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German Pages 521 [524] Year 1987
Pfennig/Neumann Verfassung von Berlin
Sammlung Guttentag
Verfassung von Berlin Kommentar herausgegeben von
Gero Pfennig und Manfred J. Neumann bearbeitet von
Wolfgang Härth Gisela von Lampe Bernd Löhning Rolf-Peter Magen Manfred J. Neumann Gero Pfennig Eggert Schwan
2., neubearbeitete Auflage
W DE G 1987
Walter de Gruyter • Berlin • New York
Zitiervorschlag von Lampe in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 1, Rdn. 1
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Verfassung von Berlin : Kommentar / hrsg. von Gero Pfennig u. Manfred J. Neumann. Bearb. von Wolfgang Härth ... — 2. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1986. (Sammlung Guttentag) ISBN 3-11-010198-X NE: Pfennig, Gero [Hrsg.]; Härth, Wolfgang [Bearb.]
©
Copyright 1986 by Walter de Gruyter & Co., 1 Berlin 30. Alle Rechte insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe GmbH, Berlin 61
Die Autoren Wolfgang Härth Ltd. Senatsrat, Leiter der Abteilung Plenar- und Ausschußdienst und stellvertretender Direktor beim Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin (Art. 28 bis 38, 45, 46, 88) Gisela von Lampe Universitätsoberrätin an der Freien Universität Berlin, dort wissenschaftliche Betreuung und Leitung der staats- und verwaltungsrechtlichen Abt. der Fachbereichsbibliothek des FB Rechtswissenschaft (Art. 1, 87, jeweils zusammen mit Pfennig) Dr. Bernd Löhning Direktor beim Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin (Art. 7 3 - 8 3 ) Rolf-Peter Magen Ltd. Senatsrat beim Senator für Inneres, dort Leiter der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht; Lehrbeauftragter (Art 2 — zusammen mit Pfennig —, 25 bis 27,39, 54, 55 — zusammen mit Neumann) Manfred J. Neumann Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter (Art. 4, 5, 40 bis 44, 47, 49, 50 bis 53, 55 — zusammen mit Magen —, 56 bis 61) V
Dr. Gero Pfennig Rechtsanwalt, Assistenzprofessor an der Freien Universität Berlin, Mitglied des Deutschen Bundestages (Vorspruch, Art. 1 — zusammen mit v. Lampe —, 2 — zusammen mit Magen —, 3, 48, 62 bis 72, 84 bis 86, 87 — zusammen mit v. Lampe - , 87a, 89) Dr. Eggert Schwan Privatdozent, Professor an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (Art. 6 bis 24)
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Geleitwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Nunmehr liegt nach der zweite Auflage des einzigen vor. Hierfür gebührt dem Anerkennung für die Mühe
Erstauflage von 1978 endlich auch die Kommentars zur Verfassung von Berlin Verlag Walter de Gruyter Dank und und das verlegerische Risiko.
Diese Neuauflage verlangt von den Kommentatoren ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein, stellen doch ihre Wertungen und Vorschläge faktisch die herrschende Auslegung der Verfassung von Berlin dar. Ohne diesen Kommentar wäre ein dogmatisches Durchdringen des Verfassungsrechts des Landes Berlin nicht möglich. Traurig stimmt mich allerdings, daß die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, ein Berliner Verfassungsgericht zu schaffen, solche Wirkungen zeitigt. In der Praxis spielen die in der Verfassung von Berlin gewährleisteten Grundrechte eine geringe Rolle. Denn durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Grundrechte des Grundgesetzes zu einer solchen Wirksamkeit gesteigert worden, daß die Landesgrundrechte ein Schattendasein fristen. Als Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin begrüße ich allerdings die damit verbundene Demonstration der Rechtseinheit Berlins mit dem Bund. Wie bei der Erstauflage ist es dem Verlag auch bei der Neuauflage gelungen, ein Team von Wissenschaftlern und Praktikern mit der Aufgabe der Kommentierung zu betrauen. Die wissenschaftlichen und praktischen Ergebnisse dieser Kommentierung lassen sich sehen; in Einzelfallen werden sie eine starke Rückwirkung auf die Tätigkeit des Berliner Abgeordnetenhauses ausüben. Dies gilt besonders, wenn die wissenschaftliche Durchdringung des verfassungsrechtlichen Stoffs, der hier zur Kommentierung ansteht, ergibt, daß mancher Vorschrift der Verfassung von Berlin (Art. 75 Abs. 2) die dogmatische Geschlossenheit abgesprochen werden muß. Mit Freude erfüllt es mich, daß zum Kreis der Kommentatoren auch zwei Spitzenkräfte meiner Verwaltung gehören. Möge ihr juristiVII
Geleitwort
scher Rat den Lesern dieser Neuauflage ebenso wertvoll sein wie den Gremien des Abgeordnetenhauses von Berlin. Abschließend wünsche ich dem Verlag viel Erfolg mit dieser Neuauflage. Sie dient der Darstellung und Gewährleistung der Grundlagen unseres Gemeinwesens. Berlin, im Oktober 1986
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Peter Rebsch
Vorwort zur 2. Auflage In den Jahren nach dem Erscheinen der 1. Auflage fanden Landesverfassungsfragen nicht nur in Berlin, sondern in allen Ländern der Bundesrepublik ein stärkeres Interesse in der Wissenschaft. Dadurch entstand auch zu speziellen Berliner Verfassungs-, Status- und Rechtsschutzproblemen eine breite Erörterung in der Literatur. Zudem unternahmen die Gerichte eine ausführlichere Interpretation bestimmter Verfassungs- und Statusgrundsätze. Verfassungsänderungen und die Regierungswechsel 1981 in Berlin führten daneben in der Politik zu Verfassungsdiskussionen. All dies gab den Anstoß zu der Neuauflage des Kommentars. Darüber hinaus haben die zahlreichen zustimmenden Rezensionen und die Gerichtsentscheidungen zur Kommentierung in der 1. Auflage zu einer Reihe von Anregungen und zum Teil auch beachtenswerten Einwänden geführt, die einer Berücksichtigung und sachlichen Auseinandersetzung bedürfen. Die 2. Auflage des Kommentars gibt eine vollständige Darstellung auch der neueren Diskussionen zum Verfassungsrecht und Status Berlins in der Literatur und der dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen. Mit Dank für seine Mitarbeit an der 1. Auflage haben die Herausgeber das Ausscheiden von Gerhard Pfennig als Autor der Kommentierung des Finanzwesens zu verzeichnen. Für seinen Nachfolger Bernd Löhning ergab sich durch die Veränderungen des Haushaltsrechts die Notwendigkeit, die Kommentierung des Finanzwesens fast vollständig zu überarbeiten. Wie zuvor haben auch bei der 2. Auflage alle Autoren in eigener Verantwortung, wenn auch in Absprache mit den Herausgebern ihre Kommentierung verfaßt. Dem Verlag danken wir für die Möglichkeit, eine Neuauflage des Kommentars zu veröffentlichen. Berlin, im Oktober 1986
Gero Pfennig Manfred J. Neumann IX
Vorwort zur 1. Auflage Die Spaltung Berlins, der nach wie vor vorhandene besatzungsrechtliche Status, aber auch die Wandlung des Ansehens von der alten Reichshauptstadt zur „normalen" Großstadt Berlin (West), der die „Hauptstadt der DDR" Berlin (Ost) gegenübersteht, und nicht zuletzt die räumliche Entfernung des Westteils vom übrigen Bundesgebiet haben vielfach vergessen lassen, daß sich die deutsche Gebietskörperschaft Berlin am 1. September 1950 eine von dem Willen aller damaligen deutschen Parteien, die von den Alliierten nach dem Kriege zugelassen und von der Bevölkerung Berlins in seine Volksvertretung frei gewählt worden waren, nämlich von SPD, CDU, LDP und SED getragene Verfassung gegeben hat. Die tatsächlichen politischen Konstellationen und Machtverhältnisse haben es jedoch mit sich gebracht, daß die Anwendung dieser Berliner Verfassung trotz ihres Gesamt-Berliner Anspruchs auf den Westteil beschränkt ist. Hier hat sich auf der Grundlage dieser Verfassung, die Berlin als Teil der Bundesrepublik Deutschland ausweist und von diesem deutschen Staat durch dessen Verfassung ebenso behandelt wird, ein demokratisches, soziales und freiheitliches Gemeinwesen entwickelt. West-Berlin ist allerdings trotz seines in der Verfassung geäußerten Willens kein „normaler" Teil der Bundesrepublik Deutschland geworden, ebensowenig wie Ost-Berlin ein „normaler" Teil der Deutschen Demokratischen Republik geworden ist. Dies haben die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges verhindert, als sie jeweils den von ihnen besetzten Teil Deutschlands 1955 in die souveräne Staatlichkeit entließen. Sie haben dabei zwar zugelassen, daß jeder Teilstaat Deutschlands mehr oder minder seine Staatsgewalt auch auf den gleichzeitig von ihnen besetzten Teil Berlins ausdehnen konnte, aber zugleich vertraglich festgehalten, daß ihre Besatzungsrechte in ganz Berlin fortbestehen. Der Kommentar befaßt sich mit der faktisch nur für den Westteil geltenden Verfassung von Berlin. Er will deutlich machen, wie dieser Teil unter dieser Verfassung in das Rechts-, Finanz- und politische System der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert ist, gleichzeitig aber wie jedes Bundesland seine Besonderheiten aufweist. X
Vorwort zur 1. Auflage
Neben den Statusfragen ist ein breiter Raum den Grundrechten gewidmet. Erstmalig und exemplarisch für alle Länderverfassungen wird die besondere Bedeutung von Landesgrundrechten neben den Grundrechten des Grundgesetzes aufgezeigt. Ausführlich kommentiert ist ferner das Wahl- und Parlamentswesen Berlins mit der sonst nur noch in Hamburg vorhandenen Besonderheit der Mitgestaltung der Bürger in Bezirksvertretungen. Einen Schwerpunkt bildet die Darstellung der Verwaltung Berlins, das zugleich Aufgaben eines Landes und einer Gemeinde wahrzunehmen hat. Hier werden die sich — vergleichbar nur noch mit Hamburg — aus der Doppelstufigkeit der Verwaltung als Landes- und Bezirksverwaltung ergebenden Probleme wie Personal- und Planungshoheit sowie Kontrolle der Verwaltung umfassend behandelt. Auch das Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung, darüber hinaus Besonderheiten bei der bundeseigenen Verwaltung in Berlin sind dargestellt. Die Kommentierung des Rechtspflegewesens geht vor allem auf die Konsequenzen ein, die sich aus dem Fehlen einer eigenen Verfassungsgerichtsbarkeit und der — umstrittenen — Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Berlin ergeben. Schließlich wird anhand der Finanzverfassung die Einbeziehung Berlins in das Finanz- und Haushaltswesen des Bundes verdeutlicht sowie die Struktur der wirtschaftenden Verwaltung und ihre Kontrolle dargestellt. Der Kommentar gibt insgesamt erstmalig eine zusammenhängende neuzeitliche Darstellung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Berliner Gemeinwesens. Er schließt damit eine Lücke, die durch den Lauf der Zeit trotz der verdienstvollen Kommentierung der VvB durch Landsberg und Goetz im Jahre 1950 (und einiger Abhandlungen zu Einzelproblemen der VvB) entstanden ist, nicht zuletzt aber auch durch den Umstand, daß es mangels Verfassungsgerichtsbarkeit keine gesicherte Rechtsprechung zu den meisten Fragen gibt. Dies hat offenbar — zur eigenen Überraschung der Autoren — in manchen Bereichen von Legislative, Exekutive und Judikative die Praxis hin und wieder die VvB einfach ignorieren lassen. Die Autoren sind Berliner Juristen aus Wissenschaft und Praxis, die an der Freien Universität, an Fachhochschulen, leitend in Senatsverwaltungen oder als Rechtsanwälte tätig sind. XI
Vorwort zur 1. Auflage
Alle Autoren haben in eigener Verantwortung, wenn auch in Absprache mit den Herausgebern ihre Kommentierung verfaßt. Sie alle haben sich um eine Darstellung bemüht, die in Praxis, Politik, Unterricht und Studium sinnvolle Verwendung finden kann. Besonderen Dank schulden wir dem Verlag, dem das Verdienst zukommt, der interessierten Öffentlichkeit endlich wieder eine Kommentierung der Berliner Verfassung zugänglich zu machen. Berlin, im November 1977
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Gero Pfennig Manfred J. Neumann
Inhaltsverzeichnis Abkürzungs- und Literaturverzeichnis Vorspruch (Pfennig)
Seite XVII 1
Abschnitt I: Die Grundlagen Art. 1 Art. 2 Art. 3 Art. 4 Art. 5
Status Berlins (von Lampe ¡Pfennig) Bevölkerung Berlins (Magen/Pfennig) Staatsfunktionen (Pfennig) Gebiet Berlins (Neumann) Flagge (Neumann)
3 85 87 90 93
Abschnitt II: Die Grundrechte Vorbemerkungen (Schwan) 96 Art. 6 Gleichberechtigung (Schwan) 137 Art. 7 Staatsbürgerliche Rechte (Schwan) 146 Art. 8 Meinungsfreiheit (Schwan) 149 Art. 9 Freiheit der Person (Schwan) 152 Art. 10 Postgeheimnis (Schwan) 157 Art. 11 Freizügigkeit (Schwan) 160 Art. 12 Recht auf Arbeit (Schwan) 167 Art. 13 Zugang zu öffentlichen Ämtern (Schwan) 169 Art. 14 Soziale Hilfe (Schwan) 174 Art. 15 Eigentum (Schwan) 175 Art. 16 Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Schwan) 179 Art. 17 Mitbestimmung (Schwan) 180 Art. 18 Versammlungsfreiheit (Schwan) 181 Art. 19 Recht auf Wohnraum (Schwan) 187 Art. 20 Religionsausübung (Schwan) 194 Art. 21 Völkerfrieden, Kriegsdienstverweigerung (Schwan) . 195 Art. 22 Gesetzliche Feiertage (Schwan) 196 Art. 23 Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan) . . . . 198 Art. 24 Grundrechtsmißbrauch (Schwan) 203 XIII
Inhaltsverzeichnis
Abschnitt III: Die Volksvertretung Art. 25 Art. 26 Art. 27 Art. 28 Art. 29 Art. 30 Art. 31 Art. 32 Art. 33 Art. 34 Art.35 Art. 36 Art. 37 Art. 38 Art. 39
Abgeordnetenhaus (Magen) Wahlrecht (Magen) Parteien (Magen) Präsidium (Hürth) Geschäftsordnung (Hürth) Einberufung, Öffentlichkeit (Hürth) Abstimmung (Hürth) Ausschüsse (Hürth) Untersuchungsausschuß (Hürth) Herbeirufung des Senats (Hürth) Immunität u.a. (Hürth) Berichterstattung (Hürth) Präsident des Abgeordnetenhauses (Hürth) Aufwandsentschädigung (Hürth) Wahlperiode, vorzeitige Beendigung, Zusammentritt des Abgeordnetenhauses (Magen)
206 209 222 226 229 232 234 238 243 247 251 256 258 262 264
Abschnitt IV: Die Regierung Art. 40 Art. 41 Art. 42 Art. 43 Art. 44
Senat (Neumann) Wahl des Senats (Neumann) Mißtrauen (Neumann) Regierungsfunktionen (Neumann) Hauptverwaltung (Neumann)
273 279 285 289 296
Abschnitt V: Die Gesetzgebung Art. 45 Art. 46 Art. 47 Art. 48 Art. 49
Gesetze, Eingriffsvorbehalt (Hürth) Gesetzeserlaß (Hürth) Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Neumann) Altes Recht (Pfennig) ist aufgehoben (Neumann)
299 302 305 310 316
Abschnitt VI: Die Verwaltung Art. 50,51 Grundsätze (Neumann) Art. 52 Rat der Bürgermeister (Neumann) Art. 53 Bezirksorgane (Neumann) Art. 54 Wahl derBezirksverordnetenversammlung (Magen) XIV
317 339 340 . 342
Inhaltsverzeichnis
Art. 55 Art. 56 Art. 57 Art. 58 Art. 59 Art. 60 Art. 61
Wahlperiode (Magen/Neumann) Zuständigkeit der BVV (Neumann) Ausschüsse der BVV (Neumann) Bezirksamt (Neumann) Organisation der Bezirksverwaltung (Neumann) Abberufung des Bezirksamtes (Neumann) Personalkompetenz (Neumann)
349 350 358 361 . . . 366 369 372
Abschnitt VII: Die Rechtspflege Art. 62 Art. 63 Art. 64 Art. 65 Art. 66 Art. 67 Art. 68 Art. 69 Art. 70 Art. 71 Art. 72
Grundsätze (Pfennig) 378 Richterliche Gewalt (Pfennig) 379 Gesetzesbindung (Pfennig) 384 Verteidigungsrecht, Unschuldsvermutung (Pfennig) . 388 Rückwirkungsverbot (Pfennig) 388 Gesetzlicher Richter (Pfennig) 389 Begnadigung (Pfennig) 390 Richterernennung (Pfennig) 392 Richterdisziplinargericht (Pfennig) 397 Verwaltungsgerichtsbarkeit (Pfennig) 398 Verfassungsgerichtshof (Pfennig) 401
Abschnitt VIII: Das Finanzwesen Vorbemerkungen (Löhning) Art. 73 Haushaltsplan (Löhning) Art. 74 Haushaltsgrundsätze (Löhning) Art. 75 Staatseinnahmen (Löhning) Art. 76 Haushaltsüberschreitungen (Löhning) Art. 77 Notermächtigung (Löhning) Art. 78 Außerordentlicher Haushalt (Löhning) Art. 79 Haftung (Löhning) Art. 80 Eigenbetriebe (Löhning) Art. 81 Umwandlung von Eigenbetrieben (Löhning) Art. 82 Rechnungslegung (Löhning) Art. 83 Haushaltskontrolle, Rechnungshof (Löhning)
405 409 421 423 428 431 434 436 438 440 441 443
Abschnitt IX: Übergangs- und Schlußbestimmungen Art. 84
Überleitung (Pfennig)
451 XV
Inhaltsverzeichnis
Art. 85 Art. 86
Alte Rechtsvorschriften (Pfennig) 451 Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus (Pfennig) 452 Art. 87 Grundgesetz und Berliner Verfassung (Pfennig/von Lampe) 452 Art. 87a Verfassungsgerichtshof (Pfennig) 453 Art. 88 Verfassungsänderung (Hürth) 453 Art. 89 Inkrafttreten (Pfennig) 455 Sachregister
XVI
457
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis (Spezialschrifttum zu Berlin siehe in Art. 1) a.A. aaO AbgG ABl. abl. Abs. Abschn. abw. Achterberg, Norbert ADAC Änd. ÄndG ÄndGGG ÄndGVvB a. E. a.F. AG AGArbGG AGBBauG AGFGO
AGJWG
AG KonzG AG KonzVO
anderer Ansicht am angegebenen Orte s. BTAbgG, LAbgG Amtsblatt ablehnend Absatz Abschnitt abweichend Zur Freiheit des Mandats, Berlin 1975 Allgemeiner Deutscher Automobilclub Änderung Änderungsgesetz Änderungsgesetz zum Grundgesetz Änderungsgesetz zur Verfassung von Berlin am Ende alte Fassung Amtsgericht Ausführungsgesetz zum Arbeitsgerichtsgesetz vom 2.10. 1980 (GVB1. S. 2196) Gesetz zur Ausführung des Bundesbaugesetzes vom 21.10. 1960 (GVB1. S. 1080) i.d.F. vom 23.1. 1979 (GVB1. S.231) m. 1. Änd. durch Art. I des G vom 17.12. 1984 (GVB1. S. 1730) Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12. 1965 (GVB1. S. 1979) i. d. F. vom 10. 5. 1977 (GVB1. S. 922) m. 1. Änd. durch § 14 der Anlage zum G vom 30.10. 1984 (GVB1. S. 1541) Gesetz zur Ausführung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und zur Regelung der öffentlichen Jugend- und Familienhilfe vom 11. 12. 1972, i.d.F. vom 18. 12. 1972 (GVB1. S. 1919) Gesetz über die Zusammenlegung der Amtsgerichte Lichterfelde, Schöneberg und Zehlendorf vom 13.7. 1973 (GVB1. S. 1015) 1. Verordnung über die Konzentration amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom 4.12. 1972 (GVB1. S. 2303) i. d. F. vom 14.7. 1975 (GVB1. S. 1735) m. 1. XVII
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
AGSGG AGVwGO
AKB AKR allg. allg. M. AL Alt. a.M. Andriof, Udo and. Anl. Anm. Anschütz, Gerhard AO AöR ArbG ArchPF ArchVR arg. Arndt, Klaus Friedrich Art. ASOG
AuslG AV XVIII
Änd. durch § 30 der Anlage zum G vom 30.10. 1984 (GVB1. S: 1541); 2. Verordnung über ~ vom 4.12. 1972 (GVB1. S.2301) m.l.Ä. durch Art. I Nr. 1 der VO vom 22.12. 1980 (GVB1. S. 2654). Ausfuhrungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz vom 22.12. 1953 (GVB1. S. 1521) i.d.F. vom 7.12. 1971 (GVB1. S. 2097) Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.3. 1960 (GVB1. S.269) i.d.F. vom 22.2. 1977 (GVB1. S. 557)m. 1. Änd. vom 3.12. 1985 (GVB1. S. 2373) Alliierte Kommandantur Berlin Alliierter Kontrollrat allgemein, allgemeine allgemeine Meinung Alternative Liste — Für Demokratie und Umweltschutz Alternative anderer Meinung Rechtfertigung und praktische Bindung der Immunität der Abgeordneten, Diss. Freiburg 1969 anders Anlage Anmerkung Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8. 1919, Kommentar, 14. Aufl., Berlin 1933 - Bad Homburg 1965 Abgabenordnung (AO 1977) vom 16.3. 1976 (BGBl. I S.613) m. 1. Ä. vom 19.12. 1985 (BGBl. I S.2355 u. S. 2436) Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgericht Archiv für das Post- und Fernmeldewesen Archiv des Völkerrechts Argument Parlamentarische Geschäftsautonomie und autonomes Parlamentsrecht in: Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 3 Artikel Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) vom 11.2. 1975 (GVB1. S. 688) m. 1. Änd. vom 11.12. 1985 (GVB1. S.2415) Ausländergesetz vom 28.4. 1965 (BGBl. I S.353) m. 1. Änd. vom 16.7. 1982 (BGBl. I S.946) Ausführungsverordnung
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis AvB AvBEG
AvLHO AZG
b. BAG BannG BAnz. Barschel, Uwe/ Gebel, Volkram Barschel, Uwe BAT Bay., bay. BayObLG BayUntAG BayVBl. BayVfGH BayVfGHE BayVfGH-Festschrift BB BBkG Bd. BDO Behala BeiträgeG ber. Bernzen, Uwe
Abgeordnetenhaus von Berlin Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 10.8. 1951 i.d.F. vom 21.7. 1978 (GVB1. S. 1497) m.l.Änd. vom 30.9. 1985 (GVB1. S.2185) Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung vom 1.9. 1979 Gesetz über die Zuständigkeit in der allgemeinen Berliner Verwaltung (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz) vom 2.10. 1958 (GVB1. S. 947) m. 1. Änd. durch Gesetz vom 1.1. 1985 (GVB1. S. 34) bei Bundesarbeitsgericht Bannmeilengesetz vom 6.8. 1975 (BGBl. I S.504) i.d.F. vom 17.3. 1983 (GVB1. S.482) Bundesanzeiger Landessatzung für Schleswig-Holstein, Kommentar, Neumünster 1976 30 Jahre Landessatzung 1949 — 1979, in: Festschrift zum 30. Jahrestag der Landessatzung für SchleswigHolstein, Neumünster 1979 Bundesangestelltentarifvertrag Bayern, bayrisch Bayerisches Oberstes Landesgericht bay. Gesetz über die Untersuchungsausschüsse vom 23. 3. 1970 (GVB1. S.95, ber. S. 128) m.l.Änd. vom 23.7. 1985 (GVB1. S.246) Bayerisches Verwaltungsblatt Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungssammlung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes s.u. Festschrift Der Betriebsberater Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26.7. 1957 (BGBl. I S.745) m.l.Änd. vom 24.4. 1986 (BGBl. I S. 560) Band Bundesdisziplinarordnung i.d.F. vom 20.7. 1967 (BGBl. I S. 984) m. 1. Änd. vom 20.12. 1985 (BGBl. I S. 2466) Berliner Hafen- und Lagerhaus-Betriebe Beiträgegesetz 24.3. 1934 (RGBl. I S.235) berichtigt Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, Kommentar mit Entscheidungsregister, Hamburg 1977
XIX
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis BEW BEWAG betr. Bettermann, August/ Neumann, Franz/ Nipperdey, Hans Carl/ Scheuner, Ulrich BfA BFH BFStrG BFStrVermG
BGB BGBl. BGH BGHZ Bgm. BHO BK BK/O BK/L BKC/L Bleckmann, Albert ders. Bln., bin. BlnGebG BlnRiG BlnUntAG
BlnVküG
XX
Berliner Entwässerungswerke Berliner Kraft- und Licht Aktiengesellschaft betrifft, betreffend Die Grundrechte Bd. 1—4; Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Berlin 1954-1972 Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Bundesfernstraßengesetz in der Fassung vom 1. Oktober 1974 m. 1. Änd. vom 1.8. 1980 (BGBl. I S. 649) Gesetz über die vermögensrechtl. Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 2.3. 1951 (BGBl. I S.157) m.l. Änd. vom 30.8. 1971 (BGBl. I S. 1426) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bürgermeister Bundeshaushaltsordnung vom 19.8. 1969 (BGBl. S. 1284) m. 1. Änd. vom 6.8. 1986 (BGBl. I S. 1275) Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Loseblattsammlung, Hamburg, Stand: 51. Lieferung, April 1986 Befehl der Alliierten Kommandantur Schreiben der Alliierten Kommandantur Anordnung der Alliierten Kommandantur in schriftlicher Form Grundgesetz und Völkerrecht, Berlin 1975 Staatsrecht II, Allgemeine Grundrechtslehre, 2. Aufl. Köln, Berlin, Bonn, München 1985 Berlin, berliner, Land Berlin, Berlin (West) Berliner Gesetz über Gebühren und Beiträge vom 22.5. 1957 (GVB1. S.516) m.l.Änd. vom 11.4. 1978 (GVB1. S. 986) Berliner Richtergesetz vom 18.1. 1963 (GVB1. S.93) i. d. F. vom 27.4. 1970 (GVB1. S. 642) m. 1. Änd. vom 17.7. 1985 (GVB1. S.1573) bin. Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 22.6. 1970 (GVB1. S. 925) m. 1. Änd. vom 26.11. 1974 (GVB1. S. 2746) bin. Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen vom 29.1. 1953 (GVB1. S. 106) m.l.Änd. vom 30.1. 1979 (GVB1. S. 183)
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis BlnVwVerfG BlnWG BlnWPG BMinG
Bockelmann, Paul Böckenförde, Ernst Wolfgang BPr. BR Braun, Klaus brDepG BReg. Breitfeld, Artur BRep. BRH BRHG BRiWG BRRG
BrStGH BSG BSGE BSHG BSR BStBl. BT BTAbgG
bin. Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8.12. 1976 (GVB1. S.2735, 2898) m. 1. Änd. vom 30. 10. 1984 (GVB1. S. 1541) bin. Wassergesetz vom 23.2. 1960 (GVB1. S.133) m. 1. Änd. vom 30.11. 1981 (GVB1. S. 1470) bin. Wahlprüfungsgericht Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) vom 17.6. 1953 (BGBl. I S.407) i.d.F. vom 27.7. 1971 (BGBl. I S. 116) m. 1. Änd. vom 22.12.1982 (BGBl. I S . 2007) Die Unverfügbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht, Göttingen 1951 Staat, Gesellschaft, Freiheit. — Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt/Main 1976 Bundespräsident Bundesrat Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Kommentar, Stuttgart 1984 Bremer Deputationsgesetz vom 20.1. 1972 (GBl. 7) m. 1. Änd. vom 31.1. 1984 (GBl. 9) Bundesregierung Die verfassungsrechtliche Stellung der Berliner Bezirke, Berlin 1953 Bundesrepublik Deutschland Bundesrechnungshof Gesetz über den Bundesrechnungshof vom 11.7. 1985 (BGBl. I S. 1445) (Bundes-)Richterwahlgesetz vom 25.8. 1950 (BGBl. S. 368) m. 1. Änd. vom 30.7. 1968 (BGB1.I S.873) Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtengesetzes (Beamtenrechtsrahmengesetz) vom 1.7. 1957 (BGBl. I S. 667) i. d. F. vom 27.2. 1985 (BGB1.I S. 462)m. 1. Änd. vom 14.11. 1985 (BGBl. I S. 2090) Bremer Staatsgerichtshof Bundessozialgericht Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz 18.9. 1969 (BGB1.I S.1688) i.d.F. vom 24.4. 1983 (BGB1.I S.613) m.l.Änd. vom 21.6. 1985 (BGBl. I S. 1081) Berliner Stadtreinigung Bundessteuerblatt Bundestag Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 18.2. 1977 (BGBl. I S. 297) m. 1. Änd. von 1986
XXI
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis Burhenne/Perband BV BV BVfG BVfGE BVfG-Festgabe BVfGG BVEntschG
BVers. BVG BVV BVerwG BVerwGE BW., bw. BWG BWO BWStGH BWStrG BWStrVermG BWUntAG BWVB1. BWW BzA BzAMG BzBgm.
XXII
EDV-Recht, Loseblattsammlung, 47. Lieferung Stand 1986 Verfassung des Freistaates Bayern vom 2.12. 1946 (Bay. BS I S.3) m.l.Änd. vom 20.6. 1984 (GVB1. S. 223) Bezirksverordneter Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes s.u. Festgabe Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3. 1951 (BGBl. I S. 243) i.d.F. vom 12.12. 1985 (BGBl. I S. 2229, III 1 1 0 4 - 1 ) Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung, der Bürgerdeputierten und sonstiger ehrenamtlich tätigen Personen vom 26.2.1963 (GVB1. S. 301) i. d. F. vom 23.5.1979 (GVB1. S. 826) m.l.Änd. vom 11. 12. 1985 (GVB1. S.2415) Bundesversammlung Berliner Verkehrsbetriebe Bezirksverordnetenversammlung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichtes Baden-Württemberg, baden-württembergisch Bundeswahlgesetz vom 7.5. 1956 (BGB1.I S.383) i.d.F. vom 1.9. 1975 (BGB1.I S.2325) m.l.Änd. vom 8.3. 1985 (BGBl. I S. 521) Bundeswahlordnung vom 28.8. 1985 (BGB1.I S. 1769, ber. BGBl. 1986 I S. 258) Baden-Württembergischer Staatsgerichtshof Bundeswasserstraßengesetz vom 2.4. 1968 (BGBl. II S. 173) m. 1. Änd. vom 18.2. 1986 (BGBl. I S. 265) Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21.5. 1951 (BGBl. I S. 352) Baden-Württembergisches Untersuchungsausschußgesetz vom 3.3. 1976 (GVB1. S.194) m.l.Änd. vom 12.12. 1983 (GVB1. S.834) Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Berliner Wasserwerke Bezirksamt Gesetz über die Rechtsstellung der Bezirksamtsmitglieder vom 12.7.1960 (GVB1. S.652) i.d.F. vom 1.4.1985 (GVB1. S. 985) Bezirksbürgermeister
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis BzStR BzVG bzw. ca. CDU Czermak, Fritz DA DBF DB1. DDO DDR Denkschrift SvB ders. DGO d.h. Dietze Diss. Distr. General DJT DM Doc. DöV Doehring, Karl Doehring, Karl/ Ress, Georg Dok. I, II Dreher, Eduard Drexelius, Wilhelm/ Weber, Renatus DRiG Drittes (3.) ÜLG
DrS
Bezirksstadtrat Bezirksverwaltungsgesetz vom 30.1.1958 (GVB1. S. 126) i.d.F. vom 5.7.1971 (GVB1. S. 1169) m. 1. Änd. vom 23.7.1984 (GVB1. S. 1008) beziehungsweise zirka Christlich Demokratische Union Die Stellung Berlins in der Rechts-, Gerichts- und Finanzordnung der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Bonn 1967 Deutschland-Archiv Dokumente zur Berlin-Frage Dienstblatt des Senats von Berlin Dienst- und Disziplinarordnung für die Angestellten und Arbeiter des Landes und der Stadt Berlin Deutsche Demokratische Republik Denkschrift des Senats von Berlin, DrSAvB 2/1759 derselbe Deutsche Gemeindeordnung vom 30.1.1935 (RGBl. I S. 49) das heißt Bezirksverfassung vermittelt Bürgernähe, Demokratische Gemeinde 1969, 189 Dissertation District General Deutscher Juristentag Deutsche Mark Document Die öffentliche Verwaltung Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1984 Staats- und völkerrechtliche Aspekte der Berlin-Regelung, Frankfurt/M. 1972 s. u. Münch, Ingo von Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 42. Aufl., München 1985 Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952, Kommentar, 2. Aufl., Berlin—New York 1972 Deutsches Richtergesetz vom 8.9. 1961 (BGB1.I S. 1665) i.d.F. vom 19.4.1972 (BGB1.I S.713) m. 1. Änd. vom 12.12.1985 (BGBl. I S. 2226) Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz vom 4.1.1952 (BGB1.I S. 1/GVB1. S. 393) m.l.Änd. vom 30.8.1971 (BGBl. I S. 1426/GVB1. S. 1745) Drucksache
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Abkürzungs- und Literaturverzeichnis DStR DuR DV DVB1. DVO-AZG
E EA EBeitrG EDV EG EGGVG EGKSV
EGStGB EGStPO EhrRiEG
EigG
einschl. EMRK
EnqG EntnazifG
XXIV
Deutsches Staatsrecht (s. u. Maunz) Demokratie und Recht Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Verordnung zur Durchführung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes vom 7.10. 1958 (GVB1. S.974) i. d. F. vom 8.6. 1982 (GVB1. S. 969, 1548) m. 1. Änd. vom 14.1. 1986 (GVB1. S.67) Entscheidung, Entscheidungssammlung Europa-Archiv Erschließungsbeitragsgesetz vom 27.6. 1962 (GVB1. S. 579) i.d. F. vom 20.12. 1984 (GVB1. S. 57) Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S.77, BGBl. III 300-1) m. 1. Änd. vom 4.12. 1985 (BGBl. I 2141) Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18.4. 1951 (BGBl. 1952 II S.447) m.l.Änd. vom 15.11. 1985 (ABl. EG Nr. L 302, S. 1) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl.I S.469) m.l.Änd. vom 13.4. 1986 (BGBl. I S. 393) Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung vom 1.2. 1877 (RGBl. S.346) m.l.Änd. vom 14.12. 1976 (BGBl. I S. 3341) Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter vom 26.7. 1957 (BGB1.I S.900) i.d.F. vom I.10. 1969 (BGBl.I S. 1753) m.l.Änd. vom 22.11. 1976 (BGBl. I S.3221) Gesetz über die Eigenbetriebe des Landes Berlin vom II.12. 1959 (GVB1. S. 1229) i.d.F. vom 1.10. 1973 (GVB1. S. 1742) m. 1. Änd. vom 28.2. 1985 (GVB1. S. 542) einschließlich Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11. 1950 (BGBl. 1952 II S. 686) Gesetz vom 7.8. 1952 (BGBl. II S.953), m. 1. Änd. vom 20.1. 1966 (BGBl. 1968 II S. 1126, BGBl. 1972 II S. 105) Gesetz über Enquete-Kommissionen des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 7.12.1970 (GVB1. S. 1974) m.l.Änd. vom 23.2. 1976 (GVB1. S.350) Zweites Gesetz zum Abschluß der Entnazifizierung vom 20.12. 1955 (GVB1. S. 1022) m.l.Änd. vom 26.11. 1974 (GVB1. S.2746)
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis Erl. etc. EuGH EuGHE EuGRZ EurR EuWG EvStL EWG EWGV
Faber, Heiko/ Schneider, Hans-Peter Fauser, Bernd FDP FernmG Festgabe BVfG Festschrift BayVfGH Festschrift BVerwG Festschrift für Carstens Festschrift Jur. Ges. zu Berlin Festschrift für Laforet Festschrift für Leibholz Festschrift für Mampel Festschrift für E. Menzel
Erläuterungen et cetera Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofes Europäische Grundrechtszeitschrift Europarecht Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 16. 6. 1978 (BGBl. I S. 709) Evangelisches Staatslexikon Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3. 1957 (BGBl. II S. 766 ber. S. 1678 und 1958 BGBl. II S.64) m.l.Änd. vom 15.11. 1985 (ABl. EG Nr. L302, S. 1) folgende(r) Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, Frankfurt 1985 Die Stellung der Regierungsmitglieder und ihrer Vertreter im Parlament, Diss., Bonn 1973 Freie Demokratische Partei Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14.1. 1928 (RGBl. I S. 8) i. d. F. vom 17.3. 1977 (BGBl. I S. 459, ber. S. 573) Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz; Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Tübingen 1976 Verfassung und Verfassungsrechtsprechung — Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, München 1972 Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichtes, München 1978 Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens, Bd.l, 1985 Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, Berlin 1984 Verfassung und Verwaltung in Theorie und Wirklichkeit — Festschrift für Wilhelm Laforet anläßlich seines 75. Geburtstages, München 1952 Die moderne Demokratie und ihr Recht, Festschrift für Gerhard Leibholz zum 65. Geburtstag, Bd. II 1966 Recht, Wirtschaft und Politik im geteilten Deutschland, Festschrift für Siegfried Mampel, 1985 Recht im Dienst des Friedens — Festschrift für Eberhard Menzel zum 65. Geburtstag, Berlin 1975
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Abkürzungs- und Literaturverzeichnis Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle — Festschrift für Hans Schäfer zum 65. Geburtstag, Köln/ Berlin/Bonn/München 1975 Festschrift für Scheu- Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, Berlin 1973 ner Im DieriSt an Recht und Staat — Festschrift für Festschrift für Weber Werner Weber zum 70. Geburtstag, Berlin 1974 Feuerschutzsteuergesetz vom 1.2. 1939 (RGBl. FeuerStG S. 113) i.d.F. vom 21.12. 1979 (BGB1.I S.2352) m.l.Änd. vom 13.12. 1984 (BGB1.I S.241) fortfolgende ff Finanzgericht FG Finanzgerichtsordnung vom 6.10. 1965 (BGBl. I FGO S. 1477) m. 1. Änd. vom 13.6. 1980 (BGBl. I S. 667) Berlin — Hauptstadtanspruch und Westintegration, Fijalkowski, Jürgen Schriften des Instituts für politische Wissenschaft, Bd. 20, Köln/Opladen 1967 Finis Germaniae „Finis Germaniae?" Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstages von Herbert Krüger vom 11. —13.12.1975 in Kassel, Hrsg. I. von Münch u. a., 1977 Die Deputation in der Berliner Bezirksverwaltung, Fischer, Hermann/ Berlin 1953 Goetz, Harry Fußnote FN, Fn. FrEntzG Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen vom 29.6. 1956 (BGB1.I S.559) m. 1. Änd. vom 16.3. 1976 (BGBl. I S. 581) Der Wandel des Grundrechtsverständnisses in: VerFriesenhahn, Ernst handlungen des 50. DJT, Bd. II, München 1974 Freie Universität Berlin FU des Bundesverfassungsgerichts, Symposium 2 . - 4 . Fünf Jahre Oktober 1978, 1979 (Schriften zur Rechtslage Grundvertragsurteil Deutschlands, Bd. 1) Gesetz über Finanzverwaltung i. d. F. vom 30.8.1971 FVG (BGBl. I S. 1426) m. 1. Änd. vom 19.12.1985 (BGBl. I S. 2436) Goldtammers Archiv GA Berliner Gaswerke Gasag Gesetzblatt GBl. GB1.DDR Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik siehe StGemG GBlnG GebBG siehe BlnGebG Gehring, Norbert Parlament — Regierung — Opposition, Münchener Studien zur Politik, Bd. 14, München 1969 Grundgesetz und Völkerrecht, 1985 Geiger, Rudolf Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geller, Gregor/ Kommentar, 3. Aufl. Göttingen 1977 Kleinrahm, Kurt/ Fleck, Hans-Joachim Festschrift für Hans Schäfer
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Abkürzungs- und Literaturverzeichnis gem. GemFinVO GemFinG GemHVO GemO GrEStG
Gentz, Manfred GenV
Georgi GG GGO I ggfGiese, Friedrich/ Schunck, Egon GmbH GnadG GO GO AvB
GO BT
GO BVV GO GO GO GO
BzA LRH NdsLT SvB
gemäß pr. Gemeindefinanzverordnung vom 2.11. 1932 (GS S.341) pr. Gemeindefinanzgesetz vom 15.12. 1933 (GS S.442) Gemeindehaushaltsverordnung vom 4.9. 1937 (RGBl. I S.921) Gemeindeordnung (Bundes-)Grunderwerbsteuergesetz vom 17.12. 1982 (BGBl. IS. 1777) (BGBl. III 610-6-10); Grunderwerbsteuergesetz Berlin gemäß §25 (3) GrEStG außer Kraft gesetzt Die Unverletzlichkeit der Wohnung — Art. 13 des GG, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 84, Berlin 1968 Generalvertrag — Vertrag über die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten vom 26.5. 1952 i.d.F. vom 30.3. 1955 (BGBl. II S. 301, 305) Das Prinzip der wahrheitsgetreuen Parlamentsberichterstattung, Diss. Göttingen 1927 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung vom 18.2. 1975 (ABl. 1975, 573) gegebenenfalls Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Aufl., Frankfurt/M. 1976 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über den Ausschuß für Gnadensachen vom 19.12. 1968 (GVB1. S. 1767) m.l.Änd. vom 11.1. 1979 (GVB1. S. 58) Geschäftsordnung Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 4.7. 1974 (GVB1. S. 1684) i. d. F. vom 24.1. 1984 (GVB1. S.402) m.l.Änd. vom 13.6. 1985 (GVB1. S. 1310) Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 28.1. 1952 (BGBl.II S.389) i.d.F. vom 2.7. 1980 (BGBl.I S. 1237) m.l.Änd. vom 17.3. 1982 (BGB1.I S. 400) Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung Geschäftsordnung des Bezirksamtes Geschäftsordnung des Landesrechnungshofes Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages Geschäftsordnung des Senats von Berlin vom 9.4. 1963 (ABl. S. 547) i. d. F. vom 6. 5.1969 (ABl. S. 616) XXVII
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis Götz, Volkmar Grabitz, Eberhard GStA GStO GVB1. GVG GWB
h. A. Haas Härth, Wolfang HAG Hamann, Andreas/ Lenz, Helmut/ Harnischfeger, Horst Hauck, Peter Halbs. Hb., Hdb. HbAvB HbDStR heGemO HeStGH Hesse, Konrad HG HGrG HLKO h. M. Hmb., hmb. hmbBzVG
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Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl., Göttingen 1985 Freiheit und Verfassungsrecht, Tübingen 1976 Generalstaatsanwalt Grundstücksordnung der einzelnen Bundesländer vom 28.10. 1969 (DB1. 691 Nr. 85) Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz i. d. F. vom 9.5. 1975 (BGBl. I S. 1077) m. 1. Änd. vom 15.5. 1986 (BGBl. I S. 721) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27.7. 1957 (BGBl. I S. 1081) i.d.F. vom 24.9. 1980 (BGBl. IS. 1761) m. 1. Änd. vom 19.12.1985 (BGBl. I S. 2355) herrschende Ansicht Verfassung von Groß-Berlin, 4. Auflage, Berlin 1947 Zur verfassungsrechtlichen Stellung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, JR 1986, S. 221 Haushaltsrechtsanpassungsgesetz vom 1.8. 1966 (GVB1. S. 1162) Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, 3. Aufl., Neuwied, 1976 Planung in der sozialstaatlichen Demokratie, Neuwied, Berlin 1969 Das richterliche Prüfungsrecht in Berlin, Diss. Berlin 1968 Halbsatz Handbuch Handbuch des Abgeordnetenhauses von Berlin Handbuch des Deutschen Staatsrechts hessische Gemeindeordnung i.d.F. vom 1.4. 1981 (GVB1. I S. 66) Hessischer Staatsgerichtshof Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 15. Aufl., Heidelberg 1985 Haushaltsgesetz Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19.8. 1969 (BGB1.I S. 1273) m. 1. Änd. vom 21.12.1974 (BGBl. I S. 3656) Haager Landkriegsordnung vom 18.10. 1907 (RGBl. 1910 S. 107 ff) herrschende Meinung Hamburg, hamburger, hamburgisch hamburger Bezirksverwaltungsgesetz vom 16.9.1969 (hmbGVBl. S.179) i.d.F. vom 22.5. 1978 (GVB1. S. 178) m. 1. Änd. vom 27. 6. 1984 (GVB1. S. 135)
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis hmbGVBl. hmbVfGH HohZG HundesteuerG HV
i. d. F. i. e. S. i. Erg. IHK ImmRiLi insbes. i. S. i. S. d. i. V. m. JA JBIntR Jäckel, Hartmut
Jahrb. ÖR N F Jesch, Dietrich JR JuS Jutzi, Siegfried JWG JZ Kaiser, Joseph-H. KamG
KassO Kasten, Hans Hermann Keller, Dieter KG Kieler Symposium
hmb. Gesetz- und Verordnungsblatt Staatsgerichtshof der Freien und Hansestadt Hamburg Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin vom 13.5. 1954 (GVB1. S.289) Hundesteuergesetz vom 31.3. 1939 (ABl. S.394) m.l.Änd. vom 18.12. 1981 (GVB1. S.1564) Verfassung des Landes Hessen vom 1.12. 1946 (GVB1. S.229) m.l.Änd. vom 23.3. 1970 (GVB1. I S.281) in der Fassung in engerem Sinne im Ergebnis Industrie- und Handelskammer Berlin Richtlinien in Immunitätsangelegenheiten in HbAvB 10. W P Bd.I insbesondere im Sinne im Sinne des (der) in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für internationales Recht Grundrechtsgeltung und Grundrechtssicherung, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 42, Berlin 1967 Jahrbuch des Öffentlichen Rechts — Neue Folge Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968 Juristische Rundschau Juristische Schulung Landesverfassungsrecht und Bundesrecht, Berlin 1982 Gesetz für Jugendwohlfahrt vom 6.8. 1970 (BGBl. I S. 1197) m.l.Änd. vom 20.2. 1986 (BGB1.I S.301) Juristenzeitung Planung I - I V , Baden-Baden 1965-68 Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker vom 18.12. 1961 (GVB1. S.1753) i.d.F. vom 4.9. 1978 (GVB1. S. 1937, 1980) Kassenordnung vom 7.10. 1969 (DB1. 1969 I Nr. 84) Plenarvorbehalt und Ausschußfunktion, DÖV 1979 S.222 Prüfungsaufträge und Unabhängigkeit der Rechnungshöfe, DÖV 1979, S.705 Kammergericht Ostverträge/Berlin-Status/Münchener Abkommen,
XXIX
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
KiStG
Kleinschmittger, Karl-Heinz Knies, Wolfgang Kommentar zum Grundgesetz Kopp, Ferdinand O. Körte, Heinrich Kottenberg, Kurt/ Rehn, Erich KPD KPM Krebs, Walter Kreutzer, Heinz KRG Klaus Kröger, KSchG LAbgG
LAbstG
LAbstO
XXX
Beziehungen zwischen Bundesrepublik Deutschland und DDR, Hamburg 1971 Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften im Land Berlin vom 15.2. 1967 (GVB1. S.361) i.d.F. vom 9.7.1975 (GVB1. S. 1829) m. 1. Änd. vom 11.12.1985 (GVB1. S. 2414) Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten, Diss., Düsseldorf 1963 Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, München 1967 Zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bearb.: Azzola, Bäumler, u.a., Bd. 1, 2, 1984 (Reihe Alternativkommentare) Die Grundrechte der deutschen Landesverfassungen in: Der Föderalismus und die Zukunft der Grundrechte, 1982 Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 2. Auflage, 1986 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 8. Aufl., Siegburg 1968 Kommunistische Partei Deutschlands Königlich Staatliche Porzellan-Manufaktur Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, Schriften zum öffentlichen Recht, Berlin 1975, Bd. 276 Die Neuordnung der Berliner Bezirksverwaltung, DÖV 1959, 429 (Sonderdruck) Kontrollratsgesetz Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/Main 1972 Kündigungsschutzgesetz vom 10.8. 1951 (BGB1.I S.499) i.d.F. vom 25.8. 1969 (BGB1.I S. 1317) m. 1. Änd. vom 26.4. 1985 (BGB1.I S.710) Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 21.7. 1978 (GVB1. S. 1497) m. 1. Änd. vom 30.9. 1985 (GVB1. S.2185) Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses vom 27.11. 1974 m. 1. Änd. vom 17.4. 1984 (GVB1. S.600) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses vom 22.9. 1976 (GVB1. S.2291) m.l.Änd. vom 15.3. 1986 (GVB1. S.528)
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis LAG Landsberg, Kurt/ Goetz Harry LBG LBesG LDO LDP LdR Leibholz, G./ Rink, H./ Hesselberger, D. Leimich, Peter Leisner, Walter Lerche, Peter Ley, Richard/ Prümm, Hans-Paul LfbG LG LHO lit. LK LKG LNK LPD LPD Berlin LPD LRH LS
Landesarbeitsgericht Die Verfassung von Berlin vom 1. September 1950, Kommentar, Berlin 1951 Landesbeamtengesetz vom 24.7.1952 (GVB1. S. 603) i. d. F. vom 20.2. 1979 (GVB1. S. 368) m. 1. Änd. vom 28.1. 1986 (GVB1. S.202) Landesbesoldungsgesetz vom 24.4. 1958 (GVB1. S. 314) i.d.F. vom 26.3. 1982 m.l.Änd. vom 22.2. 1985 (GVB1. S. 439) Landesdisziplinarordnung vom 8.5. 1969 (GVB1. S.515) i.d.F. vom 1.3. 1979 (GVB1. S.546) Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Ergänzbares Lexikon des Rechts, Loseblattsammlung, Neuwied, Stand vom 12. 6. 1986 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar an Hand der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, Stand 11. Lieferung, 1986 Die Vermögensrechnung der öffentlichen Hand, Köln/Berlin/Bonn/München 1968; Schriften zur Verwaltungslehre III Die Bayerischen Grundrechte, Wiesbaden-Drontzheim 1968 Übermaß und Verfassungsrecht, Köln/Berlin/München/Bonn 1961 Staats- und Verwaltungsrecht für Rheinland-Pfalz, 1986 Gesetz über die Laufbahnen der Beamten vom 3.12. 1958 (GVB1. S. 1126) i.d.F. vom 17.7. 1984 (GVB1. S.976) m.l.Änd. vom 22.2. 1985 (GVB1. S.439) Landgericht Landeshaushaltsordnung vom 29.7. 1966 (GVB1. S. 1148) i.d.F. vom 5.10. 1978 (GVB1. S. 1961) m. 1. Änd. vom 23.7. 1984 (GVB1. S. 1008) Buchstabe Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 10. Aufl. Berlin—New York, Stand 1985 Landeskrankenhausgesetz vom 13.12. 1974 (GVB1. S. 2810) i. d. F. vom 1.1.1985 (GVB1. S. 34) m. 1. Änd. vom 17.12. 1985 (GVB1. S.2427) Landesnervenklinik Liberale Partei Deutschlands Landespostdirektion Berlin Landespressedienst Landesrechnungshof Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13.12. 1949 i.d.F. vom 15.3. 1962 (GVOB1. S.123) i.d.F. vom 7. 2. 1984 (GVOB1. S. 53) XXXI
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis LSG LVwA LVwAG
LWG
LWO
m. Machalet, Eberhard ders. Magen, Rolf-Peter
Mang, Johann/ Maunz, Theodor/ Mayer, Franz/ Obermayer, Klaus Mangold, Hermann von/Klein, Friedrich/ Starck, Christian Maunz, Theodor Maunz, Theodor/ Dürig, Günter u. a. Maunz, Theodor/ Schmidt- Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz/ Ulsamer, Gerhard/ m. Anm. MdA MdB MdEP MD, M D H S m. E. Meder, Theodor Meyer, Hans/ Stolleis, Michael
XXXII
Landessozialgericht Landesverwaltungsamt Gesetz zur Änderung von Verwaltungsgesetzen und des Landesbeamtengesetzes vom 18.2. 1964 (GVB1.1 252) Gesetz über die Wahlen zum AvB und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 28.3. 1958 (GVB1. S. 305) i. d. F. vom 13.3. 1974 (GVB1. S. 594) m.l.Änd. vom 29.10. 1985 (GVB1. S.2254) Wahlordnung für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 12.7.1958 (GVB1. S. 663) i. d. F. vom 21.9.1984 (GVB1. S. 1148, 1570) mit Berliner Bezirksverwaltung, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 2. Aufl. 1974 Das Kommunalverfassungsrecht der Stadtstaaten in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, Berlin 1984, S.264 Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen am 10. März 1985, Schriftenreihe der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 4. Aufl. München 1976
Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 1985 Bd. II, Nachdruck 2. Aufl. 1966, Berlin, Frankfurt Deutsches Staatsrecht, 26. Aufl. München 1986 Grundgesetz, Kommentar (Loseblattsammlung), München Stand: 25. Lieferung, 1986 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar (Loseblattsammlung), München, Stand: 8. Lieferung, 1985
mit Anmerkung(en) Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin Mitglied des Deutschen Bundestages Mitglied des Europäischen Parlaments s. u. Maunz/Dürig u. a. meines Erachtens Die Verfassung des Freistaates Bayern, Handkommentar, 3. Aufl., Stuttgart, München 1985 Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, Frankfurt 1983
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis MittPrAvB Mill. m. krit. m. 1. Änd. Mrd. Münch, Ingo von ders. Mußgnug, Reinhard MvB m. w. N. Nawiasky, Hans/ Leusser, Claus/ Gerner, Erich/ Schweiger, Carl/ Zacher, Hans Nauber, Horst Nds., nds. ndsGemO
Mitteilungen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Million mit kritischer mit letzter Änderung Milliarde Dokumente des geteilten Deutschlands, Bd. I u. II, Stuttgart 1968 Grundgesetzkommentar, Bd.I, 3. Aufl. 1985; Bd. II, 2. Aufl. 1983, München Der Haushalt als Gesetz, Göttingen 1976 Magistrat von Berlin mit weiteren Nachweisen Die Verfassung des Freistaates Bayern, München 1964, Loseblattsammlung
Das Berliner Parlament, 5. Aufl. 1986 Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Gemeindeordnung i.d. F. vom 22.6.1982 (GVB1. S. 229) m. 1. Änd. vom 20.12.1984 (GVB1. S. 283) Neumann, Heinzgeorg Handkommentar zur vorläufigen niedersächsischen Verfassung, Lüneburg 1983 neue Folge NF neue Fassung n. F. NJW Neue Juristische Wochenschrift Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPD Nummer Nr. NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NW, nw Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch nordrhein-westfälische Gemeindeordnung vom nwGemO 22.12.1975 (GVB1.1976 S. 1) i.d.F. vom 13.8. 1984 (GVB1. S. 475) oben angegeben o. a. Obermayer, Klaus Mitbestimmung in der Kommunalverwaltung, Berlin 1973 OFD Oberfinanzdirektion oben genannt o. g. Oberlandesgericht OLG Olshausen, Landesverfassungsbeschwerde und Bundesrecht, Baden-Baden 1980 Henning von Oberverwaltungsgericht OVG Entscheidungssammlung des OberverwaltungsgeOVGE richtes
XXXIII
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis OWiG PartG Patzig, Werner ders. ders. PersVG PetG Piduch, Erwin Adolf ders. Plog, Ernst/ Wiedow, Alexander PolPr. PolPrG PolZG PostG PostVG pr. PrAvB PrBRH PrLRH RB RBG RdB Rdn. RechO RechtsVO RegG
XXXIV
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten i. d.F. vom 2.1. 1975 (BGBl. I S. 80) m.l.Änd. vom 15.5. 1986 (BGBl. I S. 721) Gesetz über die politischen Parteien vom 24.7. 1967 (BGBl. I S. 773) i. d. F. vom 15.2. 1984 (BGB1.I S. 242) Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, BadenBaden 1981 Nochmals: Erweitertes Notbewilligungsrecht für die Exekutive? DÖV 1979, S. 896 Zur Problematik der Kreditfinanzierung staatlicher Haushalte, DÖV 1985, S.293 Berliner Personalvertretungsgesetz vom 26.7. 1974 (GVB1. S. 1669) m.l.Änd. vom 21.12. 1981 (GVB1. S. 1564) Berliner Gesetz über die Behandlung von Petitionen an das AvB (Petitionsgesetz) vom 25.11.1969 (GVB1. S.2511) Bundeshaushaltsrecht, Kommentar (Loseblattsammlung), Stuttgart 1969 Bundeshaushaltsrecht, DÖV 1973, S.229 Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Berlin 1958 (Loseblattsammlung) Polizeipräsident Gesetz über die Wahl und Rechtsstellung des Polizeipräsidenten vom 7.7. 1953 (GVB1. S. 572) Polizeizuständigkeitsgesetz vom 2.10. 1958 (GVB1. S. 959); aufgehoben durch §50 II Nr. 1 ASOG Gesetz über das Postwesen vom 28.7. 1969 (BGBl. I S. 1006) m. 1. Änd. vom 2.3. 1974 (BGBl. I S.469) Postverwaltungsgesetz vom 24.7. 1953 (BGB1.I S. 676) m. 1. Änd. vom 27.6. 1986 (BGBl. I S. 946) preußisch Präsident des Abgeordnetenhauses Präsident des Bundesrechnungshofes Präsident des Landesrechnungshofes Regierender Bürgermeister Reichsbeamtengesetz i.d.F. vom 18.5. 1907 (RGBl. S. 245) Rat der Bürgermeister Randnummer Rechnungsordnung Rechtsverordnung Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der in einzelnen Verwaltungszweigen des Landes Berlin beschäftigten Personen vom 26.4.1957 (BGBl. I S. 397/
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
Rehm, Hannes RG RGSt RHG RHO RiA RiG RiGWO Ritzel, Heinrich/ Bücker, Joseph RiWG
RiWO Röhring, Hans-Helmut/Sontheimer, Kurt Röper, Erich ROW Rs Rspr. RuP RuStAngG RV RVermG RzW s.
GVB1. S.43) m.l. Änd. vom 20.7.1967 (BGBl. I S. 725) Analyse und Kritik der Bundeshaushaltsreform, Baden-Baden 1975 Reichsgericht Entscheidungssammlung des Reichsgerichtes in Strafsachen bin. Gesetz über den Rechnungshof vom 21.7. 1966 (GVB1. S.2) i.d.F. vom 1.1. 1980 (GVB1. S.2) Reichshaushaltsordnung vom 31. 12.1922 (RGBl. 23 II S. 17) m. 1. Änd. vom 23.4. 1934 (RGBl. I S. 232) Recht im Amt Berliner Richtergesetz vom 18.1. 1963 (GVB1. S.93) i. d. F. vom 27.4. 1970 (GVB1. S. 642) m. 1. Änd. vom 17.7. 1985 (GVB1. S.1573) Wahlordnung zum Berliner Richtergesetz vom 25.3. 1963 (GVB1. S.385) i.d.F. vom 5.3. 1970 (GVB1. S. 468) Handbuch über die parlamentarische Praxis mit Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Frankfurt/M. 1975 (Loseblattsammlung) Gesetz über die Wahl der Präsidenten der oberen Landesgerichte und der Generalstaatsanwälte vom 11.7.1957 (GVB1. S.741) m.l.Änd. vom21.12.1965 (GVB1. S. 1979) Richterwahlordnung vom 9.1. 1951 (VOB1.I S.240) i.d.F. vom 27.4. 1970 (GVB1. S.93) Handbuch des deutschen Parlamentarismus, München 1970 Nicht-Entlastung einer Regierung, DVB1. 1980, S. 525 Recht in Ost und West Rechtssache Rechtsprechung Recht und Politik Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7. 1913 (RGBl. S.583) m.l.Änd. vom 18.7. 1979 (BGBl. I S. 1061) Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.4. 1871 (RGBl. S.63) Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen vom 16. 5. 1961 (BGB1.I S. 597) Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht (Beilage zur NJW 1949/1950) siehe
XXXV
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
s. s. a. sa. SaLTG Sauer, Karl SBZ Schäfer, Friedrich Schmelter, Hubert Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz Schmidt-Räntsch, Günter Schönke, Adolf/ Schröder, Horst Scholz, Rupert Schonfeld SED Sendler, Horst SenG
SFB SG SH, sh shGemO SiegelVO
Seite siehe auch saarländisch Gesetz über den Landtag des Saarlandes vom 20.6. 1973 (Amtsbl. S.517) m.l.Änd. vom 24.4. 1985 (Amtsbl. S. 525) Das Interpellationsrecht in der Bundesrepublik und im Freistaat Bayern, München 1968 Sowjetische Besatzungszone Der Bundestag, 4. Aufl., Opladen 1982 Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtssetzung gehörende Akte der Legislative, Berlin 1977 Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl. 1983, Neuwied, Darmstadt Deutsches Richtergesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 1983 Strafgesetzbuch, Kommentar, 22. Aufl., München 1985 Krise der parteienstaatlichen Demokratie?, Berlin 1983 Das Zitier-, Zutritts- und Rederecht des Art. 43 GG Diss., Köln 1973 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Verwaltungsorganisation und Entwicklung der Verwaltung in Berlin seit 1945, JR 1985, S. 441 ff Gesetz über die Rechtsstellung der Mitglieder des Senats vom 7.7.1959 (GVB1. S. 591) i. d. F. vom 1.6. 1975 (GVB1. S. 1473) m.l.Änd. vom 28.11. 1983 (GVB1. S. 1506) Sender Freies Berlin Sozialgericht Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein, i.d. F. vom 6.4. 1973 (GVOB1. S.89) m.l.Änd. vom 14.5. 1985 (GVOB1. S. 123, 127) Verordnung über die Landessiegel vom 28.10. 1954 (GVB1. S. 622) sogenannt sowjetisch Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Die Deutsche Bundesbank, 4. Aufl., Stuttgart 1973
sog. sowj. Sp. SPD v. Spindler, Joachim/ Becker, Willi/ Starke, Ernst Staatliche Kontinuität unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage Deutschlands, 1984, Hrsg. Boris Meissner und Gott-
XXXVI
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
Spitta, Theodor Spreng, Rudolf/Birn, Willi/ Feuchte, Paul Srocke, Ernst st. StA StaatsbürgerschaftsG StadtverfassungsG Stark, Christian/ Stern, Klaus (Hrg.) StB, Sten. Ber. StBAvB StBStW Stern, Klaus SteuerGnadG StGB StGemG StGH StPO str. StrRAnpG StV StW s. u. Süsterhenn/Schäfer SvB Tipke, Klaus/Kruse, Heinrich-Wilhelm Totz, Claus-Dieter Trossmann, Hans
fried Zieger (Staats- und völkerrechtliche Abhandlung der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht) Kommentar zu bremischen Verfassung, Bremen 1966 Die Verfassung der Länder Baden-Württembergs, Stuttgart 1954 Bezirksverwaltungsgesetz von Berlin, Text und Erläuterungen, 2. Aufl., Berlin 1979 ständige Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft (der DDR) vom 16.10. 1972 (GBl. D D R I S. 265) siehe StGemG Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Baden-Baden 1983 Stenografische Berichte Stenografische Berichte des Abgeordnetenhauses von Berlin Stenografische Berichte der Stadtverordnetenversammlung Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, München 1984, Bd. II, München 1980 Steuergnadengesetz vom 22. 5. 1957 (GVB1. S. 515) Strafgesetzbuch i.d.F. vom 2.1. 1975 (BGB1.I S. 1) m. 1. And. vom 15. 5. 1986 (BGBl. I S. 721) pr. Gesetz über die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27.4. 1920 (GS S. 123) m.l.Änd. vom 30.3. 1931 (GS S. 39) Staatsgerichtshof Strafprozeßordnung i.d.F. vom 7.1. 1975 (BGB1.I S. 129) m.l.Änd. vom 15.5. 1986 (BGB1.I S.721) streitig Strafrechtsanpassungsgesetz vom 3.12. 1974 (GVB1. S. 2746) Stadtverordneter Stadtverordnetenversammlung siehe unten Kommentar der Verfassung von Rheinland-Pfalz, Koblenz 1950 Senat von Berlin Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung (Loseblattsammlung), 11. Aufl., Köln 1983 Die Haushaltsführung der Minderheitsregierung in Hessen, DÖV 1985, S. 706 Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, Kommentar zur Geschäftsordnung, München 1977; sowie XXXVII
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis ErgBd. von Trossmann und H.-A. Roll, München 1981 und u. u. a. und andere u. ä. und ähnliches u. a. m. und anderes mehr ÜbernahmeVO Übernahmeverordnung Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UdSSR siehe BlnUntAG UntAG Gesetz über die Unterbringung von Geisteskranken, UnterbrG Geistesschwachen und Suchtkranken vom 5.6. 1958 (GVB1. S. 521) unzutr. unzutreffend UN United Nations (Vereinte Nationen) UN-Doc. Dokumente der Vereinten Nationen Urt. Urteil usw. und so weiter u. v. m. und verschiedenes mehr unter Umständen u. U. USA Vereinigte Staaten von Amerika v. von, vom VA Verwaltungsakt VA Vier-Mächte-Abkommen über Berlin vom 3. 9. 1971 Vbm. Vorbemerkung VBW Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11. 1953 (GBl. S. 173) m.l.Änd. vom 14.5. 1984 (GBl. S. 301) VermO Vermögensordnung vom 30.6. 1969 (DB1. 1969 I Nr. 55) VereinsG Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinswesens (Vereinsgesetz) vom 5.8. 1964 (BGB1.I S.593) m.l.Änd. vom 2.3. 1974 (BGB1.I S.469) Verhandlungen Verh. Verwaltungsgericht VG vergleiche vgl. von Hundert v. H. Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom VHB 21.10. 1947 (BremGBl. S.251) m. 1. Änd. vom 13. 3. 1973 (GBl. S. 17) Landesverfassung der Freien und Hansestadt HamVHH burg vom 6.6. 1952 (Bl. 100-a) m. 1. Änd. vom 19. 5. 1982 (GVB1. S. 117) Viaion, Friedrich Karl Haushaltsrecht, 2. Auflage, Berlin 1959 bin. Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und VküG Rechtsverordnungen vom 29.1. 1953 (GVB1. S. 106) m.l.Änd. vom 30.1. 1979 (GVB1. S. 183) XXXVIII
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis VNV
VNW VO VOB1. Vogel, Klaus Vorbem. VR VRP VS VvB VVDStRL VVGB VwArch. VwGO VwRspr. VwVfG WahlPrüfungsG WBK Widhofer, Wolfgang Wiezcorek, Bernhard Wild, Gisela Wilke, Kay-Michael Witte-Wegemann, Gertrud
Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13.4. 1951 (GVB1. S. 103) i.d.F. vom 28.3. 1972 (GVB1. S. 171) von, vom Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18.6. 1950 (GV S. 127) m.l.Änd. vom 19.3. 1985 (GVNW S. 255) Verordnung Verordnungsblatt Verfassungsfragen der Investitionszulage und verwandter Vergünstigungen, DÖV 1977, S. 837 Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Verfassung für Rheinland Pfalz vom 18.5. 1947 (VOB1. S. 209) m. 1. Änd. vom 19.11. 1985 (GVB1. S. 260) Verfassung des Saarlandes vom 15.12.1947 (Amtsbl. S. 1077) i.d.F. vom 25.1. 1985 (Amtsbl. S. 106) Verfassung von Berlin vom 1.9.1950 (VOB1.1S. 433) m. 1. Änd. vom 26.2. 1981 (GVB1. S.346) Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin vom 19.8. 1946 (VOB1. S. 295) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtsordnung vom 21.1. 1960 (BGBl.I S. 17) m.l.Änd. vom 20.12. 1982 (BGB1.I S. 1834) Sammlung der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5. 1976 (BGBl.I S. 1253) m.l.Änd. vom 2.7. 1976 (BGBl. I S. 1749) s. WprüfG Wohnungsbaukreditanstalt Die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1960 Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, aufgrund der Rechtsprechung kommentiert, 2. Aufl., Berlin 1976 (Loseblattsammlung), Stand 1981 Die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und die Anordnung zu ihrer Verkündung, Diss., Heidelberg 1969 Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik, Berlin 1976 Recht und Kontrollfunktion der großen, kleinen und mündlichen Anfragen im Deutschen Bundestag, Ber-
XXXIX
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis WiO Wittrock, Karl ders. ders. w. Nachw. b. Wolff, Hans-Julius/ Bachof, Otto WP WPG WprüfG
WRV ZAÖRVR z. B. ZBR Zehn Jahre BerlinAbkommen Zezschwitz, Friedrich von ZfP Zieger, Gottfried Zinn, Georg/ Stein, Erwin zit. Zivier, Ernst Renatus ZLuftR zutr. ZParlR z. T. ZRP ZPO z. Z.
XL
lin 1972 Wirtschaftsordnung vom 9.11. 1971 (DB1. 1971 I Nr. 99) Auf dem Weg zu einem neuen Bundesrechnungshofgesetz, DÖV 1984, S.649 Warum muß Finanzkontrolle unabhängig sein? DVB1. 1984, S. 823 Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle. Das Verhältnis des Bundesrechnungshofes zum Bundestag, ZParlR 1982, S.209 weitere Nachweise bei Verwaltungsrecht, Bd. II, 6. Aufl., München 1983 Wahlperiode bin. Wahlprüfungsgericht Gesetz über die Prüfung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 16.10. 1958 (GVB1. S. 1021) m. 1. Änd. vom 17.4. 1984 (GVB1. S.600) Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung) vom 11.8. 1919 (RGBl. S.1383) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht 1971-1981, Schriften zur Rechtslage Deutschlands, Bd. 5, 1983 Erweitertes Notbewilligungsrecht für die Exekutive? DÖV 1979, S. 489, 889 Zeitschrift für Parlamentsfragen Berlin-Fibel, Berlin 1975 Die Verfassung des Landes Hessen, Kommentar, Berlin 1963, Loseblattsammlung zitiert Der Rechtsstatus des Landes Berlin, 3. Aufl., Berlin 1977 Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen zutreffend Zeitschrift für Parlamentsrecht zum Teil Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilprozeßordnung i.d.F. vom 12.9. 1950 (BGBl. S. 533) m. 1. Änd. vom 20.2. 1986 (BGB1.I S.301) zur Zeit
Verfassungen GG BV VH LS RV VBW VHB VHH VNV VNW VRP VS VvB VVGB WRV
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5. 1949 (BGBl. I S. 1) m. 1. Änd. vom 21.12. 1983 (BGBl. I S. 1481) Verfassung des Freistaates Bayern vom 2.12. 1946 (Bay. BS I S. 3) m. 1. Änd. vom 20.6. 1984 (GVB1. S. 223) Verfassung des Landes Hessen vom 1.12. 1946 (GVB1. S.229) m. I. Änd. vom 23.3. 1970 (GVB1. S.281) Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13.12.1949 i. d. F. vom 15.3. 1962 (GVOB1. S. 123) i.d.F. vom 7.2. 1984 (GVOB1. S.53) Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.4. 1871 (RGBl. S.63) Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. S. 173) m. 1. Änd. vom 14.5. 1984 (GBl. S. 301) Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21.10. 1947 (Brem. GBl. S. 251) m. 1. Änd. vom 13. 3. 1973 (GBl. S. 17) Landesverfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6.6. 1952 (Bl. 100-a) m. 1. Änd. vom 19.5. 1982 (GVB1. S. 117) Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13.4. 1951 (GVB1. S. 103) m. 1. Änd. vom 28.3. 1972 (GVB1. S. 171) Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18.6. 1950 (GV S. 127) m. 1. Änd. vom 19.3. 1985 (GVNW S.255) Verfassung für Rheinland Pfalz vom 18.5. 1947 (VOB1. S.209) m. 1. Änd. vom 19.11 1985 (GVB1. S.260) Verfassung des Saarlandes vom 15.12. 1947 (Amtsbl. S.1077) i. d. F. vom 25.1. 1985 (Amtsbl. S. 106) Verfassung von Berlin vom 1.9. 1950 (VOB1.I S.433) m.l.Änd. vom 26.2. 1981 (GVB1. S.346) Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin vom 19. 8. 1946 (VOB1. S. 295) Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung) vom II.8. 1919 (RGBl. S. 1383)
XLI
Verfassung von Berlin vom 1. September 1950 (VOB1.I S.433); zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Februar 1981 (GVB1. S.346) Die Stadtverordnetenversammlung hat auf Grund des Artikels 35 der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin die nachstehende Verfassung ausgearbeitet und unter Zustimmung des Magistrats am 4. August 1950 beschlossen. Sie wird hiermit verkündet: Vorspruch In dem Willen, Freiheit und Recht jedes Einzelnen zu schützen, Gemeinschaft und Wirtschaft demokratisch zu ordnen, dem Geiste des sozialen Fortschritts und des Friedens zu dienen, und in dem Wunsche, die Hauptstadt eines neuen geeinten Deutschlands zu bleiben, hat sich Berlin diese Verfassung gegeben. Erläuterungen Der Vorspruch der VvB betont zunächst den Willen des Verfas- 1 sungsgebers, nach den Jahren der Diktatur Freiheit und Recht des Menschen als Einzelwesen besonders zu schützen. Er ist Hinweis auf die im Abschnitt II der Verfassung aufgeführten Grundrechte der Berliner Einwohner, deren Schutz mit allen staatlichen Mitteln er zusichert. Gleichzeitig bringt der Vorspruch zum Ausdruck, daß nunmehr in Abkehr von der Diktatur das Gemeinwesen demokratisch geordnet sein soll. Zusammen mit dem Hinweis auf den Willen nach sozialem Fortschritt ist dies dahingehend zu verstehen, daß Berlin ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat sein soll, dessen Staatsgewalt und Staatwerdung dem Frieden dient. Der Wunsch, Berlin möge die Hauptstadt eines neuen geeinten 2 Deutschlands bleiben, bringt zum Ausdruck, daß Berlin seine zentrale 1
Vorspruch
Kraft als Deutschlands Hauptstadt nicht verloren hat, sondern derzeit nur in widernatürlicher Weise aufgespalten ist. Die VvB geht selbstverständlich davon aus, daß nach Beendigung der Spaltung nur Berlin Hauptstadt eines neuen geeinten Deutschlands sein kann. 3 Der Ausdruck, daß sich „Berlin" diese Verfassung gegeben hat, ist keine Mißachtung der Berliner Bürger als Inhaber der Staatsgewalt (vgl. Art. 2), sondern als Hinweis darauf zu verstehen, daß Berlin nunmehr ein Land geworden ist, das sich selbst eine Verfassung gibt, nachdem es in den Jahrhunderten seines Bestehens als Stadt die Verfassung immer von übergeordneten Instanzen erhalten hatte (Landsberg/Goetz, S.40f).
2
Abschnitt I Die Grundlagen Artikel 1 (1) Berlin ist ein deutsches Land und zugleich eine Stadt. (2) Berlin ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. (3) Grundgesetz und Gesetze der Bundesrepublik Deutschland sind für Berlin bindend. Art. 1 ist im Zusammenhang mit Art. 87 zu sehen, der lautet: (1) Art. 1 Abs. 2 und 3 der Verfassung treten in Kraft, sobald die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen unterliegt. (2) In der Übergangszeit kann das Abgeordnetenhaus durch Gesetz feststellen, daß ein Gesetz der Bundesrepublik Deutschland unverändert auch in Berlin Anwendung findet. (3) Soweit in der Übergangszeit die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen (Abs. 1) unterliegt, sind die Bestimmungen des Grundgesetzes auch in Berlin geltendes Recht. Sie gehen den Bestimmungen der Verfassung vor. Das Abgeordnetenhaus kann im Einzelfall mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder anders beschließen. Art. 85 der Verfassung findet sinngemäß Anwendung. (4) In der Übergangszeit sollen die verfassungsmäßig bestellten Organe von Berlin die für das Verhältnis von Bund und Ländern maßgebenden Bestimmungen des Grundgesetzes soweit wie möglich als Richtlinien für die Gesetzgebung und Verwaltung beachten. Materialien 1. vgl. zu Art. 1 I: Art. 64, 143 VHB; 1 VHH; zu Art. 1 II: Art. 23 GG; 23 II VBW; 1 I, 178 BV; 64 VHB; 1 VHH; 64 HV; 1 I VNV; 1 11 VNW; 741 VRP; 60 VS; 1 LS 2. VVGB: Art. 1 3. Änderungen: —
3
Art. 1 Spezialschrifttum
Abschnitt I: Die Grundlagen in
Auswahl
Abrassimow, Pjotr Westberlin — gestern und heute, Berlin (Ost) 1981; Alle Macht geht vom Stadtkommandanten aus . . . Zum Besatzungsstatus von West-Berlin. Analysen, Berichte, Dokumente, Hrsg. von der Studiengruppe Verfassung und Besatzungsmacht im Spannungsfeld 1985; Apell, Günter Das Bundesverfassungsgericht und Berlin, 1984 (Schriften zur Rechtslage Deutschlands, Bd. 7); Benda, Ernst Berliner Rechtsprechung zum Grundgesetz, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984, S. 47 ff; Baumeister, Dieter)Zivier, Ernst Die Status-Bestimmungen des Viermächte-Abkommens und die Zukunft Berlins, 2. Aufl., 1979; Baumeister, Dieter Die Bindungen Berlins an den Bund, RuP 1973, S. 139 ff; Bentzien, Joachim Probleme des Luftverkehrs von und nach Berlin, ZLuftR 1979, S. 327 ff; Berlin-Fibel Berichte zur Lage der Stadt. Hrsg. von Dieter Baumeister, 1975 (Politische Dokumente Bd. 6); Bernhardt, Rudolf Deutschland nach 30 Jahren Grundgesetz, in: VVDStRL 38 (1980), S. 7 ff; Blumenwitz, Dieter Der Begriff der „Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland", in: Zehn Jahre Berlin-Abkommen 1971-1981, 1983 (Schriften zur Rechtslage Deutschlands, Bd. 5), S. 77 ff; Böhm, Dietrich Berliner Verfassung, Grundgesetz und Besatzungsmacht, Diss. jur., Köln 1966; ders. nochmals: Kompetenzen des BVfG für Berlin, JR 1964, S. 106 ff; Boldyrew, V. Westberlin und die europäische Sicherheit, Berlin (Ost) 1973; Catudal, Honoré M jr The Diplomacy of the Quadripartite Agreement on Berlin, 1978; Carstens, Karl Zur Interpretation der Berlin-Regelung, in: Festschrift für U. Scheuner zum 70. Geburtstag, 1973, S. 67 ff; Czermak, Jan Michael Die Stellung Berlins in der Rechts-, Gerichts- und Finanzordnung der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bonn 1967; Dehnhard, Albrecht Verfassungsrecht im Vier-Mächte-Status, DVB1. 1976, S. 176 ff; Delbrück, Jost Die staatsrechtliche Stellung Berlins in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Bundesgerichte, in: Ostverträge, Berlin-Status, Münchener Abkommen, Symposium Kiel 1971, S. 214 ff; Drath, Martin Berlin und Bonn, JR 1951, S. 385 ff; ders. Die staatsrechtliche Stellung Berlins, AöR 82 (1957), S. 27 ff; ders. in: Festschrift der Jur. Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag in Berlin, 1955, S. 79 ff; Doehring, Karl/ Ress, Georg Staats- und völkerrechtliche Aspekte der Berlin-Regelung, 1972; Elsas-Patrick, Ralph W. German Fédéral Constitutional Jurisdiction in Berlin: Blessed be the ties that bind?, Revue de Droit International, de Sciences Diplomatiques et Politiques 1979, S. 245 ff; Ermacora, Felix Berlin als Symbol der Einheit Deutschlands, in: Staatliche und nationale Einheit Deutschlands — ihre Effektivität, Hrsg. Dieter Blumenwitz und Boris Meissner, 1984 (Staats- und völkerrechtliche Abhandlung der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 3), S. 97 ff; Fijalkowski, Jürgen u. a. Berlin — Hauptstadtanspruch und Westintegration, 1967 (Schriften d. Inst. f. Politische Wissenschaft, Bd. 20); Finkelnburg, Klaus Die Rechtsstellung Berlins im Bund, JuS 1967, S. 542 ff u. JuS 1968, S. 10 ff, S. 58 ff; ders. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Berliner Sachen, AöR 95 (1970), S. 581 ff; ders. Die Bundeszugehörigkeit Berlins und die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
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Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
Art. 1
gerichts in Berliner Sachen, NJW 1974, S. 1969 ff; Fischer, Wolf gang Der völkerrechtliche Status von Ost-Berlin, Diss. jur. Heidelberg 1981; Förch, Stefan Mitwirkung deutscher Geschworener an der Ausübung amerikanischer Besatzungsgerichtsbarkeit in Berlin, ZäöRV 40 (1980) S. 738 ff; Geulen, Reiner Rechte Betroffener und gerichtlicher Rechtsschutz gegenüber hoheitlichen Maßnahmen der Alliierten in West-Berlin, NJW 1985, S. 1055 ff; Grabitz, Eberhard Gemeinschaftsgewalt, Besatzungsgewalt und deutsche Staatsgewalt in Berlin, in: Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens, Bd. 1,1985, S. 125 ff; Grawert, Rolf Die Staatsangehörigkeit der Berliner, Der Staat, Bd. 12 (1973), S. 289 ff; Hacker, Jens Die Rechtslage Berlins, Die Wandlungen in der sowjetischen Rechtsauffassung (1964); ders. Der Viermächte-Status von Berlin, in: Berlin-Fibel, Hrsg. Dieter Baumeister, 1975, S. 321 ff; Hauck, Peter Das richterliche Prüfungsrecht in Berlin, Diss. jur. Berlin 1967; Heidelmeyer, Wolfgang/Hindrichs, Günther Dokumente zur Berlin-Frage 1944-1966, 2. Aufl. 1967; Hennig, Ottfried Die Bundespräsenz in West-Berlin, 1976; Ipsen, Knut Die Staatsangehörigkeit der Bürger WestBerlins, JblntR, Bd. 16 (1973), S. 266 ff; ders. Völkerrechtliche Probleme östlicher Beteiligungen an internationalen Veranstaltungen in West-Berlin, Politik und Kultur 1978, S. 19 ff; Jahn, Jochen Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Berlin, Diss. jur. Köln 1966; ders. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Berlin, EuR 1972, S. 232 ff; Kadelbach, Stefan Zum völkerrechtlichen Status Ost-Berlins, ROW 1986, S. 221 ff; Kewenig, Wilhelm A. Entwicklungslinien des Völker- und staatsrechtlichen Status von Berlin, Vortrag, gehalten vor der Jur. Ges. zu Berlin am 15. Februar 1984, 1984 (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, H. 88); Kersting, Klaus Das Verhältnis West-Berlins zur Bundesrepublik, Verwaltungsrundschau 1984, S. 57 ff; Knörr, Alexander Die Kompetenz von Berlin (West) zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge, Diss. jur. München 1975; Kreutzer, Heinz Die Geltung von Bundesrecht in Berlin, JR 1951, S. 641 ff; ders. Berlin im Bund, ZfPol (N.F.) 1954, S. 139 ff; ders. Die Stellung des Landes Berlin nach den Verträgen von Bonn und Paris, DÖV 1956, S. 225 ff.; ders. Das öffentliche Recht in Berlin. Die besondere staatsrechtliche Situation und die Rechtsentwicklung von 1945 bis 1954 (Sonderdruck aus den Heften 1, 2, 3 und 5/1955/Die öffentliche Verwaltung), 1955; ders. Die Rechtsstellung Berlins. Eine rechtliche Beurteilung des Viermächte-Status (Berliner Forum 5/ 68), 1968; Külz, Helmut R. Der Meinungsstreit um den rechtlichen Status von Berlin, DuR 1974, S. 267 ff; Lerche, Peter „Berliner Sachen" als verfassungsprozessualer Begriff, in: Die moderne Demokratie und ihr Recht, Festschrift für Gerhard Leibholz zum 65. Geburtstag, Bd. II, 1966, S. 465 ff; ders. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Berliner Fragen, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 1976, S. 715 ff; Lush, C. D. The Relationship between Berlin and the Federal Republic of Germany, The International and Comparative Law Quarterly, Bd. 14, 1965, S. 742; Mahncke, Dieter Berlin im geteilten Deutschland, 1973; Mampel, Siegfried Der Status von Berlin (Ost), in: Zehn Jahre Berlin-Abkommen 1971 — 1981, 5
Art. 1
Abschnitt I: Die Grundlagen
1983 (Schriften zur Rechtslage Deutschlands, Bd. 5), S. 121 ff; ders. Der Status von Berlin (Ost) nach zehn Jahren Viermächteabkommen, ROW 1981, S. 225 ff; Menzel, Eberhard Die vier Grundauffassungen über die gegenwärtige Völker- und staatsrechtliche Stellung Berlins in: Ost-Verträge, Berlin-Status, Münchener Abkommen, Symposium Kiel 1971, S. 207 ff; ders. Die These von der „verfassungswidrigen Mitwirkung der Bundesregierung" am ViermächteAbkommen über Berlin vom 3. 9.1971, NJW 1972, S. 2249 ff; Möhler, Dietmar Völkerrechtliche Probleme östlicher Beteiligungen an internationalen Veranstaltungen in West-Berlin, 1985; Mußgnug, Reinhard Die Bindung Berlins an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Im Dienst an Recht und Staat, Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 157 ff; Nagel, Willi Die rechtliche Lage West-Berlins, Diss. jur. Würzburg 1966; Pestalozza, Christian Die Geltung verfassungswidriger Gesetze, AöR 96 (1971), S. 27 ff; ders. Wandlungen der Berlin-Terminologie des Bundesverfassungsgerichts, JR 1972, S. 45 ff; ders. Schlichte Aussetzung durch das Prozeßgericht wegen Normprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgericht? JuS 1981, S. 649 ff; ders. Berlin — ein deutsches Land, JuS 1983, S. 241 ff; ders. Berlin — juristisch betrachtet, JuS 1984, S. 430 ff; ders. Berlin unter europäischem Rechtsschutz, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984, S. 549 ff; ders. Berlin ohne Verfassungsgericht, in: Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Hrsg. Christian Starck und Klaus Stern. Teilbd. 1,1983, S. 183 ff; ders. Berlin: Die Verwaltungsgerichte als Verfassungsgerichte, NJW 1986, S. 33 f; Posth, Johannes Rechtliche Grundlagen der Deutschen Reichsbahn in West-Berlin, Diss. jur. Göttingen 1973; Randelzhof er, Albrecht Untersuchung über die Möglichkeiten des Rechtsschutzes der Einwohner Berlins gegen Akte der Alliierten, DV 1986, S. 9 ff; Riklin, Alois Das Berlin-Problem. Historisch-politische und völkerrechtliche Darstellung des Viermächtestatus, 1964; Rottmann, Joachim Der Viermächte-Status Berlins, 1959; Rshewski, Juri Westberlin — Ein politisches Gebilde sui generis, 1970; Schachtschneider, Karl Albrecht Gesetzgebung und Verfassungsänderung durch das Volk von Berlin, JR 1975, S. 221 ff; Schramm, Hartmut Die Einbeziehung Berlins in die europäischen Gemeinschaften, Europäische Hochschulschriften, Reihe II Bd. 506, 1986; Schiedermair, Hartmut Der völkerrechtliche Status Berlins nach dem Viermächte-Abkommen vom 3.9.1971, 1975; ders. Die Bindungen West-Berlins an die Bundesrepublik, NJW 1982, S. 2841 ff; Schröder, Dieter Besatzungsgewalt und Personalhoheit, Zur Staatsangehörigkeit der Berliner im Völkerrechtsverkehr, ArchVR 21 (1983) S. 409 ff; ders. Besatzungsgewalt und Rechtsschutz in Berlin, RuP 1985, S. 24 ff; ders. Monstro simile — zum heutigen Status von Berlin in: „Finis Germaniae?" Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstags von Herbert Krüger vom 11. —13.12.1975 in Kassel, Hrsg. I. v. Münch u. a., 1977, S. 27ff; ders. Der Berlin-Status ..., in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil des Bundesverfassungsgerichts, Symposium vom 2 . - 4 . Okt. 1978, 1979, S. 293 ff; ders. Der Status Deutschlands in Berlin - Zur Praxis der Westmächte, in: Recht, Wirtschaft, Politik im geteilten Deutschland, Festschrift für Siegfried Mampel, 1983, S. 71 ff; ders. Der Status von Berlin - ein Problem der Wirtschaftspolitik, ROW 1984, S. 210; ders. Der
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Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
Art. 1
Status der Deutschen Reichsbahn in Berlin, ROW 1982, S. 237 ff; ders. Die ausländischen Vertretungen in Berlin, 1983 (Völkerrecht und Außenpolitik, Bd. 35); ders. Zweck und Grenzen des Besatzungsrechts in Berlin, ROW 1985, S. 181; Schulze, Reiner Zur politischen und juristischen Relevanz der neueren Diskussion um den Berlin-Status, DuR 1975, S. 286 ff; Schumacher, Hanns Die Eingliederung von Berlin (West) in den Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaft, EuR 1980, S. 183 ff; Seiffert, Wolfgang Die Lösung des Berliner S-Bahn-Problems, DA 1983, S. 386 ff; ders. Das „besondere Gebiet Berlin", DA 1980, S. 259 ff; Sendler, Horst Bundesrecht in Berlin, JR 1958, S. 81 ff; S. 127 ff; ders. Berlin - nur ein „deutsches Land"? JuS 1983, S. 903 ff; ders. Berlin — juristisch betrachtet aus der Sicht eines richterlichen Praktikers, JuS 1984, S. 432 ff; ders. Verwaltungsorganisation und Entwicklung der Verwaltung in Berlin seit 1945, JR 1985, S. 441 ff; Simpson, J. L. Berlin: Alliied Rights and Responsabilities in the divided City, The International and Comparative Law Quarterly Bd. 6, 1957, S. 83 ff; Söllner, Dieter Die Entwicklung des Status der Post im Land Berlin, ArchPF 1983, S. 194ff; Stern, Klaus Probleme der Errichtung eines Verfassungsgerichts in Berlin, DVB1. 1963, S. 696 ff; ders. Perspektiven des Berlin-Status seit 1971, in: „Finis Germaniae?", Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstags von Herbert Krüger vom 11.-13.12.1975 in Kassel, Hrsg. I. v. Münch, u.a., 1977, S. 33 ff; ders. „Berlin", in: Staatslexikon Bd. 1, 7. Aufl. 1985; ders. Grundfragen der Rechtslage Berlins, in: Sowjetsystem und Ostrecht, Festschrift für Boris Meissner zum 70. Geburtstag, 1986, S. 793 ff; Stern, Herbert J. Ein Richter für Berlin (Judgement in Berlin) Aus dem Amerikanischen von Helmut Fey. 1985; Steuerwald, Hans Die staatsrechtliche Stellung Berlins zum Bund, JR 1957, S. 5 ff; Storost, Ulrich Aliierte Kommandantur und Bundesverfassungsgericht, Der Staat 21 (1982) S. 113 ff; Türke, Werner Wehrpflicht in Berlin, JR 1979, S. 141 ff; Uhlitz, Otto Völkerrecht und Außenpolitik — Viermächtestatus und Berlin-Politik, DÖV 1968, S. 524 ff; Well, Günther von Die Einbeziehung von Berlin (West) in das UN-System, Bindungen zur Bundesrepublik trotz sowjetischer Proteste, in: Das Parlament, 1983, Nr. 36, S. 12 ff; Wengler, Wilhelm Die Rechtslage der Eisenbahnen und Wasserstraßen in Berlin, JR 1950, S. 641 ff; S. 676 ff; ders. Die Übernahme von Bundesgesetzen für Berlin, in: Die moderne Demokratie und ihr Recht, Festschrift für Gerhard Leibholz zum 65. Geburtstag, Bd. II: Staats- und Verfassungsrecht, 1966, S. 939 ff; ders. No end of a Lesson, NJW 1967, S. 1743 ff; ders. „Berlin", in: Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl., 1975; ders. Juristische Luftbrücken von Karlsruhe nach West-Berlin, JZ 1974, S. 528 ff; ders. Berlin - ein Bundesland? MDR 1982, S. 372; ders. Berlin in völkerrechtlichen Übereinkommen der Bundesrepublik Deutschland, 1984 (Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut der Universität des Saarlandes, Nr. 33); ders. Die Geltung völkerrechtlicher Verträge der beiden „deutschen Staaten" für West-Berlin und OstBerlin, ROW 1986, S. 150 ff; ders. Berlin-Ouest et les Communautés Européennes, in: Annuaire français de droit international, 1978, S. 217ff; Werner, Elmar Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Berlin, Diss. jur. Mannheim 1972; Wettig, Gerhard Die Rechtslage Berlins nach dem 7
Art. 1
Abschnitt I: Die Grundlagen
Viermächte-Abkommen aus sowjetischer Sicht, DA 1974, S. 378 ff; ders. Der Berlin-Status aus sowjetischer Sicht, RuP 1977, S. 219 ff; ders. Das Viermächte-Abkommen über Berlin in neuerer sowjetischer Beleuchtung, DA 1980, S. 252 ff; ders. Das Viermächte-Abkommen in der Bewährungsprobe, Berlin im Spannungsfeld zwischen Ost und West, 1981 (Politologische Studien, Bd. 22); Wetzlaugk, Udo Berlin und die deutsche Frage. 1985; Wyssozki, V. N. Westberlin, 1974; Zehn Jahre Berlin-Abkommen 1971 - 1 9 8 1 , 1983 (Schriften zur Rechtslage Deutschlands Bd. 5); Zerndt, Peer Zur Frage: Wird Bundesrecht in Berlin als Landesrecht übernommen? JR 1961, S. 419 ff; Zieger, Gottfried Berlin 1945 bis zum Viermächte-Abkommen 1971, in: Berlin-Fibel, Hrsg. Dieter Baumeister, Berlin 1975, S. 11 ff; ders. Funktion und Bedeutung des Viermächte-Abkommens über Berlin für das Ost-West-Verhältnis in Deutschland, DA Sonderh. 1982, S. 180ff; ders. Die Rechtsstellung Berlins in den Europäischen Gemeinschaften, in: Recht im Dienst des Friedens, Festschrift für E. Menzel, 1976, S. 581 ff; Zieger, Matthias Das Unbehagen über Recht und Praxis des alliierten Besatzungsstatus in Berlin, Berliner Anwaltsblatt 1986, S. 61 ff; Zivier, Ernst Renatus Der Rechtsstatus des Landes Berlin, 3. Aufl. 1977; ders. Das Berlin-Problem im Rückblick und im Alltag, RuP 1984, S. 31 ff
Erläuterungen Übersicht (hauptverantwortlich für Abschnitte A — C, E—G, I, L: von Lampe, für Abschnitte D, H, K, M, N: Pfennig) A B C D E F G H I K L
Berlin als deutscher Stadtstaat Der alliierte Status Gesamt-Berlins Berlin (West) unter Besatzungsstatut Einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit Berlin (West) als Land der Bundesrepublik Deutschland Geltungsgrund und -umfang des Grundgesetzes Übernahme von Bundesrecht Einbeziehung in die Verwaltung des Bundes Einbeziehung in das Gerichts- und Rechtssprechungssystem des Bundes Bundespräsenz und Teilnahme Berlins am politischen Leben des Bundes Einbeziehung in die internationalen Verträge der Bundesrepublik Deutschland und außenpolitische Interessenvertretung durch den Bund
Rdn. l f f Rdn. 7 ff Rdn. 21 ff Rdn. 29 Rdn. 30 ff Rdn. 50 ff Rdn. 61 ff Rdn. 71 ff Rdn. 84 ff Rdn. 105 ff Rdn. 121 ff
Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
M N
Einbeziehung in die Europäischen GemeinSchäften Einbeziehung in internationale Organisationen
A. Berlin als deutscher
Art. 1 Rdn. 127 ff Rdn. 134 ff
Stadtstaat
Art. 1 I legt den Doppelcharakter Berlins als einer Gebietskörper- 1 schaff fest, die Land und zugleich Stadt ist. Unter Berlin im Sinne der VvB ist „Groß-Berlin" zu verstehen, 2 Art. 4 I. Damit ist, von kleineren Grenzkorrekturen abgesehen, die Stadtgemeinde bezeichnet, die auf Grund des preußischen StGemG vom 27. April 1920 durch Zusammenschluß mehrerer Stadt- und Landgemeinden sowie Gutsbezirke entstanden ist. Von den 20 damals gebildeten Verwaltungsbezirken gehören 12 zum westlichen und 8 zum östlichen Teil der Stadt (zu den territorialen Grenzen im einzelnen und zu den in den letzten Jahren in Ost-Berlin neu geschaffenen Bezirken s. Erl. zu Art. 4). Infolge der politischen Entwicklung konnte die VvB von Anfang an zwar nur in West-Berlin wirksam werden. In ihren wesentlichen Teilen ist sie jedoch noch von der Gesamtberliner StVV beschlossen worden. Darauf beruht ihr Geltungsanspruch für Groß-Berlin (vgl. Denkschrift SvB, S. 2). Zum damaligen Zeitpunkt war die Teilung der Stadt noch nicht in der gegenwärtigen Weise erfolgt (zum Geltungsanspruch des GG für Berlin s. unten Rdn. 31). Nach allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch wird mit dem Namen „Berlin" jedoch nicht nur wie insbes. in Art. 1 GesamtBerlin, sondern teilweise entweder nur der westliche oder nur der östliche Teil der Stadt belegt (zur Berlin-Terminologie vgl. auch Carstens, S. 67; ferner Pestalozza JR 1972, 45). Die Frage des Doppelcharakters Berlins als Stadt und Land stand 3 im Mittelpunkt der Erörterungen der StVV und war zwischen den Fraktionen der SPD, CDU und LPD einerseits und der SED andererseits kontrovers. Bereits wegen grundsätzlicher Ablehnung der föderalen Struktur Deutschlands und mit der weiteren Begründung, daß Berlin als gegenwärtiger und zukünftiger Mittelpunkt Deutschlands eine Sonderstellung einnehmen müsse, sah die SED in ihrem Entwurf folgende Bestimmung vor (Art. 1): „Berlin ist eine Stadt und die Hauptstadt Deutschlands. Als Hauptstadt gehört sie keinem der deutschen Länder an."
