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German Pages 524 Year 2005
ANDREAS POPP
Verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren
Schriften zum Prozessrecht Band 188
Verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren Eine Darstellung am Beispiel der Eingriffsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren
Von Andreas Popp
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 739 Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11688-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die folgende Arbeit ist im Sommersemester 2004 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen worden. Mein Dank gilt vor allen anderen Herrn Dekan Prof. Dr. Bernhard Haffke, der die Arbeit in ihrer jetzigen Gestalt angeregt und in allen Phasen ihres Entstehungsprozesses in einer Weise begleitet hat, die an Offenheit, Empathie und Freiheit zu wünschen nichts übrig läßt. Nur unter solchen Prämissen war ein Projekt wie dieses überhaupt denkbar. Dank schulde ich weiter Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Fincke fur die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Jan Wilhelm fur den Freiraum, den er mir in der Zeit an seinem Lehrstuhl gewährt hat, nicht zuletzt aber den Menschen, die - auf je eigene Weise - dazu beigetragen haben, daß diese Arbeit begonnen wurde und abgeschlossen werden konnte: Andrea, Isabel, Michael und natürlich Ronald. Andreas Popp
Inhaltsverzeichnis Einleitung Α. Ausgangsüberlegungen und thematische Eingrenzung
23
I. Das Bedürfnis nach einer Allgemeinen Verfahrens(fehler)lehre
23
II. Die Grundthese: Interne u. externe Fehlerkorrektur im komplexen Verfahren
28
III. Sachlich-methodische Beschränkungen
30
B. Gang der Untersuchung
31
Erster Teil Grundzüge einer Allgemeinen Verfahrenstheorie § 1 Das Verfahren als Gegenstand
32
A. Der Ausgangspunkt
32
I. Einleitung
32
II. Zum Begriff der „Allgemeinen Verfahrenstheorie"
36
1. Verfahren
36
2. Theorie
39
B. Der erreichte Stand
41
I. Allgemeines
41
II. Grundlinien in der Literatur
45
1. Der synoptische Ansatz
45
2. „Kategorische" Ansätze
47
a) Der Ansatz von Goldschmidt
47
Inhaltsverzeichnis
10
b) Der Ansatz von Hagen
48
c) Der Ansatz von Rödig
49
C. Allgemeine Verfahrenslehre und Gesamte Strafrechtswissenschaft
50
I. Allgemeine Verfahrenstheorie und Strafprozeßrechtswissenschaft
50
II. Verortung im System der Gesamten Strafrechtswissenschaft
53
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
55
A. Überblick
55
B. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
59
I. Entscheidung 1. Entscheidung als Festlegung
59 59
a) Bindung
59
b) Abänderbarkeit und Verantwortung
63
2. Entscheidung als Wahl
67
a) Alternativität
67
b) Rationalisierung der Auswahl
67
c) Die Ausnahme als Alternative
70
d) Die Offenheit des Ergebnisses
74
3. Der dynamische Aspekt der Entscheidung
76
a) Entscheiden als Vorgang
76
b) „Reine" Entscheidungen?
79
II. Verfahren 1. Verfahren und Prozeß
80 80
a) „Verfahren" und „Prozeß" als Universalbegriffe
80
b) „Verfahren" und „Prozeß" als juristische Begriffe
82
c) Exkurs I: Unterströmungen im Prozeßbegriff aa) „Strecke" und „Weg" bb) „Werden" und „gefunden werden" cc) Stufe und Bahn
84 84 86 87
Inhaltsverzeichnis
2. Rechtlich geordnete Verfahren
87
3. Inneres und äußeres Verfahren
92
C. Institutionelle Verfahrensziele I. Grundlagen 1. Verfahren als Institution
96 96 96
a) Die soziologische Sicht: Verfahren als institutionalisiertes soziales System
96
b) Die normative Sicht: Das Verfahren als Rechtsinstitut
98
c) Gemeinsamer Ertrag
99
2. Institutionelle Zwecke a) Verfahrensprinzipien aa) Prinzipien als Maximen bb) Prinzipien als Normen
100 101 101 103
b) Funktionale Dimension
105
c) Instrumentelle Dimension aa) „Ziele" und „Zwecke" bb) Normative Ziele und individuelle Interessen cc) „Interne" und „externe" Sichtweise
108 108 109 111
II. „Allgemeine" Verfahrensziele?
113
1. Entscheidungsbezug
114
2. Wahrheit
116
a) Ausgangspunkt
117
b) Erreichbares Ziel oder utopischer Anspruch? aa) Wahrheit als garantiertes Ergebnis bb) Der Verwirklichungsanspruch des „materiellen" Rechts cc) Beschränkung auf Menschenmaß c) „Entscheidungsbezogene Wahrheit" aa) Relevanzstruktur/Unterordnung bb) Faktische und normative Schranken cc) Falsifikation dd) Subjektive Konstitution ee) Fazit
119 119 122 124 125 125 129 131 132 133
3. Durchsetzung und Bewährung des „materiellen" Rechts
136
Inhaltsverzeichnis
12
4. Monistische und vereinigende Zielbestimmungen (am Beispiel des Strafverfahrens)
140
a) Das „Rechtsfrieden"-Konzept
140
b) Kritik aa) Zum Begriff des „Rechtsfriedens" bb) Legitimation durch Verfahren? cc) Die Qualität des Verfahrens zwischen Effizienz und normativer Bindung dd) Fazit
142 142 143
D. Verfahrensstruktur
146 149 151
I. Zum Begriff
151
II. Die Verfahrensbeteiligten
152
III. Strukturtypen
154
E. Der Gegenstand des Verfahrens
157
I. Allgemeines
157
II. Einzelne Dimensionen der materiell-rechtlichen Prägung des Verfahrensgegenstandes
160
1. Eingrenzungsfunktion
161
2. Disposition über den Verfahrensgegenstand
162
3. Reichweite der Entscheidungswirkungen
164
F. Die rechtliche Ordnung von Verfahren I. Gegenstand und Charakter des Verfahrensrechts 1. Die Unterscheidung von „formellem" und „materiellem" Recht
165 165 165
a) Die Bedeutung der Unterscheidung
165
b) Die Abgrenzungsversuche
168
c) Die Relativität der Unterscheidung
170
2. Heterogonie
175
3. Rahmencharakter
176
II. Das geltende Verfahrensrecht
180
III. Grundaufgaben der rechtlichen Ordnung von Verfahren
183
Inhaltsverzeichnis
1. Strukturierung der Entscheidungsfindung
183
a) Die „Rationalisierungsperspektive"
183
b) Form und Formalismus
186
2. Formung von Herrschaftsausübung
188
a) Verfahren, Macht und Herrschaft
188
b) Herrschaft über Verfahren
189
c) Herrschaft durch Verfahren aa) Verfahren als Handlungsmodus bb) Beschränkungen durch Verfahrensrecht cc) Verfahrensfehler, Macht und Herrschaft
190 191 196 200
d) Verfahrensgerechtigkeit aa) Gerechtigkeit als Leitidee bb) Iustititia distributiva
202 202 204
Zweiter Teil Komplexität und Kontrolle Die Komplexität von Entscheidungsverfahren
208
A. Einfuhrung
208
B. Abspaltung und Integration - Vielheit und Einheit von Verfahren
212
I. Das Grundmodell: Entscheiden und Vollziehen
212
II. Zur „Binnenstruktur" von Verfahren
214
1. Das Phasen-Modell
215
a) Entscheidungstheoretische Ansätze
216
b) Juristisch-normativer Ansatz
218
c) Phasenmodelle, realer Entscheidungsablauf und Verfahren
220
2. Erweiterungen des Grundmodells
222
a) Vor der Entscheidung: Ermitteln und Planen
222
b) Nach der Entscheidung: Kontrolle
225
3. Illustration: Das Ermittlungsverfahren der Strafprozeßordnung
226
Inhaltsverzeichnis
14
a) Das Ermittlungsverfahren als eigenständiger Abschnitt des Strafverfahrens 226 b) „Einlagerungen" innerhalb des Ermittlungsverfahrens aa) Die „Ermittlungseingriffsverfahren" als „Sondersachgestaltung" bb) Zweck und Gegenstand der Ermittlungseingriffsverfahren ... cc) Organisatorische Eigenständigkeit III. Ausdifferenzierung und Wiederverknüpfung 1. Ausgangsüberlegungen
230 230 231 233 236 236
a) Zum Begriff der „Ausdifferenzierung"
236
b) Der traditionale Aspekt des Entscheidens
238
c) „Problembewältigung" als gemeinsamer Bezugspunkt
240
2. Einzelne Aspekte a) Rationalisierung aa) Bildung von Abschnitten bb) Wiederverknüpfung durch Selbstbindung
242 243 243 246
b) Teilung und Begrenzung von Entscheidungsmacht und Entscheidungsverantwortung 248 aa) Bildung von Interpunktionen 248 bb) Wiederverknüpfung durch Bindung an verfahrensexterne Entscheidungen 250 c) Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten
252
IV. Verfahrensgrenzen als Fehlerfolgegrenzen
254
1. Das Prinzip des Verfahrensvorrangs
254
2. Weiterungen
255
C. Der Prozeß als Konstrukt: Rechts-/systemtheoretische Vertiefung
258
I. Einleitung
258
II. Das Verfahren als Spiel
259
III. Das Verfahren als Drama
261
IV. Getrennte Räume: James Goldschmidt
265
1. Der Ausgangspunkt
265
2. Prozeßtheoretische Grundlinien
267
Inhaltsverzeichnis
a) Die beiden Rechtsbetrachtungsweisen
267
b) Die dreifache Unfertigkeit
270
c) Normativität und Strategie
276
3. Die „Raumtheorie"
278
4. Das Anschluß-Problem
282
§ 4 Kontrolle: Die Anwendung des Verfahrens auf sich selbst A. Kontrolle I. Kontrolle als Verfahren
286 286 286
1. Kontrolle als Vergleichsvorgang
286
2. Zweistufigkeit der Kontrolle
288
II. Die triadische Grundstruktur der Kontrolle
289
1. Der Kontrollierende und der Kontrollierte
289
2. Das Dreieck der Verantwortlichkeit
290
a) Kontrolle und Verantwortung
290
b) Objektive und subjektive Dimension der Verantwortung
292
III. Selbstkontrolle - Fremdkontrolle
294
1. Die Unterscheidung von prospektiver und retrospektiver Kontrolle als Ausgangspunkt
294
2. Die Fremdkontrolle als Grundfigur
296
3. Die Selbstkontrolle
297
4. Fehlererkennungs- und Fehlerbereinigungskompetenz
298
B. Das Verfahren als Gegenstand seiner selbst
301
I. Die paradoxale Struktur von Rekursionen
301
II. Reflexive Verfahren
302
1. Reflexion als Grundprinzip a) Die prozedurale Selbstreferenz des modernen Rechts
302 302
16
Inhaltsverzeichnis
b) Rechtsanwendungsverfahren als selbstkorrektive Prozesse - Beispiel: Strafverfahren 305 c) Exkurs II: „Seltsame Schleifen" in der Revision
307
2. Wechsel der Perspektiven: Anwendung des Verfahrens auf sich selbst
309
a) Grundlagen
309
b) Handlungssphäre, Bewertungs- und Sanktionsdiskurs
312
c) Folgerungen für den Fehlerfolgendiskurs
314
Dritter Teil Verfahrensfehler und Verfahrensfehlerfolgen, insbesondere im Ermittlungsverfahren der Strafprozeßordnung
§ 5 Zur Theorie des Verfahrensfehlers und seiner Folgen A. Der Fehler als Normverletzung I. Vorweg: Begriffsklärung und thematische Eingrenzung 1. Begriff des Fehlers
316 316 316 316
a) Der Fehler als Abweichung von einer Norm
316
b) Abgrenzungen aa) Fehler und Irrtum bb) Fehler und Ausnahme cc) Fehler und Mißbrauch dd) Verfahrensfehler und fehlerhaftes Verfahren
317 317 318 319 319
c) Konsequenzen des zugrundegelegten Fehlerbegriffs
320
2. Kontrolle und Sanktion
321
a) Fehlerkontrolle
321
b) Sanktionierung als zweistufige Fehlerkontrolle
322
3. Eingrenzung II. Verfahrensnormen als Normen 1. Ausgangspunkt
322 323 323
Inhaltsverzeichnis
2. Insbesondere: Die Normativität der Strafprozeßordnung
326
a) Die Lehre von den Soll- und Ordnungsvorschriften
326
b) Der Nachrang des Verfahrensrechts aa) Revisionsrecht bb) Kostenrecht
329 329 331
c) Der Gegenstand strafprozessualer Normen, insbesondere fur das Ermittlungsverfahren 332 3. Rechtstheoretische Vergewisserung
335
a) Die Regeltypenlehre von Robles aa) Ontische Regeln bb) Technische Regeln cc) Deontische Regeln
335 336 336 337
b) Die Allgegenwart des Verfahrens
338
III. Der Verstoß gegen Verfahrensnormen 1. Ausgangspunkt
339 339
2. Die Übertretbarkeit von Regeln - einige Bemerkungen zum „Regelskeptizismus" 3. Zur Übertretbarkeit des Verfahrensrechts
340 342
a) Handlungsspielräume
342
b) Die „prozessuale Betrachtungsweise" aa) Der Ausgangspunkt bb) Die Sicht der Verfahrensbeteiligten cc) „Regulative" und „konstitutive" Betrachtungsweise dd) Die Sicht des Entscheidungsträgers ee) Kritik
345 346 346 348 355 359
4. Exkurs III: Fehlerlehre und „Legitimation durch Verfahren"
366
B. Normverletzung und Sanktion
367
I. Die Ausgangslage
367
II. Zur Notwendigkeit von Sanktionen für Verfahrensfehler
369
1. Zum Verhältnis von Norm und Sanktion
370
2. Verfassungsrechtliche Direktiven 3. Das „Fehlerkalkül des Rechts"
373 376
18
Inhaltsverzeichnis
a) Ausgangslage
376
b) Verwirklichungsformen der Fehlertoleranz
379
III. Die Tripolarität des Sanktionsbedürfnisses
381
1. Der Ausgangspunkt
381
2. Einzelne Sichtweisen
382
a) Die objektive Sicht
382
b) Die subjektive Sicht: Der vom Fehler negativ betroffene Beteiligte
385
c) Die verfahrensfehlerhaft handelnden Personen
386
IV. Die Eigenständigkeit des Fehlerfolgen-Diskurses
387
§ 6 Systematisierung möglicher Folgen von Verfahrensfehlern bei Ermittlungseingriffen 389 A. Die Systematisierung von Fehlerfolgen als Problem
389
I. Der Ausgangspunkt
389
II. Der Befund in der Literatur
391
1. Strafprozeßrechtliche Ansätze a) Die Lehre von der fehlerhaften Prozeßhandlung aa) Mögliche Bewertungssysteme bb) Kritik b) Überlegungen zu Einzelfragen 2. Andere Ansätze a) Der fehlerhafte Staatsakt
391 391 391 392 393 395 395
b) Der fehlerhafte Verwaltungsakt 396 aa) Die Ansätze bei Benfer 397 bb) Das System bei Hufen 398 cc) Das System bei Hill 399 B. Möglichkeiten und Grenzen einer Systematisierung von Verfahrensfehlerfolgen bei strafprozessualen Ermittlungseingriffen auf der Grundlage verwaltungsrechtlicher Vorbilder 401
Inhaltsverzeichnis
I. Grundsätzliche Überlegungen
401
II. Institutionelle Zwecksetzung von Ermittlungs- und Verwaltungsverfahren
404
1. Das Verwaltungsverfahren als Verfahren der Exekutive
404
2. Die Einordnung des Ermittlungsverfahrens
405
a) Ermittlungsverfahren als „Verwaltungstätigkeit eigener Art"?
406
b) Zur Bedeutung von § 2 II Nr. 2 VwVfG
408
c) Ein historischer Rückblick
410
d) Die „Zuordnungsthese"
410
e) Eine Analyse typischer Aufgaben der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren 413 0 Fazit
419
III. Verfahrensstruktur
420
1. Behörden
420
a) Behörden als Verfahrensträger
420
b) Ausschluß und Ablehnung bestimmter Personen
420
2. Gerichte
421
3. Betroffene Bürger
422
a) Subjektstellung und „Verfahrenspflicht"
422
b) Insbesondere: Recht auf Gehör
424
c) Vertreter, Beistände, Verteidiger aa) Verteidiger und Bevollmächtigte
426 426
bb) Beistände
427
d) Zeugen, Verletzte
428
IV. Verfahrensgegenstand
429
1. Herrschaft über den Verfahrensgegenstand
429
2. Ausdifferenzierungen
431
a) Der Verfahrensgegenstand des Ermittlungsverfahrens
431
b) Einzelmaßnahmen
431
3. Form und Struktur der gegenständlichen Entscheidungen
432
20
Inhaltsverzeichnis
a) Ausgangsüberlegungen
432
b) Maßnahmen von Staatsanwaltschaft und Polizei aa) Die Parallele zum Verwaltungsakt bb) Verdeckte Maßnahmen cc) Zwischenfazit
434 434 436 443
c) Richterliche Anordnungen aa) Verwaltungsakt als Richterspruch? bb) Offene Maßnahmen cc) Verdeckte Maßnahmen
444 444 448 448
V. Die unterschiedliche Komplexität der Verfahren
449
1. Verwaltungsverfahren
449
2. Ermittlungs-/Strafverfahren
449
VI. Fazit C. Versuch eines systematisierenden Überblicks I. Grundlegende Unterscheidungen
452 454 454
1. Arten von Fehlern
454
2. Entscheidungsbezogene und sonstige Fehlerfolgen
456
II. Von selbst eintretende Folgen für die jeweilige Maßnahme
457
1. Der Nicht-Akt
457
2. Die Rechtswidrigkeit der Maßnahme
457
a) Grundsatz
457
b) Differenzierungen nach der Wirksamkeit/Beachtlichkeit
458
c) Die Strafrechtswidrigkeit der Maßnahme
459
3. Widerstands-und Notwehrrecht des Betroffenen
462
III. Sanktionen 1. Direkte Kontrolle der Maßnahme
465 465
a) Objektive (von Amts wegen betriebene) Sanktionen
465
b) Subjektive Sanktionen aa) Aufhebung der Maßnahme bb) Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme
467 467 468
2. Indirekte Sanktionen
469
Inhaltsverzeichnis
a) Objektive (von Amts wegen betriebene) Sanktionen aa) Sanktionierung in anderen Ermittlungseingriffs verfahren bb) Sanktionierung in der Abschlußentscheidung der Staatsanwaltschaft cc) Zwischen verfahren dd) Sanktionierung im Hauptverfahren ee) Sanktionen gegen die für die Maßnahme Verantwortlichen ..
469 469 471 472 473 474
b) Subjektive Sanktionen aa) Sanktionen im Zwischenverfahren bb) Sanktionen im Hauptverfahren cc) Ordentliche Rechtsbehelfe dd) Außerordentliche Rechtsbehelfe ee) Kostenrecht ff) Sonstige Ersatzansprüche
475 475 475 477 480 481 481
Zusammenfassung und Ausblick
483
Literaturverzeichnis
485
Personen- und Sachverzeichnis
520
Einleitung Α. Ausgangsüberlegungen und thematische Eingrenzung I. Das Bedürfnis nach einer Allgemeinen Verfahrens(fehler)lehre „Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Straf(verfahrens)recht" 1 eine Monographie dieses Titels steht heute noch in nebelhafter Ferne. Gewiß hat das Avancement des „Verfahrensgedankens" in den letzten dreißig Jahren die Aufmerksamkeit der Juristen auch auf die Behandlung der Folgen von Verfahrensfehlern gelenkt. Im Verwaltungsverfahrensrecht ist die Fehlerfolgenlehre denn auch vergleichsweise weit gediehen und hat inzwischen mehrfach monographisch-systematisierende Behandlung erfahren. Die Verwaltungsrechtslehre verfugt, insbesondere nach den Arbeiten von Morlok, Hill und Hufen, bereits über ein zureichend differenziertes und rechtsdogmatisch fundiertes Instrumentarium, um die Folgen von Verfahrensfehlern systematisch zu erfassen 2. Doch für das Strafverfahren, selbst für das einem Verwaltungsverfahren doch in vielerlei Hinsicht ähnliche strafprozessuale Ermittlungsverfahren, fehlen solche Ansätze bislang fast völlig. Bemerkenswerterweise lautet der Befund seitens der Verwaltungsrechtswissenschaft gerade umgekehrt: Den Vorsprung habe doch das Strafprozeßrecht mit seinem ausdifferenzierten Revisionsrecht 3. Nach wie vor gilt das Augenmerk hier aber vornehmlich der spezifischen Fehlerfolge „Beweisverwertungsverbot" (und in diesem Zusammenhang: der Revisibilität des Strafurteils). Eine solche Betrachtungsweise ist, wie zunehmend erkannt wird,
1
In Anlehnung an den Titel der Arbeit von Hill: Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht. 2 Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen. Weitere Hinweise für eine systematische Fehlerfolgenlehre jetzt auch bei Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungs Verfahrensgesetz - Perspektiven der Systembildung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 429 ff. (470 ff.). 3
Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 1.
Einleitung
24
freilich schon für die mit der Erhebung und Verwertung von verfahrensrelevanten Informationen zusammenhängenden Probleme zu eng. Denn ob etwa prozeßordnungswidrig erlangte Daten im weiteren Verfahren Verwendung finden dürfen, ist nicht erst eine Frage der Revision, sondern kann auch schon im Ermittlungsverfahren Bedeutung gewinnen4. Damit aber noch nicht genug: Selbst ein in dieser Hinsicht erweiterter Ansatz vermöchte die Problematik der Beweisverbote nur gleichsam isoliert zu erfassen, und leicht würde dabei übersehen, daß ein Verwertungsverbot nur eine von mehreren möglichen Folgen darstellt, die ein Verfahrensverstoß nach sich ziehen kann. Gerade dies ist aber ein wichtiger Gesichtspunkt auch für die nach wie vor nicht abgeschlossene Diskussion um die Beweisverbote: Welche Folgen können an einen Verfahrensfehler überhaupt geknüpft sein, und gibt es unter ihnen möglicherweise funktional gleichwertige Alternativen zu Verwertungsverboten? Die Entwicklung des deutschen, aber auch des europäischen und internationalen Strafrechts in jüngerer Zeit gibt einen weiteren Anstoß. In dem Maße, in dem strafgerichtliche Entscheidungen weniger über Konditional- als über Zweckprogramme geregelt werden, gewinnt die Frage nach dem Umgang mit Verfahrensfehlern zusätzliche Relevanz. Wenn der Gesetzgeber sich darauf beschränkt, mit einigen Zielvorgaben das Spielfeld für (immer deutlicher an präventiver Zweckmäßigkeit orientierte) Maßnahmen strafgerichtlicher Sozialgestaltung abzustecken, die sich zudem revisionsgerichtlicher Überprüfung tendenziell zu entziehen scheinen, gewinnt die Kontrolle des regelrichtigen Zustandekommens solcher Entscheidungen zusätzliches Gewicht. Die Ausarbeitung einer eigenständigen und umfassenden Lehre der Folgen von Verfahrensfehlern hat Klaus Rogall daher mit Recht als „eine der dringlichsten prozessualen Aufgaben der Zukunft" bezeichnet5. Eine solche Lehre müßte, so meint er, „zunächst einmal auf die Ermittlung von Prinzipien Bedacht nehmen, die fur alle Verfahrensfehler gelten". Besondere Lösungen in Teilbereichen (wie etwa dem der Beweisverbote) würden dadurch noch nicht 4 Frisch, Zur Bedeutung des Beweisrechts und des Rechtsmittelrechts für die Revisibilität von Verfahrensmängeln, in: Rudolphi-Symposium, S. 173 (180); Rogall, Grundsatzfragen der Beweisverbote, in: Höpfel/Huber (Hrsg.), Beweisverbote in Ländern der EU und vergleichbaren Rechtsordnungen, S. 119 (130); Schlothauer, FS Lüderssen, S. 761 ff.; Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 121. 5
Rogall, JZ 1996, 944 (946); ders., Grundsatzfragen der Beweisverbote, in: Höpfel/ Huber (Hrsg.), Beweisverbote in Ländern der EU und vergleichbaren Rechtsordnungen, S. 119(121). Auch für Morlok, Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 57, ist die Frage nach denrichtigenFehlerfolgen „eine der perennierenden Aufgaben der Rechtswissenschaft".
Α. Ausgangsüberlegungen und thematische Eingrenzung
25
ausgeschlossen. Von der Zusammenfuhrung verschiedener Einzelaspekte zu einem einheitlichen Ganzen sei fur das Problem der Beweisverbote eine Verbreiterung der Diskussionsbasis und ganz allgemein die Etablierung übergeordneter Gesichtspunkte bei der Behandlung von Verfahrensfehlerfolgen zu erwarten. Die Bewältigung von Verfahrensfehlern im Prozeß ist fur Rogall daher wichtiges „Thema der Zukunft" 6 . Bei der Erschließung dieser (straf)verfahrenstheoretischen terra incognita wird man sich zunächst auf Teilgebiete beschränken, Vorstöße in unterschiedliche Richtungen wagen und auch Rückschläge einstecken müssen. Aus dieser Einsicht heraus will die vorliegende Arbeit nur einen ersten Beitrag leisten. Sie beschränkt sich daher (1) sachlich auf Fehler im Zusammenhang mit Eingriffsmaßnahmen 7 im Ermittlungsverfahren und (2) methodisch auf einen empirisch-analytischen Ansatz auf der Grundlage einer Allgemeinen Verfahrenstheorie. Zu (1): Eine Anlehnung der Strafverfahrensrechtslehre an die genannten bereits vorliegenden Modelle im Staats- und Verwaltungsrecht hat dort die besten Erfolgsaussichten, wo die Ähnlichkeiten am augenfälligsten sind. Neben der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 451 I StPO) trifft dies nun vor allem auf das ebenfalls exekutivisch geführte Ermittlungsverfahren zu. Die in der Verwaltungsrechtswissenschaft fur Verwaltungsakte erarbeiteten Ergebnisse könnten - so eine erste Ausgangsüberlegung grundsätzlich auch für das Ermittlungsverfahren fruchtbar gemacht werden. Ein solches Vorgehen dürfte sich etwa auf Karl Peters berufen, der derartige Rück-
6
Rogall, Grundsatzfragen der Beweisverbote, in: Höpfel/Huber (Hrsg.), Beweisverbote in Ländern der EU und vergleichbaren Rechtsordnungen, S. 119 (121). s. a. dens. y FS Rieß, S. 951 (952). 7
Mit den hier und im folgenden verwendeten Bezeichnungen „Eingriffsmaßnahme" bzw. „Ermittlungseingriff 4 wird die mit solchen Akten regelmäßig verbundene Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen angemessener berücksichtigt, als dies durch die traditionelle Redeweise von den strafprozessualen „Zwangsmaßnahmen" geschieht (vgl. insbes. Amelung, JZ 1987, 737, der seinerseits von „Grundrechtseingriffen" spricht; ferner etwa Kühne, Strafprozessrecht, Rz. 395; ohne Präferenz dagg. Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 237 ff. Vgl. a. Benfer, „Rechtseingriffe von Polizei und Staatsanwaltschaft"). Der Einwand Schroeders, dabei handele es sich um einen „prozeßexternen Gesichtspunkt" (JZ 1985, 1028, 1029), spiegelt demgegenüber ein Prozeßverständnis wider, das in der vorliegenden Arbeit noch zu problematisieren sein wird.
Einleitung
26
griffe an sich für geeignet gehalten hat8. Denn wie alle Verfahrensordnungen ist auch die StPO öffentliches Recht, und gerade im stetig an Bedeutung zunehmenden Bereich polizeilicher Ermittlungen springen die Parallelen zum Sicherheitsrecht förmlich ins Auge: Hier wie dort treffen Behörden hoheitliche Einzelfallmaßnahmen, die zudem in der Sache oft nahezu identisch sind. Die Ähnlichkeit der strafprozessualen Eingriffssmaßnahmen mit Verwaltungsakten gehört daher nicht von ungefähr zu den in der Strafprozeßrechts lehre geläufigen Vorstellungen. Nicht zu Unrecht ist jedoch vor einer unangemessenen Übertragung öffentlich-rechtlicher Gedankengänge auf den an sich öffentlich-rechtlichen, aber doch maßgeblich vom materiellen Privatrecht geprägten Zivilprozeß gewarnt worden 9. Im durchweg öffentlich-rechtlichen Strafrecht stellt sich dieses Problem zwar nicht in dieser Schärfe, doch ist auch hier die Gefahr nicht gering zu achten, die spezifischen Wertungen und Problemlagen des Strafverfahrens zugunsten eines - in Wahrheit allerdings weitestgehend illusionären - öffentlich-rechtlichen „Einheitsdogmas" zu vernachlässigen 10. Vor allem aber darf ein fundamentaler Unterschied zum Verwaltungsverfahren nicht aus den Augen verloren werden: die funktionale Einbindung des Ermittlungsverfahrens als „Vorverfahren" in einen gerichtlichen Prozeß. Zu (2): Freilich bedarf eine solche Transformation verwaltungsrechtlicher Denkmuster und Entwürfe in die Dogmatik der strafprozessualen Zwangsmaßnahme gewissermaßen eines Katalysators. Als solcher bietet sich eine von beiden Verfahrensordnungen abstrahierende (und insofern zur Rechtsvergleichung fähige) Betrachtungsweise an, wie nur eine Allgemeine Verfahrenslehre sie liefern kann. Damit soll nach über Jahrzehnte hinweg ausziselierter und gewiß auch grundsätzlich notwendiger Ausdifferenzierung des Verfahrensrechts wie-
8 Peters, Strafprozeß, S. 32. Dagegen lehnt etwa Rogall, StV 1996, 513 (514), die Übertragung öffentlich-rechtlicher Grundsätze (hier: den „informationellen Folgenbeseitigungsanspruch") ab, um freilich nur wenig später die von ihm vermißte Anwendung des in § 46 VwVfG enthaltenen Rechtsgedankens im Strafprozeßrecht zu postulieren. Als Beispiel für ältere Ansätze, das Prozeßrecht auch in staatsrechtlicher Perspektive zu behandeln, vgl. Ulimann, Lehrbuch des Deutschen Strafprocessrechts, S. 11 ff., 76 f. 9
Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 60.
10
Vgl. speziell für das Ermittlungsverfahren auch Gusy, StV 2002, 153 ff. Immerhin sind aber einige wichtige parallele Strukturprobleme zu notieren, namentlich was die Reichweite der gerichtlichen Kontrolle von behördlichen, aber aber auch tatrichterlichen Entscheidungen betrifft (vgl. etwa die Entscheidung BGHSt 41, 30).
Α. Ausgangsüberlegungen und thematische Eingrenzung
27
der der Anschluß an gemeinsame Grundlinien gesucht werden 11 . Einen ersten Ansatz dafür liefert die Verfassung selbst mit ihrer Grundentscheidung für ein auch verfahrensrechtlich konturiertes Rechtsstaatsprinzip, aber auch dadurch, daß sie alle staatliche Gewalt an die Grundrechte bindet (Art. 1 III GG). So wirken in alle staatlich verantworteten Verfahren dieselben Grundsätze hinein 12 . Um das Verfahren als rechtliches Grundphänomen schlechthin kreisen ferner auch Überlegungen soziologischer, sozialpsychologischer, rechts- und staatsphilosophischer Art (und zwar mehr oder weniger unabhängig von bestimmten Verfahrensordnungen und Staatsfunktionen). Zu ergänzen sind derartige „Außenbeschreibungen" durch eine von Rechtstheorie und Rechtsdogmatik zu leistende „Selbstbeschreibung" 13 des Rechtssystems und seiner rechtlich geordneten Verfahren. Auch sie ist zunächst „empirisch", insofern sie das vorgefundene Verfahrensrecht zu ihrem Gegenstand macht (dazu sogleich § 1 A.II.2.). Entgegen verbreiteter Einschätzung sind von solcher Gesamtschau durchaus Erkenntnisse zu gewärtigen, die sich nicht im dogmatischen Glasperlenspiel erschöpfen, sondern auch praktische Relevanz gewinnen können 14 . Denn damit wären zugleich die „übergeordneten Gesichtspunkte" gewonnen, wie sie Rogall für die strafprozessuale Fehlerfolgenlehre gefordert hat 15 : Eine allgemeine Dogmatik der Verfahrensfehler kommt ohne eine allgemeine Dogmatik des Verfah-
11 Zur Kritik an zu weit getriebener „Arbeitsteilung" auf dem Gebiet des Verfahrensrechts s.a. Dubischar, ZZP 86 (1973), 88 (90); Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. III; Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. VII ff. (S. XI Fn. 5 mit dem Hinweis auf den Umstand, daß noch 1925 das Zivilprozeßrecht im universitären Lehrbetrieb etwa zur Hälfte von Strafrechtlern vertreten worden sei); Schima, ÖZÖR 1956, 73 f. 12
Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 28 f.; vgl. auch Gössel, GA 127 (1980), 325 (331); Helles, Kompetenzen und Ausnahmekompetenzen in der Strafprozeßordnung, S.19. Schima, ÖZÖR 1956, 73 (79), nennt als weiteres Beispiel die verfassungsrechtlich fur alle Verfahren vorgesehene Amtshilfe. 13
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 354 ff. (360 f.).
14
Als beachtliches Beispiel mag der auf den ersten Blick vergleichweise kühne Versuch von Herbert Jäger gelten, aus den strafprozessualen Regelungen über die Herstellung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage Kriterien für ein rationaleres Verfahren bei der Strafgesetzgebung zu abzuleiten (ders. y FS Klug, S. 83 ff.). Die Bedeutung verfahrenstheoretischer Einsichten für eine fundierte Fehlerfolgenlehre betont auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 20. 15
Rogall, Grundsatzfragen der Beweisverbote, in: Höpfel/Huber (Hrsg.), Beweisverbote in Ländern der EU und vergleichbaren Rechtsordnungen, S. 119(121).
Einleitung
28
rens nicht aus. Umgekehrt kann die Verfahrensfehlerlehre zum Baustein einer allgemeinen Verfahrensrechtslehre werden 16.
II. Die Grundthese: Interne und externe Fehlerkorrektur im komplexen Verfahren Nun sind Verfahrensfehler - auch und vielleicht sogar gerade im Rechtsstaat - alles andere als eine Ausnahmeerscheinung. Angesichts der Fülle von einzelnen Verfahrensschritten in häufig komplexen Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten und von zu lösenden Einzelfragen erscheint die These, kaum ein größeres Verfahren verlaufe realiter völlig frei von rechtlichen Mängeln, nicht allzu gewagt 17 . Auch das Strafverfahren, „ein Stück Menschenleben mit viel Leid und wenig Freude" 18 , und die in seinem Verlauf zu treffenden Entscheidungen sind „als Ergebnis menschlichen Handelns und Denkens Fehlern, Irrtümern, Un Vollkommenheiten und Nachlässigkeiten ausgesetzt"19. Offenkundig ist aber auch: Nicht jeder Verfahrensmangel darf dazu fuhren, daß das Verfahrensergebnis annulliert und das ganze Verfahren von neuem begonnen werden muß. Die Folgen von Fehlern im Verfahren bedürfen also der Differenzierung. Mit der Frage nach den Fehlerfolgen ist damit zugleich die Frage nach der Begrenzung dieser Folgen gestellt 20 . Hier knüpft nun eine zweite Grundüberlegung dieser Arbeit an. Ihr geht es um die Frage, wie dem Verfahrensfehler gewissermaßen die Spitze gebrochen werden kann. Dafür gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die bekanntere erste reagiert auf den Fehler repressiv: Sie zielt auf die fehlerhaft zustande gekommene Entscheidung und nimmt dem Fehler zusammen mit dieser die Wirkung, indem sie die Kassation der Entscheidung zuläßt oder sie in irgendeiner Weise kompensiert. Die zweite Möglichkeit setzt schon früher an: Sie versucht zu verhindern, daß sich der Fehler in der Entscheidung überhaupt niederschlagen kann oder wenigstens, daß er negative Folgen für den Bestand der Ent-
16
Vgl. für das Verwaltungsverfahren Schmidt-Aßmann, JURA 1979, 505 (520).
17
Schlüchtern Das Strafverfahren, Rz. 3. s.a. Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (658).
18
Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht, S. 30.
19
So treffend Wiedemann , Die Korrektur strafprozessualer Entscheidungen außerhalb des Rechtsmittel Verfahrens, S. 1. 20
Ähnlich auch Rogall, FS Hanack, S. 293 (304).
Α. Ausgangsüberlegungen und thematische Eingrenzung
29
Scheidung hat. Diese Form der Reaktion könnte man in einem weiteren Sinn als die präventive bezeichnen. In den Verfahrensgesetzen sind beide Formen verwirklicht. Bedeutung gewinnt für die zweite Grundüberlegung dieser Arbeit nun der Umstand, daß sowohl Straf- als auch Verwaltungsverfahren bei näherem Hinsehen aus mehreren Verfahrensteilen oder -abschnitten bestehen, die jeweils durch eigene (Teil-)Entscheidungen abgeschlossen werden. Es war wiederum Karl Peters, der hierfür das Bild von den „Stufen" hin zum Strafurteil geprägt hat, die freilich auch „Mauern" werden können, wenn sie das Fortschreiten auf die nächste Stufe verhindern 21. Nimmt man noch die in der Verwaltungsrechtslehre gemachten Beobachtungen von stufenweisen Entscheidungsvorgängen und der normativen oder funktionellen Abhängigkeit einzelner Entscheidungen voneinander hinzu, so entwickelt sich hieraus die Idee eines hochgradig komplexen Entscheidungssystems „Strafverfahren" respektive seines Teilsystems „Ermittlungsverfahren", dessen mehrfache Stufung an unterschiedlichen Stellen die (insofern zugleich „repressive" wie „präventive") Korrektur einzelner Fehler ermöglicht und so zugleich die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems gewährleistet 22 . Dieser Gedanke ist, wenn man so will, auch im jüngsten und gewiß innovativsten Beitrag zur Diskussion über die Beweisverwertungsverbote angelegt: Amelungs Vorschlag, Verwertungsverbote jedenfalls teilweise als Berücksichtigung eines aus der Verletzung von „Informationsbeherrschungsrechten" erwachsenden Folgenbeseitigungsanspruchs aufzufassen, variiert ebenfalls die Grundfigur einer das bisherige Geschehen kritisch reflektierenden Entscheidung, in der sich die Aufgabe der Fehlerkorrektur dann explizit als „Folgenbeseitigungslast" stellt23.
21
Peters, ZStW 68 (1956), 374 (375).
22
Vgl. bereits Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 264 f.; ferner Rogall, Beweisverbote im System des deutschen und des amerikanischen StrafVerfahrensrechts, in: Rudolphi-Symposium, S. 113 (143: „RegelkreisModell"). Zur Ausbildung von Teilsystemen als Mittel der Fehlerfolgenbegrenzung lesenswert auch Klaus, Wörterbuch der Kybernetik, S. 10. Für Gusy, StV 2002, 153 (158), „dürfte es sich als kaum abweisbar erweisen, daß das Strafverfahren zwar nicht als Einheit, wohl aber als gestufter, aufeinander aufbauender Entscheidungszusammenhang sich sowohl in den handelnden wie in den kontrollierenden Instanzen und Verfahren widerspiegelt" (Hervorhebung im Original). 23
Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß (im Anschluß an ihn ähnlich Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote: öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch). Amelung selbst kommt auf der Grundlage einer Differenzierung nach Handlungs- und Erfolgsunrecht (die in diesem Zusammenhang im öffentlichen Recht freilich nicht unumstritten ist) bei formalen Verstößen (Richtervorbehalt!) in
Einleitung
30
Und auch hier kommt wieder ein Stück Allgemeine Verfahrenslehre ins Spiel, denn die genannten Überlegungen zur komplexen, mehrstufigen Struktur von Entscheidungsvorgängen sind letztlich ebenfalls allgemein-verfahrenstheoretischer Natur.
III. Sachlich-methodische Beschränkungen Welche Wertungen bestimmen nun, an welcher Stelle ein bestimmter Verfahrensfehler zu korrigieren ist und auf welche Weise dies geschehen soll? Diese Fragen - sie sind ja letztlich (wenn auch in verengter Perspektive) der Gegenstand der seit Jahrzehnten geführten Diskussion um die „Beweisverbote" - klammert die vorliegende Untersuchung ausdrücklich aus. Sie begnügt sich vielmehr damit, die rechtlichen Phänomene „Verfahren" und „Verfahrensfehler" zu beschreiben, Strukturen zu analysieren und (im Rahmen des geltenden Rechts) denkbare Reaktionen auf Verfahrensfehler aufzuzeigen. Die Einsichten, die sie sich hiervon erhofft, in normativ orientierter Arbeit praktisch werden zu lassen (also etwa: über Bestehen und Reichweite eines Beweisverwertungsverbotes als Konsequenz eines ganz bestimmten Verfahrensverstoßes zu befinden 24 ), überläßt sie späteren Bemühungen. Sie tut dies auf dem Boden der Einsicht, daß verantwortliche Wertung, bildhaft verstanden als Wahl eines Weges, zunächst die möglichst genaue Kenntnis des Geländes voraussetzt 25. Eben dies war ja der Ansatzpunkt für die Kritik an der verfahrenen Lage der Beweisverbotslehren: der mangelnde Blick für die Alternativen zum Verwertungsverbot. der Regel zur Verwertbarkeit (S. 50 ff.). Zur Kritik vgl. v.a. Rogall, StV 1996, 513 (518); dens. y Beweisverbote im System des deutschen und des amerikanischen Strafverfahrensrecht, in: Rudolphi-Symposium, S. 113 (152 f.); ferner etwa Fezer, Grundfragen der Beweisverwertungsverbote; vermittelnd Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 183. Zum Folgenbeseitigungsanspruch (und auch zur Folgenbeseitigungslast im Rahmen späterer Entscheidungen) instruktiv immer noch Weyreuther, Gutachten Β 47. DJT (1968); vgl. i.ü. nur Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 285 ff. - Überhaupt sind die Beiträge Amelungs zur Dogmatik der strafprozessualen Ermittlungseingriffe durch eine über die StPO hinausblickende (und insofern allgemein-verfahrensrechtliche) Methode gekennzeichnet (vgl. etwa dens. y Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, insbes. S. 40 ff., 50 ff.; JZ 1987, 737). 24 25
Zur „Normativität" der hier zu findenden Antworten a. Rogall, JZ 1996, 944 (947).
Vgl. insoweit namentlich Lüderssen, Erfahrung als Rechtsquelle, S. 67 ff., 198 ff., ferner etwa K. Günther, Der Sinn für Angemessenheit. Zum modernen wissenschaftstheoretischen Primat des Erklärens und Verstehens vor der Nutzbarmachung gewonnener Erkenntnisse vgl. a. Toulmin, Voraussicht und Verstehen.
