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German Pages 283 Year 2008
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 200
Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften
Von
Till Soyka
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
TILL SOYKA
Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 200
Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften
Von
Till Soyka
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Thomas Rönnau, Hamburg Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-12864-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist als Dissertation an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – im Januar 2008 zur Promotion angenommen worden. Die mündliche Prüfung fand am 30.06.2008 statt. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von September 2007. Meinem Doktorvater und Erstgutachter Herrn Professor Dr. Thomas Rönnau danke ich herzlich für die Anregung zu diesem spannenden Thema, die stets hilfreichen juristischen und nicht-juristischen Diskussionen und dafür, dass seine Tür jederzeit für mich offen stand – auch schon während des Studiums. Herrn Professor Dr. Peter Rawert danke ich vielmals für seine Einschätzung zu den gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen und die Bereitschaft, diese Arbeit als Zweitgutachter anzunehmen. Bei Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich-Christian Schroeder bedanke ich mich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Der Studienstiftung des deutschen Volkes danke ich für die Gewährung des Promotionsstipendiums, das mir die Erstellung dieser Arbeit sehr erleichtert hat. Bei Morten Mittelstädt möchte ich mich für sein Interesse an meiner Arbeit und seine fundierten Anmerkungen bedanken. Henriette danke ich für das liebevolle Zuhören und Aufmuntern und die schöne Zeit, die wir bisher gemeinsam verbracht haben. Schließlich danke ich vor allem meiner Familie, die mich stets bei allem unterstützt hat und immer für mich da ist. Hamburg, im Juni 2008
Till Soyka
Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 E. Folgen bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 F. Folgen bei wirtschaftlicher Betrachtung: Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 H. Schlussbetrachtung und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . 1. Erster Entwurf des BGB: Die einzelnen Gesellschafter als anteilige Vermögensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweiter Entwurf des BGB: Einführung der Gesamthand . . . . . . . . . . . a) Traditionelle individualistische Theorie: Die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gruppenlehre: Die Gesellschaft als Vermögensträgerin . . . . . . . . . aa) Herrschende Ansicht: Die Gruppe der Gesellschafter als Vermögensträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gleichstellung der Vermögensträgerschaft mit der Lage bei den juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Originär strafrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens (wirtschaftliche Betrachtung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . 1. Mitgliedschaft und Vermögensanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss als bloßer Reflexschaden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis der Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 22
C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt: Keine Vermögensträgerschaft der Gesellschaft mangels Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung der einzelnen Schadenspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anteilige Schädigung im Verhältnis der Einlageleistungen . . . . . . b) Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffsklärung: Haftsumme und Pflichteinlage. . . . . . . . . . . . bb) Umfang und Ausgestaltung der möglichen Haftung . . . . . . . . (1) Umfang der Haftungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausgestaltung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 24 25 27 30 34 36 37 43 44 49 54 56 56 59 61 62 64 64 65 66 67 68 69
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Inhaltsverzeichnis (a) Regress- und Freistellungsansprüche gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Regress- und Freistellungsansprüche gegen die Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Begrenzung des Gefährdungsschadens bei einer GmbH als Gesellschafterin?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schaden durch negative Beeinflussung der Vermögensrechte . . . . aa) Gewinn- und Verlustverteilung bei der GbR . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewinn- und Verlustverteilung bei der OHG . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinn- und Verlustverteilung bei der KG . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Komplementäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kommanditisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis der Schadensposten zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kompensation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung der herrschend vertretenen Auffassung . . . . . . . . . . . . VII. Kritik an der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensträgerschaft: Widerspruch zum Gesellschaftsrecht . . . . . . . a) Vergleich mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafrechtliche Stimmen zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anteilige Schädigung im Verhältnis der Einlageleistungen . . . . . . b) Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderungen an eine hinreichend konkrete Gefährdung . . . bb) Einschränkung des Gefährdungsschadens bei Vermögenslosigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Uneinheitliche Schadensbegriffe als Grund für die uneinheitliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vermögensschaden bei wirtschaftlicher Betrachtung . . . . (a) Unbegrenzte Schädigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . (b) Abweichende Ansicht des BGH: Schaden nur in Höhe des unbelasteten Restvermögens . . . . . . . . . . c) Schaden durch negative Beeinflussung der Vermögensrechte . . . . d) Verhältnis der Schadensposten zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Strafantrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 70 75 76 78 79 83 83 84 87 88 89 93 94 96 96 96 101 104 104 107 108 110 111 115 116 119 120 121 124 131 133 137
D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Inhaltsverzeichnis
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II. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblichkeit der Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit und Voraussetzungen des Einverständnisses . . . . . . . a) Offene Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art und Umfang der Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . bb) Das Zustandekommen eines Einverständnisses durch Gesellschafterbeschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unwirksamkeit eines gegenüber den Mitgesellschaftern treuwidrigen Mehrheitsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unwirksamkeit eines gegenüber der Gesellschaft treuwidrigen Einverständnisses aller . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommanditgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141 141 142 146 147 147
E. Folgen bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensträgerschaft der Gesellschaft selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einverständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschränkung der Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unwirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen im Gesellschafterinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unwirksamkeit des Einverständnisses im Gesellschaftsinteresse aa) Streitstand zur GmbH-Untreue trotz Zustimmungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Körperschaftstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesellschaftertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Eingeschränkte Gesellschaftertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme: Schutz der GmbH als Ausgleich für Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung auf die Gesamthandsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . (1) Dispositionsfreiheit aufgrund der persönlichen Haftung (2) Sonderfall GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149 150 154 156 156 159 160 161 163 164 167 167 169 169 171 172 174 175 176 177 178 181 186 186 189 192 192 192 193 193
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Inhaltsverzeichnis
F. Folgen bei wirtschaftlicher Betrachtung: Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 1. Strafrecht: Ablehnung einer Vermögensbetreuungspflicht ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . 2. Gesellschaftsrecht: Anerkennung einer Vermögensbetreuungspflicht ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem Strafrecht . . . . . . . . . a) Vermögensbetreuungspflicht an der Gesellschaft beteiligter Leitungspersonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensbetreuungspflicht nicht an der Gesellschaft beteiligter Leitungspersonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organpflichten gegenüber den einzelnen Gesellschaftern. . . . bb) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Gesellschafter . . . . cc) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatsächliches Treueverhältnis als Basis einer Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen eines tatsächlichen Treueverhältnisses . . . . . . . . . b) Tatsächliches Treueverhältnis von Verantwortungspersonen einer Gesellschaft gegenüber den einzelnen Gesellschaftern . . . . . . . . . . aa) Tatsächliche Verfügungsmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzwürdiges Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Restriktionsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss nur mittelbarer Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnung der Schadenshöhe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verringerung der Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Minderung des Anteilswerts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik und Übertragung auf Personengesellschaften. . . . . . . . . c) Details der Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196 196 197 197 198 199 199 199 201 201 203 204 205 207 209 211 212 214 217 218 221 222 223 226 227 229 231 231 233 234 234 236 237 238 240
Inhaltsverzeichnis
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aa) Schädigung eines gesunden Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schädigung eines Unternehmens in der Krise . . . . . . . . . . . . . cc) Verursachung des Untergangs des Unternehmens durch die Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergleich der strafrechtlichen Folgen der verschiedenen Varianten . . . . 1. Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafantragserfordernis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Begründung der verschiedenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . 1. Herrschende Ansicht im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafrechtseigene Betrachtung Nelles’. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftsrechtliche Theorien zur Zuordnung des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im Gesellschaftsrecht herrschende Gruppenlehre. . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher. . . . . . . . . . . . . 4. Mitgliedschaft im Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter . . . . III. Auflösung der Konkurrenz zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konsumtion der Untreue zum Nachteil der Gesellschaft . . . . . . . . . . . 2. Bedenken gegen die Annahme einer Konsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterschiedliche Rechtsgutsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sperrwirkung der Gesellschafterebene auch bei Straffreiheit? . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243 243 244 245 247 248 250 252 253 253 253 254 255 256 257 257 259 260 261 261 264 267
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
A. Einleitung Der Bereich der Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften führt in der wissenschaftlichen Diskussion ein Schattendasein. Während insbesondere die GmbH-rechtliche Untreuediskussion schon seit Jahren boomt und eine regelrechte Flut von Veröffentlichungen ausgelöst hat, sind aktuelle Stellungnahmen zu den entsprechenden Problemlagen bei den Gesamthandsgesellschaften (GbR, OHG, KG) Mangelware. Dabei ist deren praktische Relevanz enorm. Zahlreiche Unternehmen sind personengesellschaftlich organisiert. So waren laut Umsatzsteuerstatistik1 des Jahres 2005 etwa 380.000 Personengesellschaften in Deutschland aktiv, die über 1,3 Billionen Euro Umsatz generierten. Das sind gut 28% des Gesamtaufkommens. Selbst die mehr als 450.000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung konnten diesen Wert mit gut 34% nur knapp übertreffen. Die 7.200 registrierten Aktiengesellschaften erwirtschafteten im gleichen Zeitraum hingegen nur etwa 0,95 Billionen Euro (unter 20%). Die Bedeutung der Personengesellschaften ist im Wirtschaftsleben also enorm und braucht sich hinter der der Kapitalgesellschaften keineswegs zu verstecken. Bemerkenswert ist schließlich, dass nicht nur kleine Familienunternehmen sich dieser Rechtsform bedienen, sondern auch milliardenschwere Großunternehmen und Unternehmenstöchter in deren Konzernverbund.2 Eine besondere Aktualität erhalten die in Rede stehenden Konstellationen dadurch, dass ihre Beurteilung unmittelbar von gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen abhängt, die durch eine jüngste Änderung der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung neue Impulse erfahren haben. Die in § 266 StGB geregelte Untreue stellt es nämlich unter Strafe, wenn jemand als Adressat einer Vermögensbetreuungspflicht missbräuchlich oder treuwidrig fremdes Vermögen schädigt. Daraus folgt, dass nur ein mit dem Täter nicht identischer Vermögensinhaber Geschädigter sein kann.3 Zur Bestimmung der Fremdheit des Vermögens entspricht es nun nahezu einhelliger Ansicht, dass die Vermögenszuordnung zivilrechtsakzessorisch, das heißt unter zivil1
Zu finden über das statistische Bundesamt unter http://www.destatis.de. Vgl. nur für den Mobilfunksektor die O2 Germany GmbH & Co. OHG, die Talkline GmbH & Co. KG oder die T-Mobile International AG & Co. KG. 3 BGH wistra 1984, 71; wistra 1992, 24, (25); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Mitsch § 8 Rn. 14; Otto BT § 54 Rn. 37; Schulte NJW 1983, 1773. 2
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A. Einleitung
und handelsrechtlichen Gesichtspunkten, vorzunehmen ist.4 Das bedeutet, dass sich auch das Strafrecht mit jeder im Gesellschaftsrecht geführten Auseinandersetzung um die Vermögenszuordnung und deren Entwicklung befassen muss. Während danach eine juristische Person, wie beispielsweise eine GmbH oder AG, unstreitig Vermögensträgerin und damit Opfer einer Untreue sein kann, wird dies bei den Personengesellschaften ganz herrschend anders gesehen. Die Strafsenate des BGH5 und die ihnen fast einmütig folgende Strafrechtsliteratur6 gehen seit mehreren Jahrzehnten davon aus, dass nicht die Gesellschaft, sondern vielmehr allein deren einzelne Gesellschafter anteilig Träger des Gesellschaftsvermögens sind. Eine Untreue zum Nachteil der Gesellschaft gibt es damit nicht.7 Demgegenüber wird im Gesellschaftsrecht schon lange darüber gestritten, ob das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaftergesamtheit oder der Gesellschaft als solcher zusteht.8 In einer viel beachteten Grundsatzentscheidung hat der zweite Zivilsenat des BGH im Jahr 2001 entschieden, dass die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die den Prototyp aller Personengesellschaften darstellt, entgegen der früheren Zivilrechtsprechung nunmehr als (teil)rechtsfähig anzusehen ist.9 Dadurch fühlen sich die Stimmen ermutigt, die davon ausgehen, dass die Gesellschaft selbst als Trägerin der Rechte und Pflichten und damit des Gesellschaftsvermögens anzusehen ist. Für das Strafrecht würde ein solches Verständnis bedeuten, dass eine Untreue zum Nachteil der Gesellschaft als solcher doch möglich wäre, ganz ähnlich wie bei einer GmbH. Aber auch wenn man dem nicht folgt, macht 4 BGH wistra 1992, 24 (26); Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; Schönke/SchröderLenckner/Peron § 266 Rn. 6; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 30; ders. LPK § 266 Rn. 19; Bittmann InsR § 16 Rn. 56; Mitsch § 8 Rn. 14; Achenbach NStZ 1988, 97 (100); Schulte NJW 1984, 1671; Schäfer NJW 1983, 2850 (2851). 5 BGH, Beschluss vom 2.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3; wistra 1984, 71; wistra 1988, 113; wistra 1991, 183; StV 1988, 14 (15); NStZ 1987, 279; NJW 1992, 250 (251); NJW 2003, 2996 (2999). 6 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 177; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 30; ders. LPK § 266 Rn. 81; Wabnitz/Janovsky-Köhler Kapitel 7 Rn. 246; Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.1; Rohwedder/Schmidt-LeithoffSchaal Vor §§ 82–85 Rn. 25; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid § 31 Rn. 184, § 28 Rn. 59; Bittmann InsR § 16 Rn. 56 f.; Otto BT § 54 Rn. 37; Schulte NJW 1983, 1773 (1774); ders. 1984, 1671; Schmitz JA 1991, 312; Winkelbauer JR 1988, 33 (34); ders. wistra 1986, 17 (18); Bittmann/Richter wistra 2005, 51 f.; Hartung NJW 1996, 229 (235). 7 So ausdrücklich BGH NJW 2003, 2996 (2999); wistra 1992, 24 (25 f.). 8 K. Schmidt GesR § 8 III 1 a. 9 BGH NJW 2001, 1056 (1058).
A. Einleitung
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die um das Urteil erneut entbrannte Diskussion deutlich, dass alternativ dazu jedenfalls die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit Vermögensinhaber sein sollen. Beide im Gesellschaftsrecht vertretenen Ansichten stehen damit im krassen Widerspruch zur im Strafrecht seit Jahrzehnten postulierten Einzelzuständigkeit. Aufgrund dieser offenkundigen Divergenz war zu hoffen, dass die gesellschaftsrechtliche Entwicklung von der strafrechtlich herrschenden Meinung zum Anlass genommen wird, die eigene Rechtsauffassung zu überprüfen und möglicherweise gar die Gesellschaftergesamtheit oder die Gesellschaft selbst als Opfer der Untreue anzuerkennen. Aufgrund der steten Berufung auf die Akzessorietät wäre dies durchaus zu erwarten gewesen. Jedoch wird, wie ein Urteil des fünften Strafsenats aus jüngerer Zeit zeigt, an der bisherigen Auffassung diskussionslos festgehalten.10 Auch in der Literatur scheint der Widerspruch zum Gesellschaftsrecht nicht aufzufallen. Damit erfolgt auf strafrechtlicher Ebene nach wie vor eine vom Privatrecht abweichende Zuordnung des Gesellschaftsvermögens. Mit Blick auf die hohe praktische Relevanz der Personengesellschaften im Wirtschaftsleben ist es verwunderlich, dass diese Diskrepanz bislang nicht Gegenstand einer umfassenden Untersuchung geworden ist.11 Denn es handelt sich bei der Frage um die Vermögensträgerschaft keineswegs um ein juristisches Glasperlenspiel. Vielmehr stellt sie nur die erste Weiche für zahlreiche Folgefragen und ist damit durchaus ergebnisrelevant. So hängen die Beurteilung eines möglichen Einverständnisses und der damit korrespondierende Ausschluss der Pflichtwidrigkeit einer Handlung unmittelbar davon ab, wer Rechtsgutsträger und damit zur Preisgabe des Vermögens berechtigt ist. Die Frage nach der Identität des Geschädigten entscheidet ferner über ein möglicherweise bestehendes Strafantragserfordernis gemäß §§ 266 Abs. 3, 247 StGB. Schließlich wird die Bestimmung des für § 266 StGB maßgeblichen Nachteils beeinflusst, da dieser entweder auf Gesellschafter- oder aber auf Gesellschaftsebene zu suchen ist. Während das Vorliegen eines Einverständnisses über die Strafbarkeit schlechthin entscheiden kann, ist die Schadensberechnung vor allem für die von der Schadenshöhe abhängige Strafzumessung12 und die Möglichkeit einer Verfahrenseinstel10 BGH NJW 2003, 2996 (2999); auch in BGH, Urteil v. 26.07.2005, 3 StR 36/05, S. 7, wird von Geschädigten entsprechend der Anzahl der Gesellschafter ausgegangen. 11 In den letzten Jahren seit der Wende der Zivilrechtsprechung sind lediglich zwei Aufsätze zu diesenm Themenkomplex erschienen: Grunst BB 2001, 1537; Bittmann/Richter wistra 2005, 51. 12 BGH JA 1991, 312; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 53; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296; vgl. auch die Strafzumessungsregel in §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB für einen Schaden großen Ausmaßes.
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lung nach §§ 153 ff. StPO von Bedeutung. Das Erfordernis eines Strafantrags kann schließlich gar die Verfolgbarkeit überhaupt verhindern. Somit kommt es auch im Ergebnis je nach zugrunde gelegter Konstruktion zu ganz gravierenden Unterschieden. Im Strafrecht haben die verschiedenen Möglichkeiten der Zuordnung des Rechtsguts nahezu keine Beachtung gefunden. Eine grundlegende Auseinandersetzung mit den für maßgeblich erachteten gesellschaftsrechtlichen Regelungen findet nicht einmal ansatzweise statt. Daher kann es nicht verwundern, dass das seit Jahrzehnten in Literatur und Rechtsprechung vorherrschende Verständnis entgegen aller Beteuerungen offenkundig gesellschaftsrechtswidrig ist, mit dem Ultima Ratio Prinzip zu brechen droht und an zahlreichen Unklarheiten krankt, die eine problemlose Handhabung nahezu unmöglich machen. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag leisten, diese unbefriedigende Situation zu verändern, indem die relevanten Untreuekonstellationen einer grundlegenden Untersuchung zugeführt werden. Zunächst werden dazu einige Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft der Gesamthand angestellt, um die für die folgende Untersuchung relevanten, vor allem gesellschaftsrechtlichen Grundlagen vorab zu klären (B.). Im Anschluss daran erfolgt eine umfassende Betrachtung der sich daraus ergebenden fünf Lösungsvarianten (C. bis G.). Dabei wird besonderes Augenmerk auf die strafrechtlich herrschende Ansicht gelegt, die mit jedem im Privatrecht vertretenen Konzept der Gesamthand unvereinbar ist. Zuletzt erfolgt eine Gesamtbetrachtung, die die Konstruktionen miteinander vergleicht und bewertet. Im Rahmen dessen fällt schließlich auch die Entscheidung für einen der möglichen Wege (H.).
B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft Die Frage der Vermögensträgerschaft ist, wie bereits angedeutet, für die zu untersuchenden Untreuekonstellationen ganz zentral. Das liegt daran, dass damit aus strafrechtlicher Sicht über die Zuordnung des geschützten Rechtsguts entschieden wird. Da deutsche Straftatbestände rechtsgutsbezogen ausgelegt werden, strahlt diese Grundsatzentscheidung unmittelbar auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale aus und gibt deren Anknüpfungspunkt vor. Diese Erkenntnis mutet noch recht übersichtlich an. Eine gewisse Ernüchterung tritt hingegen ein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit der Frage nach der Vermögenszuordnung das seit über einhundert Jahren und bis heute lebhaft umstrittene Kernproblem des Personengesellschaftsrechts angesprochen ist.13 Soll strafrechtlich an das Zivilrecht angeknüpft werden, sieht man sich dieser facettenreichen und mit viel Leidenschaft geführten Diskussion ausgesetzt. Deren Charakterisierung als „Mysterienspiel“14 oder „unverständliche Gedankenakrobatik“15 laden zu einer Auseinandersetzung ebenso wenig ein, wie die Attestierung einer bis heute anhaltenden Grundlagenungewissheit16 und Begriffsverwirrung17. Aber auch eine originär strafrechtliche Begriffsbildung ist nicht weniger umständlich. Denn schließlich erfordert sie eine kaum in Betracht gezogene Abkehr vom seit langem gepredigten Dogma der Zivilrechtsakzessorietät. Damit ist in der maßgeblichen Frage der Vermögenszuordnung eine grundsätzliche Zweiteilung der juristischen Lösungsszenarien aufgezeigt: Soll § 266 StGB akzessorisch an das Gesellschaftsrecht angeschmiegt werden, ist – gewissermaßen als Vorfrage – zunächst zu klären, welche Optionen der Vermögensträgerschaft sich nach der umstrittenen Rechtslage überhaupt ergeben. Wie noch zu zeigen sein wird, haben gesellschaftsrechtliche Erwägungen in der Untreuediskussion bislang bei weitem zu wenig Beachtung gefunden. Soll hingegen ungeachtet dessen ein allein im Strafrecht wurzelndes System gefunden werden, gilt es ein eigenes Kriterium für die 13 Siehe nur mit jeweils weiteren Nachweisen: K. Schmidt GesR § 8 III 1; ders. NJW 2001, 993; Ulmer ZIP 2001, 585; Scholz NZG 2002, 153; Peifer NZG 2001, 296; Beuthien JZ 2003, 715; ders. NJW 2005, 855. 14 K. Schmidt GesR § 8 III 1. 15 Weber-Grellet AcP 182 (1982), 316 (326). 16 Beuthien NJW 2005, 855. 17 Beuthien JZ 2003, 715.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
Vermögenszuordnung zu benennen. Über die zu wählende Konstruktion kann und soll aber hier nicht vorab und losgelöst von den jeweiligen strafrechtlichen Konsequenzen entschieden werden. Vielmehr geht es darum, die verschiedenen Ansätze als Grundlage der folgenden (strafrechtlichen) Diskussion fruchtbar zu machen und auf die Details der insbesondere im Gesellschaftsrecht fast unüberschaubaren Debatte nur insoweit einzugehen, wie dies für das weitere Verständnis förderlich ist.
I. Gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens Will man sich einen Überblick verschaffen, welche Möglichkeiten ein Gleichlauf mit dem Gesellschaftsrecht bietet, wird am Besten historisch vorgegangen. Der Streit um die rechtliche Konstruktion der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat nämlich schon bei der Schaffung des BGB Ende des 19. Jahrhunderts eine Rolle gespielt und sich danach geradezu in Epochen fortentwickelt. Dabei sind die Vorschriften der §§ 705 ff. BGB für das gesamte Personengesellschaftsrecht deshalb richtungweisend, weil die GbR als Grundtypus der Personengesellschaft das dogmatische Fundament für die darauf aufbauenden Gesellschaftsformen des Handelsgesetzbuchs legt.18 Für die Frage, wer Träger des Gesellschaftsvermögens einer GbR ist, wurden im Laufe der Entwicklung drei Möglichkeiten in Betracht gezogen: Das Vermögen kann den einzelnen Gesellschaftern anteilig (1.), der Gesellschaftergesamtheit gemeinsam (2.) oder aber der Gesellschaft selbst als einem von den Gesellschaftern verschiedenen Rechtsträger (3.) zugeordnet werden. 1. Erster Entwurf des BGB: Die einzelnen Gesellschafter als anteilige Vermögensträger Der erste Entwurf des BGB ging noch davon aus, dass es sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – dem Vorbild der römisch-rechtlichen societas entsprechend19 – um ein reines Schuldverhältnis handelt und es kein vom Vermögen der Gesellschafter getrenntes und damit irgendeinem Son18 MüKo-BGB-Ulmer Vorb § 705 Rn. 12; K. Schmidt GesR § 8 I 3 b; siehe im Übrigen nur den Verweis auf die §§ 705 ff. BGB in § 105 Abs. 3 HGB für die OHG, der gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch für die KG gilt. 19 Mugdan S. 991; BGH NJW 2001, 1056; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 705 Rn. 11.
I. Gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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derstatus unterliegendes Gesellschaftsvermögen gibt.20 In den Motiven wird die Konstruktion wie folgt beschrieben: „Durch die Einbringung von Gegenständen dem Rechte nach entsteht kein Eigenthum der Gesellschaft im Gegensatze zu den Gesellschaftern, auch keine Einheit oder Geschlossenheit des Gesellschaftsvermögens im Sinne des französischen und preußischen Rechts oder des HGB. Vielmehr steht an den einzelnen Gegenständen jedem Gesellschafter ein bestimmter (. . .) Antheil zu; es entsteht also an den gemeinschaftlich gewordenen Sachen ein Miteigenthum (. . .), gemeinschaftliche Forderungen sind unter die Gesellschafter nach bestimmten Maßstabe getheilt (nomina ipso jure divisa).“21 Daraus ergibt sich, dass das Vermögen den Gesellschaftern in der Weise zugeordnet wird, dass jedem als Teil seines Privatvermögens ein individueller Anteil an den einzelnen Vermögensgegenständen unmittelbar zusteht. Der in der Literatur gezogene Vergleich zur Rechtslage bei der Bruchteilsgemeinschaft liegt nahe.22 Bezüglich des Miteigentums an Sachen als klassischem Fall einer Bruchteilsgemeinschaft leuchtet dies ein. Hinsichtlich der Behandlung von Forderungen geht der Entwurf jedoch sogar noch weiter als die Gemeinschaft. Dem in den Motiven angesprochenen Grundsatz „nomina ipso jure divisa“23 folgend soll es auch hinsichtlich der Forderungsinhaberschaft zu einer Aufspaltung der Forderung qua Gesetz in Teilforderungen kommen, die bei der Bruchteilsgemeinschaft gerade nicht stattfindet – rechtliche Unteilbarkeit trotz natürlicher Teilbarkeit24. Die Konsequenz einer solchen Konstruktion wäre, dass kein vom Privatvermögen der Gesellschafter zu trennendes Gesellschaftsvermögen existiert. Inhaber des geschützten Vermögens wären allein die Gesellschafter und zwar in der Weise, dass jedem von ihnen ein Anteil an den einzelnen Vermögensstücken zusteht. Darüber hinaus wären diese nur durch ein schuldrechtliches Band miteinander verbunden. Diese Auffassung konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Denn die Zuordnung zum Gesellschaftervermögen führt dazu, dass jeder Gesellschafter frei über seinen Anteil verfügen kann, um damit das „Gesellschaftsver20
Mugdan S. 989; BGH NJW 2001, 1056; MüKo-BGB-Ulmer § 705 Rn 293; K. Schmidt GesR § 8 III 4 d; Flume AT I/1 § 1 II. 21 Mugdan S. 335. 22 MüKo-BGB-Ulmer § 705 Rn. 293; K. Schmidt GesR § 8 III 4 d; Huber FS Lutter, 107 (121). 23 Dieser wurzelt im gemeinen Recht, siehe dazu etwa die Diskussion bei Voß, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jahrgang 22 (1878), S. 30. 24 BGH NJW 1958, 1723; NJW 1983, 2020; Bamberger/Roth-Gehrlein § 432 Rn. 3; MüKo-BGB-Bydlinski § 432 Rn. 4.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
mögen“25 jederzeit zu zerstören und den gemeinsamen Zweck zu vereiteln.26 Daher sollte zunächst eine Vorschrift eingefügt werden, die eben eine solche Verfügung untersagte, freilich nur mit schuldrechtlicher Wirkung. Das wurde jedoch als nicht weniger misslich empfunden. Da dinglich eine Verfügung und damit die befürchtete Zerstörung des „Gesellschaftsvermögens“ möglich bliebe, dies den anderen Gesellschaftern gegenüber aber eine Pflichtverletzung darstellen würde, fielen rechtliches Können und rechtliches Dürfen auseinander. Es sei eine „Schwäche des Gesetzgebers, den Gesellschaftern die thatsächliche Macht zur Verfügung einzuräumen, die zu unterlassen er ihnen zur Pflicht mache.“27 Zudem entspreche es auch nicht den Interessen des Gesellschafters, dass von ihm eingebrachte Gegenstände anteiliges Eigentum der anderen werde, insbesondere bei ungleichen Beiträgen.28 Vielmehr gehe der Wille dahin, dass die einzelnen Vermögensstücke zwar während des Bestehens der Gesellschaft gemeinschaftlich sein sollen. Nach Beendigung der Gesellschaft wolle jeder Gesellschafter aber gerade seine Einlage wieder zurück haben.29 Letztlich entschied sich die Kommission daher gegen diese Konstruktion. 2. Zweiter Entwurf des BGB: Einführung der Gesamthand Diese Erwägungen führten dazu, dass die Väter des BGB sich doch für eine Abtrennung des Vermögens der GbR vom Vermögen der einzelnen Gesellschafter entschieden, indem sie das Prinzip der so genannten Gesamthand30 einführten. Damit wurde entschieden, dass es ein Sondervermögen im Sinne eines echten Gesellschaftsvermögens geben sollte.31 Jedoch war die weitere Ausgestaltung dieser Figur schon im 19. Jahrhundert höchst umstritten (und ist es bis heute). Dabei ging es nicht etwa um Randpunkte, sondern vielmehr um ein Grundprinzip, das für das Verständnis der Vermögensordnung der Gesamthand entscheidend ist: Ist das, was als „Gesamt25 Dieser Ausdruck wird in den Protokollen verwendet, hier aber in Anführungsstriche gesetzt, da es nach der Konzeption des ersten Entwurfs ja gerade kein solches Gesellschafts-, sondern nur Gesellschaftervermögen geben sollte. 26 Mugdan S. 992 f. 27 Mugdan S. 991. 28 Mugdan S. 990. 29 Mugdan S. 991. 30 K. Schmidt GesR § 8 III 3 a weist darauf hin, dass eine einheitliche Behandlung „der“ Gesamthand angesichts der Vielzahl an Gesamthandsvarianten nicht möglich ist. Im Folgenden soll daher, wenn von Gesamthand gesprochen wird, die in diesem Zusammenhang allein interessierende Gesamthandsgesellschaft gemeint sein. 31 Mugdan S. 990.
I. Gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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hand“ bezeichnet wird, ein Sondervermögen der Gesellschaftergesamtheit oder ist die „Gesamthand“ selbst eine von den Gesellschaftern zu unterscheidende Rechtsträgerin?32 Gerade die für § 266 StGB wichtige Vermögenszuordnung macht also den Kern des Disputs aus. Das wäre halb so schlimm gewesen, wenn der Gesetzgeber sich festgelegt und damit die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt hätte. Die Kommission jedoch zog es vor, eine Formulierung zu wählen, bei der es darauf ankomme „einerseits eine Entscheidung der wissenschaftlichen Frage nach dem Wesen der gesamten Hand zu vermeiden und andererseits das Prinzip selbst möglichst deutlich und verständlich hinzustellen.“33 Der Gesetzgeber konstituierte also ein Gesellschaftsvermögen, ließ aber die Frage nach dessen Zuordnung offen.34 Er trug damit eine grundlegende Unsicherheit in das deutsche Gesellschaftsrecht, die der Klärung durch Wissenschaft und Praxis noch bedurfte.35 Dementsprechend ist es wenig verwunderlich, wenn diese Rechtsfrage bis heute uneinheitlich beantwortet wird und auch die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung erst vor wenigen Jahren noch entscheidende Wendungen genommen hat. Es lohnt sich also eine umfassende Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung auch für den Strafrechtler. Anderenfalls droht der postulierte Anschluss an das Gesellschaftsrecht verloren zu gehen. Das Meinungsspektrum lässt sich zunächst auf zwei Strömungen konzentrieren: Die traditionelle individualistische Theorie und die Gruppenlehre. Letztere wird später noch weiter auszudifferenzieren sein. a) Traditionelle individualistische Theorie: Die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin Die traditionelle individualistische Theorie war über viele Jahrzehnte hinweg die in der Rechtsprechung und Literatur ganz herrschende Meinung 32
K. Schmidt GesR § 8 III 1 a. Mugdan S. 992. 34 BGH NJW 2001, 1056 f.; Flume AT I/1 § 1 II; K. Schmidt GesR § 8 III 4 d; Raiser AcP 194 (1994), 495 Fn. 3; siehe aber auch Heil NZG 2001, 300 (303), der darauf hinweist, die soeben und oft zitierte Passage sei dem Textzusammenhang nach lediglich auf das Verhältnis der Gesellschafter zu den „einzelnen Vermögensstücken“ bezogen. Zwar lassen die Protokolle in der Tat eine solche Interpretation zu. Jedenfalls erfolgte aber auch keine gesetzgeberische Entscheidung zur umstrittenen Frage der Vermögenszuordnung bei der Gesamthand, so dass diese zu diskutieren bleibt. 35 Siehe nur die besonders deutlichen Formulierungen bei Flume AT I/1 § 1 II: „Dürftigkeit der rechtspositivistischen Regelung der Gesellschaft im BGB“; Ulmer ZIP 2001, 585: „bekanntermaßen unzulänglich geregelte Materie“; Raiser AcP 194 (1994), 495 (497): „Rechtlich blieb die rudimentäre Regelung der Gemeinschaftssphäre unbefriedigend.“ 33
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
und findet auch heute noch namhafte Anhänger36. Sie geht davon aus, dass das Gesellschaftsvermögen als gebundenes Sondervermögen den Gesellschaftern zusammen, das heißt in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zusteht.37 Der BGH hat das wie folgt formuliert: „Nach einhelliger Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung sind Träger der Rechte und Pflichten die Gesellschafter selbst, allerdings in ihrer Verbundenheit als Gesellschafter. Die Personengesellschaft ist von der Persönlichkeit der Gesellschafter nicht zu trennen.“38 Um die Bedeutung dieser Ansicht nachzuvollziehen, ist sie in einen größeren Kontext zu setzen. Es handelt sich bei der Frage der Vermögensträgerschaft der GbR nämlich nicht um ein Einzelproblem dieser Gesellschaftsform, sondern vielmehr um eine Feststellung, die für das gesamte System der Rechtsträger im Gesellschaftsrecht Ordnungscharakter hat. So geht diese lange Zeit nahezu unangefochtene Theorie von einer grundlegenden Zweiteilung der Gesellschaftsformen anhand der Rechts- und damit Vermögensträgerschaft aus.39 Die Unterscheidung knüpft an das Recht der Person im BGB an. Das entscheidende Charakteristikum einer Person ist es danach, selbst Träger von Rechten und Pflichten (und damit des Vermögens) zu sein.40 Diese Eigenschaft wurde mit den gleichbedeutenden Begriffen „Rechtssubjektivität,“ „Rechtsfähigkeit,“ oder „Rechtspersönlichkeit“ beschrieben.41 Neben natürlichen Personen soll danach nur juristischen Personen die Fähigkeit zukommen, selbst Träger von Vermögen zu sein.42 In Abgrenzung dazu sollen Gesamthandsgesellschaften in Ermangelung einer eigenen Rechtsfähigkeit/Rechtspersönlichkeit/Rechtssubjektivität nicht Vermögensträger sein.43 Dafür kommen dann nur die Gesellschafter in Betracht – aufgrund der Absonderung des Gesellschafts- vom 36 Siehe etwa Bork AT Rn. 195; Kraft/Kreutz C I 1 d bb; Zöllner FS Gernhuber, 563 ff.; ders. FS Kraft, 701 ff. 37 Ulmer AcP 198 (1998) 113 (115); mit umfangreichen Nachweisen Hueck/ Windbichler § 3 Rn. 8 Fn. 6. 38 BGHZ 34, 293 (296); siehe dazu ferner Wiedemann GesR II § 1 I 2 a; K. Schmidt GesR § 8 III 2 m. w. N. 39 Kraft/Kreutz C I 1 d bb; Raiser AcP 194 (1994), 495 und 504; Timm NJW 1995, 3209; Beuthien JZ 2003, 715. 40 Flume AT I/1 § 7 II; Bork AT Rn. 151; Beuthien JZ 2003, 715; ders. NJW 2005, 855. 41 Kraft/Kreutz C I 1 d; Timm NJW 1995, 3209 (3210); Beuthien JZ 2003, 715 (717 f.); Berndt/Boin NJW 1998, 2854 (2855). 42 K. Schmidt GesR § 46 II 1; Kraft/Kreutz C I 1 d bb; Bork AT Rn. 151; Beuthien JZ 2003, 715; Peifer NZG 2001, 296; Berndt/Boin NJW 1998, 2854 (2855); Scholz NZG 2002, 153 (156). 43 Kraft/Kreutz C I 1 d bb; Beuthien JZ 2003, 715; Raiser AcP 194 (1994), 495 (504).
I. Gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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sonstigen Privatvermögen indes nur in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und nicht anteilig.44 Wird eine solche Zweiteilung vorgenommen, bereitet allerdings § 124 HGB im Recht der OHG und KG Kopfschmerzen. Obwohl diese Gesellschaftsformen durch ihre konzeptionelle Nähe zur GbR als Gesamthand ausgestaltet sind und damit an sich nicht als Rechtsträger in Betracht kommen, sollen sie laut dieser Vorschrift „unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen“ können. Der damit offen zutage tretende Widerspruch wird dadurch überwunden, dass man diese Anordnung kurzerhand zur Fiktion erklärt, die nur der Verkehrstauglichkeit dient.45 Dogmatisch gesehen sei nicht die Gesellschaft „selbst“ oder „als solche,“ sondern vielmehr die Gesellschaftergesamtheit Vermögensträgerin.46 Für § 266 StGB wäre dann ebenfalls an die Gruppe der Gesamthänder als gemeinsame Rechtsgutsinhaber und damit Opfer anzuknüpfen. b) Gruppenlehre: Die Gesellschaft als Vermögensträgerin Während sich im frühen 20. Jahrhundert nach Inkrafttreten des BGB die individualistische Theorie der Gesamthand schnell zur allgemeinen Meinung aufschwang, geriet sie seit Anfang der 1970er Jahre wieder zunehmend in Kritik. Namentlich Flume griff mit seinen Werken zur Gesamthand die Diskussion um deren Rechtsnatur erneut auf. Unter ausdrücklichem Anschluss an ähnlich lautende Thesen von Gierkes47 aus der Zeit vor der Erarbeitung des BGB postulierte er im deutlichen Gegensatz zur bisherigen Auffassung, dass die Gesamthand nicht bloß ein den Gesamthändern zustehendes Sondervermögen sei, sondern vielmehr ein eigenes Rechtssubjekt, das selbst Träger des Vermögens sein könne.48 Wurde zuvor die Gesamthand im Wesentlichen als bloßes Vermögenszuordnungsprinzip verstanden, tritt nach dieser Auffassung darüber hinaus eine weitergehende Verselbständigung der Gesellschaft als eigenes Vermögenszuordnungsobjekt ein.49 44 Zur Erinnerung: In der Einführung des vom Individualvermögen abgesonderten Gesellschaftsvermögen liegt der entscheidende Unterschied zum ersten Entwurf des BGB, wonach das Vermögen zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt sein sollte, siehe oben B. I. 2. 45 K. Schmidt GesR § 46 II 1 und § 8 I 2 a; Beuthien JZ 2003, 715; ders. NJW 2005, 855; Berndt/Boin NJW 1998, 2854 (2855). 46 BGH NJW 1988, 556; MüKo-BGB-Ulmer Vorb. § 705 Rn. 9; K. Schmidt GesR § 46 II 1; Wiedemann GesR II § 1 I 2 a; Kraft/Kreutz C I 1 d cc; Beuthien JZ 2003, 715; Peifer NZG 2001, 297; Berndt/Boin NJW 1998, 2854 (2855). 47 v. Gierke, S. 343 („kollektive Einheit“). 48 Flume AT I/1 § 4 I; ders. ZHR 136 (1972), 177 (183). 49 Kraft/Kreutz C II 5 a.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
Das vorläufige Ende der damit losgetretenen und fast drei Jahrzehnte andauernden Auseinandersetzung dürfte auch dem Strafrechtler bekannt sein: Die zunächst auf alle Gesamthandsgemeinschaften (das heißt auch solche außerhalb des Gesellschaftsrechts) bezogene Theorie Flumes fand zumindest im gesellschaftsrechtlichem Schrifttum nach und nach immer mehr Anklang.50 Damit war die so genannte „Gruppenlehre“ zur Gesamthandsgesellschaft geboren, die in der Literatur herrschend wurde. Begründet wurde die Abkehr vom traditionellen Verständnis zumeist damit, dass die praktische Handhabung einfacher und widerspruchsfreier sei als die traditionelle Auffassung.51 In einer spektakulären Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2001 gab schließlich auch der zweite Zivilsenat seine bis dato der traditionellen Auffassung folgende Linie auf und befand für die am Rechtsverkehr teilnehmende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (so genannte Außengesellschaft),52 dass diese als rechtsfähig anzusehen sei.53 Das Gesellschaftsvermögen wird danach der Gesellschaft zugeschrieben.54 Die neue Klassifizierung der GbR als rechtsfähig hat auch die Akzeptanz des Gesetzgebers gefunden. Einige jüngere Akte der Gesetzgebung, die mitunter sogar schon im Vorfeld der Entscheidung des zweiten Zivilsenats erfolgten, haben maßgeblich zur Etablierung der neuen Begrifflichkeit beigetragen.55 Der Ausdruck der „rechtsfähigen Personengesellschaft“ wurde gleich in mehreren Vorschriften verwandt. Neben §§ 1059a Abs. 2, 1059e BGB (beide von 1996) und § 14 Abs. 2 BGB (von 2000) findet sich diese Formulierung seit 2002 auch im Strafrecht in § 14 Abs. 1 Nr. 2 und § 75 S. 1 Nr. 3 StGB wieder. 50 Siehe nur die Nachweise bei Zöllner FS Gernhuber, 563 Fn. 3 und Habersack BB 2001, 477 Fn. 6. 51 Diese Gründe sind im Einzelnen nachzulesen bei BGH NJW 2001, 1056 (1057 f.); mit jeweils ausführlicher Begründung dagegen Peifer NZG 2001, 296 (298 ff.); siehe auch die umfangreiche Befassung mit Rechtsfolgenfragen bei Zöllner FS Kraft, 701 (710 f.). 52 Anderes gilt nach einhelliger Meinung für die sog. Innengesellschaft, da diese als reines Schuldverhältnis zwischen den Gesellschaftern gerade nicht gegenüber Dritten in Erscheinung tritt und keine Rechte und Pflichten im Außenverhältnis begründet; siehe Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 705 Rn. 14; K. Schmidt GesR § 60 I 2 a d; ders. JuS 1988, 444. 53 BGH NJW 2001, 1056. 54 MüKo-BGB-Ulmer Vorb. § 705 Rn. 10; K. Schmidt GesR § 58 IV 2 a; Grunewald GesR S. 50; Hueck/Windbichler § 3 Rn. 8; Beuthien JZ 2003, 715 (716); ders. NJW 2005, 855 (856). 55 So stützt sich der zweite Zivilsenat in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die folgenden Vorschriften, BGH NJW 2001, 1056 (1057 f.); von den Vertretern der Gruppenlehre wurden diese Aktivitäten selbstverständlich als Bestätigung der eigenen Lehre begrüßt, siehe nur Ulmer ZIP 2001, 585 (589); K. Schmidt NJW 2001, 993 (996).
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Der Sieg der Gruppenlehre führt allerdings zu einem weitergehenden ganz gravierenden Problem: Die bisherige Systematik der Verbandstypen droht verwischt zu werden. Es findet nämlich ein Bruch mit dem Dogma statt, dass nur eine Person Vermögensträgerin sein kann.56 Zuvor wurden „Rechtsfähigkeit,“ „Rechtspersönlichkeit“ und „Rechtssubjektivität“ gleichbedeutend verwandt, um damit den besonderen Status der juristischen Person als selbständige Vermögensträgerin zu beschreiben.57 Hierin lag lange Zeit der Kernunterschied zur Gesamthand, der diese Eigenschaft gerade nicht zukommen sollte. Sieht man die Außen-GbR nunmehr als eine „rechtsfähige Personengesellschaft“ an, ist das an sich wissenschaftlich perplex.58 Plötzlich soll nämlich eine Nicht-Person Trägerin von Rechten und Pflichten sein können. Der bisherige Hauptunterschied zur juristischen Person wäre hinfällig. Damit geht einher, dass die lang etablierte Zweiteilung der Gesellschaftsformen in rechtsfähige juristische Personen und nichtrechtsfähige sonstige Gesellschaften grundlegend zerstört wäre.59 In der Tat ist es dem Gesellschaftsrecht bis heute nicht gelungen, ein neues, überzeugendes Konzept aufzubauen und die Rolle der Gesamthandsgesellschaft darin klar zu definieren. Das spiegelt sich insbesondere in der Begrifflichkeit wider. Es wird nämlich versucht, diese Ungewissheit dadurch zu überspielen, dass man der rechtsfähigen GbR, anders als der juristischen Person, eine „eigene Rechtspersönlichkeit“ abspricht.60 Sie soll also eine „rechtsfähige Gesellschaft“ aber in Abgrenzung zur juristischen Person „ohne Rechtspersönlichkeit“ sein.61 Genährt wurde diese Tendenz durch § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, der die Personengesellschaften als „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“ beschreibt. Die vormaligen Synonyme „Rechtsfähigkeit“ und „Rechtspersönlichkeit“ erfahren damit eine Aufspaltung. Rein verbal wird der Sonderstatus der Person aufrechterhalten, indes um ihren vormaligen Kerngehalt, die 56 Siehe dazu K. Schmidt GesR § 8 I 2 a: Die Frage, ob außer den juristischen Personen auch Personengesellschaften Trägerinnen von Rechten und Pflichten sein können, könne sinnvollerweise nur gestellt werden, wenn man nicht von der Prämisse ausgeht, dass nur natürliche und juristische Personen Träger von Rechten und Pflichten sein können. 57 Siehe oben B. I. 2. a). 58 Zöllner FS Gernhuber, 563 (569); Timm NJW 1995, 3209 (3211). 59 Beuthien NJW 2005, 855 (856); Peifer NZG 2001, 296 (298); so will denn auch K. Schmidt GesR § 8 I 3 a die Begriffe im Verbandsrecht neu ordnen. 60 BGH NJW 2001, 1056 (1058); Hueck/Windbichler § 2 Rn. 7; K. Schmidt NJW 2001, 993 (997) spricht von einer Verharmlosung der Anerkennung der Rechtsfähigkeit; zum Ursprung dieser Terminologie siehe Beuthien NJW 2005, 855 (856). 61 BGH NJW 2001, 1056 (1058); MüKo-BGB-Ulmer Vorb. § 705 Rn. 12; ders. ZIP 2001, 585 (589); Zöllner FS Gernhuber, 563 (569); Raiser AcP 194 (1994), 495 (502); Beuthien JZ 2003, 715 (717); ders. NJW 2005, 855 (856).
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
Rechtsfähigkeit, reduziert. Das ist alles andere als hilfreich. Denn keiner vermag zu erklären, worin genau der durch diese neue Begrifflichkeit beschriebene Unterschied zwischen juristischer Person und Gesamthandsgesellschaft nun liegen soll.62 Materiell besteht also eine Grundlagenungewissheit,63 terminologisch herrscht eine Begriffsverwirrung.64 Dieser Situation kann auf zweierlei Weise begegnet werden: Entweder man versucht den Begriff der Rechtspersönlichkeit mit Leben zu füllen, um doch noch einen Unterschied zur juristischen Person hinsichtlich der Rechtsträgerschaft zu finden [aa)] oder aber man wirft die Vermögenszuordnung als primäres Abgrenzungskriterium zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften über Bord [bb)]. Beide Ausprägungen finden sich innerhalb der Gruppenlehre. aa) Herrschende Ansicht: Die Gruppe der Gesellschafter als Vermögensträgerin Soll am Unterschied zur Vermögenslage bei der juristischen Person festgehalten werden, ist der terminologische Unterschied zwischen Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit auch materiell fassbar zu machen. Obgleich die herrschende Ansicht im Zivilrecht inklusive der Rechtsprechung diesen Weg geht, sind alle Lösungsversuche bislang unbefriedigend geblieben und erweisen sich bei näherem Hinsehen als nicht weiterführend. So beschränkt man sich meist auf die wenig aussagende Formulierung, dass die Rechtsfähigkeit die Fähigkeit ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein,65 während die Rechtspersönlichkeit bedeutet, dass die dem gemeinsamen Gesellschaftszweck gewidmeten Rechte aus dem Sonderrechtsbereich der Mitglieder völlig ausscheiden und mit einer von den einzelnen Mitgliedern unabhängigen Organisation, der Rechtsperson, verknüpft werden, die als organisierte Rechtsträgerin gegenüber ihren Mitgliedern verabsolutiert ist.66 Flume beschreibt die Gesamthand in der Weise, dass sie „als Gruppe der in ihr vereinigten Personen“ rechtsfähig sein soll, während bei der juristischen Person „die Organisation als solche, als Person verabsolutiert wird.“67 Unter Bezugnahme darauf befand dann auch der BGH in seiner Grundsatzent62
Zöllner FS Gernhuber, 563 (568); ders. FS Kraft, 701 (707 ff.) Beuthien JZ 2003, 715 (717 f.); K. Schmidt NJW 2001, 993 (997); Wiedemann JZ 2001, 661 (663); Scholz NZG 2002, 153 (156). 63 Beuthien NJW 2005, 855. 64 Beuthien JZ 2003, 715. 65 K. Schmidt, GesR, § 8 I 1; ders. NJW 2001, 993 (995); Bork AT Rn. 154; Grunst BB 2001, 1537, (1538). 66 K. Schmidt, GesR, § 8 I 2 b; Hueck/Windbichler § 2 Rn. 7; siehe auch Flume AT I/1 § 7 II.
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scheidung von 2001, dass die GbR zwar rechtsfähig sei, dies aber nicht „als solche,“ sondern nur als Gruppe der Gesellschafter.68 Bei der juristischen Person soll also gewissermaßen ein Rechtssubjekt entstehen, das neben den Gesellschaftern existiert, während bei der Gesamthand das Rechtssubjekt aus ihnen besteht.69 Gleichbedeutend wird dies auch mit dem griffig klingenden und gern benutzten Gegensatzpaar „Personenverband“ und „Verbandsperson“ beschrieben.70 Auf die Vermögenslage soll sich das in der Weise auswirken, dass das Vermögen der juristischen Person als „noch stärker verselbständigt“ angesehen wird.71 Anders als die Personengesellschaft trete sie „als eigenständiger Rechtsträger zwischen die Mitglieder und das Gesellschaftsvermögen.“72 Diese Ausführungen entpuppen sich jedoch bei genauerem Hinsehen als die blumige Beschreibung eines „Mehr,“ dessen Spezifizierung letztendlich offen bleibt und das rein denklogisch nicht nachvollziehbar ist. Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit sind nämlich auch bei der nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügenden Personengesellschaft die Rechte schon der Gesamthand als eigenem und von den Gesellschaftern verschiedenem Rechtssubjekt zugeordnet. Das ist ja gerade der Unterschied der Gruppenlehre zur individualistischen Theorie. Wenn aber damit das Vermögen schon aus dem „Sonderrechtsbereich“73 der Mitglieder(gesamtheit) ausscheidet, ist unklar, was darüber hinaus ein „völliges Ausscheiden“ bei der juristischen Person sein soll.74 Gleiches gilt für die „stärkere Verselbständigung,“ denn selbständiger als selbständig kann ein Rechtsträger nun einmal nicht sein. Hinsichtlich des „Dazwischentretens als eigenständigem Rechtsträger“ tut sich ebenfalls die Frage auf, was die rechtsfähige GbR im Unterschied zur nichtrechtsfähigen anderes sein soll. Ein Rechtsträger, der von den Gesellschaftern verschieden ist, muss notwendigerweise zwischen 67 Flume AT I/1 § 7 II; so auch der BGH in seiner Leitentscheidung BGH NJW 2001, 1056 (1058). 68 BGH NJW 2001, 1056 (1058). 69 Zöllner FS Gernhuber, 563 (568). 70 Flume AT I/1 § 7 II. 71 Kübler/Assmann § 4 IV 2; Hentschke, Untreueschutz der Vor-GmbH, S. 177 (das Vermögen der rechtsfähigen GbR sei nicht „gänzlich verselbständigt“). 72 Kübler/Assmann § 4 IV 2; ähnlich auch Hueck/Windbichler § 2 Rn. 7 wonach bei der juristischen Person im Unterschied zur rechtsfähigen Personengesellschaft die Mitglieder „juristisch keine Rechte am Gesellschaftsvermögen“ hätten. 73 Man kann sich schon fragen, was mit „Sonderrechtsbereich“ anderes gemeint sein soll, als die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, also die Rechtsfähigkeit. Auch hierbei handelt es sich um eine neue Wortschöpfung mit unklarer Bedeutung. Es liegt auf der Hand, dass ein inhaltsleerer Begriff nicht unter Rückgriff auf einen anderen definiert werden kann. 74 Zöllner FS Gernhuber, 563 (568).
