im Wortlaut des Übernahmegesetzes zu beseitigen (vgl. StBAvB 7/1, S. 5). Nach der Ausfertigung des Gesetzes kann dieses nur wieder durch ein Gesetz beseitigt werden. Nachträglich festgestellte Verstöße gegen Verfahrensvorschriften der G O sind unerheblich (vgl. HeStGH DVB1. 1967, 83). Die Verfassung schreibt vor, daß der RB das ausgefertigte Gesetz binnen zwei Wochen nach Ausfertigung zu verkünden hat. Dies geschieht im GVB1., § 1 I VküG. Die Verkündungsformel lautet: »Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet." Die Ausfertigungsformel mit der Unterschrift des Präsidenten wird nicht mitgeteilt (kritisch hierzu Heydt Z R P 1971 S. 201; Wild, Die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und die Anordnung zu ihrer Verkündung, Diss. Heidelberg 1969, S. 33/34, 83, 87). Ist das erste Stück der Nummer des GVB1. in den Verkehr gebracht worden, so ist das Gesetzblatt im verfassungsrechtlichen Sinne ausgegeben und damit das Gesetz verkündet (BVfGE 16, 6). Art. 46 III ist in Satz 2 sprachlich etwas unglücklich; es müßte besser heißen: „Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem sie verkündet worden sind." (Vgl. Denkschrift SvB S. 8.) Im Gesetz braucht kein bestimmtes Datum genannt zu werden; der Gesetzgeber kann das Inkrafttreten auch von einer Bedingung abhängig machen (BVfG NJW 1976, 1783). 222

Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Neumann)

Art. 47

Art. 46 III gilt auch für Übernahmegesetze gem. § 13 des 3. O L G (vgl. 8 zum Inkrafttreten des übernommenen Bundesgesetzes Art. 1, Rdn. 50).

Artikel 4 7 (1) Der Senat erläßt die zur Durchführung eines Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen, soweit durch das Gesetz nichts anderes bestimmt wird. Sie sind dem Abgeordnetenhaus unverzüglich zur Kenntnisnahme vorzulegen und können durch Beschluß des Abgeordnetenhauses abgeändert oder aufgehoben werden. (2) Der Senat erläßt die zur Ausführung eines Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften. Sie sind auf Verlangen dem Abgeordnetenhaus vorzulegen. Materialien

1. vgl. zu Art. 47 I: Art. 80 G G ; 61 VBW; 55 Nr. 2, 77 I 2 BV; 124 V H B ; 53 V H H ; 107, 118 HV; 34 VNV; 70 VNW; 110 VRP; 106 VS; 33 LS; zu Art. 47 II 29 VNV; 56 II VNW; 105, 110 VRP; 106 V S ; 3 8 L S . 2. y V G G : Art. 11 II Nr. 3 - 5 und III. 3. Änderungen: —

Erläuterungen Art. 47 I 1 regelt wie Art. 80 G G eine Rechtssetzungsform im mate- 1 riellen Sinne, die nicht formelles Gesetz ist. Art. 47 I 2 ist in den deutschen Verfassungen ohne Vorbild gewesen und auch ohne Nachahmung geblieben. Diese Regelung resultiert aus der alten Magistratsverfassung, wo nach Art. 13 VVGB Verordnungen verbindlich nur erlassen werden konnten, wenn StVV und MvB übereinstimmend dies beschlossen hatten. Rechtsverordnungen sind Rechtsnormen im Staat-Bürger-Verhältnis 2 (BVfGE 1, 197; 10, 50; 28, 132, 144), in der Regel abstrakte, generelle Anordnungen zur Regelung staatlicher Angelegenheiten. Von einem formellen Gesetz unterscheidet sich eine Rechtsverordnung dadurch, daß nicht das ordentliche parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird. Der Unterschied zum VA (vgl. § 35 VwVfG) besteht grundsätzlich darin, daß eine Verordnung zukunftsoffene Regelungen trifft, ein VA dagegen Regelungen für den konkreten Fall. Gerade die Abgrenzung zwischen V A in Form der Allgemeinverfügung (vgl. § 35 223

Art. 47

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Abschnitt V: Die Gesetzgebung

S. 2 VwVfG) einerseits und Rechtsnorm andererseits macht z. T. erhebliche Schwierigkeiten (vgl. dazu die Kommentare zu § 42 VwGO und § 35 VwVfG). Art. 47 I gilt nicht für Satzungen, die ebenso wie Rechtsverordnungen materielles Recht setzen. Eine eindeutige Unterscheidung vom Regelungsinhalt her kann zwischen Satzung und Verordnung nicht getroffen werden. Satzungen werden auf Grund - gesetzlich - eingeräumter Satzungsautonomie von Selbstverwaltungskörperschaften (wie z. B. Universitäten) oder -Organen (wie z. B. AvB, SvB, LRH, BzA) erlassen. Auch hier ist die Abgrenzung oft schwierig (vgl. Wilke A ö R 98, 196 mit umfangreichen Nachweisen zur Rsp. des BVfG). Nicht als Satzung, sondern als Rechtsverordnung ist es jedenfalls anzusehen, wenn von einer staatlichen Aufsichtsbehörde eine normgemäße Regelung für einen Selbstverwaltungsverband erlassen wird (oktroyierte Satzung; so B V f G E 10, 49; Wilke A ö R 98, 200). Von der Bestimmung der Rechtsnatur einer Maßnahme als Rechtsverordnung usw. ist klar abzuheben die Frage, ob ein Staatsakt die von ihm geregelten Gegenstände auch so regeln durfte. So bedürfen Eingriffe in Freiheit und Eigentum unter dem Gesichtspunkt des „Vorbehalts des Gesetzes" einer gesetzlichen Ermächtigung, können also nicht bloß aufgrund einer Verwaltungsvorschrift erfolgen („besonderes Gewaltverhältnis"; vgl. B V f G E 33,1; 34,165). Organisations- und Zuständigkeitsregelungen bedürfen einer Regelung durch Rechtsnorm, soweit die eingerichteten Behörden mit Zuständigkeiten ausgestattet werden, die nicht nur im Verhältnis der Behörden zueinander, sondern auch nach außen wirksam werden (vgl. Schwabe JA 1975, 113). In Berlin bedarf gem. §§ 4 A Z G , 2 II A S O G jede Zuständigkeitsregelung einer Rechtsverordnung. Der legislative Gesetzgeber darf sich seiner Kompetenzen nicht entäußern. Von daher können Rechtsverordnungen nur auf Grund spezialgesetzlicher Ermächtigung erlassen werden. Art. 47 I 1 kann daher nicht als globale materielle Ermächtigungsnorm zum Erlaß von Verordnungen, sondern nur als formelle Zuständigkeitsregelung verstanden werden. Soweit ein Bundesgesetz zum Erlaß von Verordnungen ermächtigt, wird durch Art. 47 1 1 klargestellt, daß unter Landesregierung i. S. des Art. 80 I 1 G G der SvB zu verstehen ist. Soweit ein Berliner Landesgesetz zum Verordnungserlaß ermächtigt, ohne einen Adressaten zu nennen (was zulässig ist, vgl. Rdn. 6), hat nach Art. 47 I 1 der SvB die Verordnungskompetenz. Der Berliner Landesgesetzgeber ist nicht an Art. 80 I GG gebunden (BVfGE 2, 332; 32, 360). Somit muß er im ermächtigenden Gesetz keinen bestimmten Adressaten nennen. Ebensowenig gilt das Zitier224

^echtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Neumann)

Art. 47

gebot des Art. 80 I 3 GG; allerdings bleibt Art. 19 I 2 GG zu beachten (vgl. Art. 1, Rdn. 40). Ferner gilt auch Art. 801 2 GG nicht unmittelbar für die Landesgesetzgebung. Allerdings entbindet dies den Landesgesetzgeber nicht von der Beachtung des Rechtsstaatsprinzips; danach muß der Gesetzgeber programmatisch festlegen, zu welchem Zweck und mit welchem Inhalt die Exekutive eine Verordnung erlassen darf (vgl. Wilke AöR 98, 230 ff m.w.N.). Durch den Erlaß einer Rechtsverordnung durch den SvB oder eine andere -ermächtigte Berliner Stelle wird in jedem Falle Landesrecht geschaffen, unabhängig davon, ob die Ermächtigung auf Bundesgesetz oder Landesgesetz beruht (BVfGE 18,143). Die VvB beschränkt nicht ausdrücklich den Kreis der möglichen Ermächtigungsadressaten für Rechtsverordnungen. Delegatare können somit neben dem SvB auch einzelne Senatoren, aber auch Staatsorgane anderer Ebene sein, also z. B. der Polizeipräsident oder der PrAvB. Bezirksorgane können nicht zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt werden. Ansonsten entstände partikulares Landesrecht, was dem Gesamtsystem der VvB widerspräche. Alle Rechtssetzungsbefugnisse einschl. dem Satzungsrecht sind den Bezirken vorenthalten und Landesorganen zugewiesen. Die VvB konstituiert Berlin als ein einheitliches Rechtssystem (Vgl. § 1 II 2 des 1. RBG; auch § 31 I und II AZG, wonach noch bestehende Ortssatzungen als Landesgesetze oder als Landesrechtsverordnungen fortgelten, nicht etwa als Bezirksrecht). Auch der RdB (Art. 52 II) kann als bloßes Koordinationsgremium nicht zum Verordnungsgeber bestimmt werden. Schließlich können auch Ausschüsse des AvB nicht Ermächtigungsadressaten sein; denn sie sind kein selbständiges (Gesetzgebungs- oder Exekutiv-)Organ. Die Weiterübertragung von Verordnungsgewalt (Subdelegation) ist ein Akt rechtssetzender Gewalt und bedarf daher der Ermächtigung in einem förmlichen Gesetz. Die Form der Weiterübertragung ist anders als in Art. 80 I 4 GG nicht ausdrücklich vorgeschrieben; da es sich aber um Kompetenzveränderungen handelt, bedarf die Subdelegation selbst einer Rechtsverordnung. Eine Ermächtigung zum Verordnungserlaß kann vorsehen, daß zwei oder mehrere Stellen zusammenwirken. So sind gemeinsame Verordnungen vorstellbar, die von mehreren Senatsmitgliedern miteinander oder vom SvB zusammen mit einem oder mehreren Sentatsmitgliedern erlassen werden. Solche gemeinsamen Verordnungen können nur gemeinsam erlassen und aufgehoben werden. Ein mitermächtigter Senator könnte auch nicht durch Beschluß gem. Art. 43 V zur Mitwirkung gezwungen werden. Ausgeschlossen sind gemeinsame Verordnungen insoweit, als eine Exekutivstelle und 225

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Art. 4 7

Abschnitt V: Die Gesetzgebung

das AvB zur gesamten Hand ermächtigt werden sollen, weil sich das AvB damit von den entsprechenden Entscheidungen einer anderen Stelle abhängig machen und somit auf seine Rechte aus Art. 47 I 2 verzichten würde. Praktisch sinnvoller ist die Ermächtigung an ein Organ, das an die Zustimmung eines anderen gebunden wird. So kann z. B. ein Senator an die Zustimmung eines anderen Senators oder die des SvB gebunden werden, wobei auch hier der Zustimmende nicht gem. Art. 43 V gebunden werden kann. Eine Verordnung könnte auch von der Zustimmung des AvB abhängig gemacht werden (vgl. für Zustimmungspflicht des BT: B V f G E 24, 193; Wilke A ö R 98, 227 m.w.N.); dieser Fall unterscheidet sich von Art. 47 I 2 dadurch, daß hier die Mitwirkung des AvB Wirksamkeitsbedingung ist, wohingegen das AvB nach Art. 47 I 2 nur ein nachträgliches Abänderungsrecht besitzt. Da der Zustimmende nicht Veordnungsgeber ist, ist es zulässig, daß der Erlaß einer Verordnung an die Zustimmung auch eines Parlamentsausschusses gebunden wird. Weiterhin kann der Verordnungserlaß auch z. B. vom Einvernehmen mit dem Polizeipräsidenten, dem Präsidenten eines Gerichts oder dem PrAvB (vgl. § 2 BannG) abhängig gemacht werden. Eine einmal erteilte Zustimmung kann nicht einseitig zurückgenommen werden. 11

Rechtsverordnungen sind grundsätzlich von der erlassenden Stelle auszufertigen. Für Verordnungen des SvB und der einzelner Senatoren bestätigt dies § 3 II GOSvB. Die Verkündung aller Verordnungen hat im GVBl. zu erfolgen, § 1 VküG. Da das AvB durch eine Inanspruchnahme seiner Abänderungsbefugnis gem. Art. 47 I 2 nicht selbst zum Verordnungsgeber wird, ist die insoweit abgeänderte Verordnung vom ermächtigten Verordnungsorgan (neu) auszufertigen und zu verkünden. Da eine Verordnung einer gültigen Rechtsgrundlage bedarf, ist ihre 1 2 Geltungskraft automatisch beendet, wenn das ermächtigende Gesetz entfällt (differenzierend Wilke A ö R 98, 235), es sei denn der Gesetzgeber ordnet die Weitergeltung der Verordnung an (z. B. § 49 A S O G für die DVO-PolZG). Für Verordnungen zur Gefahrenabwehr („Polizeiverordnungen") nach § 33 A S O G ist zu beachten, daß diese gem. § 36 A S O G spätestens 10 Jahre nach Erlaß automatisch außer Kraft treten. Eine Verlängerung kann nur durch Neuerlaß der Verordnung geschehen; eine bloße Neuveröffentlichung genügt nicht. Danach dürften z. B. die Polizeiverordnung über die Bekämpfung von Wanzen vom 19. 8. 1948 (VOB1. I S. 287), die Polizeiverordnung über die Benutzung von Gebäuden zum Wohnen und Schlafen vom 5. 8. 1958 (GVBl. S. 747), die Lebensmittelhygieneverordnung vom 30. 5. 1967 (GVBl. S. 786) und die Verordnung über das Steigenlassen von Drachen, Mo226

Altes Recht (Pfennig)

Art. 47

dellflugzeugen und Fesselballons im Gebiet des Landes Berlin vom 1 3 24. 9. 1965 (GVB1. S. 1334) nicht mehr in Kraft sein. Die in der Bundesrepublik Deutschland einzigartige Vorschrift des Art. 47 I 2 ist ein Rudiment der Magistratsverfassung. Sie ist zugleich Ausdruck des Vorrangs der legislativen vor der exekutiven Gewalt und des grundsätzlichen Gesetzgebungsmonopols der Legislative (vgl. Landsberg/Goetz S. 121, 123). Es war bei der Verfassungsgebung diskutiert worden, den Erlaß von Rechtsverordnungen überhaupt von der Zustimmung des AvB abhängig zu machen (vgl. Landsberg/Goetz aaO), was jedoch zugunsten der jetzigen Regelung unterlassen wurde. Danach darf der SvB bzw. das ermächtigte Organ zunächst selbständig Rechtsnormen in Kraft setzen; das AvB kann jedoch solche Verordnungen durch einfachen Beschluß aufheben oder abändern. Im Unterschied zu den anderen Landesverfassungen und dem G G kann das Berliner Parlament also Rechtsgebung außerhalb des ordentlichen Rechtsgebungsverfahrens betreiben, was aber verfassungsrechtlich unbedenklich ist, weil auch die Abänderung durch das AvB nach Art. 47 I 2 sich im Rahmen des im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschlossenen Gesetzes bewegen muß. Allerdings gilt Art. 47 I 2 ebenso wie Art. 47 I 1 - im Hinblick auf Art. 80 I 1 G G nicht für Rechtsverordnungen aufgrund eines Bundesgesetzes. Die Abänderung einer Rechtsverordnung tritt erst mit ihrer Verkündung bzw. mit Verkündung der abgeänderten Fassung der Verordnung in Kraft. Da das AvB den Verordnungsgeber ursprünglich zum wirksamen Verordnungserlaß ermächtigt hat, bleibt die von dem Verordnungsgeber erlassene Norm in der ursprünglichen Form bis zu einer Abänderung wirksam. Der Vorschrift gemäß hat der Verordnungsgeber dem AvB die Ver- 14a Ordnung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (Landsberg/Goetz S. 123) vorzulegen. Der Verfassungsausschuß des AvB ging in einer Feststellung vom 17. 5. 1951 davon aus, daß eine Rechtsverordnung dem AvB grundsätzlich binnen 7 Tagen nach der Beschlußfassung, gegebenenfalls also vor Verkündung, vorzulegen ist (vgl. Nachweise bei Landsberg/Goetz S. 124). In der Praxis ist Art. 47 I 2 bisher nicht zur Anwendung gelangt. 1 5 Dies beruht darauf, daß ein internes Gutachten des AvB (vom 10. 10. 1951) die Meinung vertreten hat, die sich das AvB bislang zu eigen gemacht hat, daß dem AvB als Rechtssetzungsform nach Verfassungsrecht nur das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gem. Art. 45 f zur Verfügung stehen könne. Die Auffassung des Gutachtens widerspricht jedoch der VvB und ist bundesverfassungsrechtlich nicht geboten, Auch die in dem erwähnten Gutachten vertretene Meinung, daß das AvB 227

Art. 47

Abschnitt V: Die Gesetzgebung

allenfalls den Verordnungsgeber bindend anweisen könne, eine erlassene Rechtsverordnung aufzuheben oder abzuändern, entbehrt jeder verfassungsrechtlichen Grundlage und wäre zudem in Berlin noch dadurch unpraktikabel, daß ein solcher, angeblich bindender Beschluß, nicht rechtlich durchsetzbar ist. 16

Art. 47 II regelt systemwidrig im V. Abschnitt der VvB den Erlaß von Verwaltungsvorschriften. Dies ist nicht Gesetzgebung, auch nicht im materiellen Sinne, sondern reine Exekutivtätigkeit. 17 Der Erlaß von Verwaltungsvorschriften ist Ausfluß der Organisationskompetenz des zuständigen Verwaltungsorganes. Diese Innennormen können im Außenrechtsverhältnis grundsätzlich keine rechtsnormative Wirkung entfalten. Sie können aber mittelbar als Ermessensrichtlinien wirken und über Art. 3 I G G als Rechtsmaßstab zur Anwendung gelangen (vgl. O V G Berlin JR 7 6 , 1 7 4 m.w.N.). 18

Der SvB hat für Verwaltungsvorschriften eine Universalkompetenz. Innerhalb dieses Rahmens können jedoch andere Verwaltungsorgane innerhalb ihres zugewiesenen Organisationsbereichs Verwaltungsvorschriften erlassen; z. B. Runderlasse, Richtlinien, Dienstanweisungen, vgl. § 8 G G O I. 19 Gemäß Art. 47 II 2 sind die vom SvB erlassenen Ausführungsvorschriften auf Verlangen des AvB diesem vorzulegen. Dieses Auskunftsrecht ist Ausfluß der allgemeinen Kontrollbefugnis des Parlaments gegenüber Regierung und Verwaltung. Daher ist diese Vorschrift über den Wortlaut hinaus dahingehend zu verstehen, daß das AvB die Vorlage sämtlicher im Bereich der Verwaltung erlassenen Verwaltungsvorschriften verlangen kann.

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Eine Abänderungsbefugnis wie bei Verordnungen hat das AvB allerdings nicht. Der Erlaß von Verwaltungsvorschriften ist Ausfluß eines originären Rechts der Exekutive. Jedoch kann das AvB als Gesetzgeber in dem dafür vorgesehenen Verfahren nicht gehindert sein, Organisationsfragen der Verwaltung einer normativen Regelung zuzuführen, etwa durch Verfahrensgesetze oder Änderung von dienstrechtlichen Vorschriften.

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Verwaltungsvorschriften bedürfen keiner formellen Verkündung wie Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen. Soweit sie aber z. B. als bindende Ermessensrichtlinien Außenwirkung für den Bürger haben, sind sie auch öffentlich bekannt zu geben (OVG Berlin J R 76, 174). Geeignetes Organ zur Bekanntmachung von Verwaltungsvorschriften ist das ABl. von Berlin; allerdings könnte der Vorschriftengeber die Verwaltungsvorschriften auch in anderer geeigneter Art und Weise bekanntgeben ( O V G Berlin aaO). 228

Art. 48

Altes Recht (Pfennig)

Artikel 4 8 (1) Das bisherige Reichsrecht darf vom Abgeordnetenhaus abgeändert werden, wenn es die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse unbedingt erfordern. Diese Voraussetzung unterliegt nicht der richterlichen Nachrpriifung. (2) Das bisher geltende preußische Recht kann nach den Bestimmungen dieser Verfassung abgeändert werden. (3) Alle Rechte, die in den geltenden Gesetzen der früheren Reichsregierung, dem früheren preußischen Staatsministerium, ihren Mitgliedern oder sonstigen Stellen eingeräumt sind, gehen auf den Senat über, sofem das Abgeordnetenhaus nichts anderes beschließt. Materialien 1. vgl. Art. 123, 124, 125, 128, 129, 130, 134, 135 GG. 2. W G B : 3. Änderungen: -

Erläuterungen Art. 48 geht davon aus, daß grundsätzlich Reichsrecht und pr. Recht 1 fortgelten. Dies entspricht Art. 123 I GG, der allerdings vorsieht, daß jegliches vorkonstitutionelle Recht nur fortgilt, soweit es nicht dem G G widerspricht. Insofern ist auch Art. 48 dahingehend zu verstehen, daß Reichsrecht und pr. Recht nur fortgelten, soweit sie nicht im Widerspruch zum GG stehen. Soweit vorkonstitutionelles, nunmehr aufgrund der Bestimmungen 2 des G G (vgl. unten Rdn. 4) als Landesrecht fortgeltendes Recht ohne Widerspruch zum G G den Bestimmungen der VvB widersprach, war es nach Art. 85 außer Kraft zu setzen (vgl. Erl. zu Art. 85). Art. 48 I liegt die Vorstellung zugrunde, daß Berlin berechtigt ist, 3 auch früheres Reichsrecht abzuändern. Dazu war Berlin zumindest bis zum Inkrafttreten des G G berechtigt (vgl. Art. 125 Nr. 2 G G ; B V f G E 2, 237, 252 f; 4, 74). Nach Inkrafttreten des G G ist das Land Berlin jedoch an die Vorschriften der Art. 123 ff G G gebunden, insbesondere an die dadurch unter Berücksichtigung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern vorgesehene Aufteilung des Fortgeltens bisherigen Reichsrechts als Bundes- und Landesrecht (vgl. Art. 1, Rdn. 43). Demnach darf bisheriges Reichsrecht vom AvB nur abgeändert werden, wenn es als i. S. d. Art. 123 I G G fortgeltendes Recht mit dem Zu229

Art. 48

Abschnitt V: Die Gesetzgebung

sammentritt des BT am 7. 9. 1949 nicht ausschließlich (vgl. B V f G E 4, 115, 131 f betr. das Deutsche Beamtengesetz, das gleichzeitig als Bundesrecht, soweit es die Bundesbeamten, und als Landesrecht, soweit es die Landesbeamten betraf, fortgalt) Bundesrecht nach den Bestimmungen der Art. 124 und 125 i. V.m. Art. 73, 74 und 105 GG geworden ist (Sendler JR 1958, 81; O V G Berlin O V G E 8, 62; abweichend BVwG JR 1956, 196). An diese in Übereinstimmung mit den Kompetenznormen des G G die Fortgeltung alten Reichsrechts regelnde Vorschriften des G G ist Berlin gebunden (vgl. Art. 1, Rdn. 40, 43, 99). Soweit bisheriges Reichsrecht nach den Vorschriften der Art. 123 bis 125 G G nicht als Bundesrecht fortgilt - zum Bundesrecht gehört auch von Berliner Landesorganen gesetztes Recht, mit dem nach dem 8. Mai 1945 bis zum Zusammentritt des ersten BT früheres Reichsrecht abgeändert worden ist, wenn es Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, Art. 125 Nr. 2 G G - , sondern als Berliner Landesrecht, gilt für dessen Abänderung die Beschränkung aus Art. 48 I 1 S. Halbsatz nicht. Aus der Souveränität des Landesgesetzgebers folgt, daß er dieses Recht jederzeit abändern kann. Aus Art. 129 II G G folgt ferner, daß nicht förmliches Recht (Rechtsverordnungen usw.) nach Maßgabe der Bestimmungen der VvB von den zuständigen Stellen abgeändert werden kann. Die Vorschrift des Art. 4 8 1 2 VvB ist somit gegenstandslos. Die Entscheidung darüber, ob bisheriges Reichsrecht als Bundesrecht oder Landesrecht fortgilt, obliegt im Einzelfall den Berliner Gerichten in Abweichung von Art. 126 G G (vgl. Art. 1, Rdn. 71 u. Art. 64, Rdn. 6). 5 Soweit Art. 48 II bestimmt, daß das bisher geltende pr. Recht nach den Bestimmungen der VvB abgeändert werden kann, gilt das bisher ausgeführte: auch hier können der Landesgesetzgeber bzw. die nach Landes(verfassungs)recht zuständigen Stellen nur tätig werden, soweit das bis zum Inkrafttreten des ersten BT geltende pr. Recht nicht nach Maßgabe der Bestimmungen der Art. 123 bis 125 G G Bundesrecht geworden ist. 6 Soweit Art. 48 III den Übergang aller Rechte, die in fortgeltenden Gesetzen der früheren Reichsregierung, dem früheren pr. Staatsministerium, ihren Mitgliedern oder sonstigen Stellen eingeräumt sind, auf den SvB bestimmt, sind die Art. 123 ff G G ebenfalls vorrangig. Das bedeutet, daß diese Rechte, soweit sie in Rechtsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten, eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie zur Vornahme von Verwaltungsakten enthalten, auf die sachlich zuständigen Stellen des Bundes übergegangen sind, Art. 129 I GG, soweit nicht alliierte Vorbehalte 230

Art. 49

(aufgehoben / Neumann)

bestehen (z. B. Bundeswasserstraßenverwaltung; die Rechte der Reichsregierung werden hinsichtlich der in Berlin gelegenen Wasserstraßen im Auftrag der Alliierten wahrgenommen, vgl. Art. 1, Rdn. 12 u. Art. 50, Rdn. 26ff). Die Aufsichtsrechte über die Körperschaften des öffentlichen Rechts, die nicht auf als Landesrecht fortgeltendem Recht oder Staatsverträgen zwischen den Ländern beruhen, sind nach Art. 130 G G auf die zuständigen obersten Bundesbehörden übergegangen. Rechte der Reichsregierung oder der pr. Staatsregierung hinsichtlich des Reichsvermögens oder der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechts sind nachMaßgabe der Art. 134 und 135 VI G G und der dazu erlassenen Ausführungsgesetze mit dem Übergang des Vermögens auf den Bund auf die Bundesregierung übergegangen, soweit nicht alliierte Vorbehalte dem entgegenstehen (z. B. hinsichtlich der Reichsbahn in Berlin, vgl. Art. 1, Rdn. 12; s. auch Art. 50, Rdn. 27f). Nur soweit nach Maßgabe der genannten Bestimmungen Rechte aus Ermächtigungen, Aufsichtsrechte oder Vermögensrechte (durch den Übergang des Vermögens) auf das Land Berlin übergegangen sind, sind alle diese Rechte nach Art. 48 III VvB auf den SvB übergegangen. Übergegangen auf den SvB sind ferner die Dienstaufsichtsrechte aufgrund von Recht, das nach den Art. 123 ff G G als Landesrecht fortgilt. Die Befugnis des AvB nach Art. 48 III dürfte mit der 1. Wahlperiode erledigt sein, eine andere Verteilung kann nur noch durch Gesetz beschlossen werden.

Artikel 49 Die Vorschrift ist durch das 17. ÄndGVvB (GVBl. S. 2741) aufgehoben worden.

vom 22. November

1974

Erläuterungen Die Fassung bis dahin lautete: (1) Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Fünftel der Stimmberechtigten das Begehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfes stellt. Mit dem Volksbegehren muß ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf vorgelegt werden. (2) Der dem Volksbegehren zu Grunde liegende Gesetzentwurf ist von dem Senat unter Darlegung seines Standpunktes dem Abgeordnetenhaus zu unterbreiten. 231

Art. 49

Abschnitt V: Die Gesetzgebung

(3) Der Volksentscheid unterbleibt, wenn das Abgeordnetenhaus den begehrten Gesetzentwurf unverändert annimmt. (4) Ein Gesetz ist durch Volksentscheid angenommen, wenn sich entweder die Hälfte der Stimmberechtigten am Volksentscheid beteiligt und die Mehrheit der Beteiligten für das Gesetz stimmt oder bei geringerer Wahlbeteiligung ein Drittel der Stimmberechtigten sich für das Gesetz ausspricht. (5) Haushaltsplan, Abgabengesetze, Lohn- und Gehaltsregelungen können nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein. (6) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt. Zugleich mit der Aufhebung des Art. 49 sind Art. 3, 39, 45 und 88 geändert worden (vgl. Art. 88, Rdn. 2). Eine Gesetzgebung durch das Volk ist in der VvB nun nicht mehr vorgesehen. Volksbegehren und Volksentscheid kennt die Verfassung nunmehr allein zur Auflösung des AvB gem. Art. 39.

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Abschnitt VI Die Verwaltung Artikel 50 (1) Die Verwaltung ist im demkokratischen und sozialen Geist nach der Verfassung und den Gesetzen zu führen. (2) Die Bezirke sind an der Verwaltung nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung zu beteiligen.

Artikel 5 1 (1) Der Senat stellt Grundsätze und Richtlinien für die Verwaltung auf und nimmt durch die Hauptverwaltung Angelegenheiten wahr, die wegen ihrer übergeordneten Bedeutung oder wegen ihrer Eigenart einer einheitlichen Durchführung bedürfen. Zur Ausübung der Schulaufsicht können jedoch Beamte in den Bezirksverwaltungen herangezogen werden. (2) Die Bezirke nehmen die sonstigen Angelegenheiten der Verwaltung wahr. Ihnen obliegt insoweit die örtliche Durchführung der Gesetze und Verordnungen nach den allgemeinen Anweisungen des Senats. Der Senat ist befugt, einzelne der Hauptverwaltung vorbehaltene Aufgaben den Bezirken zu übertragen. (3) Die Zuständigkeitsbereiche der Hauptverwaltung und der Verwaltungen der Bezirke werden durch ein Gesetz über die Verwaltung geregelt. (4) Der Senat übt die Aufsicht über die Verwaltungen der Bezirke aus. Er hat dafür zu sorgen, daß der geordnete Gang der Verwaltung gewahrt bleibt und keine gesetzwidrigen Verwaltungsmaßnahmen erfolgen. Materialien 1. vgl. zu Art. 50 I: Art. 86 ff GG; 69 VBW; 77 BV; 127 VHB; 55 ff VHH, 29, 43 VNV; 77 VNW; 116 YS; 38 LS.

233

Art. 50, 51

Abschnitt VI: Die Verwaltung

zu A r t . 50 II, 51; A r t . 28 II G G ; 71 f V B W ; 83 B V ; 143 ff V H B ; 137 H V ; 44 V N V ; 78 V N W ; 49 f V R P ; 122 ff VS; 39 LS. 2. V V G B : A r t . 9 II 1, 11 I 3 u. III, 19 II 2, 20 I, 22. 3. Ä n d e r u n g e n : 8. Ä n d G V v B vom 18. 1. 1963 (GVB1. S. 77) fügt in A r t . 51 I d e n Satz 2 an.

Erläuterungen 1

A r t . 50 f sind im Wortlaut, sieht man von A r t . 5 1 1 2 einmal ab, nicht geändert w o r d e n . D e n n o c h sind die Vorschriften inhaltlich und praktisch durch die großen Verfassungsänderungen von 1958 und 1971 einem Veränderungsprozeß unterworfen gewesen. A u c h heute wird man sagen müssen, daß die gegenwärtige Struktur der Art. 50 ff nicht endgültig wird sein k ö n n e n . D a s Problem der B ü r g e r n ä h e d e r Bezirksverwaltungen wird wohl nie eine optimale Form erhalten können, stehen dem doch auf d e r anderen Seite Forderungen nach einer besonders effizienten und einheitlichen Verwaltung in ganz Berlin gegenüber. 2 A r t . 50 I betont in deutlicher A b k e h r vom feudalistischen und nationalsozialistischen Staats- und Verwaltungsbegriff, d a ß auch und besonders die Verwaltung im demokratischen und sozialen Geist in Bindung an Verfassung und Gesetz zu f ü h r e n ist. Z u m einen wird damit inhaltlich auf die Prinzipien des Rechts- und Sozialstaats sowie der D e m o k r a tie verwiesen (vgl. Erl. zu A r t . 3). Z u m a n d e r e n wird aber hier auch klargestellt, d a ß die Verwaltung und damit auch die B e a m t e n , A n g e stellten und A r b e i t e r im öffentlichen Dienst sich nicht darauf beschränken dürfen, „unpolitisch" und b ü r o m ä ß i g ihre G e s c h ä f t e zu erledigen, sondern sie aufgefordert sind, mit und f ü r den B ü r g e r den d e m o k r a t i schen und sozialen Geist dieser Verfassung zu verwirklichen. 3 D e r Begriff Verwaltung im VI. Abschnitt der VvB umfaßt die gesamte unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung einschließlich der Finanzverwaltung, wobei die Vorschriften der A r t . 73 ff insoweit vorgehen, als sie Spezialregelungen f ü r Verwaltungstätigkeit treffen. Die in den deutschen Verfassungen durchaus übliche Differenzierung in einen Abschnitt: Regierung und einen Abschnitt: Verwaltung bedeutet keine A n e r k e n n u n g zweier unterschiedlicher materieller o d e r f u n k tionaler Gewalten. Regieren und Verwalten im Sinne der VvB ist Exekutivtätigkeit im Sinne des Art. 3 1 2 . 4 D e r A u f b a u d e r Berliner Verwaltung wird von der Stadtstaatlichkeit Berlins geprägt. Berlin ist im J a h r e 1920 aus 8 Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken zu einer neuen Stadtgemeinde Berlin zusammengeschlossen worden ( S t G e m G ) , wobei anders als in anderen G e m e i n d e n die Verwaltung zweistufig organisiert worden ist. Die auf diese Weise geschaffene Zweistufigkeit ist auch nach 1945 erhalten

234

Grundsätze (Neumann)

Art. 50, 51

geblieben, obwohl seitdem Berlin nicht mehr den Status einer G e meinde, sondern den eines (Bundes-)Landes hat (vgl. Art. 1, Rdn. 1 f). Die Gründe, die zur Einrichtung der zweistufigen Verwaltung geführt hatten, sind einmal das Bestreben, den vorher bestehenden Gemeinden einen Ausgleich für die verlorene Selbständigkeit in der Form zu bieten, daß man sie nicht restlos in der neuen Großgemeinde aufgehen ließ, sondern ihnen z. T. in Vereinigung mit einzelnen Nachbargemeinden - die Fortführung eines Sonderdaseins in gewissem U m f a n g e gestatte; zum anderen, der Wunsch, die in Millionenstädten besonders schwer zu erreichende lebendige Teilnahme der Bevölkerung an der Verwaltungstätigkeit - die Bürgernähe der Verwaltung - dadurch zu stärken, daß man dem örtlichen Gemeinschaftsgefühl ein besonderes Betätigungsfeld in den Bezirken eröffnete. Dieser zweite Gesichtspunkt war auch mitbestimmend dafür, die Bezirksverfassung nach dem 2. Weltkrieg im Wesentlichen zu erhalten. In vielen Einzelfragen konnte aber zwischen den Parteien, die schließlich in der StVV die VvB verabschiedet haben, keine eindeutige Klarheit erreicht werden. Übereinstimmung herrschte insoweit, daß die Verwaltung nach Möglichkeit dezentralisiert werden sollte, daß die Bezirke nicht Gemeinden im Sinne des Art. 28 II G G sein, sie keinen totalen Wirkungskreis (Universalität), aber eine gewisse Selbständigkeit haben, sie keinem uneingeschränkten Weisungsrecht im Einzelfalle unterliegen und sie keine Verfassung (im Sinne der Süddeutschen Gemeindeverfassung) erhalten sollten. Die Gliederung der Berliner Verwaltung ergibt sich aus dem den 5 Art. 51 konkretisierenden A Z G . § 1 A Z G wiederholt inhaltlich Art. 1 I und Art. 3 II. § 2 I bringt die Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung zum Ausdruck. Berlin unterscheidet somit Verwaltung durch Landesbehörden (Hauptverwaltung) und durch Bezirksbehörden( Bezirksverwaltung). Alle Formen öffentlicher Verwaltung müssen diesen beiden Stufen zugeordnet werden, auch die Formen mittelbarer Staatsverwaltung durch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ein Vergleich der Aufgabenverteilung im Hinblick auf die anderen Bundesländer ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Wie nach den anderen Verfassungen sind auch in Berlin die Senatsmitglieder oberste Landesbehörde, dies schließt jedoch nicht aus, daß sie A u f gaben wahrnehmen, die in anderen Bundesländern durchaus Landesmittelbehörden oder sogar kommunalen Körperschaften zustehen, beispielsweise die Festsetzung des Bebauungsplans, die nach § 4 A G B B a u G durch Rechtsverordnung des Senators für Bau- und Wohnungswesen erfolgt. Die Oberstufe der Berliner Verwaltung ist die Hauptverwaltung 6 (Art. 44 I, § 2 I und II A Z G ) . Trotz der Formulierung in Art. 44 I und 235

Art. 50, 51

Abschnitt VI: D i e Verwaltung

§ 2 I A Z G ist der SvB als solcher nicht oberste Landesbehörde; er ist Regierungskollegium und hat überhaupt keinen Behördencharakter (Machalet S. 43). Die Hauptverwaltung umfaßt die Mitglieder des SvB als oberste Landesbehörden und als nachgeordnete Landesbehörden die Sonderbehörden und nichtrechtsfähigen Anstalten sowie die Eigenbetriebe. Oberste Landesbehörden sind außer dem RB und den Senatoren auch noch der PrAvB (Art. 37) und der L R H (Art. 83 I); diese haben insoweit einen Sonderstatus, als sie nicht in die Hauptverwaltung integriert sind. Nachgeordnete Sonderbehörden sind z. B. der Polizeipräsident in Berlin, die StA beim KG, die StA beim LG, die - rechtsfähige — WBK, die — nicht rechtsfähige — LNK. Sonderbehörden im Sinne des § 2 sind auch Institutionen der mittelbaren Staatsverwaltung, nämlich die rechtsfähigen Körperschaften (z. B. FU Berlin), die rechtsfähigen Anstalten (z. B. SFB) und die rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts (z. B. Lette-Verein). Die Bildung von besonderen Landesbehörden im Lande Berlin ist z. T. bundesgesetzlich vorgesehen, wie beispielsweise die StA beim K G (§ 142 GVG) oder die O F D (§ 2 I Nr. 2 FVG). Die Bildung oder Auflösung solcher Sonderbehörden bedarf - unabhängig von einer gegebenenfalls erforderlichen gesetzlichen Regelung - gemäß Art. 43 IV immer der Zustimmung des AvB (vgl. Art. 43, Rdn. 15). 6a

Nach den bisher bekannt gewordenen Entwürfen will der SvB auch den in Berlin einzurichtenden Datenschutzbeauftragten für den Bereich der Datenverarbeitung für die Berliner öffentliche Hand als selbständige Behörde ähnlich dem L R H einrichten, d. h., ihn also nicht in die Hauptverwaltung integrieren und ihn somit auch nicht der Aufsicht des SvB unterstellen (vgl. LPD vom 9. August 1977). Eine solche Regelung bedürfte auf jeden Fall - wie dies ja auch bei Art. 37 für den PrAvB und Art. 81 für den L R H geschehen ist - einer landesverfassungsrechtlichen Regelungen. 7 Eine Sonderstellung unter den Sonderbehörden nimmt das Landesverwaltungsamt Berlin (LVwA) ein. Es ist errichtet aufgrund des LVwAG vom 18. Februar 1964 (GVB1. S. 427) und hat eine besondere Regelung in § 8 a A Z G erfahren. Es erledigt Verwaltungsaufgaben aus dem Bereich verschiedener Senatsverwaltungen, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Die Fachaufsicht über das LVwA führt das Mitglied des SvB, aus dessen Geschäftsbereich die konkrete Aufgabe übertragen ist, § 8 a IV A Z G . Die Dienstaufsicht für das LVwA obliegt dem Senator für Inneres. 8 Zum Bereich der Hauptverwaltung zählen neben den in § 2 II erwähnten Eigenbetrieben nach Art. 80 VvB auch die privatrechtlich organisierten Betriebe Berlins, soweit sie öffentliche Aufgaben wahr236

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nehmen. Zwar kommt ihnen kein Behördencharakter zu, da sie nicht hoheitlich tätig werden; dennoch sind die funktional der Hauptverwaltung zuzuordnen, wie beispielsweise die Berliner Kraft- und Licht Aktiengesellschaft (BEWAGV Gegenüber der Hauptverwaltung stellen die Bezirksverwaltungen die 9 allgemeine Unterstufe der Berliner Verwaltung dar. § 2 III A Z G betont, daß zu den Bezirksverwaltungen auch die ihnen nachgeordneten nichtrechtsfähigen Anstalten (z. B. Schulen, vgl. Art. 59, Rdn. 3) gehören. Rechtsfähige Personen des öffentlichen Rechts können den Bezirksämtern nicht nachgeordnet werden, und zwar weder durch Landesgesetz noch - da den Bezirken die Möglichkeit mangelt, selbständig Rechtsätze zu erlassen (vgl. unten Rdn. 12) - aufgrund eigener Einrichtung. Organe eines Verwaltungsbezirks sind die BVV, die von den Bürgern gewählt wird, und das BzA, das von der BVV bestellt wird. Das ist die im funktionalen Sinne eigentliche Verwaltungsbehörde des Bezirks (Art. 58 II); organisationsrechtlich ist aber auch die BVV eine Verwaltungsbehörde. Der Stadtstaatlichkeit Berlins gemäß gibt es keine kommunalen 10 Selbstverwaltungskörperschaften. Die kommunalen Angelegenheiten im Sinne der anderen Bundesländer werden in Berlin von Landes- oder Bezirksbehörden in Namen Berlins wahrgenommen. Eine Aufteilung derart, daß Landesbehörden grundsätzlich die staatlichen Angelgenheiten, die Bezirke grundsätzlich die kommunalen Angelegenheiten gemäß der Aufteilung in anderen Bundesländern wahrnehmen, besteht nicht. Wesentliches Kriterium für die Aufteilung von Verwaltungsaufgaben auf Landes- oder Bezirksbehörden ist gemäß Art. 51 I 1, daß die Hauptverwaltung nur die Angelegenheiten wahrnimmt, die wegen ihrer übergeordneten Bedeutung oder ihrer Eigenart einer einheitlichen Durchführung bedürfen. Dennoch schreibt Art. 50 II vor, daß die Bezirke an der Verwaltung nach den „Grundsätzen der Selbstverwaltung zu beteiligen" sind, und erkennt den Verwaltungsbezirken in Art. 4 auch eine Institutsgarantie (vgl. Art. 4, Rdn. 3) zu. Dabei war man sich bei der Verfassungsgebung durchaus darüber einig, daß „nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung" hier zu bedeuten hat, „nach den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung", in bewußter Abgrenzung zu einer allgemeinen „politischen Selbstverwaltung" in Form einer weitgehenden Beteiligung von Laien an der öffentlichen Verwaltung überhaupt (vgl. Landsberg/Goetz, S. 132). Unter diesen Umständen wirft die Ausfüllung der bezirklichen Selbstverwaltungsgarantie einige Probleme auf. Das Wesen der kommunalen Selbstverwaltung liegt in der Erfüllung 11 örtlicher Gemeinschaftsaufgaben im eigenen Namen unter eigener Ver237

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antwortung durch eigene gewählte Organe, mit denen sich die Bürgerschaft mittels eigenverantwortlicher Beschlußfassung sozusagen selbst verwaltet ( B V f G E 6, 104, 117). Die Entlastung der unmittelbaren Staatsverwaltung und die Eigenverantwortung bei Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben mittels unabhängiger Dezentralisation sind ihre Zweckbestimmung. Als Emanation der Selbstverwaltungsgarantie besitzt eine Gemeinde subjektive Rechte (Jesch, D Ö V 1960, 7 4 5 ) . Folgende Wesensmerkmale eignet die Gemeinde, die unter dem Schutz des Art. 2 8 II G G steht (vgl. B V f G E 8, 122, 134; 21, 117, 128), der auch ggf. von ihr beim B V f G gesucht werden kann (Art. 93 I Nr. 4 b G G ) : a) Die Universalität, das ist die umfassende Zuständigkeit für alle Aufgaben der örtlichen Verwaltung, b) das Recht auf eigenverantwortliche, weisungsfreie Verwaltung der örtlichen Angelegenheiten, wozu auch die Personal- und die Organisationshoheit rechnen, c) die Autonomie, welche die Befugnis zur Rechtsetzung in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beinhaltet, d) die Finanzhoheit als besonderes Mittel der Eigenverantwortlichkeit und der Eigengestaltung und e) die Beteiligung durch eine Gemeindevertretung der Bürgerschaft als Ausdruck des demokratischen Prinzips und der politischen Verwaltung. 12 Den Berliner Bezirken fehlt einmal die Rechtsfähigkeit. Wolff (Verwaltungsrecht II § 83 II a 2) bezeichnet die Berliner Bezirke als G e bietskörperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit; vgl. auch § 2 I B z V G . Die Organe eines Bezirks handeln immer im Namen Berlins. Den Bezirken steht auch keine Vermögenfähigkeit zu, vielmehr verwalten sie nur Teile des Vermögens des Stadtstaates Berlin (Machalet S. 5 5 ) ; sie bilden auch kein Sondervermögen. Ebensowenig steht den Bezirken das Recht zu, Satzungen oder andere Rechtsnormen in örtlichen Angelegenheiten zu erlassen. Gesetzte werden allein vom A v B , Rechtsverordnungen grundsätzlich vom SvB oder sonst von ermächtigten Landesbehörden erlassen; noch bestehende Ortssatzungen gelten als Landesgesetze ( § 3 1 1 A Z G ) oder als Landes-Rechtsverordnungen (§ 31 II A Z G ) fort, nicht etwa als Bezirksrecht. Auch eine Finanzhoheit ist den Bezirken nicht zuerkannt. Darunter ist das Recht einer eigenen Einnahme- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens zu verstehen. Hierzu rechnen Abgabenhoheit oder Besteuerungsrecht und Etatautonomie oder das Recht, einen eigenen Haushaltsplan aufzustellen und Art und Höhe der Ausgaben verbindlich zu beschließen. Die Abgaben238

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hoheit haben die Berliner Bezirke nicht; die E r h e b u n g der typischen G e m e i n d e s t e u e r n erfolgt durch Berliner Landesgesetz (z. B. G e w e r b e steuer). Eine Beteiligung an d e r E i n n a h m e n b e s c h a f f u n g besteht lediglich in d e r V e r e i n n a h m u n g von Verwaltungsgebühren und -entgelten (vgl. G e b B G ) , Verwarnungs- und Bußgeldern, Miet- und Pachtzinsen, Schadenersatzforderungen, Veräußerungserlösen u. ä. f ü r R e c h n u n g des L a n d e s Berlin. G e n a u s o wie über die E i n n a h m e n entscheiden über die Ausgaben das A v B durch das Haushaltsgesetz. Die Mitwirkung der Bezirke erschöpft sich darin, d a ß sie den bezirklichen Finanzbedarf ermitteln (Art. 56, § 4 I B Z V G ) , was als Unterlage f ü r den Haushaltsplan dient und dem A v B vorgelegt werden muß. D e r ermittelte Finanzbedarf wird gemäß § 30 II L H O d e m Senator f ü r Finanzen zur Festsetzung des Haushaltsplanentwurfs überreicht. D e n Bezirken steht also lediglich ein Etatvorschlagsrecht zu (Püttner, J R 1966, 82; zu den einzelnen F o r m e n der bezirklichen Mittelbewirtschaftung vgl. A r t . 73, R d n . 13). Eine weisungsfeie Verwaltung d e r örtlichen Angelegenheiten ist teilweise gegeben. Personalentscheidungen werden in aller Regel in eigener V e r a n t w o r t u n g getroffen; die Bezirke e r n e n n e n die L a n d e s b e a m t e n in ihrem Bereich (Art. 61 I 2). Dagegen ist die Verwaltungsorganisation auch f ü r die A u s f ü h r u n g bezirkseigener Angelegenheiten (Art. 51 II) durch Rechtsvorschriften o d e r Verwaltungsvorschriften des SvB geregelt. Eine Weisungsfreiheit in bezirklichen Angelegenheiten wird durch §§ 7, 9 ff A Z G angestrebt. D a n a c h sind die Bezirksverwaltungen bei d e r D u r c h f ü h r u n g bezirkseigener Angelegenheiten nur an Rechtsund Allgemeine Verwaltungsvorschriften des SvB gebunden, womit insoweit jedenfalls Einzelweisungen ausgeschlossen sind. A n der Verwaltung des Bezirks wirken die Bürger dadurch mit, daß sie in allgemeiner, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl eine B V V (Art. 54 I) wählen, die - nach A r t d e r Wahl einer Regierung durch ein Parlament - das B z A als die funktionale Verwaltung bestellt (Art. 53 II). Ü b e r die B V V kann die Bürgerschaft zu allen Fragen d e r Verwaltung und Gesetzgebung Stellung n e h m e n (Art. 52 I). Nach A r t eines Parlaments übt die B V V Kontrolle ü b e r die Bezirksverwaltung aus. Von den a u f g e f ü h r t e n fünf W e s e n s m e r k m a l e n der Selbstverwaltung 1 3 im Rechtssinne fehlen also die A u t o n o m i e vollständig, Finanzhoheit und Universalität praktisch ganz, und das Recht auf eigenverantwortliche, weisungsfreie Verwaltung einschließlich d e r Personal- und O r g a nisationshoheit sind nur teilweise v o r h a n d e n ; dagegen ist der G r u n d s a t z d e r Beteiligung einer Bürgervertretung als A u s d r u c k des d e m o k r a t i schen Prinzips und der politischen Verwaltung voll vorhanden. Die