Β. Gang der Untersuchung
31
Β. Gang der Untersuchung Im Ersten Teil sollen Grundlagen gelegt werden. § 1 befaßt sich daher (vor dem Hintergrund der bislang vorhandenen Ansätze) mit dem Anliegen einer Allgemeinen Verfahrenslehre und verortet sie im System der „Gesamten Strafrechtswissenschaft". § 2 wendet sich einigen allgemein-verfahrenstheoretischen Grundkategorien und der Bedeutung des Verfahrensrechts in diesem Zusammenhang zu. Der Zweite Teil schließt an die genannte Grundüberlegung an, die den Schlüssel für Korrektur und Begrenzung von Fehlerfolgen in der durch Ausdifferenzierung von Verfahrensteilen gewonnenen Komplexität anspruchsvollerer Verfahren vermutet. § 3 versucht deshalb eine analytische Annäherung an die vom Verfahrensrecht vorgegebene komplexe Struktur der Entscheidungsverfahren. § 4 bringt mit dem Phänomen der „Kontrolle" eine Konkretisierung hierzu. Die hierbei gewonnene Sichtweise soll dabei schrittweise immer auch auf das Ermittlungsverfahren der Strafprozeßordnung übertragen und daran erprobt werden. Auf alledem baut der Dritte Teil auf. § 5 stellt sich zunächst Grundsatzfragen des Verfahrensfehlers und seiner Sanktionierung. § 6 beginnt - der thematischen Eingrenzung auf Eingriffsmaßnahmen im strafprozessualen Ermittlungsverfahren entsprechend - mit einigen Vorüberlegungen dazu, wie die verschiedenen denkbaren Fehlerfolgen (im Anschluß an die erwähnten „verwaltungsrechtlichen" Modelle) zu einem systematischen Überblick zusammengefugt werden können, und schließt mit dem Versuch einer Skizze zu einem solchen Modell.
Erster Teil
Grundzüge einer Allgemeinen Verfahrenstheorie § 1 Das Verfahren als Gegenstand A. Der Ausgangspunkt I. Einleitung Wie es zu einer Entscheidung kommt (und nicht nur: wer entscheiden darf), gehört seit jeher zu den Grundthemen politischen, soziologischen und nicht zuletzt auch juristischen Interesses1. Möglicherweise beginnt die Geschichte des Rechts überhaupt erst mit der Herausbildung von Regeln, die die Art und Weise der Entscheidungsfindung betreffen 2: Während das die Entscheidungsinhalte betreffende „Recht" zunächst als nicht verfugbar und „immer schon" geltend begriffen wurde, war es Aufgabe des Verfahrens, diese Geltung festzustellen und zu bestätigen3. Neu war daran nicht die Berufung auf allseits 1 „Entscheidungsvorgänge in vorindustriellen Gesellschaften" beleuchtet aus ethnologischer Sicht von Benda-Beckmann in: A. Müller (Hrsg.), Gesellschaftliche Entscheidungsvorgänge, S. 45 ff. Der Verfahrenscharakter sozialer Kontrollmechanismen wird klar herausgestellt bei Hassemer, Einfuhrung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 317 f. - Vgl. a. die Bemerkung von Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. 2, S. 190: „Es ist höchste Zeit einzusehen, daß die Frage ,Wer soll die Macht im Staate besitzen?' nur von geringer Bedeutung ist im Vergleich zur Frage ,Wie soll die Macht gehandhabt werden?'" (Hervorhebungen im Original). 2
In diese Richtung namentlich Hart, The Concept of Law, S. 94 („a step from the pre-legal to the legal world"). Vgl. a. Fikentscher/Franke/Köhler, in: dies. (Hrsg.), Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, S. 15 (34); Holzhauer, RTh 32 (2001), 53 (55); Wolff, ] GS Koschaker, Bd. 2, S. 405; ferner Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 119; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 221; Kaiser, Strategien und Prozesse strafrechtlicher Sozialkontrolle, S. 76 (unter Hinweis auf die Carolina). Die analytische Unterscheidung von „primary" und „secondary rules" {Hart, S. 91 ff.) bzw. der „Folgecharakter" (Hill, S. 221; vgl. aber auch Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht, S. 7) des formellen gegenüber dem materiellen Recht verschlägt demgegenüber nichts. 3
Damit gibt es Verfahren, noch bevor es „materielles" Recht gibt. Zum ganzen auch Bülow, Gesetz und Richteramt, S. 19 ff.; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 141 ff. Der
Α. Der Ausgangspunkt
33
anerkannte Grundsätze, sondern die Einschaltung eines Dritten, dem der Fall zur Entscheidung vorgelegt wird. So werden bloße Interessenkonflikte zu Wertkonflikten, der Streit zwischen zweien zur sozialen Tatsache4, die Beteiligten zu Rechtssubjekten5 und die Austragung - nicht notwendig: die Lösung - des Konflikts zum Verfahren 6. Holzhauer folgert aus dieser Herkunft des Rechts aus dem Prozeß: „Wenn das Recht vom Prozeß seinen Anfang nimmt und wenn dieser der Kontrolle von Ordnung gilt, so muß es Recht geben, seit es den Bruch von Ordnung gibt" 7 . Dann aber wäre es letztlich die Normabweichung, die die Norm überhaupt zur Rechtsnorm werden läßt; die nicht hingenommene, „eigenmächtige" Ausnahme (wenn man so will: der „Fehler") geradezu Voraussetzung für die Entstehung einer Regel8. Gehört also „Verfahren" ohnehin zum „rechtswissenschaftlichen Urgestein" 9 , so ist seine Ausgestaltung im Strafrecht von besonderer, damals10 wie frühneuzeitliche „Kampf ums Strafrecht" war gerade auch ein Kampf um die Bindung der (schon immer irgendwie) Entscheidenden an ein bestimmtes materielles Recht, wie die bei Heydenreuter (Kriminalgeschichte Bayerns, S. 56 ff.) berichteten Beispiele anschaulich machen. Und noch Goldschmidt besteht auf einem „Dualismus von Rechtsordnung und »Gerichtsordnung'" (Der Prozeß als Rechtslage, S. 214). 4
Näher etwa Bühl, Theorien sozialer Konflikte, S. 26 ff.; Simmel, Soziologie, S. 284 ff. Vgl. a. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 64 ff.; v. Trotha, Recht und Kriminalität, S. 32 („Die Konstitution von Recht ist die soziale Konstitution eines unbeteiligten Zuschauers"). 5
Fikentscher/Franke/Köhler, Über Aufgaben und Möglichkeiten einer historischen Rechtsanthropologie, in: dies. (Hrsg.), Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, S. 15(34). 6 Auf einer anderen Ebene wiederholt sich diese Entwicklung für das öffentliche Strafrecht in der Ablösung der „privaten" Fehde durch das als öffentliche Aufgabe verstandene Vorgehen gegen „landschädliche Leut". S. dazu nur Heydenreuter, Kriminalgeschichte Bayerns, S. 13 ff.; Eb. Schmidt, ZStW 65 (1953), 161 (171 ff.). 7
Holzhauer, RTh 32 (2001), 53 (55).
8
Vgl. hierzu einstweilen Ortmann, Regel und Ausnahme, S. 173 ff.
9
So Schmidt-Aßmann, Der Verfahrensgedanke in der Dogmatik des öffentlichen Rechts, in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 1 (6). Zustimmend Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 628. 10 Zur Rationalisierung des öffentlichen Strafrechts als historische Zäsur im Hinblick auf das moderne Verständnis des Strafverfahrens(rechts) vgl. LR-Lüderssen, Einl. Abschn. L Rz. 8 m.w.N. Formalia waren freilich schon immer von Bedeutung, wie die „Drei Fragen" unter der Gerichtslinde zeigen (vgl. nur den kurzen Überblick bei Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 520 f.).
34
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
heute geradezu existenzieller Brisanz. Kaum je sind die mit Entscheidung und Verfahren verbundenen Eingriffe tiefer, kaum je liegt deutlicher zutage, wie sich Individualinteresse und Staatsraison gleichsam prismatisch im Prozeßrecht brechen 11. In der Rede vom Strafverfahren als einem „Seismograph der Staatsverfassung" 12 kommt dies treffend zum Ausdruck. Seinen „schützenden Formen" 13 verdankt das Strafrecht als Normalisierung der sozialen Kontrolle" 14 geradezu sein Wesen: ohne Strafprozeß kein Strafrecht, ohne Urteil keine Vollstreckung (§ 449 StPO) 15 . Das Rechtssystem selbst trägt alledem Rechnung, wenn es auch Verfahrensfragen regelt und mitunter sogar zu Wirksamkeits- und Bestandsvoraussetzungen von Entscheidungen macht (vgl. nur §§ 337, 338 sowie §§ 359 ff. StPO; §4411 Nr. 1-3 VwVfG). Recht regelt so auch noch sein eigenes Zustandekommen und stellt damit für den Fall eines „Verfahrensfehlers" der „sachlichen" die „förmliche" Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht zur Seite (vgl. die Formulierung in Art. 93 I Nr. 2 GG). Dennoch: Eine umfassende rechtliche Theorie des Verfahrens fehlt bislang 16 . Unscharf ist bereits „das Verfahren" als Rechtsbegriff selbst. So offenkundig das Bedürfnis nach Eingrenzung besteht, um nicht alles in einem unkontu-
11
Roxin , Strafverfahrensrecht, S. 9 ff. McNabb vs. United States 318 U.S. 332 (347): „The history of liberty has largely been a history of procedural safeguards". 12
Roxin , StrafVerfahrensrecht, S. 9. Vgl. aber etwa schon Mittermaier, Die Gesetzgebung über Strafverfahren nach ihrer neuesten Fortbildung dargestellt und geprüft, S. 131 ff. - s.a. unten § 2 B.II.2.a. 13 Zachariae, Handbuch des deutschen Strafprozesses, Bd. 1, S. 145 f.; vgl. a. dens., Die Gebrechen und die Reform des deutschen Strafverfahrens, S. 123 ff. Zum ganzen auch Schlüchter, Wert der Form im Strafprozeß, in: Rudolphi-Symposium, S. 205 ff.; Eb. Schmidt, Lehrkommentar I, Rz. 21 ff. 14
Vgl. Hassemer, Einfuhrung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 316 ff. (Hervorhebung nur hier). 15
Peters, Strafprozeß, S. 7; vgl. a. Hilde Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 134; R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 97: „Strafrecht ist Prozeß". 16
So auch Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungs ver fahren, S. 136; Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 630; ferner Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 13. Eine „gesonderte Allgemeine Lehre" vermißt auch Dubischar, ZZP 86 (1973), 88 (90). Für das Strafverfahren: Bottke, Materielle und formelle Verfahrensgerechtigkeit im demokratischen Rechtsstaat, S. 9 f.
Α. Der Ausgangspunkt
35
rierten „Verfahrensdenken" aufgehen zu lassen17, so wenig gelingt eine vom spezifischen Verwendungszusammenhang gelöste Definition; folgerichtig wird darauf zum Teil sogar ausdrücklich verzichtet 18. Und selbst wenn der Kreis der sinnvoll unter dem Stichwort „Verfahren" zu diskutierenden Phänomene hinreichend eng gezogen werden kann, so schwebt im Hintergrund stets die Frage, inwieweit sich das Verfahren „als solches" - und damit: als bloße Form - überhaupt befriedigend oder auch nur sinnvoll ohne Rückgriff auf den jeweiligen Inhalt behandeln läßt 19 . Die Allgemeine Verfahrens lehre ist mithin - in Abwandlung einer bekannten Bemerkung von Forsthoff 50 - seit jeher um die Definition ihres Gegenstandes, des Verfahrens, verlegen. Sie müßte wohl - ausgehend von und in ständigem Bezug zu - den im geltenden Recht vorgefundenen Verfahrenstypen zunächst spezifisch juristische Kategorien entwickeln, um ihr Material sinnvoll gliedern und vergleichen zu können. Mit den so gefundenen Gemeinsamkeiten wäre die Grundlage für ein noch zu entwickelndes eigenständiges System des Verfahrensrechts gelegt 21 . Zu ergänzen wäre sie sodann um sozialwissenschaftliche, insbesondere etwa interaktions- bzw. rollentheoretische Erkenntnise 22 und rechtstheoretische Überlegungen; sie müßte ferner
17
Hierzu etwa Röhl, ZRSoz 1993, 1 (3); warnend auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 57, und - mit Blick auf die Rezeption der „Mülheim-Kärlich"-Entscheidung des BVerfG - Bethge, NJW 1982, 1
(2).
18
von Arnim will den Begriff „Verfahren" der Willensbildung lediglich „denkbar weit" verstehen (Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 193 mit Fn. 141); „tolerant gehandhabt" werden soll er auch nach Habermas, Faktizität und Geltung, S. 551. Äußerst vage auch Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 46; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S.23 ff. Zur Unschärfe des Begriffs „Verfahren" s.a. Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 40 ff.; Röhl, ZRSoz 1993, 1 ff.; Saliger, ARSP-Beiheft 75 (2000), 101 (104); kritisch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/l, S. 961. 19 Wertvolle Hinweise zu den (rechts-)philosophischen Grundlagen bei Schlüchter, Wert der Form im Strafprozeß, in: Rudolphi-Symposium, S. 205 (206 ff.); s. ferner Engisch, Form und Stoff in der Jurisprudenz, in: Bockelmann/Kaufmann/Klug (Hrsg.), Karl Engisch: Beiträge zur Rechtstheorie, S. 251 ff. 20 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, S. 1 (dort freilich mit Bezug auf den Begriff der „Verwaltung" in der Verwaltungsrechtslehre). 21
Dazu auch Bottke, Materielle und formelle Verfahrensgerechtigkeit im demokratischen Rechtsstaat, S. 9 f. 22
Vgl. etwa den Überblick bei Schreiber, ZStW 88 (1976), 117 (122 ff.).
36
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
auch in eine staatstheoretische und schließlich auch rechtsphilosophische Richtung hin entfaltet werden. Daß das geschilderte Bedürfnis im Rahmen einer Arbeit wie der vorliegenden nicht vollständig zu erfüllen ist, versteht sich von selbst. Angesichts der Fülle von juristisch und interdiszplinär zu klärenden, vielfach miteinander verschlungenen Einzelfragen, die das Thema „Verfahren" als Querschnittsmaterie κατ' εξ οχήν ausweisen, läge eine solche Hoffnung jenseits vernünftiger Erwartung. Geleistet werden kann an dieser Stelle zunächst kaum mehr, als zum hier zugrunde gelegten Begriff der „Allgemeinen Verfahrenstheorie" Stellung zu nehmen (II.) und sodann die Dimensionen anzudeuten, in denen sich das Thema „Verfahren" entfalten läßt (III.).
II. Zum Begriff der „Allgemeinen Verfahrenstheorie" 1. Verfahren Eine Theorie des Verfahrens, die sich selbst als eine „allgemeine" versteht, ist gehalten, ihren Gegenstand nicht enger zu fassen als nötig. Eine Theorie, die ihren noch geringen eigenen Entwicklungsstand reflektiert, muß vorzeitige, jedenfalls aber vorbehaltlose Festlegungen perhorreszieren. Eine „Allgemeine Verfahrenstheorie" tut demnach gut daran, die Grenzen ihres Arbeitsfeldes zunächst im Ungefähren zu belassen. Mit dem Versuch einer Umschreibung dessen, was mit „Verfahren" gemeint sein könnte, entwickelt sie nicht eine von mehreren Kategorien, sondern benennt lediglich ihren Gegenstand. Sie trifft mit anderen Worten eine Entscheidung über ihre eigene Reichweite, wenn sie unter „Verfahren" zunächst einmal jede (rechtlich) „festgelegte Sequenz von Handlungen und (Teil-)Entscheidungen, die in einer mehr oder weniger deutlich spezifizierten Situation durchlaufen wird, um ein Ergebnis zu erzielen" 23 , versteht, und sich dabei Erweiterungen und Einschränkungen explizit vorbehält 24 . Klarheit muß freilich hinsichtlich der gleichsam aus der Natur der Sache folgenden Grenzen einer allgemeinen Theorie „des Verfahrens" gewonnen
23 So etwa die Formulierung bei Bierbrauer/Klinger, Akzeptanz von Entscheidungen durch faire Verfahren, in: Haft/Hof/Wesche (Hrsg.), Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 349 (350). 24
Zu solchen Präzisierungen vgl. unten § 2 B.II.
Α. Der Ausgangspunkt
37
werden. Ein „reines" Verfahren läßt sich (ebensowenig wie ein „reines Prozeßrecht") nicht sinnvoll diskutieren 25. Die Form der Entscheidungsfindung (oder noch allgemeiner: des „prozeßhaften Miteinander-Umgehens" 26) läßt sich zwar häufig hinreichend klar vom sachlichen Inhalt trennen, und in ähnlicher Weise können grundsätzlich auch die diesem Inhalt zugrunde gelegten Normen als „materielles" Recht (etwa im Wege eines „Nicht-Mitdenkens des Prozesses" im Sinne von Hilde Kaufmann 27 ) abstrahiert und von den lediglich das Verfahren betreffenden Normen unterschieden werden. Dennoch trägt eine dergestalt analysierende, „moralinfreie" Betrachtungsweise, wie sie noch James Goldschmidt vorschwebte 28, jedenfalls für sich allein genommen kaum Früchte. Gerade der streng analytische Zugang erweist das Verfahrensrecht als sachliches Ergebnis einer normsetzenden Entscheidung. Insofern ist es aber unweigerlich auch Resultat von Wertungen und Abwägungen auf der „Programmierungsebene" 29. Inhaltliche Prinzipien stehen deshalb auch hinter vermeintlich strikt formalen Regelungen30. Dies gilt im Grundsatz auch für die „prozeduralen" Gerechtigkeitstheorien in der modernen Rechtsphilosophie, die die spätestens seit Kant unheilbar brüchig gewordene Ableitung inhaltlicher Aussagen aus höherrangigem Naturrecht 31 in Fortführung des alten Gesellschaftsvertragsgedankens 32 durch konsensuale Entscheidungsfindungsmo-
25
Der (an Goldschmidt, Niese und Eb. Schmidt anschließende) Versuch von Foth, Reines Prozeßrecht, ist geeignet, diese These zu bestätigen. 26 Suhr, EuGRZ 1984, 529 (541). Vgl. aber auch LR24-K. Schäfer, Rz. 29.
Einl. Kap. 6
27
Hilde Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 133 ff. Eingehende Kritik bei Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 11 ff. 28
Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 227 ff.
29
Zum Begriff: Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 129 ff.; ders., Soziale Systeme, S. 432 f. 30
Engisch, Form und Stoff in der Jurisprudenz, in: Bockelmann/Kaufmann/Klug (Hrsg.), Karl Engisch: Beiträge zur Rechtstheorie, S. 251 (264 ff.). 31 Arthur Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: ders./Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 30 (71); s.a. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Vorwort, S. VII. 32
Dazu Dreier, Recht - Staat - Vernunft, S. 23 f.; s.a. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 550; Arthur Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: ders./ Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 30 (167 ff.).
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
38
delle ersetzen wollen33. Daß alle Diskursteilnehmer gleiches Rederecht haben, jeder am Diskurs teilnehmen darf, abstrahiert zwar inhaltlich von den Teilnehmern und ihren Beiträgen, beruht aber unausweichlich auf der Annahme, alle Teilnehmer seien jedenfalls im Hinblick auf den Diskurs gleichberechtigt. Dem liegt nun aber (nicht anders als den nur scheinbar „formalen" bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen an einen wirksamen Vertrag 34) eine Wertung zugrunde, die spätestens dann sichtbar wird, wenn eine andere sie ersetzt - wenn etwa heute so unproblematisch universalistische Zugangsregelungen wie § 1 BGB für den Vertrag, zusammen mit § 50 I ZPO für den Zivilprozeß, nicht mehr von der Rechtsfähigkeit aller Menschen ausgehen35. Auch die Verfahrensnormen unserer Rechtsordnung stellen damit letztlich „materielle" Regelungen dar, und dies nicht einmal in erster Linie dadurch, daß sie die Durchsetzungsbedingungen für einzelne materiell-subjektive Rechte regelnd beschränken oder materielle Rechte an die Vornahme bestimmter Verfahrenshandlungen knüpfen. Vielmehr betreffen Verfahrensnormen auch und vor allem den Status des Bürgers in einem in und durch Verfahren agierenden Staat. Dies gilt nicht nur für die darin geregelten Eingriffsrechte des Staates, deren „materielle" Seite unter dem Stichwort „Doppelfunktionalität" in der Strafprozeßrechtstheorie seit langem thematisiert wird 3 6 , sondern gerade auch für die Zugangs- und Beteiligungsrechte des Bürgers.
33
Am Anfang steht die Einsicht Kants, „daß der Verstand a priori niemals mehr leisten könne, als die Form einer möglichen Erfahrung überhaupt zu antizipieren" (Kritik der reinen Vernunft, A, S. 246 f., B, S. 303; Hervorhebung nur hier). Einer reinen, empiriefreien Anschauung ist er nicht fähig. Möglich sind deshalb allein Aussagen über die Form, in der der Verstand zu Inhalten kommt. Vgl. zum ganzen G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S. 30 ff.; Ellscheid, Das Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 179 (213 ff.); Arthur Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, ibidem S. 30 (68 ff.); dens. y Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, S. 8 ff. Zu der an Kant anschließenden Idee, „aus dem ,Wie' das ,Was' entwickeln zu können" (Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, S. 169), s.a. Arthur Kaufmann, FS Maihofer, S. 11 (28 ff.). Dabei geht es zum einen um das hypothetische Verfahren des kategorischen Imperativs (Ellscheid; Arthur Kaufmann), zum anderen um das äußere Verfahren der Gesetzgebung (G.-P. Calliess). 34
Hinweis hierauf bei Dreier, Recht - Staat - Vernunft; S. 24; G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S. 29. 35 Vgl. hier nur Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 441 f. Zu rassistischem Kolonialstraf(prozeß)recht s. die Hinweise bei Naucke, Deutsches Kolonialstrafrecht 1886-1918, in: ders., Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 265 ff. 36
Grundlegend Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen.
Α. Der Ausgangspunkt
39
2. Theorie Ungeachtet ihrer die Grenzen der Einzeldisziplinen sprengenden Ausrichtung (§ 1 A.I.) hat eine allgemeine Theorie rechtlicher Verfahren ihre Heimstatt in der Jurisprudenz 37. Damit wird es möglich, bei ihr nach eingeführtem Muster 38 eine empirische, eine analytische und eine normative Dimension zu unterscheiden: Innerhalb der empirischen Dimension einer Allgemeinen Verfahrenstheorie lassen sich zwei Ebenen voneinander abschichten. Die eine umfaßt die erfahrungswissenschaftliche Erforschung des Verfahrens (für das Strafverfahren insbesondere durch die Kriminologie und die sog. „Strafprozeßlehre") 39. Die andere macht den positiven Bestand an verfahrensrechtlichen Normen als „empirisches Material" 40 zum Gegenstand der Untersuchung. Seine begrifflichsystematische Durchdringung ist in der analytischen Dimension zu leisten, während die normative Dimension durch die dogmatisch-kritische Auseinandersetzung mit der Verfahrenspraxis, aber auch durch Reformüberlegungen,
37 Zu ihrer „Wissenschaftlichkeit" vgl. hier nur Neumann, Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 422 ff. 38
Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 308 ff.; ders., Theorie der Grundrechte, S. 22 ff. m.w.N. Zum Hintergrund: Hoerster, Grundthesen analytischer Rechtstheorie, Jb. 2, S. 115 ff. Gleichsam auf übergeordneter Ebene unterscheidet Rehbinder, Rechtssoziologie, Rz. 3 ff., die Dimensionen Rechtssoziologie, Rechtsdogmatik und Rechtsphilosophie. 39 Zur Notwendigkeit der Berücksichtigung von „Prozeßrechtswirklichkeiten" {law in action) in der internationalen Prozeßrechtsvergleichung vgl. Gilles, Prozeßrechtsvergleichung, S. 38 ff. 40
Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 49, unter Hinweis auf Dahrendorf KZfSS 7 (1955), 491 (493). Das „empirische Material" bilden hierbei die Normen der in einem Rechtssystem vorfindlichen konkreten Verfahrensordnungen; zu einem solchen Verständnis vgl. a. Neumann, Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 422 (426, 435); Schlächter, Kernwissen Strafprozeßrecht, S. 3. Eine solches Vorgehen ist daher „metaprozessual" auch im Sinne von Bottke, FS Roxin, S. 1243 (1244). - Mutatis mutandis stimmt das mit dem Ausgangsbefimd Dürkheims für die erfahrungswissenschaftliche Erfassung „sozialer Typen" überein: Anstatt jede Gesellschaft für sich zu betrachten, unternimmt er es, „die entscheidenden Tatbestände oder experimenta crucis zu setzen, wie Bacon sagte, die an sich und ohne Rücksicht auf ihre Zahl wissenschaftliches Interesse und Wert besitzen". Und weiter: „So zu verfahren ist vor allem dann notwendig, wenn Gattungen und Arten festgestellt werden sollen" (Die Regeln der soziologischen Methode, S. 167).
40
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
kriminalpolitische Forderungen und rechtsphilosophische Untersuchungen ausgefüllt wird. Vor dem Hintergrund dieser Differenzierungen wählt die folgende Darstellung - entsprechend der in der Einleitung (sub A.III.) erfolgten Eingrenzung ihres Gegenstandes - einen empirisch-analytischen Zugang. Ausgehend von den im geltenden Verfahrensrecht getroffenen Regelungen sollen die Strukturen jener „Welt" nachgezeichnet werden, in denen Verfahrensfehler (und mit ihnen auch ihre Korrektur) gleichsam zuhause sind.
Β. Der erreichte Stand
41
Β. Der erreichte Stand I. Allgemeines Die gesonderte Beschäftigung mit dem Verfahren ist in der Rechtswissenschaft eine vergleichsweise junge Disziplin. So hat sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunächst die zivilistische Prozeßwissenschaft, die bis dahin gewissermaßen „vom Kredit" (des materiellen Rechts) gelebt hatte1, als eigenständiges Fach etabliert 2. Auch das bis dahin als bloße Annexmaterie behan delte Strafverfahrensrecht 3 rückte - namentlich seit Bülows Abhandlung über die „Proceßeinreden" 4 - nicht nur zu einem eigenständigen Fach innerhalb der Strafrechtswissenschaft auf. Betont wurde alsbald auch die Notwendigkeit einer strengen Trennung vom „materiellen Recht". Im Anschluß an diese Entwicklung, deren Kulminationspunkt man im „Prozeß als Rechtslage", dem opus magnum von James Goldschmidt (1925) sehen darf, sind auch für das vormals ebenfalls unselbständige Strafverfahren große prozeßtheoretische Lehrgebäude errichtet worden 5, später ergänzt durch die empirischen Untersuchungen der „Strafprozeßlehre" 6 und der Kriminologie. Im Bereich der exekutivischen Handlungsformen ist der „Verfahrensgedanke" gar noch jünger: Erst ein knappes Jahrhundert später ist er auch ins
1
Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 30, in Anlehnung an Gaul. 2
Darstellung etwa bei Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 29 ff. S. ferner etwa Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 361 ff. 3 Vgl. nur die Einbeziehung von materiellen Deliktstatbeständen in die PGO ebenso wie die das Verfahrensrecht einschließenden Systeme von Carpzow und Feuerbach. Heute finden sich derartige Einheitskodifikationen (jedenfalls ansatzweise) im JGG, im Steuer- und im sonstigen Nebenstrafrecht (z.B. im BtMG). 4 Zur Bedeutung dieser Schrift für die Strafprozeßrechtslehre vgl. Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 146; Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 15, 21; Sieber, FS Roxin, S. 1113(1116). Weiterführend und mit zahlreichen Nachweisen Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 132 ff. 5
Namentlich von Eberhard Schmidt, Lehrkommentar I, Nr. 32 ff.; und Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen. 6
Peters, FS Maurach, S. 453 ff. Zum ganzen auch Schreiber, ZStW 88 (1976), 117 (122 ff.).
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
42
Zentrum des verwaltungsrechtswissenschaftlichen Bemühens getreten7 und rasch zum „Schlüsselbegriff* 8, gar zur „Zauberformel" 9 avanciert. Das Interesse hat sich nun namentlich vom Verwaltungsakt auf den ihm vorausgegangenen Entscheidungsvorgang und auf den Verfahrensbezug administrativen Handelns überhaupt verlagert. Zu den Marksteinen dieser Entwicklung gehören sicherlich die Schaffung der Verwaltungsverfahrensgesetze in 70er Jahren und die durch einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 10 ausgelöste „Verfahrenseuphorie" 11 Anfang der 80er Jahre, die sich mit der Vorstellung eines „Grundrechtsschutzes durch Verfahren" verband. Aber auch die Entwicklung in den Sozialwissenschaften, wie sie durch das von Luhmann vorgestellte systemtheoretische Modell einer „Legitimation durch Verfahren" einerseits und durch die Idee eines „rationalen Diskurses" im Sinne von Habermas andererseits12 repräsentiert wird, gehört in diesen Zusammenhang. In dieser Zeit wurzeln denn auch die ersten Ansätze einer vergleichenden Gesamtschau mehrerer Verfahrensordnungen, die sich zu einer Allgemeinen Verfahrenslehre zu verdichten beginnen. Den Hintergrund bildet - neben der allenthalben konstatierten gesellschaftlichen „Pluralisierung" der Maßstäbe einerseits, dem liberalen Anliegen einer „Delegation an die Nächstbetroffenen" andererseits - vor allem die typische Entscheidungssituation des modernen Verwaltungs Verfahrens: Ihren durch gesetzliche Zielsetzungen nur rahmenartig bestimmten Gestaltungsauftrag kann
7
Und dies, obwohl gerade die von Otto Mayer gerne gezogene Parallelität des Verwaltungsakts zum Urteil (hierzu eingehend Bettermann, GS W. Jellinek, S. 361 ff.) größere Aufmerksamkeit auf die „prozeßhafte" Seite des Verwaltungsverfahrens hätte lenken müssen. - Zur späten Entwicklung der Verwaltungsverfahrensrechtslehre s.a. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 60 ff. 8 Schmidt-Aßmann, Der Verfahrensgedanke in der Dogmatik des öffentlichen Rechts, in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 1 (6). Zum ganzen auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 3 ff.; Morlok, Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 15 ff. 9
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Vorwort, S. VII.
10
Namentlich der Beschluß BVerfGE 53, 30 vom 20.12.1979 („Mülheim-Kärlich"); zuvor aber schon BVerfGE 24, 367 (401) - „Hamburger Deich". 11
Zur Kritik an einer Überbewertung des Verfahrensgedankens vgl. ferner Bethge, NJW 1982, 1 (2) sowie Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, S. 97 m.w.N. 12 Vgl. etwa dens., Wahrheitstheorien, in: ders., Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 127 (174 ff.), sowie die Kritik von Arthur Kaufmann (Kielwein-Colloquium, S. 15 ff.).
Β. Der erreichte Stand
43
die Verwaltung im demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu weiten Teilen nur im Wege eines fairen und konsensualen Interessenausgleichs erfüllen 13 . Wenn und soweit sich das Recht aber darauf beschränkt, Entscheidungsvorgänge zu moderieren, anstatt sie auch inhaltlich zu präjudizieren, kommt alles auf ein offenes, die Qualität des Ergebnisses förderndes und partizipativ ausgestaltetes Verfahren an. Solche Aufwertung des Verfahrens legt dann auch eine intensivere Beschäftigung mit Verfahrensfehlern nahe14. Wo inhaltliche Argumente zweifelhaft sind oder keine hinreichende Überzeugungskraft besitzen, verlagert sich die Diskussion auf die Modalitäten der Entscheidungsfindung 15. Damit ist der „Verfahrensgedanke", wenn man so will, „postmodern" 16 . Darin liegt freilich andererseits auch die Gefahr, das Potential des Verfahrens zu überschätzen. Zwar werden im Verfahren seiner Idee nach alle Beteiligten mit ihren jeweiligen Argumenten und Positionen zugelassen. Alle stehen wenigstens hier auf derselben Ebene. Doch der Schein eines „echten" Diskurses trügt: Die Sachentscheidung wird eben nicht zuletzt aufgrund außerprozessual entwickelter und damit vorgegebener Maßstäbe getroffen, und zu
13
s. etwa Morlok, Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 16 f.; Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 632. Vgl. auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Vorwort zur 2. Auflage (1975), S. 2. - Die Gewichtsverlagerung vom Parlamentsgesetz zur Einzelfallabwägung in Verwaltungsverfahren weist den im Anschluß an Carl Schmitt (Legalität und Legitimität, S. 7 ff.) vielfach beschriebenen Weg vom Gesetzgebungs- zum Verwaltungsstaat. Vgl. hierzu etwa auch G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S. 39 ff. 14
Morlok, Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen,
S. 19. 15
Beispielhaft sei verwiesen auf die Diskussion um das Lebenspartnerschaftsgesetz und die gerade auch auf den Nachweis formeller Verfassungswidrigkeit zielende Argumentation bei Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 ff. (im Ergebnis freilich unzutreffend, vgl. BVerfGE 105, 313, 331 ff.), sowie um die Bundesratsabstimmung über das Zuwanderungsgesetz (BVerfGE 106, 310). 16
Selbstverständlich ist es auch möglich, den „Verfahrensgedanken" in einen kulturhistorisch weiteren Rahmen zu stellen. Jenseits der ständigen Präsenz herakliteischer Fluß-Metaphorik im abendländischen „Prozeßdenken" wäre etwa an die Konzeptionen von Bildung (Goethe) oder Sprache (W. v. Humboldt) als Prozeß zu erinnern, aber auch an die Hereinnahme ursprünglich statischer, auf einen Nicht-Ort verwiesener Gegenentwürfe zur herrschenden Ordnung in die Gegenwart in Gestalt einer sich prozeßhaft entwickelnden „konkreten Utopie" (Bloch, Das Prinzip Hoffnung). In Rechnung zu stellen sind ferner gewisse physikalische Erkenntnisse über „Dinge", die wie etwa die Welle wesensmäßig nur als Vorgang in der Zeit begreifbar sind (dazu - neben Whiteheads „Prozeß und Realität" - auch Prigogine/Stengers, Dialog mit der Natur, S. 20 f.).
44
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
einem gewissen Grad dient das Verfahren daher nur als Symbol (wenn auch mit legitimatorischer Kraft im Sinne der von Luhmann entwickelten Konzeption). Die Entscheidung ist in wesentlichen Punkten bereits gefallen, sie wird insoweit - nicht erst „herausprozessiert", sondern lediglich dargestellt 17. Das Verfahren verweist hier unausgesprochen auf die Idee des Vertrages und damit (zum Teil irreführend 18) auf konsensuale, nicht-imperativische Problemlösungen. In der Tat ist es wohl diese eigentümliche Flexibilität des inhaltlich letztlich so wenig greifbaren „Verfahrensgedankens", die seine Adaption durch „liberale" wie „konservative" oder gar reaktionäre Konzepte gleichermaßen ermöglicht. Solche Ambivalenz des „Verfahrensgedankens" scheint nicht zuletzt im vielzitierten Begriff des „Grundrechtsschutzes durch Verfahren" auf. Manchen mag er prozessuale Erweiterungen des subjektiven Rechtsschutzes und damit freiheitsverstärkende Wirkung verheißen, während doch gerade auch das Gegenteil gemeint sein könnte: Wo Freiheit nur in und durch Verfahren konstituiert und bewahrt werden kann, also gleichsam institutionalisiert wird, ist sie nach älterer Vorstellung im Grunde aufgehoben 19. Als „eigene Gesetzgebung des Willens" (Kant) realisiert sie sich fortan nur mehr durch Mitwirkung am Entscheidungsprozeß.
17
Auch offen totalitären Systemen erscheint es nicht selten zweckmäßig, gerichtsförmliche Verfahren zu inszenieren (etwa: „Moskauer Prozesse"). Zwar wird zu Recht daraufhingewiesen, daß „der formell rechtsstaatliche Gesetzesvollzug" nicht „das genuine Instrument zur Massen Vernichtung" gewesen sei; vgl. Ellscheid, Das Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einfuhrung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 179 (183 f.). Unterhalb dieser Ebene jedoch scheint ein Bedürfnis nach verfahrensmäßiger „Ordnung des Terrors" (Sofsky) zu bestehen; vgl. nur die bedrückende Schilderung der streng justizförmig inszenierten Hinrichtungen unter Leitung eines Staatsanwalts bei Weiss, Die Ästhetik des Widerstands, S. 210 ff. 18
Vgl. etwa die von Jauernig, JuS 1971, 329 (330), geübte Kritik an der Zivilprozeßkonzeption bei Pawlowski, ZZP 80 (1967), 345 ff. 19
Zur „Kolonialisierung der Lebenswelt" durch die Institutionen des Rechts vgl. a. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, S. 522 ff. Genauso gut könnten formalisierte Organisationsstrukturen die Einflußmöglichkeiten der Beteiligten aber auch erhöhen (dazu a. Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 384). Zum Verwaltungsverfahren als „Ort der Freiheitsausübung" vgl. etwa Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 143 ff.
Β. Der erreichte Stand
45
II. Grundlinien in der Literatur 1. Der synoptische Ansatz Unter den bislang vorliegenden Ansätzen20 zu einer über eine einzelne Verfahrensordung hinausweisenden Gesamtschau lassen sich zwei Richtungen ausmachen. Die erste wählt eine „synoptische" Betrachtungsweise: Mehrere Verfahrensordnungen, und zwar regelmäßig nur gerichtliche Verfahrensordnungen, werden „nebeneinandergelegt" und unter bestimmten Gesichtspunkten miteinander verglichen. Diese Vorgehensweise betrifft zunächst nur die beiden „klassischen" Prozeßformen der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit (§ 2 EGGVG), Zivilund Strafprozeß. In dieser Form hat sie in den Lehrdarstellungen des Strafverfahrensrechts eine gewisse Tradition 21 . Die Entgegensetzung zum Zivilprozeß dient dabei in erster Linie dazu, Unterschiede aufzuzeigen und dadurch die Eigenarten des Strafverfahrens um so schärfer herausarbeiten zu können. Nicht allein aus didaktischen Gründen, sondern gerade auch zur Selbstkonstitution einer S/ra/prozeßrechtswissenschaft werden auf der Grundlage gemeinsamer Verfahrensrechtsinstitute und -figuren Differenzen benannt und auf die Formel gegensätzlicher „Prinzipien" oder „Maximen" gebracht 22. Gemeinsame Strukturen und Zielsetzungen betont demgegenüber etwa die „Allgemeine Prozeßrechtslehre" Wilhelm Sauers (1951) 23 . Auch hier bleibt die (historisch jüngere und deshalb auch theoretisch noch weniger durchgearbeitete) Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgespart24. Angelpunkt ist die Annahme einer übergreifenden Idee der „Rechtsprechung" und des gerichtlichen Pro-
20 Als umfassende „gehaltvolle Ausarbeitung" bleibt eine Allgemeine Verfahrenstheorie nach wie vor Desiderat; so mit Recht Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 630. Zu Ansätzen vgl. außer den nachfolgend im Text Genannten u.a. Sander, ZÖR 1919/20, 468 ff.; Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (m.w.N. auch zur Allgemeinen Verfahrenstheorie in der italienischen Rechtslehre). 21
Vgl. aus dem älteren Schrifttum etwa Ulimann, Lehrbuch des Deutschen Strafprocessrechts, S. 18; in neuerer Zeit etwa Peters, Strafprozeß, S. 15 ff.; LR24-/r. Schäfer, Einl. Kap. 7 Rz. 1 ff. 22
s. nur LR-Rieß, Einl. Abschn. H; dens., FS Rebmann, S. 381 (382); Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 76. 23 24
Zuvor schon ders., Grundlagen des Prozeßrechts.
Dies jedoch erklärtermaßen nur vorläufig (Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. VII).
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
46
zesses, die für Sauer in der „Annäherung eines Lebensverhältnisses an die Gerechtigkeit" kraft richterlicher Sozialgestaltung liegt 25 . Leitgedanken der allgemein-prozeßtheoretischen Arbeit, die in erster Linie die „überflüssige und unökonomische Doppelbehandlung in Gesetzgebung, Wissenschaft und Unterricht" zurückzudrängen sucht, sind „Prozeßlogik, Prozeßethik und Prozeßökonomik" 26 . Einen bescheideneren, eher an der Lösung praktischer Einzelprobleme orientierten Ansatz verfolgt demgegenüber Grunsky. Er nimmt den Zivilprozeß als Ausgangspunkt und stellt ihm die jeweils vergleichbaren Regelungen in VwGO, SGG und FGO gegenüber 27. Ausgeklammert bleibt hierbei freilich das Strafverfahrensrecht 28. Ein solches gleichsam auf „innerstaatliche Rechtsvergleichung" 29 abzielendes, an einzelnen Verfahrensrechtsinstituten orientiertes (und insofern „topisches") Vorgehen vermag zwar den Blick für Gemeinsamkeiten ebenso wie für notwendige Differenzierungen zu schärfen 30. Als bloßer Typologie ist ihm aber zu Recht die Fähigkeit abgesprochen worden, die Funktionszusammenhänge zureichend aufdecken zu können 31 , einmal ganz abgesehen davon, daß sich die Verfahren der Legislative und Exekutive dem dadurch vorgegebenen Raster kaum fügen.
25
Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 1 ff. - Für einen Versuch, die Eigenart der Rechtsprechung unter Einbeziehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Fundament einer Allgemeinen Verfahrenslehre zu machen, vgl. Bettermann, DVB1. 1951, S. 3 ff., und GS Jellinek, S. 361 ff. 26
Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. VII.
27
Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts. Einen ähnlichen Weg geht auch Wolf\ Gerichtliches Verfahrensrecht. 28
Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 11.
29
Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. IV; vgl. a. Kollhosser, JZ 1973, 8 (12); Schima, ÖZÖR 1956, 73 (75). Auf „innerdeutsche Prozeßrechtsvergleichung" als methodisches Hilfsmittel bei der Konkretisierung des Verfassungsprozeßrechts weist Häberle, JZ 1976, 377 (379), hin. Zur internationalen Ebene vgl. etwa Gilles, Prozeßrechts vergleichung. 30
Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 48. Vgl. a. Niese, JZ 1957, 73 f. 31
S. 48.
Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren,
Β. Der erreichte Stand
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2. „Kategorische " Ansätze Die zweite Hauptrichtung versucht deshalb - unter Einbeziehung jedenfalls des Verwaltungsverfahrens eine „Allgemeine Verfahrenslehre" zu entwickeln und greift erst in zweiter Linie auf positives Recht zurück 32 . Sie muß daher relativ weit gefaßte Kategorien Jenseits des empirischen Materials" erarbeiten 33. Damit wird der Bezug auf gemeinsame „Grundbegriffe", der in der synoptischen Methode (§ 1 B.II.l.) wegen der Erforderlichkeit eines tertium comparationis schon angelegt war, weiter fortgeführt 34, jedoch zugunsten allgemeinerer Gesichtspunkte von den einzelnen Institutionen der jeweiligen Verfahrensordnungen abgelöst. So kann etwa Schmidt-Aßmann drei verfahrenstheoretische „Grundfragen" stellen: die nach den Verfahrenssubjekten, -Stadien und -maximen 35 . Ebenfalls hierher gehören aber schon die großen Themen aus den Anfangsgründen der neueren Prozeßrechtswissenschaft: „Prozeßvoraussetzungen", „Rechtsschutzanspruch" und „Prozeßrechtsverhältnis" 36.
a) Der Ansatz von Goldschmidt Die große kritische Auseinandersetzung mit diesen letztgenannten Ansätzen liefert James Goldschmidt in seinem Werk „Der Prozeß als Rechtslage" (1925).