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
die Mitglieder und das Gesellschaftsvermögen treten. Anderenfalls wäre er ja mit den Gesellschaftern identisch. Sieht man die Gesamthand als nicht eigenständig, also unselbständig an, soll aber gleichzeitig auch nicht wie die traditionelle Auffassung die Gesellschaftergesamtheit Vermögensträgerin sein, gibt es überhaupt niemanden mehr, dem das Gesellschaftsvermögen zugeordnet sein könnte. Wer genau Vermögensträger sein soll, bleibt also unklar. Entsprechend kryptisch formulieren die Anhänger dieser Konstruktion. So stünden bei der GmbH anders als bei den Personengesellschaften „die Aktiva allein der GmbH und nicht (auch) den Gesellschaftern“ zu.75 Das „auch“ – vorsichtshalber in Klammern gesetzt – suggeriert, dass bei der GbR eine Doppelzuständigkeit zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern gegeben sein soll. Bei der juristischen Person hätten die Mitglieder „juristisch keine Rechte am Gesellschaftsvermögen.“76 Es fragt sich, ob denn bei der rechtsfähigen Personengesellschaft die Mitglieder neben oder anstatt der Gesellschaft „Rechte am Gesellschaftsvermögen“ haben sollen und welche Bedeutung dann der Rechtsfähigkeit der Gesamthand noch zukommt. Wenn hinsichtlich des Vermögens einer Personengesellschaft dann noch ausgeführt wird, das Gesellschaftsvermögen sei „ein der rechtsfähigen Gesellschaft bzw. ein den Gesellschaftern gemeinschaftlich zustehendes Sondervermögen, das von den Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter strikt getrennt ist,“77 so kann zweideutiger kaum formuliert werden. Wer genau Inhaber der Rechte und Pflichten ist, bleibt diffus. Es kann nach alledem das Vermögen nur entweder allein der Gesellschaft als solcher oder allein den Gesellschaftern in ihrer Verbundenheit zugeordnet werden.78 Mit der Bezugnahme auf die Rechtspersönlichkeit wird versucht, eine dazwischen liegende Ebene der Vermögenszuordnung zu begründen, gewissermaßen als gesteigerte Intensität der Loslösung der Rechte von den Gesellschaftern: Bei der rechtsfähigen Gesamthand sind die Rechte und Pflichten der Gesellschaft zugeordnet, bei der juristischen Person sind sie ihr noch mehr, nämlich als „solcher,“ zugeordnet. Das geht schlichtweg nicht. Statt ein einleuchtendes Unterscheidungskriterium zu präsentieren, führt das eher dazu, die Differenzierung zwischen juristischer Person und Personengesellschaft noch fragwürdiger erscheinen zu lassen.79 Beim Spagat zwischen der Anerkennung als rechtsfähig und dem Versuch, doch noch einen Unterschied zur juristischen Person hinsichtlich der 75 76 77 78 79
Kübler/Assmann § 4 IV 2. Hueck/Windbichler § 2 Rn. 7. Kübler/Assmann § 6 III 4 c [Hervorhebung durch den Verfasser]. So auch Kießling FS Hadding, 477 (478). Reinhardt/Schultz Rn. 40.
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Vermögenslage zu finden, rückt diese Auffassung tatsächlich wieder in die unmittelbare Nähe zur traditionellen Theorie: Wird zwar „die Gesellschaft“ als Vermögensinhaberin aufgefasst, gleichzeitig aber betont, dass damit nur die Gruppe ihrer Gesellschafter gemeint ist („Personenverband“) und nicht die Gesellschaft „als solche,“ dann sind die Unterschiede zur individualistischen Theorie, die ja auch schon der Gesellschaftergesamtheit die Rechte und Pflichten zuordnet, nicht mehr als nur terminologischer Natur.80 Ist „die Gesellschaft“ mit „den Gesellschaftern“ identisch, hat man sich im Kreis gedreht. Wenn schon zur traditionellen Theorie gesagt wurde, „die Personalgesellschaft ist von der Persönlichkeit der Gesellschafter nicht zu trennen,“81 könnte das auch von den Vertretern der so verstandenen Gruppenlehre stammen. Durch die Einführung der Rechtspersönlichkeit wird die Bedeutung der Anerkennung der Rechtsfähigkeit für die Vermögensordnung also gewissermaßen durch die Hintertür wieder revidiert. Einem Rechtsträger, dem die Rechtsfähigkeit nicht „als solchem“ zusteht, fehlt der charakteristische Nutzen der Rechtsfähigkeit.82 Freilich sind in der praktischen Rechtsanwendung durchaus Unterschiede zwischen der so verstandenen Gruppenlehre und der traditionellen Auffassung festzustellen.83 Das liegt indes daran, dass dort, wo ein abweichendes Ergebnis gewünscht ist, der Teil der widersprüchlichen Beschreibung der Gesamthand – einerseits Loslösung von den Gesellschaftern, andererseits doch Identität mit ihnen – gewählt wird, der das Überindividuelle betont. Bei der Vermögenszuordnung ist es indes genau andersherum: Hier wird zwecks Abgrenzung von der juristischen Person wieder die fehlende Rechtspersönlichkeit und damit die besondere Nähe der Gesellschafter zum Vermögen akzentuiert. Folgt man dem, wäre man trotz verbaler Abkehr von der individualistischen Theorie wieder bei einer Rechtsträgerschaft der Gruppe der Gesellschafter, die damit gemeinsam als Opfer der Untreue anzusehen wäre.84
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Zöllner FS Gernhuber, 563 (568) („Spiel mit Begriffen“); Huber FS Lutter, 107 (123) („Gesellschaftsvermögen und gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter sind einfach dasselbe.“); Reinhardt/Schultz Rn. 40 bezweifeln, dass durch die dargestellten Formulierungen die Sache klarer wird und attestieren eine terminologische Willkür; auch Kießling FS Hadding, 477 (478 f.) meint, die durch Flume geprägte Formulierung der rechtsfähigen Gruppe verdecke nur die entscheidende Frage. 81 BGHZ 34, 293 (296). 82 So zutreffend K. Schmidt NJW 2001, 993 (997). 83 Siehe etwa Ulmer AcP 198 (1989), 113 (134 ff.). 84 Hentschke, Untreueschutz der Vor-GmbH, S. 177; siehe auch Schulte NJW 1984, 1671 (1672) und Bittmann/Richter wistra 2005, 51 f., die insoweit zutreffend feststellen, dass auch die Gruppenlehre zu einer Vermögensträgerschaft der Gesell-
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
bb) Gleichstellung der Vermögensträgerschaft mit der Lage bei den juristischen Personen Die widersprüchlichen Auswirkungen eines so verstandenen Zusammenspiels von Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit führen dazu, dass sich im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum Stimmen für ein weitergehendes Verständis im Sinne einer echten Vermögensträgerschaft stark machen. Über die Behandlung der Gesamthand ist also, anders als es oft zu lesen ist, keineswegs abschließend entschieden worden, sondern der alte Streit um die Anerkennung der Vermögensträgerschaft tobt in anderem Gewande im Zivilrecht weiter.85 Macht man mit der Gruppenlehre Ernst und sieht die rechtsfähige Personengesellschaft als eigenständige Vermögensinhaberin an, wird damit die Gesamthand zumindest hinsichtlich der Vermögensträgerschaft der juristischen Person gleichgestellt.86 Das wirft systematisch die Frage auf, ob es neben den natürlichen und juristischen Personen nunmehr eine dritte Kategorie von Rechtsträgern gibt oder ob man kurzerhand gar die Gesamthandsgesellschaften ebenfalls zu juristischen Personen erklärt.87 Letzteres wäre ein offener Bruch mit der bisherigen Kategorisierung der Gesellschaftstypen,88 ginge aber möglicherweise weiter als nötig. Denn neben der Vermögensträgerschaft, die bisher das Hauptabgrenzungskriterium der Person von der nichtrechtsfähigen Gesamthand war, gibt es eine ganze Reihe anderer Strukturmerkmale, die durchaus noch einen Unterschied zwischen juristischer Person und rechtsfähiger Gesamthand zulassen und der unterschiedlichen Bindung der Gesellschafter an die jeweilige Gesellschaft Rechnung tragen.89 So gilt bei der juristischen Person, dass die Anteile schafter führt, daraus jedoch den unzutreffenden Schluss ziehen, dass es auf die einzelnen Gesellschafter ankommen soll. Siehe dazu noch unten C. VII. 1. b). 85 Siehe nur K. Schmidt NJW 2001, 993 (996): Das Verhältnis von Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit sei nicht gerichtlich geklärt und die Systemfragen im Recht der Rechtsträger weiterhin diskussionsbedürftig. 86 Siehe nur K. Schmidt GesR § 8 I 3 a; ders. NJW 2001, 993 (997) als einen der ältesten Befürworter dieser Vorgehensweise. 87 K. Schmidt NJW 2001, 993 (996); Huber FS Lutter, 107 (121); als Befürworter der Gleichstellung mit den juristischen Personen gilt unter Hinweis auf die Möglichkeit der formwahrenden Umwandlung insbesondere Raiser AcP 194 (1994), 493; ebenso Timm NJW 1995, 3109; siehe ferner die Nachweise bei Müko-BGB-Ulmer Vorb. § 705 Rn. 13. 88 Zöllner FS Kraft, 701 (707) sieht darin gar einen Zusammenbruch des gesetzlichen Begriffssystems; zustimmend Huber FS Lutter, 107 (111); K. Schmidt GesR § 8 I 3 a will denn auch das Verbandsrecht neu ordnen. 89 Müko-BGB-Ulmer Vorb. § 705 Rn. 13; ders. ZIP 2001, 585 (588); Wiedemann JZ 2001, 661 (663); kritisch Zöllner FS Kraft, 701 (708 f.).
I. Gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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grundsätzlich frei übertragbar sind, dass ein Mehrheitsprinzip Anwendung findet, dass die Mitgliederzahl auf eine Person sinken kann, dass es aufgrund des Ausschlusses der persönlichen Haftung besondere Gläubigerschutzvorschriften gibt und dass eine Fremdorganschaft zulässig ist.90 Aufgrund der stärkeren Anlehnung der Personengesellschaft an ihre Mitglieder werden alle diese Punkte bei der Gesamthandsgesellschaft anders gehandhabt. Es bleibt also weiterhin Raum für eine Differenzierung anhand fester Prinzipien. Nur weil mit der Rechtsfähigkeit im Sinne einer echten Vermögensträgerschaft der Gesellschaft ein – zugegebenermaßen wichtiges – Charakteristikum einheitlich behandelt wird, bedeutet das nicht, dass dadurch die Unterschiede derart eingeebnet würden, dass die juristische Person und die rechtsfähige Personengesellschaft nun gleichgesetzt werden müssten.91 Damit wäre der Weg zur Anerkennung der Personengesellschaften als eine neue Kategorie von Rechtsträgern geebnet.92 Für die Frage, ob die rechtsfähige Gesamthand zur juristischen Person erklärt wird, verbleibt dann im Grunde nur noch zu entscheiden, welcher Stellenwert der Vermögensträgerschaft beizumessen ist. Einerseits kann die Gesamthand als eigene und von den Gesellschaftern zu unterscheidende Rechtsträgerin anerkannt werden, ohne diese zur juristischen Person zu machen. Die Vermögensträgerschaft hätte dann ihre hervorstechende Bedeutung verloren. Man würde sich schlicht an anderen Merkmalen zur Abgrenzung orientieren. Soll andererseits der Vermögensträgerschaft der Stellenwert zukommen, dass diese allein für die Anerkennung als juristische Person konstitutiv ist, so wird die rechtsfähige Gesamthandsgesellschaft juristische Person; was jedoch nichts daran ändert, dass die aufgezählten Unterschiede weiterhin gelten.93 Materiell ist es daher einerlei, ob die als solche rechtsfähige Gesellschaft den juristischen Personen zugeschlagen oder als dritte Kategorie von Rechtsträgern etabliert wird. Die Bezeichnung als juristische Person lässt sich also auf eine rein terminologische Frage reduzieren.94 Das macht deutlich, dass die Verbandstypik kein entscheidendes Hindernis sein kann. Erfolgt eine Entscheidung für eine Anerkennung der Rechtsfähigkeit, scheint dieser Weg ehrlicher zu sein, als sich hinter der Worthülse der fehlenden Rechtspersönlichkeit, das heißt der Rechtsfähigkeit nur als Gruppe, zu verstecken, deren Bedeutungsunterschied zur traditionellen Lehre im 90 Zu weiteren Merkmalen, die die Unterscheidung rechtfertigen Ulmer ZIP 2001, 585 (588); ders. AcP 198 (1998), 113 (122); Wiedemann JZ 2001, 661 (663). 91 Ulmer ZIP 2001, 585 (588). 92 Dafür etwa K. Schmidt GesR § 8 I 1. 93 So etwa Raiser AcP 194 (1994), 495 (505 ff.). 94 K. Schmidt GesR § 8 I 3 a; Köhler § 21 Rn. 7a.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
Dunkeln bleibt. Im Ergebnis wäre dann die Gesellschaft als solche Vermögensträgerin und somit selbst taugliches Opfer einer Untreue. Ob man sie dann auch juristische Person nennen mag, ist Geschmacksfrage. 3. Zwischenergebnis Für die spätere strafrechtliche Untersuchung lässt sich dem Zivilrecht Folgendes entnehmen: Zunächst kann das Vermögen wie im ersten Entwurf des BGB den einzelnen Gesellschaftern anteilig zugeordnet werden. Dann wären die Gesellschafter jeweils als anteilig geschädigte Opfer einer Untreuehandlung anzusehen. Seit der Einführung der Gesamthand im zweiten Entwurf des BGB wird das jedoch von niemandem mehr vertreten, so dass diese Option zunächst unberücksichtigt bleiben kann. Die traditionelle individualistische Theorie sieht bei der Gesamthandsgesellschaft in Ermangelung einer Rechtsfähigkeit die Gesamtheit der Gesellschafter als Vermögensträger an, so dass diese gemeinsame Rechtsgutsträger wären. Die Gruppenlehre erkennt die Gesamthand selbst als rechtsfähig an und macht sie damit zur Trägerin von Rechten und Pflichten. Innerhalb dieser Auffassung ist jedoch zwischen zwei weiteren Ausprägungen zu differenzieren, die zu einer unterschiedlichen Vermögenszuordnung kommen. Die nunmehr herrschende Auffassung führt den Begriff der „fehlenden Rechtspersönlichkeit“ in dem Bestreben ein, die Vermögensordnung der Gesamthand trotz ihrer Rechtsfähigkeit nicht der juristischen Person gleichzustellen. Sie sieht die vermögenstragende Gesellschaft doch wieder als mit der Gruppe der Gesellschafter identisch an. Damit bewegt sie sich zurück auf den Boden der traditionellen Theorie. Die Anerkennung der Personengesellschaft als rechtsfähig wird zum bloßen Lippenbekenntnis. Folgt man dieser Ansicht zur Gruppenlehre, ergibt sich im Vergleich zur individualistischen Theorie denn auch kein Unterschied für die Opfereigenschaft im Rahmen des § 266 StGB. Es wäre ebenfalls die Gruppe der Gesellschafter (nur verbal „die Gesellschaft“ genannt) als Vermögensinhaberin anzusehen. Folgt man der zweiten Ausprägung der Gruppenlehre und macht Ernst mit der Anerkennung der Rechtsträgerschaft, wäre hingegen eine dritte Möglichkeit der Vermögenszuordnung gewonnen. Als eigenes und von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt wäre die Gesellschaft selbst als Opfer der Untreue anzusehen, vergleichbar etwa mit einer GmbH. Damit sind die zivilrechtlichen Varianten für die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens aufgezeigt. Sie dienen als Basis für die weiteren Ausführungen. Angesichts der Uneinheitlichkeit, die hinsichtlich der Grundfragen
II. Originär strafrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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der Gesamthand existieren, haben jedenfalls diejenigen Stimmen Recht behalten, die schon früh prophezeiten, dass der Streit um deren Rechtsnatur auch im 21. Jahrhundert fortgeführt werden wird.95
II. Originär strafrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens (wirtschaftliche Betrachtung) Die Annahme, dass es für die Bestimmung des Inhabers des von § 266 StGB geschützten fremden Vermögens auf die formale Rechtslage im Privatrecht ankomme, ist im Strafrecht nahezu einhellige Meinung.96 Damit wäre man mit der oben aufgezeigten Entwicklung befasst. Alternativ dazu lässt sich aber überlegen, ob nicht eine im Strafrecht wurzelnde Systematik der Vermögens- und damit auch der Rechtsgutszuordnung angebracht ist. Es ist nämlich auffällig, dass sich das Strafrecht in einzelnen Punkten geradezu sklavisch dem Privatrecht unterordnet, während es in anderen, ganz selbstbewusst, eigene Wege geht. Eine einheitliche Linie im Umgang mit dem Phänomen „Zivilrechtsakzessorietät“ ist noch nicht gefunden.97 Gerade im Hinblick auf die Behandlung des Schutzguts „Vermögen“ fällt auf, dass die Grenzziehung zwischen Akzessorietät und originär strafrechtlicher Betrachtung mitunter willkürlich wirkt. So soll zwar einerseits die Zuordnung des Vermögens strikt zivilrechtlichen Vorgaben folgen, andererseits aber, wenn die Zuordnung erst einmal erfolgt ist, der Inhalt des Vermögens doch wieder einer strafrechtseigenen wirtschaftlichen Betrachtung unterliegen.98 Beim Schutz des Vermögens in seinen speziellen Erscheinungsformen (insbesondere dem Eigentum, §§ 242, 246 StGB) soll das Schutzgut aber wiederum akzessorisch definiert werden – wobei auch hier immer wieder dann Diskussionen über Einschränkungen aufflammen, wenn es an wirtschaftlichen Nachteilen fehlt.99 Die Frage, in welchen Situationen sich das Strafrecht ans Zivilrecht anbinden soll oder gar muss, ist insgesamt wenig geklärt und 95
So etwa Weber-Grellet AcP 182 (1982), 316 (320). BGH wistra 1992, 24 (26); OLG Celle NJW 1959, 496 (497); Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 6; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 30; ders. LPK § 266 Rn. 19; Bittmann InsR § 16 Rn. 56; Mitsch § 8 Rn. 14; Hentschke, Untreueschutz der Vor-GmbH, S. 94 ff.; Achenbach NStZ 1988, 97 (100); Schulte NJW 1984, 1671; Schäfer NJW 1983, 2850 (2851); Gössel JR 1988, 256 (257). 97 Siehe nur LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 20 zum Rechtmäßigkeitsmaßstab m. w. N. in Fn. 45. 98 Schäfer GmbHR 1992, 509 (510); Radtke GmbHR 1998, 311 (314/316); Schultz BB 1988, 572 (573). 99 MüKo-StGB-Schmitz § 242 Rn. 9 ff.; Fehling/Faust/Rönnau JuS 2006, 18 (23), jeweils m. w. N. zu einzelnen Einschränkungsbestrebungen. 96
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
wird uneinheitlich beantwortet. Der Ruf nach einer Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken taucht spätestens seit der gleichnamigen Schrift von Bruns100 aus dem Jahr 1938 in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Es wird gar diskutiert, diese Maxime zum generellen Maßstab bei der Beurteilung (wirtschafts-)strafrechtlichen Handelns zu machen.101 Es kann daher nicht verwundern, dass sich auch hinsichtlich der Zuordnung des Gesellschaftsvermögens im Rahmen des § 266 StGB die Auffassung findet, diese sei allein nach strafrechtlichen, wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen.102 Bevor die Konsequenzen eines solchen rein strafrechtlichen Wegs später im Detail untersucht werden, gilt es hier einen Vorschlag zu machen, wie eine wirtschaftliche Betrachtung der Vermögenszuordnung überhaupt aussehen könnte, das heißt zu ermitteln, wer bei den Gesamthandsgesellschaften danach Inhaber des Sondervermögens ist. Problematisch ist bereits im Ausgangspunkt, dass die Forderung nach einer wirtschaftlichen oder gleichbedeutend auch faktischen Betrachtung im Strafrecht zwar in vielerlei Zusammenhängen immer wieder auftaucht, nur selten aber erklärt wird, warum ein Bedürfnis nach eigenen Lösungsmodalitäten gesehen wird. Dementsprechend bleibt oftmals auch im Dunkeln, welche konkreten Kriterien überhaupt maßgeblich sein sollen. Das kann dazu führen, dass Ergebnisse präsentiert werden, die außer dem Label der wirtschaftlichen Betrachtung nichts an Begründung zu bieten haben. Das soll im Folgenden vermieden werden, indem neben der Benennung der Abgrenzungskriterien auch kurz dargelegt wird, warum der Gedanke einer strafrechtseigenen Vermögenszuordnung überhaupt aufkommt. Was im vorliegenden Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betrachtung gemeint ist, ergibt sich, wenn man sich den Sinn einer vom Zivilrecht abweichenden Bestimmung des Vermögensträgers bei Schädigung eines Personenverbands ansieht. Das Strafrecht bezweckt den Schutz von Rechts100 Bruns, Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die mitunter geäußerte Kritik an der ideologischen Einfärbung der Arbeit. 101 Tiedemann Rn. 124; ders. JuS 1989, 689 (695); Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann Vor § 81 Rn. 30 ff. 102 So insbesondere Labsch JuS 1985, 602 (604); anders aber ders. Jura 1987, 343 (347); siehe auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 164; Richter GmbHR 1984, 137 (146). Die Bezugnahme auf eine wirtschaftliche Vermögenszuordnung taucht insbesondere auch im Rahmen des Einverständnisses einer GmbH zu schädigenden Handlungen auf, wobei oft unklar ist, ob damit nur für eine unbeschränkte Dispositionsmacht geworben oder wirklich eine entsprechende Inhaberschaft gemeint ist, siehe etwa Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 265, 275 („Selbstschädigung“); Schramm, Untreue und Konsens, S. 124 f. Siehe dazu noch unten E. III. 1. b) aa) (2) und die Kritik unter 4.
II. Originär strafrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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gütern. Das Verständnis des zu schützenden Rechtsguts muss aber nicht notwendig mit dem zivilrechtlichen identisch sein. Das wird gerade am Beispiel des Vermögensschutzes deutlich: Versteht man den Schutz von Vermögen nicht als Selbstzweck, sondern als Plattform für Freiheitsbetätigung (Vermögen als „geronnene Freiheit“),103 dann liegt es nahe, dass derjenige der Rechtsgutsträger ist, der diese Freiheit auch ausüben kann. In Bezug auf Gesellschaften kann aus einem so verstandenen Schutzzweck gefolgert werden, dass jedenfalls nicht das abstrakte Rechtskonstrukt der Gesellschaft Vermögensinhaber ist, da es selbst keine Freiheit ausüben und nichts anderes mit dem Vermögen anfangen kann, als es inne zu haben. Die jeweilige Gesellschaftsform ist danach gewissermaßen ein bloßer juristischer Mantel zur Verwirklichung der Interessen der dahinter stehenden natürlichen Personen.104 Es geht also um eine Loslösung von formalen, zivilrechtlichen Wertungen zugunsten einer rechtsgutsbezogenen, materiellen Betrachtung. Damit ist zwar das Ziel klar, konkrete Kriterien zur Bestimmung des materiellen Rechtsgutsinhabers sind aber noch keine gefunden. Wenn diesbezüglich nicht nur bloße Behauptungen aufgestellt werden sollen, ist das aber nötig. Das Hauptproblem bei der Entwicklung strafrechtlicher Kriterien zur Vermögenszuordnung liegt darin, dass der Ausgangspunkt der Vermögenszuordnung ungewiss ist, wenn der „feste Pol“ des zivilrechtlichen Vermögensträgers aufgegeben wird. Üblicherweise wird nämlich so vorgegangen, dass hinsichtlich des Vermögensträgers die entsprechenden zivilrechtlichen Formen von Rechtsträgern als gegeben angesehen werden und hiervon ausgehend nur noch danach gefragt wird, welche (dann rein strafrechtlich definierten) Vermögensgegenstände diesem zugeordnet sind.105 Soll aber schon die Identität des Pols „Vermögensträger“ in Frage stehen, so ergibt sich ein Beziehungsgeflecht, in dem es keinen Ausgangspunkt mehr gibt. Man ist dann mit einer Gleichung befasst, die nur aus Unbekannten besteht.106 Zur Lösung dessen gilt es also wieder einen festen Pol zu finden, an dem eine Orientierung erfolgen kann. Da gerade keine am Zivilrecht ausgerichtete Antwort gefunden werden soll, bietet sich nur ein strafrechtlicher Ausgangspunkt an. Diesen Weg geht Nelles, indem sie – genau andersherum, 103 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 2; Arzt/Weber § 11 Rn. 1; Fehling/Faust/ Rönnau JuS 2006, 18. 104 Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 265; ähnlich Labsch JuS 1985, 602 (604), der die Gesellschaft als lediglich eine haftungstechnische Konstruktion ansieht. 105 Siehe dazu nur die vorangegangene Diskussion zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften unter B. I. 3. mit dem jeweiligen Hinweis auf die daraus folgenden Ergebnisse für das Strafrecht. 106 So die zutreffende Analyse bei Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 313.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
als es sonst üblich ist – nicht den Vermögensträger als Ausgangspunkt wählt und fragt, welche Vermögenspositionen dieser innehat, sondern mit dem bereits originär strafrechtlich definierten Vermögen beginnt und fragt, wem dieses zugeordnet ist.107 Im Rahmen der Untersuchung, welche Möglichkeiten sich abseits privatrechtlicher Vorgaben zur Bestimmung des Rechtsgutsträgers finden lassen, kann man sich dieses Vorgehen zunutze machen. Nelles kommt in drei Schritten zum Kreis tauglicher Vermögenssubjekte. Zunächst wird der strafrechtliche Vermögensbegriff diskutiert. Dabei wird zu einem ökonomisch-juristischen Vermögensbegriff gefunden, wonach alle wertvollen Positionen geschützt sind, soweit diese von der Rechtsordnung gebilligt sind und damit zum Gegenstand eines (rechtswirksamen) Tauschgeschäfts gemacht werden können.108 Das entspricht der herrschenden Auffassung in der Strafrechtsliteratur,109 während in der Rechtsprechung bis heute vorwiegend rein ökonomische Maßstäbe Anwendung finden,110 also auch rein tatsächlich tauschbare Objekte erfasst sind. Dieser Streit muss hier jedoch nicht vertieft werden, da die gemeinsame Grundannahme jedenfalls die ist, dass Vermögensobjekt grundsätzlich jede tauschfähige Position sein kann und hierauf im Folgenden aufgebaut wird.111 In einem zweiten Schritt wird untersucht, wie der Begriff der „Zuordnung“ des Vermögens auszufüllen ist.112 Das ist deshalb wichtig, weil es sich dabei um die Verbindung zwischen Vermögensobjekt und Vermögenssubjekt handelt, also gewissermaßen um das Lot, das auf den zu identifizierenden Träger des Rechtsguts verweist.113 Damit erfolgt der Brückenschlag von der eigenständigen Begriffsbildung hinsichtlich des Vermögensobjekts 107
Siehe Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 347 ff. zur Definition des Vermögens (Zusammenfassung S. 444); S. 445 ff. zur darauf aufbauenden Entwicklung der Zuordnungskriterien und schließlich S. 472 ff. zu den daraus resultierenden Anforderungen an das Vermögenssubjekt. 108 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 429, 437, 444. 109 Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 82; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 54. 110 Siehe nur die Rechtsprechungsübersichten bei Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 80; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 54; beide auch mit Nachweisen zur zunehmenden Einschränkung des rein ökonomischen Ansatzes durch die Rechtsprechung, die dazu führt, dass die praktischen Ergebnisse nur in wenigen Fallgruppen voneinander abweichen. 111 Der Streit würde im Rahmen dessen in der Weise fortzuführen sein, dass man uneins darüber sein kann, ob die Objekte rechtsgeschäftlich oder nur tatsächlich tauschbar sein müssen (siehe Fn. 118). 112 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 445 ff. 113 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 447 spricht insofern von einem Relator zwischen Vermögensobjekt und Vermögenssubjekt.