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Beschränkungen und Einschränkungen der Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung für die Bezirke durch die Verfassungsbestimmungen selbst sind demnach recht weitgehend. Dennoch darf nicht verkannt werden, daß nach dem Vorstehenden durchaus ein R a u m für die Selbstverwaltung i. S. d. Art. 5 0 II den Bezirken verbleibt. Insbesondere bei der Personalbewirtschaftung, bei der Durchführung der Gesetze und Verordnungen, soweit es sich um bezirkseigene Angelegenheiten i. S. d. Art. 5 1 II, § 7 A Z G handelt, und bei der Konstituierung der bezirklichen Organe: B V V und B z A wirkt sich das Selbstverwaltungsrecht aus. D a n a c h kommt man nicht umhin, anzuerkennen, daß den Bezirken aus Art. 5 0 I I ein eigenes R e c h t , nämlich das Recht auf bezirkliche Selbstverwaltung, zukommt. 14

Damit ist die Frage aufgeworfen, o b die Bezirke ihr bezirkliches Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 5 0 II (einschl. des Rechts aus Art. 6 1 I 2) gegebenenfalls auch gerichtlich geltend machen könnten. D i e h. M . (Machalet S. 8 3 ; Kreutzer, Bezirksverwaltung S. 4 3 4 ; Breitfeld, S. 16, 6 1 ) verneint dies. G e g e n eine Klagebefugnis der Bezirke wird angeführt, daß einmal eine positive gesetzliche Regelung fehle, zum anderen aber, daß es sich bei der Klage eines bezirklichen Organs oder des Bezirks gegen den S v B oder ein Senatsmitglied um einen verwaltungsrechtlich unzulässigen In-Sich-Prozeß handele. D i e Behauptung, daß allein das Land Berlin rechtsfähig - und damit sowohl aktiv - als auch passivlegitimiert, also parteifähig in einem Prozeß fähig wäre, ist allerdings so falsch. D i e Möglichkeit eines In-Sich-Prozesses wird grundsätzlich anerkannt, wenn z. B . die beteiligten Einrichtungen der gleichen — rechtsfähigen — Körperschaft nicht-bindender einheitlicher Dienst- oder Fachaufsicht unterstehen und deshalb nicht zu übereinstimmender Auffassung gezwungen werden können ( B V w G E 14, 3 3 0 ; B a y V G H D Ö V 1 9 6 3 , 5 8 5 ) . Außerdem macht die V w G O die Parteifähigkeit nicht davon abhängig, ob eine rechtsfähige Person beteiligt ist; vielmehr kommt es nach § 6 1 Nr. 2 V w G O darauf an, ob die (auch nicht-rechtsfähige) Person ein eigenes R e c h t geltend macht. E s kann nun nicht geleugnet werden, daß den Verwaltungsbezirken in Art. 5 0 II wie in Art. 51—61 und in Art. 4 eigene verfassungskräftige R e c h t e eingeräumt sind. E i n e Parteifähigkeit für einen V e r waltungsprozeß des Bezirks ist demnach nach § 6 1 Nr. 2 V w G O gegeben. Dafür, daß die Bezirke die Wahrung ihrer verfassungsmäßigen R e c h t e auch gerichtlich müssen durchsetzen können, spricht auch, daß nicht angenommen werden kann, daß die V v B die Garantie der Selbstverwaltung der Bezirke allein in die Hand des SvB legen wollte. Insbesondere Verfassungsbestimmungen sind so auszulegen, daß ihnen eine höchstmögliche Wirkung zukommt. Püttners ( D Ö V 1 9 6 6 , 8 2 )

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Aussage, daß Behörden, die mit selbständigen Rechten, insbesondere Selbstverwaltungsrechten, ausgestattet sind, auch berechtigt sein müssen, „ihren Selbständigkeitsbereich vor Gericht zu verteidigen", muß schon für die geltende Rechtslage zugestimmt werden. Somit können z. B. Aufsichtsmaßnahmen in bezirkseigenen Angelegenheiten (unten Rdn. 21) und nach Beanstandungen gem. §§ 18 (vgl. Art. 56, Rdn. 8) und 39 IV BzVG (vgl. Art. 58, Rdn. 15) verwaltungsgerichtlich angefochten werden; vgl. weiterhin Art. 56, Rdn. 11; Art. 57, Rdn. 7; Art. 58, Rdn. 4. Statt eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung zuzulassen, ist disku- 1 5 tiert worden, eine innerverwaltungsmäßige Schlichtungsstelle für Probleme der bezirklichen Selbstverwaltung einzurichten. Eine solche unabhängige Schlichtungsstelle hat nach dem Stadtverwaltungsgesetz von 1920 und nach Art. 23 VVGB bestanden. Die Einführung einer solchen Einrichtung ist bei der Schaffung des A Z G abgelehnt worden mit der Begründung, daß „Bezirksaufsicht nicht im Wege politischen Kompromisses gehandhabt werden" dürfe (vgl. Kreutzer, Verwaltungsreform, S. 346). Für einen Teilbereich der Verwaltung besteht allerdings eine Schlichtungsstelle. Nach den Grundsätzen über die Schlichtung von vermögensrechtlichen Streitigkeiten innerhalb der Berliner Verwaltung vom 11. Jan. 1972 (ABl. 1972, 422) werden Streitfälle in vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch zwischen Bezirks- und Landesbehörden unter Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens beim Senator für Finanzen entschieden. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Haupt- und Bezirksverwal- 1 6 tung erfolgt auf der Grundlage des Art. 5 1 1 und II, vor allem aber durch das A Z G . Im Hinblick auf die Ermächtigung des Art. 51 II 2, den Bezirken an sich der Hauptverwaltung vorbehaltene Aufgaben zu übertragen, findet eine Dreiteilung der Verwaltungsaufgaben statt. Die Aufgaben, welche die Hauptverwaltung wahrnimmt, ergeben sich aus der D V O - A Z G . Die Bezirke nehmen zum einen die übertragenen Vorbehaltsaufgaben wahr, die sich ebenfalls aus der D V O - A Z G ergeben. Zum anderen haben die Bezirke die bezirkseigenen Angelegenheiten auszuführen. Dies sind alle nicht in der D V O A Z G als Vorbehaltsaufgaben aufgeführten Angelegenheiten. Damit spricht eine Zuständigkeitsvermutung dafür, daß Verwaltungsangelegenheiten bezirkseigene sind, § 4 I 2 A Z G . Zu berücksichtigen ist allerdings § 1 III D V O - A Z G , wonach das für ein Sachgebiet zuständige Senatsmitglied Art und Inhalt der Vorbehaltsaufgaben näher bezeichnen kann; diese „authentische" Interpretation erfolgt durch Verwaltungsvorschrift. Da Zuständigkeiten nur durch oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt und verändert werden können, können diese Verwaltungs241

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Vorschriften nur klarstellenden Charakter haben, nicht jedoch Zuständigkeitsveränderungen herbeiführen. Ordnungsaufgaben, die einen wesentlichen Teil der Verwaltungsaufgaben ausmachen, sind immer Vorbehaltsaufgaben, Art. 51 I 1. Als Ordnungsbehörden sind die BzA den Mitgliedern des SvB gem. § 1 II A S O G nachgeordnet. Die Zuständigkeitsregelung für die Mitglieder des SvB und für die BzA sowie für die anderen nachgeordneten O r d nungsbehörden findet sich in der D V O - P o l Z G , die gemäß § 50 II Nr. 2 A S O G in Kraft ist. Werden durch Bundesrecht, das nach Berlin übernommen worden ist, der Berliner Verwaltung neue Aufgaben zugewiesen, so bedarf es in der Regel einer besonderen Bestimmung, ob diese Aufgaben als bezirkseigene oder als Vorbehaltsaufgaben anzusehen sind. Sofern das Bundesrecht keine Bestimmung trifft, kann - in der Regel aufgrund bundesrechtlicher Ermächtigung (vgl. allerdings Art. 1, Rdn. 43) - der Berliner Gesetzgeber im Wege eines Ausführungsgesetzes die Zuständigkeit im Wege der Anpassung bestimmen. Solange dies nicht geschieht, greift subsidiär § 5 A Z G ein. Ist auch danach die Zuständigkeit nicht zu bestimmen, so ist die Aufgabe gem. §§ 5 II, 4 I 3 BzVG als bezirkseigene zu behandeln; handelt es sich allerdings um eine Ordnungsangelegenheit, ist sie als Vorbehaltsaufgabe einzustufen, §§ 5 II, 4 II BzVG, 1 II A S O G . Z u r Bundesaufsicht bei der A u s f ü h r u n g von Bundesgesetzen in Berlin vgl. Art. 1 Rdn. 55 ff; zur Verwaltung durch bundeseigene Behörden in Berlin vgl. Art. 50, Rdn. 24 ff. Nach Art. 5 1 1 1 und IV sind die Behörden verpflichtet, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften des SvB zu beachten. Soweit die Bezirke bezirkseigene Angelegenheiten durchführen, sind sie allein an Rechtsvorschriften und an die allgemeinen Verwaltungsvorschriften des SvB gebunden, § 7 I A Z G , Art. 51 II 2. Die Bindung der Bezirke an Verwaltungsvorschriften des SvB schränkt die politische Selbstverwaltung der Bezirke ein. Verwaltungsvorschriften bilden ein Steuerungsmittel der Zentrale gegenüber der ausführenden Behörde und gestatten, den Ablauf des Verwaltungsgeschehens bis in Einzelheiten hinein zu determinieren (Kreutzer, Bezirksverwaltung, S. 432). Das Bedürfnis nach Koordnierung in einem so großen Gemeinwesen wie der Zweimillionenstadt Berlin ist durchaus anzuerkennen; zugleich sind aber damit die Berliner Bezirke der G e f a h r ausgesetzt, daß der Grundsatz der bezirklichen Selbstverwaltung auf dem Umweg über den Erlaß von Verwaltungsvorschriften ausgehöhlt wird. D i e Regelung in §§ 6 f A Z G sollte nach Auffassung des Gesetzgebers dazu beitragen, die Bezirksverwaltung von jeder nicht zwingend gebote-

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nen Einschränkung und Gängelung freizustellen und die Einwirkung der Hauptverwaltung auf die Erledigung der bezirkseigenen Angelegenheiten auf das unabdingbare Minimum herabzumindern. Ob dies durch die Regelung im A Z G garantiert ist, erscheint fraglich (vgl. auch Machalet S. 77 ff). Immerhin wird klargestellt, daß die Verwaltungsvorschriften, wie Grundsätze, Richtlinien, allgemeine Anweisungen, nur der SvB im Kollegium erlassen darf, wenn es um die Durchführung bezirkseigener Regelungen geht. Damit soll die bezirkliche Selbstverwaltung von den Ressortwünschen einzelner Mitglieder des SvB auf Bindung der Bezirke freigestellt werden (vgl. Kreutzer, Bezirksverwaltung, S. 432). Im Bereich der Vorbehaltsaufgaben kann das zuständige Senatsmitglied allein solche Verwaltungsvorschriften erlassen. Soweit es um Verwaltungsvorschriften geht, die zur Ausführung von Gesetzen erlassen werden - nach § 6 I A Z G als Ausführungsvorschriften definiert - , kann ein einzelnes Senatsmitglied solche nur erlassen, soweit es in einem Gesetz hierzu besonders ermächtigt ist. Zu beachten ist § 6 IV A Z G , wonach Verwaltungsvorschriften maximal auf 10 Jahre gelten. Sie treten danach automatisch außer Kraft. Hierin liegt für die zuständigen Organe ein Zwang zur periodischen Uberprüfung der Verwaltungsvorschriften. In der Praxis wirkt sich dies aber kaum aus. Selbst wenn im Einzelfall Verwaltungsvorschriften nicht vor ihrem automatischen Außerkrafttreten neu erlassen werden, sondern, wie z. B. bei der G G O I, einige Zeit lang ein „verwaltungsvorschriftenfreier" Zustand existiert, besteht ein Zwang zur Weiterbeachtung solcher Vorschriften. Dies wird aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung hergeleitet. Die Bezirke unterliegen bei der Erledigung ihrer Verwaltungs- 2 0 geschäfte einer Aufsicht. Inhalt und Art dieser Aufsicht unterscheiden sich danach, ob die Bezirke bezirkseigene oder übertragene Vorbehaltsaufgaben durchführen. Nach § 8 A Z G steht dem zuständigen Mitglied des SvB die Fachaufsicht über die Bezirksverwaltung bei der Durchführung übertragener Vorbehaltsaufgaben zu. Diese erstreckt sich auf die recht- und ordnungsmäßige Erledigung der Aufgaben und auch die zweckentsprechende Handhabung des Ermessens. In Ausübung dieser Fachaufsicht können die zuständigen Mitglieder des SvB Auskünfte, Berichte, die Vorlage von Akten und sonstigen Unterlagen fordern und Prüfungen anordnen (Informationsrecht) sowie auch Einzelweisungen an die Bezirksverwaltung erteilen (Weisungsrecht). Sie können schließlich auch eine Angelegenheit an sich ziehen, wenn eine erteilte Einzelweisung nicht befolgt wird (Eintrittsrecht). Die Aufsicht über die Bezirke bei der Durchführung bezirkseigener 21 Angelegenheiten (Bezirksaufsicht) ist der Kommunalaufsicht nach243

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Abschnitt VI: Die Verwaltung

gebildet. Bei der Durchführung bezirkseigener Angelegenheiten sind die Bezirke nur an Rechts- und allgemeine Verwaltungsvorschriften des SvB gebunden. Gemäß § 7 II A Z G können zur Erfüllung ihrer Aufgabe die zuständigen Mitglieder des SvB von den Bezirksverwaltungen Auskünfte und Berichte fordern. Sollte dies zur Ausübung der Aufsicht über die Bezirke nicht genügen, sind in §§ 9 - 1 3 die eigentlichen Aufsichtsrechte vorgesehen. Diese Maßnahmen der Bezirksaufsicht werden in den Fällen der §§ 1 1 - 1 3 vom SvB, im übrigen vom Senator für Inneres als Aufsichtsbehörde ausgeübt. Die Bezirksaufsicht hat nach § 9 II A Z G die verfassungsmäßig gewährleistete Mitwirkung der Bezirke an der Verwaltung zu fördern und zu schützen; sie hat die Rechtmäßigkeit und den geordneten Gang der Verwaltung sicherzustellen. Nach § 9 IV A Z G ist der geordnete Gang der Verwaltung nicht mehr gewahrt, wenn eine Bezirksverwaltung die ihr obliegenden Aufgaben nicht erfüllt oder Verwaltungsvorschriften beharrlich zuwiderhandelt. Im einzelnen steht dem Aufsichtsorgan nach § 1 0 A Z G ein Informationsrecht zu. Gemäß § 11 kann der SvB Beschlüsse und Anordnungen bezirklicher Organe aufheben und verlangen, daß Maßnahmen, die aufgrund derartiger Beschlüsse und Anordnungen getroffen sind, rückgängig gemacht werden; bereits entstandene Rechte Dritter bleiben davon jedoch unberührt. Greift auch dieses Mittel der Aufsicht nicht, kann der SvB Anweisung in einem einzelnen Falle erteilen. Weigert sich das Bezirksorgan weiterhin, steht dem Senat das Ersatzbeschlußfassungsrecht gemäß § 13 A Z G zu. Die Bezirksaufsicht ist somit Rechtsaufsicht mit der Besonderheit, daß die bezirkliche Ermessensfreiheit nur insoweit gewährleistet bleibt, als sie nicht durch allgemeine Verwaltungsvorschriften bereits eingeschränkt ist. Damit ist die Bezirksaufsicht schärfer als die Kommunalaufsicht, da auch allgemeine Verwaltungsvorschriften zu Aufsichtsmaßnahmen führen können; andererseits ist das schärfste Mittel, nämlich die Bestimmung eines Staatskommissars, nicht vorgesehen. D i e Bezirksaufsicht beschränkt sich nicht auf Maßnahmen gegen das BzA, sondern könnte auch gegen Maßnahmen der B V V gerichtet sein. So ist theoretisch der Fall denkbar, daß der SvB gegen einen Wahlbeschluß der B V V mit den Mitteln der Bezirksaufsicht vorgeht, weil z. B. das neugewählte Bezirksamtsmitglied nach § 9 LBG oder § 1 III B z A M G nicht ernannt werden darf. Andererseits kann nicht im Wege der Bezirksaufsicht ein BVV-Mitglied von seiner Funktion abberufen werden. Zum einen wird ein Bezirksverordneter unmittelbar von der Bevölkerung gewählt, und die Abberufbarkeit durch den SvB bedürfte somit schon einer verfassungsrechtlichen Regelung. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß 244

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man sich bei Schaffung des A Z G darüber einig war, daß ein Auflösungsrecht des SvB gegenüber einer BVV wegen der Koppelung der Wahlperioden von AvB und BVV nach Art. 54 I, 55 II ausgeschlossen sein muß (Machalet S. 81). Entsprechend den Maßnahmen der Kommunalaufsicht gegenüber den Gemeinden sind die Maßnahmen der Bezirksaufsicht gegenüber den Bezirken in bezirkseigenen Angelegenheiten als Verwaltungsakte zu qualifizieren, die der verwaltungsgerichtlichen Anfechtung unterliegen (vgl. oben Rdn. 14). Bei der Aufhebung eines Wahlbeschlusses der BVV durch den SvB (verbunden mit der Nicht-Ernennung des Gewählten) stehen sowohl dem Gewählten wie auch der BVV - vertreten durch ihren Vorsteher (vgl. Art. 56, Rdn. 3) das Klagerecht zu (vgl. O V G Münster O V G E 19, 62 und D Ö V 1958, 624; Kottenberg/Rehm, GemO NW § 4 9 , Erl. IV 4). Neben der Bezirksaufsicht in bezirkseigenen Angelegenheiten und 2 2 der Fachaufsicht in übertragenen Vorbehaltungsangelegenheiten unterstehen die Bezirke auch einer Dienstauf sieht. Diese erstreckt sich auf die Einrichtung und innere Ordnung der Verwaltung sowie auf die allgemeine Geschäftsführung und die Personalangelegenheiten einschließlich der Disziplinargewalt (Machalet S. 85). Nach Art. 59 II 1 ist der RB Dienstbehörde für die BzBgm. und in Verbindung mit § 2 I BzAMG oberste Dienstbehörde für alle anderen Bezirksamtsmitglieder. Für alle anderen Beamten der Bezirksverwaltung sind die zuständigen Mitglieder des Senats oberste Dienstbehörde. Die Dienstaufsicht umfaßt nur das Dienstverhältnis, d. h., den Dienstablauf in persönlicher, beamtenrechtlicher und arbeitsrechtlicher sowie in geschäftsordnungsmäßiger Beziehung und läßt die sachliche Tätigkeit des zu Beaufsichtigenden unberührt (Machalet S. 86). Sachliche Weisungen können somit dem BzBgm. und dem BzStR aufgrund der Dienstaufsicht wegen Art. 50 II nicht erteilt werden (so auch Breitfeld. S. 56f). Die Aufsicht über die Organe und Behörden der mittelbaren Staats- 2 3 Verwaltung ist in § 28 A Z G geregelt. Diese hier Staatsaufsicht genannte Aufsicht hat die Rechtmäßigkeit und den geordneten Gang der Verwaltung sicher zu stellen (§ 28 III A Z G ) , sie ist also inhaltlich der Bezirksaufsicht gleich und grundsätzlich eine Rechtsaufsicht. Die Aufsicht wird von dem zuständigen Mitglied des Senats geführt, dem die Aufsichtsmittel der §§ 10-13 A Z G zustehen. Über die Mittel der Bezirksaufsicht hinaus steht hier der Aufsichtsbehörde gemäß § 28 V A Z G die Möglichkeit zu, einen Staatskommissar zu bestellen. Eine Fachaufsicht steht dem zuständigen Senatsmitglied dann zu, wenn dies durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgesehen ist, § 28 VII A Z G . 245

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Abschnitt VI: Die V e r w a l t u n g

Die Aufsicht über die Eigenbetriebe Berlins (vgl. Art. 80) ist im EigG geregelt. Sie entspricht der Staatsaufsicht gegenüber den juristischen Personen des öffentlichen Rechts Berlins. Nach § 4 II EigG kann das zuständige Senatsmitglied Auskünfte und Berichte in allen Angelegenheiten verlangen. Es kann auch Weisungen im Einzelfall erteilen (§ 4 III EigG); haben diese finanzielle Auswirkungen, ist stets das Einvernehmen mit dem Senator für Finanzen herzustellen. Werden die Weisungen nicht befolgt, kann vom SvB auf Antrag des zuständigen Senatsmitglieds ein Kommissar bestellt werden (§ 4 III 2 EigG). Dem zuständigen Senatsmitglied steht gegenüber Beschlüssen des Verwaltungsrats (§§ 6 ff EigG) ein Beanstandungsrecht zu (§ 8 EigG); über eine Beanstandung entscheidet der SvB anstelle des Verwaltungsrats (§ 8 IV EigG). Diese Entscheidung ist nicht gerichtlich überprüfbar. Das Letztentscheidungsrecht des SvB gewährleistet die parlamentarische Kontrolle auch der Eigenbetriebe über die Regierungsverantwortung. Damit entfallen auch verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. Obermayer, Mitbestimmung in der Kommunalverwaltung, 1973, S. 50,54; zur Bremer Regelung LG Bremen NJW 1976, 333) unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips, weil der Verwaltungsrat, höchstes Entscheidungsgremium eines Eigenbetriebes, paritätisch mit Vertretern des SvB einerseits und der Arbeitnehmer dieser Eigenbetriebe andererseits besetzt ist. (So auch OLG Bremen NJW 1977, 1153, 1156 m.w.N.; Art. 17, Rdn. 1.) 24 Auch in Berlin können Bundesgesetze in bundeseigener Verwaltung gem. Art. 87 GG ausgeführt werden. So können z.B. das Bundespatentamt, die BfA, das Bundeskartellamt, das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen in Berlin auch gegenüber Berlinern tätig werden. Die Bediensteten dieser Behörden sind Beamte oder Arbeitnehmer des Bundes, auch wenn diese Bundesoberbehörden ihren Sitz in Berlin haben. Für einige Bereiche sind allerdings Sonderregelungen zu beachten. 25 Im Bereich der Postverwaltung, die durch die Deutsche Bundespost, eine Sonderbehörde des Bundes, erledigt wird, existiert in Berlin die LPD Berlin mit ihren nachgeordneten Dienststellen. Gemäß dem RegG sind auf die Bediensteten dieser Stellen grundsätzlich die Vorschriften sinngemäß anzuwenden, die für die Angehörigen der entsprechenden Bundesverwaltung gelten. So können Beamte bei Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisse von einer Stelle der Deutschen Bundespost an eine Stelle der LPD Berlin versetzt werden oder umgekehrt. Der zuständige Bundesminister ist berechtigt, nach Anhörung des zuständigen Berliner Senators, Weisungen auch in den betreffenden Berliner Verwaltungen zu erteilen, § 4 RegG. Die Zuständigkeit des Bundespersonalausschusses und der Disziplinarorgane des Bundes ist 246

Grundsätze (Neumann)

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für die Beamten und Angestellten der Berliner Verwaltungen gegeben. Allerdings werden die Gehälter der Dienstnehmer der LPD Berlin aus einem speziellen Haushaltstitel dieser Behörden des Berliner Haushalts gezahlt; nur die Beamten im Ruhestand sind gem. § 6 RegG vom Bund zu versorgen. Bei der personellen Besetzung steht dem zuständigen Bundesminister ein Mitwirkungsrecht zu: so wird der Präsident der LPD Berlin vom SvB auf Vorschlag des für das Post- und Fernmeldewesen zuständigen Bundesministers ernannt. Einnahmen und Ausgaben des vom Berliner SvB verwalteten Post- und Fernmeldewesens sind gem. § 10 des 3. OLG mit Wirkung vom 1. 4. 1951 auf den Bund übergegangen. Das PostVG ist nach Berlin übernommen worden; das dem Post- und Fernmeldewesen gewidmete Vermögen in Berlin ist als Sondervermögen von dem übrigen Vermögen des Landes getrennt zu halten, § 3 III PostVG. Für Verbindlichkeiten der Post in Berlin haftet auch die Bundespost; dagegen haften beide Sondervermögen nicht für sonstige Verbindlichkeiten des Bundes oder des Landes Berlin. Für die Finanzverwaltung existiert in Berlin eine ähnliche Regelung 2 6 wie für die Postverwaltung. Dieser Bereich wird von der OFD Berlin und ihren nachgeordneten Dienststellen wahrgenommen. Auch insoweit findet das RegG Anwendung. Auch hier werden die Gehälter der Dienstnehmer der OFD aus einem speziellen Haushaltstitel des Berliner Haushalts gezahlt. Der Präsident der OFD Berlin ist vom SvB im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister zu ernennen ¡insoweit besteht allerdings kein wesentlicher Unterschied zu den OFD-Präsidenten in den anderen Bundesländern, die als Leiter der Mittelbehörden gem. § 9 II FVG im Einvernehmen zwischen BReg. und Landesregierung zu ernennen sind. Der OFD-Präsident ist stets sowohl Bundes- als auch Landesbeamter. Zur OFD Berlin gehören die Zoll- und Verbrauchssteuerverwaltung, der Devisenüberwachungsdienst, die für die Verwaltung des Bundesvermögens in Berlin zuständige Sondervermögens- und Bauverwaltung und die Dienststelle der Monopolverwaltung für Branntwein. Wenn die Berliner Behörden solche Abgaben verwalten, die in anderen Bundesländern von Bundesfinanzbehörden verwaltet werden, ferner das Bundesvermögen verwalten und sonst diejenigen Aufgaben erfüllen, die sonst von Bundesfinanzbehörden wahrgenommen werden, unterliegen diese Berliner Stellen nach § 7 II des 3. ÜLG den unmittelbaren Weisungen des Bundesfinanzministers. Hinzuweisen ist noch auf das Verwaltungsabkommen vom 31. 5./24. 7. 1954 zwischen Bund und Land Berlin über die Berliner Zollverwaltung und auf die Verwaltungsvereinbarung vom 12. 1./28. 2. 1963 über die Vermögens- und Bauverwaltung (vgl. auch Czermak, Die Stellung Berlins in der Rechts-, Gerichts247

Art. 50, 51

Abschnitt V I : D i e Verwaltung

und Finanzordnung der Bundesrepublik Deutschland, Diss. B o n n 1 9 6 7 , S. 153, 1 5 7 ) . 27 Für die Verwaltung der in Berlin gelegenen Wasserstraßen ergibt sich ein Problem daraus, daß aufgrund alliierten Vorbehalts Art. 8 9 und insoweit Art. 1 3 4 G G nicht in Berlin Anwendung finden. D e m e n t sprechend ist das B W S t r V e r m G nicht nach Berlin übernommen worden; ebensowenig das R V e r m G , das Ausführungsgesetz zu Art. 1 3 4 G G . D a s B W S t r G ist gemäß der Berlinklausel in § 5 8 B W S t r G nach Berlin übernommen worden, findet aber aufgrund anderer alliierter V o r b e halte praktisch keine Anwendung. Die A K B hat nämlich durch B K / O ( 6 0 ) 4 vom 19. 8. 1 9 6 0 und durch weitere B K / O ( 6 2 ) 8 vom 2 5 . 9. 1 9 6 2 an dem vom Berliner A v B am 2 3 . 2. 1 9 6 0 geschaffenen B l n W G entscheidende Änderungen vorgenommen mit der Folge, daß das B l n W G für alle in Berlin gelegenen Wasserstraßen gilt; nach Anordnung der Alliierten gibt es in Berlin keine „Bundeswasserstraßen", sondern nur „ehemalige Reichswasserstraßen". Daraufhin hat auch der Bundesgesetzgeber in der Anlage zum B W S t r G die in Berlin gelegenen ehemaligen Reichswasserstraßen nicht in das Bundeswasserstraßenverzeichnis aufgenommen. Diese Rechtslage hat zu Problemen geführt, als der Senator für B a u und Wohnungswesen eine Rechtsverordnung erlassen hat, aufgrund deren das Fahren mit Motorbooten auf der Havel beschränkt worden ist. Die Rechtsverordnung stützte sich auf § 2 8 I I I B l n W G . D e r V o r behalt in § 2 8 I V B l n W G , daß § 2 8 III nicht für Bundeswasserstraßen gilt, ist durch B K / O suspendiert. Allerdings könnte man annehmen, daß der Berliner Landesgesetzgeber das B l n W G insoweit nicht zur Anwendung bringen lassen wollte, - ohne Berücksichtigung der alliierten Wünsche - als die als ehemaligen Reichswasserstraßen bezeichneten Bundeswasserstraßen betroffen sind. In einem Rechtsgutachten für den A D A C haben Finkelnburg und Scholz dies vertreten und daraus geschlossen, daß der Senator zum E r l a ß einer solchen Verordnung nicht ermächtigt sei. Nach ihrer Ansicht besteht also für die „Berliner B u n deswasserstraßen" ein gesetzloser Zustand: D a s B l n W G gilt nach A b sicht des Berliner Gesetzgebers nicht, die Bundesgesetze gelten auf alliierten Einspruch hin ebenfalls nicht. Nach Finkelnburg/Scholz wäre der Berliner Landesgesetzgeber auch nicht befugt, diese L ü c k e zu schließen. D a s verstieße gegen den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens; eine Lückenfüllung des Berliner Landesgesetzgebers verstieße zudem gegen bundesstaatliche Pflichten des Landes Berlin, weil Berlin ein Land des Bundes ist. U m diese Lücke zu schließen, sehen sie als einzige Möglichkeit, eine besatzungsrechtliche Legitimation anzunehmen. 248

Grundsätze (Neumann)

Art. 50, 51

Gegen diese Argumentation ist schon einmal einzuwenden, daß der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens für Berlin auch dem Bund gegenüber nur insoweit Gültigkeit beanspruchen kann, als dadurch in Berlin nicht ein gesetzloser Zustand bestünde oder geschaffen würde. Umgekehrt ist sogar wegen der alliierten Vorbehalte der Bund verpflichtet, Berlin insoweit eine Gesetzgebungskompetenz zu überlassen (vgl. Art. 1, Rdn. 43). Darüberhinaus können die Anordnungen der AKB zum BlnWG von 1960 und 1962 aber durchaus als besatzungsrechtliche Legitimation an die Berliner Landesorgane gewertet werden, Regelungen für die ehemaligen Reichswasserstraßen zu schaffen. Durch die Streichung der Ausnahmen in § 1 I 1 BlnWG bezüglich der Bundeswasserstraßen haben die Alliierten die Geltung des BlnWG auf alle Gewässer im Bereich Berlins erstreckt. Damit gilt das BlnWG auch für die „Berliner Bundeswasserstraßen". Dies wird auch durch die BK/O von 1962 bestätigt, wenn dort die Beschränkung der Ermächtigung nach § 28 III BlnWG auf diejenigen Wasserstraßen, die nicht „Bundeswasserstraßen" sind, gerade für unanwendbar erklärt wird. Eine solche Problematik gibt es bei den in Berlin gelegenen Bundes- 2 8 Straßen nicht. Die Alliierten haben keine Vorbehalte gegen die Geltung von Art. 90 GG in Berlin erhoben. Für die Berliner Straßen gelten somit das BFStrG sowie das BFStrVermG. Auf dem Gebiet des Währungsrechts ist zunächst von der Geltung des 2 9 Art. 88 GG sowie von der Geltung der gem. Art. 73 Nr. 4 GG vom Bund erlassenen und nach Berlin übernommenen Gesetze, die Ordnung des Geld- und Währungswesens betreffend, auszugehen; haben doch die Alliierten die Übernahme der Gesetzgebung des Bundes auf diesem Bereich ausdrücklich zugesichert (vgl. Art. 1 Rdn. 20). Insbesondere ist das BBkG vom 26. 7. 1957 aufgrund der Berlinklausel des § 45 BBkG am 17.9.1957 nachBerlin übernommen worden (GVB1.S. 1273). Die Westsektoren Berlins gehören zum Währungsgebiet der DM-West. Wegen des alliierten Vorbehalts ergibt sich dies allerdings nicht aufgrund von Bundesgesetzen unmittelbar. Durch die Währungsverordnung der Westalliierten (VOB1. Berlin 1948, S. 363) ist die DM der damaligen Bank Deutscher Länder als Zahlungsmittel für West-Berlin eingeführt worden. Allerdings war die Währung des sowjetischen Sektors von Berlin - die Ost-Mark - weiterhin als gesetzliches Zahlungsmittel in Konkurrenz zur DM-West zugelassen worden. Diese Konkurrenz ist am 20. März 1949 durch die Währungsergänzungsverordnung - 3. VO der drei westlichen Stadtkommandanten, VOB1. 1949, S. 86 - beseitigt worden. Die bis dahin bestehenden Wechselstuben für die beiden deutschen Währungen hatten bis zu diesem Zeitpunkt quasi einen amtlichen Charakter. Die Wechselstuben sind aber über diesen Zeitpunkt hinaus tat249

Art. 50, 51

A b s c h n i t t VI: D i e V e r w a l t u n g

sächlich aufrecht erhalten worden. Gemäß Nr. 1 lit. b) Währungsergänzungsverordnung bestand ihr Wechselstubenkurs als amtlicher Umrechnungskurs für DM-Ost zu DM-West auch noch, nachdem die DM-West für West-Berlin als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt worden war. Dieser Zustand ist spätestens am 31. 12. 1967 besetigit worden. Zu diesem Zeitpunkt ist nämlich das Berliner Landesgesetz über den Ostmarkumtausch in der Fassung vom 1. 7. 1954 aufgehoben worden. Aufgrund des Ostmarkumtauschgesetzes war eine Erlaubnispflicht für den Betrieb von Wechselstuben eingeführt, § 1 I, und eine Rechtsgrundlage für die „Findung" des Umtauschkurses geschaffen worden. Der Wechselstubenkurs - die Wechselstuben bestehen auch heute noch — hat dementsprechend heute keinen amtlichen oder halbamtlichen Charakter mehr (Neumann Rpfl. 1976,117,119; a. A . L G Berlin Rpfl. 76, 144 mit Berufung auf KG Rpfl. 1962, 172 ohne Berücksichtigung der Rechtslage). Diese spezielle West-Berliner Währungssituation hat praktische Auswirkungen noch für die Vollstreckung von DDR-Titeln in West-Berlin (vgl. Neumann Rpfl. 76, 117): nach richtiger Auffassung sind solche Titel, die auf DM-Ost bzw. auf Mark der D D R lauten, im Verhältnis 1 : 1 in DM-West beizutreiben (so jetzt auch richtig L G Berlin Rpfl. 76, 144 für Unterhaltsforderungen; a. A. noch LG Mannheim Rpfl. 76, 370 mit abl. Anm. Neumann). Für Fremdwährungsschulden ist zu beachten, daß solche in Berlin nicht dem Genehmigungsvorbehalt der Landeszentralbank unterliegen, wenn die DDR-Währung vereinbart wird (zu besonderen Befugnissen der Deutschen Bundesbank in Berlin vgl. schließlich von Spindler/ Becker/Starke, Die Deutsche Bundesbank, 4. Aufl. 1973, § 45, Anm. 2). Die Landeszentralbank Berlin ist keine Landesbehörde (mehr), sondern eine Bundesoberbehörde gemäß § 29 12 BBkG. 30 Das Verfahren in der Berliner Verwaltung ist durch das Gesetz vom 8.12.1976 (VwVerfG; GVB1. S. 2735) neu geregelt worden. Danach gilt das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz — VwVfG — in der jeweils geltenden Fassung für das Verfahren der Berliner Verwaltung als Berliner Landesgesetz, sofern nicht in §§ 2 ff VwVerfG etwas anderes bestimmt ist. Damit ist das BlnVwVerfG vom 2. Oktober 1958 ab 1.1. 1977 außer Kraft getreten. Gemäß § 96 VwVfG sind noch aus der Zeit davor anhängige Verwaltungsverfahren nach den neuen Vorschriften zu Ende zu führen. Mit der Aufhebung des BlnVwVerfG 1958 ist auch die Rechtsgrundlage für die D V O - VwVerfG vom 9. 10. 1964, die auf § 20 BlnVwVerfG 1958 gestützt war, entfallen. Somit muß eine neue D V O aufgrund § 4 VwVerfG 1976 erlassen werden, die ein förmliches Verwaltungsverfahren vorsieht. 250

Rat der Bürgermeister (Neumann)

Art. 52

Aus diesem Bereich ist eine Besonderheit anzumerken: Soweit § 3 Satz 2 VwVerfG 1976 vorsieht, daß ein VA im Bildungsbereich nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist, verstößt diese Bestimmung - die für die Berliner Verwaltung nicht neu ist - gegen § 58 I VwGO. Bei unterlassener Rechtsmittelbelehrung unterliegen daher Priifungsentscheidungen einer einjährigen Anfechtungsfrist nach § 58 II VwGO. Das Widerspruchsverfahren nach § 68 ff VwGO ist in §§ 26, 27, 30 31 A Z G zuständigkeitsmäßig erfaßt worden. Danach erläßt den Widerspruchsbescheid gemäß § 73 VwGO, wenn sich der Widerspruch gegen einen VA der Bezirksverwaltung in bezirkseigenen Angelegenheiten richtet, das BzA, § 27 I lit. d A Z G . Richtet sich der Widerspruch gegen einen VA einer Landessonderbehörde, erläßt den Bescheid die nächsthöhere Behörde; richtet er sich gegen ein VA einer der Hauptverwaltung unterstellten nicht rechtsfähigen Anstalt, entscheidet das zuständige Mitglied des SvB. Richtet er sich gegen einen VA der Bezirksverwaltung in übertragenen Vorbehaltsaufgaben, entscheidet ebenfalls das zuständige Mitglied des SvB. Gegen Entscheidungen eines Mitglieds des SvB findet gemäß § 68 I 2 VwGO kein Widerspruchsverfahren statt. Verwaltungsakte, die in einem förmlichen Verfahren ergangen sind, unterliegen entgegen § 70 VwVfG dann einem Widerspruchsverfahren, wenn sie nicht von einem Mitglied des SvB erlassen worden sind, § 4 II VwVerfG 1976. Gegen Organe der mittelbaren Staatsverwaltung ist der Widerspruch nach den allgemeinen Vorschriften der VwGO zulässig. Den Widerspruchsbescheid erläßt in Angelegenheiten, die der Fachaufsicht unterliegen, das zuständige Senatsmitglied, ansonsten das Organ der Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts selbst, §30 AZG.

Artikel 5 2 (1) Den Verwaltungen der Bezirke ist die Möglichkeit zu geben, zu den grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung Stellung zu nehmen. (2) Zu diesem Zweck finden regelmäßig mindestens einmal monatlich gemeinsame Besprechungen des Regierenden Bürgermeisters und des Bürgermeisters mit den Bezirksbürgermeistem oder den stellvertretenden Bezirksbürgermeistem als Vertreter des Bezirksamts statt (Rat der Bürgermeister). (3) Alles Nähere wird durch das Gesetz über die Verwaltung geregelt. 251

Art. 52

Abschnitt VI: D i e Verwaltung

Materialien

1.2. V V G B : Art. 21. 3. Ä n d e r u n g e n : -

Erläuterungen 1

Die Bezirksverwaltungen nehmen einmal zu den grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung dergestalt Stellung, daß sie sich dazu im Rat der Bürgermeister (RdB) äußern. Dies bestätigen §§ 3 B z V G , 14 ff A Z G . 2 Dem RdB gehören neben dem RB und dem Bgm. je ein Mitglied des BzA an, und zwar entweder der BzBgm. oder als sein Vertreter der stellvertretende BzBgm. Durch ein anderes Mitglied des BzA kann sich ein BzBgm. nicht vertreten lassen. Auch der RB und der Bgm. können sich nicht vertreten lassen. Allerdings können gemäß § 16 I A Z G alle Mitglieder des SvB, soweit sie nicht Mitglieder des RdB sind, mit beratender Stimme an seinen Sitzungen teilnehmen. Zur Teilnahme an den Beratungen kann gemäß § 16 II A Z G jedes Mitglied des SvB Beauftragte (ohne Stimmrecht) in die Sitzung des RdB entsenden. § 15 II A Z G betont, daß sich ein BzBgm. nur im Einzelfall durch einen stellvertretenden BzBgm. vertreten lassen kann; eine globale Vertretungsregelung ist ausgeschlossen. 3 Der RdB kann dem SvB Vorschläge für Rechts- und Verwaltungsvorschriften unterbreiten, die von Organen Berlins erlassen werden können und den Aufgabenbereich der Bezirksverwaltungen betreffen, § 14 II A Z G . Darüber hinaus kann der RdB zu allen grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung Berlins Stellung nehmen, hierzu ist ihm vom SvB Gelegehheit zu geben, Art. 52 I VvB. § 14 III A Z G betont, daß der RdB über alle Maßnahmen der Bezirksaufsicht nach § § 1 1 - 1 3 A Z G (also nicht über Maßnahmen nach §§ 8 und 10 A Z G ) zu unterrichten ist (zum weiteren Verfahren vgl. §§ 1 4 - 1 9 A Z G ) . Insbesondere gibt sich der RdB eine Geschäftsordnung, § 19 III A Z G (vgl. G O RdB vom 25. 2. 1965); diese bedarf keiner Genehmigung. 4 Inhaltlich soll die Konstituierung des RdB zu einer Stärkung der bezirklichen Position führen, indem die Bezirksverwaltungsspitze schon im Verlauf des Entscheidungsprozesses zu den Vorhaben der Landesspitze Stellung nehmen kann, insbesondere hier seine Bedenken und Vorschläge vorbringen. Durch dieses vorgezogene Verfahren besteht jedenfalls die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber über die Regierung die Stellungnahme derjenigen Stellen erfährt, die als Verwaltung mit den Kreisen der Bevölkerung am engsten in Berührung kommt. 252

Art. 53

Bezirksorgane (Neumann)

Die Stellungnahmen und Vorschläge des RdB binden den SvB nicht. Dennoch hat sich der RdB in der Praxis als ein nicht zu unterschätzendes Kooperationsinstrument für die beiden Verwaltungsstufen Berlins entwickelt. Artikel 5 3 In jedem Bezirk wird eine Bezirksverordnetenversammlung gewählt. Sie wählt die Mitglieder des Bezirksamts. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien

1. 2. V V G B : Art. 14 II, 16 II 3. Änderungen: 6. Ä n d G V v B vom 30. 1. 1958 (GVB1. 125) ändert Art. 4, 53 f, 57-60

Erläuterungen Im Jahre 1958 ist das Bezirksverwaltungsgesetz - BzVG - geschaf- 1 fen worden, das das Ausführungsgesetz zu dem neugeschaffenen Art. 53 S. 3 darstellt. Es geht zurück auf die Entwürfe DsAvB 2/1491 zu Art. 53 VvB und 2/1069 zum BzVG. Zu der alten Deputationsverfassung vgl. Art. 57, Rdn. 1. Die Regelung, daß ein Bezirk eine BVV und ein von dieser gewähltes 2 BzA erhält, wurde aus der VVGB unverändert übernommen; sie entspricht dem parlamentarischen Prinzip auf Landesebene mit AvB und SvB. Die BVV ist das beschließende Organ des Bezirks (vgl. weitergehend Erl. zu Art. 56); das BzA ist die funktionale Verwaltungsbehörde des Bezirks, Art. 58 II. Organisationsrechtlich sind beide Organe Verwaltungsbehörden. Seit dem 15. ÄndGVvB vom 24. 6. 1971 zu Art. 57 VvB, womit die Deputationen (vgl. dort) abgeschafft worden sind, sind BVV und BzA die zwei Organe des Bezirks. Die BVV ist unmittelbar von der Bezirksbevölkerung gewählt (vgl. Art. 54, 55), das BzA wird von der BVV gewählt. Die BVV wählt den BzBgm. und die BzStR in freier Entscheidung, sie ist nicht wie das AvB bei der Senatsbildung von einem Vorschlag des BzBgm. abhängig, allerdings von der Nomination einer Fraktion (vgl. Art. 58, Rdn. 4); im übrigen vgl. Art. 58; zur Organisation des BzA vgl. Art. 59 und für Abberufung von BzA-Mitgliedern vgl. Art. 60. Das zur Ausführung von Art. 53 S. 3 ergangene BzVG ist 1971 bei 3 Abschaffung der Deputationen neu gefaßt worden. 253

Art. 54

Abschnitt VI: Die Verwaltung

Artikel 5 4 (1) Die Bezirksverordnetenversammlung wird in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl zur gleichen Zeit wie das Abgeordnetenhaus von den Wahlberechtigten des Bezirks gewählt. (2) Die Bezirksverordnetenversammlung besteht aus 45 Mitgliedern. Materialien

1.2. V V G B : Art. 15 3. Änderungen: 6. Ä n d G V v B vom 30. 1. 1958 (GVB1. S. 125); 7. Ä n d G V v B vom 2 8 . 3 . 1958 (GVB1.S. 308).

Erläuterungen 1

Durch die ÄndGVvB vom 30. 1. und 28. 3. 1958 sind Abs. 1 geändert und Abs. 3 und 4 des Art. 54 ersatzlos aufgehoben worden. Diese Absätze lauteten: (1) D i e Bezirksverordnetenversammlung wird nach den gleichen Grundsätzen und zur gleichen Zeit wie das Abgeordnetenhaus von den Wahlberechtigten des Bezirks gewählt. (3) D i e Bezirksverordnetenversammlung tagt nach Bedarf, mindestens aber jeden zweiten Monat. (4) D i e Bezirksverordnetenversammlung gibt sich ihre Geschäftsordnung. D i e Artikel 28, 30 Abs. 2 bis 4, 31, 32, 34, 36 bis 38 und 39 Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß.