32 Namentlich Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren; ders. y Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre. Vgl. auch die übergreifende, auch Normsetzungsverfahren miteinbeziehende Betrachtung bei Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 20 ff.; Luhmann, Legitimation durch Verfahren. Auch bei der Lösung von Einzelproblemen wird mitunter auf allgemein-verfahrenstheoretische Überlegungen zurückgegriffen, so beispielsweise von U. Stein, „Gewißheit" und „Wahrscheinlichkeit" im Strafverfahren, in: Rudolphi-Symposium, S. 233 ff. 33 Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 49, unter Hinweis auf Dahrendorf \ KZfSS 7 (1955), 491 (493). 34
Vgl. dazu schon Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 57 ff.
35
Schmidt-Aßmann, JURA 1979, 505 (514).
36
Zusammenfassend etwa: Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 29 ff. Von drei prozeßrechtlichen „Grundbegriffen" (Prozeßvoraussetzungen, -handlung und -Verhältnis) spricht bereits Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, S. 147 ff.
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
48
Obwohl auch hier der Schwerpunkt eindeutig auf dem Zivilprozeßrecht liegt und neben diesem allein der Strafprozeß behandelt wird, und obwohl auch hier der Lösung von Detailfragen breiter Raum gewidmet wird, ist die von Goldschmidt entwickelte „prozessuale Betrachtungsweise" nach eigener Aussage „auf jedes Verfahrensrecht anwendbar" 37. Ihrer Idee nach fügt sie sich auch wenn Goldschmidt dies gewiß nicht intendiert hat - im Grunde jedem Verfahren, in dem Entscheidungen (auch) anhand externer Maßstäbe zu treffen sind. An späterer Stelle wird deshalb auf sie noch ausführlicher zurückzukommen sein (§ 3 C.IV.).
b) Der Ansatz von Hagen Ein jüngerer (ursprünglich ebenfalls durch den Vergleich zweier Verfahren motivierter) Versuch, einige übergreifende verfahrenstheoretische Kategorien zu entwickeln, stammt von dem Zivilprozessualisten Johann Josef Hagen 38 . Er schlägt als solche zunächst vor (1) den institutionellen Zweck, (2) die Struktur und (3) die materiellen Implikationen des Verfahrens. Später 39 hat er diese fundamentale Gruppe erweitert um (4) die Technik und (5) die Organisation des Verfahrens.
37
Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 265 in Fn. 1391 b; (vgl. a. Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 49). Auf dieser Suche nach einem „den verschiedenen Verfahrensarten zugrunde liegenden allgemeinen Prinzipe" (so faßt Foth, Reines Prozeßrecht, S. 1, zusammen), folgen ihm namentlich Niese (Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen) und Eb. Schmidt (Lehrkommentar I, Rz. 32 ff.). 38 Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 49 f., 54 ff. 39
Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 94 f.
Β. Der erreichte Stand
49
Gegen diese Kategorien besteht allerdings derselbe Einwand wie gegen die oben genannten „synoptischen" Ansätze: sie taugen nur für die gerichtlichen Verfahren, die Verwaltungsverfahren bleiben ausgeklammert 40. In Kombination mit den „Grundfragen" Schmidt-Aßmanns lassen sich aber zumindest die ersten drei Kategorien zu einer Betrachtungsweise verbinden, die jedenfalls im Rahmen der vorliegenden Arbeit zum Ausgangspunkt genommen werden kann (s. unten § 2 C.-E.).
c) Der Ansatz von Rödig Einen Sonderfall stellt schließlich der Versuch von Rödig dar, zu einer einheitlichen Theorie für die gesamte ordentliche und die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gelangen41. Sein (im wesentlichen analytischer) Ansatz umkreist das Verhältnis des Verfahrens zu seinem Gegenstand (dazu unten § 2 E.I.): In einem formalen Sinne habe das gerichtliche Verfahren die Struktur eines (logischen) Beweises derjenigen Hypothese, die an seinem Anfang steht.
40 41
Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 139.
Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. An ihn schließt an: J. Schulz, Sachverhaltsfeststellung und Beweistheorie.
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
50
C. Allgemeine Verfahrenslehre und Gesamte Strafrechtswissenschaft I. Allgemeine Verfahrenstheorie und Strafprozeßrechtswissenschaft Gerade die Strafprozeßrechtslehre steht dem Unternehmen „Allgemeine Verfahrenslehre" überwiegend zurückhaltend gegenüber1. So verweist Friedrich-Christian Schroeder auf die geringen Gemeinsamkeiten etwa zwischen StPO und ZPO 2 und warnt vor der Anziehungskraft „vorgelagerter Gliederungselemente" 3. Selbst Karl Peters sieht in einer an lediglich formellen Übereinstimmungen orientierten zusammenfassenden Betrachtung aller Prozeßordnungen im Rahmen einer „allgemeinen Prozeßlehre" eher die Gefahr der unsachgemäßen Übertragung von Vorstellungen aus fremden Verfahrensordnungen 4. Roxin begründet seine skeptische Haltung ebenfalls mit der fehlenden Vergleichbarkeit des Strafverfahrens mit dem Zivil- oder dem Verwaltungsprozeß. Die auf einer höheren Abstraktionsebene zu gewinnenden allgemeinen Prozeßrechtsbegriffe wie „Prozeßgegenstand" oder „Rechtskraft" hätten dagegen zu wenig Inhalt, um daraus wieder Folgerungen für die Rechtsfindung im Strafprozeßrecht zuzulassen5.
1
Optimistischer dagegen etwa LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 15. (Überhaupt sind die LR-Einleitungen durch Rieß und in der Vorauflage durch K. Schäfer im Grunde hervorragende Belege für die Präsenz und Fruchtbarkeit einer „angewandten" Allgemeinen Verfahrenslehre.) Optimismus auch bei Fr. Weber, Studium Generale 13 (1960), 183 (186). - Außerhalb der Strafprozeßrechtslehre Skepsis etwa bei Morlok, Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 102; Kritik an „konstruktiven" Verfahrenstheorien, in denen man „bestrebt ist, ,den' Prozeß auf irgendwelche vorgefaßten dogmatischen Einheiten festzulegen, auch bei F. v. Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 317 ff. (in Auseinandersetzung mit James Goldschmidt). 2
Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 24, unter Hinweis auf die „bescheidene Gemeinsamkeit" des Verfahrens bei Zustellungen (Verweis auf die ZPO in § 37 I StPO). Ähnlich Rüping, Theorie und Praxis des Strafverfahrens, Rz. 30 (Richterablehnung); selbst übergreifende Grundsätze wie Art. 103 IGG hätten eine je nach Verfahrensordnung unterschiedliche Bedeutung. 3
Schroeder, FS Roxin, S. 33 (41).
4
Peters, Strafprozeß, S. 14, insbesondere mit Blick auf seiner Ansicht nach verfehltes zivilprozessuales Denken im Strafverfahrensrecht. Stellvertretend für das ablehnende frühere Schrifttum: Henkel, StrafVerfahrensrecht, S. 19 f. 5
Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 5.
C. Allgemeine Verfahrenslehre und Gesamte Strafrechtswissenschaft
51
In der Tat verspräche ein solches Vorgehen nicht nur wenig Gewinn, sondern sähe sich auch methodischen Einwänden ausgesetzt6. Der Vorwurf der „Begriffsjurisprudenz", soweit darunter die Deduktion von Rechtssätzen aus bloßen Begriffen verstanden wird 7 , wäre nicht der geringste unter ihnen. Die Herausbildung eigener Begriffe war und ist freilich gerade Anliegen der modernen Trennung von Verfahrensrecht und materiellem Recht; sie hat zur Etablierung der Prozeßrechtslehre als eigenständige Disziplin einen wesentlichen Beitrag geleistet8. Allgemeiner Verfahrenstheorie, wie sie hier verstanden wird, dienen die von ihr entwickelten Begriffe „als Sonden, mit denen das theoretisch kontrollierte System sich der Realität anpaßt; mit denen unbestimmte Komplexität in bestimmbare, in wissenschaftsintern verwertbare Komplexität überfuhrt wird", sie formieren diesen Realitätskontakt als „Differenzerfahrung" 9. Eben deshalb stellt sie ihre Begriffe unter den Vorbehalt einer Revision auch nach Maßgabe legislatorischer Entwicklungen 10 ; ein für alle Zeiten und alle Verfahren gesichertes Arsenal prozeßtheoretischer Begrifflichkeiten zu schaffen ist ihr Anliegen nicht. Gleichwohl muß sie, um arbeiten zu können, gewisse übergreifende Kategorien entwickeln, innerhalb derer verschiedene Verfahren betrachtet und miteinander verglichen werden können. Es mag sein, daß dabei „formale" Übereinstimmungen (gerade in eher „technischen" Fragen) ans Licht gebracht werden 11 , doch sind solche Erkenntnisse nicht das eigentliche Ziel, sondern
6
Vgl. etwa (im Hinblick auf den Begriff der „Prozeßhandlung") Schlüchter, Das Strafverfahren, Rz. 130. Die Frage nach der Brauchbarkeit des Prozeßhandlungsbegriffs läßt selbst Grünst, Prozeßhandlungen im Strafprozeß, offen (S. 2). 7
Vgl. dazu nur Arthur Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: ders./Hassemer (Hrsg.), Einfuhrung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 30 (140 ff.). 8 Auf die Bedeutung nicht nur des Rechtspositivismus, sondern auch der Begriffsjurisprudenz für diese Entwicklung weist u.a. LR-Lüderssen, Einl. Abschn. L Rz. 9, hin. Für eine Verteidigung vgl. a. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 35 ff. Zur Bedeutung des Übergangs von der „staatswissenschaftlichen" zur ,juristischen" Methode fur die Begründung eines „Allgemeinen Verwaltungsrechts" vgl. i.ü. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 18. 9 Luhmann, Soziale Systeme, S. 13. Weiter heißt es dort: „Abstraktion ist, so gesehen, eine erkenntnistheoretische Notwendigkeit. Sie bleibt ein Problem beim Schreiben von Büchern und eine Zumutung fur den Leser". 10 11
Insoweit übereinstimmend LR-Rieß, Einl. Abschn. J Rz. 2.
Um solche handelt es sich zumeist, wenn dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 1 I RsprEinhG) eine Rechtsfrage vorgelegt wird.
52
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
bloßes Nebenprodukt. Anliegen auch der vorliegenden Untersuchung ist daher selbstverständlich nicht etwa die Angleichung oder auch nur Annäherung des Strafverfahrens an das Verwaltungsverfahren, an die Verfahrensordnungen der Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit oder gar an die Normsetzungsverfahren; erst recht nicht die Vereinheitlichung aller oder doch einiger Verfahrensordnungen 12. Es geht um weniger und mehr zugleich: Vergleichbare Strukturen und Abhängigkeiten sollen anhand abstrakter Schemata aufgedeckt, ähnliche Folgewirkungen von Verfahrensfehlern in analoge Systeme gefaßt werden. Denn das Problem des angemessenen Umgangs mit fehlerhaften Verfahrenshandlungen stellt sich im Grunde für jedes rechtlich geordnete Verfahren 13 , und es gewinnt umso mehr an Bedeutung, je wichtiger das Verfahren als solches genommen wird 1 4 . Die keineswegs nur für den Strafprozeß, sondern ebenso für das Verwaltungsverfahren 15 wie für den Zivilprozeß 16 geführte Diskussion um Verwertungsverböte bildet hiervon nur einen Ausschnitt 17 . Allgemein-verfahrenstheoretische Überlegungen sind auch in diesem Zusammenhang viel eher geeignet, eine den Sachproblemen wirklich adäquate und insofern auch spezifische Lösung zu ermöglichen, als unangemessene Vereinheitlichungen zu befördern.
12
Dagegen schon Niese, JZ 1957, 7 f.; Schima, ÖZÖR 1956, 73 (88); für das Verwaltungsrecht auch Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (65). Von einer denkbaren Vereinheitlichung wäre jedenfalls das Strafverfahren auszunehmen; von einer gegenseitigen Annäherung von Zivil- und Strafprozeß ist - entgegen Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, S. V, weder für die Praxis noch für die Allgemeine Verfahrenstheorie viel zu erwarten. Nach Wolter, Zur Theorie und Systematik des Strafprozeßrechts, in: Rudolphi-Symposium, S. 267 (269), fehlt der Strafprozeßrechtstheorie immerhin „die Verzahnung mit (oder die deutliche Absetzung von) anderen Rechtsmaterien - etwa der Vergleich mit dem Zivilprozeßrecht oder dem Verwaltungsprozeßrecht". 13 So mit Recht Rogall, FS Rieß, S. 951 (952). Vgl. schon Eberle, GS Martens, S. 351 (352). 14
Vgl. a. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 19. 15
So bei Hüsch, Verwertungsverbote im Verwaltungs verfahren; ferner Eberle, GS Martens, S. 351 ff.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rz. 146 ff. Weitere Nachweise (insbesondere zum Βesteuerungsverfahren) etwa bei Rogall, FS Rieß, S. 951 ff. 16
s. etwa Dauster/Braun, NJW 2003, 3436. 17
NJW 2000, 313 ff.; zum Arbeitsgerichtsprozeß vgl. BAG
Dazu schon Rogall, FS Hanack, S. 293 (295 mit Fn. 18); dens., FS Rieß, S. 951 f.
C. Allgemeine Verfahrenslehre und Gesamte S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t 5 3
Ausgangspunkt muß freilich eine realistische Einschätzung der Leistungsgrenzen einer allgemeinen Verfahrenstheorie sein 18 . Von der abstrakten Betrachtungsweise einer Allgemeinen Verfahrenslehre, so wie sie hier verstanden wird, fuhrt überhaupt kein gerader Weg zur Lösung strafprozessualer Einzelprobleme. Verfahrenstheorie erlaubt vielmehr erst das Sprechen über Verfahren und ermöglicht es, die jeweilige Problemstellung zu analysieren und die jeweils relevanten Gesichtspunkte aufzufinden und zu formulieren. Die „Lösung" des betreffenden Problems selbst liegt darin noch nicht 19 . Der Beitrag einer Allgemeinen Verfahrenstheorie ist deshalb eher technischer als normativer Natur, und so empfiehlt sie sich als Instrument für eine Untersuchung, die sich (mit „Lösungen" zwangsläufig verbundene) Wertungen im Interesse vorgeordneter Analyse der Wertungsgrundlagen nach Möglichkeit versagt hat (Einleitung A.IIL).
II. Verortung im System der Gesamten Strafrechtswissenschaft Unter diesen Prämissen läßt sich die Allgemeine Verfahrenstheorie zwanglos in das System einer „Gesamten Strafrechtswissenschaft" 20 einordnen. Allgemeine Verfahrenstheorie erscheint darin zunächst als Hilfs- und Grundlagenwissenschaft der Strafprozeßrechtswissenschaft (Dogmatik) zugleich 21 . Sie erlaubt gerade durch Abstraktion die Abgrenzung gegenüber anderen Rechtsgebieten und insofern mittelbar auch eine Vergewisserung über das Selbstverständnis einer eigenständigen Strafverfahrensdogmatik. Möglicherweise vermag sie auch einen kriminologischen Seitentrieb auszubilden22. Ferner kann sie für didaktische Zwecke nutzbar gemacht werden, und vielleicht gelingt es ihr sogar, eine Sprache zu finden, in der Probleme für 18
So mit Recht Kollhosser, JZ 1973, 8 (12), im Hinblick auf nationale Verfahrensrechtsvergleichung und allgemeines Verfahrensrecht. 19
Nur nebenbei sei bemerkt, daß auch die Naturwissenschaften den Traum von einer allumfassenden „Supertheorie" längst aufgegeben haben (dazu etwa Prigogine/Stengers, Dialog mit der Natur, S. 9 ff.). 20
s. nur den Überblick bei Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil I, S. 4 ff.
21
Etwas ganz anderes meint natürlich der Verweis auf das „allgemeine Verfahrensrecht" in § 79 II JGG. 22
s.a. Rogall, Grundsatzfragen der Beweisverbote, in: Höpfel/Huber (Hrsg.), Beweisverbote in Ländern der EU und vergleichbaren Rechtsordnungen, S. 119 (124).
54
§ 1 Das Verfahren als Gegenstand
kriminalpolitische Reformdiskussionen 23 angemessen aufbereitet werden können. Gerade auch für die anstehende Verarbeitung, Harmonisierung und kritische Durcharbeitung des vordringenden supra- und internationalen Straf(verfahrens)rechts wäre ihr dies zu wünschen24.
23
Diesen Aspekt Allgemeiner Verfahrenstheorie hebt bereits Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. VII, hervor. 24 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die (durchaus im hiesigen Sinne verfahrenstheoretisch geprägten) Ausführungen von Gieß, ZStW 115 (2003), 131 ff. zur „Verkehrsfähigkeit" von Beweismitteln in der EU.
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre A. Überblick Die Notwendigkeit, in und durch Verfahren zu entscheiden, prägt den modernen Staat1. Staatliche Aktivität realisiert sich im Grunde ausschließlich durch das Tätigwerden von Personen, das im Treffen staatlicher Entscheidungen entweder besteht oder doch - als „Realakt" oder „Tathandlung" - auf staatlichen Entscheidungen beruht 2. Gerichte 3 treffen gleichermaßen Entscheidungen wie die Parlamente 4, und für den Verwaltungsakt, nach wie vor Musterbeispiel für regelnde Verwaltungstätigkeit, ist die Entscheidung bereits
1 Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 146; ferner etwa Habermas, Faktizität und Geltung, S. 551 f.; Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (195 f.); Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 628. Vgl. noch näher unten § 2 F.III.2.a.bb. 2
Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 28. Vgl. ferner W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 43 (Entscheidung als Oberbegriff für rechtsverbindliche Regelung durch ein staatliches Organ); Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 77 ff. So besteht eine zentrale Aufgabe der Juristen gerade darin, Fälle zu entscheiden (s. nur Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 8). „Der Entscheiduflgsch arakter prägt alle Stadien der praktischen Arbeit, jeden Teilabschnitt des Konkretisierens" (Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rz. 192). Zu der jeder am Recht orientierten £/*/scheidung zugrunde liegenden binären Unterscheidung von „Recht" und „Unrecht" vgl. etwa Luhmann, Rechtssoziologie, S. 43 Fn. 32, 121; aber auch schon Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts I, S. 4. 3 Von solchen Entscheidungen spricht die StPO etwa in §§ 98 II 2, 153 II 3, 261, 296 I. Das BVerfG rechnet die Entscheidung seit jeher zu den Essentialia der Rechtsprechung; vgl. nur BVerfGE 7, 183 (188); 31, 43 (46) - „Vernehmung durch Ermittlungsrichter". 4 Die Gesetzgebung ist der wichtigste, aber nicht der einzige Fall parlamentarischer Entscheidungen (vgl. die Aufzählung bei Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 78). Zum Entscheidungscharakter von Normen vgl. etwa W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 43; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 146 ff.; ferner Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 141 ff. Vgl. a. BVerfGE 30, 250 (263) - „Außenwirtschaftsgesetz"; Ε 88, 203 (261 ff.) - „Schwangerschaftsabbruch II".
56
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Definitionsmerkmal 5. Das Recht selbst, so ist jedenfalls behauptet worden, sei im Grunde nichts anderes als eine „Summe von Entscheidungen"6, oder doch: die Gesamtheit der in Verfahren begründeten Normen 7. Hatte die juristische Entscheidung in ihren klassischen Ausprägungen Gesetz, Urteil, Verwaltungsakt - lange Zeit die Diskussion beherrscht, so ist neuerdings der Rahmen, in dem Entscheidungen gefällt werden, selbst in den Vordergrund getreten. Das Interesse gilt nun also dem Verfahren. Betont werden nicht nur seine Eigengesetzlichkeit und seine spezifischen, die Entscheidung inhaltlich mitbestimmenden Handlungsbedingungen und Wertungen. Versucht wird vielmehr auch, das Verfahren von seinem Entscheidungsbezug gleichsam zu emanzipieren und als staatlichen Handlungsmodus schlechthin zu etablieren. In den Handlungsabläufen der Verfahren seien zwar immer „Entscheidungen inkorporiert, aber sie sind eben nicht nur entscheidungsbezogen"8. Als „archimedischer Punkt der Verfahrensidee im modernen Staat" kommt die Entscheidung aus einer solchen Sicht jedenfalls nicht in Betracht 9. Solche Ansätze sind vor allem fur das Verwaltungsrecht zu verzeichnen, was maßgeblich auf dort vorhandene spezifische Fragestellungen zurückzufuhren sein dürfte, denen hier freilich nicht im einzelnen nachzugehen ist. Genannt seien lediglich das offenbar verschiedentlich empfundene Bedürfnis, der Exekutive gegenüber der (verwaltungs)gerichtlichen Kontrolle einen eigenen Aufgabenbereich zu sichern, sowie der Umstand, daß in der alltäglichen Praxis solche Handlungsformen immer größere Bedeutung erlangen, die sich - wie etwa Auskünfte, Empfehlungen oder Warnungen - nicht in das primär am
5
§ 35 S. 1 VwVfG; § 118 S. 1 AO; § 31 S. 1 SGB-X. Der Gesetzeswortlaut kennt noch andere „hoheitliche Maßnahmen", die also offenbar Verwaltungsakte, aber keine Entscheidungen sind. Der sachliche Gehalt dieser Differenzierung ist jedoch dunkel. Bettermann, GS W. Jellinek, S. 361 (369), läßt die Frage in Bezug auf eine ähnliche Formulierung in der MRVO Nr. 165 offen: Die meisten und typischen Verwaltungsakte hätten jedenfalls Entscheidungscharakter. Auch jene „Maßnahmen" müssen auf eine verbindliche und rechtsbeständige Regelung durch die Behörde abzielen (Kopp! Ramsauer, VwVfG, § 35 Rz. 4). Insoweit sind sie aber auch „Entscheidungen" (vgl. W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 43). 6 So etwa die (dezisionistische) Konzeption von Isay, Rechtsnorm und Entscheidung. Vgl. a. Schmitt, Politische Theologie, S. 16. 7
So Blankenburg, Mobilisierung des Rechts, S. 6.
8
Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 323.
9
Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 320.
Α. Überblick
57
Verwaltungsakt orientierte Korsett des Verwaltungs Verfahrens im Sinne der §§ 9 ff. VwVfG schnüren lassen. Letztlich wendet sich die Kritik am Entscheidungsbezug des Verfahrensdenkens auch gegen das durch den Übergang vom „liberalen" zum „sozialen" Rechtsstaat in Frage gestellte Paradigma des einseitig-hoheitlichen Anordnens in „autoritärem Punktkontakt" 10 zwischen Staat und Bürger 11 . Damit sind zwar mutatis mutandis auch aktuelle Problemstellungen des Strafverfahrensrechts angesprochen12. Während aber das Verwaltungshandeln eine nahezu unübersehbare Vielfalt von Aufgaben „einfach, zweckmäßig und zügig" 13 zu bewältigen hat, bleibt es - jedenfalls im Rahmen einer primär an der rechtlichen Ausgestaltung interessierten Untersuchung - für das auf einen kleinen Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit beschränkte Strafverfahren insgesamt bei seinen „schützenden Formen" und damit bei der strukturgebenden Dominanz förmlicher Entscheidungen14. Aber auch sonst ist zu bezweifeln, daß 10
Vgl. a. Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht, S. 64 ff. Betont wird stattdessen der Gedanke der „Kooperation" von Staat und Bürger, sei es als Alternative zu den „Entscheidungsverfahren" (so Simons, a.a.O. S. 60 ff.), sei es als integraler Bestandteil aller Verfahren (dafür Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 325). 11 Vgl. a. die Kritik von Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 214, an der Fixierung auf hoheitliche Entscheidungen bei Luhmann: „Die »Interaktion1, von der die Soziologie gerne spricht, wird im Verfahren ein leeres Wort, wenn man auf Konsensherstellung über die Relevanzen verzichtet und den Rechtsgang als obrigkeitliches Informations- und Entscheidungsmodell versteht, bei dem der Lernprozeß allein Sache der ihm unterworfenen Beteiligten bleibt". 12 Vgl. einerseits (Eigenverantwortlichkeit der Exekutive) die stetig wachsende Bedeutung der Kriminalpolizei und das nach wie vor defizitäre Rechtsschutzsystem im Ermittlungsverfahren, andererseits (neue, nicht als „Entscheidung" auftretende Handlungsformen) die „Vorfeldermittlungen" oder auch die Problematik staatsanwaltschaftlicher Pressemitteilungen. Berührungspunkte ergeben sich auch an der Grenze zwischen helfender Beratung und Eingriffen in die Rechte Dritter, insbesondere im Zusammenhang mit privaten Ermittlungen (sehr deutlich geworden zuletzt in der Entscheidung EGMR StV 2004, 1 - „M.M./ Niederlande" mit Sondervotum Palm). Zum Versuch, der einseitigen strafgerichtlichen Entscheidung durch Justizsyllogismus - wiederum vor dem Hintergrund der Ablösung des „liberalen" durch den „sozialen" Rechtsstaat - eine kommunikative, auf der Interaktion aller Beteiligten basierende Konzeption des Strafverfahrens entgegenzusetzen, vgl. R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, insbes. S. 15 ff. 13
So § 10 S. 2 VwVfG, § 9 S. 2 SGB-X für das Verwaltungsverfahren nach §§ 9 ff. VwVfG, §§ 8 ff. SGB-X. 14 Vgl. aber zur Problematik einer zu einseitigen Ausrichtung der Verfahrensziele an der Entscheidung in der Dogmatik des StrafVerfahrensrechts unten § 2 C.II. 1.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
eine allgemeine Theorie des Verfahrens auf die Figur der Entscheidung verzichten kann, will sie in „Verfahren" mehr sehen als das schlichte Tätigwerden staatlicher Organe. Dies gilt umso mehr, soweit sich Verfahrenstheorie auch als Rechtstheorie versteht. Denn schließlich „zielt die Rechtswissenschaft, wie kaum eine andere, in der praktischen Anwendung auf Entscheidungen, und dieser Bezug kann auch in den höchsten Abstraktionslagen einer überdogmatischen, überpositiven Rechtstheorie nicht außer acht bleiben" 15 . Da nun aber auch im Ersten Teil dieser Untersuchung das Strafverfahren mit seinen Besonderheiten nicht aus dem Blick verloren werden soll, nähert sich auch die folgende Darstellung dem Verfahren gleichsam auf einem Umweg über den wenigstens im Strafverfahrensrecht nach wie vor zentralen Begriff der Entscheidung (B.), nimmt dann ihren Fortgang mit der Explikation einiger zentraler verfahrenstheoretischer Kategorien wie der des „institutionellen Verfahrenszwecks" (C.), der Verfahrensstruktur (D.) sowie des Verfahrensgegenstandes (E.) und schließt mit in der Frage nach den Aufgaben der rechtlichen Ordnung von Verfahren (F.).
15
Luhmann, Jb. 2, S. 255.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
59
B. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung I. Entscheidung 1. Entscheidung als Festlegung a) Bindung „So und nicht anders" - das ist der gemeinsame Grundtenor aller Entscheidungen. Zwei Elemente der Entscheidung kommen darin zum Ausdruck: Festlegung und Wahl. „So" verweist auf die mit der Entscheidung getroffene Festlegung. Von nun an ist klar, was gelten soll. Wer entscheidet, legt fest - zunächst einmal sich selbst. Die Entscheidung wird auch für den Entscheidenden selbst zum factum, sie „verdinglicht" sich fur ihn geradezu1. Er kommt nun selbst nicht mehr an ihr vorbei 2 und auch nicht ohne weiteres hinter sie zurück. Andererseits kann er bei anderen, späteren Entscheidungen auf sie zurückgreifen, ohne sie inhaltlich nochmals erarbeiten zu müssen3. Sie gilt ihm künftighin nur mehr als - von ihrer Entstehungsgeschichte prinzipiell unabhängig zu denkende - Tatsache4.
1
„Verdinglichung" bezeichnet hier ohne die im Anschluß an Marx entwickelten Konnotationen (wie etwa „Entfremdung") schlicht die Distanz des entscheidenden Subjekts zur Entscheidung als seinem zum Objekt der Außenwelt gewordenen Produkt. Vgl. dazu etwa Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, S. 94 f.; Gehlen, Die Seele im technischen Zeitalter, S. 17 ff. Zum Tatsachencharakter des Entscheidungsakts (in Abgrenzung zum normativen Charakter des Entscheidungsinhalts) vgl. a. Popper, Die offene Gesellschaft, Bd. 1, S. 76 f., unter Hinweis auf die analoge Differenzierung in der Semantik (Tarski). 2
s. etwa Ellscheid, Zur Forschungsidee der Rechtstheorie, in: Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 5 (14 ff.). 3
Vgl. hierzu (im Hinblick auf rechtsetzende Entscheidungen) etwa Ellscheid, Zur Forschungsidee der Rechtstheorie, in: Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 5 (14). Allg. zum Aspekt der Festlegung a. Lübbe, FS J. Ritter, S. 118 (123, 129). 4
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 245. Vgl. a. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 242 ff. (246); Robles, Rechtsregeln und Spielregeln, S. 18. Zur Unterscheidung solcher „institutioneller" von „natürlichen" Tatsachen („institutional facts" bzw. „brüte facts") vgl. Searle y Sprechakte, S. 78 ff. - Damit allein ist noch keine Vorentscheidung fur den Vorrang objektiv-teleologischer Gesetzesauslegung getroffen (etwa im Sinne Bindings , fur den - Handbuch des deutschen Strafrechts I, S. 445, - mit der kategori-
60
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
So begründet § 318 ZPO denn auch ein ausdrückliches Abänderungs- und Widerspruchsverbot für einmal erlassene Zivilurteile. Auch ein gemäß § 268 StPO verkündetes Urteil kann vom Gericht selbst inhaltlich5 nicht mehr geändert werden. Durch Zwischenentscheidungen über den Grund eines Anspruchs (etwa nach § 304 ZPO) hat sich das Gericht für das Betragsverfahren festgelegt. Fällt die Entscheidung nicht allein in eigener, sondern (auch) in fremder Sache, so ergreift die Festlegung auch Dritte. Sie bindet auch sie, aber nicht nur sie, sondern gleicht in ihrer Selbstbindung zugleich einem Versprechen: andere sollen sich auf sie verlassen können6. Gewinnt die Festlegung sprachlichen Ausdruck, wird sie gar schriftlich fixiert, sieht sie sich damit zugleich fremden Verstehensleistungen überantwortet. Den Worten kommt dann, wie Gadamer den Standpunkt Piatons zusammenfaßt, „niemand zu Hilfe", wenn sie gewolltem oder unfreiwilligem Mißverstehen anheimfallen 7. Die mit der Kodifikation von Regeln erreichte Sicherheit steht damit unter dem Vorbehalt, daß der hermeneutische Prozeß ihrer Verwirklichung im Einzelfall gelingt. Mit dieser Einschränkung lassen Festlegungen bislang Ungewisses zu endgültiger Gewißheit werden. Der Inhalt der Entscheidung läßt sich deshalb sogar als „Information" auffassen 8, die sich künftigem Verhalten - oder auch: künftigen Verfahren - als feststehend zugrunde legen läßt.
sehen Erklärung, „wie es in dem Gesetze steht, so soll es recht sein", „der ganze Unterbau von Absichten und Wünschen des geistigen Urhebers des Gesetzes, ja der Gesetzgeber selbst" verschwindet). 5
Eine Berichtigung ist nur noch hinsichtlich offenbarer Unrichtigkeiten bzw. bei Schreibversehen möglich; zu den Einzelheiten vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, § 268 Rz. 9 ff. 6
Vgl. Hart, The Concept of Law, S. 42 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 196. Zum Gesetz als Garantie und Versprechen an die Bürger s. schon Μ. Ε. Mayer, Rechtsnormen und Kulturnormen, S. 49. 7 8
Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 396.
Philipps, Recht und Information, in: Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 125 (126 f.). In diesem Sinne werden in Entscheidungsverfahren Informationen nicht nur verarbeitet, sondern auch erzeugt. Vgl. dazu unten im Text zu Fn. 19 sowie Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 16 in Fn. 77 (Festlegung als Ergebnis eines Auswahlprozesses); Luhmann, Funktionen und Folgen sozialer Organisation, S. 174 f.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
61
Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung begründet ein Verbot inhaltlicher Abweichung und neuer Verhandlung in derselben Sache9. Soweit einer Entscheidung Feststellungswirkung zukommt, ist auf sie bei anderen Entscheidungen zurückzugreifen. Damit schaffen Entscheidungen ihrer Idee nach etwas Neues: eine Information, eine Anschlußstelle, einen Ausgangspunkt, eine neue „Lage" oder gar eine neue Welt 10 . In systemtheoretischer Diktion erleichtert eine solche Übernahme fremder Selektionsleistungen die Reduktion von Komplexität und führt so zu einer Arbeitsentlastung des Systems11. Insbesondere normierenden Entscheidungen wird eine solche Wirkung zugeschrieben 12: Die Existenz von Verfahrensordnungen vereinfacht die Diskussion darüber, wie hier „zu verfahren ist", und das anzuwendende sachliche Recht steckt zumindest die Eckpunkte ab, zwischen denen sich das Verfahrensergebnis zu bewegen hat. Solchermaßen erreichte „Rechtssicherheit" beschränkt sich bekanntlich nicht auf normsetzende Entscheidungen, sondern setzt sich in der Bestandskraft von Verwaltungsakten und der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen fort 13 . 9
Vgl. nur LR-Rieß, Einl. Abschn. J Rz. 83 ff.; Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 410.
10
Insofern kann Lübbe, FS J. Ritter, S. 118 (123 f.) feststellen: „Wer Entscheidungen stetig ausweicht, bewahrt sich nicht Möglichkeiten, sondern verliert Wirklichkeit - das Thema Kierkegaards". Zum schöpferischen Charakter des Verfahrensrechts vgl. unten § 3 C.IV.2. 11
Vgl. nur Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 23 ff.; s.a. R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 206. 12
Vgl. etwa auch Ellscheid, Zur Forschungsidee der Rechtstheorie, in: Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 5 (16); Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 248 ff.; speziell zum Verfahrensrecht Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 195. Ferner R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 19 f. („faktische Irreflexivität" als Voraussetzung der Steuerungsfunktion von Gesetzen); Die Entscheidung ermöglicht mit anderen Worten das Vertrauen in die Kraft des Entscheidungsvorgangs, Komplexität dauerhaft zu reduzieren (Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 146). s. noch unten bei Fn. 83. 13 Die Verbindlichkeit von Entscheidungen nennt Wahl das „zentrale und spezifische Thema" von rechtlich geordneten Verfahren in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 628; vgl. a. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 201 f. Generell-abstrakten Regelungen wird mitunter ein größeres Maß an Rechtssicherheit beigemessen als Einzelfallentscheidungen (Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 166; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 303 f.). Da Normen aber gerade nicht ihren eigenen Anwendungsbereich regeln (vgl. dazu noch unten
62
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Voraussetzung ist dafür freilich immer, daß auch für die von der Entscheidung Betroffenen 14 klar ist, was gelten soll. Für juristische Entscheidungen ist damit allgemein das Gebot der Rechtsklarheit (als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips) angesprochen, für die Strafgesetzgebung vgl. insbesondere Art. 103 II GG. Zur Bestimmtheit von Strafurteilen vgl. § 260 II, IV StPO, zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten § 37 I VwVfG, § 119 I AO, § 33 I SGB-X. Steht die Entscheidung zudem in einer zeitlichen oder sachlichen Entwicklungslinie mit anderen Entscheidungen, erweitern sich die Anforderungen: Rechts- oder besser: Orientierungssicherheit setzt dann neben Klarheit und Transparenz auch eine gewisse „Kontinuität" der Entscheidungen voraus, mit der zugleich die in jedem einzelnen Verfahren der Normanwendung neu geleistete Deutung, Vergewisserung und Bestätigung der Norm in einen größeren, sich seinerseits prozeßhaft entwickelnden Zusammenhang gestellt wird 1 5 . Jenseits solcher „Rechtssicherheit" erfaßt die mit der Entscheidung verbundene Festlegung im Grundsatz auch den Sachverhalt, von dem der Entscheidende ausgeht. Ein Beispiel für die auch bei späteren Entscheidungen relevante Sachverhaltsfestlegung ist die (von der Rechtskraftwirkung scharf zu scheidende) Interventionswirkung gemäß § 68 ZPO (hinsichtlich der Feststellungen in Strafurteilen vgl. jetzt § 415a I ZPO i.d.F. des Art. 1 Nr. 15 E-JuMoG). Das Revisionsgericht ist grundsätzlich an die Feststellungen des Tatrichters gebunden (ähnlich auch § 464 III 2 StPO für die Kostenbeschwerde).
§ 5 A.III.2.), ist bei ihnen im Gegensatz zu individuell-konkreten Entscheidungen ganz prinzipiell unklar, ob sie in einem bestimmten Fall anzuwenden sind. Jedenfalls ignoriert ihre Abstraktion die Besonderheiten des konkreten Falls und verkürzt damit die Einzelfallgerechtigkeit - ein Problem, das sich im auf Verläßlichkeit seiner Regeln besonders angewiesenen Verfahrensrecht verschärft stellt (so mit Recht Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 63 f. m.w.N. und bes. S. 191 f.). 14 Die inhaltliche Bedeutung kann schon für den Entscheidenden selbst zum Problem werden (so fordern präskriptive Entscheidungstheorien u.a. „Invarianz" gegenüber verschiedenen Darstellungsformen desselben Entscheidungsergebnisses; vgl. etwa Eisenführ/Weber, Entscheidungstheorie, S. 6 ff.). 15
Dies gilt auch dann, wenn man den konservativen Zug nicht so betont wie Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 311. Vgl. a. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 149; ferner Arthur Kaufmann, Die Geschichtlichkeit des Rechts im Licht der Hermeneutik, in: ders. (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 81 ff; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 146.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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Die im Vorfeld der Entscheidung noch bestehende Ungewißheit hinsichtlich relevanter Fakten wird eliminiert 16 , dem bislang immerzu changierenden Tatsachenbild eine verbindliche Deutung gegeben17. Insofern produziert sich der Entscheidende die für ihn notwendigen Informationen selbst18. Darin nun aber liegt, wenn man so will, wiederum eine „Vor-Entscheidung" 19 .
b) Abänderbarkeit und Verantwortung Festlegung muß nun aber nicht - wie es die Assoziation mit „Rechtskraft", „Rechtssicherheit" oder gar „Rechtsfrieden" nahelegen mag - stets Unabänderlichkeit bedeuten. Zwar ist es gerade auch Sinn von Entscheidungen, zu einer Festlegung, gleichviel welchen Inhalts, zu gelangen20. Gerade im Festhalten an Fehlentscheidungen offenbart sich ein inhaltlich indifferentes Bestandsinteresse 16
So J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rz. 210.
17
Zum deutenden „szenischen Verstehen" des in der Beweisaufnahme dargebotenen „Falles" vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 122 ff. Zur Unterscheidung von Wahrnehmung und Deutung einer Tatsache (Beweiserhebung) einerseits und der Festlegung bezüglich ihrer Entscheidungsrelevanz (Beweisverwertung) andererseits namentlich LR -Gössel, Einl. Abschn. Κ Rz. 5; ders., FS Hanack, S. 277 (282). 18
Vgl. auch Schneider, Information und Entscheidung des Richters. - Nicht untersucht werden kann an dieser Stelle, ob angesichts dessen die Annahme außerprozessualer Informationen als Gegenstand von „Informationsbeherrschungsrechten" (Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß), überhaupt sinnvoll sein kann. Denn erst die Beweiserhebung entnimmt den Beweismitteln die nach der „Relevanzstruktur" des Strafverfahrens maßgebliche Information. So ist die Information über das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Β AK-Wertes nicht „an sich" im gemäß § 81a I 2 StPO entnommenen Blut des Beschuldigten enthalten, sondern wird erst durch die Untersuchung im Rahmen der Strafverfolgung „geschaffen". 19
Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 31 ff.; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 32 m.w.N. in Fn. 205; W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 70. s.a. Schneider/Sehroth, Sichtweisen juristischer Normanwendung, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 470 (496). Faktisch korrespondiert dem die immer wieder geäußerte Bemerkung, im Strafprozeß falle die „eigentliche" Entscheidung bereits im Ermittlungsverfahren (statt vieler: Kühne, Strafprozessrecht, Rz. 351). 20 „Dezisionistische" Denkrichtungen übertreiben diesen Gesichtspunkt (so etwa Schmitt, Politische Theologie, S. 22). Vgl. aber auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 17 ff., 21.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
des Rechtssystems. Auch solche Entscheidungen sind wirksam und gehen der „wahren" Rechtslage „nach dem soziologischen Machtprinzip" (Goldschmidt) vor 21 . Wenn aber Rechtsfrieden keine „Friedhofsruhe" sein soll, und wenn letztes Ziel des Rechts die Sicherung der Freiheit ist 23 , dann bergen die Entscheidungen des Rechtssystems - freilich in abgestufter Weise - immer auch ein endgültiger Festlegung diametral zuwiderlaufendes Änderungspotential. Die durch die Festlegung erreichte Reduktion von Komplexität wird zwar zunächst „auf Dauer gestellt", zugleich bleibt aber ein gewisses Maß an Komplexität erhalten 24. Zwar mag die angesprochene „Verdinglichung" der Entscheidung durch den Entscheidenden (§ 2 B.I.l.a.) bei diesem die Neigung fördern, sein Produkt nicht nur als Objekt, sondern auch gleichsam als seinem Handeln prinzipiell und seit jeher entrücktes, unabänderliches Naturphänomen zu begreifen 25. Gerade das Merkmal der (bewußten) Festlegung verweist jedoch zugleich auf die prinzipielle Revisibilität einmal getroffener Entscheidungen26. Sind aufgrund der Entscheidung auch bereits „vollendete Tatsachen" ge-
21
Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 246. Vgl. a. Gilles, FS Schiedermair, S. 183 (194). 22
Bottke, Materielle und formelle Verfahrensgerechtigkeit im demokratischen Rechtsstaaat, S. 33; s. a. Gilles, FS Schiedermair, S. 183 (194 f.). 23 Arthur Kaufmann, Die Geschichtlichkeit des Rechts im Licht der Hermeneutik, in: ders. (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 81 (93 f.). - Dem liegt freilich ein Freiheitsverständnis zugrunde, das sich nicht auf die Garantie eines „commodious living" im Sinne von Hobbes beschränkt. 24
Allg. dazu Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 242 ff.; für das Strafrecht s.a. R.-.P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 206 ff.: Nach dem Wegfall des (seil.: inhaltlich bestimmten) Naturrechts als kritischer Gegeninstanz müsse die Dimension der Innovation in den positiv-rechtlichen Strukturen selbst verankert sein. Zum verfahrenstheoretischen Aspekt der Lernfähigkeit bei der Ausarbeitung und Reform verfahrensrechtlicher Kodifikationen s.a. Hoffmann-Riem, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (62 ff, 65). 25 Vgl. dazu nur Berger/Luckmann, keit, S. 94 ff, 96 ff. 26
Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklich-
Zur demokratietheoretischen Variante dieses Gedankens im Zusammenhang mit parlamentarischen Mehrheitsentscheidungen vgl. nur Habermas, Faktizität und Geltung, S. 612 ff; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 153 ff. S. a. Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (50): Demokratie als „dialektische Rechtsverwirklichung nach prozessualen Regeln aus den im Volk gemachten Erfahrungen der Unzulänglichkeit des bestehenden Rechts". Eingehend zur Bedeutung der Positivität von Recht in diesem Zusammenhang Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 141 ff. (147).