II. Originär strafrechtliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens
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hin zur offenen Frage nach dem Vermögenssubjekt: Wenn Vermögen definiert wurde als die Summe tauschbarer Vermögensobjekte, dann sind die Objekte demjenigen zugeordnet, der über den Tausch entscheiden kann, also die entsprechende Dispositionsmacht über sie besitzt.114 In dem hier interessierenden wirtschaftlichen Zusammenhang wird diese Macht weiter dahingehend konkretisiert, dass sie als zentrales Element die Fähigkeit beinhaltet, den Zweck des Vermögenseinsatzes und dessen Umsetzung zu definieren.115 Damit ist als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, dass nur derjenige als Vermögensinhaber angesehen werden kann, der das Vermögen für seine Zwecke einzusetzen und sich damit nutzbar zu machen vermag. Diese aus dem Vermögensbegriff gewonnene „wirtschaftliche Vermögensbeziehung“116 ist auf Grundlage einer rein faktischen Betrachtung der Dispositionsmacht jedoch mit dem Problem behaftet, dass in den Fällen, in denen mehrere Personen Zugriff auf eine Sache haben, die tatsächlichen Machtverhältnisse unklar sein können.117 Daher wird die Dispositionsmacht insoweit konkretisiert, als dass es auf die Dispositionsbefugnis ankommen soll, also das Recht, die Macht (also die Zwecksetzung) im Verhältnis zu anderen auch ausüben zu dürfen.118 Die Situation erinnert an die Bestimmung des Gewahrsams im Rahmen des § 242 StGB, wo eine rein faktische Betrachtung („tatsächliche Sachherrschaft“) ebenfalls normativ zugunsten sozialer Elemente korrigiert wird.119 Insofern handelt es sich um ein durchaus bekanntes Vorgehen zur Konkretisierung und Abgrenzung tatsächlicher Herrschaftsbeziehungen im Rahmen einer originär strafrechtlichen120 Zuordnung von Gegenständen, wenn auch in anderem Zusammenhang. In der Situation, in der rein tatsächlich mehrere einen Vermögensgegenstand für ihre Ziele einsetzen können, kann also nur derjenige Vermögensinhaber sein, dem die entsprechende Befugnis zukommt, mit seiner Zwecksetzung den verbindlichen und von allen zu respektierenden Handlungsrahmen vor114
Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 449 f. Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 450, 458 f. 116 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 452. 117 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 454 ff. 118 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 455 f., 459. Stellt man sich wie die Rechtsprechung beim Vermögensbegriff auf einen rein wirtschaftlichen Standpunkt, muss die tatsächliche Anerkennung der Dispositionsbefugnis durch Dritte ausreichen, etwa im Fall einer gestohlenen Sache, die im Rahmen einer Beuteteilung einem der Diebe zugewiesen wurde. Der Gegenstand wäre dann (über den Besitz hinaus) durchaus als Bestandteil dessen Vermögens aufzufassen. 119 Zum Gewahrsamsbegriff Schönke/Schröder-Eser § 242 Rn. 23 f.; MüKoStGB-Schmitz § 242 Rn. 43 ff.; Kindhäuser LPK § 242 Rn. 23. 120 Zur eigenständigen strafrechtlichen Begriffsbildung des Gewahrsams, der gerade nicht mit dem zivilrechtlichen Besitz identisch ist, siehe nur MüKo-StGBSchmitz § 242 Rn. 42 m. w. N. 115
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
zugeben.121 Das Recht zur Zwecksetzung ist also – in Abgrenzung zur bloß faktischen Verwendungsmöglichkeit – das entscheidende Regulativ für die Machtverteilung, das die Eindeutigkeit der Vermögenszuordnung gewährleisten soll.122 Danach ist das Vermögen demjenigen zugeordnet, der die Macht und das Recht hat, die Zwecke des Vermögenseinsatzes für alle verbindlich zu definieren (Zwecksetzungsbefugnis).123 In einem letzten, dritten Schritt wird dann auf Basis der Zwecksetzungsbefugnis darüber entschieden, wer bei den jeweiligen Gesellschaftsformen als Vermögensträger in Betracht kommt, nämlich diejenige Einheit, die den Zweck des Vermögenseinsatzes definieren kann.124 Hinsichtlich der Personengesellschaften lautet das Ergebnis, dass die Gesellschaftergesamtheit zwecksetzungsbefugt und damit die Vermögensträgerin ist.125 Denn nachdem die Gesellschafter die Gesellschaft konstituiert haben, unterliegt das Sondervermögen nur noch dem gemeinsam gesetzten (und nur gemeinsam änderbaren) Zweck.126 Die einzelnen Gesellschafter scheiden danach als Inhaber aus, weil sie nicht mehr allein entscheiden können, sondern diese Befugnis zugunsten des Kollektivs aufgegeben haben.127 Die Gesellschaft als solche kann hingegen keine eigenen Zwecke setzen und ist damit auf Basis einer wirtschaftlichen Zuordnung, die nach dem Einsatz von Vermögen zur Verwirklichung bestimmter autonomer Ziele fragt, keine taugliche Vermögensträgerin.128 Das gefundene Ergebnis stimmt also mit der eingangs aufgestellten These überein, dass bei einer faktischen Betrachtung das Gesellschaftsvermögen den hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Personen zugewiesen ist. Die Gesellschaft – wie auch immer man sich diese zivilrechtlich vorstellen mag – existiert danach nur als rechtliches Konstrukt zur Verfolgung der Zwecke ihrer Mitglieder. Unter dem Gesichtspunkt eines Ver121
Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 457 ff. Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 459, 476. 123 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 461. 124 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 488. Die Autorin entwickelt auf S. 474 ff. noch weitere, mit der Zwecksetzungsbefugnis zusammenhängende Kriterien, die aber für alle Gesellschaftsformen gleichermaßen vorliegen. 125 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 491. 126 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 490 f. 127 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 490. 128 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 488 ff. untersucht noch, inwieweit ein gesetzlicher oder bei Entstehung festgelegter „eigener“ Zweck unabhängig von der Zwecksetzung der Mitglieder besteht. Bejaht wird dies allein für die Stiftung, da insofern bei der Gründung ein Zweck durch den Stifter festgelegt wird, der nachträglich nicht mehr zur Diposition steht. Daher soll die Stiftung als solche Trägerin des Vermögens sein. 122
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter
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mögensschutzes als Basis für Freiheitsbetätigung ist danach derjenige geschützt, dem diese Freiheit auch tatsächlich zusteht. Eine solche materielle, am Rechtsgut orientierte Betrachtung ist keineswegs neu.129 Nelles hat mit ihrer Arbeit jedoch erstmals eine Begründung für diese Annahme geliefert und mit der Ableitung aus dem Vermögensbegriff ein entsprechendes dogmatisches Fundament entwickelt, das zur Vermeidung bloßer Behauptungen erforderlich ist. Das hier gefundene Ergebnis – eine Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit – entspricht insoweit dem Verständnis der traditionellen individualistischen Theorie beziehungsweise der Gruppenlehre.130 Dabei sind jedoch die Wege zu diesem Befund grundverschieden. Die Gleichheit der Ergebnisse hinsichtlich der Vermögenszuordnung darf also keinesfalls dahingehend missverstanden werden, dass sich die Ergebnisse auch sonst entsprechen müssen. Denn bei der wirtschaftlichen Betrachtung geht es ja gerade um eine Abkehr vom zivilrechtlichen Verständnis der Gesellschaft. Das wird insbesondere darin deutlich, dass danach eine Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit auch für Kapitalgesellschaften angenommen werden kann.131 Es ist also durchaus noch zu untersuchen, welche weiteren Auswirkungen die Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit auf Basis einer strafrechtseigenen Betrachtung hat.
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter Alle bisher dargestellten Ansichten befassen sich mit der Frage, wem das durch eine bestimmte Handlung verringerte Gesellschaftsvermögen zugeordnet ist. Das betrifft sowohl den klassischen Streit um die Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaft132 als auch die wirtschaftliche Betrachtung133. Anknüpfungspunkt war also stets das Sondervermögen „der Gesellschaft.“ Offen blieb damit, inwieweit das davon zu trennende Privatvermögen der 129
Siehe nur die Nachweise in Fn. 102. Dazu, dass sich die Gruppenlehre aufgrund der Annahme einer fehlenden „Rechtspersönlichkeit“ der Personengesellschaften hinsichtlich der Vermögensträgerschaft nicht von der traditionellen Theorie unterscheidet, siehe oben B. I. 2. b) aa). 131 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 491 f. 132 Siehe nur K. Schmidt GesR § 8 III 1 a, der als zentrale Frage des gesellschaftsrechtlichen Disputs diejenige nach der Zuordnung des Sondervermögens identifiziert. 133 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 492 ff. grenzt ausdrücklich das von ihr als Angriffsobjekt angesehene Gesellschaftsvermögen von dem der Gesellschafter ab. 130
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
Gesellschafter tauglicher Gegenstand einer Untreuehandlung zu deren Nachteil sein kann. Bislang hat eine solche Annahme in der strafrechtlichen Diskussion so gut wie keine Beachtung gefunden. Alle Ausführungen konzentrieren sich auf die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens. Die genaue Betrachtung auch der Gesellschaftervermögen ist aber deshalb relevant, weil im Falle einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens auch die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter als Inhaber der Gesellschaft betroffen sind.134 Im Folgenden soll die These belegt werden, dass bei einer Untreue im gesellschaftsrechtlichen Kontext neben dem gemeinsamen Gesellschaftsvermögen auch eine Vermögensposition im Privatvermögen der einzelnen Gesellschaftsinhaber existiert, die möglicher Anknüpfungspunkt des Strafbarkeitsvorwurfs sein kann. Dementsprechend ist zunächst in einem ersten Schritt die Vermögensposition der einzelnen Gesellschafter zu identifizieren, die in Abgrenzung zum Sondervermögen als möglicher Gegenstand einer Untreuehandlung in Betracht kommt (1.). In einem zweiten Schritt ist dann das Verhältnis der beiden angesprochenen Vermögensebenen in den Blick zu nehmen (2.). Dabei geht es auch hier, dem Charakter einer Vorüberlegung entsprechend, zunächst allein um die Erarbeitung des möglichen Bezugspunkts für eine Untreuestrafbarkeit zu Lasten der individuellen Gesellschafter. Deren Konsequenzen für die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 266 StGB werden daher – wie auch bei den anderen Ansichten – erst später im Detail beleuchtet. 1. Mitgliedschaft und Vermögensanteil Zur Bestimmung des Vermögensgegenstands im Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter, der bei einer gesellschaftsbezogenen Untreue möglicher Gegenstand des Strafbarkeitsvorwurfs sein kann, bedarf es einer vertieften Auseinandersetzung mit der Stellung der Gesellschafter in der Gesellschaft. Das Ergebnis dessen lässt sich leicht vereinfacht wie folgt darstellen: Das von einer potentiellen Untreuehandlung primär betroffene Gesellschaftsvermögen ist unstreitig „der Gesellschaft“ zugeordnet. Das ist unabhängig davon, wie genau man sich „die Gesellschaft“ vorstellt, das heißt als Gesamtheit der Gesellschafter135 oder als eigene von den Gesell134 Allein Schäfer NJW 1987, 2850 hat sich zu dieser Doppelzuständigkeit geäußert. Die Details dazu werden jedoch nur angedeutet, da der Autor sich letztlich gegen eine Anknüpfung an die Gesellschafterebene entscheidet. 135 So die traditionelle Individualistische Theorie und die nunmehr herrschende Gruppenlehre, siehe oben unter B. I. 1. und B. I. 2. a).
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter
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schaftern losgelöste Rechtsträgerin136. Jedenfalls ist die unmittelbar geschädigte Vermögensmasse das gebundene und vom Privatvermögen der Gesellschafter getrennte Sondervermögen, das der Gesellschaft „gehört.“ Auf den ersten Blick führt das auch im Rahmen der Anwendung des § 266 StGB allein zur Frage nach dem Träger dieses geschädigten Sondervermögens. Diese „Gesellschaftsebene“ ist es dann auch, mit der sich alle zuvor dargestellten Meinungen befassen und die in der strafrechtlichen Diskussion das Bild der Untreue zum Nachteil der Personengesellschaft prägt. Allerdings blendet eine solche Betrachtung zu Unrecht die private Vermögensebene der Gesellschafter völlig aus. Zwar gehört das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft, die Gesellschaft aber gehört den Gesellschaftern. Verringert sich der Wert des Gesellschaftsvermögens, verringert sich auch der Wert der Gesellschaft. Durch jede pflichtwidrige Handlung sind im Falle einer Schädigung also zwei Vermögenspositionen zweier unterschiedlicher Inhaber betroffen: Neben dem Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft zugleich auch das Privatvermögen der individuellen Gesellschafter. Im Folgenden wird daher in Abgrenzung zur herkömmlichen Betrachtung der Gesellschaftsebene die Vermögenslage auf der Gesellschafterebene untersucht. Soll diese noch recht bildlich beschriebene Trennlinie zwischen Gesellschafts- und Individualsphäre in juristische Formen gegossen werden, um anhand anerkannter gesellschaftsrechtlicher Kategorien denjenigen Vermögensgegenstand im Privatvermögen der Gesellschafter zu identifizieren und zu konkretisieren, der für eine Untreuestrafbarkeit zu Lasten der Gesellschaftervermögen in Betracht kommt, so muss ein Blick auf die Stellung des einzelnen Gesellschafters in der Gesellschaft geworfen werden. Dazu sind zwei Grundbegriffe zentral: Die Mitgliedschaft und der Vermögensanteil des einzelnen Gesellschafters. Am einfachsten ist die Organisationsstruktur der Gesamthand zu verstehen, wenn man sich ihr ganz grundsätzlich nähert. Ist eine Person Mitglied einer Gesellschaft, so verleiht ihr dies einen bestimmten Rechtsstatus, das heißt bestimmte Rechte und Pflichten. Der Begriff der „Mitgliedschaft“ dient als Oberbegriff allgemein dazu, diese Stellung des Gesellschafters innerhalb des Personenzusammenschlusses zu beschreiben.137 Gleichbedeutend ist der Begriff der „Beteiligung“ an der Gesellschaft.138 Je nach Gesellschaftsform haben sich weitere Synonyme für den Status der Mitgliedschaft eingebürgert: Bei der AG spricht man von der Aktie, bei der GmbH 136
So insbesondere K. Schmidt, siehe oben unter B. I. 2. b). Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 16; Huber, Vermögensanteil, S. 7 f.; K. Schmidt GesR § 47 III 1 a. 138 Huber, Vermögensanteil, S. 1; K. Schmidt GesR § 47 III 1 a. 137
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
vom Geschäftsanteil und bei den Personengesellschaften vom Gesellschaftsanteil.139 Gemeint ist damit jeweils ganz umfassend die Summe aller mit dem Gesellschaftsrechtsverhältnis verknüpften mitgliedschaftlichen Rechtspositionen.140 Es gibt daher keinen Gesellschafter ohne Mitgliedschaft/Beteiligung/Gesellschaftsanteil.141 Die Mitgliedschaft ist also ein komplexes Gebilde, das allerlei heterogene Elemente vereinigt.142 Um die so beschriebene Stellung des Gesellschafters auf der Suche nach einer Vermögensposition auszudifferenzieren, kann eine gedankliche Zweiteilung der Mitgliedschaft vorgenommen werden:143 Erstens gibt es Befugnisse, die primär nicht-vermögensrechtlicher Natur sind, wie etwa die Geschäftsführungsbefugnis, die Mitwirkung an der Willensbildung oder die Vertretung. Diese nicht-vermögensrechtliche Seite kann man „personenrechtliche“ oder auch „organisationsrechtliche“ Seite der Mitgliedschaft nennen.144 Dem gegenübergestellt gibt es dann als zweite Kategorie diejenigen Positionen des Gesellschafters, die in einem Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvermögen stehen, wie etwa die Beteiligung am Gewinn und Verlust. Diese vermögensrechtliche Seite der Mitgliedschaft wird „Vermögensanteil“ oder wie in § 719 Abs. 1 BGB „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ genannt.145 Die zuletzt genannte Vorschrift besagt, dass ein Gesellschafter nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen kann. Das klingt so – anders als in § 718 Abs. 1 BGB („gemeinschaftliches Vermögen“) –, als gäbe es derartige echte Anteile im Privatvermögen des Einzelnen, die lediglich im Interesse der gesellschaftlichen Zweckbindung der Verfügungsmacht der Gesellschafter entzogen sind. Dieser Befund wurde jedoch zu Recht schon im Rahmen der zivilrechtlichen Betrachtung widerlegt: Denn dadurch, dass mit der Einführung der Gesamthand im zweiten Entwurf des BGB eine Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter für das Vermögen eingeführt wurde, sollte nach einhelliger Meinung gerade der noch im ersten Entwurf vorgesehenen Einzelzuständigkeit eine Absage erteilt und mit der Konstitution eines Sondervermögens eine vom Privatvermögen getrennte Vermögensebene geschaffen werden. Bei allem Streit um die Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens von den 139
Huber, Vermögensanteil, S. 1. Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 16; Huber, Vermögensanteil, S. 1; K. Schmidt GesR § 47 III 1 a. 141 K. Schmidt GesR § 47 III 1 b. 142 Huber, Vermögensanteil, S. 2. 143 MüKo-BGB-Wagner § 823 Rn. 165; Huber, Vermögensanteil, S. 6. 144 Huber, Vermögensanteil, S. 6. 145 Huber, Vermögensanteil, S 6; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 719 Rn. 2; Palandt-Sprau § 719 Rn. 2. 140
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter
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Gesellschaftern besteht insofern Einigkeit, als dass das Gesellschaftsvermögen jedenfalls nicht (anteiliges) Vermögen jedes einzelnen Gesellschafters ist.146 Einen den Gesellschaftern als Teil ihres Privatvermögens zugeordneten Anteil am Gesellschaftsvermögen, an den angeknüpft werden könnte, gibt es somit nicht. Jede davon abweichende Annahme liefe auf eine Vermischung der Vermögensebenen hinaus, deren Trennung gerade der Grund für hier vorgenommene Untersuchung ist. Der Begriff des Vermögensanteils ist nach alledem also nicht mehr als die Beschreibung eines bestimmten Ausschnitts der Mitgliedschaft.147 § 719 Abs. 1 besagt demnach nur, dass die mit der Mitgliedschaft verbundenen Vermögensrechte der Gesellschafter nicht vom Rest der Mitgliedschaft abspaltbar sind.148 Insofern ist der Begriff des Anteils am Gesellschaftsvermögen höchst missverständlich. Damit ist nämlich kein „Anteil“ im Sinne eines der Verfügung und Verwertung zugänglichen subjektiven Rechts gemeint,149 sondern nur die auf das Gesamtvermögen bezogene Summe der Vermögensrechte des Einzelnen. Das spricht zunächst einmal gegen eine Anerkennung des Vermögensanteils als eigenständigem Vermögensgegenstand. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass im Strafrecht gerade hinsichtlich der Definition der Vermögensobjekte die Emanzipation von zivilrechtlichen Formen so weit fortgeschritten ist, dass eine Einordnung als subjektives Recht irrelevant ist. Ein davon abweichender, so genannter juristischer Vermögensbegriff ist heute überholt; ihm kommt nur noch historische Bedeutung zu.150 Allerdings hängt auch im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtung die Vermögenseigenschaft einer Position maßgeblich davon ab, dass ihr im Rechts146 Grunewald GesR S. 49; Wiedemann FS Odersky, 926 (928); für die Vertreter der traditionellen Theorie siehe etwa Kraft/Kreutz C II 5 a aa 1: Der Anteil am Gesellschaftsvermögen sei Ausdruck der dinglichen Seite der Mitgliedschaft, nicht aber dingliches Anteilsrecht; siehe auch die Ausführungen bei Palandt-Sprau § 719 Rn. 1 wonach beide Ansichten nicht zu Anteilen der Gesellschafter am Vermögen im Sinne eines echten (Teil-)Rechts führen; wenn Staudinger-Habermeier § 719 Rn. 1 hingegen meint, nach traditioneller Auffassung gebe es Anteile am Gesellschaftsvermögen, so lässt das schon eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Anteils“ vermissen, der wie dargelegt unterschiedliche Bedeutung haben kann: Anteil im Sinne eines subjektiven Rechts oder im Sinne der bloßen Mitwirkungsbefugnis? 147 Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 16; Huber, Vermögensanteil, S. 6, 145; Kraft/Kreutz C II 5 a aa 1 Fn. 91. 148 Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 719 Rn. 3; Palandt-Sprau § 719 Rn. 2; MüKo-BGB-Ulmer § 719 Rn. 2 spricht von einem unauflöslichen Zusammenhang zwischen Gesellschafterstellung und Gesamthandsberechtigung. 149 Huber, Vermögensanteil, S. 145; K. Schmidt GesR § 47 III 1 a; Bamberger/ Roth-Timm/Schöne § 719 Rn. 3; Soergel11-Hadding § 719 Rn. 5. 150 Tröndle/Fischer § 263 Rn. 54; Kindhäuser LPK § 263 Rn. 114.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
verkehr ein Wert zukommt, der sich realisieren lässt („Marktwert“).151 Das ist, wie § 719 Abs. 1 BGB zeigt, hinsichtlich des Vermögensanteils jedoch nicht der Fall. Durch den untrennbaren Zusammenhang von Vermögensanteil und Mitgliedschaft ist der Wert des Anteils am Gesellschaftsvermögen nicht unabhängig von der Mitgliedschaft zu verwerten.152 Ein eigenständiger, isolierbarer Wert kommt dem Vermögensanteil daher nicht zu. Allerdings ist die Mitgliedschaft als ganzes eine werthaltige und einer Übertragung zugängliche Rechtsposition der einzelnen Gesellschafter.153 Als „sonstiges Recht“ genießt sie gar den Deliktsschutz des § 823 Abs. 1 BGB.154 In ihrer Rechtsnatur lässt sie sich nicht einer der herkömmlichen Kategorien der obligatorischen, dinglichen oder organschaftlichen Rechte einordnen, sondern bildet vielmehr eine eigene, verbandsrechtliche Kategorie.155 Der darin enthaltene Vermögensanteil ist im Vergleich dazu selbst zwar keine formale, abtrennbare Vermögensposition, stellt aber den Teil der Mitgliedschaft dar, der diese durch die Bezugnahme auf das Gesellschaftsvermögen werthaltig macht.156 Eine Veräußerung der Beteiligung wird daher im Motiv willen oftmals um der (Mit-)Übertragung des Vermögensanteils geschehen, Gegenstand der Übertragung bleibt aber die Beteiligung im Ganzen.157 Besonders deutlich wird der Charakter der Beteiligung als Vermögensgegenstand der einzelnen Gesellschafter bei den Kapitalgesellschaften, bei denen sich der Wert der Mitgliedschaft über eine Veräußerung der Aktie einer AG oder des Geschäftsanteils einer GmbH frei realisieren lässt. Bei der Personengesellschaft ist hingegen nach der gesetzlichen Regel die Auf151
LK-Tiedemann § 263 Rn. 130, 132; Kindhäuser LPK § 263 Rn. 115, 118. Etwas anderes gilt wiederum für einzelne Vermögensrechte, die der Gesellschafter abtreten kann, z. B. einen Gewinnanspruch, vgl. § 717 S. 2 BGB. 153 MüKo-BGB-Ulmer § 705 Rn. 180, § 719 Rn. 21; K. Schmidt GesR § 47 III 1 a; ders. JZ 1991, 157 (158). 154 MüKo-BGB-Ulmer § 705 Rn. 180; MüKo-BGB-Wagner § 823 Rn. 164; Scholz-Emmerich § 13 Rn. 141. Umstritten ist jedoch die Reichweite des Zuweisungsgehalts. So soll nicht schon jede Wertminderung einen Eingriff in die Mitgliedschaft bedeuten, siehe etwa GroßKommAktG-Hopt § 93 Rn. 471; MichalskiHaas § 43 Rn. 278; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 154 ff.; K. Schmidt JZ 1991, 157 (158 f.). Darin liegt dann auch der Grund, warum im Zivilrecht ein Schadensersatzanspruch meist über § 826 BGB oder §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB hergeleitet wird (dazu sogleich). Denn diese Normen lassen eine Kompensation auch bei reinen Vermögensschäden zu, ohne dass es eines Eingriffs in den Schutzbereich eines absoluten Rechts bedarf. 155 Huber, Vermögensanteil, S. 7 f.; siehe ferner zur Rechtsnatur K. Schmidt JZ 1991, 157 f. 156 Instruktiv dazu Huber, Vermögensanteil, S. 8, 156 f. 157 K. Schmidt GesR § 47 III 1 a. 152
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter
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lösung nötig, um über die Auseinandersetzung das gebundene Kapital zurück zu erlangen. Da die Übertragung ein Grundlagengeschäft darstellt und somit ohne Zustimmung der Mitgesellschafter nicht erfolgen kann, ist der Gesellschaftsanteil nämlich gerade nicht frei veräußerlich, sondern vielmehr vinkuliert.158 Die Existenz eines auf die Gesellschaft bezogenen Vermögenswerts in den Händen der Gesellschafter ist also allen Gesellschaften gemein. Allein das rechtstechnische Mittel zur Verwirklichung dieses Wertes hat das Gesetz bei den verschiedenen Gesellschaftsformen unterschiedlich ausgestaltet.159 Somit steht fest, dass die Mitgliedschaft als Vermögenswert in den Händen der Gesellschafter angesehen werden kann – im Strafrecht wie im Zivilrecht. 2. Ausschluss als bloßer Reflexschaden? Mit der Anerkennung einer solchen parallelen Vermögenszuordnung tun sich allerdings Konkurrenzprobleme auf. Denn immer dann, wenn sich das Gesellschaftsvermögen – wem auch immer man dies zivilrechtlich zuordnen mag – durch eine schädigende Handlung vermindert, verringert sich zugleich auch der Wert der Beteiligung im Gesellschaftervermögen.160 Der BGH hat das recht anschaulich als „Doppelschädigung“ charakterisiert.161 Das nebeneinander von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen führt also zu einer „Verdoppelung“ der Vermögenspositionen.162 Im Straf- wie im Zivilrecht stellt sich damit die Frage, wie eine derartige parallele Zuständigkeit behandelt werden soll. Dabei muss das Ergebnis klar sein: Im Rahmen von Kompensationsansprüchen muss ein Schädiger nicht doppelt zahlen und aufgrund des Schuldprinzips liegt es nahe, dass dem Täter nicht die insoweit deckungsgleichen Schadenspositionen beide zur Last gelegt werden dürfen. Im Strafrecht ist dieses Phänomen bislang nicht behandelt worden. Es drängt sich jedoch der Gedanke auf, die Konkurrenz – wie sonst auch – auf Konkurrenzebene, also nachgelagert, zu lösen.163 Gesellschaftsvermögen und Gesellschafterbeteiligung wären dann nur zwei Seiten derselben Me158
K. Schmidt § 45 III 2 a, b; Hueck/Windbichler § 10 Rn. 15. Vgl. Huber, Vermögensanteil, S. 156 f. 160 BGH NJW 1987, 1077 (1079); Scholz-Emmerich § 13 Rn. 141; MüKo-AktGKropff § 117 Rn. 45; Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 2; Kiethe ZIP 2005, 1535; Schäfer NJW 1983, 2850 (2851). 161 BGH NJW 1979, 1077 (1079). 162 Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 2. 163 Siehe dazu ausführlich noch unten H. III. 159
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
daille und zunächst tatbestandlich gleichberechtigt als Schutzgut „fremdes Vermögen“ denkbar. Dem könnte jedoch die gängige Handhabung im Gesellschaftsrecht entgegenstehen. Dort ist das Problem bekannt, dass neben dem der Gesellschaft zugeordneten Gesellschaftsvermögen mit der Mitgliedschaft eine deckungsgleiche, stets mit betroffene Vermögensposition der einzelnen Gesellschafter steht. Die klassischen Konstellationen sind solche, in denen die Gesellschaft in ihrem Gesellschaftsvermögen geschädigt wird und ein Gesellschafter für die gleichzeitige Wertminderung seines Anteils Schadensersatz an sich selbst verlangt. Es besteht in derartigen Fällen Konsens, dass die einzelnen Gesellschafter einen Schaden, der aus der Entwertung ihrer Anteile resultiert, grundsätzlich nicht geltend machen können, sondern nur Zahlung an die Gesellschaft verlangt werden kann.164 Ihr eigener Schaden sei ein bloß mittelbarer, ein reiner Reflexschaden.165 Diese Regel ist für alle Gesellschaftsformen anerkannt.166 Aus der ausdrücklichen Normierung in §§ 117 Abs. 1 S. 2, 317 Abs. 1 S. 2 AktG wird insofern ein allgemeines Prinzip abgeleitet, wonach nur für solche Wertminderungen des Mitgliedschaftsanteils Ersatz verlangt werden kann, die über eine deckungsgleiche Schädigung des Gesellschaftsvermögens hinausgehen.167 Das wirft die Frage auf, ob es eine einer Schädigung zugängliche Vermögensposition im Privatvermögen tatbestandlich nicht geben soll (kein „Schaden im Rechtssinne“) oder ob es sie zwar gibt, Ansprüche wegen ihrer Verletzung aber aus Konkurrenzerwägungen in der Durchsetzung gesperrt sind. Die Titulierung als „bloßer Reflexschaden“ oder „nur mittelbare Schädigung“ hilft diesbezüglich jedenfalls nicht weiter. Sie stellen nämlich lediglich eine bildhafte Problembeschreibung dar, nicht aber eine begründete Problemlösung. Zudem wird bereits eine gewisse Rangfolge der Schä164 Grundlegend BGH NJW 1953, 1217 (1219); NJW 1987, 1077 (1079); ScholzEmmerich § 13 Rn. 141; MüKo-HGB-K. Schmidt § 124 Rn. 3; Baumbach/HoptHopt § 124 Rn. 15; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich § 13 Rn. 23; Grunewald GesR S. 15; Baums, DJT 2000, Gutachten F, S. 224; zur Anspruchshöhe, die sich aus dem Schaden der Gesellschaft, nicht aus der Wertminderung der Beteiligung ergibt, Baums ZGR 1987, 554 (559 f.) m. w. N. 165 BGH NJW 1987, 1077 (1079); NJW 1992, 368 (369); Scholz-Emmerich § 13 Rn. 141; MüKo-AktG-Kropff § 117 Rn. 45; Hüffer-Hüffer § 117 Rn. 9; Baumbach/ Hueck-Hueck/Fastrich § 13 Rn. 23; Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 3; Grunewald GesR S. 15. 166 BGH NJW 1953, 1217 (1219) (OHG); NJW 1987, 2008 (2009) (KG); NJW 1962, 859 (GbR); NJW 1969, 1712 (GmbH); NJW 1992, 368 (369) (GmbH); NJW 1988, 2794, (2796) (AG); NJW 1987, 1077 (1079) (Gesellschaft panamesischen Rechts); NJW 1988, 413 (415) (stiller Gesellschafter). 167 BGH NJW 1987, 1077 (1079); Roth/Altmeppen-Altmeppen § 13 Rn. 128; Scholz-Emmerich § 13 Rn. 141; Kiethe ZIP 2005, 1535 (1537).