Demgegenüber waren sich alle anderen Fraktionen einig, daß Berlin nach der Auflösung Preußens ein selbständiges Land sein 9
Art. 1
Abschnitt I: Die Grundlagen
müsse. Die Vorstellungen von SPD und CDU gingen anfangs nur in der Frage auseinander, ob Berlin ein Land, bestehend aus einzelnen Gemeinden (SPD), oder Land und Stadt zugleich (CDU) sein solle. 4 Nach überwiegender Ansicht entwickelte sich Groß-Berlin bereits in den Jahren 1945 bis 1949 von einer Stadtgemeinde und einem staatlichen Verwaltungsbezirk zu einem Land (Kreutzer, DÖV 1955, 13; Rauschning EA 1961, 667; a. A. und für konstitutive Bedeutung des Art. 1 I wohl Landsberg/Götz S. 45; Püttner DÖV 1969, 830). Nach der faktischen Auflösung Preußens bei Kriegsende, bestätigt durch das K R G Nr. 46 vom 25. Februar 1947 (VOB1. S. 68), wurde Groß-Berlin mangels Einbeziehung in das Gebiet eines anderen deutschen Landes die „für das Gebiet der Stadtgemeinde Berlin alleinige berufene öffentliche Gebietskörperschaft", so Art. 1 I VVGB. Mit dem Übergang der staatlichen Befugnisse des ehemaligen Deutschen Reiches und des Landes Preußen auf die Stadt Berlin erwarb diese den Status eines Landes. Wegen der Allkompetenz der Besatzungsmächte in der ersten Zeit nach dem Kriege ist allerdings zweifelhaft, von welchem Zeitpunkt an ein Übergang der staatlichen Befugnisse auf Berlin erfolgte (Einzelheiten hierzu bei Nagel, S. 79 ff). Mit der Formulierung, daß Berlin ein deutsches Land ist, wird 5 bereits in Art. 1 I ein gesamtstaatlicher Bezug hergestellt. Berlin ist, gleichgültig wie sein in Abs. 2 und 3 geregeltes Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland zu bestimmen ist, ein Gliedstaat innerhalb eines größeren Verbandes Deutschland. Es gehört zum Deutschen Reich, von dessen Fortexistenz das GG ausgeht (BVfGE 36, 1,15 ff) und zu „Deutschland als Ganzem", das die vier Siegermächte durch Aufrechterhaltung ihrer Rechte und Verantwortlichkeiten aus den Deutschland als Ganzes einschließlich Gesamt-Berlin betreffenden Vereinbarungen (s. dazu insbes. Rdn. 9, 12, 14f, 135) als fortbestehend voraussetzen. 6 Berlin ist Land und Stadt zugleich. Staat und Gemeinde sind keine verschiedenen Rechtssubjekte. Landesverwaltung und Stadtgemeindeverwaltung werden nicht getrennt, sondern von denselben Organen ausgeführt (vgl. Erl. zu Art. 3 und 50 sowie grundlegend Sendler J R 1985, 441 ff). Stadtstaat in diesem Sinne ist neben Berlin nur noch Hamburg, während Bremen einen Gemeindeverband aus den Städten Bremen und Bremerhaven bildet. Kennzeichnend für die Stadtstaaten Hamburg und Berlin ist ihr zweistufiger Verwaltungsaufbau. Die Bezirke in Berlin sind im Gegensatz zu denen Hamburgs jedoch weitgehend kommunalisiert. Sie sind gemäß Art. 50 Abs. 2 VvB an der Verwaltung Berlins nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung beteiligt 10
Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
Art. 1
und haben den Charakter von Selbstverwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit, § 2 Abs. 1 BezVG (vgl. Art. 50, Rdn. 13). Der Verwaltungsaufbau Berlins hat damit eine kommunalrechtliche Prägung, in der eine gewisse Abkehr von dem Grundsatz der Stadtstaatlichkeit zu sehen ist (Kreutzer DÖV 1959, 429). B. Der alliierte Status
Gesamt-Berlins
Die staatsrechtliche Stellung Berlins ist eng verzahnt mit der 7 Rechtsstellung der Besatzungsmächte in dieser Stadt, dem sog. alliierten Status Berlins. Nach übereinstimmender westlicher Auffassung untersteht Berlin ( = Groß-Berlin, s. oben Rdn. 2) besatzungsrechtlich auch heute noch dem „Viermächtestatus'4, dessen Grundlage die militärische Besetzung Deutschlands und die Übernahme der obersten Regierungsgewalt durch die Siegermächte einerseits und die bereits vor Kriegsende zwischen den Hauptsiegermächten getroffenen durch den Beitritt Frankreichs später ergänzten Vereinbarungen über die Einteilung der Besatzungszonen in Deutschland andererseits sind. Der entscheidende Passus der genannten Vereinbarungen (Londoner Protokoll vom 12. September 1944 mit Ergänzungsabkommen vom 14. November 1944, DBF Nr. 1 und 2), der Berlin als 5. Besatzungsgebiet ausweist, lautet in seiner Endfassung (nach dem Beitritt Frankreichs im Juli 1945, DBF Nr. 19): „Deutschland, innerhalb der Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestanden, wird zum Zwecke der Besetzung in vier Zonen eingeteilt, deren je eine einer der vier Mächte zugewiesen wird, und ein besonderes Berliner Gebiet, das gemeinsam von den vier Mächten besetzt wird."
Mit der Besetzung der Westsektoren erwarben die Westmächte auf 8 Grund des völkerrechtlichen Titels der „occupatio bellica" originäre, von der Duldung der Sowjetunion unabhängige Besatzungsrechte in ganz Berlin, die sie gemeinsam mit der Sowjetunion in der dem AKR unterstellten AKB ausübten. Die Sowjetunion war nach der Eroberung Berlins zwar kurze Zeit tatsächlich alleinige Besatzungsmacht. Mit dem Einzug der Westmächte in Berlin verlor sie die sich aus der Eroberung ergebenden vorläufigen Rechte ebenso, wie die Westmächte ihre Besatzungsrechte in den von ihnen eroberten Teilen Deutschlands (Thüringen, Sachsen-Anhalt) verloren, als sie diese vereinbarungsgemäß der Sowjetunion überließen (weitere Einzelheiten dazu und zum Londoner Protokoll vgl. Pestalozza JuS 1983, 241 ff; Zivier, S. 53 ff; Schramm, S. 75 ff). 11
Art. 1 9
Abschnitt I: Die Grundlagen
Für die Bundesrepublik Deutschland und für die DDR wurde das Besatzungsregime zwar 1955 für beendet erklärt. Der Fortbestand der Viermächte-Verantwortlichkeit für Deutschland als Ganzes einschließlich Gesamt-Berlins ist jedoch bilateral wie international abgesichert (vgl. Rdn. 135). Im GenV zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Westmächten behielten sich die Westalliierten „die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes" vor. Im Vertrag über die Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion vom 20. September 1955 (GBl. DDR I S. 918) fehlt zwar ein ausdrücklicher Berlin-Vorbehalt, jedoch wurde der Vertrag, wie es in der Präambel heißt, „unter Berücksichtigung der Verpflichtungen, die die Deutsche Demokratische Republik und die Sowjetunion gemäß den bestehenden internationalen Abkommen, die Deutschland als Ganzes betreffen, haben", geschlossen. Zu diesen Abkommen, deren Aufrechterhaltung in den Freundschaftsverträgen zwischen der DDR und der Sowjetunion ausdrücklich bestätigt wird (Art. 9 des Vertrages vom 12. Juni 1964, GBl. DDR I S. 132; Art. 10 des Vertrages vom 7. Oktober 1975, GBl. DDR II S. 238), gehören auch die für den besatzungsrechtlichen Berlin-Status maßgeblichen Viermächtevereinbarungen (vgl. Zivier S. 181, Knörr S. 43 ff). Die Souveränitätsbeschränkungen der DDR werden durch den Briefwechsel der Außenminister zum Vertrag vom 20. September 1955 (veröffentlicht bei D. Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands, Nationale und internationale Texte zur Rechtslage Deutschlands, 1962, S. 242 f, ausführlich dazu G. Zieger in: Deutschland als Ganzes, Rechtliche und historische Überlegungen, 1986, S. 285 ff zu Anm. 14 ff) verdeutlicht: Die Beziehungen zu den Alliierten obliegen hiernach ausschließlich der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Diese haben im übrigen im Falle der Bedrohung ihrer Sicherheit weitestgehende Befugnisse (vgl. Art. 18 des Truppenabkommens vom 12. März 1957 GBl. DDR I S. 238: Das Oberkommando kann alle erforderlichen Maßnahmen treffen, wobei die DDR-Regierung lediglich zu konsultieren ist). 10 Der im Jahre 1948 erfolgte Zusammenbruch der effektiven Viermächteverwaltung und -Zusammenarbeit (zu deren Relikten s. Rdn. 12) hatte keinen Einfluß auf den de-iure-Fortbestand des Viermächtestatus Gesamt-Berlins (vgl. dazu und zum Nichtvorhandensein anderer Beendigungsgründe Zivier, S. 62 ff; Pestalozza aaO S. 244 ff). 12
Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
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Die nach dem Auszug des sowjetischen Vertreters aus der A K B in den Westsektoren auf Dreimächte-Basis weiterarbeitende A K B versteht sich nach der Erklärung der Kommandanten der Westsektoren von Groß-Berlin vom 21. Dezember 1948 (DBF Nr. 78) als identisch mit der Viermächte-Kommandantur, wenngleich die Durchführung ihrer Entscheidungen auf die Westsektoren beschränkt ist. In der genannten Erklärung heißt es zwar weiter, daß die Tätigkeit der Viermächte-Verwaltung wieder aufgenommen werden könnte, wenn die Sowjetbehörden sich zur Einhaltung der alliierten Abkommen entschlössen. Da die Sowjetunion ihre besatzungsrechtlichen Befugnisse (s. Rdn. 9) im Ostsektor bis auf wenige Residuen (s. Rdn. 12 ff) aufgegeben hat, üben die Westmächte die Verwaltungsverantwortung in West-Berlin alleine aus, weil und insoweit sie daran gehindert sind, sie zusammen mit der Sowjetunion in Ost-Berlin auszuüben. Nachdem der A K R im März 1948 funktionsunfähig geworden war, beschlossen die Westmächte im April 1949 die Einrichtung einer Kontrollinstanz auf Dreimächte-Basis. Durch Abkommen vom 7. Juni 1949 (DBF Nr. 88) wurde die A K B der AHK unterstellt. An deren Stelle traten im Mai 1955 die drei Botschafter der Westmächte bei der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Schreiben der AHK vom 5. Mai 1955, D B F Nr. 193). Die östliche Auffassung, nach der ganz Berlin nach dem Kriege 11 territorial zur Sowjetischen Besatzungszone gehörte und den westlichen Alliierten nur ein von der Sowjetunion abgeleitetes Recht auf Teilnahme an einer gemeinsamen Verwaltung eingeräumt war, ist mit dem klaren Wortlaut des Londoner Protokolls und den diesem beigefügten Karten unvereinbar (zum Viermächtestatus und zur Auseinandersetzung mit der östlichen Auffassung s. vor allem Riklin, S. 244 ff, 276 ff; Zivier, S. 53 ff; D. Mahncke, S. 77 ff, 84ff; Fijalkowski, S. 107 ff). Die daraus hergeleiteten Folgerungen, auf denen die östlichen, im Laufe der Zeit mehrfach geänderten Ansichten zum Rechtsstatus Berlins basieren, waren und sind zum Teil noch: territoriale Zugehörigkeit Gesamt-Berlins zur DDR, Widerrechtlichkeit der Ansprüche der Bundesrepublik Deutschland auf West-Berlin, Völkerrechtswidrigkeit des weiteren Verbleibens der Westmächte in Berlin (inzwischen aufgegeben), kein aus den Besatzungsrechten der Westmächte herzuleitendes Zugangsrecht nach Berlin (zur Zugangsproblematik vor Abschluß des Viermächte-Abkommens vgl. Zivier, S. 163 ff). Nach den seit etwa Mitte der 60er Jahre von der Sowjetunion und der D D R vertretenen Ansichten wird von der faktischen Entwicklung West-Berlins zu einer selbständigen politischen Einheit ausgegangen, bezüglich derer die Sowjetunion ein Mitspracherecht 13
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beansprucht (vgl. die Schriften von Abrassimow, Rshewski, Wyssozki; weitere Nachweise, auch zur DDR-Literatur, s. Knörr, S. 23 Fn. 33, S. 60 Fn. 6f). 12 Folgende, sich in Gesamt-Berün auswirkende Reste funktionierender Viermächtezusanimenarbeit sind zu nennen: — Das für die „Alliierten Streitkräfte" (Definition s. Gesetz Nr. 2 vom 9. Februar 1950, VOB1.1 S. 64) sowie die Inhaber der obersten Gewalt und deren Vertreter bestehende Recht auf freie Bewegung in ganz Berlin, das auch für die Mitglieder der Militärmissionen (vgl. Rdn. 126) garantiert ist (Einzelheiten s. D. Schröder, Die ausländischen Vertretungen in Berlin, S. 95 ff; s. dort auch zu weiteren Vorrechten des genannten Personenkreises). — Die Luftsicherheitszentrale Berlin mit Sitz im Gebäude des AKR, die auf Viermächte-Basis die Kontrollfunktionen für den Berliner Luftraum in einem Umkreis von 20 Meilen um das Kontrollratsgebäude und für die Luftkorridore wahrnimmt (Dokument vom 22. Oktober 1946, D B F Nr. 37; zu den Problemen des Luftverkehrs von und nach Berlin s. Bentzien, ZLuftR 1979, S. 327 ff, s. ferner u. Rdn. 14). Auch der Betrieb der Deutschen Reichsbahn ist ein Relikt der Viermächtezusammenarbeit. Unter Beibehaltung ihrer jeweiligen Hoheitsrechte hatten die Alliierten die sowjetische Besatzungsmacht mit der Wahrnehmung der betriebstechnischen Verantwortung insgesamt beauftragt. Im Verhältnis der Vier Mächte besteht diese Verantwortlichkeit fort (Zieger, Berlin Fibel S. 18 f; Posth, S. 46 ff, 61). Die Betriebsabwicklung erfolgt durch besondere Verwaltungsstellen in Ost-Berlin. In ähnlicher Weise werden auch einzelne Betriebsfunktionen für die Wasserstraßen (Schleusen) von Verwaltungsstellen in OstBerlin wahrgenommen. Die in den Westsektoren gelegenen Einrichtungen und Vermögenswerte unterliegen jedoch dem alleinigen Kontroll- und Verfügungsrecht der westlichen Alliierten (vgl. für Einrichtungen und Vermögen der Deutschen Reichsbahn z. B. BK/O (83) 9 vom 21. Dezember 1983, GVB1. 1984, S. 56, für die Vermögenswerte der ehemaligen Reichswasserstraßen BK/O (68) 1 vom 27. Mai 1968, GVB1. 1968, S. 732; zu den Eigentumsverhältnissen und zur Vermögensverwaltung s. Art. 48 Rdn. 6 ff). Für die Deutsche Reichsbahn und bis Januar 1984 für die S-Bahn insgesamt werden und wurden die Betriebsrechte und -pflichten von der in Ost-Berlin gelegenen Reichsbahndirektion Berlin wahrgenommen (zur Rechtslage der Eisenbahnen und Wasserstraßen in Berlin vgl. Wengler J R 1950, 641 ff, 676 ff; Fijalkowski, S. 161 ff; zur Rechtslage der D R s. Posth, passim, und D. Schröder ROW 1982, 237 ff). Für die S-Bahn in Berlin 14
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(West) wurde nach Ermächtigung durch die AKB (BK/O (83) 7 vom 27. Oktober 1983, GVB1. S. 1424) auf Grund von Vereinbarungen des Senats von Berlin mit der Deutschen Reichsbahn der Betrieb durch die Reichsbahndirektion eingestellt und die Betriebsdurchführung von einer vom Senat zu bestimmenden Stelle (z. Zt. BVG) übernommen (Vereinbarungstext s. Presseerklärung, Presse- und Informationsamt des Landes Berlin vom 29. Dezember 1983; zur Lösung des Berliner S-Bahn-Problems s. Seiffert DA 1983, 386 ff, ders. in: Zehn-Jahre Berlin-Abkommen, S. 177 ff). Für die S-Bahn und die Privatbahnen wurde durch Gesetz vom 21. Dezember 1984 (GVB1. S. 1784) i. V. mit der BK/O (84) 11 vom 21. Dezember 1984 (GVB1. S. 1845) die Eisenbahngesetzgebung des Bundes übernommen. Zu den weiteren, für den Rechtsstatus Berlins allerdings nicht oder weniger bedeutsamen Resten funktionierender Viermächtezusammenarbeit gehören die Verbindungsstäbe zwischen den Oberbefehlshabern der Vier Mächte in Deutschland, die Militärmissionen in Berlin (vgl. Rdn. 126), das Sowjetische Ehrenmal und das Spandauer Kriegsverbrechergefängnis (vgl. dazu Zieger, Berlin-Fibel, S. 11 ff, S. 22 ff; ferner Kadelbach, ROW 1986, 226 zu FN 104). Besatzungsrechtliche Vorbehalte der drei Westmächte haben ver- 13 hindert, daß West-Berlin die gleiche Rechtsstellung einnimmt wie die anderen Länder der Bundesrepublik Deutschlands (s. dazu Rdn. 35 ff). Der Sonderstatus, den Ost-Berlin innerhalb der DDR einnimmt, 14 wird geprägt durch die oben Rdn. 12 genannten, Gesamt-Berlin betreffenden Besatzungsrechte und -einrichtungen. Sein augenfälligster Ausdruck ist der ungehinderte Zugang von Militärpersonal (s. Rdn. 126), insbes. von Militärpatrouillen der Westalliierten in den östlichen Teil der Stadt. In § 39 S. 2 des Grenzgesetzes der DDR vom 25. März 1982 (GBl. DDR I S. 197) wird dieser Rechtslage in verschlüsselter Form Rechnung getragen. — Der alliierten Aufsicht unterliegt nicht nur der Ost-Berliner Luftraum (in dem oben genannten Umkreis), sondern auch der Flugplatz Schönefeld (zur diesbezüglichen Rechtspraxis vgl. Zieger, Berlin-Fibel, S. 22). Dementsprechend haben die westlichen Alliierten in Übereinstimmung mit ihren Erklärungen bezüglich West-Berlins (vgl. Rdn. 35, 43 ff) und trotz der ansonsten nahezu vollständigen Einbeziehung Ost-Berlins in die DDR stets betont, daß Ost-Berlin keinen „integrierten Bestandteil" der DDR bildet (BK/O (75) 2 vom 28. Januar 1975, GVB1. S. 708 und BK/O (75) 6 vom 25. April 1975, GVB1. S. 1152; zu der in Teil II C/Anlage III 1 des Viermächte-Abkommens gefundenen komplizierten Sprachregelung vgl. Schiedermair, S. 85; 15
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Zivier, S. 254 f; zur Behandlung Ost-Berlins im Demographischen Jahrbuch der UN vgl. Fischer, S. 76 ff). Die Botschaften der NatoStaaten sind ebenso wie die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei (sie!) der DDR in Ost-Berlin errichtet. Gegen den schrittweise erfolgten Abbau der Sonderregelungen, die auf staatsrechtlicher Ebene den Viermächte-Status Ost-Berlins bis in die jüngste Zeit kennzeichneten, haben die westlichen Alliierten protestiert (vgl. dazu Kadelbach ROW 1986, 221, 226 ff). Bei den Wahlen im Juni 1981 wurden die Abgeordneten für die Volkskammer der DDR in Ost-Berlin erstmals direkt gewählt. Bis dahin waren sie von der StVV entsandt worden. Schon Ende 1976 war das Erscheinen des Verordnungsblattes für Groß-Berlin eingestellt worden. Dieses enthielt zuletzt nur noch die Fundstellen der im DDR-Gesetzblatt veröffentlichten, nach Ost-Berlin übernommenen Gesetze (zur Rechtsentwicklung im einzelnen s. W. Fischer, Der völkerrechtliche Status von Ost-Berlin, insb. S. 72 ff; Kadelbach ROW 1986, 221 ff; Mampel in: Zehn Jahre Berlin-Abkommen, S. 121 ff; ders. ROW 1981, 227 ff). Einige Besonderheiten bestehen nach innerstaatlichem Recht jedoch nach wie vor: Das Staatsbürgerschaftsgesetz der D D R wurde zwar nach Ost-Berlin übernommen, das auch in der BRep. einschließlich Berlin (West) geltende RuStAngG von 1913 aber anders als im übrigen Bereich der DDR nicht aufgehoben (vgl. § 2 Übernahme VO vom 17. März 1967 - VOB1. für Groß-Berlin I, S. 345 - i.V.m. § 19 II StaatsbürgerschaftsG der DDR vom 20. Februar 1967 GBl. DDR I S. 3; zur einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit s. unten Rdn. 29). — Zum Erlaß des Staatsrates vom 7. Sept. 1961, nach dem Ost-Berlin die „Funktion eines Bezirkes" der D D R ausübt, vgl.Mampel, Die sozialistische Verfassung der DDR, 2. Aufl. 1982, Art. 1, Rdn. 80 m. Nachw. 15 Das Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 (Bulletin 1971, S. 1360), in den Ostblockstaaten als „Vierseitiges Abkommen über West-Berlin" apostrofiert, schafft keinen neuen Berlin-Status. Es wurde geschlossen auf der Grundlage der „Viermächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten und der entsprechenden Vereinbarungen und Beschlüsse der Vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die nicht berührt werden" (Abs. 3 der Präambel) und dient der Regelung praktischer Fragen zur Beseitigung von Konflikten. Drei Grundprinzipien sind für das Vertragswerk bestimmend: 1. Fortbestand der individuellen und gemeinsamen Rechte (Nr. 3 der Allgemeinen Bestimmungen, Abs. 3 der Präambel), 2. Berücksichtigung und keine einseitige Veränderung der bestehenden Lage (Nr. 4 der Allgemeinen Bestimmungen, Abs. 4 der Präambel), 16
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3. Vorbehalt der unterschiedlichen Rechtsauffassungen (Nr. 4 der Allgemeinen Bestimmungen, Abs. 6 der Präambel). Mit dem Abschluß des Viermächte-Abkommens wurde die besät- 16 zungsrechtliche Stellung der Westmächte in Berlin von der Sowjetunion grundsätzlich zwar bestätigt. Welche Rechte und Verantwortlichkeiten aber im einzelnen anerkannt wurden, geht wegen des Vorbehalts der unterschiedlichen Rechtsauffassungen aus dem Vertragstext nicht klar hervor. Insbesondere konnte keine ausdrückliche Einigung über die räumliche Abgrenzung des Verhandlungsobjektes erzielt werden. Für die westliche Auffassung, nach der sich das Abkommen auf ganz Berlin erstreckt, spricht vor allem der Aufbau des Vertragswerkes. Während in der Präambel und in den Allgemeinen Bestimmungen (Teil I) der Ausdruck „betreffendes Gebiet" verwendet wird, bezieht sich Teil II ausdrücklich nur auf die Westsektoren und impliziert damit, daß Ost-Berlin lediglich von diesem Teil nicht betroffen wird (vgl. Kenneth Rush EA1972, D. 54 ff). Für die Einbeziehung Ost-Berlins in das Abkommen spricht ferner, daß sich die im Abkommen in Bezug genommenen Rechte und Verantwortlichkeiten und entsprechenden Vereinbarungen und Beschlüsse der Vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit immer nur auf Groß-Berlin bezogen haben und daß außerdem die Bestimmungen des Allgemeinen Teils weitgehend überflüssig wären, wenn sie nur West-Berlin beträfen (zur Problematik im einzelnen s. Zivier, S. 198 ff; Pestalozza JuS 1983, 2470Die praktischen Regelungen, die in Teil II des Abkommens enthal- 17 ten sind, betreffen vier Bereiche: 1. ziviler Personen- und Güterverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Westsektoren Berlins auf Straßen-, Schienen- und Wasserwegen, 2. Bindungen zwischen den Westsektoren und der Bundesrepublik Deutschland, 3. Besuchsmöglichkeiten und andere Verbesserungen für Personen mit st. Wohnsitz in den Westsektoren und Gebietsaustausch, 4. Vertretung der Interessen West-Berlins im Ausland und konsularische Tätigkeit der Sowjetunion in West-Berlin. Dazu sind in den Anlagen I bis IV konkretere Regelungen enthalten. Die deutschen Ausführungsvereinbarungen zu den Fragen 1. Transitverkehr, 2. Reise- und Besuchsverkehr in die DDR und Ost-Berlin, 3. Gebietsaustausch, 4. Verbesserung des Post- und Fernmeldeverkehrs 17
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(Texte bei v. Münch, Dok. II, S. 123 ff, 558 ff, 570 ff, 234 ff) sind im Schlußprotokoll mit dem Viermächte-Abkommen verbunden und in Kraft gesetzt. Dem Vertragswerk sind ferner folgende Dokumente beigefügt: 1. Interpretationsbrief der Westmächte an den Bundeskanzler (betr. Präsenz sowie Geltung der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland), das von der Sowjetunion offiziell zur Kenntnis genommen wurde (Interpretationsbrief I); 2. Vereinbartes Verhandlungsprotokoll I über Reisedokumente der Personen mit st. Wohnsitz in den Westsektoren; 3. Vereinbartes Verhandlungsprotokoll II über sowjetische Tätigkeiten in West-Berlin; 4. Interpretationsschreiben der Westmächte an den Bundeskanzler (betr. den allgemeinen Status Berlins), das der Sowjetunion nicht offiziell mitgeteilt wurde (Interpretationsbrief II). Zur rechtlichen Qualifikation der Dokumente im einzelnen und zum Komplex der innerdeutschen Ausführungsvereinbarungen s. Zivier, S. 174 ff, 184 ff. 18 Teil II des Abkommens ist nicht in der für Völkerrechtsverträge üblichen Form gefaßt. Er enthält einseitige Erklärungen der Sowjetunion (betr. den Zugang durch das Territorium der DDR und Besuchsmöglichkeiten und andere Verbesserungen, Gebietsaustausch) und einseitige Erklärungen der Westmächte (betr. Bindungen zwischen den Westsektoren und der Bundesrep.). In einseitige Mitteilungen sind auch die Anlagen I bis III gefaßt, nur Anlage IV betr. Außenvertretung hat die Form eines Vertrages (Notenwechsel). Damit ist den faktisch geteilten Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen der Besatzungsmächte Rechnung getragen worden, die gegenseitig anerkannt wurden. Ein Mitspracherecht der Sowjetunion hinsichtlich West-Berlins, das über die Zusagen der Westmächte im Viermächte-Abkommen hinausgeht, besteht nicht (vgl. Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins, S. 66 f; s. auch oben Rdn. 10). 19 Auf Grund der fortbestehenden Gebietshoheit der Westmächte in West-Berlin und auf Grund und im Rahmen der Souveränitätsvorbehalte der Westmächte gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion gegenüber der DDR (s. oben Rdn. 9) ist anzunehmen, daß die Westmächte und die Sowjetunion im ViermächteAbkommen Verfügungen treffen konnten, die für die deutschen Staatsorgane verbindlich sind (vgl. Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 106; Schiedermair, aaO, S. 68 ff; Zivier, S. 180 ff). Die Einhaltung dieser Anordnungen kann jedoch nur die jeweilige Besatzungsmacht verlangen. Rechtspflichten zwischen der Bundesre18
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publik Deutschland samt West-Berlin und der D D R samt Ost-Berlin sind außerhalb des Komplexes der deutschen Ausführungsvereinbarungen und der diese tragenden Bestimmungen des ViermächteAbkommens nicht begründet worden (Zivier, S. 184). Zu den Regelungen des Abkommens, die die Bindungen zwischen 2 0 den Westsektoren Berlins und der BRep. allgemein betreffen, vgl. Rdn. 35 ff. Zu den statusrelevanten Einzelregelungen vgl. Rdn. 50 ff. Z u m Gebietsaustausch vgl. Art. 4, Rdn. 7, und zur D u r c h f ü h r u n g des Abkommens s. die jährlichen Berichte des Senats, z. B. f ü r 1985 AvB-Drucks 10. Wahlper. Nr. 162. C. Berlin (West)
unter
Besatzungsstatut
Die Wahrnehmung der obersten Gewalt durch die Besatzungsbe- 21 hörden in Berlin erfolgt nach den in der Erklärung der AKB vom 5. Mai 1955 BKC/L (55) 3 (GVB1. S. 335) festgelegten Regeln, durch die das sog. Kleine Besatzungsstatut vom 14. M a i 1949 (VOB1. I S. 151) in seiner revidierten Fassung vom 7. M ä r z 1951 (VOB1. I S. 274) aufgehoben wurde. Die Erklärung lautet: „I. Berlin übt alle seine Rechte, Machtbefugnisse und Verantwortlichkeiten aus, wie sie in seiner im Jahre 1950 angenommenen Verfassung niedergelegt sind, lediglich unter Berücksichtigung der von der Alliierten Kommandantura am 29.8.1950 gemachten Vorbehalte und nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen. II. Die alliierten Behörden behalten das Recht, falls sie es für notwendig erachten, solche Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen, zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und zur Erhaltung des Status und der Sicherheit Berlins, seiner Wirtschaft, seines Handels und seiner Verbindungslinien notwendig sind. III. Die alliierten Behörden werden normalerweise nur auf den folgenden Gebieten Machtbefugnisse ausüben: a) Sicherheit, Interessen und Immunität der alliierten Streitkräfte, einschließlich deren Vertreter, deren Familienangehörigen und nicht deutschen Angestellten. Deutsche Angestellte der alliierten Streitkräfte genießen Immunität gegenüber der deutschen Gerichtsbarkeit nur in Sachen, die sich aus oder während der Ausübung von Pflichten und Diensten bei den alliierten Streitkräften ergeben. b) Abrüstung und Entmilitarisierung, einschließlich verwandter Gebiete der wissenschaftlichen Forschung, zivile Luftfahrt sowie die damit in Beziehung stehenden Verbote und Beschränkungen der Industrie. c) Beziehungen Berlins zu ausländischen Behörden. Die Alliierte Kommandantura wird jedoch den Berliner Behörden gestatten, die Vertretung der Interessen Berlins und seiner Einwohner im Ausland durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten. 19
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d) Deckung der Besatzungskosten. Diese Kosten werden nach Beratung mit den zuständigen deutschen Behörden auf den niedrigsten Stand festgesetzt, der mit der Erhaltung der Sicherheit Berlins und der dort stationierten alliierten Streitkräfte vereinbar ist. e) Befehlsbefugnis über die Berliner Polizei, insoweit dieselbe zur Gewährleistung der Sicherheit Berlins notwendig ist. IV. Die Alliierte Kommandantura wird, vorbehaltlich der Artikel I und II dieser Erklärung, keine Einwände dagegen erheben, daß Berlin nach einem angemessenen, von der Alliierten Kommandatura zugelassenen Verfahren die Gesetzgebung der Bundesrepublik übernimmt, insbesondere in bezug auf Währung, Kredite und Devisen, Staatsangehörigkeit, Reisepässe, Ausund Einwanderung, Auslieferung, Vereinheitlichung der Zoll- und Handelsgebiete, Handels- und Schiffahrtsabkommen, Freiheit des Güterverkehrs sowie Außenhandels- und -Zahlungsabkommen. V. Auf den folgenden Gebieten: a) Rückerstattung, Reparationen, Dekartellisierung, Entflechtung, ausländische Interessen in Berlin und Ansprüche gegen Berlin oder seine Einwohner, b) verschleppte Personen und die Aufnahme von Flüchtlingen, c) Überwachung der Betreuung und der Behandlung von den vor den alliierten Gerichten oder Tribunalen angeklagten oder von denselben verurteilten Personen in deutschen Gefangnissen; Überwachung der Vollstreckung der gegen solche Personen verhängten Strafen und der Fragen der Amnestie, Begnadigung oder Freilassung in bezug auf diese Personen, werden die alliierten Behörden in Zukunft nur eingreifen, insoweit, als dies mit den Grundsätzen, welche die Grundlage der neuen Beziehungen zwischen Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits bilden, oder mit alliierter Gesetzgebung, die in Berlin in Kraft ist, vereinbar ist, oder wenn die Handlungsweise der Berliner Behörden sich nicht mit diesen Grundsätzen oder dieser Gesetzgebung vereinbaren läßt. VI. Alle Rechtsvorschriften der alliierten Behörden bleiben so lange in Kraft, bis sie aufgehoben, abgeändert oder außer Wirkung gesetzt werden. Die alliierten Behörden werden alle Rechtsvorschriften aufheben, abändern oder außer Wirkung setzen, die sie angesichts dieser Erklärung nicht mehr für angebracht erachten. Rechtsvorschriften der alliierten Behörden können auch durch Berliner Gesetzgebung aufgehoben oder abgeändert werden; jedoch benötigt eine solche Aufhebung oder Abänderung vor ihrem Inkrafttreten die Genehmigung der alliierten Behörden. VII. Die Berliner Gesetzgebung tritt gemäß den Bestimmungen der Berliner Verfassung in Kraft. Im Falle der Nichtübereinstimmung mit alliierter Gesetzgebung, oder mit anderen Maßnahmen der alliierten Behörden, oder mit den Rechten der alliierten Behörden auf Grund dieser Erklärung, kann die Berliner Gesetzgebung durch die Alliierte Kommandatura aufgehoben oder für nichtig erklärt werden.
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VIII. Um ihnen die Erfüllung ihrer auf Grund dieser Erklärung erwachsenden Verpflichtungen zu ermöglichen, haben die alliierten Behörden das Recht, die von ihnen für notwendig erachteten Auskünfte und Statistiken anzufordern und zu erlangen. IX. Die Alliierte Kommandatura wird, soweit es die Lage in Berlin zuläßt, die Bestimmungen dieser Erklärung abändern. X. ..." (Außerkraftsetzung des Kleinen Besatzungsstatuts)
Die Befugnisse Berlins, d. h. die seiner verfassungsgemäß bestellten 22 Organe, werden durch die in der Erklärung verfaßte Besatzungsgewalt begrenzt, Art. I. Im Bestätigungsschreiben zur VvB ist ein dem Art. I entsprechender Vorbehalt enthalten (Nr. 2 a, Wortlaut s. u. Rdn. 35). Das Besatzungsstatut trifft im wesentlichen Aussagen zu der Frage, welche Bereiche ausnahmsweise oder im Normalfall durch besatzungsrechtliche Maßnahmen geregelt werden. Art und Weise dieser auf die deutsche Staatsgewalt einwirkenden Maßnahmen sind im Besatzungsstatut nur partiell angesprochen (Art. VI —VIII, III d, e); sie werden durch das Wesen der Besatzungsmacht (vgl. dazu u. Rdn. 25, 26) bestimmt. Der Eingriffsvorbehalt des Art. II ist zwar weit gefaßt (vgl. dazu 23 auch Randelzhofer DV 1986,13 — andererseits jedoch S. 30), kommt aber normalerweise nur auf wenigen, eng begrenzten Gebieten zum Tragen. Das ergibt sich schon aus dem Besatzungsstatut selbst (Art. III, V i. V. mit Art. IV) und wird bestätigt durch den Regelungsinhalt der nach 1955 erlassenen besatzungsrechtlichen Bestimmungen (analysiert von D. Schröder ROW 1985, 181 ff, 188 ff). Nach Berlin übernommenes Bundesrecht prägt die Rechtsordnung Berlins nicht nur in den in Art. IV genannten, sondern in nahezu allen wichtigen Bereichen. Von den sog. vorbehaltenen Gebieten des Art. III ist die Vertretung der Interessen Berlins und seiner Einwohner im Ausland in dem unten Rdn. 121 ff beschriebenen Umfang der Bundesrepublik Deutschland übertragen. Im Bereich der Gerichtsbarkeit, Rechtsprechung und Rechtspflege ist trotz der gewichtigen Ausnahme des BVfGG die Rechtseinheit zwischen dem übrigen Bundesgebiet und Berlin weitestgehend hergestellt (s. unten Rdn. 84 ff, vgl. aber auch Rdn. 27, 28). Außer durch die Vorbehalte selbst werden die Befugnisse Berlins 24 dadurch begrenzt, daß gemäß Art. VI alle, also auch die vor dem 5. Mai 1955 erlassenen alliierten Rechtsvorschriften weitergelten. Dazu gehören Vorschriften, die, wie das Gesetz Nr. 7 (s. dazu unten Rdn. 27), im Rechtsalltag eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Viele der auf die Verhältnisse der unmittelbaren Nachkriegszeit abgestell21
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ten Regelungen sind jedoch anachronistisch (zu Inhalt und Veröffentlichungspraxis des alliierten Rechts sowie zu dessen Rechtsquellen s. ausführlich D. Schröder ROW 1985, 181, 185 ff). Rechtsbereinigungen haben stattgefunden durch BK/0(55)17 vom 6. Okt. 1955 (GVB1. S. 932), BK/0(57)5 vom 27. Februar 1957 (GVB1. S. 280), BK/0(57)8 vom 30. April 1957 (GVB1. S. 442), BK/ 0(84)10 vom 23. November 1984 (GVB1. S. 1646), BK/0(85)6 vom 23. August 1985 (GVB1. S. 1932), BK/O (86) 8 vom 8. Oktober 1986 (GVB1. S. 1654) sowie durch die Berliner Aufhebungsgesetze vom 11. Sept. und 5. Dez. 1958 (GVB1. S. 866 u. S. 1288). Weitere Rechtsbereinigungen sowie eine allgemein zugängliche, bisher nicht vorhandene Sammlung des in Berlin geltenden Besatzungsrechts werden angestrebt (vgl. gemeinsame Entschließung der Fraktionen der CDU, SPD und FDP StenBerAvB 10. Wahlper. S. 433). 25 Die durch die occupatio bellica in Deutschland begründete Besatzungsgewalt war und ist, soweit sie noch besteht, eine die deutsche Staatsgewalt überlagernde fremde Gebietsgewalt (h. M., vgl. Maunz MDHS, Präambel Rdn. 27; Randelzhofer DV 1986, 9 ff, 17 Fn. 28 mit weiteren Nachw. und in Auseinandersetzung mit der abweichenden Ansicht des brit. Foreign Office; zur Rechtsstellung der Besatzungsmächte in Deutschland s. ausführlich Schenk, Die Viermächteverantwortung für Deutschland als Ganzes, insbesondere deren Entwicklung seit 1969, 1976, S. 3 f; Blumenwitz in: Staatliche Kontinuität, S. 47 ff; Rauschning in: Finis Germaniae, S. 77 ff; Tomuschat in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil, S. 71 ff). Daraus folgt: — Die von den deutschen Staatsorganen ausgeübte Gewalt beruht nicht auf einer Rückübertragung durch die Besatzungsmächte, sondern ist ursprüngliche deutsche Staatsgewalt (s. auch unten Rdn. 32). Die Berliner Staatsorgane und Behörden sind an die deutsche Rechtsordnung auch dann gebunden, wenn sie auf den sog. vorbehaltenen Gebieten der Besatzungsmächte tätig werden. In dem Umfang jedoch, in dem eine bindende besatzungsrechtliche Anweisung vorliegt, ist die von den deutschen Stellen getroffene Maßnahme ebenso zu beurteilen wie das Besatzungshandeln selbst (zum Problem der weisungsgebundenen Rechtsakte vgl. ausführlich Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Einf. Rdn. 29, 31). — Besatzungsmaßnahmen sind am Maßstab des deutschen Rechts, auch des Verfassungsrechts, nicht überprüfbar. Sie gelten auch dann, wenn sie hinsichtlich ihrer Entstehung, ihrer Form und ihres Inhalts mit deutschem Recht nicht vereinbar sind (vgl. 22
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Leibholz/Rinck/Hesselberger aaO, Rdn. 28; Randelzhofer aaO S. 27, 36; Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, 1957, § 7 II). Für Klagen gegen die Besatzungsbehörden ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß §40 VwGO nicht eröffnet (vgl. dazu grundlegend Randelzhofer aaO S. 14 ff) und der Rechtsweg nach Art. 19 IV GG nicht garantiert (Randelzhofer aaO S. 17 m. weiteren Nachw.). Die Tatsache, daß den westlichen Alliierten in Berlin heute die Funktion von Schutzmächten (i. S. der „3 essentials" der amerikanischen Berlin-Politik: Anwesenheit der westlichen Alliierten in West-Berlin; Wahrnehmung ihres Rechts auf Zugang; ihre Verpflichtung, die Selbstbestimmung der West-Berliner und die freie Wahl ihrer Lebensform zu, gewährleisten, vgl. H. Nauber „Das Berliner Parlament", LZentr. für Politische Bildung, 1986, S. 448 f) zukommt, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Legitimation für ihre Anwesenheit ist an das durch Kriegsvölkerrecht begründete Besatzungsregime geknüpft, das als z. Zt. nicht ablösbares, wenn auch seinem Wesen nach provisorisches Regime andauert (vgl. z. B. Politische Erklärung der 7 Staats- und Regierungschefs und des Präsidenten der EG-Kommission vom 3. März 1985, Bulletin der BReg. vom 7.5.1985, Nr. 48, S. 409, 410). Der Besatzungsgewalt ist der Ausnahmecharakter immanent (vgl. Schmoller/Maier/Tobler aaO, § 7 V). Die Existenz besatzungsrechtlicher Sondernormen bedarf grundsätzlich keiner zusätzlichen Legitimation (a. A. D. Schröder RuP 1985, 24ff, 28). Allerdings hat die lange Dauer des Besatzungsregimes Einfluß auf die nach Völkerrecht gezogenen Grenzen für den Umfang des Ausnahmezustandes (vgl. Randelzhofer aaO S. 30, s. dort auch [S. 29, Fn. 78] zur grundsätzlichen Geltung der HLKO für die Besetzung Deutschlands), führt jedoch nicht zu dessen Beendigung oder zur Unmaßgeblichkeit eines nach deutschem Rechtsverständnis rechtsstaatswidrigen Besatzungshandelns (unzutr. daher M. Zieger, Berliner Anwaltsblatt 1986, 61 ff, 70 f; zum Problem des Rechtsschutzes gegen Besatzungsakte s. Rdn. 28). Für den Bereich der Gesetzgebung bestimmt Art. VII des Besät- 26 zungsstatuts ausdrücklich, daß Berliner Gesetze aufgehoben oder für nichtig erklärt werden können, wenn sie mit alliiertem Recht oder mit Maßnahmen alliierter Behörden nicht übereinstimmen. Zu den Berliner Gesetzen i. S. des Art. VII gehören auch die Gesetze zur Übernahme von Bundesgesetzen (s. unten Rdn. 68). Die in Berlin ohne konstitutiven Akt des Berliner Gesetzgebers geltenden EGGesetze hingegen sind der Disposition der Besatzungsmächte entzogen (str., vgl. unten Rdn. 128). 23
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Wie Recht zu behandeln ist, das dem Besatzungsrecht widerspricht, gleichwohl aber mit Zustimmung der Besatzungsmächte im Wege der Übernahmegesetzgebung (s. dazu Rdn. 61 ff) nach Berlin übernommen und auch nicht aufgehoben worden ist, ist im Besatzungsstatut nicht geregelt. Während z. B. dem Bundesrückerstattungsgesetz Vorrang vor den alliierten Rechtsvorschriften in Berlin zukommt (vgl. BK/O (57) 9, GVB1. S. 868, BK/O (64) 6, GVB1. S. 1150), bestimmt die BK/O (74) 11 vom 30. September 1974 (GVB1. S. 2576) allgemein, daß übernommene Bundesgesetze auch dann, wenn ausdrückliche Vorbehalte fehlen, die Rechte und Verantwortlichkeiten der Alliierten und die alliierte Gesetzgebung nicht berühren und daß die Berliner Behörden und Dienststellen die alliierte Gesetzgebung strikt zu befolgen haben. Gleiches gilt für die Berliner Gerichte. In diesen Ausnahmefallen haben die Berliner Stellen bei der Rechtsanwendung also gegen geltendes deutsches Recht zu verstoßen, was in der Regel durch das Verfahren der Übernahmegesetzgebung vermieden wird. 27 Im Bereich der Rechtsprechung zeigt sich die Überlagerung des deutschen durch das Besatzungsrecht außer in den oben Rdn. 25 und unten Rdn. 84 ff genannten Fällen in verschiedenen Zuständigkeitsbeschränkungen, die im Gesetz Nr. 7 vom 17. März 1950 (VOB1. S. 89) i. d. F. vom 27. August 1951 (GVB1. S. 639) enthalten sind; s. ferner Auslegungsgesetz vom 20. Februar 1952 (GVB1. S. 148) sowie Durchführungsbestimmungen Nr. 2 und 3 (GVB1. 1962, S. 276 und ABl. AKB 1963, S. 1158). Den deutschen Gerichten ist es untersagt, in bestimmten Verfahren ohne Genehmigung der alliierten Behörden tätig zu werden. Hierbei handelt es sich vor allem um Verfahren, in denen Angehörige der Alliierten Streitkräfte oder die bei diesen beglaubigten Personen betroffen oder beteiligt sind. Aber auch Strafverfahren, denen ein Verstoß gegen besatzungsrechtliche Vorschriften zugrundeliegt (vgl. dazu M. Zieger, Berliner Anwaltsblatt 1986, 61 ff, 65), bedürfen der Genehmigung. Gemäß Art. 3 des Gesetzes Nr. 7 dürfen deutsche Gerichte und Behörden über Gültigkeit, Inhalt und Zweck einer besatzungsrechtlichen Anordnung nicht selbst entscheiden, vielmehr haben sie das Verfahren auszusetzen und die Frage dem zuständigen Sektorkommandanten zu überweisen, dessen Bescheid für sie bindend ist. Das Besatzungshandeln ist also auch am Maßstab des Besatzungsstatuts und des Völkerrechts (zum deutschen Recht s. oben Rdn. 25) nicht überprüfbar. Darüber hinaus kann der zuständige Sektorkommandant den deutschen Gerichten gemäß Art. 7 in weiteren Fällen Verfahren entziehen, wenn Vorbehaltsrechte der Alliierten betroffen sind (vgl. dazu Randelzhofer DV 1986, 13). 24
Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
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Er kann die Maßnahmen treffen, die er zu ihrer Erledigung für notwendig hält, insbesondere kann er sie einem Besatzungsgericht übertragen (Art. 10, 12; zur Institution der Besatzungsgerichte s. Randelzhofer aaO S. 10 ff; zum ersten Verfahren des US Court for Berlin s. H. J. Stern, Ein Richter für Berlin; kritisch dazu Förch ZaöRV 1980, 738 ff). Von allen durch das Besatzungsrecht bedingten Einschränkungen 28 wiegt nach deutschem Rechtsverständnis das Fehlen einer Kontrollinstanz in den Fällen, in denen Berliner Bürger durch Akte der Besatzungsgewalt unmittelbar betroffen sind, besonders schwer (zum Fehlen des Rechtsschutzes s. Randelzhofer aaO; vgl. auch Rdn. 134; zu den Einzelfällen s. die Dokumentation: Alle Macht geht vom Stadtkommandanten aus und D. Schröder RuP 1985, 24 ff). Die Einrichtung einer solchen Instanz dürfte zumindest im Sinne der HLKO liegen (letzteres nimmt an Randelzhofer aaO S. 31, der eine Streitschlichtungsstelle vorschlägt; s. auch Entschließung der CDU, SPD und FDP StenBerAvB 10. Wahlper. S. 433). D. Einheitliche
deutsche
Staatsangehörigkeit
Die zwischen dem Bund und West-Berlin bestehende Rechtseinheit 29 auf dem Gebiet der Staatsangehörigkeit gehört zu den Bindungen, deren Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung durch das Viermächte-Abkommen unabhängig von der Status-Definition West-Berlins garantiert ist (zum Begriff der Bindungen s. Rdn. 46). Eine besondere Staatsangehörigkeit der Bewohner der Westsektoren läßt sich aus dem Abkommen, das Staatsangehörigkeitsfragen weder neu regelt noch überhaupt ausdrücklich erwähnt, nicht herleiten (anders die östliche Auffassung, vgl. z. B. Abrassimow, S. 145). Der vom GG vorausgesetzte und in den ersten Nachkriegsjahren in Ost und West nicht bezweifelte (vgl. Zivier, S. 157 f) Fortbestand der gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit ist durch die Rechtsentwicklungen in der DDR nicht berührt worden (h. M., vgl. BVfGE 36, 1, 30; zum Meinungsstand s. ausführlich Zieger in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil S. 189 ff; Randelzhofer in: MD, Art. 16 Abs. I Rdn. 76 ff; zur Frage einer DDR-Staatsbürgerschaft neben der gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit vgl. Randelzhofer aaO Rdn. 81 ff; Scholz/Pitschas NJW 1984, 2721 ff; vgl. auch von Mangoldt ArchVR 1984,138 ff betr. den in Konsularverträgen mit der DDR in Staatsangehörigkeitsfragen üblichen Sprachgebrauch; vgl. ferner Kimminich, LdR 5/180, S.4 zur Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft). Darüber hinaus ist der Fortbestand der gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit durch die EG-Verträge sowie Verträge der EG mit Dritt25
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Abschnitt I: Die Grundlagen
Staaten international festgeschrieben. D a n a c h ist Staatsangehöriger
des EG-Mitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland jede Person, die Deutscher im Sinne des Art. 116 GG (vgl. Art. 25 Rdn. 3) ist, also vor allem auch jeder deutsche Einwohner der DDR und OstBerlins (vgl. zuletzt im EG-Beitrittsvertrag zwischen den Mitgliedstaaten und Spanien und Portugal, EG-ABI. vom 15.11.85, L 302, S. 484; BGBl. 1985 II, 1249, 1675). Dies hat nicht nur für das innergemeinschaftliche Recht erhebliche Bedeutung wie z. B. für die Freizügigkeit für alle Deutschen innerhalb der EG, d. h. ihre Freiheit der Einreise und des Aufenthalts, vgl. Art. 48 ff EWG-Vertrag und Verordnungen Nr. 1612/68 (ABl. L 257, S. 2 m. Änd.) sowie die Richtlinien 73/148 (ABl. L 172/14), 64/ 221 (ABl. Nr. 56, S. 850 i.d.F. ABl. 1975 L 014, S. 10) und 68/360 (ABl. L 257, S. 13), sondern auch im internationalen Recht, wo die EG in ihren Verträgen mit Drittstaaten (vgl. z. B. Art. 252 des Dritten AKP-EWG-Abkommens von Lomé vom 8.12.1984, EG-ABI. 1986, L 86, S. 1 ff, 221 ff, BGBl. 1986 I, S. 17) auf Rechte und Pflichten der Gemeinschaftsbürger, d. h. Staatsangehörige der Mitgliedstaaten Bezug nimmt. Auf die zwischen dem Bund und Berlin (West) bestehenden Rechtseinheit konnte die DDR-Gesetzgebung jedenfalls keinen Einfluß haben (zu Ost-Berlin s. oben Rdn. 14). In Berlin (West) gilt das Staatsangehörigkeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Alle Änderungsgesetze des RuStG von 1913 und die gesamte Gesetzgebung des Bundes sind gemäß der Zusicherung in Art. IV des Besatzungsstatuts (s. oben Rdn. 21) nach Berlin übernommen worden. Diese Zusicherung stimmt überein mit derjenigen, die im Schreiben der Drei Hohen Kommissare an den Bundeskanzler vom 26. Mai 1952 i.d.F. des Briefes vom 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II S. 500) enthalten ist und die nach dem Viermächte-Abkommen unverändert fortbesteht (vgl. den oben Rdn. 17 genannten Interpretationsbrief II der Westmächte). Sie stellt sicher, daß die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Deutschen mit Wohnsitz in West-Berlin und derjenigen mit Wohnsitz in den anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland beibehalten wird (vgl. Zivier, S. 160f, der sich mit den z. T. abweichenden Konstruktionen von Ipsen, JblntR Bd. 16 (1973), 266 ff und Grawert, S. 289 ff auseinandersetzt, s. auch LAG Berlin vom 16. Januar 1978, DöD 1978, 79 ñ). Die Ausübung bestimmter mitgliedschaftlicher Rechte und Pflichten ist den Deutschen mit Wohnsitz in Berlin (West) auf Grund der Besatzungsvorbehalte zwar verwehrt (zum Wahlrecht s. unten Rdn. 113, zur Wehrpflicht s. Rdn. 77, 83); das Staatsangehörigkeitsverhältnis selbst wird dadurch 26
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jedoch nicht berührt (vgl. D. Schröder ArchVR 1983, 409 ff). Seine Effektivität erweist sich u. a. in dem im Ausland und der DDR unbestrittenen Recht der Bundesrepublik Deutschland, deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in den Westsektoren diplomatischen und konsularischen Schutz zu gewähren (s. unten Rdn. 126). Zur Zusicherung in Art. IV des Besatzungsstatuts (s. Rdn. 21) gehört auch, daß die Paßgesetzgebung des Bundes in Berlin (West) gilt (nicht jedoch das Personalausweisgesetz: die Vergabe der behelfsmäßigen Personalausweise beruht auf alliiertem Recht, vgl. BK/O (46) 61 vom 24. Januar 1946, zuletzt geändert durch BK/O (65) 8 vom 23. Juni 1965, GVB1. S. 848). Demgemäß erhalten auch Deutsche mit Wohnsitz in Berlin (West) den Reisepaß der Bundesrepublik Deutschland, ausgestellt vom Bundesminister des Inneren (vgl. Rdn. 76), zu dessen Anerkennung sich die Sowjetunion im Verhandlungsprotokoll I zum Viermächte-Abkommen (vgl. Rdn. 17) ausdrücklich verpflichtet hat, wenn der Paß einen entsprechenden Zusatzstempel enthält (vgl. dazu D. Schröder, DA 1986, 599 ff, G. Schulze DA 1986, 853 ff). Vom 1. Januar 1988 an wird dieser Reisepaß auch in Berlin nach dem einheitlichen Muster in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ausgegeben (vgl. §4 IV PaßG vom 19.4.1986, BGBl. I, S. 537, in Kraft ab 1.1.1988). E. Berlin (West) als Land der Bundesrepublik
Deutschland
Nach den übereinstimmenden Regelungen der VvB und des GG ist Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Der Berliner Verfassungsgeber hat seinen Willen in Art. 1 II klar 30 formuliert. Art. 1 III, der hervorhebt, daß das GG und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland für Berlin bindend sind, zieht aus dem in Abs. 2 konstatierten Bund-Land-Verhältnis eine normalerweise selbstverständliche Folgerung und kann nur als Bekräftigung des Willens zur lückenlosen Eingliederung Berlins in den Bund verstanden werden. Obwohl Art. 87 I bestimmt, daß Art. 1 II und III erst in Kraft treten, „sobald die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Berlin keinen Beschränkungen unterliegt" und obwohl das GG in Berlin nur beschränkt anwendbar ist (s. dazu unten Erl. Rdn. 50 ff), ist die Bundeszugehörigkeit Berlins auf Grund des Art. 87 I nicht aufgeschoben. Der Berliner Verfassungsgeber wollte die Stellung Berlins im Bund in Übereinstimmung mit dem GG beschreiben. Mit Art. 87 I sollte die Rechtslage gekennzeichnet werden, die auf Grund des Besatzungsvorbehalts zum GG vermeintlich bestand (StB-StVV II/S. 530). In den ersten Jahren nach 27
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Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde der im Genehmigungsschreiben zum GG enthaltene Besatzungseingriff allgemein dahin verstanden, daß die Mitgliedschaft Berlins im Bund vorerst aufgeschoben sei (vgl. dazu Finkelnburg JuS 1967, 544 m. w. N., Wetzlaugk, S. 100 ff, 135 ff). Danach erhält die Bestimmung des Art. 87 insgesamt ihren Sinn als Vorsorgeregelung für eine weitestgehende Anbindung Berlins an den Bund in der Übergangszeit. Eine nach dem GG bereits bestehende Bundeszugehörigkeit Berlins sollte nach dem Willen des Berliner Verfassungsgebers jedenfalls nicht gemindert werden. Ob eine vom GG abweichende Statusregelung nach dem Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker überhaupt möglich gewesen wäre (so Doehring, Staatsrecht, S. 10; andeutungsweise auch Drath AöR 82, 36), kann daher ebenso dahinstehen wie die Frage, ob Art. 87 eine vom Willen des Berliner Verfassungsgebers getragene oder auf Wunsch der Besatzungsmächte eingefügte Bestimmung ist (letzteres nehmen an BVfGE 7, 1; Drath aaO S. 36). 31 Nach Art. 23 Satz 1 GG gehört Groß-Berlin zu den Ländern, in denen das GG zunächst gilt. Damit ist nach heute h. M. ausgesagt, daß Berlin zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört und deren Gliedstaat ist (vgl. z. B. Maunz in MDHS, Art. 23, Rdn. 5; a. A. Dennewitz, BK Art. 1, Anm. II 1). Obwohl das GG mit dem Ausdruck Groß-Berlin Gesamt-Berlin meint, besteht in Theorie und Praxis, wenn zumeist auch unausgesprochen oder ohne Begründung, Einigkeit, daß nur der westliche Teil Berlins Land der Bundesrepublik Deutschland geworden sein kann (BVfGE 5, 2, 7; 36, 1, 160Weil wegen der faktischen Abtrennung Ost-Berlins die grundgesetzliche Ordnung von Anfang an nur in West-Berlin wirksam werden konnte und weil sich das GG selbst zum Effektivitätsprinzip bekannt hat, konnte von dem einheitlichen Staatsgebiet Deutschland und der einheitlichen Gebietskörperschaft Groß-Berlin nur West-Berlin in das Bundesgebiet einbezogen werden (so auch Maunz in MDHS, Art. 23, Rdn. 30; Schuster, Deutschlands staatliche Existenz im Widerstreit politischer und rechtlicher Gesichtspunkte, 1963, S. 106; Rumpf, Land ohne Souveränität, 2. Aufl., 1973, S. 139; Hoffmann in Kieler Symposium, S. 232; Fijalkowski, S. 105; auf die fehlende Zustimmung der Sowjetunion zur Einbeziehung Ost-Berlins in die Bundesrepublik Deutschland, auf die im Schrifttum z. T. abgestellt wird — Schrifttumsnachweise bei Knörr S. 97 —, käme es nur dann an, wenn die Besatzungsmächte Inhaber der territorialen Souveränität waren, dazu s. unten Rdn. 42). 28
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Die Erwähnung Groß-Berlins in der (inzwischen auch ansonsten unzutreffenden) Aufzählung des Art. 23 Satz 1 GG und die gleichzeitige Beschränkung des Bundesgebietes auf den tatsächlichen Geltungsbereich des GG lassen sich am ehesten aus der historischen Situation erklären: Zur Zeit des Inkrafttretens des GG war die Teilung Berlins noch nicht in der gegenwärtigen Weise erfolgt (vgl. auch v. Münch, Art. 23, Rdn. 7; Maunz in MDHS, Art. 23, Rdn. 31 c, Tomuschat DÖV 1973, 805). An der verfassunggebenden Gewalt des Parlamentarischen Rates für Berlin kann nicht deshalb gezweifelt werden, weil die westlichen Militärgouverneure nur die Ministerpräsidenten der Länder, nicht aber den Oberbürgermeister von Berlin zur Einberufung des Parlamentarischen Rates ermächtigt hatten (unzutr. Hamann/Lenz, Anm. B 3, D. Schröder in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil, S. 293 ff, 299 mit Erwiderung von Rauschning und Meessen S. 309, 317 f). Die verfassunggebende Gewalt war keine von den Besatzungsmächten abgeleitete Gewalt, Träger des pouvoir constituant war allein das deutsche Volk (Drath AöR Bd. 82, 53; v. Mangoldt/Klein/Starck Präamb. Rdn. 12; Kloepfer ZRP 1983, 57 ff; s. auch Rdn. 25). Der Einbeziehung Berlins in den Bund steht nicht entgegen, daß Berlin nicht in der Präambel des GG erwähnt ist. Die Präambel umschreibt nicht das Bundesgebiet, sondern zählt die Länder auf, in denen das deutsche Volk das GG beschlossen hat, wobei die Beschreibung historisch ungenau ist: Berliner Abgeordnete wirkten im Parlamentarischen Rat — allerdings ohne Stimmberechtigung — mit, die Berliner StVV stimmte am 19.5.1949 dem GG zu (zur Entstehungsgeschichte des GG ausführlich Finkelnburg JuS 1967, 543). Auch Art. 144 II GG, der davon ausgeht, daß die Anwendung des GG in einem der in Art. 23 GG aufgeführten Länder oder Landesteile — gemeint ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung das Land Berlin — Beschränkungen unterliegen könne, enthält selbst keine Einschränkung der Mitgliedschaft Berlins im Bund, sondern sichert im Hinblick auf die vom Parlamentarischen Rat erwarteten Einsprüche der Besatzungsmächte die Mitwirkung der Vertreter Berlins im BT und BR (h. M.; ausführlich Drath AöR Bd. 82, 33 ff; a. M. Pestalozza JuS 1983, 241, 250, der die besatzungsrechtlichen Beschränkungen [s. dazu Rdn. 43 ff] als Norminhalt des GG begreift; dagegen mit Recht Sendler JuS 1983, 903 ff, 905; Zivier RuP 1984, 31 ff, 35). Der Berlin betreffende Genehmigungsvorbehalt zum GG, der in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure vom 29
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12. Mai 1949 enthalten ist, lautet in deutscher Übersetzung (DBF Nr. 94): „Ein dritter Vorbehalt betrifft die Beteiligung Groß-Berlins am Bund. Wir interpretieren den Inhalt der Artikel 23 und 144 Abs. 2 des Grundgesetzes dahin, daß er die Annahme unseres früheren Ersuchens darstellt, demzufolge Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft im Bundestag oder im Bundesrat erhalten und auch nicht durch den Bund regiert werden wird, daß es jedoch eine beschränkte Anzahl Vertreter zur Teilnahme an den Sitzungen dieser gesetzgebenden Körperschaften benennen darf."
In den früheren Ersuchen an den Parlamentarischen Rat, auf die in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens Bezug genommen wird, war angekündigt worden, „daß mit Rücksicht auf die gegenwärtige Lage der Teil des Art. 22 (des heutigen Art. 23), der sich auf Berlin bezieht, suspendiert werden" müsse und daß nicht zugestimmt werden könne, „daß Berlin als ein Land in die ursprüngliche Organisation der Bundesrepublik Deutschland einbezogen" werde (Noten vom 2. März und 22. April 1949, DBF Nr. 84 und 85). Der im Genehmigungsschreiben zum GG enthaltene Vorbehalt ist, wie das Schreiben der drei Hohen Kommissare an den Bundeskanzler vom 26. Mai 1952 i.d.F. des Briefes X vom 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II, S. 500) ausdrücklich klarstellt, durch Art. 2 des Deutschland-Vertrages aufrechterhalten worden. Das Bestätigungsschreiben der AKB zur VvB vom 29. August 1950 - BK/O (50) 75 (VOB1. S. 440) - lautet: „1 2. Bei der Erteilung ihrer Zustimmung zu dieser Verfassung sowie zu den vorgeschlagenen Abänderungen derselben macht die Alliierte Kommandatura folgende Vorbehalte: a) Der Stadtregierung durch die Verfassung übertragene Befugnisse sind den am 14. Mai 1949 veröffentlichten Bestimmungen der „Erklärung über die Grundsätze" oder irgendwelchen Abänderungen derselben unterstellt. b) Absätze 2 und 3 des Artikels 1 werden zurückgestellt. c) Artikel 87 wird dahingehend aufgefaßt, daß während der Übergangsperiode Berlin keine der Eigenschaften eines zwölften Landes besitzen wird. Die Bestimmungen dieses Artikels betreffend das Grundgesetz finden nur in dem Maße Anwendung, als es zwecks Vorbeugung eines Konfliktes zwischen diesem Gesetz und der Berliner Verfassung erforderlich ist. Ferner finden die Bestimmungen irgendeines Bundesgesetzes in Berlin erst Anwendung, nachdem seitens des Abgeordnetenhauses darüber abgestimmt wurde und dieselben als Berliner Gesetz verabschiedet worden sind." 30
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Ihre Ansicht zur Rechtsstellung Berlins haben die Westmächte in mehreren Erklärungen und Anordnungen aus der Zeit von 1949 bis 1952 (vgl. die Nachweise bei Finkelnburg JuS 1967, 544, Fn. 27 ff), vor allem in dem Einspruch der AKB gegen die Übernahme des BVGG nach Berlin vom 20. Dezember 1952 (DBF Nr. 97) zum Ausdruck gebracht. Deutlich formuliert haben sie sie sodann erst wieder in dem aus Anlaß der Niekisch-Entscheidung des BVfG ergangenen Schreiben der AKB an den RB und den PrAvB vom 24. Mai 1967 (NJW 1967, 1742). Im Viermächte-Abkommen haben sie in Teil II B erklärt, „daß die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden, wobei sie berücksichtigen, daß diese Sektoren so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil) der Bundesrepublik Deutschland sind und auch weiterhin nicht von ihr regiert werden."
Dem ist in Anlage II 1 der Satz hinzugefügt: „Die Bestimmungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der in den Westsektoren befindlichen Verfassung, die zu dem Vorstehenden in Widerspruch stehen, sind suspendiert worden und auch weiterhin nicht in Kraft."
Zur Interpretation dieser Erklärungen s. insbes. Rdn. 43 ff, 50,68. Das BVfG hat auch nach Inkrafttreten des Viermächte-Abkom- 36 mens mit Bindungswirkung für alle Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden des Bundes und der Länder (BVfGE 36, 1, 17, 32 Grundlagenvertrag; ferner BVfGE 37, 57 — Brückmann-Entscheidung) an seiner in der Entscheidung BVfGE 7,1 begründeten Auffassung festgehalten, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland sei, dessen Status durch den Genehmigungsvorbehalt zum GG dahin modifiziert worden sei, daß es durch den Bund nicht regiert („governed") werden dürfe und keine Stimmberechtigung in BT und BR habe. Ausgehend von der gewollten Geltung des GG für Berlin hat es im Anschluß an die Abhandlungen von Drath (insbesondere AöR 82, 27 ff) den Genehmigungsvorbehalt zum GG als eine von den deutschen Gerichten zwar zu beachtende Maßnahme angesehen, bei der aber zu fragen sei, welchen Wirkungsgrad sie habe. Entscheidend sei, was in dem Schreiben objektiv und für den deutschen Partner erkennbar zum Ausdruck gekommen sei. Im Genehmigungsschreiben hätten die Westmächte Art. 23 Satz 1 GG weder ausdrücklich suspendiert noch eine ausdrückliche Feststellung getroffen, daß Berlin nicht in die ursprüngliche Organisation der Bundesrepublik einbezogen sei. Der für die VvB ausgesprochene Vorbehalt könne, 31
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da die AKB nur für Berlin zuständig sei, nicht als Eingriff gewertet werden, der die Geltung des GG mit Bezug auf Berlin weiter einschränke, als sich aus dem Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum GG ergebe. Von seinem Standpunkt aus konsequent hat das BVfG sich mit den späteren Interpretationen des Genehmigungsvorbehaltes, vor allem den Erklärungen der Westmächte im Viermächte-Abkommen, nicht auseinandergesetzt. Nach der von Drath (AöR 82, 48) näher begründeten Auffassung ist mit der Qualifizierung des alliierten Vorbehaltes als „Maßnahme" gesagt, daß sie einer authentischen Interpretation durch die Besatzungsmächte unzugänglich ist. 37 Die Staatspraxis ist seit Ende der 50er Jahre davon ausgegangen, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland mit den sich aus den Besatzungsvorbehalten ergebenden Einschränkungen ist (zur Rsp. der Bundesgerichte vgl. Delbrück in Kieler Symposium, S. 214; ferner Denkschrift SvB, S. 2; zur ausländischen Staatspraxis: Tribunal de Grande Instance de la Seine, NJW 1968, 1590). 38 Das westliche deutsche Schrifttum ist der vom BVfG vertretenen Integrationstheorie überwiegend gefolgt (s. ausführlich dazu Sendler JuS 1983, 903 ff; Apell, S. 19; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht S. 101 f; Böhm, Berliner Verfassung S. 54ff; Giese-Schunck, GG, Art. 23 Anm. II 1; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Einf. Rdn. 55; von Münch, GG-Kommentar, Bd 2, Art. 23, Rdn. 9; Rauschning in: Fünf Jahre Grundvertrags-Urteil S. 309 u. in: Finis Germaniae S. 38, 41; Schmidt-Bleibtreu in: Maunz, Schmidt-Bleibtreu, Klein, Ulsamer, BVfGG, § 106 Rdn. 2; vgl. auch die Rdn. 43 Genannten). Zum Teil wird die Integrationstheorie mit vom BVfG abweichender Begründung vertreten: Finkelnburg (NJW 1974,1969) nimmt an, daß trotz ursprünglicher Suspension des Art. 23 GG die seit dem Jahre 1957 im Bund, in Berlin und in den übrigen Bundesländern praktizierte Entscheidung des BVfG zu einem gewohnheitsrechtlichen Bestandteil des Bundes und Berlins geworden sei, so daß die staatsrechtliche Zugehörigkeit Berlins zum Bund außer Frage stehe. Kreutzer (Die Rechtstellung Berlins, S. 22) bejaht den Bundeslandcharakter Berlins, weil nach deutschem Rechtsverständnis die Beziehungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne die denknotwendige Voraussetzung der de-jure-Mitgliedschaft im Bund vorstellbar seien. 39 Auch die Vertreter der Theorie eines „Gliedstaates sui generis" gehen von einem zwischen Berlin und dem Bund bestehenden Verfassungsrechtsverhältnis aus, das sie jedoch neben einem potentiellen bundesstaatlichen Grundkern von einzelnen staatenbundlichen Ele32
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menten geprägt sehen (Maunz DStR S. 444; Nagel, S. 164; ähnlich Zivier, S. 136, der die staatsrechtliche Zusammengehörigkeit WestBerlins und der Bundesrepublik auf Grund ihrer gemeinsamen Zugehörigkeit zum fortbestehenden Völkerrechtssubjekt Deutschland betont). Demgegenüber sind nach der sogenannten „Als-Ob-Theorie" (be- 40 gründet von Wengler, Festschrift für Leibholz, Bd. II, S. 939, ders. EvStL Art. „Berlin"; ders. JZ 1974, 528) die Bundesrepublik Deutschland und Berlin staats- und völkerrechtlich noch nicht wiedervereinigte Teile Deutschlands, die sich in dem Ausmaß, in dem die westlichen Alliierten dies zulassen, so verhalten dürfen, als ob Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland sei. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zu einem solchen Verhalten wird für den Bund aus dem Wiedervereinigungsgebot hergeleitet, für Berlin wird auf die VvB und den freien politischen Willen der Berliner abgestellt (so auch Schachtschneider JR 1975, 223; Uhlitz DÖV 1968, 524; vgl. ferner Lerche, BVfG — Festgabe I, S. 724, der für Bund und Berlin eine „allgemeine Anstrengungs- und Bemühungspflicht" aufgrund der beschränkten Geltung des GG in Berlin annimmt.) Soweit sonstige Nichtzugehörigkeitstheorien vertreten werden 41 (Külz DuR 1974, 267; Pestalozza JuS 1983, 241 ff u. 1984, 430 ff; Schröder in: Finis Germaniae S. 27 ff; Schulze DuR 1975 286 ff; Storost, Der Staat, 1982, 113 ff; Zuleeg in: Kommentar zum GG, Bd. 1, Einl. B 79), wird auf Einzelbeziehungen ohne Verfassungsrechtsverhältnis abgestellt. Die Versuche, den Status mittels vorgegebener Rechtsinstitute des Völkerrechts zu begreifen, sind vereinzelt geblieben, z. B. Annahme eines Assoziationsverhältnisses trotz Fehlens einer dafür erforderlichen vertraglichen Grundlage (vgl. Knörr, S. 162; Kloss, Vereinte Nationen 1972, S. 117; Gascard DA 1972, 1158; Fahrni, Die Assoziation von Staaten mit anderen Staaten, 1967, S. 99 ff; Menzel DÖV 1972, 1). Die „Drei-Staaten-Theorie" (s. dazu oben Rdn. 11) wird — soweit ersichtlich — nicht vertreten (in diesem Sinne jedoch wohl Schulze aaO; in vielen Einzelergebnissen wie dieser Pestalozza aaO, der die Status-Frage aber ausdrücklich offenläßt - JuS 1983, 249 a. E.). Auch wenn man nicht wie das BVfG auf den objektiven Erklä- 42 rungswert des alliierten Vorbehalts zum GG abstellt, sondern auf den mehrfach, zuletzt im Viermächte-Abkommen zum Ausdruck gebrachten Willen der Westmächte, ergibt sich, daß Berlin dem Bund kraft eines Verfassungsrechtsverhältnisses zugehört (s. dazu u. Rdn. 43 ff). Hierbei wird unterstellt, daß es für die staats- und völkerrechtliche Beurteilung des Verhältnisses Berlins zum Bund auf den 33
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Inhalt der Erklärungen der Westmächte überhaupt ankommt. Weil die Besatzungsmacht nach allgemeinem Völkerrecht nur Inhaber der obersten Gewalt, nicht aber Inhaber der territorialen Souveränität ist, ist durchaus zweifelhaft, ob von ihren Entscheidungen die staatliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit von Teilen des besetzten Gebietes abhängig sein kann (Röper DA 1971, 801,1130; von Münch in: Internationales Recht und Diplomatie, 1972, 143 ff; ders. in: Kieler Symposium, S. 244; Fijalkowski, S. 119; Drath AöR 82, 49 ff; vgl. auch Zieger und Ress in: Wechselwirkungen zwischen Völkerrecht und Verfassung, 1982, S. 98, 122; Blumenwitz in: Staatliche Kontinuität, S. 47 ff, 58, auch Kewenig, S. 11; von der Verbindlichkeit der „Status-Bestimmungen des Viermächte-Abkommens" gehen aus z. B. Doehring in: Doehring-Ress, S. 4; Kimminich, Die Friedenswarte, 1974, 9 ff Fn. 54; Wilke, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik, 1976, S. 88; für staatsrechtliche Unverbindlichkeit Finkelnburg NJW 1974, 1970). 43 Die Formulierung des Viermächte-Abkommens, daß die Westsektoren „so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil)" sind, schließt einen staatlichen Zusammenhang zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland nicht aus. Sie läßt die Deutung zu, daß die Westsektoren wie bisher nur nicht vollgültig in die Verfassungsorganisation der Bundesrepublik Deutschland einbezogen sind und nicht die gleiche Rechtsstellung haben wie die anderen Bundesländer (in diesem Sinne: Erklärung der Bundesregierung, Bulletin 1971, 1372; Baumeister, RuP 1973,139 ff; Carstens, S. 73 ff; Zivier, S. 215 f; Kewenig, S. 11; Blumenwitz aaO, S. 47 ff, 58; von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, Art. 23, Rdn. 9; vgl. auch die Rdn. 14 genannten, nahezu gleichlautenden Erklärungen der Westmächte betr. Ost-Berlin). Die östlicherseits (z. B. Abrassimow, S. 169 und vereinzelt auch im westdeutschen Schrifttum, z. B. Külz, DuR 1974, 277; R. Schulze, DuR 1975,286; Möhler, S. 83) als Inhalt des VA ausgegebene Formulierung, West-Berlin sei kein Teil oder kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland, wiederholt nur den Verhandlungsvorschlag der SU, der gerade nicht durchgesetzt werden konnte. Der Verhandlungsvorschlag der SU lautete (zitiert nach H. M. Catudal, S. 248): „Links and contacts between Berlin (West) and abroad (including the FRG) in economic, technical, cultural and other peaceful matters will be maintained in accordance with the fact that Berlin (West) is no part of the FRG and cannot be governed by it".
Demgegenüber lautet der Text des VA (zum Vergleich hier ebenfalls in englischer Sprache zitiert): 34
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„that the ties between the Western Sectors of Berlin and the Federal Republic of Germany will be maintained and developed, taking into account that these Sectors continue not to be a constituent part of the Federal Republic of Germany and not to be governed by it."
Abgesehen von den erheblichen Abänderungen im ersten Satzteil (s. u. Rdn. 46) stellt sich die Wortwahl „constituent part" als bewußte und gewollte Abweichung vom Verhandlungsvorschlag der SU dar, die es verbietet, die Begriffe „part" und „constituent part" gleichzusetzen. Berlin ist Teil, wenn auch nicht konstitutiver Teil, der Bundesrepublik Deutschland. Entscheidend für die Auslegung des letzteren, aus sich heraus nicht eindeutig bestimmbaren Begriffes sind die Worte „continue not to be" anstelle der im sowjetischen Vorschlag enthaltenen Formulierung. Der Status West-Berlins sollte so erhalten bleiben, wie er vor dem Inkrafttreten des VA bestand: Nach dem Willen der Westmächte (s. oben Rdn. 42) ist West-Berlin 44 zwar noch kein Land der Bundesrepublik Deutschland, gehört ihr aber kraft eines durch Art. 23 S. 1, 144 II GG begründeten und durch Art. 1 II, 87 I VvB bestätigten, auf die Verwirklichung dieses Zustandes gerichteten Verfassungsrechtsverhältnisses an. Das ergibt sich zwingend daraus, daß es keines weiteren Verfassungsaktes mehr bedarf, damit die vom GG und von der VvB gewollte Rechtswirkung eintritt. Nach der Aufhebung der besatzungsrechtlichen Beschränkungen fallt West-Berlin nicht in einen rechtsleeren Raum, sondern nimmt gemäß Art. 23 S. 1 GG ipso iure die gleiche Rechtsstellung ein wie die anderen Bundesländer. Ein Beitritt West-Berlins zum Bund ist nicht mehr erforderlich, der „Eintritt" des Landes Berlin in die Bundesrepublik steht nicht mehr aus (unrichtig oder zumindest mißverständlich daher Art. 26 I BWahlG vom 15. Juni 1949, BGBl. I S. 21). Mit dem Willen der Westmächte ist Art. 23 S. 1 GG statusbegründender Verfassungsakt und als solcher weder ganz noch teilweise außer Kraft gesetzt (zur Frage der Suspension im übrigen s. unten Rdn. 50). Dieses Ergebnis wird durch die von der AKB insoweit genehmigte VvB (Art. 87 I) ausdrücklich bestätigt: Berlin wird automatisch Land der Bundesrepublik Deutschland, sobald die besatzungsrechtlichen Beschränkungen entfallen. Die Rechtswirkungen des Art. 23 S. 1 GG gehen damit über ein „Angebot" des Bundes an Berlin (so Pestalozza JuS 1983, 250 ff) oder die Begründung einer nur „platonischen Zugehörigkeit" Berlins zum Bund (so Wengler JZ 1974, 528, 532 mit dem zu Fn. 34 genannten, nicht einschlägigen Beispiel der irischen Verfassung) hinaus. Die in Art. 23 S. 1 GG getroffene und durch die VvB bekräftigte Entscheidung haben die Westmächte — in den Grenzen des für alle Teile Deutschlands 35
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bestehenden Letztverfügungsrecht der Siegermächte — anerkannt und lediglich ihrer Verwirklichung während einer „Übergangszeit" (vgl. § 87 VvB) Grenzen gesetzt. Damit haben sie im Rahmen der obersten Gewalt gehandelt, die ihnen nach allgemeinem Völkerrecht zukommt, denn sie haben keine über die Sicherung ihrer eigenen besatzungsrechtlichen Stellung hinausgehende Befugnis zu Eingriffen in die deutsche Verfassungsgebung und zur Regelung territorialer Fragen in Anspruch genommen. Vom Prinzip her und ihrem Wesen nach sind die Besatzungsrechte vorläufiger Natur. Daran ändert auch nichts das Viermächte-Abkommen, das allerdings klarstellt, daß die Aufgabe der besatzungsrechtlichen Vorbehalte bezüglich GesamtBerlins nur mit Zustimmung aller vier Mächte zulässig ist (zur verfassungsrechtlichen Problematik des Viermächte-Abkommens und der von Dochring/Ress, S. 6 ff, 44 ff, vertretenen These von der verfassungswidrigen Mitwirkung der Bundesregierung am Zustandekommen des Viermächte-Abkommens s. Zivier, S. 190 ff). Bis zum Wegfall der besatzungsrechtlichen Beschränkungen liegt infolgedessen ein den Bund und Berlin gleichermaßen bindendes Verfassungsrechtsverhältnis vor, dessen Rechtswirkungen teilweise schon jetzt unwiderruflich genehmigt sind: Berlin darf (nichtstimmberechtigte, vgl. aber Rdn. 113 ff, 118, 119) Vertreter in den BT und BR entsenden und das GG gilt (in beschränktem Umfang) in Berlin (s. Rdn. 50). Nur teilweise sind die Rechtswirkungen bis zur Beendigung des Besatzungsregimes in Berlin suspendiert: Berlin soll nicht Land der Bundesrepublik Deutschland sein und nicht unmittelbar in deren Rechtsordnung einbezogen werden (Art. 1 II, III VvB). Auch soweit die Rechtswirkungen suspendiert sind, ergeben sich, wie aus jedem aufschiebend bedingten Rechtsverhältnis, Vorwirkungen und Treuepflichten (s. Rdn. 46, 47). Kraft dieses Mitgliedschaftsverhältnisses ist Berlin Teil der Bundesrepublik Deutschland (s. Rdn. 43). Allen Theorien, die von einer nur de-facto-Eingliederung Berlins in den Bund ausgehen (s. Rdn. 40, 41) kann nicht gefolgt werden. 45 Die Richtigkeit dieser Auslegung wird durch den Zweck der alliierten Vorbehalte bestätigt. Deren alleiniges Ziel war es, die juristische Basis für die Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes in West-Berlin zu sichern (Rush, EA 1972, D 54 ff, 57; Lush, S. 744 ff). Für die Dauer des Besatzungsregimes sollte die oberste Gewalt der AKB uneingeschränkt erhalten bleiben, damit der Viermächtestatus Berlins insgesamt (s. Rdn. 10) gewahrt blieb. Deshalb sind Verfahren entwikkelt worden, die sicherstellen, daß die Staatsgewalt des Bundes in West-Berlin nur nach Zulassung oder mit Duldung der AKB wirksam werden darf und ggf. durch Rückgriff auf die der Besatzungsgewalt 36
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unterworfenen Berliner Organe rückgängig gemacht werden kann. Berlin soll nach dem Willen der Westmächte nicht schon jetzt Land der Bundesrepublik Deutschland sein, weil für sie mit dieser Bezeichnung die Aussage verknüpft ist, daß der Bund in Berlin Gebietshoheit ausübt (vgl. Lush, S. 742, der den Nachweis erbringt, daß die AKB in allen Bereichen ihre oberste Gewalt behalten hat, und der es deshalb für logisch unmöglich hält, daß Berlin, obwohl Teil der Bundesrepublik, auch ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist). Für die Bundesrepublik Deutschland, die sich als teilidentisch mit dem Deutschen Reich versteht (BVfGE 36, 1) ist es hingegen nicht ausgeschlossen, daß ihr ein Land zugehört, über das sie die oberste Gewalt noch nicht erlangt hat und in dem Bundesstaatsgewalt nur in dem von den Westmächten zugelassenen Umfang wirksam werden kann (das bestätigt Art. 144 II GG). Mit ihren Erklärungen, West-Berlin sei kein Land bzw. kein constituent part der Bundesrepublik Deutschland haben die Westmächte nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als daß Berlin nicht vom Bund regiert wird (so auch Doehring, Staatsrecht, S. 74; Wengler JZ 1974, 528, 532; Röper DA 1971, 1130 f). Bei den unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem BVfG und den Westmächten zum Status West-Berlins handelt es sich infolgedessen nur um unterschiedliche Begriffsbildungen für einen materiell im wesentlichen gleich gewerteten Sachverhalt (ähnlich auch Rauschning in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil, S. 310, der die Meinungsdifferenz als unterschiedliche Definition eines RegelAusnahmeverhältnisses begreift; s. auch Rdn. 50, 68). Dementsprechend haben die Westmächte gegen die nach deutschem Verständnis mit der Frage der Gebietshoheit über Berlin nicht gekoppelte Einbeziehung in den Bund zunächst auch keine Einwände erhoben. Der vom BVfGE 7, 1 aufgestellten These von der Bundeslandeigenschaft Berlins sind sie erst 10 Jahre später, nämlich mit Schreiben der AKB vom 21. Mai 1967 (NJW 67, 1742) aus Anlaß der Entscheidung des BVfG im Niekisch-Fall (E 19, 377) entgegengetreten. In diesem Fall sahen sie offenbar ihre Gebietshoheit tangiert, weil das BVfG aus der Bundeszugehörigkeit Berlins erstmals Konsequenzen für seine Zuständigkeit in einer „Berliner Sache" gezogen hatte (s. dazu unten Rdn. 85 fl). Die derzeit zwischen dem Bund und Berlin bestehenden Bindungen 46 werden also nicht nur dadurch zum Völkerrecht hin abgeschirmt, daß sie unter dem „Dach des Reiches" ausgebildet wurden (so Grawert, S. 298, 305; vgl. auch Zivier, S. 1360, sondern daß es sich um vorweg zugelassene und wegen der fortbestehenden Gebietshoheit der AKB in Berlin besonders ausgestaltete Einzelbeziehungen einer 37
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dem Grunde nach bestehenden Mitgliedschaft Berlins im Bund handelt. Dieses Mitgliedschaftsverhältnis, dessen unmittelbare Wirkungen z. T. suspendiert sind, weist Berlin nicht nur als Teil der Bundesrepublik Deutschland aus, es gehört zugleich zu den Bindungen, deren Aufrechterhaltung durch das VA garantiert wird (von der Garantie eines verfassungsrechtlich relevanten Bundes gehen auch aus: Blumenwitz in: Zehn Jahre Berlin-Abkommen S. 89; Ress, Der Staat 1972, S. 27 zu Fn. 72). Von den in den Erklärungen der Westmächte im VA verwendeten Begriffen „ties" und „liens" werden alle rechtlichen und politischen Bindungen Berlins an den Bund erfaßt (zur Frage des maßgeblichen Textes und zu den divergierenden deutschen Übersetzungen s. Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins S. 94; Blumenwitz aaO, S. 79 ff; Zivier, S. 221 ff; vgl. auch Catudal, S. 247 ff). Die östliche restriktive Auslegung des VA, daß nur einzelne, auf bestimmte Lebensbereiche beschränkte „Verbindungen" garantiert seien (z. B. Wyssozki, S. 289 f) wiederholt lediglich den nicht zum Vertragsinhalt gewordenen Verhandlungsvorschlag der SU (s. Rdn. 43). 47 Auf Grund des oben Rdn. 44 gekennzeichneten Verfassungsrecht- 47 Verhältnisses sind der Bund und Berlin gleichermaßen verpflichtet, den Status künftig uneingeschränkter Zugehörigkeit West-Berlins anzustreben (so auch Lerche, BVfG-Festgabe I, S. 726 allerdings mit z. T. abweichender Begründung). Darin liegt keine Pflicht zum „Dissens" mit den Alliierten (Pestalozza JuS 1983, 252), denn sie besteht für Berlin nur in dem durch das Besatzungsrecht begrenzten Rahmen. In diesem Rahmen aber haben die Berliner Staatsorgane keinen größeren Handlungs- und Entscheidungsspielraum als die übrigen Bundesländer auch. Das Ziel der künftig uneingeschränkten Mitgliedschaft ist eine in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung Westdeutschlands und West-Berlins getroffene, von den Besatzungsmächten anerkannte Entscheidung. Mittels der Besatzungsvorbehalte sollten zwecks Wahrung der Gebietshoheit der AKB nur die Auswirkungen dieser Entscheidung, nicht aber die Entscheidung selbst revisibel gehalten werden (a. A. wohl Wengler in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil, S. 325 ff, 337). In dem von den Besatzungsrechten freien Raum ist das während der Schwebezeit bestehende Rechtsverhältnis zwischen Berlin und dem Bund kein aliud gegenüber dem gewollten Rechtszustand; ein „Gleichordnungsverhältnis" (so Suhr StB-StVV II S. 530) besteht insofern nicht. Art. 87 VvB steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Dessen Absätze II und IV sind zwar als „Kann-" bzw. „Soll-"Vorschriften gefaßt, gewähren 38
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den Berliner Staatsorganen jedoch keinen Ermessensspielraum bei der Anpassung der Berliner Rechtsverhältnisse an die eines Bundeslandes (str., vgl. dazu im einzelnen unten Rdn. 59, 66, 103). Art. 87 VvB regelt nicht ausschließlich das Verhältnis Berlins zum Bund, sondern legt zugleich auch Mindestrechte der Berliner Staatsorgane im Verhältnis zur Besatzungsmacht fest. Was in diesem Verhältnis erlaubt oder sogar erwünscht ist, verdichtet sich auf Grund des selbstbestimmten, bindenden Verfassungsziels zur Pflicht. Dadurch erhält Berlin auch keine Eigenschaften, die nach Auffassung der Westmächte ein Bundesland kennzeichnen (s. oben Rdn. 45 und das in Rdn. 35 genannte Bestätigungsschreiben der AKB zur VvB): Die durch das Besatzungsrecht begrenzte verfassungsrechtliche Bindung West-Berlins an den Bund führt nicht zur Ausübung von Gebietshoheit des Bundes in Berlin, die Gebietshoheit der AKB bleibt unberührt. Der „govern"-Vorbehalt besagt nicht, daß in Berlin Bundesgewalt 48 nur als transformierte Landesgewalt in Erscheinung treten dürfe (so Wengler in: Festschrift für Leibholz Bd. II, S.937f, JZ 1974, 532; dagegen Zivier, S. 133 f, S. 106 Fn. 35 mit Hinweis auf Erklärungslükken dieser Theorie; eine Umdeutung der Bundesgewalt in Berliner Landesgewalt gelingt nicht bei der Einbeziehung Berlins in völkerrechtliche Verträge des Bundes, s. dazu Rdn. 123). Bundesbehörden und Bundesgerichte werden, wenn sie in Berliner Sachen entscheiden, nicht zu Berliner Staatsorganen, sondern üben als Bundesorgane Bundesgewalt aus (BVfGE 19, 377, 386; BGHZ 80, 87, 90; vgl. aber Rdn. 73, 102). Zweck des „govern-Vorbehaltes" war es, eine unmittelbare organisatorische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland vorerst aufzuschieben (BVfGE 1, 72), um die Entscheidungsfreiheit der AKB bei der Ausübung ihrer besatzungsrechtlichen Befugnisse in Berlin zu sichern (BVfGE 19, 385). Daraus folgt zum einen, daß der „govern-Vorbehalt" die Ausführung aller drei Staatsfunktionen umfaßt (BVfGE 1, 70, 73; 7, 1 heute unstreitig, weitere Nachweise siehe bei Hauck S. 62 ff), und zum anderen, daß Bundesgewalt jedenfalls mit Zulassung oder Duldung durch die Westmächte wirksam werden kann. Dieser Auffassung sind offenbar auch die Westmächte, die für die im Viermächte-Abkommen erwähnten Bundesorgane das „govern-Verbot" als „Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über die Westsektoren Berlins" interpretiert haben (Interpretationsbrief I sub a, vgl. Rdn. 17; vgl. auch Schiedermair NJW 1982, 2841 ff, 2843). Um zulässige mittelbare Staatsgewalt handelt es sich in allen Fällen, in denen Bundesorgane ihre Kompetenzen kraft Zulassung 39
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oder Duldung durch die Besatzungsmächte wahrnehmen. Per definitionem gibt es keine materiell gegen den Vorbehalt verstoßenden, von der Zustimmung oder Duldung der Besatzungsmächte jedoch getragenen Amtshandlungen von Bundesorganen (a. A. Ziekow NJW 1986, 1595). Impliziert z. B. ein nach Berlin übernommenes Gesetz die Ausübung von Hoheitsbefugnissen durch den Bund, so übt der Bund in diesem Fall keine unzulässige unmittelbare Staatsgewalt aus (vgl. Rdn. 74 ff, zur Zuständigkeit des BVfG in Berliner Sachen s. Rdn. 85 ff). 49 Aus der Definition des Status West-Berlins lassen sich unterschiedliche rechtliche Folgerungen also nicht herleiten: Wird Berlin als Land der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, muß bewußt bleiben, daß der Bund in Berlin z. Zt. noch keine Gebietshoheit ausübt und daß Bundesgewalt nur mit Zustimmung oder Duldung der Westmächte wirksam werden kann. Wird West-Berlin wegen der fehlenden Gebietshoheit des Bundes als noch unter Besatzungsgewalt stehender Teil Deutschlands definiert, so muß bewußt bleiben, daß es der Bundesrepublik Deutschland kraft eines mit dem Willen der Westmächte begründeten, nicht auflösbaren Verfassungsrechtsverhältnisses zugehört, das die deutschen Verfassungsorgane und die deutsche öffentliche Gewalt jetzt und zukünftig verpflichtet, das gewollte Bund-Land-Verhältnis einzuhalten, soweit Besatzungsrechte nicht entgegenstehen. F. Geltungsgrund und -umfang des GG
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Nach der Rspr. des BVfG und der h. M. des Schrifttums gilt das GG in Berlin auf Grund des Art. 23 S. 1 GG unmittelbar, d. h. als Verfassungsrecht des Bundes, soweit nicht der im Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum GG enthaltene Vorbehalt seine Anwendung beschränkt (BVfGE 7, 7 f; 37,62; ebenso, z. T. auch ohne Bejahung der Bundeslandeigenschaft und mit unterschiedlichen Grenzziehungen hinsichtlich des Geltungsumfangs, das Schrifttum: Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 102; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 79; Giese-Schunck, GG, Art. 23 Anm. II; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 94 f; Leibholz/Rinck/ Hesselberger, GG, Einf. Rdn. 55; Maunz in MDHS Art. 144 Rdn. 13; v. Münch, GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 23 Rdn. 9; Schmidt-Bleibtreu in: Maunz, Schmidt-Bleibtreu, Klein, Ulsamer, BVfGG, § 106, Rd. 2; Sendler, JuS 1983, 903 ff; Zivier RuP 1984, 31, 36 u. Rechtsstatus, S. 95). Art. 87 III 1 VvB, nach dem die Bestimmungen des GG auch in Berlin geltendes Recht sind, soweit die Anwendung des GG in 40
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Berlin „keinen Beschränkungen (Abs. 1) unterliegt", hat demzufolge nur deklaratorische Bedeutung, wie sich aus Art. 87 III 2 VvB ergibt. Die Vertreter der Nichtzugehörigkeitstheorien (s. oben Rdn. 40, 41), die im „govern"-Vorbehalt ein generelles Geltungshindernis sehen, führen die teilweise Geltung des GG in Berlin ausschließlich auf eine durch Art. 87 III 1 VvB erfolgte Rezeption zurück (Wengler JZ 1974, 532; Pestalozza JuS 1983, 253; vgl. ferner Hauck, S. 48 f; Lerche, BVfG-Festgabe I, S. 722). Die in Berlin anwendbaren grundgesetzlichen Bestimmungen werden als transformiertes Landesverfassungsrecht begriffen (Wengler aaO, Pestalozza aaO), wobei dem „govern"Vorbehalt die (Doppel)Funktion einer inhaltlichen Schranke für die Rezeption zukommt (Pestalozza aaO). Von ähnlichen Vorstellungen ging wohl auch die Berliner StVV aus: durch Art. 87 III 1 VvB sollte dem GG bei damals angenommener Suspension der Mitgliedschaft Berlins im Bund soweit wie möglich Geltung verschafft werden (Suhr StB StVV II S. 530, s. auch oben Rdn. 30). Die Tatsache, daß die Westmächte die Bundeslandeigenschaft Berlins und den generellen unmittelbaren Einbezug in die Rechtsordnung des Bundes vorübergehend ausschließen wollten (s. oben Rdn. 44 ff), spricht jedoch nicht gegen die Annahme, daß sie die in Art. 23 S. 1 GG angeordnete Geltung des GG in Berlin mit Einschränkungen in Einzelbereichen schon während der Übergangszeit zugelassen haben (für unmittelbare Geltung des Grundrechtsteils ohne Voraussetzung der Bundeslandeigenschaft schon BVfGE 1, 70, vgl. dazu Rdn. 55 f). Die für den Theorienstreit entscheidende Frage, ob der auf Berlin bezogene Teil des Art. 23 S. 1 GG durch den „govern"-Vorbehalt einschränkend interpretiert oder suspendiert worden ist (vgl. einerseits Drath AöR 82 (1957), S. 27 ff; Sendler aaO, andererseits Pestalozza aaO und die Rdn. 41 Genannten), dürfte mit der h. M. dahin zu beantworten sein, daß es sich um eine einschränkende Interpretation handelt, die für die Westmächte allerdings gleichbedeutend mit der Suspension der Bundeslandeigenschaft ist (s. Rdn. 45). Legt man diese Auffassung zugrunde, hat die Erklärung der Westmächte in Anlage II 1 des VA (s. Rdn. 35: die Bestimmungen des Grundgesetzes ..., die zu dem Vorstehenden in Widerspruch stehen, sind suspendiert) folgenden Inhalt: Art. 23 S. 1 GG ist insoweit suspendiert, als er auch die Bundeslandeigenschaft Berlins deklariert und Berlin durch den generellen Einbezug in den Geltungsbereich des GG der Regierungsgewalt des Bundes unterstellt (Aussageinhalt des Art. 1 II, III VvB), nicht jedoch insoweit, als er Geltungsgrund für die nichtgouvernementalen Bestimmungen des GG in Berlin ist. Für die Richtigkeit dieser Auslegung spricht nicht nur der Wortlaut des 41
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„govern"-Vorbehalts selbst (s. Rdn. 35: Art. 23 S. 1 GG wurde „interpretiert", nicht aber suspendiert), sondern auch der Wortlaut der mit Genehmigung der Westmächte in die deutschen Verfassungen aufgenommenen Bestimmungen: Sowohl in Art. 144 II GG als auch in Art. 87 I und III 1 VvB wird der „govern"-Vorbehalt nicht als generelles Geltungshindernis, sondern als Anwendungsbeschränkung begriffen. Mit dem Wortlaut des Art. 87 III 1 VvB läßt sich dessen Deutung als Rezeptionsvorschrift nicht vereinbaren (vgl. Hauck, S. 48 f, Pestalozza aaO). Anders als bei Bundesgesetzen bedurfte es bei den grundgesetzlichen Bestimmungen auch keiner Mediatisierung der Bundesgewalt, da bereits durch die mit dem „govern"-Vorbehalt bewirkten Anwendungsbeschränkungen die Gebietshoheit der Westmächte in Berlin sichergestellt werden konnte und sichergestellt worden ist (s. Rdn. 56 ff). Aus dem Bestätigungsschreiben der AKB zur VvB (s. Rdn. 35) läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen (a. A. Pestalozza JuS 1983, S. 254), denn dieses verlangt ausdrücklich nur für einfache Bundesgesetze einen konstitutiven Akt des AvB (zur Rechtsqualität des auf diese Weise übernommenen Rechts s. Rdn. 67, 68).