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
65
schaffen worden, so mögen zwar weder diese selbst noch der Umstand, daß diese Entscheidung einmal getroffen wurde, reversibel sein. Gleichwohl kann die Entscheidung grundsätzlich noch als unrichtig erkannt und durch eine neue Entscheidung ersetzt werden. Nicht wenige Entscheidungen sind denn auch ganz ausdrücklich „mit dem Segen der Widerruflichkeit" (von Hofmannsthal) gesegnet: Als vorläufige harren sie erst noch ihrer Bestätigung oder Verwerfung, das „letzte Wort" soll mit ihnen nicht gesprochen sein 27 . Eine Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung bedarf nach Maßgabe des § 98 II StPO einer richterlichen Bestätigung. Die angeordnete Untersuchungshaft ist nach § 117 I, V StPO fortwährender Überprüfung unterworfen. Entscheidung verweist damit in doppelter Weise auf Verantwortung. Zum einen trifft sie den, der eine Entscheidung durch eine neue ersetzen kann, zum anderen trägt sie schon der, der als erster entscheidet: In der potentiellen Revisibilität scheint die Möglichkeit auf, sich aktuell auch anders entscheiden, die Entscheidungsfolgen durch Auswahl beeinflussen zu können 28 . Wer entscheidet, steht am Scheideweg29. Gibt es einen objektiven Kompaß flir den richtigen Weg, dann besteht auch die Möglichkeit, sich „falsch" zu entscheiden - einen Fehler zu machen. Eine solche Verzweigung ist letztlich gar existentielle Voraussetzung für eine entsprechende Regel, sie lebt geradezu von der
27
Vgl. z.B. im StrafVerfahrensrecht § 98 II oder §§ 127, 128 StPO, aber etwa auch die vorläufige Mitnahme an sich beschlagnahmefreier Papiere durch Polizeibeamte zum Zwecke der Durchsicht gemäß § 110 StPO (hierzu Haffke, NJW 1974, 1983). - Eine andere Frage ist, ob der nachträglich eingeschaltete Richter die Maßnahme als solche und in ihrem Bestand kontrolliert (insofern also Rechtsschutzinstanz ist) oder ob er sie durch eine neue „Erstentscheidung" ersetzt; vgl. dazu einerseits Amelung, Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, S. 30; densNStZ 2001, 337; SK-StPORudolphi, §98Rz. 31; andererseits Schnarr, NStZ 1991, 209 (214 m.w.N.); MeyerGoßner, StPO, § 98 Rz. 17. 28
Zu diesem Konzept der Entscheidung als „Vorschlag" auf der Grundlage eines „kritischen Dualismus" von Tatsachen und Entscheidungen als Charakteristikum einer „offenen Gesellschaft" s.a. Popper, Die offene Gesellschaft, Bd. 1, S. 72 ff. sowie S. 477 ff. (dort auch zum „Dualismus von Tatsachen und Verfahrensweisen"). Zur Entscheidung als „Neinsagenkönnen" vgl. a. v. Krockow, Die Entscheidung, S. 154. Eine herausragende Stellung nimmt die Verantwortlichkeit für eigene Entscheidungen bei Sartre ein (L'être et le néant, S. 638 ff). 29 In diesem Punkt decken sich - unter der formal gemeinsamen Idee der Befugnis private Handlungsfreiheit und staatliche Kompetenz. Vgl. etwa Zimmer, Funktion Kompetenz - Verfahren, S. 81 f.; ferner Hart, The Concept of Law, S. 79 ff.
66
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Potentialität ihrer Ausnahmen30. Die Abweichung entlarvt die Norm als kontrafaktisches Konstrukt: Man kann auch anders handeln (und wenn die Norm nicht wäre, dürfte man es auch). Im Fehler als „Ausnahme" bricht die „doppelte Selektivität" normativer Strukturen wieder auf: Sie selbst sind das festgelegte Ergebnis einer Wahl, und ihre Befolgung ist gleichsam die Wahl dieser Wahl 31 . Der Fehler setzt die Geltung einer Regel voraus - und damit die Möglichkeit, ihre Befolgung oder Nichtbefolgung wählen zu können 32 .
30
Die kriminalsoziologischen Variationen dieses Themas sind bekannt: „Das Verbrechen bringt also das Bewußtsein aller ehrbaren Leute enger zusammen und verdichtet sie" (Dürkheim, Über soziale Arbeitsteilung, S. 152 f.), der Bruch der Norm gibt Anlaß, ihre Geltung zu bestätigen und ihr Herrschaftsgebiet neu zu vermessen; vgl. dazu etwa Coser, Einige Funktionen abweichenden Verhaltens und normativer Flexibilität, in: Sack/König (Hrsg.), Kriminalsoziologie, S. 21 ff. Auch für Carl Schmitt lebt „die Regel überhaupt nur von der Ausnahme" (Politische Theologie, S. 22). Zum ganzen vgl. a. Ortmann, Regel und Ausnahme, S. 173 ff. 31 Vgl. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 ff; aber auch Robles, Rechtsregeln und Spielregeln (S. 122 f.: „inner-" und „außersystematische" Entscheidungen). - Für das Strafrecht hat R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 187 f., auf die rationalisierende Bedeutung der gesetzgeberischen Entscheidung aufmerksam gemacht. Sie verwehrt gesellschaftlichen Straf- und Rachebedürfnissen den unmittelbaren Zugriff auf den Umgang mit dem Täter: „Aus der Tatsache, daß das Strafrecht mit diesen Phänomenen der Gesellschaft leben muß, folgt noch nicht notwendig, daß sie auch zu leitenden Prinzipien des Rechts erhoben werden müssen. Dazwischen liegt noch stets ein Akt der Entscheidung" (Hervorhebung nur hier). Zur Kontingenz der Kriterien strafrechtlicher Verantwortlichkeit s.a. K. Günther, Die Zuschreibung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf der Grundlage des Verstehens, in: Lüderssen (Hrsg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik, Bd. 1, S. 319 (328 f.). Selbst wer sich wie Buridans Esel der Wahl verweigert, entscheidet sich - nicht zu entscheiden (und den Dingen ihren Lauf zu lassen). Die Entscheidung steht so, „obwohl ihr Vollzug Freiheit zur Voraussetzung hat, unter Notwendigkeitszwang" (Lübbe, FS J. Ritter, S. 118, 123). 32 Allg. dazu auch Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, S. 31 ff., im Anschluß an die Wittgenstein-\nitTpxeXdX\on bei Winch, Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zur Philosophie, S. 36 ff. Vgl. aber auch Derrida, Gesetzeskraft, S. 46: „Wenn ein Wesen nicht frei ist, wenn es bei dieser oder jener Tat sich nicht frei verhält, sagen wir wohl kaum, daß seine Entscheidung gerecht oder ungerecht ist".
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
67
2. Entscheidung als Wahl a) Alternativität Damit ist im Vorgriff bereits übergeleitet zur zweiten Hälfte des oben angeführten „Grundtenors" aller Entscheidungen: „Nicht anders" nimmt den Ausschluß von Alternativen in Bezug. Die in einer Entscheidung liegende Festlegung (auf das „so") ist stets das Resultat einer Wahl zwischen mehreren (mindestens zwei) Möglichkeiten 33 . Zum gewissermaßen formalen, äußerlichen „Entschiedensein" tritt damit ein „materielles" Element der Entscheidung. Genau hier verläuft auch die Grenze zum „klassischen" Dezisionismus 34 , der in einer „bloßen Geste der Entschiedenheit"35 verharrt und einer zwischen Inhalten wählenden Entscheidung letztlich ausweicht36: Daß entschieden worden ist, genügt ihm.
b) Rationalisierung der Auswahl Das Verständnis der Entscheidung als Wahl begegnet bereits in der Nikomachischen Ethik: Mit προαίρεσθαι (wörtlich: Eines-dem-anderenVorziehen) meint Aristoteles die durch vernünftige Überlegung bestimmte Wahl einer Handlungsmöglichkeit vor einer anderen, wobei sich die „Ver-
33 s. nur König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, S. 250; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 32; Lübbe, FS J.Ritter, S. 118 (123); J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rz. 220; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 30; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 239; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 97; W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 70; Schneider/Schroth, Sichtweisen juristischer Normanwendung, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 470 (488); Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, S. 7; Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 76; ferner Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 66; Klaus, Wörterbuch der Kybernetik, S. 177 (zu Spiel-Entscheidungen), Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 348. Vgl. a. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 246 („Wahlfreiheit"); abw. aber ders. y Soziale Systeme, S. 399 ff. 34
Namentlich bei Carl Schmitt: Politische Theologie.
35
von Krockow, Die Entscheidung, S. 130.
36
Die Entscheidung wird so gleichsam „aus dem Nichts geboren" (Schmitt, Politische Theologie, S. 42).
68
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
nünftigkeit" an dem jeweils zu verfolgenden Zweck orientiert 37 . Ganz ähnlich bestimmen moderne präskriptive Entscheidungslehren ihre Kriterien. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, Regeln zu formulieren, die den Entscheidenden befähigen, möglichst rationale Entscheidungen zu treffen 38 . Auch bei ihnen geht es stets um rein subjektive Erwartungen und Präferenzen des jeweiligen Entscheiders; die hinter den Alternativen stehenden Interessen und Wertungen 39 interessieren sie nicht. Ihr Ziel ist folglich nur die Rationalisierung des Willensbildungsprozesses, obendrein immer im Bewußtsein der Unvollständigkeit des Wissens40. Die Rationalität der Zielsetzung selbst - und damit auch des hieran orientierten Ergebnisses - steht dagegen nicht zur Diskussion 41 . So verstandene „prozedurale Rationalität" setzt bereits bei der richtigen Definition des Problems an, das durch die Entscheidung gelöst werden soll. Weiterhin darf die für die Entscheidungsfindung nötige Beschaffung und Verarbeitung von Informationen keinen unangemessenen Aufwand verursachen. Sind Prognosen anzustellen, muß der Entscheider über objektive Ausgangsdaten verfügen, und schließlich sollte er auch die Ziele und Präferenzen reflektieren, die bei der Entscheidung beachtet werden sollen 42 . Rationales Entscheiden erfordert Klarheit über die bestehenden Entscheidungsalternativen und die mit der Entscheidung zu verfolgenden Ziele. Rational ist die Wahl, wenn sie eine nach Lage der Dinge optimale Zielerreichung erwarten läßt. Um dies beurteilen zu können, sind die gegebenen Alternativen daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie das angestrebte Ziel zu verwirklichen geeignet sind.
37 Huber, Was ist Entscheidung?, in: Müller (Hrsg.), Gesellschaftliche Entscheidungsvorgänge, S. 13 ff. (mit Nachweisen zu Aristoteles auf S. 22). Nur nebenbei kann hier auf die Erstreckung des Entscheidungsproblems auf die Ziele selbst durch die Existenzphilosophie hingewiesen werden; dazu etwa Huber a.a.O. S. 13(18 ff). 38 Vgl. zum folgenden Eisenführ ! Weber, Entscheidungstheorie, S. 4 ff. Demgegenüber fragen die deskriptiven Entscheidungslehren nur nach dem tatsächlichen Ablauf von Entscheidungsprozessen. 39
Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, S. 7.
40
EisenfuhrIWeber,
Entscheidungstheorie, S. 10 ff.
41
Allerdings verbindet sich mit solcherart rationalisierter Vorgehensweise nicht selten die Annahme, dadurch werde zugleich die Richtigkeit des so gefundenen Ergebnisses gefordert oder gar gewährleistet. Darauf weist etwa König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, S. 252, hin. Vgl. auch v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 193; Schneider/Schroth, Sichtweisen juristischer Normanwendung, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 470 (491). 42
Ε isenfuhr/Weber,
Entscheidungstheorie, S. 5 f.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
69
Diese (hypothetische) Prüfung der Alternativen am Maßstab der Voraussetzungen optimaler Zielerreichung ist nun aber - und darauf wird noch zurückzukommen sein - nichts anderes als eine besondere Form der (Selbst-) Kontrolle: der Vergleich eines (hier nur hypothetischen) Ist-Wertes mit einem vorgegebenen Soll-Wert 43 . Kontrolle erweist sich damit als integraler Bestandteil rationalen Entscheidens. Gleichwohl wird neben der gewissermaßen „prozeduralen" Rationalität des Entscheidungsvorgangs auch von der Rationalität des Auswahl- und Entscheidungsergebnisses gesprochen. Wegen des Verzichts auf inhaltliche Rationalität sind die auf die Entscheidung selbst bezogenen Rationalitätskriterien rein formaler Natur. Als Schlüsselbegriff dient hierbei die „Konsistenz" des Entscheidungsergebnisses. Das bedeutet zunächst, daß sie sich inhaltlich allein an ihren künftigen Folgen orientiert, nicht an der Vergangenheit, die für den Entscheider unabänderlich ist. Gewiß weisen alle Entscheidungen - zumindest aber die rechtlichen - einen „traditionalen Charakter" 44 auf: Sie sind nicht aus dem Augenblick geborene, inhaltlich völlig beliebige Wahlhandlungen, sondern durch eigene oder fremde Vor-Entscheidungen immer schon zu einem Teil vorherbestimmt: niemand entscheidet allein. Über normgeleitete Entscheidungen ist mit Setzung der Norm in gewisser (wenn auch im einzelnen durchaus problematischer) Weise vor-entschieden 45. Gestalten kann die Entscheidung aber immer nur die Zukunft, von vorneherein als irrational muß dagegen eine Entscheidung gelten, die ändern will, was sie nicht ändern kann 46 . Entscheidungsfreiheit als Wahlfreiheit stößt hier an eine Grenze. Zu entscheiden ist nur, was künftighin geschehen, was sich
43
Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 33 f. Zum ganzen noch eingehend unten § 4. 44
von Krockow, Die Entscheidung, S. 130.
45
Dazu einstweilen: J. Schapp, Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre, S. 8 ff.; W. Schmidt, Einfuhrung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 44, 63 („Entscheidungen über Entscheidungen"). - Vgl. näher unten § 3 B.II.2.a. 46
Aus dieser Sicht kommt auch der Satz „nemo prudens punit quia peccatum est sed ne peccetur" zu seinem Recht. Die Ausrichtung auf die Zukunft ist für sich genommen gleichwohl keine (ein größeres Maß an Rationalität vermittelnde) Eigenheit der relativen Straftheorien: Einen zukünftigen Erfolg strebt auch an, wer vom Strafurteil hegelianisch (nur) die „Negation der Negation des Rechts" erhofft (vgl. a. Peters, Strafprozeß, S. 31).
70
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
ändern soll 47 . Damit das auch geschieht, bedarf der mit der Entscheidung gefaßte „Beschluß" also noch der Durchfuhrung, des Vollzugs, der Vollstreckung 48. Entscheidungen sind daher als solche niemals eigentlicher Endpunkt des Verfahrens: Stets ziehen sie - intendierte, in Kauf genommene oder auch ungewollte - Folgen nach sich, die bei der Entscheidung, namentlich bei der Alternativenauswahl, Berücksichtigung finden müssen49. Zumindest mißverständlich scheint es daher, wenn die Entscheidungstätigkeit der Gerichte (und insbesondere der Strafgerichte) in der Weise der öffentlichen Verwaltung entgegengesetzt wird, daß jene an Vergangenem orientiert, diese aber aktiver Zukunftsgestaltung verschrieben sei. Grundlage der Entscheidungsfindung ist zwar ein zurückliegender Vorgang (etwa: die historische „Tat" im Sinne von § 264 I StPO), Gegenstand des Verfahrens (näher unten § 2 E.) aber ist immer eine Entscheidung mit Wirkungen für die Zukunft. Eine andere Frage ist, inwieweit solche Wirkungen vom Entscheidenden intendiert werden oder berücksichtigt werden sollen (vgl. hier etwa § 46 I 2 StGB).
c) Die Ausnahme als Alternative Mit der Deutung der Entscheidung als Auswahl einer von mehreren Alternativen scheint die Annahme „einzig richtiger" Entscheidungen50 nur schwer vereinbar zu sein. Kann überhaupt von „Entscheidung" im Sinne einer Alternativenauswahl gesprochen werden, wenn keine weitere Alternative rechtlich zugelassen ist? So hat etwa Jochen Schneider eingewandt, bei einer auf bloße Subsumtion beschränkten „Entscheidung" handele es sich nicht
47 Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 66; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 27; Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 76, 89 ff. 48
Vgl. etwa Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 256 f., 321; Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 89 ff, aber auch Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 66. Vgl. noch unten § 3 B.I. 49 Vgl. ferner Bottke, Materielle und formelle Verfahrensgerechtigkeit im demokratischen Rechtsstaat, S. 31 f.; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 22 ff. Zur Problematik des Zukunftsbezugs vgl. allg. a. Luhmann, ARSP-Beiheft 8 (1974), 31 (38 ff.). 50 Im Strafrecht früher vertreten im Gewände der „Punktstrafe" (etwa von Bruns, Strafzumessungslehre, S. 280). S. dazu im Sinne des Textes L. Schulz, Normiertes Mißtrauen, S. 241 ff.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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darum, rational unter Alternativen auszuwählen oder bestimmte Ziele zu erreichen, sondern lediglich um eine Schlußform („Justiz-Syllogismus") 51 . Ein solches, gleichsam „mechanistisches" Konzept einzig richtiger Entscheidungen arbeitet mit einem Regelbegriff, der dem Anwender kaum mehr überläßt als die Herbeiführung der jeweils angeordneten Rechtsfolge. Es handelt sich dann im besten Falle um „the conception of a rule so detailed that the question whether it applied or not to a particular case was always settled in advance , and never involved, at the point of actual application, a fresh choice between open alternatives" 52, wenn nicht gar um das maschinentheoretisch inspirierte Konzept eines auf bloße Deklarationen beschränkten „pouvoir en quelque façon nul" 5 3 . Nun zwingt ein solches Verständnis freilich noch nicht mit Notwendigkeit zum Verzicht auf den Begriff der „Entscheidung". Denn in einem formalen Sinn bezeichnet sie das Verfolgen derjenigen Alternative, die in der konkreten („bivalenten") Situation aus irgendeinem Grunde mehr fur sich hat 54 . So liegt es aber auch bei der Wahl der „einzig richtigen" Alternative, die ja immerhin die Übereinstimmung mit dem Gesetz für sich in Anspruch nehmen kann. Dem Entscheidenden verbleibt auch in diesem Fall immer noch die Möglichkeit, die „einzig richtige" Alternative zu verwerfen und sich gegen sie zu entscheiden55, 51
Schneider, Information und Entscheidung des Richters, S. 55; vgl. auch Herzog, Staatslehre, S. 344, 348 ff.; Kilian, Juristische Entscheidung, S. 63 f. Erst recht nicht kann eine solche „Entscheidung" als „gerecht" oder „ungerecht" bezeichnet werden (vgl. a. Derrida, Gesetzeskraft, S. 46). - Daß das Gesetz verschiedentlich selbst von „Entscheidung" spricht, obwohl es deren Inhalt bereits selbst zwingend vorgibt, besagt demgegenüber wenig. 52
Hart, The Concept of Law, S. 128 (Hervorhebungen nur hier). Eine solche Sicht kommentiert Hart, ibidem, lakonisch wie folgt: „Plainly this world is not our world". 53 Vgl. hier nur R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 23 f. 54
Vgl. hierzu Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, S. 304 ff. Das als „Buridans Esel" bekannt gewordene Gedankenmodell zweier in jeder Hinsicht gleichwertigen Alternativen (vgl. Flechtner a.a.O., S. 305 f.) nötigt den Entscheidenden zu völliger Willkür, die menschlichen Entscheidungen freilich ebenso fremd ist wie die völlige Freiheit von Willkür. 55
Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 32 m. Fn. 199. Hier liegt die Entscheidung also in der Nicht-Unterwerfung unter eine fremde (hier: durch das angewandte Recht bereits getroffene) Entscheidung. Entscheidungsfreiheit kann damit innerhalb und außerhalb des Rechtssystems thematisiert werden. Vgl. a. Soeffner, Gesellschaft ohne Baldachin, S. 320; ferner Luhmann, Soziologische Aufklärung 3, S. 339.
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also sozusagen den normativen Kreis seines „Dürfens" in faktischem „Können" zu verlassen 56. Entscheidungs-Freiheit ist nach alledem mehr und anderes als die vom Gesetz übrig gelassene Wahl-Freiheit 57 . Sie schließt auch die Möglichkeit ein, im Widerspruch zu andernorts Vorentschiedenem zu handeln abzuweichen, einen „Fehler" zu begehen. Die (bewußte) Entscheidung über die Regelverletzung ist „im eminenten Sinne eine Entscheidung"58, weil sie die Nicht-Anerkennung (in gewissem Sinne also: die Nicht -Geltung) der Regel betrifft. Vor diesem Hintergrund beruhen auch „einzig richtige", das heißt: rechtlich alternativlose Entscheidungen, auf einer Wahl. Sie besteht in der grundsätzlichen Anerkennung der Rechtsordnung als Regelsystem59. Normativ bleibt es nach dem Modell der „einzig richtigen Entscheidung" allerdings bei der Singularität des zulässigen Entscheidungsinhalts. Das Gesetz selbst geht freilich selbst schon von Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen aus und sieht dafür etwa in § 263 I StPO ein Abstimmungsverfahren
56
Auf bewußt normwidriges Handeln bliebe das nicht beschränkt, würde der Entscheidungsbegriff nur entsprechend angepaßt und auf das unbewußte Übergehen real bestehender Handlungsalternativen erweitert. Zu einer solchen Sichtweise („decision making approach") s. etwa König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, S. 256 f. m.w.N.; ferner Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, S. 306. 57 Wird „Freiheit" nicht nur negativ als Abwesenheit eines Zwangs, sich in bestimmter Weise zu verhalten, sondern als positive Entscheidungsmacht im Angesicht mehrerer Handlungsmöglichkeiten verstanden (s. dazu etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 197; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 288), so ist damit gleichsam nur ihr „liberaler" Aspekt benannt. Die (gleichsam „sozialstaatliche") Frage, welche Qualität die von andernorts getroffenen Vor-Entscheidungen übrig gelassenen Verhaltensalternativen haben (Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, S. 8), ist damit noch nicht beantwortet. 58
Vgl. Schmitt, Politische Theologie, S. 11; dazu neuestens Ortmann, Regel und Ausnahme, S. 213 ff. Vgl. a. Lübbe, FS J. Ritter, S. 118 (119): „Wenn die Situation die pragmatische Geltung der Normen sprengt, wenn also Befolgung der Normen die Bedingungen der Selbsterhaltung gefährdet, so setzt das Subjekt des Handelns, sofern es die unaufhebbare Geltung der Normen nicht unpragmatisch-scheiternd zu bezeugen entschlossen ist, diese Normen für sich selbst außer Kraft und entscheidet in der Freiheit einer quasi absoluten Situation. Diese Freiheit der souveränen Entscheidung, die das Gesetz nicht befolgt, sondern stiftet, ist der eigentliche Inhalt jener Romantik, welche die Ausnahme gegen die Norm ausspielt". 59
Zum persönlichen „Für-richtig-Halten" als eigentlicher Alternative zu der vom Recht gebildeten Richtschnur des Handelns vgl. a. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 6; in anderem Zusammenhang auch Haßke, FS Roxin, S. 955 (965 ff.). Vgl. a. schon oben § 2 B.I.l.b. bei Fn. 31.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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vor 60 . Daraus folgt nun nicht zwingend, daß das Gesetz mehrere Lösungen gleichberechtigt nebeneinander als „richtig" gelten lassen will (und erst recht nicht, daß der Ausgang der Abstimmung über die Richtigkeit entscheidet61). Doch immerhin wird deutlich, daß das Recht hier seine eigene kommunikative Unzulänglichkeit ebenso reflektiert wie die Subjektivität und Fehlsamkeit seiner Anwender. Es ist daher nicht verwunderlich, daß jenes klassische „Subsumtions-" oder besser: „Deduktionsdogma" auch in der Rechtstheorie keine Befürworter mehr findet. Einerseits werden mehrere rechtlich vertretbare Entscheidungsergebnisse für möglich gehalten62, andererseits sind bereits mehrere (jeweils in rechtlich vertretbarer Weise erarbeitete) Sachverhalte als Entscheidungsgrundlage denkbar geworden. Arthur Kaufmann hat das Dilemma am Beispiel der „einzig richtigen" Strafzumessungsentscheidung treffend herausgearbeitet 63: Hält man die Schuld des Täters für einen exakten Punkt auf einer Schwereskala, dem folgerichtig genau ein Punkt auf der dazu parallel verlaufenden Strafmaßskala entspricht, so erlauben es die begrenzten menschlichen Erkenntnismöglichkeiten gleichwohl nicht, diesen Punkt sicher zu treffen. Angewandtes Recht muß sich daher zwangsläufig mit einer Bandbreite zulässiger Entscheidungsmöglichkeiten begnügen, die das Recht zwar theoretisch nicht alle gleichermaßen billigt, aber doch hinnehmen muß. Die verfahrenstheoretischen Konsequenzen eines solchen „substanzontologischen" Verständnisses einzig richtiger Entscheidungen liegen dagegen auf der Hand. Das Verfahren hat allein die Subsumtion vorzubereiten und Faktenmaterial für die praemissa minor zu beschaffen. (Sein Einfluß ist freilich auch hier nicht zu unterschätzen: wenn sich Richtigkeit der Entscheidung auf 60
Darauf weist Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 177, hin.
61
Dies schon deshalb nicht, weil sonst das Gesetz nicht im Sinne des § 337 II StPO „verletzt" sein könnte. 62
Die im Verwaltungsrecht nach wie vor hoch umstrittene Problematik kann an dieser Stelle nur angedeutet werden: Eine echte Wahlmöglichkeit soll allein durch das Rechtsfolgeermessen eröffnet sein, während der „Spielraum" bei unbestimmten Rechtsbegriffen auf der Tatbestandsseite der Ermächtigungsnorm mehrere denkbare Auslegungen, aber im konkreten Einzelfall nur eine rechtmäßige Entscheidung zulassen soll (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 140 f.). Die Frage ist lediglich, ob die von der Verwaltung gewählte (!) Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs für diesen Fall „gerichtsfest" ist (vom BVerwG in st. Rspr. grundsätzlich verneint; zu den Ausnahmen s. nur Maurer, a.a.O.). Auch die Rechtsfolgenwahl nach Ermessen ist im übrigen keine völlig freie Wahl „in Selbstherrlichkeit" (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 6 f.), sondern gebunden an den Zweck der Ermächtigung und an das Willkürverbot. 63
Vgl. Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 61 ff.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
bestimmte Sachverhalte bezieht, hängt alles von der Informationssammlung und -Verarbeitung ab.) Werden dagegen mehrere Entscheidungsinhalte bezüglich desselben Sachverhaltes für rechtlich zulässig („vertretbar") gehalten, „entscheidet" sich im Verfahren noch viel mehr und anderes. Aus mehreren Alternativen hat der Entscheidende dann eine echte Wahl zu treffen, deren Ergebnis dann lediglich „vertretbar" sein muß. Begründen läßt sich dies mit der „offenen Struktur" („open texture") rechtlicher Regeln 64 : Ihr Tatbestand ist erstens als sprachlicher Ausdruck zumindest an den Rändern unbestimmt, weil der Gesetzgeber zweitens nicht alle möglichen Anwendungsfälle vorhersehen kann und drittens auch in seiner Teleologie noch nicht hinreichend festgelegt ist.
d) Die Offenheit des Ergebnisses Die durch Entscheiden zu bewältigende Aufgabe, aus Alternativen auszuwählen, wirkt damit auf das Verfahren zurück, in dem die Entscheidung vorbereitet werden soll. Sie schlägt sich dort im Prinzip der Ergebnisoffenheit des Verfahrens nieder 65 . Durch die Ausrichtung des Verfahrens auf eine Entscheidung ist diese zwar regelmäßig als Typus (Urteil, Verwaltungsakt) vorgeben, nicht aber in ihrem konkreten Inhalt. Welche Alternative gewählt wird, bleibt zunächst offen. Eben darin unterscheiden sich „Verfahren" von anderen Prozeduren, die ein „Ergebnis" im weitesten Sinne nicht herstellen, sondern lediglich darstellen 66 oder es - im Falle des „Rituals" - nur als Emanation fremder, gewissermaßen
64
Vgl. hierzu und zum folgenden nur Hart, Concept of Law, S. 128 ff.; ferner Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 17 ff. 65
Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 195; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 308; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, S. 98. Zur Bedeutung des dadurch in den Strafprozeß eingebauten „Spannungselements4' s.a. Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 16. Zur Bedeutung der Ergebnisoffenheit des sozialen Systems „Verfahren" s. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 40. Zur Offenheit des Verfahrens als Fortsetzung des ungewissen Ausgangs vorprozessualer Konflikte s.a. J. Schapp, Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre, S. 19 ff. 66
Angesprochen ist damit die Nähe des Verfahrens zum „Drama". Dazu noch näher unten § 3 C.III.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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„von außen" wirkender Mächte 67 hervorrufen und ans Licht heben wollen. Im germanischen „Straf'-„Prozeß" verbürgt allein schon die Beachtung des Zeremoniells die Wahrheit: Sie stellt sich - etwa in Gestalt eines Gottesurteils gleichsam von selbst ein, wird nicht eigentlich „produziert, sondern provoziert" 68 . Erst das Inquisitionsverfahren macht die Herstellung einer der Wahrheit entsprechenden Tatsachengrundlage zur Aufgabe des Inquirenten und damit die hierbei anzuwendende Methode zum Problem des Verfahrensrechts 69. Im modernen Strafrecht wird ein im Ergebnis „offenes Verfahren" 70 in erster Linie durch die Unschuldsvermutung (Art. 6 II EMRK) 7 1 garantiert. Die Regel in dubio pro reo ist zwar revisionsrechtlich keine Rechtsnorm „über das Verfahren" im Sinne des § 344 II 1 StPO 72 , hat aber enorme verfahrensgestaltende, ja schlechthin -konstituierende Kraft. Denn die Verfahrensrechte der Beteiligten beziehen eben hieraus ihre raison d'être: Das Recht auf Gehör (Art. 103 I GG; Art. 6 I 1 EMRK) ermöglicht es den Beteiligten, auf die Herstellung der Entscheidungsgrundlage Einfluß zu nehmen; die Idee der „Waffengleichheit" hat von vorneherein nur dort Sinn, wo der Ausgang des „Kampfes" nicht schon vorprogrammiert ist 73 . Die Gewißheit, daß eine Entscheidung noch aussteht, verhilft dem Verfahren insofern erst zu seiner Identität.
67
Zu der darin liegenden Entlastungsfunktion etwa Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 38 ff.; ferner Gehlen, Die Seele im technischen Zeitalter, S. 18. 68 Schild, Der „entliche Rechtstag" als das Theater des Rechts, in: Landau/Schroeder (Hrsg.), Strafrecht, Strafprozeß und Rezeption, S. 119 (139). 69 Schild, Der „entliche Rechtstag" als das Theater des Rechts, in: Landau/Schroeder (Hrsg.), Strafrecht, Strafprozeß und Rezeption, S. 119 (141). 70
Vgl. nur Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 160. - An dieser Offenheit mangelt es auch beim „deaï\ zumal wenn er einen Rechtsmittelverzicht einschließt, s. insoweit jetzt den Vorlagebeschluß des 3. Strafsenats des BGH (NJW 2004, 2536). 71
Vgl. a. Art. 14 II IPbR; Art. 11-48 Abs. 1 Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents. 72
Ihre Verletzung ist mit der Sachrüge geltend zu machen; vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, § 337 Rz. 8, § 344 Rz. 14, jeweils m.w.N. 73 Auch das Recht des Beschuldigten, sich eines Verteidigers zu bedienen (vgl. § 1371 StPO) gehört hierher, vgl. Neumann, ZStW 101 (1989), 52 (60; 68 f.); s. a. Sikora, Der Sinn des Verfahrens, in: Stolberg-Rilinger (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren, S. 25 (47 f.). - Wie das Gericht entscheiden wird, ist auch nach Abschluß der Stoffsammlung ein objektiv ungewisses Ereignis. Deshalb steht etwa die Eventualaufrechnung im Zivilprozeß nach richtiger Ansicht auch materiell-rechtlich unter einer echten Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB.
76
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Manche Verfahrenshindernisse lassen sich vor diesem Hintergrund möglicherweise ebenfalls als „negative Offenheitsgarantien" deuten. Steht nämlich der Ausgang des Verfahrens bereits zu Beginn mit Sicherheit fest, verliert seine Durchführung ihren Sinn74. Weder wäre sie den Beteiligten, insbesondere dem Beschuldigten, zuzumuten, noch könnte damit irgendeine Aufgabe erfüllt werden, die einem Verfahren als Rechtsinstitut zugewiesen sein kann75. Ein strafunmündiges Kind wäre wegen § 19 StGB zwingend freizusprechen. Deshalb darf ein Strafverfahren in diesem Fall nicht durchgeführt werden, geschieht dies doch, ist es aufgrund eines Prozeßhindernisses einzustellen76. Bestünde wegen der Garantie des ne bis in idem (Art. 103 III GG) ein Verurteilungsverbot, wird auch ein zweites Verfahren unstatthaft: bis de eadem re ne sit actio 11. Letztlich gehört auch der während des Verfahrens eingetretene Tod des Beschuldigten als Prozeßhindernis hierher, denn auch in diesem Fall wäre das Ergebnis des Verfahrens nicht mehr offen 78.
3. Der dynamische Aspekt der Entscheidung a) Entscheiden als Vorgang Bislang war lediglich vom Entscheidungsinhalt, also gewissermaßen vom statischen Aspekt der Entscheidung die Rede. § 9 Hs. 2 VwVfG und 74 Eine ähnliche Funktion übernimmt etwa auch die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten als besondere Sachentscheidungsvoraussetzung verwaltungsgerichtlicher Anfechtungsklagen (§ 42 II VwGO; vgl. a. § 54 II SGG, § 40 II FGO sowie für die Anfechtung bei Justizverwaltungsakten § 24 I EGGVG): Hier ist eine Sachentscheidung unzulässig, wenn eine Rechtsverletzung „offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint" (s. Kopp /Schenke, VwGO, § 42 Rz. 65 m.w.N., 95), denn dann wäre eine Klageabweisung auch in der Sache schon sicher (vgl. § 113 1 1 VwGO), das Verfahren insofern nicht mehr ergebnisoffen (und als Rechtsschutzverfahren auch nicht mehr erforderlich). 75 Auch Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, orientiert die Prozeßvoraussetzungen generell am Prozeßzweck (der aus seiner Sicht in der Sicherung des Rechtsfriedens besteht). 76
Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 161.
77
s. nur Roxin, Strafverfahrensrecht, S.159, 410 f.; BVerfGE 12, 62 (66); BGHSt 20, 292 (293). BVerfGE 3, 248 (255) hatte diese Frage noch ausdrücklich offengelassen. Ein ausdrückliches Verfolgungsverbot enthalten auch Art. 14 VIIIPBPR und Art. 11-50 Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents. 78
In diesem Fall ist das Verfahren förmlich einzustellen, BGHSt 45, 108 (anders noch Ε 34, 184). Auch wenn - wie im Fall Honecker (vgl. BerlVerfGH NJW 1993, 515) - zu erwarten steht, daß der Beschuldigte das Ende des Verfahrens nicht mehr erlebt, hat sich die Offenheit des Verfahrens erledigt.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
77
§ 8 Hs. 2 SGB-X geben jedoch - für das Verwaltungsverfahren - bereits einen ersten Hinweis auf den „dynamischen" Aspekt: Die Entscheidung (in diesem Fall: der Verwaltungsakt) steht zwar am Ende des Verwaltungs Verfahrens, ist aber selbst noch ein Stück Verfahren. Die Möglichkeit - und zugleich die Notwendigkeit - der Alternativenauswahl beschränkt sich nicht auf das inhaltliche Ergebnis eines Entscheidungsvorgangs. Als gesteuerter Prozeß entwickelt sich dieser vielmehr seinerseits aus einer Abfolge von Wahlakten. Sein Weg fuhrt über zahlreiche Verzweigungen (oder „Bifurkationen", wie Whitehead sagt 79 ); er ist selbst alternativ durch „Vor-Entscheidungen" strukturiert 80 . Die Entscheidung ist damit nicht nur Produkt eines Vorgangs, sondern selbst Vorgang 81 , Ergebnis einer Wahl und „Prozeß" zugleich 82 . Diese Ambivalenz scheint bereits in der doppelten Bedeutung des Wortes „Entscheidung" selbst auf, das sowohl ein Ergebnis als auch den dazu hinführenden Vorgang der Entscheidungsfindung bezeichnet83. Das Urteil des Entscheidenden setzt sozusagen eine vorausgehende Beurteilung der Sachlage voraus, die erst schrittweise erarbeitet werden muß 84 : Informationen werden gesammelt, durch
79 Whitehead , The Concept of Nature, S. 26 ff. (im Hinblick auf gewisse erkenntnistheoretische Vor-Entscheidungen in der abendländischen Philosophiegeschichte). 80
s. Rödig, Theorie des gerichtlichen Verfahrens, S. 19 ff. Zu sich zum „Entscheidungsbaum" verzweigenden (Vor-)Entscheidungen vgl. etwa Kilian, Juristische Entscheidung, S. 110 f.; dazu (und zu sog. Markoff-Kettcn) auch Flechtner, Einführung in die Kybernetik, S. 91 ff. Vgl. a. Luhmann, Soziale Systeme, S. 610: „Prozesse entstehen durch Selektionsverstärkung, also durch zeitliche Einschränkung der Freiheitsgrade von Elementen". 81 W. Schmidt, Einfuhrung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 43; s. a. Bettermann, FS Hans Huber, S. 25 (34); Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 29; Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, S. 11; BVerwGE 45, 309 (312 f.) - „Floatglas". 82 Vgl. hierzu und zum folgenden auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 18; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 321 m.w.N. 83
Darauf weist neben anderen etwa Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 29, hin. Ähnlich doppelsinnig bezeichnen die „Verhandlungen" der Polizei in § 163 II 1 StPO zugleich deren Ergebnis. 84
Diesen Zusammenhang hat für das Strafrecht bereits Grolman herausgestellt (Grundsätze der Criminalrechtswissenschaft, S. 597 f.). Für das Verwaltungsrecht s. etwa J. Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, Rz. 42. - Auf den etymologischen Zusammenhang von griech. κρίνειν (urteilen, entscheiden) und lat. cernere (sichten, durchsehen) macht Starobinski, SZ Nr. 136 vom 15. Juni 2002, S.18, aufmerksam.
78
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Bewertung und Filterung verarbeitet und in Beziehung zu den jeweils geltenden Entscheidungskriterien gesetzt. „Entscheiden" besteht demnach nicht in einem gleichsam punktförmigen Akt, sondern bedeutet ein zeitlich gestrecktes Vorgehen 85. Der am Ende stehende punktuelle Wahlakt, in dem die Entscheidung freilich ihre eigentliche Identität findet 86 , beruht auf den vorangegangenen, in Phasen gliederbaren 87, vorbereitenden Abläufen. Dem entspricht es, die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nicht nur in sachlicher („materieller") Hinsicht, sondern auch („formell") mit Blick auf ihr Zustandekommen zu prüfen 88 . Die vorbereitenden Akte des Sammeins und Verarbeitens von Informationen lassen sich freilich ihrerseits als (Vor-)Entscheidungen auffassen, und dies sogar in mindestens vierfacher Hinsicht: Zu entscheiden ist nämlich erstens, welche Informationen Entscheidungsgrundlage werden sollen, zweitens, auf welche Weise noch nicht vorliegende Informationen erhoben werden sollen, und drittens, auf wessen Kosten dies gegebenenfalls geschehen soll 89 . Viertens schließlich kann in der Entscheidung dieser - für sich genommen rein „prozessualen" Fragen - bereits eine teilweise Festlegung hinsichtlich der vorzubereitenden Endentscheidung liegen. Es ist deshalb fraglich, ob eine trennscharfe Differenzierung von Entscheidung (als Wahlakt) und Entscheidungsvorbereitung überhaupt möglich ist 90 . In der Tat mögen sich in real stattfindenden Entscheidungsabläufen die einzelnen Elemente des Entscheidens ununterscheidbar überlagern und vermischen. Theoretisch ist gleichwohl eine Trennung von punktueller Alterna85 Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 134; Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, S. 87 ff; ferner Fikentscher! Franke!Köhler, Über Aufgaben und Möglichkeiten einer historischen Rechtsanthropologie, in: dies. (Hrsg.), Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, S. 15 (34). 86
Luhmann, Soziologische Aufklärung 3, S. 337.
87
Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, S. 89 m.w.N.; Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 72 ff; Schmidt-Aßmann, JURA 1979, 505 (516). 88
Vgl. nur Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, S. 160 f. So ist ein Verwaltungsakt nach heute ganz herrschender Auffassung auch wegen eines „bloßen" Verfahrensfehlers („formell") rechtswidrig im Sinne des § 113 I 1 VwGO (Nachweise etwa bei Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rz.499 ff). 89
Auf dieser Unterscheidung zwischen dem zweiten und dritten Aspekt beruht im übrigen die Lehre von der „Doppelfunktionalität" strafprozessualer Ermittlungseingriffe. 90
Vgl. etwa Pieroth, DÖV 1977, 659 (664).