Die Regelungen der Abs. 3 und 4 a.F. sind in das neugeschaffene BzVG übernommen worden. 2 Für die Wahl der zwölf BVV gelten die gleichen allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze wie für die Wahl zum AvB (vgl. Art. 26, Rdn. 3 - 8). Bis zur ÄndVvB vom 28. 3. 1958 galt für die Wahl der BVV auch dasselbe Wahlsystem wie für die Wahl zum AvB, d. h. das reine Verhältniswahlrecht mit gebundenen Listen. Da durch die Wahlrechtsreform von 1958 für die Wahl zum AvB (vgl. Art. 26 Rdn. 1) das personalisierte Verhältniswahlrecht eingeführt wurde, während das System für die B W e n unverändert blieb, mußte diese Verfassungsvorschrift geändert werden. Die materiellen Regelungen der gestrichenen Vorschriften haben weitestgehend Eingang in §§ 6 - 8 BzVG gefunden. 3 Die VvB schreibt nur noch vor, daß das AvB und die 12 B W e n am gleichen Tag gewählt werden müssen. Darüber hinaus wird durch § 5 BzVG auch die genaue zeitliche Ubereinstimmung der vierjährigen Wahlperiode zwingend vorgeschrieben. Das hat zur Folge, daß die B W e n nach ihrer Wahl zu der konstituierenden Sitzung frühestens am Tage des ersten Zusammentritts des AvB zusammentreten dürfen. Das 254

Wahl der Bezirksverordnetenversammlung ( M a g e n )

Art. 54

gemeinsame Ende der Wahlperiode, sei es durch Zeitablauf, sei es durch vorzeitige Auflösung, ergibt sich aus Art. 55 II. Wahlberechtigt sind nur die Deutschen, die am Tage der Wahl in der 4 Wählerliste ihres Bezirks eingetragen sind. Zwar spricht Art. 54 I nur von den Wahlberechtigten des Bezirks, während Art. 26 III ausdrücklich darauf verweist, daß wahlberechtigt für das A v B alle Deutschen sind. Damit will die V v B jedoch nicht etwa den Kreis der Wahlberechtigten für die B V V e n auf Ausländer und Staatenlose erweitern, vielmehr sind die Wahlberechtigten für die B V V e n und das A v B identisch (vgl. auch § 1 L W G ) . Die Formulierung in Art. 5 4 I enthält lediglich eine räumliche Einschränkung der Wahlberechtigung. Das Wahlsystem für die B V V e n ist nicht in der V v B festgeschrieben, 5 sondern bleibt der Regelung des einfachen Gesetzgebers vorbehalten (vgl. § § 2 2 bis 25 L W G in der Neufassung vom 29. 6. 1977 - GVB1. S. 1 2 0 9 ) . Zur Aufstellung von Wahlvorschlägen sind sowohl politische Parteien 6 i. S. des Art. 2 1 G G als auch Wählergemeinschaften berechtigt. Wählergemeinschaften fallen, was ihre innere Organisation und ihren Status anbelangt, nicht unter das PartG, sondern unter das VereinsG. D e r wesentliche Unterschied zwischen einer Partei und einer Wählergemeinschaft liegt darin, daß die erstgenannte Organisation zum Ziel haben muß, im B T oder in einem Landtag vertreten zu sein. Organisationen, die sich nur an Kommunalwahlen beteiligen wollen, sogen. Rathausparteien, erfüllen nicht die Voraussetzungen einer politischen Partei i. S. d. § 2 PartG. Während für Parteien durch § 25 i. V. m. § 12 L W G n. F. zwingend vorgeschrieben ist, daß über die Aufstellung der Wahlvorschläge eine Versammlung der Mitglieder der Partei oder der von ihnen hierzu gewählten Vertreter geheim abstimmen muß, fehlt dieses Aufstellungserfordernis für Wählergemeinschaften. D i e Bezirkswahlvorschläge sind gebundene Listen, d. h. die einreichende Organisation entscheidet vor der B V V - W a h l über die Reihenfolge der Bewerber. Die Anzahl der Bewerber, die auf einer Liste stehen können, ist unbegrenzt. Entfallen bei einer Wahl auf eine Liste mehr Mandate als Bewerber auf ihr verzeichnet sind, bleiben die Sitze unbesetzt, wodurch sich die nach Art. 54 II vorgeschriebene gesetzliche Mitgliederzahl einer Bezirksverordnetenversammlung zwangsläufig verringert. Die Mindestzahl einer Liste ist jetzt in § 23 II L W G n. F. im Wahlgesetz vorgeschrieben. D a nur auf Bezirkswahlvorschläge, für die mindestens fünf vom Hundert der Stimmen abgegeben werden, Sitze entfallen (§ 2 2 II L W G ) , kann eine Liste nur anerkannt werden, wenn sie mindestens die Namen von zwei Bewerbern enthält, da sie anderenfalls von vornherein die auf sie entfallende Mindestzahl von 255

Art. 54

Abschnitt VI: Die Verwaltung

zwei Mandaten nicht beschicken könnte. Eine Einpersonenliste ist daher nicht zulässig und müßte vom Bezirkswahlausschuß zurückgewiesen werden. Die Bewerber auf der Liste brauchen nicht Mitglieder der Partei oder Wählergemeinschaft zu sein, sie müssen jedoch am Tage der Wahl mit Hauptwohnung in dem Bezirk, in dem sie kandidieren, gemeldet sein (§ 22 III i. V. m. § 1 II LWG). Ob sie einer anderen als der aufstellenden Partei oder Wählergemeinschaft angehören können, richtet sich nach der Satzung der Partei. Eine Bewerbung auf mehreren Bezirkswahlvorschlägen ist unzulässig (§ 23 III LWG); im Falle der Mehrfachbewerber werden diese Bewerber auf jedem Bezirkswahlvorschlag gestrichen. Für die Einreichung von Wahlvorschlägen von Parteien und Wählergemeinschaften, die nicht mit einer im LWG vorgesehenen Mindestzahl von BV in der BVV vertreten sind, müssen Unterschriften beigebracht werden (z. Zt. 100 Unterschriften); dadurch soll eine gewisse Resonanz des Wahlvorschlages in der Bevölkerung nachgewiesen werden. 7

Der Wähler erhält für die Wahl zur BVV einen besonderen Stimmzettel, in dem die Parteien und Wählergemeinschaften, die Bezirkswahlvorschläge eingereicht haben, und ihre Listenführer aufgeführt worden sind. Die Ermittlung der auf jeden Bezirkswahlvorschlag entfallenden Sitze wird nach dem Höchstzahlverfahren (D'Hondt) vorgenommen. Die Berufung der gewählten Bewerber erfolgt durch den Bezirkswahlleiter, die von Nachrückern, die nach dem ersten Zusammentritt der Bezirksverordnetenversammlung zu berufen sind, durch das für Wahlen zuständige Amt des BzA. 8 Für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes und für Berufsrichter besteht, gestützt auf Art. 137 GG, gem. § 26 IV L W G Inkompatibilität, d. h., daß Beamte mit Dienstbezügen und Angestellte in der Bezirksverwaltung nicht Mitglieder der BVV desselben Bezirks sein können. Auch Berufsrichter dürfen nach § 4 D R i G keiner BVV angehören, weil die BVVen nach h. M. Organe der vollziehenden Gewalt sind (vgl. Art. 50, Rdn. 9 und Art. 53, Rdn. 2). 9 Während das StGemG von 1920 für die BVVers. vorsah, daß ihr neben den besonders gewählten BV auch die innerhalb des Bezirks gewählten Stadtverordneten angehören, beschränkt sich heute die Mitgliedschaft in der B W ausschließlich auf die gewählten BV. Die VVGB (Art. 15) sah ebenso wie das StGemG eine nach der Zahl der Einwohner gestaffelte unterschiedliche Zahl von BV vor: bis 100000 Einwohner 30, von 100000 bis 200000 Einwohner 40, mehr als 200000 Einwohner 45. 10 Die BV erhalten nach § 11 BzVG für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung und das Recht der freien Fahrt auf allen öffentlichen 256

Art. 55

Wahlperiode (Magen/Neumann)

Verkehrsmitteln, die sich im Besitz von Berlin befinden (BVG). Vgl. BVEntschG vom 1. März 1963 (GVB1. S. 355) und BVEntschVO in der Fassung vom 6. Juli 1973 (GVB1. S. 1021). Zur rechtlichen Stellung der BV vgl. Art. 56, Rdn. 1.

Artikel 5 5 (1) Die Bezirksverordnetenversammlung kann weder durch eigenen Beschluß noch durch Volksentscheid aufgelöst werden. (2) Wird das Abgeordnetenhaus vor Ablauf der Wahlperiode aufgelöst, so sind auch die Bezirksverordnetenversammlungen aufgelöst. Materialien

1.-

2. VVGB: 3. Änderungen: -

Erläuterungen Während Art. 39 I die vorzeitige Auflösung des AvB durch eigenen 1 Beschluß oder durch Volksentscheid vorsieht, sind diese Möglichkeiten für die BVV ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die Wahlperiode einer jeden B W ist zwingend an die Wahlperiode des AvB gekoppelt (vgl. Art. 54, Rdn. 2, 3). Eine Auflösung einer BVV ist also grundsätzlich nur mit einer Auflösung der AvB möglich. Eine B W kann auch nicht im Wege der Rechtsaufsicht durch den 2 SvB aufgelöst werden. Ebensowenig ist es möglich, einen BV im Wege der Bezirksaufsicht abzuberufen (vgl. Art. 50, Rdn. 21). Eine Ausnahme von den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bin- 3 dung zwischen AvB - und BVV - Wahlperiode ist nur für den Fall denkbar, daß die Wahl zur BVV eines Bezirks ganz oder teilweise ungültig ist. Es kann nicht angenommen werden, daß die Ungültigkeit der Wahl in einem Bezirk dazu führen müßte, daß die Wahl zum AvB und zu den anderen B W e n ebenfalls ungültig ist. In diesem Falle muß eine Neuwahl beschränkt auf die BVV in dem Bezirk durchgeführt werden (vgl. jetzt § 25 L W G n. F.). Die Wahlperiode ändert sich allerdings dadurch nicht; sollte also eine Neuwahl bzw. Nachwahl stattfinden, so verkürzt sich die Wahlperiode dieser neugewählten BVV entsprechend. In der Zeit zwischen dem Ende der Wahlperiode und dem Zusammentritt einer neugewählten BVV nimmt ein Ausschuß die Rechte der 257

Art. 56

Abschnitt VI: Die Verwaltung

B W wahr mit Ausnahme der Rechte aus Art. 60, § 35 I BzVG (das ist die Kompetenz, Bezirksamtsmitglieder zu wählen und abzuberufen), § 9 V BzVG. Die Ausschußmitglieder sind von der BVV zu wählen. Da der BVV-Vorsteher gem. § 7 III BzVG die Geschäfte bis zum Zusammentritt der neugewählten B W fortführt, ist daraus zu schließen, daß er automatisch Mitglied des „Interimsausschusses" ist und auch zugleich dessen Vorsitzer (teilweise abw. Srocke zu § 7 III BzVG).

Artikel 56 Die Bezirksverordnetenversammlung ist Organ der bezirklichen Selbstverwaltung; sie übt die Kontrolle über die Verwaltung des Bezirks aus und stellt den jährlichen Finanzbedarf als Unterlage für den Haushaltsplan fest. Materialien

1.2. VVGB: Art. 161, III und IV 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Die BV sind Mitglieder eines Organs der bezirklichen Selbstverwaltung; sie sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes, obwohl sie Mitglied einer Verwaltungsbehörde sind. Sie unterliegen nicht den Bestimmungen des Beamtenrechts oder ähnlichen Vorschriften und können diesen auch nicht unterworfen werden. Andererseits haben sie auch nicht die Rechte eines Parlamentariers, weil sie einem ordentlichen Parlament nicht angehören. So steht ihnen im Gegensatz"zu den MdA weder die Indemnität, noch die Immunität (Art. 35) zu. Als Mitglied eines Selbstverwaltungsorgans sind sie nicht an die Weisungen des BzA oder eines seiner Mitglieder gebunden. Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich aus der VvB und den Gesetzen. Gem. Art. 51 sind sie aber auch an alle diejenigen Vorschriften gebunden, die die Bezirke überhaupt binden, somit auch an Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen in dem vorgesehenen Rahmen; Ausfluß dessen ist das Beanstandungsrecht des BzA nach § 18 BzVG (vgl. Rdn. 7). 2 Die BVV wählt für die Dauer der Wahlperiode aus ihrer Mitte mit einfacher Mehrheit den BVV-Vorsteher, dann den Stellvertreter und die übrigen Mitglieder des Vorstandes, § 7 I BzVG. Entsprechend den 258

Zuständigkeit der B W (Neumann)

Art. 56

parlamentarischen Gepflogenheiten stellt die stärkste Fraktion den BVV-Vorsteher; Stellvertreter ist ein Vertreter der zweitstärksten Fraktion. Die Wahl erfolgt für die gesamte Dauer der Wahlperiode; eine Abberufung ist nicht vorgesehen. Nach Srocke (Anm. in § 7 BzVG) soll es allerdings „allgemeiner Meinung" entsprechen, daß bei besonderen Umständen, z. B. bewußte Verletzung von Rechtsvorschriften oder der GOBVV, der Vorsteher von seiner Aufgabe durch die BVV entbunden werden oder die BVV bei „extremen Situationen" durch die Wahl eines neuen Vorstehers den bisherigen Vorsteher ablösen kann. Eine solche Möglichkeit ist im Gesetz oder in der VvB nicht vorgesehen. Für den Präsidenten des AvB gilt dies jedenfalls nicht (vgl. Art. 28 Rdn. 6). Ein Gesichtspunkt, weshalb das für den B W - V o r steher anders sein sollte, ist nicht erkennbar. Die Grundsätze, die für die Mitglieder des Präsidiums des AvB gelten, sind insoweit auf die BVV zu übertragen. Somit können also weder der Vorsteher noch sein Stellvertreter noch die übrigen Mitglieder des BVV-Vorstands außerordentlich abberufen werden. Ein Vorstandsmitglied kann aber von sich aus zurücktreten. Die übrigen Mitglieder des Vorstandes sind in der Regel die Schriftführer, deren Zahl die jeweilige BVV in ihrer G O oder durch besonderen Beschluß bestimmt; in der Regel werden zwei Schriftführer gewählt. Der BVV-Vorsteher übt den Vorsitz der BVV und auch in dem stän- 3 digen Ausschuß nach § 9V BzVG mit Stimmrecht aus (vgl. Art. 55, Rdn. 3). Er führt die Geschäfte bis zum Zusammentritt einer neugewählten BVV fort; somit lädt er auch zur konstituierenden Sitzung der neugewählten BVV ein. Diese tritt dann gemäß § 6 I BzVG unter dem Vorsitz des ältesten BV zusammen. Der BVV-Vorsteher vertritt die BVV in allen Angelegenheiten und 4 auch den Bezirk, soweit dieser ausnahmsweise durch die BVV vertreten wird (z. B. bei verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten, wo die BVV Partei ist, vgl. Art. 50, Rdn. 14); in der Regel wird der Bezirk durch das BzA vertreten (§ 36 I und II BzVG). Insbesondere obliegt ihm die Wahrnehmung des Hausrechts gemäß § 7 II BzVG, die Zahlung von Entschädigungen und die Ausstellung der BV-Ausweise. Die Kompetenzen der BVV ergeben sich aus ihrer Stellung als Organ 5 der bezirklichen Selbstverwaltung. Gemäß § 12 I BzVG bestimmt sie die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirks im Rahmen der Rechtsvorschriften und der vom SvB oder der einzelnen Mitglieder des SvB erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Sie regt Verwaltungshandeln an durch Empfehlungen und Ersuchen, kontrolliert die Führung der Geschäfte des BzA, entscheidet in den ihr vorbehaltenen Angelegenheiten und nimmt die vorgesehenen Wahlen, Abberufungen 259

Art. 56

Abschnitt VI: Die Verwaltung

und Feststellungen vor. Entscheidungskompetenz ist ihr durch § 12 II BzVG zuerkannt worden über: a) den Entwurf des Bezirkshaushaltsplans sowie die besonderen Anmeldungen nach § 30 II 2 L H O (vgl. Art. 73, Rdn. 13); b) die Verwendung von Sondermitteln der BVV (vgl. Art. 73, Rdn. 13); c) die Genehmigung der Bezirksrechnung nach § 4 III BzVG; d) die Zustimmung zu Grenzberichtigungen nach § 1 II BzVG; e) in Angelegenheiten, die der BVV sonst besonders zugewiesen sind. Die Aufzählung zeigt, daß die BVV mehr anregend und kontrollierend als entscheidend tätig werden soll. § 12 II Nr. 1 bis 3 BzVG betreffen die Bezirksfinanzen. § 12 II Nr. 4 BzVG beruht auf Artikel 4 II. Zu § 12 II Nr. 5 BzVG ist bisher nur § 3 A G B B a u G erlassen worden. Danach bedarf der Entwurf eines Bebauungsplanes der Zustimmung des BVV. Wird die Zustimmung versagt, ist das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes gescheitert. (Der SvB will dies aber ändern; ein entsprechendes Gesetz wird vorbereitet.) Ist die Zustimmung erteilt, kann diese nicht widerrufen werden. Ordnungsangelegenheiten nach § 12 III Nr. 5 BzVG sind die in der D V O - P o l Z G aufgeführten Aufgaben der Gefahrenabwehr. 6 Anregend wirkt die BVV durch Ersuchen und Empfehlungen, vgl. § 13 BzVG. Beide richten sich an das BzA. Das schließt allerdings nicht aus, daß die BVV auch Anregungen für die Tätigkeit außerbezirklicher Stellungen ausspricht; diese sind als Empfehlungen zu bezeichnen, § 13 III BzVG. Diese Empfehlungen hat das BzA den entsprechenden Stellen zu übermitteln. In Personalangelegenheiten sind Empfehlungen und Ersuchen ausgeschlossen, § 13 I 2 BzVG. Dies schließt jedoch nicht aus, daß die BVV hier kontrollierend nach § 17 BzVG tätig wird. Unter Personalangelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift sind allerdings nur Einzelpersonalsachen zu verstehen; so sind also Ersuchen für die grundsätzliche Behandlung von Personalangelegenheiten o. ä. nicht ausgeschlossen. 7 Die Kontrolltätigkeit ist in § 17 BzVG näher bestimmt. Die BVV hat das Recht, jederzeit Auskünfte zu verlangen und einen Ausschuß einzusetzen, der die Kontrolle durch die BVV vorbereitet. Dem Ausschuß ist ebenfalls Auskunft zu erteilen und Einsicht in die Akten zu gewähren, vgl. § 17 II BzVG. Nach vorausgegangener Kontrolle kann die BVV die Entscheidungen des BzA aufheben und selbst entscheiden, soweit nicht Angelegenheiten im Sinne des § 12 III 2 BzVG betroffen sind. Das sind vor allem Personalangelegenheiten (wegen Art. 6 1 1 2 ) und Ordnungsangelegenheiten. Die Selbstentscheidung setzt nach dem BzVG zwingend voraus, daß ein Kontrollausschuß nach § 17 II BzVG tätig geworden ist. 260

Zuständigkeit der B W (Neumann)

Art. 56

Kommt das BzA seinen Pflichten zur Ausführung der BVV-Be- 8 schlüsse nicht oder nur ungenügend nach, so kann die BVV auch bei der Aufsichtsbehörde eine Maßnahme der Bezirksaufsicht gegenüber dem BzA anregen, und zwar auch dort, wo ein Selbstentscheidungsrecht der BVV nach § 12 III 2 BzVG ausgeschlossen ist. Nach §§ 18 i. V. m. 3 II lit. b) BzVG hat das BzA einen Beschluß 9 der BVV, der gegen Rechtsvorschriften oder gegen Verwaltungsvorschriften oder gegen zulässige Einzelweisungen verstößt, binnen zwei Wochen unter Angabe der Gründe zu beanstanden. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Gegen die Beanstandung kann die BVV über das BzA binnen eines Monats in bezirkseigenen Angelegenheiten die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, in übertragenen Vorbehaltsaufgaben die Entscheidung des zuständigen Mitglieds des SvB beantragen. Diese Regelung entspricht den herkömmlichen Grundsätzen des Kommunalrechts. Das BzA ist zur Beanstandung verpflichtet, wenn es einen Verstoß erkennt. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit der Beschlußfassung. Beanstandet werden kann nur ein Beschluß der B W , nicht der eines BVV-Ausschusses. Auch Beschlüsse, die keine Entscheidungen im materiellen Sinne enthalten, wie Empfehlungen und Ersuchen nach § 13 I BzVG, sind nicht beanstandungsfähig (so auch Srocke Anm. zu § 121 BzVG). Der Antrag der BVV gegen die Beanstandung des BzA ist über das 10 BzA an die Aufsichtsbehörde zu stellen. Damit ist dem BzA die Möglichkeit gegeben, seine Beanstandung inhaltlich zu überprüfen und ihr gegebenenfalls abzuhelfen. Aufsichtsbehörde in bezirkseigenen Angelegenheiten ist der Senator für Inneres als Bezirksaufsichtsbehörde, bei den übertragenen Vorbehaltsaufgaben das fachlich zuständige Senatsmitglied. Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde in Angelegenheiten der übertragenen Vorbehaltsaufgaben ist endgültig; das Senatsmitglied kann die Beanstandung bestätigen und damit den beanstandeten BVVBeschluß endgültig unwirksam machen, oder es kann die Beanstandung aufheben, womit der BVV-Beschluß voll wirksam und für das BzA verbindlich ist. Bestätigt der Senator für Inneres in bezirkseigenen Angelegenheiten als Bezirksaufsichtsbehörde die Beanstandung des BzA und macht er damit den BVV-Beschluß unwirksam, so berührt diese Entscheidung die bezirkliche Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 50 ff. Entsprechend zu den Ausführungen zu Art. 50 (Rdn. 14) ist eine solche Aufsichtsmaßnahme vor dem Verwaltungsgericht anfechtbar. Bestätigt die Aufsichtsbehörde die Auffassung des BzA nicht, steht diesem ein Klagerecht nicht zu, weil es nur eine Aufsichtskompetenz wahrnimmt, nicht dagegen in Ausübung eines behördlichen Selbstverwaltungsrechts tätig wird. 261

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Abschnitt VI: Die Verwaltung

§ 8 I BzVG bestätigt das Recht der BVV, sich eine GO zu geben. Diese bestimmt näheres über die Stärke und Zusammensetzung der Fraktionen, die Aufgaben des Ältestenrats, die Ausschußbildung, die Art von Anfragen u. v. m. Die G O B V V sind im wesentlichen der G O A v B nachgestaltet. Einer Genehmigung - etwa durch das BzA oder die Aufsichtsbehörde - bedarf sie nicht. Eine solche G O bindet aber nur die BVV, nicht das BzA; sie kann nur mittelbar Auswirkungen insoweit haben, als die BVV die Behandlung von Bezirksamtsberichten nach § 15 BzVG o. ä. darin regelt.

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Die BVV ist nach § 8 II BzVG beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer gewählten Mitglieder anwesend sind. Die Beschlußunfähigkeit wird nur auf Antrag festgestellt. Um die Obstruktion einer Mehrheit der BVV zu verhindern, sieht § 8 III BzVG vor, daß die BVV über einen Gegenstand unabhängig von der Anwesenheit beschlußfähig ist, wenn dieser Gegenstand zum zweiten Male behandelt wird, wobei in der Einladung zur zweiten Sitzung, die frühestens nach drei Tagen stattfinden darf, auf diese Bestimmung ausdrücklich hinzuweisen ist. Grundsätzlich entscheidet die BVV mit einfacher Stimmenmehrheit, wenn nichts anderes vorgesehen ist. Die Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich, § 8 VI BzVG. 13 Der Ältestenrat besteht in der Regel aus dem BVV-Vorsteher, seinem Stellvertreter und Mitgliedern der Fraktionen. Der Ältestenrat soll den Vorsteher bei der Geschäftsführung unterstützen. Er ist allerdings kein Ausschuß. Demnach ist § 9 VI BzVG, wonach die Ausschüsse im Verhältnis der Franktionsstärke zu besetzen sind, nicht anzuwenden. Auch haben die BzA-Mitglieder kein Recht auf Teilnahme gemäß § 14 BzVG. Allerdings nimmt das BzA, vertreten durch den BzBgm. oder seinen Stellvertreter in der Regel an den Sitzungen des Ältestenrates teil. 14 Es ist heute unbestritten, daß auch Bezirksverordnete eine Fraktion innerhalb der BVV bilden können. In der Mehrzahl ist es nach den GOen somit möglich, daß schon zwei BV eine Fraktion bilden. Der Fraktionsstatus ist eine rechtserhebliche Position; bei der Verweigerung des Fraktionsstatus können die BV beim Verwaltungsgericht Feststellungsklage erheben. (Vgl. Srocke.) Die Fraktionen sind vor dem Verwaltungsgericht bei der Wahrnehmung ihrer Rechte parteifähig (vgl. VG Berlin DVBl. 76, 271). 15 Als Organ der bezirklichen Selbstverwaltung steht der BVV das Recht zu, die BzA-Mitglieder zu wählen (Art. 58, 53 S. 2) und abzuberufen (Art. 60). Weiterhin wählt die BVV - und beruft ab - die Bürgerdeputierten nach § 21, 24 III BzVG, die Ehrenbeamten und ehrenamtlich tätigen Bürger, soweit ihre Wahl den Bezirken zusteht 262

Art. 57

Ausschüsse der B W (Neumann)

(vgl. Erl. zu Art. 63, Rdn. 12 für die Vorschlagslisten zur Wahl ehrenamtlicher Richter), und die Mitglieder der Krankenhauskonferenz nach § 3 1 1 Nr. 2 LKG. Ehrenbeamte gibt es in der bezirklichen Verwaltung nicht, dagegen ehrenamtlich tätige Bürger, z. B. die Sozialpfleger in den Sozialkommissionen. Nach § 31 I Nr. 2 LKG wählt die BVV aus ihrer Mitte drei B V zu Mitgliedern der Krankenhauskonferenz für die Dauer der Wahlperiode.

Artikel 5 7 (1) Die Bezirksverordnetenversammlung setzt zur Mitwirkung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Ausschüsse ein. (2) Nach näherer Bestimmung durch Gesetz können den Ausschüssen neben Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung auch Bürgerdeputierte angehören. Die Bürgerdeputierten werden von der Bezirksverordnetenversammlung gewählt; sie sind Inhaber von Ehrenämtern. Materialien

1.2. V V G B : Art. 161 3. Änderungen: 6. ÄndGVvB vom 30. 1. 1958 (GVB1. S. 125); 15. ÄndGVvB vom 24. 6 . 1 9 7 1 (GVB1. S. 1060)

Erläuterungen In der Erstfassung der VvB (vgl. auch StB StVV 1/62, S. 32, 35 ff; 65, 1 S. 73) war vorgesehen, daß die BVV zur Teilnahme an der laufenden Verwaltung des Bezirks Deputationen einsetzt, die über die wichtigen Fragen ihres Zuständigkeitsbereichs selbständig entscheidet. Die Deputationen bestanden aus BVen, dem zuständigen Mitglied des BzA, der zugleich Vorsitzender war, und Bürgerdeputierten, die von der BVV gewählt wurden. Deputationen, deren Einrichtung auf die Steinsche Städteordnung von 1808 zurückgeht, kennt man heute im Kommunalrecht der Städte und Landgemeinden Hessens, sowie in den Hansestädten Bremen (Art. 129 VHB) und Hamburg (Art. 56 VHH). Allerdings sind die Deputationen in diesen Ländern bei den Landesbehörden eingerichtet (vgl. dazu brDepG vom 2. 3. 1948 (GBl. 31); §§ 11-13 hmbVwBehG vom 3. 6. 1947 in der Fassung vom 30. 7. 1952 (Hamburger Landesrechtsammlung I 2000 a). In Hamburg kann darüberhinaus auf der Bezirksebene bei der dortigen Bezirksversammlung ein 263

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Abschnitt VI: Die Verwaltung

Fachausschuß gebildet werden, dem auch Bürgerdeputierte angehören (§ 20, 22 hmbBzVG vom 16. 9. 1969 - hmbGVBl. 179). 2 Die Arbeit der Berliner Bezirksdeputationen hat sich nicht bewährt; dies hat schließlich 1971 dazu geführt, die Deputationen gänzlich abzuschaffen (vgl. DsAvB 5/714, 1452 und 1453 mit Beratung StBAvB 5/94, 932 ff; DsAvB 6/58 und 66 mit Beratung StBAvB 6/9, 166 ff. Zur Arbeit der Deputationen in der Zeit von 1950 - 1955 vgl. insbesondere Fischer/Goetz, Die Deputationen in der Berliner Bezirksverwaltung). 3 Nunmehr sieht Art. 57 I vor, daß die BVV zur Mitwirkung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Ausschüsse einsetzt. Nach § 9 II BzVG sind einmal bestimmte ständige Ausschüsse zu bilden, nämlich a) Geschäftsordnungsausschuß b) Ausschuß für Eingaben und Beschwerden c) Haushaltsausschuß d) Rechnungsprüfungsausschuß e) Grundstückskaufausschuß f) Personalausschuß g) Ausschuß für die Mitberatung von Bebauungsplänen. Die Bildung dieser Ausschüsse ist Pflicht, sie können auch nicht mit anderen Namen gebildet werden (so auch Srocke zu § 9 II BzVG). Daneben sind ständige Ausschüsse für die Geschäftsbereiche der Mitglieder des BzA zu bilden, wobei ein Ausschuß mindestens den Aufgabenbereich eines Amtes umfassen muß, § 9 II Nr. 8 BzVG. In der Regel werden danach etwa 7 - 9 Ausschüsse bestellt. Für diese Ausschüsse sind gemäß § 9 IV BzVG Bürgerdeputierte gemäß § 20 BzVG zu wählen (vgl. Rdn. 7); die Besetzung der Ausschüsse erfolgt im Verhältnis der Fraktionsstärke. Für das Verfahren gelten dieselben Grundsätze wie bei den Ausschüssen des AvB (vgl. Art. 32, Rdn. 2f). Bei einigen Ausschüssen sind Besonderheiten zu beachten (vgl. Rdn. 4, 5). 4 Der Ausschuß für den Geschäftsbereich Jugend des BzA ist der Jugendwohlfahrtsausschuß, der nach § 12 I J W G zu errichten ist; § 33 BzVG ist zu beachten. Dem Jugendwohlfahrtsausschuß gehören stimmberechtigte und beratende Mitglieder an. Stimmberechtigt sind 9 BV, darunter der Vorsitzende des Jugendwohlfahrtsausschusses, und 6 Bürgerdeputierte, die von der BVV gewählt werden. Die Wahl erfolgt auf Vorschlag der freien Vereinigungen der Jugendwohlfahrt (3 Deputierte) und der Jugendverbände (ebenfalls 3). Beratende Mitglieder sind das zuständige Bezirksamtsmitglied, der leitende Fachbeamte der Verwaltung des Jugendamts, ein Arzt der Abteilung Gesundheitswesen, ein im Bezirk tätiger Lehrer, ein Vormundschaftsoder ein Jugendrichter, ein Vertreter des zuständigen Arbeitsamts und 264

Ausschüsse der B W (Neumann)

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je ein Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche, der jüdischen Gemeinde und der freigeistigen Verbände. Die einschlägigen Regelungen ergeben sich aus dem A G J W G . Der Ausschuß für Eingaben und Beschwerden nach § 9 II Nr. 2 BzVG hat nicht die Rechte des Petitionsausschusses nach Art. 32 IV. Während die meisten Ausschüsse grundsätzlich vorbereitende und kontrollierende Aufgaben haben, ist der Grundstückskaufausschuß wie der Jugendwohlfahrtsausschuß ein beschließender Ausschuß. Die Aufgaben des Grundstückskaufausschusses ergeben sich aus den Ausführungsvorschriften des § 91 LHO. Seine Stellungnahmen sind entscheidend für die weitere Bearbeitung der Kaufsache bei Kaufpreisen zwischen 175 000,- und 1 Million DM. Die Stellungnahmen können nicht durch Plenarbeschlüsse der BVV geändert werden. Neben den ständigen Ausschüssen können nichtständige Ausschüsse (Sonderausschüsse) nach § 9 III BzVG gebildet werden; auch diese werden nach dem Verhältnis der Fraktionsstärke besetzt. Davon wird ziemlich selten Gebrauch gemacht. Ein Beschluß auf Einrichtung eines Sonderausschusses muß mit einem sachlichen und zeitlichen Auftrag begründet werden. Für diese Ausschüsse können nicht die Sonderrechte eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (Art. 33) in Anspruch genommen werden. Aufgrund Art. 57 II sieht § 9 IV BzVG vor, daß für die ständigen Ausschüsse nach § 9 II Nr. 8 BzVG vier Bürgerdeputierte zu wählen sind; eine Ausnahme ergibt sich wie erwähnt für den Jugendwohlfahrtsausschuß. Bürgerdeputierte sind gemäß § 20 BzVG sachkundige Bürger, die stimmberechtigt an der Arbeit der Ausschüsse teilnehmen. Ihnen stehen alle Rechte eines Ausschußmitgliedes zu. Entsprechend der kommunalen Übung sieht § 9 IV 2 BzVG vor, daß die BV immer über die Mehrheit verfügen müssen. Da BVV - Ausschüsse grundsätzlich eine ungerade Mitgliederzahl haben, umfassen die Ausschüsse nach § 9 II Nr. 8 BzVG in der Regel 9 oder 11 Mitglieder. Die Bürgerdeputierten werden von der BVV gewählt; sie sind Inhaber von Ehrenämtern. Sie erhalten eine Entschädigung nach dem BVEntschG. Ein Bürgerdeputierter kann nicht Ausschußvorsitzender sein. Die Bürgerdeputierten werden nach § 21 BzVG aufgrund von Wahlvorschlagen der Fraktionen gewählt. Die Besetzung richtet sich nach der Fraktionsstärke in der BVV (vgl. im näheren § 9 VI und § 21 BzVG und oben Rdn. 3). Die Fraktionen haben einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, gemäß ihrer Fraktionsstärke mit Bürgerdeputierten in den dafür vorgesehenen Ausschüssen vertreten zu sein (vgl. V G Berlin DVB1. 76, 271). 265

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Abschnitt VI: Die Verwaltung

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Die Wahl zum Bürgerdeputierten erfolgt für die Wahlperiode der BVV. Eine vorzeitige Abberufung ist nach § 24 III BzVG möglich. Sie bedarf einer Mehrheit von 2/3 der verfassungsmäßigen Mitgliederzahl (also 30). 10 Bürgerdeputierter kann nur werden, wer seinen Wohnsitz im Bezirk hat, nicht dem AvB oder einer BVV angehört und auch nicht in derselben Bezirksverwaltung als Beamter, Angestellter oder Arbeiter tätig ist, § 22 BzVG. Fällt eine dieser Voraussetzungen nachträglich bei einem Bürgerdeputierten weg, endet automatisch sein Amt als Bürgerdeputierter (§ 24 I lit. c) BzVG). Im Übrigen kann ein Bürgerdeputierter auf sein Amt verzichten. Der Verzicht ist dem BVV-Vorsteher schriftlich zu erklären; er kann nicht widerrufen werden, § 25 III BzVG.

Artikel 58 (1) Das Bezirksamt besteht aus dem Bezirksbürgermeister und den Bezirksstadträten, von denen einer zugleich zum stellvertretenden Bezirksbürgermeister gewählt wird. (2) Das Bezirksamt ist die Verwaltungsbehörde des Bezirks; es vertritt Berlin in Angelegenheiten seines Bezirks. Materialien

1. -

2. VVGB: Art. 18 I bis III, 191 3. Änderungen: 6. Ä n d G V v B vom 30. 1. 1958 - GVB1. S. 125.

Erläuterungen Art. 58 I bestimmte in der Erstfassung (StB S t W 1/62, S. 39ff; 65, S. 73), daß das BzA aus dem BzBgm. und höchstens 8 BzStR besteht, von denen einer zugleich zum stellvertretenden BzBgm. gewählt wird. Mit der Schaffung des BzVG wurde die Regelung der zahlenmäßigen Stärke der BzA aus der VvB herausgenommen und findet sich nunmehr in § 3 4 1 BzVG. 2 Das BzA besteht aus dem BzBgm. und 6 BzStR, von denen einer zugleich zum stellvertretenden BzBgm. gewählt wird, § 34 I BzVG. Entsprechend dem Wort „zugleich" in Art. 58 I bestimmt § 38 I BzVG, daß jedem Mitglied des BzA die Leitung mindestens eines Geschäftsbereichs übertragen ist. Sonach ist also ausgeschlossen, daß der BzBgm. oder der stellvertretende BzBgm. lediglich diese Funktion ausüben. Im Gegensatz zur Wahl des SvB wählt die BVV nicht BzStR für bestimmte 1

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Ressorts; vielmehr entscheidet das BzA in eigener Verantwortung darüber, welches BzA-Mitglied für welchen Geschäftsbereich verantwortlich ist. Auch der SvB kann das BzA in der Ressortverteilung nicht binden, § 37 II BzVG. BzA-Mitglieder sind Beamte auf Zeit; wegen ihrer besonderen 3 Rechtsstellung als politische Wahlbeamte finden die beamtenrechtlichen Vorschriften, insbesondere das LBG nur insoweit Anwendung, als dies der Eigenart des Dienstverhältnisses der BzA-Mitglieder nicht entgegensteht, § 1 II BzAMG. Laufbahnmäßige Voraussetzungen sind für die Wahl nicht erforderlich. Jedoch darf gemäß § 1 III BzAMG zum Mitglied des BzA nur ernannt werden, wer zum Zeitpunkt der Ernennung das 59. Lebensjahr nicht vollendet hat; dies gilt nicht für Personen, die unmittelbar vorher Mitglied des BzA gewesen sind. Allerdings regelt § 3 a BzAMG, daß auch ein Bezirksamtsmitglied mit Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand tritt. Über eine Ausnahme entscheidet die BVV. Jemand, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, kann nicht mehr zum BzA-Mitglied ernannt werden. Die BzA-Mitglieder werden von der BVV mit einfacher Mehrheit 4 gewählt. § 35 II BzVG sieht vor, daß das BzA auf Grund der Wahlvorschläge der BVV-Fraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis in der BVV gebildet werden soll. Dabei ist entsprechend allgemeinen Grundsätzen das „soll" grundsätzlich als „muß" zu lesen (vgl. VG Berlin DVB1. 1976, 271). Bedeutung hat die Vorschrift in dreierlei Hinsicht: Zunächst gewährt die Vorschrift den Fraktionen ein Nominationsrecht, das ihnen grundsätzlich nicht entzogen werden kann. Nach der Entscheidung des VG Berlin (DVB1. 1976, 271) kann eine Fraktion einer anderen Fraktion durch einstweilige Anordnung beim VG verbieten lassen, mehr Wahlvorschläge einzureichen, als ihrer Fraktionsstärke entspricht. Andererseits ist durch § 35 II BzVG nicht festgelegt, daß die BVV den von einer Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten auch wählen muß. Eine solche Bindung der BVV an einen Fraktionsvorschlag wäre mit verfassungsrechtlichen Prinzipien nicht zu vereinbaren (vgl. B V f G E 38, 258 zu § 64 shGemO). Zum zweiten wird festgelegt, daß die politischen Mehrheitsverhältnisse im BzA parallel den Mehrheitsverhältnissen in der BVV liegen sollen. Darüber hinaus aber räumt § 35 II BzVG zugleich der stärksten Fraktion das Nominationsrecht für den BzBgm. ein; im Regelfall steht dann der zweitstärksten Fraktion das Nominationsrecht für den stellvertretenden BzBgm. zu (BVV-Beschlüsse sind im Hinblick auf § 35 II BzVG verwaltungsgerichtlich überprüfbar, vgl. VG Berlin a.a.O. und schon Innenausschuß des AvB, zit. bei Srocke, Anm. zu § 35 II BzVG). 267

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Abschnitt VI: D i e Verwaltung

Die Bezirksamtsmitglieder werden für die Dauer der Wahlperiode mit einfacher Mehrheit gewählt. Ist ein BV Kandidat für das BzA, darf er an seiner eigenen Wahl mitwirken. Eine manchen westdeutschen Gemeindeordnungen entsprechende Vorschrift (z. B. §§ 23 V nwGemO, 55 heGemO, 26 ndsGemO, 22 III shGemO) über das Mitwirkungsverbot bei der Entscheidung einen selbst betreffende Angelegenheiten kennt weder die VvB noch das BzVG; es ist auch nicht etwa aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen heraus geboten. Ein Bezirksamtsmitglied, das nach Maßgabe des § 26 IV 2 LWG gleichzeitig noch BV ist, kann an der Abstimmung über seine Wiederwahl ins BzA teilnehmen; es verliert allerdings automatisch mit Annahme der Wahl sein BVVMandat. 5 Die Ernennung zum Bezirksamtsmitglied hat unverzüglich nach der Annahme der Wahl zu erfolgen, § 1 I BzAMG. Die Ernennung erfolgt durch die Dienstbehörde: das ist für den BzBgm. der RB, für einen BzStR der BzBgm., § 2 I BzAMG. Die Ernennungsurkunde händigt allerdings der BVV-Vorsteher aus, der auch die Vereidigung der BzA-Mitglieder vornimmt, § 2 II BzAMG. Die Ernennung erfolgt bis zum Ende der zwei Monate, die auf den Monat folgen, in dem die Wahlperiode der BVV wegen Ablaufs der vier Jahre nach dem 1. Zusammentritt des AvB enden wird. Z. B.: die konstituierende Sitzung des letzten AvB lag am 24. 4. 1975; die BzA-Mitglieder sind also zu Beamten auf Zeit bis zum 30. 6. 1979 zu ernennen. Erfolgt die Wahl eines BzA-Mitglieds nicht zu Beginn der Legislaturperiode einer BVV, wird für einen entsprechend kürzeren Zeitraum ernannt. 6 Wird ein Angehöriger des mittelbaren oder unmittelbaren öffentlichen Dienstes des Landes Berlin zum Mitglied eines BzA ernannt, so ist er mit Ernennung aus seinem bisherigen Dienstverhältnis entlassen, § 3 I 1 BzAMG. (Bei der Wahl eines Richters zum Mitglied eines BzA vgl. § 3 II BzAMG.) 7 Inkompatibilität: Mitglieder des BzA dürfen nicht zugleich Mitglied der BVV sein; das ergibt sich aus § 26 IV L W G (vgl. allerdings § 26 IV LWG und oben Rdn. 4 a). Das ändert nichts daran, daß auch hier wie im AvB, wo die Regierungsmitglieder regelmäßig auch MdA sind, eine intensive Kommunikation zwischen einem BzA-Mitglied und „seiner" Fraktion stattfindet; so werden die Fraktionen regelmäßig „ihre" BzA-Mitglieder zu Fraktionssitzungen einladen. Dies widerspricht auch nicht der Intention der VvB, wonach die BzA-Mitglieder gerade politische Beamte sind. Nach der Schaffung des BzVG wurde auch bestimmt, daß BzA-Mitglieder nicht gleichzeitig MdA sein dürften. Dies geschah im Rahmen der allgemeinen Entpolitisierung der Bezirksverwaltungen. Dietze 268

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(Kommunalpolitische Beiträge LPD XII/1 S. 6) kritisiert daran, daß das Landesparlament den Problemen der Bezirke nun ferner steht, „was beiden Seiten nicht gut tut". Eine gleichzeitige Mitgliedschaft eines BzA-Mitglieds im SvB ist ebenfalls ausgeschlossen (vgl. den Fall der Wahl eines BzA-Mitglieds in den SvB, § 3 III BzAMG). Wird ein Mitglied eines BzA zum Mitglied des BT gewählt, so tritt es mit dem Tage der Annahme der Wahl in den Ruhestand, § 3 IV BzAMG. Gemäß § 34 II 1 BzVG sind die BzA-Mitglieder hauptamtlich tätig. Ehrenamtliche Stadträte gibt es nicht mehr. Daraus folgt einmal, daß das BzA-Mitglied zu besolden ist, andererseits, daß es grundsätzlich keinen anderen Beruf und kein Gewerbe ausüben darf. Gemäß § 8 II BzAMG erhalten die BzA-Mitglieder eine Aufwandsentschädigung. Diese sieht zur Zeit so aus, daß einem BzStR gemäß dem LBesG eine Vergütung nach Besoldungsgruppe B 4, dem stellvertretenden BzBgm. nach Besoldungsgruppe B 5 und dem BzBgm. nach Besoldungsgruppe B 6 zusteht. Gemäß § 6 BzAMG erhalten BzA-Mitglieder und ihre Hinterbliebenen unter bestimmten Umständen eine Versorgung. Für die Versorgung gelten dann die Vorschriften des LBG, § 6 III BzAMG. Die BzA-Mitglieder unterstehen der Dienstaufsicht. Ihre politische Verantwortlichkeit darf dadurch nicht berührt werden, § 1 II 4 BzAMG. Die den Dienstherren zustehende Disziplinargewalt darf sich nur auf dienstliche Angelegenheiten auswirken. Über die Abwahl eines BzA-Mitgliedes, eine sonstige Beendigung der Amtszeit und den Eintritt in den Ruhestand vgl. Erl. zu Art. 60. Das BzA ist gemäß Art. 58 II die funktionelle Verwaltungsbehörde des Bezirks. Das Bezirksamt als ganzes vertritt Berlin in allen Angelegenheiten des Bezirks. Der Organisation des BzA liegt also das Kollegialprinzip zugrunde. Dies liegt in der Tradition auch des StadtverfassungsG vort 1920, nur unterbrochen von dem Führerprinzip bis 1945. Art. 59 II 3 bestimmt auch für das BzA das Ressortprinzip. Dies sieht so aus, daß die BzStR - Dezernenten - gemäß § 38 II 1 BzVG ihre Geschäfte grundsätzlich eigenverantwortlich führen, allerdings im Namen des gesamten BzA. Die rechtsgeschäftliche Vertretung in Angelegenheiten des Bezirks ist gemäß § 25 I A Z G dem zuständigen BzAMitglied übertragen. In Angelegenheiten der Krankenhausbetriebe ist die Vertretung dem Verwaltungsleiter übertragen worden. Gemäß § 34 III BzVG nimmt an Sitzungen des BzA der Leiter des Rechtsamts oder sein Vertreter mit beratender Stimme teil. Dieser muß die Befähigung zum Richteramt nach dem GVG besitzen. Diese Vorschrift will sicherstellen, daß bei allen Sitzungen des BzA eine rechtskundige Beratung gewährleistet ist. Das BzA kann nicht beschließen, 269

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Art. 58

Abschnitt VI: Die Verwaltung

daß im Einzelfalle oder generell auf die Anwesenheit des Leiters des Rechtsamts verzichtet wird. Dies gilt auch dann, wenn ein BzA-Mitglied die Befähigung zum Richteramt nach dem G V G hat. Der Leiter des Rechtsamts untersteht dienstrechtlich dem Dezernenten für Personal und Verwaltung; dieses ist meistens der BzBgm. 13 Das BzA als Verwaltungsbehörde ist in Abteilungen, die Abteilungen sind in Ämter gegliedert, diese in Sachgebiete (vgl. § 9 I G G O I). Traditionell bestehen 8 Abteilungen, nämlich a) Personal- und Verwaltung b) Volksbildung c) Sozialwesen d) Jugend- und Sport e) Gesundheitswesen f) Bauwesen g) Wirtschaft h) Finanzen. Für die Organisation der Bezirksverwaltung ist Art. 59 I zu beachten. Die 8 Abteilungen müssen auf den BzBgm. und die 6 BzStR aufgeteilt werden, § 3 8 BzVG. 14 Das BzA gibt sich eine GO (§ 36 I 2 BzVG). Sie bestimmt, welche Entscheidungen BzA-Beschlüssen vorbehalten sein sollen, soweit dies nicht schon gesetzlich gefordert ist, näheres über die Art des Einbringens und der Behandlung von BzA-Vorlagen, die Beschlußfähigkeit des Organs, die Vertretung der Mitglieder untereinander u. v. m. Der Entscheidung durch das Kollegialorgan BzA sind nach § 36 BzVG vorbehalten a) die Einbringung von Vorlagen bei der BVV, b) die Beanstandung von Beschlüssen der BVV nach § 18 BzVG, c) der Beschluß über die Verteilung der Geschäftsbereiche innerhalb des BzA und d) die Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des BzA gem. Art. 59 II 3. Die GOBzA bedarf keiner Genehmigung. 15 Der BzBgm. hat innerhalb des BzA eine exponierte Stellung. Er vertritt nicht nur das BzA im RdB (Art. 52 II), er übt auch die Dienstaufsicht über die BzStR aus (Art. 59 II 2) und ist deren Dienstbehörde, § 39 II BzVG. Gegenüber Beschlüssen des BzA steht ihm gemäß § 39 IV BzVG ein Beanstandungsrecht gegen Beschlüsse zu, die gegen Rechtsnormen oder bindende Verwaltungsvorschriften verstoßen. Binnen zwei Wochen nach dem Beschluß hat er unter Angabe der Gründe eine Beanstandung vorzubringen; die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Eine Beanstandung durch den BzBgm. ist auch dann möglich, 270

Organisation der Bezirksverwaltung ( N e u m a n n )

Art. 59

wenn er an dem BzA-Beschluß zustimmend mitgewirkt hat. Erkennt er später einen Verstoß, hat der die Sache im BzA nochmals zur Beschlußfassung unter Angabe seiner Bedenken vorzulegen. Er ist dann zur Beanstandung verpflichtet, wenn das BzA bei nochmaliger Beschlußfassung bei seiner ersten Entscheidung bleibt. Gegen die Beanstandung durch den BzBgm. kann das BzA binnen 1 6 zwei Wochen in bezirkseigenen Angelegenheiten die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, in übertragenen Vorbehaltsaufgaben die Entscheidung des zuständigen Senatsmitglieds beantragen. Im übrigen gelten dieselben Grundsätze wie bei der Beanstandung eines BVV-Beschlusses durch das BzA (Art. 56, Rdn. 10). Sofern der BzBgm. in bezirkseigenen Angelegenheiten eine Maßnahme des BzA beanstandet und die Aufsichtsbehörde seine Beanstandung bestätigt, muß dem BzA gegen die Aufsichtsbehörde der Weg zum V G offenstehen (vgl. Art. 50, Rdn. 14). Gemäß § 39 I 2 BzVG gibt bei Stimmengleichheit im BzA die Stimme 1 7 des BzBgm. den Ausschlag. Diese Stellung steht ihm aus seiner Vorsitzerstellung im BzA, § 39 VIII 1 BzVG, zu; wird das BzA vom stellvertretenden BzBgm. geleitet, gibt dessen Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag. Leitet ein anderer BzStR die Sitzung, ist § 39 I 2 BzVG nicht entsprechend anwendbar (vgl. Art. 43, Rdn. 11). Zu fachlichen Weisungen ist der BzBgm. nicht berechtigt. Gibt es 18 zwischen einem BzStR und dem BzBgm. Meinungsverschiedenheiten, die nicht beanstandungsfähig sind, so besteht nur die Möglichkeit, eine Entscheidung des BzA-KoIlegiums herbeizuführen (Art. 59 II 3). Einer entsprechenden Mehrheit müßte er sich beugen.

Artikel 59 (1) Die Organisation der Bezirksverwaltung ist entsprechend der Organisation der Hauptverwaltung einzurichten. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt. (2) Der Bezirksbürgermeister untersteht der Dienstaufsicht des Regierenden Bürgermeisters. Der Bezirksbürgermeister hat die Dienstaufsicht über die Mitglieder des Bezirksamts. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des Bezirksamtes entscheidet das Bezirksamt. Materialien

1. 2. W G B : Art. 18 I und II, 19 I und V 3. Ä n d e r u n g e n : 6. Ä n d G V v B v o m 30. 8. 1 9 5 8 - GVB1. S. 125

271

Art. 6 0

Abschnitt VI: Die Verwaltung

Erläuterungen 1

Art. 59 I sah in der Erstfassung (StB S t W 1/62 S. 41 f; 65 S. 73) vor, daß das BzA auf Vorschlag des BzBgm. den Geschäftsplan beschließt, welcher der Geschäftsverteilung des SvB anzupassen ist. Die Vorschlagskompetenz ist entfallen; die Bindung der Organisation der Bezirksverwaltung an die Organisationsstrukturen der Hauptverwaltung ist geblieben. Art. 59 III a.F. sah das Beanstandungsrecht des BzBgm. gegenüber Beschlüssen des BzA vor; diese Vorschrift ist in § 39 IV BzVG aufgegangen. 2 § 37 I 1 BzVG wiederholt Art. 59 I 1. Durch dieses Organisationsprinzip soll vermieden werden, daß die BzA in Berlin in verschiedenster Art und Weise organisiert, damit für den Bürger unübersehbar, für den SvB unvergleichbar und damit schlechter kontrollierbar werden. (Begründung zu § 37 BzVG, DsAvB 2/1069). Durch diese Vorschriften ist jedoch keine absolute Deckungsgleichheit gefordert. Immerhin sind aber die BzA in ihrer Gliederung auch an Verwaltungsvorschriften des SvB, insbesondere an die G G O I gebunden. Wenn ein BzA von der grundsätzlichen Gliederung (vgl. Art. 58, Rdn. 13) abgehen will, bedarf es der Zustimmung der Aufsichtsbehörde, § 37 I 2 BzVG. So wurde in Wedding, Wilmersdorf und Reinickendorf genehmigt, daß dort eine Abteilung Wirtschaft und Finanzen statt zwei selbständiger Abteilungen gebildet werden. 3 Nach § 2 III A Z G umfassen die Bezirksverwaltungen auch die ihnen nachgeordneten nicht rechtsfähigen Anstalten, z. B. Schulen, Jugendheime. 4 Zu Art. 59 II vgl. Art. 58, Rdn. 9 , 1 1 , 1 5 ff.