Auch die im 3. ÜLG von den Westmächten vorgenommenen Korrekturen sprechen nicht gegen die unmittelbare, sondern nur gegen die unbeschränkte Geltung des GG in Berlin. Berlin ist in den Geltungsbereich des GG nicht wie die übrigen Bundesländer einbezogen. Deshalb ist die Formulierung vom „übrigen" Geltungsbereich des GG (§§ 12, 13, 14, 17 3. ÜLG) beanstandet worden: Der mögliche Eindruck einer unbeschränkten Geltung des GG in Berlin und die damit verbundene Unterstellung Berlins unter die unmittelbare Regierungsgewalt des Bundes ( = Bundeslandstellung) sollte vermieden werden (vgl. Schreiben der AHK an den BK vom 17.1.1952, DBF Nr. 146; vgl. auch Schreiben vom 16.10.1952, DBF 96). 51 Die in Berlin anwendbaren Grundgesetznormen gelten in ihrer jeweiligen Fassung. Grundgesetzändernde Gesetze bedürfen keiner Übernahme durch den Berliner Landesgesetzgeber (Finkelnburg JuS 1968,11 f; Zivier, S. 95; a. A. Böhm JR 1964, 122; Wengler in: EvStL Sp. 177). Dementsprechend enthalten alle Änderungsgesetze zum GG — bis auf das erste aus dem Jahr 1951 — keine Berlin-Klausel (zur diesbezüglichen Praxis vgl. ausführlich Schaub, Der Verfassungsändernde Gesetzgeber 1949 — 1980, 1984, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 460, S. 134; zu der in Berlin nicht geltenden Notstandsverfassung s. Erklärung des Bundesministers des Auswärtigen, Bulletin 1968, S. 578). Dieses von der AKB nicht beanstandete Verfahren 42
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bestätigt die grundsätzliche unmittelbare Geltung des GG in Berlin. Unter Zugrundelegung der Nichtzugehörigkeitstheorien könnte es nur dadurch erklärt werden, daß Art. 87 III 1 VvB als dynamische Verweisung begriffen wird (Pestalozza JuS 1983, 253; zu den Bedenken hiergegen s. Sendler JuS 1983, 908). Nicht haltbar ist jedenfalls die bereits durch die Rechtspraxis widerlegte Ansicht Wenglers, daß die VvB auf die 1950 in Kraft befindlichen Grundgesetzbestimmungen verweise: Eine Vielzahl von nach Berlin übernommenen Bundesgesetzen beruht auf Grundgesetzänderungen, vgl. zuletzt Neufassung des Gesetzes über die politischen Parteien vom 15. Februar 1984 (BGBl. I S. 242, in Berlin veröffentlicht GVB1. S. 844 i. V. mit BK/ O (84)5 vom 30. Mai 1984, GVB1. S. 858), dessen auch in Berlin anwendbare Bestimmungen auf der Änderung des Art. 21 I 4 GG durch das 35. ÄndGG vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481) beruhen. — Eine Abänderungsbefugnis des AvB gegenüber Grundgesetzänderungen besteht nicht, s. Rdn. 53. Die in Berlin anwendbaren grundgesetzlichen Bestimmungen gehen 52 den Bestimmungen der VvB vor (zu den Verhaltenspflichten des Bundes und Berlins in den Bereichen, in denen die Anwendung des GG in Berlin beschränkt ist, s. Rdn. 47, 59, 66,103, vgl. auch Art. 64 Rdn. 6). Ihr Vorrang ergibt sich aus Art. 31 GG, der jedenfalls insoweit gilt, als er die Aussage enthält: Bundesverfassungsrecht bricht Landesverfassungsrecht (zur Geltung des Art. 31 insgesamt s. Rdn. 60). Durch Nr. 2 lit. c S. 2 des Bestätigungsschreibens zur VvB (s. Rdn. 35) sollte der Vorrang der grundgesetzlichen Bestimmungen vor denen der VvB sichergestellt werden (vgl. dazu die an Hand von Textvergleichen — Nr. 8 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum GG — durchgeführte Untersuchung von Hauck, S. 50 f, 58 f im Ergebnis unstreitig, vgl. dazu z. B. Lush, S. 742, 755; Zivier, S. 94; Knörr, S. 134; Pestalozza JuS 1984, 254). Art. 87 III 2 VvB, der dieselbe Frage regelt, hat demzufolge nur deklaratorische Bedeutung (Kreutzer JR 1951, 645; Hauck, S. 59, der auch von der Rezeptionsvorstellung aus [s. Rdn. 50] zu diesem Ergebnis gelangt; a. A. wohl Pestalozza aaO). Die Bestimmungen des GG stehen nicht zur Disposition des AvB. 53 Sie können im Wege der Verfassungsänderung nach Art. 88 I VvB weder insgesamt noch im Einzelfall aufgehoben oder abgeändert werden. Das folgt bereits aus der unmittelbaren, vorrangigen Geltung des GG in Berlin, s. Rdn. 50, 52. Aber selbst dann, wenn das GG nur kraft konstitutiven Aktes des Berliner Verfassungsgebers Geltung erlangt hätte, bestünde wegen der in Rdn. 44 ff, 47 gekennzeichneten Rechts- und Pflichtenstellung Berlins keine Abänderungs- oder Auf43
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hebungsbefugnis des AvB (im Ergebnis ebenso Sendler JuS 1983, 908 f, a. A. wohl Lerche in: BVfG-Festgabe I, S. 729; zu den inhaltlichen Grenzen von Verfassungsänderungen s. auch Art. 88 Rdn. 2). Die Vorschrift des Art. 87 III 3 VvB, nach der das AvB mit qualifizierter Mehrheit im Einzelfall „anders beschließen", also von Inhalt oder Vorrang der besatzungsrechtlich zugelassenen Normen des GG abweichen kann, ist nicht nur eine nie angewandte und obsolet gewordene, sondern von Anfang an nichtige Verfassungsnonn (Denkschrift SvB S. 5, Kreutzer JR 1951, 642; a. A. Pestalozza JuS 1983, 253 f; Maunz, DStR S. 442; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 76; an der Gültigkeit des Art. 87 III 3 VvB zweifelnd: Zivier, S. 94). Die Aufnahme dieser offensichtlich auch von den Besatzungsmächten nicht gebilligten Bestimmung (s. oben Rdn. 52, vgl. auch Pestalozza aaO) in die VvB erfolgte, weil das AvB davon ausging, daß eine de-iure-Bindung Berlins an die Bundesrepublik nicht bestehe (so ausdrücklich Suhr, StB-StVV S. 530). Darin liegt eine Verkennung der Rechtslage, s. oben Rdn. 44, 47. - Hätte Art. 87 III 3 VvB je gegolten, hätte er nur in der ersten Wahlperiode Bedeutung gehabt. Das ergibt sich aus dem in Art. 87 III 4 enthaltenen Verweis auf die „sinngemäße" Anwendung des Art. 85 VvB, nach dem bisherige, der VvB widersprechende Rechtsvorschriften innerhalb der ersten Wahlperiode vom AvB außer Kraft zu setzen waren. Auf den Inhalt des Art. 87 III VvB bezogen kann dies nur bedeuten, daß das AvB Bestimmungen des GG, die im Widerspruch standen, nur während der ersten Wahlperiode hätte außer Kraft setzen können (Sendler JuS 1983, 908; Mußgnug, S. 185 Fn. 81; Zivier, S. 94 Fn. 6; a. A. nicht überzeugend — Pestalozza JuS 1984, 431 f, der S. 4 i. V. mit Art. 85 auf bisheriges, dem GG widersprechendes Recht bezieht. Mit bisherigem Recht befaßt sich die VvB jedoch an anderer Stelle: Art. 48). 54 Der Anwendungsbereich des GG in Berlin wird durch den „govern"Vorbehalt begrenzt. Eine sinngemäße Wiederholung dieses Vorbehalts findet sich in Nr. 2 lit. c) S. 1 des Bestätigungsschreibens der AKB zur VvB (s. Rdn. 35). Die weitere Bestimmung dieser BK/O, daß das GG nur insoweit anwendbar sein soll, als es notwendig ist, um einen Konflikt zwischen dem GG und der VvB zu vermeiden, enthält — außer dem für die Praxis kaum relevanten Fall korrespondierender Bestimmungen in der VvB und im GG — keine über den „govern"-Vorbehalt hinausgehende Einschränkung (ausführlich Hauck, S. 47 ff). Ein Konflikt zwischen dem GG und der VvB ist nicht nur bei sich widersprechenden Normen, sondern stets möglich, wenn sich bei Anwendung der VvB ein anderes Ergebnis ergäbe als 44
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bei Anwendung des GG (so auch Zivier, S. 94; Pestalozza JuS 1983, 254, 252 sub ee; a. A. Lush, S. 755; Knörr, S. 134). Ob die AKB mit ihrem Vorbehalt über den der Militärgouverneure zum GG hätte hinausgehen können (verneinend BVfGE 7, 1, 11 f), kann daher dahingestellt bleiben. Nach übereinstimmender Auffassung in der Rechtssprechung gelten 55 der Grundrechtsteil des GG (BVfGE 1, 70; BSGE 2, 213), die Grundsätze der Gewaltenteilung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Rechtsstaatlichkeit sowie die Bestimmungen mit grundrechtlichem Gehalt und die Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG (BVwGE 2,118; 4, 318; BFHE 79, 57, 64 betr. Art. 100 GG; BVwGE 24, 235 und OVG Berlin OVGE 6, 105 betr. Art. 33 II und V GG; WPG Berlin DVBL. 1976, 250 = OVGE 13, 244 betr. Art. 28 I 2 GG. Auf sowjetische Proteste gegen das Urteil des WPG Berlin, wonach Art. 26 II 1 VvB a. F. wegen Verstoßes gegen Art. 28 I 2 GG i. V. m. Art. 38 GG nichtig war, haben die Westalliierten nicht reagiert.). Im einzelnen werden unterschiedliche Kriterien genannt. Das BVfG hat als maßgebend angesehen, ob die Anwendung einer Vorschrift des GG eine unzulässige, unmittelbare, organisatorische Einbeziehung in den Bund voraussetze (BVfGE 1, 70). Das BVwG hat u. a. auch darauf abgestellt, ob die Dispositionsbefugnis des Berliner Gesetzgebers unzulässigerweise eingeschränkt werde (mit dieser Begründung lehnte es die Geltung des Art. 125 GG (JR 1956, 196) ab; dagegen mit Recht Sendler JR 1958, 81 und OVG Berlin OVGE 8, 162. Mit ähnlicher Begründung lehnte das BVwG auch die Geltung des Art. 19 I 2 GG (E 2, 118) ab; dagegen mit Recht Finkelnburg JuS 1968,12 Fn. 21. Im Schrifttum wird z. T. angenommen, daß das GG insoweit nicht gilt, als es „dem Bund Hoheitsbefugnisse über Berlin verleiht" (Finkelnburg JuS 1968, l l f ) oder „die Ausübung von Bundesstaatsgewalt voraussetzt oder ermöglicht" (Hauck, S. 55; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 79 f, wohl auch Mußgnug, S. 176) oder als es „die Organisation der Bundesrepublik und die Funktion ihrer Organe" behandelt (Hamann/Lenz, Das Grundgesetz, Art. 23 GG Rdn. 3; Kreutzer JR 1951, 642). Z. T. werden demgegenüber gerade die Kompetenznormen zu den in Berlin anwendbaren Bestimmungen gezählt (Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 102; Zivier, S. 94, 152 ff, 270, s. Rdn. 59). Das vom BVwG herangezogene Kriterium — Dispositionsfreiheit 56 des Berliner Gesetzgebers — ist zur Abgrenzung der gouvernementalen von den nichtgouvernementalen Vorschriften ungeeignet. Die Geltung jedes Bundesgrundrechts in Berlin beinhaltet eine Einschränkung der Berliner Landesgewalt (Sendler, JR 1958, 84). Zweck des 45
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„govern"-Vorbehaltes war es nicht, die Berliner Landesgewalt um ihrer selbst willen von einer Beeinflussung durch das Recht des Bundes freizuhalten, sondern die Entscheidungsfreiheit der AKB bei der Ausübung ihrer Gebietshoheit zu gewährleisten, s. oben Rdn. 45, 47. Diese wird durch die die Berliner Landesgewalt bindenden Vorschriften des GG nicht beeinträchtigt, denn die Befugnisse der Berliner Landesorgane stehen unter den Vorbehalten des Besatzungsstatuts (s. Rdn. 21 ff). Insoweit kommt es entgegen den oben Rdn. 55 genannten Auffassungen nicht auf eine Unterscheidung zwischen materiellrechtlichen und organisationsrechtlichen Bestimmungen des GG an: Auch die Grundrechte sind in Berlin nicht „besatzungsfest". 57 Im einzelnen ergibt sich: Ausgenommen von der Anwendbarkeit in Berlin sind jedenfalls die grundgesetzlichen (einschließlich der grundrechtlichen) Vorschriften, die in den Bereich der vorbehaltenen und von den Besatzungsmächten tatsächlich auch wahrgenommenen Zuständigkeiten fallen. Die z. B. das Wehrwesen regelnden Bestimmungen gehen, da nur die deutsche Staatsgewalt, nicht auch die Besatzungsgewalt durch das GG gebunden wird, für Berlin ins Leere. (Näheres s. Rdn. 77, 78.) 58 Die Bestimmungen des GG, die dem Bund Hoheitsrechte über oder Rechte in Berlin verleihen, sind nicht generell außer Kraft gesetzt. Sie sind anwendbar, soweit die Westmächte dies im Einzelfall zulassen oder dulden, vgl. Rdn. 48, 73 ff. Art. 84 und 85 GG, die dem Bund Kontroll- und Weisungsrechte gegenüber Ländern verleihen, gelten in Berlin (vgl. auch Zivier, S. 111 f; Fijalkowski, S. 155 f; im einzelnen s. Rdn. 72). Dasselbe gilt für die nach Art. 32 III erforderliche Zustimmung der BReg. zum Abschluß von Verträgen Berlins mit auswärtigen Staaten (s. Rdn. 125, zur diesbezüglichen Praxis, s. Knörr, S. 210 ff; zum Zustimmungserfordernis allerdings a. A., S. 175 f). Im Bereich der bundeseigenen Verwaltung bestehen jedoch z. T. erhebliche Einschränkungen (s. Rdn. 73 ff, s. dort auch zu der fast uneingeschränkten Gleichstellung Berlins bei der durch selbständige Bundesoberbehörden oder bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durchgeführten Bundesverwaltung). Einschränkungen bestehen ferner bei der Rechtsnachfolge des Bundes in das in Berlin belegene Reichsvermögen und beim Übergang von Verwaltungseinrichtungen auf den Bund (s. dazu Art. 48 Rdn. 6 ff. Der Fortbestand von Reichsvermögen neben dem Bundesund Landesvermögen in Berlin ist eine Institution, die das Offenseih der deutschen Frage dokumentiert; zur Reichsbahn- und Reichswasserstraßenverwaltung s. Rdn. 12). 46
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An die Kompetenznormen des GG sind die Berliner Verfassungsor- 59 gane gebunden, sofern alliierte Anordnungen dem nicht entgegenstehen (BVfGE 19, 377, 388; von dem Rdn. 55 aufgeführten Schrifttum wird z. T. zwar die direkte Geltung der Kompetenznormen verneint, die Bindung Berlins unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue aber bejaht, vgl. Hauck, S. 57; wie hier: Bleckmann aaO, Zivier aaO). Die Gebietshoheit der AKB wird durch die Bestimmungen, durch die für die Berliner Staatsorgane nur Unterlassungspflichten begründet werden, nicht berührt (s. oben Rdn. 47, 56; Zivier aaO hält die Art. 70 ff GG deshalb für anwendbar, weil sie dem Zweck dienen, die Harmonie der Rechtsordnung in Bund und Ländern aufrechtzuerhalten). Daß die Berliner Verfassungsorgane mit dem Willen der Westmächte an die Kompetenznormen gebunden sein sollen, wird durch Art. 87 IV VvB bestätigt. In dieser Vorschrift sehen auch diejenigen, die von der Unanwendbarkeit der Art. 70 ff GG und des Grundsatzes der Bundestreue ausgehen, die Pflicht der Berliner Verfassungsorgane begründet, im Zuständigkeitsbereich des Bundes nicht tätig zu werden (Mußgnug, S. 177; Knörr, S. 134, 188; a. A. Pestalozza JuS 1983, 254). Berlin darf, wenn der Bund seine Kompetenzen wegen der hier fortbestehenden Besatzungsrechte nicht wahrnehmen kann, eine eigene Regelung nicht ohne weiteres erlassen. Vielmehr hat es seine Verhältnisse an die im übrigen Bundesgebiet bestehenden materiellen Rechtsverhältnisse anzupassen, sofern alliierte Regelungen nicht entgegenstehen (s. Rdn. 47). Diese Pflicht kann jedoch nur im Rahmen der durch den Bund vorgegebenen Rechtslage zum Tragen kommen. Der Grundsatz der Bundestreue, der auch für den Bund im Verhältnis zu den Ländern gilt (vgl. BVfGE 12, 205 ff), gebietet vorrangig dem Bund, im Rahmen seiner Gesetzgebung für gleiche materielle Rechtsverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu sorgen (bei der konkurrierenden Gesetzgebung ist dies sogar Voraussetzung der Ausübung der Bundeskompetenz im Fall des Art. 72 II Nr. 3 GG). Folglich ist der Bund in Fällen, in denen er wegen fortbestehender Besatzungsrechte gesetzgeberisch für den Bereich des Landes Berlin überhaupt nicht tätig werden kann (wegen der besonderen Problematik hinsichtlich Art. 89 GG für die ehemaligen Reichswasserstraßen im Bereich Berlins vgl. Art. 50, Rdn. 29), verpflichtet, seine Kompetenz dem Land Berlin zu übertragen (so geschehen z. B. beim BWG v. 1953, vgl. Mußgnug, S. 179 f Fn. 72). Art. 71 GG gibt dem Bund für den Bereich seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz ausdrücklich hierfür eine Delegationsbefugnis (vgl. Maunz in MDHS, Art. 71, Rdn. 18 ff). Zu anderen Formen der gesetzlichen 47
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Abschnitt I: Die Grundlagen
Einbeziehung Berlins in Materien des Bundesrechts vgl. Art. 50 Rdn. 29. Auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ist eine Delegation zulässig (Maunz in MDHS, Art. 72, Rdn. 11) und bei NichtÜbernahme eines Gesetzes nach Berlin erforderlich, soweit die Materie durch den Bund erschöpfend (ohne Vorbehalt, Maunz Rdn. 12) geregelt ist (a. A. Zivier, S. 153, der annimmt, daß die Gesetzgebungsbefugnis des Berliner Landesgesetzgebers erhalten bleibt, wie wenn der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hätte). Erst nach einem entsprechenden Gesetzgebungsakt des Bundes wird Berlin berechtigt und nunmehr durch den Grundsatz der Bundestreue und Art. 87IV verpflichtet, für eine der Bundesgesetzgebung materiell entsprechende Rechtslage zu sorgen, soweit Besatzungsrechte dem nicht entgegenstehen. Hat der Bund diese Verpflichtung „vergessen", so ist seine Gesetzgebung insoweit wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Bundestreue verfassungswidrig und Berlin ist — ebenso wie im Falle nicht übernommener Rahmengesetzgebung — zu eigener Gesetzgebung befugt, die in dem durch die Besatzungsrechte zugelassenen Rahmen eine Anpassung an die Bundesgesetzgebung enthalten muß. 60 Das in Berlin geltende Bundesrecht geht dem Berliner Landesrecht gemäß Art. 31 GG vor (zum Vorrang der grundgesetzlichen Bestimmungen s. Rdn. 52). Für einfaches Gesetzesrecht ergibt sich der Vorrang bereits aus Art. 70 ff GG, denn Art. 31 selbst ist nur anwendbar, wenn keine andere Kollisionsregel greift (vgl. zu dieser Streitfrage v. Münch, Grundgesetz-Kommentar Bd. 2, Art. 31 Rdn. 17 f; Maunz in MDHS Art. 31 Rdn. 200- Art. 31 G G bewirkt jedenfalls, daß die Bundesgesetze auch der VvB vorgehen und daß auch Rechtsverordnungen des Bundes dieser Vorrang zukommt. Durch die Anwendbarkeit des Art. 31 G G in Berlin wird die Entscheidungsfreiheit der AKB bei der Ausübung der Gebietshoheit nicht beeinträchtigt, da ihr Einfluß auf die Sachnormen, deren Vorrang Art. 31 G G regelt, unberührt bleibt (vgl. auch Hauck, S. 59). Ohne den Vorrang des übernommenen Rechts könnte das auch von der A K B verfolgte Ziel, unterschiedliche Rechtsentwicklungen zwischen dem Bund und Berlin zu vermeiden (s. Rdn. 52 und Rdn. 84) nicht erreicht werden. Alle deutschen Gerichte und Behörden haben deshalb in ständiger Praxis Art. 31 GG angewandt (vgl. Zivier, S. 148, der daraus schon eine zu Gewohnheitsrecht erstarkte Vorrangsregel herleitet). Im Schrifttum wird diese Auffassung unabhängig von der Qualifizierung des übernommenen Rechts (s. dazu Rdn. 67, 68) geteilt (vgl. z. B. Finkelburg DVB1. 1976, 234 f; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 48
Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
Art. 1
S. 81; Mußgnug, S. 176; Wengler JZ 1974, 532; a. A. und ohne Erwähnung der h. M. Pestalozza JuS 1983, 254, weil er eine dem Art. 87 III 2 VvB entsprechende ausdrückliche Regelung vermißt. Art. 87 III 2 VvB hat jedoch nur deklaratorische Bedeutung, s. oben Rdn. 52). G. Übernahme von Bundesrecht Der „govern"-Vorbehalt schließt eine unmittelbare Geltung des 61 vom Bund gesetzten Rechts in Berlin aus (s. jedoch Rdn. 51). In den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde ein Teil der Bundesgesetze im Wege paralleler Gesetzgebung nach Berlin übernommen (s. dazu Rdn. 69). Seit 1951 erfolgt die Übernahme von Bundesgesetzen im Wege der sog. Mantelgesetzgebung. Das Verfahren der Mantelgesetzgebung ist in mehreren sich ergän- 62 zenden Rechtsvorschriften geregelt. Ermächtigungsgrundlage für den Berliner Gesetzgeber ist Art. 87 II. Mit BK/O (51) 56 (DBF Nr. 131) stellte die AKB klar, daß der in Abs. II lit c des Bestätigungsschreibens zur VvB BK/O (50) 75 enthaltene Vorbehalt dem in Art. 87 II vorgesehenen Verfahren nicht entgegensteht und daß das AvB die unveränderte Übernahme eines Bundesgesetzes oder auch mehrerer Bundesgesetze (BK/L [52] 19, DBF Nr. 133) in einem Berliner Gesetz feststellen kann. Gemäß §§ 12 I, 13 I 3. Ü L G ist Berlin verpflichtet, Bundesgesetze über die in Art. 105 G G bezeichneten Abgaben und sonstige Bundesgesetze, deren Geltung in Berlin vom Bund bestimmt ist, innerhalb eines Monats nach ihrer Verkündung im BGBl, oder im Bundesanzeiger gemäß Art. 87 II VvB in Kraft zu setzen. Diese Verpflichtung besteht jedoch nur, sofern die AKB keinen Einspruch gegen die Übernahme erhebt. Eine nachträgliche Aufhebung der übernommenen Gesetze (Art. VII der Erklärung über Berlin vom 5. Mai 1955, s. Rdn. 26) wird dadurch vermieden. Nicht übernommen oder in einzelnen Punkten abgeändert wurden grundsätzlich Gesetze, die in den Bereich der in der Erklärung vom 5. Mai 1955 definierten Vorbehaltsrechte der AKB fallen (s. oben Rdn. 19 ff; vgl. ferner die bei Lush, S. 765 ff u. D. Schröder ROW 1985, 181, 188 ff genannten Beispiele). Sowohl das Berliner Mantelgesetz als auch das übernommene 63 Gesetz werden im GVB1. verkündet (vgl. dazu Art. 46 Rdn. 4, 7). Die Mantelgesetze haben folgenden Wortlaut (gegenüber dem ursprünglichen Muster — DBF Nr. 135 — wurde die Form geringfügig verändert; meist werden mehrere Bundesgesetze durch ein Mantelgesetz übernommen): 49
Art. 1
Abschnitt I: Die Grundlagen
Gesetz zur Übernahme von Gesetzen vom ... Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel I Nachstehende(s) Gesetz(e) findet(n) in Berlin Anwendung: Artikel II Der Wortlaut von Rechtsverordnungen, die auf Grund des(r) in Artikel I genannten Gesetze(s) erlassen werden, wird im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, der Wortlaut von Verwaltungsvorschriften im Amtsblatt für Berlin von dem zuständigen Mitglied des Senats veröffentlicht. Artikel III Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Die Vorschriften des(r) in Artikel I genannten Gesetze(s) werden zu dem in diesem(n) Gesetz(en) bezeichneten Zeitpunkt(en) ihres Inkrafttretens wirksam. Die Berlin-Klausel in dem zu übernehmenden Bundesgesetz hat folgenden Wortlaut (Beschluß des Bundeskabinetts aus dem Jahre 1954, DBF Nr. 136; das gilt gem. § 12 des 3. ÜLG auch für Gesetze, die Bundesabgabenrecht betreffen; zu den Besonderheiten bei der Bekanntmachung dieser Gesetze s. Art. 73 Vorb. 2 a. E.): Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin. Gegebenenfalls ist der Satz hinzugefügt: Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. Bundesgesetze über internationale Verträge gelten hingegen mit ihrer Verkündung im BGBl, auch mit Wirkung für das Land Berlin als verkündet, sobald ihre Anwendung in Berlin festgestellt worden ist (§ 3 BlnVküG). Eine Veröffentlichung des Wortlautes des Bundesgesetzes im GVB1. erfolgt nicht. Das Berliner Anwendungsgesetz lautet: ... tes Gesetz über die Anwendung von Bundesgesetzen über internationale Abkommen der Bundesrepublik Deutschland vom ... Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: 50
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Art. 1
Artikel I Nachstehende Gesetze über internationale Abkommen der Bundesrepublik Deutschland finden in Berlin Anwendung: i. . . . mit Wirkung vom ... 2. ...
mit Wirkung vom ... 3. ...
mit Wirkung vom ... Artikel II Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Rechtsverordnungen, die auf einer nachkonstitutionellen Ermächti- 64 gungsnorm beruhen, bedürfen, sofern die Ermächtigungsnorm in Berlin übernommen ist, keines Übernahmeaktes in Berlin, § 14 3. ÜLG. Sie sind jedoch im GVB1. zu veröffentlichen (BK/L (52) 81; DBF Nr. 134). In einigen Fällen ist von der AKB bei der Übernahme des Gesetzes bestimmt worden, daß für die Ausdehnung von Verordnungen auf Berlin die vorherige Zustimmung der AKB erforderlich ist (BK/O (75) 1 vom 8. Januar 1975, GVB1. S. 192 betr. Bundes-Immissionsschutzgesetz, ähnlich BK/O (86) 1 vom 13. März 1986, GVB1. S. 523 betr. Bundesjagdgesetz). Rechtsverordnungen, die auf fortgeltendem Reichsrecht beruhen, enthalten eine Berlinklausel und werden durch eine Übernahmeverordnung nach Berlin übernommen. Alle übernommenen Bundesgesetze und Rechtsverordnungen tre- 65 ten zu dem Zeitpunkt, den sie bestimmen, auch in Berlin in Kraft. Erfolgt die Veröffentlichung im GVB1. nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes oder der Bundesrechtsverordnung, so liegt darin in der Regel keine unzulässige Rückwirkung von Gesetzen. Weil die für die Übernahme in Berlin bestimmten Gesetze und Verordnungen mit der Veröffentlichung im BGBl, verkündet sind und von ihrer Übernahme bzw. Geltung (s. Rdn. 64) in Berlin als Regelfall auszugehen ist, greift der Grundsatz des Vertrauensschutzes (BVfGE 18, 429, s. auch Art. 39 Rdn. 8) nicht durch. Bei Bestimmungen, die einer rückwirkenden Inkraftsetzung an sich unzugänglich sind (Straftatbeständen, Verfahrensregelungen), soll bereits der Bund den Zeitpunkt des Inkrafttretens im Land Berlin gegebenenfalls auch abweichend vom 51
Art. 1
Abschnitt I: Die Grundlagen
Inkrafttreten im übrigen Bundesgebiet regeln (Beschluß der Bundesregierung DBF Nr. 136 sub III). Unterbleibt dies, ist in diesen Fällen der Zeitpunkt der Verkündigung maßgeblich, vgl. auch § 2 VKüG. 66 Der Berliner Gesetzgeber ist, soweit er durch besatzungsrechtliche Anordnungen nicht gehindert ist, zur unveränderten Übernahme der Bundesgesetze verpflichtet. Das ist im 3. ÜLG ausdrücklich so vorgesehen (§§12 I, 13 I; § 15 I betr. zulässige Abweichungen) und ist gemäß § 19 II Voraussetzung für die Finanzhilfe, zu der der Bund seinerseits gegenüber dem Land Berlin verpflichtet ist (zur Bedeutung des 3. ÜLG als verfassungsergänzendes Gesetz s. Sendler JuS 1983, 903, 905 ff, s. dort auch [Fn. 24 ff] zu den verschiedenen Versuchen, z. Zt. der AL, inhaltliche Abänderung der zu übernehmenden Gesetze erreichen zu wollen; als Vertragsgesetz mit nur politischer Verbindlichkeit wird das 3. ÜLG begriffen von Lush, S. 761; Pestalozza JuS 1984, 432). Das 3. ÜLG hat diese Übernahmepflicht jedoch nicht begründet, sondern die für den Bund und Berlin bestehende Verfassungspflicht zur Anpassung der Rechtsverhältnisse lediglich konkretisiert (s. Rdn. 47, jedoch Str.; auf Grund der Integrationstheorie für verfassungsrechtliche Übernahmepflicht: BVfGE 7, 1, 13 f; 19, 389; Sendler JuS 1983, 907; dagegen Finkelnburg JuS 1968,11; auf Grund der Nichteingliederungstheorien für Verfassungspflicht: Lerche in: BVfG-Festgabe I, S. 726 ff; Mußgnug, S. 178; dagegen Wengler JZ 1974, 532; Hauck, S. 30). Aus der Form des Art. 87 II als KannVorschrift folgt nicht, das die VvB die Übernahme von Bundesgesetzen in das Ermessen des Berliner Gesetzgebers stellen wollte (das nehmen an, Finkelnburg aaO; Hauck S. 30), denn Art. 87 ist insgesamt eine Vorschrift, die nicht (ausschließlich) das Verhältnis Berlins zum Bund, sondern (auch) das Verhältnis Berlins zur Besatzungsmacht regelt. Durch Art. 87 II sollte klargestellt werden, daß die Global-Übernahme nicht gegen den „govern"-Vorbehalt verstößt und auch sonst — Abweichung von Art. 45, 46 VvB (vgl. Art. 45 Rdn. 6, Art. 46, Rdn. 4) — verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. Suhr StB StVV II S. 530). Aus Art. 31 und der Verfassungspflicht zur unveränderten Übernahme folgt, daß der Berliner Landesgesetzgeber das 3. ÜLG weder im Einzelfall durchbrechen noch insgesamt aufheben darf, es sei denn, daß er besatzungsrechtlichen Anordnungen Folge zu leisten hätte (s. Rdn. 25; nur als „Widerruf auf AKBAnweisung, die völkerrechtlich aber gegen den GenV verstoßen würde, wäre eine Aufhebung des 3. ÜLG theoretisch denkbar; zu der Presseverlautbarung der AKB vom 8. Januar 1952, DBF Nr. 147, s. Mußgnug, S. 178 Fn. 66; vgl. auch Wengler, Festschrift f. Leibholz Bd. II, S. 959 Fn. 42). 52
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Art. 1
Nicht um eine „Durchbrechung" des 3. ÜLG, sondern um eine Form verfassungsrechtlich gebotener Anpassung handelt es sich, wenn Berlin — wie im Fall der Änderung des §218 StGB — das für die Übernahme in Berlin vorgesehene und im BGBl, bereits verkündete Bundesgesetz deshalb nicht übernimmt, weil durch eine in Berlin nicht geltende einstweilige Anordnung des BVfG gem. § 32 BVfGG Gesetzesänderungen erfolgten. Zur Bindung der Berliner Verfassungsorgane an die Entscheidungen des BVfG s. unten Rdn. 103. Das gemäß Art. 87 II VvB im Wege der Mantelgesetzgebung über- 67 nommene Recht gilt in Berlin nach der Rechtspr. des BVfG und der h. M. im Schrifttum als Bundesrecht (BVfGE 19, 377, 388; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 102 f; Finkelnburg JuS 1968, 12 - relativierend jedoch DVB1. 1976, S. 236; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 81; Maunz in: MDHS Art. 144 Rdn. 13; Kreutzer JR 1951, 643; Sendler JR 1958, 81; Stern DVB1. 1963, 697, 703; Zivier, S. 150f; Apell S. 40 ff mit weiteren Nachw. Fn. 66). Das Übernahmeverfahren ist danach so zu verstehen, daß das AvB aus Gründen, die außerhalb der innerstaatlichen Kompetenzordnung liegen, dem vom Bundesgesetzgeber gesetzten Recht die Geltung in Berlin vermittelt, ohne daß das AvB den Willen hat, selbst gesetzgeberisch tätig zu werden (BVfG aaO; ähnlich die Zustimmung der Reg. der Länder im Fall des Art. 127 GG). Nach der Als-Ob-Theorie (s. Rdn. 40, 48) handelt es sich bei dem übernommenen Recht um besonders qualifiziertes Landesrecht (Wengler, Festschrift für Leibholz II, S. 939; Lerche BVfG-Festgabe I, S. 728, auch Zuleeg in: Kommentar zum GG Bd. 1 B Rdn. 84). Entsprechend der von der AKB gebilligten Praxis ist auch nach dieser Meinung das übernommene Recht inhaltlich Bundesrecht: Es geht dem sonstigen Landesrecht einschließlich der VvB vor, ist wie Bundesrecht i. S. der prozessualen Vorschriften voll revisibel und unterscheidet sich von jedem anderen rezipierten Recht dadurch, daß ihm ein einheitlicher Geltungsbereich bestehend aus Berlin und dem westdeutschen Gebiet zugrunde liegt. Demgegenüber wird vereinzelt (vor allem von Vertretern der Nichtzugehörigkeitstheorien, s. Rdn. 41) die Auffassung vertreten, das Bundesrecht gelte in Berlin kraft Rezeption als materielles Landesrecht, das mit dem Bundesrecht lediglich inhaltsgleich sei (Pestalozza JuS 1983, 254; 1984, 432; Schulze DuR 1975, 286 ff; Hamann/Lenz, GG, Art. 23 Rdn. 3). Diese Auffassung widerspricht den tatsächlich bestehenden Rechtsverhältnissen (vgl. die Rdn. 84 und bei Zivier S. 146 ff aufgeführten Beispiele, die die Annahme widerlegen, Berlin und Westdeutschland seien zwei Rechtsgebiete 53
Art. 1
Abschnitt I: Die Grundlagen
mit gleichlautenden Vorschriften; zum Vorrang des übernommenen Rechts s. Rdn. 60) und läßt sich aus den Erklärungen und Anordnungen der Westmächte nicht herleiten. 68 Die Westmächte haben sich zur inhaltlichen Qualität des nach Berlin übernommenen Bundesrechts nicht geäußert. Daß sie dieses Recht materiell für Landesrecht hielten (wie Pestalozza JuS 1984,432 zu Fn. 15 und in: Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 201 Fn. 58 annimmt), haben sie in keiner ihrer Erklärungen zum Ausdruck gebracht (vgl. auch Rede des Außenministers Cheysson, der zwischen anwendbarem Bundesrecht und Berliner Landesrecht unterscheidet und nicht nur von einheitlichem Berliner Landesrecht ausgeht, Prot, d. französischen Senats vom 2.4.1982, S. 844; vgl. ferner die Bezugnahme der AKB in BK/L (57) 44, DBF 142 D auf „die zu Bundesrechtsvorschriften herausgegebenen Verordnungen"). Lediglich die Übernahmegesetze selbst haben sie als gesetzgebende Handlungen des AvB gekennzeichnet und hervorgehoben, daß diese sich in rechtlicher Hinsicht von den betreffenden Bundesgesetzen unterscheiden (vgl. die aus Anlaß der Niekisch-Entscheidung des BVfG abgegebene Erklärung, Rdn. 85). Dasselbe besagen die übrigen Erklärungen und Anordnungen, daß nämlich die Bestimmungen der Bundesgesetzgebung als Bestimmungen der Berliner Gesetzgebung „in Kraft treten" (BK/O (74) 2 vom 23. April 1974, GVB1. S. 1055; ebenso das Bestätigungsschreiben zur VvB, s. Rdn. 35). Im 3. ÜLG wurden alle Bestimmungen gestrichen, die den Eindruck erweckten, als trete in Berlin Bundesrecht als solches, d. h. ohne Zwischenschaltung des Berliner Gesetzgebers in Kraft (§§ 11,13 Abs. 3,14 Satz 1). Den Westmächten kam es stets nur auf eine klare Kennzeichnung des Sachverhaltes an, daß Bundesgesetze in Berlin nicht unmittelbar („als solche"), sondern kraft eines konstitutiven Aktes des Berliner Gesetzgebers als eines der Besatzungsgewalt unterworfenen Staatsorgans gelten (so auch Zivier, S. 150f), denn hieraus ergibt sich für die AKB das Recht, durch Verhinderung, Abänderung oder Aufhebung des Berliner Anwendungsgesetzes über die Geltung, Abänderung oder Aufhebung des ihm zugrundeliegenden Bundesgesetzes zu entscheiden (s. Rdn. 26, vgl. auch Lush, S. 762; zur insoweit abweichenden Rechtslage im Bereich des EG-Rechts s. Rdn. 128). Dementsprechend haben sie auch in Fragen der Außerkraftsetzung dieses Rechts durch Volksentscheid (ehemals Art. 49) oder landesverfassungsgerichtliche Entscheidung keiner zwischen der Übernahmegesetzgebung und der sonstigen Landesgesetzgebung differenzierenden Lösung zugestimmt (vgl. Zivier, S. 149; zu diesen und weiteren Hinderungsgründen für die Einrichtung eines BerlVerfGH s. Art. 72 Rdn. 3). 54
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Ähnlich wie bei der Status-Frage (s. Rdn. 45, 49), erweist sich die Auseinandersetzung um die Rechtsqualität des übernommenen Rechts als Auseinandersetzung um die Bezeichnung eines RegelAusnahmeverhältnisses, der keine praktische, sondern nur politische Bedeutung zukommt (in diesem Sinne auch Finkelnburg DVB1 1976, S. 236). Allerdings hat das BVfG seine Zuständigkeit zur Entscheidung über Verfassungsbeschwerden in Berliner Sachen unter anderem damit begründet, daß das nach Berlin übernommene Recht „Bundesrecht" sei (BVfGE 19, 377; 37, 57, 62). Jedoch sollte damit nur eine Abgrenzung zu den Fällen geschaffen werden, in denen sich die Rechtsprechung des BVfG als unzulässiges „govern" darstellt, nämlich zum Bereich der eigentlichen Berliner Landesgesetzgebung. Vom sonstigen Landesrecht unterscheidet sich das im Wege der Mantelgesetzgebung übernommene Recht indessen nicht nur dadurch, daß es inhaltlich Bundesrecht ist und daß der Berliner Landesgesetzgeber bei der Übernahme keinen Ermessensspielraum hat und es auch nicht aufheben darf. Es unterscheidet sich auch durch seine Rechtsquelle: das von den Westmächten gebilligte Übernahmeverfahren schließt die Annahme aus, daß das übernommene Recht seine Geltung ausschließlich durch den Berliner Gesetzgeber erhält; es ist zumindest von einem gemeinsamen Gesetzgebungsakt des Bundes und des Landes Berlin auszugehen (Zivier, S. 151; Stern DVB1. 1963, 703). Um inhaltliches Bundesrecht handelt es sich auch bei den im Wege 69 der Parallelgesetzgebung übernommenen Gesetzen (sofern sie keine materiellen Abweichungen von den im übrigen Bundesgebiet geltenden Gesetzen enthalten). Auch hier handelte der Berliner Gesetzgeber in Erfüllung einer ihm obliegenden, möglicherweise damals noch nicht erkannten Anpassungspflicht (s. Rdn. 66), so daß sich die Parallelgesetzgebung nur als ausführliche Mantelgesetzgebung darstellt (so im Ergebnis auch KG NJW 1977, 1694 und NJW 1979, S. 881; Sendler JR 1958, 127; a. A. Finkelnburg JuS 1968,12; Kreutzer JR 1951, 642). Zur Rechtsqualität des fortgeltenden Reichsrechts s. Art. 48 Rdn. 3. Ein nach Berlin übernommenes Bundesgesetz, das vom BVfG für 70 nichtig erklärt worden ist, verliert in Berlin — ex tunc — seine Gültigkeit. Das folgt nicht aus § 31 BVfGG, der in Berlin nicht gilt, sondern daraus, daß dem Mantelgesetz sein Substrat entzogen wird (BVfGE 19, 389; BFH BStBl. 1963 III S. 189; E 76, 517; kritisch Pestalozza AöR 96, 27, 76; Apell, S. 73 m. weiteren Nachw., dagegen vgl. aber Rdn. 85 u. 103). Die diesbezügliche seit Jahren geübte Praxis der Berliner Gerichte und Behörden gehört zu den „geltenden 55
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Verfahren bezüglich der Anwendbarkeit der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland", die gemäß dem Interpretationsschreiben I, lit. d zum Viermächte-Abkommen unverändert bleiben (Mußgnug, S. 166 f). Wegen der Bindung der Berliner Gerichte an die (verfassungskonforme) Auslegung von Bundesrecht durch das BVfG s. Rdn. 103. H. Einbeziehung Berlins in die Verwaltung des Bundes
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Bei nach Berlin übernommenen Bundesgesetzen ist für die exekutive Ausführung dieser Gesetze danach zu unterscheiden, ob es sich um solche handelt, die nach den Art. 83 ff GG von den Ländern ausgeführt werden, oder um solche, für die bundeseigene Behörden vorgesehen sind. 72 Werden die Bundesgesetze von den Ländern in eigener Verantwortung ausgeführt, übt gem. Art. 84 III GG die Bundesregierung die Aufsicht darüber aus, ob die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß angewendet werden. In diesem Bereich kann die Bundesregierung auch mit Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 II GG allgemeine VerwaltungsVorschriften erlassen (vgl. auch Knörr S. 145). Einzelweisungen kann sie nur im Ausnahmefalle erteilen, Art. 84 V GG (skeptisch zur Zulässigkeit überhaupt Knörr aaO). Ist vorgesehen, daß die Länder die Bundesgesetze nicht als eigene Angelegenheit, sondern im Auftrag des Bundes ausführen, Art. 85 I GG, erstreckt sich die Bundesaufsicht auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Auch insoweit kann sie mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, Art. 85 II 1 GG. Sie kann auch die einheitliche Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln und hat ein Mitentscheidungsrecht bei der Bestellung der Leiter von Mittelbehörden. Außerdem unterstehen im Rahmen der Auftragsverwaltung die Landesbehörden den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden, Art. 85 III 1 GG. In diesem Rahmen kann die Bundesregierung Berichte und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu Behörden entsenden (skeptisch auch hier Knörr aaO). Die Ausübung der Bundesaufsicht bedeutet Ausübung von Regierungsgewalt gegenüber den Ländern. Diese wirft unter Berücksichtigung der besonderen Stellung Berlins einige Probleme auf. Grundsätzlich gelten die Kontrollrechte des Bundes auch für Berlin. Soweit die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften erläßt, müssen diese in Berlin von dem zuständigen Senatsmitglied im Amtsblatt veröffentlicht werden (BK/L [52] 81 vom 28. August 1952, DBF 56
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Nr. 134; vgl. Knörr aaO). Ein „Regieren" des Landes Berlin durch den Bund liegt somit nicht vor, weil die Organe des Landes Berlin sowohl bei der Übernahme des Gesetzes als auch bei seiner Ausführung mitwirken müssen. Dementsprechend können auch Bundesbehörden gem. Art. 85 I 1, 84 V G G für die Berliner Landesbehörden Einzelweisungen erteilen. Um sich hierfür sachkundig machen zu können, muß es der Bundesregierung auch möglich sein, Beauftragte zu den Berliner Behörden senden und im Falle der Auftragsverwaltung Bericht und Vorlage der Akten verlangen zu können, Art. 84 III 2, Art. 85 IV 2 G G (so auch Zivier S. l l l f ; a. A. Knörr aaO). Ob allerdings bei Mängeln in der eigenverantwortlichen Berliner Ausführung von Bundesgesetzen auf Antrag der Bundesregierung der BR beschließen kann, daß das Land Berlin das Recht verletzt hat (Art. 84 IV 1 GG), dürfte wegen des „govern-Vorbehalts" zumindest zweifelhaft sein, obwohl Berlin im Bundesrat vertreten ist (s. Rdn. 112, 114). Praktisch geworden sind diese Aufsichtsmaßnahmen bisher nicht. Sicher dürfte sein, daß Berlin gegen einen etwaigen Beschluß des BR nicht das BVfG gem. Art. 84 IV 2 G G anrufen kann (s. Rdn. 86). Soweit in übernommenen Bundesgesetzen vorgesehen ist, daß diese 73 in bundeseigener Verwaltung durch bundeseigene Behörden ausgeführt werden, erstrecken sich deren Kompetenzen auch auf Berlin und seine Bürger. Allein an die 50 Bundesbehörden haben ihren Sitz oder zumindest Außenstellen in Berlin, z. B. die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, die Bundesanstalt für Materialprüfung, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, das Bundeskartellamt, das Bundeszentralregister, das Bundesversicherungsamt, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Bundesanstalt für Arbeit mit Landesarbeitsamt und Arbeitsämtern, das Bundesgesundheitsamt, der Landesbeauftragte für Berlin der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Bundesumweltamt, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Zum Teil beruht dieser Sitz in Berlin allerdings darauf, daß schon die entsprechenden preußischen oder Reichs-Behörden ihren Sitz in Berlin hatten (zur Bundesjustiz vgl. Rdn. 84). Gem. BK/O (51) 56 i.d.F. v. BK/O (55) 10 vom 14. Mai 1955 (DBF, Nr. 131) muß allerdings bei der Übernahme derartiger Bundesgesetze das Mantelgesetz grundsätzlich festlegen, daß alle Hinweise in den Bundesgesetzen, -Verordnungen und sonstigen Bestimmungen auf irgendeine Bundesstelle oder Bundesbehörde als Hin57
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weise auf die zuständige Berliner Stelle oder Berliner Behörde ausgelegt werden sollen; bei Zweifeln muß Berlin diese durch Klarstellung beseitigen. Eine Ausnahme ist nur vorgesehen, wenn der SvB oder das AvB beschließt, daß die praktische Anwendung des Gesetzes dies erfordert. Die AKB hat klargestellt, daß die Befugnisse und Zuständigkeiten der Besatzungsbehörden von einer Übertragung irgendwelcher Befugnisse an Beamte oder Stellen außerhalb Berlins (insbesondere also auch Bundesbehörden) unberührt bleiben. Die Tätigkeit derartiger Beamter oder Stellen in Berlin einschließlich der Arbeiten, die unter ihrer Anweisung erfolgen, unterliegt den gleichen Bedingungen hinsichtlich der Befugnisse der Besatzungsbehörden wie die Arbeit der Berliner Behörden. Zusätzlich wurde klargestellt, daß die Amtsgewalt der in Berlin ansässigen Behörden als von der Berliner gesetzgebenden Körperschaft oder Regierung abgeleitet gilt (BK/ O [51] 63 vom 13. November 1951, DBF Nr. 132). Dies gilt allerdings nur für ihre Amtsgewalt in Berliner Sachen. Dagegen begründet die bloße Tatsache, daß eine Bundesbehörde ihren Sitz in Berlin hat, keine Kontrollbefugnis der Alliierten, sofern die Behörde in westdeutschen Sachen entscheidet (Zivier, S. 115, Fn. 59). Dadurch, daß insbesondere bei der Ausführung von nach Berlin übernommenen Bundesgesetzen durch bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Bundesoberbehörden gem. Art. 87 II und III GG deren Zuständigkeit sich auch auf Berlin erstreckt, ist Berlin nahezu vollständig gleich den westdeutschen Ländern der Verwaltungshoheit des Bundes unterworfen. Die zuständigen Bundesbehörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des Bundes werden auch in Berliner Sachen tätig und erlassen Verwaltungsakte gegenüber Berüner Bürgern; die Bediensteten dieser Behörden oder Körperschaften sind Beamte oder Arbeitnehmer des Bundes, auch wenn die betreffende Bundesoberbehörde, öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt (oder Stiftung) ihren Sitz in Berlin hat. 74 Zu dem Grundsatz, daß wegen der fast uneingeschränkten Geltung der Art. 87 II und III GG für die Bundesverwaltung durch Bundesoberbehörden oder bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts das Land Berlin nahezu vollständig gleich den westdeutschen Ländern der Verwaltungshoheit des Bundes unterworfen ist, sind allerdings folgende, über die in den in Rdn. 72, 73 genannten alliierten Bestimmungen hinausgehende Besonderheiten zu verzeichnen: Verwaltungszuständigkeiten des Bundes, die sich aus den Artikeln des GG über die Verfassungstätigkeiten der Verfassungsorgane des Bundes ergeben oder die durch ausdrück58
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liehe Aufzählung im GG eine direkte ministerielle Verwaltung durch oberste Bundesbehörden vorsehen bzw. zulassen (vor allem Art. 87 I ff GG) oder den Bereich des Verkehrswesens i. w.S. berühren, unterliegen erheblichen Einschränkungen, weil sich daraus am ehesten eine Bundesverwaltung auch im Land Berlin im Sinne der von den Alliierten nicht zugelassenen Ausübung unmittelbarer Bundesstaatsgewalt ergeben würde (vgl. dazu ausführlich Rdn. 108 ff). Einschränkungen der Verwaltungszuständigkeit des Bundes für das Land Berlin gibt es darüber hinaus in einigen Fällen, in denen durch Bundesgesetz Bundesminister zum Gesetzesvollzug durch direkt auf die Länder wirkende Einzelfallentscheidungen (nicht normativer Art) ermächtigt sind (vgl. dazu Rdn. 80 ff). Soweit Verwaltungszuständigkeiten des Bundes hinsichtlich des 75 Landes Berlin sich aus den Artikeln des GG über die Tätigkeiten der Verfassungsorgane des Bundes ergeben, sind Amtshandlungen nur zulässig, die nicht Berlin, sondern nur den Bund (die Bundesrepublik im übrigen) betreffen oder wegen der Duldung oder Zulassung durch die AKB im Einzelfall als Ausübung mittelbarer Bundesstaatsgewalt anzusehen sind. Diese Regelung ist im Viermächte-Abkommen ausdrücklich bestätigt worden (vgl. Rdn. 109 bis 111). Zulässig ist deshalb die räumliche Repräsentationspräsenz des Bundespräsidenten (vgl. auch Art. 89), die Verwaltung des Reichstagsgebäudes als Dienststelle des Deutschen Bundestages (vgl. Rdn. 106, 107), das zum Bundeskanzleramt gehörende Amt des Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin (vgl. Rdn. 108). Abgesehen von den allgemeinen alliierten Bestimmungen und den 76 durch das Viermächte-Abkommen bestätigten besonderen Einschränkungen für Amtsakte der Bundesregierung, Bundesminister, Bundesministerien und deren Zweigstellen (zur Bundesjustiz vgl. Rdn. 84) besteht eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes (z. B. für den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften, vgl. aber Rdn. 72) auch hinsichtlich des Landes Berlin im Sinne der Ausübung mittelbarer Staatsgewalt durch oberste Bundesbehörden (unabhängig von der Amtstätigkeit der Berliner Zweigstellen der Bundesministerien in der „Verbindungsbehörde" beim Bundesbevollmächtigten, vgl. Rdn. 109 flF) vor allem für die nicht ausdrücklich im GG genannten Bundesministerien sowie das Bundesjustizministerium (Oberbundesanwalt beim BVerwG, BDisziplinaranwalt, Dienststelle Berlin, Generalbundesanwalt, Dienststelle Berlin, vgl. dazu Rdn. 84), soweit die Geltung entsprechenden Bundesrechts für Berlin nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist oder Einschränkungen für den Vollzug bestehen (s. Rdn. 80). 59
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Auffalligstes Beispiel dafür ist die Tätigkeit der Treuhandstelle für Industrie und Handel, die eine Dienststelle (besonderer Art) des Bundesministers für Wirtschaft ist (zum innerdeutschen Handel vgl. Grundlagenvertrag BRep./DDR, Art. 7, Zusatzprotokoll II), aber auch die Reisepaßausgabe in Berlin durch den Bundesminister des Innern (s. Rdn. 29; vgl. § 19 I 1 2. Halbs. PaßG vom 19.4.1986, BGBl. I, S. 537 iV.m. §27 Nr. 2 DVO/ASOG - Landeseinwohneramt). Ebenso besteht eine Bundeszuständigkeit für die Währungsverwaltung durch die Deutsche Bundesbank gemäß Art. 88 GG (vgl. Art. 50 Rdn. 31), ferner im Rahmen der Auftragsverwaltung hinsichtlich der Bundesautobahnen und -fernstraßen gemäß Art. 90 GG, die auch im Land Berlin Eigentum des Bundes sind, und für die Verwaltung durch den Bundesrechnungshof gemäß Art. 114 II GG (vgl. Art. 83 Rdn. 22), der in Berlin eine Dienststelle hat. 77 Bei den übrigen Verwaltungszuständigkeiten des Bundes, die durch im GG genannte oberste Bundesbehörden wahrgenommen werden können, sind für Berlin folgende Artikel des GG nicht anwendbar, soweit sie eine solche Bundesverwaltung und/oder deren Amtstätigkeit vorsehen: (1) Art. 35 II GG bezüglich der Anforderung des Bundesu. Art. 91 I GG grenzschutzes oder der Streitkräfte durch Berlin (2) Art. 35 III GG bezüglich Einsatzrecht und Weisungsrecht Art. 91 II GG der BReg. gegenüber Berlin Art. 87 a IV GG Art. 37 II GG (3) Art. 87 a) u. b) bezüglich Streitkräfte, Wehr- und sonstiger Verwaltung für militärische Verteidigungszwecke, womit insoweit auch die Art. 12 a (zur Geltung des Art. 12 a I bezügl. Zivilschutz und zu Art. 12 a II vgl. Scholz in MD, Art. 12a, Rdn. 35, und BK/O (65) 11, GVB1. 1965, S. 1432), 4 III (s. Art. 21 Rdn. 2) und 17 a GG für Berlin obsolet sind. (4) Art. 87 d bezüglich Luftverkehr (vgl. Alliierte Erklärung von 1955, Art. III b über den Zivilflugverkehr für Berlin, Rdn. 21 ff und 12; zur Anwendbarkeit des LuftVG vgl. grundsätzlich BK/O (82) 6, GVB1. 1982, S. 1203) u. Art. 89 I, II 1 bezüglich Wasserstraßen (vgl. aber Rdn. 78, Art. 48 Rdn. 6f u. Art. 50 Rdn. 29) 60
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Art. 115 c III
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bezüglich Verteidigungsfall (zur grundsätzlichen Unanwendbarkeit des X a. Abschnittes des GG in Berlin s. Rdn. 51): Änderung der Abschnitte Verwaltung und Finanzen, soweit sich durch die Einführung von Bundesverwaltung unmittelbare Bundesstaatsgewalt auf Berlin auswirken würde, insbes. auch im Hinblick auf das Einsatzrecht und ein allg. Weisungsrecht der BReg. gegenüber Berlin
Darüber hinaus sind in Berlin aus dem Bereich des Art. 87 I GG 78 nicht anwendbar die Bestimmungen für folgende Sachgebiete der Bundesverwaltung (zu den Art. 130 und 134 GG vgl. Art. 48 Rdn. 7, 8): 1) Betrieb von (vgl. Rdn. 12, in Berlin existiert ledigBundeseisenbahnen lieh eine Dienststelle der Deutschen Bundesbahn) 2) Wasserstraßensoweit die reine Wasserstraßen- einund Schiffahrtsschließlich Schleusen-BetriebsverwalBetriebsverwaltung tung betroffen ist (vgl. Rdn. 12, 77, Art. 48 Rdn. 7; für Binnenschiffahrtsaufgaben kann nach Art. 89 II 2, 85 GG Auftragsverwaltung vorgesehen werden, vgl. Art. 50 Rdn. 29) 3) Bundesgrenzschutz (vgl. Alliierte Erklärung von 1955, Art. II u. Ille, Rdn. 21) 4) Verfassungsschutz (vgl. Alliierte Erklärung von 1955, BundesnachrichtenArt. II, womit auch Art. 10 II GG in dienst, Militärischer Berlin insoweit obsolet ist, vgl. Abschirmdienst Art. 10 Rdn. 8) Für die übrigen in Art. 871 GG genannten Gebiete der Bundesver- 79 waltung gelten einige Einschränkungen: 1) Bei den Zuständigkeiten des AuBenimnisteriums hinsichtlich Berlins ist abgesehen von der allgemeinen Einschränkung (vgl. Rdn. 121 u. 135) besonders zu beachten: Wenn ein ausländischer Staat seine Staatsangehörigen in Berlin konsularisch betreuen will, ist der Antrag auf Zulassung eines Konsuls nicht an die Bundesrepublik Deutschland zu richten, sondern über die Bonner Botschafter der drei Westmächte an die drei Westalliierten in Berlin. Die Botschafter werden dabei in Ausübung der verbliebenen Befugnisse der Hohen Kommissare in Deutschland tätig. Als 61
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solche unterrichten sie die BReg. über die erfolgte Zulassung eines Konsuls in Berlin (vgl. auch Rdn. 126 a. E.). 2) Für die Bundesfinanzverwaltung, die gemäß Art. 108 GG auch die Zoll-, Monopol-, und EG-Abgaben-Verwaltung umfaßt (vgl. Vorbemerkung vor Art. 73), bestehen hinsichtlich Berlins Besonderheiten (vgl. Art. 50/51, Rdn. 28, Art. 73 Vorb. 6). Die in Berlin (im Außendienst in den Uniformen der Bundeszollverwaltung) tätigen Zollbeamten haben die Außengrenzen des Zollgebietes der Europäischen Gemeinschaft (vgl. EWG-VO Nr. 2151/84 vom 23. 7.1984, ABl. L 197, S. 1 ff, m. Änd. ABl. 1985, L 34, S. 32, und ABl. 1985, L 302, S. 1 ff; vgl. insb. §2 ZollG) ohne jede Einschränkung (zu den polizeilichen Funktionen des Zolldienstes bei der Grenzaufsicht vgl. BK/O (62) 9, GVB1. 1962, S. 1255, § 5 I ASOG i. V. m. SvB-Beschluß Nr. 1121/76 vom 28. 9.1976) zu überwachen (Alliierte VO über Devisenbewirtschaftung u. a., VOB1. 1950 I S. 304, 306, 466, VOB1. 1951 I, S. 53; §§ 1, 71 II ZollG; vgl. auch Rdn. 129), wobei allerdings zu beachten ist, daß Waren mit Ursprung aus der DDR und Ost-Berlin zoll- und abschöpfungsfrei geliefert werden (vgl. Art. 4 EWG-VO Nr. 2154/ 84, aaO, und § 2 ZollG) wegen der im EWG-Vertrag bestätigten Weitergeltung des Protokolls über den innerdeutschen Handel (zum Einschreiten bei zoll-, abschöpfungs- und steuerpflichtigen Geschäften mit nach der EG-Gesetzgebung als exterritorial zu behandelnden alliierten Dienststellen oder Angehörigen der alliierten Streitkräfte vgl. AvB-DrS. 9/898 S. 28 03) Für die Postverwaltung bestehen hinsichtlich Berlins ebenfalls Besonderheiten (vgl. Art. 50/51, Rdn. 27). 80 Einschränkungen der Verwaltungszuständigkeit des Bundes, soweit der Vollzug von Bundesgesetzen durch oberste Bundesbehörden betroffen ist (vgl. Rdn. 74), bestehen vor allem in folgenden Fällen: (a) Nach § 5 II VereinsG des Bundes sind Vereinsverbote und ähnliche Verfügungen, die gem. § 3 II Nr. 2 VereinsG vom Bundesminister des Inneren erlassen worden sind, von der zuständigen Berliner Behörde erst zu vollziehen, wenn der SvB die Ausdehnung des Verbots oder der Verfügung auf das Land Berlin festgestellt hat. Der AusdehnungsVerfügung des SvB kommt nur deklaratorische Bedeutung zu; sie hat auch keine konstitutive Bedeutung hinsichtlich des Zeitpunkts des Verbots (OVG Berlin OVGE 10, 160). Vielmehr ergibt sich dieser aus der Verfügung des Bundesinnenministers wie beim Verbot einer in Berlin und im übrigen Bundesgebiet tätigen politischen Partei, wenn diese vom BVfG in Westdeutschland für verfassungswidrig erklärt wird 62
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(§10 II 2 LWG sieht wegen der Verbotswirkung ausdrücklich vor, daß eine derart verbotene Partei keine Wahlvorschläge für Wahlen zum AvB und der BVV einreichen darf, vgl. Rdn. 86). Angefochten werden muß daher materiell das Verbot des Bundesministers des Innern, und zwar vom Gesamtverein beim BVwG, § 50 I, Nr. 2 VwGO. Eine gegen die Ausdehnungsverfügung des SvB erhobene Klage beim OVG Berlin ist von diesem bis zur Entscheidung des BVwG (an die das OVG nach § 51 III VwGO gebunden ist) auszusetzen, §§48 II, 51 II VwGO. Nach Unanfechtbarkeit des Vereinsverbotes des Bundesministers des Innern kann die Ausdehnungsverfügung des SvB nicht mehr mit der Begründung angefochten werden, daß das Vereinsverbot rechtswidrig sei (OVG aaO). (b) Nach § 32 S. 2 EGGVG können sog. Kontaktsperren für Häft- 81 linge und ihre Rechtsanwälte vom Bundesminister der Justiz angeordnet werden. Ebenso wie beim VereinsG ist die Kontaktsperre von der zuständigen Berliner Behörde erst zu vollziehen, wenn eine entsprechende Ausdehnungsverfügung des Justizsenators vorliegt (BK/O (77) 9, GVB1. 1977, S. 2012). (c) Einzelweisungen der Bundesregierung aus Zwecken der inneren 82 oder äußeren Sicherheit in Paß- und Grenzangelegenheiten bedürfen zu ihrer Durchführung der Zustimmung des Senats von Berlin (§23 II PaßG vom 19.4.1986, s. oben Rdn. 29), da in Berlin ausschließlich Landespolizei (zu den Befugnissen des Zolldienstes s. o. Rdn. 79) für die Kontrolle des grenz- und die Demarkationslinie überschreitenden Verkehrs zuständig ist (vgl. auch § 26 Nr. 2 PaßG und Alliierte Erklärung von 1955, Art. II u. Ille, Rdn. 21, sowie Art. 44 Rdn. 2; zur Kontrolle auf den Berliner Flughäfen vgl. BK/O (70) 3, GVB1. S. 1183). Darüber hinaus unterliegt der Vollzug von nicht in Berlin gelten- 83 dem Bundesrecht durch Bundesbehörden Beschränkungen in dem Umfang, wie alliierte Vorbehalte ausdrücklich entgegenstehen. Allerdings ist auch in diesen Fällen wegen der in Art. 351GG bestehenden Pflicht aller Berliner Behörden und Gerichte (siehe Rdn. 84) zur Rechts- und Amtshilfe entsprechenden Ersuchen von Bundesbehörden (wie auch von Behörden anderer Bundesländer) grundsätzlich nachzukommen, es sei denn, daß auch insoweit alliierte Vorbehalte bestehen. So ist z. B. im Bereich der Wehrverwaltung den Wehrbehörden untersagt, Einberufungsbescheide nach Berlin zuzustellen (BVwG VwRspr. (25) 1974, Nr. 126). Dies hat die AKB durch BK/L (69) 29 vom 8. August 1969 ausdrücklich untersagt. Dies gilt auch dann, 63
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wenn eine Musterung bereits erfolgt war und der Wehrpflichtige seinen Aufenthalt zwischenzeitlich aus dem übrigen Bundesgebiet nach Berlin verlegt hat, und selbst dann, wenn es sich bei dem Aufenthalt in Berlin (z. B. zu Ausbildungszwecken bei Minderjährigen) nicht um einen ständigen Aufenthalt handelt. Einberufungsbescheide können auch nicht im Wege der Amtshilfe durch Berliner Behörden zugestellt werden. Möglich ist allerdings im Wege der Rechts- und Amtshilfe, Haftbefehle in Berlin zu vollstrecken, wenn dem Betreffenden ein Musterungsbescheid zugestellt ist oder aber ein Einberufungsbescheid vor seinem Umzug nach Berlin ordnungsgemäß zugestellt (und bestandskräftig geworden) war oder der Betreffende zuvor wegen Fahnenflucht rechtskräftig verurteilt worden war (vgl. Rdn. 84 a. E.). I. Einbeziehung Berlins in das Gerichts- und Rechtsprechungssystem des Bundes 84 Das Land Berlin ist durch Geltung des GVG und der Prozeßordnungen des Bundes nahezu vollständig in das Gerichts- und Rechtsprechungssystem des Bundes eingegliedert (über die Einbeziehung in den Bereich der Rspr. des EuGH s. Rdn. 129, in den der MRK s. Rdn. 134, zu den Beschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit s. Rdn. 27). Lediglich das BVfGG durfte nicht nach Berlin übernommen werden; auch ergeben sich nach der BK/O (76) 8 (GVB1., S. 1950) geringfügige Abweichungen hinsichtlich der Kompetenzen des Generalbundesanwalts. Gegen Entscheidungen der Berliner Gerichte sind die in den Prozeßordnungen des Bundes vorgesehenen Rechtsmittel an die obersten Gerichtshöfe des Bundes nach Maßgabe der Prozeßordnungen zulässig, und zwar gleichgültig, ob der Entscheidung der Berliner Gerichte Landes- oder Bundesrecht zugrunde lag. Durch BK/O (51) 10 (VOB1.1951, S. 106) hat die AKB allerdings hinsichtlich der Anwendbarkeit des GVG eine rechtswahrende Erklärung abgegeben (insoweit nicht veröffentlicht, Textwiedergabe bei Lush, S. 778, s. auch BVfGE 19, 387), wonach der alleinige Zweck dieses Gesetzes darin besteht, unterschiedliche Entwicklungen zwischen dem Gerichts- und Rechtsprechungssystem Berlins und des Bundes ansonsten zu verhindern und diese soweit wie möglich in Übereinstimmung zu bringen, ohne daß die damit gegebene Zuständigkeit des BGH für Berliner Sachen ein Schritt in Richtung auf die Verwandlung der Westsektoren Berlins in ein zwölftes Land der Bundesrepublik sei. Augenfälligster Ausdruck der Zuständigkeit der obersten Gerichtshöfe des Bundes für Berlin ist der Umstand, daß sowohl das BVwG 64
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als auch der BGH mit seinem 5. Strafsenat ihren Sitz in Berlin haben. Die Berliner Gerichte und die Gerichte im übrigen Bundesgebiet sind einander zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet, ebenso wie sich die Exekutivbehörden gegenseitig Amtshilfe leisten müssen (Art. 35 1 GG). Daher sind rechtskräftige Urteile, Beschlüsse oder Haftbefehle von Gerichten aus dem übrigen Bundesgebiet in Berlin ohne weiteres vollstreckbar und umgekehrt, wobei die Vollstreckbarkeit ebensowenig wie die Pflicht zur Amtshilfe davon abhängt, ob die Rechtsvorschrift, auf der die Entscheidung oder das Rechtshilfeersuchen beruht, bundeseinheitlich gilt und ob sie nach in Berlin übernommen ist oder nicht (Ausnahmen z. T. bei Rechts- und Amtshilfe in Wehrpflichtsachen, vgl. oben Erl. Rdn. 83). Anders als die obersten Gerichtshöfe des Bundes zählt das BVfG 85 zu den obersten Verfassungsorganen des Bundes. An seine Entscheidungen von z. T. weittragender politischer Bedeutung sind alle Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden unmittelbar gebunden. Die AKB hat daher durch BK/O (52) 35 (DBF Nr. 97) die Übernahme des BVfGG insgesamt untersagt. Nach dem Wortlaut des § 106 BVfGG ist das BVfG auch unabhängig von der Übernahme des Gesetzes nach Berlin zuständig, „soweit das Grundgesetz für das Land Berlin gilt". Der Ausübung dieser Zuständigkeit steht jedoch der „govern"-Vorbehalt entgegen (ständige Rspr. des BVfG seit E 7, 1). Zur Bestimmung der Reichweite des „govern"-Vorbehaltes sind in der Rechtsprechung des BVfG und in der Literatur unterschiedliche Kriterien entwickelt worden. Während sich das BVfG von Anfang an gehindert sah, über Verfassungsbeschwerden zu entscheiden, die sich ausschließlich gegen Akte der öffentlichen Gewalt des Landes Berlin richteten (BVfGE 7, 192), hat es in den Fällen, in denen zugleich auch Akte von Bundesorganen betroffen waren, auf die Tragweite seiner Entscheidung gegenüber dem Land Berlin und dessen Staatsgewalt abgestellt (BVfGE 7, 1, 9; 10, 229, 231). In der Niekisch-Entscheidung (BVfGE 19, 377, s. dazu unten Rdn. 99) hat es den „govern"-Vorbehalt als „kurz formuliertes prinzipielles Verbot politisch bedeutsamer Einwirkung auf die Berliner Landesgewalt" interpretiert, ohne allerdings die Entscheidung auf diese Formel zu stützen. Die AKB hat hierzu erklärt (Schreiben an den RB und den PrAvB vom 24. Mai 1967, NJW 1967, 1742), daß das BVfG „in Beziehung auf Berlin keine Gerichtsbarkeit hat, und daß es demzufolge nicht zuständig ist, (1.) die Verfassungsmäßigkeit von Handlungen Berliner Behörden oder (2.) die Verfassungsmäßigkeit von Berliner Gesetzen, einschließlich von Gesetzen zur Übernahme von Bestimmungen der Bundesgesetzgebung zu überprüfen". 65
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In der neueren, inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BVfG wird an die Tragweite der Entscheidung i. S. einer politisch bedeutsamen Einwirkung auf die Berliner Landesgewalt nicht mehr angeknüpft. Das BVfG differenziert nur noch zwischen unzulässiger unmittelbarer Kontrolle der Berliner Landesgewalt und zulässigen mittelbaren Auswirkungen seiner Entscheidungen auf die Staatsgewalt Berlins (s. Rdn. 99). Diese Zuständigkeitsabgrenzung steht in Übereinstimmung mit der Interpretation des „govern"-Vorbehalts als Verbot der Ausübung unmittelbarer Bundesgewalt (s. Rdn. 48). Alle anderen Versuche, zu einer die Gebietshoheit der Westmächte berücksichtigenden Abgrenzung zu gelangen, können damit als überholt angesehen werden (zum Kriterium der materiellen Verknüpfung von Sachverhalten mit dem Territorium Berlins s. Lerche in: Festschrift für Leibholz II, S. 476 und in: BVfG Festgabe I, S. 745 f; Werner, S. 104 ff; vgl. auch Hauck, S. 77 ff, 84 ff; Zivier, S. 103 f mit Hinweis auf die auch hiernach bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten; zu den Lösungsansätzen in der Literatur s. ausführlich Apell S. 34 ff). Aus dem Verbot der Ausübung unmittelbarer, d. h. von den Westmächten nicht zugelassener Bundesgewalt folgt, daß es dem BVfG untersagt ist, a) Akte der Berliner Staatsgewalt zu überprüfen (z. B. Rdn. 96 ff). b) Entscheidungen zu treffen, durch die die Berliner Landesorgane unmittelbar gebunden wären (z. B. Rdn. 86 ff, 92). Sind hingegen andere, von den Westmächten zugelassene oder tolerierte Regelungen für die Bindung der Berliner Landesgewalt maßgeblich, ist eine mittelbare materielle Einflußnahme durch das BVfG zulässig (s. Rdn. 99, vgl. auch Rdn. 47, 70, 103, 104). c) Über Anträge oder Vorlagen von Organen der Berliner Staatsgewalt zu entscheiden, denn das Veto der Westmächte gegen die Übernahme des BVfGG nach Berlin ist einer Anordnung an die der Besatzungsgewalt unterworfenen Landesorgane gleichzuerachten, das BVfG nicht anzurufen (str., s. Rdn. 90). Im einzelnen gilt: 86 Zum Verbot einer in Berlin tätigen politischen Partei ist das BVfG wegen der unmittelbaren Bindungswirkung seiner Entscheidung nicht befugt (h. M., Schmidt-Bleibtreu in Maunz, Schmidt-Bleibtreu, Klein, Ulsamer BVfGG §106 Rdn. 9 a; Apell, S. 69 mit weiteren Nachw.; a. A. insb. Stern DVB1 1963, 696, 702. Das KPD-Verfahren des BVfG (E 5, 85) betraf daher nicht die in Berlin tätige SEW. Vom BVfG in Westdeutschland für verfassungswidrig erklärte Parteien dürfen jedoch gemäß § 10 II 2 LWG keine Wahlvorschläge für die Wahlen zum AvB und zur BVV einreichen (vgl. Art. 27 Rdn. 5). 66
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Eine Entscheidung des BVfG nach Art. 18 GG über die Verwirkung von Grundrechten wäre gegenüber Grundrechtsträgern in Berlin aus dem gleichen Grund unzulässiges „Government" (h. M., Schmidt-Bleibtreu aaO, §106 Rdn. 9 b, Apell, S. 68 mit weiteren Nachw.; a. A. insb. Stern aaO). Auch über Richteranklagen (Art. 98 V 3 GG) gegen Berliner Landesrichter könnte das BVfG nicht entscheiden (h. M., Schmidt-Bleibtreu aaO, § 106 Rdn. 9 c; Apell aaO mit weiteren Nachw.; a. A. Stern aaO). Die Überprüfung der vom AvB vorgenommenen Wahl der Berliner MdB (§ 53 BWG) oder MdEP (§§ 26, 29 EuWG) ist nicht möglich, weil darin eine unmittelbare Kontrolle eines Berliner Verfassungsorgans läge (vgl. BK/O (78) 6 vom 31. Juli 1978, GVB1. S. 1576; vgl. auch die Nachweise bei Apell, S. 68). Organstreitigkeiten zwischen dem Bund und Berlin oder einem anderen Bundesland und Berlin nach Art. 93 I Nr. 3 und 4 GG können vom BVfG ebensowenig entschieden werden wie Organstreitigkeiten innerhalb des Landes Berlin (Art. 93 Nr. 4 Fall 3 GG). Letzteres hat das BVfG anläßlich einer Organklage des DP (Landesverband Berlin) zutreffend festgestellt (BVfGE 7, 190; im Schrifttum nahezu unstreitig; vgl. Apell aaO, S. 67). Die Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG gilt für Organstreitigkeiten nicht (BVwG vom 11. Juli 1985 NJW 1985,2346; zur Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges für andere Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art durch erweiternde Auslegung des § 4 0 1 1 VwGO s. BVwG vom 11. Juli 1985 NJW 1985, 2344; zustimmend Ziekow NJW 1986, 1595 ff; kritisch Pestalozza NJW 1986, 33 f, dagegen vgl. Rdn. 103, 104). Unzulässig ist eine Entscheidung des BVfG nach Art. 93 I Nr. 2 GG im abstrakten Normenkontrollverfahren zur Überprüfung von Berliner Landesrecht. Ein Antragsrecht des Senats von Berlin auf Überprüfung von nach Berlin übernommenen Bundesrecht ist ebenfalls zu verneinen (s. oben Rdn. 85 sub. c, a. A. Ulsamer in: Maünz, Schmidt-Bleibtreu, Klein, Ulsamer, BVfGG, § 76 Rdn. 47; Apell aaO S. 54, unter Hinweis darauf, daß die in dem objektiven Verfahren ergehende Entscheidung den Berliner Senat nicht unmittelbar binde). Im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 I GG ist zu unterscheiden: — Nicht zuständig ist das BVfG zur Überprüfung der Vereinbarkeit einer Vorschrift des Berliner Landesrechts auf Grundgesetz- oder Bundesgesetzmäßigkeit, gleichgültig ob ein Berliner Gericht oder ein damit befaßter oberster Gerichtshof des Bundes nach Art. 100 67
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I GG zur Vorlage an sich verpflichtet wäre (BVfGE 7,1; BVwGE 9, 210, 213; 24 235, 238; BGHZ 20, 112). — Berliner Gerichte können das BVfG auch dann nicht anrufen, wenn sie eine für die Entscheidung maßgebliche Vorschrift des nachkonstitutionellen Bundesrechts (zu vorkonstitutionellem Recht s. Art. 64 Rdn. 7) für nichtig halten. Das folgt aus den oben Rdn. 85 sub b, c genannten Gründen. Die Frage der Vorlagepflicht Berliner Gerichte war jedoch umstritten. Wie hier: KG NJW 1966, 598 f; KG Beschluß vom 28. Mai 1980 NJW 1980, 2499 = Fam RZ 1980, 821; AG und LAG Berlin NJW 1979, 1678, 1680; OVG Berlin JZ 1967, 751; Sendler JuS 1983, 909 zu Anm. 48; Apell, S. 46 und 83 mit weiteren Nachw. Das BVfG brauchte noch keine Entscheidung zu treffen (die Vorlage des AG Charlottenburg vom 3. Mai 1982 — mitgeteilt von Kreikebohm/ Meyer B1GBW 1982,125 ff — war aus anderen Gründen unzulässig). Aus der Art der Wiedergabe der oben zitierten KG-Entscheidung vom 28. Mai 1980 in BVfGE 61, 358, 362 ist zu entnehmen, daß das BVfG die Rechtsansicht des KG gebilligt hat (s. auch oben Rdn. 85). Für Vorlagepflicht: Maunz in: MDHS Art. 100 Rdn. 27 c; Bettermann, BVfG-Festgabe I, S. 343 ff sowie die überwiegende Meinung der Literatur der 60er Jahre, vgl. die Nachweise bei Apell, S. 46 Anm. 76. Vorlagen an das BVfG sind aus den Gründen Rdn. 85 sub c auch in den Fällen ausgeschlossen, in denen Verfassungsbeschwerden gegen Berliner Gerichtsurteile ausnahmsweise zulässig sind (Rdn. 97). — Demgegenüber hat für Vorlagen oberster Bundesgerichte gemäß Art. 100 I GG wohl sinngemäß das gleiche zu gelten wie für Verfassungsbeschwerden, mit denen die Anwendung von Bundesrecht durch die obersten Bundesgerichte gerügt wird (s. Rdn. 99). Zu einer Entscheidung über derartige Vorlagen ist es bisher noch nicht gekommen (Einzelheiten s. Mußgnug, S. 160, Fn. 16; für Vorlagepflicht BGH NJW 1979, 2559; Sendler JuS 1984, 909 zu Anm. 48; Apell, S. 48 mit weiteren Nachw.). 93 Zur Frage des Verfahrens bei nicht gegebener Vorlagemöglichkeit und -pflicht s. Art. 64 Rdn. 6. Die Grundgesetzinterpretation durch die Berliner Gerichte steht bisher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVfG (Benda, S. 47 ff). 94 Die Zuständigkeit zur Entscheidung der Frage, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, hat das BVfG auf Grund einer Vorlage des BGH gemäß Art. 100 II GG in einer Berliner Sache bejaht (BVfGE 15, 25). Diese Entscheidung ist von der AKB zumindest nicht beanstandet worden (zustimmend auch Elsas-Patrick, S. 264 f, kritisch Wengler NJW 1963, 435). 68
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Entsprechendes hat zu gelten für Vorlagen durch Bundesgerichte 95 bei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob vorkonstitutionelles Recht Bundesrecht geworden ist (Art. 126 i. V. Art. 124, 125 GG; vgl. auch Schmidt-Bleibtreu aaO BVfGG § 106 Rdn. 7; Apell aaO, S. 55). Für die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gilt folgendes: Unzulässig sind VB gegen Entscheidungen Berliner Gerichte, 96 gleichgültig, ob sie auf der Anwendung Berliner Landesrechts oder bundesrechtlicher Bestimmungen beruhen (einzige Ausnahme: Rdn. 97, vgl. aber auch Rdn. 98). Das gilt nicht nur für Entscheidungen „mit Wirkung für den innerlandesrechtlichen Bereich" (so noch eine allgemeine Formulierung in BVfGE 7, 1, 15), sondern auch für Entscheidungen mit Wirkung außerhalb Berlins (BVfGE 49, 329, 336 betr. einen Durchsuchungsbeschluß des AG Tiergarten, der in Westdeutschland vollzogen wurde). Die aus der besonderen Stellung Berlins resultierenden Rechtswegverkürzungen sind nicht nur von Deutschen mit Wohnsitz in Berlin, sondern im gesamten Geltungsbereich der Verfahrensordnungen des Bundes hinzunehmen (also z. B. auch in Fällen von Ersatz- und Auffangzuständigkeiten Berliner Gerichte — vgl. z. B. § 43 b II, III FGG — oder in Fällen, in denen der Sitz der antragstellenden (Bundes)Behörde zuständigkeitsbegründend ist, z. B. § 162 I 2 StPO). Der Ausschluß der VB schafft auch keinen zusätzlichen Revisionsgrund (BAG BB 1977, 1254; SchmidtBleibtreu aaO § 106 Rdn. 8), wiewohl er bei extensiver Auslegung der Verfahrensgesetze (vgl. dazu BVerwG NJW 1985, 2344 [Rdn. 90] und Art. 64 Rdn. 6; vgl. auch Rdn. 104) für die Revisionszulassung u. U. erheblich sein könnte. — Zulässig ist die VB gegen eine Berliner Gerichtsentscheidung nur 97 dann, wenn materiell der VA einer Bundesbehörde mit Sitz in Berlin angefochten wird (BVfGE 20, 257; 20, 271). Dies gilt nach einhelliger Meinung im Schrifttum jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Hoheitsakte der Bundesbehörden, wie in den genannten Kartellamts-Entscheidungen gegen westdeutsche Beschwerdeführer richten (Apell, S. 63 f; Finkelnburg JuS 1968, 14; Mußgnug, S. 164 Fn. 29; Zivier, S. 107). Das BVfG hat auf diesen Gesichtspunkt nicht abgestellt, sondern die Zulässigkeit der VB u. a. damit begründet, daß durch das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung eine an sich zulässige VB gegen einen Akt der Bundesgewalt nicht unzulässig werden könne (unter Berufung auf die Kartellamts-Entscheidungen hat es in BVfGE 39, 181, 185 die VB gegen ein Urteil des bin LSG zugelassen, ohne daß jedoch der veröffentlichte Teil der Entscheidung den genauen Grund für 69
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die Zulassung erkennen läßt; vgl. ferner BVfGE 51, 1 ff betr. VB gegen VA der BfA, allerdings ohne Erörterung der BerlinProblematik). Die Einwirkung des BVfG auf die vorgeschalteten Berliner Gerichte beruht in den genannten Fällen nicht auf einer aus einem Berliner Verfahren hergeleiteten Kompetenzerweiterung des BVfG. Vom Adressatenkreis oder Wirkungsbereich des VA der Bundesbehörde dürfte die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht abhängen, denn anderenfalls müßte beim Ausschluß der VB gegen Akte der Berliner Landesgewalt entsprechend differenziert werden (vgl. aber Rdn. 96). 98 — Betrifft die Entscheidung des Berliner Gerichts die Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften durch eine Landesbehörde (z. B. Entscheidung des GStA beim KG über eine Zulieferung an die DDR nach dem Bundesgesetz über die Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen, Fall Brückmann), so bleibt es bei dem Grundsatz, daß die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist und damit eine Aufhebung der mit der VB angefochtenen gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung nicht in Betracht kommt. Das BVfG hält sich jedoch für befugt, die nach § 95 III BVfGG zugleich auszusprechende Entscheidung der Nichtigerklärung des Gesetzes, auf dem die gerichtliche oder behördliche Entscheidung beruht, zu treffen oder ggf. dieses Bundesrecht verfassungskonform auszulegen, weil Bundesgesetze für das ganze Bundesgebiet einheitlich auszulegen sind (BVfGE 37, 57; zu dem auf Anfrage des KG ergangenen Bescheid des britischen Stadtkommandanten über die Unzulässigkeit der direkten Anwendung des BVfGUrteils und zum bundesuntreuen Verhalten des KG s. Finkelnburg NJW 1974, 1970 [Fn. 20], 1973, ausführlich zu dieser Entscheidung Apell aaO, S. 64 ff). 99 Für VB gegen Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes gilt folgendes: — Sie sind unzulässig, soweit es um die Grund- oder Bundesgesetzwidrigkeit von Berliner Landesrecht oder die Verfassungswidrigkeit alliierten Rechts geht (BVfGE 19, 377, 383 ff; 10, 229). — Sie sind zulässig, soweit Verfassungsverstöße im bundesgerichtlichen Verfahren oder in der Anwendung übernommenen Bundesrechts gerügt werden, da sich die Entscheidung des BVfG in diesen Fällen nur mittelbar gegenüber der Berliner Landesgewalt auswirkt. Das BVfG hebt gegebenenfalls nur die Entscheidung des obersten Bundesgerichts auf; eine etwaige inhaltliche Korrektur der Berliner Gerichtsentscheidung durch die Entscheidung des obersten Bundesgerichts beruht dann nicht unmittelbar auf 70
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dem Spruch des BVfG, sondern hat seine Rechtsgrundlage in den nach Berlin übernommenen Verfahrensordnungen des Bundes (BVfGE 19, 377, 386; 49, 329, 336; ferner 47, 1, 33; 50, 287 f; 61, 319, 357). Mit ihrer zur Niekisch-Entscheidung (BVfGE 19, 377 ff) abgegebenen Erklärung (s. Rdn. 85) wollte die AKB offensichtlich nur eine unmittelbare Kontrolle Berliner Gerichtsentscheidungen durch den BVfG verhindern. Diese Möglichkeit hatte das BVfG hier (aaO S. 385) erstmals in Erwägung gezogen für Fälle, in denen sich seine Einwirkung auf die Berliner Gerichte als nicht „politisch bedeutsam" erweise. VB unmittelbar gegen Berliner Landesgesetze sind unzulässig. Die VB gegen ein nach Berlin übernommenes Bundesgesetz (Berliner Arbeitgeberverband gegen Mitbestimmungsgesetz) hat das BVfG (E 50, 2870 ohne ausdrückliche Erörterung der Berlin-Problematik für zulässig erachtet (zustimmend Apell, S. 60 mit weiteren Nachw. Fn. 157). Unzulässig sind VB, die sich vor Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 BVfGG) gegen VA Berliner Behörden oder sonstige Exekutivmaßnahmen der öffentlichen Gewalt des Landes Berlin (BVfG E 7, 192) richten (s. oben Rdn. 85; das gilt auch, soweit Berliner Behörden im Rahmen der Auftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG handeln, Schmidt-Bleibtreu aaO § 106 Rdn. 8, Apell, S. 60; zur Zulässigkeit von VB gegen VA von Bundesbehörden s. oben Rdn. 97). An die Entscheidungen des BVfG sind die Berliner Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden auf Grund des §31 BVfGG nicht gebunden, da dieser in Berlin nicht gilt (s. jedoch Rdn. 103). Wohl aber gilt Art. 31 BVfGG für die obersten Bundesgerichte auch dann, wenn sie in Berliner Sachen entscheiden (BGHZ 80, 87, 89 f; ausführlich Mußgnug, S. 169 ff). Auch in diesen Fällen werden die Bundesgerichte nicht etwa zu Organen der Berliner Landesjustiz, wenn sie auch ebenso wie die Berliner Gerichte die in Berlin bestehenden alliierten Vorschriften zu beachten haben (zum letzteren s. Zivier S. 101 und oben Rdn. 25 ff; zur Theorie Wenglers s. oben Rdn. 48). Erklärt das BVfG ein Gesetz nicht für nichtig (dazu s. oben Rdn. 70), sondern bestätigt es oder legt es verfassungskonform aus, so sind die Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden in Berlin daran kraft des Grundsatzes der Bundestreue (s. oben Rdn. 47) gebunden (so auch Finkelnburg, NJW 1974, 1973; nach Mußgnug, S. 172 ff, ergibt sich die Bindung Berliner Gerichte aus ihrer Einbeziehung in das Gerichtsverfassungs- und Prozeßrecht des Bundes; von einer nur freiwilligen Befolgung in Berlin gehen aus insb. Wengler in: Festschrift für Leibholz II, S. 959 f, JZ 1974, 534; Apell, S. 76 mit 71
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weiteren Nachw. Fn. 21, auch KG NJW 1961,2114,2116). Allerdings besteht diese Verfassungspflicht nur, soweit alliierte Anordnungen nicht entgegenstehen. Daraus erhellt, daß der alliierte Einspruch gegen die Übernahme des BVfGG nach Berlin durch die dennoch bestehende Verfassungspflicht zur Beachtung der Entscheidung des BVfG nicht ausgehöhlt wird: die Möglichkeit der AKB, für Berlin von den Entscheidungen des BVfG abweichende besatzungsrechtliche Regelungen zu erlassen, bleibt bestehen. Diese sind von den Berliner Staatsorganen zu befolgen, ohne daß dabei gegen geltendes Bundesstaatsrecht verstoßen werden müßte. Durch das Fehlen einer förmlichen Bindung an die Entscheidungen des BVfG wird ebenso wie durch den Ausschluß der unmittelbaren Geltung der Bundesgesetze ein Konflikt zwischen Bundesstaatsgewalt und Besatzungsgewalt vermieden. In der Praxis hat die AKB die Bindung Berlins an die Entscheidungen des BVfG bisher stets geduldet (s. auch Rdn. 85 sub b). Sie wird daher auch von den Bestimmungen des ViermächteAbkommens abgedeckt (Zivier, S. llOf). 104 Unanfechtbare Hoheitsakte, die auf einer vom BVfG für nichtig erklärten Norm beruhen, bleiben grundsätzlich unberührt. Für rechtskräftige Strafurteile ist durch § 79 I BVfGG ein zusätzlicher Wiederaufnahmegrund geschaffen, auf den die Wiederaufnahme des Verfahrens in Berlin nicht unmittelbar gestützt werden kann. Der Rechtsgedanke, der dieser Vorschrift zugrundeliegt, daß nämlich niemand gezwungen sein soll, den Makel einer Strafe hinzunehmen, die auf einem verfassungswidrigen Strafgesetz beruht, beansprucht indessen Geltung auch in Bereichen, in denen § 79 I BVfGG nicht unmittelbar anwendbar ist (BVfGE 12, 338 ff betr. ein Verfahren nach dem Rechtshilfegesetz, Ulsamer aaO § 79 Rdn. 13, 14). Ihm dürfte in Berlin durch erweiternde Auslegung des § 359 Nr. 5 StPO Rechnung zu tragen sein (ex-tunc-Nichtigkeit der Norm bzw. deren festgestellte Unvereinbarkeit mit dem GG als „neue Tatsache" entsprechend der Auslegung des § 9 I RHG durch das BVfG aaO; vgl. auch Apell, S. 68 mit weiteren Nachw.). § 79 II BVfGG beruht auf dem Rechtsgedanken, daß abgewickelte Rechtsbeziehungen zwar unberührt bleiben, daß aus noch nicht vollzogenen Hoheitsakten jedoch nicht mehr vollstreckt werden darf. Der in dieser Regelung gefundene Kompromiß zwischen der Forderung nach Rechtssicherheit und der nach materieller Gerechtigkeit kann als Konkretisierung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzip begriffen werden. Aus diesem folgt auch für Berlin, daß unanfechtbare Hoheitsakte nach der Erklärung der Nichtigkeit oder Verfassungs72
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Widrigkeit der Norm, auf der sie beruhen, nicht mehr vollzogen werden dürfen (so auch Finkelnburg NJW 1974, 1969, 1973; s. auch Rdn. 85 sub b). K. Bundespräsenz und Teilnahme Berlins am politischen Leben des Bundes Nach der im Viermächte-Abkommen erfolgten Anerkennung der zwischen dem Bund (der BRep. im übrigen) und Berlin bestehenden Bindungen konnte im Bereich der demonstrativen Bundespräsenz eine Begrenzung von Veranstaltungen des Bundes zugestanden werden, da diese damit an Bedeutung verloren hatten (Rush, EA 1972, D 54). Die BVers sowie das Plenum des BT und des BR dürfen in Berlin nicht mehr zusammentreten. Diese Einschränkung ergibt sich ebenso wie die folgende nicht aus Anlage II Nr. 2 des Viermächte-Abkommens, in der die Bundespräsenz allgemein geregelt wird, sondern ausschließlich aus dem Interpretationsschreiben I lit. b. Einzelne Ausschüsse des BR und BT dürfen in Berlin tagen, sofern ein Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung und Entwicklung der Bindungen zwischen Berlin und dem Bund besteht (z. B. Beratung eines nach Berlin zu übernehmenden Gesetzes). Mehrere Ausschüsse können aus gegebenem Anlaß gleichzeitig tagen (Bulletin 1971, S. 1372, Zivier S. 221). Parlamentsfraktionen dürfen in Berlin hingegen nicht gleichzeitig tagen, jedoch bedarf es für ihre Sitzung keines besonderen sachlichen Anlasses. Die Bestimmung über die im Viermächte-Abkommen erwähnte Verbindungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland in Berlin (Anlage II Nr. 3 in Verbindung mit dem Interpretationsschreiben I lit. c) bringt keine Veränderung in der Sache. Das durch Erlaß der BReg. vom 30. November 1953 geschaffene Amt des Bundesbevollmächtigten (DBF Nr. 149; siehe dazu Görlich, Die staatsrechtliche Stellung des Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland in Berlin, Diss. 1968) und Berliner Zweigstellen der Bundesministerien (außer dem Post- und Verteidigungsministerium) sind lediglich in einer „Verbindungsbehörde" zusammengefaßt. Keine Veränderung in der Sache ergibt sich ferner für die in Anlage II Nr. 2, Interpretationsschreiben I lit. e genannten Staatsorgane: Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesregierung, Bundesminister und Bundesministerien, deren Zweigstellen und Bundesgerichte. Diese dürfen in den Westsektoren keine Verfassungs- oder Amtsakte vornehmen, die im Widerspruch zu der Regelung stehen, daß die 73
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Westsektoren wie bisher kein konstitutiver Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland sind und auch weiterhin nicht von ihr regiert werden (Anlage II Nr. 2). Die hiernach unzulässigen Verfassungsoder Amtsakte sind Akte in Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über die Westsektoren Berlins (Interpretationsschreiben I lit. a). 110 Um Akte in Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über Berlin handelt es sich nicht: (1) Wenn die genannten Organe, soweit sie in Berlin tätig werden dürfen, Verfassungs- und Amtshandlungen vornehmen, die nicht Berlin, sondern nur die Bundesrepublik im übrigen treffen. Nach allgemeinem Völkerrecht könnte die AKB als Inhaberin der obersten Gewalt die Anwesenheit von Bundesorganen und deren auf das übrige Bundesgebiet beschränkte Tätigkeit sogar dann gestatten, wenn Bund und Berlin zwei voneinander getrennte Staaten wären (Wengler EvStL s. Stichw. „Berlin"), (2) wenn die genannten Bundesorgane nur mittelbare Staatsgewalt über Berlin, d. h. Staatsgewalt kraft Zulassung oder Duldung der AKB im Einzelfall ausüben. Eine weitergehende Einschränkung als durch den „govern-Vorbehalt" zum GG ist damit nicht gemacht worden (s. o. Rdn. 48; ferner Erklärung BReg. Bulletin 1971, S. 1372). 111 Die Aufrechterhaltung der übrigen Teile der Bundespräsenz, die nicht im Viermächte-Abkommen erwähnt sind (Beisp. s. Rdn. 57), ist ebenso zulässig wie die Einrichtung weiterer Bundesbehörden. Das Viermächte-Abkommen sieht ausdrücklich vor, daß die Bindungen zwischen dem Bund (der BRep. im übrigen) und Berlin nicht nur aufrechterhalten, sondern auch weiterentwickelt werden (s. auch Erklärung der Regierungen der Westmächte zur Errichtung des Bundesumweltamtes vom 24. Juli 1974, Text: von Münch, Dok. II, S. 165). Eine einseitige Veränderung der bestehenden Lage, die nach Art. 4 der Allgemeinen Bestimmungen des Viermächte-Abkommens untersagt ist, liegt darin nicht. Mit der „Lage" im Sinne der Nr. 4 ist die rechtliche Lage gemeint (Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins, S. 164 ff), die nicht verändert wird, solange die oberste Gewalt der Vier Mächte in Gesamt-Berlin (vgl. z. B. Art. 4 Rdn. 2) und damit auch der West-Alliierten in West-Berlin erhalten bleibt. 112 Berlin ist in den Gesetzgebungsorganen des Bundes vertreten, die Berliner Vertreter im Bundestag und Bundesrat haben aufgrund alliierter Vorbehalte im Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure der drei Westmächte zum Grundgesetz bei Gesetzgebungsakten jedoch kein Stimmrecht. Art. 144 II GG enthält eine Übergangsregelung, nach der ein Land oder der Teil eines Landes, in dem die 74
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Anwendung des GG Beschränkungen unterliegt (gemeint ist Berlin), gem. Art. 38 GG Vertreter in den Bundestag (zur gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestags vgl. Drath, Festschrift 1955, S. 79 ff) und gem. Art. 50 GG Vertreter in den Bundesrat entsenden können. Aufgrund der alliierten Vorbehalte können die Berliner Abgeord- 113 neten im Deutschen Bundestag nicht direkt von den Berliner Bürgern gewählt werden (Bürger mit Hauptwohnung in Berlin und Nebenwohnung in Westdeutschland können allerdings am Ort ihrer westdeutschen Wohnung wählen, vgl. § 16 II BWO). Nach § 53 des in Berlin übernommenen BWG wählt daher das AvB (entsprechend der Anzahl der Berliner Bevölkerung zur Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik) 22 Abgeordnete in den Bundestag sowie eine ausreichende Zahl von Ersatzmännern. Die Wahl erfolgt auf der Grundlage der Fraktionsstärke und -Vorschläge im AvB unwiderruflich für eine Wahlperiode des BTags. Diese Abgeordneten sind in allen Angelegenheiten des Bundestages, wie z. B. allgemeinen Resolutionen, Beschlüssen, Geschäftsordnungsfragen und Wahl des Bundestagspräsidenten sowie in allen Ausschüssen des Deutschen Bundestages voll stimmberechtigt, insbesondere auch im Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat (Art. 77 II GG). Lediglich bei Plenumsbeschlüssen im Gesetzgebungsverfahren und der Wahl des Bundeskanzlers werden ihre Stimmen zwar nicht gesondert abgegeben, aber gesondert gezählt, (viereckiges, statt abgerundetes Format der Stimmkarten) und bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses nicht berücksichtigt. Dementsprechend genießen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus Berlin in allen Gremien und auch im übrigen die gleichen Rechte wie alle Abgeordneten. Sie können den Vorsitz führen, in den Richterwahlausschuß für die obersten Gerichtshöfe des Bundes gewählt werden, Verwaltungsund Rundfunkräten angehören. Sie unterliegen den gleichen Vorschriften hinsichtlich Diäten und Immunität wie alle übrigen Abgeordneten. Die Mitwirkung Berlins im Bundesrat ist entsprechend der Mitwir- 114 kung der Berliner Bundestagsabgeordneten im Bundestag geregelt. Berlin entsendet entsprechend Art. 51 II GG z. Zt. vier Vertreter in den Bundesrat. Diese sind lediglich bei Beschlüssen im Gesetzgebungsverfahren nicht stimmberechtigt. Der RB kann zum Präsidenten des Bundesrates gewählt werden und in dieser Eigenschaft gem. Art. 57 GG den Bundespräsidenten vertreten. Tatsächlich ist der RB bisher dreimal turnusgemäß Präsident des Bundesrates gewesen und hat als solcher den Bundespräsidenten vertreten. 75
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Die Mitwirkung Berlins in den übrigen Bundesorganen unterliegt keiner Beschränkung. Der Satz, daß Berlin (auch weiterhin) nicht vom Bund regiert werden darf, läßt nicht auch den umgekehrten Schluß zu. Berliner Politiker können der Bundesregierung angehören. Sie haben nicht nur eine Reihe von Bundesministern gestellt, ein Berliner war von 1969—1974 Bundeskanzler, und der Vorsitzende der großen Oppositionsfraktion im Bundestag, der zugleich ihr sog. Kanzlerkandidat in 1983 war, ist Berliner Bundestagsabgeordneter. Nach § 15 BWG kann jeder Berliner Bürger über einen westdeutschen Wahlkreis oder eine westdeutsche Landesliste als voll stimmberechtigter Abgeordneter in den Deutschen Bundestag einziehen. Berliner können auch in das Bundesverfassungsgericht gewählt werden; ein früherer Berliner Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Bundesinnenminister war Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Auch im Gemeinsamen Ausschuß gem. Art. 53 a GG, der zur Zeit aus 22 vom Bundestag aus seiner Mitte bestimmten Abgeordneten und elf Mitgliedern des Bundesrates besteht, wobei jedes Land durch ein von ihm bestelltes Mitglied des Bundesrates vertreten wird, wirken Berliner Vertreter mit. Schließlich sind auch die Berliner Bundestagsabgeordneten und die vom AvB gewählten weiteren Vertreter Berlins in der Bundesversammlung (Art. 54 III GG) bei der Wahl des Bundespräsidenten voll stimmberechtigt. Die Mehrheit der Stimmen der Berliner Mitglieder in der letztmalig in Berlin am 5. März 1969 zusammengetretenen Bundesversammlung dürfte sogar entscheidend zum Wahlausgang beigetragen haben. Ein Berliner Politiker ist im Jahre 1984 Bundespräsident geworden. Die im AvB vertretenen politischen Parteien CDU, SPD und FDP sind Landesverbände der entsprechenden Parteien in der übrigen Bundesrepublik (die AL ist nur ein mit der Partei „Die Grünen" assoziierter Verband); sie entsenden voll stimmberechtigte Delegierte in die Bundesparteitage und etwaige andere Parteiorgane, die auf Bundesebene arbeiten. Entsprechendes gilt für die Gewerkschaften und sonstige Organisationen, wie z. B. den Deutschen Sportbund.