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
79
tivenauswahl und prozeßhaftem Entscheidungsvorgang möglich und auch geboten 91 .
b) „Reine" Entscheidungen? Eines solchen „Vorlaufs" der Entscheidung scheint es bei streng „dezisionistischer" Sichtweise freilich nicht zu bedürfen: Wozu die Analyse der Situation, die Aufbereitung und Abwägung der verschiedenen Alternativen oder gar die Beteiligung potentiell Betroffener, wenn es auf den Entscheidungsinhalt letztlich gar nicht ankommt? Wird die Entscheidung gleichsam „aus dem Nichts geboren" 92 , auf Festlegung reduziert und so um die Wahl zwischen Alternativen coupiert, so verliert ein rationalisierendes, auf die entscheidungserheblichen Tatsachen Bedacht nehmendes und das Entscheidungsergebnis durch inhaltliche Abwägungen produzierendes Verfahren seinen Sinn 93 . Gerade wegen jener inhaltlichen Indifferenz aber gewinnt hier die „Form" ein (sonst wohl unerreichtes) Maß an „Eigenwert" 94 : daß der zur Entscheidung Berufene in der dafür bestimmten Form (Befehl; Regierungsakt; aber eben auch: Urteil, Gesetz, Verwaltungsakt) entschieden hat - daran liegt nun alles. Gewiß sind Entscheidungen, solange sie von Menschen getroffen werden, von volitiven Momenten selten frei 95 . Selbst wo sie begründet werden müssen, lassen sie vieles, was ihr Zustandekommen betrifft, im dunkeln (für andere und vielleicht auch für den sein eigenes Handeln reflektierenden Entscheider selbst). Hinzu kommt ein faktisch-zeitlicher Entscheidungsdruck, der regelmäßig zum Handeln anhält, ohne daß die tatsächlichen Grundlagen der 91 Vgl. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 29 in Fn. 185, ferner Luhmann wie in Fn. 86. 92
Schmitt, Politische Theologie, S. 42.
93
s.a. König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, S. 247 ff; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 31; Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 82 f. - Rationalisierung der Strafgesetzgebung setzt daher beim Entscheidungsfindungsprozeß des Gesetzgebers an, vgl. nur Jäger, FS Klug, S. 83 ff; Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 167 ff. 94 95
Vgl. Schmitt, Politische Theologie, S. 42.
Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 31. s.a. Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt, S. 90, nach dem (im Anschluß an Bergson) die meisten Entscheidungen nicht gefällt werden, sondern fallen, sich vom Entscheidenden ablösen „gleich einer überreifen Frucht".
80
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Entscheidung und mit ihnen eine angemessene Alternativenbewertung bereits erschöpfend verarbeitet werden können 96 . Doch noch die willkürlichste Entscheidung - j a , vielleicht gerade sie - fällt nicht ohne Bezug zu Grundlagen, die außerhalb ihrer selbst liegen. Ihre Motivation mag „sachfremd" sein, „weltfremd" ist auch sie nicht. Die Idee „reiner" Dezision rückt damit in die Nähe einer schlichten Fiktion 97 . Am „dynamischen" Aspekt der Entscheidung ist deshalb festzuhalten. Er lenkt den Blick auf den Vorgang der Entscheidungsfindung, mit anderen Worten also: auf das Verfahren.
II. Verfahren 1. Verfahren
und Prozeß
a) „Verfahren" und „Prozeß" als Universalbegriffe Von „Verfahren" und „Prozessen" wird im Grunde immerfort und in den verschiedensten Zusammenhängen gesprochen 98. Als Mindestgemeinsames läßt sich der Gedanke eines „Vorwärtsschreitens" 99 festhalten, einer Entwicklung „von Lage zu Lage" 1 0 0 als Ablauf in der Zeit 1 0 1 . Damit scheint allgemein auch 96
Vgl. a. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 21; ferner Lübbe, FS Ritter, S. 118 (131). Zum Entscheidungsdruck im Strafverfahren s. nur Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 150. 97
Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rz. 192: „Der Dezisionismus hat Recht gegen den Positivismus; aber nicht gegen das Recht" [dh: zwar keine reine Deduktion, aber doch normorientierte, Normativität produzierende Entscheidungsfindung]. 98
Nicht von ungefähr wird vor der Verwendung des „Verfahrensbegriffs" als „Passepartout-Formel" gewarnt (Bethge, NJW 1982, 1). Zustimmend Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/l, S. 959. 99
Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 2. Insoweit handelt es sich um eine schlichte Übersetzung von procedere und processus („Rechtsgang"). So spricht etwa Birkmeyer, Deutsches Strafprozeßrecht, S. 1, vom „procedere in criminalibus". Vgl. a. Berges, NJW 1965, 1505; Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 295; Niese, Doppel funktionelle Prozeßhandlungen, S. 57; Schick, StuW 1992, 197 (199). 100
Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rz. 2; Eb. Schmidt, Lehrkommentar I, Rz. 50, im Anschluß an Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 146 ff; Bottke, FS Roxin, S. 1243 („Sequenzen kausierter Ereignisse"). Anders Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 23: Kette von sukzessiven Rechtsverhältnissen.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
81
die Vorstellung einer Abfolge von einzelnen, gegeneinander abgesetzten Phasen verbunden zu sein, an deren Abfolge sich eine Veränderung ablesen läßt 1 0 2 . Verwiesen ist damit auf die Idee dynamischer Entwicklung im Gegensatz zum statischen Verharren in immer gleichen Zuständen103. Beide Begriffe werden insbesondere auch in naturwissenschaftlichen und technischen Zusammenhängen gebraucht 104. Während mit „Prozeß" häufig schlicht naturgesetzlich voranschreitende Entwicklungen bezeichnet werden (Erosionsprozeß usw.), bleibt der Begriff des „Verfahrens" der bewußten Einwirkung auf einen Gegenstand mit dem Ziel seiner planvollen Veränderung vorbehalten: Jemand verfährt mit etwas - oder mit jemandem - in einer bestimmten Weise. So werden etwa die technischen oder chemischen Methoden 105 der Herstellung oder Bearbeitung gewisser Industrieprodukte 106, aber auch planmäßige therapeutische Maßnahmen als „Verfahren" bezeichnet.
101
Schon dadurch wird eine wie auch immer geartete Entwicklung „auf etwas hin" als häufiges, wenn auch nicht notwendiges Merkmal des „Prozesses" nahegelegt. In den Naturwissenschaften führten Beobachtungen wie das Zweite thermodynamische Gesetz (Entropie) zu einem neuen Verständnis von Zeit: ein Vorgang in der Zeit läßt sich nicht wie ein „statisches" Objekt drehen und wenden, sondern weist eine Zielrichtung auf (vgl. dazu etwa Prigogine/Stengers, Dialog mit der Natur, S. 245 ff). Auf die Abhängigkeit des „Sinnes" fur Verfahren vom jeweiligen Zeitverständnis einer Rechtskultur verweisen auch F ikentscher!FrankelKöhler, Über Aufgaben und Möglichkeiten einer historischen Rechtsanthropologie, in: dies. (Hrsg.), Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, S. 15 (33); zum Zeitfaktor s. ferner a. Luhmann, ARSP-Beiheft 8 (1974), 31 (36 ff.). 102
Vgl. Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 16 ff, Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, S. 35. s.a. Leipold, Art. „Prozeß, Prozeßrecht", in: GörresGesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, Sp. 603 f.: Geschehensablauf, der „von vorgegebenen Regeln beherrscht wird und der von einem tatsächlichen Zustand zu einem anderen führt". 103
Grundlegend Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 227 ff.; Niese, Doppelfunktionale Prozeßhandlungen, S. 57 ff. Vgl. hierzu auch Sander, ZÖR 1919/20, 468 ff; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 63 ff.; Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (197 ff.). 104 Vgl. a. Foth, Reines Prozeßrecht, S. 32; Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 41 f.; Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 57; Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 15 f. 105
Zum sprachwissenschaftlichen Zusammenhang von „Methode" und „Prozeß" vgl. Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 8 f.
82
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
b) „Verfahren" und „Prozeß" als juristische Begriffe Der Aspekt der schrittweisen Planverfolgung beherrscht auch die Diskussion rechtlich geregelter Verfahren. Bierbrauer/Klinger definieren das Verfahren als „festgelegte Sequenz von Handlungen und (Teil-)Entscheidungen, die in einer mehr oder weniger deutlich spezifizierten Situation durchlaufen wird, um ein Ergebnis zu erzielen" 107 . Für Alexy sind Verfahren „Systeme von Regeln und/oder Prinzipien zur Erzeugung eines Ergebnisses" 108, und Hoffmann geht von einem „vom menschlichen Verhalten geprägten zielgerichteten, weil die erforderliche Ungewißheit des Verfahrensausgangs sukzessive auflösenden Entwicklungsvorgang" aus 109 . Im juristischen Sprachgebrauch erscheint das „Verfahren" nicht selten als Oberbegriff 110 . Der Prozeß als das Verfahren vor Gericht bildet hierzu einen bloßen Unterfall mit allerdings prägender Kraft für das Verständnis des ganzen genus: Als Urform 1 1 1 geregelten Prozedierens und Entscheidens liefert der Gerichtsprozeß das Grundmuster für die Verfahren der Exekutive 112 wie für die Entscheidungsprozesse der parlamentarischen Demokratie 113 .
106
In dieser Bedeutung wird das Wort etwa in § 326 I StGB verwendet. Ähnliches gilt für planvolle therapeutische Maßnahmen (etwa „Heilverfahren" in § 33 Beamtenversorgungsgesetz). 107 Bierbrauer/Klinger, Akzeptanz von Entscheidungen durch faire Verfahren, in: Haft/Hof/W esche (Hrsg.), S. 349 (350). 108
Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 431. Ähnlich Saliger, (2000), S. 101 (104 m.w.N.)
ARSP-Beiheft 75
109
Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 40. Die Zielrichtung betont auch Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 57. Zum Verfahren als zielgerichteter Methode („einem Weg entlang") ferner Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 6 f. 110
Vgl. etwa Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 41; Leipold, Art. „Prozeß, Prozeßrecht", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Sp. 605. Umgekehrte Terminologie aber etwa bei Bottke, FS Roxin, S. 1243 f. Auch die StPO versteht unter „Verfahren" zuweilen mehr als nur das gerichtliche Verfahren; vgl. Dünnebier, FS K. Schäfer, S. 27 (29). 111 112
Vgl. a. Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 46,47.
Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 216; Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht, S. 44 ff.; Bettermann, GS W. Jellinek, S. 361 ff.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
83
Das Bedeutungsspektrum von juristischen „Verfahren" reicht aber noch weiter. Gemeint sein kann damit noch anderes, neben den (1) rechtlich geregelten Verfahren im genannten engeren Sinne insbesondere etwa: (2) die Methode der Rechtsanwendung im Sinne von „Schlußverfahren" (Deduktion, Induktion, Abduktion, Analogie) 114 ; (3) das Verfahren als Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozeß 115 ; (4) das Verfahren als „Institution", „soziales System" oder Einzelerscheinung; und (5) in ungenauer Redeweise auch: das Verfahrensrecht. Bevor von den rechtlich geordneten Verfahren in dem zu (1) genannten Sinne näher die Rede sein soll, lohnt wohl ein Seitenblick auf die Spuren, die die genannte universelle Idee des Prozesses im spezifisch juristischen Verfahrensdenken hinterläßt.
113
Vgl. insbes. Kriele, VVDStRL (1971), 46 (50 f.): parlamentarische Demokratie als Übertragung des „dialektischen Gedankens" aus dem gerichtlichen Prozeß in die Politik. Jäger, FS Klug, S. 83 ff., will fur das Verfahren der Strafgesetzgebung rationalisierende Anleihen aus dem gerichtlichen Verfahren nehmen, s. insofern auch Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 322 ff. 114 „Materielle" Fe/yäAre«jgerechtigkeit setzt daher bei den „Standards der juristischen Rechtsgewinnungslehre eines demokratischen Rechtsstaats" an, vgl. Bottke, Materielle und formelle Verfahrensgerechtigkeit im demokratischen Rechtsstaat, S. 11, 13 ff. - Die etymologische Verbindungslinie zwischen „Prozeß" und „Methode" zeichnet Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 8 f., nach. 115
Dazu etwa Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 211; J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rz. 42; W. Schmidt, Einfuhrung in die Probleme des Verwaltungsrechts, Rz. 114; für das Strafverfahren etwa Amelung, FS Roxin, S. 1259 (1277); s.a. Kühne, Strafprozessrecht, Rz. 314 ff.
84
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
c) Exkurs I: Unterströmungen im Prozeßbegriff Die vielfältigen, zum Teil durchaus gegenläufigen Konnotationen von „Verfahren", vor allem aber von „Prozeß" in den verschiedenen Sprachbereichen schwingen - nicht immer reflektiert - auch in juristischen Verwendungszusammenhängen mit 1 1 6 . Möglicherweise erklären sich gerade auch hierdurch sowohl der Einfluß prozessualer „Großtheorien" wie der (die prozessuale „Dynamik" betonenden117) von Goldschmidt, als auch die hieran geübte Kritik 1 1 8 . Da auf die Konzeption Goldschmidts ist noch an anderer Stelle einzugehen sein wird (unten § 3 C.; § 6 A.III.3.), genügt es hier, auf drei allgemeinere Gesichtspunkte besonders hinzuweisen:
aa) „Strecke" und „Weg" Der erste betrifft das Ende des Verfahrens oder des Prozesses. Die Bezeichnung „Prozeß" besagt noch nichts über den Ausgang: Neben gleichsam immerwährenden Prozessen, für die die Idee des „ewigen Gesprächs" im Parlament ein durch die Polemik Carl Schmitts berühmt gewordenes Beispiel ist 1 1 9 , stehen solche, die eine Entwicklung „auf etwas zu" beschreiben - sei es
116
Nur am Rande sei hier hingewiesen auf den Entwurf einer staatsphilosophischen Verfahrenstheorie unter Bezug auf den Energieerhaltungssatz bei Sander, ZöR 1919/20, 468 (486). 117
Eine zunächst triviale Beobachtung (wie Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 24, und Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 181, zuzugestehen ist). Dynamik als Spezifikum des Verfahrens nennen etwa auch Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre, S. 25; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 194 m.w.N. in Fn. 7; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 304; LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 9; Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 2; Sax, ZZP 67 (1954), 21 (23); Eb. Schmidt, Lehrkommentar I, Rz. 48 ff.; ferner auch Sander, ZöR 1919/20, 468 (480): Verfahrenslehre als „Lehre von der Dynamik des Rechts". 118
Bei Goldschmidt, der das Motto zum „Prozeß als Rechtslage" Spenglers „Untergang des Abendlandes" entnimmt, sind die Wurzeln seiner „Dynamik"-Idee im übrigen möglicherweise im Gedankengut der Lebensphilosophie zu suchen (vgl. etwa die „statische" und „dynamische" Moral bei Bergson , „Die beiden Quellen der Moral und der Religion"). 119 Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 41 ff.; s.a. dens., Politische Theologie, S. 69 ff. - Zu Prozessen ohne Anfang und Ende vgl. a. Hartmann, Philosophie der Natur, S. 389 ff.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
85
als schlichte Aktualisierung einer anfänglichen „Bestimmung" oder sonstiger latenter Möglichkeiten, sei es als für neue Einflüsse und Veränderungen offener Prozeß 120 . Rechtlich geregelten Verfahren wird im Grundsatz die Ausrichtung auf ein verfahrensbeendigendes Ergebnis zugeschrieben, ihre beiden zuletzt genannten Alternativen sind etwa Gegenstand der mit der Kritik am „JustizSyllogismus" und den Zweifeln an der Steuerungskraft gesetzlicher Konditionalprogramme verbundenen Diskussion um die Bedeutung des Verfahrens samt der darauf bezogenen Teilnehmerrechte für die abschließende Entscheidung. Daß Entwicklung - allgemeiner und zugleich genauer: Bewegung - sich „auf etwas hin" richtet, ist ein namentlich von Aristoteles formulierter Gedanke 121 . Danach trägt Bewegung als Veränderung ihr Ziel (τέλος) in sich mit (εντελέχεια): Eine von Anfang an als „Anlage" vorhandene Möglichkeit (δύναμις) wird im Verlauf aktualisiert. Diese anlagehafte Möglichkeit ist bereits ein (gegenüber der Aktualität gleichsam defizienter) Modus des Seins. Verwirklicht wird also nur, was potentiell schon da ist; der Weg führt, um es schlagwortartig auszudrücken, ab esse ad posse122.
120
Vgl. a. die Unterscheidung von Bildungs- und Entwicklungsroman; ferner Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Bd. 2, S. 1000 ff, zu der qualitativen Veränderung heilsgeschichtlicher Vorstellungen (von „Lichtfindung" zu „Lichtzündung") als Folge eines neuen Zeitbewußtseins bei Augustinus und Jakob Böhme (zu diesem s. a. L. Schulz, Das rechtliche Moment der pragmatischen Philosophie von Charles Sanders Peirce, S. 198 ff.). 121 Aristoteles, Physica, III 201a, 10 ff. Zur prozeßtheoretischen Rezeption vgl. v.a. Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 19; Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, S. 35, und L. Schulz, Regel und Fall, in: Feldner/Forgo (Hrsg.), Norm und Entscheidung, S. 153 (156 ff); dens. y Normiertes Mißtrauen, S. 99 f. 122 L. Schulz (Das rechtliche Moment der pragmatischen Philosophie von Charles Sanders Peirce, S. 24 ff.; Normiertes Mißtrauen, S. 70 f., 243 ff; Regel und Fall, in: Feldner/Forgo (Hrsg.), Norm und Entscheidung, S. 153, 156 ff.) weist auf die Entsprechung dieses Konzepts zur Schlußform der Deduktion hin und stellt ihm (auf der Grundlage der Differenzierung von τέλος und εσχατον) ein „eschatologisches" Modell gegenüber, dem formal der induktive und als dessen Weiterentwicklung der abduktive Schluß zur Seite gestellt wird. Dieses zweite, gleichsam „utopische" Modell rechnet mit neuen, bislang unbekannten und erst im Verlauf (im Prozeß) hervortretenden Möglichkeiten - mit Fortschritt (progressio) also (ideengeschichtlicher Rückbezug auf Joachim von Fiore bei L. Schulz, Das rechtliche Moment, S. 31 ff). Progressio, processus, successio, mutatio und evolutio kennzeichnen hier den Verlauf, während das klassisch-aristotelische Modell für restitutio, renovatio, reformatio, recreatio, resurrectio oder conservatio steht (ebd. S. 32). Das Schlagwort für jenes zweite Modell lautet dann umgekehrt: ab posse ad esse (ebd. S. 40). Zum innovatorischen Charakter
86
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Die bisweilen gezogene Analogie zwischen Verfahren und Spiel, auf die in anderem Zusammenhang noch zurückzukommen sein wird (§ 3 C.I.), stößt hier an eine Grenze: Ungeachtet aller Formen von Spielen, in denen es „Sieger" und „Verlierer" (und damit: Ende und Ergebnis) gibt, ist eine Zielrichtung dem Spiel letztlich nicht wesentlich: „Die Bewegung, die Spiel ist, hat kein Ziel, in dem sie endet, sondern erneuert sich in beständiger Wiederholung" 123 .
bb) „Werden" und „gefunden werden" Wird „Prozeß" vor dem Hintergrund der soeben getroffenen Unterscheidung nicht als bloße „Strecke", sondern als „Weg" zu etwas verstanden, so schließt sich daran die weitere Frage an, ob der Prozeß den Weg von einer bereits angelegten und ihm insofern vorausliegenden Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung darstellt, oder ob er - frei von einer solchen Festlegung - offen für neue, erst noch entstehende Möglichkeiten bleibt, ob er also damit als ein kreativ in Bewegung gehaltenes „Werden" - und nicht als bloßes „Auffinden" eines stets schon verhüllt darauf wartenden Ziels - verstanden wird. Fast immer, wenn auch nicht immer reflektiert, stehen diese Alternativen im Hintergrund, wenn von irgendwie „prozeßhaften" Phänomenen die Rede ist. Gegenüber stehen sich damit zwei prinzipiell verschiedene Konzepte des „Endes", die im Kontext rechtlich geregelter, insbesondere normanwendender Verfahren weitreichende Konsequenzen für die Methodenlehre, die Gestaltung des Verfahrens und das Selbstverständnis der im Verfahren Entscheidenden hat. Wird die Entscheidung des konkreten Falles (als die damit „einzig richtige", vgl. oben § 2 B.I.2.C.) von der einschlägigen Norm seit jeher als Potentialität gleichsam vorrätig gehalten, so muß der Entscheidende sie nur noch entdecken und ergreifen. Dann geht es methodisch um ihre deduktiv im modus barbara zu bewerkstelligende „Entdeckung", verfahrenstechnisch um die bestmögliche Aufbereitung der Tatsachenbasis und bei der abschließenden Entscheidung um eine bloße Deklaration durch die bouche qui prononce les paroles de la loi. Anders, wenn im Verlauf des Verfahrens neue Varianten „richtiger" Entscheidungsinhalte auftauchen können, sei es im Sinne relativer Richtigkeit auf der Basis des jeweils erarbeiteten Sachverhalts, sei es im Sinne mehrerer zulässiger Entscheidungen hinsichtlich desselben Sachverhalts: Dann
„spekulativer" Verfahren jenseits von Induktion und Deduktion eingehend Albert, Traktat über kritische Vernunft, insbes. S. 57. 123
Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 109.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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ist die „Richtigkeit" der Entscheidung - wenn überhaupt - nur noch als regulative Idee wirksam. Die Ausgestaltung des Prozesses hat dann eine weitaus größere Bedeutung fur das Ergebnis. Das Verfahrensrecht wird zur Entscheidungsprämisse, und zugleich wächst die Verantwortung des Entscheidenden für das im Verfahren erzielte Ergebnis.
cc) Stufe und Bahn Den dritten Punkt bildet die Frage nach dem Ablauf prozeßhafter Entwicklungen. Vorstellbar ist er, um die beiden denkbaren Extreme zu nennen, entweder als Folge von scharf gegeneinander abgrenzbaren „Stufen" oder als gleichsam „glatt" verlaufendes Kontinuum. Dem „Stufenmodell" entspricht eine Verfahrenstheorie, die das Verfahren als Abfolge von einzelnen „Lagen" begreift, die durch einzelne Akte der Verfahrensbeteiligten jeweils in eine neue Lage umschlagen124. Die Vorstellung von Kontinuität liegt dagegen etwa der Lehre von Verfahrens- oder Prozeßrechtsverhältnissen zugrunde 125 . - Exkurs Ende -
2. Rechtlich geordnete Verfahren Vor diesem Hintergrund teilen „gesetzlich geordnete" 126 Verfahren zunächst - in einem rein faktischen Sinn - mit allen anderen „Verfahren" den Charakter
124
Zu dieser Vorstellung vgl. namentlich Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage; ferner die Abfolge von „Stufen" etwa bei Peters, ZStW 68 (1956), 374 (375). 125
Vgl. etwa Fr. Weber, Studium Generale 13 (1960), 183 (187). Einen umfassenden Überblick liefert Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des Verfahrens, S. 35 ff., 63 ff. In der Zivilprozeßrechtslehre dürfte dieses Modell - im Gegensatz zur Strafprozessualistik - immer noch vorherrschen. Nach Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (199 m. Fn. 7), war es auch in der sozialistischen Zivilprozeßtheorie herrschend. Beide Modelle müssen sich freilich nicht ausschließen; vgl. etwa Paulus, GS Meyer, S. 309 (312). 126 Diese Formulierung begegnet etwa in § 138a IV 1 StPO (sie umfaßt dort freilich nur ganz bestimmte rechtlich geregelte Verfahren). Ähnlich LR24-ÄT. Schäfer, Einl. Kap. 6 Rz. 30. Vgl. a. die alte Bezeichnung des Strafverfahrens als ordo iudiciorum criminalium.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
eines „prozeßhaften", sich „dynamisch" von Lage zu Lage entwickelnden Vorgangs 127 . Eine juristische Beschäftigung mit dem Verfahren benötigt demgegenüber naturgemäß einen enger gefaßten Verfahrensbegriff. Hierfür schließt sie zunächst „prozeßhafte" Naturvorgänge aus, die außerhalb des menschlichen Steuerungsvermögens liegen. Als Teil der Wissenschaft vom Recht beschränkt sie sich vielmehr auf das kommunikative Verhalten 128 von Menschen 129 und wählt daraus die Bereiche, in denen die menschliche Interaktion 130 (auch) rechtlichen Regeln unterliegt. Die Vorstellung vom 127 s. ferner Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 14 ff ; Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (197 ff.); Fr. Weber, Studium Generale 13 (1960), 183 (187). 128
Den Umgang von Menschen miteinander betrachtet unter dem Aspekt des „Miteinander-Verfahrens" Suhr, EuGRZ 1984, 529 (541), und für Röhl, ZRSoz 1993, 1 (3), hat jede Kommunikation etwas „Prozeßhaftes". Enger dagegen etwa Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht, S. 58. 129 Vgl. a. Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (205). Wenn Bottke, FS Roxin, S. 1243 (1244), den Kreis möglicher Verfahrensbeteiligter auf „Wesen" (d.h. „Weltteile, die sich wesentlich sind, weil es ihnen zu Chancen und Risiken ihres Seins um ihr Da- und Sosein geht"; so S. 1250 in Fn. 26) erweitert, sind damit nur solche Einheiten gemeint, die „durch Menschen handeln". - Zu demokratischen „Verfahren" in der Tierwelt s. Conradt/Roper, Nature 421 (2003), 155. 130
Zum Verfahren als „Interaktion" vgl. allg. Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahren, S. 19; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 351 ff. u. passim; LR-Rieß, Einl. Abschn. I, Rz. 1; LR24-ÄT. Schäfer, Einl. Kap. 6 Rz. 29; Schlüchter, Das Strafverfahren, Rz. 1 ff. - Die kritischen Einwände etwa von Bohnert (Die Abschlußentscheidung des Staatsanwalts, S. 423 f.) und Rüping (Theorie und Praxis des Strafverfahrens, Rz. 24) gegen den Versuch, insbesondere das Strafverfahren als „Interaktion" oder von kommunikationstheoretischen Ansätzen aus zu verstehen, sind unbegründet. Insbesondere der Verweis (Rüping, a.a.O.) auf das Recht des Beschuldigten, sich nicht zur Sache einzulassen (und damit: nicht zu kommunizieren) geht fehl. Denn unbeschadet jenes Rechts wird der Beschuldigte durch das Verfahren in einen Kontext hineingezwungen, in dem auch sein Schweigen etwas „bedeutet" - entsprechend der inzwischen Allgemeingut gewordenen Einsicht, daß man „nicht nicht kommunizieren" könne (vgl. nur Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, S. 50 ff. - Gerade deshalb konnte sich insbesondere das „Teilschweigen" des Angeklagten zu einem strafzumessungsrechtlichen Problem entwickeln. Über weite Teile des Strafverfahrens hin, insbesondere im Ermittlungsverfahren, wird freilich nicht mit dem Beschuldigten kommuniziert, sondern nur über ihn. Erst mit der Vernehmung (§ 163 a I StPO) wird er zwingend zum Interaktionspartner. Das sagt aber mehr über die Defizite bei der Beteiligung des Beschuldigten aus als über den grundsätzlichen Interaktionscharakter des Verfahrens. Die Kommunikation verläuft in
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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Verfahren als ein prozeßhafter, dynamischer Vorgang in der Zeit läßt sich konkretisierend auf die Abfolge von Handlungen 131 beziehen, die auf ein gemeinsames Fernziel bezogen sind und so in einem inneren Zusammenhang stehen132. Zum rechtlich geordneten Verfahren wird dieser zunächst rein faktische Ablauf, wenn Handlungsbedingungen und Handlungsziel sowie das im Verfahren zulässige Verhalten 133 normativ festgelegt werden. Faktisch „vorwärtsschreitendes" Verhalten rückt also zunächst nur soweit ins Blickfeld, als es zum Substrat normativer Anordnung gemacht und den Regelungen rechtlicher Verfahrensordnungen unterworfen wird 1 3 4 . Stricto sensu „formlos" sind solche Verfahren deshalb niemals. Durch diese erste Beschränkung des Verfahrensbegriffs auf die rechtlich geregelte Interaktion von Menschen erhalten zugleich die regulativen Bestimmungen der Verfahrensordnungen eine genauere Charakterisierung. Sie betreffen das Verhalten der Beteiligten auf der „Szene" des Verfahrens und sind daher zunächst nichts anderes als eine Untergruppe von Verhaltensnormen 135 . Rechts verfahren lassen sich daher beschreiben als „Sequenzen von der Tat „systematisch verzerrt" - eine solche Feststellung setzt aber eine Deutung des Verfahrens als Kommunikationsprozeß ersichtlich voraus. 131
Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht, S. 2: „eine durch einheitlichen Zweck beherrschte Kette von Handlungen". Als Inbegriff von Handlungen erscheint das Verfahren schon bei Birkmeyer, Deutsches Strafprozeßrecht, S. 1; Grolman, Grundsätze der Criminalrechtswissenschaft, S. 596. Vgl. a. Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 390: Kette von menschlichen Handlungen. Ähnlich Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 19; Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (194). 132
Vgl. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 290 f.; 304, der das gemeinsame Ziel freilich nicht notwendig in der Erarbeitung einer Entscheidung, sondern weitergehend in der Erledigung einer bestimmten Aufgabe sieht (vgl. dens., S. 43, mit der Definition des Verwaltungsverfahrens als ,jede rechtlich geordnete Abfolge von Handlungen, durch die eine Behörde eine sachlich und zeitlich bestimmte Verwaltungsaufgabe erledigt". Ähnlich wie der Text etwa Badura, Das Verwaltungs verfahren, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 482 (Rz. 7); Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 6 ff.; Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 213; Schmidt-Aßmann, JURA 1979, 505 (516). 133 Ähnlich etwa Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 195 („Handlungsrahmen" und „Schrankenwirkung" für die Beteiligten). 134
Vgl. Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 25; Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 213. 135
So zutreffend U. Stein, „Gewißheit" und „Wahrscheinlichkeit" im Strafverfahren, Rudolphi-Symposium, S. 233 ff. Vgl. ferner Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 27; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Handlungen, die in ihren Voraussetzungen, Abfolgen und etwaigen Wirkungen rechtlich geregelt sind" 136 . Qualitativ ist damit ein breites Spektrum von Interaktionsformen erschlossen, das vom nahezu monologisch strukturierten, gleichsam nur im Kopf des Entscheidenden und Handelnden ablaufenden Verfahren bis zum durch garantierte Teilnahmerechte abgesicherten Dialog reicht 137 . Kritik an und Warnung vor einer Uberschätzung des „Verfahrensgedankens" kann eben hier ansetzen: Das Spektrum der nach geltendem Recht möglichen Verfahren ist schlichtweg zu breit, um „dem" Verfahren pauschal Lorbeeren für kommunikativ-diskursive Leistungen, Mitwirkung der Betroffenen oder gar konsensuale Entscheidungsfindung zu streuen. Die Beschränkung auf das „Miteinander-Verfahren" von Menschen rückt neben der Möglichkeit rechtlicher Normierung weitere Gesichtspunkte von Rechtsverfahren ins Blickfeld: Der Umgang mit den Verfahrensregeln ist erstens auf spezifische Verstehensleistungen verwiesen. Zweitens ist dabei mit „typisch menschlichen" Fehlern zu rechnen, die ihrerseits der „Deutung" bedürfen und drittens auch zum Gegenstand der Zuschreibung persönlicher Verantwortung gemacht werden können. Die Normierung von Verfahren beinhaltet stets ein Doppeltes: Zum einen wird der konkrete Verfahrensablauf durch regulative Vorgaben gesteuert 138, zum anderen wird das Verfahren selbst erst konstituiert und im Rechtssystem institutionalisiert 139 . Anders als die „Gesetze", denen prozeßhafte Naturvorgänge folgen, wirkt die regulative Steuerung durch Verfahrensordnungen prinzipiell „kontrafaktisch": Verfahrensnormen können übertreten und eben deshalb auch zum Maßstab einer Fehlerkontrolle gemacht werden.
Folgen im Verwaltungsrecht, S. 276 f.; Pitschas, Verwaltungs Verantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 294 f.; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahren, S. 73 ff. 136
Bottke, FS Roxin, S. 1243 (1244).
137
Hassemer, Einfuhrung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 139, gesteht nur dem letztgenannten Extrem die Bezeichnung „Interaktion" zu. Vgl. allg. zu monologischen Verfahren auch G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S. 35 ff. 138
Zum regulativen Charakter von Verfahrensnormen vgl. etwa Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 27; Sax, ZZP 67 (1954), S. 21 (23). 139 Ähnlich Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 61, 195 (regulative und konstitutive Verfahrensnormen), Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 98.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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Mit ihrer Betonung des spezifisch „dynamischen" Charakters von Verfahren und der Beschränkung auf den Prozeß vor Gericht schloß die ältere, an Goldschmidt anschließende Verfahrenstheorie 140 gleichsam wie von selbst jene Handlungszusammenhänge aus, die in Abfolge und Wirkung zwar ebenfalls Gegenstand rechtlicher Normierung sind, jedoch dem Regelungsbereich des vermeintlich „statischen" materiellen Rechts zugerechnet werden. Denn in einem freilich recht formalen Sinne kann man auch das deliktische Tatgeschehen als phasenhaften Ablauf verstehen (etwa: „Vorbereitung" „Versuch" - „Vollendung" - „Beendigung", oder auch „Täuschungshandlung" - „Irrtumserregung" - „Vermögensverfügung" bei § 263 StGB) 141 . Um ein „Verfahren" handelt es sich hierbei natürlich nicht, doch zwingt dieses Beispiel zu einer weiteren Präzisierung des Verfahrensbegriffs: Gemeint sind nur solche „Prozesse", die auch in ihrem Ergebnis am Recht orientiert sind. Eine weitere Eingrenzung des juristischen Verfahrensbegriffs wird durch den Ausschluß derjenigen Vorgänge erreicht, die nicht einmal potentiell einen irgendwie greifbaren Endpunkt erwarten lassen. Wenigstens als Möglichkeit muß das Prozedieren auf einen bestimmten Fluchtpunkt ausgerichtet sein, will sie als Verfahren im juristischen Sinne gelten. Dieses Ziel ist die Entscheidung 142 . Wichtig ist dabei allein die Aussicht auf eine Entscheidung als solche, das inhaltliche Ergebnis muß hingegen gerade noch offen sein, wenn die Veranstaltung eines Verfahrens denn nicht allein darstellende Funktion haben soll. Konnten so die „Prozesse" des materiellen Strafrechts aus dem Begriff des „rechtlich geordneten Verfahrens" ausgeschlossen werden, so bleiben noch jene „prozeßhaften" Vorgänge übrig, die den Gegenstand des materiellen Privatrechts bilden. Da sind zunächst die „Verfahren" der Willensbildung in Betrieben, Vereinen, Kapital- und Personengesellschaften oder auch Erben-
140
Gemeint sind namentlich Niese und Eberhard Schmidt.
141
Beispiele bei Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 181, der deshalb die „Dynamik" als Unterscheidungsmerkmal von Prozeßrecht und materiellem Recht verwirft. Vgl. insoweit bereits Nowakowski, Grundfragen der Lehre vom Strafprozeß, in: ders., Perspektiven zur Strafrechtsdogmatik, S. 227 (239). 142
Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 431: „Verfahren sind Systeme von Regeln und/oder Prinzipien zur Erzeugung eines Ergebnisses" (unter ausdrücklicher Einbeziehung der Normen des Vertragsrechts); Luhmann, Legitimation, durch Verfahren, S. 230 f. und passim; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 97; Schick,, StuW 1992, 197 (199). - Grundsätzlich anders Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 43 und passim.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
gemeinschaften 143. Weitaus interessanter noch die Vorgänge im Kernbereich des Bürgerlichen Rechts: Schuldverhältnis und Vertrag. Angesichts der im Zeitablauf möglichen Veränderungen der sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Pflichten und der hiergegen entstehenden Einreden und Gestaltungsmöglichkeiten stellt sich das Schuldverhältnis für Emmerich als ein „in der Zeit ablaufender und auf die Verwirklichung eines bestimmten Zieles hindrängender Prozeß" dar 144 . Und vollends verfahrensmäßig erscheinen die Vertragsverhandlungen, der Abschluß (als die von beiden Partnern verantwortete „Entscheidung") und die Durchführung des Vertrags 1 4 5 ' 1 4 6 . Sie alle sollen im folgenden jedoch außer Betracht bleiben. Das Interesse gilt mithin allein dem Verfahren als Verwirklichungsmodus staatlichen Handelns und Entscheidens.
3. Inneres und äußeres Verfahren Die in solchen Verfahren erarbeitete Entscheidung, so wird gesagt 147 , sei nicht nur verfahrensbeendender Akt, sondern selbst ein Vorgang, habe also 143
S. etwa die Hinweise bei v. Arnim, Staatslehre, S. 194, 200 f.; Bottke, FS Roxin, S. 1243 ff; Röhl, ZRSoz 1993, 1 (3 f.); Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 180. 144
Emmerich, Grundlagen des Schuldrechts, S. 294 f. Vgl. a. Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 25; Stalev, ZZP 88 (1975), 193 (194). Zu den Beziehungen von Vertrag und Verfahren auch Dreier, Recht und Gerechtigkeit, in: ders., Recht - Staat - Vernunft, S. 8. Vgl. a. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 211 („Verfahren" der Errichtung eines Testaments). Zu einem derart weiten Verfahrensbegriff a. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 431. 145 Tatsächlich bezeichnete das Gemeine Recht das Kausalgeschäft als ,,titulus"(!) für die Vollziehung („modus adquirendi" - seinerseits kein Vertrag!); s. nur Hattenhauer, Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts, S. 54 ff. Hinsichtlich der Paarung „Entscheidung - Vollzug" vgl. auch Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 67 ff. 146
Interessant ist dieser prozeßhafte Charakter des Vertrags deshalb, weil damit der Kerngedanke all derjenigen „Verfahrenstheorien" bezeichnet wird, die im consensus den Schlüssel zur inhaltlichen Akzeptabilität des Verfahrensergebnisses erblicken (Rawls, Habermas; Überblick bei G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S.29 ff.). Die Anführungszeichen sind dem Umstand geschuldet, daß es sich, jedenfalls was die ethischen oder rechtsphilosophischen Ansätze betrifft, weniger um Theorien des Verfahrens als vielmehr um Theorien der „prozeduralen Gerechtigkeit" handelt. Um Verfahrensrecht geht es ihnen deshalb nur am Rande, vgl. nur G.-P. Calliess, a.a.O., S. 84. 147
Vgl. oben Fn. 81.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
93
selbst „dynamischen" Charakter 148 . „Dynamisch" oder „prozeßhaft" scheint demzufolge - in eigenartiger Unschärfe der Begriffe 149 - mehreres am Entscheidungsverfahren zu sein. Für einen externen Beobachter befinden sich im Fluß des Verfahrens jedenfalls die Handlungen der darin interagierenden Personen, und die Regeln dieser Interaktion entnehmen sie dabei (zumindest auch) dem Verfahrensrecht, von dem gesagt wird 1 5 0 , es betreffe gerade den Weg, auf dem ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Der Weg zum Entscheidungsinhalt fuhrt freilich nicht ausschließlich über die Verfahrensakte und Handlungsbedingungen, die von den Regelungen des Verfahrensrechts erreicht werden 151 . Wenn Luhmann Entscheidungen als „nur aufgesetzte Lichter" bezeichnet, die „den unaufhörlich ablaufenden Prozeß der Verhaltensbestimmung nur teilweise beleuchten, die blenden und ablenken, die vieles im Dunklen lassen und es gerade durch die Blendung dem Einblick entziehen" 152 , so ist darin zunächst ein Hinweis auf die vielfältigen Motivations- und Beziehungsaspekte enthalten, die das Verfahrensund Entscheidungsverhalten insgeheim mitbestimmen 153 . Verborgen bleibt dem Blick auf den äußeren Handlungsablauf aber auch und vor allem der normorientierte und auf Rationalität verpflichtete innere Entscheidungsprozeß,
148 Vgl. insoweit auch Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 133. S. a. Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 181. 149
Schon bei Goldschmidt ist der Begriff der „Dynamik" nicht klar, vgl. Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 180 ff., im Anschluß an Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 23 ff. 150 Vgl. nur Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 313; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 224. 151
Zudem gibt es auch beim formellen äußeren Verfahren stets notwendig informelle, interne Vorüberlegungen (zum Ermittlungsverfahren instruktiv Bohnert, Die Abschlußentscheidung des Staatsanwalts, S. 424 f.). 152 153
Luhmann, Soziologische Aufklärung 3, S. 339.
Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 321. Vgl. a. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 338 (die rechtliche Ordnung der Staatswillenbildung durch Zuständigkeits- und Verfahrensnormen gebe nur die „äußere Kulisse" ab, vor der das eigentliche politische Kräftespiel ablaufe); Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 174 ff. Zu den Verbindungslinien zwischen Verfahren und Drama vgl. noch unten § 3 C.I.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
mit dem das „äußere" Verfahren 154 als beobachtbarer Handlungszusammenhang zwar synchronisiert, aber nicht identisch ist 1 5 5 . Ein „Verfahren" (vgl. oben § 2 B.II.l.b.) bilden solche inneren Operationen freilich nur im Sinne eines planmäßigen, methodengeleiten Vorgehens - nicht im Sinne einer zeitlichen Abfolge von einzelnen Schritten. Denn jene „Assimilation" (Arthur Kaufmann) von Norm und Lebenssachverhalt, die sich im „Hin- und Herwandern des Blickes" (Engisch) zwischen beiden vollzieht, ist „nicht als ein Nacheinander, sondern als ein Zugleich" zu verstehen 156. Die Differenzierung von Herstellung und Darstellung einer Entscheidung157 und die Einsicht, daß eine die Auslegungscanones ordnende Metaregel bislang nicht zu begründen war 1 5 8 , räumen der Methodik nur noch bei der Darstellung der Entscheidung einen Platz ein, verweisen sie also in die Entscheidungsgründe 159 . Dies gilt auch für Subsumtion und Syllogismus selbst 160 . Von 154
Zur Trennung von „innerem" und „äußerem" Verfahren vgl. auch v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 197; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 286 f. 155 Für das Gesetzgebungsverfahren etwa Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 256, im Anschluß an Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 174; für das Verwaltungsverfahren etwa Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 19 ff.; allg. auch Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 45. - Der im Zusammenhang mit dem „dynamischen" Charakter der Entscheidung (s. oben § 2 B.I.3.a.) gebrachte Verweis auf § 9 Hs. 2 VwVfG, § 8 Hs. 2 SGB-X (Entscheidung als Teil des Verfahrens) verwischt diese Trennung, denn insofern geht es allein um das in diesen Gesetzen geregelte „äußere" Verfahren. 156
Arthur Kaufmann, Die Geschichtlichkeit des Rechts im Licht der Hermeneutik, in: ders. (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 81 (100); Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 13 ff. Die fehlende Linearität jenes Vorgangs kommt auch im Bild der hermeneutischen „Spirale" bei Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 101 ff., zum Ausdruck. Insofern ähnlich Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: ders./ Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 30 (160): „gegenläufige Wendeltreppe"). 157 Vgl. etwa Hassemer, Einfuhrung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 116 ff.; ferner Robles, Rechtsregeln und Spielregeln, S. 18. 158
Vgl. etwa Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S.19 ff.; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 117. 159
Dann gilt: „Eine richtige Entscheidung ist eine methodengerecht begründete Entscheidung" (Engisch, Wahrheit und Richtigkeit im juristischen Denken, S. 14). 160 Vgl. a. R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 25.
Β. Die Grundbegriffe: Verfahren und Entscheidung
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„außen" wegen Fehlerhaftigkeit angreifbar ist das „innere" Verfahren damit prinzipiell nicht. Ansatzpunkte für Kritik bietet es nur, soweit sein Verlauf in der Entscheidungsbegründung „offengelegt" (genau genommen: erstmals in argumentativer Gestalt nach außen hin vollzogen) wird 1 6 1 .