Artikel 6 0 Die Bezirksverordnetenversammlung kann mit Zweidrittelmehrheit der Bezirksverordneten ein Mitglied des Bezirksamts vor Beendigung der Amtszeit abberufen. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien

1. 2. V V G B : Art. 18 III 2 und IV 3. Änderung: Durch 6. Ä n d G V v B v. 30. 1. 1958 (GVB1. 125) wurde Satz 2 in Art. 6 0 eingefügt.

272

Abberufung des Bezirksamtes (Neumann)

Art. 60

Erläuterungen Nach dem ersten Entwurf sollte das AvB über die Abberufung des 1 BzA entscheiden können. Dies ist in der Verfassungsberatung (vgl. StB StVV 1/60 S. 14, 26, 66; 62 S. 42 ff; 65 S. 74) abgelehnt und daraufhin der BVV das Abberufungsrecht übertragen worden. Art. 60 bringt zum Ausdruck, daß die BzA-Mitglieder politische 2 Beamte sind und des polltischen Vertrauens der BVV bedürfen. Dementsprechend kann die BVV ein BzA-Mitglied auch vorzeitig abberufen. Wird ein Mitglied vorzeitig abberufen, so tritt es in den einstweiligen Ruhestand, der wiederum mit dem Ablauf der vorgesehenen Amtszeit endet, vgl. § 4 BzAMG. Die in Art. 60 und gleichlautend § 35 III BzVG vorgesehene Abwahl- 3 möglichkeit ist mit Art. 33 V G G vereinbar. Dies hat das BVfG (E 7, 155) zum Gemeindeverfassungsrecht der Bundesrepublik entschieden. Ausgangspunkt ist, daß in der Verfassungswirklichkeit der kommunalen Körperschaften die Bedeutung und der Einfluß der politischen Parteien wachsen und die Arbeit in den Gemeindeparlamenten im allgemeinen Bewußtsein als echt politische Tätigkeit gewertet wird. Durch Verstärkung der demokratisch-parlamentarischen Momente in der gemeindlichen Selbstverwaltung gewinnt die Gleichgestimmtheit zwischen Gemeindevertretung und leitenden Kommunalbeamten an Bedeutung. Dies gestattet die Ausgestaltung der Stellung eines Gemeinde-Bürgermeisters als die eines politischen Beamten, der vom politischen Vertrauen der maßgebenden politischen Macht abhängt. Aufgrund dieser Entwicklung erscheint die Einführung des Instituts der vorzeitigen Abwahl eines Gemeinde-Bürgermeisters durch politischen Willensakt allein wegen des Vertrauensverlustes der Gemeindevertretung als eine zulässige Fortentwicklung der hergebrachten Grundsätze im Sinne des Art. 33 V GG. Es ist zwar richtig, daß infolge der Verknüpfung von Dienstrecht und politischem Postulat die Unabhängigkeit des politischen Wahlbeamten mehr geschmälert ist als die des Beamten auf Lebenszeit. Aber auch dem politischem Beamten steht ein Mindestmaß an Unabhängigkeit gegenüber politischen Instanzen durch Schaffung wirtschaftlicher Sicherung zu; außerdem muß die Unabhängigkeit auch durch gesetzliche Hemmnisse einer Abwahl gewährleistet werden. Unter diesen Umständen genügt die Regelung der Art. 60, § 35 III BzVG, wonach die Abberufung einer Mehrheit von 2/3 der verfassungsmäßigen Mitgliederzahl der BVV bedarf, diesen Grundsätzen. Außerdem schreibt § 35 III 2 und 3 BzVG noch vor, daß über die Abberufung nach zweimaliger Beratung abzustimmen ist; die zweite Beratung darf frühestens 2 Wochen nach der ersten erfolgen. 273

Art. 60 4

Abschnitt VI: Die Verwaltung

Die Abberufung nach Art. 60 S. 1 bedarf keiner Begründung. Um das gesamte BzA abzuberufen, müßte ein Beschluß über jedes einzelne BzA-Mitglied gefaßt werden. Dies bedeutet eine erhebliche Erschwerung gegenüber der VVGB, Art. 18 IV. Nach der Abberufung muß die BVV nach Art. 53 S. 1 eine entsprechende Neuwahl zum BzA vornehmen. Eine Regelung entsprechend Art. 42 III, wonach ein Mißtrauensvotum seine Wirksamkeit nach einer gewissen Zeit verliert, ist für ein BzA-Mitglied nicht vorgesehen. 5 Das Amtsverhältnis eines BzA-Mitglieds endet 1. mit Ablauf der Amtszeit, für die es ernannt ist ( § 1 1 BzAMG) 2. durch Tod (§ 63 I L B G ) 3. mit Entlassung 4. mit Verlust der Beamtenrechte 5. durch Entfernung aus dem Dienst nach der L D O 6. mit Eintritt in den einstweiligen Ruhestand 7. bei freiwilligem Rücktritt nach Eintritt der Dienstunfähigkeit oder Vollendung des 65. Lebensjahres, ebenso bei Annahme der Wahl zum Mitglied des SvB, §§ 6 I, 3 III BzAMG oder des Deutschen Bundestages, § 3 IV BzAMG. Ein Mitglied des BzA tritt in den einstweiligen Ruhestand, entweder a) mit Ablauf des Tages, an dem nach einer vorzeitigen Auflösung der BVV nach § 5 II 2 BzVG die neugewählte BVV das BzA wählt (vgl. dazu auch § 1 1 4 BzAMG), oder b) mit Ablauf des Tages der Abberufung durch die BVV nach Art. 60 S. 1, § 35 II BzVG. 6 Ein politisches Rücktrittsrecht ist für die BzA-Mitglieder nicht vorgesehen. Machalet (S. 144) und Dietze (Bezirksverfassung S. 190) schließen allein daraus, daß ihnen ein solches Rücktrittsrecht auch nicht zustehe. Allerdings ist unstreitig, daß ein Mitglied des BzA nach § 66 LBG seine Entlassung verlangen kann, die für den beantragten Zeitpunkt grundsätzlich auch auszusprechen ist. Die Entlassung kann allerdings solange hinausgeschoben werden, bis der Beamte seine Amtsgeschäfte ordnungsgemäß erledigt hat, längstens drei Monate. Ein weitergehendes Rücktrittsrecht, etwa sofort seine Dienstgeschäfte verlassen zu dürfen, kann einem BzA-Mitglied im Hinblick darauf schon nicht zustehen, daß auch ein Mitglied der BReg. oder ein Mitglied des SvB nicht mit sofortiger Wirkung unmittelbar seine Dienstgeschäfte verlassen darf. Diese Auffassung bestätigt auch § 3 b I 1 BzAMG. 7 Ein Mitglied eines BzA, das bei seiner Ernennung Landesbeamter mit Dienstbezügen war und während der Amtszeit auf eigenen Antrag entlassen wird oder nach Ablauf der Amtszeit nicht in den Ruhestand tritt, ist von der früheren Dienstbehörde wieder in das Beamtenverhält274

Art. 61

Personalkompetenz (Neumann)

nis zu übernehmen, wenn es die Voraussetzungen hierfür noch erfüllt (im weiteren vgl. § 3 b BzAMG). Für die Pensionsansprüche als BzStR ist das LBG anzuwenden. Diese Regelung gilt entsprechend auch für BzA-Mitglieder, die vor ihrer Ernennung Richter oder Angestellte oder Arbeiter im Dienste des Landes Berlin waren. Gegen die Wahl eines BzA-Mitgliedes durch die BVV kann der SvB 8 im Rahmen der Bezirksaufsicht vorgehen, vgl. Art. 50, Rdn. 21. Dieses Mittel steht ihm gegen ein ernanntes BzA-Mitglied nicht zu; in diesem Falle bleibt, um eine vorzeitige Ablösung des BzA-Mitgliedes zu erreichen, nur der Weg über die Ausübung der Disziplinargewalt. Der Verfassungsausschuß hatte ursprünglich vorgesehen, daß dem SvB die Abberufung möglich sei, dagegen die BVV aber binnen 21 Tagen die Aufhebung dieser Abberufung beim AvB beantragen kann (vgl. Rdn. 1). Diese Regelung hat nicht in die VvB Eingang gefunden. Gegen eine Maßnahme der Bezirksaufsicht, mit der ein Wahlbeschluß des BVV aufgehoben wird, können sowohl die BVV als auch der Gewählte gerichtlich vorgehen (vgl. Art. 50, Rdn. 21).

Artikel 6 1 (1) Alle Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen im öffentlichen Dienst erfolgen durch den Senat. Für die Bezirke wird dieses Recht den Bezirksämtern übertragen. (2) Über die Versetzung aus einem Bezirk in einen anderen, aus der Hauptverwaltung in die Verwaltung eines Bezirks oder umgekehrt entscheidet der Senat nach Anhörung der beteiligten Bezirksämter. Materialien 1. Vgl. Art. 60 I und III GG; 51 VBW; 94 f BV; 118 VHB; 45 VHH; 108 HV; 29 II VNV; 58 VNW; 102 VRP; 94 VS; 26 LS 2. W G B : Art. 11IV, 31 3. Änderungen: -

Erläuterungen Zum Zeitpunkt der Verfassungsberatung, nämlich vor 1950, gab es 1 in der Berliner Verwaltung keine Beamten, sondern nur Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. Deren Rechtsverhältnisse waren durch Tarifverträge zwischen dem MvB und den Gewerkschaften geregelt worden. 275

Art. 61

Abschnitt VI: Die Verwaltung

Die SED forderte, in Art. 61 einen Abs. III aufzunehmen, nach dem das Mitbestimmungsrecht der Bediensteten in der Verwaltung besonders hervorgehoben wird. Dem hat sich insbesondere die SPD mit der Begründung widersetzt, daß sie davon ausgehe, daß es ohnehin in der Verwaltung keine Beamten, sondern nur Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes geben würde, und damit Art. 17 VvB das Mitbestimmungsrecht auch in der Verwaltung insoweit gewährleiste (vgl. insbesondere StV Wissell in StB StVV 1/62, S. 48 ff). Nach der Verabschiedung des G G ist auch in der Verwaltung Berlins der Beamtenstatus wieder eingeführt worden. 2 Durch Art. 61 I ist dem SvB die Personalhoheit über alle im öffentlichen Dienst Berlins befindlichen Personen überantwortet (Landsberg/ Goetz S. 173). Die Frage der Mitwirkung bei Personalentscheidungen durch die Personalvertretungen ist hiervon nicht berührt. Die Begriffe „Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen" sind nicht technisch und abschließend gemeint; daß z. B. der Ausdruck „Ernennung" zum Beamten fehlt, erklärt sich daraus, daß man bei der Verabschiedung der VvB noch davon ausgegangen war, daß es ein besonderes Beamtenverhältnis nicht geben wird (vgl. oben Rdn. 1). Von Art. 6 1 1 werden also auch Rechte wie Beförderung, Höhergruppierung und Versetzung in den Ruhestand erfaßt (vgl. auch Barschel/Gebel, Art. 26 LS, Anm. C I 2). Im öffentlichen Dienst des Landes Berlin sind Beamte, Angestellte und Arbeiter beschäftigt. 3 Landesbeamter ist, wer zum Land Berlin oder zu einer landesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts in einem Beamtenverhältnis steht. Unmittelbarer Landesbeamter ist, wer das Land Berlin zum Dienstherrn hat; mittelbarer Landesbeamter, wer eine landesunmittelbare Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zum Dienstherrn hat. Dies ergibt sich aus § 2 LBG. Die Differenzierung in unmittelbare und mittelbare Landesbeamte ändert nichts daran, daß gemäß Art. 6 1 1 alle Beamten im Land Berlin vom SvB oder im Namen des SvB ernannt werden. Diese Kompetenz für den SvB besteht kraft Verfassungsrechts. Soweit die Verfassung nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht, kann dementsprechend diese Kompetenz auch nicht auf andere Stellen derart übertragen werden, daß der SvB von der Personalentscheidung ausgeschlossen ist. § 12 III LBG, wonach die mittelbaren Landesbeamten von dem durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung bestimmten Organ ernannt werden, ist unter Berücksichtigung von Art. 6111 verfassungskonform dahingehend zu verstehen, daß auch diese Ernennung im Namen des SvB erfolgt. Ein solches Organ kann den SvB auch nicht binden. Genausowenig wie der SvB seine verfassungsmäßige Kompetenz einem Organ übertragen 276

Personalkompetenz (Neumann)

Art. 61

kann, das mit verbindlicher Wirkung diese Personalentscheidung vornimmt, kann ein Landesgesetz das Personalhoheitsrecht auf ein anderes Organ als den SvB übertragen. Ebenso ist § 9 EigG, der die Personalentscheidungen in den Eigenbetrieben regelt, nach Art. 6 1 1 1 dahingehend verfassungskonform auszulegen, daß die Geschäftsleitungen der Eigenbetriebe nicht letztverbindlich die Personalentscheidungen für ihren Bereich treffen, sondern der SvB. Art. 6 1 1 1 verpflichtet somit alle Personaleinstellungsbehörden, dem SvB Gelegenheit zur Stellungnahme vor einer Personalentscheidung zu geben. Als Inhaber der Personalhoheit muß der SvB sein Ermessen ausüben können. Von Verfassung wegen vorgesehen ist, daß die Bezirke das Personal- 4 entscheidungsrecht für ihren Bereich haben, Art. 6 1 1 2 . Art. 37 garantiert dem PrAvB im Rahmen des Stellenplans einen eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum bei den Personalentscheidungen über in der Verwaltung des AvB beschäftigte Personen, obwohl die VvB das anders als z. B. Art. 26 S. 3 LS nicht ausdrücklich sagt. Aber auch hier findet Art. 6 1 1 1 mit der Folge Anwendung, daß diese Bediensteten im Namen des SvB einzustellen usw. sind; dies entspricht auch der Praxis. Oberste Dienstbehörde ist für die Beamten in der Hauptverwaltung 5 das Mitglied des SvB, zu dessen Geschäftsbereich die Dienstbehörde gehört; für die Beamten beim AvB dessen Präsident; für die Beamten des L R H dessen Präsident; für die Beamten der Bezirksverwaltungen der Senator für Inneres, ausnahmsweise für die Beamten des Schul- und Schulaufsichtsdienstes der Senator für Schulwesen; für die mittelbaren Landesbeamten das durch Gesetz, Satzung oder in sonstiger Weise berufene Organ der Person des öffentlichen Rechts. Soweit Befugnisse von Dienstbehörden auf das LVwA übertragen worden sind, ist immer der Senator für Inneres oberste Dienstbehörde, vgl. § 3 I LBG. Für die nicht beamteten Angehörigen des öffentlichen Dienstes des 6 Landes Berlin gilt das vorgesagte entsprechend. Auch ihre Einstellung erfolgt abreitsrechtlich durch den oder im Namen des SvB. Arbeitgeber für alle im öffentlichen Dienst Berlins beschäftigten Arbeitnehmer ist das Land Berlin. Dies gilt selbstverständlich für die Arbeitnehmer in der Hauptverwaltung, aber auch für die in den Bezirksverwaltungen (so zutr. B A G B B 1977, 194; Urt. v. 27. 10. 1 9 7 6 - 4 A Z R 580/75) und auch für die bei den landesunmittelbaren Personen des öffentlichen Rechts Beschäftigten. Auf die Rechtsfähigkeit der Anstellungskörperschaft oder -behörde kommt es dabei nicht an. Soweit die VvB nicht etwas anderes bestimmt, treffen den SvB sowohl alle Rechte als auch alle Pflichten der Arbeitgeberstellung (falsch daher ArbG Berlin Urt. v. 2 1 . 5 . 1 9 7 5 - 3 3 Ca 14/75; Urt. v. 21.4. 1 9 7 7 - 1 7 Ca 14/77). 277

Art. 61 7

Abschnitt VI: Die Verwaltung

Etwas anderes bestimmt ist z. B. in Art. 6 1 1 2 , wonach die BzA für ihren Bereich die Arbeitgeberfunktion ausüben. Dadurch entsteht für Berlin die Merkwürdigkeit, daß einer Stelle, die nicht juristische Person ist, nämlich ein BzA, Arbeitgeberkompetenzen zur eigenen Verfügung stehen, dies aber bei Personen mit Rechtsfähigkeit, wie allen Körperschaften, Stiftungen und Anstalten, nicht der Fall ist. Wird das BzA als Arbeitgeber tätig, sind solche Aufgaben jedoch nicht vom Kollegium zu erledigen, sondern nach § 38 II 1 BzVG von dem für die Personalentscheidungen unmittelbar zuständigen Bezirksamtsmitglied. Das ist für den Bereich der Verwaltung grundsätzlich der BzStR für Personal und Verwaltung (in der Regel der BzBgm.), für das Lehrerpersonal der BzStR für Volksbildung. Das BzA kann sich allerdings Entscheidungen in Personalangelegenheiten vorbehalten. Als zweckmäßig hat es sich erwiesen, die Entscheidung über die Einstellung, Beförderung und Versetzung von Beamten und Angestellten von einer bestimmten Besoldungs- oder Vergütungsstufe ab sowie bestimmte Entscheidungen über disziplinarrechtliche Maßnahmen nach der LDO und der D D O dem Kollegium vorzubehalten (vgl. Machalet S. 155). Die Zuständigkeit der Bezirke in den sie betreffenden Personalsachen erstreckt sich auch auf die Zuständigkeit als Disziplinarbehörde gem. §§ 14, 16, 31 LDO gegenüber Beamten sowie auch gegenüber den privatrechtlichen Dienstnehmern nach der DDO. 8 Direkte Ein- oder Mitwirkungsmöglichkeiten des SvB oder der Hauptverwaltung bei Personalentscheidungen der Bezirke sind grundsätzlich ausgeschlossen. Abgesehen von den Maßnahmen der Bezirksaufsicht und den Befugnissen der obersten Dienstbehörde stehen der Hauptverwaltung keinerlei Weisungsrechte zu (insoweit unrichtig B A G Urt. v. 27. 10. 1976 - 4 A Z R 580/75; richtig dagegen ArbG Berlin Urt. v. 12. 11. 1 9 7 4 - 1 9 Ca 125/73 - und LAG Berlin Urt. v. 13.8. 1 9 7 5 - 6 Sa 20/75 — als Vorinstanzen). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Frage, ob Kündigungsgründe i. S. d. § 1 KSchG vorliegen, nicht Ermessens-, sondern eine reine Rechtsentscheidung darstellt (BAG NJW 1961, 940; NJW 1964, 2369); eine Kündigungsentscheidung eines BzA könnte also im Wege der Bezirksaufsicht aufgehoben werden. 9 Auch im Bereich des Schulwesens bestehen Besonderheiten, die von Art. 5 1 1 2 gedeckt werden: Dort hat der Senator für Schulwesen bezüglich Lehrern, Schulleitern und Schulräten Vorschlags-, Bestätigungsund Zustimmungsbefugnisse (vgl. DB1. III/1952 Nr. 7). Außerdem besetzt der Senator jede 5. Planstelle der Schulleiter und Oberstudienräte in den bezirklichen Schulen (vorläufige Richtlinie vom 4. 6. 1954, DB1. III/1954 Nr. 52). Da die Schulaufsicht Vorbehaltsaufgabe ist, üben die Schulräte der 278

Personalkompetenz (Neumann)

Art. 61

Bezirksverwaltung die örtliche Schulaufsicht im Namen des Senators für Schulwesen aus, vgl. Art. 5 1 1 2 ; Abschn. XXXV Abs. 1 der Anlage zu § 1 D V O - A Z G . Insoweit unterliegen die Schulräte der fachlichen Weisung des Senators für Schulwesen. Schulaufsicht betrifft allerdings nur die sog. inneren Schulangelegenheiten; in den äußeren Schulangelegenheiten führen die Bezirke bezirkseigene Angelegenheiten aus (vgl. Machalet S. 90). Zur Abgrenzung der inneren und äußeren Schulangelegenheiten vgl. die Richtlinien für Verwaltungsakte in inneren Schulangelegenheiten (Widerspruchsverfahren) vom 12. 11. 1966 (DB1. III/1966 Nr. 12). Eine Einschränkung der bezirklichen Personalhoheit ergibt sich dar- 10 aus, daß die Bezirke an die gesetzlichen Bestimmungen, Tarifvorschriften und auch an Verwaltungsvorschriften im Rahmen des A Z G gebunden sind. Die zur Durchführung des LBG erforderlichen Rechtsverordnungen erläßt nach § 196 I LBG der SvB; er regelt gemäß § 13 a LfbG auch das Nähere über die Laufbahn der Beamten. Die entsprechenden Verwaltungsvorschriften erläßt die oberste Dienstbehörde, also ein Senatsmitglied. Der Erlaß von Verwaltungsvorschriften für die Personalangelegenheiten der Beamten (§ 196 II LBG) und der Nichtbeamten (§ 6 III A Z G ) ist dem 'Senator für Inneres übertragen. Die Ausübung des Ermessens des BzA kann damit empfindlich beschnitten werden. Nach O V G Berlin vom 17. 2. 1970 (zitiert bei Machalet S. 90) ist dies verfassungsrechtlich zulässig, weil die Ermessensbindung insbesondere zur Verwirklichung des Gleichheitssatzes erforderlich ist. Die Bildung einer Landeskommission zwecks politischer Überprüfung der Beamtenanwärter (in Ausführung des Radikalen-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts, B V f G E 39, 334) hält sich damit im verfassungsrechtlichen Rahmen. Uber die Versetzung innerhalb der Hauptverwaltung entscheidet der 11 SvB. Über die Versetzung innerhalb einer Bezirksverwaltung entscheidet das BzA. Über die Versetzung aus einem Bezirk in einen anderen, aus der Hauptverwaltung in die Verwaltung eines Bezirks oder umgekehrt, entscheidet der SvB nach Anhörung der beteiligten BzA. Zur Versetzung innerhalb der Hauptverwaltung im Sinne des Art. 61 gehören auch Versetzungen von einer (juristischen) Person des öffentlichen Rechts (einschließlich eines Eigenbetriebes) zu einer anderen Person, also z. B. die Versetzung von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung zur Freien Universität oder von der BVG zur Senatsverwaltung für Finanzen. Eine Anhörung der beteiligten Stellen ist hier anders als für die Fälle des Art. 61 II nicht vorgeschrieben. Allerdings sind insoweit bundesrechtliche Vorschriften zu beachten, wie die §§ 123, 128 ff B R R G (vgl. dazu B A G DVB1. 1977, 454 m. Anm. Lüke aaO) oder son279

Art. 61

Abschnitt VI: Die Verwaltung

stige Bestimmungen, z. B. in den Satzungen der Personen des öffentlichen Rechts. 12 Art. 61 II entzieht Versetzungen der Disposition der BzA. Auch einvernehmlich zwischen zwei beteiligten BzA kann eine Versetzung nicht stattfinden. Obwohl Art. 61 II nur von einer Anhörung spricht, darf der SvB über seine Versetzungskompetenz die grundsätzliche Selbstentscheidungsbefugnis des BzA nach Art. 6 1 1 2 nicht unterlaufen (dies verkennt B A G Urt. v. 27. 10. 1976 - 4 A Z R 580/75). 13 Für die Entscheidung über Entlassungen gilt das zu den Einstellungen Gesagte entsprechend.

280

Abschnitt VII Die Rechtspflege Artikel 6 2 Die Rechtspflege ist im Geist dieser Verfassung und des sozialen Verständnisses auszuüben. Materialien

1. vgl. Art. 134 VHB 2. VVGB: Art. 3 3. Änderungen: -

Erläuterungen Die Art. 62 bis 72 befassen sich in sehr unterschiedlicher Weise mit 1 dem Gebiet der Rechtspflege. Mit der Verwendung des Begriffes „Rechtspflege" meint der Verfassungsgeber die Tätigkeit der dritten Gewalt im klassischen Sinn. Der Begriff ist identisch mit dem im GG verwandten Begriffen „Rechtsprechung" und „Rechtsprechende Gewalt". Der Ausdruck „Rechtspflege" ist lediglich eine Folge der der VvB in vielen Bestimmungen eigenen Anlehnung an die Bestimmungen der WRV, hier an den 7. Abschnitt, die Art. 102 ff WRV. Durch Art. 3 I 2 ist die Rechtsprechung wie in Art. 20 G G nach den 2 Grundsätzen der Gewaltenteilung als selbständige und unabhängige dritte Gewalt festgelegt. Die Art. 63, 64 konkretisieren diese Grundentscheidung weiter. Art. 69 und 70 wiederum konkretisieren Art. 63 in bezug auf den Richter als Inhaber der richterlichen Gewalt, während Art. 62 ihm eine Verhaltensregel für die Ausübung der richterlichen Gewalt gibt. Art. 65 bis 67, 68 Satz 1 und 71 II enthalten Justizgrundrechte des Bürgers. Sie sind vergleichbar den Art. 101 und 103, aber auch 19 IV GG. Art. 70, 71 I und 72 schließlich enthalten Errichtungskompetenzen 281

Art. 6 3

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

für den Landesgesetzgeber, Art. 71 I darüber hinaus eine institutionelle Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 3 Art. 62 gibt dem Richter eine Verhaltensregel (vgl. Spitta, Art. 134 VHB). Durch Art. 64 ist der Richter an Gesetz und Recht gebunden. Art. 62 befreit ihn nicht von dieser Bindung, sondern erteilt den Auftrag, Landesrecht entsprechend der Wertordnung der VvB, wie sie insbesondere in den Grundrechten zum Ausdruck kommt, anzuwenden und ggf. anhand der Bestimmungen der VvB zu überprüfen (vgl. Art. 64, Rdn. 4 ff). Ferner wird der Richter besonders an das Prinzip des sozialen Rechtsstaats (Art. 28 I 1 GG) erinnert, dort, wo es die Gesetze zulassen (bei der Anwendung von Generalklauseln, z. B. § 556 a BGB), auch die sozialen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen.

Artikel 6 3 (1) Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte im Namen des Volkes ausgeübt. (2) An der Rechtspflege sind Männer und Frauen aller Volksschichten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu beteiligen. Materialien 1. vgl. zu Art. 63 I: Art. 92 S. 1, 97 I G G ; 25 III 2, 65 V B W ; 5 III, 85 B V ; 135 I V H B ; 62 S. 1 V H H ; 126 H V ; 39 I, III V N V ; 3 III, 72 I V N W ; 121 V R P ; 112 I, 113 VS; 2 III, 36 I LS; zu Art. 63 II: Art. 88 B V ; 135 II V H B ; 62 S. 2 V H H ; 3 9 II V N V ; 7 2 II V N W ; 123 V R P 2. V V G B : 3. Änderungen: 1. Ä n d G V v B vom 8. 1. 1951 (VOB1. I S . 99)

Erläuterungen 1

Ursprünglich lautete der Text des Abs. 1: „. . . im Namen des Deutschen Volkes . . .". Durch das 1. ÄndGVvB vom 8. Januar 1951 (VOB1. I S. 99) ist das Wort „Deutschen" gestrichen worden in Angleichung an die Formulierung der Prozeßgesetze des Bundes (vgl. § 268 I StPO). 2 Art. 63 garantiert wie Art. 97 I G G die richterliche Unabhängigkeit und bestimmt wie Art. 92 S. 1 G G , daß die rechtsprechende Gewalt nur durch Gerichte ausgeübt werden kann. Gleichzeitig gibt Art. 63 I eine Weisung für die Urteilsverkündung wie z. B. § 268 I StPO. Art. 63 282

Grundsätze (Pfennig)

Art. 63

I ist somit als inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht in Kraft (BVfGE 36, 342, 367 f; Art. 6, Vbm. Rdn. 29). Obwohl Art. 63 I von unabhängigen, nur dem Gesetz unterworfenen 3 Gerichten spricht, garantiert diese Bestimmung wie Art. 97 I G G dem einzelnen Richter, soweit er rechtsprechende Gewalt ausübt, richterliche Unabhängigkeit. Dies gilt sowohl für Berufs- wie Laienrichter. Die Unabhängigkeit des Richters ist von Verfassungswegen vorgegeben, d. h., ist eine Spruchbehörde Gericht, so ist sie unabhängig, gleichgültig was das sie organisierende Gesetz darüber sagt (Bettermann, Hb G R III 2, S. 635 sub III 1; ders. A ö R 92, 496, 533). Die richterliche Unabhängigkeit dient dem Schutz der rechtsprechenden Gewalt vor Eingriffen durch die Exekutive, aber auch der Legislative (BVfGE 12, 71). Sie bedeutet nicht nur Freiheit in der rechtsprechenden Tätigkeit von jeder Bindung durch Dienstgewalt, sondern verhindert auch, einen Richter wegen seines Urteils zur Rechenschaft zu ziehen. Ausgenommen hiervon sind lediglich Fälle der Rechtsbeugung (vgl. §§ 839 II BGB; 336 StGB). Die wichtigsten Mittel, um die Neutralität der rechtsprechenden Gewalt zu sichern, sind abgesehen von der Gewaltenteilung, die sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Richters. Zur sachlichen Unabhängigkeit gehört insbesondere die Freiheit von 4 Weisungen der Exekutive und die ausschließliche Unterwerfung unter die gültigen Gesetze. Unter „Gesetz" ist dabei nicht nur das förmliche Gesetz zu verstehen, sondern das Recht im materiellen Sinne, insbesondere auch gültige Rechtsverordnungen (BVfGE 18, 59). Die sachliche Unabhängigkeit des Richters betrifft nur das Verhältnis des Richters zu den Trägern nichtrichterlicher Gewalt. Zulässig ist daher eine gesetzliche Bindung des Richters an die Entscheidungen eines anderen Gerichtes (BVfGE 12, 67). Die sachliche Unabhängigkeit wird durch die Garantie der persön- 5 liehen Unabhängigkeit gesichert (BVfGE 4, 346; 14, 69; 14, 162). Die persönliche Unabhängigkeit der Berufsrichter folgt unmittelbar aus Art. 97 II G G . Danach können die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus den Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Art. 97 II G G verlangt nicht Anstellung auf Lebenszeit (BVfGE 3, 214; 14, 70; 18, 255), was die Voraussetzung für die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit des Richters ist. Daraus folgt aber nicht, daß für solche nicht endgültig angestellten Richter (insbesondere Richter auf Probe oder kraft Auftrags) ihre persönliche Unabhängigkeit allgemein zur Disposition steht. Auch bei 283

Art. 6 3

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

ihnen muß die persönliche Unabhängigkeit soweit gesichert sein, daß ihre sachliche Unabhängigkeit gewährleistet bleibt (BVfGE 14, 70). Allerdings dürfen solche Richter ohne die Garantien des Art. 97 II G G nur aus zwingenden Gründen (z. B. Ausbildung, Eignungserprobung) zur Rechtsprechung herangezogen werden (BVfGE aaO). 6 Art. 63 I gebietet allen Richtern, Urteile „Im Namen des Volkes" auszusprechen. Dies gilt für alle Zweige der Gerichtsbarkeit, ist allerdings im wesentlichen schon durch Prozeßrecht des Bundes geboten. 7 Art. 63 II gilt nur für Landesgerichte. Seine Bedeutung ist gering, da die wesentlichen - materiell identischen - Entscheidungen bereits durch Art. 92 und 97 G G getroffen sind. Zur Landesgerichtsbarkeit gehören: 8 a) die ordentliche Gerichtsbarkeit (AG, LG, KG) — die Bezirke Reinickendorf, Wilmersdorf, Tempelhof, Steglitz und Zehlendorf haben kein eigenes A G ; für sie sind A G Wedding (für Reinickendorf), A G Charlottenburg (für Wilmersdorf), A G Tempelhof-Kreuzberg (für Tempelhof), A G Schöneberg (für Steglitz und Zehlendorf) zuständig (vgl. § 1 BlnGerG und § 1 AGKonzG). — Ferner sind eine Reihe von amtsgerichtlichen Zuständigkeiten auf bestimmte A G konzentriert (vgl. im einzelnen die 1. und die 2. AGKonzVO), z. B.: - zivilrechtliche Verkehrssachen, Namens-, Wettbewerbs-, Waren* und Firmenbezeichnungs- sowie Urheberrechtsstreitigkeiten, ferner Konkurs- und Vereinssachen sowie die Führung des Handels- und Güterrechtsregisters beim A G Charlottenburg. - Personenstandssachen, Entscheidungen über Freiheitsentziehungen nach dem AuslG sowie über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen, ferner ausländischer Unterhalts- und sonstiger Schuldtitel im Rahmen des Haager Übereinkommens vom 1 . 3 . 1954 und 15. 4. 1958 beim A G Schöneberg. Diese Zuständigkeitsvorschrift gilt nicht für die Vollstreckung von Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen aus der D D R . Sie brauchen als deutsche, aber außerhalb des Geltungsbereichs der in Berlin geltenden Gerichtsverfassung ergangene Entscheidungen nicht für vollstreckbar erklärt zu werden, können aber nur vollstreckt werden, wenn die Entscheidung oder ihre Vollstreckung nicht gegen die verfassungsmäßigen Grundsätze, gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck bestehender Rechtsvorschriften verstößt und über die Zulässigkeit der Vollstreckung zuvor auf Antrag des Gläubigers durch das LG Berlin, bei arbeitsgerichtlichen Entscheidungen durch das ArbG Berlin, 284

Grundsätze (Pfennig)

Art. 63

entschieden wurde; aufgrund streitiger Verhandlung ergangene Unterhaltstitel und vollstreckbare Urkunden und Titel i. S. d. § 794 I Nr. 1 - 5 Z P O sind unter den gleichen Bedingungen ohne vorherige Entscheidung des L G vollstreckbar; hier kann aber die Unzulässigkeit der Vollstreckung durch das L G auf Antrag des Schuldners festgestellt werden (vgl. Gesetz über die Vollstreckungsentscheidungen auswärtiger Gerichte vom 26. 2. 1953, GVB1. S. 152). Wegen der Umrechung von Ost-Mark (Mark der DDR)-Titeln in Deutsche Mark vgl. Art. 50, Rdn. 29. Für Strafsachen ist das Rechts- und Amtshilfeverfahren besonders geregelt im Bundesgesetz über die innerdeutschen Rechtsund Amtshilfen in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I S. 161 m. Änd. vom 18. 10. 1974 BGBl. I S. 2879 GVB1. S. 2722), das eine letztinstanzliche Entscheidung des B G H für Uberstellungsgesuche der D D R vorsieht.

b) c) d) e) f) g) h)

i)

k)

— Straf-, Jugendgerichts- und Bußgeldsachen sowie Entscheidungen über Freiheitsentziehungen und Durchsuchungen der Polizeibehörden sowie Hinterlegungssachen beim A G Tiergarten (s. aber Art. 71, Rdn. 4); Verwaltungsgerichtsbarkeit (VG und OVG) gem. § 11 A G V w G O ; 9 Finanzgerichtsbarkeit (FG) gem. § 1 A G F G O ; Sozialgerichtsbarkeit (SG und LSG) gem. § 1 A G S G G ; Arbeitsgerichtsbarkeit (ArbG und LAG) Entnazifizierungsgerichtsbarkeit (Spruchkammer und Berufungsspruchkammer) gem. §§ 7 und 9 des 2. EntnazifG; Wahlprüfungsgerichtsbarkeit (WPG) gem. § 1 WprüfG; Rückerstattungsgericht (betr. Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen) gem. B K / O (49) 180 vom 26. 7. 1949 i. d. F. vom 25. 4. 1953 - GVB1. 282; Berufsgerichtsbarkeit [vgl. § 19 KamG] aa) für Rechtsanwälte bb) für Notare cc) für Ärzte dd) für Zahnärzte ee) für Tierärzte ff) für Apotheker gg) für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Disziplinargerichtsbarkeit (VG und OVG) gem. § 39 I L D O .

1) Kartellgerichtsbarkeit; sie gehört auch insoweit, als das Berliner KG in erster Instanz zur Entscheidung über Maßnahmen des Bundes285

Art. 64

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

kartellamts gemäß § 62 IV GWB zuständig ist, zur Landesgerichtsbarkeit (BVfGE 20, 257, 267), 10 Nicht zur Landesgerichtsbarkeit gehören dagegen das BVwG und der 5. Strafsenat des BGH, die ihren Sitz in Berlin haben (vgl. Art. 1, Rdn. 62). 11 Die Kompetenzen der Landesgerichtsbarkeit sind weder im GG noch in der VvB, abgesehen von Art. 71 VvB, geregelt. Gem. Art. 74 Nr. 1 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für diese Frage. Mit dem G V G und den Verfahrensgesetzen hat er von dieser Zuständigkeit in der Weise Gebrauch gemacht, daß dem Landesgesetzgeber nahezu kein eigener Spielraum mehr verblieben ist (vgl. jedoch § 8 II AGVwGO, das die §§ 28 c I, 28 d und 28 e des BlnVGG vom 8. 1. 1951 (VOB1. I S. 46) betreffend Gerichtskosten und Armenrecht aufrechterhalten hat). 12 Art. 63 II sichert das Prinzip der Beteiligung ehrenamtlicher Richter an der Rechtsprechung. Danach sind unbescholtene Männer und Frauen, die vom betreffenden Wahlausschuß aufgrund der Vorschlagslisten der BVVen (vgl. Art. 56, Rdn. 15) zu ehrenamtlichen Richtern gewählt und berufen werden, berechtigt und gesetzlich verpflichtet (vgl. § 35 GVG), als ehrenamtliche Richter an der Rechtsprechung teilzunehmen (s. EhrRiEG). Ob und wie eine Beteiligung von ehrenamtlichen Richtern an der Rechtsprechung in Betracht kommt, richtet sich überwiegend nach dem vorrangigen GVG und den Prozeßgesetzen des Bundes (vgl. z. B. §§ 105, 107 - 113 GVG für ehrenamtliche Richter in den Kammern für Handelssachen; § § 2 9 ff, 76 und 77 für die Schöffen bei Schöffengericht, Schwurgericht und Strafkammer; §§ 19 bis 34 VwGO über die ehrenamtlichen Richter bei VG und OVG).

Artikel 6 4 Die Richter sind an die Gesetze gebunden. Materialien

1. zu Art. 64 n. F. vgl. Art. 20 III GG; 25 II VBW; 85 BV; 64 I VHH; 132 HV; 121 V R P ; 3 6 I L S 2. zu Art. 64 II a.F. vgl. Art. 100 GG; 68 I Nr. 3 VBW; 92, 65 BV; 142 VHB; 64 II VHH; 133 HV; 75 VNW; 135 a VRP; 99 VS; 37 II LS 3. VVGB: 4. Änderungen: 17. ÄndGVvB vom 22. 11. 1974 (GVB1. S. 2741)

286

Gesetzesbindung (Pfennig)

Art. 64

Erläuterungen Art. 64 hatte in seiner ursprünglichen Fassung einen Abs. 2, der 1 lautete: D i e Gerichte sind nicht befugt, G e s e t z e und Verordnungen, die das A b g e ordnetenhaus beschlossen hat, auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Dementsprechend bestimmte Art. 85, daß alte Rechtsvorschriften aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der VvB nicht von den Gerichten auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls außer Kraft zu setzen waren, sondern daß dies innerhalb der 1. Wahlperiode durch das AvB zu geschehen hätte. Schon bald nach Inkrafttreten der VvB wurde von den Gerichten erkannt (siehe KG NJW 1966, 598 f), daß die Gerichte Gesetze und Verordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit Vorschriften höheren Geltungsranges zumindest zu prüfen haben, wovon auch Art. 100 G G ausgeht (zur Verwerfungskompetenz der Berliner Gerichte hinsichtlich Landesrechts s. unten Rdn. 5 ff). Es wurde erkannt, daß Art. 64 II insoweit grundgesetzwidrig ist (vgl. Denkschrift SvB). Art. 64 II wurde daher durch 17. ÄndGVvB aufgehoben. Der jetzt einzige Absatz des Art. 64 wiederholt für den Bereich der Landesverfassung den als Rechtsstaatsgebot auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, den das G G in Art. 20 III normiert. Art. 64 besteht als inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht neben Art. 20 III G G (BVfGE 36, 342, 367 f) fort. Das gebietet schon Art. 28 I GG. Art. 64 bringt wie Art. 20 III G G zum Ausdruck, daß der Richter nicht befugt sein soll, sich über Gesetz und Recht hinwegzusetzen. Alle wirksamen Gesetze binden den Richter, und zwar nicht nur förmliche Gesetze, sondern alle Gesetze im materiellen Sinn, d. h. auch Rechtsverordnungen und Satzungen. Darüberhinaus ist der Richter auch an wirksames Gewohnheitsrecht gebunden. Die Bindung des Richters in seinen Entscheidungen an das materielle Recht hat ihre Grenze allerdings dort, wo der Richter zur Überzeugung gelangt, daß das anzuwendende Recht gegen höherrangige Rechtsnormen, insbesondere Verfassungsrecht verstößt. Art. 100 I G G bestätigt, daß der Richter ein Prüfungsrecht und eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen hat. Dieses Prüfungsrecht des Richters wird auch durch Art. 64 nicht beeinträchtigt. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob ein Richter eine Verwerfungskompetenz hat, wenn er eine Norm wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für ungültig hält. Art. 100 I G G konzentriert das Verwerfungsrecht für Bundes- und Landesgesetze beim Bundesverfassungsgericht, soweit Bundes(verfassungs)recht verletzt ist, darüber hin287

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Art. 64

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

aus für Landesgesetze beim Landesverfassungsgericht, soweit die Landesverfassung verletzt ist. Art. 100 I G G bringt damit zum Ausdruck, daß der Richter nicht befugt sein soll, sich über den Gesetzgebungsakt des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hinwegzusetzen. Gesetz i. S. d. Art. 100 I GG, an das der Richter gebunden ist, ist allerdings nur das förmliche, im Gesetzgebungsverfahren beschlossene Gesetz (Maunz MDHS Art. 100, Rdn. 7; Maunz/Dürig MDHS Art. 20, Rdn. 61 ff). Aus diesem Sinn der Verfassungsbestimmung folgt zugleich, daß der Richter nur an die demokratisch legitimierte Entscheidung des nachkonstitutionellen Gesetzgebers gebunden sein soll (Maunz/Siegloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein B V G G § 80, Rdn. 70 ff; Maunz/Dürig MDHS Art. 20, Rdn. 65). Nachkonstitutionelle Gesetze in diesem Sinne sind die nach der Verkündung des G G vom Bundesgesetzgeber und nach Verkündung der VvB vom Landesgesetzgeber beschlossenen Gesetze. 6 In Berlin kann dieses durch Art. 100 I G G normierte Verwerfungsmonopol der Verfassungsgerichte nicht zum Tragen kommen, da wegen des „govern"-Vorbehalts dieser Teil des Art. 100 G G hinsichtlich des BVfG nicht Anwendung finden kann, so daß für die Frage der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen keine Vorlagepflicht zum BVfG besteht (vgl. Art. 1, Rdn. 70 f; a. A. Maunz MDHS Art. 100 Rdn. 27 c: Vorlagepflicht bei Bundesgesetzen; bei der Frage der Auslegung von [auch nichtförmlichen, vgl. § 47 V VwGO] Gesetzen besteht selbstverständlich im Rahmen der Prozeßgesetze, GVG, E G G V G usw., eine Vorlagepflicht zu den obersten Gerichtshöfen des Bundes). Aber auch soweit Art. 100 I G G das Verwerfungsmonpol bei einem Landesverfassungsgericht konzentriert, kann Art. 100 G G keine Wirkung entfalten, weil in Berlin kein Landesverfassungsgerichtshof existiert (vgl. Art. 72, 87a). Folglich sind in Berlin die Gerichte nicht nur befugt, nachkonstitutionelles Landes- und Bundesrecht auf Vereinbarkeit mit der Landesverfassung bzw. Bundes(verfassungs)recht zu prüfen, sondern auch bei Unvereinbarkeit mit der höherrangigen Norm außer Anwendung im konkreten Einzelfall zu lassen (vgl. Art. 1, Rdn. 70; s. u. Rdn. 9). 7 Weiterhin können die Richter im Einzelfall in drei Fällen Recht verwerfen, in denen nach ständiger Rechtsprechung des BVfG Art. 100 I G G keine Anwendung findet: a) nichtförmliche Gesetze, insbesondere Rechtsverordnungen können auf ihre Gültigkeit (Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht) überprüft und ggf. für ungültig erklärt werden (Maunz MDHS Art. 100, Rdn. 10). b) Vorkonstitutionelles Landes- oder Bundesrecht kann auf seine Gültigkeit überprüft und ggf. für ungültig erklärt werden (Maunz M D H S 288

Verteidigungsrecht, Unschuldsvermutung (Pfennig)

Art. 65

Art. 100, Rdn. 12), soweit der nachkonstitutionelle Gesetzgeber dieses nicht in seinen Willen aufgenommen hat (st. Rspr. B V f G E 6, 64; vgl. dazu im einzelnen Maunz aaO Rdn. 13 ff), c) Überprüft und entschieden werden kann auch über die Fortgeltung von Berliner Landesgesetzen im Verhältnis zu später erlassenem Bundesrecht (BVfGE 10,124). In diesen Fällen befinden sich die Berliner Gerichte in keiner anderen Situation als die übrigen Gerichte der Bundesrepublik Deutschland. Für ungültig erklärt und nicht angewandt werden kann eine Norm nur 8 dann, wenn es auf deren Gültigkeit bei der Entscheidung ankommt und wenn sie nach der subjektiven Überzeugung des erkennenden Richters ungültig ist. Zweifel oder bloße Bedenken reichen hierfür nicht aus. Die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis erstreckt sich sowohl auf die förmliche als auch auf die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Soweit ein Berliner Gericht Landes- oder Bundesgesetze im materiel- 9 len Sinne oder Bestimmungen der VvB wegen eines Vorrangs anderen Rechts für ungültig hält, kommt einer solchen inzidenten Entscheidung keine Gesetzeskraft nach Art des § 31 BVGG zu. Eine solche Entscheidung entfaltet nur Wirkungen nach Maßgabe der Rechtskraft; auch eine inter-omnes-Verbindlichkeit entsprechend § 183 VwGO kommt solchen Entscheidungen der Berliner Gerichte nicht zu (außer bei der Nichtigerklärung von RechtsVO über Bebauungs- und sonstigen Plänen durch das O V G gemäß § 47 I, VI VwGO in erster und letzter Instanz, § 136 VwGO). Soweit europäisches Gemeinschaftsrecht einschlägig ist, müssen auch 1 0 Berliner Gerichte Art. 177 E W G V beachten (vgl. ausführlicher Art. 1, Rdn. 104).

Artikel 65 (1) Ein Beschuldigter kann sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen. (2) Ein Beschuldigter gilt als nicht schuldig, solange er nicht von einem Gericht verurteilt ist. Materialien 1. zu Art. 6 5 1 vgl. Art. 91 II BV; 2 0 II 1 HV; 3 VRP; 14 III VS; zu Art. 65 II vgl. Art. 6 II V H B ; 2 0 II 2 H V ; 14 II VS 2. W G B : 3. Änderungen: -

289

Art. 66

Abschnitt VII: Rechtspflege

Erläuterungen 1

Art. 65 I entspricht für den Bereich der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten § 137 I StPO. Art. 65 II enthält den schon bundesgesetzlich geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz des Art. 6 II MRK. Beide Garantien haben neben der bundesgesetzlichen Regelung ihre Gültigkeit (vgl. Art. 6, Vbm. Rdn. 29), von Bedeutung sind sie aber nur dort, wo Landesorgane nicht bereits durch Bundesprozeßrecht gebunden sind. 2 Beide Grundrechte gelten nach ihrer gesetzlichen Systematik und ihrem Wortlaut nur im Bereich von Kriminal-, Ordnungs- und Disziplinarstrafverfahren (schon bei den disziplinarischen Vorermittlungen, vgl. § 27 LDO; ebenso für das Bundesrecht Claussen/Janzen, § 26 BDO Rdn. 25), nicht dagegen für allgemeine Verwaltungsverfahren. Ob sich der Beschuldigte mehrerer Verteidiger oder eines bestimmten Verteidigers nicht bedienen kann, richtet sich ggf. nach vorrangigem Prozeßrecht des Bundes.

Artikel 6 6 Keine Strafbestimmung hat rückwirkende Kraft, es sei denn, daß sie für den Täter günstiger ist als die zur Zeit der Tat geltende Strafbestimmung. Materialien 1. vgl. Art. 103 II G G ; 104 I B V ; 7 V H B ; 2 2 I HV; 6 II V R P ; 15 VS 2. V V G B : 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Art. 66 entspricht Art. 103 II GG und hat somit Gültigkeit (vgl. Art. 6, Vbm. Rdn. 28). 2 Art. 66 gibt einen negativen Abwehranspruch gegen jede der drei Staatsgewalten. „Strafbestimmung" im Sinne des Art. 66 ist jeder geschriebene Rechtssatz (Dürig MDHS Art. 103, Rdn. 106). Art. 66 gebietet dem Landesgesetzgeber, den Straftatbestand gesetzlich zu präzisieren, ferner die Straftat, Strafhöhe und den Strafrahmen. Strafbestimmungen-, die die Strafbarkeit einer Tat nach dem Zeitpunkt ihrer Begehung begründen oder verschärfen, sind unzulässig. Darüber hinaus 290

Art. 68

Begnadigung (Pfennig)

verbietet Art. 66 dem Richter oder der Verwaltung die Strafbegründung und die Strafverschärfung im Wege der Analogie. Art. 66 gilt nicht nur im Bereich der Kriminalstrafen, sondern auch 3 für Ordnungsstrafen (vor allem Bußgeldbescheide der Verwaltung) sowie grundsätzlich auch für Disziplinarstrafen (Dürig MDHS Art. 103, Rdn. 106 ff).