L. Einbeziehung in die internationalen Verträge der Bundesrepublik Deutschland und außenpolitische Interessenvertretung durch den Bund 121 Das VA hat in Teil II D mit der Anlage IV A und B bestätigt, daß die Vertretung der Interessen Berlins im Ausland nach wie vor 76
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zum vorbehaltenen Bereich der drei Westalliierten gehört (s. o. Rdn. 21). Zugleich haben die Vier Mächte aber auch die bisherige Regelung zwischen den Westalliierten und der Bundesrepublik bestätigt, wonach es dieser obliegt, Berlin und seine Bevölkerung nach außen zu vertreten, soweit nicht Angelegenheiten der Sicherheit und des Status betroffen sind. Mit der Formulierung „Vertretung der Interessen der Westsektoren" anstelle „Vertretung der Westsektoren" wird der westlichen Auffassung Rechnung getragen, daß es sich bei Berlin nicht um ein selbständiges Völkerrechtssubjekt handelt (Zivier, S. 224; Doehring/Hailbronner DA 1974, 1183). In die internationalen Verträge der Bundesrepublik wird Berlin 122 einbezogen. Der Bund ist von Verfassungs wegen verpflichtet (BVfGE 36, 1; vgl. auch Zivier S. 144f, 230 f), das Land Berlin bei jedem Abkommen, insbesondere auch jeder Vereinbarung mit der DDR, einzubeziehen, soweit dies nicht durch alliierte Vorbehalte ausgeschlossen ist. Diese Einbeziehung geht zurück auf Abs. 2(c) der Grundsatzerklärung der AKB vom 14. Mai 1949 i.d.F. vom 7. März 1951 (s. Rdn. 21) und insbes. auf den BKC/L (52) 6 (DBF Nr. 138). Danach ist die Einbeziehung Berlins gestattet, wenn darüber zwischen Bund und Berlin eine generelle Regelung getroffen wird (vgl. dazu die Schreiben des Bundeskanzlers und des RB vom 16.9./19.12.1952 (DBF Nr. 140) und der Name Berlins im Wortlaut entweder jedes einzelnen Vertrages oder in der Beitrittserklärung zum Vertrag oder in einer gesonderten Erklärung genannt wird. Bei Handels- und Zahlungsverträgen genügt die Angabe, daß das Anwendungsgebiet des Vertrags das Währungsgebiet der DM-West ist. Berlin ist aus dem Anwendungsbereich eines Vertrages ausgeschlossen oder nur beschränkt einbezogen, wenn die AKB binnen 21 Tagen nach ihrer Benachrichtigung durch den SvB Einwendungen erhebt. Mit Schreiben vom 20. Mai 1952 i.d. F. des Briefes X vom 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II S. 500) haben die Westalliierten nochmals bekräftigt, daß sie ihre Rechte so ausüben wollten, daß die Bundesbehörden die Vertretung Berlins und der Berliner Bevölkerung sicherstellen können. Üblicherweise wird Berlin auf Grund der Klausel einbezogen, daß der Vertrag „auch für das Land Berlin" gelten soll (s. die bei Schiedermair NJW 1982, 2841, 2846 Fn. 22 aufgelisteten Verträge). Da die Staaten des Ostblocks den Terminus „Land Berlin" ablehnen, wird in den seit 1973 mit diesen Staaten abgeschlossenen Verträgen die neutrale Formulierung verwendet, daß „entsprechend dem Viermächte-Abkommen vom 3.9.1971 dieser Vertrag in Übereinstim77
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Abschnitt I: Die Grundlagen
mung mit den festgelegten Verfahren auf Berlin (West) ausgedehnt" wird (Schiedermair aaO zu Fn. 20; zur Rechtspraxis s. ferner Wengler, Berlin in völkerrechtlichen Übereinkommen der Bundesrepublik Deutschland, S. 14ff). In den Fällen, in denen durch den Vertrag Vorbehaltsrechte der Alliierten (vgl. auch Zivier, S. 225 f) berührt würden, enthält z. T. bereits der Vertragstext eine Einschränkung (s. Rdn. 132, Europawahl), z. T. (zusätzlich) die Berlin-Klausel des Ratifizierungsgesetzes des Bundes (s. G zum Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen vom 29. 7.1964, BGBl. II S. 906; zu weiteren Beispielen s. Bothe ZaöRV 1965, 323, 245 f; vgl. ferner Wengler aaO S. 20). Die Verträge treten für die Bundesrepublik einschließlich des Landes Berlin zu dem Zeitpunkt in Kraft, der in den Ratifizierungsgesetzen des Bundes vorgesehen ist (§ 3 VküG. Weiteres s. Rdn. 63). Diese innerhalb der von den Westalliierten festgelegten Verfahren vorgesehene Einbeziehung Berlins in völkerrechtliche Vereinbarungen und Abmachungen, die die Bundesrepublik Deutschland schließt, unter der Voraussetzung, daß die Ausdehnung auf Berlin jeweils ausdrücklich erwähnt wird, ist durch das Viermächte-Abkommen ausdrücklich bestätigt worden (Nr. 2 b der Anlage IV A und B), führt jedoch zu ständigen Kontroversen (s. ausführlich Wengler aaO S. 30 ff und Wettig, Das Viermächte-Abkommen in der Bewährungsprobe S. 193 ff in Auseinandersetzung mit den Protesten und Argumenten der SU). 123 Mit der Einbeziehung Berlins ist der internationale Vertrag nicht etwa eine völkerrechtliche Vereinbarung Berlins. Ttäger der Rechte und Pflichten ist allein die Bundesrepublik Deutschland (Heidelmeyer NJW 1968, 337; Wengler aaO S. 36 f). Ohne staats- und völkerrechtliche Zugehörigkeit Berlins zur BRep. (s. Rdn. 44 fi) könnte dieses Ergebnis nicht erklärt werden (ähnlich Schiedermair aaO mit zusätzlicher Argumentation aus der Formulierung der Berlin-Klausel; a A. Wengler aaO S. 13, 36 und ROW 1986,149 ff, 151, dessen Parallelbeispiel für eine Vertragserstreckung auf einen fremden Staat: Verträge der Schweiz in bezug auf die Opiumgesetzgebung Liechtensteins! — nicht überzeugt. Berlin ist in die Verträge des Bundes umfassend und nicht nur bezüglich einzelner Rechtsmaterien einbezogen). 124 Ob für Berlin vorkonstitutionelle Verträge gelten, hat mit diesen Problemen der „Einbeziehung" nichts zu tun, sondern ist allein eine Frage der Fortgeltung alten Rechts, wofür die Art. 48 VvB, 123 ff GG (vgl. insbes. Art. 123 II GG) maßgeblich sind (s. Erl. zu Art. 48 VvB; unzutreffend die Erwägungen KG JR 1972, 433 [m. krit. Anm. Seeber], über die Beachtlichkeit des Briefwechsels zwischen Bundeskanzler und RB vom 16.9. /19.12.52 für diese Frage). 78
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Verträge mit auswärtigen Staaten kann das Land Berlin gem. 125 Art. 32 III G G nur unter den gleichen Voraussetzungen schließen wie die anderen Bundesländer (s. oben Rdn. 58, 59, ferner Zivier, S. 269 f). Am Lindauer Abkommen ist Berlin beteiligt (Einzelheiten s. Knörr S. 192). Zum Problem der Ausführungs- und Ergänzungsvereinbarungen zum Viermächte-Abkommen sowie zu eventuellen Vertragsabschlüssen kraft Auftrags der AKB s. Knörr S. 215 ff; Zivier S. 269 f. Außer in Fragen des Status und der Sicherheit liegt die Interessen- 126 Vertretung Berlins im außerpolitischen Bereich allgemein beim Bund. Das Auswärtige Amt und die diplomatischen Vertretungen sind für Berlin zuständig (ebenso die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin). Trotz ausdrücklicher Erwähnung der konsularischen Betreuung für Personen mit Wohnsitz in Berlin (Anlage IV A lit. a des Viermächte-Abkommens) ist hier vieles streitig. Z. B. wird von den Staaten des Ostblocks das Recht des Bundes zur konsularischen Betreuung jur. Pers. des öffentl. Rechts mit Sitz in Berlin in Abrede gestellt und die Abwicklung des Rechts- und Amtshilfeverkehrs über die Konsulate ausgeschlossen (vgl. aber neuerdings das Abkommen vom 22. 7.1986 zwischen der BReg und der Regierung der UdSSR über wissenschaftl.-techn. Zusammenarbeit und die darauf beruhenden Ressortabkommen des BMFT sowie des BML mit den entsprechenden Staatskommitees der UdSSR, noch unveröffentlicht. In diesen Abkommen sind als Kooperationspartner/Ausführende auch Bedienstete namentlich bezeichneter Berliner Landesbehörden/Körperschaften und wissenschaftlicher Institute sowie Bedienstete — namentlich allerdings nicht genannter — Bundesbehörden/Anstalten in Berlin aufgeführt). — Zu diesen und weiteren Streitfragen hinsichtlich der Vertretung der Interessen Berlins in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen (vgl. Nr. 2 c Anlage IV A und B des Viermächte-Abkommens) sowie zu Tagungen und Ausstellungen in Berlin (aaO Nr. 2d) s. Wettig, aaO S. 196 ff, 211 ff; Zivier S. 227; 231; Möhler, Völkerrechtliche Probleme östlicher Beteiligungen an internationalen Veranstaltungen in Berlin, 1985; Knecht DA 1976, 305; Cramer DA 1976, 369; vgl. ferner jährl. Berichte des SvB, Rdn. 20. Errichtung konsularischer Vertretungen in Berlin sowie Bestellung und Zulassung ihrer Leiter und Mitglieder haben sich die Sektorkommandanten vorbehalten (BK/O (70) 8, GVB1. 1970, S. 2094 betr. Beitritt der Bundesrepublik zum Wiener Abkommen); zu den noch zur Zeit des Alliierten Kontrollrats für Deutschland bei diesem 79
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Abschnitt I: Die Grundlagen
akkreditierten, weder als diplomatische noch konsularische Vertretungen einzustufenden Militärmissionen von ehemaligen Feindstaaten Deutschlands (davon sind die militärischen Verbindungsstäbe der drei Westalliierten als Siegermächte in Potsdam zu unterscheiden, die beim sowjetischen Oberbefehlshaber bestehen, wie umgekehrt sowjetische militärische Verbindungsstäbe in Westdeutschland bei den westalliierten Oberbefehlshabern, s. Rdn. 12) und zum Rang der beim DDR-Außenministerium akkreditierten ausländischen Vertretungen sowie der Ständigen Vertretung der BRep. unter dem Gesichtspunkt des Vier-Mächte-Status für Gesamt-Berlin s. D. Schröder, Die ausländischen Vertretungen in Berlin, 1983. M. Einbeziehung
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Berlins in die Europäischen
Gemeinschaften
Berlin gehört zum gesamten Bereich der Europäischen Gemeinschaft, ist Gemeinschaftsgebiet im Sinne der EG-Verträge und damit in die dynamische Fortentwicklung der EG einbezogen. In den EWG-Vertrag und in den Euratom-Vertrag vom 25. März 1957 (BGBl. 1957 II S. 766 und 1014) ist es in der für den Abschluß internationaler Verträge üblichen Form einbezogen: Bei der Unterzeichnung der Verträge behielt sich die Bundesrepublik vor, bei der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde die Geltung der Verträge für das Land Berlin zu erklären (die Vertragspartner nahmen dies nicht nur zur Kenntnis, sondern gaben darüber hinaus eine gemeinsame Berlin-Erklärung ab, BGBl. 1957 II S. 760), und gab diese Erklärung später ab unter ausdrücklichem Hinweis auf die unberührt bleibenden Rechte und Verantwortlichkeiten der Westmächte in Berlin (DBF Nr. 142 C). Das Vertragsgesetz vom 27. Juli 1957 (BGBl. 1957 II S. 753), das in Art. 4 I eine Berlin-Klausel enthält, wurde nach ausdrücklicher Zustimmung durch die AKB und unter Wahrung der alliierten Rechte und Verantwortlichkeiten (DBF Nr. 142 D) nach Berlin übernommen (GVB1. 1957 S. 1791). Art. 227 IV EWGV Anwendbarkeit des Vertrages auf Hoheitsgebiete, dessen auswärtige Beziehungen ein Mitgliedstaat wahrnimmt — bezieht sich nicht auf Berlin, da es sich bei der Einbeziehung Berlins in die Verträge des Bundes nicht um eine völkerrechtliche Vertretung Berlins handelt (s. Rdn. 121, 123; Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 589 ff; Schramm, S. 30 ff, 48). Die Einbeziehung Berlins in den EGKS-Vertrag vom 18. April 1951 (BGBl. 1952 II S. 447) ist zumindest seit Abschluß des Vertrages vom 8. April 1965 (BGBl. 1965 II S. 1454) zur Einsetzung eines Gemeinsamen Rates und einer Gemeinsamen Kommission der drei 80
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Europäischen Gemeinschaften unzweifelhaft. Bei Abschluß dieses Vertrages hatte die Bundesrepublik geltend gemacht, daß sie bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde geltend machen werde, daß der Fusionsvertrag ebenso wie der EGKSV für das Land Berlin verbindlich sei. Nach Zustimmung der AKB zur Übernahme des Fusionsvertrages mit diesem Zusatz hat die Bundesrepublik die angekündigte Erklärung am 30. Juni 1967 abgegeben (Heidelmeyer NJW 1968, 337 Fn. 3). Das deutsche Zustimmungsgesetz vom 20. Oktober 1965 (BGBl. II S. 1453) wurde durch Gesetz vom 24. Januar 1966 nach Berlin übernommen (GVB1. S. 159). Die Rechtslage vor Abschluß des Fusionsvertrages war — obwohl alle Beteiligten praktisch von der Einbeziehung Berlins ausgingen (vgl. Zieger aaO, S. 583) — deshalb nicht eindeutig, weil bei Abschluß des EGKSV das Verfahren für die Einbeziehung Berlins in internationale Verträge noch nicht festgelegt war (Zur Einbeziehung Berlins in die Verträge der Europäischen Gemeinschaften vgl. ausführlich Pestalozza in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 549 ff; Schramm S. 11 ff; zu den trotz der eindeutigen Rechtslage erhobenen Protesten der SU vgl. Wettig, Das Viermächte-Abkommen in der Bewährungsprobe, S. 208 ff). Die Fortentwicklung der EG durch die Einheitliche Europäische Akte (BR-DrS 150/86) bezieht Berlin ein. Die entsprechende Erklärung der Bundesregierung läßt allerdings ausdrücklich (vgl. Rdn. 122) wegen Art. 30 VI a des Vertrages (Zusammenarbeit in Fragen europäischer Sicherheit) die Rechte und Verantwortlichkeiten der Westalliierten in bezug auf Berlin in Fragen der Sicherheit unberührt. Alle von den Organen der EG gesetzten Rechtsakte (Verordnun- 128 gen, Richtlinien, Entscheidungen, Beschlüsse sowie die Urteile des EuGH) gelten wie im übrigen Bundesgebiet ohne besondere Übernahme- oder Verkündungsakte im Land Berlin als europäisches Recht (h. M., vgl. Grabitz, S. 125 ff mit weiteren Nachw. Fn. 2; Schramm, S. 121; a. A. Schumacher EuR 1980, S. 183 ff). Für „Europäische Verordnungen" (sie!) sind die gleichen Veröffentlichungsbedingungen maßgeblich, „die für die zu Bundesrechtsvorschriften herausgegebenen Verordnungen gelten" (BK/L (57) 44, DBF 142 D), d. h. lediglich das Inkrafttreten der Verordnungen der EG ( = „Gesetze") wird nachträglich deklaratorisch im GVB1. bekanntgemacht. Seit Anfang 1964 wird nur noch (gesammelt) auf den Erlaß der Verordnungen durch Angabe ihrer Überschriften mit Fundstelle und Veröffentlichungsdatum im ABl. der EG hingewiesen mit der Feststellung, daß diese Rechtsvorschriften zum gleichen Zeitpunkt wie im übrigen 81
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Abschnitt I: Die Grundlagen
Geltungsbereich der Verträge in Kraft getreten sind (Zieger, S. 598 Fn. 87 a). Allerdings hat sich die AKB vorbehalten, daß ihr Europäische Verordnungen (nicht dagegen Richtlinien, Entscheidungen und sonstige Beschlüsse) vom SvB zuvor zur Kenntnis gebracht und erst veröffentlicht werden, wenn sie binnen 21 Tagen keinen Einspruch erhebt (gemäß einer zwischen dem Berliner Senat und der AKB getroffenen Absprache vom Juni 1958, erwähnt bei Zieger aaO S. 597; Pestalozza aaO S. 557; Grabitz aaO S. 137). Daraus ist jedoch nicht zu folgern, daß die AKB Europäische Verordnungen ebenso wie Berliner Gesetzgebungsakte (s. Rdn. 26, 68) aufheben könnte. Gemeinschaftsgewalt und Besatzungsgewalt wirken in Berlin unabhängig voneinander (Grabitz aaO S. 136 ff, ähnlich Ress in: Der Beitrag des Rechts zum europäischen Einigungsprozeß, 1984, S. 66, jedoch strittig; a. A. Schumacher, S. 187; Schramm, S. 126; nach Zieger aaO S. 600 besteht für die AKB ein Feststellungsrecht hinsichtlich ihres vorbehaltenen Bereichs; Wengler AFDJ 1978, 217 ff, 229 f geht von einem Geltungsvorrang des Besatzungsrechts gegenüber dem Gemeinschaftsrecht aus). Allerdings sind die Besatzungsmächte an das Gemeinschaftsrecht auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung (s. dazu Schramm S. 127 ff, s. dort auch zu einer etwaigen Schadensersatzverpflichtung der Westmächte) nicht gebunden. Ein Veto gegen die von der EG gesetzten Rechtsakte — zu dem es bislang nicht gekommen ist — hätte die Bedeutung einer an die Berliner Landesgewalt gerichteten Anweisung, das europäische Recht nicht anzuwenden. Dieser Anordnung hätten die Organe der Berliner Landesgewalt unter Verstoß gegen geltendes Gemeinschaftsrecht nachzukommen (Grabitz aaO S. 136, s. auch Rdn. 25, 26). 129 Da die Alliierten keine Einwände gegen die Geltung des Art. 177 EWGV für Berlin erhoben haben, sind Berliner Gerichte berechtigt (Art. 177 II) und ggf. als letztinstanzliche Gerichte verpflichtet (Art. 177 III), unter Aussetzung des Verfahrens eine Entscheidung des EuGH durch Vorlage einzuholen, wenn es für ihre Entscheidung auf die Auslegung des EG-Vertragsrechts, Gültigkeit von Handlungen der EG-Organe (auch hinsichtlich des Erlasses von EG-Rechtsvorschriften) oder von Satzungen der vom Rat geschaffenen Einrichtungen ankommt (z. B. Kartellsenat des KG, vgl. KG EurR 1969, 147; zu den Vorabentscheidungen des EuGH, die in einer Vielzahl von Fällen auf Vorlagen des Finanzgerichts Berlin ergingen, vgl. die Zusammenstellung bei Pestalozza aaO S. 568 ff, zur Vorlage durch oberste Gerichtshöfe des Bundes bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten der Berliner Behörden, vgl. z. B. 82
Status Berlins (von Lampe/Pfennig)
Art. 1
BVerwG-Vorlage bezügl. NichtVerlängerung der Aufenthaltserlaubnis einer Senegalesin durch den Polizeipräsidenten: EuGH-Urteil vom 13. 2.1985, Rs 267/83, EG-ABI. 1985, C 61, S. 3). Bei völkerrechtlichen Verträgen der EG stellt sich, da sie auf deren 130 autonomer Kompetenz beruhen, überhaupt nicht die Frage einer besonderen Erstreckung auf Berlin. Sie bedürfen keiner Berlin-Klausel, weil sie für die Gebiete gelten, in denen die EG-Verträge angewandt werden, und ebensowenig wie der Mitwirkung der nationalen Parlamente der des AvB. Lediglich dort, wo die Bundesrepublik zusammen mit der EG Vertragspartner ist (sog. gemischte Verträge), oder wo sie nationale Vorschriften zur Durchführung von Verträgen der EG erlassen muß (ähnlich wie bei den „Richtlinien" [ = „Rahmengesetzen"] der EG), kommt der „govern-Vorbehalt" und damit ggf. das Berlin-Klausel-Verfahren wieder zum Tragen (Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 601 f). Entsprechend der Zugehörigkeit Berlins zur EG haben einige EG- 131 Institutionen ihren Sitz in Berlin: die Außenstelle Berlin des Verbindungsbüros der EG und das „Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung" (EG-Verordnung Nr. 337/75 des Rates, EGABI. 1975 Nr. 39, S. 1; BK/O [75] 3, GVB1. S. 1132. Dagegen beruht die „Dienststelle Berlin des Europäischen Patentamts" auf Art. 12 des Abkommens zwischen der BReg. und der Europ. Patentorganisation über den Sitz des Europäischen Patentamts, BGBl. 1978 II S. 337ff und BK/O (78) 5, GVB1. 1978, S. 1168). Ferner werden auch in Berlin die Abgeordneten des Europäischen 132 Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland gewählt (vgl. Gesetz zu dem Beschluß und Akt des Rates der EG v. 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 4.8.1977, BGBl. II S. 733). Der auf Art. 21 III EGKSV, 138 III EWGV, 108 III Euratom V beruhende Beschluß und Akt des Rates der EG beinhalten als Bestandteil (Art. 15 III des Aktes) die Erklärung der Bundesrepublik, daß der Akt zur Einführung allgemeiner Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments auch für das Land Berlin gilt, daß aber mit Rücksicht auf die bestehenden Rechte und Verantwortlichkeiten der westlichen Alliierten das AvB die Abgeordneten für diejenigen Sitze wählen wird, welche innerhalb des Kontingents der Bundesrepublik Deutschland auf das Land Berlin entfallen. Dementsprechend sind die auf Berlin entfallenden 3 Abgeordneten vom AvB zu wählen, § 29 EuWG. Sitzungen des Präsidiums des Europäischen Parlaments, seiner Ausschüsse und Fraktionen sowie der Versammlung EWG/ AKP in Berlin sind ebenso wie Besuche der Präsidenten des EP und der EG-Kommission Ausdruck der Einbindung Berlins in die EG. 83
Art. 1 133
Abschnitt I: Die Grundlagen
Die EG hat Berlin mit besonderem Vorrang bei Messen, Ausstellungen, ihren Kongressen sowie im Kulturbereich (Auszeichnung Berlins als Europäische Stadt der Kultur 1988) berücksichtigt. Mit Leistungen durch Kredite der Europäischen Investitionsbank (zum Verfahren vgl. Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 604) und mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds und Regionalfonds sowie aus einzelnen finanziellen Programmen (besonders aus dem Bereich Forschung und Entwicklung) erhält Berlin von der EG eine nicht unerhebliche Förderung. Durch Art. 92 II lit. c EWGV ist rechtlich klargestellt, daß die besondere Begünstigung Berlins durch das BerlinFG nicht dem grundsätzlichen Wettbewerbsverzerrungsverbot des Art. 92 I EWGV zuwiderläuft. N. Einbeziehung in internationale
134
Organisationen
Der Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat (BGBl. 1950 II S. 263; BGBl. 1953 II S. 558) erstreckt sich auf Berlin, eine förmliche Erstreckung des Beitrittsgesetzes ist allerdings erst später erfolgt (BGBl. 1968 II S. 573, GVB1. S. 1456; vgl. im einzelnen Zieger, Festschrift für E. Menzel, S. 587). In das Rechtsschutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention ist Berlin ebenso wie die übrigen Bundesländer einbezogen (Erklärung der Bundesreg. anläßlich der Ratifikation des Vertrages am 3. Dezember 1952, BGBl. 1954 II S. 14 sub I 1; das deutsche Zustimmungsgesetz wurde durch Gesetz vom 24. September 1953, GVB1. 1953, S. 1163, Art. I Nr. 4 nach Berlin übernommen, ebenso auch alle späteren Ratifikationsgesetze zu den Zusatzprotokollen, vgl. hierzu ausführlich Pestalozza in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 549 ff). Jeder Berliner Bürger kann die Verletzung durch Akte der Berliner Landesgewalt in Beschwerdeverfahren rügen, die gegen die Bundesrepublik Deutschland (!) gerichtet sind. Dieser obliegt die Durchsetzung der Entscheidungen in Berlin. Die Kommission war bereits in einer Vielzahl Berliner Verfahren befaßt (s. die bei Pestalozza aaO S. 561 ff genannten Entscheidungen, auch die des Ministerkomitees und des Gerichtshofs). Die Frage, ob bei Verletzung durch die britische oder französische Besatzungsgewalt die Beschwerde gegen das Vereinigte Königreich oder Frankreich zulässig ist, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. einerseits Randelzhofer DV 1986, 25; andererseits Geulen NJW 1985, 1057 zu Fn. 24; Wengler ROW 1986, 153 zu Fn. 23). 135 Schließlich ist Berlin Teil der Bundesrepublik Deutschland in der UNO. Sie hat beim Beitritt zu den Vereinten Nationen zusammen 84
Bevölkerung Berlins (Magen/Pfennig)
Art. 2
mit dem Aufnahmeantrag eine von den Vier Mächten als Mitglieder des Sicherheitsrates zur 28. Vollversammlung akzeptierte (Brief der UdSSR an den Generalsekretär vom 26.6.73, UN Doc. [Distr. General] A/9082 - S/10958; Brief Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der USA vom 10.12.73, UN Doc. [Distr. General] A/9431 - S/11150; Brief der UdSSR vom 20.12.73, UN Doc. [Distr. General] A/9471 — S/11165; Erklärung gegenüber dem Generalsekretär UN Doc. [Distr. General] A/9071 - S/10950) abgegeben, daß sie vom Zeitpunkt ihrer Mitgliedschaft in der UNO an die Rechte und Pflichten aus der Charta auch für Berlin (West) — außer in Fragen der Sicherheit und des Status — mit Übereinstimmung mit der BKC/L (73) 1 vom 13.4.73 übernimmt und die Interessen von Berlin (West) in den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen vertritt (vgl. Bulletin 1973, S. 738). Eine dementsprechende, die Verantwortlichkeiten der Westalliierten berücksichtigende BerlinKlausel enthält das Beitrittsgesetz (BGBl. 1973 II S. 431), das auch in Berlin gilt (GVB1. 1973, S. 1016; vgl. auch Mahnke, Vereinte Nationen 1973, 112ff, Ress, Der Staat Bd. 11, 1972, S. 27 Fn. 72; von Well, Das Parlament 1983, Nr. 36, S. 12). In ihrer ViermächteErklärung vom 9.11.1972 (BT-DrS. 7/154, S. 46) haben die vier Alliierten ausdrücklich festgestellt, daß die Mitgliedschaft der BRep. und der DDR in der UNO „die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte und die bestehenden diesbezüglichen vierseitigen Regelungen, Beschlüsse und Praktiken in keiner Weise berührt". Sie haben damit zugleich verdeutlicht, daß Viermächteangelegenheiten, die Deutschland als Ganzes einschließlich Gesamt-Berlin betreffen, den Vereinten Nationen aufgrund der Art. 53 und 107 der UNOCharta entzogen und den Vier Mächten vorbehalten sind. Artikel 2 (1) Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben. (2) Sie üben nach dieser Verfassung ihren Willen unmittelbar durch Wahl zu der Volksvertretung und durch Volksentscheid, mittelbar durch die Volksvertretung aus. Materialien 1. vgl. Art. 20 II GG; 2 BV; 66 VHB; 25 VBW; 3 VHH; 70/71 HV; 2 VNV; 2 VNW; 75 VRP; 61, 65 II VS; 2 LS 2. VVGB: Art. 2 3. Änderungen: 7. ÄndGVvB vom 28.3.1958 (GVB1. 308) 85
Art. 2
Abschnitt I: Die Grundlagen
Erläuterungen 1
Ebenso wie Art. 20 II 1 GG bestimmt Art. 2 I VvB, daß alle Staatsgewalt in Berlin vom Volke ausgeht (Art. 28 I GG). Staatsvolk i. S. des Art. 2 I ist die Gesamtheit der Deutschen i. S. des Art. 116 GG (vgl. Art. 25, Rdn. 3), die in Berlin ihren Wohnsitz haben. Unter Wohnsitz ist der melderechtliche Wohnsitz, die Hauptwohnung in Berlin zu verstehen (vgl. Art. 26, Rdn. 14). Unter Berücksichtigung, daß die VvB ihrem Ansprüche nach für ganz Berlin gilt, kommt es für Art. 2 I nicht darauf an, ob die Hauptwohnung in einem Bezirk West- oder Ost-Berlins liegt (vgl. auch § 17 Abs. 1 LWO). 2 Das GG bekennt sich zur repräsentativen Demokratie (Art. 20 II GG). Während die WRV die Möglichkeit vorsah, auf Reichsebene Volksbegehren und Volksentscheide in bezug auf die Gesetzgebung (Art. 73, 76) und Volksabstimmung mit dem Ziel der Absetzung des Reichspräsidenten (Art. 43) durchzuführen, kennt das GG nur im Bereich der Neugliederung des Bundesgebietes die plebiszitären Instrumente des Volksbegehrens und Volksentscheides (Art. 29). 3 Bis zum 17. ÄndGVvB vom 22.11.1974 (GVB1. S. 2741) sahen auch Art. 3 I i. V. m. 45 II, 49 und 88 II neben der Gesetzgebung durch das AvB auch die Möglichkeit der Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid vor (vgl. Art. 3, Rdn. 3). Die entsprechenden Gesetzentwürfe des SvB und aus der Mitte des AvB für ein Ausführungsgesetz sind nicht verabschiedet worden. Nunmehr beschränkt sich ein Volksentscheid nur noch auf die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode des AvB (vgl. Art. 39 III; bis zum 20. ÄndGVvB vom 26.02.1981 (GVB1. 346) hieß es „vorzeitige Auflösung des AvB"). Die Teilhabung des Volkes an der Staatsgewalt, die in Abs. 1 als öffentliche Gewalt bezeichnet wird, beschränkt sich auf die Teilnahme an den Wahlen zum AvB und zu den BVVen sowie durch Volksbegehren und Volksentscheid zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode des AvB. 4 Die VvB geht von einer Volksvertretung aus, d. h., nur das AvB soll die Stellung der Volksvertretung besitzen. Das wird auch durch Art. 3 I deutlich, wonach nur das Verfassungsorgan, das Gesetzgebungsbefugnisse hat, die Volksvertretung ist. Zweifel können jedoch bestehen, ob nicht auch die BVVen örtliche Volksvertretungen sind. Wegen ihres Zustandekommens (Wahl durch die deutsche Bevölkerung des Bezirks), ihrer Organisation, Arbeitsweise und Kontrollaufgaben könnte man sie als lokale Volksvertretungen ansehen (so 86
Art. 3
Staatsfunktionen (Pfennig)
früher: Oehler, Verfassung und Verwaltung der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände, 1929, S. 58, über die Berliner Bezirke: „Die Aufgaben der Stadtverordnetenversammlung hat die Bezirksversammlung", a. A. die heute h. M., vgl. Machalet, S. 116; Srocke, S. 7; Breitfeld, Die verfassungsrechtliche Stellung der Berliner Bezirke, 1953, S. 78). Da sowohl der SvB in seiner Gesamtheit als auch die Präsidenten 5 der oberen Landesgerichte vom AvB gewählt werden und Berufsrichter nur nach Mitwirkung eines vom AvB zu bildenden Richterwahlausschusses auf Lebenszeit ernannt und befördert werden dürfen (§ 2 BlnRiG), hat das Volk auch mittelbar durch das AvB Einfluß auf Exekutive und Judikative. Ebenso wird das Volk bei der Wahl des BzA und der Schöffenvorauswahl (vgl. § 36 Abs. 1 GVG) durch die BVV an der Zusammensetzung der Verwaltungsbehörde des Bezirks und der Berufung der Laienrichter mittelbar beteiligt (vgl. Art. 56 Rdn. 15, Art. 63 Rdn. 12).
Artikel 3 (1) Die gesetzgebende Gewalt steht allein der Volksvertretung zu. Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung, die richterliche Gewalt in den Händen unabhängiger Gerichte. (2) Volksvertretung, Regierung und Verwaltung nehmen die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahr. Materialien 1. vgl. Art. 20 II 2 GG; Art. 25 III VBW; Art. 5 BV; Art. 67 VHB; Art. 3, 4 VHH; Art. 116, 126 HV; Art. 2 I VNV; Art. 3 VNW; Art. 75, 77 VRP; Art. 65 VS; Art. 2, 9 I LS. 2. VVGB: Art. 2 III 3. Änderungen: 17. ÄndGVvB v. 22.11.1974 (GVB1. S. 2741)
Erläuterungen Art. 3 I bringt das Gewaltenteilungsprinzip zum Ausdruck. Die 1 SED wollte dieses von ihr abgelehnte verfassungstheoretische Prinzip dadurch unterlaufen, daß dem Art. 3 ein dritter Absatz angefügt werden sollte: „Die Volksvertretung übt die Kontrolle über die ge87
Art. 3
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Abschnitt I: Die Grundlagen
samte Verwaltung und die Ausführung der Gesetze aus." Dieser Zusatz sollte insbesondere die Unabhängigkeit der Gerichte begrenzen. Wie Art. 20 II 2 G G legt Art. 3 I VvB ausdrücklich als verfassungsrechtlichen Grundsatz das Gewaltenteilungsprinzip fest. Da die Gewaltenteilung zum Wesen des Rechtsstaats gehört (Herzog in: M D , Art. 20, V, Rdn. 124), ist Berlin durch Art. 2811 G G hierzu verpflichtet. Durch Art. 3 I wird die Staatsgewalt („Öffentliche Gewalt" i. S. des Art. 2 I ) nicht aufgeteilt, sondern hinsichtlich ihrer Ausübung behält diese Vorschrift dreifach gegliederte Staatstätigkeiten auch dreifach gegliederten Staatsorganen vor. Art. 3 I weist die Legislative der Volksvertretung (AvB, Art. 25), die Exekutive der Regierung (SvB, Art. 40) und ihren Verwaltungsstellen, die Judikative unabhängigen Gerichten (Art. 63) zu. Gesetzgebung unmittelbar durch das Volk im Rahmen des Volksentscheids kennt die VvB nicht mehr (vgl. 17. Ä n d G VvB). Der auf der Montesquieuschen Dreiteilungslehre beruhende Grundsatz der Gewaltenteilung ist nicht als scharfe Trennung der Funktionen der einheitlichen Staatsgewalt zu verstehen. Die Gewaltentrennung ist nicht restlos durchgeführt, vielmehr sind alle drei Gewalten miteinander verschränkt, wie z. B. Art. 47 und Art. 69 zeigen. Der Grundsatz besagt, daß keines der drei Organe in den Bereich der Zuständigkeit eines der beiden anderen Organe übergreifen soll, vielmehr alle drei Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen sollen, um die Staatsmacht im Interesse der Freiheit des einzelnen zu beschränken. Mit der gesetzgebenden Gewalt ist die Rechtsetzung im Sinne der Art. 45 und 46 gemeint. Wenn Art. 3 I bestimmt, daß die Exekutive in den Händen der Regierung (des SvB, vgl. Härth JR 1986, 221, 222) und der ihr nachgeordneten Verwaltung liegt, so unterscheiden dementsprechend die Art. 40 f f die Regierungstätigkeit i. e. S. als Teil der Exekutive von der Verwaltung im allgemeinen, insbesondere auch durch die Bezirke, die durch Art. 50 f f geregelt wird. Nachgeordnete Verwaltung i. S. des Art. 3 I ist dabei nicht nur die in Art. 44 angesprochene Hauptverwaltung, durch die der SvB zentrale Aufgaben wahrnimmt (Art. 51), nachgeordnet sind vielmehr auch die Verwaltungen der Bezirke, die die sonstigen Angelegenheiten der Verwaltung wahrnehmen (Art. 51 II), obwohl diese Verwaltungen dem SvB nicht untergeordnet sind wie die Hauptverwaltung, insbesondere nicht seiner direkten Aufsicht unterstehen. Die Verwaltungen der Bezirke sind in 88
Staatsfunktionen (Pfennig)
Art. 3
die Gesamtverwaltung eingeordnet und an der Gesamtverwaltung beteiligt im Rahmen der vom SvB bestimmten Grundsätze und der von ihm aufgestellten Richtlinien für die Verwaltung. Insoweit sind sie dem SvB nachgeordnete Verwaltung und deshalb in Art. 3 1 2 nicht als Teile der vollziehenden Gewalt besonders aufgeführt. Zu der nachgeordneten Verwaltung gehören im übrigen auch die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts des Landes Berlin, die als mittelbare Staatsverwaltung Teil der Hauptverwaltung sind. Hierzu zählen z. B. die Rechtsanwalts-, Notar* und Ärztekammern, Universitäten, die DKLB-Stiftung. Durch Art. 3 1 2 wird die Rechtsprechung als selbständige und 7 unabhängige dritte Gewalt festgelegt. „Rechtsprechung" ist die Entscheidung dessen, was in Anwendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Tatbestand rechtens ist, durch eine neutrale Instanz (zum Begriff und dem Problem seiner selbständigen Definition vgl. Herzog in: MD, Art. 20, V, Rdn. 70 ff, Art. 92, Rdn. 22 ff). Die rechtsprechende Gewalt ist gegen Einwirkungen der beiden anderen Gewalten stärker abgeschirmt als umgekehrt. Akte der Rechtsetzung und der Exekutive sind ihrer Kontrolle unterworfen (s. im einzelnen bei Art. 64 und 71). Deshalb müssen die Gerichte vor allem von der Exekutive getrennte Institutionen sein (vgl. BVfGE 4, 331, 346; 27, 312, 321). Art. 3 1 2 bringt gleichzeitig wie Art. 92 GG zum Ausdruck, daß 8 Akte der rechtsprechenden Gewalt nicht von den Trägern der beiden anderen Gewalten getroffen werden dürfen (vgl. BVfGE 22, 49, 76, 81), weil sie ausdrücklich in die Hände unabhängiger Gerichte gelegt sind. Art. 3 II ist im Zusammenhang mit Art. 1 I zu sehen. Danach sind 9 Landesverwaltung und Stadtgemeindeverwaltung nicht getrennt, sondern werden von denselben Organen ausgeführt (vgl. Art. 1, Rdn. 2, 4, 6; vgl. grundlegend Sendler JR 1985, S. 441 ff). Art. 3 II bezeichnet die Aufgaben Berlins als gleichzeitig die einer „Gemeinde", eines „Gemeindeverbandes" und eines „Landes". Alle drei Aufgabenkreise zusammen sind von Volksvertretung, Regierung und Verwaltung wahrzunehmen, da Staat und Gemeinde keine verschiedenen Rechtssubjekte sind. Mithin haben das AvB und der SvB mit seinen Verwaltungsbehörden nicht nur die staatlichen Aufgaben eines Landes wahrzunehmen, sondern auch gleichzeitig die kommunalen Aufgaben der Stadtgemeinde Berlin. Insoweit folgen sie grundsätzlich den Funktionen der ehemaligen StVV und des ehemaligen MvB nach dem StGemG vom 27. April 1920 mit der Novelle vom 30. März 1931. 89
Art. 4
10
Abschnitt I: Die Grundlagen
Der Hinweis auf die Aufgaben eines Gemeindeverbandes bedeutet nicht, daß die Verwaltungsbezirke Berlins die Stellung selbständiger Gemeinden und die Gesamtstadt die Stellung eines Gemeindeverbandes hätte. Er ist lediglich dadurch verständlich, daß Berlin mit dem StGemG auch die Aufgaben aus dem Aufgabenkreis einer früheren Provinz (als Gemeindeverband) übernommen hatte, obwohl Berlin nach diesem Gesetz Einheitsgemeinde und ein Stadtkreis wurde, aber gleichzeitig die Stellung einer Provinz hatte. Berlin ist als Stadt Einheitsgemeinde geblieben, AvB und SvB mit nachgeordneter Verwaltung haben neben den Landesaufgaben auch die der Einheitsgemeinde zu erfüllen.
Artikel 4 (1) Berlin umfaßt das Gebiet der bisherigen Gebietskörperschaft Groß-Berlin mit den Grenzen, die bei Inkrafttreten der Verfassung bestehen. Jede Änderung seines Gebietes bedarf der Zustimmung der Volksvertretung. (2) Berlin ist in 20 Bezirke eingeteilt. Eine Änderung der Zahl und der Grenzen der Bezirke kann nur durch Gesetz vorgenommen werden. Für Grenzänderungen von geringer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. Materialien
1. Vgl. Art. 23 GG 2. W G B : Art. 1 3. Änderungen: Durch das 6. ÄndGVvB vom 30.1.1958 (GVB1. 125) ist Art. 4 II 3 eingefügt worden.
Erläuterungen 1
Art. 4 setzt das Landesgebiet von Berlin fest und unterstellt es dem Schutz der Verfassung. Dabei verweist Art. 4 1 1 auf das Gebiet von Groß-Berlin, das bei Inkrafttreten der VvB bestand, und beansprucht damit die Geltung der VvB für Gesamt-Berlin (zur faktischen Unmöglichkeit vgl. Knörr, S. 210, Anm. 137, und Art. 1 Rdn. 2). Groß-Berlin hatte am 20.10.1946 das bis dahin zur preußischen 90
Gebiet Berlins (Neumann)
Art. 4
Stadt Berlin gehörende Gebiet übernommen, wie es durch das StGemG vom 27. April 1920 festgelegt und später geringfügig erweitert worden war. Nach der VvB kann eine Änderung des Gebiets von Berlin nur mit 2 Zustimmung des AvB erfolgen. Darüber hinaus ist das gegenwärtige Gebiet Berlins durch das Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 verfestigt (mit der Ermächtigung in II C Abs. 2 und Anl. III Nr. 3 betr. Gebietsaustausch der Exklaven; vgl. Art. 1 Rdn. 17; vgl. Zivier S. 264 fi). Eine Änderung des Berliner Gebiets bedürfte somit immer der Zustimmung der vier Alliierten. Dies gilt nicht nur für West-Berlin, sondern auch für Ost-Berlin. Wenn also Ost-Berlin erreichen wollte, daß ein weiterer Stadtbezirk gebildet wird, der ganz oder teilweise über das vom Viermächte-Abkommen bestätigend festgelegte Berliner Gebiet hinausgeht, so bedarf es der Zustimmung auch der West-Alliierten. Art. 4 II 1 übernimmt die Bezirkseinteilung in 20 Verwaltungsbe- 3 zirke, wie sie schon durch § 14 StGemG vorgenommen worden war. Diese 20 Bezirke sind: 1. Mitte 2. Tiergarten 3. Wedding 4. Prenzlauer Berg 5. Friedrichshain 6. Kreuzberg 7. Charlottenburg 8. Spandau 9. Wilmersdorf 10. Zehlendorf 11. Schöneberg 12. Steglitz 13. Tempelhof 14. Neukölln 15. Treptow 16. Köpenick 17. Lichtenberg 18. Weißensee 19. Pankow 20. Reinickendorf Allerdings hat Ost-Berlin in den letzten Jahren innerhalb des Stadtgebietes drei neue Stadtbezirke gebildet, so daß nunmehr innerhalb von West-Berlin (weiterhin) zwölf Verwaltungsbezirke, in OstBerlin (statt bisher acht) nunmehr elf Verwaltungsbezirke bestehen. 91
Art. 4
Abschnitt I: Die Grundlagen
Die weiteren 3 Bezirke sind: — Marzahn — Hohenschönhausen — Hellersdorf Besatzungsrechtlich unterstehen die Bezirke Kreuzberg, Zehlendorf, Schöneberg, Steglitz, Tempelhof und Neukölln den USA, die Bezirke Tiergarten, Charlottenburg, Spandau und Wilmersdorf Großbritannien und die Bezirke Wedding und Reinickendorf Frankreich. Ost-Berlin stellt das Gebiet des sowjetischen Sektors dar mit den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Treptow, Köpenick, Lichtenberg, Weißensee und Pankow sowie Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf. Die besatzungsrechtliche Aufteilung der 20 Bezirke ist in den Kriegs- und Nachkriegsvereinbarungen der Alliierten (vgl. Art. 1 Rdn. 8,11) festgehalten, deren Fortbestehen das Viermächte-Abkommen (vgl. Art. 1 Rdn. 15) vorsieht (zur Zahl der Bezirke vgl. aber Rdn. 6). 4 Vor Inkrafttreten der VvB konnte eine Änderung der Bezirksgrenzen durch einfache (übereinstimmende) der StVV und des MvB herbeigeführt werden, wenn die beteiligten Bezirksversammlungen zustimmten. Art. 4 II 2 dagegen setzt fest, daß hierfür nun ein (einfaches) Landesgesetz erforderlich ist, sofern nicht durch Gesetz für Grenzänderungen von geringer Bedeutung Abweichendes bestimmt wird, Art. 4 II 3. 5 Die Bezirke sind keine Gemeinden, sondern Gebietskörperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. Art. 50, Rdn. 13). Durch Art. 4 II 1 werden sie als Institution gewährleistet. 6 Eine Änderung der Zahl der Bezirke kann nicht durch einfaches Landesgesetz vorgenommen werden, sondern bedarf, weil es sich um eine Änderung von Art. 4 II 1 handelt, einer Verfassungsänderung (s. a. Landsberg/Goetz, S. 57; für Ost-Berlin ist z. Zt. zumindest ein ausdrücklicher Beschluß der StVV notwendig, vgl. DDR-GB1. 1986 I, S. 93 f). Über die Aufgliederung Berlins in Bezirke, deren Anzahl und deren Abgrenzung bringt das Vier-Mächte-Abkommen keine Regelung. Eine Regelung insoweit bedürfte also nicht der Zustimmung aller vier Alliierten (vgl. Mampel, 10 Jahre Berlin-Abkommen, S. 139). Sofern durch eine Änderung der Bezirksstruktur Auswirkungen auf die besatzungsrechtliche Aufteilung zu besorgen wären, könnte eine solche aber nicht ohne Zustimmung der betroffenen (West-)Alliierten erfolgen. 92
Art. 5
Flagge (Neumann)
Der Gebietsaustausch aufgrund des Vier-Mächte-Abkommens 7 (vgl. oben Rdn. 2) ist keine Maßnahme aufgrund Art. 4 dieser Verfassung. Der SvB handelt bei Abschluß von Vereinbarungen, über den Austausch von Gebieten im Auftrag der Besatzungsmächte (Zivier, S. 265). Die AKB hat durch BK/O (72) 6 vom 03.06.1972 - GVB1. S. 998 — angeordnet, daß die erworbenen Gebiete Teile des jeweils angrenzenden Sektors werden. Alle in den betreffenden Sektoren in in Kraft befindlichen Gesetze und Beschlüsse finden in den eingetauschten Gebieten Anwendung. Vollzogen wird der Gebietsaustausch durch die Unterzeichnung des Schlußprotokolls, also auch einen Akt der Vier Alliierten. Der besatzungsrechtliche Status der betroffenen Sektoren erstreckt sich auf die erworbenen Gebiete und erlischt für die Gebiete, die an die DDR abgetreten worden sind. Zugleich werden die erworbenen Gebiete Territorium der deutschen Gebietskörperschaft Berlin. Sie verlieren ihre Zugehörigkeit zum Land Berlin und unterliegen auch nicht mehr dem Besatzungsrecht der Alliierten. Durch Vereinbarungen vom 21.07.1972 ist das Gebiet des Potsdamer Platzes nachträglich in den Gebietsaustausch einbezogen worden, vgl. BK/O (72) 9 vom 21.07.1972 (Beilage BAnz Nr. 174, S. 41). Dieses Gebiet ist damit zum Bestandteil des britischen Sektors (Bezirk Tiergarten) geworden.
Artikel 5 Berlin führt Flagge, Wappen und Siegel mit dem Bären, die Flagge mit den Farben WeiB-Rot. Materialien 1. Art. 22 GG; 24 VBW; 1 II und III BV; 68 VHB; 5 VHH; 66 HV; 1 II VNV; 1 II VNW; 74 III VRP; 62 VS. 2. VVGB: Art. 1 III 3. Änderungen: —
Erläuterungen Die Führung von Flaggen, Wappen und Siegel ist ein altes Recht 1 der Städte. Das Siegel dient dazu, Urkunden und sonstige wichtige Willenserklärungen besonders kenntlich zu machen; es ist die äußer93
Art. 5
Abschnitt I: Die Grundlagen
liehe Bestätigung der Gültigkeit. Das Wappen dient dazu, äußerlich zu kennzeichnen, wem das fragliche Gebäude oder eine sonstige Einrichtung gehört oder dient. 2 Wappen und Siegel zeigen im silbernen oder weißen Schilde einen aufgerichteten schwarzen Bären mit roter Zunge und roten Krallen, auf dem Schild ruht eine goldene, fünfblättrige Laubkrone, deren Stirnreif aus Mauerwerk mit einem Tor in der Mitte ausgestattet ist, § 1 HohZG. Die Landesflagge zeigt die Farben Rot-Weiß-Rot in drei Längsstreifen, wobei die äußeren Streifen je ein Fünftel, der mittlere drei Fünftel der Flaggenbreite einnimmt, der mittlere Streifen ist mit der etwas nach der Stange hin verschobenen Wappenfigur ohne Schildeinrahmung belegt, § 2 I HohZG. 3 Das erste Siegel der Stadt Berlin erscheint schon im zwölften Jahrhundert; im Jahre 1280 erscheint der Bär im Siegel. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entsteht die Berliner Flagge mit den Farben Weiß und Rot und dem schwarzen Bären. Die Herkunft der Farben und des Bären sind nicht eindeutig zu klären. Wahrscheinlich ist das „Rot" aus den brandenburgischen und das „Schwarz" aus den preußischen Farben entlehnt. Die Mauerkrone als Symbol des Stadtrechts ist schon vom ältesten Siegel von Berlin aus dem zwölften Jahrhundert überliefert, das die Inschrift trägt: „Sigillum de berlin burgensium". Das Siegel von 1280 zeigt erstmals den Bären unter dem Brandenburgischen Adler. Das Heroldsamt des preußischen Königs legt im Jahre 1709 Wappen und Siegel für Berlin obrigkeitlich fest: Das ist der stehende schwarze Bär, darüber der rote brandenburgische und der schwarze preußische Adler und darüber die Kurkrone; 1839 wird letztere durch die Mauerkrone ersetzt. Inzwischen sind preußischer und brandenburgischer Adler entfallen, der Bär ziert allein Wappen und Siegel. Warum Berlin den Bären im Wappen führt, kann nicht sicher erklärt werden. Einige mutmaßen, daß Markgraf Albrecht der Bär sozusagen der Gründer Berlins sei. Es wird aber auch angenommen, daß es sich um ein „redendes" Wappen handele, d. h., der Bär wurde gewählt, weil der Wortklang der ersten Silbe des Wortes Berlin (gleich Bär-lin) gleichklingt. So soll es auch zu erklären sein, daß die Vororte Bernau und Bernburg den Bären im Wappen hätten (so Haas, VVGB S. 31). 4 Die Bezirke führen das Landeswappen, § 1 II 1 HohZG. Der SvB hat den Bezirken Bezirkswappen verliehen, aufgrund § 1 II 2 HohZG, die bei besonderen Anlässen neben dem Landeswappen geführt werden. Diese Wappen haben ebenfalls amtlichen Charakter. Sie führen sämtlich das Symbol der Stadtmauer und darin eingebettet das Wappen Berlins mit dem Bären. 94
Flagge (Neumann)
Art. 5
Berliner Behörden führen das Landessiegel; es kommt vor in 5 Gestalt des großen und des kleinen Landessiegels. Wer zu welchem Anlaß zur Verfügung über das große Landessiegel berechtigt ist, ergibt sich aus der SiegelVO. Die Verunglimpfung der Farben, der Flagge oder des Wappens 6 Berlins ist nach § 90 a I Nr. 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Ebenso wird nach §90a II StGB bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen Berlins entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Ordnungswidrig nach § 124 I OWiG handelt, wer unbefugt das Wappen Berlins oder den entsprechenden Teil eines Wappens oder einer Dienstflagge Berlins benutzt. Diesen Wappen und Wappenteilen und Flaggen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
95
Abschnitt II Die Grundrechte
Vorbemerkungen Gliederung 1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.3.9 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 96
Das Verhältnis der Landesgrundrechte zu den Bundesgrundrechten Der Geltungsgrund der Bundesgrundrechte in Berlin, Art. 87 Abs. 3 VvB Die „Mindestgarantie" der Bundesgrundrechte Die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 GG Art. 1 Abs. 3 GG Art. 142 GG und die Geltung der Landesgrundrechte Ein „einheitliches" Grundrecht? Folgen des „Zurückbleibens" der Landesgrundrechte Soziale Grundrechte Gleichheitsgrundrechte Individuelle Freiheitsgrundrechte Einrichtungsgarantien Rechte des status activus Bestimmungen der VvB, die nicht dem Katalog der Art. 1—18 GG entsprechen Verhältnis zum einfachen Bundesrecht Grundrechtstheoretisches Vorverständnis, Deutungsweisen, „Dimensionen" der Grundrechte Methode der Grundrechtsinterpretation Deutungsweise der Freiheitsgrundrechte Die sozialen Grundrechte Das Schrankensystem der Freiheitsgrundrechte Ebene der Verbürgung Ebene der Einschränkungsvorbehalte Ebene der Schrankenschranken
Vorbemerkungen (Schwan)
Vor
1. Das Verhältnis der Landesgrundrechte zu den Bundesgrundrechten 1.1 Der Geltungsgrund der Bundesgrundrechte in Berlin (Art. 87 III) 1 Ganz sicher ist zunächst, daß die VvB nicht den Willen hat, die im Abschnitt II mit besonderer Sorgfalt ausgearbeiteten Grundrechtsbestimmungen der VvB dadurch samt und sonders sogleich wieder aufzuheben, daß sie mit Art. 87 III 1 und 2 die Bestimmungen des GG übernimmt und diesen zugleich den Vorrang vor den Regelungen der VvB einräumt. Wie immer man die umstrittene Vorschrift des Art. 142 GG daher auch auslegen mag (s. dazu: v. Olshausen, Landesverfassungsbeschwerde, S. 105 ff; Tilch in: Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. II, S. 551 ff; Gallwas, JA 1981, S. 536; Sachs, DÖV 1985, S. 469 f; Jutzi, Landesverfassungsrecht, S. 35 ff, 63 ff; Kopp, Ferdinand O., Die Grundrechte der deutschen Landesverfassungen, in: Der Föderalismus und die Zukunft der Grundrechte, 1982, S. 53 ff; HessStGH, NJW 1982, 1382), so geht es doch auf keinen Fall an, das „bleiben" in dieser Vorschrift so auszulegen, daß darunter nur diejenigen Landesverfassungen zu verstehen sind, die bereits vor Inkrafttreten des GG gegolten haben, nicht dagegen auch diejenigen, die — wie die VvB — nach dem Inkrafttreten des GG geschaffen worden sind (vgl. Groß, DV 1950, 5 ff; v. Mangoldt, Art. 142 GG, S. 664; Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 142 GG, Rdn. 3; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 351). Jedenfalls für das Berliner Recht ist wegen der besonderen Rechtslage in Berlin eine solche Auslegung auf jeden Fall ausgeschlossen (a. A. OVG Berlin, DÖV 1974, 28; dagegen auch Sendler, ABl. Berlin, Nr. 14/1979, S. 510). Im übrigen ist eine solche Auslegung des Art. 142 GG aber auch aus anderen Gründen unzutreffend (BWStGH, BWVB1. 1956, 153; Maunz, MDHS, Art. 142 Rdn. 6; Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 89 m. w. N.). Nach Holtkotten (BK 1. Aufl., Art. 142 GG, Anm. II 5, S. 8) ist die Verwendung des Wortes „bleiben" auf redaktionelle Gründe zurückzuführen, weil nämlich die ursprüngliche Formulierung „stehen nicht entgegen" deswegen als unglücklich angesehen wurde, weil eine höherrangige Norm nach Auffassung der Väter des GG einer niedrigeren Norm niemals „entgegenstehen" könne (zur Entstehungsgeschichte: Sachs, DÖV 1985, S. 469, 470 f)- Diese ursprüngliche Formulierung zeigt aber ganz eindeutig, daß das „bleiben" nicht zeitlich zu verstehen ist, sondern als Beschreibung des sachlichen Verhältnisses des Landesrechtes zum Bundesrecht (Maunz aaO). Im übrigen ist es wohl auch abwegig, dem GG den Willen zu entnehmen, zwischen Landesverfassungen mit und ohne Grundrech97
Vor
Abschnitt II: Die Grundrechte
ten unterscheiden zu wollen, nur weil die einen anders als die anderen zufallig bereits vor dem Inkrafttreten des G G geschaffen worden sind. Ein vernünftiger Sinn für eine solche Art der Differenzierung ist jedenfalls noch nicht einmal im Ansatz erkennbar. Die Entscheidung darüber, ob die Landesverfassung auch Grundrechte umfassen soll, wollte das G G doch offensichtlich dem Landesverfassungsgeber überlassen (vgl. auch Bleckmann, aaO, S. 352). 1.2 Die „Mindestgarantie" der Bundesgrundrechte 2
1.2.1 Diese Mindestgarantie läßt sich nicht der sog. „Homogenitätsklausel" (BVfGE 36, 342) des Art. 28 11, III G G entnehmen. Zwar hat danach die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern auch den Grundsätzen des Rechtsstaates „im Sinne dieses Grundgesetzes" zu entsprechen, und gehört weiter zu diesem Rechtsstaatsprinzip im Sinne des Grundgesetzes sicher auch die Existenz von Grundrechten. Dies heißt jedoch nicht, daß auch alle Länder einen Grundrechtskatalog haben müßten, der zumindest all diejenigen Grundrechte umfaßt, die das Grundgesetz kennt. „Art. 28 Abs. 3 G G verlangt nur die Beachtung der Bundesgrundrechte, nicht die Gewährleistung eigener Grundrechte durch die Länder" (v. Olshausen, S. 122, Fn. 63, m. w. N.). Anderenfalls wären diejenigen Landesverfassungen wegen Verstoßes gegen das G G verfassungswidrig, die lediglich ein Organisationsstatut für den Aufbau und die Verteilung der Landesstaatsgewalt, nicht jedoch auch Grundrechte enthalten. Andere Länderverfassungen, die zwar Grundrechte gewährleisten, die jedoch nicht deckungsgleich mit denjenigen des G G sind, wären ebenfalls insoweit verfassungswidrig, als ihr Grundrechtskatalog hinter dem des G G zurückbleibt (dazu: Gallwas, JA 1981, S. 536, 538 f). Das würde selbst für solche Landesverfassungen gelten, die bereits vor dem G G geschaffen worden sind und die dem Parlamentarischen Rat daher bekannt waren, als er die Homogenitätsklausel in das G G hineinschrieb (z. B. die BV, VHB, HV, VRP). Man wird dem Parlamentarischen Rat schwerlich unterstellen können, daß er eine so weitgehende Bindung des Landesverfassungsgebers und einen solchen Effekt gewollt hat. Dies um so weniger, als die dadurch erzwungene Wiederholung der Bundesgrundrechte in den Landesverfassungen den betroffenen Bürgern in der Sache keine nennenswerten Besserstellungen bringt; denn daß auch die Landesstaatsgewalt an die Bundesgrundrechte gebunden ist, ergibt sich schon aus Art. 1 III GG, so daß es dafür nicht der Wiederholung 98
Vorbemerkungen (Schwan)
Vor
der Bundesgrundrechte in den Landesverfassungen bedurft hätte. Einziger Effekt einer solchen Wiederholung wäre die Eröffnung des Rechtsweges auch zu den Landesverfassungsgerichten bei Verletzung dieser Rechte. Da jedoch die Existenz einer Landesverfassungsgerichtsbarkeit vom GG — einschließlich der Homogenitätsklausel — nicht erzwungen wird, würde dieser Effekt ohnehin nur dort eintreten, wo der Landesverfassungsgeber — anders als in Berlin — eine Verfassungsgerichtsbarkeit eingerichtet hat. Der Effekt, den die so verstandene Homogenitätsklausel allenfalls auszulösen imstande wäre, würde also von einer Entscheidung abhängen, in der der Landesverfassungsgeber frei ist. Etwas so Unsinniges kann das GG nicht wollen. Man wird daher davon ausgehen können (und müssen), daß Art. 142 GG im Verhältnis zu der Homogenitätsklausel des Art. 28 11 GG eine Spezialregelung darstellt. Soweit die Grundrechte gemeint und angesprochen sind, wird das Verhältnis der Landesverfassungen zum Grundgesetz nicht durch Art. 28 I GG, sondern durch Art. 142 GG geregelt. 1.2.2 Die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" folgt jedoch 3 aus Art. 1 III GG. Wenn es dort heißt, daß die „nachfolgenden Grundrechte ... Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (binden)", dann ist damit nicht nur die Bundesstaatsgewalt, sondern auch die Landesstaatsgewalt gemeint. Die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" ist also nicht - wie die h. L. jedoch meint (BVfGE 1, S. 264 f; Maunz, MDHS Art. 142, Rdn. 14; Holtkotten, BK, Art. 142 GG, Anm. II 2 a, S. 2, m. w. N.; Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 311, 318, m. w. N. in Fn. 28; kritisch dazu Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 16) — eine Folge des Art. 142 GG; diese Vorschrift trifft Regelungen allein im Hinblick auf die Landesgrundrechte und will ganz offensichtlich zu der Bindungswirkung der Bundesgrundrechte überhaupt keine Aussage treffen; sie ist auch nicht eine Folge aus Art. 28 I GG, sondern sie ergibt sich aus Art. 1 III GG i. V. m. Art. 31 GG, wobei die Wirkung der zuletzt genannten Vorschrift darin besteht, den Landesverfassungsgeber daran zu hindern, die Bindung der Landesstaatsgewalt durch die Bundesgrundrechte aufzuheben oder zu modifizieren (ebenso v. Olshausen, S. 122). 1.3 Art. 142 GG und die Geltung der Landesgrundrechte
4
1.3.1 Für das Verständnis der noch immer außergewöhnlich umstrittenen Vorschrift des Art. 142 GG ist mit dem in Rechtsprechung (BVfGE 22, 267 [LS 3], 271) und Literatur (Friesenhahn, Die Verfas99
Vor
Abschnitt II: Die Grundrechte
sungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Sonderdruck 1963, S. 33; Holtkotten, BK Art. 103, Erl. II 1; anders ders., Art. 142, Erl. II 1 b; Nawiasky, Art. 91 BV, Rdn. 2; BVfGE 22, 267, 271 m. w. N.; Krit. dazu auch v. Olshausen, S. 106 ff) immer wieder anzutreffenden Mißverständnis aufzuräumen, daß gleichlautende Bundes- und Landesgrundrechte nur ein einziges „einheitliches" Grundrecht gewährleisteten. Zutreffend ist daran lediglich, daß gleichlautende Landes- und Bundesgrundrechte denselben Lebenssachverhalt schützen, d. h. bei den Freiheitsgrundrechten dieselbe Art der Freiheit, bei den Gleichheitsgrundrechten dieselbe Art der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung und bei den sozialen oder Teilhaberechten dieselbe Art der staatlichen Leistung (Geiger, DRiZ 1969, S. 137). Die darauf gerichteten Grundrechte (Ansprüche) sind jedoch durchaus verschiedene (so auch v. Olshausen, S. 115, 121 m. w. N. in Fn. 59; Tilch, in: Starck/Stern Bd. II, 1983, S. 552 f): Dem Bürger steht hinsichtlich desselben Verhaltens nicht nur ein Grundrecht zu, sondern deren zwei. Das eine kann er mittels der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen, das andere, sofern es in diesem Land eine Verfassungsgerichtsbarkeit gibt, vor dem Verfassungsgericht des Landes (so auch Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 21). Die vom BayVfGH (E 11,11,16fi) übernommene Formulierung des BVfG (E 22, 267, 271), man müsse zwischen dem materiellen Gehalt eines Grundrechtes und der Möglichkeit einer mehrfachen Garantie unterscheiden, ist darum höchst mißverständlich und dient eigentlich nur der Verwirrung. Unter „materiellem Gehalt" eines Rechtes kann man doch wohl eigentlich nur die von der Rechtsordnung verliehene Rechts- oder Willensmacht verstehen, ein bestimmtes Verhalten der Anspruchsadressaten notfalls zwangsweise durchsetzen zu können. Diese Rechts- oder Willensmacht wird dem Berechtigten bei gleichlautenden Bundes- und Landesgrundrechten aber nicht nur einmal, sondern zweimal verliehen. Also handelt es sich auch nicht nur um einen Anspruch, um ein Grundrecht, sondern um deren zwei. „Zwei verschiedene rechtliche Ansprüche (sichern) ein und denselben tatsächlichen Freiheitsraum", wie Leisner (aaO, S. 15) dies in bezug auf gleichlautende Freiheitsgrundrechte zutreffend formuliert hat. 5 1.3.2 Sodann bedarf aber auch die von der wohl immer noch h. L. (Holtkotten, Art. 142 GG, Anm. II 2 a; Böckenförde/Grawert, DÖV 71, S. 119, 121; Domcke, S. 319, 324, 327; Kratzer, Festschrift für Laforet S. 116, 124; Körner, DÖV 1962, 296; Isensee, DÖV 1978, S. 235; Jutzi, S. 38; w. Nachw. b. Sachs, DÖV 1985, S. 469, 473 100
Vorbemerkungen (Schwan)
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Fn. 38 ff) vertretene Auffassung der Korrektur, daß sich Landesgrundrechte mit Bundesgrundrechten nur dann „in Übereinstimmung" i. S. d. Art. 142 GG befanden, wenn sie entweder die gleiche Aussage oder sogar eine darüber hinausgehende träfen, wenn sie also entweder dasselbe oder ein höheres Maß an Freiheit, Gleichheit oder Leistung (Teilhabe) garantierten, nicht dagegen auch dann, wenn die Garantie des Landesgrundrechtes hinter derjenigen des entsprechenden Bundesgrundrechtes zurückbleibt. Auf die Grundrechte des status activus (s. dazu Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 418 ff) ist diese These übrigens nie erstreckt worden. Welches Maß die Landesverfassungen der Partizipation des Bürgers an der staatlichen Machtausübung einräumen müssen, ist zu Recht immer nur an der Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG gemessen worden (s. auch Rdn. 27). Nach hier vertretener Ansicht (ähnlich auch Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 20 f; Maunz, MDHS, Art. 142, Rdn. 14) können sich die Landesgrundrechte sehr wohl auch in diesem dritten Falle „in Übereinstimmung" mit den Bundesgrundrechten befinden; denn entscheidend ist dafür nicht, ob die Landesgrundrechte das Niveau der „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" unterschreiten, einhalten oder überschreiten, sondern ob sie der durch das Grundgesetz gegebenen Mindestgarantie widersprechen, anders und besser formuliert: ob sie die durch Art. 1 III GG angeordnete Bindung auch der Landesstaatsgewalt an die Bundesgrundrechte aufzuheben versuchen. Der Widerspruch (vgl. auch Leisner aaO S. 16, 18, 21; Maunz aaO Rdn. 12; Rüfner, DÖV 1967, 668, 669; Bachof, DÖV 1951, 588; Sachs, DÖV 1985, S. 469,473; Gallwas, JA 1981, S. 5400, nicht das Zurückbleiben ist also das entscheidende Kriterium dafür, ob sich die Landesgrundrechte „in Übereinstimmung" mit den Bundesgrundrechten befinden oder nicht. Liegt ein Widerspruch vor, dann kommt Art. 31 GG zur Anwendung. Es ist ganz erstaunlich, in welchem Maße die h. A. die Erwähnung des Art. 31 GG in der Vorschrift des Art. 142 GG übersieht oder ihr doch eine gänzlich unzutreffende Auslegung gibt. Die Erwähnung dieser Vorschrift dient keineswegs der Klarstellung, daß bei anderen als Grundrechtsvorschriften Bundesrecht Landesrecht bricht, sondern sie dient der Klarstellung, daß selbstverständlich auch Grundrechtsvorschriften der Landesverfassung dem Bundesrecht nicht widersprechen dürfen. Ein solcher Widerspruch liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn die Freiheits-, Gleichheits- oder Teilhabegarantien der Landesgrundrechte hinter denjenigen der Bundesgrundrechte zurückbleiben, son101
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Abschnitt II: Die Grundrechte
dem allein dann, wenn die Landesgrundrechte ein staatliches Verhalten gebieten oder verbieten, das sich mit den Garantien der Bundesgrundrechte nicht vereinbaren läßt. Dies bedarf der gesonderten Exemplifizierung für die Leistungs- oder Teilhabegrundrechte (Rdn. 6), für die Gleichheitsgrundrechte (Rdn. 7 f), für die Freiheitsgrundrechte, wobei bei diesen zwischen den subjektiven Freiheits(besser: Abwehr-)rechten (Rdn. 9 ff) und den institutionellen Freiheitsgewährleistungen (Rdn. 21 ff) zu unterscheiden ist, und für die Rechte des status activus (Rdn. 27). 6 1.3.3 Ohne daß an dieser Stelle schon auf die Rechtsnatur der in der Berliner Verfassung enthaltenen sozialen Grundrechte eingegangen werden soll, so dürfte doch eines feststehen, nämlich daß landesverfassungsrechtliche Leistungsansprüche, die aus sozialen Grundrechtsgewährleistungen entspringen, nicht allein schon deshalb entweder aufgehoben (zur „Aufhebungslehre" vgl. Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 116; Körner, DÖV 1962, 296) oder aber auf die Ebene der bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistung heraufgehoben bzw. „ergänzt" (zur „Ergänzungslehre" vgl. Holtkotten, BK, Art. 142, Anm. II 2 a; S. 2; besonders nachdrücklich in diesem Sinne Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 319, 321 f, 323, 327; w. N. bei Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 20, und Maunz aaO, Rdn. 15; krit. dazu auch Sachs, DÖV 1985, S. 473) werden müßten, weil sie hinter den entsprechenden bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen zurückbleiben. Die einzige Konsequenz, die sich aus einem solchen Zurückbleiben ergibt, ist die, daß aus der Landesverfassung nicht die gleichen Forderungen abgeleitet werden können wie aus dem GG. Besonders hier, bei den sozialen Grundrechten, zeigt sich, daß sowohl die „Aufhebungslehre" wie auch die „Ergänzungslehre", die freilich beide auch nicht zu den Leistungsgrundrechten, sondern zu den Freiheitsgrundrechten entwickelt worden sind, das Wesen und den Zweck des Art. 142 GG verkennen, wenn sie meinen, daß eine „Übereinstimmung" im Sinne dieser Vorschrift immer nur dann vorliegen könne, wenn die Gewährleistung der Landesverfassung das Niveau des GG zumindest erreicht. Nach hier vertretener Auffassung liegt Nichtübereinstimmung lediglich dann vor, wenn entweder die Landesverfassung die Vergabe von Leistungen verbietet, auf die nach der Bundesverfassung ein Anspruch besteht, oder wenn die Landesverfassung Leistungen auch dort garantiert, wo das GG solche ausschließt, d. h. verbietet (dazu: Sachs, DÖV 1985, 475 f), denn nur in diesem Falle widerspricht die Landesverfassung dem GG. 102
Vorbemerkungen (Schwan)
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1.3.4 Ganz ähnlich liegen die Dinge bei den Gleichheitsgrund- 7 rechten. Auch dort würde ein Zurückbleiben der Gleichheitsgewährleistungen der Landesverfassung gegenüber denjenigen des GG die Fortgeltung der ersteren nicht beeinträchtigen. Ein Widerspruch zu den Bestimmungen des GG und damit eine Nichtübereinstimmung im Sinne des Art. 142 GG könnte nur in folgenden vier Fällen eintreten: a) Die Landesverfassung gebietet dort Gleichbehandlung, wo das GG Ungleichbehandlung gebietet. b) Die Landesverfassung gebietet dort Ungleichbehandlung, wo das GG Gleichbehandlung gebietet. c) Das Gleichheits- oder das Ungleichheitsgebot der Landesverfassung beschneidet in unzulässiger Weise die grundgesetzlich geschützte Freiheit. Insbesondere diese letzte Fallkonstellation bereitet grundrechtsdogmatisch einige Schwierigkeiten: Zunächst ist davon auszugehen, daß eine jede Gleichbehandlung ebenso wie eine jede Ungleichbehandlung notwendig Freiheiten beschneidet, nämlich diejenige, sich gleich in dem ersten Fall und ungleich in dem zweiten Fall zu verhalten. Da nun weiter die Freiheit des Individuums wegen des Auffangfreiheitsgrundrechtes des Art. 2 I GG auf der Ebene des Grundgesetzes lückenlos geschützt ist, genießen auch diese Freiheiten grundrechtlichen Schutz. Es liegt deshalb in jedem Fall der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung ein Grundrechtseingriff vor, so daß die Zulässigkeit der durch die Landesverfassung gebotenen Gleichbehandlung bzw. Ungleichbehandlung davon abhängt, ob sich bei dem konkret betroffenen Freiheitsgrundrecht ein „passender" Einschränkungsvorbehalt findet und ob die vom Grundgesetz für Freiheitseingriffe vorgesehenen sog. „Schrankenschranken" (Rdn. 20) beachtet sind. Ist eines von beidem nicht der Fall, so ist die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung nach Art. 31 GG unzulässig. d) Die Landesverfassung räumt einem Gleichheitssatz unmittelbare 8 Drittwirkung im Verhältnis zu anderen Bürgern ein. Diese Drittwirkung nimmt den Drittbetroffenen etwas von deren grundgesetzlich verbürgten Freiheit. Sie hat sich daher an den Einschränkungsvorbehalten und an den Schrankenschranken der konkret betroffenen grundgesetzlichen Freiheitsgrundrechte messen zu lassen. Dabei kann sich zumindest in der Theorie durchaus eine (partielle) Grundgesetzwidrigkeit der landesverfassungsrechtlichen Drittwirkungsanordnung herausstellen (unzutreffend Rüf103
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Abschnitt II: Die Grundrechte
ner, DÖV 1967, 670, der stets Grundgesetzwidrigkeit annehmen will, wenn ein Landesgrundrecht anders als ein Bundesgrundrecht Drittwirkung hat). 9 1.3.5 Bei den subjektiven Freiheitsgrundrechten, diese im klassischen Sinne verstanden als unmittelbar aus der Grundrechtsbestimmung entspringende individuelle Abwehrrechte, soll und muß die Frage danach, ob ein Widerspruch zwischen Bundes- und Landesgrundrecht vorliegt, auf den 3 Ebenen der Schutzwirkung der Freiheitsgrundrechte (Verbürgung, Einschränkungsvorbehalte, Schrankenschranken; siehe dazu Rdn. 44 ff) gesondert gestellt und beantwortet werden: 10 Auf der Ebene der Verbfirgung ist nach hier vertretener Auffassung das Entstehen eines solchen Widerspruches grundsätzlich ausgeschlossen, denn selbst wenn die Landesgrundrechte in sachlicher (d. h. in bezug auf die verbürgte Freiheitsposition) oder personeller Beziehung (d. h. in bezug auf die Zuerkennung der Grundrechtsträgerschaft oder in bezug auf den Adressatenkreis, Stichwort: Drittwirkung) hinter der Gewährleistung des entsprechenden Bundesgrundrechtes zurückbleiben, ist damit noch lange nicht gesagt, daß die vom Verbürgungsbereich nicht erfaßten Freiheitspositionen oder Grundrechtsträger nach dem Willen der Landesverfassung grundrechtlich vogelfrei sein sollen. Die Beschränkung der landesrechtlichen Grundrechtsverbürgungen auf bestimmte Freiheitspositionen bzw. Grundrechtsträger (oder gegenüber bestimmten Adressaten) besagt nur, daß die tatbestandlich nicht erfaßten Freiheitspositionen bzw. Grundrechtsträger durch die Landesgrundrechte nicht geschützt werden, besagt jedoch nicht, daß insoweit auch der Schutz der Bundesgrundrechte vor der Landesstaatsgewalt aufgehoben sein soll. Eine solche Art von Umkehrschluß aus der Beschränkung der Verbürgung der Landesgrundrechte ist sicher unzulässig. Die Landesverfassung will und darf eine Aussage über den eigenen Grundrechtsschutz treffen, über denjenigen durch das G G kann sie das jedoch nicht und will sie es vor allem auch gar nicht. Ein Widerspruch zu den Regelungen des G G liegt daher auch bei einem Zurückbleiben des Verbürgungsbereiches des Landesgrundrechtes nicht vor (so auch Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 21; Sachs, DÖV 1985, S. 469, 473). Abzulehnen ist daher z. B. auch die Auffassung von Domcke (BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 327) und Kratzer (Festschrift für Laforet, S. 118) die — getreu der von ihnen vertretenen „Ergänzungslehre" (s. dazu auch Rdn. 6) — Art. 19 III GG auch auf Landesgrundrechte anwenden wollen. Die Landesgrundrechte sind auch hinsichtlich ihres personellen Ver104
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bürgungsbereiches allein aus sich selbst heraus auslegungsfähig. Art. 19 III gilt wie alle grundrechtsbezogenen Vorschriften des GG allein für die Bundesgrundrechte (vgl. dazu auch Sachs, DÖV 1985, S. 469, 478, sowie unter Rdn. 49). Eine andere Beurteilung erfordert lediglich der Fall, daß ein Lan- 11 desgrundrecht im Gegensatz zu dem entsprechenden Bundesgrundrecht dem Freiheitsanspruch unmittelbare Drittwirkung auf der Ebene der Gleichordnung, d. h. im Verhältnis zu anderen Bürgern, verleiht (dazu Rüfner, DÖV 1967, 668, 670). Diese Drittwirkung beschränkt natürlich die Freiheit des Verpflichteten. Sie hat sich deshalb daraufhin befragen zu lassen, ob die damit einhergehende Freiheitsbeschränkung eine zulässige Beschneidung des konkret betroffenen Bundes-Freiheitsgrundrechtes des Drittverpflichteten darstellt. Dies hängt — wie oben bei den Gleichheitsgrundrechten schon festgestellt (Rdn. 7) — vom Vorliegen eines „passenden" Einschränkungsvorbehalts und von der Beachtung der Schrankenschranken bei dem oder den konkret betroffenen Bundes-Grundrechten des Drittverpflichteten ab (s. dazu: Art. 7 Rdn. 2). Sehr viel komplizierter und auch umstrittener ist die Rechtslage 12 bei den Einschränkungsvorbehalten. Sicher ist, daß die Landesgrundrechte nur die Landesstaatsgewalt, nicht dagegen auch den Bundesgesetzgeber zu binden vermögen. (Zur Bindung der Exekutive des Bundes an die Landesgrundrechte s. Jutzi, DÖV 1983, 836; v. Olshausen, S. 125). Der Bundesgesetzgeber ist daher nicht an die Landesgrundrechte gebunden (a. A. jedoch auch insoweit Milleker, DVB1. 1969, 129, 133, wie hier: Sachs, DÖV 1985, 469, 475; Jutzi, S. 37). Bundesgesetze sind deshalb auch dann wirksam, wenn sie Eingriffe in grundrechtlich gesicherte Rechtspositionen vornehmen oder gebieten, die unter die Einschränkungsvorbehalte der einschlägigen Landesgrundrechte nicht passen, die also nicht durch einen landesgrundrechtlichen Einschränkungsvorbehalt gedeckt sind. Die Landesgrundrechte haben in diesem Fall den einfachen Bundesgesetzen nach Art. 31 GG zu weichen. Leisner (Die Bayerischen Grundrechte, S. 29) spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von einem „Leerlaufen der Landesgrundrechte" (vgl. auch Ingo Richter, JuS 1982, S. 901; Gallwas, JA 1981, S. 540). Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bundesgesetzen sind die Bestimmungen der Bundesverfassung, insbesondere die Bundesgrundrechte und die Kompetenzvorschriften der Art. 70 GG, nicht dagegen auch die Vorschriften der Landesverfassung (so auch v. Olshausen, S. 126, 137). Streitig ist jedoch, ob kompetenzgerecht 105
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Abschnitt II: Die Grundrechte
gesetztes einfaches Bundesrecht die Kraft hat, abweichendes Landesverfassungsrecht endgültig außer Kraft zu setzen (verneinend v. Ophausen, S. 133; a. A. Jutzi, S. 26 f). 13 Sicher ist auch, daß die Landesexekutive und -judikative sich auch dann gemäß den in einfachen Bundesgesetzen oder in sonstigen Rechtssätzen des Bundesrechtes, z. B. in Rechtsverordnungen (Jutzi, DÖV 1983, 83 ff; ders. Landesverfassungsrecht, S. 37 Fn. 40; vgl. auch v. Olshausen, S. 130), getroffenen Verhaltensanweisungen verhalten dürfen und müssen, wenn dies den Landesgrundrechten widerspricht. Auch insoweit gilt der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" (so auch Holtkotten, BK, Art. 142, Anm. II 4 a, S. 7f; Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 323; Rüfner, DÖV 1967, 668, 670 ff: „Landesverfassungswidriges Landesrecht kann durch Bundesrecht gedeckt sein."). Stimmen die Garantien des Landesgrundrechtes mit denen eines Bundesgrundrechtes überein, so hat der Vollzug von Bundesrecht durch die Landesstaatsgewalt sich auch an das Landesgrundrecht zu halten. Dies eröffnet in den Ländern, deren Rechtsordnung die Verfassungsbeschwerde kennt, die doppelte Rechtsschutzmöglichkeit auch beim Landesverfassungsgericht (v. Olshausen, S. 137 — 144). Zweifelhaft ist allenfalls, ob die Landesgrundrechte dann nicht doch eine Bindungswirkung gegenüber der Landesexekutive und -judikative zu entfalten vermögen, wenn das einfache Bundesgesetz einen Ermessensspielraum enthält und wenn eine Ermessensentscheidung, die die Landesgrundrechte beachtet, sich innerhalb des durch das einfache Bundesgesetz eingeräumten Ermessensspielraumes hält, ob also in diesem Falle die Landesverfassung die Fähigkeit hat, die Ermessensausübung zu generalisieren und damit einzuschränken (vgl. Kopp, Grundrechte, S. 60; sowie unten Art. 9 Rdn. 16, Art. 11 Rdn. 7, Art. 19 Rdn. 5). 14 Unproblematisch ist weiter auch, daß der einfache Landesgesetzgeber wie überhaupt die Landesstaatsgewalt nicht nur an die Qualifizierungen der Einschränkungsvorbehalte des eingeschränkten Bundesgrundrechtes gebunden sind, sondern auch an diejenigen des zugleich eingeschränkten Landesgrundrechtes, auch und gerade, wenn diese über diejenigen des Bundesgrundrechtes hinausgehen (vgl. auch Holtkotten, BK, Anm. II 4 a, S. 7; Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 314; Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 22). 15 Eine Ausnahme hiervon muß freilich dann gemacht werden, wenn das GG die Einschränkung des Grundrechtes nicht in das Ermessen des zuständigen Staatsorgans stellt (sog. verfassungsermächtigte Schranke), sondern wenn es sie zwingend vorschreibt (verfassungsangeordnete Schranke) (vgl. dazu Sachs, DÖV 1985, S. 469, 472; Krat106
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zer, Festschrift für Laforet, S. 132), wie dies z. B. bei Art. 26 GG, Art. 1 I GG und nach dem an sich eindeutigen Text des GG auch bei den Sätzen der sog. „streitbaren Demokratie" der Fall ist: Art. 5 III 2 GG - „Treue zur Verfassung" (vgl. dazu Rüfner, DÖV 1967, 670), Art. 18 GG (vgl. dazu Rüfner, aaO, S. 670), Art. 9 II GG (vgl. dazu Kopp, aaO Rdn. 1, S. 59), Art. 21 II GG. Bei den beiden zuletzt genannten Vorschriften ist es freilich umstritten, ob es sich dabei um verfassungsangeordnete Schranken handelt. Die h. L. (vgl. Maunz, MDHS, Art. 9 Rdn. 75 m. w. N.; ders., Art. 142, Rdn. 16; Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 16, 22) räumt der Behörde, die über das Verbot einer gegen Art. 9 II GG verstoßenden Vereinigung zu entscheiden hat, nämlich Ermessen in der Frage des „ob" des Verbotes ein und verwandelt damit den in dieser Vorschrift geregelten verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt in einen lediglich verfassungsermächtigenden. Mit dem eindeutigen Text des Art. 9 II GG („sind verboten") und dem klar erkennbaren Willen der Verfassung dürfte sich das jedoch schwerlich vereinbaren lassen. Auch im Falle des Art. 21 II GG räumt die h. L. (vgl. BVfGE 5, 113; Maunz, MDHS, Art. 21, Rdn. 130; a.A. Seifert, DÖV 1961, 85; Willms, NJW 1957, 567; Hamann/Lenz, Grundgesetz, Art. 21, Anm. 9) — einem obiter dictum des BVfG im KPD-Urteil folgend — der antragstellenden Behörde (politisches) Ermessen in der Frage ein, ob sie den Verbotsantrag beim BVfG stellen will. Begründet wird dies allenthalben damit, daß die Staatsgewalt es in der Hand haben solle, verfassungswidrige Parteien auch mit anderen, politischen Mitteln zu bekämpfen. Die Verfassung wollte die von ihr neuorganisierte Staatlichkeit den damit notwendig heraufbeschworenen Gefahren jedoch eindeutig gerade nicht aussetzen. Man stelle sich doch einmal vor, daß die NPD bei den Bundestagswahlen im Jahre 1968 mit etwa 10 oder 15% in den Bundestag eingezogen wäre. Dann wäre ein Verbot der schon damals von allen Seiten als verfassungswidrig bezeichneten Partei zwar rechtlich immer noch möglich, politisch aber kaum noch machbar gewesen, ohne nicht in gefahrlicher Weise Märtyrer zu schaffen. Diese Gefahr haben die Verfassungsväter offenbar genauer erkannt als deren spätere Interpreten. Sie haben daher schon den Anfangen einer ähnlichen Entwicklung wie in Weimar wehren wollen und deshalb verfassungswidrige Parteien verbindlich als „verfassungswidrig" bezeichnet. Entgegen der h. L. ist der Einschränkungsvorbehalt des Art. 21 II GG deshalb nicht ein verfassungsermächtigender, sondern ein verfassungsanordnender, und wenn man dies angesichts der inzwischen allerdings erwiesenen Widerstandsfähigkeit unserer Verfassungsord107
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nung für politisch inopportun hält, weil sich verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Tat ohne den Automatismus der genannten Verbotsvorschriften besser bekämpfen lassen, dann mag man den verfassungsändernden Gesetzgeber bemühen, der — anders als der Interpret — sehr wohl in der Lage ist, gebietende Schrankenbestimmungen in solche lediglich ermächtigender Natur zu verwandeln. Die von Böckenförde/Grawert (DÖV 1971, 119, 121) in diesem Zusammenhang genannten Vorschriften der Art. 5 II und 8 II GG betreffen jedoch ganz eindeutig nicht verfassungsangeordnete, sondern verfassungsermächtigte Schrankenziehungen und haben daher in diesem Zusammenhang nichts zu suchen. Es ist zwar richtig, daß auch in diesen Fällen der einfache Gesetzgeber letztlich nicht völlig frei in der Schrankenziehung ist und etwa eine solche auch gänzlich unterlassen könnte; denn dies würde nach dem klassischen rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip grundsätzlich unbegrenzter Freiheit zu einer rechtlich völlig ungebundenen, „natürlichen" Freiheit führen, die selbstverständlich eine soziale Unmöglichkeit darstellt. Gleichwohl hat die Verfassung in den Fällen der Art. 5 II und Art. 8 II GG sowohl das „ob" wie auch das „wie" der Schrankenziehung in das — auch politisch zu verantwortende! — Ermessen des einfachen Gesetzgebers gestellt. Dies verbietet die Annahme einer verfassungsangeordneten Schrankenziehung (vgl. auch Sachs, DÖV 1985, S. 469, 476). In den Fällen, in denen das GG die Einschränkung ohne Einräumung eines Ermessensspielraumes gebietet, die Landesverfassung eine solche Art der Grundrechtsbeschneidung jedoch für unzulässig erklärt oder aber — was auf dasselbe hinausläuft — für sie keinen passenden Einschränkungsvorbehalt zur Verfügung stellt, liegt eine Normenkollision im Sinne des Art. 31 GG vor mit der Folge, daß die entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften „gebrochen" werden (ebenso Böckenförde/Grawert, DÖV 1971, 119 ff, 121; Sachs, DÖV 1985, 469, 472). Kein Fall des Art. 31 GG Uegt jedoch dann vor, wenn sich in der Landesverfassung ein dafür passender Einschränkungsvorbehalt findet, und sei dies auch lediglich ein „verfassungsermächtigender" in dem o. g. Sinne, d. h. ein solcher, der den Eingriff zwar zuläßt, jedoch nicht zu ihm zwingt, wie das z. B. bei Art. 23 II VvB der Fall ist. In diesem Falle verdichtet sich das Ermessen, das die Landesverfassung hinsichtlich der Schrankenziehung einräumt, infolge der Einwirkung des Bundesverfassungsrechtes auf Null, d. h. der Eingriff muß vorgenommen werden. 16 Ganz ähnlich verhält es sich, wenn das Bundesgrundrecht unter einem „verfassungsermächtigenden" Einschränkungsvorbehalt steht, 108