161
Dementsprechend sind „Verfahrensfehler" auf diesem Gebiet regelmäßig der Sachrüge zuzuordnen.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
C. Institutionelle Verfahrensziele Die Kategorie der „institutionellen Verfahrensziele" 1 ist in der verfahrenstheoretischen Diskussion nicht nur die wichtigste, sondern zugleich auch die am wenigsten übersichtliche. Deshalb empfiehlt es sich, zunächst Klarheit über die Begriffselemente „Institution" und „Ziel" zu gewinnen (I.) und auf dieser Grundlage möglichen Gemeinsamkeiten in der Zielsetzung aller Verfahren nachzugehen (II.).
I. Grundlagen 7. Verfahren
als Institution
a) Die soziologische Sicht: Verfahren als institutionalisiertes soziales System Wenn Niklas Luhmann vom (gerichtlichen) Verfahren als einem „erlaubtem Konflikt" spricht 2, so steht dahinter zunächst die Vorstellung, mit dem Verfahren werde eine Form bereitgestellt, in die seit jeher auftretende Konflikte zulässigerweise verlagert werden können. Kommunikation über Rechte tritt an die Stelle des tatsächlichen Aufeinanderstoßens materieller Interessen3. Darin scheint als Konstitutivum aller Verfahren das Prinzip der Repräsentation auf. Als soziales System4 kann das Verfahren seine Umwelt thematisch und
1 Dazu grundlegend Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 45, 54 ff; ders., Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 95 ff. 2
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 100 ff. s. dazu auch dens., Rechtssoziologie, S. 172; Soziale Systeme, S. 451. Vgl. a. Hagen, ZZP 84 (1971), 385 (390). 3 4
Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechts formen im Sozialrecht, S. 55 f.
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 38 ff; Rechtssoziologie, S. 142 ff; zum Begriff vgl. a. dens., Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 23 ff. S. ferner etwa Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 202 ff; Sikora, Der Sinn des Verfahrens, in: Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren, S. 25 ff. Zur Rezeption in der Strafprozeßrechtstheorie s. etwa Schreiber, ZStW 88 (1976), 117 (135 ff); Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 98 f.; speziell für das Verwaltungsverfahren: Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 194 f.; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 290 f.; für den Zivilprozeß: Gilles, Prozeßrechtsvergleichung, S. 40. Einen abweichenden, kybernetisch-funktional istischen Modellen bewußt entgegengesetzten Begriff „konkreter Handlungssysteme" entwickeln Crozier/Friedberg, Macht und Organisation, S. 140 ff.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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personell nicht vollständig abbilden, ohne sein gerade auf Reduktion gegründetes Wesen zu verlieren 5. Das Verfahren als „soziologischer Tatbestand"6 ist damit in dieser Sichtweise ein mehr oder weniger feststehender, der Konfliktbegrenzung gewidmeter und insofern auch sanktionierter Komplex von Verhaltensmustern, mit anderen Worten: eine soziale Institution7. Verhaltenserwartungen werden generalisiert und gelten dann über längere Zeiträume für verschiedene Situationen und Personen8. Verfahren lassen sich dann als sozial institutionalisierte Prozesse der Entscheidungs- und Konsensbildung begreifen 9. Solche Institutionalisierung setzt eine wechselseitig verschränkte Dreiheit von Funktionen voraus: Handeln, Erwarten und „Drittersein" 10 . Bestimmte Handlungen werden erwartet und erfolgen auf Erwartungen hin, die ihrerseits von Dritten (vermutbar) erwartet werden. A erwartet, daß Β sich in bestimmter Weise verhält und daß C als Dritter das auch so sieht. Dieser Dritte ist nicht bloßer Zuschauer, sondern potentiell Beteiligter, Verbündeter oder auch neutral Entscheidender. Konstitutiv für das Verfahren als ein soziales System ist die Unterscheidung von seiner Umwelt. Um sich - in den Augen des Betrachters 11 - deutlich als System von seiner Umwelt abheben zu können, benötigt das Verfahren daher 5
Luhmann, Soziale Systeme, S. 47 f.
6
Im Sinne von Dürkheim, Die Regeln der soziologischen Methode, S. 105 ff. (114).
7
Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 31; ders., Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 46 ff.; ZZP 84 (1971), 385 (388 f.). Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, S. 198, weist mit Recht auf die Vorwegnahme dieser Sichtweise durch die Prozeßtheorie Goldschmidts hin (vgl. dazu unten § 3 C.IV.). Zum Institutionsbegriff vgl. nur Röhl, Rechtssoziologie, S. 365 f.; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 65 mit Fn. 73. Im Unterschied zu einem rein normsoziologischen Institutionenverständnis läßt Luhmann nicht nur aktuell vorhandenen Konsens über die jeweils konstitutiven Normen, sondern auch den bloß unterstellten Konsens abwesender Dritter genügen. 8
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 42.
9
s. etwa Bierbrauer/Klinger, Akzeptanz von Entscheidungen durch faire Verfahren, in: Haft/Hof/Wesche (Hrsg.), Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 349 (350); Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 31; ders., Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 46 ff.; Röhl, ZRSoz 1993, 1 (3). 10 11
Vgl. zum folgenden Luhmann, Rechtssoziologie, S. 65 ff.
Zur Bedeutung des „Beobachters" vgl. etwa Krieger, Einfuhrung in die allgemeine Systemtheorie, S. 18.
98
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
ein Mindestmaß an „Autonomie" in zeitlicher, sachlicher und sozialer Hinsicht 12 . Konkret bedeutet das zunächst eine gewisse zeitliche Strukturierung nach Anfang und Ende, die Beschränkung auf ein bestimmtes „Thema" bei gleichzeitiger, zumindest teilweiser Unabhängigkeit der im Verfahren produzierten Ergebnisse von externen Vorgaben sowie einen abgrenzbaren, nach möglichen Rollen gegliederten Teilnehmerkreis 13. All das kann Gegenstand entweder organisatorischer oder im engeren Sinne prozeduraler (den konkreten Ablauf in der Zeit betreffender) Regelungen sein. Richtet sich das Interesse jedoch auf die „Bedeutung", die ein solchermaßen beschaffenes System „Verfahren" nach außen hin haben kann, wird ein dritter Punkt wichtig: der „institutionelle Kern" des Verfahrens, d.h. seine Aufgaben für die Gesellschaft 14.
b) Die normative Sicht: Das Verfahren als Rechtsinstitut Auch aus Sicht der Juristen werden Verfahren durch ihre rechtliche Ordnung nicht nur in ihrem Ablauf geregelt, sondern überdies hinaus überhaupt erst konstituiert 15 . Die einzelnen Verfahrensordnungen stellen einen Fundus möglicher Formen bereit, in denen sich staatlich mitverantwortete, prozeßhaft ausgestaltete „Problemlösungen" vollziehen können, aber auch müssen. Sie entwerfen also in doppelter Weise eine „Handlungsordnung": Staatliches Handeln kann, ebenso wie die Verteidigung subjektiver Rechte durch den Bürger, erstens nur in Verfahren erfolgen, und das Handeln in diesen Verfahren
12 Vgl. zum folgenden Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 43, 47, 69 ff; dens., Rechtssoziologie, S. 172 ff; Stollberg-Rilinger, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren, S. 9 (15 ff). 13
Solche „Reduktion von Komplexität" ist nicht eigentlich kausale Folge der System-Arbeit, sondern konstitutiv für das System selbst: dieses existiert überhaupt nur aufgrund reduzierter Komplexität (es „ist" geradezu Reduktion). 14
Zu diesen drei Verfahrenselementen s. Bora, ZRSoz 1993, 55 (62); zustimmend Röhl, ZRSoz 1993, 1 (3). Vgl. a. die Elemente der Institution bei Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur und andere Aufsätze, S. 31 ff.: Leitidee/ Personalbestand/Regeln/„materielle" Ausstattung. 15
Zum regulativen und konstitutiven Aspekt von Verfahrensnormen noch eingehend unten § 5 A.III.3.b.cc.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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ist zweitens seinerseits rechtlich geordnet 16. Innerhalb des hierdurch vorgegebenen Rahmens ist eine beträchtliche Bandbreite von Variationen möglich. Festgelegt werden auf generell-abstrakter Ebene immerhin Form und Organisation der Entscheidungsfindung sowie der Kreis der potentiell Beteiligten.
c) Gemeinsamer Ertrag Die Institutionalisierung eines Verfahrens als Typus bedeutet für das einzelne Verfahren eine Entlastung und verbessert insoweit die Bedingungen für eine Konzentration auf Sachfragen 17. Denn sie schneidet den Streit darüber ab, wer sich nach welchen Regeln einer Sache annehmen soll 18 . Dies gilt umso mehr, als das Verfahrensrecht heute weitestgehend kodifiziert und damit für alle zugänglich und im Grundsatz auch eindeutig und klar ist. Verfahrensregeln müssen nicht jedesmal neu argumentativ behauptet und entwickelt werden - sie „gelten" einfach 19. Dies trifft etwa auf gerichtliche Verfahren sogar und gerade dann zu, wenn im Einzelfall Dissens darüber besteht, ob der richtige Rechtsweg gewählt 16 Dazu etwa Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 319 („externe" und „interne" Steuerung) ; Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht, S. 55; vgl. a. Beling, Grenzlinien zwischen Recht und Unrecht in der Ausübung der Strafrechtspflege, S. 6. Zum ganzen - unter dem Aspekt der Machtbegrenzung durch Verfahren(srecht) - noch näher unten § 2 F.III.2. 17
Dazu allg. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 42; ders., Funktionen und Folgen formaler Organisationen, S. 56 m.w.N. Vgl. a. R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 80; Ellscheid, Zur Forschungsidee der Rechtstheorie, in: Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 5 (14); Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einfuhrung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 248 (252, 254 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 28; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 213 f. 18 Ausgeschlossen wird mit anderen Worten ein „grenzziehender Diskurs" der Mitspieler über die Regeln des Spiels (vgl. Bateson, Ökologie des Geistes, S. 259 f.). 19
Über sie ist mit anderen Worten schon vorentschieden: im Sinne einer Festlegung und im Sinne einer Wahl (zu letzterem Gesichtspunkt s.a. Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnis Verfahrens, S. 30). - Zum ganzen a. Bierbrauer/Klinger, Akzeptanz von Entscheidungen durch faire Verfahren, in: Haft/Hof7Wesche (Hrsg.), Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 349 (350); Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 248 (254 f.).
100
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
wurde, ob das Gericht sachlich und örtlich zuständig ist oder ob die jeweiligen Entscheidungsträger am konkreten Verfahren mitwirken dürfen. Das Verfahren als Institution bleibt von solchem Streit unberührt, die Verfahrensordnung stellt vielmehr gerade Möglichkeiten der Klärung solcher Fragen bereit 20 . Hat ein bestimmtes Verfahren einmal begonnen, sind Meinungsverschiedenheiten über die Statthaftigkeit gerade dieser Verfahrensform oder über die Beteiligung gerade dieser Personen nur noch innerhalb dieses Verfahrens möglich 21 . Derartige Streitigkeiten werden - jedenfalls in erster Linie 2 2 - im Rahmen des Verfahrens selbst thematisiert, indem zu ihrer Klärung interne „Nebenschauplätze" eröffnet werden, in denen sich das Verfahren gleichsam selbst bespiegelt und kontrolliert 23 . Die „Berechtigung" des Verfahrens und seiner Regelungen auf institutioneller Ebene aber wird dadurch gerade nicht in Frage gestellt.
2. Institutionelle Zwecke Neben den bereits genannten organisatorischen und den Ablauf betreffenden „Spielregeln" 24 verdient ein dritter Aspekt besondere Aufmerksamkeit. Er wurde oben (§2C.I.l.a.) als „institutioneller Kern" eines Verfahrens bezeichnet und betraf dort allgemein die „Aufgaben des Verfahrens für die Gesellschaft".
20 Vgl. etwa die Vorabentscheidung über den Rechtsweg nach § 17a II, III GVG, das Zwischenstreitverfahren über die Zulässigkeit der Klage nach § 280 ZPO oder den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung gemäß § 222b StPO. 21
Auch dies wäre im übrigen ein Beispiel für eine „Verstrickung" in das Verfahren im Sinne von Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 82 ff. (87). Wer etwa die Prozeßfähigkeit der Gegenseite bestreitet, um eine Klageabweisung zu erreichen, oder sich verfahrensinterner Rechtsbehelfe bedient (Besetzungsrüge; Ablehnung wegen Befangenheit), kann nicht zugleich das konkrete Verfahren als ganzes „von sich weisen". 22
In zweiter Linie kommt eine externe Kontrolle durch Rechtsbehelfsverfahren in Betracht, die dann aber regelmäßig nicht mehr an die Verfahrensfrage als solche anknüpfen, sondern an die Endentscheidung. Oft werden bestimmte Verfahrensfragen in höheren Instanzen gar von vorneherein nicht mehr thematisiert (vgl. etwa § 6a StPO). 23
Beling hat dafür den plastischen Begriff der „Prozesseinlage" geprägt (Deutsches Reichsstrafprozeßrecht, S. 487 ff). Zum ganzen noch eingehend unten § 4 B.II.l.b. 24
Dazu noch eingehend unten § 3 C.II.
C. Institutionelle Verfahrensziele
101
Weder die systematisierende Darstellung von Verfahrensrecht, noch die theoretische Behandlung verfahrensrechtlicher Probleme vermögen darauf zu verzichten, auf solche „Ziele", „Zwecke", „Funktionen" oder eben „Aufgaben" des jeweiligen Verfahrens einzugehen25. Gleichwohl sind Inhalt und Verhältnis dieser prozeßtheoretischen Begriffe alles andere als klar 26 . Die Frage nach den Aufgaben oder „Zwecken" des VerfahrensrecÄte ist immerhin dies ist mittlerweile verfahrenstheoretisches Allgemeingut 27 - zu unterscheiden von der Frage, welche Aufgaben, Ziele oder Zwecke ein Verfahren (als Institution oder Einzelerscheinung) erfüllen soll (c) oder gar tatsächlich erfüllt (b). Abzugrenzen sind diese Problemstellungen weiterhin von einer anderen „Grundfrage" 28 der Verfahrenstheorie, der nach den „Maximen", „Grundsätzen" oder „Prinzipien" eines Verfahrens - Begriffe, die freilich zunächst ihrerseits einer Inhalts- und Verhältnisbestimmung bedürfen (a).
a) Verfahrensprinzipien aa) Prinzipien als Maximen Nach Rieß beschreiben Verfahrensmaximen „in zusammenfassender Form diejenigen Leitgedanken, die nach der jeweiligen Vorstellung der Rechtsgemeinschaft und des Gesetzgebers der Erreichung des Verfahrensziels am 25 Vgl. statt aller (für das Strafverfahren) nur Beulke, Strafprozeßrecht, Rz. 3 ff.; Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 2 ff.; LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 1 ff.; Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rz. 1 ff. s. allg. a. Schima, ÖZÖR 1956, 73 (78). 26
Unklarheiten stellt auch Schaper fest (Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 107). S. ferner Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 173. Für das gerichtliche Verfahrensrecht hat Schaper, a.a.O., S. 107 ff., insgesamt zwölf mögliche „Ziele" gezählt. 27
Vgl. nur Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 40 f.; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 132; Sieber, FS Roxin, S. 1113 (1127); ferner Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 173 f.; NK-Hassemer, vor §1 Rz. 341; vgl. unter systemtheoretischer Perspektive auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 175 f. Unklar dagegen die ältere Literatur, etwa Graf zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, S. 2; Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 17. LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 1 ff., unterscheidet dagegen der Sache nach klar, obwohl er die Aufgaben des StrafVerfahrensrec///^ mißverständlich als (vom Verfahrensziel zu trennenden) „Verfahrenszweck" bezeichnet. 28
Schmidt-Aßmann, JURA 1979, 505 (514 ff.).
102
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
dienlichsten sind" 29 . Sie sind demnach nicht mit den jeweiligen Verfahrenszielen identisch, sondern charakterisieren lediglich die Art und Weise, wie diese Ziele erreicht werden sollen 30 . Insoweit unterscheidet Rieß eine systematisierende, eine interpretatorische und eine rechtsgestaltende Funktion der Maximen 31 . Verfahrenstheoretisch interessant ist dabei zunächst ihre systematisierende Funktion bei der Erklärung einer bestimmten Verfahrensordnung und den hierdurch zur Verfügung gestellten Vergleichsmaßstab. Insbesondere durch die Formulierung von Gegenmaximen32 lassen sich einzelne Verfahren einander gegenüberstellen, wie es denn auch in Darstellungen des Strafprozeßrechts traditionell zur Abgrenzung gegenüber dem Zivilprozeß geschieht33. Aufgrund ihrer Stellung zwischen den jeweiligen Verfahrenszielen und noch allgemeineren Aussagen (wie etwa der Geltung des Rechtsstaatsprinzips) 34 ist ihre Unterscheidungskraft freilich von vornherein begrenzt 35. Ein und dasselbe Ziel kann unter Beachtung zweier gegensätzlicher Verfahrensmaximen verfolgt werden: Zur Gewährleistung einer der Wahrheit entsprechenden Entscheidungsgrundlage 36 verpflichtet § 244 II StPO das Gericht zur Amtsermittlung, während die ZPO mit ihrem Beibringungsgrundsatz und den Regelungen über das Bestreiten und Zugestehen darauf vertraut, aus Rede und Gegenrede der Parteien werde sich eine solche Entscheidungsgrundlage von selbst einstellen. Umgekehrt sagt die formale Übereinstimmung von Verfahrensmaximen in der
29
LR-Rieß, Einl. Abschn. H, Rz. 1 m.w.N.; ähnlich ders., FS Rebmann, S. 381 (382).
30
Insofern spiegelt sich die unterschiedliche Zweckausrichtung der Verfahren in ihren Maximen; so Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 631. Auch der Gesetzgeber differenziert häufig zwischen Zielen und Grundsätzen; vgl. etwa §§1,2 BNatSchG, 3 Nr. 2, Nr. 3 ROG. 31 LR-Rieß, Einl. Abschn. H, Rz. 2; ders. in: FS Rebmann, S. 381 (382 f.). Kritisch zur zirkulären Verwendung von „Prozeßgrundsätzen" bei der Interpretation einzelner Verfahrensnormen Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 106. 32
Vgl. Rieß, FS Rebmann, S. 381 (382); Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 76.
33
Vgl. nur Peters, Strafprozeß, S. 15 ff.
34
Zu dieser „Mittellage" Rieß in: FS Rebmann, S. 381 (383), mit Plädoyer für eine weitere Zwischenebene (S. 385). 35
Gegen die Überschätzung der Aussagekraft von Verfahrensmaximen etwa auch Kollhosser, JZ 1973, 8 (12), und schon Wach, Vorträge über die Reichs-Civilprocessordnung, S. 1 ff. Vgl. aber auch LR-Rieß, Einl. Abschn. H, Rz. 7. 36
Die genauere Verortung der Wahrheitsermittlung im Zielsystem des Strafverfahrens soll an dieser Stelle noch hintangestellt werden. Näher dazu unten § 2 C.II.2.
C. Institutionelle Verfahrensziele
103
Regel wenig aus, zumal sie in aller Regel nicht uneingeschränkt gelten, sondern durch die jeweils gegenläufigen Prinzipien teilweise wieder aufgehoben werden 37. Festzuhalten bleibt: Maximen in diesem (systematisierenden) Sinn sind nicht mit den Zielen des Verfahrens gleichzusetzen. Sie treffen keine Aussage über das Ziel selbst, sondern enthalten lediglich eine Beschreibung des Weges.
bb) Prinzipien als Normen Neben dieser deskriptiven Dimension der Verfahrensmaximen als systematisierenden Formulierungen verfahrensrechtlicher Grundgedanken de lege lata nennt Rieß neben ihrer Bedeutung als Orientierungshilfe bei der Interpretation einzelner Verfahrensnormen als dritte und heute wichtigste Funktion die als rechtspolitische programmatische Aussagen38. Damit wird freilich die Ebene der Beschreibung verlassen: Prinzipien wandeln sich von der Erklärung zur Begründung bestimmter Normen und Entscheidungen. Bleibt das in den so verstandenen Prinzipien enthaltene „Sollen" im Bereich der Rechtspolitik noch bloße Forderung an den Gesetzgeber, so erhalten sie als bereits geltende normative Aussagen vollends selbst den Charakter einer Rechtsquelle39. Sie stehen dann als allgemeinere, weniger bestimmte und insofern auch weniger verbindliche Grundsätze den präziseren und häufig vom Gesetzgeber ausformulierten „Regeln" gegenüber 40. Prinzipien sind dann
37
So wird der Zivilprozeß zunächst schriftlich in Gang gesetzt (§ 253 I ZPO). Das fortan geltende Mündlichkeitsprinzip (§ 128 I ZPO) wird sogleich wieder durchbrochen (§§ 128 II-IV, 276, 495a S. 1 ZPO). Eine tatsächlich stattfindende mündliche Verhandlung wiederum kommt ohne Bezugnahme auf die Schriftsätze meist nicht aus. Vgl. in diesem Zusammenhang schon Wach, Vorträge über die Reichs-Civilprocessordnung, S. 1 ff. 38
Rieß wie oben in Fn. 31. Vgl. etwa auch Fr. Weber, Studium Generale 13 (1960), 183 (185). 39
Grundlegend: Dworkin, Taking Rights seriously. Zum Verständnis von Prinzipien als Rechtsnormen vgl. Alexy, ARSP-Beiheft 25 (1985), 13 (19); ders., Theorie der Grundrechte, S. 75; Penski, JZ 1989, 105 (106); ferner K. Günther, Der Sinn fur Angemessenheit, S. 261 ff. 40
Dworkin, Taking Rights seriously, S. 14 ff. - An diese Unterscheidung schließen sich weitergehende an: Rechtssysteme können im Hinblick darauf unterschieden werden, ob sie dem Rechtsanwender durch die Setzung von Regeln tendenziell wenig eige-
104
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
„Gründe für Regeln" 41 oder überhaupt für Entscheidungen und benennen insoweit die maßgeblichen Abwägungsgesichtspunkte, ohne ein bestimmtes Entscheidungsergebnis schon vorwegzunehmen. Dieser normative Charakter von Prinzipien scheint bereits in der von Rieß genannten „interpretatorischen" Funktion von Verfahrensmaximen bei der Auslegung und Fortbildung des geltenden Verfahrensrechts auf 42 . Denn insofern schreiben sie gleichsam den Normtext fort, wenn sie ihn nicht geradezu (als die Verstehensleistung des Normanwenders prägender Faktor) mitkonstituieren 43. Nur Regeln geben an, was im Einzelfall geboten oder verboten ist. Sie erheben (für sich) einen unbeschränkten Geltungsanspruch, während Prinzipien gleichsam ex definitione beschränkbar 44, lediglich „Optimierungsgebote" 45 sind. Diese immanente gegenseitige Beschränkbarkeit der Prinzipien kann freilich zugleich als „Vorsprung" gegenüber den strikten Regeln gedacht werden: Während diese im Konkurrenzverhältnis in ihrer Geltung coupiert (und durch unzulässige Abweichung gebrochen) werden, bestehen Prinzipien auch dann, wenn sie hinter einem anderen Prinzip zurücktreten müssen, auf einer
nen Entscheidungsspielraum geben oder ob sie eher Prinzipien (etwa in Gestalt von Generalklauseln) formulieren, die erst bei der Anwendung auf den Einzelfall konkretisiert werden; vgl. etwa Summers, RTh 1992, 27 ff Vgl. a. die Entgegensetzung von konditionalen und finalen Entscheidungsprogrammen bei Luhmann (Legitimation durch Verfahren, S. 129 ff; Rechtssoziologie, S. 88) und die Unterscheidung von „Steuerung" durch „blinde" Regelbefolgung und „Regelung" im Sinne einer wechselseitigen Interaktion bei R.-P. Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, S. 17 ff. 41
Alexy, ARSP-Beiheft 25 (1985), 13.
42
Die „Regel-Prinzipien"-Diskussion wurzelt gerade in diesem Bereich: Esser hat die richterliche Rechtsfortbildung im Auge, und Dworkin entwickelt seine Konzeption aus der Kritik an der von Hart vertretenen These, bei der Entscheidung der vom Gesetzestext nicht geregelten „hard cases" sei der Richter völlig frei. Vgl. a. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 414: Auch die „gesetzesübersteigende" Rechtsfortbildung müsse, wenn auch extra legem, so doch intra ius erfolgen. 43
So wohl Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung.
44
Ähnlich Ellscheid, Das Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 190 ff, ihm folgend G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S. 27. 45
Alexy in: ARSP-Beiheft 25 (1985), 13 (19); Bottke, FS Roxin, S. 1243 (1248 mit Fn. 24). Kritisch zum Verständnis als Optimierungsgebot aber Penski y JZ 1989, 105 (109 ff).
C. Institutionelle Verfahrensziele
105
höheren „Wertebene" 46 unversehrt mit gleichsam „utopischem" Geltungsanspruch fort 47 . Mit Zielsetzungen sind Prinzipien freilich auch nach diesem Verständnis nicht identisch. Gründete sich die Abgrenzung ihrer deskriptiven Dimension zum Verfahrensziel auf die Verschiedenheit des Beschreibungsgegenstands, so ergibt sich der Unterschied in der zuletzt dargestellten normativen Dimension aus eben dieser Normativität: Zielangaben bezeichnen als solche nur einen bestimmten Zustand als erstrebenswert, enthalten dabei aber selbst noch kein „Sollen" 48 . Diese fehlende Normativität gewinnen Zielsetzungen erst dann, wenn sie von Prinzipien (als „Zielnormen") aufgenommen werden. Erst dann ist die Verwirklichung eines bestimmten Ziels nicht nur gewollt, sondern auch gesollt. Anders als bei Regeln bleibt aber offen, auf welche Art und Weise das geschehen soll.
b) Funktionale Dimension Zielsetzungen sind damit negativ - als nicht-deontologisch - gekennzeichnet. Sie drücken zunächst lediglich ein „Wollen" aus, das erst noch der Übersetzung in ein „Sollen" bedarf, etwa indem anderen die Orientierung auf das betreffende Ziel hin (durch ein „Optimierungsgebot" im Sinne Alexys) zur Aufgabe gemacht wird. Beide Fälle (schlichte Teleologie oder deren Transformation in eine normative Erwartung) enthalten ein intentionales Moment, dessen Entgegensetzung zu reiner Faktizität eine weitere klärende Abgrenzung der Ziele oder Zwecke eines Verfahrens, nämlich zu seinen „Funktionen" erlaubt. Mit ihrer Hilfe läßt sich die „Funktion" als Beschreibung der tatsächlichen Wirkungen und Folgen bestimmen, die aus der Veranstaltung des Verfahrens
46
Von „Werten" sind „Prinzipien" gleichwohl zu unterscheiden: Während diese einen deontologischen Charakter aufweisen, sind jene nur als „intersubjektiv geteilte Präferenzen" zu verstehen (Habermas, Faktizität und Geltung, S. 310 f.). 47
Vgl. a. Ellscheid, Das Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 143 (170). 48
Dworkin, Taking Rights Seriously S. 90 ff.; Penski, JZ 1989, 105 (106). Vgl. a. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 309 ff.
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bzw. der Anwendung bestimmter Verfahrensnormen erwachsen 49. Ohne Belang ist insoweit, ob diese Wirkungen (etwa vom Gesetzgeber der Verfahrensordnung) angestrebt werden oder gar werden sollten; entscheidend ist allein, welche „Bedeutung" einem Verfahren de facto zukommt, welche „Leistungen" 50 es wirklich erbringt. Anders als beim Zweck 51 fehlt hier das finale Moment. Die Unschärfe, in der die Begriffe „Ziel", „Zweck" und „Funktion" in der Verfahrenstheorie häufig gebraucht werden, dürfte - neben der spezifischen Verwendung des Wortes „Legitimation" - eine maßgebliche Ursache für die überwiegend kritische Aufnahme liegen, auf die die Thesen Luhmanns zur „Legitimation durch Verfahren" in der juristischen Fachöffentlichkeit gestoßen sind. Während die Juristen die Beschreibung der tatsächlichen soziologischen Bedeutung von Verfahren tendenziell als normative Aussagen mißverstehen, unterstellt Luhmann seinerseits der „klassischen" juristischen Theorie der Verfahrenszwecke die Absicht, damit zugleich Aussagen über die rechtstatsächlichen Wirkungen treffen zu wollen 52 . Inzwischen ist freilich auch in der juristischen verfahrenstheoretischen Diskussion erkannt worden, daß der sozialwissenschaftliche Begriff der Funktion kein intentionales Element jenseits des empirischen Befundes enthält 53 .
49
So etwa Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 133 (der Ziele freilich stets deontologisch versteht). - Abweichende Begriffsbildung etwa bei LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 10 ff; Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht, S. 54 f. 50
Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 29 ff; s.a. Bottke, FS Roxin, S. 1243 (1245 mitFn. 9). 51 Zum „Zweck" s.a. Bottke, FS Roxin, S. 1243 (1245 in Fn. 10): „Zustand, der durch ein Agieren überzufällig häufig erwirkbar ist und auf den zu erwirken es aus ist"; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 227. 52
Dies nun freilich nicht ganz zu Unrecht, weil mit der Beschreibung der normativen Verfahrenszwecke häufig Aussagen über empirische Funktionszusammenhänge vermengt werden, vgl. z.B. die unter Juristen verbreitete Behauptung, die Abschaffung der Institution des gerichtlichen Verfahrens würde gleichsam über Nacht zu Selbstjustiz und bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Kritik hieran etwa bei Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 61; Schöneborn, Strafprozessuale Wiederaufhahmeproblematik, S. 20. 53 Vgl. nur Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 98 f.; Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 205 f.; Neumann, ZStW 101 (1989), 52 (72 f.); Simons, Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht, S. 65 f.; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S.133 f. S. aber Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 200 f.
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Funktionale Analyse, wie Luhmann sie betreibt, fragt nach den tatsächlichen Leistungen der gesellschaftlichen Institution des rechtlich geordneten Verfahrens. Als „Technik der Entdeckung schon gelöster Probleme" beschreibt sie diese Leistungen nicht einmal als gleichsam objektiven „Zweck", sondern „rekonstruiert mit Hilfe systemtheoretischer Annahmen mit Vorliebe solche Probleme, die in der gesellschaftlichen Wirklichkeit schon keine mehr sind" 54 . Der hier verwendete Begriff der „Funktion" des Verfahrens unterscheidet sich vom „Verfahrenszweck" der juristischen Diskussion also nicht nur durch den Verzicht auf das intentionale Moment, sondern auch in der Ausrichtung auf Erklärung des Vorhandenen statt auf Beschreibung eines erst zu verwirklichenden Programms. Dabei geht es gerade nicht um das Aufzeigen von Kausalzusammenhängen. Die Rede vom „Zweck" der Institution Verfahren enthält einen doppelten kausalen Bezug: Das Verfahren existiert als Institution, weil es (vom Staat, von der Gesellschaft) eingerichtet wurde, und dadurch wird ein bestimmtes Ziel erreicht. Es wird gleichsam so verstanden wie „das Auge als gemacht zum Sehen, die Hand als gemacht zum Greifen" 55 . „Funktion" bezeichnet demgegenüber lediglich die faktische Abhängigkeit zweier Größen 56 , mag das Ergebnis einer funktionalen Analyse auch später dazu benutzt werden, auf der einen oder anderen Seite steuernd einzugreifen 57.
54
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Vorwort zur Neuauflage (1975), S. 6.
55
So Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, S. 314, im Hinblick auf die Rede vom „Zweck" der Strafe. Vgl. a. Dürkheim, Über soziale Arbeitsteilung, S. 95 ff. 56 Zu einem solchen Verständnis vgl. a. Krauß, Zur Funktion der Prozeßdogmatik, in: Kielwein-Colloquium, S. 1 ff. - Die allgemeine systemtheoretische Aporie in der Frage, ob die zu reduzierende Umweltkomplexität Bedingung für die Konstitution von Systemen ist oder umgekehrt, dürfte letztlich auf derselben Problematik beruhen. 57
Diese Möglichkeit sieht natürlich auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Vorwort zur Neuauflage (1975), S. 6. Als wissenschaftliches Projekt (im Sinne von Toulmin, Voraussicht und Verstehen) stellt der funktionalistische Ansatz freilich die Erklärung und weniger die prognostischen oder gar sozialtechnologischen Nutzanwendungen seiner Theorie in den Mittelpunkt.
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c) Instrumentelle Dimension aa) „Ziele" und „Zwecke" Demgegenüber begnügt sich die Frage nach den „Zielen" und „Zwecken" eines Verfahrens mit dem Befund tatsächlich erbrachter Verfahrensleistungen nicht; herkömmlicherweise ist sie im Gegenteil geneigt, ihn sogar zu ignorieren. Ihr Interesse gilt allein den normativen Fluchtlinien, denen das Verfahren als Institution nach den Vorstellungen seiner Schöpfer folgen soll 58 . Gelegentlich wird versucht, zwischen „Zielen" und „Zwecken" in diesem Sinne eine weitere Unterscheidung zu treffen. Eine solche Differenzierung erscheint jedoch schon sprachlich wenig glücklich, da sie in der allgemeinsprachlichen Wortbedeutung keinen Anhaltspunkt findet 59 . Gemeint ist damit offenbar auch juristisch meist dasselbe60. Die Frage nach den Verfahrenszielen betrifft demnach den „Sinn", der der Einrichtung und Veranstaltung von Verfahren normativ zugeschrieben wird. Sie zielt damit zugleich auf den Grund für die prozedurale Form staatlichen
58 Deutlich etwa Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 53: der Prozeßzweck „ergibt sich nicht aus der Beobachtung des Prozesses, wie er ist, sondern darauf, wie er sein soll". Zur Kritik im Anschluß an den Funktionalismus Luhmanns s. etwa Schöneborn, Strafprozessuale Wiederaufnahmeproblematik, insbes. S. 15. Mit dem hier zugrunde gelegten „instrumenteilen" Verständnisses der Verfahrensziele erledigt sich zugleich der Einwand F. v. Hippels, der Prozeß sei „kein Subjekt, dem man Eigenschaften und Zielstrebigkeiten (,Zwecke') zuschreiben könnte" (Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 170). 59
Zum „Zweck" in der (heute wohl noch im Wort „Reißzwecke" fortlebenden) Bedeutung eines nagelartig das Zentrum einer Zielscheibe markierenden Spans vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 32, Sp. 956. 60
In der Zivilprozeßrechtslehre wird - Schaper zufolge (Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 107) - die Bezeichnung „Zweck" bevorzugt, während Strafprozessualisten meist vom „Ziel" des Prozesses sprechen. Im Text werden fortan beide Begriffe synomym verwendet. Pitschas will dagegen Verfahrenszwecke verstehen als „die Beiträge, die ein Verfahren im Vollzug seiner Arbeitsabläufe für die Zielerreichung erbringen soll" (Verwaltungsverantwortung und Verwaltungs verfahren, S. 315). Das wären dann sozusagen einzeln ausformulierte „Aufgaben", mit denen auf das Ziel hingearbeitet werden soll (zu einem solche Begriff der „Aufgabe" vgl. a. Kratzsch, Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht, S. 347). Auch LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 4 ff., besteht auf der Trennung von „Ziel" und „Zwecken" des Strafverfahrens, wobei mit letzteren freilich der Zweck des StrafprozeßrecA/s gemeint sein dürfte. Zu dieser Unterscheidung sogleich im Text.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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Handelns und Entscheidens: Was soll gerade durch die Durchfuhrung eines Verfahrens erreicht werden?
bb) Normative Ziele und individuelle Interessen Diese Frage ist zunächst gegen eine andere abzugrenzen, nämlich gegen die nach den Zwecken, die die an einem konkreten Verfahren Beteiligten darin (allgemein oder mit einzelnen Verfahrenshandlungen) verfolgen 61 . Denn die vom einzelnen im Verfahren verfolgten Interessen brauchen sich keineswegs mit denen der Allgemeinheit zu decken62. So kann eine Strafanzeige (§ 158 I StPO) ein Mittel sein, um jemanden zur Erfüllung zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Pflichten zu bewegen (die Institution der eidesstattlichen Versicherung gemäß §§ 899 ff ZPO scheint ein solches Vorgehen geradezu ermöglichen zu wollen). Aufwendige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft etwa in Wirtschaftsstrafsachen - lassen sich (z.B. über das Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406e StPO) als kostengünstige Vorbereitung eines Zivilprozesses „mißbrauchen". Zwar ist es „ohne Sinn, mit dem materiellen Strafrecht ein Denken in Anspruchsbeziehungen zu verbinden" 63 . Gegenstand des Strafverfahrens ist deshalb nicht die Entscheidung über einen gegen den Beschuldigten geltend gemachten Strafanspruch, und wenigstens insofern kann - worauf Volk zu Recht hinweist - von einem Interessengegensatz nicht gesprochen werden. Vielmehr geht es um ein staatliches Eingriffsrecht, das bereits auf materieller
61
s. bereits Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts I, S. 4.
62
Durchgeführt findet sich ein derartiges Prozeßverständnis aber etwa bei Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre. Vgl. aber auch die These F. ν. Hippels von der „Aufklärungsgemeinschaft der Beteiligten unter richterlicher Führung" (Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 218 ff); ferner Pawlowski, ZZP 80 (1967), S. 345 (357). Kritisch zu totalitärem Verfahrensdenken etwa Hassemer, KritV 1990, 260 (264 f.); zur gesellschaftspolitischen Dimension des in der Zivilprozeßrechtstheorie geführte Streits, ob der Zivilprozeß vornehmlich dem Schutz subjektiver Rechte oder der Verwirklichung des objektiven Rechts diene (dazu etwa Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 3; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 58; Wolf Gerichtliches Verfahrensrecht, S. 11 f.), vgl. - am Beispiel des damaligen DDR-Zivilprozesses -Jauernig, JuS 1971, 329 (332 f.). 63
Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 183, ähnlich bereits S. 175.
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Ebene vielfältige Begrenzungen erfährt 64. Daß aber der Beschuldigte realiter andere Interessen hat als die Strafverfolger, ist schlicht nicht zu leugnen, und gerade weil seine Interessen im materiellen Recht nur rahmenhaft berücksichtigt sind, ist ihm an einer erst im Prozeß zu erreichenden Begrenzung staatlicher Eingriffsmacht gelegen. Es liegt geradezu im Wesen eines ergebnisoffenen Verfahrens (§ 2 B.I.2.d.), gegensätzliche Positionen auch noch während seines Verlaufs lebendig zu halten, also die Bearbeitung eines gemeinsamen Themas als „integrativen" Konflikt auf gemeinsamer Grundlage 65 und zugleich von unterschiedlichen Standpunkten aus zu ermöglichen 66. Die Strafprozeßordnung führt diesen Gedanken in der gleichzeitigen Präsenz von Angeklagtem, Verteidiger und Staatsanwaltschaft (§§ 226, 230 I, 145 I StPO) bis zum Ende der Hauptverhandlung mit wechselseitigen Schlußvorträgen und „letztem Wort" durch (§ 258 StPO). Auch die Zielsetzung einzelner Verfahrenshandlungen kann der normativen „Bestimmung" des Verfahrens zuwiderlaufen. Ihren „formalen" Bezug zum Verfahren und dessen Abschluß - selbst wenn ein solcher gar nicht gewollt ist oder wenigstens verzögert werden soll - dürfen sie zwar nicht ablegen, wenn sie als Verfahrensakt beachtet werden sollen. Aber gerade deshalb ist eben auch „dysfunktionales Prozessieren" möglich, und die Verfahrensordnungen sind sich dieser Möglichkeit auch bewußt (vgl. nur § 244 III Var. 6 StPO: Ablehnung eines Beweisantrags, der zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellt wurde). Im folgenden geht es demgegenüber allein um die normative Zwecksetzung des Verfahrens, um seinen „institutionellen Kern" 67 .
64 Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 175. A.a.O. S. 185 nennt er als Beispiele die Beschränkung auf den Schutz von Rechtsgütern, den „ultima ratio"Gedanken, die Sozialadäquanz und den Schutzzweck der Norm. 65
Zu dieser Unterscheidung Bühl, Theorien sozialer Konflikte, S. 29, im Anschluß an Coser und Geiger. 66 Vgl. dazu Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 50 f. Die Gegenüberstellung zweier „Parteien" im Hauptverfahren der StPO ist deshalb keine bloße verfahrenstechnische Äußerlichkeit, wie Graf zu Dohna meint (Das Strafprozeßrecht, S. 4). Abgesehen davon ist die Strafjustiz immerhin „ordentliche streitige Gerichtsbarkeit", wie sich aus § 2 EGGVG und § 13 GVG ergibt, und Rechtsbeugung „zum Nachteil einer Partei" (§ 339 StGB) ist auch in Strafsachen möglich. 67
Bora, ZRSoz 1993, 55 (62) - vgl. schon oben Fn. 14.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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cc) „Interne" und „externe" Sichtweise Welchen Zweck ein bestimmtes Verfahren als Institution hat, kann unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht werden. Es empfiehlt sich, zunächst bei ganz konkreten Verfahrensordnungen anzusetzen und dort nach allgemein üblichen Unterscheidungen zu suchen. Dies führt zunächst im wesentlichen zu zwei gängigen Betrachtungsweisen, die durch die Kategorien (1) „Instanz" und (2) „Bezug zur Entscheidung" gekennzeichnet sind. (1) Unter dem Aspekt der „Instanz" 68 läßt sich der institutionelle Zweck von Verfahren danach unterscheiden, ob sie als erste oder im Wege eines Rechtsbehelfs gegen bereits ergangene Entscheidungen mit einer bestimmten Sache befaßt sind, sei es, daß sie diese Entscheidungen nur unter bestimmten Gesichtspunkten zu überprüfen sind 69 , sei es, daß eine „zweite Erstentscheidung" zu treffen ist 70 . (2) Der unterschiedliche Bezug zu den in Verfahren zustande kommenden Entscheidungen erlaubt ebenfalls eine grundlegende Differenzierung der Verfahrenszwecke. Die meisten rechtlich geregelten Verfahren lassen sich formal danach unterscheiden, ob sie der Erarbeitung oder der Durchsetzung von Entscheidungen dienen71. So schließt sich an das rechtskräftige Strafurteil ein Vollstreckungsverfahren an (§§ 449 ff. StPO), das Verfahren der Verwaltungsvollstreckung setzt regelmäßig einen Verwaltungsakt voraus ( § 6 1 VwVG) 7 2 .
68
Vgl. insoweit auch Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 113 ff.