Artikel 67 Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Materialien

1. vgl. Art. 101 I 1 GG; 86 I 1 BV; 6 II VHB; 2 0 1 2 HV; 6 1 2 VRP; 112 II VS 2. y V G B : 3. Änderungen: -

Erläuterungen Art. 67 entspricht Art. 101 I 1 GG und hat damit Gültigkeit (vgl. 1 Art. 6, Vbm. Rdn. 28). Die Vorschrift ist in Zusammenhang mit Art. 9 I 2 zu sehen. Unzu- 2 lässige Ausnahmegerichte sind demnach Gerichte, die willkürlich in Abweichung von einer generellen gesetzlichen Zuständigkeitsregelung besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle eingesetzt werden (BVfGE 3, 223; 8, 182; 19,43; NJW 67, 99). Sie unterscheiden sich von den zulässigen Gerichten für besondere Sachgebiete vor allem dadurch, daß bei diesen der Gleichheitssatz der Verfassung gewahrt und ihre Zuständigkeit gesetzlich im voraus für bestimmte Sachgebiete oder Personengruppen (z. B. Berufsgerichtsbarkeit) generell geregelt sind.

Artikel 68 Das Recht der Begnadigung übt der Senat aus. Er hat in den gesetzlich vorzusehenden Fällen den vom Abgeordnetenhaus zu wählenden Ausschuß für Gnadensachen zu hören. Der Senat kann seine Befugnis auf das jeweils zuständige Mitglied des Senats übertragen. 291

Art. 68

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

Materialien 1. vgl. Art. 46 II, III GG; 52 I VBW; 47 IV 1 BV; 121 I VHB, 44 I VHH, 109 I HV; 27 I VNV; 59 I VNW; 103 I 1 u. 2 VRP; 95 II VS; 27 I LS 2. VVGB: 3. Änderungen: 10. ÄndGVvB vom 19. 12. 1968 (GVB1. S. 1767)

Erläuterungen 1

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7 8

Art. 68 geht davon aus, daß jeder betroffene Bürger einen Gnadenantrag stellen kann. Das Recht der Begnadigung im Einzelfall steht dem SvB in seiner Gesamtheit, Art. 68 S. 1, oder dem jeweils zuständigen Senatsmitglied zu, Art. 68 S. 3 (vgl. dazu SteuerGnadG vom 22. 5. 1957, GVB1. S. 515). Die VvB enthält neben der Begnadigung im Einzelfall keine Regelung für den Fall eines allgemeinen Straferlasses (Amnestie). Daraus ist zu schließen, daß eine Amnestie nur im Wege der Gesetzgebung durch das AvB erfolgen kann, nicht dagegen durch Regelung des SvB. Begnadigung im Einzelfall bedeutet den völligen oder teilweisen Erlaß der Strafe nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils, aber auch die Aufhebung nachteiliger Maßnahmen und Folgen der Verurteilung, wie z. B. Aufhebung von Disziplinarmaßnahmen. Die „Abolition", d. h. der Verzicht auf die Einleitung eines Strafverfahrens im Einzelfall oder die Niederschlagung eines Verfahrens vor Rechtskraft gehört nicht zum Begnadigungsrecht (Maunz MDHS Art. 60, Rdn. 9); sie wird allein durch die StPO (z. B. § 153 d) geregelt. Das Begnadigungsrecht des SvB bezieht sich allein auf Strafen und Maßnahmen, die von Gerichten bzw. Behörden des Landes erstinstanzlich verhängt worden sind (Maunz M D H S Art. 60, Rdn. 10). Nach § 2 G n a d G ist der aus fünf ordentlichen vom AvB gewählten Mitgliedern bestehende Gnadenausschuß in bestimmten Fällen vor der Gnadenentscheidung des SvB oder Senatsmitgliedes zu hören, insbesondere bei Gnadengesuchen, die Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren betreffen sowie bei Fällen der Sicherungsverwahrung. § 4 GnadG bestimmt, daß eine Senatsentscheidung herbeizuführen ist, wenn das im Einzelfall zuständige Mitglied des SvB von der Stellungnahme des Gnadenausschusses abweichen will. Das nähere Verfahren in Gnadensachen ist in der Gnadenordnung vom 13. 6. 69 (ABl. S. 418) geregelt. Gnadenentscheidungen unterliegen nur beschränkter richterlicher Kontrolle, da es kein Recht auf Gnadenerweis gibt („Gnade vor Recht"). Deshalb gilt die Rechtsweggarantie des Art. 19 IV G G sowie des Art. 71 VvB nicht bei Versagung eines Gnadenerweises (BVfGE 292

Art. 69

Richterernennung (Pfennig)

25, 352). Lediglich der Widerruf des schon ausgesprochenen Gnadenerweises ist als belastende Maßnahme, die die zuvor im Gnadenwege eingeräumte Rechtsstellung des Bürgers verschlechtert, gerichtlich anfechtbar (BVfGE 30, 108), und zwar als Justizverwaltungsakt nach den §§ 23 ff E G G V G . Die Sperrwirkung der Gewaltenteilung hindert den Petitionsaus- 9 schuß, Einzelentscheidungen in Gnadensachen mit dem Ziel einer Abänderung zu überprüfen (so zutreffend Barschel/Gebel Art. 27 LS, Anm. C 4).

Artikel 69 (1) Die Berufsrichter werden vom Senat ernannt, wenn sie nach ihrer Persönlichkeit und ihrer bisherigen Tätigkeit in der Rechtspflege die Gewähr dafür bieten, daß sie ihr Richteramt im Geist der Verfassung und sozialen Gerechtigkeit ausüben werden. Die gewählten höchsten Richter haben ein Vorschlagsrecht für ihren Amtsberech. (2) Die Präsidenten der oberen Landesgerichte werden auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt und vom Senat ernannt. Materialien 1. vgl. Art. 60 I (94 I 2, 95 II) G G ; 51 V B W ; 9 4 B V ; 118 II, 136 I, II V H B ; 63 I, II V H H ; 127 II, III HV; 29 II 1 V N V ; 58 V N W ; 102, 122 I V R P ; 94, 11411,111 VS; 26 LS 2. V V G B : 3. Änderungen: 3. Ä n d G V v B vom 11. 7. 1957 (GVB1. S. 741)

Erläuterungen Ebenso wie Art. 98 G G die Richter aus dem allgemeinen Beamten- 1 recht herausgenommen hat, behandelt Art. 69 VvB die Richter als besondere Gruppe der Berliner Bediensteten. Art. 69 hält aber am Grundsatz des Art. 61 fest, daß die Einstellung aller öffentlichen Bediensteten durch den SvB erfolgt. Bei diesem Grundsatz des Art. 61 verbleibt es auch für Versetzungen und Entlassungen (hierbei ist allerdings zuvor das durch § 71 D R i G i. V. m. § 21 B R R G , §§ 2 1 - 2 4 D R i G und § 83 DRiG i. V. m. §§ 56 ff BlnRiG vorgesehene Verfahren einzuhalten), ferner für Beförderungen als Unterfall der Ernennung (vgl. Drexelius/Weber, Art. 63 VHH, Rdn. 3). Aus Art. 6 1 1 VvB folgt, 293

Art. 69

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

daß alle Richter im Lande Berlin vom SvB oder in seinem Namen ernannt, versetzt, befördert oder entlassen werden (vgl. Art. 61, Rdn. 2 und 3). 2

Durch § 2 BlnRiG hat Berlin von der Möglichkeit des Art. 98 IV G G Gebrauch gemacht, daß über die Anstellung (Berufung und Beförderungsvorschlag) der Richter, mit Ausnahme der vom AvB zu wählenden Präsidenten der oberen Landesgerichte, der Senator für Justiz bzw. das für einen Gerichtszweig zuständige Mitglied des SvB gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß entscheidet. Art. 69 I bestimmt jedoch, daß wie die Landesbeamten auch die Berufsrichter vom SvB ernannt werden. Dieser Kompetenz kann sich der SvB nicht entäußern. Soweit § 2 I 1 BlnRiG nicht nur bestimmt, daß über die Berufung und Beförderung der Richter, mit Ausnahme der vom AvB zu wählenden Präsidenten der oberen Landesgerichte, der Senator für Justiz bzw. das für einen Gerichtszweig zuständige Mitglied des SvB gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß entscheidet, sondern § 2 V 2 BlnRiG und die Anordnung über die Ernennung der Richter vom 25.7.1958 (GVB1. S.698), Nr.11 und 3, auch eine Übertragung des Ernennungsrechts auf das für den Gerichtszweig zuständige Senatsmitglied vorsehen, entspricht die Vorschrift nur ungenügend Art. 69 I 1. Überträgt der SvB sein Recht zur Ausübung an ein Senatsmitglied, so muß von Verfassungs wegen ein Verfahren sichergestellt werden, das dem SvB sein ausschließliches Ernennungsrecht garantiert. § 2 V 2 BlnRiG, wonach der SvB das Recht auf Ernennung und Entlassung der Richter auf die oberste Dienstbehörde übertragen kann, ist verfassungskonform dahingehend einzuschränken, daß die oberste Dienstbehörde nicht gegen den Willen des SvB die Entscheidung treffen kann. Dahingehend ist auch die vom SvB erlassene Anordnung über die Ernennung der Richter auszulegen (vgl. weiterhin Rdn. 10, im übrigen Art. 61, Rdn. 3).

3

Nach § 31 DRiG kann ein Richter auf Lebenszeit oder auf Zeit u. a. in ein anderes Richteramt mit gleichem Endgrundgehalt versetzt werden. Diese Versetzung kann durch die oberste Dienstbehörde angeordnet werden, nachdem das Dienstgericht sie rechtskräftig für zulässig erklärt hat (§ 83 DRiG i. V. m. § 57 BlnRiG). Die Versetzung erfolgt im Namen des SvB; der SvB hat die Ausführung dem jeweils zuständigen Senatsmitglied übertragen (vgl. aber oben Rdn. 2). Alle übrigen Versetzungen sowie die Entlassungen (vgl. § 2 III BlnRiG) erfolgen durch den SvB nach Einhaltung des durch § 83 D R i G vorgeschriebenen Verfahrens, vgl. § 39 BlnRiG, §§ 56 ff BlnRiG: dienstgerichtliches Prüfungsverfahren bei Richtern auf Lebenszeit über die Nichtigkeit, 294

Richterernennung (Pfennig)

Art. 69

Rücknahme der Ernennung, Entlassung, Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Wegen der Entlassung eines Richters auf Probe oder eines Richters kraft Auftrags vgl. § 2 III BlnRiG. Hinsichtlich des Verfahrens zur Ernennung und Beförderung der 4 Richter vor der Entscheidung des SvB schreibt Art. 69 I 2 nur vor, daß die gewählten höchsten Richter, also die Präsidenten der oberen Landesgerichte, ein Vorschlagsrecht für ihren Amtsbereich haben, ferner Art. 69 II, daß die Präsidenten der oberen Landesgerichte auf Vorschlag des SvB vom AvB mit der Mehrheit seiner Mitglieder zu wählen sind. Diese Verfahrensvorschriften sind durch Bundesrecht dahingehend ergänzt, daß bei der Berufung in das Richteramt obligatorisch die Mitwirkung der Richterschaft durch ein Organ ihrer Personalvertretung, den Präsidialrat, vorgesehen ist, §§ 49 Nr. 2, 55, 74, 75 DRiG. Weitergehende Vorschriften sind im DRiG nicht enthalten. Durch Art. 98 IV G G ist den Ländern aber ausdrücklich die Einschaltung von Richterwahlausschüssen freigestellt, wovon Berlin hinsichtlich der Berufung und Beförderung aller Richter mit Ausnahme der vom AvB zu wählenden Präsidenten der oberen Landesgerichte Gebrauch gemacht hat, § 2 I und II BlnRiG. Den Vorschriften des DRiG über die Beteiligung der Präsidialräte ist Berlin durch § 37 III und V BlnRiG insoweit nachgekommen, als bei der Berufung oder Beförderung von Richtern von der obersten Dienstbehörde dem Präsidialrat alle Bewerber namhaft zu machen sind, der Präsidialrat zur Eignung der Bewerber eine schriftlich begründete Stellungnahme abgibt und ein Richter erst gewählt, berufen oder befördert werden kann, wenn die Stellungnahme des Präsidialrats vorliegt oder nach Fristablauf als abgegeben gilt. Daher kann der Richterwahlausschuß nach § 13 II BlnRiG seine Auswahl bei Berufungen und Beförderungen ( § 2 1 BlnRiG) nur auf der Grundlage der Stellungnahme des Präsidialrats treffen, die zusammen mit der Entschließung des zuständigen Mitglieds des SvB die Entscheidung über die Berufung oder Beförderung darstellt (über Ausnahmen bei der Berufung zum Richter auf Probe vgl. § 2 II BlnRiG i. V. m. § 75 I 1 DRiG). Der Richterwahlausschuß besteht aus sechs Mitgliedern des AvB, zwei 5 Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit und je einem Richter der übrigen Gerichtszweige sowie einem Rechtsanwalt und wird vom AvB gewählt (§ 9 BlnRiG). Die Wahl der dem AvB zum Richterwahlausschuß vorzuschlagenden Richter ist durch § 10 BlnRiG i. V. m. der R i G W O i. d. F. vom 5. März 1970 (GVB1. S. 468) geregelt, die Wahl der dem AvB zum Richterwahlausschuß vorzuschlagenden Rechtsanwälte in § 11 BlnRiG. Die Wahl der Präsidialräte erfolgt ebenfalls nach der RiGWO (§ 1 lit.c). 295

Art. 69 6

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

Die Auswahl des Richterwahlausschusses bei Berufungen und Beförderungen erfolgt nach Maßgabe der RiWO i. d. F. vom 27 April 1970 (GVB1. S. 650). Der Richterwahlausschuß hat nach § 13 II BlnRiG auf der Grundlage der Stellungnahme des Präsidialrates bei der Auswahl zu berücksichtigen, ob der zu Berufende nach seiner Persönlichkeit und nach seiner bisherigen Tätigkeit für das Richteramt geeignet ist und die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des G G und der VvB eintritt. Er hat nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse und politische Anschauungen, gewerkschaftliche Zugehörigkeit, Herkunft oder Beziehungen dem Besten den Vorzug zu geben. 7 Die Wahl der Präsidenten der oberen Landesgerichte nach Art. 69 II durch das AvB richtet sich nach dem RiWG i. d.F. v. 21. 12. 1965 (VGB1. S. 1979). Danach legt der SvB dem AvB einen Wahlvorschlag vor, über den das AvB ohne Aussprache in geheimer Abstimmung abstimmt (§§ 2, 3 I RiWG). Gewählt ist, wer die absolute Mehrheit (Mehrheit der Mitglieder, vgl. Art. 31, Rdn. 3) des AvB auf sich vereinigt (§ 3 II RiWG, Art. 69 II). Die Wahl der Präsidenten der oberen Landesgerichte durch das AvB ist zwingend. Allerdings kann das AvB durch Gesetz vorsehen, daß die Präsidentschaft gleichzeitig für mehrere obere Landesgerichte besteht (vgl. § 1 II a WprüfG u. Art. 26, Rdn. 21). In diesem Fall bedarf jedoch das entspr. Gesetz insoweit der absoluten Mehrheit des AvB, da die Funktionsverbindung eine einmalige generelle Wahl i. S. d. Art. 69 II darstellt. 8 Durch das RiWG ist nicht vorgesehen, daß der SvB zuvor eine Stellungnahme des Präsidialrates einzuholen und dem AvB vorzulegen hat. § 75 D R i G stellt aber ausdrücklich darauf ab, daß bei der Ernennung jedes Landesrichters (für ein Amt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes) der Präsidialrat zu beteiligen ist. Bestimmte Richterämter sind von dem Beteiligungsrecht des Präsidialrates nicht ausgeschlossen. Dies gilt nicht nur dort, wo Richterwahlausschüsse mitwirken, da zur wirksamen Begründung des Richterverhältnisses des Gewählten immer die Ernennung erforderlich ist (§ 17 I DRiG, § 2 V BlnRiG, Art. 69 I), sondern auch dort, wo nach Landesrecht - wie in Berlin nach Art. 69 II - Richterämter unter Mitwirkung des Parlaments besetzt werden, da auch hier zur wirksamen Begründung des Richterverhältnisses die Ernennung des Gewählten notwendig ist (§ 4 RiWG, Art. 69 II). Auch in letzterem Fall muß für den Präsidialrat ein Recht auf Beteiligung kraft bundesgesetzlicher Bestimmung des § 75 I D R i G vorgesehen sein (so zutr. ausdrücklich für Berlin Schmidt/ 296

Richterernennung (Pfennig)

Art. 69

Räntsch, DRiG § 75, Rdn. 3 a. E.) § 37 V BlnRiG ist somit dahingehend zu verstehen, daß auch die Präsidenten der oberen Landesgerichte erst dann vom AvB gewählt werden können, wenn die Stellungnahme des Präsidialrats vorliegt oder durch Fristablauf als vorliegend gilt. Unberücksichtigt geblieben ist im BlnRiG die Bestimmung des Art. 9 69 I 2, wonach die Präsidenten der oberen Landesgerichte ein Vorschlagsrecht für ihren Amtsbereich bei der Ernennung einschließlich Beförderung von Richtern haben. Diese Bestimmung wird nicht etwa durch die nach § 75 I DRiG vorgeschriebene Einschaltung des Präsidialrates überlagert. § 75 DRiG gibt den Ländern keine Befugnis, ein Recht der Präsidialräte zu eigenen Vorschlägen vorzusehen (Schmidt/Räntsch, DRiG § 75, Rdn. 4, § 57, Rdn. 5). Ein Recht des Präsidialrats, Gegenvorschläge aufzustellen, wurde bei den Beratungen zum DRiG zwar erörtert, aber letztlich als „zu starker Eingriff in die Entschließungsfreiheit des Ministers" fallengelassen (Schmidt/Räntsch aaO). Ebenfalls kommt dem Präsidialrat kein Initiativrecht zu; dies hat nur die oberste Dienstbehörde (§§ 56 DRiG, 37 BlnRiG). Diese Überlegungen machen auf der anderen Seite deutlich, daß ein Vorschlagsrecht anderer Stellen als der obersten Dienstbehörde nicht vom GG ausgeschlossen ist, Art. 69 I 2 also nicht grundgesetzwidrig ist. So sieht beispielsweise auch § 10 BRiWG vor, daß neben dem zuständigen Bundesminister auch die Mitglieder des Richterwahlausschusses vorschlagen können, wer zum Bundesrichter zu berufen ist. Das BlnRiG und die RiWO (§ 2) verstoßen daher insoweit gegen Art. 69 I 2, als sie ein Vorschlagsrecht der Präsidenten der oberen Landesgerichte nicht vorsehen; sie sind insoweit im Wege verfassungskonformer Auslegung zu ergänzen. § 2 I 5 BlnRiG schränkt das Emennungsrecht des SvB nach Art. 69 I 10 1 dahingehend ein, daß der SvB verpflichtet ist, einen Richter zu ernennen, wenn über seine Berufung oder Beförderung nach § 2 I 1 BlnRiG vom Richterwahlausschuß nach den Kriterien des § 13 II BlnRiG eine Auswahl getroffen und zusammen mit dem zuständigen Mitglied des SvB eine Entscheidung herbeigeführt worden ist. Diese gesetzlich vorgesehene Beschränkung verstößt für den Regelfall nicht gegen Art. 69 I 1, da der SvB bereits durch sein zuständiges Senatsmitglied an der Entscheidung beteiligt war. § 13 BRiWG bestimmt in ähnlicher Weise, daß der zuständige Bundesminister den vom Richterwahlausschuß Gewählten, wenn er zugestimmt hat, dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorzuschlagen hat. Allerdings ist es bei Bundesrichtern wie Bundesbeamten übereinstimmende Meinung (vgl. Maunz MDHS Art. 60, Rdn. 2), daß dem Bundespräsidenten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften ein sachliches Prüfungs- und Ablehnungsrecht zusteht. Dieses Prüfungs- und Ablehnungsrecht besteht für den SvB 297

Art. 70

Abschnitt VII: D i e Rechtspflege

zumindest im Fall des Art. 69 I, nicht dagegen im Falle des Art. 69 II, da bei der Wahl der Präsidenten der oberen Landesgerichte das Prüfungsrecht des SvB bereits vor Unterbreitung des Vorschlages auszuüben ist, an der Auswahl selbst aber die Exekutive nicht mehr beteiligt sein soll (vgl. ähnlich für die Ernennung der Bundesverfassungsrichter Maunz aaO). § 2 I 5 BlnRiG ist also unter Berücksichtigung der durch Art. 69 I vorgesehenen Verantwortlichkeit des SvB verfassungskonform dahingehend zu verstehen, daß regelmäßig derjenige, für den sich Richterwahlausschuß und das zuständige Senatsmitglied entschieden haben, zu ernennen ist, daß aber in engen Grenzen der SvB als Gesamtorgan von der Ernennung absehen kann, z. B. weil sich bei dem zu Ernennenden Ernennungshindernisse i. S. d. § 9 D R i G (§ 4 B R R G , § 7 1 1 DRiG) herausgestellt haben. 11 Soweit Art. 69 I 1 vorsieht, daß Richter nur ernannt werden, wenn sie die Gewähr dafür bieten, daß sie ihr Richteramt im Geist der Verfassung und der sozialen Gerechtigkeit ausüben werden, so wird damit nicht nur wie nach § 9 D R i G verlangt, daß der zu Berufende die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung i. S. d. G G und der VvB einzutreten, sondern zusätzlich eine umfassende Prüfung aller auch praktischen Fähigkeiten, wie dies § 13 II 2 BlnRiG als Entscheidungskriterien für den Richterwahlausschuß zum Ausdruck bringt (s. Rdn. 6). Diese Voraussetzungen müssen auch bei den vom SvB gemäß Art. 69 II Vorgeschlagenen vorliegen.

Artikel 7 0 (1) Es wird ein Disziplinargerichtshof aus Berufsrichtern und Laien gebildet; seine Mitglieder werden vom Abgeordnetenhaus gewählt. (2) Erfüllt ein Richter die Voraussetzungen seiner Ernennung gemäß Art. 69 nicht mehr oder verstößt ein Richter gegen die Verfassung oder die Gesetze, so ist bei dem Disziplinargerichtshof ein Verfahren gegen ihn einzuleiten. (3) Der Disziplinargerichtshof kann auf Amtsenthebung erkennen. (4) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl. Art. 9 7 II, 9 8 II u. V G G ; 6 6 II, III V B W ; 8 7 I B V ; 1 3 6 III, 137, 138 V H B ; 6 3 III V H H ; 127 IV, 128 V H B ; 4 0 I V N V ; 7 3 V N W ; 1 2 2 II, 1 3 2 V R P 114 I V VS; 3 6 II L S 2. V V G B : 3. Ä n d e r u n g e n : -

298

Verwaltungsgerichtsbarkeit (Pfennig)

Art. 71

Erläuterungen Art. 70 enthält in Abs. 1 die Kompetenz für den Landesgesetzgeber, 1 einen Disziplinargerichtshof für Richter zu errichten. Nach der in Abs. 2 zum Ausdruck gekommenen Vorstellung des Verfassungsgebers sollte der Disziplinargerichtshof in sog. Prüfungsverfahren zwecks Feststellung bestimmter Rechtsfolgen (Art. 7 0 II 1. Alt.) sowie im Verfahren der Richteranklage (Art. 70 II 2. Alt.) entscheiden. Art. 70 ist in seiner Gesamtheit durch vorrangiges Bundesrecht 2 außer Krait gesetzt. Ein Ausführungsgesetz gem. Abs. 4 ist dementsprechend auch nicht ergangen. Nach den §§ 71, 77 - 79, 83 D R i G ist der Berliner Gesetzgeber verpflichtet, für Disziplinar-, Versetzungs- und Prüfungsverfahren mindestens zweizügige Dienstgerichte auf Landesebene einzurichten. Dem ist der Berliner Gesetzgeber durch das BlnRiG in §§ 38 ff nachgekommen. Das Verfahren der Richteranklage kann in der Landesverfassung 3 zwar vorgesehen werden, allerdings nur in Übereinstimmung mit Art. 9 8 II und V G G . Danach kann ein Richteranklageverfahren auch für Landesrichter nur beim Bundesverfassungsgericht durchgeführt werden (vgl. §§ 58 ff B V G G ) . Aus der Systematik des G G und D R i G ist zu entnehmen, daß bei Dienstgerichten nur noch eigentliche Disziplinarsachen, Richteranklagen dagegen nicht bei den Disziplinargerichten ( = Dienstgerichten) verhandelt werden sollen. Art. 70 ist daher auch außer Kraft getreten, soweit er entgegen D R i G und G G die Verhandlung von Richteranklagen beim Disziplinargerichtshof vorsah, ohne daß Berlin von der Möglichkeit des Art. 98 V 3 G G Gebrauch machen kann (vgl. Art. 1, Rdn. 63).

Artikel 71 (1) Dem Schutz gegen widerrechtliche Maßnahmen der Verwaltung dient die Verwaltungsgerichtsbarkeit. (2) Gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörde kann der Betroffene die Entscheidung der Verwaltungsgerichte anrufen. Das gilt insbesondere, wenn ein ihm zustehendes Recht verletzt ist oder wenn er mit einer ihm nicht obliegenden Pflicht belastet wird.

299

Art. 71

Abschnitt VII: D i e Rechtspflege

Materialien 1. zu Art. 71 I vgl. Art. 67 I V B W ; 93 B V ; 61 V H H ; 2 III HV; 74 II V N W ; 115 VS; zu Art. 71 II vgl. Art. 67 II V B W ; 93 B V ; 141 V H B ; 41 II V N V ; 74 I V N W ; 124 VRP; 115 VS 2. V V G B : 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Art. 71 hat bei G G - und V w G O - k o n f o r m e r Auslegung (keine Geltung des Art. 71 für Schadensersatzansprüche des § 40 II V w G O , insbes. i. S. des § 839 B G B , Art. 34 G G und Entschädigungsansprüche i. S. des Art. 14 III 4 G G ) insoweit Bedeutung, als er den Berliner Gesetzgeber zur Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in Berlin ermächtigt und verpflichtet, der von Verfassungs wegen die Zuständigkeit für die Anfechtung von V A e n , aber auch der Schutz gegen sonstige widerrechtliche M a ß n a h m e n der Verwaltung zu übertragen ist. Insoweit enthält Art. 71 edine institutionelle Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Berlin. Art. 7 1 1 ist als Institutsgarantie in Kraft, da Art. 95 I G G eine institutionelle Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit lediglich auf Bundesebene enthält (vgl. Holtkotten, BK Art. 95 Erl. II 4 a), während aus der V w G O selbst keine institutionelle Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entnehmen ist. Art. 71 II garantiert den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für 2 die Anfechtung von V A e n , aber auch gegen sonstige widerrechtliche M a ß n a h m e n der Verwaltung (mit der Einschränkung nach Rdn. 1). Insoweit begründet Art. 7 1 II zulässigerweise (vgl. B G H Z 14, 222, 231; 21, 214, 218) eine „andere Zuständigkeit" i. S. des Art. 19 IV 2 G G , nämlich die der Verwaltungsgerichte (s. aber Rdn. 5). Art. 71 II ist nicht mit dem Inkrafttreten der V w G O außer Kraft getreten, sondern als Landesgrundrecht in Kraft geblieben, soweit Inhaltsgleichheit besteht (zur weiterreichenden, der V w G O nicht widersprechenden Wirkung des Art. 7 1 II s. Rdn. 4 u. Art. 6, Vbm. R d n . 29). Soweit § 195 II V w G O bestimmt, daß auch den gleichen Gegenstand wie die V w G O regelndes Landesrecht außer Kraft tritt, ist hiermit nicht gleichlautendes Landesverfassungsrecht gemeint gewesen, sondern nur Landesgesetze und -Verordnungen (a. M. für Art. 61 V H H Drexelius/Weber, Rdn. 2; vgl. Art. 6, Vbm. R d n . 29). Dies ergibt sich schon daraus, daß als inhaltsgleich beispielhaft regelmäßig nur Landesgesetze aufgeführt werden (für Berlin vgl. § 195 II Nr. 4 V w G O ) , nicht dagegen Landesverfassungsbestimmungen wie Art. 71 II oder entsprechende Bestimmungen in den übrigen Landesverfassungen.

300

Verwaltungsgerichtsbarkeit (Pfennig)

Art. 71

Art. 71 II wird allerdings als allgemeine Rechtsweg-Zuständigkeits- 3 Vorschrift durch § 40 VwGO, ferner § 33 FGO u. a. bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschriften überlagert und ist damit insoweit z. Zt. obsolet. Soweit jedoch § 40 I 2 VwGO dem Landesgesetzgeber gerade die 4 Freiheit gibt, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts einer anderen Gerichtsbarkeit (s. aber Rdn. 5) durch Landesgesetz zuzuweisen, ist der Berliner Landesgesetzgeber durch Art. 71 II daran gehindert, diese Streitigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit zu übertragen, soweit sie ohne ein derartiges Landesgesetz im Sinne des § 40 I 2 VwGO nach Bundes(prozeß)recht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fiele (ebenso für Art. 93 BV Mang/Maunz/Mayer/ Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 4. Aufl., S. 342). Deshalb verstößt z. B. § 19 II ASOG, der die Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Freiheitsentziehungen zum Zweck der Gefahrenabwehr begründet, gegen Art. 71 II, da diese Zuständigkeit anders als in § 13 II FrEntzG (BGBl. 1956 I S. 599, GVB1. S. 735) nicht auf (vorrangigem) Bundesrecht beruht. 5 Art. 71 spricht zwar von der „Verwaltungsgerichtsbarkeit" und den „Verwaltungsgerichten". Damit ist aber lediglich eine Gerichtsbarkeit für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Gegensatz zur ordentlichen Gerichtsbarkeit oder gar einem nichtgerichtlichen Verwaltungs-Beschwerdeverfahren gemeint. Der Landesgesetzgeber ist dadurch nicht gehindert, derartige Streitigkeiten auch einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen (bei der Ermächtigung des § 33 I Nr. 2 FGO ist der Landesgesetzgeber z. B. durch Art. 71 II nicht gezwungen, die Anfechtung von VAen betr. Feuerschutz- oder Hundesteuer statt dem Finanzgericht dem allg. Verwaltungsgericht zuzuweisen, vgl. § 3 A G F G O ) , ebenso wie er für Streitigkeiten der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnen könnte (so urteilten früher in Berlin die allg. Verwaltungsgerichte über V A e der Finanzämter) sofern Bundes(prozeß)recht dies zuläßt. Davon hat der Gesetzgeber u. a. mit dem WprüfG vom 16. 10. 1958 6 (GVB1. S. 1021 mit letzter And. GVB1. 1974, S. 2566) durch Errichtung des Wahlprüfungsgerichts (WPG) Gebrauch gemacht. Soweit diesem neben verfassungsrechtlichen Streitigkeiten (eigentliche Wahlanfechtung) auch materiell verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten (z. B. wegen rechnerisch unrichtiger Feststellung des Wahlergebnisses, falsche Eintragung in die Wählerliste, vgl. § 3 WprüfG) übertragen sind, ist es ein besonderes Verwaltungsgericht. Seine Zulässigkeit insoweit ergibt sich 301

Art. 72

Abschnitt VII: Die Rechtspflege

aus § 40 I 2 VwGO und Art. 71 II VvB (zur Wahlprüfung im einzelnen vgl. Erl. zu Art. 26, Rdn. 21).

Artikel 72 (1) Es wird ein Verfassungsgerichtshof aus Berufsrichtem und Laien gebildet; sie werden vom Abgeordnetenhaus gewählt. (2) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl. Art. 93 GG; 68 VBW; 60 B V ; 139, 140, 142 V H B ; 65 V H H ; 130 H V ; 4 2 V N V ; 75, 76 VNW; 134 VRP; 98, 99 VS 2. V V G B : — 3. Änderungen: 17. Ä n d G V v B vom 22. 11. 1974 (GVB1. S. 2741)

Erläuterungen 1

Uber die Aufgaben des einzurichtenden Verfassungsgerichtshofes bestanden schon bei Beratung des Art. 72 Meinungsverschiedenheiten. In der 49. Sitzung des Verfassungsausschusses wurde auf Antrag der SPD eine Fassung abgelehnt, nach der der Verfassungsgerichtshof das Recht zur Überprüfung und Verwerfung von Landesgesetzen wegen Verfassungswidrigkeit haben sollte. Da nach dem ursprünglich geltenden Art. 64 II die Gerichte nicht einmal die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Verordnungen, die das AvB beschlossen hatte, prüfen durften (dieseBestimmung war grundgesetzwidrig, vgl. Art. 64, Rdn. 1 ff), wurde in Art. 72 III auf einen entsprechenden Vorschlag der SPD hin vorgesehen, daß auf Antrag des SvB oder eines Viertels der gewählten Mitglieder des AvB der Verfassungsgerichtshof sich gutachtlich zur Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes äußern konnte. Daneben bestimmte Art. 72 II, daß gegen Mitglieder des SvB, die BzBgm. sowie gegen die gewählten höchsten Richter und den P r L R H das AvB mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Fall einer Verletzung der VvB oder der Gesetze beim Verfassungsgerichtshof Anklage erheben konnte. 2 Zu den in Art. 72 IV a.F., jetzt Art. 72 II, vorgesehenen Ausführungsgesetz ist es allerdings trotz verschiedener Gesetzesvorlagen (Gesetzesvorlage des SvB/DsAvB 1/1299 u. 1300; Gesetzesvorlage der CDU, DsAvB 4/662 und 663; Gesetzesvorlage der FDP DsAvB 4/732 und 733; formell nicht eingebrachter Gesetzentwurf der CDU von 1969) und Regierungserklärungen (Denkschrift SvB; Regierungserklärung 302

Verfassungsgerichtshof (Pfennig)

Art. 72

vom 18. 3. 1963, StB AvB 4. WP, Sitzung vom 18. 3. 1963) niemals gekommen (zum Scheitern der Absicht, nach Art. 99 G G dem BVfG die Aufgaben des V f G H zu übertragen, wegen des Widerspruchs der Alliierten, B K / O (52) 35, vgl. Finkelnburg J R 1965, 362 zu III). Hauptgrund hierfür war und ist es, daß es nicht möglich war, in Übereinstimmung mit den West-Alliierten eine Zuständigkeitsregelung für den Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu finden, die es ausschloß, daß der Verfassungsgerichtshof von Berlin irrevisibel und an Stelle des B V f G über die Verfassungsmäßigkeit von in Berlin geltendem Bundesrecht (zum Problem s. Art. 1, Rdn. 52 f) befindet (zur derzeitigen Praxis der Berliner Instanzgerichte, auch Bundesgesetze auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen und gegebenenfalls nicht anzuwenden, s. Art. 64, Rdn. 5 ff). Da sich das gleiche Problem auch bei einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung für den Verfassungsgerichtshof aufgrund des Art. 72 III a. F. stellte, wäre der Verfassungsgerichtshof einzig und allein noch zur Entscheidung über Anklagen gegen Mitglieder des SvB, dieBzBgm. und d e n P r L R H zuständig gewesen (zurRichteranklage vgl. Art. 70, Rdn. 2 und 3). Diese Kompetenz wiederum erschien allen im AvB vertretenen Parteien als zu gering, um deswegen einen Verfassungsgerichtshof einzurichten. Deshalb erhielt Art. 72 durch das 17. ÄndGVvB seine heutige Fassung. Er stellt damit nur noch einen „Merkposten" in der VvB dar. Art. 72 VvB ist durch Art. 87 a VvB, eingefügt durch 17. ÄndGVvB, 3 suspendiert.

303

Abschnitt VIII Das Finanzwesen Vorbemerkungen 1

Der Begriff „Finanzwesen" umfaßt einerseits die Finanzgesetzgebung auf dem Gebiete der Zölle und Steuern, die Verteilung des Steueraufkommens einschließlich des vertikalen und horizontalen Finanzausgleiches sowie die Finanzverwaltung, andererseits die Vorschriften über die Aufstellung und Durchführung des Haushaltsplans sowie der Rechnungslegung und Rechnungsprüfung. Beides ist für die Bundesrepublik Deutschland in Art. 104 a bis 115 G G geregelt. Die Länderverfassungen enthalten dagegen im wesentlichen nur die Bestimmungen über das Haushaltswesen. So ist es auch in der VvB. Die Besonderheiten des Berliner Status sind in anderer Weise berücksichtigt. 2 Berlin hat in finanzieller Beziehung grundsätzlich die gleiche Stellung im Finanzsystem des Bundes wie die übrigen Länder. Es ist durch das 3. Ü L G in das Rechts-, Wirtschafts- und Finanzsystem des Bundes einbezogen worden. Es nimmt an der Verteilung der finanziellen Lasten zwischen Bund und Ländern (vertikaler Finanzausgleich) in gleicher Weise teil. Aus dem horizontalen Finanzausgleich der Länder wurde Berlin allerdings herausgenommen. Dafür erhält es zur Deckung seines Fehlbedarfs einen Bundeszuschuß, dessen Höhe jeweils durch das, Haushaltsgesetz des Bundes bestimmt wird (§ 16 des 3. ÜLG). Dieser Bundeszuschuß soll so bemessen sein, daßBerlin die durch seine besondere Lage bedingten Aufgaben erfüllen kann. Inwieweit die Ausgaben Berlins auf persönlichem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet durch seine besondere Lage bedingt sind, ist allerdings in jedem Jahr zwischen den Finanzressorts des Bundes und des Landes streitig. Bisher haben die Verhandlungen jedoch immer noch zu einem brauchbaren Ergebnis geführt. Der Bundeszuschuß belief sich im Haushaltsjahr 1977 auf 6,91 Mrd. DM. Außerdem wurde ein Bundesdarlehen in Höhe von 100 Mio D M in Aussicht gestellt, so daß die Bundeshilfe insgesamt 7,01 Mrd D M beträgt. 3

Das Finanzsystem des Bundes geht von einer Gesetzgebungskompe304

Vorbemerkungen (Gerhard Pfennig)

Vor

tenz des Bundes aus (Art. 105 II, 72 II Nr. 3 GG). Gemäß Art. 105 II a G G hat Berlin Gesetzgebungsfreiheit nur noch für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Praktisch heißt dies, daß Berlin z. Zt. als Landessteuern nur noch die Grunderwerbsteuer (GEStG), die Hundesteuer (HundeStG) sowie die Feuerschutzsteuer (FeuerStG) besitzt, nachdem Getränke- und Vergnügungsteuer im Jahre 1969 (GVB1. S. 2252) mit Wirkung vom 1. 1. 1970 aufgehoben worden sind. Die Ertragshoheit des Landes Berlin besteht außer bei den in Art. 106 II G G aufgeführten Steuerarten auch bei den Realsteuern, also insbesondere bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer, deren Hebesätze jährlich durch das Parlament im Haushaltsgesetz festgesetzt werden (vgl. § 2 H G 77). Der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin unterliegt auch die Kirchensteuer (vgl. B V f G E 19, 253, 258). Dabei hat sich Berlin allerdings gemäß Art. 140 G G i. V. m. Art. 137 W R V auf die allgemeine Ermächtigung zur Erhebung der Kirchensteuer beschränkt und die Einzelheiten des formellen und materiellen Kirchensteuerrechts den Kirchen selbst überlassen (§§ 1, 12 KiStG). Die Verwaltung der Zölle und Steuern ist ein kompliziertes Verfahren, das in Art. 108 G G seine Grundlage hat. Einzelheiten ergeben sich aus dem Gesetz über die Finanzverwaltung, das gemäß § 7 des 3. Ü L G allerdings nur bedingt für Berlin gilt. Demgemäß gilt für Beamte der Zollverwaltung und z. T. der Finanzverwaltung das RegG (vgl. Art. 50, Rdn. 22 ff). Auf dem Gebiete der Haushaltswirtschaft sind Bund und Länder gemäß Art. 109 G G selbständig und voneinander unabhängig; sie haben allerdings den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen (Art. 109 II GG). Außerdem können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden. Das ist durch das H G r G geschehen, das von Berlin übernommen worden ist. Es enthält Rahmenvorschriften, die einheitlich für den Bund und die Länder gelten, also auch für Berlin. In Berlin enthält Abschnitt VIII des VvB das Gefüge der haushaltsund finanzrechtlichen Verfassungsbestimmungen. Es macht deutlich, daß am Zustandekommen des Haushaltsplanes ebenso wie an der Finanzwirtschaft stets sowohl Exekutive wie Legislative beteiligt sind. Die überragende verfassungsrechtliche Stellung ist aber dem Parlament als Gesetzgeber eingeräumt worden. Ihm obliegt das Budgetrecht, die 305

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Vor

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

Kompetenz zur Feststellung des Haushaltsplanes (Art. 73 I). Haushaltsüberschreitungen während des laufenden Rechnungsjahres bedürfen seiner nachträglichen Genehmigung (Art. 76 II). Der Haushaltsvollzug schließlich wird durch das AvB auf der Grundlage der Prüfung des L R H und seines Prüfungsberichtes kontrolliert (Art. 82, 83 I). Der SvB ist das bestimmende Organ der Exekutive; er ist dem AvB gegenüber verantwortlich. Ihm steht ein Notetatrecht zu (Art. 77); er kann Haushaltsüberschreitungen zustimmen (Art. 76 I). Diese Kompetenzen stehen dem SvB als Kollegialorgan und nicht etwa nur dem Finanzsenator zu, es sei denn, er ist dazu besonders ermächtigt worden. Er muß dann aber den SvB laufend informieren; denn auch in diesen Fällen muß letztendlich die Gesamtregierung entscheiden können. Sie kann ihre in den Bestimmungen über die Rechnungslegung und Entlastung (Art. 82) zum Ausdruck kommende Verantwortung sinnvollerweise nur tragen, wenn sie in der Lage ist, Maßnahmen des Finanzsenators zu billigen oder zu mißbilligen bzw. für dessen Verhalten einzustehen. 8a Zum Budgetrecht des Parlaments sowie zu den Kommunikationspflichten der Verfassungsorgane in dem „politisch besonders heiklen und folgenreichen Bereich" des Haushalts jetzt ausführlich das BVfG in seinem Urteil vom 25. 5 . 1 9 7 7 (NJW 1977,1387). 9 Das Haushaltsrecht Berlins war auf Grund der früheren Sonderstellung der Stadt Berlin als Reichshauptstadt außerordentlich kompliziert und vielfältig. In Preußen waren durch die GemFinVO vom 2. November 1932 die Grundzüge des Haushaltswesens der Gemeinden landesrechtlich geregelt worden. An ihre Stelle trat nach dem Machtantritt der nationalsozialistischen Gewalthaber das GemFinG vom 15. Dezember 1933, das mit großen Teilen auch in Berlin Anwendung fand. Die Bestimmungen der D G O , die in ihrem 6. Teil das Haushaltswesen der Gemeinde reichsrechtlich regelte, wurden nach ursprünglichem Zögern ebenfalls auf Berlin ausgedehnt, ebenso die G e m H V O aus dem Jahre 1937. Dennoch galten für Berlin stets Ausnahmen, so z. B. hinsichtlich der Gliederung des Haushaltsplans sowie des Kassen- und Rechnungswesens. Nach 1945 wurde das Haushaltsrecht Berlins infolge der staatsrechtlichen Veränderung noch komplizierter. Denn jetzt traten zu den Vorschriften des ehemaligen Gemeinderechts die Vorschriften der B H O bzw. R H O hinzu, die z. B. für die Wirtschafts- und Kassenführung der ehemaligen Reichs- und pr. Behörden, der Steuer- und der Justizverwaltung, Anwendung fanden. Das Haushaltsrecht für die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, für die grundsätzlich das BeiträgeG vom 24. März 1934 galt, war besonders verwir-

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Vorbemerkungen (Gerhard Pfennig)

Vor

rend, weil es hier neben den Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten auch darauf ankam, ob die juristische Person auf Bundes- oder Reichsrecht oder auf Landesrecht beruhte. Dieser Zustand machte es erforderlich, daß Berlin bereits vor der 1 0 Finanzreform des Bundes in eine Neuordnung seines Haushaltsrechts eintrat (vgl. DsAvB 4/1152 und 5/1276). Es gestaltete daher mit Wirkung vom 1. Januar 1967 sowohl den Verfassungsabschnitt wie auch das Haushaltsrecht und das Rechnungsprüfungsrecht um. An die Stelle der zahllosen und unübersichtlichen Rechtsvorschriften für das Haushaltswesen trat die L H O , die alle bisherigen sachbezogenen Gesetze und Rechtsverordnungen zusammenfaßte. Auch die auf Dauer angelegten Vorschriften der jährlichen Haushaltsgesetze wurden in die L H O übernommen. Das Haushaltsgesetz sollte künftig nur noch die für das jeweilige Rechnungsjahr erforderlichen Regelungen enthalten. Gleichzeitig wurden mit dem H A G vom 1. August 1966 in vielen anderen Fällen Gesetze inhaltlich oder terminologisch geändert. Die L H O mußte dann bis zum 1. Januar 1972 novelliert werden, um das Haushaltsrecht auf die Finanzreform des Bundes aus dem Jahre 1969 auszurichten. Diese Finanzreform hatte zum Ziel, durch gemeinsam in Bund und Ländern geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht eine mehrjährige Finanzplanung und eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft zu gestalten. Diesem Ziel diente insbesondere das erwähnte H G r G dessen Teil II Bestandteil des Landeshaushaltsrechts geworden ist und nach dem das Berliner Haushaltsrecht mit dem Gesetz vom 7. 12. 1970 (GVB1. S. 175) ausgerichtet wurde. Weitere Veränderungen des Haushaltswesens werden durch die E D V 11 eintreten, weil sich dadurch sowohl das Verfahren für die Haushaltswirtschaft wie auch für die Erfassung des Vermögens erheblich ändern wird. Dies sowie einige materielle Änderungen, nicht zuletzt aber auch das Bestreben, sich auf System und Paragraphenfolge der B H O umzustellen, werden eine Neufassung der L H O erforderlich machen, die voraussichtlich im Laufe des Jahres 1977 dem Parlament vorgelegt werden und - sofern sie von ihm verabschiedet wird - am 1. 1. 1979 in Kraft treten soll. Damit wäre dann die Rechtseinheitlichkeit zwischen Bund, Ländern und Berlin voll verwirklicht und auch in Berlin die Haushaltsreform zu einem vorläufigen Ende gebracht (vgl. Rehm, Analyse und Kritik der Bundeshaushaltsreform, S. 22). Das Haushaltsrecht basiert also entweder auf Bundesrecht oder auf Landesrecht. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts kommt eigenes Satzungsrecht dazu. Die nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Unternehmen Berlins, die Eigenbetriebe, handeln nach einem besonderen, in sich abgeschlossenen Rechtsbereich. Dieses Eigenbetriebs307

Vor

Abschnitt VIII: D a s Finanzwesen

recht kann als selbständig neben dem Haushaltsrecht stehend angesehen werden, auch wenn zahlreiche seiner Vorschriften entsprechende Anwendung finden. Ebenfalls nicht zum Haushaltsrecht als solchem gehören die Verwaltungsvorschriften, wie: WiO, KassO, RechO, VermO und GstO. Sie sind aber für das Haushaltswesen insgesamt von erheblicher Bedeutung. 12

Wesentlicher Inhalt des Haushaltsrechts sind Gliederungs-, Grundsatz- und Verfahrensvorschriften für die Aufstellung und die Ausführung des Haushaltsplanes, für die Kassen- und Buchführung, für die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung sowie für die Entlastung. Hauptaufgabe des Haushaltsrechts ist es, das Finanzgebaren der öffentlichen Verwaltung einheitlich auszurichten sowie durchschaubar und kontrollierbar zu machen.

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Der Haushaltsplan ist ein Planungs-, Ermächtigungs-, Bewirtschaftungs- und Kautionsmittel. Er ist sowohl ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform (so das BVfG NJW 1977, 1387) wie auch das in Zahlen ausgedrückte Spiegelbild der voraussichtlichen Tätigkeit der Verwaltung. Der Verwaltung wird damit jedoch lediglich die Ermächtigung erteilt, Ausgaben in Höhe der veranschlagten Mittel zu leisten oder Verpflichtungen einzugehen. Die Mittel dürfen in jedem Einzelfall nur soweit und nicht eher in Anspruch genommen werden, als es nach ernsthafter Prüfung bei zwingender sachlicher Notwendigkeit unter Beachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Im übrigen werden Ansprüche und Verbindlichkeiten durch den Haushaltsplan nicht begründet. Maßgebend ist vielmehr die jeweilige Rechts- oder Vertragsgrundlage.

14

Neben diesen, in Art. 74 aufgestellten Grundsätzen, gelten für die Haushaltswirtschaft Berlins die weiteren allgemeinen Grundsätze des Haushaltsrechts. Dazu gehören der Grundsatz der Einheitlichkeit des Haushaltsplans, das Verbot der Zweckbindung, die Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, des Deckungsprinzips sowie des Bruttoprinzips. Alle diese Regeln für das Haushaltswesen sind so allgemeiner Natur, daß sie weitgehend gleichmäßig für alle Träger öffentlicher Verwaltung und alle öffentlichen Aufgaben gelten, egal ob es sich dabei z. B. um den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder um den Bau von Kindertagesstätten handelt.