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das entsprechende Landesgrundrecht jedoch unter einem „verfassungsanordnenden". Auch in diesem Fall liegt keineswegs ein Normwiderspruch vor, sondern es kommt auch hier lediglich zu einer Verdichtung des Ermessens auf Null, und auch dies nur im Verhältnis zur Landesstaatsgewalt und nur so lange, als der einfache Bundesgesetzgeber keine abweichende Regelung getroffen hat, denn diesem steht das vom Bundesgrundrecht eingeräumte Ermessen natürlich unbeeinträchtigt von der Landesverfassung in vollem Umfange zur Verfügung (vgl. hierzu die Diskussion um die Fortgeltung des Sozialisierungsartikels in der Verfassung des Saarlandes: Isensee, DÖV 1978, 233, 647; Seebald, DÖV 1978, 645; sowie unten Rdn. 25). Weiter liegt nach hier vertretener Auffassung auch dann kein Fall 17 des Art. 31 GG vor, wenn ein ermächtigender Einschränkungsvorbehalt der Landesverfassung weiter geht als der entsprechende ermächtigende oder anordnende Einschränkungsvorbehalt des GG, wenn also nach der Landesverfassung weitergehende Grundrechtsbeschneidungen zulässig sind als nach dem GG (a. A. jedoch die h. L., vgl. Leisner, Die Bayrischen Grundrechte, S. 22 f; Maunz, MDHS, Art. 142, Rdn. 16, 17; Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 115; Domcke, S. 318 m. w. N. in Fn. 29, S. 327; Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 4). In diesem Fall wird nach hier vertretener Auffassung der weitergehende Einschränkungsvorbehalt nicht aufgehoben, sondern die Möglichkeit seiner Inanspruchnahme schrumpft infolge Ermessensverdichtung auf das auch vom GG für zulässig erklärte Maß. Auch ohne Anwendung des Art. 31 GG bleibt die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" unangetastet. Der Normwidersprach, der in diesem Falle eintreten kann, ist nicht zwischen Landesgrundrecht und Bundesgrundrecht zu verorten, sondern zwischen dem (beschränkten) Einschränkungsvorbehalt des Bundesgrundrechtes und der auf den (weitergehenden) Einschränkungsvorbehalt des Landesgrundrechtes gestützten Gesetzgebung (so auch Sachs, DÖV 1985, 469, 478; v. Olshausen, S. 122 m. w. N. in Fn. 64). Anders verhält es sich jedoch dann, wenn die Landesverfassung 18 eine Grundrechtseinschränkung ohne Gewährung eines Ermessensspielraumes anordnet (verfassungsangeordnete Schrankenziehung) und diese Einschränkungen über das nach dem GG zulässige Maß hinausgehen. In diesem Fall widerspricht der landesrechtliche Einschränkungsvorbehalt insoweit (aber auch nur insoweit!) dem GG mit der Folge des Art. 31 GG, als die über das nach dem GG zulässige Maß hinausgehenden Einschränkungen angeordnet worden sind. Die Anordnung verwandelt sich insoweit also in eine Ermächtigung, die jedoch ebenfalls wegen Ermessensschrumpfung nicht in Anspruch genommen werden darf. 109
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Ganz ähnlich ist die Rechtslage auch dann, wenn der Einschränkungsvorbehalt des Landesgrundrechtes weniger qualifiziert, d. h. seinerseits beschränkt ist, als deijenige des entsprechenden Bundesgrundrechtes, so daß nach der Landesverfassung wie bei der in Rdn. 17 erörterten Fallgestaltung weitergehende Grundrechtseingriffe zulässig sind als nach dem GG. Auch dann kommt es darauf an, ob der Eingriff nach der Landesverfassung angeordnet oder nur zugelassen worden ist. Im Falle der Anordnung gilt das in Rdn. 18 Gesagte, d. h. es liegt ein Fall der Nichtübereinstimmung im Sinne des Art. 142 GG und damit ein solcher des Art. 31 GG vor. Im Falle der bloßen Ermächtigung gilt das in Rdn. 17 Gesagte, d. h., es findet eine Ermessensschrumpfung dahin statt, daß auch von der landesrechtlichen Ermächtigung nur in dem Maße Gebrauch gemacht werden darf, in dem dies nach dem GG zulässig ist. Als Beispiel hierfür ist etwa das Fehlen der sog. Junktimklausel in Art. 15 VvB zu nennen (vgl. dazu Art. 15 Rdn. 6). 20 Auch auf der Ebene der Schrankenschranken ist zunächst die Auffassung der sog. „Ergänzungslehre" abzulehnen, die meint, die in den Landesverfassungen fehlenden, im GG jedoch vorhandenen Schrankenschranken vom GG auf die Landesverfassungen übertragen zu können. Unter „Schrankenschranken" werden hier diejenigen verfassungsrechtlichen Rechtssätze verstanden, die den einfachen Gesetzgeber oder/und die Exekutive und Judikative binden und daran hindern, von den Möglichkeiten der grundrechtlichen Einschränkungsvorbehalte in zu weitgehendem Maße Gebrauch zu machen (vgl. auch Rdn. 44 ff). So will z. B. Kratzer (Festschrift für Laforet, S. 117f), der an sich ein Vertreter der sog. „Aufhebungslehre" ist, die Vorschriften der Art. 19 I, II GG auf das Landesverfassungsrecht übertragen. Problematisch ist das insbesondere bei der Zitatklausel des Art. 19 I 2 GG (wie Kratzer auch Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 324). Maunz (MDHS, Art. 142, Rdn. 15) hält dem zu Recht entgegen, daß eine Landesverfassung immer nur ein vom Verfassungsgeber des Landes gestaltetes, nicht auch ein durch Bundesrecht umgestaltetes Grundrecht gewährleisten könne. Ein Landesgrundrecht könne nicht gleichzeitig weitergelten und dennoch seinem Inhalt nach oder in seiner rechtlichen Natur durch das GG verändert werden. Dieser Einwand trägt auch gegenüber der Übertragung bzw. „Ergänzung" der Schrankenschranken, denn diese gehören ebenso zum Inhalt und zu der „rechtlichen Natur" der Grundrechte wie die Verbürgungen oder die Einschränkungsvorbehalte. Die Schrankenschranken der Landesgrundrechte können daher nur der Landesver-
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fassung selbst entnommen werden (vgl. auch Rdn. 49 sowie Sachs, DÖV 1985, S. 469, 478). Bleiben diese hinter denen des GG zurück, so sind die Berliner Grundrechte keineswegs aufgehoben, vielmehr schrumpft lediglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einschränkungsvorbehalte der Grundrechte dahin, daß sie lediglich noch unter Beachtung der Schrankenschranken ausgeschöpft werden können, die zwar der Landesverfassung fremd sind, die jedoch vom GG für Grundrechtseingriffe solcher Art vorgeschrieben werden. Die Wirkungen des Auseinanderfallens der bundesrechtlichen und der landesrechtlichen Schrankenschranken treten also nicht auf der Ebene der Schrankenschranken selbst ein, sondern auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte, und dort kommt es auch in diesem Zusammenhang entscheidend darauf an, ob der konkret in Anspruch genommene Einschränkungsvorbehalt ein verfassungsermächtigender oder ein verfassungsanordnender ist. In dem ersteren Falle kommt es zu der geschilderten Ermessensschrumpfung, in dem zweiten Fall liegt Nichtübereinstimmung im Sinne des Art. 142 GG vor; denn die Landesverfassung gebietet einen Grundrechtseingriff, der nur die Schrankenschranken der Landesgrundrechte zu beachten hat, während das GG einen solchen Eingriff nur unter Beachtung der darüber hinausgehenden Schrankenschranken des GG gestattet. Die in der Literatur (vgl. z. B. Maunz, MDHS, Art. 142, Rdn. 13) immer wieder anzutreffende Behauptung, die Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung der Landesgrundrechte mit den Bundesgrundrechten müsse für jedes Normelement der zu vergleichenden Rechtssätze getrennt untersucht werden, bedarf in diesem Punkt daher der Korrektur. 1.3.6 Der Begriff der Einrichtungsgarantien soll hier im Anschluß 21 an Friedrich Klein (in: von Mangoldt/Klein, in GG, Vorb. Bd. I, S. 84 ff) als Oberbegriff benutzt werden, die Begriffe Rechtseinrichtungsgarantie und Lebenssachverhaltsgarantie (unglücklicher: Existenzgarantie) sowie Institutsgarantie und institutionelle Garantie als Unterbegriffe. Daraus ergibt sich folgende Systematik: Einrichtungsgarantien sind: 1. Rechtseinrichtungsgarantien a) institutionelle Garantien, das sind Rechtseinrichtungsgarantien des öffentlichen Rechtes, z. B. Berufsbeamtentum, Selbstverwaltung der Gemeinden. 111
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b) Institutsgarantien das sind Rechtseinrichtungsgarantien des Zivilrechtes, z. B. Eigentum, Erbrecht, Ehe und Familie. Die Rechtseinrichtungsgarantie schützt den Kerngehalt derjenigen (unterverfassungsrechtlichen) Normenkomplexe, welche die jeweilige Freiheit ausgestalten. 2. Lebenssachverhaltsgarantien, das sind Garantien faktischer gesellschaftlicher Zustände (Lebenssachverhalte). Auch hier kann man im Anschluß an C. Schmitt (Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, 1931, passim) zwischen Institutsgarantien und institutionellen Garantien unterscheiden. Allgemein zur Lehre von der Einrichtungsgarantie: Bleckmann, Staatsrecht, II, S. 188 ff, 214 ff. 22 Bei den Einrichtungsgarantien ist es schon umstritten, ob auf sie die Vorschrift des Art. 142 GG überhaupt anwendbar ist (vgl. z. B. Maunz, MDHS, Art. 142, Rdn. 9; Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 5 a. E.; Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 28; Böckenförde/Grawert, DÖV 1971, S. 119, 120; v. Mutius, VwArch. 1975, S. 161, 168). Zwar hat dieser Streit ganz erheblich an Bedeutung verloren, nachdem das BVfG (E 36, 342) ausgeführt hat, daß auch andere als grundrechtliche Landesverfassungsbestimmungen dann fortgelten, wenn sie dem GG nicht widersprechen, daß also Art. 142 GG keinen Ausnahmecharakter hat; gleichwohl wird man doch aber wohl zumindest auf diejenigen „Konnex"- oder „Komplementär"-Einrichtungsgarantien (vgl. dazu C. Schmitt, Hdb. DStR, S. 592, sowie von Mangoldt/Klein, GG, Vorbem. vor den Grundrechten A V 3 d, S. 86) die Vorschrift des Art. 142 GG anwenden müssen, die einen Bezug zu den Grundrechtsbestimmungen der Art. 1 — 18 GG haben und die deshalb traditionell als „Grundrechte" angesehen worden sind und angesehen werden, denn es ist nicht einzusehen, warum der Begriff „Grundrechte" bei Art. 142 GG enger ausgelegt werden sollte als bei den Art. 1 — 18 GG bzw. bei den entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen. Wenn man den dort geregelten Grundrechtsbestimmungen überhaupt institutionelle Gewährleistungen entnehmen will — dies tut die moderne Grundrechtsinterpretation bekanntlich in ganz erheblichem Maße (s. Rdn. 34) —, dann ist eigentlich nicht recht einzusehen, warum nicht auch diese Art von Gewährleistungen als „Grundrechte" in diesem Sinne angesehen werden sollten. 23 Der Klärung bedürftig ist auch hinsichtlich der Einrichtungsgarantien, ob und in welcher Beziehung sie in Widerspruch zu den im 112
Vorbemerkungen (Schwan)
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Grundgesetz geregelten Grundrechten (Gleichheitsgrundrechte, individuelle Freiheitsgrundrechte, Einrichtungsgarantien) geraten können. Sicherlich möglich und durchaus auch vorstellbar ist es, daß die Landesverfassung ein „Weniger" bzw. ein „Mehr" an grundrechtsbezogenen Einrichtungsgarantien enthält als das GG. Nach hier vertretener Ansicht ist ein „Weniger" an landesverfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantie völlig unproblematisch, denn es schadet ebensowenig wie ein Zurückbleiben der Verbürgung der individualrechtlichen Freiheitsgarantie gegenüber der entsprechenden des GG (s. oben Rdn. 10). Der durch Art. 1 III GG abgesicherte Mindestgehalt institutioneller Freiheitssicherung auch gegenüber der Landesstaatsgewalt wird dadurch nicht angetastet, also steht auch das „Weniger" landesverfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantie „in Übereinstimmung" mit dem „Mehr" der bundesverfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie, weil es diesem nicht widerspricht. Unproblematisch ist weiter auch ein „Mehr" der landesverfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie, soweit es das Verhältnis zu dem „Weniger" der bundesverfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie betrifft. Es bindet die Landesstaatsgewalt, läßt die Bundesstaatsgewalt jedoch unberührt. Im übrigen ist es bei den landesverfassungsrechtlichen Rechtsein- 24 richtungsgarantien aber auch schwer vorstellbar, daß sie in Widerspruch zu solchen der Bundesverfassung geraten. Rechtseinrichtungsgarantien beziehen sich stets auf einen unterverfassungsrechtlichen Normenbestand, den sie in seinem Kernbestand vor dem Zugriff des einfachen Gesetzgebers absichern (vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 240 ff; Quaritsch, EvStL 1. Aufl., Art. Institutionelle Garantien, Sp. 801). Dieser unterverfassungsrechtliche Normenbestand ist aber durch die Kompetenzvorschriften des GG (Art. 70 ff) klar in einen solchen des Bundesrechtes und einen solchen des Landesrechtes unterschieden. Soweit der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz an diesem Normenbestand etwas verändern will, ist er daran natürlich nicht durch etwaige landesverfassungsrechtliche Rechtseinrichtungsgarantien gehindert. Selbst wenn also beispielsweise das Privateigentum als ein Rechtsinstitut nicht nur durch Art. 14 GG, sondern auch durch Art. 1511 VvB garantiert sein sollte, so würde sich diese Garantie doch auf einen Normenbestand beziehen, der so gar nicht vom Landesgesetzgeber geschaffen worden ist und im Rahmen des Art. 14 GG sowie der Kompetenzordnung des GG dem Bundesgesetzgeber zur Disposition steht. 113
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Abschnitt II: Die Grundrechte
Bei den Lebenssachverhaltsgarantien ist das schon etwas schwieriger. Hier ist es immerhin denkbar, daß der von der Bundesverfassung gewollte Zustand der Gesellschaft nicht mit dem von der Landesverfassung gewollten übereinstimmt. Die Landesverfassung schreibt dann der Landesstaatsgewalt die Herstellung eines anderen Gesellschaftszustandes vor als die Bundesverfassung. In diesem Falle liegt ein Normwiderspruch vor, der seine Lösung durch Art. 31 GG findet. Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch sehr genau darauf zu achten, ob die Bundes- bzw. die Landesverfassung die Herstellung eines bestimmten Gesellschaftszustandes befiehlt oder ob sie dies nur gestattet. Ein echter Normwiderspruch mit der Folge des Art. 31 GG liegt nur in dem ersten Fall vor. Der Sozialisierungsvorbehalt des Art. 15 GG etwa gestattet lediglich, gebietet aber nicht die Herbeiführung eines Gesellschaftszustandes, der die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltene Lebenssachverhaltsgarantie des tatsächlichen Vorhandenseins von Privateigentum (auch an Produktionsmitteln) durchbricht (vgl. BVfGE 24, S. 367, 389). Es liegt daher kein Normwiderspruch zu der in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 VvB möglicherweise auch enthaltenen Lebenssachverhaltsgarantie des Privateigentums (s. Art. 15 Rdn. 7) vor, obwohl der VvB eine dem Art. 15 G G vergleichbare (Um-)Gestaltungsermächtigung unbekannt ist. Die „Lösung" des dadurch aufgeworfenen nur scheinbaren Konfliktes vollzieht sich ohne die Einwirkung des Art. 31 GG. Zwar ermächtigt Art. 15 GG an sich auch den Landesgesetzgeber zur Vornahme von Sozialisierungsmaßnahmen; da dieser jedoch auch an die VvB gebunden ist, der eine solche Ermächtigung fremd ist, vermag der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 15 GG keinen Gebrauch zu machen. Darin liegt deswegen kein Konfliktsfall im Sinne des Art. 31 GG, weil Art. 15 GG nur ermächtigt, nicht auch verpflichtet. Die VvB ist deshalb nicht gehindert, das durch Art. 15 GG eingeräumte Ermessen für den Landesgesetzgeber bis auf den Nullpunkt zu reduzieren. Macht freilich der Bundesgesetzgeber, der natürlich nicht an die VvB gebunden ist, von der Ermächtigung des Art. 15 GG Gebrauch, so kommt es sehr wohl zu einem echten Normenkonflikt, der seine Lösung durch Art. 31 GG findet. Jedoch ist auch dies nicht ein Konflikt zwischen der Sozialisierungsermächtigung des Art. 15 GG und der in Art. 1511 VvB enthaltenen Lebenssachverhaltsgarantie, sondern ein solcher zwischen der einfachgesetzlichen Sozialisierungsbestimmung in dem Bundesgesetz und der landesverfassungsrechtlichen Lebenssachverhaltsgarantie. (Zu den Problemen des Art. 15 GG vgl. auch Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 133, dessen Deutung des Art. 15 GG als „korporatives Grundrecht" hier jedoch 114
Vorbemerkungen (Schwan)
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nicht geteilt wird. Nach hier vertretener Ansicht stellt Art. 15 GG einen Einschränkungsvorbehalt gegenüber der in Art. 14 I 1 GG — auch — enthaltenen Garantie des Privateigentums als gesellschaftliche Einrichtung [Lebenssachverhalt] dar.) Zur Diskussion um die Sozialisierungsbestimmung der Verfassung des Saarlandes s. die Nachw. bei Rdn. 16; zur entsprechenden Bestimmung in der Verfassung von Rheinland-Pfalz: Jutzi, S. 72 ff; zur Hessischen Verfassung: H. J. Papier, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 359. Ein Widerspruch einer landesverfassungsrechtlichen Lebenssach- 26 Verhaltsgarantie zum GG liegt weiter auch dann vor, wenn die Herstellung des von der Landesverfassung gewollten Gesellschaftszustandes Eingriffe in Freiheitsgrundrechte des GG erfordern würde, die durch die Eingriffsvorbehalte oder die Schrankenschranken des betroffenen Bundesgrundrechtes nicht gedeckt sind. Schließlich können landesverfassungsrechtliche Lebenssachverhaltsgarantien aber auch sehr leicht in Konflikt mit den bundesgrundrechtlichen Gleichheitsgrundrechten geraten. Auf die Gefahr der Herbeiführung gleichheitswidriger Privilegierungen, die mit der institutionellen (Um-)Deutung der Freiheitsgrundrechte notwendig einhergeht, ist ja schon wiederholt hingewiesen worden (vgl. z. B. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 1969, S. 25; Böckenförde, NJW 1974, S. 1529; ders., in: Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 198 ff; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100,2103; Bachof, JZ 1966, S. 130). 1.3.7 Eine solche Kollision, ein solcher Konflikt kann bei den 27 Rechten des status activus (s. Rdn. 5) in keinem Falle entstehen, und zwar deswegen nicht, weil weder der geregelte Sachverhalt noch der verpflichtete Adressat identisch sind und weil zudem auch die durch Bundes- und Landesgrundrechte angeordneten Rechtsfolgen miteinander nicht unvereinbar sind. Der geregelte Sachverhalt ist in dem einen Fall die Teilnahme an der Willensbildung der Bundesstaatsgewalt, in dem anderen Falle die Teilnahme an der Willensbildung der Landesstaatsgewalt. Der durch die Normen verpflichtete Adressat ist in dem einen Fall allein der Bund, in dem anderen Fall allein das Land, und natürlich schließt auch die Teilnahme an der Willensbildung der Bundesstaatsgewalt die Teilnahme an der Willensbildung der Landesstaatsgewalt nicht aus, selbst wenn diese in ihrer Art sehr verschieden ausgestaltet sein sollten. 1.3.8 Schließlich gelten nach Art. 142 GG auch diejenigen grund- 28 rechtlichen oder grundrechtsbezogenen Vorschriften der WB fort, die nicht mit Bestimmungen des GG korrespondieren, welche im Kata115
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Abschnitt II: Die Grundrechte
log der Art. 1 bis 19 GG enthalten sind. Einmal folgt dies daraus, daß Art. 142 GG auch bei anderen grundrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung gelangt (BVfGE 22, 271; Böckenförde/Grawert, DÖV 71, 119; a.A. Hamann/Lenz, Art. 142 GG, Anm. 5). Zum andern aber bleiben überhaupt alle Bestimmungen der Landesverfassung in Kraft, soweit sie dem GG nicht widersprechen, auch wenn sie inhaltlich oder im Wortlaut übereinstimmen (BVfGE 36, 342 — LS 5 367f). 29 1.3.9 Art. 142 GG trifft allerdings keine Aussage über die Geltung von Landesgrundrechten, die mit einfachem Bundesrecht konkurrieren. Dies ist z. B. bei Art. 71 im Verhältnis zu § 40 VwGO oder bei Art. 16 im Hinblick auf das GWB der Fall. Der „Bestandsgarantie" der Landesgrundrechte, die Art. 142 GG enthält und die das BVfG (E 36, 342, 367 f) auf alle Landesverfassungsbestimmungen ausgedehnt hat, muß hierfür entnommen werden, daß Landesverfassungsrecht nicht nur dann in Kraft bleibt, wenn und soweit es nicht gegen Bundesverfassungsrecht verstößt, sondern auch — und erst recht — dann, wenn es teilweise oder ganz mit einfachem Bundesrecht übereinstimmt, jedoch nur, soweit es ihm nicht widerspricht. Der Fall des Widerspruchs findet seine Lösung durch die Kompetenzvorschriften und durch Art. 31 GG. 2. 30
Grundrechtstheoretisches Vorverständnis, Deutungsweisen, „Dimensionen" der Grundrechte
Wer heutzutage Grundrechte kommentieren und dabei den Anspruch auf Seriosität nicht verspielen will, darf nicht darauf verzichten, zunächst das grundrechtstheoretische Vorverständnis (vgl. dazu Böckenförde, NJW 1974, 1529ff; Ossenbühl, NJW 1976, 2100ff; Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Vortrag zur Eröffnung des 50. DJT, 1974; Bleckmann, Staatsrecht II, 171 ff, 243 ff; Starck, JuS 1981, S. 237 ff) und die Methode der Grundrechtsinterpretation (vgl. dazu Böckenförde, NJW 1967,2089 ff; Ossenbühl, NJW 1976, 2105 ff) offenzulegen, von dem aus bzw. mit der er an die Grundrechtsnormierungen herangeht, denn bekanntlich sind die verschiedenen Deutungsweisen der Grundrechte und die Methoden der Grundrechtsinterpretation — insbesondere bei den Freiheitsgrundrechten — in den letzten 30 Jahren so weit auseinandergedriftet, daß ein Bemühen um rational überprüfbare und vor allem konsensfähige Ableitung von Rechtsfolgen aus den Grundrechten nur dann einen Sinn hat, wenn man zunächst Einigkeit über die 116
Vorbemerkungen (Schwan)
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Prämissen, nämlich über das zugrunde gelegte Vorverständnis, die (richtige) Deutungsweise der Grundrechte und über die Methoden ihrer Sinnermittlung hergestellt hat. 2.1 Die Methode, die nachfolgend benutzt und im übrigen auch 31 bei der Auslegung von Verfassungsbestimmungen für allein zulässig gehalten wird, ist diejenige der von Savigny (System des heutigen römischen Rechts I, 1840, S. 212 ff) exemplarisch entwickelten und in der Gegenwart vor allem von Forsthoff (Rechtsstaat im Wandel, 2. Aufl. 1976, S. 136 ff) vertretenen klassisch-juristischen Hermeneutik, nach der der Sinngehalt einer Rechtsnorm im Weg der grammatischen, logischen, historischen und systematischen Interpretation zu ermitteln ist. Die teleologische Interpretationsmethode wird hier bewußt weggelassen, weil sie nicht wie die im Text genannten Interpretationsmethoden ein Mittel (Instrument) bzw. einen Weg beschreibt, vermittels dessen oder auf dem der Sinngehalt einer Norm offengelegt werden kann, sondern das Ziel einer jeden Auslegung, nämlich die Ermittlung des telos der Norm, d. h. des (objektiven) Zweckes der Regelung. Am Zweck einer Norm hat sich eine jede Auslegung zu orientieren. Die Frage ist nur, wie dieser Zweck ermittelt werden kann. Hier hilft uns nicht die teleologische Auslegungsmethode weiter, sondern allein die von Savigny entwickelten Interpretationsmethoden. Die teleologische Auslegungsmethode „greift" erst in einer späteren Phase der Rechtsanwendung, indem sie nämlich ein Rückfolgern von dem zunächst ermittelten Zweck einer Regelung auf die (dann allein richtige) Auslegung der in der Norm benutzten Begriffe gestattet. Es wird hier also der Auffassung von Larenz (Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 148) gefolgt, nach der die Probleme der Verfassungsinterpretation von denen der allgemeinen juristischen Hermeneutik nicht wesentlich verschieden sind (a. A. aber z. B. auch Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2105; allg. zur Methode bei der Grundrechtsinterpretation: Albert Bleckmann, Staatsrecht II, S. 59 ff m. zahlr. w. Nachw. in Fn. 1 auf S. 59). Wenn Böckenförde (NJW 1976, 2091) demgegenüber meint, aus der weitgehend fehlenden Bestimmtheit und der darüber hinaus fehlenden Einbettung der Verfassungsnormen in ein „historisch-dogmatisches Ganzes einer Verfassungsrechtsordnung" folgern zu müssen, daß in die Anwendung der klassich-hermeneutischen Auslegungsregeln „eine Verfassungstheorie eingebracht" werden müsse, so kann dem keineswegs zugestimmt werden. Zwar ist Böckenfördes Diagnose durchaus zutreffend: mangelnde Bestimmtheit, Vieldeutigkeit, lapidare Kürze, fragmentarischer Cha117
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Abschnitt II: Die Grundrechte
rakter, Konkretisierungsbedürftigkeit der meisten Verfassungsnormen, das Fehlen einer „Einfügung in den Zusammenhang strukturgleicher Regelungen". Daraus folgt doch aber allenfalls, daß die Auslegung der Verfassungsnormen im Gegensatz zu denen des einfachen Gesetzes besonders schwierig ist, daß die systematische Interpretation wegen des Fehlens des „Zusammenhanges der entfalteten (Verfassungs-)Rechtsordnung" sehr oft mangels Masse nicht greift und daß deshalb der historischen Interpretationsmethode bei der Verfassungsinterpretation ein besonderer Rang und eine besondere Aufgabe zukommt (genau entgegengesetzt: Bleckmann, Staatsrecht II, S. 77). Die Verfassungstheorie etwa, d. h. das verfassungs- und grundrechtstheoretische „Vor"verständnis, das Böckenförde (vgl. insbesondere NJW 1974, 1529 f) gewissermaßen als „Ersatz" für das fehlende System der Verfassungsnormen an den herkömmlichen Interpretationsmethoden vorbei in die Verfassungsinterpretation einführen will (mit dem wir inhaltlich übrigens durchaus übereinstimmen), ist nach hier vertretener Auffassung das Produkt der vor allem (aber nicht nur!) historischen Auslegung der Verfassungsbestimmungen, insbesondere der Grundrechte selbst. Im übrigen scheint dies im Ergebnis durchaus auch die Auffassung von Böckenförde zu sein, denn auch er ist der Überzeugung, daß „richtig", d. h. verbindlich, nur eine „in der Verfassung ausdrücklich oder implizit enthaltene Verfassungstheorie (sein könne), die aus Verfassungstext und Verfassungsentstehung mit rationalen Erkenntnismitteln erhebbar ist". Was sind diese „rationalen Erkenntnismittel" aber anderes als die von Savigny entwickelten Interpretationsmethoden? Im Ergebnis erweist sich das „Vor"-Verständnis also nur als das Verfassungsverständnis und dieses als ein Produkt der klassischen juristisch-hermeneutischen Auslegung, die sich natürlich auch um die Erkenntnis des hinter den einzelnen Verfassungsnormen stehenden Systemes, Ordnungsgefüges, d. h. der Grundvorstellung und Leitideen, bemühen muß. Es kann Böckenförde (NJW 1976,2098) eigentlich nur zugestimmt werden, wenn er hierzu ausführt: „Die Erarbeitung und Ausformung einer solchen verfassungsgemäßen Verfassungstheorie muß ihren Ausgang von der Verfassung selbst nehmen, ihren Grundentscheidungen und tragenden Prinzipien, den übernommenen oder modifizierten Elementen der Verfassungstradition, der errichteten Zuordnung und Balancierung der Funktionen/Gewalten u. a. m. Sie muß die darin sich ausdrückende leitende Ordnungsidee, die auch eine komplexe sein kann, ermitteln und zu einer systematischen Orientierung zu entfalten suchen. Daraus kann sich das Grundgerüst eines Verfassungssystems ergeben, wie es in den einzel118
Vorbemerkungen (Schwan)
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nen Normierungen der Verfassung sich ausprägt (konkretisiert) bzw. ihnen zugrunde liegt." Dies gilt auch und gerade für das System und die Funktionsweise der Grundrechte. Insbesondere bei den Freiheitsgrundrechten, bei denen das Vorhandensein eines Grundrechtssystems bekanntlich besonders häufig bestritten wird (vgl. etwa Ehmcke, VVDStRL 20 (1963), S. 82 ff; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. 44f; Hesse, Grundzüge des deutschen Staatsrechtes, 7. Aufl., S. 125 ff; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 124, 246; in diesem Sinne wohl auch Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2106), läßt sich ein solches sehr wohl entwickeln, auch ohne daß dabei auf andere als die klassischen Interpretationsmethoden zurückgegriffen werden müßte (s. unter Rdn. 41 fl). Jedenfalls kann Böckenförde (NJW 1976, 2091) keineswegs darin zugestimmt werden, daß die Verfassung — gemeint ist das GG — außerhalb der Regelungen im Kompetenzbereich „keine in einem judiziellen oder verwaltungsmäßigen Sinne schon vollzugsfähigen Einzelregelungen" enthalte. Jedenfalls für die Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte muß dies — schon wegen Art. 1 Abs. 3 GG — entschieden bestritten werden. Wie Bökkenförde aber auch Hans Huber (Gedächtnisschrift für Imboden, 1971, S. 191 ff) und Ossenbühl (NJW 1976, S. 2105): Die „feste normative Bindung und Bestimmung durch generelle Vorentscheidung" verflüchtige sich bei den Grundrechtsvorschriften zu bloßen Richtungsangaben. Dies scheint denn doch eine allzu voreilige Kapitulation zu sein. 2.2 Deutungsweise der Freiheitsgrundrechte. Abgelehnt wird hier 32 zunächst die „demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie", nach der die Freiheitsgrundrechte dem Bürger nicht zur freien Verfügung, d. h. zum Belieben, eingeräumt sind, sondern in seiner Eigenschaft als Glied der Gemeinschaft mit der Aufgabe, durch die Inanspruchnahme und Ausübung seiner Grundrechte Demokratie hervorzubringen (vgl. z. B. BVfGE 27, 71, 81 f - zur demokr. Komponente der Informationsfreiheit; BVwGE 14, S.21, 25 - NJW 1962, S. 1532; kritisch zu einem solchen Grundrechtsverständnis auch Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 ff; ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 198ff; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100, 2103; Bachof, JZ 1966, S. 130; vgl. auch H. H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 1972; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 67 ff, 175). Damit wird der eindeutige Wille der Verfassung, dem Bürger mit den Grundrechten Rechte einzuräumen, nicht aber Pflichten aufzuerlegen, schlankweg auf den Kopf gestellt und zudem der „demokratische", sprich „politische" Gebrauch der Freiheit in gleichheitswidriger Weise privilegiert (vgl. Böckenförde, NJW 1974, S. 1529; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100, 119
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Abschnitt II: Die Grundrechte
2103; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 230; H. H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 43; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 51; Schwacke, Grundrechtliche Spannungslagen, S. 55, 120 [Fn. 460] mit w. N.). Zu einer derartigen Umfunktionierung der Grundrechte ist — wenn überhaupt — allenfalls der verfassungsändernde Gesetzgeber, nicht dagegen auch der Rechtsinterpret befugt, und auch dies ist keineswegs unproblematisch, weil unter dem Schutz der „Zementklausel" des Art. 79 Abs. 3 GG bekanntlich auch das Rechtsstaatsprinzip steht, und zu dessen Wesensgehalt dürfte das Verständnis der Freiheitsgrundrechte als Rechte, und zwar solchen zu grundsätzlich freiem Belieben und nicht nur zur Beteiligung an der „Demokratievorbringung", doch wohl gehören. Das Demokratiegebot der Verfassung verlangt im übrigen auf gar keinen Fall eine derartig veränderte Deutung der Grundrechte (so aber Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 59 ff, 63 f; kritisch zu diesem Argument auch Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 198 f, 268). Eine ganz andere Frage ist, ob die besondere demokratische Relevanz der Nutzung bestimmter Freiheitsrechte, z. B. der Versammlungsfreiheit, der Pressefreiheit, der Informationsfreiheit oder der Freiheit der Meinungsäußerung, bei der Einschränkbarkeit, also auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte sowie der Schrankenschranken, eine Rolle zu spielen vermag. Dagegen ist im Prinzip gar nichts einzuwenden, weil für das Maß der Einschränkbarkeit von individuellen grundrechtlichen Abwehrrechten natürlich auch der Umstand von Bedeutung ist, daß damit zugleich die Voraussetzungen für das Funktionieren des demokratischen Willensbildungsprozesses betroffen sind. Dies kann z. B. bei der Anwendung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes durchaus zu einer Minderung der Einschränkbarkeit und damit letztlich zur Privilegierung des demokratisch relevanten Freiheitsgebrauches führen. Nur darf die Berücksichtigung dieses Umstandes nicht dazu führen, daß die Grundrechte „auf diese Funktion reduziert und nur noch die für die Gesellschaft nützliche Grundrechtsbetätigung durch die Grundrechte geschützt werden" (Bleckmann, aaO, S. 175). Auf der Ebene der Verbürgung ist die „demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie" daher schlechthin unverwertbar, auf der Ebene der Einschränkbarkeit läßt sich manches ihrer Anliegen jedoch durchaus verwirklichen. Nur darf auch dort die Berücksichtigung der demokratischen Komponente nicht den Effekt der Minderung des Freiheitsschutzes auslösen. 120
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Abgelehnt wird weiter auch die sozialstaatliche Umdeutung der 33 Freiheitsgrundrechte als Quell von Teilhaberechten (vgl. dazu Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, passim; Häberle und Martens VVDStRL 30, S.7ff, 43 ff; Krebs, S. 119 ff, 122 f; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 177, 250 f m. zahlr. w. N.; Rupp AöR 1976, S. 183; zur Rechtsprechung des BVwGE: Sendler, DÖV 1978, 581 ff; BVfGE 35, 79, 120 - Hochschul-Urteil; vgl. auch BVfGE 39, 1, 42; BVwGE, NJW 1978, S. 842 f), denn auch eine solche Umdeutung der Freiheitsgrundrechte hat in der Sache verfassungsändernden Charakter. Das G G hat die soziale Frage ganz bewußt (so auch W. Weber, Der Staat 4 (1965), S. 412 ff; Ossenbühl, NJW 1976, 2100, 2104; Maunz, MDHS, Art. 20, Rdn. 175, 197; Friesenhahn, Vortrag 50. DJT, 1974, S. 13, 16, 30 f) unter Verzicht auf die Gewährung sozialer Grundrechte im Sozialstaatsprinzip aufgefangen und die Ausgestaltung dieses Prinzipes dem einfachen Gesetzgeber überantwortet (so z. B. auch Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 43). Die Berliner Verfassung gewährt solche soziale Grundrechte (s. Rdn. 6,42 ff) und stellt sie den klassischen Freiheitsrechten gegenüber (besonders deutlich z. B. in Art. 19). Daraus folgt, daß auch und gerade die Berliner Freiheitsgrundrechte nicht für die Ableitung von Teilhaberechten taugen. Wo die VvB soziale Grundrechte einräumt, da tut sie dies ausdrücklich. Die Freiheitsgrundrechte will sie jedenfalls nur als Freiheitsgrundrechte verstanden wissen. Diese Entscheidung darf der Interpret nicht im Wege der Ableitung von Leistungsansprüchen aus den Freiheitsgrundrechten unterlaufen. Kritisch gegenüber der „sozialstaatlichen Grundrechtstheorie" auch Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 ff; ders. NJW 1976, S. 2089 ff; Starck in: Festg. BVfG, Bd. II, S. 518 f. Ossenbühl (NJW 1976, S. 2100, 2105) bezeichnet die Teilhabekonstruktion treffend als eine „mit progressiver Attitüde versehene Modekategorie" (w. Nachw. b. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 41, Fn. 89). Die numerus-clausus-Entscheidung des BVfG (E 33, 333) betraf im übrigen einen Spezialfall (s. dazu: Sendler, DÖV 1978, 584 ff; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 184 ff; Starck, aaO, S. 522; Kimminich, JZ 1972, 696 ff; v. Mutius, VA Bd. 64 (1973), 183 ff; Hall, JuS 1974, 87 ff). Wenn der einfache Gesetzgeber eine grundrechtlich geschützte Freiheit (Berufsfreiheit) dadurch in bestimmter Beziehung bis auf den Nullpunkt beschneidet, daß er die Aufnahme des Berufes von der Absolvierung einer Ausbildung abhängig macht, für die er — der Staat — das Monopol hat, dann verwandelt sich der abwehrende Freiheitsanspruch natürlich in einen Teilhabe- bzw. Leistungsan-
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spruch auf Zulassung zu dieser Ausbildung. Ähnlich wie im Falle des Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt (BVfGE 20, 150), auf das die Monopolisierung in der Tat hinausläuft, erlebt der Freiheitsanspruch eine Veränderung seines Inhaltes. Das Übermaßverbot, insbesondere der Grundsatz der Erforderlichkeit, verlangen in diesen Fällen, daß das Verbot der Ausübung des Berufes einmal durch die Beseitigung des Monopoles und im übrigen durch Gewährung der Ausbildung in dem Maße wieder „zurückgenommen" oder „entschärft" wird, in dem dies dem Staat möglich und mit dem verfolgten öffentlichen Interesse vereinbar ist. In diesem Sinne auch Ossenbühl (NJW 1976, 2100, 2104). Auf keinen Fall geht es aber an, die aus den Freiheitsgrundrechten abgeleiteten Teilhaberechte gar als Ermächtigungen bzw. Einschränkungsvorbehalte für die Vornahme von Eingriffen in die grundrechtlichen Abwehrrechte zu mißbrauchen, die Leistungen gewährende Komponente der Freiheitsgrundrechte also gegen deren Eingriffe abwehrende auszuspielen. Der Teilhabeaspekt darf nicht dazu führen, daß sich ein Grundrecht im ,Selbstwiderspruch' auflöst. 34 Prinzipiell abzulehnen ist auch die institutionelle Umdeutung der Freiheitsgrundrechte in Garantien gesellschaftlicher Sachverhalte (Lebenssachverhaltsgarantien) (s. dazu oben Rdn. 21 sowie vor allen anderen P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantien des Art. 19 Abs. 2 GG, 3. Aufl. 1983, S. 70 ff), denn die Verfassung will - wie sich nicht zuletzt auch aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt — die Freiheit des Individuums unmittelbar durch die Gewährung einklagbarer Abwehransprüche schützen, nicht nur mittelbar durch die Absicherung bestimmter Lebenssachverhalte. Außerdem wollen die Freiheitsgrundrechte das Recht zu beliebigem Handeln garantieren, nicht nur die Befugnis zu solchem Handeln, das den sozialen Funktionen der Grundrechte entspricht — eine inhaltliche determinierte Freiheit also (s. auch Bleckmann, Staatsrecht II, S. 196 ff, 215, 250 ff). Kritisch gegenüber der „institutionellen Grundrechtstheorie" auch Böckenförde (NJW 1974, S. 1529 ff) und Ossenbühl (NJW 1976, S. 2100, 2103 f), sowie Schmidt-Jartzig (Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979). Im übrigen unterläuft die institutionelle Deutung der Freiheitsgrundrechte aber auch nahezu das gesamte System abgestufter Einschränkungsvorbehalte und Schrankenschranken (siehe unten Rdn. 44 ff, sowie Bleckmann, Staatsrecht II, S. 202, 216) und führt zudem — ähnlich wie die funktional-demokratische Grundrechtstheorie — zu gleichheitswidrigen Privilegierungen bestimmter Institutionen. 122
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Auf keinen Fall geht es darum an, die Deutung der Freiheitsgrundrechte als individuelle Abwehrrechte durch die Deutung als Einrichtungsgarantien zu ersetzen oder bei den individuellen Abwehrrechten vermittels der institutionellen Deutung Einschränkungsmöglichkeiten zu eröffnen, die diesen an sich nicht zueigen sind (vgl. aber: BVfGE 31, 58, 68 f)- Katz, Staatsrecht, 6. Aufl., S. 258, bemerkt: „Grundrechte bezwecken mit ihrer institutionellen Sicht gerade nicht, die Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte zu beeinträchtigen, sondern ihre freiheitliche und demokratische Bedeutung i. S. einer Effektuierung, einer möglichst allgemeinen Verwirklichung der Grundrechte und der faktischen Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme zu stärken (grundrechtsschützende und -ergänzende Funktion)". Gegen „komplementäre" Einrichtungsgarantien ist darum nichts einzuwenden (vgl. z. B. BVfGE 10, 59, 66 - Ehe; E 57, 295, 320 Rundfunk; E 20, 162, 175 ff - Presse; E 24, 367, 389 - Privateigentum; E 35, 79, 114 — Wissenschaftsfreiheit), und auch bei der Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG und Art. 23 Abs. 2 VvB vermag die institutionelle Grundrechtstheorie gute Dienste zu leisten (s. dazu Art. 23 Rdn. 3). Prinzipiell abzulehnen ist weiter auch die Werttheorie der Grund- 35 rechte, denn die Freiheit, die die Grundrechte garantieren, ist nicht eine Freiheit zur Realisierung der in den Grundrechten angeblich ausgedrückten Werte, eine inhaltlich gebundene Freiheit also, sondern ist die prinzipiell ungebundene, natürliche Robinson-Freiheit zur individuellen Beliebigkeit (ebenso Ossenbühl, NJW 1976, S. 2102). Kritisch zur Werttheorie der Grundrechte auch Böckenförde (NJW 1974, S. 1529 ff; derselbe, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 235, 239, 245, 262, 268 f, 305 f), Grabitz (Freiheit und Verfassungsrecht, S. 223, 227, 252, 248); Denninger (JZ 1975, S. 545); Forsthoff (Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Festschrift für Carl Schmitt, 1959, S. 35); Goerlich (Wertordnung und GG, 1973); Bleckmann (Staatsrecht II, S. 217 ff). Im übrigen verbirgt sich in der Werttheorie aber auch in der Tat nur eine „Verhüllungsformel für den richterlichen bzw. interpretatorischen Dezisionismus" (Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 235, 268), der sich mit der von Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten normativen Wirkung der Grundrechte sicher nicht vereinbaren läßt. Freilich heißt das nicht, daß der Gedanke der Wertordnung, die nach ständig wiederkehrender Behauptung des BVfG sogar eine Wertrangordnung sein soll, grundrechtsdogmatisch völlig unverwertbar ist. Bei den Schrankenschranken etwa, und zwar dort bei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Grundsatz 123
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Abschnitt II: Die Grundrechte
der Angemessenheit, Zumutbarkeit), dessen Anwendung bekanntlich eine Güterabwägung erforderlich macht, ist der Gedanke der Wertordnung recht gut zu verwerten, denn eine Güterabwägung setzt die Bewertung der abzuwägenden Güter voraus. Die Bewertungsmaßstäbe dafür lassen sich jedoch letztlich nur dem an sich außerrechtlichen Gerechtigkeitsempfinden bzw. der allgemein anerkannten Wertordnung entnehmen. Wenn die Werttheorie nun meint, in diesem Zusammenhang auch den Grundrechten eine Wertordnung bzw. Wertrangordnung entnehmen zu können, so kann das eigentlich so lange nichts schaden, als man sich im klaren darüber bleibt, daß das Berufen dieser Wertordnung natürlich nicht die juristische Interpretation der Grundrechte und die Subsumtion des Untersatzes unter den Obersatz zu ersetzen vermag, sondern daß dieses Berufen im Grunde nichts anderes als ein Hinweis darauf ist, daß das Rechtsgefühl, das uns die Wertordnung vermittelt, unter anderem auch von den in der Verfassung enthaltenen Grundrechtsnormierungen gespeist wird. 36 In diesem Sinne soll hier auch die von Dürig (Festschrift für Nawiaski, 1956, S. 166; ders., MDHS, Art. 3, Rdn. 505 ff) entwickelte und vom BVfG (E 7, S. 198 ff; 25, 256, 263 ff; 30,173,182 ff; 35, 202, 219; 42, 163, 168) übernommene sog. mittelbare Drittwirkungslehre verstanden werden: Die Wertordnung der Grundrechte, das heißt: das von den Wertentscheidungen der Grundrechte geschulte Gerechtigkeitsempfinden, ist bei der Auslegung und Anwendung der Rechtssätze des Zivilrechtes, insbesondere der Generalklauseln, zu berücksichtigen, besser: als Korrektur zum Wirken zu bringen. 37 Nicht gefolgt werden kann jedoch der vom BVfG in demselben Urteil entwickelten sog. Wechselwirkungstheorie, nach der die „allgemeinen Gesetze" im Sinne des Art. 5 II GG zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechtes im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müßten. Richtig ist daran lediglich, daß auch die Gesetze bzw. die konkret-individuellen Eingriffsakte der Exekutive, die unter Inanspruchnahme des im Begriff der „allgemeinen Gesetze" enthaltenen Einschränkungsvorbehaltes die Grundrechte aus Art. 5 I GG beschneiden, sich am Übermaßverbot zu messen lassen haben und daß es dabei im Rahmen der Überprüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Grundsatz der Angemessenheit, Zumutbarkeit) zu einer Güterabwägung kommt, die eine Bewertung sowohl der eingeschränkten Freiheitsposition als auch des Eingriffszweckes, zu dem die Grundrechtsbeschneidung erfolgt, erforderlich macht. In diesem Sinne 124
Vorbemerkungen (Schwan)
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kommt es durchaus zu einer „Wechselwirkung", freilich nicht auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte, sondern auf derjenigen der Schrankenschranken. Dies hat jedoch überhaupt nichts mit dem Begriff der „allgemeinen Gesetze" zu tun und ist auch keineswegs ein Spezifikum des in Art. 5 II GG enthaltenen Einschränkungsvorbehaltes (ebenso: Bleckmann, Staatsrecht II, S. 283 f), sondern dies ist die Konsequenz aus der Tatsache, daß für die Rechtmäßigkeit eines Grundrechtseingriffes nicht schon das Vorhandensein eines „passenden", d. h. einschlägigen Einschränkungsvorbehaltes ausreichend ist, sondern daß es dafür auch der Beachtung der Schrankenschranken, einschließlich derjenigen der Übermaßverbotsgrundsätze, bedarf. „Einbruchsstelle" für das Eindringen letztlich außerrechtlicher Wert- bzw. Gerechtigkeitsvorstellungen ist also entgegen der Auffassung des BVfG nicht der Begriff der „allgemeinen Gesetze" im Sinne des Art. 5 II GG, sondern ist der zum Übermaßverbot gehörende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, und dies bewirkt durchaus einen ganz erheblichen Gewinn an Präzision und Rationalität der grundrechtlichen Schutzfunktion (zweifelnd jedoch Sendler, ABl. für Berlin, Nr. 14/1979, S. 510). Kritisch zur „Wechselwirkungstheorie" auch Ossenbühl (NJW 1976, S. 2107). Abzulehnen ist weiter auch die Auffassung des BVfG (BVfGE 12, 38 1, 4; 28, 243, 261; 30, 173, 193; 32, 98, 108; 33, 23, 32; 33, 52, 70; 40, 196; NJW 1976, S. 491 mit Anm. v. Schnapp; vgl. auch die Darstellung der Rechtsprechung des BVfG bei Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 209 ff), daß die Freiheitsgrundrechte dort ihre „immanente" Grenze fanden, wo „andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte" entgegenstehen, daß also, darauf läuft die Verwendung des Gedankens der Wertordnung in diesem Zusamenhang hinaus, neben die (ausdrücklichen oder nicht ausdrücklichen) geschriebenen Einschränkungsvorbehalte der Freiheitsgrundrechte ein weiterer nicht nur ungeschriebener, sondern im Grunde auch unfaßbarer und undefinierbarer tritt, der die Einschränkungen von Grundrechten darüber hinaus auch immer dann gestattet und im Grunde sogar gebietet, wenn irgendwelche Gerechtigkeits- oder Wertvorstellungen, die angeblich in der Verfassung ihren Niederschlag gefunden haben, dies rechtfertigen (kritisch dazu auch Lerche, BayVBl. 1974, S. 180). Damit wird die Normativität der Grundrechte, die Technizität dieser Rechtssätze, zu der sich Art. 1 III GG in geradezu pathetischer Weise bekennt, dem richterlichen Dizisionismus, besser; dem richterlichen Gerechtigkeitsgefühl bzw. dessen Willkür, preisgegeben (wie hier Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 77). Zwar taucht 125
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Abschnitt II: Die Grundrechte
das Problem scheinbar uneingeschränkter Grundrechte bei den Grundrechten der VvB nicht auf, weil sich dort in Art. 23 II ein einfacher und allgemeiner (Global-)Gesetzesvorbehalt verbirgt, der dort zur Anwendung kommt, wo ein Grundrecht nicht unter einem speziellen Einschränkungsvorbehält steht. Bei den Berliner Grundrechten besteht darum in der Tat keine Veranlassung, zu solchen Hilfskonstruktionen zu greifen, wie sie die Lehre von den immanenten Schranken bei den Bundes-Grundrechten anbietet. Gleichwohl ist diese Hilfskonstruktion auch für die Geltung der Berliner Grundrechte von Relevanz, weil die Mindestgarantie der Bundesgrundrechte (s. Rdn. 3) die VvB daran hindert, Einschränkungen zuzulassen, die das GG nicht gestattet. Die Kommentierung der Grundrechte der VvB kann darum nicht darauf verzichten, die Verwertbarkeit der Lehre von den immanenten Grenzen der Bundesgrundrechte zu überprüfen. 39 Gegenüber einer solchen Art des Grundrechtsverständnisses kann eigentlich gar nicht genug darauf hingewiesen werden, daß die Väter des GG und damit auch dieses selbst ebenso wie die VvB und deren Väter ganz eindeutig in der rechtsstaatlich-liberalen Grundrechtstradition des sog. rechtsstaatlichen Verteilungsprinzipes standen bzw. stehen, nach dem „im Zweifel die Regelung, die Freiheiten verbürgt, vor derjenigen gilt, die Handlungs- und Eingriffsvollmachten des Staates normiert oder andersartige Einschränkungen festlegt", so daß „die Festlegung staatlicher Handlungs- und Eingriffsrechte im Zweifel abschließenden Charakter hat, während die Festlegung von Freiheitsverbürgungen im Zweifel nicht abschließend, sondern für weitergehende Freiheitsverbürgungen offen ist" (Böckenförde/Grawert, DÖV 1971, S. 119, 120. Zum rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip allgemein Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl., Berlin 1965, S. 125 ff. Zur Anknüpfung des GG an diese Tradition im besonderen: H. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Vorbem. zu Art. 1, S. 35 ff; Knies, Kunstfreiheit, S. 48; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 134; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 243, 255, 261 f m. w. N.; Rupp, AöR 92 [1967], S. 212, 225 f; Ossenbühl, NJW 1976, 5. 2101; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 69, 243 f; Katz, Staatsrecht, 6. Aufl., S. 261, 264). Dieses rechtsstaatliche Verteilungsprinzip hat in dem System von Spezial- und Auffanggrundrechten, von abgestuften und prinzipiell nur auf ein spezielles Grundrecht bezogenen Einschränkungsvorbehalten und von speziellen und allgemeinen Schrankenschranken seinen eindeutigen textlichen Niederschlag gefunden, und zwar sowohl im GG wie auch in der VvB. Beide Verfassungen haben sich in der Tat sowohl nach „Wortlaut wie Geist 126
Vorbemerkungen (Schwan)
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positiv für die liberale Theorie entschieden" (Bleckmann, Staatsrecht II, S. 252), und dem hat auch der Interpret den schuldigen Respekt zu zollen. Es geht daher nicht an, dieses System und das diesem zugrundeliegende rechtsstaatliche Verteilungsprinzip dadurch aus den Angeln zu heben, daß zusätzlich zu den geschriebenen Einschränkungsvorbehalten ungeschriebene, aber angeblich „immanente" Grundrechtsgrenzen erfunden werden, deren Fixierung sodann auch noch dem Rechtsgefühl überlassen wird, was auch dadurch nicht verschleiert zu werden vermag, daß im Brustton der Überzeugung immerzu die Existenz einer Wertordnung, Wertrangordnung, Rechtswertordnung, Verfassungsrechtswertordnung etc. behauptet wird (vgl. z. B. BVfGE 7, 198, 205; 21, 362, 372; 39, 1, 41). Wenn eine Freiheitsposition in den Verbürgungsbereich eines der Grundrechte fallt, dann ist damit eine geschriebene verfassungsrechtliche Entscheidung zugunsten der Unantastbarkeit dieser Freiheitsposition gefallen, die lediglich durch die Existenz einer geschriebenen lex spezialis, d. h. durch den Nachweis der Einschlägigkeit eines der geschriebenen (ausdrücklichen oder nicht ausdrücklichen) Einschränkungsvorbehalte wieder zurückgenommen werden kann. Wenn z. B. die Verbreitung des „Mephisto"-Romanes von Klaus Mann (vgl. dazu BVfGE 30, 173) unter den Verbürgungsbereich der Kunstfreiheit des Art. 5 III GG fallt, so kann diese Verbreitung durch den Staat keineswegs schon dann verboten werden, wenn dies mit irgendeiner Wertordnung, Wertrangordnung, Verfassungsrechts-Wert-Rangordnung nicht vereinbar ist, sondern ausschließlich und allein dann, wenn sich der Verfassung ein auf dieses Verbreitungsverbot passender Einschränkungsvorbehalt entnehmen läßt, eine lex spezialis zu Art. 5 III GG also, die freilich nicht ausdrücklich auf Art. 5 III GG bezogen und auch nicht als Einschränkungsvorbehalt formuliert zu sein braucht. Vielmehr genügt es, daß die Auslegung ergibt, daß diese Verfassungsnorm die mit Art. 5 III GG gefallene Entscheidung zugunsten der grundsätzlichen Unantastbarkeit der verbürgten Freiheitsposition insoweit wieder „zurücknehmen" wollte. Art. 1 1 2 GG, der die Staatsgewalt verpflichtet, die Menschenwürde nicht nur (selbst) zu achten, sondern auch (vor anderen) zu schützen, vermag daher sehr wohl einen solchen Einschränkungsvorbehalt abzugeben, sofern sich die Verbreitung des „Mephisto"-Romanes als ein Angriff auf die Menschenwürde des Gustaf Gründgens erweisen sollte. Mit der Übernahme dieses rechtsstaatlichen Verteilungsprinzipes 40 hat die Verfassung (auch diejenige des Landes Berlin) zugleich auch der vor allem von P. Lerche (Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, passim) vertretenen sog. Prägungslehre eine Absage erteilt, nach der 127
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Abschnitt II: Die Grundrechte
die von den Grundrechten geschützte Freiheit eine zunächst vom einfachen Gesetzgeber zu prägende bzw. schon geprägte, „verfaßte" sei, denn wenn nach diesem Prinzip die grundrechtliche Freiheit eine prinzipiell unbegrenzte sein soll, dann kann sie nicht eine zunächst vom einfachen Gesetzgeber „verfaßte", d. h. begrenzte sein, sondern dann ist mit „Freiheit" im Sinne der Grundrechte die natürliche, durch keinerlei rechtliche Begrenzungen vorgeformte Freiheit des Robinson Crusoe gemeint, dann schaffen die einfachen Gesetze den Gegenstand der grundrechtlichen Verbürgung nicht erst, sondern sie finden ihn vor und schränken ihn ein. Krit. zur Prägungslehre auch Bleckmann (Staatsrecht II, S. 62, 263 f): „Die Ablehnung der Auslegung der Verfassung anhand der Gesetze beruht im wesentlichen auf dem Gedanken, daß einerseits die Verfassung dem Gesetz im Range vorgeht, andererseits eine Kontrolle des Gesetzes anhand der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht gar nicht möglich wäre, wenn und soweit die Verfassung selbst durch den Rückgriff auf das einfache Gesetz ausgelegt werden müßte". 41 Gegen das hier zugrunde gelegte rechtsstaatlich-liberale Grundrechtsverständnis sind in der Rechtsprechung und Literatur vor allem zwei Einwände erhoben worden: Zum einen wird behauptet, diese Art der Grundrechtsdeutung sei überholt, nicht mehr zeitgemäß, unnötig (vgl. z. B. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 55 m. w. N., 58, 73, 75, 119 ff; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 336). Zum anderen wird behauptet, es werde den sozialen Problemen des modernen Staates nicht gerecht, es stünde im Gegensatz zum Sozialstaatsprinzip und sei blind gegenüber der sozialen Frage, d. h. gegenüber den sozialen Voraussetzungen der Realisierung grundrechtlicher Freiheit (vgl. z. B. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 205 f; Rupp, Gutachten 46. DJT, S. 186; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 53; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 228; krit. zu diesem Ansatz auch J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 13 f; H. H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 1974; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 63, 173, der zutreffend darauf hinweist, daß auf diese Weise die „reine Utopie Eingang in die Grundrechtsauslegung finden kann"). Beide Einwände sind unzutreffend. Solange Menschen im Namen des Staates Macht ausüben, bedarf es auch der (grund-)rechtlichen Sicherung vor Machtmißbrauch. Das ist im 20. Jahrhundert nicht anders als im 18. oder 19. Jahrhundert, eher ist dies heute noch wichtiger, weil die sittlichen, moralischen, vor allem aber religiösen Bindungen, die ehedem noch machtbändigend gewirkt haben, heute weitgehend entfallen sind. Vgl. auch Ossenbühl 128
Vorbemerkungen (Schwan)
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(NJW 1976, S. 2107): „Die liberale Grundrechtstheorie enthält mit der Charakterisierung der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat eine zeitlose, ewig gültige Aussage. Einer Abwehr der Willkür wird es immer bedürfen, solange es Herrschaft gibt." Die Frage ist daher allenfalls, ob die „modernen" Deutungsweisen der Grundrechte den Freiheitsschutz verbessern oder doch zumindest auf dem alten Stand halten können (so auch der Ansatz von Bleckmann, aaO, S. 78). Das ist jedoch ganz eindeutig nicht der Fall. Soweit es den Schutz der Freiheit vor staatlichen Eingriffen betrifft, stellen sämtliche neuen Deutungsweisen der Freiheitsgrundrechte, sofern sie nicht nur ergänzend neben die klassische, liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie, sondern an deren Stelle gesetzt werden, eine geradezu lebensbedrohende Gefahrdung des Rechtsstaates und der Freiheit dar. Vgl. auch Bleckmann, aaO, S. 251: „Ohne den Vertretern der sozialen Grundrechtstheorie diese Konsequenz anlasten zu wollen, muß doch unterstrichen werden, daß diese Auffassung sich bedenklich der Grundrechtsansicht des Ostblocks nähert." Unzutreffend ist auch, daß die liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie der Entfaltung des Sozialstaates und der Lösung der sozialen Frage im Wege steht. Vielmehr ist es genau umgekehrt so, daß gerade die bürgerlichrechtsstaatliche Grundrechtstheorie geradezu optimal geeignet ist, eine Symbiose zwischen Rechtsstaat und Sozialstaat herzustellen. Die Tore, die die den Grundrechten hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte den sozialgestaltenden Aktivitäten des Gesetzgebers offen lassen, sind nämlich bis hin zur Sozialisierung (Art. 15 GG) so weit aufgerissen, daß das von den „modernen" Grundrechtsinterpreten so gern und oft angegriffene „Eingriffs- und Schrankendenken" der Lösung sozialer Probleme eigentlich kaum im Wege stehen kann. Zu Recht weist daher Badura (Der Staat 1975, S. 18), darauf hin, daß auch das liberale Verfassungsdenken eine „Sozialwirkung der Grundrechte" begründe. Richtig ist allerdings, daß sich bei dieser — klassischen — Deutung der Freiheitsgrundrechte auch der sozialgestaltende und umverteilende Staat an den Regeln des Rechtsstaates — z. B. am Übermaßverbot — zu messen lassen hat; dies ist so jedoch nicht nur eindeutiger Wille der Verfassung, sondern obendrein ein Gewinn auch und gerade für den Sozialstaat. 2.3 Die sozialen Grundrechte. Angesichts der Tatsache, daß der 42 Begriff der „sozialen Grundrechte" sowohl in Rechtsprechung wie in Literatur als Kennzeichnung sehr unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Gewährleistungen (z. B. Freiheitsgrundrechte, Teilhaberechte, Gleichheitsgrundrechte, Einschränkungsvorbehalte, Schran129
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Abschnitt II: Die Grundrechte
kenschranken, Staatszielbestimmungen) gebraucht bzw. mißbraucht wird, erscheint es als erforderlich, zunächst für terminologische Klarheit zu sorgen: Als „soziale Grundrechte" werden hier die Rechte des sog. status positivus im Sinne der Statuslehre von Georg Jellinek bezeichnet (Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 418 ff), d. h. die auf Verfassungsebene garantierten Teilhabe- bzw. Leistungsrechte, die auf ein bestimmtes staatliches Tätigwerden, insbesondere auf eine staatliche Leistung, gerichtet sind. Solche „sozialen Grundrechte" enthielt in erheblichem Umfang die Weimarer Verfassung (Art. 157 ff), und sie finden sich im geltenden Recht vor allem in der Europäischen Sozialcharta (v. 18.10.1961, BGBl 1964 II, S. 1262) sowie in einigen der Landesverfassungen (Angaben bei Badura, Der Staat 1975, 18 f, 310- Es sind dies z. B. das Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnung, Recht auf saubere Umwelt, Recht auf Urlaub und Erholung (vgl. auch Böckenförde/ Jeckewitz/Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1981). Das Grundgesetz hat zumindest im Prinzip darauf verzichtet, soziale Grundrechte im Sinne von Leistungs- bzw. Teilhaberechten zu garantieren, die allein schon ihrer Ressourcenabhängigkeit wegen (vgl. dazu BVfGE 33, 333; Herzog in: MD, Art. 20, VIII, Rdn. 28; Zacher, BayVfGHFestschrift, 1972, S. 95, 98; Badura, Der Staat 1975, S. 26, 35 f; Starck in Festg. BVfG, S. 518; Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, 1971, S. 16; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 182; Leisner, DÖV 1975, S. 74; J. P. Müller, Soziale Grundrechte in der Verfassung?, in Schweizerischer Juristenverein, Referate und Mitteilungen 1973, S. 733 f, 743), im übrigen aber auch deswegen nicht als subjektive, einklagbare Rechte verfassungsrechtlich garantiert sein können, weil sie als solche den notwendigen politischen Spielraum des Gesetzgebers und der Exekutive unerträglich verkürzen und letztlich die totale Planwirtschaft erzwingen würden, die — wie die Existenz der Freiheitsgrundrechte erweist — von der Verfassung ganz sicher nicht gewollt ist. Das GG wollte offensichtlich die von Art. 1 III GG erzwungene unmittelbare Verbindlichkeit der Grundrechte nicht sogleich dadurch wieder gefährden, daß es soziale Grundrechte dieser Art garantiert, bei denen die unmittelbare Verbindlichkeit aus der Natur der Sache heraus nicht die gleiche sein kann wie bei den Freiheits- oder Gleichheitsgrundrechten oder bei den Rechten des Status activus (so auch Bleckmann, Staatsrecht II, S. 49 f, 181; Starck in Festg. BVfG, S. 519). Nicht aus sozialer Blindheit, sondern aus Sorge um die juristische Stringenz der Verfassungssätze hat es sich deshalb darauf beschränkt, die „soziale Frage" zumindest im Prinzip in der Staatszielbestimmung, d. h. in dem Verfassungsleitbild des Sozialstaatsprinzips aufzufangen und zu beantworten. 130
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Vorbemerkungen (Schwan)
Die VvB ist einen anderen Weg gegangen. Sie hat in den Art. 6 43 Abs. 1 Satz 2 (Recht auf ... wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten), Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 (Recht auf Arbeit), Art. 12 Abs. 1 Satz 3 (Recht auf Arbeitslosenunterstützung); Art. 12 Abs. 2 (Recht der Frauen, Jugendlichen und Körperbehinderten auf besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis); Art. 13 (Anspruch auf Lebensunterhalt in Fällen der Krankheit, des Alters oder der Not); Art. 19 Abs. 1 (Recht auf Wohnung) „soziale Grundrechte" dieser Art normiert. Damit hat es das Sozialstaatsprinzip des GG mit Wirkung für die Landesstaatsgewalt konkretisiert, ohne freilich die zumeist in der Kompetenz des Bundes bzw. — jetzt — sogar supranationaler Institutionen liegende Wirtschaftspolitik nennenswert beeinflussen oder lenken zu können. Diese sozialen Grundrechte enthalten somit weitgehend „Verheißungen, die das Land in eigener Zuständigkeit nicht einlösen kann" (vgl. Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 98, 100, vgl. auch Kopp, Grundrechte, S. 60). 3. Das Schrankensystem
der
Freiheitsgrundrechte
Im Prinzip unterscheidet sich die Funktionsweise und damit das 44 Schrankensystem der Freiheitsgrundrechte der VvB von denen des GG überhaupt nicht. Auch bei den Freiheitsgrundrechten der VvB sind die Ebenen der Verbürgung, der Einschränkungsvorbehalte und der Schrankenschranken sehr sorgfältig auseinanderzuhalten. Im Detail lassen sich jedoch durchaus einige recht erhebliche Unterschiede feststellen. 3.1 Auf der Ebene der Verbürgung unterscheidet sich die VvB vom 45 GG vor allem dadurch, daß es an einem Auffangfreiheitsgrundrecht fehlt, wie es das GG in Art. 2 1 (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) enthält. Der grundrechtliche Schutz der Freiheit durch die VvB ist also anders als beim GG nicht lückenlos. Gewisse Freiheitspositionen werden grundrechtlich überhaupt nicht erfaßt und genießen auf der Ebene der VvB folglich nur den Schutz durch den Eingriffsvorbehalt des Gesetzes, der in der VvB — anders als im GG — freilich ausdrücklich im Text der Verfassung enthalten ist (Art. 45 I). Zwar wird in der Literatur immer wieder behauptet, der Eingriffsvorbehalt des Gesetzes habe seinen dogmatischen Standort in Art. 20 III GG. Dort ist jedoch eindeutig neben dem Vorrang der Verfassung (1. Alt.) lediglich der Vorrang des Gesetzes (2. Alt.) enthalten. Da der Vorbehalt des Gesetzes weiter auch nicht in irgendeiner anderen Vorschrift des GG auftaucht, seine Geltung und Verbindlichkeit jedoch unbestritten sind, gilt er auf der Ebene des 131
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Abschnitt II: Die Grundrechte
Grundgesetzes lediglich kraft Verfassungsgewohnheitsrechtes (vgl. dazu näher Schwan, Vorbehalt des Gesetzes und Zuständigkeitsregelungen, Diss. Berlin 1972, S. 8 ff; ders., Rechtsschutz für den Bürger vor staatlicher Informationssammlung, in: Hoffmann/Tietze/Podlech, Numerierte Bürger, S. 36 ff). 46 Das vom BVfG (E 65, 1 ff) aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete „informationelle Selbstbestimmungsrecht" genießt darum auf der Ebene der VvB keinen Grundrechtsschutz (anders Art. 4 II Verf. NRW und Art. 2 S. 2, 3 VS). Auch ihm kommt jedoch der Schutz des Eingriffsvorbehaltes des Gesetzes zu, weil die Eingriffsnatur der „Informationseingriffe" (Schwan, VA 1975, S. 120ff), d.h. des Erhebens, Speicherns, Übermitteins, Veränderns und Löschens von personenbezogenen Daten, spätestens seit dem Volkszählungs-Urteil des BVfG nicht mehr bestritten werden kann, und außerdem steht dieses Recht zu wesentlichen Teilen auch unter dem Schutz des Grundrechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 der EMRK (dazu jüngst Urt. des EGMR v. 2. 8. 84 - Malone, EuGRZ 1985, S. 17 ff). Soweit das Erheben, Speichern, Übermitteln etc. personenbezogener Daten die Privat- oder Familiensphäre betrifft, folgt der Datenschutz auch aus diesem Grundrecht (Schwan, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, 1984, S. 217 ff). Dies ist wichtig vor allem für den Gerichtsschutz. Zwar besteht in Berlin nicht die Möglichkeit, ein Landesverfassungsgericht anzurufen, weil ein solches trotz Art. 72 VvB noch immer nicht eingerichtet ist (s. Erl. dort und Pestalozza, in: Starck/Stern, Bd. I, S. 183 flf). Auch das Bundesverfassungsgericht darf in „Berliner Sachen" wegen der Vorbehalte der Allierten nicht entscheiden. Die Rechtsschutzmöglichkeiten nach der EMRK bestehen jedoch ungeachtet dieser Vorbehalte (v. Pestalozza, in: Festschrift Jur. Gesellschaft Berlin, S. 549 ff), und aus diesen Rechtsschutzmöglichkeiten (sog. Individualbeschwerde) dürfte ebenso wie aus Art. 19 Abs. 4 GG (dazu: BVfGE 65, lff) die „Magna Charta des Datenschutzes" folgen, nämlich der Anspruch auf Auskunft über die zur eigenen Person gespeicherten Daten, denn ohne diese Auskunft läuft der Rechtsschutz faktisch leer. Der Auskunftsanspruch ist dem Rechtsschutzanspruch darum immanent, zumal da Art. 25 EMRK die Verpflichtung ausspricht, „die wirksame Ausübung dieses Rechts (zur Individualbeschwerde) in keiner Weise zu behindern". Das Gleiche folgt weiter auch aus der Garantie eines nationalen Rechtsschutzes durch Art. 13 EMRK (s. dazu EGMR, EuGRZ 1979, S. 289; Schwan, NJW 1980, S. 1992; derselbe Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, S. 234 fl) sowie aus dem beschnittenen materiellen Grundrecht selbst, denn der von Lorenz sog. Ge132
Vorbemerkungen (Schwan)
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danke der „Grundrechtsimmanenz des Gerichtsschutzes", dem das BVfG auch in der Volkszählungsentscheidung gefolgt ist, ist zwingend sicher auch bei der Auslegung der E M R K (vgl. auch die abw. Voten der Richter Matscher und Farinha sowie vor allem Pettiti zum Urt. des EGMR v. 2. 8. 84 - Malone, EuGRZ 1985, S. 250- Also folgt die „Magna charta des Datenschutzes" auch aus Art. 8 E M R K und ist der Ausschluß des Auskunftsanspruches darum nur bei Vorliegen der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Voraussetzungen zulässig. Damit lassen sich die in den deutschen Datenschutzgesetzen getroffenen Regelungen jedoch sicher nicht vereinbaren (s. Schwan, DVR 1982, 338 f; derselbe, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, S. 48 ff, 53 ff). Soweit das Erheben, Speichern und Übermitteln von personenbezogenen Daten nicht nur in den Schutzbereich des Auffangfreiheitsgrundrechtes, sondern auch in denjenigen von Spezialgrundrechten eingreift, können u. U. auch die Grundrechte der VvB betroffen sein. Das BVfG (E 65, 1, 46) führt in diesem Zusammenhang folgendes aus: „Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten." Nachdem der klassische Eingriffsbegriff sich als unhaltbar erwiesen hat, bestehen in der Tat keine prinzipiellen Hinderungsgründe, auch solche psychischen Fern- und Folgewirkungen der Datenverarbeitung als „Eingriff" anzusehen, so daß in dem vom BVfG genannten Fall die Grundrechte aus Art. 8 bzw. 9 G G mit demjenigen aus Art. 2 I GG in Idealkonkurrenz stehen. Auf der Ebene der VvB jedoch wären in diesem Falle die entsprechenden Grundrechte aus Art. 18 Abs. 1 einschlägig und betroffen. Soweit darüber hinaus zum Zwecke der Gewinnung personenbezogener Informationen „Begleiteingriffe" (vgl. Schwan, VA 1975, 120 ff) in andere grundrechtlich geschützte Freiheitspositionen vorgenommen werden (z. B. in die „Freiheit der Person" oder in die Unverletzlichkeit der Wohnung), ergibt sich der Datenschutz mittelbar aus den Schutzwirkungen der dadurch betroffenen Grundrechte (Art. 9, 19 VvB). Das Gleiche ist dann der Fall, wenn der „Informationseingriff" einem „Folgeeingriff" dient, der seinerseits unzulässig ist. In diesem Fall ist auch der Informationseingriff infolge der zwischen beiden bestehenden „Schicksalsgemeinschaft" unzulässig (Schwan in Burhenne/Perband, EDV-Recht, Kom/Bu, § 14 Rdn. 18, 47, 53, 61), ergibt sich der Datenschutz also mittelbar aus demjenigen Grundrecht, das vor dem „Folgeeingriff" schützt. Der datenschutzrechtliche 133
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Abschnitt II: Die Grundrechte
Auskunftsanspruch folgt auch hier aus dem Gerichtsschutzanspruch, der seinerseits dem beschnittenen Grundrecht immanent ist (vgl. Schröder, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 244 f). 47 Weiter unterscheidet sich die VvB vom GG auf der Ebene der Verbürgung auch dadurch, daß der Katalog der Spezialgrundrechte ein anderer ist, daß die VvB also nicht alle Grundrechte des GG übernommen hat, und dadurch, daß der VvB die Vorschrift des Art. 19 III GG unbekannt ist. Da diese Vorschrift jedoch nur etwas im Grunde Selbstverständliches ausdrückt, nämlich daß Grundrechte in dem Umfange auch für juristische Personen gelten, in dem dies mit dem Wesen des jeweiligen Grundrechtes vereinbar ist, ist die Rechtslage nach der VvB in dieser Beziehung keine andere. Auch bei den Grundrechten der VvB beantwortet sich die Frage nach dem Grundrechtsträger aus dem Wesen und damit aus dem Geltungsanspruch des jeweiligen Grundrechtes. Deshalb ist auch nicht einzusehen, warum diese Grundrechte zumindest im Prinzip nicht auch auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechtes sowie deren Organe anwendbar sein sollen. Die direkte Anwendung des Art. 19 III GG auf die Berliner Grundrechte (vgl. Domcke, BayVfGHFestschrift, 1972, S. 327; Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 118; a. A. Rüfner, DÖV 1967, 670) erscheint nach hier vertretener Auffassung jedoch als ausgeschlossen, weil das System der Berliner Grundrechte ebenso wie dasjenige des Grundgesetzes ein in sich geschlossenes ist (s. auch Rdn. 10). Höchst unglücklich ist daher auch die Formulierung von Böckenförde/Grawert (DÖV 1971,121), daß einige Grundrechte der Landesverfassung nur „Teil-, Ausführungs-, Spezial- oder Ausdeutungsnormen zu Bundesgrundrechtsbestimmungen" enthielten. Ungeachtet dessen gelten die zu den Grundrechten des GG entwickelten Grundsätze zur Grundrechtsmündigkeit, zum Eingriffsbegriff, zu den Konkurrenzen und zu den Grundrechtsadressaten auch für die Berliner Freiheitsgrundrechte, weil diese insoweit in der gleichen Tradition wie die Freiheitsgrundrechte des GG stehen (vgl. dazu oben Rdn. 31 ff, 39) und darum auch wie diese auszulegen sind (zur Methode: oben Rdn. 31). Dies gilt auch für die Grundsätze zur Einwilligung und zum Verzicht. Auch die aus der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) und aus der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG abgeleiteten Folgerungen gelten für die Berliner Grundrechte, denn die Menschenwürdegarantie ist ohnehin wegen der Homogenitätsklausel des Art. 28 GG Bestandteil auch des Berliner Verfassungsrechtes, und hinsichtlich der Wesensgehaltsgarantie findet sich in der „Garantie des Grundgedankens" eine Entsprechung in Art. 23 Abs. 2 VvB (vgl. Art. 23 Rdn. 3 ff). Die Aussage zum 134
Vorbemerkungen (Schwan)
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Geltungsbereich der Grundrechte in der räumlichen Dimension ist dahin zu variieren, daß es natürlich nur auf die Ausübung von Berliner Staatsgewalt ankommen kann. 3.2 Auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte unterscheidet 48 sich die VvB vom G G vor allem dadurch, daß sie ähnlich wie die Bayerische Verfassung (Art. 98 Satz 2) in Art. 23 II einen einfachen und allgemeinen Global-Gesetzesvorbehalt kennt, der immer dort zur Anwendung kommt, wo die VvB für den konkreten Eingriff nicht einen speziellen Einschränkungsvorbehalt bereithält und dieser nicht eine abschließende Regelung der Beschränkungsmöglichkeiten enthält. In diesem Falle ist der spezielle Einschränkungsvorbehalt im Wege des Umkehrschlusses dahin auszulegen, daß andere als die dort gestalteten Eingriffe nicht zulässig sein sollen. Das Problem der sog. immanenten Schranken, das bei der Auslegung der Bundesgrundrechte so außerordentliche Schwierigkeiten bereitet (s. Rdn. 38, 39), stellt sich darum bei den Berliner Grundrechten zumindest nicht in der gleichen Schärfe. Im übrigen gelten die oben zu den Einschränkungsvorbehalten bei den Bundesgrundrechten getroffenen Feststellungen und Unterscheidungen entsprechend auch für die Berliner Grundrechte, und dies gilt auch für die bei den Bundesgrundrechten aus dem Gedanken der „Einheitlichkeit der Verfassung" abgeleitete Möglichkeit, Einschränkungsvorbehalte z. B. auch den organisatorischen Bestimmungen zu entnehmen. Nicht zulässig ist es jedoch, aus den sozialen Grundrechten der VvB (s. Rdn. 42, 43) solche Einschränkungsvorbehalte abzuleiten. Ebenso wie bei der Sozialstaatsklausel des G G (dazu: Rdn. 41) hat sich die Verfolgung sozialer Anliegen auch bei der Befriedigung der sozialen Grundrechte an die dargestellten Spielregeln für die Beschneidung der grundrechtlichen Abwehrrechte zu halten. Auch die sozialen Grundrechte enthalten keinen Freibrief für das Niederreißen der gewachsenen rechtsstaatlichen Schutzvorkehrungen für die Absicherung der Freiheit. Soweit es dafür neben der juristischen Begründung auch noch einer politischen bedarf, ist diese leicht zu finden: Im Namen des Guten, der Religionen zumal, aber auch im Namen der sozialen Gerechtigkeit, sind in der Geschichte der Menschheit immer wieder die größten Verbrechen begangen worden. Ein Blick auf den „real existierenden Sozialismus" beweist die Richtigkeit dieser Diagnose. Also ist auch bei der Lösung der „sozialen Frage" rechtsstaatliches Mißtrauen geboten und die Voraussetzung für die Bewahrung der Freiheit. 3.3 Auch bei den Berliner Grundrechten ist es notwendig, die 49 Schrankenschranken in solche zu unterscheiden, die für abstraktgenerelle Eingriffsmaßnahmen oder eine entsprechende Ermächti135
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Abschnitt II: Die Grundrechte
gung gelten, und in solche, die auf den konkret-individuellen Eingriffsakt Anwendung finden. Die Art der Schrankenschranken ist dabei im Prinzip die gleiche wie bei den Bundesgrundrechten. Die zu beachtenden Zuständigkeits-, Form- und Verfahrensvorschriften sind im V. Abschnitt der VvB (Art. 45 fl) enthalten. Es fehlt in der VvB jedoch eine Bestimmung, die der Zitatklausel des Art. 19 I 2 G G entspricht. Es ist daher an sich nicht erforderlich, daß der Berliner Landesgesetzgeber auch die eingeschränkten Berliner Grundrechte zitiert, wie dies z. B. in § 47 ASOG geschehen ist, denn Art. 19 I 2 G G gilt natürlich nicht auch für die Einschränkung der Berliner Grundrechte (s. auch Rdn. 20). Sehr wohl ist es aber erforderlich, daß auch der Berliner Landesgesetzgeber die Bestimmungen der eingeschränkten Bundesgrundrechte zitiert, denn Art. 19 I 2 G G gilt auch für ihn (vgl. auch Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 117; a. A. jedoch mit unzutreffender Begründung BVwGE 2, 118, 122; dagegen Finkelnburg JuS 1968, 12 und Art. 1, Rdn. 52). Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG findet sich dagegen in Art. 23 II VvB — wenn auch in anderer Formulierung — wieder, und das Gleiche gilt auch für die Gleichheitsgrundrechte (Art. 6 VvB). Der Bestimmtheitsgrundsatz (der auch im G G nur partiell im Text auftaucht, z. B. in Art. 80 I 2 GG), das Verbot des Einzelfall- und Einzelpersonengesetzes (Art. 19 11 GG), die Übermaßverbotsgrundsätze (die auch im Text des G G nicht auftauchen), die Menschenwürdegarantie (Art. 1 I GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG) finden sich zwar im Text der VvB überhaupt nicht oder doch nur partiell (so das Sozialstaatsprinzip in den „sozialen Grundrechten" der VvB), diese „Schrankenschranken" sind jedoch über die Homogenitätsklausel des Art. 28 I und II G G zum Bestandteil auch des Verfassungsrechtes von Berlin geworden, denn der Bestimmtheitsgrundsatz, die Menschenwürdegarantie und die Übermaßverbotsgrundsätze gehören sicher zum Kernbestand des Rechtsstaatsprinzipes, und das Sozialstaatsprinzip wird in Art. 28 I G G sogar ausdrücklich angesprochen. Darüber hinaus gehört aber auch die Vorschrift des Art. 1911 GG, nach der alle Grundrechte beschneidenden Gesetze „allgemein" sein müssen und „nicht nur für den Einzelfall gelten" dürfen, zum uralten, klassischen Instrumentarium des Rechtsstaats. Zwar ist das Verbot des Einzelfall- und Einzelpersonengesetzes vom Grundgesetz als Schrankenschranke für Eingriffe in die Freiheitsgrundrechte konstruiert worden. Es ist jedoch zumindest im Bereiche des Eingriffsrechtes ein seit je anerkanntes, sowohl aus 136
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Gleichberechtigung (Schwan)
dem Gleichheitssatz wie auch aus dem Gewaltentrennungsprinzip abzuleitendes rechtsstaatliches Postulat, daß der einfache Gesetzgeber nicht das Recht hat, Einzelfallentscheidungen zu treffen. Art. 19 I 1 GG gilt daher inhaltlich auch im Landesverfassungsrecht. Dies verkennt das BVfG z. B. in E 25, 399 (vgl. dazu auch die zutreffende Kritik von H. H. Rupp, BVfG-Festgabe II, S. 364, 369; im Ergebnis wie hier Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 117).