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter
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den suggeriert, obgleich hierfür noch keine Grundlage geschaffen wurde. Es bedarf also einer näheren Auseinandersetzung mit der Prämisse, dass bei einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens stets nur Zahlung an die Gesellschaft verlangt werden kann. Es besteht Einigkeit, dass der eigentliche Grund für die Versagung von Individualansprüchen in der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zu sehen ist.168 Denn ließe man eine Kompensation des Einzelnen zu, liefe das auf eine Umgehung des ebenfalls geschädigten Gesellschaftsvermögens hinaus, welches im Interesse der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks gerade vom Vermögen der Gesellschafter abgesondert und gebunden ist. Mit der Absonderung sind nämlich (je nach Gesellschaftsform) eine ganze Reihe gesellschaftsrechtlicher Prinzipien verknüpft, die durch eine Zahlung am Sondervermögen vorbei tangiert wären. Zu denken ist etwa an die Grundsätze der Kapitalerhaltung,169 der Gleichbehandlung der Gesellschafter170 oder der Unzulässigkeit einer Einlagenrückgewähr171. Das gemeinsame Vermögen soll nicht durch eine individuelle Kompensationsmöglichkeit ausgehöhlt werden. Der Ausgleich des Schadens, der den einzelnen Gesellschaftern entstanden ist, wird zudem – wiederum im Reflex und dem Grundsatz der Naturalrestitution entsprechend – durch die Zahlung ins Gesellschaftsvermögen wieder ausgeglichen.172 Die Anerkennung von Individualansprüchen würde schließlich die Durchsetzbarkeit der (allen Gesellschaftern zugute kommenden) Ansprüchen auf Ebene der gemeinsamen Gesellschaftssphäre erschweren.173 All das mündet in der besagten Überlegung, dass derartige Ansprüche als gesperrt anzusehen sind. Die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens schlägt damit auf die Beteiligung im Individualvermögen zurück. Im Gesellschaftsrecht wird also die formale Trennung zwischen dem Gesellschaftsvermögen und der Beteiligung aufgrund der Vermögensbindung zur Verfolgung des gemeinsamen 168 BGH NJW 1987, 1077 (1079); NJW 1988, 2794 (2796); NJW 1988, 413 (415); NJW 1962, 859; Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 15; MüKo-AktG-Kropff § 117 Rn. 45; Kiethe ZIP 2005, 1535 (1536); Baums ZGR 1987, 554 (557); ders. DJT 2000, Gutachten F, S. 223 ff. Ausführlich zu den im Folgenden angesprochenen Prinzipien siehe insb. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 217 f. 169 BGH NJW1987, 1977 (1079); NJW 1988, 413 (415); NJW 1988, 2794 (2796); MüKo-AktG-Kropff § 117 Rn. 45; Kiethe ZIP 2005, 1335 (1336); Baums ZGR 1987, 554 (557). 170 BGH NJW 1988, 2794 (2796); Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 15; Kiethe ZIP 2005, 1535 (1536). 171 BGH NJW 1987, 1077 (1079); Baums ZGR 1987, 554 (558). 172 BGH WM 1967, 287 (288); Hüffer-Hüffer § 117 Rn. 9; MüKo-AktG-Kropff § 117 Rn. 45; Grunewald GesR S. 15; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 217 f.; ders. DJT 2000, Gutachten F, S. 224. 173 Für die AG: Hüffer-Hüffer § 117 Rn. 9; MüKo-AktG-Kropff § 117 Rn. 45.
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
Zwecks eingeschränkt. Der Beteiligung wird zugunsten der primär geschädigten Gesellschaft ein (unmittelbarer) Schutz versagt. Zu bemerken ist, dass es im Unterschied zu actio pro socio hier nicht um die Zulässigkeit einer Geltendmachung von Rechten der Gesellschaft durch einen Gesellschafter geht, sondern um die Durchsetzung von Ansprüchen aus eigenem Recht.174 Die Wirkung – Zahlung in der Regel nur an die Gesellschaft – ist freilich identisch. Wurden somit gesellschaftsrechtliche Prinzipien zum Schutz des Sondervermögens als Grund für den Ausschluss des Individualanspruchs ausgemacht, kann es nicht verwundern, wenn es auch Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt. Es ist nämlich anerkannt und auch nur konsequent, dass für Schädigungen des Gesellschaftervermögens ein Ausgleich ins Privatvermögen dann verlangt werden kann, wenn sich zwar der Individualschaden im Ergebnis mit dem im Sondervermögen deckt, das Schutzbedürfnis der Gemeinschaftssphäre aber nicht entgegensteht.175 Das soll generell dann der Fall sein, wenn die Gesellschaft die ihr zustehende Forderung nicht verfolgt, sei es, weil sie nicht will (zum Beispiel aus Rücksichtnahme auf den schädigenden Geschäftsführer oder die Öffentlichkeitswirkung176) oder weil sie nicht kann (etwa bei Verjährung).177 Gleiches gilt nach Liquidation, wenn der Zweck der Kapitalerhaltung weggefallen ist und das Sondervermögen nicht mehr zur Befriedigung der Gläubiger benötigt wird.178 Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass ein Nebeneinander „echter“ Vermögenspositionen und damit gleichberechtigter Schutzgegenstände existiert. Die grundsätzliche Versagung von Individualansprüchen ist danach auch im Zivilrecht als Konkurrenzlösung zu verstehen und bedeutet keinesfalls, dass eine mitverletzte Individualposition der Gesellschafter nicht anerkannt wird.179 Soweit ersichtlich ist eine derartige Doppelzuständigkeit hinsichtlich zweier rechtlich getrennter, aber doch in ihrem 174 Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 11 ff.; ders. DStR 1998, 533. Die Unterscheidung zwischen einer Ableitung der Ansprüche aus eigenem oder aus fremdem Recht verschwimmt jedoch bei vielen Autoren. 175 Roth/Altmeppen-Altmeppen § 13 Rn. 128; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 226 f. 176 Zur Zulässigkeit eines derartigen Verzichts Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 219. 177 BGH NJW 1988, 413 (415); NJW 1969, 1712; WM 1967, 287 (288); Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 15; Baums ZGR 1987, 554 (561 f.). Siehe dazu auch Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 221 ff., der die in der Rechtsprechung vorgekommenen Ausnahmekonstellationen zum mangelnden Schutzbedürfnis der Gemeinschaftssphäre im einzelnen analysiert. 178 BGH NJW 1953, 1217 (1219); Roth/Altmeppen-Altmeppen § 13 Rn. 128. 179 Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 188 f., 195; Raiser ZHR 153 (1989), 1 (9 f., 20 f.); Baums DJT 2000, Gutachten F, S. 224.
III. Die Mitgliedschaft im Privatvermögen der Gesellschafter
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Schicksal untrennbar verknüpfter Vermögensmassen ein Phänomen, das sich nur im Gesellschaftsrecht findet. Wenn im Zivilrecht das entstehende Konkurrenzverhältnis in der Weise gelöst wird, dass in der Regel die Ansprüche der einzelnen Gesellschafter gesperrt sind, muss das nicht bedeuten, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit ebenfalls vorrangig bei der Gesellschaft ansetzen muss. Denn die zu lösenden Konkurrenzfragen stellen sich jeweils in völlig anderem Zusammenhang. Die zu schützenden gesellschaftsrechtlichen Prinzipien drohen nämlich erst durch den Fluss von Zahlungen ins Privatvermögen verletzt zu werden. Mit denen befasst sich das Strafrecht jedoch nicht. Es ist daher nicht ausgeschlossen, für die Bestrafung an die Beteiligung der jeweiligen Gesellschafter anzuknüpfen, hiermit verbundenen zivilrechtlichen Individualansprüchen, etwa aus § 826 BGB oder §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB, jedoch weiterhin unter Verweis auf die gesellschaftsrechtlichen Erwägungen die Zweckbindung entgegenzuhalten. Bemerkenswert ist, dass das Gesellschaftsrecht seit langem genau so verfährt. Es wird nämlich ganz überwiegend ein Anspruch des einzelnen Gesellschafters gegen den Geschäftsführer aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB wegen der Wertminderung seiner Beteiligung bejaht180 und unter den oben angesprochenen Voraussetzungen (die Gesellschaft kann oder will nicht tätig werden) sogar für durchsetzbar erachtet.181 Dem liegt offensichtlich die Annahme einer Untreue zum Nachteil der Gesellschaft und gleichzeitig zum Nachteil der Gesellschafter zugrunde. Eine solche Doppelzuständigkeit hinsichtlich des Rechtsguts ist wegen des Nebeneinanders von Gesellschaftsvermögen und werthaltiger Beteiligung der Gesellschafter damit an sich bei jeder Personenvereinigung gegeben. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 266 StGB erfolgt im Zivilrecht bislang jedoch nicht. Die Ausführungen erschöpfen sich vielmehr weitgehend in der Feststellung, dass § 266 StGB als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB erfüllt sein und dies Individualansprüche auslösen kann. Die Details der Strafbarkeit bleiben also undiskutiert. Mit der Anerkennung einer solchen Parallelzuständigkeit setzt sich das Gesellschaftsrecht in einen Widerspruch zur gängigen Handhabung im Strafrecht, das wie eingangs bemerkt ein eindimensionales Verständnis zu180 Zu § 81a GmbHG a. F.: BGH NJW 1969, 1712; WM 1967, 287; zu § 266 StGB: MüKo-AktG-Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 177; Hachenburg-Mertens § 43 Rn. 103; Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh/Noack § 69 Rn. 18; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 200; Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 194; Hopt FS Mestmäcker, 909 (925); Baums ZGR 1987, 554 (560 f.); Fleck GmbHR 1974, 224 (235); Gribbohm DStR 1991, 248, (251). 181 BGH NJW 1969, 1712; WM 1967, 287 (288); Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 200; Fleck GmbHR 1974, 224 (235).
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B. Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft
grunde legt und immer nur allein beim Gesellschaftsvermögen ansetzt.182 Im Strafrecht wird wiederum die abweichende Handhabung im Gesellschaftsrecht in keiner Weise wahrgenommen. Stellungnahmen zu diesem Konflikt existieren nicht. Damit offenbart sich ein häufiges Schicksal von juristischen Schnittmengenmaterien, bei denen in beiden „zuständigen“ Rechtsgebieten die zu entscheidende Rechtsfrage oft stiefmütterlich behandelt wird. Das ruft die Gefahr hervor, dass denkbare Lösungsoptionen durch das jeweilige Raster fallen und damit am Ende gar nicht berücksichtigt werden. Die Details der möglichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber den einzelnen Gesellschaftern bleiben demnach später noch näher zu untersuchen. Als Zwischenergebnis lässt sich jedenfalls festhalten, dass es neben dem Gesellschaftsvermögen mit der Mitgliedschaft eine im Falle einer Schädigung der Gesellschaft stets gleichzeitig betroffene Vermögensposition der einzelnen Gesellschafter gibt, die denkbarer Bezugspunkt einer Untreuestrafbarkeit sein kann. Auf Attribute wie „mittelbar“ und „unmittelbar“ soll zur Charakterisierung dieser Situation zunächst verzichtet werden, denn diese Begriffe deuten auf ein Rangverhältnis hin, das bislang so nicht geklärt ist. Vielmehr ist grundsätzlich von einem Nebeneinander der identifizierten Vermögensebenen auszugehen. Jede unmittelbare Schädigung des Gesellschaftsvermögens ist nämlich zugleich eine unmittelbare Schädigung des Gesellschaftervermögens.183 Es bestehen demnach zwei getrennte Vermögensmassen, Sonder- und Privatvermögen, die aufgrund ihrer parallelen Struktur jedoch stets gleich laufen.
IV. Ergebnis der Vorüberlegungen Wurde die Zuordnung des Vermögens bereits als zentrale Weiche identifiziert, kann sich die Struktur der folgenden Ausführungen an den verschiedenen Antworten auf diese Frage orientieren. Dabei ist jedoch auch zu beachten, auf welchem Weg das jeweilige Ergebnis zustande kommt. Das dogmatische Verständnis der Gesellschaft hat nämlich Auswirkungen auf 182 Besonders deutlich wird dies bei Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 60; ders., strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 171, der hinsichtlich der GmbH eine Untreue zum Nachteil der Gesellschafter mit dem Argument ablehnt, dass das geschützte Gesellschaftsvermögen ja bereits der Gesellschaft als eigener Rechtspersönlichkeit zugeordnet sei. Um das Gesellschaftsvermögen geht es aber auf Ebene der Mitglieder gar nicht, sondern um deren Privatvermögen. Allein Schäfer NJW 1983, 2850 denkt über einen Schutz der Kommanditisten anstelle (nicht aber neben) der Gesellschaft nach und lehnt dies im Ergebnis ab. Eine Auseinandersetzung mit den gegensätzlichen gesellschaftsrechtlichen Stimmen findet aber auch bei ihm nicht statt. 183 Zutreffend spricht Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 214 insoweit neutral von gleichzeitigen Schädigungen.
IV. Ergebnis der Vorüberlegungen
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die Beantwortung allerlei weiterer Einzelfragen. Deshalb ist jeder der bisher aufgezeigten Lösungswege für sich zu betrachten, auch wenn die Frage der Vermögenszuordnung von einigen von ihnen im Ergebnis gleich beantwortet wird. Auf Basis dessen ergeben sich fünf verschiedene Modelle, auf die im Anschluss unter C. bis G. im Detail eingegangen wird: 1. Dem ersten Entwurf des BGB entsprach es, ein von den Gesellschaftervermögen getrenntes Sondervermögen nicht anzuerkennen und das gemeinsam genutzte Vermögen daher auf die einzelnen Gesellschafter im Sinne echter Anteile aufzuteilen. Die Strafsenate des BGH und die ihnen ganz überwiegend folgenden Stimmen in der Strafrechtsliteratur gehen seit langem und bis heute diesen Weg (C.). 2. Die traditionelle individualistische Theorie und die klassisch verstandene Gruppenlehre sehen (insoweit identisch) die Gesellschaftergesamtheit als gemeinsame Inhaberin eines Sondervermögens an (D.). 3. Die namentlich von K. Schmidt propagierte Konstruktion einer rechtsfähigen Gesamthandsgesellschaft erkennt ebenfalls ein Sondervermögen an, sieht aber die Gesellschaft selbst als echte und von den Gesellschaftern getrennte Inhaberin dieses Vermögens an und stellt sie somit diesbezüglich den juristischen Personen gleich (E.). 4. Eine originär strafrechtliche, wirtschaftliche Zuordnung des auch hiernach anerkannten Sondervermögens kommt zu einer gemeinsamen Zuständigkeit der Gesellschafter (F.). 5. Zuletzt kann, losgelöst von der Frage nach der Zuordnung des Gesellschaftsvermögens, an die Mitgliedschaftsanteile in den Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter angeknüpft werden (G.).
C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht Die in Rede stehende Untreuediskussion mit personengesellschaftlichem Bezug erlebte in den 1980er Jahren bis Anfang der 1990er Jahre ihren Höhepunkt.184 Im Zentrum der Rechtsprechung standen – der praktischen Relevanz entsprechend – vor allem solche Konstellationen, in denen eine GmbH & Co. KG in der Krise betroffen war. Urteile zu anderen Personengesellschaftsformen gibt es kaum. Indes lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse meist ohne weiteres auf die OHG und die GbR übertragen, so dass im Folgenden nur dort zwischen den Gesellschaftsformen differenziert wird, wo sich erwähnenswerte Besonderheiten ergeben. Dies ist vor allem bei der GmbH & Co. KG mitunter der Fall. Ansonsten ist davon auszugehen, dass die Aussagen für alle Personengesellschaften gleichermaßen Gültigkeit beanspruchen.