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Art. 73

Haushaltsplan (Gerhard Pfennig)

Artikel 73 (1) Alle Einnahmen und Ausgaben müssen für jedes Rechnungsjahr in dem Haushaltsplan veranschlagt werden; er wird durch ein Gesetz festgestellt (Haushaltsgesetz). Durch Gesetz kann eine Veranschlagung und Feststellung für einen längeren Zeitabschnitt und in besonderen Ausnahmefällen ein Nachweis von Einnahmen und Ausgaben außerhalb des Haushaltsplans zugelassen werden. (2) Für die Bezirke sind besondere Pläne unter ihrer Mitwirkung aufzustellen. Dabei ist ein Ausgleich im Haushaltsplan so vorzunehmen, daß eine gerechte soziale und gleichmäßige kulturelle Betreuung der Bevölkerung gewährleistet wird. Der von den Bezirken ermittelte Finanzbedarf ist als Unterlage für den Haushaltsplan dem Abgeordnetenhaus vorzulegen. (3) Für die Bezirke sind im Haushaltsplan angemessene Verfügungsund Verstärkungsmittel bereitzustellen. Materialien 1. vgl. A r t . 1 1 0 G G ; 7 9 V B W ; 7 8 B V ; 1 3 1 , 1 3 2 V H B ; 6 6 V H H ; 1 3 9 H V ; 4 9 V N V ; 81 V N W ; 1 1 6 V R P ; 107 V S ; 4 3 L S 2. V V G B : A r t . 2 7 3. Änderungen: Durch das 9. Ä n d G V v B vom 2 1 . 7. 1 9 6 6 ( G V B 1 . 1 1 4 4 ) ist A r t . 7 3 I dahingehend ergänzt worden, daß der Haushalt auch für einen längeren Zeitabschnitt als ein J a h r veranschlagt und festgesetzt werden kann und daß in bestimmten Ausnahmefällen von den Grundsätzen der Vollständigkeit und der Einheitlichkeit des Haushaltsplans eine A u s n a h m e zugelassen werden kann.

Erläuterungen Die Bestimmungen des Abs. 1 sind alten Ursprungs und im Kern in 1 jeder anderen Verfassung in gleicher Weise enthalten. Dagegen sind die Abs. 2 und 3 eine Besonderheit des Stadtstaates Berlin und seiner zweistufigen Verwaltung. In ihrer Ausformung zeigt sich die wachsende Selbständigkeit der Bezirke und die ihnen mehr und mehr zugestandene finanzielle Ausbreitungsmöglichkeit. Art. 73 I ist die Kernvorschrift für das Haushaltsrecht des Landes 2 Berlin, die in den nachfolgenden Artikeln weiter entfaltet wird. Sie bietet gleichzeitig zusammen mit dem Art. 7 4 eine Aussage über das Wesen des Haushaltsplanes und einige wichtige Haushaltsgrundsätze, die im einzelnen in der L H O ausgeführt werden. Zu den Haushaltsgrundsätzen gehören: D e r Grundsatz der Veranschlagungspflicht: er bedeutet, daß alle 3 309

Art. 73

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5a

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Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan veranschlagt werden müssen. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen ist ein Nachweis außerhalb des Haushaltsplanes möglich. Dies ist insbesondere für die Eigenbetriebe (vgl. §§ 10 ff EigG) zugelassen worden, dagegen z. B. nicht für die Krankenhausbetriebe (§ 2 2 1 L K G ) . D e r Grundsatz der Haushaltseinheit: er bedeutet, daß alle Einnahmen und Ausgaben in den gleichen Plan aufzunehmen sind. D e r Haushaltsplan kann zwar Teilpläne, Sondernachweise und Anlagen enthalten, er muß dennoch deutlich als einheitlicher Plan erkennbar bleiben. Dies geschieht in Berlin durch die Bündelung der Teilpläne „Hauptverwaltung" und „Bezirksverwaltungen" in einem Gesamtplan, der die Zusammenfassung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Die Systematik des Haushaltsplans im übrigen ergibt sich aus §§ 3ff L H O . D e r Grundsatz der Jährlichkeit: er bedeutet, daß der Haushaltsplan f ü r ein Jahr veranschlagt wird. Allerdings hat sich im Zuge der Weiterentwicklung des Haushaltsrechts herausgestellt, daß es zweckmäßiger sein kann, bestimmte Einnahmen und Ausgaben f ü r einen längeren Zeitabschnitt als ein Rechnungsjahr zu veranschlagen. Dementsprechend hat Art. 73 eine solche A u s n a h m e durch Gesetz zugelassen. D e r Grundsatz der Vorherigkeit: er bedeutet, daß der Haushaltsplan für das k o m m e n d e Rechnungsjahr regelmäßig vor Ablauf des vorherigen Rechnungsjahres verabschiedet werden soll. Zwar trifft die VvB in Art. 77 Vorsorge f ü r den Fall, daß der Haushalt ausnahmsweise nicht rechtzeitig verabschiedet werden kann. D e r durch diese Verfassungsbestimmung begrenzte Spielraum des SvB während der etatlosen Zeit macht andererseits die Bedeutung des Grundsatzes der Vorherigkeit deutlich. E r wird in Berlin seit Jahren - im Gegensatz zur Praxis im Bund —beherzigt. Neben dem jährlichen Haushaltsplan sind durch das H G r G sogenannte Finanzpläne vorgeschrieben worden (§ 50 H G r G ) , die im R a h men einer fünfjährigen Planung der Haushaltswirtschaft aufgestellt werden und mehrjährige Investitionsprogramme vorbereiten sollen, um die Stabilität und das Wachstum der Wirtschaft zu fördern. Dabei ist das laufende Haushaltsjahr das erste Planungsjahr der Finanzplanung. Diese Vorausplanung trägt gewisse Spannungsaspekte in sich, weil die Parlamente sich dadurch u . U . Bindungen oderSachzwängen bei ihren Haushaltsberatungen ausgesetzt sehen, die sie in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen (Fricke, D Ö V 1973, 406). A m Zustandekommen des Haushaltsplanes sind mehrere Verfassungsorgane beteiligt. D i e Veranschlagung aller Einnahmen und Ausgaben beginnt damit, daß j e d e einzelne Verwaltung ihren Bedarf f ü r den Haushalt anmeldet. Diese Anmeldungen laufen über das zuständige 310

Haushaltsplan (Gerhard Pfennig)

Art. 73

Senatsmitglied beim Finanzsenator zusammen, der sie sichtet, prüft, ablehnt oder in seinen Haushaltsvoranschlag aufnimmt. Dieser Voranschlag geht in den SvB und erhält hier seine Gestalt als Vorlage an das AvB, die eine Gesetzesvorlage im Sinne des Art. 45 II ist. Die Zuständigkeit zur Feststellung des Haushaltsplanes liegt aus- 6b schließlich beim Parlament als Gesetzgeber. Dieser trifft mit der Entscheidung über den Haushaltsplan eine wirtschaftliche Grundsatzentscheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraumes (BVfG NJW 1977, 1387). Seine alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz gibt dem Parlament eine herausragende verfassungsrechtliche Stellung auf dem Gebiete des Finanz- und Haushaltsrechts (vgl. Art. 73, Vbm. Rdn. 8). Der Haushaltsplan muß durch Gesetz festgestellt werden, das Haus- 7 haltsgesetz (HG). Dabei handelt es sich um ein Gesetz im formellen Sinn. Es muß das vorgeschriebene förmliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und als Gesetz beschlossen und verkündet werden. O b mit dem Haushaltsgesetz der gesamte Haushaltsplan verkündet werden muß, ist durch das Bundesverfassungsgericht (BVfGE 20, 56, 93) entschieden worden. Es kann von einer Publizierung der Einzelpläne im Gesetzblatt abgesehen werden, weil sie auch außerhalb des Verkündungsblattes der Öffentlichkeit zugänglich sind und weil auf sie im Gesamtplan und im Haushaltsgesetz Bezug genommen wird. Das H G ist nur ein Gesetz im formellen Sinn. Es begründet also 8 keine Rechte und Pflichten des einzelnen Bürgers. Das H G enthält lediglich ein Programm mit Schätzungen künftiger Einnahmen und Ausgaben, aus denen weder der Bürger noch eine juristische Person Ansprüche oder Forderungen herleiten kann (§§ 3 II H G r G , 41 LHO). Dennoch entfalten H G und Haushaltsplan innerstaatliche Rechtswirkungen (Schick,JZ 1967, 271). Beide sind nicht lediglich ein indifferentes „Zahlenwerk", sondern enthalten zugleich die Ermächtigung, die in den Haushaltsstellen veranschlagten Beträge für die dort festgelegten Zwecke auszugeben. Angesichts dieses Umstandes hat das BVfG auch ein Haushaltsgesetz als „Recht" im Sinne von Art. 93 I Nr. 2 G G angesehen, das im Normenkontrollverfahren überprüfbar ist (BVfGE 20, 56, 98). Ob sich daraus gleichzeitig ergibt, daß eine Verfassungsbeschwerde dann gegen den Haushaltsgesetzgeber zulässig und begründet sei, wenn die von ihm getroffene Auswahl (z. B. bei Stellenfestsetzungen) verfassungswidrig wäre (so BVwG Z B R 1968, 225), erscheint zweifelhaft. Einerseits wird man angesichts der Vielzahl von Zuwendungen, Subventionen o. ä. nicht übersehen können, daß die Empfänger derartiger Leistungen aus den haushaltsrechtlichen Regelungen für sich und andere Folgerungen ziehen. Denn derartige Bestimmungen sollen 311

Art. 7 3

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Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

ja gerade letztlich dazu dienen, die dafür vom Steuerzahler aufgebrachten Mittel nach einheitlichen, den Gleichheitssatz beachtenden Grundsätzen zu verteilen. Andererseits wird es bei der bisherigen Auffassung bleiben müssen, daß ein formelles Gesetz weder dafür geeignet noch in der Lage ist, in die Rechte eines einzelnen unmittelbar einzugreifen. Nicht enthalten ist in der VvB eine dem Art. 110 IV G G entsprechende Vorschrift, das sogenannte Bepackungsverbot. Dies besagt, daß in das H G nur Vorschriften aufgenommen werden dürfen, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Staates und auf den Zeitraum beziehen, für den das H G beschlossen wird. Diese Regelung löst deshalb Streit aus, weil sie nicht ausschließt, daß materiell-rechtliche Vorschriften, z. B. die Aufhebung von Vergünstigungen, in das H G aufgenommen werden, damit den Rahmen der Feststellung des Haushaltsplanes sprengen und damit zumindest im H G , wenn auch nicht durch den Haushaltsplan, Ansprüche oder Verbindlichkeiten Dritter begründen oder aufheben können (vgl. BSGE 37, 144). Für Berlin ist die Frage bisher nicht aktuell gewesen, weil der Berliner Haushaltsgesetzgeber sich auch ohne ein solches ausdrückliches Verbot streng an die darin enthaltenen Grundsätze hält. Art. 73 II macht die Sonderstellung Berlins deutlich. Berlin ist einerseits eine Einheit, eine Einheitsgemeinde, Stadt und Land zugleich (Art. 1 I). Das muß sich auch bei der öffentlichen Finanzwirtschaft ausdrücken. Andererseits hat Berlin eine zweistufige Verwaltung, an der die Bezirke nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung zu beteiligen sind (Art. 50 II). Das macht es erforderlich, daß den Bezirken in finanziellen Dingen die Selbständigkeit gegeben wird, die trotz aller Einheitlichkeit noch zu vertreten ist. Demgemäß wird der BVV als Organ der bezirklichen Selbstverwaltung zugestanden, den jährlichen Finanzbedarf des Bezirks als Unterlage für den Haushaltsplan festzustellen (Art. 56). Dieser Bedarf ist vom Finanzsenator über den SvB dem AvB vorzulegen. Der von den Bezirken ermittelte Finanzbedarf fließt in die sogenannten Bezirkshaushaltspläne ein, die zum Teilplan „Bezirksverwaltungen" zusammengefaßt werden. Diese Bezirkshaushaltspläne werden zwar gesondert gedruckt und veröffentlicht, gelten aber nicht als selbständige Haushaltspläne. In ihrer Gliederung müssen sie sich mit Rücksicht auf § 37 I BzVG an den Teilplan Hauptverwaltung anlehnen. Bei der Verabschiedung des Haushaltsplanes sind die Belange der Bezirke zu berücksichtigen. Eine gerechte soziale und gleichmäßige kulturelle Betreuung der Bevölkerung muß gewährleistet sein. Die Ausführung der Haushaltspläne ist dann Sache der Bezirke, allerdings im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, § 4 II BzVG. 312

Haushaltsgrundsätze (Gerhard Pfennig)

Art. 7 4

Art. 73 III soll den Bezirken einen angemessenen Spielraum in finan- 1 3 zieller Hinsicht sichern. Deshalb sind ihnen im Haushaltsplan angemessene Verfiigungs- und Verstärkungsmittel (§ 67 L H O ) bereitzustellen; bei nicht geringfügigen Ausgaben ist allerdings gem. § 67 IV L H O die Zustimmung des Senators für Finanzen einzuholen. Für die Bemessung der Höhe der den Bezirken bereitzustellenden Verfügungs- und Verstärkungsmittel gibt Nr. 3 A V zu § 14 L H O Richtlinien. Verfügungsmittel stehen auf Antrag zur freien Verfügung des BzA. Verstärkungsmittel sind dazu gedacht, einen bereits vorhandenen Ansatz im Haushaltsplan aufzustocken. Mit beiden Möglichkeiten soll den Bezirken im Rahmen ihrer finanziellen Verantwortlichkeit Raum für einen Ausgleich besonderer Bedürfnisse und eine gewisse Selbständigkeit bei ihrer kommunalen Selbstverwaltung gegeben werden. Darüber hinaus ist den BVVen gem. § 68 L H O die Möglichkeit gegeben, Sondennittel abzurufen, deren Höhe sich nach der Einwohnerzahl richtet und über deren Verwendung nach § 12 Nr. 2 BzVG zu beschließen ist. Ein wichtigerer Beitrag zur relativen finanziellen Unabhängigkeit der 1 4 Bezirke gegenüber der Hauptverwaltung als die in Art. 73 III genannten Mittel bedeutet das Prinzip der Gesamtbindung nach § 30 LHO. Seit 1971 besteht neben einer allgemeinen Gesamtbindung auch eine Investitions-Gesamtbindung; die Investitionsgesamtbeträge liegen in den einzelnen Bezirken zwischen ca. 4 und 9 Millionen DM. Eine besondere Art der Gesamtbindung besteht auf dem Gebiet der Personalwirtschaft, nämlich die Gesamtbindung durch Stellenrahmen (§§ 15. 54 LHO). Im weiteren vgl. Machalet S. 61 ff.

Artikel 74 (1) Das Haushaltsgesetz bildet die Grundlage für die Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben. (2) Haushaltsmittel dürfen nur in Anspruch genommen werden, soweit es eine sparsame Verwaltung erforderlich macht.

Materialien 1. vgl. A r t . 1 1 0 G G ; 7 9 V B W ; 7 8 B V ; 131, 1 3 2 V H B ; 6 6 V H H ; 139 H V ; 4 9 V N V ; 81 V N W ; 116 V R P ; 1 0 7 V S ; 4 3 LS 2. V V G B : Art. 2 7 1 2 3. Ä n d e r u n g e n : -

313

Art. 74

Abschnitt VIII: D a s Finanzwesen

Erläuterungen 1

Art. 74 ist ein Relikt aus der D G O . Eine vergleichbare Bestimmung zu Art. 74 II findet sich daher auch nur noch in Art. 132 VHB. D e r Wortlaut entspricht fast nahezu § 89 D G O , der als die „ f ü r die gesamte Finanzwirtschaft der Gebietskörperschaft entscheidende Bestimmung" Eingang in die W G B fand (Haas, S. 84). Von dort wurde er o h n e weitere Debatte, allerdings unter Ersetzung des Wortes „Haushaltsplan" durch das verfassungsrechtlich n u n m e h r gebotene Wort „Haushaltsgesetz" in die VvB übernommen und später weder verändert noch aufgehoben. D e r Haushaltsplan, der durch H G festgestellt wird, ist die bindende 2 Richtschnur f ü r die Wirtschaftsführung und die finanziellen Maßnahmen des Landes Berlin. Nur auf seiner Grundlage darf verwaltet werden. E r hat zentrale Bedeutung. Gleichzeitig stellt die Verfassungsvorschrift noch einmal heraus, daß nur die Verwaltung und nicht der Bürger oder Dritte Rechte und Pflichten aus dem Haushaltsplan herleiten dürfen (zur Problematik vgl. Art. 73, Rdn. 8). 3 H G bzw. Haushaltsplan enthalten die Ermächtigung an die Regierung, die bewilligten Ausgaben zu leisten. Diese Ermächtigung ist aber keine Verpflichtung, von ihr Gebrauch zu machen. O b und wieweit von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und damit den Wünschen der Volksvertretung gefolgt wird, ist eine politische Entscheidung der Regierung. Auf der Einnahmenseite gilt Umgekehrtes. Hier gibt das H G keine Ermächtigung, die Einnahmen zu erheben oder einzuziehen. Die Rechtsgrundlage dafür findet sich in besonderen Steuer- oder Abgabegesetzen (vgl. Art. 75). Dagegen besteht für die Regierung die Verpflichtung, alle Einnahmen rechtzeitig und vollständig einzuziehen (vgl. § 48 I L H O ) . 4

In Art. 74 II ist einer der das gesamte Haushaltsrecht tragenden Grundsätze enthalten, der Grundsatz der Sparsamkeit. Dieser G r u n d satz muß allerdings im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gesehen werden, weil sparsam nicht immer gleich wirtschaftlich ist. Beide Grundsätze sind sowohl schon bei der Aufstellung des Haushaltsplanes zu beachten ( § 1 1 L H O ) wie auch später bei der Haushaltswirtschaft (§ 42 L H O ) . In zunehmendem Maß spielt dabei die Nutzen-Kosten-Relation eine Rolle, d. h., ob die beabsichtigte Maßnahme im R a h m e n der Zielsetzung unter Berücksichtigung aller gegenwärtigen und zukünftigen Nutzen und Kosten die größte volkswirtschaftliche Effektivität verspricht. 5 Die Bedeutung des in Berlin verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes wird deutlich, wenn man bedenkt, daß im Bund bereits

314

Staatseinnahmen (Gerhard Pfennig)

Art. 75

1952 der PrBRH als „Beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung" eingesetzt worden ist (BAnz. Nr. 128 S. 1 - abgedruckt bei Viaion, S. 1175). In Berlin wollte man diese Doppelfunktion des PrLRH nicht. Die Beachtung der Wirtschaftlichkeit ist Inhalt jeder Prüfung (§ 5 R H G ) oder Zweck besonderer Prüfungsaufträge (§ 10 RHG).

Artikel 7 5 (1) Der Senat darf ohne gesetzliche Grundlage weder Steuern oder Abgaben erheben, noch Anleihen aufnehmen oder Sicherheiten leisten. (2) Anleihen dürfen nur aufgenommen werden, wenn andere Mittel zur Deckung nicht vorhanden sind. Sie dürfen nur zur Bestreitung eines außerordentlichen Bedarfs, in der Regel nur für Anlagen von bleibendem Wert, aufgenommen werden. Materialien 1. vgl. Art. 115 G G ; 84 V B W ; 82 B V ; 131 V H B ; 7 2 V H H ; 54 V N V ; 83 V N W ; 117 V R P ; 108, 111 VS; 46 LS 2. y V G B : Art. 26 3. Änderungen und Ergänzungen: Durch das 9. Ä n d G V v B vom 21. Juli 1966 (GVB1. S. 1144) wurde der dritte Absatz der ursprünglichen Fassung aufgehoben. Er sah vor, daß für Ausgaben, die durch Anleihen gedeckt werden sollten, ein außerordentlicher Haushaltsplan aufgestellt werden mußte. Eine verfassungsrechtliche Sicherung dieses damals selbstverständlichen Haushaltsgrundsatzes erschien überflüssig, zumal da abzusehen war, daß bei einer Reform des Haushaltsrechts die Trennung zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Haushaltsplan aufgegeben werden würde.

Erläuterungen Die Vorschrift ist als Grundlage einer Kreditermächtigung entstan- 1 den und in die W G B in Anlehnung an die §§ 76 - 78 D G O aufgenommen worden, die den Gemeinden die Aufnahme von Darlehen und die Übernahme von Sicherheiten nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde gestattete. Mit der Stellung Berlins als die eines Landes hätte sich dies an sich erübrigt. Dennoch blieb die Vorschrift - nunmehr zur Sicherung der Rechte des Parlaments - , um der Regierung vorzuschreiben, unter welchen Voraussetzungen, in welcher Weise und mit welchem Inhalt Kredite aufgenommen und Sicherheit geleistet werden dürften. 315

Art. 75 2

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

Die VvB ist neben der VS (Art. 108 I) die einzige Verfassung, die den allgemeinen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers (vgl. Art. 45 I) speziell für die Erhebung von Steuern oder Abgaben wiederholt. Dabei geht sie allerdings ebenso wie die übrigen Länderverfassungen nicht darauf ein, wem die Finanz- bzw. Steuerertragshoheit zusteht, sondern setzt stillschweigend die Regelung des G G insoweit voraus. Diese Regelung gilt auf Grund des 3 . Ü L G auch in Berlin. 3 Im Rahmen dieser Bestimmungen und Begrenzungen sind in Berlin u. a. folgende Steuer- oder Abgabengesetze erlassen bzw. als Landessteuergesetze weitergeführt worden: - Gesetz über eine Baunotabgabe vom 2 1 . 7 . 1949 (VOB1.1 S. 273) - Gesetz über Gebühren und Beiträge vom 22. 5. 1957 (GVB1. S. 516) -Erschließungsbeitragsgesetz (EBeitrG) vom 27.6.1962 (GVB1. S. 579) - Grunderwerbsteuergesetz (GEStG) vom 18. 7. 1969 (GVB1. S. 1034) - Hundesteuergesetz (HundeStG) vom 22. 12. 1971 (GVB1. S. 2158) - Feuerschutzsteuergesetz (FeuerStG) vom 1. 2. 1939 (RGBl. I S. 113) in Verbindung mit dem 3. RBG vom 12. 10. 1976 (GVB1. S. 2452) mit den jeweiligen Änderungen und Ergänzungen. Die Vorschrift, daß der SvB ohne gesetzliche Grundlage weder An4 leihen aufnehmen noch Sicherheiten leisten darf, ist sowohl eine Anweisung an den SvB wie auch eine verfassungsmäßige Schranke für das Parlament, bei der Kreditaufnahme oder bei Sicherheitsleistungen zurückhaltend zu sein. Sie unterstreicht damit im übrigen die herausragende Stellung, die die Verfassung dem Gesetzgeber auf dem Gebiete des Finanz- und Haushaltsrechts gegeben hat (vgl. Art. 73, Vbm. Rdn. 8 und 8 a). Die VvB verwendet zwar den Begriff der Anleihe, meint offensichtlich damit aber alle Formen, mit denen im Wege des Kredits Geldmittel beschafft werden können. Die Ausführungsvorschrift des § 97 L H O verwendet als Oberbegriff das Wort Darlehen mit entsprechender Klammerdefinition. Der Begriff der Sicherheitsleistung ist in der Neufassung des Art. 115 G G durch die Begriffe „Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen" klargestellt worden. In Berlin dürfte das Wort „Sicherheitsleistung" in dieser Weise zu verstehen sein. Aus dem Verbot der Geldmittelbeschaffung im Wege des Xredits ohne gesetzliche Grundlage folgt auch das Verbot, Verpflichtungen für das Land Berlin ohne gesetzliche Grundlage einzugehen, die nur durch Kreditmittel erfüllt werden können (vgl. § 97 III LHO). Ansonsten unterläge die Verschuldung Berlins insbes. in ihrer Höhe entgegen dem Sinn des Art. 75 II nicht mehr der vorherigen Kontrolle des Parlaments 316

Staatseinnahmen (Gerhard Pfennig)

Art. 75

(wie z. B. beim Berliner Kongreßzentrum), weil dieses dann notgedrungen zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung einer Kreditbeschaffung gleich welcher Höhe zustimmen muß. Im übrigen ergibt sich diese Pflicht auch aus dem Grundsatz, daß Verfassungsorgane bei der Inanspruchnahme ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit auf die Interessen der anderen Verfassungsorgane Rücksicht zu nehmen haben (BVfGE 35, 193, 199; speziell für das Haushaltsrecht jetzt BVfG NJW 1977,1387). Die gesetzliche Grundlage für die Aufnahme von Krediten sind die 5 §§ 96, 97 LHO in Verbindung mit dem jeweiligen Haushaltsgesetz. Diese Regelung entspricht dem § 13 HGrG, dessen Abs. 1 sagt, daß das Haushaltsgesetz bestimmt, bis zu welcher Höhe der für die Finanzen zuständige Minister Kredite aufnehmen darf. Das gilt in Berlin sowohl für die sogenannten Kassenkredite, das sind Kredite zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Kassenwirtschaft, als auch für Darlehen (Anleihen, Schuldscheindarlehen, sonstige Kredite mit Ausnahme von Kassenkrediten) zurBestreitung eines außerordentlichen Bedarfs. Bis zu dem im Haushaltsgesetz festgesetzten Höchstbetrag (vgl. §§ 3, 4 HG 1977) darf der Senator für Finanzen die Kredite selbständig und in alleiniger Verantwortung aufnehmen. Für die Übernahme von Sicherheitsleistungen; dazu gehören auch Bürgschaften, Haftungsübernahmen u. ä., bedarf es dagegen in jedem einzelnen Falle einer eigenen gesetzlichen Grundlage. Im Gegensatz zu Art. 115 GG, der nach der Reform des Haushalts- 6 rechts die Höhe der Kreditaufnahme von der Höhe der veranschlagten Investitionen abhängig macht, so daß man damit besser in der Lage ist, der konjunkturellen Situation im Interesse gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse Rechnung zu tragen, hat in Berlin die Neuordnung des Haushaltsrechts insoweit keine Änderung der VvB gebracht. Kredite dürfen wie bisher zwar nur zur Bestreitung eines außerordentlichen Bedarfs aufgenommen werden (zum Begriff vgl. Viaion S. 236); es fehlt aber ein Hinweis auf den damit verbundenen und möglichen Steuerungseffekt für die Konjunktur. Ein solcher Hinweis ist nunmehr in § 97 II LHO eingearbeitet worden. Die Kredite sollen im übrigen für Anlagen von „bleibendem Wert" bestimmt sein, also z. B. Grundstücksankäufe oder Bauvorhaben.

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Art. 76

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

Artikel 76 (1) Haushaltsüberschreitungen dürfen nur mit Zustimmung des Senats im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses vorgenommen werden. (2) Für Haushaltsüberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung des Abgeordnetenhauses einzuholen. (3) Erhebt der mit der Leitung des Finanzwesens beauftragte Senator gegen eine Haushaltstiberschreitung Einspruch, so ist ein Beschluß des Abgeordnetenhauses herbeizuführen. Materialien 1. vgl. Art. 112 GG; 81 VBW; 143 HV; 51 VNV; 85 VNW; 119 VRP; 45 LS 2. V V G B : Art. 28 3. Änderungen: -

Erläuterungen 1

Die Vorschrift ist in ihrem Grundgedanken, daß nämlich Haushaltsüberschreitungen der vorhergehenden Zustimmung der Exekutive und der nachträglichen Genehmigung der Vertretungskörperschaft bedürfen, bereits in der VVGB enthalten gewesen und in die VvB lediglich unter redaktionellen Verbesserungen übernommen worden. Sie hat in ihrem Wortlaut auch das 9. ÄndGVvB überstanden, obwohl zwischen ihrem Abs. 1 und Abs. 3 ein gewisser Widerspruch besteht, wenn man in Übereinstimmung mit der bisherigen Verfassungspraxis den Wortlaut des Abs. 1 so liest, wie es das Ressortprinzip des Art. 43 V 1 erfordert. 2 Die Verfassungsvorschrift stellt Regeln für die Bewilligung von Haushaltsüberschreitungen auf. Haushaltsüberschreitungen sind Ausgaben, die über die durch den Haushaltsplan festgesetzte Höhe in einer im Plan enthaltenen Ausgabenposition hinausgehen. Man nennt sie auch überplanmäßige Ausgaben. Der Begriff umfaßt aber auch nach den allgemein anerkannten Regeln des Haushaltsrechts gleichzeitig außerplanmäßige Ausgaben. Das sind solche Ausgaben, für die im Haushaltsplan überhaupt kein Ansatz besteht und die auch nicht als Ausgabereste aus dem abgelaufenen Rechnungsjahr zu behandeln sind. 3 Haushaltsüberschreitungen bedürfen der vorherigen Zustimmung des SvB. Diese Befugnis ist in § 69 L H O auf den Senator für Finanzen delegiert worden. Er kann seine Zustimmung von besonderen Voraussetzungen (z. B. Vorlage von speziellen Unterlagen) abhängig machen. Außerdem sollen in der Regel Einsparungen bei anderen Ausgaben angeboten werden. 318

Haushaltsüberschreitungen (Gerhard Pfennig)

Art. 76

Die Delegation auf den Finanzsenator kann nur so verstanden werden, daß er mit Ermächtigung des SvB die von ihm zunächst bewilligten Überschreitungen zusammenstellt, um sie dann vom SvB sanktionieren zu lassen. Der SvB wird nach der Entscheidung des BVfG (Rdn. 4) mehr als bisher darauf zu achten haben, daß er rechtzeitig und ausreichend vom Finanzsenator über die anstehenden Haushaltsüberschreitungen unterrichtet wird, um seinerseits seine Pflichten gegenüber dem Parlament wahrnehmen zu können. Haushaltsüberschreitungen sind nur zulässig, wenn ein unvorhergese- 3 a henes und unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Unvorhergesehen ist ein Bedürfnis dann, wenn es, gleich aus welchen Gründen, weder vom Finanzsenator bei Aufstellung des Haushaltsplanes noch vom Gesetzgeber bei dessen Beratung und Feststellung vorhergesehen wurde. Unabweisbar ist eine Mehrausgabe dann, wenn sie so eilbedürftig ist, daß die Einbringung eines Nachtragshaushaltsplanes oder schließlich ihre Verschiebung bis zum nächsten Haushaltsjahr bei vernünftiger Beurteilung der jeweiligen Lage als nicht mehr vertretbar anerkannt werden kann. Zu beiden Begriffsbestimmungen - BVfG NJW 1977, 1387. Art. 76 I stellt eine Ausnahme von dem sonst ausschließlichen 4 Ausgabebewilligungsrecht des Parlaments dar. Diesem Recht wird hier dadurch Genüge getan, daß die Haushaltsüberschreitungen nachträglich von AvB zu genehmigen sind. In aller Regel geschieht dies durch eine Vorlage des SvB nach Schluß des Rechnungsjahres oder - sofern Umfang und Höhe einer Haushaltsüberschreitung dieses geboten erscheinen lassen - auch schon während des laufenden Rechnungsjahres. Dabei kann es dann zum Streit zwischen Parlament und Finanzminister über die Frage kommen, ob das sogenannte Notbewilligungsrecht des Finanzministers - oder hier in Berlin des SvB - soweit reicht, daß Haushaltsüberschreitungen jeder Art oder jeder Größenordnung ohne Beteiligung des Parlaments bewilligt werden können oder ob die Bewilligung von einer bestimmten Größenordnung an eine Umgehung des Budgetrechts des Parlaments darstellt. Diese Frage hat zu einem Verfassungsstreit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen die Bundesregierung geführt. Der Streit ist durch Urteil des BVfG vom 25. 5. 1977 (NJW 1977, 1387) entschieden worden. Darin ist zu dieser Frage ausgeführt, daß der Finanzminister mit dem Gesetzgeber in Verbindung treten muß, um zu klären, ob dieser sich in der Lage sieht, rechtzeitig eine Bewilligung zu erteilen. Es sei Sache des Haushaltsgesetzgebers zu ententscheiden, ob er bei Fällen unterhalb einer bestimmten Größenordnung, die eine gesonderte Haushaltsvorlage ernsthaft unpraktikabel erscheinen läßt, den Finanzminister allgemein von der verfassungsrecht319

Art. 77

Abschnitt VIII: D a s Finanzwesen

liehen Kommunikations- und Konsulationspflicht (vgl. Art. 73, Vbm. Rdn. 8 a) freistellen will. In Berlin wird diesen Vorstellungen dadurch weitgehend Rechnung getragen, daß der Finanzsenator bei Haushaltsüberschreitungen von erheblicher Bedeutung sich vorher mit dem Hauptausschuß in Verbindung setzt und mit ihm deren Zustimmung bzw. Genehmigung abspricht. 5 Art. 76 III sieht vor, daß der Senator für Finanzen gegen eine Haushaltsüberschreitung Einspruch einlegen kann. Dieser Einspruch kann nicht durch einen Beschluß des SvB ersetzt werden. Vielmehr ist in diesem Fall ein Beschluß des AvB notwendig (vgl. § 16 II GOSvB). Damit wird die Stellung des Finanzsenators innerhalb der Regierung entscheidend herausgehoben. Allerdings muß es dem SvB möglich bleiben, im Rahmen der Richtlinienpolitik den Finanzsenator zu veranlassen, entweder zuzustimmen oder - bei Aufrechterhaltung seines Einspruchs - den Rücktritt zu erklären. Ein anderer Weg zur Umgehung des Einspruchs wäre, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, für den kein Einspruchsrecht des Finanzsenators besteht.

Artikel 77 Ist der Haushaltsplan zu Beginn des neuen Rechnungsjahres noch nicht festgestellt, so ist der Senat ermächtigt, die unbedingt notwendigen Ausgaben zu leisten, um bestehende Einrichtungen zu erhalten, die gesetzlichen Aufgaben und die rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, Bauvorhaben weiterzuführen und eine ordnungsgemäße Tätigkeit der Verwaltung aufrechtzuerhalten. Materialien 1. vgl. Art. 111 G G ; 8 0 V B W ; 7 8 IV B V ; 6 7 V H H ; 5 0 V N V ; 8 2 V N W ; 116 III V R P ; 4 4 LS 2. V V G B : Art. 27 III 3. Ä n d e r u n g e n : D u r c h das 9. Ä n d G V v B v o m 21. Juli 1 9 6 6 (GVB1. S. 1 1 4 4 ) hat der durch Art. 7 7 g e z o g e n e R a h m e n für das s o g e n a n n t e Etatnotrecht e i n e verfassungsrechtliche F e s t l e g u n g erhalten, die den Erlaß der bis dahin n o t w e n d i g g e w e s e n e n b e s o n d e r e n „ G e s e t z e über die v o r l ä u f i g e H a u s h a l t s f ü h rung" entbehrlich m a c h t e .

Erläuterungen 1

Die Vorschrift ist aus der VVGB übernommen. Dort war sie dem pr. Verfassungsrecht nachgebildet und ging davon aus, daß der Haushalts-

320

Notermächtigung (Gerhard Pfennig)

Art. 77

plan nicht rechtzeitig fertiggestellt werde. Die WRV enthielt eine entsprechende Bestimmung nicht; zu dieser Zeit mußte die Regierung durch spezielle „Notgesetze" ermächtigt werden, Ausgaben in dem Umfange zu leisten, der etwa dem jetzigen Rahmen des Art. 111 GG entspricht (Bühler BK Art. 111, Anm. 1). So war es im übrigen auch in Berlin vor dem 9. ÄndGVvB der Fall. Art. 77 gewährt mit dem Notetatrecht eine Ausnahme von dem 2 Grundsatz der Vorherigkeit des Haushaltsplans. Die VvB rechnet mit der Möglichkeit, daß am Beginn eines neuen Rechnungsjahres der Haushaltsplan noch nicht festgestellt ist. Sie will für diesen Fall eine gewisse zeitliche Überschreitung der Frist zum Beschluß des HG sanktionieren. Wie groß diese Frist sein darf, darüber sagt die Vorschrift nichts. Man wird aber wohl davon ausgehen können, daß sie auf einen Mindestzeitraum beschränkt werden muß (Fricke, DVB1. 1975, 604). Würde die Verfassung für den Fall der nicht rechtzeitigen Feststellung des Haushaltsplanes nicht Vorsorgen, dann müßte - wie während der Weimarer Zeit oder in Berlin vor der Änderung dieses Artikels die Regierung durch ein Notgesetz ermächtigt werden, einstweilen weiterhin Einnahmen und Ausgaben bestimmter Art zu erheben bzw. zu leisten. Damit wären aber die Schwierigkeiten im Grunde nicht behoben, so daß nach 1945 das GG und alle Landesverfassungen ein derartiges Notetatrecht in die Verfassung aufgenommen haben. Der SvB kann die unbedingt notwendigen Ausgaben nur unter be- 3 stimmten Voraussetzungen leisten. Die Ermächtigung ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, weil dem SvB hier eine Macht eingeräumt worden ist, die er sonst nicht hat. Es muß sich um die Erhaltung bestehender Einrichtungen handeln, die gesetzliche Aufgaben oder rechtliche Verpflichtungen erfüllen. Dies bedeutet, daß es sich um eine Einrichtung handeln muß, die letztlich ihre Aufgabe durch Gesetz übertragen erhalten hat, z. B. die Durchführung von Rentenzahlungen, oder zu deren Erfüllung die Einrichtung rechtlich verpflichtet ist, z. B. auf Grund eines abgeschlossenen Vertrages oder von Schadenersatzansprüchen. Hinzugekommen sind die Möglichkeiten, Bauvorhaben weiterzuführen und eine ordnungsmäßige Tätigkeit der Verwaltung aufrechtzuerhalten. Damit ist allerdings nunmehr eine Fassung gewählt worden, die nahezu jede Ausgabe zulässig erscheinen läßt. Der Wortlaut des Art. 77 darf jedoch nicht isoliert betrachtet und aus 4 sich heraus ausgelegt werden. Inhalt und Grenzen ergeben sich aus dem Zusammenhang mit den übrigen haushaltsrechtlichen Bestimmungen der Verfassung. Daraus ergibt sich, daß Art. 77 zu Art. 73 im Verhältnis von Ausnahme zu Regel steht. 321

Art. 78

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

Die vorläufige Haushaltsführung des SvB während der etatlosen Zeit darf und kann nicht das Budgetbewilligungsrecht des Gesetzgebers ersetzen. Im Hinblick auf dessen besondere Bedeutung sind der Ermächtigung des SvB zur vorläufigen Haushaltsführung enge Grenzen gezogen. Diese enge Begrenzung seines Spielraumes korrespondiert im übrigen mit der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, alles dazu beizutragen, daß der Haushaltsplan regelmäßig vor Ablauf des vorherigen Rechnungsjahres verabschiedet werden kann (BVfG NJW 1977, 1387).

Artikel 78 (1) Vorlagen und Anträge über Maßnahmen, die eine Minderung der Einnahmen oder eine Erhöhung der Ausgaben gegenüber dem Haushaltsplan zur Folge haben, müssen vom Abgeordnetenhaus in zwei Lesungen beraten werden, zwischen denen in der Regel 48 Stunden liegen sollen. (2) Die Beschlüsse müssen Bestimmungen über die Deckung enthalten. Materialien 1. vgl. Art. 113 GG; 82 V B W ; 78 V, 79 BV; 102 V H B ; 68, 69 VHH; 142 H V ; 84 VNW; 118 VRP; 1 1 0 V S ; 4 7 LS 2. V V G B : Art. 28 III 3. Änderungen: Durch das 9. Ä n d G V v B vom 21. Juli 1966 (GVB1. S. 1144) ist jetzt eingefügt worden, daß einnahmemindernde Beschlüsse, die sich auf die Haushaltslage in gleicher Weise auswirken wie Ausgabenerhöhungen, ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Erläuterungen 1

Die Vorschrift war bereits in der VVGB enthalten und ist auch in die VvB übernommen worden, bei deren Beratung allerdings keine darüber hinausgehende Erschwerung, wie z. B. eine qualifizierte Mehrheit, beschlossen wurde (Landsberg/Goetz, S. 199). 2 Art. 78 I weicht seinem Inhalt nach erheblich von der Regelung ab, die in gleicher Sache Art. 113 G G vorsieht. Das G G verlangt nämlich für Vorlagen und Anträge der hier genannten Art die Zustimmung der Bundesregierung. Dadurch soll betont werden, daß das Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments nicht nur die Regierung zur Sparsamkeit anhalten, sondern daß dabei auch bedacht werden soll, sie nicht zu unnötigen Mehrausgaben zu veranlassen. Insoweit wird das Parlament - wie 322

Art. 79

Haftung (Gerhard Pfennig)

früher der absolute Herrscher - in seiner Ausgabengestaltung kontrolliert und beschränkt. Diese Kontrolle hat die VvB dem AvB selbst auferlegt. Sie schreibt 3 nämlich vor, daß das Parlament über derartige Vorlagen und Anträge erst beschließen darf, wenn sie in zwei Lesungen beraten worden sind, zwischen denen in der Regel 48 Stunden Bedenkpause liegen sollen. Die GOAvB hat diese Mindestzahl von Lesungen sogar auf alle Vorlagen und Anträge ausgedehnt, die haushaltsmäßige Auswirkungen haben. In gleicher Weise hat die G O A v B bei der sogenannten Deckungsver- 4 pflichtung seine Selbstkontrolle erweitert. Hier hat es vorgeschrieben, daß derartige Anträge nicht nur dem zuständigen Fachausschuß, sondern immer auch dem Haushaltsausschuß zu überweisen sind. In diesen Anträgen soll ein Ausgleichsantrag zur Deckung der Mehrausgaben oder der Mindereinnahmen enthalten sein. Eine Mußvorschrift hatte allerdings das BVfG für grundgesetzwidrig erklärt, weil dadurch das Initiativrecht der Abgeordneten unzulässig beschränkt werde (BVfGE 1, 144, 161).

Artikel 79 Die Mitglieder des Senats und der Bezirksämter sowie die übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die gegen die Bestimmungen der Verfassung über das Finanzwesen schuldhaft verstoßen, haften für den daraus entstandenen Schaden. Eine Verpflichtung zum Schadenersatz ist jedoch nicht gegeben, wenn die Handlung zur Abwendung einer nicht voraussehbaren dringenden Gefahr erfolgte und die Verletzung der Vorschriften nicht über das durch die Notlage gebotene Maß hinausgegangen ist. Materialien

1.2. W G B : Art. 2 9 3. Ä n d e r u n g e n : Art. 7 9 hat durch das 9. Ä n d G V v B v o m 21. Juli 1 9 6 6 (GVB1. S. 1 1 4 4 ) eine lediglich redaktionelle Veränderung erfahren, um seinen Wortlaut an das öffentliche Dienstrecht anzupassen.

Erläuterungen In der W G B war bereits das Prinzip der persönlichen Haftung ent- 1 halten, das sich an den Grundsatz des § 93 D G O anlehnte. Die VvB 323

Art. 79

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Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

nahm den Gedanken dann auf Wunsch der SED auf, um allen Verantwortlichen die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen die Finanzverfassung deutlich zu machen (Landsberg/Goetz, S. 198). Art. 79 enthält Selbstverständliches, das im Grunde nicht in die Verfassung gehört. Früher waren derartige Haftungsvorschriften in §§ 32 Satz 2 und 33 III RHO enthalten (dazu Viaion, § 32 BHO, Erl. 6 ff). Diese Sonderregelungen sind nicht in das neue Haushaltsrecht übernommen worden, weil sie bereits in anderen Gesetzen abschließend enthalten sind. So wird die Verantwortlichkeit der Mitglieder des SvB im SenG geregelt (§§ 5 I, 10, 21). Die Mitglieder der BzA haften als Beamte auf Zeit nach § § 1 5 9 II, 42 LBG und die Lebenszeitbeamten nach § 42 LBG. Für die Haftung der Angestellten des öffentlichen Dienstes gilt gemäß § 14 BAT die Beamtenhaftung entsprechend. Von ihr ist daher bisher auch noch nicht Gebrauch gemacht worden (vgl. den Fall in BVwGE 37, 192). Die in der Verfassung niedergelegten Voraussetzungen für eine Haftung sind im übrigen folgende: Es muß sich um einen Verstoß gegen die Bestimmungen der VvB über das Finanzwesen handeln. Das sind die Art. 73 - 82, aber natürlich auch die zur Durchführung erlassenen Gesetze, wie z. B. die LHO oder das EigG sowie die Verwaltungsvorschriften, wie z. B. die WiO oder die KassO. Es muß ein schuldhafter Verstoß vorliegen; es muß also vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Bestimmungen verstoßen worden sein. Dabei wird man allerdings wohl auch hier - trotz des verfassungsrechtlich nicht näher definierten Schuldvorwurfs - die im Beamten- und Amtshaftungsrecht geltenden Haftungsbeschränkungen zu berücksichtigen haben (vgl. Art. 34 Satz 2 GG, § 42 LBG). Es muß ein Schaden entstanden sein; dieser muß adäquat verursacht sein. Beides festzustellen dürfte schwierig sein. Eine Haushaltsüberschreitung z. B. stellt nicht schon deshalb einen Schaden dar, weil die erforderlichen Zustimmungen oder Genehmigungen aus dem Art. 76 fehlen. Bei einem Schaden in Höhe des Zinsaufwandes ist die Frage des Kausalzusammenhanges von Bedeutung (vgl. Fricke D Ö H 1974, 198). Die Schadenersatzpflicht entfällt, wenn die Handhabung in einer dem Notstand vergleichbaren Lage begangen und das dabei gebotene Maß beachtet wurde. Damit ist einer Exculpationsmöglichkeit Tür und Tor geöffnet, zu der daneben noch die Berufung auf den Irrtum treten kann. Auch ein Hinweis auf die Erledigung von Massenarbeiten oder auf Arbeitsüberlastung an sich kann den Wegfall der Haftung auslösen. Abschließend muß auf die umfangreiche Literatur und Judikatur zur 324

Art. 80

Eigenbetriebe (Gerhard Pfennig)

beamtenrechtlichen Regreßhaftung hingewiesen werden (vgl. Plog/ Wiedow, B B G § 78). Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, daß es neben diesen beamtenrechtlichen Folgen auch eine Art politischer Haftung gibt. Sie traf im Jahre 1975 den damaligen Finanzsenator, der in Auswirkung der sogenannten „Kreisel-Affäre" seinen Rücktritt anbot. Dagegen erstreckt sich eine derartige Haftung nicht auf Abgeordnete, wenn z. B. durch einen Beschluß des Parlaments oder eines seiner Ausschüsse ein finanzieller Schaden entstünde, weil auch dann die sachliche Richtigkeit zu prüfen stets Aufgabe der Regierung bliebe. Im übrigen sind alle Unregelmäßigkeiten unverzüglich dem Senator 8 für Finanzen sowie dem L R H schriftlich anzuzeigen (§ 67 WiO).

Artikel 80 Organisation, Verwaltung, Wirtschaftsführung und Rechnungswesen der nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Unternehmen Berlins (Eigenbetriebe) werden durch Gesetz geregelt. Das Rechnungswesen ist so einzurichten, daß ein klarer Einblick in die laufende Betriebsführung und die Ergebnisse möglich ist. Materialien 1. vgl. Art. 101 VHB 2. W G B : Art. 25 3. Änderungen: Durch das 9. ÄndGVvB vom 21. Juli 1966 (GVB1. S. 1144) ist Art. 80 umgestaltet worden, um die systematischen und begrifflichen Unklarheiten zu beseitigen. Insbesondere aber ist die Möglichkeit eröffnet worden, entstandene oder noch entstehende Schwierigkeiten dadurch auszuräumen, daß die Grundlagen der Eigenbetriebe Berlins durch ein EigG geregelt werden können, in dem auch die Grundsätze des Rechnungswesens dieser Betriebe angesprochen werden.

Erläuterungen Art. 80 geht zurück auf die Vorschriften des sechsten Teils der D G O 1 über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden sowie auf die EigVO vom 21. November 1938. Die ursprüngliche Fassung sollte der Regierung die Möglichkeit geben, für die öffentlichen Wirtschaftsunternehmen und Betriebe eine Betriebsordnung zu erlassen, die Bestimmungen über Haushaltsführung, Vermögensverwaltung und Rechnungslegung und damit Richtlinien für die Wirtschaftsführung enthalten sollte. Dies war aber nur zum Teil gelungen, so daß im weiteren Zuge der Entwick325

Art. 80

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

lung es wirksamer erschien, diese Dinge in einem Eigenbetriebsgesetz zu regeln. 2 Art. 80 enthält Regelungen für die nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Unternehmen Berlins. Die Einzelheiten sind dem EigG überlassen worden, das auch Bestimmungen über das Rechnungswesen enthalten soll, damit die Betriebsführung besser überwacht werden kann. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß zusätzlich zu den Vorschriften des EigG für einzelne Eigenbetriebe Satzungen erlassen werden, die auf die Besonderheiten der einzelnen Unternehmen Rücksicht nehmen: Das Land Berlin besitzt zur Zeit folgende Eigenbetriebe: - Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) - Berliner Gaswerke (Gasag) - Berliner Wasserwerke (B WW) - Berliner Hafen- und Lagerhaus-Betriebe (Behala) - Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) - Berliner Entwässerungswerke (BEW) - Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) - Vieh- und Schlachthof Spandau Die Berliner Kraft- und Licht-AG (Bewag) ist dagegen kein Eigenbetrieb, sondern eine Aktiengesellschaft, in der Berlin 51 % des Kapitals gehören. Ebenso ist die Berliner Bank eine Aktiengesellschaft, hier sogar mit 100 % Kapitalanteil. 3 Bei der Neugestaltung des Eigenbetriebsrechts ist davon ausgegangen worden, daß der Eigenbetrieb eine Zwischenform zwischen unmittelbarer behördlicher Verwaltung (Regiebetrieb) und einer juristischen Person des Privatrechts (Eigengesellschaft) darstellt. Beide Betriebsformen haben Nachteile. Der Regiebetrieb arbeitet mit kameralistischer Buchführung. Aus dieser Art von Buchführung kann die Geschäftsentwicklung und der Geschäftsertrag nur schwer abgelesen werden. Die Eigengesellschaft steht in der Gefahr, die von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen ihren wirtschaftlichen Zielen unterordnen zu wollen. Aus diesem Grunde ist bisher der Streit, welche Rechtsform für Versorgungs- und Verkehrsbetriebe die beste sei und ob diese Betriebe privatisiert werden sollten, nie zu einem abschließenden Ergebnis geführt worden. 4 Berlin hat mit der Neugestaltung des Eigenbetriebsrechts versucht, das Beste aus dieser sich gegenüberstehenden Interessenlage zu machen. Einerseits hat es die Eigenbetriebe in ihrer Eigenverantwortlichkeit dadurch gestärkt, daß wichtige Entscheidungen, die bisher dem SvB vorbehalten waren, einem Verwaltungsrat übertragen wurden. Andererseits wurde aber zum Ausgleich dem zuständigen Mitglied des SvB sowie innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche auch dem Senator 326

Umwandlung von Eigenbetrieben (Gerhard Pfennig)

Art. 81

für Inneres und dem Senator für Finanzen ein Beanstandungsrecht gegenüber den Beschlüssen des Verwaltungsrates eingeräumt, sofern die reinen Betriebsinteressen vor die Gesamtinteressen Berlins gestellt werden sollten (vgl. § 8 EigG; dazu Art. 50 Rdn. 23 a und Art. 17 Rdn. 1 f). Im übrigen verblieb der Geschäftsleitung in allen laufenden Geschäften des Eigenbetriebes - wie im übrigen bereits in der EigVO von 1938 — eine weitgehende Selbständigkeit. Zur Einschränkung der Personalkompetenz nach § 9 EigG durch Art. 6 1 1 1 vgl. dort Rdn. 3. Allen diesen Überlegungen trägt das 3. Ä n d G EigG vom 23. Novem- 5 ber 1976 (GVB1. S. 2651) Rechnung, indem es einerseits den Eigenbetrieb „Berliner Stadtgüter" wegen seiner unbefriedigenden wirtschaftlichen Ergebnisse auflöst und das Restvermögen an den Bund veräußert, andererseits den Eigenbetrieb „Berliner Ausstellungen" in die „Ausstellungen-Messe-Kongreß-GmbH überführt. Außerdem macht es die Zahlung von über- oder außertariflichen Leistungen von der vorherigen Zustimmung des zuständigen Senators abhängig.