Artikel 6 (1) Alle Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Sie haben das Recht auf gleiche wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten. (2) Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens dem Manne gleichgestellt. Materialien 1.
vgl. zu I 1 (allgemeiner Gleichheitssatz): Art. 3 I GG; 118 I BV; 1 HV; 17 VRP; 12 VS zu I 2 (gleiche Entwicklungsmöglichkeiten): Art. 11 VBW zu II (Gleichheit der Frau): Art. 3 II und III GG; 118 II, 124 II BV; 2, 22 VHB; 1, 33 HV; 17 VRP; 12, 22 VS
Erläuterungen Abs. 1 beruht auf einer Vorlage der SPD, Abs. 2 auf einer solchen 1 der SED. Entgegen der Auffassung von Friesenhahn (Der Wandel des Grund- 2 rechtsverständnisses, Verh. 50. DJT, Band II, Teil F/G, S.G20) enthalten die Gleichheitssätze, und zwar auch der allgemeine, und dort sehr wohl auch dessen materielle Komponente, nicht nur „allgemeine Verfassungsgrundsätze" — was immer man darunter auch zu verstehen haben mag —, sondern Grundrechte, und zwar Grundrechte im Sinne von subjektiv-öffentlichen Rechten, von Ansprüchen also, die der einzelne gegenüber dem Staat — notfalls auch vor Gericht - geltend machen kann (Sachs, DÖV 1984, S. 411 ff). Zwar ist es richtig, daß das in der materiellen Komponente des allgemeinen 137
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Abschnitt II: Die Grundrechte
Gleichheitssatzes letztlich allein enthaltene Willkürverbot (BVfG E 1, 14, 52, st. Rspr.) durch eine gewisse „Offenheit" und möglicherweise auch durch einen „Mangel an subjektivrechtlicher Anspruchspräzision" geprägt ist (so H. H. Rupp, BVfG-Festgabe II, S. 364, 367). Dies folgt daraus, daß sich im Willkürverbot im Grunde nichts anderes verbirgt als ein Verweis auf außerrechtliche Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen, die natürlich einer präzisen — juristisch verwertbaren — Erfassung nur sehr bedingt zugängüch sind, zumal da das einzige Medium, vermittels dessen diese Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen zugänglich sind oder zugänglich gemacht werden können, das Rechtsgefühl ist mit all den Gefahren subjektiver Entgleisung und Fehldeutung, die diesem notwendig korrespondieren. Es ist jedoch zumindest voreilig, daraus den Schluß zu ziehen, daß das Willkürverbot lediglich den Charakter eines „allgemeinen Verfassungsgrundsatzes", nicht dagegen auch den eines Grundrechtes habe; denn einerseits ist die Rechtsordnung gar nicht in der Lage, auf einen solchen Verweis auf außerrechtliche Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen gänzlich zu verzichten, andererseits bedient sie sich auch keineswegs nur an dieser Stelle einer solchen Verweisungstechnik, sondern z. B. auch beim Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, beim Begriff der „öffentlichen Ordnung" im Polizeirecht, bei den Begriffen „Treu und Glauben" sowie „Sittenwidrigkeit" im Zivilrecht und — wohl — auch bei dem Gebot der Achtung der Menschenwürde, ohne daß dort die These gewagt würde, daß die genannten Rechtsprinzipien deswegen nicht imstande wären, subjektive Rechte zu gewähren. Andererseits wird die Gefährlichkeit eines solchen Verweises, die in dem unkontrollierten Einfließen subjektiver Gerechtigkeitsvorstellungen in die Rechtsanwendung liegt, aber auch ganz wesentlich dadurch gemildert, daß als „willkürlich" keineswegs eine jede Gleich- oder Ungleichbehandlung anzusehen ist, die gegen das Wert- oder Gerechtigkeitsgefühl verstößt, sondern nur eine solche, die für jedermann erkennbar, bei der dieser Verstoß evident, offenkundig ist (vgl. BVfGE 12, 326, 333; 18, 121, 124; 19, 105, 115; 23, 135, 143; 37, 121, 129; Rupp, aaO S. 371; Doehring, S. 278). Durch dieses Kriterium der Evidenz, dessen sich die Rechtsordnung in ähnlicher Weise übrigens auch zur Eingrenzung der anderen Verweisungen auf außerrechtliche Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen bedient, werden die Gefahren der Subjektivierung der Rechtsanwendung bei der Anwendung des Willkürverbotes auf ein erträgliches Maß heruntergeschraubt, so daß auch die Anwendung der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes rational, nachvollziehbar und damit konsensfahig wird. Es liegt auf der Hand, daß 138
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bei diesem Verständnis des Willkürverbotes der Anerkennung des allgemeinen Gleichheitssatzes als „echtes" Grundrecht nichts im Wege steht. Die Gleichheitsgrundrechte binden entgegen der Auffassung von Rupp (aaO S. 366) keineswegs nur die Gesetzgebung als unmittelbar geltendes Recht, sondern sehr wohl auch die Exekutive und die Judikative (vgl. auch Sachs, DÖV 1984, S. 411 ff m. w. N.). Eine andere Auslegung verbietet sich allein schon wegen der Bestimmung des Art. 23 Abs. 1, die derjenigen des Art. 1 Abs. 3 GG entspricht. Im übrigen dürfte das im allgemeinen Gleichheitssatz enthaltene Willkürverbot, an das Rupp offensichtlich vor allem gedacht hat, von seiner Struktur her auch gar nicht so sehr auf der Ebene der abstrakt-generellen Regelung, sondern — ähnlich wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit — vor allem auf derjenigen der konkretindividuellen Regelung „greifen", weil die Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen, auf die das Willkürverbot verweist, aus der Natur der Sache heraus von Einzelfallentscheidungen sehr viel mehr angesprochen und zum „Sprechen" gebracht werden, als bei abstrakten Gesetzen, weil bei diesen der konkret betroffene Mensch in all seiner Individualität unmittelbar erkennbar und damit das Gefühl, das Medium für das Erkennen der Wert- und Gerechtigkeitsordnung, sehr viel stärker angesprochen wird. Dort, wo das Individuum dem Staate gegenübersteht, ist die erforderliche Evidenz der Willkürlichkeit viel eher festzustellen als bei allgemeinen Regelungen, die in dieser Beziehung nicht gleichermaßen „beredt" sind. Anders als die Freiheitsgrundrechte sind die Gleichheitsgrund- 3 rechte nicht einschränkbar (so auch Meder, Art. 118 BV, Rdn. 5; a. A. wohl Leisner, Die Bayerischen Grundrechte, S. 52, 56, und Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 122, der nur deshalb den Globalvorbehalt des Art. 98 Satz 2 BV nicht anwenden will, weil die Gleichheitsgrundrechte des GG nicht unter einem Einschränkungsvorbehalt stehen). Ähnlich wie bei der Menschenwürdegarantie (a. A. Kloepfer, BVfGFestgabe II, S. 405 ff) gibt es auch bei den Gleichheitsgrundrechten nur ein Entweder — Oder. Entweder es liegt eine Verletzung (Berührung) der Gleichheitssätze, d. h. eine von diesen nicht gestattete Gleich- bzw. Ungleichbehandlung, vor, dann ist die Maßnahme verfassungswidrig, oder es liegt eine solche Verletzung (Berührung) nicht vor, dann mag die Maßnahme zwar wegen Verletzung anderer Rechtssätze rechtswidrig sein, wegen der Gleichheitssätze ist sie dies jedoch nicht. Der Global-Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II ist daher auf die Gleichheitsgrundrechte nicht anwendbar. Es gibt keine zulässige, legale Einschränkung der Gleichheitsgrundrechte. Wenn 139
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Abschnitt II: Die Grundrechte
eine Einschränkung der Gleichheitsgrundrechte vorliegt, dann ist diese unzulässig. Das „Eingriffs- und Schrankendenken" ist bei den Freiheitsgrundrechten angebracht und sogar notwendig, nicht dagegen auch bei den Gleichheitsgrundrechten. Diese können zwar durch eine lex spezialis verdrängt, nicht aber zulässig eingeschränkt werden (nicht ganz eindeutig in diesem Zusammenhang BVwG, DÖV 1975, 421, 426, das freilich auch meint, die Gleichheitsgrundrechte als Freiheitsrechte bezeichnen zu dürfen). 4 Im Verhältnis zu den Freiheitsgrundrechten stellen die Gleichheitsgrundrechte Schrankenschranken der letzteren dar, d. h. sie verhindern, daß der Gesetzgeber, die Exekutive oder die Judikative bei der Inanspruchnahme von Einschränkungsvorbehalten, die den Freiheitsgrundrechten von der Verfassung hinzugefügt worden sind, gleichheitswidrige Differenzierungen vornehmen. Nicht dagegen vermögen die Gleichheitsgrundrechte das Vorhandensein eines Einschränkungsvorbehaltes bei den Freiheitsgrundrechten zu ersetzen und damit eine zusätzliche Einschränkbarkeit der Grundrechte zu begründen. In dieser Beziehung ergeht es den Gleichheitsgrundrechten ebenso wie dem Sozialstaatsprinzip (s. Vor Art. 6 Rdn. 41) und den sozialen Grundrechten (s. Vor Art. 6 Rdn. 42). Soweit die gleichmacherischen bzw. sozialstaatlichen Ambitionen des Staates die grundrechtlich verbürgte Freiheit beschneiden, haben sie sich innerhalb des — in Berlin wegen des (einfachen) Global-Gesetzvorbehaltes des Art. 23 Abs. 2 freilich besonders weit gespannten — Rahmens der Einschränkungsvorbehalte zu halten, und sie haben zudem auch die übrigen Schrankenschranken für die Einschränkung der Freiheitsgrundrechte zu beachten. Dies gilt auch für die aus den Gleichheitsgrundrechten abgeleiteten (originären oder derivativen) Teilhaberrechte (dazu: Sachs, DÖV 1983, S. 415 f). Die Gleichheitsgrundrechte ersetzen nicht nur nicht das Vorhandensein einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung, sondern sie entheben auch nicht von der Beachtung der übrigen Schrankenschranken, z. B. des Übermaßverbotes und der Wesensgehaltsgarantie. 5 Art. 611 enthält den allgemeinen Gleichheitssatz mit seinen beiden Komponenten (der formellen und der materiellen) und stimmt trotz anderer Formulierung in seinem Gehalt mit Art. 3 Abs. 1 GG überein. Die VvB steht insoweit also nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des GG (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 7, 8). 6 Der allgemeine Gleichheitssatz (Abs. 1) hat den Charakter eines Auffanggrundrechtes gegenüber den anderen Gleichheitssätzen der VvB, d. h., er wird dort verdrängt, wo die VvB — wie z. B. in Art. 6 II oder in Art. 13 oder in Art. 26 I (Wahlgleichheit) — spezielle 140
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Differenzierungsverbote normiert. Darüber hinaus wird der allgemeine Gleichheitssatz (und werden auch die speziellen Gleichheitssätze) verdrängt durch die in der VvB enthaltenen (immer nur speziellen) Ungleichheitsgebote (z. B. Art. 26 III und IV, der bestimmte Altersgrenzen für die Wahl und Wählbarkeit festlegt und damit Ungleichbehandlungen anordnet — zur Wahlrechtsgleichheit siehe V. Götz, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 364 ff - oder Art. 35, der die Abgeordneten durch Gewährung der Immunität privilegiert). Zwar spricht Art. 6 1 1 nicht — wie Art. 3 I GG — von „allen 7 Menschen", sondern von „allen Männern und Frauen", erwähnt diese aber offensichtlich nur als pars pro toto und will dadurch andere Menschen (Kinder, nascituri) nicht von der Garantie ausschließen. Dies zeigt nicht nur der folgende Satz 2, der an den ersten Satz anknüpfend das Recht auf gleiche wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten garantiert und der das Schwergewicht seiner Bedeutung verlieren würde, wenn er nicht auch auf Kinder Anwendung fände, sondern dies ergibt sich auch daraus, daß die VvB auch an anderen Stellen von „Männern und Frauen" spricht, ohne damit die Kinder ausschüeßen zu wollen (vgl. Art. 18). Darüber hinaus dürfte diese Formulierung auch nicht den Sinn 8 haben, die Verbürgung des Grundrechtes auf die natürlichen Personen zu beschränken, die juristischen Personen also auszuschließen; denn es ist nicht davon auszugehen, daß die Grundrechtsgewährleistung durch die VvB ohne jeden erkennbaren Sinn in einem so zentralen Punkte wie diesem hinter dem klassischen Mindeststandard aller anderen Grundrechtskataloge zurückbleiben wollte, zumal da die Gestattung der Ungleichbehandlung von juristischen Personen eine Verletzung des Kernbestandes des Rechtsstaatsprinzipes bewirken dürfte, die wegen der Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG auch dem Landesverfassungsgeber nicht gestattet ist. Der allgemeine Gleichheitssatz findet daher in dem Umfang auf juristische Personen Anwendung, in dem dies seinem Wesen nach möglich ist. Der allgemeine Gleichheitssatz enthält zunächst die — unproble- 9 matische — formelle Komponente der Rechtsanwendungsgleichheit, die im Text der Verfassung ausdrücklich formuliert ist und nach der alle „vor dem Gesetz gleich" sind. Die Rechtsanwendungsgleichheit erzwingt die personelle Gleichbehandlung bei der Gesetzanwendung, d. h. die gleiche Anwendung des Gesetzes „ohne Ansehen der Person" auf alle diejenigen Sachverhalte, auf die der abstrakt-generelle Gesetzestatbestand paßt (vgl. Eyermann, Gleichheitssatz, Wurzel des Willkürverbots?, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 45, 48; Schweiger, ebendort, S. 57; Doehring, S. 276). Sie setzt jedoch ebenso wie der 141
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Abschnitt II: Die Grundrechte
zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehörende Vorrang des Gesetzes (Art. 20 III GG), mit dem sie funktionsidentisch ist, die Tätigkeit des Gesetzgebers voraus (Doehring, S. 276). Erst und nur, wenn Gesetze bestehen, vermag die formelle Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes zu „greifen". Gegenüber diesen selbst läuft sie leer. 10 Ganz anders verhält es sich mit der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes, die zwar in der Formulierung des Verfassungstextes nicht zu finden ist, die jedoch nach ständiger Rechtsprechung (BVfGE 1, 14, 52; 33, 367, 384; 36, 174, 187) und h. L. (Nachw. b. Doehring, S. 276 ff; Schweiger, aaO; Eyermann, aaO) in Art. 3 I GG auch enthalten ist. Sie besagt, daß gleiche Fälle gleich und ungleiche Fälle entsprechend ihrer Ungleichheit ungleich zu behandeln sind. Da nun aber Gleichheit gerade nicht Identität bedeutet und zwei verschiedene Lebenssachverhalte sich in gewissen Beziehungen immer und notwendig voneinander unterscheiden, kommt es für die Anwendung der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes darauf an, wie diese Unterschiede beschaffen sind und ob das Abstellen auf sie bei der gleichen oder ungleichen Behandlung zweier Sachverhalte willkürlich ist oder nicht. Nach BVfGE 29, 283, 298 liegt dann eine Verletzung der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes vor, wenn „ein vernünftiger aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht" zu finden ist. „Regelungen, die innerhalb eines vergleichbaren Personenkreises einzelne Gruppen bevorzugen oder benachteiligen, müssen für eine an der Gerechtigkeit orientierte Betrachtungsweise den geregelten Lebensverhältnissen entsprechen und durch vernünftige, sachlich einleuchtende Gründe gerechtfertigt sein" (BVfGE 39, 316, 326 f). Der grundsätzlich dem Gesetzgeber gebührende weite Gestaltungsspielraum endet nach BVfGE 48, 227, 235 dort, „wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, weil ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlt." In der materiellen Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes verbirgt sich also letztlich nichts anderes als (nur) das Willkürverbot. Freilich ist dieses dem Tatbestand des Gleichheitssatzes, nämlich der Notwendigkeit des Vorhandenseins mindestens zweier Vergleichsfalle, verhaftet und findet Anwendung nur bei der Inbezugsetzung der unterschiedlichen oder gleichen Behandlung dieser Fälle mit den zwischen beiden Fällen bestehenden Sachverhaltsunterschieden. Nur 142
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in diesem Umfang vermag der Gleichheitssatz dogmatischer Standort des Willkürverbotes zu sein (so zutreffend Schweiger, aaO, S. 66 m. w. N. auch zur Gegenmeinung: vor allem Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl. 1959, S. 72). Für die praktische Handhabung der materiellen Komponente des 11 allgemeinen Gleichheitssatzes ergeben sich daraus folgende Fragestellungen: a) Zunächst müssen die Vergleichspaare bestimmt werden, auf die der Gleichheitssatz zur Anwendung gebracht werden soll. Ohne zumindest ein solches Vergleichspaar vermag das aus dem Gleichheitssatz entspringende Willkürverbot nicht zu wirken. b) Sodann ist es erforderlich, die Unterschiede im Sachverhalt der beiden Vergleichsfälle herauszuarbeiten. Das der Gleich- oder Ungleichbehandlung zugrundeliegende Motiv vermag dabei u. U. ein wertvolles Indiz für das Auffinden der richtigen, d. h. maßgeblichen, relevanten Sachverhaltsunterschiede abzugeben. Keinesfalls kommt es für die Anwendung des Gleichheitssatzes jedoch nur auf den Unterschied an, auf den der Gesetzgeber, die Exekutive oder Judikative die Gleich- oder Ungleichbehandlung bezogen, mit dem sie diese also motiviert haben. c) Weiter ist zu fragen, ob die Vergleichsfälle unterschiedlich oder aber gleich behandelt worden sind. d) Wenn eine unterschiedliche Behandlung vorliegt, lautet die weitere Frage: Vermag der unter b) festgestellte Unterschied im Sachverhalt die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen oder ist das Abstellen auf diesen Unterschied bei dieser Art der unterschiedlichen Behandlung evident willkürlich (mißbräuchlich), verstößt es also offenkundig gegen das (außerrechtliche) Wert- und Gerechtigkeitsempfinden? Wenn das letztere der Fall ist, liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor, andernfalls ist eine solche nicht gegeben. e) Wenn die Sachverhalte dagegen nicht unterschiedlich behandelt worden sind, lautet die weitere Frage: Ist die Gleichbehandlung angesichts der bestehenden Unterschiede im Sachverhalt evident willkürlich in diesem Sinne? Ist dies der Fall, dann liegt ebenfalls eine Verletzung des Gleichheitssatzes vor, andernfalls ist das nicht der Fall. Wendet man die materielle Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes so an, und ist man sich vor allem auch bewußt, daß das Willkürverbot einen evidenten, offenkundigen, für jedermann einsehbaren Verstoß gegen die allgemein anerkannte Wert- und Gerechtigkeitsordnung verlangt, dann müßte es eigentlich gelingen, die 143
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in dem Willkürverbot zugegebenermaßen auch liegenden Gefahren der Rechtsauflösung und Vernichtung der Gewaltenteilung zu bannen und im Ergebnis mehr zu erreichen als lediglich das case law, das Doehring zu Recht meint, der Rechtsprechung des BVfG entnehmen zu können (aaO, S. 277). 12 Trotz des systematischen Standortes dieser Bestimmung wird man Art. 6 1 2 wohl so deuten müssen, daß er im Grunde gar nicht so sehr ein Gleichbehandlungsgebot zum Ausdruck bringen will, sondern vielmehr und schwergewichtig ein soziales Grandrecht aller auf wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklung. Einerseits ist dieser Vorschrift also ein soziales Grundrecht zu entnehmen, das freilich schon der Unbestimmtheit des geregelten Gegenstandes wegen nicht geeignet ist, ein subjektives, einklagbares Teilhaberecht zu gewähren, sondern lediglich als Programmsatz bzw. als Staatszielbestimmung aufgefaßt werden darf, wobei die Frage der Verbindlichkeit bzw. Unverbindlichkeit als eine jedenfalls in diesem Falle im Grunde akademische dahinstehen soll (zur fehlenden Justiziabilität der sog. sozialen Grundrechte siehe auch: Bleckmann, Staatsrecht II, S. 49 f, 177 ff m. zahlr. w. N. in Fn. 9, 181 ff, 188, 224 ff; Starck in Festg. BVfG, Bd. II, S. 518 ff; Badura, Der Staat 1975, 24; Breuer in Festschr. BVwG, S. 89; Friauf, DVB1 1971, S. 674; Tettinger, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 300; Martens, VVDStRL 30, 1972, S. 10, 30 f: soziale Grundrechte als leges imperfectae; vgl. auch oben Vorbem. Rdn. 42). Andererseits stellt diese Vorschrift in einem gewissen Sinne aber auch eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar, indem sie den Staat verpflichtet, die Chancen und Möglichkeiten zur wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Entwicklung allen gleichermaßen einzuräumen. Viel mehr als ein Ausrufezeichen vermag die Vorschrift jedoch in beiden Dimensionen nicht zu sein. 13 Art. 6 II enthält das absolute Differenzierungsverbot nach dem Kriterium des Geschlechtes und entspricht damit — trotz anderer Formulierung — der Bestimmung des Art. 3 II bzw. III GG. Freilich ist auch dieses absolute Differenzierungsverbot des Art. 6 II kein vollkommmen absolutes, sondern es hebt — auch darin mit Art. 3 II, III des GG übereinstimmend — im Grunde nur die Schwelle für die Zulässigkeit des Abstellens auf dieses Kriterium (Geschlecht) gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz an. Während nach dem allgemeinen Gleichheitssatz — fände er Anwendung — das Abstellen auf dieses Kriterium im Prinzip zulässig, dann jedoch ausgeschlossen wäre, wenn dies „willkürlich" wäre, ist es nach dem speziellen Gleichheitssatz des Art. 6 II genau umgekehrt: Das Abstellen auf das Kriterium des Geschlechtes ist im Prinzip unzulässig. Eine Ausnahme 144
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gilt nur dann, wenn das Außerachtlassen dieses Kriteriums „willkürlich" wäre, Willkür erzeugen würde (vgl. Doehring, S. 279 m. w. N. in Fn. 15; vgl. auch Art. 13 Rdn. 4). Das Willkürverbot ist also auch bei dem speziellen Gleichheitssatz keineswegs vollkommen verdrängt, es begegnet uns dort jedoch nicht schon in der ersten, sondern erst in einer zweiten Phase der Rechtsanwendung. In diesem Sinne dürfte wohl auch die Rechtsprechung des BVfG (vgl. z. B. BVfGE 11, 277, 278; 15, 337, 343; 39, 334) zu verstehen sein, das eine Differenzierung nach dem Kriterium des Geschlechtes immer dann für zulässig erachtet, wenn dies im Hinblick auf die zwischen Mann und Frau bestehenden biologischen und die sich daraus ergebenden funktionalen Unterschiede als geboten erscheint. Auffallig ist jedoch, daß die VvB im Gegensatz zu Art. 3 II, III 14 GG die Gleichbehandlung von Mann und Frau nicht schlechthin gebietet, sondern (nur) „auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens" und daß dabei die „geistigen Entwicklungsmöglichkeiten", die in Art. 6 1 2 noch neben den „wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten" genannt werden, nicht mehr auftauchen. Gleichwohl wird man aber wohl weder davon ausgehen können, daß die Väter der Verfassung von Berlin den Frauen im Verhältnis zu den Männern eine gleiche geistige Entwicklungsmöglichkeit nicht einräumen wollten oder eine solche womöglich gar für unmöglich hielten, noch davon, daß die Garantie der Gleichbehandlung hinter derjenigen des Grundgesetzes zurückbleiben sollte. Vielmehr wird man wohl davon ausgehen müssen, daß die Väter der VvB davon ausgingen, daß mit der Vorschrift des Art. 6 II die Gleichbehandlung der Frauen in allen Beziehungen sichergestellt sei. Soweit die Formulierung des Art. 6 II dies tatsächlich nicht abdeckt, ist daher die Erwähnung des „staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens" als pars pro toto aufzufassen, von dem aus dann natürlich ein Umkehrschluß nicht gezogen werden kann. Art. 6 II enthält - anders als z. B. Art. 118 II BV - nicht nur 15 einen Programmsatz, sondern unmittelbar und sofort, d. h. schon mit dem Inkrafttreten der VvB geltendes Recht (vgl. Landsberg/Goetz, S. 59). Eine unmittelbare Drittwirkung auf der Ebene der Gleichordnung 16 im Verhältnis Bürger — Bürger kommt auch der Vorschrift des Art. 6 II nicht zu, weil man wohl nicht davon ausgehen kann, daß der Berliner Verfassungsgeber die damit notwendig verbundene sehr weitgehende Aufhebung der Privatautonomie gewollt hat. Im übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, daß das Zivilrecht weitgehendst Bundesrecht ist und somit den Berliner Grundrechten im Range 145
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vorgeht und daß selbstverständlich auch die Zivil-Richter des Landes Berlin diesen Vorrang zu beachten haben und folglich keinen Grundrechtsbindungen unterliegen können, die sich mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbaren lassen (vgl. dazu Art. 6, Vbm. Rdn. 13, 16, 25).
Artikel 7 Niemand darf an der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Ehrenämter gehindert werden, insbesondere nicht durch sein Arbeitsverhältnis. Materialien Vgl. Art. 59 VRP; Art. 49 VS.
Erläuterungen 1
Die Vorschrift hat den Zweck, das Vorfeld für die Ausübung der Rechte des sog. status activus zu sichern, die man — terminologisch etwas weniger glücklich, weil unpräziser — auch „politische Rechte" nennen könnte (zur Statuslehre siehe die Nachw. Vor Art. 6 Rdn. 5). Es sind dies diejenigen Rechte, die — wie z. B. das aktive und passive Wahlrecht — die Anteilnahme (Partizipation) des Bürgers an der Ausübung der staatlichen Macht sichern sollen. Die „öffentlichen Ehrenämter" stellen eine Unterart dieser Rechte dar. Es zählen hierzu z. B. die Ämter der Schöffen (§ 35 G V G ) und Beisitzer in Verwaltungs- oder richterlichen Gremien. Art. 7 schafft die „staatsbürgerlichen Rechte oder öffentlichen Ehrenämter" somit nicht selbst, sondern setzt diese voraus. Rechtstechnisch enthält die Vorschrift eine Verweisung auf diejenigen Vorschriften, die solche Rechte gewähren (für das aktive und passive Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus ist dies z. B. Art. 26). Auch die Grundrechtsfähigkeit für das von Art. 7 garantierte Freiheitsrecht bestimmt sich somit aus denjenigen Vorschriften, auf die Art. 7 verweist. Ob etwa auch Ausländern solche Rechte zustehen können, ist eine Frage, auf die Art. 7 keine Antwort erteilt. Wenn diese Rechte jedoch nach der in Bezug genommenen Vorschrift auch Ausländern zustehen, dann sichert Art. 7 auch für diese das „Vorfeld" für die Ausübung der Rechte. 146
Staatsbürgerliche Rechte (Schwan)
Art. 7
Die Vorschrift des Art. 7 ist nach ihrer eindeutigen Formulierung 2 — es wird insbesondere das in den meisten Fällen private Arbeitsverhältnis erwähnt — nicht nur gegen die staatliche Gewalt, sondern auch gegen andere Privatpersonen gerichtet. Ihr kommt also unmittelbare Drittwirkung zu (s. Vor Art. 6 Rdn. 36). Dieses Grundrecht vermag darum sehr wohl mit den Freiheitsgrundrechten anderer Grundrechtsträger zu kollidieren). Grundrechtstechnisch stellt sie im Verhältnis zu den durch sie 3 Begünstigten ein individuelles Freiheitsrecht dar. Geschützt werden dadurch all diejenigen menschlichen Verhaltensweisen, die mit der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte notwendig einhergehen. Welche Verhaltensweisen das sind, ist im Wege der Verfassungsauslegung zu bestimmen. Der einfache (Landes-)Gesetzgeber hat auch insoweit nicht die Möglichkeit der authentischen Interpretation, obschon aus der Tatsache, daß auch der einfache Gesetzgeber solche Rechte schaffen kann, an die Art. 7 die Garantie der Vorfeldabsicherung knüpft, folgt, daß der einfache Gesetzgeber mittelbar auch Aussagen über den Gewährleistungsbereich des Art. 7 zu treffen vermag. Außerdem hat er die Möglichkeit der Einschränkung dieses Rechtes, denn der Global-Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 Abs. 2 gilt für alle Freiheitsgrundrechte und damit auch für dasjenige aus Art. 7. Freilich hat der einfache Landesgesetzgeber dabei die sog. Schrankenschranken zu beachten. Im Verhältnis zu den dritt-verpflichteten Bürgern enthält die Vor- 4 schrift des Art. 7 einen qualifizierten Einschränkungsvorbehalt für die Einschränkung all derjenigen Berliner Freiheitsrechte, deren Ausübung die Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte oder öffentlichen Ehrenämter behindern könnte. Die zur Berufsfreiheit gehörende Vertragsfreiheit des Arbeitgebers (Art. 11) ist z. B. durch Art. 7 dahingehend eingeschränkt bzw. einschränkbar, daß sie nicht in der Weise ausgeübt werden darf, daß der Arbeitnehmer in der Wahrnehmung seiner staatsbürgerlichen Recht und „öffentlichen Ehrenämter" behindert wird. In dieser Beziehung stellt die Vorschrift des Art. 7 eine Spezialregelung im Verhältnis zu dem globalen Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 Abs. 2 dar (vgl. dort Rdn. 3). Mit diesem hat sie zwar gemeinsam, daß sie sich nicht nur auf bestimmte, sondern auf grundsätzlich alle Freiheitsgrundrechte der Berliner Verfassung bezieht („allgemeiner Einschränkungsvorbehalt"). Sie unterscheidet sich von diesem aber zum einen dadurch, daß sie keineswegs zu beliebigen Eingriffen ermächtigt, sondern nur zu solchen, die gegen die Behinderung der Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte und öffentlichen Ehrenämter gerichtet sind (darin liegt die sachliche 147
Art. 7
Abschnitt II: Die Grundrechte
Qualifizierung dieses Einschränkungsvorbehaltes), und zum anderen auch dadurch, daß sie keineswegs nur den einfachen Gesetzgeber zum Eingreifen ermächtigt, sondern darüber hinaus — im Rahmen ihrer Kompetenz — auch die Exekutive und Judikative und daß sie zudem die angesprochene Staatsgewalt auch keineswegs nur berechtigt, den Eingriff vorzunehmen, sondern daß sie diese hierzu auch verpflichtet, wenn der Tatbestand des Art. 7 erfüllt ist, eine Behinderung der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Ehrenämter also vorliegt. Es handelt sich bei Art. 7 also um einen verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt. Dem Staat obliegt eine Schutzverpflichtung, der ein entsprechender Anspruch des betroffenen Bürgers korrespondiert. 5 Im Verhältnis zu den dem Dritt-Verpflichteten auch zustehenden Freiheitsgrundrechten des Grundgesetzes stellt die Eingriffsermächtigung und Eingriffsverpflichtung des Art. 7 zugleich die Inanspruchnahme der diesen Grundrechten durch das G G hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte dar. Soweit diese Bundesgrundrechte einen dafür passsenden Einschränkungsvorbehalt nicht kennen, gilt Art. 31 G G (s. Vor Art. 6 Rdn. 11). 6 Schließlich enthält Art. 7 aber auch einen speziellen Ungleichheitssatz und damit eine Spezialregelung sowohl im Verhältnis zu den Gleichheitssätzen der VvB wie auch denjenigen des GG; denn Art. 7 begünstigt die Träger staatsbürgerlicher Rechte und Inhaber öffentlicher Ämter und privilegiert diese damit. Zu einer solchen Spezialregelung ist der Landesverfassungsgeber jedoch auch im Verhältnis zum G G befugt, denn die Organisation der Landesstaatsgewalt einschließlich der Regelung der Partizipation und deren Vorfeldabsicherung (dies ist der Zweck des Art. 7, vgl. Rdn. 1) ist originäres, durch die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 und 2 G G nicht oder doch jedenfalls insoweit nicht beschnittenes Recht des Landesverfassungsgebers (vgl. BVfGE 36, 342 ff). Die in der Homogenitätsklausel negativ enthaltene Regelung des Freiraumes für den Landesverfassungsgeber enthält im Grunde schon die Spezialregelung im Verhältnis zu den auf der gleichen Normenebene liegenden Gleichheitssätzen des GG. 7 Ein Teilhaberecht (z. B. auf Erstattung des durch die Wahrnehmung der Rechte oder Ehrenämter entstandenen Lohnausfalles) läßt sich der Vorschrift des Art. 7 jedoch weder im Verhältnis zum Staat noch im Verhältnis zu anderen Bürgern (z. B. dem Arbeitgeber) entnehmen (vgl. dazu auch Landsberg/Goetz S. 61).
148
Art. 8
Meinungsfreiheit (Schwan)
Artikel 8 (1) Jedermann hat das Recht, innerhalb der Gesetze seine Meinung frei und öffentlich zu äußern, solange er die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt. (2) Jedermann hat das Recht, sich über die Meinung anderer, insbesondere auch anderer Völker, durch die Presse oder Nachrichtenmittel aller Art zu unterrichten. (3) Eine Zensur ist nicht statthaft. Materialien Vgl. a) Zu I (Meinungsäußerungsfreiheit): Art. 5 I GG; Art. 110 I BV; Art. 15 VHB; Art. 11 HV; Art. 9 VRP; Art 5 VS b) zu II (Informationsfreiheit): Art. 5 I GG; Art. 15 VHB c) zu III (Zensurverbot): Art. 51 GG; Art. 111 II BV; Art. 15 VHB; Art. 11 HV; Art. 10 VRP
Erläuterungen Abs. 1 garantiert ein subjektives, individuelles Freiheits-, d. h. 1 Abwehrrecht, nicht auch ein Teilhaberecht (s. Vor Art. 6 Rdn. 33) oder eine Einrichtungsgarantie (s. Vor Art. 6 Rdn. 21, 34). Die Verbürgung dieses Abwehrrechtes stimmt hinsichtlich der posi- 2 tiven Tatbestandsmerkmale mit derjenigen des Meinungsäußerungsfreiheitsrechtes aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie aus Art. 10 EMRK überein. Die zu den Bundesgrundrechten gemachten Ausführungen gelten auch für die Berliner Grundrechte (s. Vor Art. 6 Rdn. 45). Zwar spricht Art. 8 nur vom Äußern der Meinung, während Art. 5 I GG auch vom „Verbreiten" spricht. Da die Verbreitung jedoch nur eine spezielle Form der Meinungsäußerung darstellt, bewirkt dies in der Sache keinen Unterschied. Im übrigen spricht Art. 8 I im Gegensatz zum GG auch davon, daß die Meinung frei und „öffentlich" geäußert werden darf. Dies deutet ganz deutlich darauf hin, daß auch die Verbreitung von der Verbürgung des Art. 8 I erfaßt sein soll. Auch das Fehlen der Beschreibung der Medien der Meinungsäußerung („in Wort, Schrift und Bild") in der Berliner Grundrechtsbestimmung bewirkt kein Auseinanderfallen der Verbürgungsbereiche. Es kann daher hinsichtlich der Verbürgung des Meinungsäußerungsfreiheitsrechtes auf die Kommentarliteratur zu Art. 5 I GG verwiesen werden. 149
Art. 8 3
Abschnitt II: Die Grundrechte
Hinsichtlich der Einschränkungsvorbehalte fallen die Regelungen des GG und der VvB jedoch ganz erheblich auseinander, und zwar reicht die Einschränkbarkeit des Berliner Grundrechtes ganz erheblich weiter als diejenige des Bundesgrundrechtes (zu den Konsequenzen: Vor Art. 6 Rdn. 3, 17 — „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte"). Während das Bundesgrundrecht lediglich unter der Schrankentrias der qualifizierten Einschränkungsvorbehalte des Art. 5 II GG steht, hat die VvB das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit unter einen einfachen, nicht qualifizierten Gesetzesvorbehalt gestellt. Dies folgt zwar nicht aus dem globalen Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II — denn dieser findet auf das Grundrecht aus Art. 8 I keine Anwendung —, wohl aber aus der Tatsache, daß die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 8 I nur „innerhalb der Gesetze" garantiert ist. Darin verbirgt sich ein einfacher Gesetzesvorbehalt nicht nur für alle zur Zeit des Inkrafttretens der VvB bestehenden, sondern auch für alle zukünftigen Gesetze. 4 Schwierigkeiten bereitet auch die Auslegung des letzten Halbsatzes des Abs. 1 („solange er die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt"): Zunächst einmal wird man darin wohl nicht einen Einschränkungsvorbehalt zu erblicken haben, denn ein solcher hätte neben dem in der Formulierung „innerhalb der Gesetze" verborgenen einfachen Gesetzesvorbehalt nur dann einen Sinn und eine eigene Existenzberechtigung, wenn er sich nicht nur wie dieser an den einfachen Gesetzgeber, sondern unmittelbar auch an die Exekutive und/oder Judikative richten würde. Da darin jedoch zugleich eine partielle Aufhebung des in Art. 451 enthaltenen, zu den Fundamenten des Rechtsstaatsprinzipes zählenden (Eingriffs-)Vorbehaltes des Gesetzes zu erblicken wäre, wird man der Verfassung den Willen zu einer solchen Anordnung wohl kaum unterstellen können. Wenn darin aber kein Einschränkungsvorbehalt zu erblicken ist, dann kann darin nur noch eine negative Verbürgungsgrenze, ein negatives Tatbestandsmerkmal erblickt werden, das gewisse Freiheitspositionen, die an sich in den Verbürgungsbereich des Grundrechtes fallen, wiederum hinausdrängt. 5 Problematisch ist sodann, was man unter der „durch die Verfassung gewährleisteten Freiheit" zu verstehen hat. Darunter sind nach hier vertretener Auffassung nicht die „kollidierenden" individuellen Freiheitsgrundrechte der anderen Mitbürger zu verstehen; denn nach dem hier zugrundeliegenden Grundrechtsverständnis kann es zu einer solchen Grundrechtskollision gar nicht kommen, weil die Freiheitsgrundrechte danach gerade nicht im Verhältnis der Bürger unterein150
Meinungsfreiheit (Schwan)
Art. 8
ander gelten — dann wäre eine Grundrechtskollision natürlich möglich, und das eine Grundrecht müßte im Verhältnis zu dem anderen als Einschränkungsvorbehalt ausgelegt werden —, sondern nur im Verhältnis zum Staat (s. auch Vor Art. 6 Rdn. 36). In der Person des Staates, des Grundrechtsverpflichteten, kann es aber, solange man die Freiheitsgrundrechte nicht als Teilhabe- oder Leistungsgrundrechte auslegt, deswegen nicht zu einer Pflichtenkollision kommen, weil der Staat in der Lage ist, sämtliche Abwehrrechte durch bloßes Nichtstun optimal, nämlich zu 100%, zu erfüllen. Die Figur der „Grundrechtskollision", die in den modernen Grundrechtslehren (vgl. BVfGE 28, 243, 261; Lepa, DVB1. 1972, S. 161, 165 ff; Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte, S. 6; Graf, BayVBl. 1971, S. 39 ff; Knies, Kunstfreiheit, S. 41; Weber, JuS 1971, S. 39f) eine so bedeutende Rolle spielt, hat deshalb nach dem hier zugrunde gelegten Grundrechtsverständnis in der Grundrechtsdogmatik nichts zu suchen. Im übrigen ist die Problematik, die damit einer Lösung zugeführt werden soll, nämlich die Begrenzung der Freiheit des einen Bürgers zugunsten der Freiheit eines anderen Bürgers, keineswegs eine solche auf der Ebene der Grundrechtsverbürgung — wie die Lehre von den Grundrechtskollisionen jedoch meint —, sondern eine solche auf der Ebene der Einschränkungsvorbehalte. Sind somit unter der in dem letzten Halbsatz des Art. 8 I genannten 6 „Freiheit" nicht die Freiheitsgrundrechte aller anderen Bürger zu verstehen, so bleibt nur noch eine Auslegung übrig, die darunter unter Anknüpfung an den Gedanken der institutionellen Grundrechtsdeutung den von der Verfassung gewollten Gesamt-Freiheitszustand der Gesellschaft versteht, die Lebenssachverhaltsgarantie (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 21, 34) eines bestimmten — freiheitlichen — Gesellschaftszustandes also, kurz: die freiheitliche demokratische Grundordnung, diese verstanden als ein bestimmter faktischer Zustand der Gesellschaft. Art. 8 II garantiert das Grundrecht auf Informationsfreiheit, das 7 in Art. 5 1 1 2 . Alt. GG zwar eine andere Formulierung, in der Sache — soweit es die Verbürgung betrifft — aber keine andere Regelung gefunden hat. Der Begriff der „allgemein zugänglichen Quelle" (Art. 5 I GG) ist mit dem Begriff der „Presse oder Nachrichtenmittel aller Art" im Inhalt identisch. Vgl. auch Art. 10 EMRK. Hinsichtlich der Einschränkbarkeit bestehen jedoch erhebliche Un- 8 terschiede, denn auf das Berliner Grundrecht auf Informationsfreiheit findet der globale einfache Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II Anwendung, während das Bundesgrundrecht lediglich unter den 151
Art. 9
Abschnitt II: Die Grundrechte
qualifizierten Einschränkungsvorbehalten des Art. 5 II GG steht. Zu den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, vgl. Vor Art. 6 Rdn. 17. Wegen der „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" (Vor Art. 6 Rdn. 3) und wegen des aus Art. 31 GG folgenden Vorranges der im Range eines einfachen Bundesgesetzes geltenden EMRK (Vor Art. 6 Rdn. 12) können die Grundrechte aus Art. 8 nur in dem Umfange eingeschränkt werden, in dem dies die bundesrechtlichen Grundrechte (einschließlich der EMRK) gestatten. Dies gilt auch für die Meinungsäußerungsfreiheit. 9 Die Formulierung in Art. 8 III ist nahezu identisch mit derjenigen des Art. 5 1 3 GG. In der Sache besteht kein Unterschied. Beide Vorschriften enthalten das Verbot einer bestimmten Art der Grundrechtseinschränkung und stellen insofern eine spezielle Art von Schrankenschranke dar. Unter „Zensur" ist die Vorzensur zu verstehen. 10 Der systematischen Stellung nach gilt Art. 8 III sowohl für die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit (Abs. 1) als auch für die Einschränkung der Informationsfreiheit. Auch in dieser Beziehung besteht kein Unterschied zum GG.
Artikel 9 (1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde. Die nächsten Angehörigen haben das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben. (3) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen. Materialien Vgl. a) Zu I 1 („Freiheit der Person"): Art. 2 II 2 GG; Art. 102 I BV; Art. 5 VHB; Art. 5 HV; Art. 5 VRP; Art. 3, 13 VS 152
Freiheit der Person (Schwan)
Art. 9
b) Zu I 2 (gesetzlicher Richter): Art. 101 I 2 GG; Art. 86 I 2 BV; Art. 6 VHB; Art. 20 HV; Art. 6 VRP; Art. 14 VS c) Zu II Art. 104 GG; Art. 102 II BV; Art. 5 VHB; Art. 19 HV; Art. 5 VRP; Art. 13 VS d) Zu III Art. 102 II BV; Art. 5 VHB; Art. 19 HV; Art. 5 VRP
Erläuterungen Die Verbürgung des Grundrechtes auf „Freiheit der Person" entspricht sowohl in der Formulierung wie auch im Inhalt derjenigen des Art. 2 II 2 GG. Es ist in beiden Vorschriften die körperliche FortBewegungsfreiheit des Menschen gemeint. Ebenso: Art. 5 EMRK. Auch in der Konstruktion des Einschränkungsvorbehaltes unterscheidet sich die VvB nicht wesentlich vom GG. Es findet sich zunächst ein einfacher Gesetzesvorbehalt (Art. 2 II 3 GG, Art. 23 II VvB). Dieser Gesetzesvorbehalt wird dann jedoch durch eine ganze Reihe spezieller Regelungen zu einem qualifizierten umgestaltet (Art. 104 GG, Art. 9 I 2, II und III VvB). Ganz anders dagegen Art. 5 EMRK, der das Grundrecht „auf Freiheit und Sicherheit" von vornherein unter ein System von qualifizierten Einschränkungsvorbehalten stellt. Zum Teil übernimmt die VvB die Qualifizierungen des GG, z. B.: Garantie des gesetzlichen Richters. Diese Garantie ist im GG in Art. 101 I 2 enthalten und gilt dort nicht nur für die Beschränkungen der Freiheit der Person. In der VvB ist sie in Art. 9 12 enthalten, und dort ist es immerhin zweifelhaft, ob sie nicht doch nur für die Eingriffe in die „Freiheit der Person" gilt. Zu den daraus folgenden Konsequenzen: Vor Art. 6 Rdn. 3, 5. Zum überwiegenden Teil variiert sie die vom GG übernommenen Qualifizierungen jedoch, wobei dann die für die Rechtsanwendung relevante Frage vor allem die ist, inwiefern die VvB „strenger", d. h. staatsfeindlicher und bürgerfreundlicher ist als das GG: Nach Art. 9 II 1 ist jeder Verhaftete oder Festgenommene binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde, und nach Art. 9 III ist er binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen. Dagegen ist nach Art. 104 III 1 GG lediglich der wegen Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene spätestens am Tage 153
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Abschnitt II: Die Grundrechte
nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Nach Art. 9 II 2 VvB haben die nächsten Angehörigen das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben (Art. 9 II 3). Dagegen ist nach Art. 104 IV GG nicht von jeder Verhaftung oder Festnahme, sondern nur von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich entweder ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Daraus ergibt sich für die Berliner Exekutive und Judikative unter Berücksichtigung der aus Art. 1 Abs. 3 GG abzuleitenden „Mindestgarantie" der Bundesgrundrechte (s. Vor Art. 6 Rdn. 3) sowie unter Berücksichtigung der im Range eines einfachen Gesetzes geltenden EMRK folgende Rechtslage: 5 Auch für bloße Freiheitsbeschränkungen, die die VvB im übrigen überhaupt nicht anspricht und regelt, ist nach Art. 104 I 1 GG eine förmliche gesetzliche Eingriffsermächtigung erforderlich und außerdem sind dabei die in den Gesetzen vorgeschriebenen Formen zu beachten. Rechtsverordnungen oder autonome Satzungen genügen also nicht (BVfGE 14, 174, 186 f), so daß z. B. § 36 Abs. V StVO als Rechtsgrundlage für die sog. „Mausefalle" ausscheidet. Als „Freiheitsentziehung" im Sinne des Art. 104 II GG soll hier im Anschluß an die wohl h. L. (vgl. z. B. Dürig, MDHS, Art. 104, Rdn. 5 ff; Götz, Allgemeines Polizeirecht, 3. Aufl., S. 154; Stümper, BWVB1. 1962, S. 69; Reder, Die Sistierung von Personen im Bayerischen Polizeirecht, Diss. Würzburg, 1971, S. 99 ff; Hamann/Lenz, Art. 104 GG, Anm. B 1 a b) die allseitige Beschränkung der Freiheit der Person verstanden werden, bei der der Betroffene gezwungen wird, an einem bestimmten Ort zu verweilen, während unter „Freiheitsbeschränkung" im Sinne des Art. 104 I GG die lediglich einseitige Beschränkung der Freiheit der Person verstanden werden soll, bei der der Betroffene daran gehindert wird, einen bestimmten Ort zu betreten (Platzverweis). Die mitunter für die Abgrenzung zwischen „Freiheitsbeschränkungen" und „Freiheitsentziehungen" herangezogenen Kriterien der Kurzfristigkeit und der Gezieltheit werden hier also für unverwertbar erachtet (vgl. aber BGH, NJW 1982, S. 753). 6 Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden, Art. 104 I 2 GG. 154
Freiheit der Person (Schwan)
Art. 9
Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat 7 grundsätzlich nur der Richter zu entscheiden, und zwar vorher, Art. 104 I 1 GG (vgl. BVfGE 22, S. 311, 317f). Bei Gefahr im Verzuge darf die Freiheitsentziehung ausnahmsweise 8 auch ohne vorherige richterliche Entscheidung erfolgen, diese ist jedoch „unverzüglich", d. h. „ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 I BGB), also so schnell wie möglich, herbeizuführen, Art. 104 II 2 GG. Die Justiz hat sich darauf — endlich — durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Organisation einzustellen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden 9 länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten, Art. 104 II 3 GG. Diese Vorschrift will die Polizei gegenüber anderen Behörden nicht privilegieren, sondern sie ist Ausdruck des besonderen Mißtrauens, das die Verfassung gerade gegenüber der Polizei empfindet. Art. 104 II 2 GG gilt daher selbstverständlich auch für die Polizei. Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 24 Stunden in 10 Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde, Art. 9 II 1 VvB, vgl. auch Art. 5 II EMRK. Als Verhafteter oder Festgenommener ist auch derjenige anzusehen, dessen Freiheit aus anderen als Gründen der Strafverfolgung entzogen wird. Nach Art. 5 IV EMRK hat jeder Festgenommene oder Verhaftete das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden von 11 Amts wegen dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen, Art. 9 III VvB. Es genügt also nicht die Einholung einer richterlichen Entscheidung, sondern der Verhaftete oder Festgenommene ist zu diesem Zweck zu dem Richter zu bringen, und Art. 5 III EMRK engt dies für den Fall der Festnahme zum Zwecke der Aufklärung oder Verhinderung einer Straftat dahin ein, daß die Vorführung unverzüglich zu erfolgen hat. Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig 12 Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, Art. 104 III 1 GG. Hier ist die Frist also kürzer, obwohl auch sie noch hinter den Anforderungen des Art. 5 III EMRK („unverzüglich") zurückbleibt. Der Richter hat ihm in diesem Falle die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheiten zu Einwendungen zu geben. Außerdem hat der Richter unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schrift155
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liehen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen, Art. 104 III 2 GG. Der zum Zwecke der Strafaufklärung oder Strafvereitelung Festgenommene oder Verhaftete hat nach Art. 5 III 2 EMRK einen Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens. Die Freilassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden. Die nächsten Angehörigen haben das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung, Art. 9 II 2 VvB. Sobald eine richterliche Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ergangen ist, ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen, Art. 104 IV GG. Dies gilt jedoch für die nach Art. 104 II 1 vor der Freiheitsentziehung ergehende richterliche Entscheidung erst nach Beginn der Freiheitsentziehung. Der Verhaftete oder Festgehaltene kann verlangen, daß neben den Angehörigen auch andere Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis erlangen, Art. 9 II 3 VvB. Die Regeln der VvB gelten also neben denen des GG und der EMRK, und die vollziehende sowie rechtsprechende Gewalt des Landes Berlin haben diese darum kumulativ zur Anwendung zu bringen (so für die Rechtslage in Rheinland-Pfalz auch Jutzi, DÖV 1983, 83), und zwar auch insoweit, als diese strafverfolgend tätig werden. Dies gilt ungeachtet der Kodifikationsklausel des § 6 EGStPO, denn diese verhindert lediglich, daß einfach-gesetzliche landesrechtliche Regelungen neben diejenigen der StPO treten und diese abändern oder ergänzen (dazu: Schwan, VA 1979, 109, 115), sie verhindert jedoch nicht, daß der Landesverfassungsgeber die grundgesetzlichen Garantien des rechtsstaatlichen Strafverfolgungsrechtes durch verfassungsrechtliche Garantien auf Landesebene ergänzt. Bei Art. 11 Rdn. 7 ist dargelegt, daß und warum bei den Gegenständen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes zwar der einfache Landesgesetzgeber an der Ergänzung des Bundesrechtes gehindert ist, nicht jedoch auch die Verfassung des Landes, soweit sie Grundrechte garantiert, die einen thematischen Bezug zu den Kataloggrundrechten des Art. 1 — 18 GG haben. Die dort gemachten Ausführungen gelten entsprechend auch für die Gegenstände der sog. konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, zu denen das Strafverfolgungsrecht zählt (Art. 74 Nr. 1 GG — „gerichtliches Verfahren"). Auch dort kommt es darauf an, ob der Vorrang, der den bundesrechtlichen Regelungen in diesem Falle nach Art. 72 I GG vor denjenigen der Länder zukommt, vom einfachen 156
Postgeheimnis (Schwan)
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Gesetzgeber des Bundes in einer Form wahrgenommen worden ist, die nicht nur entsprechende Regelungen des einfachen Landesgesetzes verdrängt, sondern auch und sogar den Geltungsanspruch der Landesgrundrechte, der durch Art. 142 GG eine besondere Verstärkung erfahren hat. Es kommt also auf die Auslegung des einfachen Bundesrechtes an, und dabei spricht nicht nur der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens, sondern auch das allgemeine Auslegungsprinzip „in dubio pro libertate" dafür, die Bestimmungen des einfachen Bundesgesetzes im Zweifel nicht dahin auszulegen, daß sie auch die grundrechtlichen Garantien der Landesverfassungen kassieren. Dies gilt auch für die Auslegung der Kodifikationsklausel in § 6 EGStPO (so im Ergebnis auch: Jutzi, Landesverfassungsrecht, S. 59; ders. DÖV 1983, S. 839 f; v. Olshausen, S. 145 bis 150, 156f, jeweils mit w. N. Vgl. auch Rüfner, in: Starck/Stern, Bd. III, 1983, S. 255).
Artikel 10 Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fermneldegeheimnis sind unverletzlich. Materialien Vgl. Art. 10 I GG; Art. 2 BWV; Art. 112 BV; Art. 15 VHB; Art. 12 HV; Art. 14 S. 1 VRP; Art. 17 VS.
Erläuterungen Art. 10 VvB ist Art. 117 I WRV nachgebildet worden. Ein Antrag 1 der SED, das Postgeheimnis nicht zu schützen, wurde abgelehnt (vgl. Sten. Ber. sub I 3 a). Wortlaut und Verbürgungsbereich der drei Grundrechte, die sich 2 in ihrem Verbürgungsbereich zum Teil überlappen (vgl. Badura, BK, Art. 10 GG, Rdn. 12 ff), sind identisch mit demjenigen des Art. 10 GG (dazu neben den Kommentaren zum GG: Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, 1973, § 5 Rdn. 27 ff; Ohnheiser, Postrecht, 2. Aufl. 1977, § 5 Rdn. 1 ff). Das Briefgeheimnis schützt den Nachrichtenverkehr von Personen 3 mittels nichtmündlicher Mitteilungen jeglicher Schrift- und Vervielfaltigungsart in geschlossener Form (BVwGE 6, 299, 300). Geschützt 157
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Abschnitt II: Die Grundrechte
wird der Briefverkehr vor jedem unbefugten Eindringen der öffentlichen Gewalt in die Privatsphäre durch Öffnen des Verschlusses, sonstige Kenntnisnahme, z. B. Durchleuchten oder Weitergabe der Nachricht. Es kommt also nicht darauf an, ob der Briefverkehr mit Hilfe der Post abgewickelt wird oder nicht. Der Schutz des Postgeheimnisses erstreckt sich auf alle der Post übergebenen Sendungen jeder Art von dem Zeitpunkt an, von dem sie sich in alleinigem oder Mitgewahrsam der Post befinden. Der Geheimhaltungspflicht unterliegen Umstände wie Absender und Empfanger, Art und Weise, Ort, Zeit und Dauer der Benutzung sowie die Tatsache der Benutzung selbst. Auch anschließend, z. B. nach Zustellung, darf die Post über diese Umstände nichts an Dritte oder andere Behörden verlauten lassen. Durch das Fernmeldegeheimnis wird der Telefon-, Telegramm-, Fernschreib- und Funkverkehr geschützt, und zwar sowohl der durch die Post als auch der außerpostalisch abgewickelte Fernmeldeverkehr. Dem Umfang nach ist gewährleistet das Geheimnis aller mit dem Fernmeldevorgang zusammenhängenden näheren Umstände, also z. B. auch die Tatsache, daß zwischen bestimmten Personen ein Fernmeldeverkehr stattgefunden hat (vgl. EGMR, Urt. v. 2. 8. 84 — Malone, EuGRZ 1985, S. 17 ff, zu der entsprechenden Regelung in Art. 8 EMRK). Geschützt ist nicht nur der Anschlußinhaber, sondern auch der zur Benutzung berechtigte tatsächliche Teilnehmer, und zwar auch gegenüber dem Inhaber (vgl. OVG Münster NJW 1975,1335). Am Fernmeldeverkehr Beteiligte haben aber gegeneinander keinen Anspruch auf Wahrung des Geheimnisses, insbesondere kann ein Teilnehmer die Post von ihrer Geheimhaltungspflicht entbinden (BayObLG JZ 1974, 393), z. B. zur Ermittlung beleidigender Anrufe durch eine Fangschaltung. Vom Post- und auch Fernmeldegeheimnis ist zu unterscheiden das postalische Amtsgeheimnis, zu dessen Wahrung die Post gegenüber dem Postbenutzer aufgrund des Benutzungsverhältnisses verpflichtet ist, §§ 5 PostG, 10, 11 FernmG. Diese Regelungen gehen z. T. weiter als das Grundrecht. Vom Grundrechtsschutz zu unterscheiden sind weiter auch die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 101 ff StGB, die den Bruch u. a. des Brief- und Fernmeldegeheimnisses durch Privatpersonen bestrafen. §§ 353 b, 354, 355 StGB regeln den Geheimnisbruch durch Amtspersonen. Die durch §§11 FernmG, 6 AmateurfunkG vorgesehene Geheimhaltungspflicht Privater für Nachrichten, die von einer öffentlichen Zwecken dienenden Fernmeldeanlage ausgehen (z. B. Polizeifunk), ist nicht als Konkretisierung des Art. 10 anzusehen. 158
Postgeheimnis (Schwan)
Art. 10
Sowohl die Berliner Grundrechte auf das Brief-, Post- und Fern- 8 meldegeheimnis als auch die entsprechenden des Bundes stehen unter einem einfachen, unqualifizierten Gesetzesvorbehalt (Art. 10 II 1 GG, Art. 23 II VvB). Anders dagegen Art. 8 EMRK, nach dem das Grundrecht auf Achtung des Briefverkehrs unter einem qualifizierten Einschränkungsvorbehalt steht. Die dort genannten Voraussetzungen sind auch für den Berliner Gesetzgeber verbindlich (s. Vor Art. 6 Rdn. 12). Art. 10 II 2 GG enthält darüber hinaus die dem Berliner Recht unbekannte Bestimmung, daß der einfache Gesetzgeber die Unterlassung der Mitteilung von einer Beschränkung dieser Grundrechte dann zulassen kann, wenn die Beschränkung dem Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient. Soweit der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz (vgl. Art. 73 Nr. 7, 74 Nr. 1, Art. 105 GG) von dieser Möglichkeit Gebrauch macht oder gemacht hat, gilt das Bundesgesetz natürlich selbst dann, wenn es sich mit der Berliner Verfassung nicht vereinbaren läßt (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 12; zur Verfassungsmäßigkeit des sog. G 10-Gesetzes vgl. das Abhörurteil des BVfGE 30, 1 ff, das eine heftige literarische Kontroverse ausgelöst hat). Art. 1 G 10 gilt jedoch nicht in Berlin (vgl. dazu Art. 1 Rdn. 78 u. 56). Die Anwendung der §§ 100 a, 100 b und 101 I StPO i. d. F. d. Art. 2 G 10 ist in Berlin darüber hinaus durch Anordnung der AKB ausgesetzt worden (BK/O [69] 6 v. 17. 7.1969, GVB1. S. 1028). Einschränkungen des Fernmeldegeheimnisses durch die Staatsschutz- und Strafverfolgungsbehörden werden daher in Berlin lediglich aufgrund alliierten Rechtes, und auch insoweit in Ermangelung einer abstrakt-generellen Regelung lediglich aufgrund von — geheim bleibenden — Anordnungen im Einzelfall vorgenommen (vgl. dazu Art. 1 Rdn. 21, 25 ff); in einem Rechtsstaat ist dies ein auf die Dauer unerträglicher Zustand, der zudem auch mit Art. 8 der EMRK nicht vereinbar ist. Schon im Abhörurteil v. 6. 9.1978 - Klass u. a. (EuGRZ 1979, 284, mit Anm. v. Schwan, in: NJW 1980, S. 1992), nunmehr aber auch in dem das Vereinigte Königreich Großbritannien betreffenden Urteil v. 2. 8.1984 — Malone, EuGRZ 1985, S. 17 ff, hat der EGMR für die Vornahme solcher Eingriffe eine gesetzliche Grundlage gefordert. Wörtlich führt der EGMR mit Bezug auf die in der Tat eindeutige Bestimmung in Art. 8 II EMRK aus: „Damit soll die Übereinstimmung mit der Vorherrschaft des Gesetzes ausgedrückt werden, die in der Präambel zur Konvention Ausdruck gefunden hat." Dies bedeutet, „daß das innerstaatliche Recht den durch Art. 81 EMRK garantierten Rechten einen gewissen Schutz gegenüber willkürlichen Eingriffen der öffent159
Art. 11
Abschnitt II: Die Grundrechte
liehen Gewalt gewähren muß. Die Gefahr der Willkürlichkeit tritt dort, wo die vollziehende Gewalt im Geheimen handelt, in einzigartiger Klarheit zutage". Ob die E M R K in Berlin nicht nur für die deutschen Behörden gilt (v. Pestalozza, in: Festschrift z. 125jährigen Bestehen Jur. Gesellschaft Berlin, S. 549 ff), sondern auch für die britische und französische Schutzmacht, ohne daß diese sich im übrigen auf den sog. Kriegsartikel in Art. 15 E M R K berufen können, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. Art. 1 Rdn. 134 m. w. N.). Ungeachtet der Frage, ob die Schutzmächte bei der Ausübung des Besatzungsrechtes ihr eigenes nationales (Verfassungs-)Recht verletzen, widerspricht die geschilderte Praxis somit auch der E M R K (allg. zur Rechtsprechung des E G M R : Weidmann, Klaus W., Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf dem Weg zu einem europäischen Verfassungsgerichtshof, 1985). 9 Weitere bundesgesetzlich zugelassene Einschränkungsmöglichkeiten finden sich besonders im Strafprozeßrecht in § 119 III StPO (vgl. BVfG NJW 1974, 26: Anhalten von Briefen mit groben Beleidigungen gegen die Justiz) Steuerstrafverfahrens- und Konkursrecht. 10 Landesgesetze, aufgrund deren das Brief- und Postgeheimnis eingeschränkt werden kann, sind trotz Art. 73 Nr. 7 G G möglich (vgl. v. Mangoldt/Klein, Art. 10 GG, Anm. IV 4; Meder, Art. 112 BV, Rdn. 4). Praktische Bedeutung kommt dem jedoch wohl nur im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr zu, z. B. Anhalten und Kontrolle von Briefen oder Paketen, die vermutlich Sprengstoffanschlägen dienen (vgl. § 23, 26 ASOG).
Artikel 11 Das Recht der Freizügigkeit, insbesondere die freie Wahl des Wohnsitzes, des Berufs und des Arbeitsplatzes, ist gewährleistet, findet aber seine Grenze in der Verpflichtung, bei Überwindung öffentlicher Notstände mitzuhelfen. Materialien 1. Vgl. zur Freizügigkeit: Art. 11 GG, Art. 109 BV; Art. 18 VHB; Art. 6 HV; Art. 15, 58 VRP; Art. 9 VS.
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Freizügigkeit (Schwan)
Art. 11
Zur Berufswahl: Art. 12 GG; Art. 8 VHB; Art. 52, 58 VRP 2. Art. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16. September 1963 (Prot 4 MRK) - BGBl. 1968 II 422.
Erläuterungen Die Bestimmung enthält eine Reihe von Grundrechtsverbürgungen, die im GG z. T. in gesonderten Bestimmungen enthalten sind: a) das Recht auf Freizügigkeit und auf freie Wahl des Wohnsitzes, im GG in Art. 11 geregelt, b) das Recht auf freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes, im GG in Art. 12 geregelt. Die Verbürgung des Freizügigkeitsrechtes durch die VvB reicht in zwei Beziehungen weiter als diejenige durch das GG: a) In personeller Beziehung sind nicht nur die Deutschen, sondern alle Menschen geschützt. Die Ausländer sind nach dem GG hinsichtlich des Schutzes der Freizügigkeit auf das Auffangfreiheitsgrundrecht des Art. 2 I GG zurückgeworfen (vgl. dazu BVfGE 35, 382; 38, 52; sowie Art. 18 Rdn. 3). b) In sachlicher Beziehung fehlt die Begrenzung auf das Bundesgebiet. Es dürfte daher nicht nur die Ausreisefreiheit (zur Rechtslage nach dem GG vgl. BVfGE 6,32 einerseits, Dürig, MDHS, Art. 11, Rdn. 104 ff andererseits), sondern auch die Einreisefreiheit (vgl. dazu Dürig, aaO, Rdn. 106 Abs. 4), und zwar auch für Ausländer (vgl. Dürig, aaO, Rdn. 119), von der Verbürgung des Art. 11 umfaßt sein. Die in Art. 11 VvB besonders genannte freie Wahl des Wohnsitzes ist zwar in Art. 11 GG nicht ausdrücklich erwähnt, gehört aber zum Kernbestand des Freizügigkeitsrechtes und ist daher auch in der Verbürgung des Art. 11 GG enthalten. Insofern unterscheiden sich Bundesgrundrecht und Landesgrundrecht also nicht. Die freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes sind im G G und in der VvB übereinstimmend garantiert (ebenso: Papier, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 357). Zwar erwähnt die VvB die Ausübung des Berufes nicht ausdrücklich, man wird jedoch den Argumenten des BVfG im Apothekenurteil (BVfGE 7, 377, 401; vgl. auch BVfGE 9, 344 f; 17, 276) folgen und das Grundrecht der Berufsfreiheit als eine Einheit ansehen können, die sowohl die Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes wie auch die Ausübung desselben erfaßt. Auch insoweit besteht daher Kongruenz zwischen der bundesrechtlichen und landesrechtlichen Verbürgung. 161
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Abschnitt II: Die Grundrechte
Freilich ist die Verknüpfung des Berufsfreiheitsrechtes mit dem Freizügigkeitsrecht (vgl. das „insbesondere" in Art. 11 VvB) keineswegs sonderlich glücklich. Kann man die besonders genannte freie Wahl des Wohnsitzes und die mit einem Bein freilich schon in der Berufsfreiheit stehende freie Wahl des Arbeitsplatzes noch als einen Ausflug der Freizügigkeit ansehen, so gilt das für die freie Wahl des Berufes und dessen Ausübung sicher nicht mehr. Insoweit handelt es sich um die Verbürgung einer ganz anderen Art menschlicher Verhaltensweise. 6 Fraglich ist, worin der Sinn der beiden letzten Halbsätze des Art. I I I liegt, die davon sprechen, daß die verbürgten Rechte ihre Grenze in der Verpflichtung finden, bei Überwindung öffentlicher Notstände mitzuhelfen. Sicher nicht wird man darin eine partielle Zurücknahme der in den davorstehenden Halbsätzen umschriebenen Verbürgung zu erblicken haben. Dies würde nicht nur dem allgemeinen grundrechtlichen Auslegungsprinzip der Vermutung größtmöglicher Freiheitsverbürgung widersprechen (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 39), dem im Berliner Recht wegen des Fehlens eines Auffang-Freiheitsgrundrechtes eine besondere Bedeutung zukommt, sondern dem steht auch die ganz erhebliche Unbestimmtheit der in diesen Halbsätzen ausgesprochenen Verpflichtung entgegen, mit der man die Verbürgungsauslegung nach Möglichkeit nicht belasten sollte. Desgleichen wird man darin auch keine den allgemeinen Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II (s. dort Rdn. 2) verdrängende Spezialregelung erblicken können, und zwar weder in dem Sinne, daß dieser überhaupt keine Anwendung findet — dies würde sich mit zwingenden Erfordernissen der Rechtswirklichkeit nicht vereinbaren lassen, weil dann z. B. ein ganz erheblicher Teil der berufsregelnden Vorschriften des Landesrechtes verfassungswidrig wäre —, noch in dem Sinne, daß nicht nur — wie es Art. 23 II vorsieht — der Gesetzgeber zu Eingriffen ermächtigt wird oder solche zulassen kann (Gesetzesvorbehalt), sondern im Rahmen der genannten Verpflichtungen auch die Exekutive und Judikative unmittelbar; denn dann würden diese Halbsätze des Art. 11 nicht nur eine Spezialregelung im Verhältnis zu dem Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II, sondern auch eine solche im Verhältnis zu dem in Art. 45 I geregelten (Eingriffs-) Vorbehalt des Gesetzes und zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz darstellen, die beide immerhin zum klassischen Kernbestand des Rechtsstaatsprinzipes gehören. Andererseits dürfte jedoch auch eine Auslegung, die diese Halbsätze als lediglich wiederholenden Hinweis auf die nach Art. 23 162
Freizügigkeit (Schwan)
Art. 11
II ohnehin bestehende Einschränkbarkeit deutet, dem Willen der Verfassung schwerlich gerecht werden, weil man im Zweifelsfalle eine Vorschrift nie so auslegen soll, daß sie überflüssig wird. Aus diesem Grunde sollen die beiden letzten Halbsätze des Art. I I I hier dahin ausgelegt werden, daß sie eine Spezialregelung zu der in Art. 23 II auch enthaltenen Garantie des „Grundgedankens" der Freiheitsgrundrechte darstellen (vgl. Art. 23 Rdn. 3, 4). Soweit es zur Überwindung öffentlicher Notstände (z. B. Erdbeben, Überschwemmungen, Feuersbrünste, innere Unruhen etc.) erforderlich ist, dürfen Bürger zur Mithilfe an der Beseitigung dieser Notstände selbst dann durch ein Gesetz verpflichtet werden, wenn darin eine Antastung des „Grundgedankens" der Grundrechte aus Art. 11 zu erblicken ist. Im Nachfolgenden soll die Gelegenheit genutzt werden, die Funk- 7 tionsweise der Berliner Freiheitsgrundrechte am Beispiel des Senatsbeschlusses über die Zuzugssperren für Ausländer in gewissen Stadtbezirken zu demonstrieren (Beschluß der SvB vom 29.10.1974): Dieser Beschluß soll die Ausländer in deren zwar nicht durch Art. 11 GG, wohl aber durch Art. 2 I GG und Art. 11 VvB geschützten Freizügigkeitsrecht beschränken, zu dessen — in Art. 11 VvB ausdrücklich genannten — Kernbestand das Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes gehört. Soweit verfassungsgemäßes Bundesrecht — der Bund hat nach Art. 73 Nr. 3 GG im Bereiche der Freizügigkeit die ausschließliche Regelungskompetenz — dieses Recht bereits beschränkt, verdrängt dieses etwa entgegenstehendes Landesverfassungsrecht. Die Berliner Grundrechte scheiden daher als Maßstab für die Überprüfung des Bundes-Ausländergesetzes aus (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 12 f; v. Olshausen, S. 135 m. w. N. in Fn. 93). Es soll hier nun dahingestellt bleiben, ob die Bestimmungen des § 7 I und III AuslG eine derart globale Handhabung des dort eingeräumten Ermessens, wie sie in der vom Senat erlassenen Zuzugssperre liegt, überhaupt gestatten, oder ob diese Bestimmungen nicht vielmehr eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles erzwingen. Weiter soll auch dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmungen des Ausländergesetzes mit dem GG vereinbar sind (dazu: BVwGE, Buchholz 402.24 §2 AuslG Nr. 11). Insoweit ergeben sich hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes durchaus gewisse Zweifel, und auch hinsichtlich des Gleichheitssatzes scheint die Sache nicht ganz unproblematisch zu sein, obwohl bei einer so weit gefaßten Ermessensermächtigung das Willkürverbot auf der Ebene der abstrakt-generellen Regelung naturgemäß noch nicht so recht „greift" (vgl. Art. 6 Rdn. 2). 163
Art. 11
Abschnitt II: Die Grundrechte
Franz, JR 1976, S. 188, 189 leitet in diesem Zusammenhang zu Recht Bedenken aus dem Gewaltenteilungsprinzip ab. Letztlich ist der Bestimmtheitsgrundsatz nichts anderes als eine konkrete Ausprägung auch des Gewaltenteilungsgrundsatzes, denn je unbestimmter eine gesetzliche Regelung ist, dies zeigt der Senatsbeschluß über die Zuzugssperre besonders deutlich, desto mehr verlagert sich die tatsächliche Machtausübung auf die Seite der Exekutive. Im übrigen muß man in diesem Zusammenhang auch den zu den „besonderen Gewaltverhältnissen" entwickelten Gedanken der sog. „Wesentlichkeitstheorie" heranziehen (vgl. dazu Oppermann, Gutachten C zum 51. DJT, S. C 48 ff, m. zahlr. w. N. auch zur Rspr.), nach dem alle wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber zu treffen sind (vgl. dazu auch: Eberle, DÖV 1984, S. 485 ff). Dies kann doch wohl nicht nur für die „besonderen Gewaltverhältnisse", sondern muß auch für das „allgemeine Gewaltverhältnis" der Ausländer gelten. Schließlich soll sogar dahingestellt bleiben, ob die zitierten Vorschriften des AuslG durch die sowohl später erlassenen als auch spezielleren Vorschriften des Art. 2 Prot. 4 MRK vom 16. 9.1963 aufgehoben worden sind, wie Franz meint (a. A. jedoch OVG Berlin, NJW 1980, S. 539; vgl. auch VG Berlin, NJW 1978, S. 68). Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und auch die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen des Ausländergesetzes unberechtigt sein sollten, so hat sich doch die Berliner Staatsgewalt bei der Anwendung und Steuerung des in diesen Vorschriften eingeräumten Ermessens durch den Erlaß von Verwaltungsvorschriften oder — was im vorliegenden Fall nichts anderes ist — Senatsbeschlüssen, also Ermessensrichtlinien, so lange auch im Rahmen der Berliner Grundrechte zu halten, als dies nicht zu einem mit dem Bundesrecht unvereinbaren Ergebnis, d. h. zu einer Überschreitung des im Ausländergesetz eingeräumten Ermessens führt (vgl. dazu auch Vor Art. 6 Rdn. 13, 14, 16, 20, 25). Zwar bezweifelt Sendler (ABl. Berlin, Nr. 14/1979, S. 511) die Befugnis des einfachen Landesgesetzgebers, „einem Ermessen, das ein die Materie abschließend regelndes Bundesgesetz einräumt, eine bestimmte Umgrenzung" geben zu dürfen, und er knüpft daran die Folgerung, daß dies auch nicht in der Befugnis der Landesverfassung liegen könne, zumal da diese Umgrenzungen „alsbald z. B. von Verwaltungsvorschriften des Bundes beseitigt werden" könnten. Damit hat Sendler jedoch mehrere Fragen miteinander vermengt, die besser getrennt beantwortet werden sollten: Zunächst dürfte sicher sein, daß Verwaltungsvorschriften an der von (Außen-)Rechtssätzen bewirkten Bindung nichts zu ändern vermögen, und dies gilt sehr wohl auch im Verhältnis 164
Freizügigkeit (Schwan)
Art. 11
zwischen Bundes-Verwaltungsvorschriften und Landesgrundrechten. Jutzi (DÖV 1983, S. 839) leitet dies aus dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens ab. Nach hier vertretener Auffassung folgt das jedoch schon aus dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 III G G — vgl. auch v. Olshausen, S. 145 Fn. 114). Sodann ist daraufhinzuweisen, daß die diesbezüglichen Befugnisse des einfachen Landesgesetzgebers und diejenigen der Landesgrundrechte keineswegs über einen Leisten geschlagen werden dürfen, denn Art. 142 GG eröffnet den Landesgrundrechten Freiräume, die dem einfachen Landesgesetzgeber nicht zur Verfügung stehen. Diese bestehen einmal darin, daß die Kompetenzvorschriften in Art. 70 ff GG nicht auch für diejenigen Landesgrundrechte gelten, die in Art. 1 — 18 GG eine thematische Entsprechung finden (v. Olshausen, aaO, S. 157 f; Jutzi, S. 38). Daraus folgt, daß die Landesverfassungen auch und sogar dort (Grund-) Recht zu setzen vermögen, wo die Regelungskompetenz nach Art. 71, 73 GG ausschließlich dem Bunde zusteht. Das Prinzip dieser Ausschließlichkeit erleidet also gewisse Einschränkungen zugunsten der Landesgrundrechte. Art. 142 GG erweist sich als lex specialis im Verhältnis zu Art. 71, 73 GG (a. A. jedoch von Olshausen, aaO, S. 126, 135). Daraus folgt jedoch kein Vorrang der Grundrechte der Landesverfassung vor den einfachen Bundesgesetzen. Kommt es zwischen diesen zur Kollision, d. h. zum Widerspruch, gilt der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" (Art. 31 GG — vgl. Vor Art. 6 Rdn. 5). Die entscheidende Frage ist darum, ob eine solche Kollision vorliegt oder nicht (so auch v. Olshausen, aaO, S. 136). Sie folgt nach hier vertretener Auffassung nicht schon daraus, daß dem Bunde in einem bestimmten Bereich die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zusteht. Vielmehr kommt es darauf an, ob der einfache Gesetzgeber des Bundes von dieser Regelungskompetenz in einer Art und Weise Gebrauch gemacht hat, die das Fortgelten von Landesgrundrechten ausschließt. Jutzi (DÖV 1983, S. 839) bemerkt dazu treffend: „Wäre also das Bundesrecht so auszulegen, daß eine weiterreichende Grundrechtsverbürgung ausgeschlossen sein soll, dann hätte dies nach ganz überwiegender Auffassung die Nichtigkeit des landesverfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechtes zu Folge". Da Art. 71, 73 GG so jedoch nicht auszulegen sind, kann sich die Kollision allenfalls aus dem einfachen Bundesgesetz ergeben. Aus dem Ausländergesetz des Bundes ergibt sich eine solche jedoch schon deswegen nicht, weil das Gesetz in einem ganz erheblichen Umfange Ermessensspielräume gewährt, die der Steuerung auch durch landesrechtliche Verwaltungsvorschriften (das AuslG wird von den Ländern nach Art. 84 GG als eigene Angelegenheit ausgeführt — hierauf stellt 165
Art. 11
Abschnitt II: Die Grundrechte
v. Olshausen, aaO, S. 145 f, ab) nicht nur zugänglich, sondern auch bedürftig sind (vgl. dazu auch Vor Art. 6 Rdn. 12). Die von Sendler (aaO) aufgeworfene Frage muß daher in ihr Gegenteil verkehrt werden: Wenn sogar die Exekutive des Landes im Anwendungsbereich des AuslG (dienstintern) Regelungen treffen darf, warum sollen dann die Grundrechte der Verfassung des Landes außerstande sein, ein Gleiches zu tun? Sie ist dahin zu beantworten, daß dies in der Tat nicht einzusehen ist. Die Grundrechte der VvB gelten darum auch bei der Anwendung des AuslG, weil das Gesetz nicht dahin ausgelegt werden darf, daß das von Art. 142 GG gewollte und von Art. 71, 73 GG nicht aufgehobene Nebeneinander von Bundes- und Landesgrundrechten in diesem Falle nicht bestehen soll. Lediglich der einfache Landesgesetzgeber ist wegen der dem Bunde zustehenden ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz daran gehindert, steuernd in die Anwendung des vom AuslG gewährten Ermessens einzugreifen. Für ihn ist diese Ausschließlichkeit eine unüberwindbare Hürde, weil für ihn eine dem Art. 142 GG entsprechende lex specialis nicht existiert (vgl. auch v. Olshausen, aaO, S. 159). Dies heißt aber, daß neben den Schrankenschranken des Art. 2 I GG — diese sollen hier ungeprüft bleiben — auch die Schrankenschranken des Berliner Grundrechtes auf Freizügigkeit zu beachten sind. Es gelten dafür die Regeln, die für die Idealkonkurrenz bei Bundesgrundrechten entwickelt worden sind (Stichwort: Siebsystem). Ob sich die vom SvB erlassene Zuzugssperre mit dem zum Übermaßverbot gehörenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Grundsatz der Angemessenheit, Zumutbarkeit) und — vor allem — mit der Menschenwürde-Garantie vereinbaren läßt, die beide Schrankenschranken für den Eingriff in den Freiheitsbereich des Art. 11 darstellen (s. Vor Art. 6 Rdn. 49), das unterliegt erheblichen landesverfassungsrechtlichen Bedenken. Vgl. auch Franz, aaO, der darauf hinweist, daß die in Berlin lebenden Ausländer durch die mit dem Senatsbeschluß beabsichtigte Zwangsintegration, die in psychologischer Beziehung übrigens eher den Effekt einer Zwangsdesintegration haben dürfte, in eine menschenunwürdige „PariaSituation" gedrängt werden. Außerdem sollte auch nicht übersehen werden, daß die VvB mit der von der Regelung des GG abweichenden Erstreckung des Verbürgungsbereiches des Freizügigkeitsrechtes auch auf Ausländer in einem gewissen Sinne auch eine spezielle Gleichheitsentscheidung getroffen hat (zur Funktionsweise der speziellen Gleichheitsgrundrechte s. Art. 6 Rdn. 13).
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Art. 12
Recht auf Arbeit (Schwan)
Artikel 12 (1) Jedermann hat das Recht auf Arbeit. Dieses Recht ist durch eine Politik der Vollbeschäftigung und Wirtschaftslenkung zu verwirklichen. Wenn Arbeit nicht nachgewiesen werden kann, besteht Anspruch auf Unterhalt aus öffentlichen Mitteln. (2) Frauen, Jugendliche und Körperbehinderte haben Anspruch auf besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis. Materialien Vgl. zu I 1 (Recht auf Arbeit): Art. 166 II BV; Art. 8 VHB; Art. 28 HV; Art. 24 I 3 VNRW; Art. 53 VRP; Art. 45 VS; zu I 2 (Wirtschaftslenkung, Vollbeschäftigung): Art. 39 VHB; Art. 38 HV; zu I 3 (Arbeitslosenhilfe): Art. 49 VHB; 168 III BV; zu II (Schutz im Arbeitsverhältnis): Art. 13 BWV; Art. 126 III, 167 BV; Art. 25, 37, 49, 52, 54 VHB; Art. 28, 30 HV; Art. 6, 24 VNRW; Art. 24, 53, 55 VRP; Art. 25, 47 S. 3 VS.
Erläuterungen Das „Recht auf Arbeit" gewährt weder im Verhältnis zum Staat 1 noch — gar — im Verhältnis der Gleichordnung auf der Ebene des Privatrechtes einen subjektiven, vor Gericht durchsetzbaren Leistungs- bzw. Teilhabeanspruch (zum Begriff Vor Art. 6 Rdn. 33, 42) auf Zurverfügungstellung von Arbeit. Vielmehr enthält Art. 12 11 lediglich einen Programmsatz (ebenso Kratzer, Festschrift für Laforet, S. 131; Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 119f mit zahlr. w. N.; Badura, Grundfreiheiten der Arbeit, in: Festschrift f. Berber, 1973, S. 11 ff; Michael Rath, Die Garantie des Rechts auf Arbeit, 1975; Starck in Festg. BVfG, Bd. II, S. 519; zur fehlenden Justiziabilität der sog. sozialen Grundrechte vgl. auch oben Vor Art. 6 Rdn. 42, Art. 6 Rdn. 12; Scholz und Kittner, in: Böckenförde/Jeckewitz/ Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1981, S. 75 ff bzw. 91 ff; Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, 1971, S. 14f; Wank, Recht auf Arbeit, 1980; Jutzi, S. 90 f m. N. zur Auslegung der entsprechenden Vorschriften in den anderen Landesverfassungen in Fn. 161) bzw. eine Staatszielbestimmung, ein Verfassungsleitbild, in dem die 167
Art. 12
Abschnitt II: Die Grundrechte
Verpflichtung aller Staatsgewalt zum Ausdruck kommt, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß jedermann, der arbeiten will, Arbeit findet. 2 Der nächstfolgende Satz zeigt den Weg auf, auf dem dieses Ziel zu verwirklichen ist, nämlich durch eine Politik der Vollbeschäftigung und durch Wirtschaftslenkung. Auch dieser Satz gewährt keine subjektiven Rechte. Juristisch relevant ist er nur insofern, als er das Recht und die Pflicht der Landesstaatsgewalt begründet, zu dem genannten Zwecke Wirtschaftspolitik zu betreiben und dabei auch lenkend in die Wirtschaft einzugreifen, soweit ihr dafür die Kompetenz zusteht (vgl. dazu Vor Art. 6 Rdn. 12 f, 43, sowie Jutzi, aaO, S. 91). Freilich schaffen dieses Recht und diese Pflicht nicht die Befugnis, dabei den Rahmen der den Freiheitsgrundrechten hinzugefügten Einschränkungsvorbehalte zu sprengen und darüber hinausgehende Eingriffe vorzunehmen. Art. 12 I 1 und 2 enthalten nicht ihrerseits einen Einschränkungsvorbehalt für die Freiheitsgrundrechte der VvB (ebenso wohl Zacher, aaO, S. 95, llOf, 119). Vollbeschäftigungspolitik und Wirtschaftslenkung haben sich vielmehr innerhalb der von den Grundrechten eingeräumten Bewegungsspielräume zu halten, die freilich sehr weit gezogen sind (vgl. auch Vor Art. 6 Rdn. 41). Eine Sozialisierungsverpflichtung oder -berechtigung läßt sich dieser Vorschrift keinesfalls entnehmen (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 16, 25). 3 Art. 12 I 3 gewährt dagegen ein „echtes" subjektives Teilhaberecht auf Arbeitslosenunterstützung, das freilich hinsichtlich der Höhe und Modalitäten der einfach-gesetzlichen „Prägung" nicht nur zugänglich, sondern auch bedürftig ist (für Programmsatzcharakter der entsprechenden Vorschrift der BV, Art. 168 III, jedoch Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 121 m. w. N.). Das Recht vermag jedoch wegen fehlender Regelungskompetenz des Landes keine selbständige Wirksamkeit zu entfalten (s. Vor Art. 6 Rdn. 42). Im übrigen besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung bereits aufgrund einfach-gesetzlicher Bundesregelung. 4 Fraglich ist, ob sich auch der Schutzberechtigung des Art. 12 II ein solches — „prägungsbedürftiges" — subjektives Recht entnehmen läßt. Angesichts der Offenheit und Unbestimmtheit dieser Vorschrift wird man das nicht sagen können (für Programmsatzcharakter der ähnlichen Regelung des Art. 167 BV auch Zacher, aaO, S. 120). Der Bestimmung kommt daher auch keine unmittelbare Drittwirkung zu (dazu: Vor Art. 6 Rdn. 35). Im Verhältnis zu den Freiheitsgrundrechten des Arbeitgebers wird man in ihr jedoch einen qualifizierten Einschränkungsvorbehalt erblicken können. 168
Zugang zu öffentlichen Ämtern (Schwan)
Art. 13
Artikel 13 Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt. Materialien Art. 33 I bis III GG; Art. 94 II, 107 IV, 116 BV; Art. 19 VRP
Erläuterungen Art. 13 enthält ein Recht des status activus (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 5) 1 sowie einen speziellen Gleichheitssatz, der in Anbetracht der Tatsache, daß Art. 33 II und III GG nicht nur die Bundesstaatsgewalt, sondern auch die Landesstaatsgewalt binden (vgl. z. B. Meder, Art. 94 BV, Rdn. 3, Art. 116 BV, Rdn. 1; BayVGH, DÖV 1976, 423, 424; BVfGE 39, 334; BVwG, DÖV 1975, 421), rechtliche Relevanz nur noch dann haben kann, wenn er im Tatbestand oder in der Rechtsfolge, z. B. hinsichtlich der Art der Differenzierungsverbote oder Differenzierungsgebote, im Verhältnis zur Regelung des GG Unterschiede aufweist (vgl. dazu Art. 6 Vbm. Rdn. 7 f). Im Tatbestand bestehen solche Unterschiede jedoch nicht. Der 2 Begriff des „öffentlichen Amtes" im Sinne des Art. 13 VvB ist identisch mit demjenigen im Sinne des Art. 33 II und III GG (vgl. dazu Maunz, MDHS, Art. 33, Rdn. 12; Hamann/Lenz, Art. 33 GG, Anm. B 2). Er ist auch hier weit auszulegen und umfaßt alle beruflichen und auch ehrenamtlichen Funktionen mit öffentlichem Einschlag bei Bund, Ländern, Gemeinden, Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts (vgl. Matthey, in: v. Münch, GG, Art. 33 Rdn. 20). Desgleichen bestehen auch in der Rechtsfolge insoweit keine Un- 3 terschiede, als auch aus Art. 13 VvB kein Anspruch auf Zugang zu dem öffentlichen Amt (vgl. auch Meder, Art. 94 BV, Rdn. 4) fließt, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung im Rahmen des der Behörde zustehenden Beurteilungsspielraumes und auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. auch Meder, Art. 94 BV, Rdn. 5; BayVGH, DÖV 1976, 423, 424; Hamann/Lenz, Art. 33 GG, Anm. B 2), die sich freilich u. U. zu einem Anspruch auf Einstellung verdichten können. So ist wohl auch BVfGE 39, 334 zu verstehen, wenn es davon spricht, daß das Gericht dem Bewerber „in aller Regel" den Zugang 169
Art. 13
Abschnitt II: Die Grundrechte
zum öffentlichen Dienst nicht eröffnen könne. (Zur Rspr. des BayVfGH, s. W.-R. Schenke, in: Starck/Stern, Bd. III, 1963, S. 72 f). Bei der Beurteilung der Eignung steht der Behörde ein Beurteilungsspielraum zu. Zu diesem gesellt sich obendrein ein Ermessensspielraum, wenn mehrere gleich geeignete Bewerber zur Auswahl stehen. 4 Auch die in Art. 13 VvB einerseits und Art. 33 II und III GG andererseits genannten Unterscheidungskriterien unterscheiden sich nur in der Formulierung, nicht dagegen auch in der Sache: Ebenso wie Art. 33 GG engt auch Art. 13 die Entscheidungsfreiheit der Einstellungsbehörde positiv dadurch ein, daß die Eignung für das erstrebte Amt als das allein zulässige Auslese- und Beurteilungskriterium ausgewiesen wird, und negativ dadurch, daß bestimmte Kriterien ausdrücklich als eignungsfremde Maßstäbe bezeichnet und für unverwertbar erklärt werden, wobei dieses Verbot letztlich freilich doch kein absolutes ist, weil es wie alle speziellen Differenzierungsverbote dem Regiment des Willkürverbotes unterliegt (vgl. Art. 6 Rdn. 13): Das Außerachtlassen dieser (verbotenen) Kriterien darf nicht seinerseits Willkür erzeugen (zum Sonderfall des konfessionsgebundenen und geschlechtsrelevanten Amtes: BVfGE 39, 334, 368; BVwGE 19, 252, 260; 47, 330, 354; vgl. auch Schenke, in: Starck/ Stern, Bd. III, S. 74f, m. N. zur Rspr. des BayVfGH). 5 Zwar spricht Art. 13 VvB nur von dem (gebotenen) Unterscheidungskriterium der Eignung, während Art. 33 II GG daneben auch die Befähigung und fachliche Leistung nennt. Dies macht in der Sache jedoch deshalb keinen Unterschied, weil die Eignung sowohl die Befähigung wie auch die fachliche Leistung umfaßt (vgl. BVwG, DÖV 1975, S. 421, 422; Maunz, MDHS Art. 33, Rdn. 9; Nawiasky/ Leusser/Schweiger/Zacher, Art. 94 BV, Rdn. 7). Art. 13 VvB hat daher im Verhältnis zum GG nur auf die ausdrückliche Erwähnung zweier spezieller Aspekte der Eignung verzichtet. Der Begriff der Eignung ist im übrigen ein „Verweisungsbegriff". Er bezieht sich auf das zu besetzende Amt. „Das Amt verkörpert bestimmte, dienstrechtlich definierte Leistungserwartungen, denen der Bewerber gewachsen sein muß. Diese hängen ab von der Art des jeweiligen Dienstverhältnisses, der Laufbahn, den wahrzunehmenden Aufgaben und sonstigen Merkmalen, die das einschlägige Dienstrecht festlegt" (Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 1984, S. 1162). 6 Das in Art. 13 VvB genannte (verbotene) Unterscheidungskriterium des Geschlechts taucht zwar in Art. 33 GG nicht auf, gilt aber über Art. 3 II und III GG gleichermaßen auch im Anwendungsbereich des Art. 33 GG (vgl. dazu Art. 6 Rdn. 13). 170
Zugang zu öffentlichen Ämtern (Schwan)
Art. 13
Das gleiche gilt hinsichtlich des (verbotenen) Unterscheidungskri- 7 teriums der Herkunft, das zwar auch nicht in Art. 33 GG, dafür aber in Art. 3 III GG auftaucht. Das (verbotene) Unterscheidungskriterium des religiösen Bekennt- 8 nisses taucht nicht nur in Art. 3 III GG, sondern auch in Art. 33 III GG auf. Insofern decken sich sogar die Formulierungen der VvB und des GG. Das in Art. 13 VvB genannte und für verboten erklärte Unterschei- 9 dungskriterium der Partei taucht zwar ausdrücklich weder in Art. 3 III GG noch in Art. 33 III GG auf. Dort ist stattdessen von „politischen Anschauungen" (Art. 3 III) und von „Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung" die Rede. In der Sache bedeutet jedoch auch dies keinen Unterschied. Insbesondere will und kann Art. 13 VvB nicht ausschließen, daß die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei den Ausschluß vom Zugang zu öffentlichen Ämtern zur Folge hat; denn selbst wenn er dies wollte — schon dagegen sprechen wegen der auch in der VvB zu findenden Regelungen der sog. „streitbaren Demokratie" (vgl. Art. 18 II, Art. 20 II, Art. 21 I, Art. 24) ganz erhebliche Bedenken — würde er sich damit in Widerspruch zu höherrangigen Regelungen des Bundesverfassungsrechtes setzen und folglich „gebrochen" werden (Art. 31 GG), denn Art. 33 II und V GG verlangen nach der Rechtsprechung sowohl des BVwG (E 47, 331; 52, 313, 330) als auch des BVfG (E 39, 334 = DÖV 1975, 671 m. Anm. Kemper) von Bundesbeamten, aber auch von Landesbeamten die Gewähr des jederzeitigen Eintretens für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des GG, und dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG (AP Nr. 2 zu Art. 33 II GG) auch für Angestellte und Arbeiter, die ein „öffentliches Amt" bekleiden. Dies ist nicht nur ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG), sondern dies ist auch Voraussetzung für die „Eignung" zur Übernahme eines öffentlichen Amtes im Sinne des Art. 33 II GG und Art. 13 VvB (K. Stern, Staatsrecht, Band l, §11 III 4 b, IV 3 a; ders., in: Festg. BVfG, Bd. I, S. 197, m. w. N. zur Rechtsprechung in Fn. 11; zur Rechtsprechung des BayVfGH siehe Schenke, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 75, 83). Diese Gewähr besteht im Zweifel dann nicht, wenn der Bewerber Mitglied in einer als verfassungsfeindlich erkannten Partei ist. Sehr wohl kann daher die bloße Mitgliedschaft in einer solchen Partei als ausreichender Grund dafür herangezogen werden, daß dem Bewerber der Zugang zum öffentlichen Dienst verweigert wird. Allerdings kommt es auch dabei entscheidend auf die Art des konkreten öffentlichen Amtes an, um das sich das Mitglied einer 171
Art. 13
Abschnitt II: Die Grundrechte
solchen Partei bewirbt, denn der Begriff der Eignung in Art. 13 VvB und Art. 33 II, III GG korrespondiert dem konkreten Amt bzw. einer bestimmten Laufbahn, nicht hingegen der Ausübung eines öffentlichen Amtes schlechthin (HessStGH, ESVGH 27, S. 15, 23; ebenso Schenke, aaO, S. 76; Isensee, aaO, S. 1162). Darin ist ein Verstoß gegen das Parteienprivileg des Art. 21 II GG schon deswegen nicht zu erblicken, weil diese Bestimmung durch den Ausschluß der Mitglieder einer solchen Partei vom Zugang zum öffentlichen Dienst gar nicht berührt wird — zu Recht will das BVwG (aaO, S. 425) insoweit allenfalls einen (faktischen) Reflex anerkennen — und weil, wenn eine solche Berührung doch stattfinden sollte, die Vorschriften der Art. 33 II und V GG als leges speciales im Verhältnis zu Art. 21 II GG ausgelegt werden müßten. Es gehört nicht zu den durch Art. 21 I GG geschützten Betätigungen einer Partei, daß deren Mitglieder als Individuen (!) imstande sind, den „langen Marsch durch die Institutionen" anzutreten. Maßnahmen, die dies behindern, treffen individuelle Freiheitspositionen, nicht die kollektive Freiheit der Partei. Diese wird dadurch, wenn überhaupt, allenfalls mittelbar in ihrer rechtlich geschützten Freiheit betroffen, und dies reicht für die Annahme eines Eingriffes nicht aus. Im übrigen würde der ganze Streit um die Vereinbarkeit der Berücksichtigung der Mitgliedschaft in einer solchen Partei bei der Prüfung der „Eignung" mit dem Parteienprivileg des Art. 21 II GG dann hinfallig werden, wenn sich die politisch Verantwortlichen, aber auch die Rechtsprechung dazu entschließen könnten, die mit dem eindeutigen Text und Zweck der Verfassung unvereinbare Auffassung aufzugeben, daß trotz Vorliegens des Tatbestandes des Art. 21 II GG (Verfassungsfeindlichkeit) Ermessen bei der Frage bestünde, ob der Verbotsantrag gestellt werden soll (vgl. dazu auch die kritischen Bemerkungen Vor Art. 6, Rdn. 15), denn die Formulierungen „sind verfassungswidrig" (Art. 21 II GG) und „sind verboten" (Art. 9 II GG) schließen ein solches Ermessen doch ganz eindeutig aus. Erst dadurch, daß sich die Regierung als ermächtigt erachtet, trotz erkannter Verfassungsfeindlichkeit einer Partei auf den Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu verzichten, kommt es zu dem in einem demokratischen Rechtsstaat allerdings nicht erträglichen Phänomen, daß über die Voraussetzungen für die Eignung eines Bewerbers um ein öffentliches Amt letztlich allein, auf jeden Fall aber maßgeblich der Bericht des Verfassungsschutzamtes über die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei entscheidet, der seinerseits einer gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich ist, weil den darin als verfassungsfeindlich bezeichneten Parteien ein Antragsrecht nach Art. 21 Abs. 2 GG nicht zugestanden wird (K. 172
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Art. 13
Stern, in Festg. BVfG, Bd. I, S. 200 m. w. N. in Fn. 23; allg. zum Problem: Thomas Schmidt, Die Freiheit verfassungswidriger Parteien und Vereinigungen, 1983). Davon abgesehen kann jedoch gar nicht genug darauf hingewiesen werden, daß die früher von allen, heute nur noch von einigen der Innenminister für richtig gehaltene sog. Regelvermutung der Verfassungsfeindlichkeit eines Bewerbers im Falle der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder in einem verfassungsfeindlichen Verein nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern im Grunde sogar allein verfassungskonform ist, weil sie die einzige Möglichkeit darstellt, die totale informatorische Persönlichkeitserforschung aller Bewerber, aber auch aller bereits tätigen Beamten, die in Anbetracht der Möglichkeiten der automatischen Datenverarbeitung und der durch sie heraufbeschworenen Gefahren auch in diesem Zusammenhang die größte Gefährdung der Freiheit und des Rechtsstaates darstellen dürfte, zu vermeiden oder doch aber zumindest auf ein Minimum zu beschränken (vgl. zu diesen Gefahren auch die eindringlichen Ermahnungen des Richters Pettiti vom E G M R in seinem Votum zum Urteil v. 2. 8.1984 Malone, EuGRZ 1985, S. 24 ff; Schwan, Leviathan 1984, S. 560 ff; derselbe, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, 1984, S. 141 ff, 174 ff; Preis, Bernd, Verfassungsschutz und öffentlicher Dienst; OVG Berlin, NJW 1978, S. 1644; recht instinktlos freilich BVwG, DÖV 1984, S. 510, m. Anm. v. Bäumler). Die (widerlegbare!) Regelvermutung stellt darum im Grunde das allein verfassungszugelassene „mildeste Mittel" im Sinne der verfassungsrechtlichen Übermaßverbotsgrundsätze dar, zumal da im Zweifelsfalle niemand ohne seinen Willen zu der Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein gelangt und der Betroffene es dann in der Hand hat, durch von ihm beherrschte (!) Informationspreisgabe den Gegenbeweis zu der Regelvermutung anzutreten (zu den rechtlichen Problemen der Informationssammlung und -Verarbeitung in der öffentlichen Verwaltung vgl. BVfGE 65,1 ff; Schwan, VwArch 1975,120 ff; ders. in: Hoffmann/Tietze/Podlech, Numerierte Bürger, S. 36 ff; ders. in: Burhenne/Perband, EDV-Recht, Kommentierung zu § 1 ff BDSG). Deutlicher noch als Art. 33 G G richtet sich Art. 3 gegen die 10 Parteipatronage, „der gefahrlichsten Form der eignungsblinden Personalauslese" (Isensee, aaO, S. 1164). Unzulässig ist sowohl die partei-paritätische wie die partei-einseitige Patronage. Das Kriterium der Parteizugehörigkeit unterfallt — abgesehen von dem Fall der verbotenen Partei — dem „Verbot eignungsfremder Maßstäbe". 173
Art. 14 11
Abschnitt II: Die Grundrechte
Anders als Art. 33 GG begrenzt Art. 13 die Grundrechtsträgerschaft jedoch nicht auf die Deutschen (BAG v. 6. 2.1980 - 5 AZR 848/77). Art. 13 findet darum auch auf Ausländer Anwendung. Auch diese haben einen Anspruch auf die Beachtung der Regeln, die Art. 13 für den Zugang zum öffentlichen Dienst aufstellt. Darin ist ein Verstoß gegen Art. 33 GG nicht zu erblicken, weil die Begrenzung der Grundrechtsträgerschaft auf Deutsche dort nicht dahin gedeutet werden darf, daß die Einstellungskriterien des Art. 33 GG bei Ausländern keine Rolle spielen dürfen. Art. 13 gilt darum neben Art. 33 GG fort — ungeachtet auch der Tatsache, daß diese Bestimmung möglicherweise kein Grundrecht im Sinne von Art. 142 GG darstellt (BVfGE 36, 342 ff; sowie Schenke, aaO, S. 71 f). Allerdings zählt die Staatsbürgerschaft nicht zu den durch das GG oder Art. 13 VvB für unverwertbar erklärten Differenzierungsmerkmalen. Es zählt weder zur „Heimat" noch zur „Herkunft" im Sinne von Art. 3 III GG und 13 VvB (K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 8 III 3). Im Rahmen der Eignungsprüfung darf daher durchaus auch auf die Staatsbürgerschaft abgestellt werden. Außerdem gehört es zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG), daß Beamte auf Lebenszeit zumindest grundsätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit haben müssen (vgl. § 4 BRRG sowie Schwerdtfeger, Teilgutachten Ausländerintegration, in: Verh. 53, DJT., Bd. I, Teil A, 1980, A72; Isensee, VVDStRL 32 (1974), S. 91 —96; Birkenheier, Wahlrecht für Ausländer, 1976, S. 87-89). Die Staatsbürgerschaft darf daher in diesem Zusammenhang, d. h. bei der Einstellung von Beamten, auch außerhalb der Eignungsprüfung Berücksichtigung finden. Insoweit steht Art. 13 in der Tat im Widerspruch zu Art. 33 V GG und wird darum nach Art. 31 GG gebrochen. Dies gilt jedoch nicht auch für Arbeiter und Angestellte. Art. 48 EWG-Vertrag (konkretisiert in der Verordnung der EWG Nr. 1612/68 v. 15. 10. 1968) findet grundsätzlich keine Anwendung, da dort der Bereich der öffentlichen Verwaltung (zum Begriff vergleiche aber EuGH - Urteil vom 3. 7.1986, Rs 66/85, EG-ABI. 1986, C 200/07, S. 6) ausdrücklich aus dem Gleichstellungsgebot ausgenommen ist (s. Abs. 4).