I. Ausgangspunkt: Keine Vermögensträgerschaft der Gesellschaft mangels Rechtspersönlichkeit Der Dreh- und Angelpunkt für die Behandlung der in Rede stehenden Untreuekonstellationen ist die Frage der Vermögensträgerschaft. Die nahezu einhellige Auffassung im Strafrecht geht davon aus, dass eine Personengesellschaft nicht Trägerin des Gesellschaftsvermögens sein kann, sondern dieses allein deren Gesellschaftern zugeordnet ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts unterlag indes in den letzten 120 Jahren diesbezüglich mehrfachen ganz erheblichen Wendungen. Dabei zieht sich jedenfalls eine Grundprämisse seit jeher wie ein roter Faden durch die Entscheidungen: Die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens soll zivilrechtsakzessorisch, das heißt unter Rückgriff auf zivil- und handelsrechtliche Vorgaben, erfolgen.185 Allein die Umsetzung dessen fiel im Laufe der Zeit höchst uneinheitlich aus. 184 BGH MDR 1984, 277; wistra 1984, 226; 1987, 218; NJW 1987, 2008; JR 1988, 254; wistra 1989, 264; Winkelbauer wistra 1986, 17; ders. JR 1988, 33; Weber StV 1988, 16; Schäfer NJW 1983, 2850; Schulte NJW 1983, 1773; ders. NJW 1984, 1671; Richter GmbHR 1984, 137 (146); Schultz BB 1988, 572; Gössel JR 1988, 256; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, 1990. 185 So knüpft RGSt 18, 123 (124) an die entsprechenden Vorschriften des HGB zur OHG an; in neuerer Zeit ausdrücklich etwa BGH wistra 1992, 24 (26); auch in
I. Ausgangspunkt
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Schon die Strafsenate des Reichsgerichts produzierten binnen weniger Jahre eine Reihe mitunter diametral entgegengesetzter Urteile zur Vermögensträgerschaft der Personengesellschaft. So stellte etwa der dritte Senat im Jahr 1882 (also noch vor Einführung des BGB) mit Bezug auf die OHG fest: „Das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft steht den Handelsgesellschaftern in ihrer Gesamtheit ungetrennt zu, es ist abgesondert von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter.“186 Demnach sind also die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Träger des Sondervermögens anzusehen, nicht aber eine von diesen zu trennende Gesellschaft oder die Gesellschafter anteilig. Auf dieses Urteil Bezug nehmend tat derselbe Senat im Jahr 1888 die Rechtsauffassung kund, dass die Kommanditgesellschaft „sowohl nach innen wie nach außen hin eine von den individuellen Personen der Beteiligten verschiedene Gesellschaft darstellt, welche ihre eigene Firma besitzt und als solche den selbständigen Träger, ein selbständiges Rechtssubjekt für den Erwerb von Rechten, wie für die Eingehung von Verpflichtungen abgiebt.“187 Trägerin des Vermögens soll demnach also (trotz des Verweises auf das eigentlich anders lautende Urteil) doch die Gesellschaft sein, an der die Gesellschafter nur beteiligt sind, nicht aber letztere selbst. Das sah der erste Strafsenat 1912 wiederum anders und leitete aus „dem Mangel der eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft“ ab, dass bei der OHG „das durch die Zweckbestimmung gebundene Gesellschaftsvermögen als Sondervermögen besonderer Art den Gesellschaftern gehört, die in ihrer Vereinigung Träger aller Rechte und Verbindlichkeiten in Bezug auf dieses Sondervermögen sind.“188 Auf eine gefestigte Rechtsprechung der Strafsenate zur Vermögensträgerschaft bei Personengesellschaften konnte der Bundesgerichtshof demnach nicht zurückgreifen, als er Ende der 1970 Jahre über eine Reihe von Fällen mit personengesellschaftlichem Bezug zu urteilen hatte. Ohne auf das Problem näher einzugehen, wurde zunächst in unveröffentlichten Entscheidungen nun wieder die Gesellschaft selbst als Inhaberin des Gesellschaftsvermögens und damit als Geschädigte der Untreue angesehen.189 Daran ander Grundsatzentscheidung vom 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3 wird auf ein Urteil des dritten Zivilsenats zur Rechtsnatur der Gesamthand Bezug genommen; aus der Literatur siehe nur Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 30; ders. LPK § 266 Rn. 19; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid § 31 Rn. 20; Bittmann InsR § 16 Rn. 56; Schulte NJW 1984, 1671; Schäfer NJW 1983, 2850 (2851). 186 RGSt 7, 18 (20) im Fall einer Unterschlagung durch einen Gesellschafter. 187 RGSt 18, 123 (124) im Fall einer Unterschlagung durch den Komplementär. 188 RGSt 46, 77 (78). 189 Siehe BGH, Urteil v. 25.09.1979, 1 StR 702/78, S. 14; Urteil v. 23.10.1979, 1 StR 156/79, S. 12; offenbar auch schon BGH, Urteil v. 02.09.1969, 5 StR 214/69, S. 4 f.; siehe dazu auch Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26 Fn. 95.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
knüpfend kann es nicht verwundern, wenn auch das erste hierzu nach dem Krieg veröffentlichte Urteil, eines des LG Bonn aus dem Jahr 1981, sich ebenso verhielt und bei einer GmbH & Co. KG eine Untreue zu Lasten der KG bejahte.190 Als die Sache auf Antrag des Generalbundesanwalts jedoch dem BGH zur Entscheidung vorgelegt wurde, mochte sich dieser nicht festlegen und beschloss: „Es kann dahinstehen, ob sich die Tat des Angeklagten als Untreue gegenüber der nicht mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Kommanditgesellschaft darstellt. In jedem Fall liegt Untreue gegenüber der GmbH vor, die ihrerseits Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft war.“191 Damit war wieder alles offen im fast schon 100 Jahre dauernden Hin und Her der Strafrechtsprechung. Als sich der (gleich besetzte) Strafsenat ein knappes Jahr später festlegen musste, verneinte er die Vermögensträgerschaft der Personengesellschaften – entgegen der Rechtsprechung der 1970er Jahre – mit einer Begründung, die von da an bis heute immer wieder in Urteilen und in der Strafrechtsliteratur mantrahaft wiederholt wird:192 „Geschädigter im Sinne des § 266 StGB kann (. . .) nur ein mit dem Täter nicht identischer Träger eines fremden Vermögens sein, sei es eine natürliche, sei es eine juristische Person. Eine Kommanditgesellschaft kommt als verselbständigtes Gesamthandsvermögen einer juristischen Person zwar sehr nahe, besitzt aber keine eigene Rechtspersönlichkeit.“193 Insoweit entspricht die Begründung der des Reichsgerichts im Urteil vom 25.04.1912:194 Mangels Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft komme es auf die Gesellschafter als Rechtsträger an.195 In einem wichtigen Detail wich der BGH jedoch ab: Hatte das RG noch die Gesellschafter in ihrer Vereinigung, das heißt gemeinschaftlich als Geschädigte angesehen,196 folgerte der BGH, dass die Schädigung des Gesamt190
LG Bonn NJW 1981, 469. BGH, Urteil v. 24.10.1980, 2 StR 495/80. 192 Siehe etwa BGH, Urteil v. 31.01.1984, 5 StR 885/83 S. 4; wistra 1984, 71; wistra 1984, 226; StV 1988, 14 (15); wistra 1992, 24 (25); OLG Hamm NZG 2003, 677; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 3; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 81; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 293; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 2; Bittmann InsR § 16 Rn. 56; Achenbach NStZ 1988, 97 (100); Winkelbauer wistra 1986, 17 (18); Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (52); Schulte NJW 1983, 1773; ders. NJW 1984, 1671; mit demselben Ergebnis unter Berufung auf die fehlende Rechtsfähigkeit BGH NJW 1992, 250 (251); Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 298; Reiß wistra 1989, 81 (86); Winkelbauer JR 1988, 33 (34); ebenfalls Bittmann/Richter wistra 2005, 51. 193 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3. 194 RGSt 46, 77. 195 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3 f. 196 RGSt 46, 77 (78). 191
II. Vermögensbetreuungspflicht
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handsvermögens nur insoweit für § 266 StGB bedeutsam sei, als dass dadurch „den einzelnen Gesellschaftern ein Vermögensnachteil entstanden ist.“197 Die Weichen werden also derart gestellt, dass das Gesellschaftsvermögen weder der Gesellschaft, noch den Gesellschaftern gemeinsam, sondern vielmehr den einzelnen Gesellschaftern jeweils anteilig zugeordnet sein soll.198 Das wird damit begründet, dass die Gesellschaft selbst keine Rechtsperson ist.199 Diese Auffassung zur Vermögenslage macht seither den Stand der Strafrechtsprechung und der ganz überwiegenden Strafrechtsliteratur aus.200
II. Vermögensbetreuungspflicht Innerhalb des Systems der Vermögensdelikte zeichnet sich der spezifische Handlungsunwert der Untreue dadurch aus, dass der Täter ein ihm anvertrautes und damit ausgeliefertes fremdes Vermögen „von innen heraus“ schädigt.201 Das Erfordernis eines derartigen Machtmissbrauchs macht § 266 StGB zu einem Sonderdelikt.202 Täter kann daher nur sein, wer eine qualifizierte und im Tatbestand besonders umschriebene Pflicht 197
BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3 [Hervorhebung durch den Verfasser]. 198 Mitunter findet sich nur die Aussage, „die Gesellschafter“ seien geschädigt, ohne dass „die einzelnen“ explizit betont wird. Aus den folgenden Modalitäten der Berechnung von Individualschädigungen ergibt sich jedoch, dass auch in diesen Fällen nicht die Gesamtheit gemeint ist, siehe etwa BGH NStZ 1987, 279; NJW 1992, 250 (251); StV 1988, 14 (15). 199 Siehe nur BGH, Beschluss v. 24.10.1980, 2 StR 495/80; Beschluss vom 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3; Beschluss vom 31.01.1984, 5 StR 885/83, S. 4; wistra 1984, 71; wistra 84, 226; StV 1988, 14 (15); wistra 1992, 24 (25); Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 25; Bittmann InsR § 16 Rn. 56; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid § 32 Rn. 21 Fn. 53; Winkelbauer JR 1988, 33; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (52); Schulte NJW 1983, 1773; Achenbach NStZ 1988, 97 (100). 200 BGH NJW 2003, 2996 (2999); wistra 1984, 71; wistra 1984, 226; wistra 1991, 183; Urteil v. 31.01.1984, 5 StR 885/83, S. 4; ebenso die herrschende Auffassung in der Literatur: Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 3; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 177; LK-Schünemann § 266 Rn. 140; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 81; Schramm, Untreue und Konsens, S. 85; Wabnitz/Janovsky-Köhler Kapitel 7 Rn. 246; Kohlmann, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 366; Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.1; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid § 28 Rn. 59 (unklar in § 31 Rn. 90, wo im Vergleich zur Vorauflage das Wort „gemeinsam“ eingefügt wurde); Bittmann/Richter wistra 2005, 51; Schulte NJW 1984, 1671 (1672); Winkelbauer wistra 1986, 17; (18); ders. JR 1988, 33 (34); Hartung NJW 1996, 229 (235). 201 LK-Schünemann § 266 Rn. 1; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 10. 202 Tröndle/Fischer § 266 Rn. 79; Mitsch § 8 Rn. 16; Gehrlein NJW 2000, 1089.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
zur Betreuung fremden Vermögens innehat.203 Die wichtigsten Kennzeichen dieser besonderen Pflichtenstellung sind – neben weiteren Indizien – vor allem, dass die Wahrnehmung der fremden Vermögensinteressen den wesentlichen Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen den Individuen ausmacht, dieser selbständig nachgegangen werden kann und ihr eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung zukommt.204 Als Rechtsgrundlage kann ausweislich des Wortlauts des § 266 StGB neben einem gesetzlichen, behördlichen oder rechtsgeschäftlichen Ursprung auch ein tatsächliches Treueverhältnis dienen. Eine Strafbarkeit des Geschäftsführers kommt also nur in Betracht, wenn er gegenüber den als anteilige Vermögensinhaber angesehenen Mitgesellschaftern jeweils in einem entsprechenden Verhältnis steht. Dem Verständnis der herrschenden Auffassung entsprechend wird eine aus der Geschäftsführerstellung abgeleitete Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Mitgesellschaftern bejaht.205 Eine Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Gesellschaft wird hingegen mit dem Argument abgelehnt, dass sie aufgrund ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit nicht Bezugspunkt von Rechten und Pflichten sein kann.206 Das deckt sich mit den Ausführungen zur Vermögensträgerschaft: Wenn die Gesellschaft kein Vermögen innehat, kann auch keine auf dieses Vermögen bezogene Pflicht bestehen. Handelt es sich um eine GmbH & Co. KG, hat grundsätzlich die GmbH als Geschäftsführerin die Vermögensinteressen der Gesellschafter wahrzunehmen. Die Gesellschaft kann sich nach deutschem Recht jedoch nicht selbst strafbar machen. Über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB findet aber eine Überwälzung der Pflichtenstellung auf den Geschäftsführer der GmbH statt, so dass dieser strafrechtlich verantwortlich ist.207 203 Das gilt nach heute ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur für beide Tatbestandsvarianten des § 266 StGB, siehe nur Tröndle/Fischer § 266 Rn. 6, 18; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 2, 11. 204 BGH NStZ 1983, 455; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 21 ff.; Arzt/Weber § 22 Rn. 58 ff.; Mitsch § 8 Rn. 41 ff. 205 Siehe nur Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 292; Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 300; Bittmann InsR § 16 Rn. 60; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 36. In der Strafrechtsprechung wird die Vermögensbetreuungspflicht in keinem der Urteile problematisiert, sondern vielmehr als gegeben vorausgesetzt, siehe nur BGH StV 1988, 14; NStZ 1987, 279. 206 Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 300; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 292; Bittmann InsR § 16 Rn. 60. 207 Tröndle/Fischer § 266 Rn. 79; Bittmann InsR § 16 Rn. 62; Mitsch § 8 Rn. 20; auch in diesen Konstellationen geht die Rechtsprechung von einer Strafbarkeit aus, ohne jedoch auf die Überwälzung einzugehen, siehe BGH NJW 1992, 250; wistra 1989, 264.
III. Einverständnis
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Der Geschäftsführer unterliegt also einer täterschaftsbegründenden Betreuungspflicht. Gleiches gilt für anderweitig Bevollmächtigte, etwa Prokuristen. Bezugspunkt der besonderen Pflichtenstellung sollen stets die einzelnen Gesellschafter sein.
III. Einverständnis Die vom BGH vorgenommene Vermögenszuordnung hat unmittelbare Konsequenzen für die Anforderungen an ein strafbarkeitsausschließendes Einverständnis. Im Rahmen der Untreue stellt ein Handeln, mit dem der Treugeber einverstanden ist, keine Pflichtwidrigkeit dar, so dass eine Strafbarkeit im Fall der Zustimmung zur schädigenden Handlung schon tatbestandlich ausscheidet.208 Für die Erklärung zuständig ist grundsätzlich der Träger des geschützten Rechtsguts.209 Ordnet der BGH das von § 266 StGB geschützte Vermögen den einzelnen Gesellschaftern zu, so folgt daraus, dass auch bezüglich des Einverständnisses auf diese und nicht auf die Gesellschaft oder die Gesellschaftergesamtheit geschaut wird. Daraus resultiert zweierlei: Das Einverständnis aller Gesellschafter soll die Annahme einer Untreue gänzlich ausschließen.210 Darüber hinaus soll aber auch das Einverständnis eines einzelnen Gesellschafters insoweit anteilig eine Strafbarkeit ausschließen, als dass dieser betroffen ist.211 Dementsprechend scheidet eine Strafbarkeit auch insoweit aus, als der Täter oder Teilnehmer gleichzeitig Gesellschafter, also personenidentisch ist.212 Das wird oftmals zumindest hinsichtlich eines geschäftsführenden Täters der Fall sein, da er aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft grundsätzlich zugleich Gesell208 BGH NJW 2000, 154 (155); NJW 1987, 2008 (2009); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21; LK-Schünemann § 266 Rn. 100; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 24; SK-Samson/Günther § 266 Rn. 46; Rengier BT I § 13 Rn. 20a; Schultz BB 1988, 572 (575). 209 LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 176; Schönke/Schröder-Lenckner Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 36. 210 BGH NJW 2003, 2996 (2999); StV 1988, 14 (15); wistra 89, 264 (266); Schramm, Untreue und Konsens, S. 85; Winkelbauer wistra 1986, 17 (18); Richter GmbHR 1984, 137 (146); Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296. 211 BGH wistra 1991, 183; NStZ 1987, 279; NJW 1987, 2008 (2009); Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 57; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296; Hoffmann/LiebsLohberger Rn. 877.1; Schramm, Untreue und Konsens, S. 85; Winkelbauer JR 1988 33 (34). 212 BGH wistra 1984, 71; NStZ 1987, 279; StV 1988, 14 (15); JR 1988, 254 (255); Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.1; Schulte NJW 1983, 1773; Winkelbauer wistra 1986, 17 (18). Das gilt genau genommen schon deshalb, weil das so verstandene Rechtsgut dem Täter oder Teilnehmer gegenüber als eigenes nicht geschützt ist.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
schafter sein muss.213 Greifen also alle Gesellschafter gemeinschaftlich auf das Gesamthandsvermögen zu, kommt eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB grundsätzlich nicht in Betracht. Raum bleibt dann nur für eine Strafbarkeit wegen Bankrotts gemäß §§ 283 ff. StGB.214 Bei der GmbH & Co. KG gelten prinzipiell dieselben Grundsätze, so dass es auf das Einverständnis der GmbH in ihrer Funktion als Komplementärin der KG ankommt. Nur kurz sei an dieser Stelle auf die BGHRechtsprechung zur eingeschränkten Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das GmbH-Vermögen hingewiesen. Danach ist das von den Gesellschaftern für die GmbH erklärte Einverständnis zur Schädigung wirkungslos, wenn die Existenz der Gesellschaft durch die Handlung gefährdet wird.215 Das soll insbesondere dann der Fall sein, wenn das Stammkapital der GmbH (§ 30 GmbHG) angegriffen oder die Liquidität der Gesellschaft gefährdet wird.216 Folglich kann bei Beteiligung einer GmbH an der Personengesellschaft trotz Einverständnis aller Gesellschafter eine Untreue vorliegen, wenn dem Einverständnis der GmbH die Wirksamkeit versagt wird. Relevant ist dies insbesondere bei der Ein-MannGmbH & Co. KG. Dieses GmbH-spezifische Problem soll hier nicht weiter vertieft werden, wird aber in anderem Zusammenhang noch eine Rolle spielen.217
IV. Schaden § 266 StGB setzt voraus, dass demjenigen, dessen Vermögensinteressen zu betreuen sind, ein Nachteil zugefügt wird. Der Nachteil ist nach ganz überwiegender Ansicht ebenso wie der Schaden beim Betrug zu ermitteln, das heißt auf Grundlage einer Gesamtsaldierung, also dem Vergleich der Vermögenslage des Betroffenen vor und nach der treuwidrigen 213
Anders kann die Lage etwa bei der GmbH & Co. KG sein, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nicht auch Gesellschafter ist. 214 Vgl. BGH StV 1988, 14 (15). 215 Grundlegend BGHSt 35, 333; BGH NJW 2000, 154, (155); NJW 1997, 66 (69); LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 134; Rohwedder/Schmidt-Leithof-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 17; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52a; Hueck/Windbichler § 36 Rn. 24; Gehrlein NJW 2000; 1089. 216 Zusammenfassend zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH NJW 2000, 154 (155); dem folgt die herrschende Ansicht im Schrifttum, vgl. etwa die Nachweise bei Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52a; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21a; zur insoweit übereinstimmenden Zivilrechtsprechung bezüglich einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (§§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB) siehe BGHZ 149, 10 (17 f.) (Bremer Vulkan); zum strafrechtlichen Parallelverfahren siehe BGHSt 49, 147. 217 Siehe unten C. V. und E. III. 1. b).
IV. Schaden
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Handlung.218 Weitgehend Einigkeit besteht heute darüber, dass die Bestimmung des Vermögens dabei grundsätzlich auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtung aller in Betracht kommenden Positionen erfolgt (so genannter ökonomischer oder wirtschaftlicher Vermögensbegriff), wobei im Detail umstritten ist, ob in bestimmten Fällen unter juristischen Gesichtspunkten zu korrigieren ist (so genannter juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff).219 Auf Basis der herrschenden Auffassung stellt sich danach die Frage, wie im Einzelfall der Schaden zu berechnen ist, wenn nicht alle Gesellschafter an der potentiellen Untreuehandlung beteiligt sind beziehungsweise ihr Einverständnis erklärt haben. Da die einzelnen Gesellschafter als Vermögensträger angesehen werden, kommt laut BGH ein Schaden nur im Hinblick auf die nicht zustimmenden Gesellschafter in Betracht.220 Immer wieder wird auf die Formulierung aus der bereits angesprochenen Leitentscheidung vom 02.10.1981 zurückgegriffen, wonach „eine Schädigung des Gesamthandsvermögens nur dann zu einem im Rahmen des § 266 relevanten Vermögensnachteil führt, wenn und soweit sie zugleich das Vermögen der einzelnen Gesellschafter berührt.“221 Damit ist zwar geklärt, auf wen es ankommen soll, über die konkrete Art der Schadensberechnung beim jeweils Betroffenen ist aber nichts gesagt. Da der den Beteiligten entstandene Schaden gerade nicht mit der Summe des der Gesellschaft entzogenen Kapitals übereinstimmen muss oder gar gänzlich fehlen kann,222 sind Kriterien zu entwickeln, wie sich der relevante Schaden, das heißt der, der den einzelnen Gesellschaftern nur mittelbar über den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen entstanden ist, berechnen lässt. Tatsächlich hat sich der BGH mit konkreten Aussagen diesbezüglich jedoch sehr zurückgehalten. Mitunter wird gar moniert, dass sich der Rechtsprechung überhaupt nicht entnehmen lasse, wie der Nachteil zu bestimmen sei.223 Das ist wohl der Grund, warum sich auch in der dem BGH folgenden Literatur die jeweilige Darstellung meist darauf beschränkt festzustellen, dass die Gesellschafter 218 BGH NJW 1975, 1234 (1235); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 40; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 59; Lackner/Kühl § 266 Rn. 17. 219 Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 78 ff.; Lackner/Kühl § 263 Rn. 33; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 54. 220 BGH StV 1988, 14 (15); Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296. 221 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3; NJW 2003, 2996 (2999); wistra 1984, 71; wistra 1984, 226; NStZ 1987, 279; StV 1988, 14 (15); wistra 1991, 183; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 25; Hoffmann/ Liebs-Lohberger Rn. 877.1; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 f.; Hartung NJW 1996, 229 (335); Achenbach NStZ 1988, 97 (100). 222 Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 302; Grunst BB 2001, 1537 (1538); Schultz BB 1988, 572 (573). 223 So Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53).
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
geschädigt sein müssen und weiterführende Stellungnahmen zur eigentlichen Kalkulation so gut wie nicht zu finden sind. In der Tat bereitet es einigen Aufwand, die Kriterien der Schadensberechnung aus den einzelnen, zum Teil unveröffentlichten Entscheidungen zusammenzusuchen. Im Folgenden werden zunächst die einzelnen Schadenspositionen dargestellt, auf die der BGH in seinen Entscheidungen zurückgegriffen hat (1.). Im Anschluss ist darauf einzugehen, in welchem Verhältnis diese Kriterien zueinander stehen (2.). Schließlich wird untersucht, welche Vermögensvorteile im Rahmen der erforderlichen Gesamtsaldierung kompensierend berücksichtigt werden dürfen (3.). 1. Darstellung der einzelnen Schadenspositionen Insgesamt lassen sich drei Schadenspositionen identifizieren, auf die der BGH im Laufe der Zeit eingegangen ist: Eine anteilige Schädigung der einzelnen Gesellschafter im Verhältnis der Einlagen [a)], ein Gefährdungsschaden, der aus der möglichen Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft resultiert [b)] und ein weiterer Gefährdungsschaden durch eine Verkürzung der Vermögensrechte [c)]. a) Anteilige Schädigung im Verhältnis der Einlageleistungen Ausgegangen werden kann von einem Urteil des LG Stade zur Kommanditgesellschaft, mit dem sich der BGH als Revisionsinstanz auseinander zu setzen hatte. Darin war einer GmbH & Co. KG Kapital entzogen worden. Das LG Stade hat den Schaden eines einzelnen Gesellschafters in der Weise berechnet, dass es das insgesamt abgeflossene Vermögen in das rechnerische Verhältnis der Einlageleistung dieses Gesellschafters zu denen der übrigen Mitgesellschafter gesetzt hat, um gleichsam den Gesamtschaden auf den einzelnen herunterzubrechen. Da die GmbH 1.000 DM in die Gesellschaft eingebracht hatte und die anderen Gesellschafter zusammen weitere 60.000 DM, wurde der entzogene Betrag mit 1/61 multipliziert und ein Schaden von 491 DM angenommen. Obgleich der BGH befand, dass diese Berechnung insgesamt zu eng sei, knüpfte er ebenfalls an die Einlageleistungen an und stellte fest, dass es richtig sei, dass der Angeklagte „im Hinblick auf seine eigene Einlage, die er als Kommanditist geleistet hat“ keine für § 266 StGB relevante Schädigung begehen konnte.224 Es wurde also die Berechnung einer anteiligen Schädigung nur insoweit abgelehnt, als dass sie die einzige Schadensposition darstellen soll. In einer Reihe weiterer Entschei224
BGH NStZ 1987, 279.
IV. Schaden
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dungen wurde immer wieder auf eine solche anteilige Schädigung des jeweiligen Gesellschafters Bezug genommen,225 wobei die Wortwahl allerdings recht uneinheitlich ausfiel. Teilweise wurde von einer „Beteiligung an der Gesellschaft mit einer Einlage“ gesprochen,226 teils von einer „Beteiligung am Vermögen“227 oder aber von dem „im Innenverhältnis zustehenden Anteil am Gesellschaftsvermögen“228. Festzuhalten bleibt, dass zunächst eine anteilige Schädigung in Betracht kommt, die sich aus dem Verhältnis der Einlageleistungen der Gesellschafter zueinander ergeben soll.229 In bestimmten Konstellationen können danach gar alle Gesellschafter als Geschädigte angesehen werden. Das ist dann der Fall, wenn ein nicht am Vermögen beteiligter Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG Vermögen entzieht. Da er selbst keine Einlage geleistet hat, kann der Schaden nicht entsprechend anteilig als erlaubte Selbstschädigung qualifiziert werden. Folglich wurde in einer solchen Konstellation befunden, dass der dem Gesellschaftsvermögen entnommene Betrag der Summe der den einzelnen Gesellschaftern entstandenen Nachteile entspricht.230 Das muss jedoch nicht immer der Fall sein. b) Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten Die so berechnete anteilige Schädigung wurde jedoch in der besagten Revisionssache vom BGH deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil der einzelne Gesellschafter wegen der Verringerung der Haftungsmasse, die dann nicht mehr zur Schuldentilgung zur Verfügung steht, zusätzlich mit seinem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen hat (vgl. § 128 HGB).231 Als zweite Schadensposition kommt daher über die anteilige Schädigung hinaus ein Vermögensschaden in Form eines Gefährdungsschadens aufgrund der Haftung in Betracht.232 Weitergehende 225 BGH NStZ 1987, 279; NJW 1992, 250 (251); NJW 2000, 154 (155); NJW 2003, 2996 (2999); wistra 1991, 183; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Reiß wistra 1989, 81, (86). 226 BGH wistra 1991, 183. 227 BGH NJW 2000, 154 (155); NJW 2003, 2996 (2998). 228 BGH NJW 1992, 250 (251). 229 So auch Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297. 230 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 4. 231 BGH NStZ 1987, 279; auf die KG findet § 128 HGB über § 161 Abs. 2 HGB Anwendung; bei der GbR ergibt sich die Haftung je nach vertretener Auffassung zu deren Rechtsnatur aus § 128 HGB analog oder aber aus der Annahme einer Mitverpflichtung; siehe dazu etwa Hueck/Windbichler § 8 Rn. 10 ff. und § 9 Rn. 6 f. 232 BGH NStZ 1987, 279; NJW 1992, 250 (251); NJW 2000, 154 (155); NJW 2003, 2996 (2999); Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6; OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57;
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Aussagen sind jedoch auch diesbezüglich kaum zu finden. Das soll sich mit den folgenden Ausführungen ändern, indem auf die Details zur Haftungssystematik und deren strafrechtliche Folgen ausführlich eingegangen wird. Um festzustellen, inwieweit einem Gesellschafter eine Inanspruchnahme droht, muss dazu das gesellschaftsrechtliche Haftungssystem der Personengesellschaften näher in den Blick genommen werden [bb)]. Bevor dies jedoch geschehen kann, lohnt sich zum besseren Verständnis eine Begriffsklärung, damit deutlich wird, welches Kriterium für die Haftung entscheidend ist [aa)]. Zuletzt verbleibt noch ein Blick auf ein Sonderproblem in solchen Fällen, in denen einer der Gesellschafter eine GmbH ist [cc)]. aa) Begriffsklärung: Haftsumme und Pflichteinlage Häufig tauchen beim Umgang mit Personengesellschaften die Begriffe „Haftsumme,“ „Hafteinlage,“ „Pflichteinlage“ oder einfach nur „Einlage“ auf, ohne dass jeweils deutlich wird, wo der Unterschied sein soll und ob es sich dabei um jeweils unterschiedliche Dinge handelt. Gemeint sind im Grunde immer nur zwei verschiedene Größen: die Pflichteinlage einerseits und die Haftsumme andererseits. Die Pflichteinlage ist der im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft, also im Innenverhältnis, festgelegte Beitrag eines jeden Gesellschafters zum Gesellschaftsvermögen.233 Die Haftsumme hingegen, auch Hafteinlage genannt, bezeichnet die gemäß § 161 Abs. 1 HGB ins Handelsregister einzutragende Höhe des Geldbetrags, bis zu der ein Kommanditist bei einer Kommanditgesellschaft in Abgrenzung zur unbeschränkten Haftung des Komplementärs im Außenverhältnis für Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen einzustehen hat (vgl. § 171 Abs. 1 HGB).234 Bei der OHG und der GbR ist die Beschränkung auf eine bestimmte Haftsumme nicht möglich, so dass alle Gesellschafter – wie bei der Kommanditgesellschaft der Komplementär – unbeschränkt haften. Spätestens hier wird deutlich, dass sich die genannten Größen keineswegs entsprechen müssen. Denn während etwa bei einer OHG und einer GbR in der Regel jeder Gesellschafter eine Pflichteinlage erbringen muss, gibt es eine Haftungsbegrenzung in Höhe einer bestimmten Haftsumme nicht.235 Schramm, Untreue und Konsens, S. 85; Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.2; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Reiß wistra 1989, 81 (86). 233 K. Schmidt GesR § 54 I 2 a; ders. MüKo-HGB §§ 171, 172 Rn. 5; Hueck/ Windbichler § 18 Rn. 6. 234 K. Schmidt GesR § 54 I 2 a; ders. MüKo-HGB §§ 171, 172 Rn. 5; Hueck/ Windbichler § 18 Rn. 6. 235 Zum Kommanditisten, bei dem sich ebenfalls Pflichteinlage und Haftsumme nicht decken müssen, siehe Hueck/Windbichler § 18 Rn. 6; Grunewald GesR S. 125.