69
So die Revision im Strafprozeß (§§ 333 StPO) und in den anderen gerichtlichen Verfahrensordnungen, letzlich aber auch die Berufung im Zivilprozeß (vgl. § 513 I ZPO) oder die weitere Beschwerde nach § 27 I 1 FGG. 70
So etwa die strafprozessuale Berufung (§§ 312 ff. StPO) oder auch das Widerspruchs- bzw. Einspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO bzw. §§ 347 ff AO). 71 Darauf weist oft schon die Gliederung im Text der Verfahrensordnungen hin (Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 13). Vgl. zu dieser Unterscheidung auch Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 67 ff; Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 116 ff. (mit der zusätzlichen Unterscheidung von Verfahren, die der Sicherung der beiden genannten Verfahrenstypen dienen). Auch die Prozeßrechtsvergleichung unterscheidet Erkenntnisverfahrensrecht und Vollstreckungsrecht (vgl. Gilles, Prozeßrechtsvergleichung, S. 27 f.). - Wiederaufgegriffen wird diese Unterscheidung unten § 3 B.I. 72
Zum Verwaltungsakt als „Erkenntnisakt" vgl. etwa Renck, BayVBl 1973, 365 (367); kritisch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 187. Zur Problematik der Parallele von Verwaltungsakt und Urteil allg. Bettermann, GS W. Jellinek, S. 361 ff.
112
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Die beiden genannten Betrachtungsweisen suchen die Verfahrenszwecke gleichsam von innen heraus zu bestimmen. Denn letztlich benennen sie nur wichtige Teilfunktionen innerhalb eines einheitlichen Vorgangs: Die Instanzenzüge sind nur Teile des Erkenntnisverfahrens, Treffen und Durchsetzen von Entscheidungen bilden letztlich zusammen ein einheitliches „Vorgehen". Demgegenüber fragt ein dritter Ansatz nach den Aufgaben, die einem bestimmten Verfahren gewissermaßen von außen gestellt sind, welchen Zweck es also innerhalb größerer Zusammenhänge erfüllen soll. Einen ersten Anknüpfungspunkt findet er zunächst in der Zuordnung eines bestimmten Verfahrens zu einer der drei überlieferten Staatsfunktionen. Auf der Ebene des einfachen Rechts, insbesondere des jeweils einschlägigen Verfahrensrechts, können dann die spezifische Zwecksetzungen näher bestimmt werden. Es geht also im weitesten Sinne um die „Instrumentalfunktion" von Verfahren 73. Der Begriff der „Staatsfunktion" ist allerdings nicht eindeutig. Er kann zunächst einmal die Aufgaben des Staates in der modernen Gesellschaft beschreiben 74. Ein mehr politologisches Verständnis des Begriffs macht dagegen (auf einer höheren Ebene) die bereits eingeführte formale Dichotomie von Grundentscheidung und Durchführung fruchtbar 75. Geeigneter für die Suche nach „Instrumentalfunktionen" erscheint jedoch die Frage nach der Art und Weise, in der die Staatsaufgaben erfüllt werden. Sie zielt auf die in Artt. 1 III, 20 II 2 GG verankerte Funktionenordnung 76. Denn die Bedeutung eines konkreten Verfahrenstyps erschließt sich maßgeblich aus dem Gesamtauftrag, der dem jeweiligen Funktionsträger obliegt. Die Zweckbestimmung des Verwaltungsverfahrens etwa ist von der hierdurch ausgeübten Staatsfunktion nicht zu trennen 77. Eine Unterscheidung nach der jeweils ausgeübten 73 s. dazu etwa Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 201 f. - Die Darstellung beschränkt sich, der oben (§ 2 D.II. 1 .b.) gemachten Einschränkung des hier verwandten Funktionsbegriffs gemäß, auf normative Zwecksetzungen; um eine soziologische „funktionale Analyse" im Sinne von Luhmann geht es dagegen nicht. 74
Vgl. nur Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 300.
75
Hierzu ausführlich Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 67 ff. - Eine ähnliche Unterteilung böte etwa die Entgegensetzung Normsetzung - Normanwendung. 76 Zur Bedeutung dieser Funktionenordnung für die jeweiligen Verfahren vgl. a. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 538. 77
Vgl. nur Wahl, VVDStRL 41 (1983), 157. Kritisch dazu etwa Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 47, der hierbei die Beteiligung des Bürgers nicht hinreichend berücksichtigt sieht.
C. Institutionelle Verfahrensziele
113
Staatsfunktion kann freilich naturgemäß nur eine erste grobe Orientierung liefern: Nicht nur, weil die Funktionsbereiche Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung 78 sehr weit und damit für sich allein noch nicht spezifisch genug sind 79 , sondern bereits deshalb, weil sie als bloße Mittel staatlichen Wirkens nur sehr begrenzte Aussagen über dessen Inhalte und Zwecke zulassen80. Gleichwohl ist die durch das Funktionenteilungsproblem vermittelte Anbindung an staatstheoretische Grundkategorien für ein umfassendes Verständnis eines bestimmten Verfahren unerläßlich 81. Kann also eine sinnvolle Beschäftigung mit den institutionellen Zwecken eines Verfahrens bei der Zuordnung zu einer der drei in Art. 20 I I 2 GG genannten Funktionsbereiche nicht stehen bleiben, so muß sie den hierdurch vorgezeichneten „Gesamtauftrag" auf das jeweils in Rede stehende Verfahren näher konkretisieren.
II. „Allgemeine" Verfahrensziele? Dabei stellt sich freilich zunächst die Frage, ob es - wie es die Rede von einer „allgemeinen Verfahrenstheorie" nahezulegen scheint - so etwas wie „allgemeine" Verfahrensziele gibt, die gewissermaßen auf einer Zwischenebene (zwischen der jeweils ausgeübten Staatsfunktion und ganz spezifischen
78
Nur diese drei nennen die Artt. 20 II 2, 1 III GG. Ob dieser überlieferten Trias noch die Regierung („Gubernative") sowie die verfassungsgebende Gewalt des Volkes hinzuzufügen sind, mag hier offenbleiben (gegen die Hereinnahme des pouvoir constituant mit guten Gründen Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 308). 79
Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 104, spricht dieser Unterscheidung daher letztlich die Brauchbarkeit für die Allgemeine Verfahrenslehre ab. Soweit muß man nicht gehen, solange man den Wert dieser Unterscheidung nicht überschätzt. 80
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz.
501. 81
Ähnlich Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungs verfahren, S. 316. Zur Bedeutung der Gewaltenteilungslehre als Auslegungstopos vgl. auch Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, S. 49 f. Deutlich wird die Relevanz der Staatsfunktion für die Charakterisierung eines Verfahrens auch unter dem grundrechtsdogmatischen Aspekt eines Anspruchs auf ein bestimmtes Verfahren, wie er etwa in BVerfGE 24, 367 (402 f.) - „Hamburger Deichordnung", thematisiert wird (dort: Vorrang der Administrativenteignung). Den staatsrechtlichen Hintergrund der meisten öffentlich-rechtlichen Aspekte der Verfahrensordnungen sieht freilich auch Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre und verfassungsgerichtliches Verfahren, S. 29.
114
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Zwecken eines Verfahrens) Gesichtspunkte „mittlerer Reichweite" erschließen könnten. Mehrere Gesichtpunkte bieten sich in diesem Zusammenhang an: der Bezug des Verfahrens auf die abschließende Entscheidung (1.), die Ermittlung von Wahrheit (2.) und die Verwirklichung „materiellen" Rechts (3.). Möglicherweise lassen sich die genannten Aspekte auch zu einem noch globaleren Konzept zusammenfassen (4.).
7. Entscheidungsbezug Beschränkt sich die Beschäftigung mit den möglichen Verfahrenszielen (wie hier) auf solche Verfahren, in den eine abschließende Entscheidung angestrebt wird oder wenigstens als Möglichkeit im Raum schwebt, liegt es zunächst nahe, auch die Zielbestimmungen an dieser Entscheidung zu orientieren. Recht schnell erweist sich ein solches Vorgehen freilich als durchaus problematisch. Besonders deutlich wird das beim Versuch, die abschließende Entscheidung selbst als „formelles Ziel" des Verfahrens aufzufassen 82. Letztlich handelt es sich dabei um die Verwechslung zweier abweichender Bedeutungen, die äquivok im Wort „Ziel" zusammenfallen: Immer bezeichnet es einen Endpunkt, nicht zwingend enthält es dagegen auch ein intentionales Element 83 . Der Abschluß des Verfahrens ist sein Ende, das Ende der Hauptverhandlung ein Urteil (§ 260 I StPO); Verwaltungsverfahren sind, wie den § 9 Hs. 1 VwVfG, § 8 Hs. 1 SGB-X zu entnehmen ist, auf einen Abschluß (durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag) „gerichtet" 84 . Darin liegt eine Be82
Vgl. etwa Paulus, GS Meyer, S. 309 (315).
83
Entsprechendes gilt möglicherweise für das lateinische „finis" (vgl. Pokorny, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, Bd. 1, S. 243 f.). 84
Nur in diesem Sinne ist die Entscheidung „Ziel- und Schlußpunkt"; s. Wahl, Art. „Verfahren", in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, Sp. 629. Es gibt freilich Verfahren, die dieses Ziel verfehlen: die „im Sande verlaufen", wenn sich ihr „Gegenstand" im weitesten Sinne „erledigt" hat, oder die schlicht ruhen. Das gilt insbesondere bei Verfahren, deren Gegenstand sich erst im Verlauf des Verfahrens konkretisiert (eine Behörde prüft, ob in einer Angelegenheit „etwas" zu unternehmen ist; Ermittlungen gegen Unbekannt verlaufen ergebnislos). Manche Prozeßordnungen streben eine Beendigung ohne Urteil geradezu an (vgl. nur § 278 ZPO; § 15a EGZPO; § 54 I ArbGG; vgl. a. § 380 StPO) oder nehmen sie doch in Kauf (wie §§ 153 ff. StPO). Der Beendigungsakt kann eine bestimmte Form annehmen (etwa die des Prozeßvergleichs) oder schlicht im Unterlassen weiterer verfahrensfordernder Schritte bestehen (s.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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Schreibung, vielleicht sogar eine Definition des Verfahrens, mehr aber auch nicht 85 . Die Abschlußentscheidung ist - als eine der wichtigsten Verfahrenshandlungen - selbst Teil des Verfahrens 86. Ein Bestandteil kann aber nicht zugleich ein erst anzustrebendes Ziel sein. Auf die Entscheidung hin orientiert sind allenfalls die einzelnen Verfahrensakte der Beteiligten 87 . Wenn daher gegen die These Goldschmidts, „Prozeßziel" sei die Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung88, der Vorwurf der Tautologie erhoben wird 8 9 , geschieht dies - jedenfalls zunächst - zu Recht. Äußert sich in der Rechtskraft der Entscheidung nur die prozessuale Konsequenz ihrer Endgültigkeit (denn ihre Verbindlichkeit außerhalb des Prozesses verdankt sie bei
etwa Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 9 Rz. 34). Streng formalisierte Verfahren werden dagegen stets durch eine der von der Verfahrensordung vorgesehenen Entscheidungsformen beendet. Die „Erledigung" des Verfahrensgegenstands verhindert lediglich eine Entscheidung über diesen (also „in der Sache"), nicht eine Entscheidung über das Schicksal des Verfahrens selbst (so zutreffend jetzt auch BGHSt 45, 108, 113). Denkbar sind sogar Verfahrensformen, die ganz ohne eine im Raum stehende Entscheidung auskommen (s. etwa den Hinweis von Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 21, auf das „ewige Gespräch" im Parlament außerhalb eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens). 85
Vgl. Bohnert, Die Abschlußentscheidung des Staatsanwalts, S. 13, 394. Gegen eine Überschätzung der „Zielgerichtetheit" auch Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 106 f. SCÜt, ZZP 67 (1954), 21 (26), hält eine auf den Verfahrensabschluß rekurrierende Zielbestimmung dagegen lediglich für unspezifisch. 86
Vgl. etwa § 260 I StPO; § 9 Hs. 2 VwVfG; § 8 Hs. 2 SGB-X. Auch hierzu kritisch Rödig wie in Fn. 85. 87
Vgl. Hagen, Allgemeine Verfahrenslehre, S. 25; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 195; Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 57; Rieß, FS K. Schäfer, S. 155 (171); Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 97; Eb. Schmidt, Lehrkommentar I, Rz. 33. 88 89
Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 151.
Sax, ZZP 67 (1954), 21 (27: „Selbstzweck"), Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 131 („tautologisch"). Kritik etwa auch bei Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 48 ff.; Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnis Verfahrens, S. 29; Rüping, Theorie und Praxis des Strafverfahrens, Rz. 21; Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 179. Daß Goldschmidts „Prozeßziel" nur im Sinne „eines äußeren Endziels, nicht eines den Prozeß innerlich erklärenden Endzwecks" zu verstehen ist, wird demgegenüber klar erkannt von Hegler, GS 93 (1926), 440 (448). - Giorgio Agamben sieht dagegen gerade in einer solchen „autoreferentiellen Natur" des („Wahrheit" und „Gerechtigkeit" gegenüber prinzipiell gleichgültigen) Urteils das eigentliche Wesen des Rechts (Was von Auschwitz bleibt, S. 16) und deutet auch Kafkas „Proceß" in dieser Weise.
116
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Goldschmidt dem „soziologischen Machtprinzip" 90 ), so bleibt als „Ziel" des Verfahrens nur, daß es irgendwann fur immer zu Ende ist. Dieses strikt prozessuale Verständnis des Prozeßziels blendet notwendig alle prozeßexternen Aspekte aus. Da es jedoch nicht möglich ist, den Zweck einer Sache rein aus ihr selbst heraus zu bestimmen, erschöpft sich eine solche rein „prozessuale" Bestimmung des Verfahrens„ziels" letztlich mit Notwendigkeit in einer bloßen Beschreibung des Verfahrens selbst. Eine darüber hinausweisende Aussage über den institutionellen Zweck des Verfahrens liegt darin also nicht. Eine solche Betrachtung hat Goldschmidt freilich ausdrücklich als „metaphysisch" abgelehnt und demgegenüber für einen „empirischen" Zugang zu Prozeß und Prozeßrecht optiert. Ihm geht es also bei der These von der Rechtskraft als „Prozeßziel" gerade nicht um den institutionellen „Sinn" des Prozesses (insbesondere nicht im Hinblick auf das im Prozeß durchzusetzende materielle Recht) 91 . Auf der (von Goldschmidt so genannten und ebenfalls behandelten) „metajuristischen" Ebene liegen die Dinge möglicherweise anders. In anderem Zusammenhang wird darauf noch zurückzukommen sein (§ 3 C.IV.). Nicht viel anders als bei den genannten Versuchen, das Ziel des Verfahrens mit seinem Abschluß zu identifizieren, liegt es schließlich auch bei Formulierungen, die auf eine bestimmte Eigenschaft der Entscheidung abheben, indem etwa ihre „Justizförmigkeit" verlangt wird 9 2 . Im Grunde geht es dabei eher um Anforderungen an die Qualität des Verfahrens als um die Kennzeichnung dessen, was mit dem Verfahren erreicht werden soll 93 .
2. Wahrheit Eine andere allgemeine Verfahrenszielbestimmung scheint demgegenüber plausibler: Nach durchaus verbreitetem Verständnis sind alle rechtlich geordneten Verfahren in irgendeiner Weise an „Wahrheit" orientiert 94 . 90
Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 246.
91
Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 150.
92
Beispielsweise bei Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 2 ff.; Schlüchter, Das Strafverfahren, Rz. 1 ff. 93 94
So zutreffend Heinze, SGb 1984, 390; Neumann, ZStW 101 (1989), 52 (61).
Vgl. etwa v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 203 ff.; Kollhosser, JZ 1973, 8 (11); Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 16;
C. Institutionelle Verfahrensziele
117
Ausdrückliche Hinweise darauf finden sich in vielen Verfahrensordnungen (etwa §§ 138 I, 286 I 1 ZPO; § 77 I 1, I I Nr. 1, III OWiG; § 26 I 1 BVerfGG; Art. 47 § 5 VerfO EuGH). Die Strafprozeßordnung verpflichtet das Gericht in § 244 II „zur Erforschung der Wahrheit". Es hat deshalb auch die Zeugen „zur Wahrheit zu ermahnen" (§ 57 S. 1). Sie müssen unter Umständen schwören, „die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen" zu haben (§ 66c I, II) oder dies eidesgleich bekräftigen (§ 66d), und wer in diesem Sinne „falsch" aussagt oder schwört, macht sich strafbar (§§ 153 ff. StGB). Der Wahrheitserforschung dienen ausdrücklich etwa auch §§ 58a I S. 2 Nr. 2, 81c I, 112 II Nr. 3, 247 S. 1 StPO. Dennoch sind gegen die durch diesen Befund nahegelegte These von der „Wahrheit" als institutionellem Zweck aller Verfahren, sogleich einige Einwände zu erheben. Luhmanns grundsätzliche Kritik am „Wahrheitsbezug" öffentlicher Verfahren 95 ist dabei nicht einmal der erste. Bevor auf diese Einwände einzugehen ist, empfiehlt es sich, die möglichen Verhältnisbestimmungen von Verfahren und „Wahrheit" auf zwei grundsätzliche Modelle zurückzufuhren (a). Nachdem sodann der Frage nachgegangen worden ist, welchen Sinn „Wahrheit" als Zielvorgabe eines Verfahrens überhaupt haben kann (b), ist auf die Existenz und Reichweite solcher Zielvorgaben im bestehenden Verfahrensrecht einzugehen (c), wobei das Strafverfahrensrecht im Mittelpunkt stehen soll.
a) Ausgangspunkt Für das Verhältnis eines Verfahrens zu der „Wahrheit" oder „Richtigkeit" seiner Ergebnisse lassen im wesentlichen zwei Konzeptionen unterscheiden 96:
Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 312 f.; Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaftrechts, S. 16 ff; F. v. Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 151 ff, hält dies gar für „vorpositiv" vorgegeben. - In der Idee einer für jedermann zugänglichen und intersubjektiv mitteilbaren Wahrheit finden demokratisches Denken und moderne Wissenschaft möglicherweise eine gemeinsame Wurzel; vgl. den Hinweis von Ryffel, Grundprobleme der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 447. 95 96
V.a. in: Legitimation durch Verfahren, S. 17 ff.
Vgl. dazu etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 444 f.; Arzt, FS Triffterer, S. 527 (530 f.); Gusy, StV 2002, 153 (155); Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit,
118
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
(1) Ein Ergebnis wird nur, aber auch schon dann als „wahr", „richtig" oder „vertretbar" akzeptiert, wenn es das Produkt eines bestimmten Regeln folgenden Verfahrens ist 97 . (2) Ein akzeptables Ergebnis setzt eine inhaltliche Qualität voraus, die durch die Einhaltung bestimmter Verfahrensregeln nicht garantiert, sondern bestenfalls gefördert werden kann. Die regelgerechte Durchfuhrung allein verbürgt noch kein „richtiges" oder der „Wahrheit" entsprechendes Ergebnis. Innerhalb dieses zweiten Modells sind natürlich weitere Differenzierungen möglich. So kann etwa gefragt werden, ob für die Akzeptabilität des Ergebnisses jenseits inhaltlicher Kriterien zusätzlich die Einhaltung sämtlicher Verfahrensregeln notwendig (wenn auch nicht hinreichend) ist, oder ob es genügt, daß einige (welche?) Regeln beachtet worden sind. Vor allem aber könnte nach Bedingungen gesucht werden, unter denen das Ergebnis im Bewußtsein seiner möglichen Unrichtigkeit vorläufig oder auch endgültig akzeptiert werden kann. Damit werden letztlich auch mehrere, inhaltlich divergierende Lösungen möglich, die nebeneinander Bestand haben können.
S. 105 ff.; L. Schulz, Alternative Zurechnungsstrukturen im Recht, in: Haft/Hof/ Wesche (Hrsg.), Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 420 (423 f.). 97
Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 17, weist in diesem Zusammenhang auf die in der modernen Physik und Mathematik diskutierte Problematik der Verfahrens-/Methodenabhängigkeit gewisser Beobachtungsergebnisse hin (Kritik am darin mitunter verborgenen „magischen" Formalismus etwa bei Soeffner, Gesellschaft ohne Baldachin, S. 15 f.). Beispiele fur solche rein prozedurale Richtigkeit sind Losverfahren (vgl. etwa § 19BVerfGG; §45 GVG); genannt wird zuweilen auch die freie Preisbildung auf einem idealen Markt (Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 128). Die von Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 201 mit Fn. 57, 58, in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung BVerfGE 42, 64 (73) - „Zwangsversteigerung I" fuhrt lediglich aus: „Das Verfahrensrecht dient der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber darüber hinaus auch im Rahmen dieser Richtigkeit gerechter Entscheidungen." Daraus ist aber nicht zu entnehmen, daß die Beachtung des Verfahrensrechts allein schon die Richtigkeit der Entscheidung garantiert. - Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die verwandte Problematik zu § 278 StGB: Nach RGSt 74, 231, soll ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen schon dann „unrichtig" sein, wenn es nicht auf einer Untersuchung beruht. Eine solche diagnostische „Prozedur" ist danach notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für ein richtiges Ergebnis.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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Das erste Modell schließt demgegenüber in seiner Reinform andere Lösungen als die im Verfahren gefundenen kategorisch aus: Richtig ist nur diese Lösung.
b) Erreichbares Ziel oder utopischer Anspruch? aa) Wahrheit als garantiertes Ergebnis Nicht ohne Grund ist bisher jedoch offengeblieben, worauf genau sich das Prädikat „wahr" bzw. „richtig" beziehen soll. Leicht einsichtig ist, daß damit eine Eigenschaft von Aussagen (bzw. Folgerungen 98) gemeint ist 99 . Nach dem Gegenstand der Aussagen könnte das Prädikat „wahr" Urteilen über Tatsachen vorbehalten werden, während das Prädikat „richtig" dem Bereich normativer Aussagen zuzuordnen wäre 100 . Namentlich Habermas hat nun (in Fortführung von Erkenntnissen der Sprechakt-Theorie) gezeigt, daß sich die Struktur derartiger Aussagen nicht mit ihrem Gegenstand ändert: Die Behauptung, ein bestimmter Sachverhalt liege vor, und die Behauptung, etwas sei gesollt, unterscheiden sich der Form nach nicht. Unterschiedlich sind allerdings die Diskurse, in denen solche Aussagen gemacht werden, und deshalb kann es weiterhin sinnvoll sein, bei empirischen Äußerungen von „Wahrheit", bei normativen dagegen von „Richtigkeit" zu sprechen 101. Ohne allzu grobe Vereinfachung darf man den verschiedenen Spielarten der Diskurstheorien den Anspruch unterstellen, bei Einhaltung sämtlicher Diskursregeln die „Wahrheit" bzw. „Richtigkeit" der diskursiv erarbeiteten Ergebnisse garantieren zu können. Damit bekennen sie sich der Sache nach zum Modell (1) im Sinne der oben (§ 2 C.II.2.a.) eingeführten Unterscheidung. In seinem
98
Vgl. dazu auch Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 5 f.
99
Habermas, Wahrheitstheorien, in: ders., Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 127 ff. Ferner etwa Grasnick, FS Meyer-Goßner, S. 207 (208). Eine gute Übersicht hierüber und über die Sprechakttheorie vermittelt Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 77 ff., 134 ff. 100
So etwa Engisch, Wahrheit und Richtigkeit im juristischen Denken, S. 5 ff., aber auch LR-Rieß, Einl. Abschn. G Rz. 43. Anders Spendel, JuS 1964,465 und 466 Fn. 9. 101
So auch Habermas selbst (Wahrheitstheorien, in: ders., Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 127, 226 ff.).
120
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Absolutheitsanspruch provoziert es Kritik 1 0 2 ; ein Stück weit folgen ihm freilich alle modernen Rechtssysteme: Innerhalb bestimmter Grenzen werden Ergebnisse hingenommen, weil sie in bestimmten Verfahren produziert worden sind, und sie dürfen in weiteren Verfahren nicht mehr in Frage gestellt werden, wenn sie „anschlußfähig" bleiben wollen und die Ausdifferenzierung verschiedener Verfahren nicht ihren Sinn verlieren soll. Ein rechtskräftiges Strafurteil wird vollstreckt, ohne daß seine inhaltliche Richtigkeit - von den reszissorischen Verfahren einmal abgesehen - noch hinterfragt werden könnte (§ 449 StPO). Spätestens mit dem Abschied von den sogenannten „materiellen" Rechtskrafttheorien, die gerichtlichen Entscheidungen ipso facto Richtigkeit zuerkennen wollten 103 , steht jedoch der fundamentale Unterschied solcher Anerkennung einmal erzielter Verfahrensergebnissse zu dem genannten ersten Modell außer Zweifel. Diese Anerkennung beruht eben nicht auf der Gewißheit, die jeweiligen Ergebnisse seien schon aufgrund der Durchführung eines bestimmten Verfahrens „richtig" oder „wahr", sondern im wesentlichen auf dem (normierten) Vertrauen auf die Kraft des Verfahrens, ein solches Ergebnis in der Regel hervorbringen zu können. Gerade hier setzt die Kritik von Luhmann an 104 . Zwar hält auch er es für „offensichtlich verfehlt, der Wahrheitsfrage jede praktische Bedeutung für Rechtsverfahren abzusprechen oder gar der Wahrheit ihren Wert zu bestreiten"105. Doch er bezweifelt, daß sie (sie allein) ausreicht, um zur Übernahme fremder „Selektionsleistungen" (in Verfahren getroffener Festlegungen) zu motivieren. Denn kein politisches System könne „seine Stabilität vom Erreichen so hoch gespannter Ziele abhängig machen, und kein Mensch ist in der Lage, für alle aktuellen Entscheidungsthemen Überzeugungen zu bilden"106. Als funktional äquivalenten, empirisch jedoch weitaus leistungsfähigeren „Übertragungsmechanismus" - ein weiterer wäre bezeichnenderweise „Macht" - nennt Luhmann die Umstrukturierung von Erwartungen in einem das Verfahren durchziehenden Lernprozeß, der von der Einsicht der von der Entscheidung Betroffenen aber letztlich unabhängig bleibt, solange im „sozialen Erwartungskontext" eine „generalisierte Bereitschaft" gesichert ist, „inhaltlich noch unbestimmte Entscheidungen innerhalb gewisser 102
Vgl. etwa Arthur Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: ders./ Hassemer (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 30 (126 f.). 103 Überblick etwa bei Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 164 ff; Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 116 f., 123 ff. 104
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 11 ff.
105
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 23.
106
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 32.
C. Institutionelle Verfahrensziele
121
Toleranzgrenzen hinzunehmen": Dies ist der von Verfahren geleistete Beitrag zu politischer (und damit in gewisser Weise: auch zu ihrer eigenen) Legitimität107. Mit jenem Rekurs auf „Vertrauen" ist freilich das erste Modell zugunsten des zweiten aufgegeben, und dahinter steht nichts anderes als die Einsicht, daß die bestehenden Entscheidungsverfahren, auch als „Sonderfall" des allgemeinen Diskursmodells 108 , nicht über die erforderlichen empirischen Bedingungen verfugen, um als „rationaler" oder gar „herrschaftsfreier Diskurs" Anerkennung finden zu können 109 . Das schließt nicht aus, rationale Argumentation, verstanden als allseitiger Austausch über die jeweiligen Positionen und Wahrnehmungen, als Leitidee auch in in diesem Sinne unvollkommenen Verfahren zu begreifen, solange dies nur im Bewußtsein geschieht, das „Wahre" und „Richtige" gleichwohl verfehlen zu können. Die Rede von „einzig richtigen" Argumenten, Antworten oder Entscheidungen behält aus dieser Perspektive eine Berechtigung nur innerhalb spezifischer, hier: argumentatorischer Verwendungszusammenhänge. Die „Diskurs"beteiligten sind gehalten, für ihre eigenen Beiträge „Wahrheit" oder „Richtigkeit" in Anspruch zu nehmen, wenn sie ernstgenommen werden wollen110, und auch das Verfahrensergebnis muß seinerseits den Anspruch auf (exklusive) Richtigkeit erheben, weil dieser „Diskurs" zwar zu einem Abschluß gekommen ist, sein Ergebnis aber selbst einen „Beitrag" zu anderen, mit ihm gleichsam vernetzten anderen Diskursen (oder zum Diskurs seiner eigenen Wiederaufnahme) darstellt. Ob das Ergebnis aber jenseits hiervon „richtig" oder „falsch" ist, bleibt jedoch offen. Einzig richtige Ergebnisse sind - selbst wenn man sie als „ontologisch" vorgegeben unterstellt - nicht erkennbar. Möglich wäre dies ohnehin nur einem fiktiven „Richter Herkules", dessen sich Dworkin - gewissermaßen als eines Bruders des Laplace'schen Dämons - zur Illustration seiner These von der „one right answer " bedient111. Können aber Entscheidungen nicht zwingend und für jedermann erkennbar
107
Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 27 ff. Hierzu noch unten § 2 C.II.4.
108
Dies ist bekanntlich die These Alexys (Theorie der juristischen Argumentation, S. 259 ff., 426 ff.). Dazu wiederum Habermas, Faktizität und Geltung, S. 219, 288 ff. Überblick bei G.-P. Calliess, Prozedurales Recht, S. 161 ff. 109
Vgl. nur die Kritik von Arthur Kaufmann, Kielwein-Colloquium, S. 15 ff.; ferner etwa auch Arzt, FS Triffterer, S. 527 (528 f.); Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 130 ff. 110 Beiträge ohne diesen Anspruch wären Alexy zufolge widersprüchlich (Theorie der Argumentation, S. 234, 264 ff.); Bulygin (FS Krawietz, S. 19 ff.) hält sie dagegen lediglich für sinnlos. Ein Richtigkeitsanspruch ohne Vorbehalt besserer Einsicht freilich erscheint empirisch wenig geeignet, die Chance auf diskursive Akzeptanz des Arguments zu verbessern. Er wäre wohl auch mit der Idee eines Diskurses unvereinbar, der die Wahrheit bzw. Richtigkeit seiner Ergebnisse gerade seinerseits monopolisiert. 1,1
Dworkin, Taking Rights seriously, S. 105 ff.
122
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
aus einer andernorts auffindbaren Vor-Entscheidung abgeleitet werden, lassen sie sich letztlich nur über ihre „Plausibilität" („pragmatisch") legitimieren (also nicht deduktiv, sondern lediglich abduktiv) xn.
bb) Der Verwirklichungsanspruch des „materiellen" Rechts Vor diesem Hintergrund erscheint namentlich die Wahrheit der Sachverhaltsannahmen, die einer Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, bei Durchführung eines bestimmten Verfahrens zwar nicht als garantiert, immerhin aber als möglich. Gefordert wird sie offenbar schon von den darin anzuwendenden „materiellen" Rechtssätzen113, deren Anspruch, Veränderungen in der Wirklichkeit herbeizuführen, einen gewissen Abgleich mit eben dieser Wirklichkeit voraussetzt. Der verfassungsrechtliche Ort der Forderung nach „wahren" Entscheidungsprämissen ist damit zunächst das Rechtsstaatsprinzip (Artt. 20 III, 28 I 1 GG). Für Eingriffe in die persönliche Freiheit, wie sie mit strafgerichtlichen Entscheidungen nicht selten verbunden sind, tritt die Garantie des Art. 2 II GG hinzu. Denn es ist „unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, daß Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen [...] und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht" 114 . Auch das Schuldprinzip begrenzt die legitime Ausübung staatlicher Strafmacht auf den wahren Schuldigen 115 . Die prozessuale Umsetzung des materiellen Strafrechts ist mit anderen Worten bereits formal dadurch determiniert, daß die Strafnormen aufgrund ihrer hypothetischen Struktur immer, aber auch nur dann Anwendung finden sollen, wenn ihr Tatbestand wirklich erfüllt ist, und inhaltlich dadurch, daß diese Anwendung wirkliche Schuld voraussetzt 116. Damit wird das Gebot der Wahrheits112
Vgl. hierzu etwa auch Lüderssen, Erfahrung als Rechtsquelle, S. 50 ff.; L. Schulz, Normiertes Mißtrauen, S. 321 ff. 113 Vgl. schon Birkmeyer, Deutsches Strafprozeßrecht, S. 81; ferner etwa J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rz. 120 f.; Schünemann, FS Rieß, S. 525 (535). 114
BVerfG StV 2003, 593 (594); vgl. a. Ε 57, 250 (274 f.) - „V-Mann"; 58, 208 (222) - „Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz". Als Fortsetzung des Gesetzlichkeitsprinzips erhält „Wahrheit" damit auch ein „liberalistische" Dimension. 115 In diesem Sinne ist „Schuld" eine „freiheitsverbürgende Annahme" (Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil I, S. 745 Rz. 45). Das ist möglicherweise anders, wenn man einen Schuldbegriff wie Jakobs zugrundelegt. 116
s. schon Ulimann, Lehrbuch des Deutschen Strafprocessrechts, S. 24: Der Strafanspruch bestehe nur, „wenn das behauptete schuldhafte Handeln [...] auch wirklich vor-
C. Institutionelle Verfahrensziele
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suche zum „Herz des deutschen Strafverfahrens" 117 und zur „Grundlage aller Gerechtigkeit" 118 . Im Grunde scheint damit eine Selbstverständlichkeit angesprochen 119. Die Entscheidung des Gerichts (etwa das Strafurteil), die Entscheidung einer Ermittlungsbehörde (sei es die Anordnung eines Ermittlungseingriffs, sei es eine Entscheidung nach § 170 StPO) oder die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde (etwa der Erlaß eines Verwaltungsakts), sie alle verwerten einen bestimmten Lebenssachverhalt, indem sie ihn unter die jeweils entscheidungserhebliche Norm subsumieren 120. Dabei geht der „eigentlichen" Subsumtion (Entscheidung des Sachverhalts) stets die Feststellung voraus, daß jener Sachverhalt tatsächlich vorliegt 121 , daß also die diesbezüglichen Abnahmen, genauer noch: die darüber getroffenen Aussagen, wahr sind (Entscheidung über den Sachverhalt) 122. Doch mit alledem ist noch nichts darüber gesagt, wann ein Tatbestand erfüllt ist, anders formuliert, wann eine Annahme hinsichtlich des Lebenssachverhalts „wahr" ist. Fest steht offenbar nur, daß im Verfahren herausgefunden werden soll, was wahr ist 1 2 3 . Daraus ergibt sich fur das eingangs genannte Konditionalverhältnis von Tatbestand und Rechtsfolge eine entscheidende Modifikation: Zu verurteilen ist nicht, wer Täter ist, sondern liegt" (Hervorhebung im Original). Vgl. a. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaftrechts, S. 24; LR-Rieß, Einl. Abschn. Β Rz. 22; BVerfGE 57, 250 (275) - „V-Mann". 117 Schünemann, FS Rieß, S. 525 (539). Bereits für Schwarzenberg diente die „rechtliche Verlengerung" des Strafverfahrens (Art. 23 der Bambergensis) „allein zu erfarung der Wahrheit"; hier zitiert nach Eb. Schmidt, ZStW 62 (1942), 232 (260). 118
Eb. Schmidt, ZStW 62 (1942), 232 (261).
U9
Ulimann, Lehrbuch des Deutschen Strafprocessrechts, S. 24, etwa hielt eine solche positivrechtliche Formulierung noch für überflüssig. 120
Nach Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 19.
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Natürlich kann man das Gesetz auch auf fiktive oder hypothetische Sachverhalte anwenden (und muß es manchmal auch: vgl. nur die Beispiele bei Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 19 f.). 122
Die geläufige empirische Beobachtung des „Hinundherwanderns" zwischen Lebenssachverhalt und möglicherweise anzuwendenden Normen bei der Aufbereitung des „Sachverhalts" als Entscheidungsgrundlage (grundlegend Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 7 ff.; dazu recht anschaulich auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 206 ff.) steht der vorwiegend an normativen Strukturen orientierten Darstellung im Text nicht grundsätzlich entgegen. 123
s. auch den Hinweis von Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 11, die Straftat sei überhaupt nur durch das Medium des Strafprozesses rekonstruierbar und erfahrbar.
124
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
wessen Täterschaft sich im Verfahren als „wahr" erwiesen hat 124 . Inwieweit dies freilich überhaupt möglich ist, und damit: inwieweit „Wahrheit" Ziel eines Verfahrens sein kann, bleibt dagegen unklar.
cc) Beschränkung auf Menschenmaß Da ist zunächst die Einsicht, absolute Wahrheit zu erreichen übersteige das dem menschlichen Erkenntnisvermögen zugeteilte Maß 1 2 5 . Diese einschränkende Formulierung setzt ersichtlich die prinzipielle Möglichkeit objektiver Wahrheit als einer Korrespondenz der Erkenntnis und ihres Gegenstandes voraus 126 , jene adaequatio rei et intellectus also, die seit den Tagen des Aristoteles als Definition der Wahrheit gehandelt wird 1 2 7 . Wenigstens als Zielvorgabe 128 , so lautet die lange Zeit nicht in Frage gestellte juristische Ausprägung dieser sog. „Korrespondenztheorie", ist „materielle Wahrheit" als Übereinstimmung einer Hypothese mit der Realität sinnvoll. Wer sich bei der Rekonstruktion des Vergangenen solcherart mit einer „Wahrheit nach Menschenmaß" bescheidet, ist freilich schon gezwungen, den Anspruch auf Übereinstimmung mit den Tatsachen ganz erheblich zurückzunehmen, wenn nicht gar aufzugeben. Daß hier keine Vollständigkeit möglich 124
Deutlich auch Fincke, JuS 1973, 87 (89).
125
Statt vieler: Erb, FS Rieß, S. 77; Gössel, FS Meyer-Goßner, S. 187 (199 f.); F. v. Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 175; LR-Rieß, Einl. Abschn. G Rz. 49; Eb. Schmidt, Lehrkommentar, Rz. 20; Spendet, JuS 1964, 465. Aus der Rechtsprechung grundlegend RGSt 61, 202 (206). Die Einsicht in die Beschränktheit menschlichen Erkenntnisvermögens bestimmt weitgehend auch den exegetischen Umgang mit überlieferten Texten. „Wa-llahu a'lam" schließt ein klassischer Q'ran-Kommentar ab: „und Gott weiß es besser" (Kermani, SZ Nr. 28 v. 04.02.2003, S. 15). 126 Man kann auch formulieren: „Übereinstimmung einer Aussage (noch genauer: eines Aussageinhalts) mit dem Sachverhalt, der in der Aussage ausgesagt wird", so Engischy Wahrheit und Richtigkeit im juristischen Denken, S. 6. Paradigmatisch für die prozeßtheoretische Rezeption ist die Formulierung bei Lobe, LZ 1914, Sp. 980: „Die Erzeugung eines der vergangenen Wirklichkeit adäquaten Vorstellungsinhalts ist also das nächste Ziel des ganzen Prozesses". 127 Die lateinische Formulierung geht auf die Scholastik zurück. S. dazu Spende!, JuS 1964,465; Paulus, FS Spendel, S. 687 (688 m.w.N. in Fn. 7). 128
Diesen Aspekt betonen etwa Eb. Schmidt, Lehrkommentar, Rz. 20; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß, S. 16 f.
C. Institutionelle Verfahrensziele
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ist, liegt nicht einmal entscheidend am Mangel allumfassender Erkenntnisquellen. Der restlose Nachbau des Erkenntnisgegenstandes im Erkennenden höbe am Ende die Differenz zwischen beiden auf 129 . Gerade darin besteht ja letztlich das Unvermögen zu „absoluter" Erkenntnis. Schon die Beschränkung auf Menschenmaß legt - wie namentlich die an Averroes anschließende scholastische Figur der „zweifachen Wahrheit" zeigt 130 - ein im weitesten Sinne „pragmatisches" Wahrheitsverständnis nahe, das sich an menschlichen Zwecken ausrichtet, ohne zugleich sub specie aeternitatis bestehen zu wollen.
c) „Entscheidungsbezogene Wahrheit" aa) Relevanzstruktur/Unterordnung Diese Tendenz, den Wahrheitsanspruch nicht nur auf die Unzulänglichkeit des Menschen, sondern auch auf die von ihm verfolgten Zwecke einzustellen, tritt noch stärker hervor, wenn die Selektivität (nicht nur) menschlicher Wahrnehmung in ihrer Abhängigkeit von der jeweils ausgeübten Tätigkeit erkannt wird: Nur was gerade unter bestimmten Gesichtspunkten für relevant gehalten wird, gerät ins Blickfeld; nichts wird um seiner selbst willen gesucht. Das ist keine Besonderheit prozeßförmiger Sachverhaltsermittlung, sondern allgemeines Merkmal zielgeleiteter und insofern in „Relevanzstrukturen" organisierter Wahrnehmung 131 . Prozedurale Relevanzstrukturen bestimmen sich in erster Linie nach dem möglichen Inhalt der Entscheidung und den dafür maßgeblichen Kriterien, in Verfahren der Rechtsanwendung daher nach dem „Realbereich" 132 der möglicherweise entscheidungserheblichen Normen.
129 Die vollständige Rekonstruktion des Vergangenen wäre nach Bohnert (Die Abschlußentscheidung des Staatsanwalts, S. 414) „vielleicht [...] seine tatsächliche Wiederkehr". Aus systemtheoretischer Sicht verliert die Unterscheidung von System und Umwelt bei einer Punkt-zu-Punkt-Entsprechung naturgemäß ihren Sinn (Luhmann, Soziale Systeme, S. 47 f.). Über die (Un-)Möglichkeit einer vollständigen Trennung von erkennendem Subjekt und Erkenntnisobjekt ist damit freilich noch nicht entschieden. 130 Darauf macht bereits Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 208, aufmerksam. Zu Averroes s. nur die Darstellung bei Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 156 ff. 131
s. Fabricius, Selbst-Gerechtigkeit, S. 165 f.; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 89. 132 Ausdruck von Hoffmann-Riem, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungs-
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
Die in Verfahren angestrebte Wahrheit ist daher immerhin „entscheidungsbezogen" 133 , und in der Unterordnung des erkenntnisleitenden Interesses prozessualer Sachverhaltserforschung unter die die abschließende Entscheidung beherrschenden Kriterien kann „Wahrheit" nach verbreiteter Auffassung allenfalls als Instrumentalziel in Betracht kommen: nur als Mittel zum eigentlichen Zweck, der „Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger" Entscheidungen 134 . Bloßes Zwischenziel soll sie auch im Strafverfahren sein: Nur soweit es der Beantwortung der durch die Anklage gestellten und vom Gegenstand der Urteilsfindung (§ 264 StPO) umrissenen Frage dient, soll die Wirklichkeit erforscht, sollen „wahre" Aussagen gewonnen werden 135 . Beweisanträge, die diesen Rahmen überschreiten, dürfen zurückgewiesen werden (§ 244 III 2 Fall 2 StPO). Ermittlungseingriffe sind nur zulässig, soweit sie strafrechtlicher Verdachtsklärung dienen. Die Begründung dafür scheint auf der Hand zu liegen:Am Ende des Prozesses steht kein Bericht über den Hergang, sondern ein Urteil 1 3 6 . Nun brauchen sich die Ziele eines Verfahrens (§ 2 C.I.2.C.) aber ebenso wenig wie seine tatsächlichen Funktionen (§ 2 C.I.2.b) auf qualitative Anforderungen an die Entscheidung zu beschränken. Gewiß ist der Strafprozeß kein
Verfahrensgesetz, S. 9 (23), der ihn dem (freilich nicht völlig kongruenten) Begriff des „Normbereichs" (Friedrich Müller) vorzieht (dazu etwa Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rz. 235 ff.). 133 Hoffmann-Riem, Strategische Interaktion im Verwaltungsgericht, in: Schriften der Vereinigung für Rechtssoziologie Bd. 2, S. 9(12). 134
BVerfGE 42, 64 (73) - „Zwangsversteigerung I".