Artikel 8 1 (1) Die Umwandlung von Eigenbetrieben und von einzelnen Anlagen von bleibendem Wert in juristische Personen bedarf eines Beschlusses des Abgeordnetenhauses. (2) Die Veräußerung von Vermögensgegenständen wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl. Art. 81 BV; 101 VHB; 72 III V H H 2. W G B : Art. 24 3. Änderungen: Durch das 9. ÄndGVvB vom 21. Juli 1966 (GVB1. S. 1144) sind einige unklar gefaßte Begriffe verbessert und im übrigen der Abs. 2 gestrichen worden, weil auch das Sondervermögen in der Vermögensrechnung nachgewiesen wird.

Erläuterungen In die W G B hatten die Bestimmungen der §§ 6 0 - 6 2 D G O Ein- 1 gang gefunden. Sie wurden überarbeitet in die VvB übernommen und durch eine Vorschrift über die Umwandlung öffentlicher Betriebe ergänzt. Diese Bestimmung wurde eingeführt, um dem Parlament ein gewisses Aufsichtsrecht über das Vermögen des Landes Berlin zu si327

Art. 82

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

ehern (Landsberg/Goetz, S. 201). Außerdem sollte die Umwandlung öffentlicher Betriebe in eine juristische Person erschwert werden, weil die Kontrolle selbständiger juristischer Personen im allgemeinen schwieriger ist als die Kontrolle anderer Formen von öffentlichen Betrieben. 2 Die Umwandlung von Eigenbetrieben in juristische Personen ist durch Art. 811 erschwert worden; sie macht sie von einem Beschluß des Parlaments abhängig. Zur Problematik der Umwandlung überhaupt wird auf die Erläuterungen zu Art. 80 verwiesen. 3 Die gesetzliche Bestimmung über Veräußerung von Vermögensgegenständen ist jetzt in § 88 LHO enthalten. Einzelheiten ergeben sich aus den Ausführungsvorschriften. Dabei wird ebensowenig zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen wie zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Veräußerung unterschieden. Von Bedeutung ist allerdings, daß die Veräußerung unter Beachtung des Grundsatzes geschieht, daß der Staat nichts zu „verschenken" hat. Dieser Grundsatz besagt, daß die öffentliche Hand nicht befugt ist, einzelne zu begünstigen, wenn damit nicht gleichzeitig das Ziel, öffentliche Aufgaben zu erledigen, verfolgt wird. Er hat den Charakter eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB und führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (BGHZ 47, 30, 40). Dies gilt insbesonders für die Veräußerung von Grundstücken, die speziell in der GStO geregelt worden ist.

Artikel 82 Über die Einnahmen und Ausgaben der Haushaltswirtschaft und über Vermögen und Schulden hat der Senat dem Abgeordnetenhaus im folgenden Rechnungsjahr Rechnung zu legen. Materialien 1. vgl. Art. 114 GG; 83 VBW; 80 BV; 133 VHR; 70 VHH; 144 HV; 53 VNV; 86 VNW; 120 VRP; 109 VS; 48 LS 2. VVGB: Art. 3 0 1 3. Änderungen: Die Verfassungsvorschrift ist durch das 9. ÄndGVvB vom 21. Juli 1966 (GVB1. S. 1144) durch den Zusatz „der Haushaltswirtschaft und über Vermögen und Schulden" präzisiert worden.

Erläuterungen 1

Während die VVGB in Anlehnung an Art. 87 WRV und das pr. GemFinG dem Kämmerer die Pflicht auferlegt, lediglich über die Ein328

Rechnungslegung (Gerhard Pfennig)

Art. 82

nahmen Rechnung zu legen und eine Übersicht über die Vermögensund Schuldenlage zu geben, hat Art. 82 die moderne und verfassungsrechtlich übliche Fassung erhalten, die eine umfassende Haushalts- und Vermögensrechnungslegung fordert. Die Rechnung, die der SvB dem AvB zu legen hat, besteht gemäß 2 § 7 6 LHO aus der abgeschlossenen Buchführung und aus der Haushalts- und Vermögensrechnung. Sie wird in Form einer Drucksache eingebracht, durch einen Abschlußbericht erläutert und ist ebenso wie der Haushaltsplan ein umfangreiches gebundenes Werk; die „Rechnung 1974" kam immerhin auf 2316 Seiten. Die Haushaltsrechnung ist das Gegenstück zum Haushaltsplan. Sie 3 muß den Nachweis erbringen, wie der Haushaltsplan verwirklicht worden ist und einen Vergleich zwischen den tatsächlichen und den im Haushaltsplan vorgesehenen Einnahmen und Ausgaben enthalten (Ist-/ Sollvergleich). In die Haushaltsrechnung sind die Reste einzubeziehen (§ 78 II LHO), die Vorgriffe auszuweisen sowie die über- und außerplanmäßigen Ausgaben kenntlich zu machen. Der Wortlaut „Einnahmen und Ausgaben der Haushaltswirtschaft" bedeutet also die Gesamtheit alles dessen, was dem Land Berlin im Rechnungszeitraum an Geld oder sonstigen geldwerten Gütern zugeflossen oder von ihm hingegeben worden ist (Vogel/Kirchhof BK Art. 114, Rdn. 37). Die Haushaltsrechnung wird ergänzt durch die Vermögensrechnung, 4 die den Bestand und die Veränderung des Vermögens während eines Rechnungsjahres sowie die übernommenen Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewähr- und ähnlichen Verträgen nachweisen soll (§ 77 IV LHO). Zweck der Vermögensrechnung ist es nicht, das „Reinvermögen" des Landes Berlin und damit dessen Kreditfähigkeit festzustellen. Ziel ist vielmehr, in erster Linie über die Entwicklung des öffentlichen Vermögens zu unterrichten, über seine Struktur und wie sich die Haushaltsführung und Finanzwirtschaft auf das Vermögen und die Schulden ausgewirkt haben (Piduch Art. 114 GG, Rdn. 10; Leimich, Die Vermögensrechnung der öffentlichen Hand). Die Rechnung ist in Berlin nicht, wie in den meisten anderen Verfas- 5 sungen vorgesehen, vom Finanzminister als dem zuständigen Ressortchef vorzulegen, sondern von dem SvB. Dies entspricht dem der VvB zugrunde liegenden Kollegialprinzip, bedeutet jedoch nicht, daß jeder Fachsenator, z. B. als Wirtschafter, für sein Fachgebiet und seinen Haushaltsplan Rechnung legen muß. Vielmehr bleibt der Senator für Finanzen wegen seiner ressortbedingten Sachnähe und Eignung für die Senatsvorlage ausschließlich zuständig. Die Rechnung ist im folgenden Rechnungsjahr zu legen. Damit ist die 6 329

Art. 83

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

Frist verfassungsrechtlich festgelegt, was gleichzeitig bedeutet, daß eine zunächst vorgesehene, aber nicht einhaltbar gewesene Sechsmonatsfrist fallen gelassen ist (Landsberg/Goetz, S. 202). Dennoch wird das Parlament Wert darauf zu legen haben, die Rechnung so schnell wie möglich zu erhalten - ebenso wie den Prüfungsbericht des L R H weil parlamentarische Kontrolle um so wirksamer ist, je weniger sie sich zeitlich von dem Jahr entfernt, für das Rechnung gelegt wird (Piduch D Ö V 1973,229). 7 Ziel der Rechnungslegung ist - ohne daß dies in der VvB besonders erwähnt wurde - die Entlastung der Regierung. Eine solche Entlastung, d. h. die Feststellung, daß der SvB von seiner verfassungsmäßigen Verantwortung für das Finanzgebaren des betreffenden Rechnungsjahres befreit wird, ist notwendig und vom AvB aufgrund der Rechnung und des Prüfungsberichts des L R H zu beschließen. Das Verfahren richtet sich nach § 81 LHO. 8 Die Entlastung ist der rechnungstechnische Abschluß des Haushaltskreislaufes, aber gleichzeitig ein politischer Vertrauensbeweis. Etwaige dienstrechtliche Maßnahmen oder Haftungsansprüche werden dadurch zwar nicht gegenstandslos. Dagegen ist aber eine Ministeranklage nach der Entlastung nicht mehr möglich (vgl. Kleinrahm, in Geller/Kleinrahm/Fleck, Art. 86 VNW, Anm. 3). Daher hat der SvB auch ohne einen entsprechenden Antrag und ohne besondere verfassungsrechtliche Erwähnung einen Anspruch auf eine derartige Entscheidung des AvB (Vogel/Kirchhof BK Art. 114, Rdn. 52).

Artikel 83 (1) Ein bei der Durchführung seiner Aufgaben unabhängiger Rechnungshof hat die Rechnungslegung aufgrund des Haushaltsplanes und der Haushaltsführung zu prüfen und das Prüfungsergebnis alljährlich dem Abgeordnetenhaus vorzulegen. Das Abgeordnetenhaus und der Senat können dem Rechnungshof besondere Prüfungsaufträge erteilen. (2) Der Rechnungshof wird vom einem Präsidenten geleitet. Dieser wird auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt und vom Senat auf Lebenszeit ernannt. Der 330

Haushaltskontrolle, Rechnungshof (Gerhard Pfennig)

Art. 83

Präsident des Rechnungshofes untersteht der Dienstaufsicht des Regierenden Bürgermeisters. (3) Alles Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. vgl. Art. 114 GG; 83 VBW; 80 BV; 131 Nr. 4 VHB; 71 VHH; 144 HV; 53 VNV; 86, 87 VNW; 120 VRP; 109 VS; 4 8 , 4 9 LS 2. VVGB: Art. 30 Abs. 2 und 3 3. Änderungen: Art. 83 II hat die jetzige Fassung das RHG vom 11. Juli 1957 (GVB1. S. 742) erhalten. Geändert wurde das Mehrheitsverhältnis bei der Wahl des PrLRH und seine Amtszeit. Im Interesse der Kontinuität und aus beamtenrechtlichen Gründen wurde herausgestellt, daß der Präsident zwar vom Parlament zu wählen, aber vom SvB - wie alle übrigen Beamten - auf Lebenszeit zu ernennen ist. In dem E18. ÄndGVvB wollte die Fraktion der C D U den PrLRH der Dienstaufsicht des PrAvB unterstellen. Dieser Antrag fand nicht die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten.

Erläuterungen

1

In der VVGB waren die Prüfung der Haushaltsrechnung und die Kontrolle der Verwaltung einem „Hauptprüfungsamt", praktisch dem früheren Rechnungsprüfungsamt der Stadt Berlin, übertragen gewesen. Allerdings ließ die dazu erlassene Verordnung bereits das Bestreben erkennen, Stellung und Aufgaben dieses Amtes möglichst umfassend zu umschreiben und seine Unabhängigkeit sowie die seiner Angestellten herauszustellen. Es sollte insoweit der Oberrechnungskammer in Preußen oder dem Rechnungshof des Deutschen Reiches gleichen (vgl. Haas, S. 90). Demgemäß wurde in den Beratungen der S t W über die künftige Verfassung Wert darauf gelegt, nunmehr dem örtlichen Prüfungsorgan sowohl eine dem Staatscharakter des Landes Berlin angemessene Bezeichnung „Rechnungshof", aber natürlich auch den entsprechenden Status zu geben. Wesentlich war auch der Beschluß, daß der Rechnungshof sein Prüfungsergebnis unmittelbar dem Parlament vorzulegen habe und daß dieses sowie der SvB dem L R H trotz seiner Unabhängigkeit Sonderaufträge erteilen könnten. Die verfassungsrechtliche Stellung des L R H ist trotz zahlreicher wis- 2 senschaftlicher Versuche bisher nicht überzeugend umschrieben worden. Es ist dabei nur immer wieder deutlich geworden, daß sie singulären Charakter hat (Eine umfassende Ubersicht geben Vogel/Kirchhoff, BK Art. 114, Rdn. 173). Der Versuch, die Rechnungsprüfung als „Vierte Gewalt" einzuordnen, scheitert an der klaren Dreiteilung der Staatsgewalt (Art. 3 V v B , 2 0 G G ) . Auch eine Zuordnung zur dritten Gewalt scheidet aus systematischen und staatsrechtlichen Gründen aus; 331

Art. 83

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Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

nach deutschem Recht hat der L R H keine Streitigkeiten zu entscheiden oder einen Richterspruch zu fällen. Die Auffassung, daß der L R H nur entweder Teil der Legislative sei oder aber zur Exekutive gehöre, wird zwar mit unterschiedlichen Begründungen vertreten, ist aber wohl letzten Endes in dieser Ausschließlichkeit ebenfalls nicht zutreffend. Richtig ist, daß ursprünglich der L R H eher als eine vom Finanzminister abhängige Verwaltungsbehörde angesehen wurde. Dies war aber mit seiner proklamierten Unabhängigkeit nicht vereinbar. Heute wird dies deutlich sichtbar gemacht mit der in § 1 II R H G gefundenen Formulierung: „Der Rechnungshof ist eine bei der Durchführung seiner Aufgaben unabhängige nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde." Damit wird aber gleichzeitig zutreffenderweise erklärt, daß der L R H weder ein repräsentatives Verfassungsorgan noch ein Hilfsorgan des Parlaments ist (wie z. B. der Wehrbeauftragte nach Art. 45 b G G ) ; denn auch dies könnte seine Unabhängigkeit beeinflussen (Vogel/Kirchhoff, BK Art. 114, Rdn. 175). Allerdings wird man davon ausgehen können, daß sowohl der L R H als ganzes und die Unabhängigkeit seiner Mitglieder wie auch die Grundsätze des Rechnungsprüfungsrechts unter Verfassungsschutz stehen. Es handelt sich insoweit um eine institutionelle Verfassungsgarantie, gegen deren Verletzung sich der L R H oder eines seiner Mitgliederwehren kann (Vogel/Kirchhoff, BK Art. 114, Rdn. 179). Die VvB erwähnt neben der Prüfung der Rechnungslegung nur ganz global weitere Aufgaben des LRH. Man wird also zu unterscheiden haben zwischen — der sozusagen klassischen Aufgabe der Rechnungsprüfung und - anderen Aufgaben, die dann allerdings wohl dem L R H durch Gesetz oder Vereinbarung übertragen sein müssen. Die klassische Rechnungsprüfung umfaßt die Prüfung der Rechnungslegung, ein Begriff, der in §§ 76 bis 79 L H O definiert ist. Sie wird in § 1 R H G erweitert auf die Überwachung des Haushaltswesens des Landes Berlin, das in die Haushalts- und Vermögensrechnung am Ende eines jeden Haushaltsjahres einfließt und deren Grundlage ist. Die anderen Prüfungsaufgaben des L R H ergeben sich aus § 3 R H G . Zu ihnen gehören u. a. die Prüfung der Jahresabschlüsse bei Krankenhausbetrieben, Eigenbetrieben und bei landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit für sie die Vorschriften der L H O gelten. Dazu gehört z. B. die Deutsche Klassenlotterie. Auch den „Sender Freies Berlin" kann der L R H prüfen, ebenso öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (gemeint sind z. B. die Feuersozietät oder die WBK), sofern das AvB so beschließt. Besondere Priifungsaufträge können dem L R H vom Parlament oder 332

Haushaltskontrolle, Rechnungshof (Gerhard K e n n i g )

Art. 83

vom SvB erteilt werden. Dieses Recht wird auch einer einzelnen Fraktion zugestanden. So hat z. B. die CDU-Fraktion im Jahre 1975 eine Sonderprüfung des L R H betr. das Kongreßzentrum Berlin gefordert und auch erhalten (vgl. den Bericht des L R H - DsAvB 7/121). Die Organe der Bezirke können dagegen nur in besonderen Fällen Prüfungen beantragen und auch dann nur mit Erfolg, wenn die Geschäftslage des L R H eine solche Prüfung zuläßt (§ 10 II R H G ) . Der Priifungsinhalt ergibt sich im einzelnen aus § 5 R H G . Die VvB 7 sagt dazu nichts, auch nichts über die Prügungsmaßstäbe „Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit", die im Jahre 1969 in den Abs. 2 des Art. 114 G G aufgenommen wurden, um über die rein kameralistische Rechnungsprüfung hinauszuweisen. Dies ist aber auch nicht erforderlich, weil inzwischen derartige Maßstäbe ebenso wie das Recht des LRH, Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen, zum Allgemeingut der Kontrollfunktion des L R H gehören (Pfennig DVB1. 1966, 841). Zum Priifungsverfahren gehören die Prüfungserinnerungen (§ 7 8 R H G ) und der Prüfungsbericht (§ 8 R H G ) . Dieser Bericht ist unmittelbar dem Parlament vorzulegen, also nicht erst - wie in früherer Zeit der Regierung, weil diese dem Parlament für die Rechnungslegung verantwortlich sei. Allerdings muß der L R H seinen Bericht auch ohne daß dies in der Verfassung ausdrücklich gesagt ist - dem SvB zuleiten, damit dieser dazu Stellung nehmen kann, um durch das Parlament entlastet zu werden (§§ 81, 82 LHO). Der letzte Bericht bringt das Ergebnis der Prüfung im Jahre 1975 (vgl. DsAvB Nr. 7/534) und dazu die Stellungnahme des SvB (DsAvB 7/726). Der L R H besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten als 9 dessen ständigem Vertreter und den weiteren Mitgliedern ( § 1 1 RHG). Der Präsident leitet den L R H ; er ist darin aber nicht völlig frei, son- 1 0 d e m durch die Kollegialverfassung des L R H sowie die Unabhängigkeit der übrigen Mitglieder eingeschränkt. Dagegen haben die Mitglieder des L R H als Leiter eines Prüfungsgebietes im Vergleich zu der Organisation anderer Rechnungshöfe eine recht starke Position. Die Mitglieder des L R H sind Beamte. Sie besitzen die richterliche 11 Unabhängigkeit (§ 16 R H G ) , auch wenn dies in der VvB nicht ausdrücklich erwähnt worden ist, weil sowohl eine sachliche als auch persönliche Unabhängigkeit zu der institutionellen Garantie der Rechnungsprüfung gehören. Sie leiten ihr Prüfungsgebiet selbständig und in eigener Verantwortung ( § 1 3 R H G ) , soweit nicht - der PrLRH sich die Mitwirkung vorbehalten hat (was selten geschieht), 333

Art. 8 3

Abschnitt VIII: Das Finanzwesen

- eine Vorlage an den PrLRH geboten erscheint (also nach Ermessen des Mitglieds selbst), - eine Entscheidung des Kollegiums herbeizuführen ist (also nur in Angelegenheiten von grundsätzlicher oder sonst erheblicher Bedeut u n g - § 14RHG). 12 Der Präsident wird vom SvB vorgeschlagen, muß vom Parlament mit absoluter Mehrheit (vgl. Art. 31, Rdn. 3) gewählt und dann auch vom SvB auf Lebenszeit ernannt werden. Es ist also weder eine Ernennung auf Zeit noch eine Abberufung durch das Parlament möglich, wie etwa bei den Generalstaatsanwälten oder dem Polizeipräsidenten (Art. 44 II). 13 Die Dienstaufsicht über den PrLRH hat die VvB dem RB zugedacht. Nun ist sicher richtig, daß eine „formale Dienstaufsicht" bei einem Lebenszeitbeamten bestehen muß; ob die Berliner Regelung aber mit der Selbständigkeit und Ministerialfreiheit dieser obersten Landesbehörde im Einklang steht, ist umstritten. So hat z. B. gegenüber dem PrBRH das Antragsrecht in Disziplinarsachen nicht etwa der Bundeskanzler, sondern der Präsident des Deutschen Bundestages (§ 11 a I BRHG). 14 Das RHG 1951 ist im Zuge der Kodifizierung und Modernisierung des Berliner Haushaltsrechts durch ein völlig neues Gesetz über den LRH im Jahre 1966 ersetzt worden. Allerdings mußte es alsbald infolge der später abgeschlossenen Haushaltsreform des Bundes mehrmals novelliert werden. Es wird ergänzt durch eine GO (vgl. GOLRH vom 15. 12. 1966 - MittPrAvB 4/Nr. 54, S. 14), die das Kollegium des LRH beschließt und die dem AvB sowie dem SvB mitzuteilen ist (§ 14 II RHG).

334

Abschnitt IX Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 8 4 Die Organe von Groß-Berlin üben ihre Befugnisse aus, bis sie nach den Bestimmungen dieser Verfassung ersetzt sind, die Inhaber öffentlicher Ämter bis zur Amtsübernahme durch ihren Nachfolger.

Erläuterungen Art. 84 sollte den Übergang von der W G B zur VvB erleichtern, bis alle Organe neu gewählt waren. Deshalb trugen auch einige nach Inkrafttreten der VvB verkündete Gesetze noch den Eingangsvermerk: „Die Stadtverordnetenversammlung und der Magistrat haben das folgende Gesetz beschlossen" (vgl. im einzelnen Landsberg/Goetz, S. 204). Art. 84 hat mit der Neuwahl des AvB und der BVVen sowie den daraus resultierenden Neuwahlen des SvB und der BzA im Jahre 1951 seine Erledigung gefunden.

Artikel 8 5 Bisherige Rechtsvorschriften, die in Widerspruch zu dieser Verfassung stehen, sind innerhalb der vierjährigen ersten Wahlperiode vom Abgeordnetenhaus außer Kraft zu setzen.

Erläuterungen Art. 85 sollte verhindern, daß durch Außerkrafttreten entgegenste- 1 henden Rechts mit Inkrafttreten der VvB Lücken entstehen könnten. Außerdem sollte vom Parlament und nicht von den Gerichten entschie335

Art. 87

Abschnitt IX: Übergangs- und Schlußbestimmungen

den werden, welches Recht der VvB entgegenstand (vgl. dazu Art. 64, Rdn. 1). 2 Art. 85 ist eine Ubergangsvorschrift. Der Verfassungsauftrag an das AvB hat sich mit Ablauf der ersten Wahlperiode erledigt. Soweit noch vorkonstitutionelles Landesrecht (vgl. dazu Art. 48) bestehen sollte, das sich im Widerspruch zur VvB befindet, ist es Aufgabe der Gerichte, dieses für ungültig zu erklären (siehe Art. 64, Rdn. 5 ff).

Artikel 8 6 Die zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus und zur Beseitigung ihrer Folgen erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieser Verfassung nicht berührt. Materialien

1. vgl. Art. 139 GG 2. VVGB: 3. Änderungen: -

Erläuterungen Art. 86 betrifft ebenso wie Art. 139 G G die Ausnahmebestimmungen gegen Nationalsozialismus und Militarismus. Die rechtlichen Grundlagen bilden die Vorschriften des A K R und der AKB, die durch die VvB ebensowenig wie durch das G G berührt werden, soweit sie mit Willen der Alliierten noch in Kraft sind.

Artikel 8 7 (1) Art. 1 Abs. 2 und 3 der Verfassung treten in Kraft, sobald die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen unterliegt. (2) In der Übergangszeit kann das Abgeordnetenhaus durch Gesetz feststellen, daß ein Gesetz der Bundesrepublik Deutschland unverändert auch in Berlin Anwendung findet. (3) Soweit in der Übergangszeit die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen (Abs. 1) unterliegt, sind die Bestimmungen des Grundgesetzes auch in 336

Art. 88

Verfassungsänderung (Harth)

Berlin geltendes Recht. Sie gehen den Bestimmungen der Verfassung vor. Das Abgeordnetenhaus kann im Einzelfall mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder anders beschließen. Art. 85 der Verfassung findet sinngemäß Anwendung. (4) In der Übergangszeit sollen die verfassungsmäßig bestellten Organe von Berlin die für das Verhältnis von Bund und Ländern maßgebenden Bestimmungen des Grundgesetzes soweit wie möglich als Richtlinien für die Gesetzgebung und Verwaltung beachten. Erläuterungen bei Art. 1 Artikel 8 7 a Art. 72 der Verfassung wird suspendiert. Erläuterungen Vgl. hierzu die Erl. zu Art. 72.

Artikel 8 8 (1) Änderungen der Verfassung erfordern eine Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses. (2) Die Verfassung ist bei Abschluß eines Friedensvertrages und bei Verkündung einer Verfassung für Deutschland einer Überprüfung zu unterziehen. Materialien 1. vgl. Art. 79, 146 G G ; 64 VBW; 75 BV; 125 V H B ; 51 V H H ; 123 H V ; 37, 38 VNV; 69 VNW; 129 VRP; 103 VS; 35 LS 2. W G B : 3. Änderungen: Durch das 17. Ä n d G V v B v. 22. 11. 1974 (GVB1. S. 2741) wurde der bisherige Abs. 2 gestrichen und damit die Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch Volksentscheid beseitigt.

Erläuterungen Für Verfassungsänderungen bedarf es einer Mehrheit von zwei Drit- 1 teln der gewählten Mitglieder des AvB (s. dazu Art. 31, Rdn. 3). Die VvB enthält keine Vorschrift, wonach die VvB nur durch ein Gesetz geändert werden kann, das ihren Wortlaut ausdrücklich ändert oder er337

Art. 89

Abschnitt IX: Übergangs- und Schlußbestimmungen

gänzt (wie z. B. Art. 79 I 1 GG). Dennoch ist nach einhelliger Ansicht von AvB und SvB Art. 88 dahin auszulegen, daß Verfassungsänderungen nicht durch verfassungsdurchbrechendes, sondern nur durch verfassungsänderndes Gesetz erfolgen können (Denkschrift SvB S. 10; so auch Landsberg/Goetz S. 208; a. A. Drexelius/Weber Art. 51, Rdn. 4 für die V H H ) . In der Praxis wird sich die erforderliche Zwei-DrittelMehrheit für ein verfassungsdurchbrechendes Gesetz ohnehin kaum nachweisen lassen, da nur bei ausdrücklich den Wortlaut der VvB ändernden Gesetzen vom PrAvB mit der Ausfertigung beurkundet wird, daß die nach Art. 8 8 1 erforderliche Merheit vorgelegen hat. 2 Ferner enthält die VvB keine dem Art. 79 III G G entsprechende Vorschrift, d. h., die VvB selbst begrenzt Verfassungsänderungen inhaltlich nicht. Dennoch gibt es dafür verschiedene Schranken. Zunächst sichert die Homogenitätsklausel des Art. 28 I 1 u. 2 G G einen gewissen Bestand an rechtsstaatlichen Grundsätzen in der VvB (s. dazu auch Barschel/Gebel Art. 35 LS, Anm. C II 26). Der Verfassungsgesetzgeber ist ferner an die Grundrechte des G G gebunden (Art. 31, 1 III GG). Schachtschneider (JR 1975, 221) meint, durch eine Verfassungsänderung dürften Verfassungsinstitutionen jedenfalls dann nicht besetitigt werden, wenn damit das vom Verfassungsgesetzgeber gewollte Kräftefeld grob verändert werde (wie das bei der Beseitigung der Volksgesetzgebung durch das 17. ÄndGVvB der Fall sei). 3 Wird durch eine Verfassungsänderung eine Ermächtigungsnorm für den Erlaß eines Gesetzes eingefügt, so muß diese Ermächtigungsnorm in Kraft getreten sein, bevor das darauf beruhende Gesetz ausgefertigt werden kann (BVfGE 34, 9, 21). 4 Abs. 2 sollte der besonderen Lage Berlins Rechnung tragen (vgl. Landsberg/Goetz S. 208).

Artikel 89 Diese Verfassung tritt am 1. Oktober 1950 in Kraft. Erläuterungen Die VvB konnte am 1. Oktober 1950 mit Genehmigung der A K B B K / O (50) 75 vom 29. August 1950 - in Kraft treten und wurde in öffentlicher Sitzung der StVV im Beisein des Bundespräsidenten Theodor Heuss verkündet. 338

Sachregister Fettgedruckte Zahlen bezeichnen den Artikel der VvB, die übrigen geben die Randnummern des betreffenden Artikels wieder. Abgeordnete - Aufwandsentschädigung 38 1 ff - Beginn und Ende des Mandats 28 2 - Immunität 35 5 ff - Indemnität 35 2 f - Inkompatibilität 26 20f; 4 1 1 9 - Mehrheit der Abgeordneten s. dort - Mindestzahl 25 5 - ruhendes Mandat 26 20 b; 4 1 1 9 - Zahl in Berlin (West) 2 5 5 - Zeugnisverweigerungsrecht 3 5 4

Abgeordnetenhaus - Abänderung von Rechtsverordnungen 47 13 ff - Abwahl des Präsidiums 28 6 - Abwahl der Schriftführer 28 6 - als Volksvertretung 2 4 - Auflösung 3 9 1 ff - Auskunftsrecht gegenüber SvB 34 2 - Ausschüsse s. dort - Außerkraftsetzung verfassungswidrigen Rechts 8 5 1 f - Beschlußfähigkeit 3 1 1 f - Bewilligung von Haushaltsüberschreitungen 7 6 4 - Bewilligung über Mehrausgaben 78 2 ff - Billigung der Regierungsrichtlinien 4 3 12 - Budget-Recht 73 Vbm 8 f; 73 6 b ff; 75 1 , 4 ; 7 6 4; 77 4; 78 2 ff - Ende der Wahlperiode 3 9 8 - Erzwingung von Sitzungen 30 3 - Fraktion 32 5

-

Freiheit der Berichterstattung 3 6 1 ff Geschäftsordnung 2 9 1 ff Gesetzgebung s. dort Interimsausschuß 3 9 9 , 1 1 Kontrollkompetenz 3 4 1 Name 2 5 1 Neuwahl 39 8 Öffentlichkeit der Sitzung 3 0 4 ff parlamentarischer Brauch 2 9 8 Präsident s. dort Präsidium 28 3 f Protokoll 31 6 Prüfungsauftrag für L R H 83 6 Rechnungsprüfung 82 7 f Rederecht der Senatsmitglieder 34 4 Regierungs-Organisationskompetenz43 1 3 , 1 5 ; 50 6 Richtervorschlagsrecht 6 9 4 Selbstauflösung 3 9 7 Selbstversammlungsrecht 28 1 Sitzungsperiode 30 1 Sitzungsgewalt des Präsidenten 34 5 Stimmpairing 3 1 4 Umwandlung von Eigenbetrieben 812 Unverriickbarkeit von Beschlüssen 315 Wahl der Präsidenten der oberen Landesgerichte 69 7 f Wahl der Generalstaatsanwälte und des Polizeipräsidenten 44 3 ff Wahl des PrLRH 83 12 Zitierungsrecht 3 4 1 Zusammentritt 28 1 Zustimmung zu Verträgen 43 4 ff

339

Sachregister Alliierte - Außenvertretung West-Berlins 1 9 7 ff, 110 - Besatzungsmächte 1 4 , 7 ff - Besatzungsrechte, originäre 1 7 f , 9 - Besatzungsstatut 1 20 - Gebietshoheit in Berlin 1 9 , 1 2 f, 20, 35,37,63 - Genehmigung G G 1 26 - Genehmigung VvB 1 26 - K o m m a n d a n t u r (AKB) 1 9f, 20, 26, 34f, 41, 63ff, lOOf - Souveränitätsvorbehalte gegenüber BRep. u. D D R 1 8 , 1 3 , 1 4 , 1 7 f - territoriale Souveränität 1 2 4 , 3 3 f - Verantwortung für Deutschland 1 8 , 14,18 - Verantwortung für Groß-Berlin 1 8f, lOf - Vereinbarungen über Deutschland u. Berlin 1 9 , 2 0 , 4 7 a - Verträge mit BRep. u. D D R 1 8 - Viermächteabkommen s. dort - Viermächtestatus 1 7 ff, 1 0 , 1 3 a, b, 14 ff, 34 - Viermächteverwaltung in Berlin 112,13a - Vorbehalte für Ost-Berlin 1 8 , 1 2 , 13 a, b - Vorbehalte für West-Berlin 1 1 2 , 1 6 2 6 , 3 4 ff, 37 f, 39 ff, 45 ff, 56 ff, 62 ff, 88ff, 97 ff, 1 0 3 , 1 0 5 , 1 1 0 ; 48 7; 50 24 ff - Vorbehaltsaufgaben in West-Berlin 1 2 0 , 97ff; 27 4; 44 2 - Weitergeltung alliierter Gesetze 86 - Zusage der Rechtseinheit Berlin/ Bund 1 2 0 , 4 7 a; 50 29 Amt s. öffentliches Amt Amnestie 68 2

Arbeitnehmer, Arbeitgeber 7 2 , 4 ; 6 1 6f Arbeitslosenunterstützung 12 3 Aufsicht - Bezirksaufsicht 50 20; 52 3; 55 2; 58 16; 60 8; 6 1 8 - des Bundes über Berlin s. Bundesverwaltung - Dienstaufsicht des RB 50 22; 59 4; 83 13 - Dienstaufsicht über Bezirksstadträte 58 9 , 1 5 ; 59 4 - Schulaufsicht 6 1 9 - Staatsaufsicht über mittelbare Verwaltung und Eigenbetriebe 50 23 f; 80 4 Ausländer 11 2 , 7 f; 25 3 Ausreisefreiheit 1 1 2 Ausschüsse des AvB - Abberufung von Mitgliedern 32 2 - Anwesenheitsrecht des Senats 33 7; 34 3 - Besetzung 32 2 ff - Interimsausschuß 39 9 , 1 1 - Petitionsausschuß s. Petition - Selbstbeschaffungsrecht 32 1 - Sitzungsgewalt des Ausschußvorsitzenden 34 5 - Untersuchungsausschuß s. dort Ausschüsse des BTags u. BRats 1 8 3 , 89,94 Beamter - Beamtenstreik 18 12 - Eintreten für freiheitliche demokratische Grundordnung 13 9 - Grundsatz des Berufsbeamtentums 13 9; 60 3; 6 1 1 - politischer Beamter 60 3

Anwendungsgesetz 1 4 8 , 98

- Regreßhaftung 79 7

Arbeit - freie Wahl des Platzes 1 1 4 - Recht auf 12 1

Bekenntnis 13 8

340

Berlin als ganzes s. Groß-Berlin Berlinförderung 1 1 0 8

Sachregister Berlin (Ost) - alliierter Zugang 1 1 3 a - Besatzungsvorbehalte 1 8 f , 12, 13 a, b, 17f - Betriebsrechte der D D R 1 1 2 - freier Zugang 1 1 3 b, 17 - Hauptstadt der D D R 1 1 3 a - Hoheitsbefugnisse der D D R 1 1 3 a, b -Lufthoheit 112,13 a - Staatsangehörigkeit 1 1 3 a - Übernahme von DDR-Gesetzen 113a - verfassungsrechtliche Zugehörigkeit zur D D R 1 1 3 a, 15 - Vertretung in Volkskammer 1 1 3 a - Viermächteabkommen 1 1 5 f, 18 - Viermächtestatus s. Alliierte Berlin (West) - als demokratischer u. sozialer Rechtsstaat Vorspr. 1; 2 2; 6 Vbm 39f; 50 2; 62 3 - als Land Vorspr. 3; 1 1 , 4 f , 6 - als Land der BRep. s. Rechtsstatus - als Stadt(staat) 1 1, 6; 5 0 4 ; 73 1 , 4 - als Teil der BRep. 1 33 ff, 22 ff - B e g r i f f 1 3 , 2 3 ff - Besatzungsvorbehalte s. Alliierte - Bezirke s. dort - Bindungen an BRep. 1 16,22 ff, 33 ff, 36 f, 38 ff, 45 ff, 55 ff, 62 ff, 81 ff, 87ff, 91 ff, 97ff, 102ff - Berlin-Beauftragter 1 84, 86 - Bundesbehörden 1 57 ff, 60 f, 84ff, 87; 50 24 ff - Bundesgerichte 1 6 2 , 7 9 ; 64 6 - Bundesgesetzgebung 1 2 0 , 4 3 f, 45 ff, 50 ff, 54, 80, 88 - Bundespässe 1 9 8 ; 1 1 6 , 2 0 - Bundespräsenz s. dort - Bundesrecht s. dort - Bundesstraßen 50 28 - Bundestreue s. dort - Bundesverwaltung s. dort - Bundesverfassungsgericht s. dort - deutsche Staatsgewalt 1 2 1 , 2 4 f - diplomatische Vertretung 1 1 0 0 a

- Doppelcharakter als Gebietskörperschaft 1 1 , 2 f f , 6, 9; 3 9; 5 0 4 ; 73 1 , 4 - Eigenbetriebe s. dort - Einbeziehung in E G 1 1 0 2 ff - Einbeziehung in Verträge der BRep. 1 9 8 , 1 0 2 ff, 109,110 - Einwohnerregistrierung 1 20 - Farben 5 2, 6 - Finanzsystem des Bundes 73 Vbm. 2f - Finanzverwaltung 1 6 1 ; 50 26 - Flagge 5 2 , 6 - freier Zugang nach Ost-Berlin 1 1 3 b - Gebiet 4 1 ff - Gebietsänderung 1 1 6 , 1 9 ; 4 2, 6f - Gebietshoheit 1 3 5 , 63, 9 , 1 3 , 2 0 - Geltung des G G 1 22 ff, 38 ff, 41 ff, 42, 54, 8 0 , 1 0 0 - Geltungsanspruch der VvB s. Verfassung - Gemeindeverband 3 9 f - Gesetzgebung s. dort - Gerichtsverfassung 1 6 2 - Haushaltswesen s. dort - Hoheitsbefugnisse der BRep. 1 37 ff, 42,23 f - internationale Veranstaltungen 1 1 0 0 a, 101 - kein konstitutiver Teil der BRep. 134 - konsularische Vertretung 1 1 0 0 a - L u f t f a h r t 1 1 2 , 1 3 a , 20 - Mitgliedschaft im Europarat 1 1 0 9 - Mitwirkung in Bundesorganen 1 2 5 b , 88ff; 43 3 - P o l i z e i 1 2 0 ; 44 2; 9 9; 19 10 - Postverwaltung 1 61; 50 25 - Rechtseinheit mit Bund, alliierte Zusage 1 2 0 , 4 7 a - Rechtsgeschäftliche Vertretung Blns. 43 2 , 6 , 1 0 - Rechtsprechung s. dort - Rechtsstatus s. dort - Regierung s. dort - S-Bahn 1 1 2 - Schleusen 1 1 2 , 61

341

Sachregister - S e k t o r e n 1 9 ff; 4 4 -Siegel 5 3,6 - Staatsangehörigkeit 1 47 a, 13 a - staatsrechtliche Stellung 1 1 ff - staatsrechtliche Vertretung durch RB 4 3 2, 5 - S t a a t s v o l k 2 1 ; 25 1 - Steuer- und Zollverwaltung 50 26; 73 Vbm. 6 - Übernahme von Bundesgesetzen 1 4 6 f f , 51, 53; 39 9; 46 4, 8 - Verbindungsbehörde zur BReg. 1 8 4 , 86 - Vermögen Berlins s. dort - verfassungsrechtliche Zugehörigkeit zur BRep. 1 33 ff, 1 3 , 1 6 , 1 9 , 2 2 f f - Verträge mit auswärtigen Staaten 142,100 - Vertretung durch RB 4 3 2 f - Vertretung in auswärtigen Angelegenheiten 1 9 7 f, 100 a, 101,102 ff, 109,110; 4 3 9 - Vertretung in U N O 1 1 1 0 - Verwaltung s. dort - Viermächteabkommen s. dort - Viermächtestatus s. Alliierte - Völkerrecht s. dort - Vorrang der Kompetenznormen des G G 1 4 3 ff, 51, 56 - W ä h r u n g 1 6 1 ; 50 29 - Wahl der BT-Mitglieder 1 8 9 - Wappen 5 3 , 6 - Weitergeltung alliierter Gesetze 86 - Wasserstraßen 1 1 2 , 61; 50 27 Beruf 1 1 4 Besatzungsrechte, -vorbehalte s. Alliierte Bezirke - Änderung der Zahl 4 6 - Aufsicht des SvB 50 20 ff; 52 3; 55 2; 58 16; 60 8; 6 1 8 - Ausführung von Bundesgesetzen 5018 - Bezirkshaushaltspläne 50 12; 56 5; 73 10 ff

342

- Bindung an Rechts- und Verwaltungsvorschriften des SvB 50 19ff - Bezirksamt s. sort - Bezirksaufsicht s. dort - Bezirksbürgermeister s. dort - bezirkseigene Angelegenheiten 50 12,16 - Bezirksverordnetenversammlung s. dort - Bezirksverwaltung 50 5, 9 ff, 12 ff - Bezirksverwaltungsgesetz 531,3 - Deputation 57 1 f - Durchführung übergeordneter Aufgaben 50 10 - Einteilung 4 3 - Etatvorschlagsrecht 50 12 - Finanzhoheit der Bezirke 50 12; 73 13 -

Gebietstausch 4 6 Gemeindeähnlichkeit 50 4 , 1 1 ff Grenzänderung 4 5 institutionelle Garantie 4 3 Klagebefugnis 50 14,21; 56 8 , 1 1 ; 57 7; 58 4 , 1 5

-

nicht rechtsfähige Anstalten 50 9 Ordnungsaufgaben 50 17 Organe 50 9 Personalwesen 50 12; 6 1 7 f Planungswesen 40 21 f Prüfungsauftrag für L R H 83 6 Recht auf bezirkliche Selbstverwaltung 5 0 1 3 f

-Rechtsfähigkeit 50 12 - Rechtssetzung der Bezirke 50 12 - Regelung der Verwaltungsorganisation 50 12 - Schlichtungsverfahren mit dem Land 50 15 - Selbständigkeit 50 4 - Selbstverwaltungsgarantie 50 O f f - Selbstverwaltungskörperschaften 50 10 - Stellungnahmen der Bezirksverwaltung 5 2 1 , 3

Sachregister - übertragene Vorbehaltsaufgaben SO 16 - Vertretung durch B z A 5 6 4 ; 5 8 1 1 - Vertretung in Krankenhausangelegenheiten 58 11 - Wappen 5 4 , 6 - Weisungsrecht des SvB 50 12 - Zuständigkeiten 5 0 1 6 ff Bezirksamt - Abberufung im Wege der Bezirksaufsicht 60 8 - Abwahl der Mitglieder 56 15; 60 3 ff - Amtszeit der Mitglieder 58 5 , 1 0 ; 60 2 , 5 - Anrufung der Aufsichtsbehörde 58 16 - Beanstandung von B W - B e s c h l ü s sen 56 9 - Bezirksbürgermeister s. dort - BzA-Mitglieder als politische Beamte 58 3; 60 3 - Dienstaufsicht über BzA-Mitglieder 50 22; 58 9 , 1 5 ; 59 4 - Dienstbehörde 50 22; 59 4 - Ernennung der Mitglieder 58 6 - funktionelle Verwaltungsbehörde 53 2; 58 11 - Geschäftsbereiche 58 2 - Geschäftsordnung 58 14 - Größe 58 1 f - Inkompatibilität 58 7 - Kollegialentscheidung bei Meinungsverschiedenheiten 58, 1 8 ; 5 9 4 - Kontrolle durch B W 56 7 f; 58 9 - Organ der Bezirksverwaltung 50 9 - Organisation 58 13 ; 59 2 - politisches Vertrauen der B W 60 2 - Ressortprinzip 58 11,18 - Rücktritt von BzA-Mitgliedern 60 6 f - Sitzungen 58 12 - Stadträte 58 1 f - Stellung seiner Mitglieder 58 3, 6ff - Vertretung des Bezirks 56 4; 58 11 - Vertretung im RdB 52 15; 58 15 - Wahl 50 12; 5 3 2; 5 6 1 5 ; 58 4f

Bezirksaufsicht 50 20 f; 52 3; 55 2; 58 16; 60 8; 6 1 8 Bezirksbürgermeister - Abwahl s. Bezirksamt - Beanstandungsrecht gegenüber BzA 58 15 - Dienstaufsicht über BzBgm. 58 9; 59 4 - Dienstaufsicht über Stadträte 58 11, 15;594 - Entscheidungsstimme bei Stimmgleichheit im BzA 58 17 - Mitglied des BzA 58 1 ff - Nominationsrecht der B W - F r a k tionen 58 4 - Stellvertretender Bezirksbürgermeister 58 1 ff, 4 - Vertretung des BzA im RdB 52 15 - Wahl durch B W s . Bezirksverordnetenversammlung - Weisungsrecht gegenüber Stadträten 58 18 Bezirksverordnetenversammlung - Abwahl der BzA-Mitglieder 56 15; 60 3 ff - Ältestenrat 56 13 - als Verwaltungsbehörde 5 3 2 - als Volksvertretung 2 4 - Anzahl der Mitglieder 54 9 - Auflösung 55 1 f - Aufsichtsbehörde 56 9 , 1 0 - Ausschüsse 57 3 ff, 6 - Beanstandungsrecht des BzA 56 9 - Beschlußfähigkeit 56 12 - Beschlußorgan des Bezirks 52 2 - Bestimmung der Bezirksverwaltungspolitik 56 5 - Bürgerdeputierte 56 15; 57 7, 9f - B W - V o r s t e h e r 50 14; 56 2ff - Empfehlungen an das BzA 56 6 - Fraktionen 56 14; 57 8; 58 4 - Geschäftsordnung 56 11 - Interimsausschuß 55 4 - Klagebefugnis 50 14; 56 10 - Kontrolltätigkeit 56 7 f - Mehrheit 56 2 343

Sachregister -

Mindestbewerberzahl 5 4 6 Organ der Bezirksverwaltung 5 0 9 politisches Vertrauen für B z A 6 0 2 Unzuständigkeit in Personalsachen 56 6,7 - Verfügung über Sondermittel 7 3 13 - Vorschlagsrecht für ehrenamtlich Tätige 5 6 15; 6 3 11 - V o r s t a n d 56 2 , 1 3 -.Vorsteher 5 5 3; 56 2 ff, 13 - Wahl der BzA-Mitglieder 5 0 12; 53 2; 56 15; 5 8 4 f - Wahl des B W - V o r s t a n d e s 5 6 2 - Wahlsystem 5 4 2, 5, 6; 2 6 14 a - Wiederholungswahl 5 5 3 Bezirksverordneter 50 2 1 ; 5 4 10; 55 2; 56 1 Briefgeheimnis 1 0 3 Bürgermeister 4 0 5 ; 5 2 1 ff Bundesaufsicht s. Bundesverwaltung Bundesbehörden 1 5 7 ff, 60 f, 84 ff, 87; 50 24 ff Bundesgerichte 1 6 2 , 7 9 ; 6 4 6 Bundesgesetze - Durchführung durch Landesverwaltung 1 5 6 ; 5 0 18 - Geltung in Berlin s. Bundesrecht - Pflicht zur Übernahme 1 51, 43 - Übernahme nach Berlin 1 4 5 ff, 50 ff; 39 9; 4 6 4, 8 - Unabänderlichkeit für Berlin 1 44, 47 a, 5 1 , 5 3 Bundesgesetzgebungsorgane 1 25 b, 8 2 f , 88; 4 3 3 Bundesgrundrechte 1 4 0 ; 6 Vbm. 2 ff Bundespässe 1 1 6 , 2 0 Bundespräsenz in Berlin -

Bundesbehörden 1 8 7 , 5 5 ff Bundesgerichte 1 6 2 ff Bundespräsident 1 85 f Bundesrat 1 8 2 , 86

344

-

Bundesregierung 1 8 4 f, 86 Bundestag 1 8 2 , 8 6 Bundestagsausschüsse 1 8 3 , 8 6 Bundestagsfraktionen 1 8 3 , 86 Bundesverfassungsgericht s. dort Bundesversammlung 1 82, 86 demonstrative 1 8 1 Verbindungsbehörde 1 8 4 , 86 Verfassungs- und Amtsakte 1 85 f