IV. Schaden
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In Bezug auf die hier interessierenden Schadenspositionen kann also festgestellt werden, dass es laut BGH zur Berechnung der soeben bereits dargestellten anteiligen Schädigung des Gesellschafters auf die so genannte Pflichteinlage ankommen soll, während sich der für den Gefährdungsschaden maßgebliche Umfang der Haftung aus der so genannten Haftsumme ergibt. Die demnach durchaus relevante Unterscheidung zwischen Haftsumme und Pflichteinlage fehlt jedoch im Gesetzestext und verleitet damit zu Missverständnissen.236 Vielmehr wird immer nur von „Einlage“ gesprochen, wobei mal die Hafteinlage (also die Haftsumme) und mal die Pflichteinlage gemeint ist. Folglich wird auch vom BGH bei der Bestimmung des Schadens nicht begrifflich differenziert, so dass sich oftmals nur aus dem – zumeist sehr knappen – Zusammenhang ergibt, was genau gemeint ist.237 Das heißt, ob auf eine Verringerung des Gesellschaftsvermögens und eine damit einhergehende, von der erbrachten Pflichteinlage abhängige anteilsmäßige Schädigung des Vermögens des Gesellschafters gesprochen wird oder ob von einer möglichen Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Rahmen der (bei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern sogar unbegrenzten, also eigentlich nicht vorhandenen) Haftsumme die Rede ist. Im Folgenden sollen daher zur klaren Trennung die Begriffe „Einlage“ für den Beitrag zum Gesellschaftsvermögen im Innenverhältnis und „Haftsumme“ für die möglicherweise betragsmäßige Höchstgrenze der Haftung im Außenverhältnis verwendet werden. Auf erstere soll es laut BGH ankommen, um die anteilsmäßige Schädigung eines Gesellschafters zu berechnen. Letztere ist zur Festlegung des Nachteils wegen möglicher Haftung entscheidend. bb) Umfang und Ausgestaltung der möglichen Haftung Ist somit geklärt, dass es für die Haftungsgefahr auf die Bestimmung der Haftsumme ankommt, kann ein Blick auf die Haftungsverfassung der Personengesellschaften geworfen werden. Dabei macht es Sinn, zwischen unbeschränkt haftenden Gesellschaftern und solchen, die nur in Höhe einer bestimmten Haftsumme einzustehen haben, zu differenzieren. Zunächst wird der Umfang der Haftung geklärt (1). Sodann ist auf deren Ausgestaltung näher einzugehen (2). Beides beeinflusst die Berechnung des Gefährdungsschadens unmittelbar. 236 K. Schmidt, GesR, § 54 I 2 b, c; siehe auch die sogleich folgende Erörterung zu § 171 Abs. 1 HGB. 237 Siehe etwa BGH NStZ 1987, 279; Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6; wistra 1991, 183, wo in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen immer nur von „Einlage“ gesprochen wird.
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(1) Umfang der Haftungspflicht Bei Personengesellschaften haften im Grundsatz alle Gesellschafter gemäß § 128 S. 1 HGB unbeschränkt und akzessorisch für die Gesellschaftsschulden als Gesamtschuldner.238 Davon abweichende Vereinbarungen im Innenverhältnis, zum Beispiel im Gesellschaftsvertrag, haben keine Außenwirkung gegenüber den Gläubigern, § 128 S. 2 HGB.239 Folglich kann sich jeder Gläubiger in voller Höhe an jeden Gesellschafter wenden, der dann aus seinem Privatvermögen die Gesellschaftsschuld begleichen muss. Eine Ausnahme vom Grundsatz der unbeschränkbaren Haftung ist allerdings bei der Kommanditgesellschaft für die Kommanditisten vorgesehen. Hier kann eine Haftsumme festgelegt und eine darüber hinausgehende Inanspruchnahme des Kommanditisten verhindert werden. Die Details dieser Haftungsbeschränkung ergeben sich aus einem Zusammenspiel von Einlage und Haftsumme, das in § 171 Abs. 1HGB näher geregelt ist. Jedoch mutet die Norm auf den ersten Blick unverständlich an, da es wie bereits angesprochenen an einer Differenzierung zwischen Pflichteinlage und Haftsumme fehlt. So besagt § 171 Abs. 1: „Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, sobald er seine Einlage erbracht hat.“ Gemeint ist damit Folgendes: Der Kommanditist haftet den Gläubigern gegenüber nicht, wie es das Gesetz ausdrückt, „bis zur Höhe seiner Einlage,“ sondern er haftet summenmäßig beschränkt nach Maßgabe seiner Haftsumme (falsche Terminologie im ersten Halbsatz von § 171 Abs. 1 HGB).240 Diese Haftung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn er eine mindestens der Haftsumme wertmäßig entsprechende Einlage erbracht hat (richtige Terminologie im zweiten Halbsatz).241 Die Haftung kann aber gemäß § 172 Abs. 4 wieder aufleben, soweit der Kommanditist die Einlage zurück erhält. Vielfach sind Einlage und Haftsumme identisch, so dass mit der Einbringung der Einlage in das Gesellschaftsvermögen gleichzeitig ein der Haftsumme entsprechender Wert erbracht ist.242 Gemäß § 171 Abs. 1, 2. Hs. HGB scheidet eine darüber hinausgehende Haftung des Kommanditisten dann aus. Notwendig ist aber eine solche Deckungsgleichheit nicht. Als Zwischenergebnis lässt sich also festhalten, dass die Gesellschafter grundsätzlich in unbeschränkter Höhe für Verbindlichkeiten aufkom238
Zur entsprechenden Rechtslage bei der GbR siehe oben Fn. 231. Zum Sonderfall einer möglichen Haftungsbeschränkung durch individuelle Vereinbarung mit dem jeweiligen Gläubiger siehe etwa BGH NJW 1999, 3483; Hueck/Windbichler § 9 Rn. 8. 240 K. Schmidt GesR, § 54 I 2 d. 241 K. Schmidt GesR, § 54 I 2 d. 242 Grunewald GesR S. 125; Hueck/Windbichler § 18 Rn. 6. 239
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men müssen. Fließen Vermögenswerte ab, erhöht sich die (jedenfalls abstrakte) Gefahr der Inanspruchnahme um diesen Betrag. Anders kann dies nur bei Kommanditisten sein, die maximal in Höhe ihrer Haftsumme einzustehen haben, falls nicht ohnehin eine haftungsbefreiende Einlage geleistet wurde.243 (2) Ausgestaltung der Haftung Steht somit der Umfang der Haftung fest, müssen zwei weitere Aspekte in den Blick genommen werden, die den Gefährdungsschaden letztendlich doch ausschließen oder jedenfalls der Höhe nach verringern können. Die Gesellschafter haften nämlich für eine Verbindlichkeit, für deren Begleichung in erster Linie das Gesellschaftsvermögen zuständig ist. Zudem tun sie dies als Gesamtschuldner. Daraus ergeben sich im Innenverhältnis Ansprüche gegenüber der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern, die dazu führen können, dass die drohende Vermögenseinbuße des potentiell in Anspruch Genommenen der Höhe nach zu korrigieren ist. Der BGH ist auf dieses Ausgleichssystem nur in einem Nebensatz eingegangen und hat festgestellt, dass das Risiko der Haftung in gewissem Umfang eine Minderung durch eine Vereinbarung der Gesellschafter im Innenverhältnis erfahren kann.244 Aufgrund des ganz erheblichen Einflusses auf die Schadenshöhe ist das Haftungssystem näher zu untersuchen. (a) Regress- und Freistellungsansprüche gegen die Gesellschaft Zunächst besteht ein Anspruch der Gesellschaft gegenüber. Da Schulden primär aus dem Gesellschaftsvermögen zu bedienen sind, kann der zur Zahlung aufgeforderte Gesellschafter entweder nach Zahlung einen Regressanspruch gegen die Gesellschaft geltend machen245 oder schon von vornherein verlangen, dass die Gesellschaft ihn von der Zahlung freistellt (§ 257 BGB).246 Folglich wird bei den in Rede stehenden Untreuekonstellationen davon ausgegangen, dass ein Gefährdungsschaden insoweit abzulehnen ist, 243 In BGH NJW 2000, 154 stand etwa die „Einzahlung der Kommanditanteile“ noch aus, so dass hier eine Schädigung der Kommanditisten aufgrund einer Erhöhung des Haftungsrisikos denkbar wäre. Im konkreten Fall scheiterte eine Strafbarkeit am Einverständnis. 244 Siehe BGH NStZ 1987, 279. 245 Für OHG und KG siehe § 110 HGB, dazu etwa BGH NJW-RR 2002, 455; für die GbR gilt dasselbe: MüKo-BGB-Ulmer § 714 Rn. 54; K. Schmidt § 60 III 5; Grunewald GesR S. 59. 246 BGH NJW 1973, 1036 (1038); Baumbach/Hopt-Hopt § 128 Rn. 26; MüKoBGB-Ulmer § 714 Rn. 55; Ebenroth/Boujong/Joost-Hillmann § 128 Rn. 36.
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als dass ein solcher Freistellungs- oder Regressanspruch realisierbar und damit werthaltig ist.247 Damit wird zur Voraussetzung eines jeden Gefährdungsschadens aufgrund der Haftungsverpflichtungen, dass die Gesellschaft unfähig ist dieser Zahlungspflicht nachzukommen, sich also in einer Krise befindet.248 (b) Regress- und Freistellungsansprüche gegen die Mitgesellschafter Wenn ein Ausgleich beziehungsweise eine Freistellung von der Gesellschaft nicht mehr zu erlangen ist, kann eine Gefährdung aber auch insoweit ausscheiden, als dass Ansprüche gegen Mitgesellschafter gegeben sind. Da nämlich alle Gesellschafter als Gesamtschuldner haften, kann der einzelne Gesellschafter, den Regeln der Gesamtschuld entsprechend, von den übrigen mithaftenden Gesellschaftern gemäß § 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB wiederum Ausgleich249 oder Freistellung250 verlangen. Dabei geht es jedoch immer nur um jene Forderungsteile, die der betreffende Gesamtschuldner im Ergebnis nicht tragen soll, die also über seine im Innenverhältnis zu tragende Quote hinausgehen. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist zunächst, dass es überhaupt mithaftende Gesellschafter gibt, gegen die sich dieser richten kann. Insbesondere Kommanditisten kommen dann nicht als mithaftende (Gesamt-)Schuldner in Betracht, wenn durch Erbringung einer mindestens der Haftsumme entsprechenden Einlage die Haftung ausgeschlossen ist.251 In OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4; Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Hoffman/LiebsLohberger Rn. 877.2; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 26; Kohlmann, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 366 Fn. 373; siehe auch BGHZ 60, 324 (329). 248 Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Hoffman/Liebs-Lohberger Rn. 877.2; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 26; Kohlmann, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 366 Fn. 373. 249 BGH NJW 1980. 339 (340); Baumbach/Hopt-Hopt § 128 Rn. 27; MüKoBGB-Ulmer § 714 Rn. 56; K. Schmidt § 49 V 2. 250 OLG Koblenz DNotZ 1995, 979; Ebenroth/Boujong/Joost-Hillmann § 128 Rn. 37; allgemein zur Freistellung bei Ansprüchen aus § 426 BGB siehe BGH NJW 1958, 497; MüKo-BGB-Bydlinski § 426 Rn. 70. 251 Siehe oben C. IV. 1. b) bb) (1); falls sich der Anspruch nicht gegen einen Kommanditisten richten soll, sondern von diesem nach freiwilliger Zahlung geltend gemacht wird beachte BGH NJW-RR 2002, 455 (456): „Obwohl die Anwendung dieser Regressvorschrift voraussetzt, dass die mehreren Gesellschafter im Außenverhältnis den Gesellschaftsgläubigern gesamtschuldnerisch haften, hält es der Senat für geboten, die für mehrere persönlich haftende Gesellschafter geltenden Grundsätze auch dann heranzuziehen, wenn einer der Gesellschafter, ohne – wie der Kl. 247
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tatsächlicher Hinsicht kommt es aufgrund der im Strafrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtung auch hier darauf an, dass dieser Anspruch realisierbar ist. Daran können vor allem dann Zweifel bestehen, wenn er sich gegen den Täter oder einen anderen zahlungsunfähigen Mitgesellschafter richtet. Für die Höhe des Ausgleichs- und damit auch des Freistellungsanspruchs geht § 426 Abs. 1 BGB davon aus, dass die Gesamtschuldner zueinander im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist (so genannter Kopfteilregress). Im Personengesellschaftsrecht besteht jedoch Einigkeit, dass „etwas anderes“ in der Weise bestimmt ist, dass im Innenverhältnis die gesellschaftsvertragliche Verlustbeteiligung maßgeblich ist.252 Folglich muss zur Feststellung einer möglichen Verringerung des Gefährdungsschadens in jedem Einzelfall geprüft werden, was diesbezüglich im Gesellschaftsvertrag festlegt ist.253 Fehlt eine solche Regelung, kommt es darauf an, was die maßgeblichen Vorschriften des Gesellschaftsrechts vorsehen, die wiederum vom Gesellschaftstyp abhängen. Auf beides ist daher näher einzugehen. Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen bietet es sich an, von der Vorschrift für die OHG, § 122 Abs. 3 HGB, auszugehen. Danach erfolgt die Verlustverteilung, falls nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 163 HGB), nach Köpfen und entspräche damit doch wieder der Zweifelsregelung des § 426 BGB. Gleiches gilt gemäß § 722 Abs. 1 BGB für die GbR. Wesentlich komplizierter sieht die Rechtslage bei der KG aus. Denn hier wird in § 168 Abs. 2 HGB nur festgelegt, dass ein „angemessenes Verhältnis“ gelten soll. Wegen der Unbestimmtheit dieses Begriffes enthalten praktisch alle (guten) Gesellschaftsverträge abweichende Regelungen.254 Falls eine solche Regelung zur Ermittlung des angemessenen Verhältnisses nicht existiert, kann man sich an den so genannten Kapitalanteilen der Gesellschafter orientieren.255 Dabei handelt es sich um eine Ziffer, die Auskunft als Kommanditist – hierzu im Außenverhältnis verpflichtet zu sein, freiwillig Schulden der Gesellschaft tilgt und sich dadurch von sich aus einem persönlich haftenden Gesellschafter gleichstellt.“ 252 BGHZ 36, 299; BGH NJW-RR 2002, 455 f.; MüKo-BGB-Bydlinski § 426 Rn. 15; K. Schmidt GesR § 49 V 2. 253 Auf eine Minderung des Gefährdungsschadens durch die Verlustverteilung im Innenverhältnis weist auch BGH NStZ 1987, 279 hin. 254 K. Schmidt GesR § 53 III 5; Grunewald GesR S. 142. 255 MüKo-HGB-K. Schmidt § 168 Rn. 4; Koller/Roth/Morck-Koller § 168 Rn. 2; Baumbach/Hopt-Hopt § 168 Rn. 3; Oppenländer DStR 1999, 939 f.; zudem wird oft betont, dass die Angemessenheit im Einzelfall geprüft werden müsse und etwa besondere Leistungen für die KG zu einer geringeren Verlustquote führen können; Ebenroth/Boujong/Joost-Weipert § 168 Rn. 12 will gar generell nach Ergebnisverantwortlichkeit und Risikobereitschaft differenzieren.
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über den Vermögensanteil des jeweiligen Gesellschafters geben soll. Der Begriff des Vermögensanteils als ein auf die Vermögensrechte bezogener Teil der Mitgliedschaft wurde bereits an anderer Stelle ausführlich erörtert.256 Der Kapitalanteil soll dazu dienen, diesen zahlenmäßig darzustellen und handhabbar zu machen. Nach der gesetzlichen Konzeption ist er für verschiedene Vermögensrechte relevant, etwa für die Berechnung von Entnahmen (§ 122 HGB) oder des Auseinandersetzungsguthabens (§ 155 HGB). Oftmals wird der Kapitalanteil darüber hinaus im Gesellschaftsvertrag zum Maßstab sonstiger Rechte und Pflichten gemacht, etwa zur Stimmgewichtung bei Abstimmungen. Im Ausgangspunkt wird der Kapitalanteil des jeweiligen Gesellschafters durch seine Einlage bestimmt,257 ist aber durch die dem Verteilungsschlüssel entsprechende Zuweisung von Gewinnen und Verlusten gemäß § 120 Abs. 2 HGB eine variable Größe.258 Durch die Buchungen von Jahresgewinnen und Verlusten verändert sich dieser Anteil grundsätzlich in dem Maße, wie sich das Gesellschaftsvermögen verändert. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Summe der Kapitalanteile einen Schluss auf den Wert des Gesellschaftsvermögen oder der jeweiligen Beteiligung zulässt, da etwa stille Reserven oder Verluste nicht abgebildet werden.259 Nicht einmal über den verhältnismäßigen Wert der Beteiligung zueinander sagt er etwas aus, da es sich um absolute Werte und keine Quoten handelt.260 Der Kapitalanteil ist vielmehr allein dazu dar, die mit der Mitgliedschaft zusammenhängenden Vermögenspositionen für bestimmte Zwecke kontentechnisch darzustellen und zu verwalten; es handelt sich also um eine bloße Bilanzund Rechnungsziffer, ein für den Gesellschafter geführtes Konto.261 Erst wenn die Gesellschaft aufgelöst wird, werden in einer gesonderten (Liquidations-)Bilanz alle stillen Reserven offen gelegt und Buchgewinne oder -verluste auf die jeweiligen Konten verteilt, um das tatsächliche dem rechnerischen Vermögen anzugleichen.262 Ein positives Konto führt dann zu einem Auseinandersetzungsguthaben, ein negatives zu einer entsprechenden Ausgleichspflicht. 256
Siehe oben B. III. 1. Dies unterstellt das Gesetz stillschweigend, siehe Baumbach/Hopt-Hopt § 120 Rn. 14 258 K. Schmidt GesR § 47 III 2 c; Hueck/Windbichler § 14 Rn. 17; Grunewald GesR S. 111; siehe dazu auch §§ 120, 122 HGB. 259 K. Schmidt GesR § 47 III 2 c aa. 260 K. Schmidt GesR § 47 III 2 c bb. 261 Baumbach/Hopt-Hopt § 124 Rn. 13; K. Schmidt GesR § 47 III 1 a; Hueck/ Windbichler § 14 Rn. 18; Grunewald GesR S. 53. 262 Koller/Roth/Morck-Koller § 155 Rn. 2; Baumbach/Hopt-Hopt § 154 Rn. 3; MüKo-HGB-K. Schmidt § 155 Rn. 21, 25. 257
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Für die Verlustverteilung, die hier als Maßstab für die Verlustbeteiligung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs herangezogen werden soll, wäre also der Stand des jeweiligen Kapitalanteils maßgeblich. In der Praxis ist diese Schwankung zumeist unerwünscht, da die hiermit verbundenen Rechte ebenfalls Schwankungen unterworfen wären. Daher hat sich das System so genannter fester Kapitalanteile eingebürgert. Demnach wird für jeden Gesellschafter ein Kapitalanteil als unveränderliche Bezugsgröße festgelegt. Das Verhältnis des jeweiligen Kapitalanteils zur Summe der festen Anteile gibt dann das rechnerische Verhältnis der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, also der diesbezüglichen mitgliedschaftlichen Rechte, wieder.263 Immer dann, wenn es auf den Kapitalanteil ankommt, kann auf eine unveränderliche Größe zurückgegriffen werden, die das von den Gesellschaftern gewollte Machtverhältnis in der Gesellschaft wiedergibt. Er fungiert damit als fester Schlüssel für die Verteilung von Gewinnen und Verlusten, für Entnahmen oder Auflösungs- und Abfindungsguthaben, für das Stimmrecht oder für etwaige Nachschussverpflichtungen.264 Es sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen, dass sich auch anhand des festen Kapitalanteils nicht der Wert des Gesellschaftsvermögens oder der konkrete (rechnerische) Anteil daran berechnen lässt. Da nämlich weiterhin Gewinne, Verluste und Entnahmen verwaltet werden müssen, werden für diese Bewegungen neben dem festen Konto (so genanntes Kapitalkonto I) eine Reihe weiterer beweglicher Konten gebildet.265 Im Falle der Liquidation der Gesellschaft kriegt also nicht jeder Gesellschafter einen Anteil am Vermögen entsprechend den festen Kapitalanteilen, sondern darüber hinaus sind auch die weiteren Konten noch auszugleichen.266 Für die KG ergibt sich damit Folgendes: Der Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB, der den Schaden des jeweiligen Gesellschafters aufgrund einer (möglichen) Inanspruchnahme mindern kann, ist im jeweiligen Einzelfall in einem „angemessenem Verhältnis“ gegeben. Das Verhältnis wiederum orientiert sich an den vom konkreten Fall abhängenden (festen oder variablen267) Kapitalanteil. Schließlich ist es häufig so, dass der Gesellschaftsvertrag eine ganz andere Modalität zur Verteilung des Verlustes vorsieht, die mit der soeben beschriebenen gesetzlichen Systematik (GbR und OHG: 263
K. Schmidt GesR § 47 III 2 d. Hueck/Windbichler § 14 Rn. 19. 265 K. Schmidt GesR § 53 III 5 a legt etwa drei weitere nahe: ein Kapitalkonto II für Gewinne, Verluste und Entnahmen, ein Darlehnskonto und gegebenenfalls noch ein Verlustsonderkonto. 266 MüKo-HGB-K. Schmidt § 155 Rn. 25; ders. GesR § 47 III 2 d. 267 Bei variablen Kapitalanteilen ermahnt MüKo-HGB-K. Schmidt § 168 Rn. 5 zu „äußerster Vorsicht,“ da sonst gerade der Komplementär, der Gewinne stehen lässt, mit besonders hohen Verlustquoten bedacht würde. 264
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nach Köpfen; KG: in einem angemessenen Verhältnis) nicht übereinstimmt.268 Dann kommt es für die Höhe des Ausgleichs- oder Freistellungsanspruchs hierauf an. Zu bemerken ist schließlich, dass wenn ein Gesamtschuldner mit seinem so berechneten Anteil ausfällt, der Ausfall zwischen den übrigen Gesamtschuldnern nach Köpfen zu verteilen ist, mit der Konsequenz, dass sich die Verpflichtung für den einzelnen (und damit der Schaden) entsprechend erhöht, § 426 Abs. 1 S. 2 BGB. Durch das so dargestellte System der Ausgleichsansprüche zwischen den Gesellschaftern kann sich der Gefährdungsschaden bei dem Anspruchsberechtigten verringern. Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass diese Feststellung im Ergebnis wenig relevant ist. Denn der Gefährdungsschaden bei den Anspruchsverpflichteten erhöht sich im gleichen Maß, so dass es auf den ersten Blick den Anschein hat, als würden die Schadensposten lediglich zwischen den einzelnen Geschädigten hin- und hergeschoben. Anders kann die Lage aber dann sein, wenn ein Anspruchsverpflichteter mit der Schädigung einverstanden war, so dass laut BGH schon aus diesem Grund in dieser Höhe eine Untreue ausscheidet und der insgesamt zur Last zu legende Schaden entsprechend schrumpft. Gleiches gilt, falls ein Gesellschafter einen zur Verfolgung nötigen Strafantrag nicht gestellt hat.269 In diesen Fällen ist sehr wohl auch die Verteilung des Schadens zwischen den Gesellschaftern bedeutsam. Es bleibt also im jeweiligen Einzelfall zu untersuchen, wer gegen wen Ausgleichsansprüche hat, ob diese werthaltig sind und ob die Anspruchsverpflichteten einverstanden waren. Hinsichtlich des Umfangs und der Ausgestaltung der Haftung lässt sich dieser Ausflug in die Tiefen des Gesellschaftsrechts wie folgt zusammenfassen: Die Höhe des Gefährdungsschadens hängt in einem ersten Schritt davon ab, ob der geschädigte Gesellschafter wie in der Regel unbeschränkt haftet oder ob es sich um einen beschränkt haftenden Kommanditisten handelt, der nach Leistung einer der Haftsumme entsprechenden Einlage keine weitere Inanspruchnahme fürchten muss. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit schadensmindernde, realisierbare Ansprüche gegen primär die Gesellschaft oder sekundär die als Gesamtschuldner haftenden Gesellschafter bestehen. Für den Umfang des Gesamtschuldnerausgleichs kommt es auf die Verlustverteilung an, die sich entweder aus dem gesetzlichen System oder davon abweichenden vertraglichen Regelungen ergibt. Das alles ist im jeweiligen Einzelfall zu untersuchen. 268 Heymann-Horn § 168 Rn. 6 ff. (Abweichung „üblich und dringend zu empfehlen“); Hueck/Windbichler § 14 Rn. 22; K. Schmidt GesR § 53 III 5 b. 269 Siehe dazu noch unten C. V.