Artikel 14 Wer durch Krankheit, Alter oder aus anderen Ursachen in Not gerät, hat Anspruch auf Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln, sofern ein ausreichender Schutz durch die Sozialversicherung nicht gegeben ist. 174
Art. 15
Eigentum (Schwan) Materialien Vgl. Art. 125 III, 168 III, 171 BV; Art. 58 VHB
Erläuterungen Während Art. 12 I 3 einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstüt- 1 zung gewährt, räumt Art. 14 einen Anspruch auf Fürsorge bzw. Sozialhilfe, d. h. auf den notdürftigen Lebensunterhalt, ein. Der Vorschrift entspringen jedoch ebensowenig subjektive Rechte 2 wie derjenigen des Art. 12 13 VvB. Dies ergibt sich aus der völligen Unbestimmtheit der Art und Höhe dieses Anspruches. Vielmehr dürfte darin eine institutionelle Garantie (zu den ähnlichen Vorschriften der Art. 168 III, 171 BV vgl. auch Zacher, BayVfGH-Festschrift S. 95, 106 f, 121 m.w.N.; Meder, BV Art. 171, Rdn. 1; Starck in Festg. BVfG, Bd. II, S. 518 f; zur fehlenden Justiziabilität der sog. sozialen Grundrechte s. oben Vor Art. 6 Rdn. 42; Art. 6 Rdn. 12; Art. 12 Rdn. 1) des vorhandenen Sozialhilferechtes zu erblicken sein, die jedoch deswegen wenig rechtliche Relevanz genießt, weil der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz das BSHG erlassen hat und dieser natürlich nicht durch landesverfassungsrechtliche Einrichtungsgarantien gebunden ist (s. Vor Art. 6 Rdn. 12). Artikel 15 (1) Das Eigentum wird gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. (2) Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Materialien Art. 14 GG; Art. 103 I, 159 BV; Art. 13 VHB; Art. 45 HV; Art. 60 VRP; Art. 18, 51 VS
Erläuterungen Der Begriff des „Eigentums" ist mit demjenigen des GG identisch. 1 Das Landesgrundrecht unterscheidet sich in seinem Verbürgungsbereich daher nicht von dem Bundesgrundrecht (vgl. auch H. J. Papier, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 319 ff). 175
Art. 1 5
2
Abschnitt II: Die Grundrechte
Die Vorschrift gewährt ein subjektiv-öffentliches Freiheitsgrundrecht, das bereits auf der Ebene des Verfassungsrechtes garantiert ist und zu seiner Wirksamkeit daher keiner „Prägung" oder anderweitig regelnden Tätigkeit des einfachen Gesetzgebers bedarf (zur Prägungslehre: Vor Art. 6 Rdn. 40). Wenn der einfache Gesetzgeber das Eigentum regelt, dann handelt es sich dabei um „echte" Einschränkungen des Grundrechtes. Die Formulierung des in Art. 15 12 enthaltenen Einschränkungsvorbehaltes und die Benutzung des Begriffes „Inhalt" neben demjenigen der „Schranken" gestattet keine dahingehende Auslegung, daß es sich dabei nicht um „echte Einschränkungen" handele. (Zu Recht wirft Rupp, BVfG-Festgabe II, S. 368 f, dem Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang Begriffsjuristerei vor). Die Schrankenschranken (Vor Art. 6 Rdn. 49) finden daher sowohl auf die Einschränkungen nach Art. 15 12 (Inhaltsbestimmung) als auch auf diejenigen nach Art. 15 II (Enteignung) Anwendung. Art. 15 unterscheidet sich in dieser Beziehung überhaupt nicht von den anderen Freiheitsgrundrechten. 3 Art. 15 unterscheidet sich von den anderen Freiheitsgrundrechten jedoch dadurch, daß er das Eigentums-Freiheitsgrundrecht unter zwei verschiedene Einschränkungsvorbehalte stellt, die sich in ihrem tatbestandlichen Anwendungsbereich durch das Kriterium der Intensität voneinander unterscheiden. Es kann hier auf die gesamte Fülle von Literatur und Rechtsprechung zu den verschiedenen Abgrenzungstheorien für die Bestimmung der Grenze zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung verwiesen werden (Schweretheorie, Einzelaktstheorie, Zumutbarkeitstheorie, Privatnützigkeitstheorie etc.; vgl. statt vieler Dicke, in: Ingo von Münch, Grundgesetz, Band I, Art. 14, Rdn. 46; H. J. Papier, in Starck/Stern, Bd. III, S. 340 ff). 4 Daraus, daß Art. 15 VvB nicht auch eine dem Art. 14 II GG entsprechende Vorschrift enthält, ergibt sich kein Unterschied in der Sache, denn diese Vorschrift hat ohnehin nur deklaratorische Natur und bringt nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, die gleichermaßen auch auf die anderen Freiheitsgrundrechte zutrifft (so auch Doehring, S. 326 f). Jedenfalls aber begründet Art. 14 II GG keinen eigenständigen Einschränkungsvorbehalt, sondern diese Bestimmung ist allein als Richtlinie oder Direktive an den Gesetzgeber zu verstehen, der aufgrund des Art. 14 I 2 GG Inhalts- oder Schrankenbestimmungen vornimmt (Papier in Starck/Stern, Bd. III, S. 335). 5 Der Einschränkungsvorbehalt des Art. 15 II für Enteignungen unterscheidet sich von demjenigen des Art. 14 III GG zum einen dadurch, daß es dort heißt, daß Enteignungen „nur auf gesetzlicher Grundlage" vorgenommen werden dürfen, während nach Art. 14 III 176
Eigentum (Schwan)
Art. 15
GG eine solche „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes" erfolgen darf. Aus dieser Formulierung des GG hat das BVfG (E 24, 367, 402 f) bekanntlich die Zulässigkeit der konkret-individuellen sog. Legalenteignung gefolgert. Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung mit Art. 19 I 1 GG vereinbar ist, mit dem Berliner Recht dürfte sie jedenfalls nicht vereinbar sein; denn Art. 15 VvB gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Begriff der „gesetzlichen Grundlage" in dieser Bestimmung unter Durchbrechung des Prinzipes der Gewaltenteilung auch so verstanden werden kann, daß darunter auch konkret-individuelle Regelungen des Gesetzgebers fallen. Zum anderen unterscheidet sich Art. 15 VvB von Art. 14 GG auch 6 durch das Fehlen der sog. Junktimklausel; der Einschränkungsvorbehalt des Landesgrundrechtes ist also weniger qualifiziert als derjenige des Bundesgrundrechtes. Gleichwohl tritt das Landesgrundrecht weder außer Kraft, noch wird es auf das Niveau des Bundesgrundrechtes angehoben oder „ergänzt" (zur „Ergänzungslehre" vgl. Vor Art. 6, Rdn. 6, 10, 19, 20, sowie Domcke, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 311, 322 ff; Maunz, MDHS, Art. 142, Rdn. 18). Vielmehr ist die Rechtslage ganz einfach die, daß der Landesgesetzgeber durch das Landesgrundrecht zwar weniger gebunden ist, daß er dieses Maß der geringeren Bindung jedoch nicht voll auszuschöpfen vermag, weil er wegen Art. 1 III GG außerdem auch an die in diesem Fall strengeren Bindungen der Bundesgrundrechte gebunden ist. Da die VvB den einfachen Landesgesetzgeber nur freistellt, Enteignungen vorzunehmen oder zu gestatten, ihn jedoch nicht auch dazu verpflichtet, sind bei der Ausübung des damit eingeräumten gesetzgeberischen Ermessens auch diejenigen für ihn verbindlichen und, wenn man so will: spezielleren, Regelungen zu beachten, die das GG für solche Grundrechtseingriffe enthält. Das heißt, daß Enteignungen im Effekt auch nach Landesrecht nur unter der Beachtung der Junktimklausel des GG zulässig sind (vgl. dazu auch H. J. Papier, aaO, S. 344 ff, 351 f; Sachs, DÖV 1985, 469, 478; Isensee, DÖV 1978, 233, 236, 647; Jutzi, S. 60, 72 f, der dies jedoch aus der — hier abgelehnten, Vor Art. 6 Rdn. 6 — Ergänzungslehre folgert). Ähnlich wie bei Art. 14 GG ist es auch bei Art. 15 VvB durchaus 7 möglich, der Bestimmung im Wege der Auslegung neben dem dort geregelten subjektiv-öffentlichen Abwehrrecht die Rechtseinrichtungsgarantie des Privateigentums und die Lebenssachverhaltsgarantie des tatsächlichen Vorhandenseins von Privateigentum in genügender Relevanz (also auch an Produktionsmitteln) und Streuung zu entnehmen, nur dürfen diese institutionellen Deutungen des Grundrechtes dann natürlich nicht als Einschränkungsvorbehalte oder gar 177
Art. 15
Abschnitt II: Die Grundrechte
Einschränkungen der darin auch und vor allem enthaltenen subjektiven Abwehransprüche mißdeutet werden (vgl. dazu Vor Art. 6, Rdn. 21-26, 34). Im Falle der Deutung des Art. 15 VvB als Lebenssachverhaltsgarantie folgt daraus im übrigen die Unzulässigkeit einer durch Landesgesetz erfolgenden Sozialisierung (z. B. der Produktionsmittel), weil der Berliner Verfassung eine dem Art. 15 GG entsprechende Regelung fremd ist, die man als Spezialregelung zu der im Eigentumsgrundrecht (auch) enthaltenen Lebenssachverhaltsgarantie auslegen kann. Daran ändert auch die Existenz des Global-Gesetzesvorbehaltes im Art. 23 II nichts, denn abgesehen davon, daß dieser Gesetzesvorbehalt durch die speziellen des Art. 15 12 und II verdrängt wird, steht dem auch die Garantie des Grundgedankens der Grundrechte (Art. 23 II) entgegen. Diese ist, wie aaO (Rdn. 3 f) näher ausgeführt wird, dahin zu deuten, daß die gesellschaftliche Flächenwirkung einer Grundrechtsbestimmung nicht vernichtet werden darf. Auf die Eigentumsgarantie des Art. 15 bezogen heißt dies, daß die gesellschaftliche Einrichtung Privateigentum, d. h. das faktische Vorhandensein von Privateigentum auch und gerade an den ökonomisch wie politisch relevanten Eigentumsobjekten, nämlich an Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln, ungeachtet der Einschränkungsvorbehalte des Art. 15 VvB nicht durch Eingriffsmaßnahmen beseitigt werden darf. Darin liegt der eigentliche Sinn des Art. 15 GG, daß dem einfachen Bundesgesetzgeber auch solche Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 14 GG eröffnet werden, die an sich von der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG untersagt sind. Da es an einer entsprechenden Vorschrift in der VvB fehlt, ist der Landesgesetzgeber daran gehindert, die Eingriffsermächtigungen des Art. 15 über den Rahmen des Art. 23 Abs. 2 (Garantie des Grundgedankens) hinaus zu nutzen, und daran kann auch der Hinweis auf die „soziale Grundtendenz" der VvB nichts ändern (Sendler, ABl. Berlin, Nr. 14/ 1979; S. 510), denn abgesehen davon, daß diese, soweit sie sich auf das Eigentumsgrundrecht bezieht, nicht nur in den Einschränkungsvorbehalten des Art. 15, sondern auch im Verbot des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (Art. 16) sowie in der Mitbestimmungsregelung des Art. 17 ihre Kanalisierung und Fixierung gefunden hat, so daß auch von daher alles gegen einen darüber hinausgehenden „immanenten" Sozialisierungsvorbehalt spricht, geht es auch nicht an, sozusagen im Wege der Gesamtsicht der Verfassung die positivierte Schrankenschranke des Art. 23 Abs. 2 und damit letztlich das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip der grundsätzlich unbeschränkten Freiheit (s. Vor Art. 6 Rdn. 39) zu überspielen. Im übrigen: Wer mit 178
Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Schwan)
Art. 16
der wohl h. L. den Gedanken der institutionellen Grundrechtsdeutung nicht nur bei Art. 19 II GG und Art. 23 II VvB für verwertbar hält, sondern bereit ist, in der Eigentumsgarantie selbst, also in Art. 14 GG bzw. 15 VvB, die institutionelle Absicherung des Privateigentums anzusiedeln, der muß nicht nur den Landesgesetzgeber als daran gehindert erachten, Sozialisierungsmaßnahmen der in Art. 15 GG genannten Art zu treffen, sondern der muß auch der übrigen Landesstaatsgewalt entgegentreten, wenn sie den Versuch unternehmen sollte, diesen Zustand auf „kaltem Wege" vermittels des Aufkaufens allen Grund und Bodens, der Naturschätze oder der Produktionsmittel herbeizuführen. Sozialisierungsmaßnahmen sind darum stets nur im Rahmen des Art. 15 GG und aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen zulässig (s. auch Vor Art. 6 Rdn. 25). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sozialisierungsmaßnahme die Garantie des Grundgedankens des Eigentumsrechtes (Art. 23 II) verletzt.
Artikel 16 Jeder Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist widerrechtlich. Insbesondere stellen alle auf Produktions- und Marktbeherrschung gerichteten privaten Monopolorganisationen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht dar und sind verboten. Materialien
Art. 151 II, 156 BV; Art. 41 VHB; Art. 39 HV; Art. 44 VS.
Erläuterungen Fraglich ist, ob die Vorschrift lediglich einen Programmsatz oder 1 unmittelbar geltendes Recht (so Landsberg/Goetz, S. 69) enthält. Wenn sie unmittelbar geltendes Recht enthalten sollte, ist weiter fraglich, ob es sich dabei (nur) um einen verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt oder (sogar) um die Eingrenzung (Zurücknahme) des Verbürgungsbereiches vor allem des Eigentumsgrundrechtes aus Art. 15 handelt. Angesichts der Unbestimmtheit der Regelung und des allgemeinen, auch für die Auslegung der Berliner Grundrechte gültigen Interpretationsprinzips „in dubio pro libertate" (Vor Art. 6 Rdn. 39) wird man zumindest bei Satz 1 das erstere annehmen müssen. 179
Art. 1 7
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Abschnitt II: Die Grundrechte
Im übrigen ist diese Bestimmung aber auch durch höherrangiges Bundesrecht (GWB), das der Bundestag im Rahmen seiner Kompetenz (Art. 74 Nr. 16 GG) mit Wirkung auch für die Landesstaatsgewalt erlassen hat, obsolet geworden (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 12; sowie H. J. Papier, in: Starck/Stem, Bd. III, S. 358 f).
Artikel 17 Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten in Wirtschaft und Verwaltung ist durch Gesetz zu gewährleisten. Materialien Art. 175 BV; Art. 47 VHB; Art. 37 HV; Art. 26 VNRW; Art. 70 VRP.
Erläuterungen 1
Die Vorschrift enthält einen Auftrag zur Regelung an den Landesgesetzgeber, den dieser jedoch nur im Rahmen der ihm nach dem GG zustehenden Regelungskompetenz zu erfüllen vermag. Diese steht für die Mitbestimmung in der Wirtschaft nicht dem Lande, sondern dem Bunde zu, der davon durch Gesetz vom 4. Mai 1976 (BGBl. I, S. 1153) Gebrauch gemacht hat, das vom BVfG (E 50, 290) als verfassungskonform anerkannt worden ist. Zu den daraus folgenden Konsequenzen s. Vor Art. 6 Rdn. 12 f. Dem Landesgesetzgeber obliegt lediglich die Regelung der Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten (Art. 17 spricht nicht auch von den Beamten) in der Verwaltung, mit der offensichtlich die öffentliche Verwaltung gemeint ist. Er hat diesem Auftrag durch Erlaß des Personalvertretungsgesetzes vom 26. Juli 1974 (GVB1. S. 1669) und dem Gesetz über die Eigenbetriebe des Landes Berlin vom 11. 12. 59 (GVB1. S. 1229 mit letzter Änd. GVB1. 1973, S. 1017) entsprochen. Gegen die 1973 für die Eigenbetriebe eingeführte paritätische Mitbestimmung (vgl. § 6 EigG), die nicht nur eine betriebliche, d. h. eine auf die Gestaltung und den Schutz des Arbeitsplatzes im Betrieb gerichtete, sondern eine unternehmerische sein soll, die auf die wirtschaftlichen Entscheidungen Einfluß nimmt (vgl. die in § 7 EigG geregelten Aufgaben des Verwaltungsrats), sind verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Demokratieprinzip geltend gemacht 180
Mitbestimmung (Schwan)
Art. 1 7
worden (vgl. Obermayer, Mitbestimmung in der Kommunal Verwaltung, 1973, S. 50, 54; BVfGE 9, S. 268). Die Bedenken greifen jedoch nicht durch, weil dem SvB, der selbst unmittelbarer parlamentarischer Kontrolle unterliegt, das Letztentscheidungsrecht gem. § 8 IV 3 EigG überlassen ist; zu diesem Ersatzbeschlußfassungsrecht des SvB (anstelle des Verwaltungsrats) kommt es, sofern das zuständige Mitglied des SvB Beschlüsse des Verwaltungsrats — mit aufschiebender Wirkung, § 8 I 1 EigG — beanstandet, weil eine Entscheidung oder auch Nichtentscheidung des Verwaltungsrats das öffentliche Interesse beeinträchtige. Dabei liegt eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses immer, aber nicht nur dann vor, wenn ein Beschluß oder Nichtbeschluß des Verwaltungsrats rechtswidrig ist (im Ergebnis so auch OLG Bremen NJW 1977, 1156 m. w. N. gegen Vorinstanz LG Bremen NJW 1976, 333; ebenso Art. 50, Rdn. 25). Grundrechtstechnisch enthält die Bestimmung einen verfassungs- 2 anordnenden Einschränkungsvorbehalt für die Einschränkung insbesondere des Grundrechtes aus Art. 15. Zum Problem der Mitbestimmung allgemein: Krieger, Mitbestimmung und Grundgesetz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 1984, S. 697 ff.
Artikel 18 (1) Alle Männer und Frauen haben das Recht, sich zu gesetzlich zulässigen Zwecken friedlich und unbewaffnet zu versammeln, sowie Vereinigungen und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen dürfen keine Zwecke verfolgen oder Maßnahmen treffen, durch welche die Erfüllung von Aufgaben verfassungsmäßiger Organe und öffentlich-rechtlicher Verwaltungskörper gefährdet wird. (3) Das Streikrecht ist gewährleistet. Materialien 1. Zu I (Versammlungsfreiheit): Art. 8 I GG; Art. 113 BV; Art. 16 VHB; Art. 14 HV; Art. 12 VRP; Art. 6 VS 2. Zu I (Vereinigungsfreiheit): Art. 9 I GG; Art. 114 BV; Art. 17, 48 VHB; Art. 15 HV; Art. 13, 66 VRP; Art. 7, 56 VS 3. Zu II (verfassungswidrige Vereinigungen): Art. 9 II GG; Art. 133 VRP; Art. 8 VS 181
Art. 1 8
Abschnitt II: Die Grundrechte
4. Zu III (Streikrecht): Art. 9 III GG; Art. 51 VHB; Art. 29 HV; Art. 66 VRP; Art. 56 VS
Erläuterungen Die Vorschrift enthält drei verschiedene Freiheitsgrundrechte (Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Streikrecht), die im GG z. T. in besonderen Vorschriften geregelt sind (Art. 8, 9 GG). Vgl. auch Art. 11 EMRK, der im Range eines einfachen Bundesgesetzes gilt, so daß die Berliner Grundrechte auch den dort getroffenen Regelungen nicht widersprechen dürfen (s. Vor Art. 6 Rdn. 12). 2 Die Versammlungsfreiheit unterscheidet sich in der Formulierung der Verbürgung von derjenigen des GG (Art. 8) in sachlicher Beziehung dadurch, daß die Freiheit vom Anmelde- und Erlaubniszwang nicht ausdrücklich erwähnt wird. Dies bewirkt jedoch keinen Unterschied in der Sache, denn selbstverständlich stellt der Anmelde- und Erlaubniszwang einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit auch dann dar, wenn dies im Text der grundrechtlichen Regelung nicht ausdrücklich angesprochen wird. 3 In personeller Beziehung spricht Art. 18 von „allen Männern und Frauen", während Art. 8 GG das Versammlungsfreiheitsrecht „allen Deutschen" garantiert. Die Verbürgung des Berliner Grundrechtes reicht in dieser Beziehung also weiter als diejenige des entsprechenden Bundesgrundrechtes, weil es auch die Ausländer schützt (ebenso: Art. 11 EMRK). Im Effekt bewirkt jedoch auch dies keinen Unterschied, denn auch nach Bundesrecht sind die Ausländer hinsichtlich der Versammlungsfreiheit grundrechtlich keineswegs ungeschützt. Sie genießen zwar nicht den Schutz des Spezialgrundrechtes aus Art. 8 GG, wohl aber denjenigen des Auffang-Freiheitsgrundrechtes aus Art. 21 GG (BVfG, NJW 1974, S. 227; Isensee, VVDStRL 32, S. 103; Zuleeg, DÖV 1973, 361, 368; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechtes, 1970, S. 83; ders., JuS 1976, 345, 350; a.A. Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer in der Bundesrepublik, 1972, S. 60 ff; ders., NJW 1974, 1043 f; Schwabe, NJW 1974, 1044 04 Unter einer „Versammlung" im Sinne des Art. 18 ist ebenso wie bei Art. 8 GG das bewußte und gewollte Zusammensein mindestens zweier Personen an einem Ort zum Zwecke der Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes, der keineswegs ein „politischer" zu sein braucht, zu verstehen (vgl. Herzog, MDHS, Art. 8, Rdn. 39 ff; vgl. auch Vor Art. 6 Rdn. 20). 1
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Versammlungsfreiheit (Schwan)
Art. 18
Die Versammlung muß ebenso wie bei Art. 8 GG „friedlich und 5 unbewaffnet" sein. Auch in dieser Beziehung unterscheidet sich das Landesgrundrecht nicht von dem Bundesgrundrecht (wohl aber von der EMRK — Art. 11 —, die auch die bewaffneten Versammlungen unter ihren Schutz stellt). Es kann daher auch insoweit auf die Kommentierungen zu Art. 8 GG verwiesen werden (vgl. z. B. Herzog, aaO, Rdn. 51 ff). Es ist dabei jedoch vor dem logischen Fehler zu warnen, auf den Wilhelm Hofacker, Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, 1926, bereits im Zusammenhang mit der WRV aufmerksam gemacht hat: „Wenn in Art. 123 Abs. 1 WRV gesagt ist, daß alle Deutschen das Recht haben, sich unbewaffnet zu versammeln, so ist damit allein nichts darüber gesagt, ob und unter welchen Umständen bewaffnete Versammlungen verboten sind." Diese genießen auf der Ebene des GG den Schutz des Auffangfreiheitsgrundrechtes aus Art. 2 I GG, und dies gilt gleichermaßen auch für die unfriedlichen Versammlungen. Geschützt sind nach Art. 18 jedoch — anders als nach Bundesrecht 6 — lediglich Versammlungen „zu gesetzlich zulässigen Zwecken". In dieser Formulierung verbirgt sich nicht ein negatives Tatbestands-, d. h. hier: Verbürgungsmerkmal, sondern ein einfacher Gesetzesvorbehalt, der freilich neben dem Global-Gesetzesvorbehalt des Art. 23 Abs. 2 VvB an sich überflüssig ist. Die Einschränkbarkeit reicht nach Berliner Recht bei den Versammlungen, die nicht „unter freiem Himmel" (vgl. Art. 8 II GG) stattfinden, somit zwar erheblich weiter als nach dem GG, daraus folgt jedoch nicht, daß der Berliner Einschränkungsvorbehalt insoweit aufgehoben oder „gebrochen" wird (Art. 31 GG), sondern nur, daß er wegen der aus Art. 1 III GG folgenden „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" nicht in Anspruch genommen werden darf. Außerdem ist wegen des Vorranges der mit dem Range eines einfachen Bundesgesetzes geltenden EMRK die Einschränkung der Versammlungsfreiheit auch nur bei Vorliegen der Voraussetzungen zulässig, die sich aus dem qualifizierten Einschränkungsvorbehalt des Art. 11 II EMRK ergeben (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 120Die Verbürgung der Vereinigungsfreiheit entspricht in sachlicher 7 Beziehung derjenigen des Art. 9 I GG. Sie umfaßt auch die in Art. 9 III GG speziell geregelte Koalitionsfreiheit einschließlich deren negativer Komponente, jedoch ohne die in Art. 9 III Satz 2 GG enthaltene Anordnung der unmittelbaren Drittwirkung. In personeller Beziehung reicht sie weiter, weil sie sich auch auf Ausländer erstreckt, die nach Bundesrecht lediglich den Schutz des Art. 2 I GG genießen. 183
Art. 18 8
Abschnitt II: Die Grundrechte
Entgegen der zu Art. 9 I und III GG vertretenen — wohl — h. L. bezieht sich nach hier vertretener Ansicht das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nicht auf einen vom Gesetzgeber geschaffenen oder noch zu schaffenden Inbegriff von Normen, auf eine „verfaßte" Freiheit also, sondern auf die „natürliche" Freiheit, sich mit anderen natürlichen oder juristischen Personen für längere Zeit freiwillig zusammenzuschließen und sich dabei einer organisierten oder zu organisierenden Willensbildung zu unterwerfen (vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 VereinsG, sowie Scholz in: MD, Art. 9, Rdn. 36). Es wird hier also sowohl die sog. „Prägungslehre" wie auch die institutionelle Deutungsweise der Vereinigungsfreiheit abgelehnt (vgl. dazu Vor Art. 6 Rdn. 34, 37). Die Tatsache, daß die Vereinigungsund die Koalitionsfreiheit nach Bundesrecht nicht unter einem ausdrücklichen Einschränkungsvorbehalt stehen, wenn man von den Regelungen des Art. 9 II und III 3 GG einmal absieht, rechtfertigen nicht die tatbestandliche Umdeutung des Freiheitsbegriffes in eine gebundene Freiheit und damit die Preisgabe des grundsätzlichen rechtsstaatlichen Verteilungsprinzipes, nach der die Freiheit prinzipiell unbegrenzt, deren Beschränkung jedoch stets begrenzt ist (dazu: Vor Art. 6 Rdn. 39). Die Tatsache, daß sich ein Teil der notwendigen Eingriffe in die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nicht bei den ausdrücklichen oder nicht ausdrücklichen Einschränkungsvorbehalten des GG unterbringen läßt, erlaubt dem Interpreten nicht eine derartige Umdeutung des Tatbestandes der grundrechtlichen Verbürgung, vielmehr ist in diesen Fällen ein Appell an den verfassungsändernden Gesetzgeber geboten, damit dieser die von der Rechtswirklichkeit geforderten Einschränkungsmöglichkeiten durch Einfügung eines entsprechenden Einschränkungsvorbehaltes in das GG legalisiert. 9 Art. 18 II ähnelt Art. 9 II GG. Ebenso wie dieser und anders als z. B. Art. 114 II der BV enthält er einen verfassungsanordnenden Einschränkungsvorbehalt. Der Exekutive steht nach hier vertretener Auffassung also kein Ermessen beim Vollzug des Art. 18 II (und Art. 9 II GG) zu, wenn dessen Tatbestand erfüllt ist (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 15; Art. 13 Rdn. 9). Der Tatbestand des Art. 18 II reicht freilich zumindest z. T. weiter als derjenige des Art. 9 Abs. 2 GG, so daß nach Art. 18 II weitergehende Eingriffe zugelassen und sogar geboten sind als nach Bundesrecht. Darüber hinaus dürfte die Vorschrift des Art. 18 II im Verhältnis zu dem Global-Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II keine abschließende Regelung enthalten, so daß weitergehende Eingriffe durch Art. 18 II nicht ausgeschlossen werden. Der Sinn des Art. 18 II liegt allein darin, das dem Gesetzgeber nach Art. 23 II 184
Versammlungsfreiheit (Schwan)
Art. 18
zustehende Ermessen in der Frage des „Ob" und „Wie" der Einschränkung in gewissen Fällen auszuschließen. Während Art. 9 II GG solche Vereinigungen verbietet, deren Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verbietet Art. 18 II solche Vereinigungen, deren Zwecke oder Maßnahmen die Erfüllung von Aufgaben verfassungsmäßiger Organe und öffentlich-rechtlicher Verwaltungskörper gefährden. Damit gebietet die VvB ein „Mehr" an Einschränkungen als das GG. Dieses „Mehr" an Einschränkungen würde jedoch nur dann gemäß Art. 31 GG „gebrochen" werden, wenn das GG insoweit eine Einschränkungsmöglichkeit nicht eröffnet. Ob dies der Fall ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, weil das in Anbetracht des Fehlens eines ausdrücklichen hierauf passenden Einschränkungsvorbehaltes bei Art. 9 GG eine Auseinandersetzung mit der noch völlig ungeklärten Frage nach der Existenz und dem Verlauf der sog. immanenten Grenzen der (Bundes-)Grundrechte erfordern würde, die den Rahmen der vorliegenden Kommentierung ganz erheblich sprengen würde (vgl. dazu Vor Art. 6 Rdn. 38, 39). Auf jeden Fall hat der die Vereinigungsfreiheit einschränkende Landesgesetzgeber auch die Qualifikationen des Einschränkungsvorbehaltes des Art. 11 II EMRK zu beachten (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 12 ff). Bei den Berliner Grundrechten ist die — zweifelhafte — Konstruktion solcher immanenter Grenzen wegen des globalen Einschränkungsvorbehaltes des Art. 23 Abs. 2 entbehrlich. Das in Art. 18 III gewährleistete Streikrecht hat im GG keine 10 ausdrückliche Entsprechung. Es wird von der h. L. als in der Garantie der Koalitionsfreiheit enthalten angesehen (vgl. statt vieler v. Münch, GG, Art. 9 Rdn. 46; Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968, S. 42 fi). Eine Mindermeinung will das Streikrecht beim Auffangfreiheitsgrundrecht des Art. 2 I GG verorten. Es handelt sich dabei um ein Freiheitsrecht, das nach hier vertrete- 11 ner Ansicht genau wie alle anderen Freiheitsrechte nicht irgendeine „verfaßte" oder gar „noch zu verfassende Freiheit" (bisher fehlt es bekanntlich an einer Kodifizierung des Arbeitskampfrechtes) schützt, sondern die „natürliche" Freiheit der Arbeitsniederlegung. Schutzobjekt des Streikrechtes ist also nicht ein vom Gesetzgeber erst noch zu „prägendes" oder zu „organisierendes" (so aber Lerche, aaO, S. 3 7 ff) Rechtsinstitut, sondern eine bestimmte Art auf der Verbürgungsebene rechtlich (noch) völlig unbegrenzter menschlicher Verhaltensweise, und die einfachen Gesetze, die das Streikrecht regeln, 185
Art. 18
Abschnitt II: Die Grundrechte
haben weder „prägende" noch „organisierende" Funktionen, sondern sie sind Eingriffsgesetze und haben sich folglich an allen Schrankenschranken messen zu lassen (zur Prägungslehre: Vor Art. 6 Rdn. 37). 12 Freilich schützt Art. 18 III nur das arbeitsrechtliche Streikrecht der Arbeiter und Angestellten, nicht also auch dasjenige der Beamten (Schenke, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 84; W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1970; zahlr. w. N. bei K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 11 IV 3 a) und den sog. polltischen Streik i. S. d. vom BAG entwickelten Rspr. (vgl. dazu Scholz in: MD, Art. 9, Rdn. 322) und darüber hinaus auch nur den gewerkschaftlichen, nicht auch den sog. „wilden Streik" (vgl. Scholz, aaO, Rdn. 323). Deshalb läßt sich der Begriff des Streikes dahin definieren, daß darunter zu verstehen ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte Arbeitseinstellung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb eines Berufes oder Betriebs, um dadurch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere in bezug auf Lohn und Arbeitszeit, zu erreichen, und zwar mit dem Willen zur Fortsetzung der Arbeit nach Erreichung des Kampfzieles oder nach Beendigung des Arbeitskampfes. 13 Das Streikrecht aus Art. 18 III steht unter dem einfachen, globalen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II. Es ist also im Rahmen der Schrankenschranken beliebig einschränkbar. In dieser Beziehung unterscheidet es sich von dem bundesrechtlichen Streikrecht dann nicht, wenn man dieses mit der oben erwähnten Mindermeinung bei Art. 2 I G G verortet, denn im Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung" des Art. 2 I GG verbirgt sich bekanntlich ein allgemeiner, d. h. einfacher, nichtqualifizierter Rechtssatzvorbehalt (vgl. BVfGE6, S. 32 ff). Leitet man das Streikrecht jedoch mit der h. L. aus der in Art. 9 III GG garantierten Koalitionsfreiheit ab, dann ist auch der Berliner Gesetzgeber wegen der aus Art. 1 III GG abzuleitenden „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" daran gehindert, den Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II VvB voll auszuschöpfen; denn Art. 9 III G G ist wegen des Fehlens eines ausdrücklichen Einschränkungsvorbehaltes nur beschränkt einschränkbar. 14 Das Streikrecht des Art. 18 III hat zweifelsohne unmittelbare Drittwirkung, d. h., es garantiert die Streikbefugnis nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber „Staat", sondern auch gegenüber anderen, privaten Arbeitgebern. In dieser Beziehung stellt es zugleich eine Einschränkung der dadurch betroffenen Grundrechte der Arbeitgeber dar. 186
Art. 19
Recht auf Wohnraum (Schwan)
Artikel 19 (1) Jedermann hat das Recht auf Wohnraum. (2) Der Wohnraum ist unverletzlich. Eine Durchsuchung darf nur auf richterliche Anordnung erfolgen oder bei Verfolgung auf frischer Tat durch die Polizei, deren Maßnahmen jedoch binnen 48 Stunden der richterlichen Genehmigung bedürfen. Materialien 1. Zu I (Recht auf Wohnraum): Art. 106 I, 125 III BV; Art. 14 VHB 2. Zu II (Unverletzlichkeit der Wohnung): Art. 13 GG; Art. 106 III BV; Art. 14 VHB; Art. 8, 19 HV; Art. 7 VRP; Art. 16 VS
Erläuterungen Abs. 1 garantiert das soziale Grundrecht auf Zurverfügungstellung 1 von Wohnraum. Freilich ist dieses Grundrecht kein „echtes" Grundrecht, jedenfalls nicht in dem Sinne, daß der einzelne daraus ein subjektives Teilhaberecht ableiten könnte. Vielmehr enthält die Vorschrift lediglich einen Programmsatz bzw. eine Staatszielbestimmung, durch den die Staatsgewalt darauf festgelegt wird, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß jedermann ein Dach über dem Kopfe hat (so z. B. auch Zacher, BayVfGH-Festschrift, 1972, S. 125, m. w. N., und Meder, Art. 106 BV, Rdn. 1; BayVfGH 15, 49, 52 ff, zu Art. 106 III BV; s. dazu auch Rüfner, in: Starck/Stern, Bd. III, S. 266; zur fehlenden Justiziabilität der sozialen Grundrechte vgl. im übrigen Vor Art. 6 Rdn. 42 sowie Art. 6 Rdn. 12; Art. 12 Rdn. 1). Abs. 2 garantiert dagegen ein echtes Grundrecht im Sinne eines 2 ohne jede weitere Voraussetzung vor Gericht einklagbaren subjektiven Rechtes auf Freiheit vor staatlichen Eingriffen in die eigene Wohnung, sofern diese nicht durch einen passenden Einschränkungsvorbehalt (dazu: Vor Art. 6 Rdn. 48) und durch eine Eingriffsermächtigung gedeckt sind, die nicht gegen eine der Schrankenschranken dieses Grundrechtes verstößt (dazu: Vor Art. 6 Rdn. 49). Der Begriff „Wohnraum" ist identisch mit demjenigen der „Woh- 3 nung" in Art. 13 I GG (vgl. dazu BVfGE 32, S. 54). Er hat in § 24 I 2 des Berliner ASOG eine mit der Verfassung übereinstimmende Legaldefinition erhalten. Danach sind darunter zu verstehen: alle Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum. 187
Art. 19 4
Abschnitt II: Die Grundrechte
Auch hinsichtlich der Verbürgungserstreckung in personeller Beziehung weist das Berliner Grundrecht gegenüber dem Grundrecht des GG keine Besonderheiten auf. Hier wie dort ist z. B. die zivilrechtliche Berechtigung des Besitzes nicht Voraussetzung der Grundrechtsträgerschaft (zu den Problemen des Art. 13 G G vgl. Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, 1968; Dagtoglou, JuS 1975, 753; Amelung/Schall, JuS 1975, 565). 5 Ganz erhebliche Unterschiede bestehen jedoch bei der Regelung der Einschränkungsvorbehalte. Während Art. 19 II VvB unter dem globalen und einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II steht, der lediglich für „Durchsuchungen" durch die Spezialregelung des Art. 19 II 2 partiell verdrängt wird, steht die Wohnungsfreiheit des Art. 13 GG unter einem System sehr komplizierter und im Ergebnis wenig geglückter qualifizierter Einschränkungsvorbehalte (vgl. dazu Schwan, DÖV 1975, S. 661). Soweit die VvB weitergehende Einschränkungsmöglichkeiten eröffnet, ist die Rechtslage einfach: Der Berliner Gesetzgeber ist wegen der „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" (Art. 1 III GG s. Vor Art. 6 Rdn. 2 f) daran gehindert, diese auszuschöpfen, und dies gilt wegen Art. 31 GG auch für die im Range eines einfachen Bundesgesetzes geltende EMRK, die das Grundrecht auf Achtung der Wohnung (Art. 8) gleichfalls unter ein System qualifizierter Einschränkungsvorbehalte stellt, das der Berliner Gesetzgeber nicht zu sprengen vermag (s. Vor Art. 6 Rdn. 12). Höchst zweifelhaft ist darum die Regelung in § 24 Abs. 3 und 4 ASOG, die gewisse Räumlichkeiten des Schutzes des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit der Wohnung praktisch völlig entkleidet, indem sie das jederzeitige Betreten dieser Räume auch ohne jedweden Anlaß gestattet. Es sind dies nach § 24 Abs. 3: a) Wohnungen, in denen erfahrungsgemäß Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, b) Wohnungen, in denen sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, c) Wohnungen, in denen Straftäter sich verstecken, d) Wohnungen, die der Prostitution dienen. Nach § 24 Abs. 4 gilt dies ferner für: e) Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, f) Grundstücke, g) andere Räume, sofern diese entweder der Öffentlichkeit zugänglich sind oder den Anwesenden zum weiteren Aufenthalt zur Verfügung stehen. In diesem Falle dürfen auch die unter e — g genannten Räume während der 188
Recht auf Wohnraum (Schwan)
Art. 19
Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeit ohne jeden Anlaß betreten werden. Angesichts der Tatsache, daß Art. 13 Abs. 3 GG Eingriffe in die Wohnungsfreiheit, die nicht die Qualität einer Durchsuchung haben, nur zum Zwecke der Verhütung einer „dringenden Gefahr" für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zuläßt, und angesichts der weiteren Tatsache, daß unter „dringenden Gefahren" solche zu verstehen sind, die wertvollen Rechtsgütern drohen, wo der Schaden, wenn er eintreten würde, also ein erheblicher sein müßte (Schwan, DÖV 1975, S. 666), stellt sich die Frage, ob es in der Befugnis des Landesgesetzgebers liegt, bei den o. g. Räumen der Polizei und den Ordnungsbehörden Blankovollmachten zum jederzeitigen Betreten ohne Anlaß zu erteilen. Zwar wird man bei den unter a und c genannten Räumen die Diagnose des Gesetzgebers, daß dort „dringende Gefahren" im Sinne des Art. 13 III GG vorliegen, akzeptieren können. Bei sämtlichen anderen Räumen ist dies jedoch nicht der Fall, und darum geht es auch nicht an, daß der Gesetzgeber diese ungeachtet der Tatsache, daß Art. 13 GG die Schwelle für die Eingriffe in die Wohnungsfreiheit gegenüber der WRV angesichts der Erfahrungen im sog. Dritten Reich anheben wollte, zu juristischen Freistätten für die Polizei und die Ordnungsbehörden umgestaltet. Als Kuriosum und wohl auch als Ausweis mangelnder Handwerkskunst beim Gesetzgeber darf man im übrigen die Tatsache werten, daß der Gesetzgeber mit § 24 Abs. 4 ASOG sogar auch die privaten Wohnungen für die „Aufenthaltszeit" zu solchen Freistätten umzufunktionieren versucht hat, denn unter den „anderen Räumen" im Sinne dieser Vorschrift wird man in Anbetracht der Legaldefinition des Begriffes Wohnung in § 24 I 2 ASOG nach Abzug der Grundstücke (oben f) sowie der Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume (oben e) wohl nur noch die privaten Wohn- und Nebenräume verstehen können. Auch wenn die in § 24 III, IV ASOG getroffenen Regelungen in Art. 23 II VvB einen passenden Einschränkungsvorbehalt finden mögen, so lassen sie sich doch nicht mit Art. 13 GG vereinbaren. Die „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" bewirkt den Schutz, den die VvB — möglicherweise — nicht zu bieten vermag. Einfach ist im Prinzip auch die Rechtslage in dem umgekehrten Fall: Soweit die VvB die nach dem GG bestehenden Einschränkungsmöglichkeiten zusätzlich beschneidet, gilt für den Berliner Gesetzgeber die engere bürgerfreundlichere Regelung der Berliner Verfassung. Das gleiche gilt auch für die Berliner Exekutive, sofern diese nicht aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung tätig wird, die die Regelung des Art. 19 VvB verdrängt (vgl. dazu Vor Art. 6 Rdn. 12ff, 189
Art. 19
Abschnitt II: Die Grundrechte
16, 25). Dies gilt jedoch nicht auch für die Kodifikationsklausel in §6 EStPO (s. Art. 9 Rdn. 16; Art. 11 Rdn. 7). Das Grundrecht aus Art. 19 VvB gilt darum für die Behörden des Landes Berlin auch beim Vollzug der StPO. Es steht in Idealkonkurrenz zu dem Grundrecht aus Art. 13 GG. 6 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Sonderregelung des Einschränkungsvorbehaltes für Durchsuchungen (Abs. 2 Satz 2). Diese unterscheidet sich von der entsprechenden Regelung des Art. 13 II GG in viererlei Beziehungen: a) Einmal dadurch, daß der Ausnahmefall, in dem ausnahmsweise das Erfordernis eines vorherigen richterlichen Durchsuchungsbefehles nicht besteht, statt mit dem Begriff „Gefahr im Verzuge" (so Art. 13 II GG) mit demjenigen der „Verfolgung auf frischer Tat" umschrieben wird. b) Zum anderen dadurch, daß nach der Formulierung des Art. 19 VvB in diesem Ausnahmefall die Polizei zuständig für die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung ist, während das GG allgemein von den „in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organen" spricht. c) Weiter dadurch, daß die VvB in diesem Ausnahmefall anders als das GG die nachträgliche richterliche Genehmigung binnen 48 Stunden verlangt. d) Schließlich dadurch, daß nur im GG vorgesehen ist, daß die Durchsuchung in dem Ausnahmefall nur in der im Gesetz vorgeschriebenen Form durchgeführt werden darf. Der zuletzt genannte Unterschied (d)) ist nur ein solcher in der Formulierung, nicht auch ein solcher in der Sache; denn daß die in den Gesetzen enthaltenen Formvorschriften beachtet werden müssen, ist eine Selbstverständlichkeit, die schon aus dem Vorrang des Gesetzes folgt (Art. 20 III GG) und daher bei Art. 13 nicht noch einmal erwähnt zu werden brauchte. Die entsprechende Formulierung hat einen lediglich deklaratorischen Charakter, ihr Fehlen in der VvB daher keine Rechtsfolgen. Sehr viel schwieriger ist die Beurteilung der Rechtsfolgen, die sich aus den unter a) bis c) genannten Unterschieden ergeben: 7 Eine Möglichkeit der Lösung der damit aufgeworfenen Rechtsprobleme ist die der einengenden Interpretation des Durchsuchungsbegriffs, denn dadurch würde Raum geschaffen für die Anwendung des einfachen Gesetzesvorbehaltes des Art. 23 II VvB. Je enger der Begriff der „Durchsuchung" ausgelegt wird, desto schmaler ist der Bereich, in dem sich die besonderen Probleme der Regelung des Art. 19 II 2 VvB stellen. 190
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Art. 19
Zu denken wäre dabei etwa daran, den Begriff der „Durchsuchung" unter Orientierung an dem Endzweck, zu dem der Eingriff erfolgt, dahin auszulegen, daß darunter nur diejenigen zu verstehen sind, die zum Zwecke der Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgung erfolgen, wie dies die vor noch gar nicht so langer Zeit h. L. zu Art. 13 II GG in der Tat getan hat (OLG Braunschweig, DVB1. 1952, S. 533; von Mangoldt/Klein, Art. 13 GG, Anm. IV 2, S. 402; Kern, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte Band II, S. 104; w. Nachw. b. Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 53, Fn. 3 und 4). Immerhin scheint der Begriff der „Verfolgung auf frischer Tat" auf den ersten Blick eine gewisse Affinität zu dem Zweck der Strafverfolgung und demjenigen der Ordnungswidrigkeitenverfolgung aufzuweisen und deutet zudem die Erwähnung allein der Polizei in der Bestimmung des Art. 19 II 2 VvB scheinbar in eine ähnliche Richtung. Bei genauerer Betrachtung erweist sich jedoch, daß dies nicht die richtige Auslegung des Begriffes der „Durchsuchung" sein kann (so auch zu Art. 13 Abs. 2 GG die nunmehr h. L. vgl. BVwGE 28, 285, 288; Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 56 ff; OVG Berlin, JR 1973, S. 388). Zunächst ist es schon nicht zutreffend, daß eine „Verfolgung auf frischer Tat" immer nur bei der Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgung möglich ist. Z. B. bei der Gefahrenabwehr kann sehr wohl auch eine „Verfolgung auf frischer Tat" möglich und erforderlich sein. Sodann deutet aber auch die Erwähnung der Polizei in Art. 19 II 2 keineswegs zwingend dahin, daß mit „Durchsuchung" im Sinne dieser Vorschrift nur die zu Zwecken der Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung erfolgende gemeint sein kann; denn die Polizei hat nach deutscher Rechtstradition seit je nicht nur die Aufgabe der Strafverfolgung zu erfüllen gehabt, sondern auch diejenige der Gefahrenabwehr. Wenn sich überhaupt Rückfolgerungen aus der Erwähnung der Polizei in dieser Vorschrift auf die Auslegung des Begriffes der „Durchsuchung" ziehen lassen sollten, so dürfte dabei diese Doppelfunktion der Polizei doch nicht außer Betrachtung gelassen werden. Im übrigen ist die Bestimmung des Art. 19 II 2 VvB aber auch offensichtlich Ausdruck des Mißtrauens, das der Verfassungsgeber gegenüber der Behörde „Polizei" empfunden hat und das aus seinem Erleben der vor allem von dieser Behörde begangenen Rechtsbrüche in sog. Dritten Reich resultiert. In dieser Beziehung steht Art. 19 II 2 VvB in Gesinnungsgemeinschaft mit Art. 9 II und III VvB, Art. 13 II und III GG, Art. 104 II 3 GG. Daß nun aber die Polizei für die Grundrechte der Bürger bei der Erfüllung der Aufgabe der Gefahrenabwehr weniger „gefahrlich" 191
Art. 19
Abschnitt II: Die Grundrechte
sein soll als bei der Erfüllung der Aufgabe der Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung, das wird man ernsthaft wohl kaum behaupten können. Auch der besondere Schutzzweck des Art. 19 II 2 verbietet somit eine derartige einengende Auslegung des Durchsuchungsbegriffes. Man wird daher davon ausgehen müssen, daß der Begriff der „Durchsuchung" bei Art. 19 VvB ohne die bei Art. 13 II GG nach Ansicht des Verfassers (DÖV 1975, 661; vgl. auch BVwGE 28, 285 ff einerseits, BVwG, DÖV 1975, S. 172 andererseits) erforderliche einengende Orientierung an dem Endzweck, zu dem der Eingriff erfolgt, so auszulegen ist, daß darunter zu verstehen ist, das „ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereiches" (BVwG, DÖV 1975, S. 172). Das heißt aber, daß z. B. auch die zu Zwecken der Gefahrenabwehr erfolgenden Eingriffe, die diese Merkmale erfüllen, dann am Maßstab des Art. 19 II 2 zu messen sind, wenn sie nicht aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung ergehen, die die Regelung des Art. 19 VvB verdrängt. 8 Die Vorschriften des Berliner ASOG etwa (§ 24 I, II) müssen sich sehr wohl an diesem Maßstab messen lassen. Im ASOG ist zwar — in Übereinstimmung mit Art. 13 II GG und auch Art. 19 II 2 VvB — die Zuständigkeit des Richters für die Anordnung der Durchsuchung nur für den Fall des Vorliegens von „Gefahr im Verzuge" durch diejenige der Polizei oder Ordnungsbehörde ersetzt, es fehlt jedoch das Erforderais der nachträglichen richterlichen Genehmigung innerhalb von 48 Stunden. Das macht diese Vorschrift jedoch nicht verfassungswidrig, vielmehr ist sie in unmittelbarer Anwendung des Art. 19 II 2 dahin zu „ergänzen", daß die Einholung einer nachträglichen richterlichen Genehmigung in der genannten Frist erforderlich ist, und dies gilt auch für Durchsuchungen, die aufgrund der StPO zum Zwecke der Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgung erfolgen (s. oben Rdn. 5 a. E.). 9 Fraglich ist weiter auch, ob die andere Umschreibung des Ausnahmefalles in Art. 19 II 2 VvB („Verfolgung auf frischer Tat" statt „Gefahr im Verzuge") eine Veränderung der Rechtslage zur Folge hat. Es geht der Regelung des Art. 19 II 2 um die Lösung des gleichen Problems wie Art. 13 II GG, nämlich um die Abgrenzung der Zustän192
Recht auf Wohnraum (Schwan)
Art. 19
digkeit der einen Behörde (Richter) von derjenigen einer anderen Behörde (bei Art. 19 112: die Polizei, bei Art. 13 II: „alle anderen Organe"). Außerdem darf man wohl davon ausgehen, daß beide Bestimmungen nicht die Absicht haben, an der Regelung der Zuständigkeit die Erfüllung der konkret wahrgenommenen Aufgabe scheitern zu lassen. Also ist es sinnvoll, die Zuständigkeit des zumeist nicht am Ort des Geschehens befindlichen Richters nur dann durch diejenige der Verwaltungsbehörde, Staatsanwaltschaft oder Polizei zu ersetzen, wenn der Richter nicht rechtzeitig tätig werden kann, ohne das Erreichen des mit der Durchsuchung bezweckten Erfolges zu gefährden. Dies hat das GG mit dem in der Rechtssprache eingebürgerten und daher glücklichen Begriff der „Gefahr im Verzuge" zum Ausdruck gebracht, und dies hat auch die VvB mit der zugegebenermaßen weniger glücklichen Formulierung „bei Verfolgung auf frischer Tat" zum Ausdruck bringen wollen. Die am Zweck dieser Vorschrift orientierte Auslegung ergibt also, daß mit der anderen Formulierung ein anderer Inhalt nicht gemeint ist. Wenn von „Verfolgung auf frischer Tat" gesprochen wird statt von „Gefahr im Verzuge", so liegt darin lediglich ein falscher Zungenschlag. Gemeint ist in beiden Fällen dasselbe. Schließlich wird man die Erwähnung nur der Polizei in Art. 19 10 II 2 auch nicht dahin deuten dürfen, daß für die Vornahme von Durchsuchungen ohne vorherigen richterlichen Durchsuchungsbefehl (Ausnahmefall) ein Zuständigkeitsmonopol der Polizei errichtet werden sollte mit der Folge, daß andere Behörden Durchsuchungen nur aufgrund eines bereits ergangenen richterlichen Durchsuchungsbefehles vornehmen dürfen; denn abgesehen davon, daß dies in der Praxis zu kaum erträglichen Konsequenzen und in vielen Fällen zur Vereitelung des Durchsuchungszweckes führen würde, wenn die Polizei nicht rechtzeitig zur Stelle ist, würde eine solche Auslegung den Zweck des Art. 19 II 2 VvB auch geradezu auf den Kopf stellen. Dieser besteht keineswegs darin, den Schutz vor mißbräuchlichen Durchsuchungen ausgerechnet bei der Polizei zu suchen, sondern dieser besteht darin, die Zulässigkeit von Durchsuchungen, die die Polizei ohne vorherigen richterlichen Durchsuchungsbefehl vornimmt, an besondere Voraussetzungen zu binden, die für die anderen Behörden nicht gelten, nämlich an die Notwendigkeit einer nachträglichen richterlichen Genehmigung binnen 48 Stunden.
193
Art. 20
Abschnitt II: Die Grandrechte
Artikel 20 (1) Die ungestörte Religionsausübung ist gewährleistet. (2) Rassenhetze und Bekundung nationalen oder religiösen Hasses widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen. Materialien 1. Zu I (Religionsausübung): Art. 4 I GG; Art. 4 I BWV; Art. 107 I bis III BV; Art. 4 VHB; Art. 9, 48 HV; Art. 8 VRP; Art. 4, 35 VS. 2. Zu II (Rassenhetze etc.): Art. 119 BV
Erläuterungen 1
Die Verbürgung des Grundrechtes auf Freiheit der Religionsausübung (Abs. 1) stimmt wörtlich und inhaltlich mit Art. 4 II GG überein, es kann daher insoweit auf die Kommentarliteratur zu dieser Bestimmung des GG verwiesen werden. Anders dagegen die Formulierung in Art. 9 EMRK. 2 Anders als nach dem GG steht das Berliner Grundrecht auf Religionsausübungsfreiheit jedoch unter dem einfachen und globalen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II (s. dort Rdn. 2; sowie Rüfner, in: Starck/Stera, Bd. III, S. 257, zur ähnlich gelagerten Rechtslage in Bayern), den der Berliner Gesetzgeber freilich nur insoweit auszuschöpfen in der Lage ist, als er damit nicht gegen die aus Art. 1 III GG folgende „Mindestgarantie der Bundesgrundrechte" verstößt (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 2f, 12 ff). Da das Bundesgrundrecht nicht unter einem ausdrücklichen Einschränkungsvorbehalt steht und folglich nur insoweit einschränkbar ist, als sich dies aus anderen Vorschriften des GG ergibt, die sich der Sache nach als Einschränkungsvorbehalt erweisen, vermag der einfache Landesgesetzgeber auch nur in diesem Bereich, von dem Einschränkungsvorbehalt des Art. 23 II Gebrauch zu machen. Folgt man jedoch der hier abgelehnten Lehre von den sog. „immanenten Schranken" (dazu: Vor Art. 6 Rdn. 38, 39), dann dürfte der Unterschied bei der Einschränkbarkeit zumindest im Effekt recht unerheblich sein (a. A. wohl Sendler, ABl. Berlin, 29. Jahrgang, Nr. 14/ 1979, S. 510). Im übrigen bewirken die Schrankenschranken aber auch eine erhebliche Beschneidung der Einschränkungsmöglichkeiten, die der Globalvorbehalt an sich eröffnet. 194
Völkerfrieden, Kriegsdienstverweigerung (Schwan)
Art. 21
Weitere Einschränkungen ergeben sich zudem aus der Qualifizierung des Einschränkungsvorbehaltes in Art. 9 II EMRK. (Zu deren Verbindlichkeit s. Vor Art. 6 Rdn. 2f, 12 ff). Abs. 2 enthält einen Einschränkungsvorbehalt, der den globalen 3 Gesetzesvorbehalt in zweierlei Beziehungen modifiziert: Zum einen ist der einfache Gesetzgeber nicht mehr frei in der Entscheidung über das „Ob" der Einschränkung, der verfassungsermächtigende Einschränkungsvorbehalt verwandelt sich also in einen verfassungsanordnenden. Zum anderen ist er auch nicht mehr frei in der Entscheidung über das „Wie" der Einschränkung, denn er hat die in Art. 20 II genannten Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, soweit ihm dafür die Regelungskompetenz zusteht (vgl. dazu Art. 74 Nr. 1 GG, § 2 I EGStGB). Abs. 2 betrifft jedoch nicht nur das Grundrecht aus Abs. 1 auf Religionsausübungsfreiheit, sondern auch andere Freiheitsgrundrechte, z. B. das auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 8). Auch bei diesen Grundrechten ist der Landesgesetzgeber nur insoweit befugt und verpflichtet, dem Regelungsauftrag des Art. 20 II nachzukommen, als ihm die Regelungskompetenz zusteht und sich ein dafür passender Einschränkungsvorbehalt bei dem entsprechenden Bundesgrundrecht findet (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 16). Bei der Meinungsäußerungsfreiheit findet sich ein solcher z. B. in Art. 5 II GG („allgemeine Gesetze" und „Recht der persönlichen Ehre").
Artikel 21 (1) Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen. (2) Jedermann hat das Recht, Kriegsdienste zu verweigern, ohne daß ihm Nachteile entstehen dürfen. Materialien 1. Zu I (Friedliches Zusammenleben): Art. 26 GG; Art. 3 I BWV 2. Zu II (Kriegsdienstverweigerung): Art. 4 III GG; Art. 3 II BWV
Erläuterungen Die Regelung in Abs. 1 entspricht weitgehendst Art. 26 GG. Sie 1 enthält ähnlich wie Art. 20 II einen Einschränkungsvorbehalt für alle 195
Art. 22
Abschnitt II: Die Grundrechte
betroffenen Freiheitsgrundrechte. Dieser Einschränkungsvorbehalt ist gegenüber dem einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 23 II dadurch qualifiziert, daß er dem Gesetzgeber eine Regelungs- und damit eine Einschränkungspflicht auferlegt und daß diese Pflicht darin besteht, eine Strafsanktion zu schaffen. Rechtliche Relevanz hat die Vorschrift jedoch kaum, da die Regelungskompetenz auf diesem Gebiete beim Bunde liegt (vgl. Art. 73 Nr. 1 GG [auswärtige Angelegenheiten], Art. 74 Nr. 1 GG) und dieser hiervon auch Gebrauch gemacht hat (vgl. §§ 80, 80 a, StGB). 2 Die Regelung der Kriegsdienstverweigerung (Abs. 2) hat in Berlin z. Z. keine rechtliche Relevanz, weil die Wehrpflichtgesetze des Bundes nicht nach Berlin übernommen worden sind und daher in Berlin eine Wehrpflicht nicht besteht. Im übrigen entspricht die Regelung weitgehendst derjenigen des Art. 4 III GG. Es fehlt jedoch die Bindung an die Gewissensentscheidung. Nach Berliner Recht wäre im Falle der Einführung der Wehrpflicht eine Verweigerung des Kriegsdienstes folglich auch dann zulässig, wenn dies nicht auf einem Befehl des Gewissens beruht. Außerdem enthält die VvB anders als das GG auch das Verbot einer jeden an die Kriegsdienstverweigerung anknüpfenden Benachteiligung. Der sog. Wehrersatzdienst würde daher mit der VvB nicht vereinbar sein. Zu beachten ist jedoch, daß die VvB den einfachen Bundesgesetzgeber nicht zu binden vermag (vgl. Vor Art. 6, Rdn. 12).
Artikel 22 (1) Der Sonntag und die gesetzlichen Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe geschützt. (2) Der 1. Mai ist gesetzlicher Feiertag. Materialien Vgl. a) Zu Art. 22 I (Sonn- und Feiertage): Art. 140 G G i. V. m. Art. 139 WRV; Art. 3 I BWV; Art. 147, 174 BV; Art. 55 I I I - V VHB; Art. 31 S. 2 und 3, Art. 33 S. 3, 53 HV; Art. 25 I VNRW; Art. 47, 57 I 2 und 3, III VRP; Art. 41 VS b) Zu Art. 22 II (1. Mai): Art. 140 G G i. V. m. Art. 139 WRV; Art. 3 II BWV; Art. 174 II BV; Art. 55 VHB; Art. 32 HV; Art. 25 II VNRW; Art. 57 II VRP
196
Gesetzliche Feiertage (Schwan)
Art. 22
Erläuterungen Der Sonntag und die gesetzlichen Feiertage sind bereits durch 1 Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV als Arbeitsruhetage geschützt. Art. 139 WRV benennt die gesetzlichen Feiertage jedoch nicht, so daß hierfür die Landesgesetzgebung insoweit zuständig ist, als nicht Bundesrecht eine Regelung getroffen hat. (Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für weltliche gesetzliche Feiertage vgl. Maunz, MDHS, Art. 140 GG, Art. 139 WRV Rdn. 1; für den 1. Mai folgt die Bundeskompetenz aus Art. 74 Nr. 12 GG — zweifelnd insoweit Jutzi, Landesverfassungsrecht, S. 65 ff; für den 17. Juni aus der Zuständigkeit für gesamtdeutsche Fragen, vgl. BVfGE 12, 205, 241). Durch Bundesrecht sind der 1. Mai und der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit" (Bundesgesetz vom 4. 8. 53, BGBl. I S. 778) zu gesetzlichen Feiertagen bestimmt worden. Art. 22 VvB widerspricht dem nicht und gilt somit fort (vgl. auch Jutzi, Landesverfassungsrecht, S. 65 ff). Art. 22 I benennt ebensowenig wie Art. 139 WRV die gesetzlichen Feiertage. Die Festsetzung bleibt daher dem ausführenden Gesetz überlassen. Art. 221 enthält somit keine Gewährleistung für das Fortbestehen bestimmter gesetzlicher Feiertage. Von Verfassungs wegen als Arbeitsruhetage geschützt sind nur solche Tage, die als Feiertage durch Gesetz festgesetzt sind. Allerdings ist darüber hinaus auch die Institution der gesetzlichen Feiertage in der Weise gesichert, daß der (Länder-)Gesetzgeber nicht schlechthin alle Feiertage und damit das Institut selbst beseitigen darf. Der 1. Mai ist von einem mit klassenkämpferischer Tendenz ausge- 2 statteten Tag zu einem Weltfeiertag aller Arbeitnehmer geworden (vgl. Stenogr. Ber., sub I 3 a). Art. 22 II ist wie die entsprechenden Bestimmungen in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen dahingehend zu verstehen, daß dieser Feiertag Sinnbild für soziale Gerechtigkeit, des Bekenntnisses zu Freiheit, Frieden, Völkerversöhnung und Menschenwürde sein soll. Subjektive Rechte sind Art. 22 lediglich hinsichtlich der Sonntage 3 und des 1. Mai zu entnehmen. Hinsichtlich der gesetzlichen Feiertage besteht dagegen nur ein Auftrag an den Gesetzgeber zur Regelung. Das Bln. Gesetz über die Lohnzahlungen an Feiertagen ist durch das aufgrund von Art. 74 Nr. 11 und 12 GG ergangene Bundesgesetz über die Lohnzahlungen an Feiertagen vom 2. 8.1951 (BGBl. I, S. 479) gegenstandslos geworden. 197
Art. 23
Abschnitt II: Die Grundrechte
Artikel 23 (1) Die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte sind für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung verbindlich. (2) Einschränkungen der Grundrechte sind durch Gesetz nur insoweit zulässig, als sie nicht den Grundgedanken dieser Rechte verletzen. (3) Werden die in der Verfassung festgelegten Grundrechte offensichtlich verletzt, ist jedermann zum Widerstand berechtigt. Materialien Vgl. 1. Zu I (Verbindlichkeit der Grundrechte): Art. 1 III GG; Art. 20 VHB; Art. 26 HV; Art. 21 VS 2. Zu II (Globalvorbehalt): Art. 98 Satz 2 BV 3. Zu II („Grundgedanken"): Art. 19 II GG; Art. 63 HV 4. Zu III (Widerstandsrecht): Art. 20 IV GG; Art. 19 VHB, Art. 147 HV
Erläuterungen 1
Abs. 1 will ebenso wie Art. 1 III GG sicherstellen, daß die Grundrechte nicht wiederum von der Rechtsanwendung zu bloßen Programmsätzen verniedlicht werden. Es ergibt sich daraus zweifelsfrei, daß die Verfassung die Grundrechte als subjektiv-öffentliche und vor Gericht einklagbare Individualrechte verstanden wissen will. In diesem Sinne benützt sie den Begriff „Grundrecht". Die Bedeutung der Grundrechte als bloße Einrichtungsgarantien (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 21, 34), die lediglich reflexartig subjektive Rechte erzeugen, ist daher zumindest im Prinzip ebenso abzulehnen wie die Deutung der Grundrechte als „prägungsbedürftige" (Freiheits-)Verbürgungen (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 37), denn auch bei dieser Deutung bestehen subjektive Rechte nicht schon aufgrund des Verfassungsrechtes, sondern erst infolge der „Prägung" durch den einfachen Gesetzgeber. Der einfache Gesetzgeber ist bei dieser Deutung also nicht — wie Abs. 1 es jedoch verlangt — an die Grundrechte gebunden, sondern er ist deren „Schöpfer" und somit „Herr" über sie. Allenfalls als Ergänzung der von Abs. 1 befohlenen subjektiv-rechtlichen Deutung der Grundrechte ist der Gedanke der institutionellen Auslegung verwendungsfahig. Gegen „komplementäre" Einrichtungsgarantien ist daher nichts einzuwenden. Dies gilt jedenfalls so lange, als diese 198
Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan)
Art. 2 3
nicht als Einschränkungsvorbehalte oder Spezialregelungen im Verhältnis zu den grundrechtlichen Individualrechten verstanden werden. Etwas anderes gilt freilich für die sozialen Teilhabe-Grandrechte, denn diese können wegen ihrer Ressourcenabhängigkeit aus der Natur der Sache heraus von der Verfassung nicht als unmittelbar und ohne weitere Voraussetzungen vor Gericht einklagbare Individualrechte gemeint sein (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 39 f; Art. 6 Rdn. 12; Art. 12 Rdn. 1; Art. 19 Rdn. 1). Bei diesen Grundrechten steht daher der Deutung als Einrichtungsgarantie oder als Prägungsermächtigung nichts im Wege. Abs. 2 enthält zunächst einen für alle Freiheitsgrundrechte gelten- 2 den („allgemeinen") und daher „globalen" einfachen, d. h. nichtqualifizierten Gesetzesvorbehalt, der freilich z. T. durch Spezialregelungen bei den einzelnen Freiheitsgrundrechten verdrängt wird. Das System der Berliner Grundrechte ist also ein ganz anderes als dasjenige der Bundesgrundrechte. Während der Grundgesetzgeber bemüht war, den Widerstreit zwischen Freiheit und deren notwendigen Begrenzungen einem bei dem jeweiligen Grundrecht zu findenden und auch gegenüber dem einfachen Gesetzgeber möglichst weitgehend vorprogrammierten Kompromiß zuzuführen, hat der Landesverfassungsgeber die Lösung dieses Konfliktes mit dem Globalvorbehalt des Art. 23 II grundsätzlich dem einfachen Gesetzgeber überantwortet, der nur dort einer strengeren Bindung unterliegt, wo der Globalvorbehalt durch einen qualifizierten Spezialvorbehalt verdrängt wird. In dieser Beziehung gleicht die Berliner Rechtslage derjenigen der Bayerischen Verfassung (vgl. Art. 98 S. 2 BV). Sodann enthält Abs. 2 aber auch die Garantie des „Grundgedan- 3 kens" der Grundrechte und damit eine Schrankenschranke für die Einschränkung der Freiheitsgrundrechte (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 49), die der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG schon rein äußerlich sehr ähnlich ist. Hier wie dort stellt sich jedoch die Frage, wie diese Vorschrift auszulegen ist, was man unter „Wesensgehalt" bzw. „Grundgedanken" zu verstehen hat. In dieser Beziehung haben Rechtsprechung und Lehre eine allgemein anerkannte Lösung, einen Konsens, bekanntlich noch nicht herzustellen vermocht. (Zu Recht diagnostiziert Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 103, in diesem Zusammenhang einen „tiefgreifenden dogmatischen Dissens".) Es sollen deshalb hier die verschiedenen zu Art. 19 Abs. 2 GG vertretenen Auffassungen vorgestellt (s. auch Schwan, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, 1984, S. 76ff)und zugleich die Frage beantwor199
Art. 23
Abschnitt II: Die Grundrechte
tet werden, ob eine dieser Deutungsweisen der Auslegung auch des Art. 23 II VvB dienlich zu sein vermag. Sicher nicht gemeint ist bei der Wesensgehaltsgarantie und bei der Garantie der „Grundgedanken" der Fortbestand der einzelnen objektiven Grundrechtsnorm, denn diese vermag ohnehin nur der verfassungsändernde Gesetzgeber anzutasten, und dessen Möglichkeiten und Begrenzungen sind in beiden Verfassungen an ganz anderer Stelle geregelt (Art. 79 GG, Art. 88 VvB). Die systematische Auslegung ergibt daher, daß sich Art. 19 II GG und Art. 23 II VvB nicht gegen den verfassungsändernden, sondern gegen den einfachen Gesetzgeber richten (so auch Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1722). Unzutreffend dürfte weiter auch die vor allem von Dürig (AöR 81 (1956), S. 117ff, 156, 136ff; vgl. auch Grabitz, aaO, S. llOf; Sturm, Festschrift für Geiger, S. 189; BVwG, DÖV 1975, S. 421, 427) vertretene Auffassung sein, nach der unter „Wesensgehalt" i. S. des Art. 19 II GG die schon durch Art. 1 I GG geschützte Menschenwürde zu verstehen ist, denn diese Auslegung läßt Art. 19 II GG als überflüssig erscheinen. Zwar ist in dieser Beziehung die Rechtslage nach der VvB deswegen etwas anders, weil die Garantie der Menschenwürde darin nicht ausdrücklich enthalten ist. Sie gilt jedoch über die Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG auch als Bestandteil des Berliner Verfassungsrechtes, weil sie zum Kernbestand des in dieser Klausel erwähnten Rechtsstaatsprinzipes gehört. Letztlich bedarf es also auch nach Berliner Recht nicht einer Regelung wie derjenigen des Art. 23 II, damit die Menschenwürdegarantie gilt und die Funktion einer Schrankenschranke der Freiheitsgrundrechte zu übernehmen vermag (s. auch Vor Art. 6 Rdn. 49). Desgleichen wird hier auch die sog. absolute subjektiv-rechtliche Deutung des Art. 19 II GG und des Art. 23 II VvB abgelehnt, nach der diese Bestimmungen bewirken, daß ein konkretes subjektives Grundrecht eines bestimmten Grundrechtsträgers, wie sehr es auch immer eingeschränkt werden mag, niemals so weit eingeschränkt werden darf, daß von ihm nichts mehr übrigbleibt, sondern daß immer irgend etwas, ein „Torso" (vgl. Jäckel, Grundrechtsgeltung und Grundrechtssicherung, S. 53; OVG Münster, OVGE 8, 277, 290; BVwGE 1, 269, 273), übrigbleiben muß, der das eigentlich Essentielle des Grundrechtes darstellt, nämlich dasjenige, um dessentwillen das Grundrecht gewährleistet worden ist; denn diese Auslegung mag sich zwar sehr rechtsstaatlich anhören, sie bricht sich jedoch an der Rechtswirklichkeit, weil sie zu nicht akzeptablen Ergebnissen führt. Es gibt in der Landschaft der Grundrechtseingriffe zahlreiche Grund200
Gesetzesvorbehalt, Widerstandsrecht (Schwan)
Art. 23
rechtsbeschneidungen, die einerseits sehr wohl bis auf den „Nullpunkt" gehen, die andererseits aber auch nicht verzichtbar sind. Als Beispiele wären hier etwa zu nennen die lebenslängliche Haft oder Sicherungsverwahrung, die Briefzensur, das Abhören von Telefonen, die (totale) Durchsuchung von Wohnungen, der — gezielte oder auch nicht gezielte — tödliche Schuß. Eine gleichfalls abzulehnende Spielart der Torsotheorie ist die auch vom BVfG (E 6, 32, 41; 32, 373, 378 f; 35,35, 39; 38, 312,320; 54,143,146) vertretene Auffassung, daß Art. 19 Abs. 2 GG sich auf die Intimsphäre, d. h. auf einen „absolut geschützten Kern privater Lebensgestaltung beziehe, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist" (vgl. auch Ludwig Schneider, Der Schutz des Wesensgehalts von Grundrechten nach Art. 19 Abs. 2 GG, 1983), denn es trifft ganz einfach nicht zu, daß es irgendeinen Bereich gibt, der der staatlichen Ausforschung immer und in jedem Fall entzogen ist. Absolut unantastbar ist auch der Intimbereich nicht, wie etwa die Untersuchungspraxis der Strafgerichte bei Sexualstraftaten beweist (w. Beispiele b. Schwan, VA 1975, S. 120, 149; derselbe, in: Burhenne/Perband, EDV-Recht, Kom/Bu § 1 Rdn. 68 — 72; derselbe, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, 1984, S. 66 m. w. N. in Fn. 190). Schließlich ist auch die sog. relative subjektiv-rechtliche Deutung dieser Vorschriften abzulehnen, nach der ein Grundrecht lediglich dann in seinem Wesensgehalt bzw. Grundgedanken angetastet ist, wenn es durch den Eingriff stärker eingeschränkt wird, als dies der sachliche Anlaß und Grund, der zu dem Eingriff führt, zwingend gebietet (so z. B. BGH, DÖV 1953, 370 f; w. Nachw. b. Erichsen, NJW 1976, 1721, 1722, Fn. 13). Nach dieser Auffassung ist also die Wirkungsweise der Art. 19 II GG und Art. 23 II VvB identisch mit derjenigen der Übermaßverbotsgrundsätze, so daß diese Vorschriften „nur mehr tautologische Bedeutung" (Grabitz, aaO, S. 105) haben und im Grunde neben dem ohnehin als Teil des Rechtsstaatsprinzipes geltenden Übermaßverbot überflüssig sind (Bleckmann, Staatsrecht II, S. 305 f). Für zutreffend wird hier jedoch diejenige Auslegung des Art. 19 II GG gehalten, die unter dem „Wesensgehalt" eines Grundrechtes dessen soziale Flächenwirkung (vgl. Herzog, Festschrift für Hirsch, S. 72 ff), d. h. die „Lebenssachverhaltsgarantie" (s. Vor Art. 6 Rdn. 21, 34) eines bestimmten faktischen Gesellschaftszustandes versteht (so die wohl h. L. vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 239 ff; derselbe Gutachten z. Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 37 f; Erichsen, NJW 1976,1724; Quaritsch, EvStL, Art. Grundrechte; J. H. Kaiser, Verfassungsrechtliche Eigentumsge201
Art. 23
Abschnitt II: Die Grundrechte
währ, S. 40 ff; Jäckel, aaO, S. 57, 59 f, 65, 91, 109, 111 ff, 115; Abel, Einrichtungsgarantien, S. 38 f; Rüfner, AöR 89, 283; H. Rupp, Beweisverbote, Gutachten 46. DJT, S. 165 ff, 188; H. H. Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 112 ff). 4 Der „Wesensgehalt" bzw. der „Grundgedanke" eines Grundrechtes sind bei dieser Auslegung nicht schon dann angetastet, wenn ein einzelnes, individuelles Grundrecht bis' auf den Nullpunkt eingeschränkt wird, sondern erst dann, wenn einer Grundrechtsbestimmung keine faktische gesellschaftliche Relevanz mehr zukommt, wenn die Bedeutung einer Grundrechtsbestimmung für die Gesellschaft im ganzen aufgehoben ist. Die Wesensgehaltsgarantie und die Garantie des Grundgedankens richten sich danach nicht so sehr gegen den einzelnen individuellen Grundrechtseingriff, sondern sie richten sich gegen das globale Abwürgen der Freiheit und den massenhaften Flächenangriff auf die Grundrechte, wie er für totalitäre Staatsordnungen typisch ist. Diese an den Gedanken der institutionellen Garantie anknüpfende Auslegung bietet ein Plus an Freiheitssicherung, sie gibt dem Art. 19 II GG eine eigene Bedeutung, sie bricht sich nicht an zwingenden Erfordernissen der Rechtswirklichkeit und sie ist sowohl mit Wortlaut wie Zweck des Art. 19 II GG vereinbar. Letzteres gilt m. E. auch für Art. 23 II VvB, so daß keine Bedenken bestehen, die Garantie des „Grundgedankens" eines jeden Grundrechtes in der gleichen Weise auszulegen. 5 Das Widerstandsrecht des Art. 23 III geht über dasjenige des Art. 20 IV GG (dazu ausführlich K. Stern, Staatsrecht II, §57, S. 148 ff) insofern hinaus, als es anders als dieses nicht nur den Deutschen, sondern jedermann zusteht. Voraussetzung ist nur, daß der Jedermann in Berlin lebt (vgl. auch Stern, aaO, S. 1515). Darin ist ein Verstoß gegen das Bundesrecht deswegen nicht zu erblicken, weil Art. 20IV GG die Länder nicht daran hindern will, den Gewährleistungsbereich des Widerstandsrechtes auch auf Ausländer zu erstrecken. Außerdem ist das Berliner Widerstandsrecht auch insofern weiter, als die den Widerstand auslösende Handlung nicht auf eine Beseitigung gerichtet sein muß, sondern die offenkundige Verletzung genügt. Allerdings muß die Verletzung bei Art. 23 III bereits vorliegen, während bei Art. 20 IV GG die Bestrebung genügt. Andererseits ist das Berliner Widerstandsrecht aber auch insofern enger, als das Schutzobjekt enger gefaßt ist. Bei Art. 20 IV GG ist das die freiheitlich demokratische Grundordnung (so Isensee, Das legalisierte Widerstandsrecht, 1969, S. 14f) bzw. sogar „die gesamte durch Art. 20 202
Grundrechtsmißbrauch (Schwan)
Art. 24
I bis III GG konstituierte Ordnung" (so K. Stern, aaO, § 57 III 4, S. 1512), während bei Art. 23 III „die in der Verfassung festgelegten Grundrechte" das Bezugsgut des Widerstandsrechtes sind, und darunter hat man nicht den subjektiven Abwehranspruch des einzelnen Individuums zu verstehen, sondern die Grundrechte als Einrichtungsgarantien (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 21). Geschützt ist auch bei Art. 23 III nur „das System, dem die einzelnen Rechte innewohnen" (Stern, aaO, S. 1513). Das Berliner Widerstandsrecht ist damit „prostaatlich" auf die Bewahrung oder Wiederherstellung der von der VvB konstituierten Grundrechtsordnung gerichtet. Ebenso wie bei Art. 20 IV GG ist auch dieses Widerstandsrecht „verteidigender, konservierender, nicht aber reformatorischer oder gar revolutionärer Natur" (Stern, aaO, S. 1509). Das Widerstandsrecht hat unmittelbare Drittwirkung auch gegenüber Privatpersonen, die sich anschicken, die Grundrechte als Institution zu verletzen, und es kann seinem Wesen nach auch kollektiv von Personengruppen oder juristischen Personen wahrgenommen werden. Auch Amtsträger können das Widerstandsrecht wahrnehmen (a. A. Stern, Staatsrecht II, S. 1515). Das Wesen dieses Grundrechtes widerspricht dem keineswegs. Die von Stern vorgetragenen Argumente überzeugen nicht. Das Widerstandsrecht richtet sich jedoch nicht gegen die Besatzungsgewalt (Stern, aaO, S. 1519) und auch nicht gegen die Bundesstaatsgewalt. Ebenso wie bei Art. 20 IV GG ist Widerstand nur als ultima ratio zulässig. Außerdem unterliegen die einzelnen Arten bzw. Formen des Widerstandes den Grundsätzen des Übermaßverbotes (Stern, Staatsrecht II, S. 1519 ff).
Artikel 24 Auf die Artikel 8 und 18 darf sich nicht berufen, wer mißbräuchlich die Grundrechte angreift oder gefährdet, insbesondere wer nationalsozialistische oder andere totalitäre oder kriegerische Ziele verfolgt. Materialien Vgl. Art. 18 GG; Art. 158 BV; Art. 17,146 HV; Art. 10,133 VRP; Art. 10 VS
Erläuterungen Die Vorschrift enthält eine Regelung der sog. „streitbaren Demo- 1 kratie". Grundrechtstechnisch verbirgt sich darin nicht eine einen203
Art. 24
Abschnitt II: Die Grundrechte
gende Verbürgungsgrenze der dort bezeichneten Freiheitsgrundrechte (Art. 8 und 18), sondern ein verfassungsanordnender und qualifizierter Einschränkungsvorbehalt, der sich bei genauerem Hinsehen als ein Gesetzesvorbehalt erweist, denn man wird wohl kaum annehmen dürfen, daß Art. 24 eine Spezialregelung auch im Verhältnis zu dem in Art. 45 I enthaltenen Vorbehalt des Gesetzes darstellt. Also bedarf es auch für Grundrechtseingriffe auf Grund oder im Rahmen des Art. 24 zunächst einer einfach-gesetzlichen Eingriffsermächtigung (so in bezug auf den ähnlichen Art. 158, 2 BV, auch Zacher, BayVfGHFestschrift, 1972, S. 95, 117; sowie allg. zu diesem Problem: v. Ophausen, S. 123 m. zahlr. w. N. in Fn. 68/69). Art. 24 ist insofern auch als ein Gesetzgebungsauftrag aufzufassen. 2 Fraglich ist, ob Art. 24 sich im Tatbestand von Art. 18 GG unterscheidet. Zwar weichen die Formulierungen dieser beiden Vorschriften ganz erheblich voneinander ab. Wenn Art. 24 jedoch von mißbräuchlichem Angriff oder mißbräuchlicher Gefahrdung von Grundrechten spricht, so dürften damit nicht die subjektiven Grundrechtsansprüche des einzelnen gemeint sein, denn diese können auf der Ebene der Gleichordnung ohnehin nicht angegriffen oder gefährdet werden, weil sie dort nicht gelten (keine Drittwirkung, s. Vor Art. 6 Rdn. 36), sondern damit dürften die Grundrechte als Institution, als wesentliche Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung gemeint sein (s. Vor Art. 6 Rdn. 21, 34). Dies ergibt sich auch aus dem für den Angriff und die Gefahrdung ausdrücklich genannten Beispiel der Verfolgung nationalsozialistischer oder anderer totalitärer oder kriegerischer Ziele. Dies stellen Angriffe dar, die sich typisch gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung" (vgl. Art. 18 GG) richten und die Grundrechte als Institution bedrohen. 3 Im übrigen ist zu beachten, daß die staatlichen Eingriffe, die unter Berufung auf Art. 24 Freiheitspositionen der Bürger beschneiden, sich auch an den Freiheitsgrundrechten des GG messen zu lassen haben. Das GG hat jedoch den Gedanken der Mißbrauchswehr zum Zwecke der Abwehr von Angriffen gegen die „freiheitlichdemokratische Grundordnung", zu der auch die Institution der Grundrechte als eines der wesentlichsten Instrumente der Freiheitssicherung zählt, in Art. 18 GG speziell geregelt und dort für die Verwirkung bestimmter Bundesgrundrechte ein Entscheidungsmonopol des BVfG begründet, das auch dann zu beachten ist, wenn wegen Verletzung des Art. 24 die Freiheit des verfassungsfeindlichen Bürgers beschnitten werden soll. Dieser kann sich dann zwar nicht mehr auf die Grundrechte aus Art. 8 und 18 VvB berufen, die die gleichen menschlichen Verhaltensweisen schützenden Art. 5 I, 8 und 204
Grundrechtsmißbrauch (Schwan)
Art. 24
9 GG dürfen jedoch nur dann als verwirkt angesehen werden, wenn das BVfG eine Verwirkungsentscheidung getroffen hat. Der Verlust der Grundrechte aus Art. 8 und 18 VvB ist also nicht notwendig von dem Verlust der entsprechenden Grundrechte aus Art. 51, 81, 9 1 GG begleitet. Angesichts der Tatsache, daß die Garantie gleicher Lebenssachver- 4 halte sowohl im GG wie auch in der VvB sich keineswegs auf ein „einheitliches Grundrecht" bezieht (vgl. Vor Art. 6 Rdn. 4), darf das Entscheidungsmonopol des BVfG für die Erklärung der Verwirkung der in Art. 18 GG genannten Grundrechte nicht auch auf die entsprechenden Grundrechte der VvB erstreckt werden. Für diese gilt ein solches Entscheidungsmonopol nicht (vergleiche Art. 1 Rdn. 87; ebenso auch v. Olshausen, S. 123).
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Abschnitt III Die Volksvertretung
Artikel 25 (1) Das Abgeordnetenhaus ist die von den wahlberechtigten Deutschen gewählte Volksvertretung. (2) Das Abgeordnetenhaus besteht aus mindestens 200 Abgeordneten. Materialien 1. Vgl. Art. 38 I GG; 27 VBW; 13 BV; 75 VHB; 6 VHH; 75 HV; 3 VNV; 30 VNW; 79 VRP; 65, 66 I VS; 9 LS 2. VVGB Art. 2 III, 4 3. Änderungen: ÄndG VvB vom 28. 3. 1958 (GVB1. S. 308).
Erläuterungen Die Bezeichnung „Abgeordnetenhaus" weicht von denen der westdeutschen Volksvertretungen ab. Die meisten Volksvertretungen führen die Bezeichnung „Landtag". Lediglich in den früheren Hansestädten — jetzt Ländern — Bremen und Hamburg heißen die Parlamente traditionsgemäß „Bürgerschaft". Durch die Bezeichnung „Abgeordnetenhaus" wird die Doppelfunktion als Landesparlament mit zusätzlichen kommunalen Aufgaben (vgl. Art. 11, 3 II) nicht deutlich. Die Bezeichnung entspricht auch nicht der Berliner Tradition. Die Volksvertretung der preußischen Stadt Berlin, die nur kommunale Aufgaben wahrzunehmen hatte, hieß, seit der Städteordnung von 1808, Stadtverordnetenversammlung. 2 Als Berlin 1945 durch die faktische Auflösung Preußens automatisch den Status eines deutschen Landes bekam, wurde durch die VVGB diese Bezeichnung für die Volksvertretung von Groß-Berlin beibehalten. Die StVV wurde am 20. 10.1946 in Groß-Berlin ge1
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wählt. Nach der politischen Spaltung im November 1948 fand die Wahl am 5.12. 1948 nur in den drei Westsektoren statt. Nach der preußischen Verfassung vom 5.12.1848 (sog. oktroyierte Verfassung) führte die von den männlichen Staatsbürgern in indirekter, ungleichér (Drei-Klassen-Wahlrecht) und öffentlicher Wahl gewählte zweite Kammer die Bezeichnung „Haus der Abgeordneten". Bis zur Verfassungsänderung vom 28. 3. 1958 lautete Art. 25 3 Abs. 1: „(1) Das Abgeordnetenhaus ist die von den wahlberechtigten deutschen Staatsangehörigen gewählte Volksvertretung."
Da nach dem GG das Staatsvolk sich nicht — wie sonst allgemein üblich — auf die Staatsangehörigkeit beschränkt, sondern Art. 116 I GG den Begriff des Deutschen eingeführt hat, mußte die VvB geändert werden. Deutsche im Sinne des Art. 116 I GG sind nicht nur die deutschen Staatsangehörigen, sondern auch die Flüchtlinge und Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, deren Ehegatten oder Abkömmlinge, die in dem Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden haben. Dieser erweiterte Personenkreis gehört zum Staatsvolk und genießt in der ganzen Bundesrepublik volle staatsbürgerliche Rechte, darüberhinaus in der Europäischen Gemeinschaft sämtliche Rechte eines EGInländers, weil die Regelung des Art. 116 GG durch EG-Vertragsrecht festgeschrieben ist (vgl. Art. 1 Rdn. 29). Demnach sind auch deutsche Einwohner der DDR und Ost-Berlins (zur Geltung des RuStAG dort nach DDR-Recht vgl. Art. 1 Rdn. 14 a. E.) deutsche Staatsangehörige (zur Wirkung einer Einbürgerung in der DDR vgl. BVwGE 66, 277). Welche Deutschen wahlberechtigt sind, richtet sich nach Art. 26 und dem LWG (vgl. Art. 26 Rdn. 3 fi). Grundsätzlich sind dabei die deutschen Einwohner Ost-Berlins den deutschen Einwohnern von Berlin (West) gleichgestellt (vgl. Art. 2 Rdn. 1 und § 17 Nr. 1 LWO). Ausländer und Staatenlose können sich daher, soweit sie überhaupt ihren Wohnsitz in Berlin haben, nicht an den Wahlen in Berlin beteiligen (zur Problematik des Wahlrechts für Ausländer vgl. Art. 54 Rdn. 6). Ob jemand Inländer ist, richtet sich nach Art. 116 I GG (Deutscher) und nach dem RuStAngG (Deutscher Staatsangehöriger) und nach den Gesetzen zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. 2.1955 und 17. 5.1956. Der Hinweis im Behelfsmäßigen Berliner Personalausweis „Der Inhaber dieses Ausweises ist deutscher Staatsangehöriger" begründet lediglich eine widerlegbare Vermutung, ist jedoch kein Beweis, daß der Inhaber 207
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
tatsächlich diesen Status besitzt. Die Formulierung geht auf die BK/ O (46) 61 vom 24.1.1946, zuletzt geändert durch BK/O (65) 8 vom 23. 6.1965 (GVB1. S. 848), zurück (vgl. Art. 1 Rdn. 29 a. E.). 4 Bei der Beratung der VvB war man sich einig, daß die bisherige Zahl von 130 Stadtverordneten für die Bewältigung der Aufgaben eines Landes- und Stadtparlaments nicht ausreichen werde (vgl. Landsberg/Götz S. 75). Die Hauptarbeiten eines Parlaments werden nicht in den Plenarsitzungen, sondern in den Ausschüssen erledigt. Alle Fraktionen eines Parlaments sind daher darauf angewiesen, eine ausreichende Anzahl fachlich qualifizierter Abgeordneter in die Ausschüsse entsenden zu können. 5 Da der Anspruch der VvB, in ganz Berlin zu gelten, faktisch nicht durchsetzbar ist, reduziert sich die Zahl von mindestens 200 Abgeordneten auf diejenige Anzahl, die der Relation der deutschen Einwohnerzahl zwischen Berlin (West) und Ost-Berlin entspricht (§ 8 LWG). Um der Gefahr der Beschlußunfahigkeit und mangelnder Mehrheit zu entgehen, wurden verschiedene Art. der VvB dahingehend geändert, daß es nunmehr statt „... aller ..." oder „... anwesenden ..." heißt „... von den gewählten" Abgeordneten (vgl. Landsberg/ Goetz S. 20; vgl. Art. 31, 39, 42 III, 44 II, 69 II, 83, 88). So betrug die Mindestzahl bei den Wahlen zum AvB 1958: 133; 1963 und 1967: 134; 1971 und 1975: 133; 1979 und 1981: 125; 1985: 119. Vergleicht man die Mindestanzahl der Abgeordneten in den westdeutschen Länderparlamenten im Verhältnis zur Einwohnerzahl, muß man feststellen, daß in Berlin die Relation besonders hoch ist (Bayern 204 zu 11,0 Mill./Baden-Württemberg 126 zu 9,3 Mill./Bremen 100 zu 0,7 Mill./Hamburg 120 zu 1,6 Mill./Hessen 110 zu 5,6 Mill./Niedersachsen 171 zu 7,3 Mill./Nordrhein-Westfalen 201 zu 17,0 Mill./Rheinland-Pfalz 100 zu 3,6 Mill./Saarland 51 zu 1,1 Mill./ SchleswigHolstein 74 zu 2,6 Mill. Einwohnern per 31.12.1982). Da das LWG seit 1958 ein personalisiertes Verhältniswahlrecht vorsieht (vgl. Art. 26), in dem sog. Überhangmandate durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden können, können weder die VvB noch das LWG eine feste Anzahl von Abgeordneten bestimmen, sondern nur die Mindestanzahl, die durch Überhang- und Ausgleichsmandate erhöht werden können. So umfaßte das AvB vom 17. 2.1963: 140, vom 12. 03.1967: 137, vom 14. 03.1971: 138, vom 02.03.1975/15.01.1976: 147, vom 18.03.1979: 135, vom 10.05. 1981: 132 und vom 10. 03.1985: 144 Abgeordnete.
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Artikel 26 (1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl gewählt. (2) Parteien, für die im Gebiet von Berlin insgesamt weniger als fünf von Hundert der Stimmen abgegeben werden, erhalten keine Sitze zugeteilt, es sei denn, daß ein Bewerber der Partei einen Sitz in einem Wahlkreis errungen hat. (3) Wahlberechtigt sind alle Deutschen, die am Tage der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet und seit mindestens drei Monaten in Berlin ihren Wohnsitz haben. (4) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Tage der Wahl das 21. Lebensjahr vollendet haben. (5) Alles Nähere, insbesondere über den Ausschluß vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit sowie über das Ruhen des Wahlrechts, wird durch das Wahlgesetz geregelt. Materialien
1. Vgl. Art. 38, 39 I GG; 26, 28, 30 I VBW; 14, 16 I BV; 75 bis 78 VHB; 6, 10 I VHH; 75, 79 HV; 4, 6 I VNV; 31, 34 VNW; 80, 83 VRP; 63, 64, 66 VS; 3 LS 2. VVGB Art. 3 3. Änderungen: ÄndGVvB vom 28. 3. 1958 (GVB1. 308); 11. ÄndGVvB vom 17. 7. 1969 (GVB1. 1029); 16. ÄndGVvB vom 20. 2. 1974 (GVB1. 450); 18. ÄndGVvB vom 20. 6. 1977 (GVB1. S. 1126); 20. ÄndGVvB vom 26. 02.1981 (GVB1. 346).
Erläuterungen Die ursprüngliche Fassung des Artikels 26 lautete:
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(1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl auf die Dauer von vier Jahren gewählt. (2) Wahlvorschläge können nur von politischen Parteien eingereicht werden. Auf Wahlvorschläge, für die im Gebiet von Berlin insgesamt weniger als fünf vom Hundert der Stimmen abgegeben werden, entfallen keine Sitze. (3) Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsangehörigen, die am Tage der Wahl das 20. Lebensjahr vollendet und seit mindestens sechs Monaten in Berlin ihren Wohnsitz haben. (4) Vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, wer entmündigt, wegen Schwachsinns unter Vormundschaft gestellt oder nicht im Besitz der staatsbürgerlichen Rechte ist.
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(5) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Tage der Wahl das 25. Lebensjahr vollendet haben. (6) Alles Nähere wird durch das Wahlgesetz geregelt.