135
So - im Anschluß an Schmidhäuser, FS Eb. Schmidt, S. 511 (512) - etwa Kudlichy Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 213; Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 193; Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, S. 178; der Sache nach auch Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 2 ff Vgl. a. RGSt 72, 155 (156 f.). 136 Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 210, im Anschluß an Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, S. 178. Insofern ist der Zweck des Prozesses „nicht ein theoretischer, sondern ein praktischer" im Sinne von Wach, Handbuch des deutschen Civilprozessrechts I, S. 9. Zum Fehlen reiner „Informativprozesse" vgl. a. Beling, FS Juristische Fakultät Gießen, S. 313 ff. (und im Anschluß an ihn auch F. v. Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 208 ff). Vor der Entfernung „staatlicher Sozialarbeit" im Strafverfahren von der Rechtsprechung i.S.v. Art. 92 GG warnt Salditt, GS Schlüchter, S. 65 (75).
C. Institutionelle Verfahrensziele
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„historisches Forschungsvorhaben" 137. Fakten sind nur insoweit zu sammeln, als das materielle Strafrecht nach ihnen fragt. Und doch geht Engisch nicht fehl, wenn er den Beweise erhebenden und würdigenden Juristen mit einem Historiker vergleicht 138 . Zu ergänzen wäre lediglich, daß die Frage danach, wie es „wirklich gewesen" sei, bei zunehmend präventiver Ausrichtung des Strafrechts immer weniger wichtig wird; in den Vordergrund treten dann (wie seit jeher in Prognoseentscheidungen wie etwa nach § 56 StGB) gegenwärtige Zustände unter dem Gesichtspunkt künftiger Zielerreichung. Die Relevanz-
137 Spendel, JuS 1964, 465 (466); nach Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 193 Fn. 115, „eine mittlerweile nahezu triviale Feststellung". S. a. Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 161; BGHSt40, 3. Engisch (Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 64; ders., Wahrheit und Richtigkeit im juristischen Denken, S. 6) vergleicht die Arbeit insbesondere des Strafrichters zwar mit dem Vorgehen eines Historikers, meint damit aber wohl weniger den Umfang der Erforschung als vielmehr die gemeinsame Aufgabe der Rekonstruktion vergangener Begebnisse. Auch Rödig sieht nur graduelle Unterschiede (Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 240 f.); s.a. Fr. Weber, Studium Generale 13 (1960), 183 (189). Bohnert bemerkt (Die Abschlußentscheidung des Staatsanwalts, S. 410): „In klassischer Betrachtungsweise blickt auch der Richter durch die Beweismittel hindurch auf das Ereignis selbst, wie der Historiker, der mit den Urkunden vor Augen den Prager Fenstersturz sieht, um ihn danach zu beschreiben und einzuschätzen". Und umgekehrt verhält sich der Historiker nach Gadamer „zu seinen Texten wie der Untersuchungsrichter beim Verhör von Zeugen" (Wahrheit und Methode, S. 344). Solche Parallelen schwingen mit, wenn BGHSt 46, 278 (285), gegen die Leugnung des Holocaust „die auf der Grundlage von Zeugenaussagen aus den unterschiedlichen Lagern der Opfer- und der Täterseite sowie von vielfältigen eigenständigen und bestätigenden Sachbeweisen zuverlässig ermittelte und dokumentierte historische Wahrheit des Holocaust" einwendet (Hervorhebungen nur hier). - Dagegen folgert Ulimann aus der Maßgeblichkeit historischer Gewißheit „für alle thatsächliche Erkenntniss" geradezu eine Beschränkung, da hier stets mit der Möglichkeit des Gegenteils zu rechnen sei (Lehrbuch des Deutschen Strafprocessrechts, S. 322). Mit historischer Forschung dürfte der Strafprozeß im übrigen die Konzentration des Interesses auf ein einzelnes, konkretes Ereignis unter tendenziellem Verzicht auf die Frage nach den hierin sich verwirklichenden „universellen" Gesetzmäßigkeiten gemeinsam haben. So blendet die Zuschreibung individueller Schuld die möglicherweise hinter der Tat stehenden gesellschaftlichen Bedingungen in aller Regel aus (hierzu näher Haffke in: Vergessen Verdrängen - Verleugnen, S. 41 ff., insbes. 45 ff.). 138
Engisch, Wahrheit und Richtigkeit im juristischen Denken, S. 6; ders., Einfuhrung in das juristische Denken, S. 57. Vgl. a. Beling, Die Beweisverbote als Grenzen der Wahrheitsfindung im Strafprozeß, S. 1; Graf zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, S. 5. In der Wahl seines Forschungsobjekts mag der Historiker freier sein, in der Wahl seiner Methoden ist er beschränkter (Zum ersten: Engisch, Einfuhrung in das juristische Denken, S. 59; zum zweiten: Fabricius, Selbst-Gerechtigkeit, S. 164 f.).
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
struktur strafprozessualer Wahrheitsermittlung steht mit anderen Worten in Abhängigkeit von den jeweils dominierenden Strafzielen 139. Dennoch ist es auch für das Strafrecht nicht ausgeschlossen, die Unterordnung unter die verfahrensbeendende Entscheidung über Schuld und Strafe unter bestimmten, im einzelnen noch näher zu erforschenden Voraussetzungen zu lockern. Dann könnte das Verfahren auch einmal der Vergangenheitsaufarbeitung dienen, die als solche zwar niemals formalisiertes Verfahrensergebnis eines S/ra/verfahrens (wie das Urteil) sein kann, aber doch mehr als ein bloßes „Abfallprodukt" 140 . So kennt das Römische Statut über den Internationalen Strafgerichtshof die Möglichkeit, die gerichtliche Erforschung des Sachverhalts weiter auszudehnen, als es im Falle eines guilty plea für einen Schuldspruch an sich verlangt wird, falls die Trial Chamber „is of the opinion that a more complete presentation of the facts of the case is required in the interests of justice, in particular the interests of the victims" (Art. 65 Nr. 1). Nicht zu vernachlässigen ist freilich hierbei - und weit mehr noch in den Fällen „gewöhnlicher" Kriminalität - die Schutzfunktion, die in der Begrenzung der Sachverhaltsermittlung auf die prozessuale Tat und deren strafrechtliche Würdigung zukommt. Denn nirgends mehr als hier droht die Gefahr, ein Ziel (hier: Wahrheit), selbst (oder gerade) wenn es einem Oberziel (wie „Gerechtigkeit") untergeordnet wird, absolut zu setzen „und aus dieser Einstellung heraus die Grenzen gering zu achten, die gerade der Wahrheitsermittlung rechtsstaatlich so mannigfach gesetzt sind" 141 .
139
Zum Vorstehenden Krauß, Das Prinzip der materiellen Wahrheit im Strafprozeß, in: Jäger (Hrsg.), Kriminologie im Strafprozeß, S. 65 ff; ferner Neumann, Funktionale Wahrheit im Strafverfahren, in: Scholler/ Philipps (Hrsg.), Jenseits des Funktionalismus, S. 73 (75 ff.). Eindringlich zum Unterschied zwischen polizeirechtlich-präventiver und schuldstrafrechtlich-repressiver Perspektive auch Preuß, KJ 1981, 109 ff; ferner Denninger, Polizeiaufgaben, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, Ε Rz. 56. 140
Zum ganzen a. Haffke, Strafprozeß als Lernprozeß?, in: de Boor/Frisch/Rode (Hrsg.), Vergessen - Verdrängen - Verleugnen, S. 41 ff. Das Aufklärungsinteresse der Rechtsgemeinschaft betont etwa auch Beulke, Strafprozeßrecht, Rz. 12. Kritik u. w.N. bei Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 161. Diskutabel ist dies selbstverständlich nur für Taten von erheblichem Gewicht, denn für Alltagskriminalität erkennt das Gesetz ein solches Interesse nicht an, sondern bevorzugt im Gegenteil Verfahrensformen unter Ausschluß der Öffentlichkeit (§§ 153 ff., 407 ff. StPO). 141
Schmidhäuser, FS Eb. Schmidt, S. 511 (523).
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bb) Faktische und normative Schranken Solche Grenzen bestehen neben rein faktischen Beschränkungen (wie etwa der Knappheit der personellen und finanziellen Ressourcen 142 oder der Notwendigkeit, in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis zu gelangen 143 ) und verhindern ebenso wie diese eine wirklich umfassende Erforschung sämtlicher mit der Tat irgendwie zusammenhängender Umstände sowie sämtlicher psychologischen und sozialen Hintergründe 144 . Zwar kann das Strafverfahren im Gegensatz zu den bereits erwähnten wissenschaftlichen Forschungsprojekten - auf ganz andere Ermittlungsformen zurückgreifen und seine Erkenntnisinteressen mit Mitteln verfolgen, die grundsätzlich verboten und regelmäßig auch strafbar sind 145 . Doch gerade deshalb unterwirft das Strafverfahrensrecht - um Verfahrens recht sein zu können - die strafprozessualen Ermittlungen genau einzuhaltenden Beschränkungen, in denen sich der „fragmentarische" Charakter des materiellen Strafrechts gleichsam prozessual fortsetzt 146 . Das Konzept selbst auferlegter, systematischer Blindheit führt von der Beschränkung der „formellen" Verbrechen auf das für erforderlich gehaltene Mindestmaß an strafrechtlichem Rechtsgüterschutz über die dadurch geschaffenen Relevanzstrukturen der Tatbestände147 bis in die normative Ausgestaltung des Strafverfahrens hinein. Es gewinnt dort etwa Gestalt im Gebot der Untersuchung „ohne Ansehen der Person", und gerade diejenigen, die mit dem Fall oder mit dem Beschuldigten selbst bereits besonders vertraut
142 Dazu Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 150; Kühne, Strafprozessrecht, Rz. 279 ff., sowie Krauß, Das Prinzip der materiellen Wahrheit im Strafprozeß, in: Jäger (Hrsg.), Kriminologie im Strafprozeß, S. 65 (73); Luhmann, Jb. 2, 255 (270). 143 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 150; Krauß, Das Prinzip der materiellen Wahrheit im Strafprozeß, in: Jäger (Hrsg.), Kriminologie im Strafprozeß, S. 65 (73); Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 194 f. In diese Richtung auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 18 Fn. 11 unter Hinweis auf Lévy-Bruhl. 144
Letztlich könnte sich eine derart weitgehende Erforschung gegen die Fundamente des Schuldstrafrechts als solches richten, falls sich dadurch die Konstruktion individueller Schuld angesichts der Fülle sozialer Determinanten nicht mehr aufrecht erhalten ließe. Dazu auch Preuß, KJ 1981, 109 ff. 145
Fabricius, Selbst-Gerechtigkeit, S. 164 f.; Hassemer, KritV 1990, 260 (263).
146
Peters, FS Eb. Schmidt, S. 488 (499, 507).
147
Vgl. a. Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 158. Hinzu kommen freilich noch die bei der Rechtsfolgenbestimmung zu berücksichtigenden Umstände (insbesondere § 46 StGB).
130
§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
sind und der „Wahrheit" daher möglicherweise in mancherlei Hinsicht näher kommen könnten als irgend jemand sonst, sind von der Untersuchung kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 22 StPO) 148 . Noch weiter einengende Grenzen sind der Wahrheitsfindung auf dem solchermaßen abgesteckten Feld durch die Beweisverbote, allgemeiner: durch den Schutz fundamentaler Rechte des Beschuldigten und Dritter, gezogen 149 . Und schließlich legt das Revisionsgericht die sogenannten tatrichterlichen Feststellungen über den Sachverhalt seiner Entscheidung ungeprüft zugrunde (§ 337 I StPO) 150 . Gerade angesichts der letzten Punkte erweist sich „Wahrheit" im Sinne von § 244 I I StPO selbst als normativ. Unzutreffend, da zu einseitig, wäre gleichwohl die Vorstellung, das Verfahrensrecht schränke die vom materiellen Recht grundsätzlich geforderte Suche nach der Wahrheit entsprechenden Informationen durch gegenläufige Wertungen lediglich ein. Denn erstens beginnen die „Beschränkungen" wie dargelegt (§ 2 C.II.2.c.aa.) schon in den materiell-rechtlich vorgegebenen Relevanzstrukturen. Diese aber beschreiben oft nicht hinreichend und kaum abschließend, wo und bei wem welche Informationen zu suchen sind. Deshalb sind es zweitens auch die Normen des Verfahrensrechts, die „Suchaufträge" erteilen, indem sie etwa die Anhörung Betroffener (etwa: §§ 33, 33a, 115 II, 163a I, 243 IV 1, 258 II Hs. 2, 326 S. 2 StPO) 151 oder bestimmter Dritter (beispielsweise nach § 88 S. 1 StPO) 152 , die Verwendung bestimmter Beweismittel (§ 246a StPO) oder ein bestimmtes Vorgehen (etwa §§89 f f StPO) zum Zwecke der Sachaufklärung vorschreiben 153.
148
Vgl. § 22 Nr. 4, 5 einerseits, Nr. 2, 3 andererseits. Die Vorschriften gelten auch für Schöffen und sogar für die Protokollführer (§311 StPO), nicht dagegen für die Staatsanwaltschaft, s. ferner §§ 38 I, 39,45 III 1, IV 1, VI 1 DRiG. 149 Grundlegend Beling, Die Beweisverbote als Grenzen der Wahrheitsfindung im Strafprozeß. 150
Grundsätzlich abweichend Paulus, FS Spendel, S. 687 (708 ff.).
151
Für das Verwaltungsrecht s. § 28 VwVfG; § 91 AO; § 24 SGB-X.
152
Für das Verwaltungsrecht vgl. beispielsweise § 4 III BauGB; § 29 I BNatSchG.
153
Zum Vorstehenden vgl. a. Steinberg, DÖV 1982, 619 (620).
C. Institutionelle Verfahrensziele
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cc) Falsifikation Während sich die Bemühungen, in rechtlichen Verfahren zu den normativen Vorgaben genügenden, in wissenschaftlicher Tätigkeit zu anerkennungsfähigen „wahren" Aussagen zu gelangen, hinsichtlich ihrer jeweiligen Relevanzstruktur (§ 2 C.II.2.c.aa.) und der dabei zulässigen Methoden (§ 2 C.II.2.c.bb.) unterscheiden, sehen sie sich beide zunächst in gleicher Weise vor das Problem gestellt, unter welchen Voraussetzungen von einer Aussage behauptet werden darf, sie sei „wahr". Mit welcher Berechtigung, so könnte die hier entscheidende Frage umformuliert werden, kann der Sprecher für eine bestimmte Aussage deren „Wahrheit" in Anspruch nehmen? Der eine Weg wäre die Berufung auf seine unmittelbare Einsicht. Die Wahrheit habe sich ihm offenbart; nunmehr habe er sie erkannt; Zweifel seien nicht nur unnötig, sondern geradezu gegenstandslos. Die Aussichten, allein damit die Anerkennung anderer für die Wahrheit solcher Erkenntnissse zu gewinnen, sind wohl jedenfalls für den juristischen wie für den wissenschaftlichen Diskurs ähnlich gering zu veranschlagen. Letztlich steht nur der andere Weg offen: die Begründung durch den Verweis auf ein von anderen nachvollziehbares mittelbares Erschließungsverfahren 154. Richter und Wissenschaftler stehen damit allerdings vor demselben Dilemma. Denn logische Sicherheit bietet nur der deduktive Schluß unter (als „wahr") bekannten Prämissen. Damit aber kommt keiner von beiden aus, beide müssen sich auf das Glatteis der Abduktion (bzw. Reduktion 155 ) wagen, Induktionen und Analogien riskieren 156 . Mangels unabweisbar zwingender Begründung stehen die damit gewonnenen Aussagen unter dem Vorbehalt jederzeit (und prinzipiell durch jeden) möglicher Falsifikation. Unter diesen Vorzeichen kann die „Wahrheit" einer Aussage nichts anderes bedeuten als ihre vorläufige Plausibilität unter Berücksichtigung schon bisher 154 Vgl. Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 119 (unter Berufung auf Bochenski). Zum ganzen auch eingehend Albert, Traktat über kritische Vernunft. 155
Rödig, Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, S. 240 und eingehend S. 117 ff. Reductio ist nach L. Schulz, Regel und Fall, in: Feldner/Forgo (Hrsg.), Norm und Entscheidung, S. 153 (162), eine alternativ zu abductio gebrauchte Übersetzung der aristotelischen apagoge (zur Begriffsgeschichte vgl. dens., Normiertes Mißtrauen, S. 321 ff. 156 s. etwa FabriciuSy Selbst-Gerechtigkeit, S. 167; Volk, Wahrheit und materielles Recht im Strafprozeß, S. 8; speziell zum strafverfahrensrechtlichen „Verdacht" L. Schulz, Normiertes Mißtrauen, insbes. S. 273 ff.
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
anerkannter, noch nicht falsifizierter Annahmen. Die Bezeichnung einer Aussage als „wahr" setzt mithin die Bereitschaft voraus, die damit gemachte Behauptung jederzeit zurückzunehmen, wenn sie - etwa aufgrund eines im Widerspruch zu ihr verlaufenden Experiments - als widerlegt gelten muß. Es ist offensichtlich, daß das Rechtssystem sich zu einer solchen bedingungslosen Selbstkorrektur nicht verstehen kann. Rechtskraft, Bestandskraft oder steuerrechtliche FestsetzungsVerjährung (§§ 169 ff. AO) stehen ihr entgegen; die Wiederaufnahme einer Strafsache ist an enge Voraussetzungen gebunden (§§ 374 ff. StPO). Dennoch läßt sich auch die strafprozessuale Tatsachenaufklärung bis zum Verfahrensabschluß als selbstkorrektiver Prozeß 157 verstehen: Bis zur Entscheidungsreife kann ein Verdacht formuliert und wieder fallen gelassen, können Spuren verfolgt, Verlaufshypothesen entwickelt, weitergedacht und wieder verworfen werden.
dd) Subjektive Konstitution Die dabei geleistete Arbeit: die gedankliche Re-Konstruktion eines vergangenen Welt-Teils, ist naturgemäß immer auch eine subjektive Leistung. Sie steht im Prozeß nicht allein unter den bisher angesprochenen Vorgaben und Beschränkungen, sondern stellt sich zugleich als Aufgabe des Erkennens und Verstehens. Die Rede von der „forensischen Wahrheit" 158 meint deshalb ein Zweifaches: die spezifischen, mit den aus den normativen und faktischen Arbeitsbedingungen resultierenden „Verengungen des Blickfelds" auf einen Ausschnitt aus der „Wirklichkeit" und die Angewiesenheit des Verfahrens auf das Interagieren und Entscheiden von Menschen (§ 2 B.II.2). Der letztgenannte Gesichtspunkt führt nicht nur zu einer weiteren, das Blickfeld weiter „verengenden" Prozeduralisierung der zu ermittelnden „Wahrheit" 159 , sondern benennt - gerade durch zusätzliche subjektive Erfordernisse wie dem der „freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung" (§ 261 StPO) - zugleich ein selbstkorrektives
157
s. namentlich Krauß, Der Grundsatz der Unschuldsvermutung, im Strafverfahren, S. 151 ff; L Schulz, Normiertes Mißtrauen, S. 608. 158 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 153; Meyer-Goßner, StPO, § 261 Rz 1; LR-Rieß, Einl. Abschn. G Rz. 45. 159
s. Hoffmann-Riem, Strategische Interaktion im Verwaltungsgericht, in: ders. u.a. (Mitarb.), Interaktion vor Gericht, S. 9(13).
C. Institutionelle Verfahrensziele
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Element 160 . Jedenfalls aber leitet er einen Paradigmenwechsel ein: von Objektivität zu Evidenz, vom Statisch-Ewiggültigen zur flackernden Situation. Angesprochen ist mit alledem also die bekannte erkenntnistheoretische, bisweilen auch evolutionsbiologisch untermauerte 161 Einsicht, der Mensch habe sich sein Bild von der Welt erst selbst zu schaffen. Das, was aus Sicht der Entscheidenden „Außenwelt" ist, findet in das Verfahren deshalb nur als ganz spezifischer, modellhafter Nachbau Eingang 162 . Der „Fall" wird nicht einfach vorgefunden, sondern muß erst „hergestellt" 163 werden.
ee) Fazit Unterstellt man einer Verfahrensordnung, die darin liegende Absage an die alte „Korrespondenztheorie" 164 (oben § 2 C.II.2.b.cc.) zur Kenntnis genommen
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Zur Wahrheitssuche unter Verzicht auf endgültige Gewißheit als Programm des Kritischen Rationalismus: Albert, Traktat über wissenschaftliche Vernunft, insbes. S. 35 ff. 161
Kempf Wahrheitsfindung und ihre Schranken, S. 22 ff. Grundlegend dazu: Maturana/Varela, Der Baum der Erkenntnis. 162
Weyers, FS Raiser, S. (577) 590; vgl. a. Grasnick, FS Meyer-Goßner, S. 207 ff.; zum Verwaltungsverfahren Hoffmann-Riem, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (23 ff.). Zu interner Modellbildung s.a. Klaus, Wörterbuch der Kybernetik, S. 287. 163 s. nur Hassemer, Einfuhrung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 116; Perron, FS Hanack, S. 473 (474); vgl. a. Schroeder, Strafprozeßrecht, Rz. 12. Die Konstitution des „Falls" beginnt freilich schon, bevor sich Juristen mit ihm befassen (J. Schapp, Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre, S. 15 ff.). Das hier berührte Problem, inwieweit die neukantianische These vom Chaos natürlich-amorpher Tatsachen, die erst durch wertende, „kategoriale" Umbildungsprozesse faßbar gemacht werden müssen, Zugeständnisse an gewisse ontologische Gegebenheiten (die „Natur der Sache") zu machen hat, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden; vgl. dazu Lask, Rechtsphilosophie, S. 309; ferner etwa Kratzsch, Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht, S. 147 ff. (149); 159 ff.; Roxin, Täterschaft und Teilnahme, S. 20 ff. 164
Diese setzt zwar gleichfalls ein von unserer Vorstellung erzeugtes Bild voraus, das - gleichsam als Hypothese - insoweit „wahr" ist, als es mit der Wirklichkeit übereinstimmt (zu den unterschiedlichen Anforderungen, die an diese „Übereinstimmung" gestellt werden, Grasnick, FS Pötz, S. 59 m.w.N.). Doch die „Wahrheit" einer Hypothese kann nicht mehr an ihrer Kongruenz mit „der" Wirklichkeit gemessen werden, weil diese zwar existent (dazu Grasnick, FS Meyer-Goßner, S. 207 ff.), aber
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§ 2 Grundelemente einer Allgemeinen Verfahrenslehre
und verarbeitet zu haben, so ist Raum für die These, es gehe ihr deshalb von vorneherein nur um „formelle" oder „prozessuale Wahrheit" im Sinne einer nach den Normen des Prozeßrechts „richtig" ermittelten Entscheidungsgrundlage 165 . Aber das ist nicht der Fall: Die Praxis geht - ebenso wie der alltägliche Sprachgebrauch - immer noch von der Möglichkeit einer „Korrespondenz" aus 166 , und wie Schünemann gezeigt hat, war auch der historische Gesetzgeber der Vorstellung verhaftet, die Welt sei - die Kenntnis der sie beherrschenden Naturgesetze vorausgesetzt - objektiver Erkenntnis zugänglich 167 . Mit der modernen Neuformulierung der Wahrheitsidee durch eine Wissenschaft, die ihre Erkenntnisse prinzipiell unter die auflösende Bedingung ihrer jederzeit möglichen Falsifikation (oben § 2 C.II.2.c.cc.) stellt und ihre Intersubjektivität radikal problematisiert (oben § 2 C.II.2.c.dd.), kann das Rechtssystem freilich ohnehin nicht Schritt halten 168 . Zwar hält insbesondere das Strafverfahrensrecht an der Verpflichtung des Gerichts fest, sich bei der Herstellung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage wissenschaftlicher Einsichten und Methoden zu bedienen. Dennoch darf es, eben weil es ein Rechtsverfahren mit ganz spezifischen Zielsetzungen konstituiert, die Beurteilung der Tat, wie sie sich „nach dem Ergebnis der Verhandlung" dem Gericht „darstellt" (§ 264 I StPO), der „freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung" (§ 261 StPO) der beteiligten Richter überlassen, und die Option auf Falsifikation des gewonnenen Ergebnisses unter die weitreichenden Vorbehalte des Wiederaufnahmerechts (§§ 359 ff. StPO) stellen. Mit anderen Worten: Das Strafverfahren darf, ja es muß nach „seiner eigenen" Wahrheit
nicht „konstruktionsfrei" erfahrbar ist. Deshalb werden andere Kriterien (etwa die Konvergenz verschiedener Meinungen) wichtig, mit denen „Wahrheit" nicht mehr eigentlich „gefunden", sondern „hergestellt" wird. 165
Paulus, FS Spendel, S. 687 (696), ders., GS Meyer, S. 309 (315 f.). Vgl. außerdem die Nachweise bei Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß, S. 16 in Fn. 14. Zum ganzen auch Fabricius, Selbst-Gerechtigkeit, S. 166. 166
Grasnick, FS Pötz, S. 56 f., gibt zu, sie komme unserem „intuitiven Wahrheitsverständnis" entgegen (a.a.O. S. 57). s.a. LR-Rieß, Einl. Abschn. G, Rz. 44. 167
Schünemann, ARSP-Beiheft 22 (1985), 68 (69); Kritik an dem daraus gezogenen Schluß, eine solche „Kognition" der Wirklichkeit sei auch dem Richter möglich, auf S. 70 ff. Vgl. schon Bendix, JW 49 (1920), 267 (268). - Auch die Strafprozeßordnung der DDR ging (freilich vor einem anderen ideengeschichtlichen Hintergrund) von objektiv erkennbarer Wahrheit aus (Hinweise etwa bei Rüping, Theorie und Praxis, S. 26). 168
s.a. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 224.
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suchen 169 . Solche „Funktionalisierung" von Wahrheit kann freilich nicht beliebig weit getrieben werden 170 . Denn zu den Leitideen des modernen Strafrechts ist ja gerade die für alle (in einem öffentlichen Verfahren, § 169 GVG) einsichtige Wahrheit der Anschuldigungen 171 . Dies legt (sozusagen angesichts beliebig konstruierbarer „Wahrheiten") eine prinzipiell aufgeschlossenere Haltung 172 gegenüber einer immer weiter um sich greifenden Absprachepraxis 173 nicht eben nahe. Überdies räumt selbst der „radikale" Konstruktivismus ein, daß „man sich für praktische Belange die konstruktivistische Redeweise ersparen" könne 174 . Es ist daher nicht zu sehen, wie aus grundlegenden erkenntnistheoretischen Einsichten für die rechtliche Ordnung des Strafverfahrens als seiner Legitimationsgrundlage mehr gefolgert werden könne als eine gewisse kriminalpolitische Kontingenz ihrer Ausgestaltung im einzelnen. 169 Für die Eigenständigkeit strafprozessualer Beweiswürdigung ggü. wissenschaftlichen Rationalitätsstandards neuerdings Keller, GA 146 (1999), 255 ff. 170
So mit Recht Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 195 in Fn. 121, im Anschluß an Luhmann, RTh 4 (1973), 164; ähnlich Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß, S. 16 f. - Im übrigen trifft es zwar zu, daß die Abweichung der einem Urteil zugrundegelegten „prozessualen Wahrheit" von nunmehr für wahr gehaltenen Annahmen wiederum nur in einem Verfahren verbindlich festgestellt werden kann. Das hindert aber nicht, Entscheidungen auch außerhalb von eigens dafür vorgesehenen Verfahren zu kritisieren. Ein in tatsächlicher Hinsicht „falsches" Urteil dürfte es sonst, die Möglichkeit von Rechtsmittel- und Wiederaufnahmeverfahren einmal hinweggedacht, folgerichtig gar nicht geben (so wohl in der Tat Paulus, FS Spendel, S. 687 ff.). Ein solches Ergebnis kommt - wohl nicht zufällig - dem Standpunkt der überholten und von der ganz herrschenden Meinung zu Recht abgelehnten materiellrechtlichen Rechtskrafttheorien - ungewollt - sehr nahe (dazu auch Schaper, Studien zur Theorie und Soziologie des gerichtlichen Verfahrens, S. 122 ff). 171 Vgl. nur Roxin, StrafVerfahrensrecht, S. 381 ff. Zum öffentlichen Vertrauen in die Rechtsprechung der Strafgerichte auch RGSt 70, 109 (112); BGHSt 3, 386 (387). 172
Dazu etwa Damaska, StV 1988, 398 (401); Volk, FS Salger, S.411 (419); eher zurückhaltend KK-Herdegen, § 244 Rz. 18. 173
Mit dem Wahrheitsbegriff der Konsensus- und Konvergenztheorien haben solche Abreden freilich kaum mehr zu tun. Geht es dort um eine de facto bestenfalls asymptotische Annäherung an ein Ideal, das sich auf die Übereinstimmung aller Diskursbeteiligten in the long run bzw. vor einem imaginierten Forum aller Vernünftigen gründet, so handelt es sich hier um nichts anderes als einen Vertrag über das, was zwischen den Vertragsparteien als „wahr" gelten soll. 174
von Glasersfeld, Konstruktivistische Diskurse, S. 7. s. a. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 82 f. Zur Möglichkeit von Intersubjektivität vgl. a. Maturana/Varela, Der Baum der Erkenntnis, S. 263 ff. - Im Ergebnis ist dies auch der Standpunkt der herrschenden Lehre im Strafprozeßrecht, vgl. nur Gössel, FS Meyer-Goßner, S. 187 (199 ff.); LR-Rieß, Einl. Abschn. G, Rz. 42 ff.
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Eine Gleichwertigkeit konsensual ausgehandelter mit justizförmig herausprozessierter „Wahrheit" läßt sich damit kaum begründen. Nach alledem kann an „Wahrheit" - unter den hier dargelegten Prämissen als Auftrag, Zielvorgabe oder „regulative Idee" auch in rechtlich geordneten Verfahren festgehalten werden. Ob sie allen Verfahren in gleicher Weise zugrunde liegt, ist nicht unzweifelhaft. Denn ungeachtet der etwa von Luhmann - in Weiterführung der durch Carl Schmitt tradierten Parlamentarismuskritik - vorgetragenen Zweifel an der Vorstellung, der freie Diskurs allein ihrem Gewissen unterworfener Abgeordneten sei besonders geeignet, die Wahrheitsfindung zu befördern 175, ist doch immerhinfraglich, ob ein solcher Wahrheitsanspruch der Idee parlamentarischer Mehrheitsdemokratie wirklich gemäß ist, oder ob die in dieser Weise zu treffenden Festlegungen (als Zugeständnis an den Entscheidungsdruck) nicht eher als vorläufige Zäsuren zu verstehen sind, die die jeweils unterlegene Minderheit nicht ipso facto als „Irrende" ins Unrecht setzen176. Vor dem Hintergrund des Selbstregierungsgedankens rousseauistischer Tradition läßt sich das Majoritätsprinzip vielmehr dahin interpretieren, „daß die unterlegene Minderheit ihr Einverständnis zur Ermächtigung der Majorität nur unter dem Vorbehalt gibt, daß sie selbst die Chance behält, in Zukunft mit besseren Argumenten die Mehrheit zu gewinnen und die Entscheidung zu revidieren" 177.
3. Durchsetzung und Bewährung des „ materiellen " Rechts Mit der Unterordnung der „Wahrheitssuche" unter die Relevanzstrukturen des der Entscheidung zugrunde zu legenden Rechts (§ 2 C.II.2.c.aa.) wird ein mögliches weiteres „allgemeines" Verfahrensziel ins Spiel gebracht: die Anwendung, Durchsetzung, „Verwirklichung" oder „Bewährung" von „materiellem" Recht in einem Verfahren 178 .
175 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 15 f. Vgl. dazu Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 43 f. 176
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 154, unter Hinweis auf BVerfGE 5, 85 (224) - „KPD". Vgl. schon oben § 2 B.I. l.b. 177 178
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 220 f.; s.a. S. 612 ff.
Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts I, S. 4; unter kreationistisehen Vorbehalten auch Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 35 ff. (durchführende Gestaltung des materiellen Rechts); für den Strafprozeß etwa: Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht, S. 26 f.; Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 207; Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 31; Wolf, Gerichtliches Verfahrensrecht, S. 1, 27. Vom „Verwirklichungsmodus des materiellen Rechts" spricht Wahl,
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Sieht man von dem nächstliegenden Einwand einmal ab, als „allgemeines" allen Verfahren gemeinsames - Ziel könne die Umsetzung materiellen Rechts schon deshalb nicht gelten, weil dem parlamentarischen Gesetzgeber durch die „verfassungsmäßige Ordnung" (Art. 20 III GG), namentlich in ihren Grundrechtsverbürgungen, eher Grenzen gezogen als Verwirklichungsaufträge erteilt werden 179 , so zielt der nächste Widerspruch auf das zunächst ja noch offene (§ 2 B.I.2.d.) Verfahrensergebnis ab: Es sei nicht zu sehen, wie etwa im Falle eines freisprechenden Strafurteils von einer „Durchsetzung" des materiellen Strafrechts gesprochen werden könne 180 . Dem läßt sich leicht entgegnen, auch in einem solchen Falle „bewähre" oder „verwirkliche" sich das Recht, und zwar gerade in seinen Grenzen 181 . Dennoch ist mit jenem Einwand etwas Richtiges erkannt. Freisprechende Urteile werden nicht in gleicher Weise angestrebt wie verurteilende - nicht von den Strafverfolgern, erst recht nicht auf institutioneller Ebene. Selbstverständlich dient das Strafverfahren nicht dazu, Personen erst zu beschuldigen und anzuklagen, um sie danach wieder freizusprechen 182.
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Personen- und Sachverzeichnis Abduktion 83,85, 122, 131,294 Ablehnung 420 f., 475 f. Absprache 75, 135, 177, 196,479 Agamben, G. 115 (Fn. 89), 140 (Fn. 193), 273 (Fn. 80), 275 (Fn. 91 f.), 365 (Fn. 182) Alexy, R. 82, 105, 166 Allgemeine Verfahrenstheorie 26 ff., 36 ff., 50 ff. - kategorischer Ansatz 47 ff. - synoptischer Ansatz 45 ff. - u. Gesamte Strafrechtswissenschaft 50 ff. Amelung, K. 29, 147, 393 f., 437 ff. Amtshaftung 482 Anschluß an Entscheidungen 61, 282 ff. Bateson, G. 301 f., 99 (Fn. 18), 264 (Fn. 30), 284 (Fn. 140) Berufung 225, 299, 308,477 Beweisverwertungsverbot 23 ff., 30, 470 ff., 473 ff. Dekonstniktivismus 341 f., 205 (Fn. 176) Derrida, J. 307, 341 f., 66 (Fn. 32), 71 (Fn. 51), 205 (Fn. 176), 269 (Fn. 56) Dezision(ismus) 67, 79 f., 239, 287 f., 300, 359 Diskurstheorie 37 f., 119 ff. doppelte Rechtsordnung 271 ff. Dynamik 76 f., 80 f., 84, 88 ff., 91, 93 ff., 178, 263,266, 270 ff., 346, 361,463
Engisch, K. 94, 127,306 Entschädigung 481 f. Entscheidung 55 ff. - Abänderbarkeit 63 ff. - als Festlegung 59 ff., 246 ff. - als Information 60 ff. - als Wahl 65 f., 67 ff. - durch Verfahren 55 f., 76 ff., 92 ff., 114 f., 214 ff. - einzig richtige 70 ff., 86 f., 121 f., 274 - traditionaler Charakter 69, 239, 251 - und Durchfuhrung 70, 111, 212 ff., 250 f. - Verdinglichung 59, 64, 145, 297 - Vor-Entscheidung 69, 77 f., 177, 224 f., 239 f., 246 f. Entscheidungsfindung 32 f. Entscheidungstheorien 68 ff., 216 ff. Ermittlungseingriff 332 ff. - Fehlerfolgen 454 ff. - Generalklausel 179,343,460 - IiTtumsprivileg 461 ff. - Notwehr gegen 461 ff. - Rechtsschutz gegen 467 ff., 475 ff. - strafrechtswidriger 459,474,482 - und Verwaltungsakt 431 ff. - Widerstand (§113 StGB) 462 f. Ermittlungseingriffs verfahren 230 ff. Ermittlungsverfahren 226 ff., 405 ff.
Fehler 65 f., 200 f., 316 ff. - als Regelverletzung 72 Fehlerdiagnose 288, 298, 311 f., 321 Fehlerfolgenbegrenzung 256 f., 378 ff.
Personen- und Sachverzeichnis
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Fehlerkalkül des Rechts 376 f. Fehlerkorrektur - interne/externe 28 f. - präventiv/repressiv 28 f. Fehlertoleranz 379 ff. Fehlurteil 140,150,275,361 Folgenbeseitigungsanspruch 29 Funktionalismus 106 f., 120 f., 143 f.
Legitimation durch Verfahren 143 ff, 366 Luhmann, N. 42, 44, 93, 96, 106 f., 117, 120, 136, 143 ff, 155, 188, 250, 266, 278, 302 f., 342, 366
Gadamer, H. G. 60,351, 127 (Fn. 137), 261 (Fn. 13), 263 (Fn. 25) Goldschmidt, J. 37, 41, 47 f., 64, 84, 91, 115, 142, 169, 195,259, 264 ff., 298,314, 339, 341 f., 345 ff, 393
Niese, W. 231, 259, 279 ff, 339, 392
Habermas, J. 42, 119,383 Hagen, J. J. 48 f., 157 (Fn. 1) Handeln und Beobachten 313 Handeln und Bewerten 268, 311, 342, 345,357, 361 Handlungssphäre 312 f., 322, 371, 463 Handlungsspielraum 342 f. Hart, H.L. A. 71, 335, 354 f., 168 (Fn. 22), 349 (Fn. 121) Hermeneutik 60, 94, 306 f. Hill, H. 23, 210, 399 ff. Hufen, F. 23, 398 f. Informationsaustausch 254 institutionelle Zwecke 96 ff, 108 ff, 404 ff. Kelsen, H. 201,224 konstruktive Prozeßtheorie 279, 349 Kontrafaktizität 66, 143, 145 Kontrolle 198, 225, 286 ff, 321 f. (s.a. Selbstkontrolle) - als Verfahren 286 ff. - triadische Struktur 289 f., 381 Kontrollkompetenz 298 ff. Kostenrecht 331 f., 481
Maturana, H. 236,281 (Fn. 126) Mißbrauch 110,319,377
Pflichten und Lasten 345 ff. Philipps, L. 349 ff, 60 (Fn. 8) primary rules 354 f. Prinzipien 100 ff, 342 Prozedurale Gerechtigkeit 37, 202 ff prozedurale Schwellen 195,479 prozedurale Selbstreferenz 302 ff Prozeduralisierung 172 Prozeß (s.a. Verfahren) - Begriff 80 ff. Prozeßhandlung 227, 280 ff, 391 ff, 456 prozessuale Betrachtungsweise 265 ff,342,345 ff. Rationalität, prozedurale 68 f., 183 ff, 243 ff. Rechtliches Gehör 75, 192, 424 ff. Rechtmäßigkeit - formelle 454 ff, 479 - formelle/materielle 309 ff, 332 ff - materielle 454 ff. - von Verwaltungsakten 454 ff. Rechtmäßigkeitsbegriff, strafrechtlicher 461 ff. Rechtsbeugung 358, 395,459 Rechtsfrieden 63, 140 ff, 378 Rechtskraft 61,63, 141, 274, 283 ff. Rechtssicherheit 61,63,373 Rechtsstaatlichkeit 373 f.
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Personen- und Sachverzeichnis
Regeln 335 ff. - deontische 337, 353 - ontische 336 - technische 336 - und Abweichung 299, 312, 317, 320, 339, 350 - und Prinzipien 103 ff. Rekursionen 301 f. Revision 307 ff., 323, 326 ff., 382, 478 ff. - Verfahrensrüge 330 Richtervorbehalt 213, 233 ff., 252 f., 333,402, 421 f., 445 ff., 456 Robles, G. 335 ff. Rödig, J. 49, 158, 166, 270 f. Rogall, K. 24 ff., 395
Sanktion 322, 370 ff. Sanktionierungsspielraum 369, 376 Sanktionsdiskurs 312,322,371,387, 463 Schmitt, C. 72, 84, 136, 199, 276 secondary rules 354 Selbstkontrolle 69, 217 f., 297 f., 304 ff., 311,364 Soll- und Ordnungsvorschriften 326 ff. Staatsakt, fehlerhafter 395 f. Staatsanwaltschaft als Exekutivbehörde 405 ff. Stufenbau der Rechtsordnung 224 f., 251 Subsumtion 73 Systemtheorie 61, 96 ff., 258 ff.
Unschuldsvermutung 75 Unsicherheit 265,277, 356
Verantwortung 65, 250, 290 ff., 385 Verdacht 132, 305 f., 380, 394, 417, 463 Verfahren - als Drama 261 ff. - als Institution 96 ff., 149 - als soziales System 96 ff. - als Spiel 86, 259 ff., 265, 278, 282, 336, 350, 386 - als System 83, 96 ff., 151, 206, 237 ff., 242, 258 ff., 282 ff., 297, 356, 360, 364 f. - Ausdifferenzierung von 236 ff. - äußeres 93 - Begriff 38 ff., 80 ff. - Ergebnisoffenheit 74 ff., 110, 178 - inneres 93 - und Herrschaft 188 ff. Verfahrensabschnitte 185, 208 ff., 236 ff., 244 ff. Verfahrensbeteiligte 152 ff. Verfahrensdauer, überlange 394,472 Verfahrensfehler - Arten 453 ff. - Heilung 471 Verfahrensfunktionen 105 ff. Verfahrensgegenstand 157 ff. - des Ermittlungsverfahrens 431 - Disposition über 162 f., 430 Verfahrensgerechtigkeit 202 ff. Verfahrensmaximen 101 ff. Verfahrensrecht 35, 90, 98 f., 165 ff. - materieller Gehalt 38,332 - Normativität 323 ff. - Rahmencharakter 176 ff. Verfahrensstruktur 151 ff. Verfahrenssubjekt 421 ff. Verfahrensvoraussetzung/-hindernis 76, 306 ff., 319,472,481 Verfahrensvorrang 254 f.
Personen- und Sachverzeichnis
Verfahrensziele 108 ff. - allgemeine 113 ff. Verfassungsbeschwerde 480 Vertrag und Verfahren 38, 92 Verwaltungsakt, fehlerhafter 396 ff., 454 ff. Vorläufigkeit 65, 136, 230, 234 f., 270 f., 307, 450 ff.
Waffengleichheit 75, 206 f. Wahrheit 75, 116 ff. Whitehead, Α. Ν. 77,301
Zuständigkeit - örtliche 455,462 - sachliche 455, 462