Bundespräsident 1 8 5 f, 90 Bundesrat - Ausschüsse 1 83, 86 - Mitwirkung Berlins 1 2 5 b, 90; 4 3 3 - Präsenz in Berlin 1 8 2 Bundesrecht - alliierte Zusage der Geltung 1 2 0 , 47 a - Inkrafttreten in Berlin 1 4 8 ff - Nichtigkeit 1 5 4 , 7 5 , 79 - Qualität in Berlin 1 5 2 f - Substrattheorie 1 5 4 - Übernahme nach Berlin 1 4 6 ff ; 3 9 9 ; 46 4 , 8 - verfassungskonforme Auslegung 180 - Vorrang 1 4 3 , 4 4 , 53 Bundesregierung 1 8 4 f , 86, 92; 5 0 2 5 f Bundesrepublik Deutschland - Bindungen Berlins 1 16, 22 ff, 33 ff, 38 ff, 45 ff, 55 ff, 62 ff, 81 ff, 87 ff, 91 ff, 97 ff, 102 ff - Generalvertrag 1 8 - Hoheitsbefugnisse in Berlin 1 37 ff, 42 - Homogenitätsklausel 6 Vbm. 2 , 4 4 ; 26 2 , 1 1 , 2 0 b ; 8 8 2 - Souveränitätsvorbehalte 1 8 , 1 4 , 1 7 f, 13 - Staatsgebiet 1 2 4 , 3 3 f - Teilidentität mit Deutschem Reich 124,35 - verfassungsrechtl. Zugehörigkeit Berlins 1 3 3 ff, 23 f

Sachregister Bundestreue Berlins - Bindung an B V f G - R s p r . 1 5 4 , 8 0

- Wasserstraßenverwaltung in Berlin 5 0 27

-

- Zuständigkeiten in B e r l i n 1 5 5 ff, 6 0 f ; 5 0 2 4 ff

in der Gesetzgebung 1 4 3 ff, 5 1 , 8 0 in der Rechtsprechung 1 8 0 , 7 5 in der Verwaltung 1 8 0 verfassungsrechtliche Bindung 1 3 6 , 33

Bundesverfassungsgericht - Bindung B l n . O r g a n e , B e h . u. G e richte 1 5 4 , 8 0 - Bund-Länder-Streitigkeiten 1 5 6 - Fortgeltung alten R e c h t s 1 7 1 , 9 9 ; 48 5; 8 5 - Grundrechtsverwirkung 1 65 - K o m p e t e n z e n in B e r l i n 1 6 3 ff, 3 7 , 56,64 6 - Mitwirkung Berlins 1 9 3 - Normenkontrolle in B l n . Sachen 1 6 9 ff; 6 4 6 - Organstreitigkeiten in Bln. Sachen 167f - Parteiverbot 1 6 4 ; 2 7 4 ; 1 3 9 - Rspr. zu Berlin 1 2 4 , 2 6 , 2 7 , 3 5 , 5 3 f , 6 3 ff, 98 - Verfassungsbeschwerde in B l n . S a c h e n 1 7 2 ff

Datenschutz 5 0 6 a DDR - Besatzungsvorbehalte 1 8 , 1 3 a, b, 15,17f - B e t r i e b s r e c h t e in G r o ß - B e r l i n 1 1 2 - Hoheitsbefugnisse in B e r l i n ( O s t ) 1 1 3 a, b - Souveränitätsvorbehalte 1 8 , 1 3 a, b, 14 f, 17 f - Währung der D D R in W e s t - B e r l i n 50 29 - Zugehörigkeit Berlins 1 9 , 1 1 , 1 3 a , b, 1 5 Demokratie - repräsentative 2 2 ; 5 0 2 - streitbare D e m o k r a t i e 1 3 9 , 1 8 ; 2 1 1 ; 241 Deutsche 2 5 3 Deutsche Reichsbahn 1 1 2

- verfassungskonforme Auslegung 1 5 4 , 75, 80 - Verhältnis zu Landesverfassungsgerichten 6 V b m . 4 ; 6 4 5

Deutscher Sport-Bund 1 9 6 , 1 0 0 a

- Völkerrecht 1 7 1 , 9 9 ; 4 8 5 - Vorlagepflicht der G e r i c h t e in B l n . Sachen 1 7 0 f ; 6 4 6 - Wahlprüfung 1 6 6

-

Bundesversammlung 1 8 2 , 8 6 , 9 5 Bundesverwaltung - Auftragsverwaltung 1 5 6 - bundeseigene Verwaltung 1 5 5 , 5 7 , 6 0 f; 5 0 2 4 ff; 4 8 7 - Bundesaufsicht 1 5 6 - Finanzverwaltung in B e r l i n 5 0 2 6 - Postverwaltung in B e r l i n 5 0 25 - Straßenverwaltung in B e r l i n 5 0 2 8 - Währungsverwaltung in B e r l i n 5 0 2 9

Deutsches Reich 1 5 , 2 4 , 3 5 f; 4 8 1 ff Deutschland alliierte Verantwortung 1 8 ff alliierte V e r e i n b a r u n g e n 1 9 Hauptstadt Berlin Vorspr 2 Spaltung Vorspr 2 Staatsgebiet 1 2 4

Dienstbehörde s. oberste Dienstbehörde Dritte Gewalt 3 7 f; 6 2 l f Drittwirkung der Grundrechte 6 Vbm. 8 , 1 1 , 3 5 a f ; 6 1 6 , 7 2; 1 2 4 ; 1 8 14 Durchsuchungen - durch die Polizei 1 9 1 0 - G e f a h r im Verzuge 1 9 6 f

345

Sachregister - richterliche Genehmigung 19 8,10 - Verfolgung auf frischer Tat 19 7, 9

Feiertag - gesetzlicher 22 1 ff - Lohnfortzahlung 22 3

Ehrenämter 7 4; 5615; 63 12

Fernmeldegeheimnis 10 5

Eigentum -Begriff 15 1,7 - Enteignung 15 5 - Inhalt und Schranken 15 2; 17 2

Festnahme 9 4 , 1 0 , 1 2 , 1 4 , 1 5

- Junktim-Klausel 15 6 Eignung 13 5 Eigenbetriebe - Beanstandungsrecht des zuständigen Senators 17 1; 50 23 a; 80 4 -Begriff 80 2 f - Eigenbetriebsgesetz 80 1 f - Haushaltsführung 80 1 f - Personalhoheit 61 3 - Prüfung durch LRH 83 5 - Selbständigkeit 17 1; 50 23 a; 80 4 - Stellung innerhalb der Verwaltung 50 8; 80 3 ff - Umwandlung in juristische Personen 81 lf - Vermögensveräußerung 8 1 3 Einreisefreiheit 112 Einrichtungsgarantien 6 Vbm. 21 ff Enquete-Kommission 32 2; 34 3 Europäische Gemeinschaft - Berlin-Förderung 1 108 - EGKS-Vertrag 1102 - EuGH 1104; 64 10 - Euratom 1102 - Europa-Parlament 1107 -EWG-Vertrag 1102,108 - Geltung von EG-Recht in Bln. 1103,105 - Verwaltung in Bln. 1106 - Zugehörigkeit Berlins 1102 ff Europäische Menschenrechtskommission 1 1 0 9 ; 1 1 7 Europarat 1109 Exekutive 2 5; 3 3,6; 40 2; 44 4; 50 3 346

Finanzplan 73 Vbm. 7; 73 6 Finanzsenator - Anzeige finanzieller Unregelmäßigkeiten 79 8 - Ausgabenbewilligungsrecht 76 4 - Beanstandungsrecht gegenüber Eigenbetrieben 17 1; 50 23 a; 80 4 - Einspruchsrecht bei Haushaltsüberschreitungen 76 5 - Notwendigkeit 40 4 - Zuständigkeit für Haushaltsüberschreitungen 73 Vbm. 8; 76 3 - Zuständigkeit für Kreditaufnahme 75 5 - Zuständigkeit nach der GoSvB 43 18 Finanzwesen -Begriff 73 Vbm. 1 - Ertragshoheit Berlins 73 Vbm 4; 75 2f - Finanzhoheit ber Bezirke 50 12; 7313 - Finanzplanung 73 Vbm. 7; 73 6 - Finanzsystem des Bundes 73 Vbm. 2 f - Finanzverwaltung 1 61; 50 26 - horizontaler Finanzausgleich 73 Vbm. 2 - Kirchensteuer 73 Vbm. 5 - Oberfinanzdirektion 50 26 - Steuer und Zollverwaltung 50 26; 73 Vbm. 6 - 3. Überleitungsgesetz 73 Vbm. 2 - Verstoß gegen Finanz- und Haushaltsrecht 79 lff - Vertikaler Finanzausgleich 73 Vbm. 2 Flagge 5 1 f, 6 Fortgeltung alten Rechts - Abänderungsbefugnis des AvB 48 3f, 6; 85

Sachregister - Abänderung von Rechtsverordnungen 48 7 - Abänderung von Verwaltungsvorschriften 48 9 - Fortgeltung Berliner Landesrechts 647 - gerichtliche Nachprüfung 48 5; 85 - preußisches Recht 48 1 f - Reichsrecht 48 1 f - Übergang von Aufsichtsrechten 48 8 , 9 - Übergang von Ermächtigungen 48 7 , 9

Gemeinde - Selbstverwaltungsgarantie 50 11 ff - V e r b a n d 3 9f Gemeinsamer Ausschuß von BT und BR 1 9 4 Generalstaatsanwalt 44 3 ff Generalvertrag 1 8

Freiheitsentziehung 9 5 , 7 -Auskunft 9 4,13 f - Benachrichtigung 9 14,15 - Festnahme 9 4 , 1 0 , 1 2 - Verhaftung 9 4 - Vorführung zum Richter 9 4,11; 714

Gerichte - Ausnahmegerichte 9 3; 67 1 f - Bundesgerichte s. dort - Dienstgerichte für Richter 69 3; 70 2 - für besondere Sachgebiete 67 2 - Gesetzesverwerfungskompetenz in Berlin 1 70 f; 64 6 f, 9 - Grundsatz der Gesetzmäßigkeit 1 4 0 ; 64 2 f - Inzidententscheidung über Rechtsgültigkeit 64 9 - Kompetenzen der Landesgerichtsbarkeit 63 11; 714ff - Kontrolle von Gnadenentscheidungen 68 8 - Obere Landesgerichte s. dort - Organisation der Landesgerichtsbarkeit 63 8 ff - Rechtsprechung s. dort - Verfassungsgericht in Berlin 72 1 ff; 87 a - Verwaltungsgerichtsbarkeit s. dort - Vorlagepflicht gegenüber Bundesgerichten 64 6 - Vorlagepflicht gegenüber EuGH 1104; 64 10 - Vorlagepflicht zum BVfG 1 7 0 f ; 6 4 6 - Wahlprüfungsgericht s. Wahlprüfung

Freiheitsrechte 6 Vbm. 9

Gerichtsverfassung 1 62

Freizügigkeit 1 1 2

Gesamt-Berlin s. Groß-Berlin

Friedensvertrag 88 4

Geschäftsordnung - Abgeordnetenhaus 29 1 ff - Bezirksamt 58 14 - B W 5611 - G G O (Verwaltung) 47 18; 50 19; 60 2

- Völkerrechtliche Verträge 171, 99 Fraktionen - des Abgeordnetenhauses 32 5 - d e r B W 56 14; 57 8; 58 4 - der deutschen Parlamente 184, 86 Frauen 6 7,14; 63 12 Freiheit - der Berichterstattung aus AvB 3 6 1 ff - der Information 8 6 ff - der Meinung 8 1 ff - der Person 9 1 , 5 - der Presse 8 2 , 6 ; 36 2 Freiheitliche demokratische Grundordnung 8 5; 13 9; 24 2f

Gebietshoheit in Berlin s. Alliierte Gebietstausch 1 1 6 , 1 9 ; 4 2 , 6f Gefahr im Verzuge 9 8; 19 6 ff

347

Sachregister - Rat der Bürgermeister 52 3 - Rechnungshof 83 14 - Rechtsnatur 29 1; 47 3 - S e n a t 43 18 ff Gesetzgebung - Berlins 1 4 3 ff, 5 1 , 2 0 ; 3 5; 45 2 ff 46 2 ff - des Bundes s. Bundesgesetzgebung Geschlecht 6 13; 13 6 Gesetz - Haushaltsgesetz s. dort - im materiellen Sinn 45 1, 47 2 - im formellen Sinn 45 1 ff - Initiativrecht des AvB 45 3 - Initiativrecht des SvB 4 5 2 - Verfassungsdurchbrechende Gesetze 881 - Verwerfungskompetenz in Berlin 1 7 0 f ; 64 5, 6f; 85 - Vorbehalt des Gesetzes 6 Vbm. 42; 23 2; 45 1; 47 4; 73 3; 75 2 - Vorrang des Gesetzes 6 Vbm. 42 Gesetzesvorbehalt 6 Vbm. 42; 23 2; 4 5 1 ff; 47 4; 7 3 3; 75 2 Gewaltenteilung 1 4 0 ; 3 1 ff; 62 2; 83 2 Gewerkschaften 1 9 6 Gleichberechtigung 6 1 2 ff Gleichheitssatz6 Vbm. 7 , 2 6 a ; 6 1,13; 7 6; 1 3 1; 2 6 4 , 1 1 , 2 0 b Gnadenwesen - Amnestie 68 2 - Gnadenantrag 60 1 - Gnadenausschuß 68 6 - Gnadenordnung 68 7 - Kontrolle durch Petitionsausschuß 68 9 - Niederschlagung von Strafverfahren 684 - richterliche Kontrolle 68 8 - Umfang der Begnadigung 68 1 f, 3 ff govem-Vorbehalt s. Alliierte 348

Groß-Berlin - a l l i i e r t e Rechte 1 7 ff, 14 ff - als besonderes Besatzungsgebiet 19,15 - a l s ganzes 1 8 ff, 13a, b, 15,23f - B e g r i f f 1 3 , 23ff -Gebiet 13,15; 4 4 - Gebietsänderung 1 1 9 ; 4 2, 6 - Hauptstadt Deutschlands Vorspr 2; 11 - Sektoren 1 9 ff; 4 4 - Spaltung Vorspr 2; 1 2 4 - S t V V l 1,3,25 - Zugehörigkeit zur BRep. 1 22 ff - Zugehörigkeit zur D D R 1 9 , 1 1 Grundgesetz - Änderungen 1 3 8 , 4 4 , 4 5 - alliierte Genehmigung 1 2 6 , 4 0 - Geltung in Berlin 1 2 2 f f , 38ff, 40, 41 ff, 5 4 , 7 5 , 8 0 , 1 0 0 - Homogenitätsklausel 6 Vbm. 2 , 4 4 ; 26 2 , 1 1 , 2 0 b ; 88 2 - Präambel 1 25 a - Zustimmung der S t W 1 2 5 a Grundlagenvertrag B R e p . / D D R 1 1 8 , 98,100a Grundrechte - Anspruchshäufung 6 Vbm. 4 - Bindung für Staatsgewalten 23 1 - Bundesgrundrechte in Berlin 1 4 0 ; 6 Vbm. 2 f, 39 - Drittwirkung 6 Vbm. 8 , 1 1 , 3 5 a f; 6 16; 7 2; 1 2 4 ; 18 14 - einklagbare Individualrechte 2 3 1 - Einrichtungsgarantien 6 Vbm. 21 ff - Einschränkungen 6 Vbm. 43; 7 4; 8 3, 7; 9 2; 10 8; 1 1 6 ; 12 2; 23 2ff - Einschränkungsvorbehalte 6 Vbm. 12 ff - Einzelfallgesetz 6 Vbm. 44 - Freiheitsrechte 6 Vbm. 41 ff, 21 ff, 28 f - Geltung in Berlin neben Bundesrecht 6 Vbm. 1 ff, 12 ff - Gleichheitssatz s. dort

Sachregister - globaler Gesetzesvorbehalt 2 3 2; 6 Vbm. 43 - immanente Schranken 6 Vbm. 35 c - institutionelle Garantien s. dort - juristische Personen 6 8 - Justizgrundrechte s. dort - Kollision 8 4 - Mindestgarantie der Bundesgrundrechte 18 6 - Mißbrauch 24 2 - Petition s. dort - Schrankenschranken 6 Vbm. 2 0 , 4 4 - Schrankensystem 6 Vbm. 41 ff - soziale Grundrechte 6 Vbm. 6 , 3 9 f; 191,231 - subjektive Freiheitsrechte 6 Vbm. 9 - System der VvB 6 Vbm. 5, 40ff - staatlicher Schutz Vorspr. 1 - status activus 6 Vbm. 5 , 2 7 ; 7 1 - Verbürgung 6 Vbm. 1 0 , 4 2 - Verhältnis zu Bundesgrundrechten 6 Vbm. 1 ff, 28 - Verhältnis zu einfachem Bundesrecht 6 Vbm. 29 - Verwirkung 1 65; 24 3 - Vorrang der Bundesgesetze 6 Vbm. 1 3 , 1 6 , 2 5 ; 6,16 - Vorverständnis 6 30 ff - Wesensgehaltsgarantie 6 Vbm. 44; 23 3 - Widerstandsrecht 2 3 5 -Willkürverbot 6 1 , 1 0 - Zitatklausel 1 40; 6 Vbm. 44 Haushaltsgesetz - Bepackungsverbot 73 9 - Ermächtigung für Regierung 7 3 Vbm. 13; 74 3; 75 5 - I n h a l t 73 7 f - Rechtliche Wirkung 7 3 8; 74 2 Haushaltsgrundsätze - allgemeines 73 Vbm. 7; 7 3 2 ff; 74 4 f - Haushaltseinheit 73 4 - Jährlichkeit 73 5 - Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit 74 4f

- Veranschlagungspflicht 7 3 3 - Vorherigkeit 73 5 a Haushaltsplan - Ausgabenbewilligungsrecht des SvB 76 4 - beamtenrechtliche Regreßhaftung 79 7 - B e g r i f f 7 3 Vbm. 13 - Bezirkshaushaltspläne 50 12; 56 5; 73 10 ff - Deckung von Mehrausgaben 78 2 ff - Feststellung durch AvB 7 3 6 bff - Gesamtbindungsmittel 73 14 - Haushaltsüberschreitungen s. dort - Nachtragshaushalt 76 4, 5 - Notetatrecht s. dort - Sondermittel der Bezirke 7 3 13 - Systematik 7 3 4 - Zustandekommen 73 6 a - Verfügungsmittel für Bezirke 73 13 - Vorherigkeit 7 3 5 a Haushaltsrechnung - Entlastung des SvB 82 8 - Frist zur Rechnungslegung 82 6 - I n h a l t 82 2 f - Rechnungsprüfung durch AvB 82 7 - Überprüfung durch Rechnungshof s. dort - Vorlage durch Senat 82 5 Haushaltsrecht - allgemeine Grundsätze 73 Vbm. 14 - als Ordnungsrecht 73 Vbm. 12 - geschichtliche Entwicklung 73 Vbm. 9 ff - gesetzliche Grundlagen 7 3 Vbm. 7 f, 13 - Verstoß gegen Haushaltsrecht 79 1 ff Haushaltsüberschreitungen - B e g r i f f 76 2 ff - Einspruchsrecht des Finanzsenators 76 5 - Höhe 76 4 - nachträgliche Bewilligung durch AvB 76 4 349

Sachregister - Voraussetzungen 76 3 a - Zuständigkeit des SvB 76 3 Haushaltswesen - beamtenrechtliche Regreßhaftung 79 7 - B e g r i f f 73 Vbm. 7 - Budget-Recht des AvB 7 3 Vbm. 8f; 73 6 ff; 75 1 , 4 ; 7 6 4 ; 77 4; 78 2ff - Deckung von Mehrausgaben 78 2 ff - Finanzplan 73 Vbm. 7; 7 3 6 - geschichtliche Entwicklung 73 Vbm. 9 ff - gesetzliche Grundlagen 73 Vbm. 7 ff - Gesetzesvorbehalt für Steuern und Abgaben 73 3; 75 2 - Haftung für Rechtsverstöße 79 2 ff;

82 8 -

Haushaltsgesetz s. dort Haushaltsgrundsätze s. dort Haushaltsplan s. dort Haushaltsrechnung s. dort Haushaltsrecht s. dort Haushaltsüberschreitungen s. dort Haushaltswirtschaft Bund/Länder 73 Vbm. 7 Investitionsprogramm 7 3 6 Kreditbeschaffung 75 4 ff Landesrechnungshof s. dort Landessteuergesetze 75 3 Notetatrecht s. dort Vermögensveräußerung 8 1 3 Verstoß gegen Finanz- u. Haushaltsrecht 7 9 1 ff zivilrechtliche Verpflichtungen Berlins 75 5 Zweistufige Verwaltung Berlins 731,4

- bei BzA-Mitgliedern 58 7 - bei SvB-Mitgliedern 26 20a; 4 1 1 9 Innerdeutsche Regelungen 1 16, 98, 100,100 a Institutionelle Garantie - als Rechtseinrichtungsgarantie 6 Vbm. 21 ff; 14 2 - Bezirke 4 3 - Landesrechnungshof 82 2 - Verwaltungsgerichtsbarkeit 62 2, 71 1 Internationale Konferenzen 1 1 0 0 a, 101 Internationale Organisationen 1 1 0 1 , 1 0 2 ff Internationale Verträge s. Völkerrecht Investitionsprogramm 73 6 Judikative s. Rechtsprechung, Gerichte juristische Personen 6 Vbm. 42; 6 8; 50 8; 6 1 7 ; 81 Iff Justizgrundrechte - Ausnahmegerichte 9 3 ; 67 1 f - B e g r i f f 62 2; 1 4 0 - Gnadenrecht s. Gnadenwesen - Nulla poena sine lege 66 1 ff - Recht auf Verteidiger 65 1 - Unschuldsvermutung 65 1 f Kommunalverwaltung 50 5 , 1 0 ff Kriegsdienstverweigerung 2 1 2 Kriegsverbrechergefängnis 1 1 2

Indemnität 35 2 f

Land - Berlin s. Berlin (West) - Farben 5 2 , 6 - Flagge 5 2 , 6 - S i e g e l 5 3 , 5, 6 - Wappen 5 3 , 6

Informationsfreiheit 8 6f

Landesbehörden 50 5 ff

Inkompatibilität - b e i AvB 26 20f - b e i B W 54 8

Landesrechnungshof - Anzeige von Unregelmäßigkeiten 79 8

Herkunft 13 7 Immunität 35 5 ff

350

Sachregister -

Geschäftsordnung 8 3 14 geschichtliche Entwicklung 8 3 1 ff Gesetz ü b e r L R H 8 3 14 grundsätzliche Aufgaben 8 3 3 institutionelle Verfassungsgarantie 83 2 Mitglieder des L R H 83 9 ff Präsident s. dort Prüfungsaufträge 83 6 Prüfungsinhalt 8 3 7 Prüfungspflicht 74 5 Prüfungsverfahren 83 8 Rechnungsprüfung 8 3 4 richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder 83 11 staatsrechtliche Stellung 8 3 2 verfassungsrechtliche Unabhängigkeit 83 2 weitere Prüfungsaufgaben 83 5

Landesrichter - als öffentliche Bedienstete 6 1 2 , 3 ; 691 - Auswahlverfahren 69 6 - Beförderung 69 4 - Berufung 69 2 - Disziplinarverfahren 69 3 ; 70 2 - E i n t r e t e n für freiheitliche demokratische Grundordnung 69 11 - E r n e n n u n g 63 3; 69 4 , 1 0 , 1 1 - Mitwirkung des Präsidialrates 69 4, 8 f - Prüfungsverfahren 69 3, 70 2 - Richterdienstgerichte 69 3; 70 2 - Versetzungsverfahren 69 3; 70 2 - Vorschlagsrecht der Präsidenten 69 4 , 9 - Vorschlagsrecht des AvB 69 4 Legislative 3 3; 25 1 ; s. auch Abgeordnetenhaus Londoner Protokoll 1 9 Luftsicherheit 1 1 2

Mantelgesetzgebung 1 46 ff Mehrheit der Abgeordneten - Absolute Mehrheit 42 5; 44 3; 69 7 f; 8312 - Einfache Mehrheit 3 1 3f; 4 1 4 ; 43 12; 45 2; 8 1 2 - Mehrheit der gewählten Abgeordneten 25 5 - Zweidrittel-Mehrheit 39 5; 88 1 Meinungsfreiheit 8 1 ff Militärmissionen 1 1 2 Mißbrauch - der Grundrechte 24 2 - Landesflagge, -wappen, -siegel, -färben 5 6 - wirtschaftlicher Macht 16 1 Mißhandlung 9 6 Mitbestimmung 17 1; 50 23 a Monopole 16 2 Normenkontrolle - durch Bln. Gerichte 1 7 0 f; 26 11; 64 5 ff, 9 - durch BVfG 1 6 9 f; 64 6; 7 3 8 Notetatrecht 77 2 f obere Landesgerichte - Vorschlagsrecht der Präsidenten für Richterwahl 69 4,9 - Wahl der Präsidenten durch AvB 69 7f Oberste Dienstbehörde - Präsident des AvB 37 1 f, 10; 6 1 5 - Präsident des L R H 6 1 5 - Regierender Bürgermeister 55 22; 59 4 - S e n a t o r 55 22; 6 1 5 - Vorstand juristischer Personen 6 1 5 oberste Gerichtshöfe des Bundes 1 6 2 , 79; 64 6

Magistrat von Berlin 40 1 ; 47 13

oberste Landesbehörden 50 S

Mandat s. Abgeordnete, Wahlen

occupatio bellica 1 9 351

Sachregister Öffentlich Bedienstete - Arbeitgeber 6 1 6 f - Ernennungen 6 1 3 ff - Einstellungen 6 1 7 - Entlassung 61 2, 9 - Landesbeamte 6 1 3 - Landesrichter s. dort - oberste Dienstbehörde 6 1 5 - Personalentscheidungen s. dort - Versetzungen 6 1 1 1

Petition - Ausschuß 32 7; 68 9 - bei Bezirken 57 3, 5

Öffentliches Amt - Begriff 13 2 - Ehrenamt s. dort - Eignung 13 5 - Einstellung 13 3 - Gleichheit 13 1 - keine Benachteiligung 13 6 ff - Partei 13 9 - Z u g a n g 1 3 1 ff, 3, 5ff

- Verhaftungen 9 9

öffentliche Notstände 11 6 Opposition 32 6 Organstreitigkeiten 1 6 7 f Ost-Berlin s. Berlin (Ost) Parallelgesetzgebung 1 4 6 , 51 Parlament s. Abgeordnetenhaus Parlamentarischer Rat 1 2 5 ff Partei - in Berlin 1 96 - Parteiengesetz 27 2 - Parteienmonopol 2 6 1 1 , 1 7 - Parteienprivileg 13 9 - Verbot durch Alliierte 27 4 - Verbot durch BVfG 1 64; 13 9; 27 4 - Verfassungsfeindlichkeit 13 9 - Zulassung durch Alliierte 27 1 Personalentscheidungen - der Bezirke 61 4, 8, 9 ff - der Eigenbetriebe 61 3 - des PrAvB 6 1 4 - des SvB s. Senat - der Universitäten 61 3, 5 , 1 1 352

- Verfahren 32 7 Planungssystem der Regierung 40 18 ff Polizei - alliierte Aufsicht 1 20 - Durchsuchungen 19 10 - Präsident 44 2 Post - Amtsgeheimnis 10 6 - Geheimhaltung 10 5 - Postgeheimnis 10 4 - Postverwaltung 50 25 - Überwachung 10 8 f Präsident des AvB - Abwahl 28 6 - als oberste Dienstbehörde 37 3 f, 10 ; 61 5 - Befugnisse 28 3 , 6 ; 2 9 1 f; 34 5; 37 l f f , 5, lOff, 39 lOf; 4 1 5 , 1 7 ; 42 7; 45 6; 46 3 , 4 ; 61 5 - H a u s r e c h t 37 5 , 1 0 - Mißtrauensvotum 28 6 - Polizeigewalt 37 6 ff, 10 - Sitzungsgewalt 34 5; 37 9 - Vertretungsbefugnis 37 1 f - Weiterführung der Geschäfte 39 10 Präsident des LRH - Dienstaufsicht über P r L R H 83 13 - Senatsvorschlag zur Wahl 83 12 - Sonderstellung 83 11 - W a h l durch AvB 83 12 Presse 8 2 , 6 ; 36 2 Preußen 1 1 , 4 ; 25 2; 48 1,4 Privatsphäre 10 3 ff Radikalen-Beschluß 13 9 Rat der Bürgermeister - Geschäftsordnung 52 3 - Verbindungsstelle der zweistufigen Verwaltung 52 4

Sachregister - Vertretung der Bezirksämter 52 15 - Vorschläge des RdB 52 3 - Zusammensetzung 52 2 Rechnungshof s. Landesrechnungshof Rechnungswesen s. Haushaltsrechnung Rechtsprechung - als Rechtspflege 62 1 -Begriff 3 7 - Bindung an oberste Gerichtshöfe des Bundes 1 6 2 , 5 9 ; 64 - Bindung Bln. Gerichte an BVfG 1 5 4 , 80, 75 - des Bundes in Berlin 1 6 2 ff; 64 6 - d r i t t e Gewalt 3 7 f ; 62 2 - Einfluß des AvB 2 5; 3 1; 63 3 - Einfluß des Volkes 2 5; 63 12 - Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit 62 2 - Gerichte s. dort - Gewaltenteilung 3 1 ff; 62 2 - Grundsatz der Gesetzmäßigkeit 64 2f; 1 4 0 - Inzidententscheidung über Rechtsgültigkeit 64 9 - Justizgrundrechte s. dort - Kontrolle von Gnadenentscheidungen 68 8 - Richter s. dort - Richtervorbehalt 3 7 f; 63 2 - Urteilsformel 6 3 1 f, 6 - Verfassungsgerichtsbarkeit in Berlin 7 2 1 ff; 87 a - Verwaltungsgerichtsbarkeit s. dort Rechtspflege 62 1 Rechtsstaatsprinzip - Geltung für Berlin Vorspr. 1; 1 40 - Geltung für Exekutive 47 4, 6; 50 2; 73 3 ; 7 5 2 - Gesetzmäßigkeit der Rechtsprechung 64 2 f Rechtsstatus Berlins - Als-ob-Theorie 1 3 0 - Assoziationstheorie 1 3 1

-

Gewohnheitsrecht 1 3 3 Gliedstaat sui generis 1 32 Integrationstheorie 1 2 9 , 3 8 Land der BRep. 1 33 ff, 22 ff östliche Auffassung 1 1 1 , 1 4 Rechtseinheit mit Bund 1 2 0 , 4 7 a Staatspraxis der BRep. 1 2 8

Rechts- und Amtshilfe 1 6 0 , 62 Rechtsverordnungen - Abänderungsbefugnis des AvB 47 13 ff - als Landesrecht 47 7 - Ausfertigung 47 11 - Begriff 47 2 - d e s Bundes 1 4 9 f - Ermächtigungsadressat 47 8 - Gemeinsame Rechtsverordnungen 4710 - Gesetzesvorbehalt 47 4 - Gültigkeitsdauer 47 12 - Subdelegation 47 9 - Verkündung 47 11 - Zuständigkeit des SvB 47 5 - zustimmungspflichtige Rechtsverordnungen 47 10 Regierender Bürgermeister - Amtsbeginn 41 5 - Amtsende 4 1 1 1 ff, 1 6 , 4 2 11 - Aufsicht über SvB 40 16; 43 15 - Dienstaufsicht 50 22; 59 4; 83 13 - Dienstbehörde 50 22 - Kompetenzen 40 1, 5, 9; 41 2 , 4 , 5f; 43 2, 5; 46 6ff - Leitung 43 11 - Mißtrauensantrag 4 1 1 4 ; 42 3 ff - RB Designatus 4 1 5 - Regierungsbildungsauftrag 4 1 4 , 1 0 - Richtlinienkompetenz 43 12 - Rücktritt 4 1 1 2 - Staatsoberhaupt 40 7 - staatsrechtliche Vertretung Berlins 43 2 , 5 - T o d 4113 - Überwachung der Regierungsrichtlinien 43 16

353

Sachregister -

Verkündung von Gesetzen 46 6 ff Vertretung 40 5 Vertretung Berlins 43 Vertretung des BPräs 1 9 0 Vorschlagsrecht für Senatoren 415,8 Regierung - Beteiligung des AvB 40 8,20 - des Bundes s. Bundesregierung - des Senats s. dort - Planungssystem 40 18 ff -Tätigkeit 3 6; 4017 ff Religion - Ausübung 20 1 f - Bekenntnis 13 8 - religiöser Haß 20 3 Richter - ehrenamtliche Richter 63 11 - gesetzlicher 9 3 - Gesetzprüfungsrecht 64 4 - Gesetzesverwerfungskompetenz in Berlin 170f; 6 4 5 f, 6f, 9 - Kontrolle von Gnadenentscheidungen 68 8 - Landesrichter s. dort - persönliche Unabhängigkeit 63 5 - Richteranklage in Berlin 70 3 - richterliche Genehmigung 19 8,10 - Richtervorbehalt 3 7 f; 63 2 - Richterwahlausschuß 69 2,4 f - sachliche Unabhängigkeit 63 4 - Unabhängigkeit 63 2 ff, 7 - Unabhängigkeit für Laienrichter 63 3 - Verhaltensregel zur Rechtsprechung 62 3; 6 16 - Vorführung von Verhafteten 9 4,11; 714 - Vorlagepflicht gegenüber Bundesgerichten 64 6 - Vorlagepflicht gegenüber EuGH 1104; 64 10 - Vorlagepflicht zum BVfG 1 70 f;64 6 Satzung 47 3 S-Bahn 1 1 2 354

Schleusen 1 1 2 Schulaufsicht s. u. Aufsicht Schule 451a; 50 9; 59 3; 6 1 9 Sektoren 1 9 ff; 4 4 Selbstverwaltung 50 11 ff Senator - als Senatsmitglied 40 3,11 ff - Amtsende 4116 - A n k l a g e 42 8 - Dienstbehörde 50 22 - E i d 40 11 f - Entlassung 4 1 1 6 - Mißtrauensantrag 42 4 ff -Rücktritt 4116 f - Senator für Finanzen s. Finanzsenator - Senator für Inneres 43 18; 50 21; 56 10; 58 16 - Vertretung 40 5 - Vertretung Berlins bei Verwaltungsabkommen 43 2,10 - Vorschlagsrecht des RB 415, 8 - Weiterführung der Amtsgeschäfte 4117,42 9 - Zuständigkeit für Rechtsverordnungen 47 5,11 Senat von Berlin - Abschluß der Senatsbildung 417 f - Aufsicht über Verwaltung s. Aufsicht - als Regierung 2 5; 3 6; 40 2 - Anklage gegen Senatsmitglieder 42 8 - Aufsichtsrecht über Bezirke 50 20 ff - Ausgabenbewilligungsrecht 76 4 - Beschlußfähigkeit 43 11 - Bestellung des Senats 4 1 3 f - Dauer des Senatsamtes 40 13; 4 1 3 , 7 , 1 6 f , 19; 42 10 - Eid 40 11 f - Einspruchsrecht des Senators für Finanzen s. Finanzsenator - Einspruchsrecht des Senators für Inneres 43 18 - Ende des Senatsamtes 42 10; 413, 7, 16f, 19 - Exekutivspitze 44 4

Sachregister -

Geschäftsbereiche 43 13 ff Geschäftsordnung 4 3 18 ff Leitung der Senatssitzung 43 11 Mißtrauensantrag 42 4 ff Notetatrecht 7 3 Vbm. 8; 77 2f Personalhoheit über öffentliche Bedienstete 6 1 2 ff, 7; 69 2 , 1 0

- Planungssystem 40 18 ff - Prüfungsauftrag für L R H 8 3 6 - rechtsgeschäftliche Vertretung Berlins 43 2 , 6 , 1 0 - Rechnungslegung 7 3 Vbm. 8; 82 5 ff - Rechtsstellung der Senatsmitglieder 4 0 1 2 , 1 4 , 1 5 f; 4 1 1 9 - Regierungsorgan 40 8 - Regierungstätigkeit 40 17 ff - Ressortprinzip 4 3 17 - Richtlinienkompetenz 43 12 -Rücktritt 4115 - Senatsbildung 4 1 4 ff - Unwirksamkeit des Mißtrauensvotums 42 11 - Vereidigung 41 9 - Vertrauen des AvB 42 2 - Vertretung Berlins im Bundesrat 43 3 - Verwaltungsspitze 40 2 - Vorlage der Haushaltsrechnung 82 2 f, 5 , 8 - Vorschlagsrecht für Generalstaatsanwalt 44 3 ff, 6 ff - Vorschlagsrecht für Polizeipräsidenten 44 3 ff, 6 ff - Vorschlag für Präsidenten der oberen Landesgerichte 69 7 f - Vorschlag für P r L R H 83 12 - W a h l des SvB 40 4 - Wählbarkeit zum Senatsmitglied 4118 - Weiterführung der Amtsgeschäfte 4 1 7 , 1 0 ; 42 9 - Weisungsrecht in bezirkseigenen Angelegenheiten 50 12 - Zusammensetzung 40 3 - Zuständigkeit für Rechtsverordnungen 47 5 , 1 1

- Zuständigkeit für Kreditaufnahme 75 2 , 5 - Zuständigkeit für Verwaltungsvorschriften 47 18 - Zuständigkeit für Haushaltsüberschreitungen 73 Vbm. 8; 76 3 Siegel 5 3 , 5 , 6 Sowjetunion - Ehrenmal 1 1 2 - Moskauer Vertrag mit D D R 1 8 - Vorbehaltsrechte für Deutschland und Berlin 1 8 ff, 1 2 , 1 3 äff, 17 f Sozialhilfe 14 1 Soziale Rechte 6 Vbm. 6 , 3 9 f; 19 1; 23 1 Sozialisierung 6 Vbm. 25; 15 7 Sozialstaat Vorspr. 1; 50 1; 62 3 Staatsangehörigkeit 1 1 3 a , 14a; 25 3 Staatsbürgerliche Rechte 7 1 ff Staatsbürgerschaft der D D R 1 1 3 a Staatsoberhaupt 40 7 Staatsvertäge - Abschlußmängel 43 6 - Begriff 43 8 - Zustimmung des AvB 43 4 ff Staatsvolk 2 1; 25 3 Stadtverordnetenversammlung 1 1 , 3 , 22, 25; 25 1 Status activus 6 Vbm. 5 , 2 7 ; 7 1 Streikrecht - Beamtenstreik 18 12 - D r i t t w i r k u n g 18 14 - Einschränkungen 18 13 - politischer Streik 18 12 - U m f a n g 18 1 0 , 1 2 - w i l d e r Streik 18 12 Supranationale Organisationen 1 1 0 2 ff Übernahme - v o n B u n d e s g e s e t z e n 1 4 6 f f , 51, 53; 39 9; 46 4, 8

355

Sachregister - von RechtsVO des Bundes 1 4 9 f UNO 1 1 1 0 Untersuchungsausschuß - Anwesenheitsrecht des Senats 33 7 - Aufgabe 3 3 1 f - bei der B W 57 6 - Einsetzung 33 1, 3 - V e r f a h r e n 3 3 4 f, 8f - Verhältnis zu Gerichten 3 3 6 Verbindungsbehörde 1 84, 86 Verein - Vereinsverbot 13 9; 18 9; 1 59 - Vereinigungsfreiheit 18 7 f Verfassungsbeschwerde 1 72 ff Verfassungsgericht - Bundesverfassungsgericht s. dort - Gesetzesverwerfungsmonopol 64 5 f - i n Berlin 72 lff Verfassungskonforme Auslegung 1 7 5 , 80 Verfassungsmäßige Ordnung 18 9 Verfassungstreue 13 9 Verfassung von Berlin - alliierte Genehmigung 1 2 6 , 4 4 - Ermächtigungsnonn in VvB 88 3 - Geltungsanspruch 1 3 ; 2 1; 4 1 ff; 25 5; 26 14a - Grundrechte s. dort - Homogenitätsklausel des G G 6 Vbm. 2 , 4 4 ; 26 2 , 1 1 , 2 0 b ; 88 2 - Inkrafttreten 89 1 - Statusregelung durch VvB 1 2 2 - suspendierte Bestimmungen 1 2 6 - Überprüfung bei Friedensvertrag 88 4 - Übertragung der Organ-Befugnisse 84 - Verfassungsänderung 88 1 - verfassungsdurchbrechende Gesetze 88 1 - Verhältnis zu Bundesrecht 6 Vbm. 29

356

- Vorrang des G G 1 4 0 , 4 2 , 4 3 ff, 51, 5 6 , 8 0 , 1 0 0 ; 6 Vbm. 4ff - Weitergeltung alliierter Gesetze 86 Verfolgung auf frischer Tat 19 7, 9 Verhaftung 9 4 Verkündung - von Bundesgesetzen in Berlin 1 4 8 ff - von Gesetzen 46 6 - von Rechtsverordnungen s. dort - von Verträgen des Bundes in Berlin 1 4 8 , 98 Vermittlungsausschuß 1 8 9 Vermögen Berlins - Umwandlung in juristische Person 8 1 1 f; 50 8 - Veräußerung 81 3 - Vermögensrechnung 82 2, 4, 5 - Verwaltung durch Bezirke 50 12 Versammlungen - Ausländer 18 3 - Begriff 18 4 , 5 - Einschränkungen 18 6 - Versammlungsfreiheit 18 2 Vertretung Berlins - bei Verwaltungsabkommen 43 2, 7 - durch Bezirke 50 12 - rechtsgeschäftliche Vertretung 43 2 , 6 , 1 0 - staatsrechtliche Vertretung 43 2, 5 Verwaltung - Ausführung von Bundesgesetzen 50 18 - Begriff 50 3 - Bezirksaufsicht 50 21; 52 3; 60 8 - Bezirke s. dort -Bezirksverwaltung 50 5 , 9 ff, 12 ff - Datenschutz 50 6 a - Eigenbetriebe 50 8 - Gesetzmäßigkeit 1 4 0 ; 50 2 - Hauptverwaltung 50 5, 6ff - Klage gegen Verwaltungsentscheid. 50 31 - Kommunalverwaltung 50 5, lOf

Sachregister -

Landesmittelbehörde 5 0 5 Landesoberbehörde 50 6 , 7 mittelbare Landesverwaltung 5 0 6 nicht rechtsfähige Anstalten der Bezirke 5 0 9 O b e r s t e Landesbehörde 50 5 Organisationskompetenzen des AvB 50 6 Rechnungshof s. dort Richtlinien für die Bezirksverwaltung 5 0 10 Selbständigkeit der Bezirke 5 0 4 Staatsaufsicht über mittelbare Verw. 5 0 23 Stellungnahmen der Bezirksverwaltung 5 2 1 , 3 Verwaltungsorganisation der Bezirke 5 0 9 f f , 12; 59/2ff Verwaltungsverfahren 5 0 30 Verwaltungsvorschriften s. dort Zuständigkeitsverteilung 5 0 16 ff Zweistufigkeit in Berlin 5 0 4 f ; 73 1,4

Verwaltungsabkommen - Abschluß durch Senator 4 3 2, 7 -Begriff 43 8 Verwaltungsakt - Allgemeinverfügung 4 7 2 - Gesetzesvorbehalt 45 1 Verwaltungsgerichtsbarkeit - B e g r i f f in VvB 7 1 5 - institutionelle G a r a n t i e 6 2 2; 7 1 1 - Rechtsweg zu Verwaltungsgerichten 7 1 2 ff Verwaltungsgerichtliche Klagen - d e r B W 5 0 1 4 ; 56 1 0 ; 6 0 8 - der B W - F r a k t i o n e n 5 6 14; 57 8; 58 4 - des Bezirksamtes gegen Aufsichtsm a ß n a h m e n 58 1 6 ; 6 0 8 - Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten 7 2 2 ff - Widerspruchsverfahren 5 0 31 Verwaltungsgliederung - B e g r i f f 3 6; 5 0 3

- bundeseigene Verwaltung 50 24 - Durchführung von Bundesgesetzen 1 5 6 , 61; 5 0 24 ff - Finanzverwaltung in Berlin 50 26; 73 Vbm. 6 - Hauptverwaltung 3 6; 5 0 - Landeszentralbank 5 0 29 - nachgeordnete Verwaltung 3 6; 50 - Postverwaltung in Berlin 50 25 - Straßenverwaltung 5 0 28 - Wasserstraßenverwaltung 5 0 27 Verwaltungsvorschriften - Abänderungsbefugnis des A v B 4 7 2 0 - Auskunftsrecht des AvB 47 19 - A u ß e r - K r a f t - T r e t e n 50 19 b - Bekanntmachung 4 7 21 - des Senators 5 0 19 a - E r l a ß 4 7 16 ff - f ü r die Bezirke 5 0 19ff - Kompetenz des SvB 47 18 Viermächteabkommen 1 1 4 ff, 33 ff, 54, 81 ff, 91 ff Viermächtestatus s. Alliierte Viermächteverwaltung 1 1 2 Völkerrecht - Einbeziehung Berlins in Verträge der B R e p . 1 4 8 , 9 8 - Einbeziehung Blns. in Verträge der E G 1 105 - Rspr. des B V f G s. Bundesverfassungsgericht - Verträge Berlins 1 9 9 ; 100; 4 3 6 - Vertretung Blns. durch B R e p . 1100a, lOlff, 109,110 - Vertretung in auswärtigen Angelegenheiten 1 9 7 f, 101 ff; 43 9 Volk -Begriff 2 1 ; 25 3 -Einfluß 2 3,5 - Staatsvolk 2 1; 25 3 - V e r t r e t u n g 2 4; 25 1 - Volksbegehren, Volksentscheid s. dort - Wohnsitz 2 1; 2 6 14f 357

Sachregister Volksbegehren 2 2 f; 3; 39 1 , 4 ; 55 1 Volksentscheid2 2f; 3 3; 39 1, 5f; 49; 55 1 Volksverhetzung 20 3 Vollbeschäftigung 12 2 Vollstreckung von DDR-Titeln 50 3 0 ; 6 3 8 Vorlagepflicht der Gerichte - zum BVfG 1 7 0 , 71 - z u m E u G H 1 1 0 4 ; 64 10 - zu obersten Gerichtshöfen des Bundes 64 6 Wählergemeinschaften 26 11; 54 6 Wahl - des Arbeitsplatzes 1 1 4 - des Berufs 1 1 4 - des Wohnsitzes 1 1 3 Wahlen - aktives Wahlrecht 26 13 ff; 25 3 - aktives Wahlrecht für B W 54 4 - allgemeine Wahlrechtsgrundsätze 26 2 , 2 0 b ; 54 2 - allgemeine Wahl 26 3 - Ausgleichsmandate 25 4; 26 18 - Bezirkslisten 2 6 1 7 - Bezirkswahlvorschläge 54 6 - Chancengleichheit 26 5 - Einzelbewerber 26 11,17 - f r e i e Wahl 26 8 , 2 0 b - geheime Wahl 26 7 - gleiche Wahl 26 4 , 1 1 , 2 0 b - Höchstzahlverfahren 26 18; 54 7 - Inkompatibilität 26 20 - Inkompatibilität bei B W 54 8 - Mandatsverteilung 2 6 1 8 - Mehrfachbewerbung 54 6 - passives Wahlrecht 26 15 - politische Parteien 26 17; 27 1 - Ruhen des Wahlrechts 26 19 - Stimm-Splitting 26 17 - Überhangmandate 25 4; 26 18

- unmittelbare Wahl 26 6 , 2 0 b - Verhältniswahlrecht 25 4; 26 12; 54 2 , 5 , 6 - Wahlgebiet 2 1 - Wahlkreisverbände 26 16 - Wahlleiter 26 13 - Wahlperiode 26 9f; 28 1 f; 54 3; 55 3 - Wahlprüfung 26 11, 21; 69 7; 7 1 5 - Wahlsystem für B W 54 2, 5, 6 - Wahltag 54 3 - Wahlvorschlagsrecht für B W 54 6 - Wahlwohnsitz 2 6 1 4 a - Wiederholungswahl 26 21 - Wiederholungswahl zur B W 55 3 Wahlpriifung - durch Bln. Gerichte 1 4 0 ; 26 11,21; 69 7 ; 7 1 6 - durch BVfG 1 6 6 Wappen 5 1 ff, 4 , 6 Wasserstraßen 1 4 3 ; 50 27 Wesensgehalt 6 Vbm. 44 West-Alliierte - Generalvertrag mit BRep. 1 8 - Vorbehalte für Berlin s. Alliierte West-Berlin s. Berlin (West) Widerstandsrecht 23 4 Willkürverbot 6 1,10 Wirtschaftslenkung 12 2 Wohnraum - Begriff 18 3 - Einschränkungen 19 5 - Recht a u f . . . 19 1 - Unverletzlichkeit 19 2 Wohnsitz 2 1; 1 1 3 ; 25 3; 26 14a Zensur 8 8 Zitatklausel 6 Vbm. 43 Zusammenarbeit der Völker 2 1 1 Zuzugssperre 1 1 7 f

358

Sammlung Göschen de Gruyter

Die älteste wissenschaftliche Taschenbuchreihe der Welt, zusammengestellt nach den Lehrplänen der Universitäten und Hochschulen, bietet kurzgefaßte Kompendien und Einführungen in alle Gebiete der Wissenschaft und Technik auf der Grundlage des neuesten Forschungsstandes: Anglistik • Biologie • Botanik • Chemie • Datenverarbeitung • Elektrotechnik • Geographie • Geologie • Germanistik • Geschichte • Hoch- u. Tiefbau • Indogermanistik - Informatik - Kartographie - Klassische Philologie Kristallographie • Maschinenbau • Mathematik • Medizin - Mineralogie - Musik - Orientalistik - Pädagogik Philosophie • Physik • Psychologie • Publizistik • Rechtswissenschaft - Romanistik - Slavistik - Soziologie Sprachwissenschaft - Statistik - Technik - Technologie • Theologie • Vermessungswesen • Wasserbau • Werbung • Wirtschaft • Zoologie. Preise zwischen DM 4,80 und DM 19,80 Das Verzeichnis der Sammlung Göschen erhalten Sie stets kostenlos bei Ihrem Buchhändler

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