Durch die erste Änderung vom 28. 3. 1958 sind die Abs. 2 bis 5 geändert worden. Durch die Änderung des Abs. 2, der der bis Juni 1977 geltenden Fassung entspricht, wurde die verfassungsrechtliche Grundlage für die Einführung des personalisierten Verhältniswahlrechts geschaffen (vgl. Rdn. 12). Durch die Änderung des Abs. 3 wurde die Wahlberechtigung auf den Kreis der Deutschen im Sinne des Art. 116 I GG erweitert (vgl. Art. 25, Rdn. 3). Der Abs. 4, der die Ausschlußvoraussetzungen vom Wahlrecht enthielt, wurde gestrichen. Der neue Abs. 5 enthält eine Erweiterung des bisherigen Abs. 6. Durch die Verfassungsänderung vom 17. Juli 1969 wurde das aktive Wahlalter auf die Vollendung des 18. und das passive Wahlalter auf die Vollendung des 23. Lebensjahres herabgesetzt. Durch die Verfassungsänderung vom 20. Februar 1974 wurde die bis dahin geltende Sechsmonatsfrist in Abs. 3 auf eine Dreimonatsfrist verkürzt und im Abs. 4 das passive Wahlalter auf die Vollendung des 21. Lebensjahres herabgesetzt. Durch die Verfassungsänderung vom 20. Juni 1977 wurde das Monopol der politischen Parteien für das Wahlvorschlagsrecht ersatzlos gestrichen (vgl. Rdn. 10). Durch die Verfassungsänderung vom 26. Februar 1981 wurde in Art. 26 Abs. 1 die vierjährige Wahlperiode gestrichen und in Art. 39 Abs. 1 festgelegt (vgl. dort). 2 Grundsätzlich ist der Landesverfassungs- und Landesgesetzgeber frei in der Ausgestaltung seines Landes- und Kommunalwahlrechts. Lediglich durch die sog. Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG werden die Länder verpflichtet, die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl zu beachten. Abs. 1 enthält diese allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze. Er knüpft an Art. 22 WRV und an Art. 3 VVGB an. In beiden Verfassungen vermißt man den Grundsatz der freien Wahl (vgl. aber Rdn. 8), der auch in einigen westdeutschen Landesverfassungen fehlt, während er im GG, in der VNV, der VNW und der VS enthalten ist. 3 Unter allgemeiner Wahl versteht man, daß alle Staatsbürger, die die allgemeinen Voraussetzungen für die Teilnahme an der Wahl erfüllen (z. B. Alter, Wohnsitzdauer) unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Bildung, Beruf, Religionszugehörigkeit, Rasse oder Einkommen wählen dürfen (BVfGE 15, 166; 36, 141). Das Frauenwahlrecht gibt es in Deutschland erst seit 1918. 4 Der Grundsatz der gleichen Wahl ist im Gegensatz zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG), der ein Willkürverbot enthält, streng formal zu sehen (BVfGE 47, 277; 51, 234). 210
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Gleiche Wahl bedeutet, daß jeder Wahlberechtigte die gleiche Anzahl von Stimmen hat (Zählwert). Unterschiedlich kann jedoch der Erfolgswert einer Stimme sein; insbesondere beim Mehrheitswahlrecht ist eine Stimme erfolglos, wenn sie für einen nicht gewählten Bewerber abgegeben wird. Ebenso ist eine Stimme beim Verhältniswahlrecht erfolglos, wenn sie für einen Wahlvorschlag abgegeben wird, dessen Stimmzettel nicht ausreicht, um die Sperrklausel (meist 5%) zu überwinden. Dieser Grundsatz beinhaltet auch die Chancengleichheit für die an 5 den Wahlen teilnehmenden Organisationen und Bewerber, insbesondere bei der Rundfunk- und Fernsehwerbung, bei der Überlassung von Versammlungsräumen und bei der Wahlwerbung im öffentlichen Bereich (z. B. auf Straßen, vgl. insb. BVfGE 47, 225). Allerdings kann nach § 5 des PartG durch eine sog. abgestufte Gleichbehandlung der Umfang der von den Trägern öffentlicher Gewalt den Parteien zur Verfügung gestellten Möglichkeiten nach der Zahl der Mandate, dem Ergebnis der letzten Wahl und der Größe der Organisation abgestuft werden (vgl. BVfGE 8, 68; 14, 132; 34, 163). Parteien, die im Bundestag in Fraktionsstärke vertreten sind, muß mindestens die Hälfte der Sendezeiten und Werbeflächen überlassen werden wie sie der stärksten Partei eingeräumt werden. Für andere Parteien, die sich an den Wahlen beteiligen, hat die Rechtsprechung ein Viertel anerkannt (OVG Berlin JR 1975, 173). Die unmittelbare oder direkte Wahl bedeutet, daß der Wähler beim 6 Personalwahlrecht unmittelbar Kandidaten und beim Listenwahlrecht unmittelbar Parteilisten persönlich wählt, ohne daß zwischen dem Willen des Wählers und der gewählten Person oder Liste der Wille von Wahlmännern zwischengeschaltet wird, wie z. B. beim preußischen Dreiklassenwahlrecht oder bei der amerikanischen Präsidentenwahl (vgl. BVfGE 3, 45; 7, 63; 7, 77; 21, 355). Der Grundsatz der geheimen Wahl bedeutet, daß sich der Wähler 7 bei der Wahlhandlung ohne Kenntnisnahme durch andere Personen entscheiden kann. Um das Wahlgeheimnis zu wahren, findet der eigentliche Wahlakt in einer abgeschlossenen Wahlzelle statt, der Stimmzettel wird in einen Umschlag gelegt, dieser wiederum in eine verschlossene Urne. Dem Wähler steht es im Wahllokal nicht etwa frei, aus eigenem Entschluß offen zu wählen, weil es sich um ein Ordnungsprinzip handelt, dessen Einhaltung der Wahlvorstand überwachen muß (vgl. BVfGE 3, 19; 3, 383; 4, 375; 5, 77; 6, 121; 12, 33; 12, 135). Die nach dem gleichen Prinzip organisierte Briefwahl ist eine geheime Wahl und deshalb verfassungsmäßig (BVfGE 21, 205). Ebenso dürfte es verfassungsmäßig sein, daß die Unterstützungs211
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Unterschriften, deren Zulässigkeit das BVfG in st. Rspr. bejaht hat (BVfGE 3, 27; 12, 133), auf Listen, die jeder einsehen kann, statt auf Einzelbögen abgegeben werden müssen. In Berlin werden seit der Wahl im März 1985 die Unterschriften einzeln auf Unterschriftenblättern abgegeben. 8 Es fallt auf, daß unter den aufgezählten allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen die freie Wahl nicht aufgeführt worden ist. Dennoch sind die Wahlen in Berlin ebenso frei, wie die Wahlen zum Deutschen Bundestag, zu den Landtagen und zu den Kommunalparlamenten. Die sog. Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG garantiert ohne besondere Erwähnung in der Berliner Verfassung automatisch die freie Wahl auch in Berlin, da Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 GG als allgemeine Rechtsprinzipien für alle Volksvertretungen gelten (BVfGE 47, 253); vgl. WPG Berlin, NJW 76, 560 zur Geltung des Art. 26 II 1 a. F. i. V. m. Art. 38 I GG in Berlin. Dem Bewerber bleibt die Freiheit der Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung eines Mandats, ihm darf daraus auch kein Nachteil entstehen. Freie Wahl bedeutet, daß die aufstellende Organisation ohne staatlichen Einfluß sich frei für die Aufstellung von Bewerbern, die die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts erfüllen, entscheiden und der Wähler einen ihm genehmen Kandidaten oder eine Liste wählen kann. Dem Wähler wird keine Einheitsliste vorgelegt, die er nur bestätigen oder ablehnen kann, vielmehr muß er die Auswahl zwischen mehreren Möglichkeiten haben. Keine Partei oder Wählergemeinschaft kann von einer Verwaltungsbehörde gezwungen werden, auf die Aufstellung von bestimmten Kandidaten zu verzichten. Auch eine gesetzliche Wahlpflicht, wie sie in einigen Ländern besteht, würde möglicherweise gegen die Freiheit der Entscheidung, an der Wahl teilzunehmen, verstoßen. Auch die Wahlwerbung der Parteien, Wählergemeinschaften und Kandidaten darf grundsätzlich nicht durch staatliche Maßnahmen verhindert oder eingeschränkt werden. Allerdings sind hierbei Ordnungsvorschriften, wie z. B. über Sondernutzungen auf Straßen, Strafvorschriften usw. zu beachten. 9 Seitdem die Grünen und Alternativen im Bundestag, in mehreren Landtagen und Kommunalparlamenten sowie im Europäischem Parlament vertreten sind, taucht ein bisher im deutschen Wahlrecht nicht bekanntes Rechtsproblem auf, nämlich die sog. Rotation. Aufgrund von Beschlüssen der zuständigen Organe dieser Parteien wird von ihren Abgeordneten verlangt, daß sie nach einer bestimmten Zeit, meist nach Ablauf der halben Legislaturperiode (zur Dauer der Legislaturperiode vgl. Art. 39 Rdn. 1 ff, 7 ff), durch Verzicht ihr Mandat 212
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aufgeben. Dafür rücken dann für die restliche Legislaturperiode die nächsten auf der Liste aufgeführten Bewerber in das Parlament ein. In der Literatur und in der politischen Auseinandersetzung bestehen unterschiedliche Meinungen, ob die Rotation verfassungsgemäß ist. Dabei gehen jedoch die Bejaher der Verfassungswidrigkeit der Rotation davon aus, daß der Verzicht des Mandats nicht freiwillig, sondern nur in Befolgung eines Parteibeschlusses erfolgt, somit ein sog. imperatives Mandat besteht (vgl. Scholz „Krise der parteienstaatlichen Demokratie?", Fußnote 117 mit Literaturhinweisen). Während bisher die Niederlegung von Mandaten durch Abgeordnete der Grünen und Alternativen von den zuständigen Parlamentsgremien anerkannt wurden, haben lediglich die zuständigen Organe des Niedersächsichen Landtages derartige Mandatsverzichte nicht anerkannt. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat durch Urt. vom 10. 05.1985 (NJW 1985, 2319) die Rotation für zulässig erachtet. Sofern der Abgeordnete tatsächlich nur unter Zwang sein Mandat niederlegen müßte, würde ein Verstoß gegen Art. 38 GG vorliegen, weil ein Abgeordneter nicht an Weisungen gebunden ist. Diese Verfassungsbestimmung schließt Weisungen nicht aus, erklärt sie jedoch für den Abgeordneten als unverbindlich. Wenn sich jedoch ein Abgeordneter mit den entsprechenden Parteibeschlüssen identifiziert und solidarisch erklärt, wie es z. B. von ihm bei Beschlüssen über die Koalitionen verlangt wird, dann kann sein Mandatsverzicht nicht rechtswidrig sein (so auch Hohn-Rautenberg „Mandatsrotation und Grundgesetz" in NJW 1984, 1657). Neben der Auffassung, daß ein imperatives Mandat ausgeübt wird, wird z. T. auch die Meinung vertreten, die Rotation verstoße gegen die Unmittelbarkeit der Wahl, weil der Wähler einer Liste alle auf der Liste kandidierenden Bewerber für die ganze Wahlperiode wählt. Durch die Rotation werde dem Souverän aber ein Teil seines Wahlrechts entzogen und einer Partei übertragen, die sich als Entscheidungsinstanz zwischen Wähler und Gewählten stellt und nach Belieben über den Zeitpunkt sowie über die Umstände der Mandatsbeendigung befindet (so Stober in einem Gutachten für den Niedersächsischen Staatsgerichtshof). Das BVfG legt jedoch den Begriff der Unmittelbarkeit anders aus. Danach ist der Grundsatz der unmittelbaren Wahl gewahrt, wenn das Wahlverfahren so geregelt ist, daß jede abgegebene Stimme bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet wird, ohne daß nach der Stimmabgabe noch eine Zwischeninstanz nach ihrem Ermessen die Abgeordneten auswählt (BVfGE 7, 63). Da 213
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jedoch die beim Verzicht nachrückenden Bewerber auf der Liste stehen, hat der Wähler auch die Nachrücker mit in seiner Wahlentscheidung einbezogen. Die Rotation verstößt auch nicht gegen das freie Mandat, denn ebenso wie ein Bewerber frei entscheiden kann, ob er ein Mandat annimmt, kann er frei darüber entscheiden ob und wann er es niederlegt. Niemand kann gezwungen werden, gegen seinen Willen ein Mandat beizubehalten. Anderenfalls wären auch Mandatsverzichte aus anderen Motiven (z. B. Änderung der politischen Einstellung, berufliche Situation) nicht zulässig. Auch ein sog. Betrug am Wähler liegt dann nicht vor, wenn der verzichtende Abgeordnete nicht im Wahlkreis, sondern über eine Liste gewählt worden ist. Da bisher die Rotationsfälle nur Listenbewerber betrafen, ist in der Literatur keine Differenzierung zwischen der rechtlichen Problematik bei Rotationsverzichten von Wahlkreis- und Listenbewerbern vorgenommen worden. Es ist auch nicht Aufgabe der zuständigen, einen Verzicht feststellenden Organe des Parlaments, nach den Motiven des Verzichts zu forschen. Zusammenfassend muß man also der Auffassung sein, daß ein freiwilliger Verzicht, auch wenn er in Befolgung von Parteibeschlüssen erfolgt, rechtmäßig ist. 10 Bis zur Verfassungsänderung im Juni 1977 normierte Art. 26 II 1 ein Monopol der politischen Parteien im Sinne des § 2 des PartG für Wahlvorschläge. Nach § 2 PartG ist eine Partei eine Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Parteien, deren Ziel es ist, sich nur an Kommunalwahlen zu beteiligen (sog. Rathausparteien), können keine Wahlvorschläge zum AvB einreichen, weil sie nicht als politische Parteien im Sinne des Art. 21 GG und des PartG gelten (BVfGE 6, 367). Aufgrund dieser Verfassungsbestimmung konnten daher Wählergemeinschaften, sonstige Gruppen und Einzelpersonen keine Wahlvorschläge einreichen. Art. 26 II 1 war Verfassungsbestimmung geworden, weil bei den Beratungen des Verfassungsentwurfs in der Berliner Stadtverordnetenversammlung die SED angeregt hatte, auch anderen Massenorganisationen (z. B. Gewerkschaften, Jugendorganisationen, Frauenverbände) das Wahlvorschlagsrecht einzuräumen. Diese Anregung ist 214
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in der DDR für die Wahlen zur Volkskammer späterhin verwirklicht worden. Um dieser Verfälschung vorzubeugen, hatten sich die demokratischen Parteien seinerzeit dahin verständigt, das Vorschlagsrecht auf politische Parteien zu beschränken. Nach der Wahl zum AvB am 2. März 1975 mußte sich das WPG Berlin mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift befassen, weil zwei Einzelbewerber, deren Wahlvorschläge vom Bezirkswahlausschuß Zehlendorf und vom Landeswahlausschuß nicht zugelassen worden sind, das WPG angerufen hatten. Durch die Entscheidung dieses Gerichts (NJW 76, 560) wurde die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf politische Parteien als nicht vereinbar mit Art. 28 I 2 GG erklärt. Danach muß das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Das WPG hat den Grundsatz der allgemeinen, gleichen und freien Wahlen durch das ausschließliche Vorschlagsrecht der Parteien für verletzt angesehen, weil diese Grundsätze es nicht zulassen, „parteiunabhängige aktive Bürger — sei es als einzelne, sei es als mehr oder weniger große Gruppe — von der Einreichung eines Wahlvorschlagsrechts auszuschließen". Das WPG hat zwar die herausragende Stellung der Parteien im politischen Bereich uneingeschränkt bejaht, ihnen jedoch eine monopolartige Stellung im politischen Willensbildungsprozeß abgesprochen. Auf Grund dieser Entscheidung mußten in den Wahlkreisen 2 und 3 des Wahlkreisverbandes Zehlendorf, in denen die Wahl zum Abgeordnetenhaus wegen Nichtzulassung der beiden Einzelbewerber für ungültig erklärt worden war, die Wahl unter Zulassung je eines Wahlvorschlages eines parteiunabhängigen Bewerbers am 25. Januar 1976 wiederholt werden. Auch das BVfG (E 41, 399) hat anläßlich seiner Entscheidung, daß parteiungebundene Einzelbewerber für die Bundestagswahl einen Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung haben, entgegen der Auffassung des BVwG (E44, 187) und Mußgnugs (JR 1976, 353) eine Monopolisierung des Wahlvorschlagsrechts bei den politischen Parteien für unzulässig und die Zulassung parteiunabhängiger Einzelbewerber für durch Art. 38 I GG geboten erachtet (ebenso Schachtschneider JR 1975, 89; Linck ZfP 1973, 191; Seifert, BWG, 2. Aufl. 1965, S. 43). Das bin WPG ist kein Verfassungsgericht. Daher haben seine Entscheidungen keine allgemein verbindliche Wirkung (vgl. Art. 64 Rdn. 9). Dennoch hat der Berliner Gesetzgeber Art. 26 II und das LWG entsprechend dem Spruch des Wahlprüfungsgerichts geändert. 215
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Ferner ist das sog. personalisierte Verhältniswahlrecht (eine Mischung von Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht), wie es für die Bundestagswahlen und für die meisten Landtagswahlen vorgesehen ist, normiert mit der Variation des Ausgleichsmandats. Dies ergibt sich aus der Festlegung der 5%-Sperrklausel, die nur im Zusammenhang mit dem Verhältniswahlrecht verständlich ist, und aus dem Hinweis, daß mit einem Wahlkreissitz die Sperrklausel ebenfalls überwunden werden kann, was nur Sinn in bezug auf das Mehrheitswahlrecht hat (Näheres über das Berliner Wahlrecht Rdn. 17-19). 12 In Anlehnung an die WRV war man in Berlin im Gegensatz zu den meisten westdeutschen Ländern bereits mit der Vollendung des 20. Lebensjahres wahlberechtigt. Durch die Verfassungsänderung vom 17. Juli 1969 wurde das aktive Wahlalter herabgesetzt. 13 Wahlberechtigt sind nur Deutsche im Sinne des Artikels 116 I GG (vgl. Art. 25 Rdn. 3). 14 Damit der Wähler sich mit den politischen Verhältnissen im Wahlgebiet vertraut machen kann, muß er, vom Wahltag zurückgerechnet, ununterbrochen mindestens drei Monate in Berlin seinen Wohnsitz haben. Unter Berlin im Sinne dieser Verfassungsvorschrift ist jeder Teil Groß-Berlins gemeint (vgl. Art. 2 Rdn. 1), so daß auf die DreiMonats-Frist ein Wohnsitz in Ost-Berlin angerechnet wird; um für das AvB (und eine BVV) wahlberechtigt zu sein, muß am Wahltag allerdings ein Wohnsitz in Berlin-West bestehen. Die Aufgabe des Wohnsitzes führt zum Verlust des Wahlrechts. Zur Frage des Scheinwohnsitzes vgl. Art. 54 Rdn. 7. Unter Wohnsitz ist nicht der bürgerlich-rechtliche Wohnsitz im Sinne der §§ 7, 8 BGB gemeint, sondern der sog. wahlrechtliche Wohnsitz, der an das Melderecht anknüpft; dies ist rechtlich zulässig (OVG Münster in: Der Städtetag 1973, 29; BayVfGH DÖV 1967, 797). Nach § 1 II LWG kann in Berlin nur jemand wählen, der hier mit Hauptwohnung im Sinne des Melderechts gemeldet ist. Eine Meldung mit Nebenwohnung in Berlin reicht für die Begründung des Wahlrechts nicht aus (vgl. § 1 Abs. 2 LWG). Während bis zum Inkrafttreten des Meldegesetzes vom 15. März 1983 (GVB1. S. 434), das nunmehr ersetzt worden ist durch das Meldegesetz vom 26. Februar 1985 (GVB1. S. 507) jeder Meldepflichtige selber entscheiden konnte, welche von mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung sein sollte, geht das Melderecht in allen Bundesländern von dem objektiven Hauptwohnungsbegriff des § 12 Abs. 2 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) vom 16. 8.1980 (BGBl. I, 216
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Art. 26
S. 1429/GVB1. 1981 S. 470) aus. Inhaltsgleich lautet § 17 Abs. 2 des Berliner Meldegesetzes: „Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie lebt, ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie. In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt."
Bei Neuanmeldungen entfällt somit die frühere Wahlmöglichkeit des Haupt- und Nebenwohnsitzes. Die sogenannten Altfalle müssen später angepaßt werden, was dann zwangsläufig zu einem Verlust des Wahlrechts bei zahlreichen Bewohnern führen kann. Personen, die mehrere Wohnungen in Berlin unterhalten, können nur dort wählen, wo sie mit Hauptwohnung gemeldet sind. Für das passive Wahlrecht müssen alle Voraussetzungen des akti- 15 ven Wahlrechts gegeben sein. Das Wählbarkeitsalter, das ursprünglich an die Vollendung des 25. Lebensjahres geknüpft war, ist nunmehr an die Vollendung des 21. Lebensjahres gebunden. Das LWG vom 3. 5. 1984 (GVB1. S. 780, zuletzt geändert durch 16 Gesetz vom 29. 10.1985 (GVB1. S. 2254) geht entspr. der VvB (vgl. Art. 4 Rdn. 1) und wie die früheren LWG von der Fiktion aus, daß Wahlen zum AvB und zu den BVV in Groß-Berlin (Ost- und WestBerlin) durchgeführt werden können. Dies war jedoch nur am 20. Oktober 1946 möglich. Die folgenden Wahlen am 5. Dezember 1948, 3. Dezember 1950, 5. Dezember 1954, 7. Dezember 1958,17. Februar 1963, 12. März 1967, 14. März 1971, 2. März 1975, 18. März 1979, 10. Mai 1981 und 10. März 1985 fanden nur in Berlin-West statt. Die Wahlen 1946 und 1948 (StW-Wahl), 1950 und 1954 (AvBWahl) wurden nach dem reinen Listenwahlrecht durchgeführt. Erstmals am 7. Dezember 1958 wurde das personalisierte Verhältniswahlrecht praktiziert. Wegen der Verhinderung der Wahlen in Ost-Berlin müssen die mindestens zu wählenden 200 Abgeordneten entsprechend dem Verhältnis der Bevölkerungszahl von West-Berlin zu OstBerlin auf die beiden Teile der Stadt aufgeteilt werden. So entfielen 1958, 1971 und 1975 mindestens 133 Abgeordnete und 1963 und 1967 mindestens 134 Abgeordnete auf West-Berlin. Ebenso muß der Anteil der 120 Wahlkreise auf West-Berlin errechnet und durch den SvB auf die 12 Bezirke (Wahlkreisverbände) verteilt werden. Nach dem LWG werden bei diesen Berechnungen Ausländer im Sinne des § 1 II AuslG nicht mehr berücksichtigt. Wegen des hohen Ausländeranteils führt dies zwangsläufig zu einer Verminderung der Mindestzahl der West-Berliner Mandate (1979: 125, 1981: 125, 1985: 119). Entsprechend verringerten sich auch die Wahlkreise von 1979 an (1981: 75, 1985: 71). 217
Art. 26 17
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Während das AvB von 1958 bis 1971 nach einem Verhältniswahlsystem ohne Liste gewählt wurde, sind seit 1975 für jeden der 12 Wahlkreisverbände Bezirkslisten eingeführt worden. Der Wähler hatte bis dahin nur eine Stimme, die für den Wahlkreiskandidaten zählte, zugleich aber auch für die Bezirksliste der Partei, die den Wahlkreisbewerber aufgestellt hatte. Nunmehr sieht das neue LWG eine sogenannte Erststimme des Wählers für einen Wahlkreisbewerber (parteigebunden oder parteiungebunden) und eine sogenannte Zweitstimme für eine Bezirksliste vor. Bezirkslisten können nur von politischen Parteien eingereicht werden. Der Wähler kann seine beiden Stimmen splitten, d. h., er kann mit seiner Zweitstimme die Bezirksliste einer anderen Partei wählen als die, der sein mit der Erststimme gewählter Wahlkreisbewerber angehört. 18 Die Zweitstimmen der Parteien werden auf Landesebene zusammengezählt und nach dem D'Hondtschen Höchstzahlverfahren auf die Parteien verteilt, die die 5%-Sperrklausel überwunden oder mindestens in einem Wahlkreis nach der relativen Mehrheitswahl den Sieger gestellt haben. Dieses so für jede Partei ermittelte Kontingent von Abgeordneten wird für jede Partei gesondert auf die 12 Wahlkreisverbände ebenfalls nach dem Höchstzahlverfahren D'Hondt verteilt. Von diesem für jede Partei und jeden Wahlkreisverband errechneten Kontingent werden die von den Parteien dort bereits in relativer Mehrheitswahl errungenen Mandate abgezogen. Stehen einer Partei dann noch in diesem Wahlkreisverband Sitze zu, werden sie ihr aus der Bezirksüste zugeteilt. Hat eine Partei in einem Wahlkreisverband mehr erfolgreiche Wahlkreisbewerber gestellt als ihr nach dem Verhältniswahlrecht dort zustehen, so behält sie diese Mandate als sogenannte Überhangmandate, wodurch sich die Mindestzahl der gewählten Abgeordneten zwangsläufig erhöht. Damit der Proporz hergestellt wird, muß im Fall des Anfalls von Überhangmandaten auf Landesebene eine Neuberechnung stattfinden, die u. U. in anderen Wahlkreisverbänden für andere Parteien zur Zuteilung von sogenannten Ausgleichsmandaten führen kann. So wurden 1981 7 und 1985 sogar 25 Überhang- und Ausgleichsmandate zugeteilt. Durch die Ausgleichsregelung ist das Berliner Abgeordnetenhaus zahlenmäßig sehr verstärkt und das Wahlrecht sehr kompliziert worden (vgl. Magen, Grundriß des Staatsrechts 7. Auflage 1985). 19 Eine Vorschrift über das Ruhen des Wahlrechts sieht das LWG in Anlehnung an die Fassung des BWG nicht mehr vor. 20 Die Vorschriften über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat (Inkompatibilität), die ihre verfassungsrechtliche Grundlage in 218
Wahlrecht (Magen)
Art. 2 6
Art. 137 GG haben, sind wegen der unterschiedlichen Regelungen für Beamte und Angestellte in der Hauptverwaltung, des AvB, des Datenschutzbeauftragten, des LRH, der Gerichtsverwaltung sowie für Landesrichter und Bezirksamtsmitglieder (inkompatibel) einerseits und für die Beamten und Angestellten in den Bezirksverwaltungen und der mittelbaren Landesverwaltung (kompatibel) nicht bedenkenfrei. Die Bediensteten in den Bezirksverwaltungen unterliegen bei der Erledigung von übertragenen Vorbehaltsaufgaben im Sinne des § 3 II AZG einer Fachaufsicht nach § 8 AZG, die in der mittelbaren Verwaltung einer Staatsaufsicht nach § 28 AZG. Im Falle einer parlamentarischen Tätigkeit kontrollieren diese Beamten und Angestellten die für die Fach- und Staatsaufsicht zuständigen Senatsmitglieder. Ob durch die Entscheidung für das Teilzeit-Abgeordnetenmandat (vgl. Art. 38 Rdn. 2) bei diesen Personengruppen die Aufrechterhaltung der Kompatibilität gerechtfertigt ist, erscheint deshalb zweifelhaft. Führungskräfte von privatrechtlich organisierten Betrieben, an denen das Land Berlin mehrheitlich beteiligt ist, unterliegen ebenfalls nicht der Inkompatibilität, obwohl eine Erstreckung auf diesen Personenkreis nicht gegen Art. 137 GG verstoßen würde (BVfGE 48, 64; zur Inegibilität BVfGE 38, 338). Art. 137 ermächtigt den Gesetzgeber, nur die Wählbarkeit durch 21 eine Inkompatibilitätsregelung für Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwillige Soldaten auf Zeit und Richter im Bund, in den Ländern und Gemeinden gesetzlich zu beschränken. Da dies eine Ausnahmeregelung ist, ist eine Ausdehnung des dort aufgeführten Personenbegriffs nicht zulässig. Daher steht dem Landesverfassungsgeber nicht das Recht zu, den Verlust eines Mandats für den Fall vorzusehen, daß ein Abgeordneter Mitglied der Regierung (des SvB) würde. Die Mitglieder des SvB stehen nach § 1 SenG in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land Berlin; sie sind also nicht Beamte im Sinne des LBG. Dem Berliner Landesgesetzgeber steht es jedoch frei, durch Änderung des LBG oder des SenG den Mitgliedern des SvB ausdrücklich die Beamteneigenschaft — allerdings dann auch mit allen entsprechenden Konsequenzen — zu verleihen (so auch Maunz MDHS, Art. 137 Rdn. 4). Die Verknüpfung von Ministeramt und Abgeordnetenmandat entspricht jedoch dem hergebrachten Verständnis der parlamentarischen Demokratie (vgl. Schreiber, BWG, 1976, S. 427). In manchen Staaten ist sogar Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Regierung, daß das Regierungsmitglied dem Parlament angehört (z. B. Großbritannien; vgl. auch Art. 52 I VNW). 219
Art. 26 22
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Von dem vorstehenden Problem ist das sog. ruhende Mandat zu unterscheiden. Darunter versteht man eine gesetzliche Regelung, wonach mit der Annahme eines Regierungsamts durch ein Parlamentsmitglied für die Dauer der Zugehörigkeit zur Regierung das Parlamentsmandat entweder a) automatisch, kraft Gesetzes (so in Hamburg und Bremen) oder b) kraft Erklärung des Betreffenden (so in Rheinland-Pfalz und Hessen) ruht, mit der Folge, daß der nächste zu berufende Abgeordnete für die Zeit des Ruhens in das Parlament einrückt. In den Ländern Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz ist das ruhende Mandat in der Verfassung verankert, nicht jedoch im Land Hessen. Während der Weimarer Republik kannten die Länder Anhalt, Bremen, LippeDetmold, Lübeck, Mecklenburg-Strehlitz, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das ruhende Mandat (vgl. Braumus, Das parlamentarische Wahlrecht II, 1932, S. 16). In einer Entscheidung des HeStGH v. 7. Juli 1977 auf Grund eines von 51 Mitgliedern des hessischen Landtages angestrengten Normkontrollverfahrens, wurde die entsprechende Vorschrift über das ruhende Mandat im LWG als mit der HV nicht vereinbar und daher für nichtig erklärt. Der HeStGH hat die Grundsätze der unmittelbaren, gleichen und freien Wahlen durch diese Regelung als verletzt angesehen. Die Unmittelbarkeit der Wahl wird deshalb verletzt, weil der Nachrücker des sog. Ministerabgeordneten sein Mandat wieder verliert, wenn der Ministerabgeordnete während der Legislaturperiode des Parlaments aus der Regierung ausscheidet. Nicht der Wählerwille entscheidet unmittelbar über die Innehabung des Mandats, sondern der Ministerabgeordnete. Die Gleichheit der Wahl wird verletzt, weil es nach der hessischen Regelung Abgeordnete mit einem unterschiedlichen Status gibt, nämlich die, die unbedingt dem Parlament angehören und die, die unter einer auflösenden Bedingung für einen Ministerabgeordneten nachrücken. Das freie Mandat wird berührt, weil für den Nachrücker die Beendigung seines Mandats nicht in seiner, sondern in der Willensentscheidung des Ministerabgeordneten liegt. Leider hat der HeStGH zu der Frage keine Stellung genommen, ob durch Ergänzung der HV diese Bedenken ausgeräumt würden. Da die drei verletzten Grundsätze nicht nur in der HV, sondern auch in der Homogenitätsklausel des Art. 28 GG verbindlich für die Länder und Gemeinden steht, würde das ruhende Mandat, auch wenn es in der Verfassung eines Landes verankert ist, gegen höherrangiges Bundesverfassungsrecht verstoßen. Mithin ist die Einführung des ruhenden Mandats nicht zulässig. 220
Wahlrecht (Magen)
Art. 26
Die Überprüfung der Wahlen obliegt einem besonderen Wahlprü- 23 fungsgericht. Nach §40 I 2 VwGO kann der Landesgesetzgeber öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art auf dem Gebiet des Landesrechts einer anderen Gerichtsbarkeit als der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zuweisen (vgl. dazu im einzelnen Art. 71, Rdn. 5f). Von dieser Möglichkeit hat er Gebrauch gemacht. Einer Erwähnung des WPG in der Berliner Verfassung bedurfte es daher nicht. Nach § 1 IV WahlprüfG vom 16.10. 58 (GVB1. S. 1021), zuletzt geändert durch G. v. 17. April 1984 (GVB1. S. 600), ist Vorsitzender der Präsident des Oberverwaltungsgerichts (vgl. dazu Art. 69, Rdn. 7). Soweit im Wahlprüfungsverfahren die Wahl ganz oder teilweise für ungültig erklärt wird, findet gem. § 21 LWG eine Wiederholungswahl nach Maßgabe der Entscheidung des WPG statt. Sie macht eine Neufeststellung des Wahlergebnisses nötig, die auch bei nicht direkt beteiligten Abgeordneten z. B. wegen des Wegfalls eines Ausgleichsmandates zum Verlust des Sitzes führen kann (§ 5 III LWG). Die Erstattung der Kosten für den Wahlkampf zu der Wahl zum 24 Abgeordnetenhaus ist in dem auf § 22 PartG beruhenden (vgl. Art. 27 Rdn. 2) WahlkampfkostenG vom 24. Oktober 1978 (GVB1. S. 2107 m. 1. Ä. vom 29.10.1985 GVB1. S. 2254) geregelt. Das G. sieht vor, daß aus Haushaltsmitteln pro Wahlberechtigtem ein Betrag als Wahlkampfkostenpauschale zur Verfügung gestellt wird, der dem bei der Wahl zum Deutschen Bundestag entspricht (zur Zeit 5,00 DM). Sollte sich allerdings die Pauschale für die Bundestagswahl erhöhen, so würde sich dies automatisch auch auf den in Berlin vorgesehenen Betrag auswirken. Der Gesamtbetrag der Pauschale wird aufgrund des vom Landeswahlausschuß festgestellten Ergebnisses der Wahl zum Abgeordnetenhaus an Parteien verteilt, die mindestens 1 % der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen oder mindestens 10% der in einem Wahlkreis abgegebenen gültigen Erststimmen erreicht haben. Unabhängige Einzelbewerber, die an dem Erstattungsverfahren teilnehmen wollen, müssen mindestens in ihrem Wahlkreis 10% der abgegebenen gültigen Erststimmen erhalten haben. Nach dem Beschluß des BVfG vom 9. März 1976 (BVfGE 41, 399) dürfen unabhängige Bewerber von einem Erstattungsverfahren nicht ausgeschlossen werden. Der Anteil an der Wahlkampfkostenpauschale bemißt sich bei Parteien, die mindestens 1 % der gültigen Zweitstimmen erhalten haben, nach dem Verhältnis der im Wahlgebiet erreichten gültigen Zweitstimmen; bei den anderen Parteien und bei unabhängigen Wahlkreisbewerbern, die die Voraussetzung erfüllen, mit 5,00 DM für jede gültige Erststimme. Auf Antrag erhal221
Art. 2 7
Abschnitt III: Die Volksvertretung
ten die Erstattungsberechtigten Abschlagszahlungen. Die Anträge für die Erstattung der Wahlkampfkosten und für Abschlagszahlungen sind an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, der diese Mittel verwaltet, zu richten. Das Gesetz regelt auch die Erstattung der Kosten für Ersatz- und Wiederholungswahlen. Das BVfG hält diese Art der Subventionen für zulässig (BVfGE 8, 51; 20, 56; 24, 300). Näheres über Kostenerstattung für die Wahlen zu den BVV Art. 54, Rdn. 5.
Artikel 27 Die staatsrechtlichen Aufgaben der Parteien und ihre Pflichten gegenüber der Öffentlichkeit werden durch ein Gesetz über das Parteiwesen bestimmt. Materialien 1. vgl. Art. 21 GG; 133 II VRP 2. VVGB: 3. Änderungen: —
Erläuterungen 1
Aufgrund des Befehls Nr. 2 der Sowj. Militäradministration vom 10. 6. 1945 wurden vier Parteien zugelassen (KPD: Gründungsaufruf vom 11.6.1945; SPD: Gründungsaufruf vom 15.6.1945; CDU: Gründungsaufruf vom 26. 6.1945; LDP: Gründungsaufruf vom 5. 7.1945). Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) im sowjetisch besetzten Sektor Berlins und in der SBZ im Mai 1946 wurden sowohl die SPD als auch die neugegründete SED am 31. Mai 1946 nochmals von der AKB bestätigt. Bis zum 6. September 1950 war für die Zulassung und Ablehnung von politischen Parteien ausschließlich die AKB zuständig (BK/O [46] 458 vom 30.12.1964 - VOB1. 1947 S. 5). Durch BK/O (50) 77 vom 6. 9.1950 (VOB1. S. 459) wurde die Zulassung von Anträgen neuer Parteien dem MvB/SvB übertragen; das Ablehnungsrecht behielt sich weiterhin die AKB vor. Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag waren ein demokratisches Programm, eine demokra222
Parteien (Magen)
Art. 27
tische Satzung und Abweichungen in der Programmatik und Zielsetzung von anderen bestehenden Parteien. Der MvB erließ am 16. Oktober 1950 Richtlinien über die Zulassung von politischen Parteien in Berlin, die nicht veröffentlicht worden sind, weil sie nur den Charakter von internen Verwaltungsvorschriften hatten. Durch BK/ O (51) 70 vom 8.12.1951 (GVB1. S. 1140) wurde dem SvB auch das Recht, entsprechende Anträge abzulehnen, übertragen. Von 1945 bis 30. April 1955 wurden von der AKB bzw. vom MvB/SvB insgesamt 13 Parteien zugelassen und 29 abgelehnt. Durch BK/O (55) 5 vom 13. 4.1955 (GVB1. S. 308) wurden mit Wirkung zum 30. 4.1955 die beiden BK/O (50) 77 und (51) 70 ersatzlos aufgehoben, so daß seit 1. 5.1955 auch in Berlin ebenso wie im übrigen Teil der Bundesrepublik Zulassungs- und Betätigungsfreiheit für politische Parteien besteht. Art. 27 ist durch Art. 21 III GG verdrängt worden. Nach dieser 2 Vorschrift des GG gehört die Regelung des Parteiwesens zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Sinne des Art. 71 GG. Da die Kompetenzverteilung des VII. Abschnitts des GG nicht von den Vorbehalten der Alliierten über Berlin betroffen wird (vgl. Art. 1 Rdn. 59, 51), ist der Berliner Gesetzgeber an diese Kompetenzregelung gebunden (Art. 87 Abs. 3 VvB i. V. m. Bestätigungsschreiben zur VvB - BK/O [50] 75 vom 29. 8.1950 - VOB1. S. 440). Dem Berliner Landesgesetzgeber ist es daher verwehrt, landesrechtliche Regelungen über das Parteiwesen zu erlassen, sofern nicht im Bundesgesetz eine Ermächtigung für den Landesgesetzgeber enthalten ist. Eine derartige Ermächtigung enthält z. B. § 22 PartG, wonach die Länder gesetzliche Vorschriften über die Erstattung von Wahlkampfkosten für Landtagswahlen, nicht jedoch für Kommunalwahlen (in Bin vergleichbar: Bezirksverordnetenwahlen) erlassen können (vgl. Art. 26 Rdn. 24). Das PartG gilt auch in seiner Neufassung vom 15. 2. 1984 (BGBl. I S. 242) in Berlin (vgl. GVB1. 1984, S. 844 und BK/O [84] 5 vom 30. 5.1984, GVB1. S. 858, vgl. Rdn. 3 u. 4). § 2 des PartG enthält im Gegensatz zu Art. 21 GG eine Legaldefinition. Danach sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftig223
Art. 27
Abschnitt III: Die Volksvertretung
keit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein. Eine Vereinigung verliert ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Politische Vereinigungen sind nicht Parteien, wenn 1. ihre Mitglieder oder die Mitglieder ihres Vorstands in der Mehrheit Ausländer sind oder 2. ihr Sitz oder ihre Geschäftsleitung sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes befindet. Organisationen, die sich in ihrer Tätigkeit ausschließlich auf die kommunale Ebene beschränken, sind sog. Rathausparteien, die weder unter die Privilegien des Art. 21 GG noch unter das Parteiengesetz fallen (BVfGE 6, 372). Ihre Rechtsstellung richtet sich nach dem Vereinsgesetz und dem BGB. Für diese kommunalen Wählergruppen gelten auch nicht die Vorschriften über die Absetzbarkeit von Beiträgen und Spenden nach § 10 b (2) EStG (BVfG NJW 1985, S. 1017). Das PartG enthält sehr eingehende Vorschriften u. a. über die Klagebefugnis, die Namensführung, die innere Ordnung, die Rechenschaftlegungspflicht. Alle Vorschriften gelten sowohl für die Berliner Landesverbände der Bundesparteien (CDU, F. D. P. und SPD) als auch für die nur in Berlin bestehenden Landesparteien (§ 6 IV PartG), z. B. SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin), AL (Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz). 3 Allerdings hat die AKB durch BK/O (67) 12 vom 6. Dezember 1967 (GVB1. S. 1779) eine Zuständigkeitsänderung angeordnet. So muß der nach § 23 II PartG erforderliche Rechenschaftsbericht und die nach § 6 III PartG erforderliche Mitteilung über Satzung und Programm der Partei, Namen der Vorstandsmitglieder und ihrer Funktionen und die Auflösung nicht dem Präsidenten des Bundestages gegenüber erstattet bzw. dem Bundeswahlleiter gegenüber erfolgen, sondern aufgrund der VO des SvB über die Zuständigkeit von Behörden des Landes Berlin nach dem PartG vom 1. November 1968 (GVB1. S. 1557) dem Senator des Innern gegenüber. Durch die BK/O (84) 5 vom 30. 05. 1984 (GVB1. S. 858) ist die Befugnis, die Berliner Behörden festzulegen, auf den Berliner Gesetzgeber übertragen worden. Nach Art. I Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Wahlkampfkostengesetzes und des LWG vom 29.10.1985 (GVB1. S. 2254) ist nunmehr für die Entgegennahme der Rechenschaftsberichte der Landesparteien der Präsident des AvB zuständig, der diesen Bericht zu 224
Parteien (Magen)
Art. 27
prüfen und über das Ergebnis der Prüfung dem AvB zu berichten hat. Nach Art. II Nr. 1 dieses Gesetzes sind jedoch die Angaben über die vorstehenden erwähnten Funktionsträger einer Landespartei sowie deren Satzung, Programm und Auflösung weiterhin dem Senator für Inneres gegenüber zu machen. Parteien, die sich in Berlin betätigen wollen, bedürfen keiner besonderen Zulassung, sie werden auch nicht in einem Register geführt. Die jährlich abzugebenden Rechenschaftsberichte der nur in Berlin bestehenden Landesparteien sind bisher nicht veröffentlicht worden. Eine Nichterfüllung der sich aus dem PartG ergebenden Verpflichtungen führen zu den im PartG vorgesehenen Sanktionen (z. B. keine Wahlkampfkostenerstattung). Das Verbot Berliner Landesparteien oder der Berliner Landesver- 4 bände von Bundesparteien ist wegen der fehlenden Zuständigkeit des BVfG für Berlin ausschließlich der AKB gem. Abschn. II der Erklärung über Berlin vom 5. Mai 1955 GVB1. S. 335) vorbehalten (vgl. Art. 1, Rdn. 86). Danach behalten die alliierten Behörden das Recht, falls sie es für notwendig erachten, solche Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen, zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und zur Erhaltung des Status und der Sicherheit Berlins, seiner Wirtschaft, seines Handels und seiner Verbindungslinien notwendig sind. Der Begriff „öffentliche Ordnung" im Sinne dieser Erklärung geht über den im Polizeirecht bekannten Begriff (§11 ASOG) hinaus und umfaßt auch außenpolitische Belange. Die AKB kann auch unterhalb des Verbots und der Auflösung einer Partei oder eines Landesverbandes Maßnahmen, wie z. B. Versammlungsverbot, Werbeverbot, Verbot der Teilnahme an Wahlen zum AvB und zu den BVV anordnen. Die zuständigen deutschen Behörden haben dann im Auftrag der Alliierten die erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung zu ergreifen. Weder die alliierten Anordnungen noch die Vollzugsmaßnahmen sind durch deutsche Gerichte überprüfbar (vgl. Art. 1, Rdn. 25 ff). Die Entscheidung des BGH (RzW 1962, 210), daß es jedem Rechtsuchenden offensteht, sich in Berlin auf die Verfassungswidrigkeit einer Partei in einem anhängigen Rechtsstreit zu berufen, hat die vorstehenden Befugnisse der AKB übersehen und ist daher rechtsirrig. Berliner Landesverbände von Bundesparteien, die vom BVfG für 5 verfassungswidrig erklärt worden sind, können allerdings keine Wahlvorschläge für die Wahl zum AvB und zu den BVVen einreichen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 LWG). Abgesehen von diesem Fall darf keine Berliner Behörde und auch kein Wahlorgan eine nicht von der AKB verbotene Partei wegen des Parteienprivilegs als verboten behandeln 225
Art. 28
Abschnitt III: Die Volksvertretung
(BVfGE 12,296 für Parteien, deren Verfassungswidrigkeit vom BVfG ausgesprochen werden muß). So ist es dem Landeswahlausschuß und den Bezirkswahlausschüssen verwehrt, Wahlvorschläge von nicht verbotenen Parteien zurückzuweisen, auch wenn die Mehrheit des Ausschusses der Auffassung sein sollte, daß die Ziele oder das Verhalten der Anhänger der Parteien darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden. Zulässig ist jedoch, diese Parteien in der verbalen Auseinandersetzung als verfassungswidrig zu bezeichnen, weil derartige Äußerungen durch Art. 5 GG als wertende Meinungsäußerungen gedeckt sind. (Hinsichtlich der Beschäftigung von Angehörigen extremer Parteien, die nicht verboten sind, vgl. BVfGE 39, 334.)
Artikel 28 Das Abgeordnetenhaus wählt für die Dauer der Wahlperiode aus seiner Mitte den Präsidenten des Abgeordnetenhauses und die übrigen Mitglieder des Präsidiums. Materialien 1. Vgl. Art. 40 I 1 GG; 32 I 1 VBW; 20 I BV; 86 VHB; 18 I 1 VHH; 84 HV; 8 I 1 VNV; 38 I 1 VNW; 85 II 1 VRP; 70 II VS; 13 I LS. 2. VVGB: Art. 6 I u. II. 3. Änderungen: Abs. 1 wurde durch das 20. Ä n d G W B v. 26. 2.1981 (GVB1. S. 346) aufgehoben; eine entsprechende Vorschrift enthält jetzt Art. 39 Abs. 5 Satz 2 (vgl. dazu Kusch/Harth, Bär v. Berlin 1981, 79/86).
Erläuterungen 1
Die Wahl des Präsidenten und des Präsidiums ist einer der herausragenden Punkte der konstituierenden Sitzung nach der Wahl des AvB und ein Teil der Parlamentsautonomie (rechtsvergleichend und rechtshistorisch zur Wahl des Parlamentspräsidenten vgl. Partsch AöR 86,1; zum Ablauf der konstituierenden Sitzung vgl. Art. 39 Rdn. 17). Da das Präsidium kein Ausschuß des AvB und deshalb Art. 32 II nicht anwendbar ist, können die Fraktionen nicht verlangen, entsprechend ihrer Stärke im Präsidium vertreten zu sein. § 9 GOAvB gibt den Fraktionen aber ein solches Beteiligungsrecht. Dementspre226
Präsidium (Härth)
Art. 28
chend hat die stärkste Fraktion ein Vorschlagsrecht für die Wahl des PrAvB, was im übrigen parlamentarischem Brauch entspricht (Achterberg S. 190/191; Ritzel/Bücker § 2, Anm. I c; Blischke Festschr. f. Schellknecht, S. 70/71; dagegen nicht überzeugend Jekewitz Recht u. Politik 1977, 98; Partsch aaO, 30, will die anderen Fraktionen vom Vorschlagsrecht nicht völüg ausschließen; s. a. § 5 II 1 GONdsLT). Das Parlament ist jedoch auch bei Beachtung des Vorschlagsrechts nicht gezwungen, dem Vorschlag zu folgen; es kann den Kandidaten ablehnen und die betreffende Fraktion zwingen, einen neuen Vorschlag zu machen (Uhlitz AöR 87, 299). Sind zwei oder mehrere gleichstarke Fraktionen vorhanden, so entfallt naturgemäß ein Vorschlagsrecht, und es muß im Falle der Nichteinigung eine Wahl mit mehreren Kandidaten stattfinden. Die Wahl erfolgt mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des AvB (Art. 31 II 3 i. V. m. § 11 S. 2 GOAvB). Wird die vorgeschriebene Mehrheit nicht erreicht, so ist ein zweiter Wahlgang erforderlich, zu dem neue Bewerber vorgeschlagen werden können; ein abgestuftes Wahlverfahren mit letztendlichem Losverfahren (so § 2 II 4 GOBT) kennt die GOAvB nicht. Der PrAvB leistet nach seiner Wahl keinen Eid (dazu s. Härth ZfP 1980, 497). Zur Stellung und zu den Aufgaben des PrAvB vgl. die Erl. zu Art. 37. Die VvB erwähnt stellvertretende Präsidenten nicht. Nach § 12 I 2 GOAvB sind aber zwei stellv. Präsidenten vorgesehen. Ihre Wahl erfolgt ebenfalls mit der Mehrheit der Mitglieder des AVB (§11 S. 2 GOAvB). Nach § 15 I GOAvB unterstützen die Stellvertreter den PrAvB in seiner Amtsführung und vertreten ihn bei seiner Abwesenheit oder Behinderung mit allen seinen Rechten und Pflichten; die Vertretung vereinbart der PrAvB mit seinen Stellvertretern. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums werden mit einfacher Stim- 3 menmehrheit gewählt (Art. 31 II 1). Die VvB legt die Zahl der Präsidiumsmitglieder nicht fest; nach § 121 GOAvB besteht das Präsidium aus dem PrAvB, zwei Stellvertretern und acht weiteren Mitgliedern, die Schriftführer genannt werden. Die Präsidiumsmitglieder sind — wie der PrAvB und seine Stellvertreter — aus der „Mitte" des AvB zu wählen, d. h. sie müssen Abgeordnete sein. Da das Präsidium kein Ausschuß des AvB ist, hat der SvB auch kein Recht auf Einladung zu den Sitzungen des Präsidiums (vgl. Art. 34 II). Die Aufgaben des Präsidiums als Beschlußorgan außerhalb der Plenarsitzung werden durch § 13 I GOAvB zunächst negativ umschrieben; es ist danach nicht zuständig für Angelegenheiten, deren Erledigung dem PrAvB obliegen (vgl. Art. 37 u. die dortigen Erl.). Zu den Angelegenheiten, über die das Präsidium zu beschließen hat, gehören andererseits 227
Art. 28
Abschnitt III: Die Volksvertretung
ausdrücklich nach § 13 I GOAvB der Entwurf des Haushaltsplans für das AvB einschließlich der Klärung der sachlichen Vorfragen für die Bestimmung der Haushaltsansätze nach Art und Höhe (vgl. dazu §28 II LHO) und die Verfügung über die Verwendung der dem AvB vorbehaltenen Räume (z. B. die Vergabe des Plenarsaals). Nach Abschn. VI der „Verhaltensregeln" (Anlage I zur GOAvB) hat das Präsidium ferner bei Verstößen gegen die dort niedergelegten Grundsätze den Sachverhalt aufzuklären und den betroffenen Abgeordneten anzuhören. Außerdem ist das Präsidium nach § 6 Nr. 1 LWG zuständig für die Feststellung des Verlustes eines Abgeordnetensitzes in bestimmten Fällen. §16 II KabelpilotprojektG (GVB1. 1984, S. 964) überträgt dem Präsidium schließlich im Zusammenhang mit dem Kabelrat eine bestimmte Prüfungsaufgabe. Von dem Präsidium als Beschlußorgan ist zu unterscheiden das „amtierende Präsidium" in der Plenarsitzung, das aus einem Präsidenten und zwei Schriftführern besteht (§§ 12 II, 16 GOAvB). 4 Die Mitglieder des Präsidiums werden für die Dauer der Wahlperiode gewählt; diese Formulierung ist als Gegensatz zu früheren Gebräuchen zu verstehen, insbesondere Präsidenten nur für besondere Arbeitsabschnitte des Parlaments zu wählen (vgl. Härth ZfP 1980, 97). Sie sind nicht abberufbar, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Stärkeverhältnisse der Fraktionen zueinander während der Wahlperiode in relevanter Weise ändern sollten oder ein Präsidiumsmitglied die Fraktion wechselt (vgl. allerdings § 9 II GOAvB). Dies beruht letzten Endes auf Gewohnheitsrecht auf der Ebene der Geschäftsordnung (Härth ZfP 1985, 490; in Nds ist jetzt durch eine Änderung der GO die Abberufung der Präsidiumsmitglieder ermöglicht worden - D 10/4251, PIPr 10/81 S. 7691). Ein Mißtrauensvotum ist ebenfalls unzulässig (ebenso Schneider in: AK Art. 40, Rdn. 5, hinsichtlich des Präsidenten). Für den Präsidenten ist dies mit Recht h. M.; er könnte seiner Pflicht, seine Funktion gerecht und unparteüsch wahrzunehmen (§ 14 II 2 GOAvB), nur schwerlich genügen, wäre er von einer jederzeitigen Abberufbarkeit bedroht (vgl. Troßmann § 2, Rdn. 1, 3; Ritzel/Bücker § 2, Anm. 5; Achterberg S. 213, Schneider-Dennewitz in: BK Art. 40, Erl. II 9; ferner Uhlitz AöR 87, 306, der betont, daß die deutsche parlamentarische Praxis davon ausgeht, daß der Parlamentspräsident nicht abberufen werden kann; Partsch AöR 86, 36; a. A. — aber widersprüchlich — Maunz in: MDHS Art. 40, Rdn. 10, u. im Anschluß an ihn Schneider aaO; Versteyl in v. Münch Art. 40, Rdn. 5, will die Abberufbarkeit mit nicht näher erläuterten „allgemeinen parlamentarischen Grundsätzen" rechtfertigen). Abberufbar ist der Präsident von der Verfassung 228
Art. 29
Geschäftsordnung (Härth)
her nur in Bayern (vgl. Art. 44 III 5 BV) und in Bremen unter bestimmten Umständen (Art. 86 I 3 VHB). Eine ganz andere Frage ist es, ob — wie Stern (StaatsR II § 26 IV a b) meint — bei mangelnder Mehrheit der Rücktritt ein „nobile officium" für den Präsidenten ist (zur Vertrauensgrundlage für den Präsidenten treffend Klink ZfP 1981, 437; zu der bisherigen Praxis im BT Wermser, Der Bundestagspräsident, 1984, S. 22). Achterberg (S. 218) will zulassen, daß der Präsident die Vertrauensfrage stellt und bei negativem Ergebnis zurücktritt. Wenn der Präsident sein Amt aber richtig wahrnehmen will, wozu gerade auch der Schutz der Minderheiten gehört, so darf er sich nicht in jedem Fall einer Zufallsmehrheit unterwerfen. Die Ansicht von Uhlitz (aaO), Schriftführer im Präsidium könnten abgewählt werden, weil sie nur unterstützende Funktion hätten und es deshalb nicht notwendig sei, ihnen eine durch das Verbot der Abberufung gesicherte Stellung gegenüber dem Parlament einzuräumen, ist schon mit Rücksicht auf die Aufgaben des amtierenden Präsidiums als Ganzes bei Abstimmungen (§70 GOAvB) nicht schlüssig (i. Erg. ebenso Denkschrift SvB, S. 6 unter Nr. 5).
Artikel 29 Das Abgeordnetenhaus gibt sich selbst eine Geschäftsordnung. Materialien 1. Vgl. Art. 40 I 2 GG; 32 I 2 VBW; 20 III BV; 106 VHB; 18 I 2 VHH; 99 HV; 8 I 2 VNV; 38 I 2 VNW; 85 I VRP; 70 I VS; 13 IV LS. 2. VVGB: Art. 6 VI 3. Änderungen: —
Erläuterungen Die GOAvB, die das AvB sich aufgrund der Parlamentsautonomie 1 selbst gibt (vgl. Art. 28, Rdn. 1) enthält Bestimmungen über die Organe des AvB und die Verfahrensregeln für die Arbeit des Parlaments; sie sichert damit seine Funktionsfähigkeit, schützt aber vor allem auch die parlamentarische Minderheit. Die Rechtsnatur der GO ist umstritten (vgl. Achterberg S. 274 ff; ders. Festschr. f. Broermann, 317). Für die Praxis ist der Streit aber von geringer Bedeutung und im übrigen durch BVfG ( E l , 144, 148) dahin entschieden, daß 229
Art. 29
Abschnitt III: Die Volksvertretung
die GO eine autonome Satzung darstellt, die der geschriebenen Verfassung und den Gesetzen im Range nachgeht (so auch die Landesverfassungsgerichte, vgl. Starck/Stern Bd. III, 111 Fn. 86). Daraus ergibt sich einmal, daß die GO nur die Mitglieder des Parlaments bindet (BVfG aaO); zum anderen sind Verstöße allein gegen die GO für die Gültigkeit und Außenwirkung von Beschlüssen des AvB ohne Bedeutung (HeStGH DVB1. 1967, 83; RhPfVerfGH VerwRspr. 1, 245; Stern, StaatsR II, § 26 III 6e; zweifelnd Schneider AK Art. 40 Rdn. 10; s. a. BVfGE 44, 308, 314). Die Satzungsautonomie des Parlaments hat aber verfassungsrechtliche Grenzen, z. B. in der Rechtsstellung des einzelnen Abgeordneten, der die ihm von der Verfassung zugedachte Aufgabe wahrnehmen können muß (BVfGE 1,156; s. a. BVfGE 60, 374; dazu ferner Ismayr, Parlamentarische Kommunikation und Abgeordnetenfreiheit, 1982; zur Stellung fraktionsloser Abgeordneter Kürschner, Die Statusrechte der fraktionslosen Abgeordneten, 1984, u. Kleffmann, Die Rechtsstellung parteiloser Kandidaten und Mandatsträger, 1982) oder der anderer Staatsorgane, z. B. der Regierung (zum Rederecht der Regierung vgl. die Erl. zu Art. 34). Die Geschäftsordnungsautonomie begründet insbesondere keine allumfassende Disziplinargewalt des AvB gegenüber seinen Mitgliedern, sondern nur normale Ordnungsbefugnisse (s. Troßmann/Roll Erl. Rdn. 2 zu § 18 GOBT; Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, 239; Härth ZRP 1984, 313; a. A. Nelamischkies, Die Disziplin im Deutschen Bundestag, Diss. Kiel, 1964, 142/171). Die GOAvB läßt eine Abweichung im Einzelfall durch Beschluß des AvB nur zu, wenn kein Widerspruch erfolgt (§91). 2 Die GOAvB gilt immer nur für eine Wahlperiode des Parlaments; jedes neugewählte AvB gibt sich eine neue GO (Maunz, MD, Art. 40, Rdn. 19; BVfGE 1, 148, Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, 1966, 126 ff). Schon der Reichstag legte großen Wert darauf, nicht an den Willen des vorhergehenden Reichstages gebunden zu sein (Hatschek, Einleitung S. 41). In der Regel wird in der konstituierenden Sitzung (in der es bis zur Übernahme der GO im Grunde genommen nur Verfahrensregeln gibt, die auf Parlamentsbrauch beruhen) die GO des bisherigen Parlaments aber unverändert übernommen und der für die GO zuständige Ausschuß mit der Überarbeitung beauftragt. Dabei ist es üblich, daß der Präsident, das Präsidium und die Fraktionen dem Ausschuß ihre Änderungswünsche mitteilen. Innerhalb der Grenzen der Satzungsautonomie hat das Parlament weitgehende 230
Geschäftsordnung (Härth)
Art. 29
Gestaltungsfreiheit (BVfGE 10, 4, 19). Für die Verabschiedung und auch für eine Änderung der GO ist nur die einfache Stimmenmehrheit erforderlich (Art. 31 II 1; anders z. B. Art. 32 I 2 VBW). Die GO wird im GVB1. veröffentlicht (zuletzt GVB1. 1984 S. 401); für das Inkrafttreten ist die Veröffentlichung aber unerheblich. Im letzten Jahrzehnt haben sich die Verfahrensregeln des Parlaments stärker als früher verändert. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, daß die „Parlamentsreform" als ein ständiges Anliegen erkannt worden ist (s. Liesegang, Parlamentsreform in der Bundesrepublik Deutschland, 1974; Neumeyer/Härth, Parlamentsreform in Berlin, ZfP 1971, 197; Kusch/Härth, Die Entwicklung der Berliner Verfassung seit 1959, Bär v. Berlin 1981, 79). Bei der Auslegung der GO ist zu beachten, daß diese Verfahrensre- 3 geln weitgehend eine Sammlung von Übereinkommen zwischen den Fraktionen darstellen, die eine vernünftige und ökonomische Abwicklung der Parlamentsarbeit sichern sollen. Sie sind oft schon im letzten Jahrhundert entwickelt worden (viel Material dazu bei Botzenhart, Deutscher Parlamentarismus 1848 — 1850, 1977), tragen Kompromißcharakter und sind nicht selten aus besonderen Situationen heraus entstanden, ohne daß ihr abstrakter Wortlaut dies erkennen läßt. Durch die am Anfang der Legislaturperiode übliche Übernahme der GO des alten Parlaments unterliegen trotz verschiedener Reformbestrebungen die Bestimmungen teilweise einem starken Beharrungsvermögen (so mit Recht Ritzel/Bücker, Einl. z. Komm, zur GOBT). Deshalb ist noch mehr als bei der Auslegung gesetzlicher Vorschriften eine reine Wortinterpretation fehl am Platz. Vielmehr spielt eine größere Rolle die Entstehungsgeschichte und der Parlamentsbrauch (HeStGH DVB1.1967, 83; BVfGE 1,144,148; Blischke, Festschr. f. Schellknecht, 55), der auch herangezogen werden muß, häufig vorhandene Lücken der GO zu schließen (dazu Kraul, Zur Ausfüllung von Lücken in parlamentarischen Geschäftsordnungen, Diss. München, 1972; zur Auslegung und Fortbildung allgemein Roll, Festschr. f. Blischke, 83). Parlamentarische Regeln werden oft auch im außerparlamentari- 4 sehen Raum angewendet (s. Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, 1979). Bei der Anwendung auf das Verfahren der BWs bleibt zu beachten, daß es dafür teilweise gesetzliche Regelungen gibt (§§ 5 ff BzVG) und außerdem jede BVV eine eigene GO hat (§ 8 Abs. 1 BzVG; vgl. auch die Erl. zu Art. 56 Rdn. 11 ff). Für Ausschüsse der Exekutive enthält das VwfG (§§ 88 ff) eigene Verfahrensnormen (s. a. Erl. zu Art. 50, 51 Rdn. 32). 231
Art. 30
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Artikel 30 (1) Das Abgeordnetenhaus wird durch den Präsidenten einberufen. (2) Auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder oder des Senats muß das Abgeordnetenhaus unverzüglich einberufen werden. (3) Die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses sind öffentlich. (4) Wenn ein Fünftel der Abgeordneten oder der Senat es beantragen, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen. Materialien 1. Vgl. Art. 39 III, 42 I u. II GG; 30 IV, 33 I VBW; 17, 22 I BV; 88, 91 VHB; 21, 22 VHH; 83 IV u. V, 89 HV; 6 IV, 9 I VNV; 38 III u. IV, 42 VNW; 83 V u. VI, 86 VRP; 68, 72 VS; 11 LS. 2. W G B : Art. 6 III, 7 I 3. Änderungen: 2. ÄndG VvB v. 22. 6. 1956 (GVB1. S. 693)
Erläuterungen Die VvB unterscheidet nicht mehr zwischen Wahlperiode und Sitzungsperiode, d. h. die Wahlperiode wird nicht mehr in mehrere Sitzungsperioden eingeteilt (vgl. demgegenüber den Wortlaut der Art. 24 WRV u. 17 BV). Der PrAvB beruft das Parlament innerhalb der Wahlperiode nach Bedarf zu Sitzungen ein, jedoch ist es Übung, daß das AvB am zweiten und vierten Donnerstag eines jeden Monats tagt (schon die alte StVV tagte donnerstags). Durch die Streichung der früheren Formulierung des Art. 301 („Das Abgeordnetenhaus tagt einmal monatlich") ist die Einführung längerer Parlamentsferien im Sommer möglich geworden. Es ist ferner üblich, daß innerhalb eines Zeitraums von sechs Wochen vor dem Tag der Neuwahl keine Plenarsitzungen mehr stattfinden. Das AvB wird durch seinen Präsidenten einberufen (s. §§ 56 ff 2 GOAvB). Der früher im Art. 30 II 2 enthaltene Hinweis, daß der PrAvB das Recht habe, jederzeit das Parlament einzuberufen, ist als selbstverständlich gestrichen worden. In der Praxis wird am Schluß der Plenarsitzung der Termin für die nächste Sitzung nach einem bereits vom Ältestenrat (§§ 17 ff GOAvB) aufgestellten Sitzungsplan bekanntgegeben. Wenn das Parlament einen bestimmten Sitzungstermin beschlossen hat, kann der PrAvB es nicht früher einberufen, denn das Selbstversammlungsrecht des Parlaments geht vor (Rupp1
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Einberufung, Öffentlichkeit (Härth)
Art. 30
v. Brünneck/Konow in Zinn/Stein Art. 83 HV, Erl. 5). Die VvB enthält keine Bestimmungen über die Förmlichkeiten der Einladung (anders als z. B. Art. 88 III VHB); sie überläßt dies der GO. Ein Fünftel der Abgeordneten oder der SvB können die Einberu- 3 fung des AvB erzwingen. Eine entsprechende Zahl von Abgeordneten muß die Forderung unterstützen. Auf Seiten des SvB bedarf es eines Beschlusses (Landsberg/Goetz S. 85). Eine Form ist nicht vorgeschrieben. Vom Präsidenten kann nicht geprüft werden, ob ein hinreichender Grund für die Einberufung einer Sitzung vorhanden ist (Rupp-v. Brünneck/Konow in Zinn/Stein, Art. 83 HV, Erl. 5). Der Präsident muß dem Ersuchen „unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern entsprechen; allerdings wird in der Regel die Ladungsfrist des § 57 I 1 GOAvB einzuhalten sein. Für die Verhandlungen des Plenums ist die Öffentlichkeit vorge- 4 schrieben (für die Ausschüsse vgl. § 26 V GOAvB, § 7 UntAG; dazu Linck DÖV 1973, 513). Dies bedeutet, daß im Zuhörerraum für jedermann und auf der Pressetribüne für jede als Presseberichterstatter ausgewiesene Person grundsätzlich freier Zutritt, genauer gesagt die rechtliche Möglichkeit freien Zutritts besteht (Dürig MDHS Art. 42, Rdn. 3), nämlich nur im Rahmen der räumlichen Gegebenheiten und unter der Voraussetzung, daß der ordnungsgemäße Verlauf der Sitzung nicht behindert wird (Landbergs/Goetz, S. 85; Ruppv. Brünneck/Konow in Zinn/Stein Art. 89 HV, Erl. 2). Die unentgeltliche Ausgabe von Eintrittskarten für den Zuhörerraum ist als Maßnahme der Ordnungsgewalt statthaft (Schneider AK Art. 42 Rdn. 6; Versteyl in v. Münch Art. 42, Rdn. 8; differenzierend Drexelius/Weber Art. 21 VHH, Rdn. 4). Der freie Zutritt gibt kein Recht auf eigene Betätigung wie Bei- oder Mißfallensäußerungen (Drexelius/ Weber aaO Rdn. 2; der Präsident hat dazu eine „Hausordnung" erlassen). Öffentlichkeit bedeutet nicht, daß jeder Zuschauer sehen können muß, wie der einzelne Abgeordnete abgestimmt hat; Wahl mit verdeckten Stimmzetteln (§ 74 II GOAvB) sind zulässig (vgl. Erl. zu Art. 31). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt nur, daß das Plenum, wenn es verhandelt, öffentlich verhandeln muß, schließt aber nicht aus, daß eine Angelegenheit statt im Plenum in einem (möglicherweise nichtöffentlich tagenden) Ausschuß verhandelt wird (BVfGE 1, 144, 150). Der freie Zutritt zu den Verhandlungen des Parlaments gewährt 5 nicht ohne weiteres das Recht, während der Plenarsitzungen Tonoder Filmaufnahmen zu machen. Wegen der Möglichkeit von Störungen des Sitzungsablaufs ist die Zustimmung des PrAvB erforderlich, die jedoch zu erteilen ist, soweit keine unangemessenen Störungen 233
Art. 31
Abschnitt III: Die Volksvertretung
zu erwarten sind (Rupp-v. Brünneck in Zinn/Stein Art. 89 HV, Rdn. 3; vgl. auch Stober DVB1. 1976, 371 und Binder DVB1. 1985, 1112). 6 Auf Antrag eines Fünftels der (anwesenden) Abgeordneten oder des SvB (nicht eines einzelnen Senatsmitgliedes) kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen (Art. 30IV, § 60 GOAvB; im Gegensatz zu anderen deutschen Verfassungen — z. B. Art. 42 I 2 GG — schreibt die VvB hier keine qualifizierte Mehrheit vor). Geheim bedeutet, daß (außer den Vertretern der Alliierten) nur Senatsmitglieder und Abgeordnete anwesend sein dürfen (Landsberg/Goetz S. 86), also auch nicht Beauftragte des SvB und Mitarbeiter der Verwaltung des AvB. Wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, so können dennoch einzelne Personen zugelassen werden, z. B. Berater des Präsidenten, Stenografen, Ordnungskräfte, Pressevertreter (Maunz in: MD, Art. 42, Rdn. 12 f; Schneider AK Art. 42, Rdn. 9; Versteyl in v. Münch Art. 42, Rdn. 14, meint, dazu bestünde kein Anlaß). Aus einer nichtöffentlichen Sitzung darf aber jedenfalls von der Presse nicht berichtet werden; Art. 36, der sich schon nach seinem Wortlaut nur auf öffentliche Sitzungen bezieht, gilt hier nicht.
Artikel 31 (1) Das Abgeordnetenhaus ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der gewählten Abgeordneten anwesend ist. (2) Das Abgeordnetenhaus beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit, falls die Verfassung nicht ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt. Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung. Für die vom Abgeordnetenhaus vorzunehmenden Wahlen kann durch Gesetz oder durch die Geschäftsordnung eine andere Mehrheit vorgeschrieben werden. Materialien 1. Vgl. Art. 42 II GG; 33 II VBW; 23 BV; 89, 90 VHB; 19, 20 VHH; 87, 88 HV; 9 II VNV; 44 VNW; 88 VRP; 74 VS; 12 LS. 2. W G B : Art. 7 III 3. Änderungen: Durch 5. ÄndG VvB v. 15. 1. 1958 (GVB1. S. 41) wurde im Abs. 2 folgender Satz 3 angefügt: „Für die vom Abgeordnetenhaus vorzunehmenden Wahlen kann durch Gesetz eine andere Mehrheit vorge-
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Abstimmung (Harth)
Art. 31
schrieben werden." Durch 14.ÄndG VvB v. 29.1.1971 (GVB1. S. 317) wurden in diesem Satz hinter dem Wort „Gesetz" noch die Wörter „oder durch die Geschäftsordnung" eingefügt.
Erläuterungen Die VvB regelt im Gegensatz zum GG — ebenso wie die meisten 1 Länderverfassungen — die Beschlußfähigkeit des Parlaments selbst und überläßt dies nicht der GO. Die Zahl der gewählten Abgeordneten (vgl. Art. 25 Rdn. 5) ist als Folge des Wahlsystems (vgl. die Erläuterungen zu Art. 26 Rdn. 16 ff) von Wahlperiode zu Wahlperiode variabel; in der 10. Wahlperiode beträgt sie 144. Somit ist für die Beschlußfähigkeit in der 10. Wahlperiode die Anwesenheit von 73 Abgeordneten notwendig. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß alle Mandate besetzt sind (vgl. zum Ausscheiden eines Abgeordneten und zur Feststellung des Nachrückers §§ 5 III u. IV, 6 LWG, § 82 III LWO). Anderenfalls verringert sich vorübergehend auch die für die Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl von Abgeordneten (Maunz MDHS Art. 121, Rdn. 4f; Jellinek, Festschrift für Kraus, 1954, S. 93; a. A. ohne nähere Begründung Jellinek im HbDStR II S. 183). Für die VvB liegt schon nach dem Wortlaut der Verfassungsvorschrift die erstere Auffassung nahe. Ob alle Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen, ist belanglos (Achterberg S. 631). Die Hälfte der gewählten Abgeordneten muß im Plenarsaal sein; Anwesenheit im Hause genügt nicht. Das Verfahren für die Feststellung der Beschlußfähigkeit ist im § 73 GOAvB festgelegt; er geht von der Vermutung der Beschlußfähigkeit aus (s. dazu BVfGE 44, 308, 314, u. Kühne ZfP 1978, 34). Bei Beschlußunfähigkeit ist das Parlament auch nicht beratungsfä- 2 hig (Ritzel/Bücker Erl. III 1 a zu § 45 GOBT; Pereis HdBStR IS. 462, Achterberg S. 634; so ausdrücklich Art. 87 HV). Art. 311 behandelt nur die Beschlußfähigkeit des Plenums, nicht der Ausschüsse (hierzu s. § 26 I 1 GOAvB). Einfache Stimmenmehrheit bedeutet, daß mehr Ja- als Nein-Stim- 3 men abgegeben worden sein müssen (Abstimmungsmehrheit). Es ist also ohne Bedeutung, wie viele Abgeordnete anwesend waren und wie viele sich davon an der Abstimmung beteiligt, der Stimme enthalten oder ungültige Stimmen abgegeben haben; ebensowenig kommt es auf die gegenwärtige Zahl der Mandate an (vgl. hierzu Maunz MDHS Art. 42, Rdn. 16 ff; Ritzel/Bücker Erl. II 1 b zu § 48 GOBT; § 69 GOAvB; unrichtig Landsberg/Goetz S. 87). Der Grundsatz der 235
Art. 31
Abschnitt III: Die Volksvertretung
einfachen Stimmenmehrheit wird im Art. 461 für die Verabschiedung von Gesetzen noch einmal wiederholt. Bei Stimmengleichheit ist der betreffende Antrag abgelehnt. Die Verfassung selbst macht aber von diesem Grundsatz verschiedene Ausnahmen. So wird für die Annahme eines Mißtrauensvotums durch Art. 42 III 1 die Mehrheit der gewählten Mitglieder (vgl. Art. 25 Rdn. 5) des AvB vorgeschrieben. In zwei Fällen ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Mitglieder erforderlich: Art. 39 II, 88 I. Für Wahlen ist des öfteren ebenfalls eine besondere Mehrheit vorgesehen: Art. 411 (s. a. § 75 I GOAvB: bei der Ermittlung der Mehrheit der „abgegebenen Stimmen" zählen jedoch Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen nicht mit); Art. 44 II, 69 II, 83 II 2 (Mehrheit der gewählten Mitglieder). Außerdem läßt die VvB ausdrücklich für Wahlen durch ein Gesetz oder die GOAvB normierte abweichende Mehrheiten zu. Ferner eröffnet die VvB in einem weiteren Fall die Möglichkeit, daß eine Minderheit die Mehrheit zu einem bestimmten Beschluß zwingt: Art. 33 I, wodurch der Grundsatz des Art. 311 zwar nicht theoretisch, aber doch praktisch aufgehoben wird (hingegen läßt Art. 30 IV der Mehrheit noch Spielraum). 4 Umstritten ist, ob darüber hinaus die GO andere Mehrheiten festlegen kann. Sieht man in Art. 31 II 1 lediglich eine Konkretisierung des allgemeinen, sich aus dem Demokratiegebot ergebenden Mehrheitsprinzips, so ist es naheliegend, daß die Vorschrift nur dort von Bedeutung ist, wo abschließend Sachentscheidungen mit Außenwirkung getroffen werden. Nur daran ist die staatliche Gemeinschaft interessiert. Art. 31 II 1 steht hier zudem in einem Spannungsverhältnis zu Art. 29, der dem Parlament gestattet, sein eigenes Verfahren zu regeln. Deshalb sind Vorschriften über andere Mehrheiten in Verfahrensfragen, speziell aber auch insoweit Vorschriften, die die Mehrheit im Bereich des Minderheitenschutzes binden, zulässig (Achterberg, S. 588/589, hält jegliche Abweichungen für unzulässig; Versteyl in v. Münch Art. 42 Erl. Rdn. 26 will Erschwerungen zulassen). Auf die rechtliche Verbindlichkeit der Sachbeschlüsse kommt es allerdings nicht an; deshalb ist die gelegentlich geäußerte Ansicht, politische Entschließungen fielen nicht unter die Bestimmung (Maunz MDHS Art. 42, Rdn. 14; Braun Art. 33 VBW, Rdn. 27) abzulehnen (gegen eine solche Unterscheidung auch Dickersbach in Geller/Kleinrahm Art. 44 VNW Erl. 2 b). 5 Im Falle der entschuldbaren Verhinderung von Abgeordneten auf der Seite der die Regierung tragenden Parlamentsmehrheit wird mitunter mit der Opposition ein Abkommen über eine Stimmrechtsbeschränkung getroffen („Pairing"; vgl. dazu Röttger JuS 1977, 7, u. Röper ZfP 1979, 204). 236
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Art. 31
Die Abstimmungsarten sind in den §§ 70 ff GOAvB geregelt. Bei Wahlen ist auch eine solche mit verdeckten Stimmzetteln möglich (Buschmann/Ostendorf ZRP 1977, 153, halten dies für unzulässig, Klein ZRP 1976, 81, u. Röper ZfP 1980, 503, mit Recht für zulässig). Kein Abgeordneter ist wegen Betroffenheit in eigener Sache gehindert, sich an einer Abstimmung zu beteiligen (anders Art. 84 VHB; zu diesem Themenkomplex s. Achterberg, AöR, 109. Bd. , S. 505 ff; Peine, JZ 1985, 914). Nach den „Verhaltensregeln für Abgeordnete" (Anlage 1 zur GOAvB, HB AvB 10. WP, Bd. I S. 223, Abschn. III) ist ein Abgeordneter lediglich gehalten, bei Beratungen und Abstimmungen im Ausschuß im Falle bestimmter Interessenverknüpfungen diese zuvor offenzulegen. Die fundamentalen Verfahrensprinzipien des Parlaments und das Vertrauen der staatlichen Gemeinschaft in den Bestand eines einmal gefaßten Beschlusses führen zum Grundsatz der Unverrückbarkeit des Parlamentsbeschlusses. Er bedeutet einmal, daß nach Abschluß der Beratung und Abstimmung über eine bestimmte Frage in demselben Beratungsstadium nicht wieder Anträge mit dem Ziel einer Änderung oder Aufhebung des eben gefaßten Beschlusses eingebracht werden dürfen (Rupp-v. Brünneck/Konow in Zinn/Stein Art. 88 HV, Anm. 6). Zum anderen bedeutet er, daß ein gefaßter und entsprechend der GO verkündeter Beschluß so lange Bestand hat, bis er durch einen entgegengesetzten Parlamentsbeschluß aufgehoben worden ist, was nur ausnahmsweise zulässig ist (so kann z. B. ein einmal gefaßter Gesetzesbeschluß nicht wieder aufgerollt werden, Ritzel/Bücker, Erl. III b zu § 48), und das auch nur bei Irrtum über den Inhalt der Abstimmungsfrage, sofern der Irrtum für das Ergebnis erheblich sein kann und er bis zum nächsten Tagesordnungspunkt bemerkt wird (Trossmann S. 3 ff; Rupp-v. Brünneck/Konow, in: Zinn/Stein Art. 88 HV, Anm. 6; sehr differenziert und deshalb wenig hilfreich die Darstellung bei Achterberg S. 648 ff). Bei einem Irrtum über das Abstimmungsergebnis läßt § 70 III GOAvB nur bei einstimmiger Meinung des Hauses eine Wiederholung der Abstimmung zu. Die Praxis verfahrt allerdings insgesamt etwas flexibler (s. dazu Fensch, in: ParlPraxisS-H, Erl. 4 zu § 54). Die Beschlüsse des AvB werden in der Form eines Beschlußprotokolls beurkundet, das vom Präsidenten und einem Beisitzer unterschrieben wird (§ 87 GOAvB). Die Beschlüsse werden in den „Mitteilungen des Präsidenten" veröffentlicht. Ob ein Beschluß richtig beurkundet worden ist, kann nachträglich auch von keinem Gericht mehr nachgeprüft werden, ebensowenig die Frage, ob das Parlament beschlußfähig war (Krüger DÖV 1952, 249). 237
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
Artikel 32 (1) Das Abgeordnetenhaus wählt nach Bedarf Ausschüsse aus seiner Mitte. (2) In den Ausschüssen müssen die Parteien nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vertreten sein. (3) Für die Ausschüsse gilt sinngemäß die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses. (4) Über Petitionen an das Abgeordnetenhaus entscheidet der Petitionsausschuß, sofern nicht das Abgeordnetenhaus selbst entscheidet. Der Ausschuß kann auch tätig werden, wenn ihm auf andere Weise gewichtige Umstände bekannt werden. Der Senat und alle ihm unterstellten oder von ihm beaufsichtigten Behörden und Verwaltungseinheiten sowie die Gerichte haben Auskunftshilfe zu leisten. Der Ausschuß kann Zeugen und Sachverständige vernehmen und vereidigen. Alles Nähere wird durch Gesetz geregelt. Materialien 1. Vgl. Art. 45 c GG; 35 a VBW; 105 I VHB; 25 a VHH; 94 HV; 41 a VNW; 90, 90a VRP; 77, 78 VS; 14, 15a LS. 2. VVGB: Art. 7 II 3. Änderungen: Abs. 4 wurde durch das 12. ÄndG VvB v. 21. 11. 1969 (GVB1. S. 2511) angefügt.
Erläuterungen Die Beratungen der Ausschüsse dienen weitgehend der Vorbereitung der Entscheidungen des Parlaments (Vorschläge zur Entlastung des Plenums durch die Ausschüsse auf dem Gebiet der Gesetzgebung bei v. Lucius AöR 57, 568; Achterberg DÖV 1975, 833, 844; zu den Grenzen Kasten, DÖV 1985, 222; die Möglichkeit einer Delegation außerhalb der Legislativtätigkeit sieht ausdrücklich Art. 105 V VHB vor), jedoch haben die Ausschüsse seit der Parlamentsreform 1969 auch ein Selbstbefassungsrecht (§ 21 V GOAvB; zur Parlamentsreform in Berlin vgl. Härth/Neumeyer ZfP 1972, 192). Soweit ihnen Verhandlungsgegenstände vom Plenum überwiesen worden sind, müssen sie diese beraten (vgl. BVfGE 1, 153). Bei Anträgen können die Fraktionen gegebenenfalls einen Zwischenbericht verlangen (§ 27 V GOAvB). 2 Das AvB setzt grundsätzlich für jeden von einem Senatsmitglied verwalteten Geschäftsbereich einen ständigen Ausschuß ein (§ 20 I 1
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Ausschüsse (Harth)
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GOAvB). Obwohl Art. 321 davon spricht, daß das AvB die Ausschüsse „wählt", ist es ständige Praxis des Parlaments, die Ausschüsse durch das Plenum nur „einsetzen" zu lassen, d. h. nur die Zahl, die Stärke und die Geschäftsbereiche der Ausschüsse werden durch das Plenum festgelegt, während ihre Mitglieder von den Fraktionen dem PrAvB benannt werden (§ 20 I u. III GOAvB; dieses Verfahren und seine Vereinbarkeit mit der Verfassung war schon Gegenstand der Erörterungen im GOAusschuß der I. WP). Abgeordnete können auch gegen ihren Willen von ihrer Fraktion wieder aus einem Ausschuß abberufen werden (so mit Recht Trossmann, GOBT, Erl. Rdn. 6 zu § 68; Ritzel/Bücker, Erl. II a zu § 57 GOBT; in der Konsequenz wohl ebenso Weiler DÖV 1973, 231; ferner Arndt ZfP 1984, 523, gegen Becker ZfP 1984, 24; a. A. auch Klein DÖV 1972, 329, u. Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, der den Rückruf beschränkt zulassen will). Mitglieder der Ausschüsse können nur Abgeordnete sein (s. hingegen § 2 II 1 EnqueteG). Die Ausschüsse können aber sachkundige Personen und Sachverständige hinzuziehen (§ 28 GOAvB; s. dazu auch Landsberg/Goetz S. 88). Die GOAvB enthält einige spezielle Normen für das Verfahren in 3 den Ausschüssen, viele Fragen sind aber ungeregelt (s. Abschnitt VI GOAvB; Art. 32 III ist überflüssig und könnte ersatzlos aufgehoben werden, so auch Denkschrift SvB S. 6; Zusammenfassung des Verfahrens der BTAusschüsse bei Frost AöR 95, 38; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1972, S. 119 ff; Vetter, Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 1986; zum Verhältnis gesetzlicher Regelungen zu Verfahrensvorschriften in der GO für Ausschüsse s. Röper, ZfP 1984, 529). Die meisten Ausschüsse tagen öffentlich (§ 26 V GOAvB; zur Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen s. a. Linck DÖV 1973, 513); in neuerer Zeit haben die „Hearings" stark an Bedeutung gewonnen (§26 V 5 GOAvB; s. ferner Appoldt, Die öffentlichen Anhörungen („Hearings") des Deutschen Bundestages, 1971; s. a. Mengel DÖV 1983, 226). Beschlüsse werden immer mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt (§ 26 I 2 GOAvB); eine Wiederholung der Abstimmung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. § 70 III i. V. m. § 26 IX GOAvB, Einzelheiten sind strittig, vgl. Maunz, Festschrift für Weber, S. 299, 303). Die Ausschußvorsitzenden haben in der Sitzung eine Ordnungsgewalt (s. Art. 34 IV), die aber entsprechend der Stellung des Ausschußvorsitzenden im Ausschuß nicht so weit geht wie die Ordnungsgewalt des Präsidenten im Plenum (so mit Recht Bernzen, ZfP 1977, 36); ihnen ist auch durch besondere Anordnung begrenzt das Hausrecht über239
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
tragen worden (s. im übrigen die „Grundsätze zur Stellung der Ausschußvorsitzenden" HbAvB 10. WP/Bd. I S. 230). Sondernormen gelten für den Petitionsausschuß (s. unten) und die Untersuchungsausschüsse (vgl. Art. 33). 4 Zu Art. 32 II hat sich die Mehrheit des Verfassungsausschusses des AvB 1956 zutreffend auf den Standpunkt gestellt, daß entsprechend der Tradition des Parlamentsrechts der Begriff der „Parteien" einschränkend im Sinne von „Fraktionen" zu verstehen ist; der Ausschuß hatte sich eine Klarstellung bei einer künftigen Verfassungsrevision vorbehalten (vgl. Denkschrift SvB, S. 6). Zu einer Ausnahme vom Grundsatz der Beteiligung aller Fraktionen vgl. BVerfG DÖV 1986, 240. In der Praxis wird die Stärke der einzelnen Fraktionen in den Ausschüssen nach d'Hondt ermittelt; die Fraktionsstärken im Parlament werden durch die natürlichen Zahlen — beginnend mit 1 — geteilt und aus dem sich daraus ergebenden Zahlenspiegel wird nacheinander die jeweils verbleibende höchste Zahl herausgesucht und der betreffenden Fraktion ein Sitz zugeteilt. Auf die gleiche Weise werden die Vorsitzendenfunktionen auf die Fraktionen aufgeteilt. Gewöhnlich wird dann im Rahmen einer interfraktionellen Absprache fesjgelegt, welche Fraktion in den Ausschüssen den Vorsitz übernimmt; kommt eine Einigung nicht zustande, so werden die Vorsitzfunktionen im sog. Zugriff-Verfahren vergeben, d. h. in der sich nach d'Hondt ergebenden Reihenfolge können die Fraktionen unter den gebildeten Ausschüssen sich denjenigen heraussuchen, in dem sie den Vorsitz übernehmen wollen (zu den einzelnen Berechnungsverfahren s. Ritzel/Bücker § 16, Erl. II; s. a. Nauber, Das Berliner Parlament, 1986, S. 117 ff). 5 Die Fraktionen werden in der VvB nicht erwähnt, obwohl ihre Tätigkeit für die Arbeit des Parlaments von sehr großer Bedeutung ist. Nach der GOAvB sind Fraktionen Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mindestzahl der Mitglieder des AvB ( § 7 1 1 GOAvB, allerdings schränkt § 7 12 GOAvB die Bildung von Fraktionen nach der Konstituierung ein; zu der Frage, welchen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen die geschäftsordnungsmäßige Regelung des Fraktionsstatus unterliegt s. BayVerfGH BayVBl. 1976, 431; Linck DÖV 1975, 689; Dellmann DÖV 1976, 153 mit Schlußwort von Linck; Arndt/Schweitzer, ZfP 1976, 71; Weiler ZfP 1978, 18; Dach DVB1. 1982, 1080; zur Entwicklung und Rechtsstellung der Fraktionen Ritzel/Bücker, § 10, Vbm. und Erl. zu §§ 10 ff; ferner Hauenschild, Wesen und Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, 1968; Borchert AöR 1977, 210). Ihre Rechtsnatur ist 240
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umstritten (vgl. dazu Achterberg S. 39). Das BVerfG hat die Fraktionen als „Teile und ständige Gliederungen" des Parlaments bezeichnet, die der organisierten Staatlichkeit eingefügt und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (BVfGE 20, 56,104; DVB1.1977, 613; zu „Fraktionen im Ausschuß" BVfGE 67, 100, 124). Deshalb können ihnen staatliche Zuschüsse gewährt werden (BVerfG aaO). Die Wahrnehmung einer Aufgabe durch die Fraktionen schließt naturgemäß eine gewisse Bindung des einzelnen Abgeordneten an seine Fraktion, eine Beschränkung seiner Freiheit ein. Geht diese Bindung nicht über das hinaus, was zur Sicherung des Ablaufs der Parlamentsarbeit geboten ist, 'so liegt sie im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen, vorausgesetzt, daß die notwendige Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortlichkeit des einzelnen Abgeordneten erhalten bleibt (BVfGE 10, 4, 14; zum Fraktionswechsel zusammenfassend Müller, Fraktionswechsel im Parteienstaat, 1974; zur Praxis der Fraktionsarbeit vgl. Nauber, Das Berliner Parlament, 1986, S. 277 ff; außerdem Meyn JZ 1977, 167; zum Fraktionszwang Schütt-Wetschky, Grundtypen parlamentarischer Demokratie, 1984, 163 ff). Ebenso schweigt die VvB über die Rolle der Opposition. Demgegen- 6 über heißt es in Art. 23 a VHH: (1) Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. (2) Sie hat die ständige Aufgabe, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz und im Einzelfall öffentlich zu vertreten. Sie ist die politische Alternative zur Regierungsmehrheit.
(s. die Erl. bei Drexelius/Weber, Art. 23 a VHH). Laut BVfG (E 2, 143, 170) ist es nicht nur das Recht der Opposition, außer ihren politischen auch ihre verfassungsrechtlichen Bedenken geltend zu machen, sondern im parlamentarisch-demokratischen Staat geradezu ihre Pflicht (zum ganzen Problemkreis Regierungsmehrheit/Opposition vgl. Norbert Gehring, Parlament—Regierung—Opposition, 1969; Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1974; Oppermann und Meyer, VVDStRL 33, 7 ff, 69 ff, insbesondere S.64f, 100 ff, 113 f; ferner Busse/Hartmann, ZfP 1971, 200; Hübner, ZfP 1970, 44; Schumann, Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, 1976; Fach, Koalition und Opposition in spieltheoretischer Sicht, 1979). Toleriert die Opposition eine Minderheitsregierung, so verändert sich ihre Funktion teilweise (zu Problemen bei Minderheitsregierungen s. Finckelnburg, Die Minderheitsregierung im deutschen Staatsrecht, Berlin, 1982). 241
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Abschnitt III: Die Volksvertretung
Nach Art. 32 IV, der an Art. 17 GG anschließt, entscheidet über Petitionen an das AvB in der Regel der Petitionsausschuß. Mit dem Begriff Petition schließt sich die VvB einem alten parlamentarischen Sprachgebrauch an (das GG spricht zwar in den Art. 17 und 45 c — ebenso wie Art. 126 WRV — nur von „Bitten und Beschwerden", jedoch wird im Art. 45 c auch der Begriff „Petitionsausschuß" verwendet; vgl. im übrigen auch Art. 23 RV 1871, §2 I br PetG v. 12. 5.1969 - BrGBl. S. 57 - und Art. 41 a VNW). Ausgehend von der sprachlichen Herkunft des Wortes (lat. petitio = das Ersuchen, die Bitte) sowie dem Sinn und Zweck des Petitionsrechts gehört zum Wesensmerkmal einer Petition, daß sie ein „petitum" enthält, d. h. mit der Eingabe muß angestrebt werden, das Parlament solle in irgendeiner Weise handeln (Dürig MDHS Art. 17, Rdn. 14, Rohlf JZ 1976, 359, vgl. auch BVfGE 13, 132, 150). Daraus folgt umgekehrt, daß Eingaben keine Petitionen darstellen, wenn sie bloße Meinungsäußerungen enthalten (Mitteilungen, Belehrungen, Vorwürfe, Anerkennungen). Nach richtiger Ansicht liegt auch keine Petition vor, wenn ein Bürger nur um eine Auskunft nachsucht (HeStGH DÖV 1962, 757; Rauball in v. Münch Art. 17, Rdn. 10. a. A. Dürig aaO Rdn. 16; vgl. auch Banse in Hübner/Oberreuter/Rausch, Der Bundestag von innen gesehen, 1969, S. 245; Seidel, Das Petitionsrecht, 1972, S. 18/19; Kortinek, Das Petitionsrecht im demokratischen Rechtsstaat, 1977; Terbille, Das Petitionsrecht in der Bundesrepublik, Diss. Münster, 1980). Petitionen bedürfen nicht der Schriftform (§ 2 PetG geht allerdings wohl als Regelfall von der Schriftform aus; Rauball aaO meint, „im Grundsatz" sei die Schriftform zu wahren); auch Geschäftsfähigkeit wird nicht vorausgesetzt (§ 1 II PetG; OVG Berlin DVB1. 1976, 261). Das AvB ist nur zur Behandlung von Petitionen zuständig, die Organe des Landes Berlin betreffen. Betrifft z. B. eine Eingabe die Tätigkeit von Bundesstellen, hat das AvB die Sache an den BT zu verweisen, ähnliches gilt bei EG-Angelegenheiten bezüglich des EP. Zu weiteren kompetenzrechtlichen Fragen s. Graf Vitzthum, Petitionsrecht und Volksvertretung, 1985, S. 41 ff u. 83 ff. Petitionen werden in der Regel vom Petitionsausschuß beraten und erledigt (so jetzt auch Art. 45 c GG); der Ausschuß kann aber die Entscheidung des Plenums einholen und umgekehrt kann eine Fraktion oder eine Gruppe von 10 Abgeordneten beantragen, daß eine Petition im Plenum des AvB entschieden wird (§ 4 II PetG; dazu auch Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, 1974). Der Ausschuß kann auch tätig werden, wenn ihm auf andere Weise gewichtige Umstände bekannt werden (Art. 32 IV 2, § 4 I 2 PetG); er ist damit 242
Untersuchungsausschuß (Härth)
Art. 33
in die Nähe eines ständigen Untersuchungsausschusses gerückt (s. dazu Rohlf JZ 1976, 363). Die Tendenz wird dadurch verstärkt, daß der Ausschuß ein direktes — d. h. ohne vorherige Einschaltung des SvB — Informationsrecht bei allen der Aufsicht des SvB unterstehenden Behörden und den Gerichten hat (allerdings schreibt § 5 III 1 PetG mit Recht eine parallele Unterrichtung des RB vor). Außerdem kann der Ausschuß Zeugen und Sachverständige vernehmen und vereidigen (Art. 32IV 4, § 6 PetG; zu weiteren Einzelfragen s. Art. 33 Rdn. 4 u. 5). Der Petent hat einen Anspruch darauf, daß das Parlament die Eingabe entgegennimmt, sachlich prüft und ihm zumindest die Art der Erledigung schriftlich mitteilt (vgl. aber Art. 68, Rdn. 9). Ein darüber hinausgehender Anspruch auf eine materiell-rechtliche Entscheidung und eine Begründung besteht nicht (BVfGE 2, 225; OVG Berlin DÖV 1976, 261; Bay VfGH DÖV 1957, 719; OVG Hamburg DVB1.1967, 86; s. a. BVwG NJW 1977,118; ferner Girth DÖV 1977, 761). Der Petitionsbescheid ist kein VA (BVwG aaO). Jedoch ist die allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten möglich (OVG Berlin aaO). Das Gericht kann nicht die Vorlage der Petitionsakten verlangen; die dafür erforderlichen Unterlagen hat der Kläger in der Regel selbst in den Händen.
Artikel 33 (1) Das Abgeordnetenhaus hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. (2) Jedermann ist verpflichtet, den Aufforderungen des Untersuchungsausschusses zum Zwecke der Beweiserhebung Folge zu leisten. Gerichte und Behörden haben Rechts- und Amtshilfe zu leisten; sie haben auf Verlangen Akten vorzulegen und ihren Dienstkräften Aussagegenehmigungen zu erteilen, soweit nicht Gründe der Staatssicherheit entgegenstehen. (3) Berichte der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Nachprüfung entzogen. (4) Der Untersuchungsausschuß kann durch Beschluß den Mitgliedern des Senats und ihren Beauftragten die Anwesenheit in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses gestatten. (5) Alles Nähere wird durch Gesetz geregelt. 243
Art. 33
Abschnitt III: Die Volksvertretung
Materialien 1. Vgl. Art. 44, 45 a II GG; 34 II 3, 35, 36 I 2 VBW; 25, 26 I 2 BV; 105 VI VHB; 25 VHH; 92, 93 I 2 HV; 11, 12 I 2 VNV; 41, 40 4, 45 III VNW; 91, 92 1 VRP; 79, 80 VS; 15 LS. 2. VVGB: 3. Änderungen: Art. 33 wurde durch das 13. ÄndG VvB v. 22. 6. 1970 (GVB1. S. 928) neu gefaßt.
Erläuterungen 1
Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bedarf eines Beschlusses des Parlaments (vgl. §§1, 2 UntAG), kann aber nach Axt. 33 I von der Minderheit erzwungen werden. Dabei bleibt zu beachten, daß der Auftrag an einen Untersuchungsausschuß nicht weiter gehen kann als die Kompetenz des Parlaments reicht (sog. Korollartheorie - Achterberg, S.446fT; HeStGH DÖV 1972, 568; BreStGHE 1977/79, 75, 82). So darf etwa wegen des Prinzips der Gewaltenteilung die Kontrolle der Regierung durch einen Untersuchungsausschuß nicht zu einer Dauereinrichtung werden (h. M., Achterberg, S. 449; vgl. auch die Formulierung im § 1 UntAG). Die parlamentarische Konrolle ist eben politische Kontrolle, nicht administrative Überkontrolle (BVfGE 67, 100, 140). Die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament setzt außerdem notwendigerweise einen Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung voraus, der einen auch von Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt; das Parlament darf nicht in laufende Verhandlungen und in Entscheidungsvorbereitungen eingreifen (BVfGE 67,100,138; s. a. Bay VerfGH DVB1. 1986, 233). Der Untersuchungsausschuß darf ferner nicht zur Untersuchung rein privater Vorgänge, an denen kein öffentliches Interesse besteht, eingesetzt werden (s. hierzu HeStGH DÖV 1972, 568; Böckenförde AöR 103. Bd.