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cc) Begrenzung des Gefährdungsschadens bei einer GmbH als Gesellschafterin? Ein Sonderproblem hinsichtlich des Gefährdungsschadens ergibt sich dann, wenn eine GmbH Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist. Diese haftet grundsätzlich wie eine natürliche Person an deren Stelle, also in der Regel persönlich und unbeschränkt. Folglich wäre davon auszugehen, dass sich auf Schadensebene keine Besonderheiten ergeben. Oftmals fungiert die Kapitalgesellschaft jedoch nur als Haftungsperson ohne eine Einlage geleistet zu haben und am Gewinn und Verlust beteiligt zu sein270. Die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten stellt dann die einzig denkbare Schadensposition der GmbH dar. Probleme bereiten hinsichtlich dieses Postens nun solche Konstellationen, in denen das Vermögen der GmbH nicht ausreicht, um die zu erwartenden Haftungsverpflichtungen voll zu erfüllen. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich seit langem höchst uneinheitlich. Mitunter findet sich beim BGH die Aussage, dass auch bei völliger Vermögenslosigkeit eine weitere Schädigung durch eine „rechtswidrige Erhöhung der Schuldenlast“ erfolgen könne.271 Teilweise wird jedoch die Höhe des Gefährdungsschadens in der Weise begrenzt, dass die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der GmbH eine Rolle spielen und die Schadenshöhe beeinflussen sollen.272 In den Fällen, in denen eine Schädigung aus einer Belastung mit Verbindlichkeiten entsteht, müsse die GmbH hierfür nur bis zur Höhe ihres Vermögens einstehen, so dass eine darüber hinausgehende Schädigung ausscheide.273 Erst in seinem Urteil vom 11.05.1999 legte der vierte Strafsenat die einer solchen Einschränkung zugrunde liegenden Erwägungen dar und äußerte sich auch zur genauen Bestimmung der relevanten Haftungsmasse.274 Danach fußt die Limitierung des Gefährdungsschadens in der wirtschaftlichen Betrachtungs270
Zum Schaden aufgrund einer negativen Beeinflussung der Vermögensrechte siehe sogleich C. IV. 1. c). 271 BGH NJW 1992, 250 (251); wistra 1991, 183 (obgleich im Anschluss dennoch nach der verfügbaren Haftungsmasse der GmbH gefragt wurde, vgl. nächste Fn.); so auch Hoffman/Liebs-Lohberger Rn. 877.3; ebenso der 6. Zivilsenat in NJW 1987, 2008 (2009) im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB. 272 BGH NStZ 1999, 557 (558); wistra 1991, 183; wistra 1989, 264 (267); Winkelbauer wistra 1986, 17 (18); Achenbach NStZ 2000, 524 (526). 273 BGH NStZ 1999, 557 (558); ebenso Winkelbauer wistra 1986, 17 (18); Achenbach NStZ 2000, 524 (526); siehe auch BGH wistra 91, 183, wonach es für den Gefährdungsschaden relevant sein soll, in welcher Höhe die GmbH Vermögen hatte, mit dem sie über das Stammkapital hinaus für Verbindlichkeiten der KG einstehen konnte. 274 BGH NStZ 1999, 557.
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weise, die der Schadensberechnung zugrunde liegt.275 Ebenso wie bei Ansprüchen gegen eine GmbH der Wert der Forderungen abnehme, wenn die Gesellschaft überschuldet ist und keine Aussicht auf Besserung besteht, so könne bei der Bemessung des Vermögensnachteils die Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen nicht außer Betracht bleiben.276 Eine Überschuldung der GmbH, das heißt eine Situation, in der die Passiva die Aktiva überwiegen und der Vermögenssaldo daher an sich Null oder weniger beträgt, soll jedoch nicht generell jede weitere Schädigung verhindern.277 Vielmehr soll die Schadenshöhe auf das trotz der Überschuldung unbelastete Restvermögen der Gesellschaft, einschließlich konkreter Erwerbsaussichten, beschränkt sein.278 Versteht man dieses Urteil als vorläufigen Schlusspunkt der Diskussion, folgt daraus für die Fälle, in denen eine GmbH Gesellschafterin ist, insbesondere für die Komplementärhaftung bei der beliebten GmbH & Co. KG, dass für den Gefährdungsschaden das jeweils unbelastete (Rest-)Vermögen der Geschädigten zu ermitteln und die Schadenshöhe auf dessen Wert begrenzt ist. Danach kommt dem noch vorhandenen Vermögen der GmbH eine ganz erhebliche Relevanz zu. c) Schaden durch negative Beeinflussung der Vermögensrechte Als dritte Schadensposition wird in Rechtsprechung und Literatur ein Nachteil des jeweiligen Gesellschafters aufgrund einer durch den Entzug von Vermögenswerten verursachten Verkürzung des Gewinnanteils gesehen.279 Auf die Details dazu, insbesondere die (gesellschafts- und bilanzrechtlichen) Berechnungsmodalitäten wird dann jedoch nicht weiter einge275
BGH NStZ 1999, 557. BGH NStZ 1999, 557 (558). 277 BGH NStZ 1999, 557; wistra 1991, 183; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 58 kritisieren mit Blick auf das zuerst zitierte Urteil, dass in Fällen, in denen die Passiva der GmbH die Aktiva überwiegen, der Tatbestand des § 266 StGB dann stets ausgeschlossen wäre; jedoch wird in der Entscheidung gerade das Gegenteil festgestellt (siehe Fn. 442), so dass die Kritik nicht nachvollziehbar ist. 278 BGH NStZ 1999, 557 (558); Achenbach NStZ 2000, 524 (526); im Urteil war das in Bezug auf zwei Grundstücke die Differenz zwischen deren Wert und den bestehenden Belastungen durch Grundschulden. 279 Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26; Krekeler, Verteidigung, S. 102; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53); so auch BGH Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6 mit der Erwägung, dass aufgrund der Belastung einer Gesellschaft mit überhöhten Forderungen den Kommanditisten auf absehbare Zeit keine Gewinne mehr zugewiesen werden könnten; ebenso BGH NJW 1987, 2008 (2010); auch BGH wistra 1991, 183 und OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4 sprechen die Gewinnbeteiligung an; in BGH wistra 1989, 266 wird ein Schaden mit dem Argument verneint, dass die Gesellschafterin ihren im Vertrag vorgesehenen (festen) Gewinnanteil stets erhalten habe. 276
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gangen. Damit ist jedoch nur ein Ausschnitt eines komplexen Gesamtsystems zur Verwaltung des Gesellschaftsvermögens angesprochen, dem man mit dem Verweis nur auf den Gewinnanteil in keiner Weise gerecht wird. Es bedarf vielmehr einer umfassenden Untersuchung, inwieweit sich die Vermögensrechte eines Gesellschafters durch eine Verminderung des Gesellschaftsvermögens verschlechtern können. Denn ebenso wie durch die Tathandlung ein Gewinn verringert werden kann, kann auch ein Verlust entstehen oder vertieft werden, für den der Gesellschafter einzustehen hat. Es sind neben einer Verkürzung positiver also auch eine Verursachung oder Erhöhung negativer Vermögensbewegungen mit in den Blick zu nehmen. Entsprechend wird in den folgenden Ausführungen zwischen einer Verkürzung des Gewinns und einer Verursachung oder Vertiefung eines Verlusts differenziert. Beides wird zusammenfassend als negative Beeinflussung der Vermögensrechte bezeichnet. Ausgangspunkt der Überlegungen kann folgender sein: Der einzelne Gesellschafter hat keinen echten Anteil am Gesellschaftsvermögen, wohl aber als Ausfluss seiner Mitgliedschaft bestimmte Rechte und Pflichten, die vom Stand des Gesellschaftsvermögens abhängen.280 Es geht also darum zu ermitteln, wie sich die Vermögensrechte des Einzelnen in Bezug auf das Gesamtvermögen verändern, wenn dieses durch eine pflichtwidrige Erhöhung der Passiva oder Entziehung von Aktiva verringert wird.281 Soll dargestellt werden, wie sich eine Verringerung des Gesellschaftsvermögens auswirkt, so ist das Grundprinzip recht überschaubar: In der Gesellschaft wird am Ende jedes Geschäftsjahres das Jahresergebnis ermittelt. Entsteht ein Gewinn so können die Gesellschafter in bestimmtem, von der Art der Gesellschaft und vom Gesellschaftsvertrag abhängenden Umfang hierauf zugreifen. Wenn nun das Gesellschaftsvermögen durch eine pflichtwidrige Handlung verringert wird, schrumpft dadurch auch der Gewinn. Entsprechend weniger steht dann auch für die Gesellschafter zur Verfügung. Wird gar ein Verlust verursacht oder vertieft, wirkt sich das ebenfalls negativ auf das Vermögen der Gesellschafter aus, da diese für Verluste grundsätzlich282 einzustehen haben. Vergleicht man nun den Zustand nach der Verringerung des Gesellschaftsvermögens mit dem, der bestünde, wenn die Summe nicht abgeflossen wäre, ergibt sich der Betrag, um den das Vermögen des Gesellschafters geschmälert wurde. In jedem Einzelfall kann 280
Zu dieser vermögensrechtlichen Seite der Mitgliedschaft siehe oben B. III. 1. Siehe auch BGH NJW 1962, 859, wo hinsichtlich des Schadensersatzverlangens eines Gesellschafters einer OHG von einem Schaden „der Gesamthand“ gesprochen, der sich „über die Gewinnverteilung oder bei der Auseinandersetzung auch auf die übrigen Gesellschafter auswirkt.“ 282 Eine Ausnahme stellt die beschränkte Kommanditistenhaftung dar, die unten noch behandelt wird. 281
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das Tatgericht nach diesem Prinzip die Höhe des verkürzten Gewinnanteils beziehungsweise des erhöhten Verlustanteils für den jeweiligen Gesellschafter ermitteln. Abstrakte Aussagen zur Berechnung sind indes deshalb schwer zu treffen, weil die Verteilung von Gewinnen und Verlusten nicht nur von der jeweiligen Gesellschaftsform abhängt, sondern sich in der Praxis kaum eine Gesellschaft der recht komplizierten und oft nicht interessengerechten gesetzlichen Regelung bedient, in vielerlei Hinsicht also gesellschaftsvertragliche Abweichungen festgelegt werden283. Angesichts dessen werden hier Leitlinien zur Vermittlung des Grundverständnisses gegeben, die den gesetzlichen Regelungen zur GbR, OHG und KG entsprechen und im Einzelfall auf die individuelle Gesellschaft zu übertragen und abzustimmen sind. aa) Gewinn- und Verlustverteilung bei der GbR Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Gewinn- und Verlustverteilung in §§ 721, 722 BGB geregelt. Nach § 721 BGB kann jeder Gesellschafter die Verteilung des Gewinns und Verlusts verlangen; bei Dauergesellschaft am Ende jedes Geschäftsjahres (Abs. 2), bei Gelegenheitsgesellschaften erst nach der Auflösung (Abs. 1). Eine Dauergesellschaft liegt bei Zusammenschlüssen zu Erwerbszwecken, eine Gelegenheitsgesellschaft bei Durchführung einer begrenzten Zahl von Einzelgeschäften vor.284 Als Gewinn gilt ein Überschuss des Gesellschaftsvermögens über die Gesellschaftsschulden und die Einlagen; ein Verlust ist gegeben, wenn der Wert des Vermögens darunter bleibt.285 Beides wird in einem Rechnungsabschluss festgestellt286 und gemäß § 722 Abs. 1 BGB im Zweifel zu gleichen Teilen verteilt. In Bezug auf einen Gewinn hat der Gesellschafter einen Anspruch auf Auszahlung des auf ihn entfallenden Anteils aus dem Gesellschaftsvermögen.287 Wenn nun der Gewinnanteil durch den Entzug eines gewissen Betrags verringert wird, ergibt sich recht einfach der Betrag, um den der Anspruch des einzelnen Gesellschafters verkürzt wurde: Da eine Verteilung nach Köpfen stattfindet, wäre dann eine Schädigung zu gleichen Teilen anzunehmen. 283
Siehe nur K. Schmidt GesR § 59 III 4 b; Hueck/Windbichler § 7 Rn. 8. MüKo-BGB-Ulmer § 721 Rn. 2. 285 Soergel11-Hadding § 721 Rn. 1; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 721 Rn. 5; Palandt-Sprau § 721 Rn. 1. 286 Zur regelmäßigen Anwendbarkeit der handelsrechtlichen Bilanzierungsregeln Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 721 Rn. 4; MüKo-BGB-Ulmer § 721 Rn. 6. 287 Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 721 Rn. 6; MüKo-BGB-Ulmer § 721 Rn. 11. 284
IV. Schaden
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Nicht ganz so einfach ist die Lage, wenn ein Gewinn nicht nur geschmälert wird, sondern durch die pflichtwidrige Handlung gar ein Verlust entsteht. Neben dem vollständigen Wegfall des sonst ausgezahlten Gewinns entsteht dann nämlich auch noch ein – zunächst nur rechnerischer – Fehlbetrag. Er belastet die Gesellschafter aber deshalb, weil sie verpflichtet sind, diesen früher oder später auszugleichen.288 Da eine Nachschusspflicht gemäß § 707 BGB ausgeschlossen ist, entsteht diese Pflicht allerdings erst in der Auseinandersetzung (§ 735 BGB).289 Zuvor ist nur ein Verlustvortrag auf die nächste Rechnung möglich,290 der allerdings ausgeglichen werden muss, bevor im Folgejahr wieder Gewinne ausgeschüttet werden können. Das ergibt sich schon aus der Gewinndefinition, wonach ein Gewinn nur vorliegt, wenn das Gesamtvermögen die Summe der Einlagen und Schulden übersteigt. Die Gesellschafter haben also in jedem Fall auch für Verluste ihrem Anteil entsprechend tatsächlich aufzukommen, entweder durch Ausgleich mit Erträgen des Folgejahres oder in der Auseinandersetzung. Bei der Auseinandersetzung kann sich die Vermögensdifferenz durch Aufbürdung eines Verlustanteils entweder darin manifestieren, dass die Auseinandersetzungsguthaben geringer ausfallen als ohne die Pflichtwidrigkeit. Das ist dann der Fall, wenn das Vermögen zwar noch ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu bedienen, nicht aber, um auch die Einlagen voll zurückzuerstatten. Falls nun aber sogar die Mittel fehlen, um die Gläubiger zu bedienen, muss über den Verlust der Einlagen hinaus sogar noch nachgeschossen werden. Der durch die Tathandlung verursachte Schaden manifestiert sich dann in einer entsprechenden Erhöhung der Ausgleichspflicht. Diese Entwicklung ist zwangsläufige Folge der dauerhaften Minderung des Gesellschaftsvermögens. Zeitgleich mit der Verminderung des Gesellschaftsvermögens sind auch die darauf bezogenen Rechte und Pflichten der Gesellschafter für die Zukunft betroffen. Es ist dann nur noch eine Frage der gesellschaftsrechtlichen Vermögensverwaltung, wann und wie der Schaden sich hinsichtlich der Gesellschafter manifestiert. Auf dieser Grundlage kann also der Schaden des Einzelnen in Höhe der Verringerung des Gewinnanteils beziehungsweise Erhöhung des Verlustanteils ermittelt werden. bb) Gewinn- und Verlustverteilung bei der OHG Etwas komplizierter stellt sich die Lage bei der OHG dar. Zur Gewinnermittlung wird zunächst am Schluss des Geschäftsjahres das Vermögen der 288
Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 722 Rn. 7. Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 722 Rn. 7; Palandt-Sprau § 721 Rn. 4. 290 Soergel11-Hadding § 721 Rn. 7; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 721 Rn. 7; MüKo-BGB-Ulmer § 721 Rn. 10. 289
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Gesellschaft mit dem Stand der Bilanz des Vorjahres verglichen.291 Eine positive Differenz stellt den Gewinn dar, eine negative den Verlust. Während bei der GbR ein Gewinn nur entstehen kann, wenn das positive Vermögen neben den Schulden auch den Wert der Einlagen deckt,292 kann bei der OHG also auch dann ein Gewinn entstehen, wenn die ursprüngliche, durch die Einlageleistung konstituierte Vermögenssumme noch nicht wieder erreicht wurde. Denn Maßstab für die Gewinnschwelle ist allein die Vorjahresbilanz.293 Ist der Gesamtgewinn ermittelt, wird berechnet, welcher Anteil hieran dem jeweiligen Gesellschafter zusteht (§ 120 Abs. 1 HGB). Den Maßstab dafür geben § 121 Abs. 1 und 3 HGB in der Weise vor, dass zunächst jedem ein Gewinn in Höhe von 4% seines Kapitalanteils des Vorjahres (so genannte Vorzugsdividende) gebührt und der darüber hinausgehende Teil nach Köpfen verteilt wird. Der Gewinn wird also grundsätzlich nicht zu gleichen Teilen verbucht, sondern es wird anhand der Kapitalanteile maßvoll differenziert.294 Auf eine Auszahlung des so ermittelten Gewinns hat der Gesellschafter – anders als bei der GbR nach § 721 BGB – zunächst jedoch keinen Anspruch. Vielmehr wird der Gewinn in einem ersten Schritt nur auf seinen Kapitalanteil gutgeschrieben, § 120 Abs. 2 HGB.295 Dieser ist jedoch für die Höhe des Entnahmerechts gemäß § 122 Abs. 1 HGB relevant. Danach kann der Gesellschafter jedes Jahr mindestens 4% seines Kapitalanteils vom Vorjahr entnehmen; und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr überhaupt einen Gewinn erwirtschaftet hat. Bei der OHG können die Gesellschafter also „von der Substanz“ leben. Über diese festen 4% des Kapitalanteils hinaus dürfen Entnahmen bis zur Gesamthöhe des nach § 121 HGB ermittelten Gewinnanteils des Jahres entnommen werden. Insgesamt ergibt sich also, dass die Maximalentnahme auf den für das abgelaufene Jahr festgestellten Gewinnanteil begrenzt ist, gleichzeitig aber eine Minimalentnahme in Abhängigkeit vom Kapitalanteil gewährt wird. Jedoch muss der Gesellschafter seinen Gewinnanteil nicht entnehmen. Er kann sich auch entscheiden, ihn zur Erhöhung des Kapitalanteils stehen zu lassen. Damit geht dann einher, dass sich der in der Liquidation zu erwartende Auseinandersetzungsanspruch entsprechend erhöht. 291
Baumbach/Hopt-Hopt § 120 Rn. 7; Hueck/Windbichler § 14 Rn. 21. Siehe die Nachweise in Fn. 285. 293 Siehe nur das Beispiel bei Hueck/Windbichler § 14 Rn. 21. 294 Freilich sieht die Lage anders aus, wenn alle Gesellschafter feste Kapitalanteile in gleicher Höhe haben, siehe zu dieser Möglichkeit oben C. 1. 2. b). 295 Siehe zur Bedeutung der Kapitalkonten schon die Ausführungen oben unter C. 1. 2. b). 292
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Wird nun das Gesellschaftsvermögen um einen bestimmten Betrag verringert, schmälert das den Gesamtgewinn, den Gewinnanteil und das Entnahmerecht. Verbleibt ein Gewinn, der für die Deckung von 4% der Kapitalanteile reicht, ist der darüber hinausgehende Überschuss nach Köpfen zu verteilen. Damit ist beim Entzug von Gewinnen oberhalb der Vorzugsdividende eine Schädigung durch eine entsprechende Verkürzung des jeweiligen Gewinnrechts zu gleichen Teilen gegeben. Führt die Verringerung des Gesellschaftsvermögens jedoch sogar dazu, dass die 4% nicht ausbezahlt werden können, erfolgt die Gewinnverringerung nicht zu gleichen Teilen, da dann auch der aufgrund der Vorzugsdividende unterschiedlich zu verteilende Betrag betroffen ist. Sind A und B zum Beispiel Gesellschafter einer OHG, die einen Jahresgewinn von 100.000 Euro erwirtschaftet hätte, wenn A nicht 80.000 Euro davon auf sein Privatkonto überwiesen hätte, so ergibt sich bei Kapitalkonten von 100.000 (A) und 200.000 (B) folgende Schadensberechnung: Hätten 100.000 Euro aufgeteilt werden können, hätte A 48.000 Euro Gewinn gutgeschrieben bekommen, B 52.000 Euro (jeweils 4% vom Kapitalanteil vorab plus die Hälfte vom restlichen Gewinn). Bei nur noch 20.000 Euro Jahresgewinn bekommt A 8.000 Euro und B 12.000 Euro. Der Gewinnanteil und das deckungsgleiche Entnahmerecht sind jeweils um 40.000 Euro verkürzt (bei A freilich nur im Rahmen einer Selbstschädigung, da er ja Täter war). Der Gewinnvorsprung des B aufgrund seiner Vorzugsdividende bleibt ihm erhalten, da der restliche Gewinn noch zur Auszahlung des vierprozentigen Anteils (zusammen 12.000 Euro) ausreicht. Reicht das Jahresergebnis jedoch nicht mehr, um die Vorzugsdividende gutzuschreiben, wird nur ein im entsprechenden Verhältnis niedrigerer Wert verbucht: Entnimmt A im obigen Beispiel etwa unberechtigt die ganzen 100.000 Euro, so sind die Gewinnanteile nicht mehr zu gleichen Teilen betroffen: Für A werden 48.000 Euro, für B 52.000 Euro zu wenig gutgeschrieben. Zu bemerken ist noch, dass es zur Annahme eines Nachteils nicht darauf ankommt, ob tatsächlich eine Entnahme stattfindet, sondern dass vielmehr schon die Verkürzung der Gutschrift auf das jeweilige Konto eine hinreichende Aussage über die Verringerung der Vermögensrechte gibt. Denn mit der Verkürzung des Gesellschaftsvermögens sind die Vermögensrechte des einzelnen Gesellschafters in Bezug auf das Gesamtvermögen für die Zukunft verringert. Der Schaden liegt nicht in der unterbliebenen Mehrung des Kapitalanteils selbst, sondern in der negativen Beeinflussung der Vermögensrechte, die nur durch den Kapitalanteil rechnerisch verwaltet werden. Wann die durch den Kapitalanteil dargestellten Rechte geltend gemacht werden – sofort durch Entnahme oder später durch das Auflösungsguthaben –, ist (wie bei der GbR) nur eine Frage der tatsächlichen Manifestation der Verminderung der Vermögensrechte. Das wird auch dadurch deutlich, dass das Ergebnis immer gleich ist, egal ob die Entnahme stattfindet oder nicht: Jeder
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Betrag, den der Gesellschafter nicht entnimmt, wird seinem Kapitalkonto gutgeschrieben und erhöht den Wert des Auseinandersetzungsanspruchs, der dem Wert des Kapitalanteils bei Liquidation entspricht (vgl. § 155 Abs. 1 HGB).296 Ob er von seinem (verminderten) Entnahmerecht Gebrauch macht oder nicht, beeinflusst nur den Zeitpunkt der Manifestation des Schadens in der Außenwelt. Wenn ein Gesellschafter nichts entnimmt, so wäre der Kapitalanteil ohne die Pflichtwidrigkeit höher ausgefallen. Spätestens bei Liquidation wirkt sich das aus: Die Nichterhöhung eines positiven Kapitalanteils verringert das Auseinandersetzungsguthaben. Ein wegen der Pflichtwidrigkeit nicht erfolgter Ausgleich bei negativem Konto begründet eine entsprechend höhere Ausgleichspflicht, entweder zur Auszahlung der Gesellschafter mit den positiven Kapitalkonten oder aber im Rahmen einer Nachschusspflicht, § 735 BGB, für ungedeckte Schulden der Gesellschaft.297 Im letzten Beispiel ist es also ganz gleich, ob man den Schaden des B darin sieht, dass er 52.000 Euro weniger entnehmen kann oder dass er, falls er den Betrag stehen gelassen hätte, um denselben Betrag bei Liquidation (in Form eines niedrigeren Guthabens oder einer höheren Verbindlichkeit) schlechter steht. Die Bewegungen auf den Kapitalkonten stellen also nur Größen zur Berechnung der Vermögensrechte dar, sind aber selbst kein Vermögensrecht. Folglich verringert auch eine Entnahme trotz fehlenden Gewinns nicht den Schaden eines Gesellschafters. Gemäß § 122 Abs. 1 HGB dürfen Gesellschafter zwar stets eine Entnahme in Höhe der 4% durchführen. Wird die „Verkürzung des Gewinnentnahmerechts“ wörtlich verstanden, könnte die Idee aufkommen, dass sich der Schaden entsprechend verringert, da der Gesellschafter ja immerhin Geld in entsprechender Höhe bekommt: Im letzten Beispiel dürfte B jedenfalls 4% seines Kapitalanteils von 200.000 Euro, das heißt 8.000 Euro entnehmen, A blieben 4.000 Euro. Im Vergleich mit der Entnahmemöglichkeit ohne die Verringerung des Gesamtgewinns wäre bei B ein Schaden von 52.000 Euro – 8.000 Euro = 44.000 Euro, bei A eine Selbstschädigung in Höhe von 48.000 Euro – 4.000 Euro = 44.000 Euro entstanden. Jedoch führt eine solche Entnahme „von der Substanz“ zu einer Verringerung des Kapitalanteils, die wiederum spätestens bei der Liquidation der Gesellschaft zwangsläufig zu einem entsprechend niedrigeren Auseinan296 Zu beachten ist jedoch, dass die Summe der Kapitalanteile erst dann dem (positiv oder negativ) zu verteilenden Gesellschaftsvermögen entspricht, wenn in der Liquidationsbilanz stille Reserven und Verluste aufgedeckt wurden, siehe oben C. IV. 1. b) bb) (2) (b). 297 Baumbach/Hopt-Hopt § 155 Rn. 2 f.; Hueck/Windbichler § 17 Rn. 13; siehe insbesondere die Rechenbeispiele bei MüKo-HGB-K. Schmidt § 155 Rn. 25 ff., wobei der Autor zwar in Abweichung von der h. M. die Pflicht zum Ausgleich einer Unterdeckung oder negativer Kapitalkonten als Bestandteil der Liquidation ansieht (h. M.: außerhalb der Liquidation), damit aber zu keinen abweichenden Ergebnissen kommt, siehe Rn. 18, 25.
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dersetzungsguthaben beziehungsweise einer entsprechend höheren Nachschusspflicht führt. Der Schaden entspricht dann doch wieder der zunächst berechneten Verkürzung. Er wird nur zeitlich in die Liquidation verschoben. Bei B würden also die 8.000 Euro, die er trotz fehlender Gewinnzuweisung entnimmt, zu einer Verringerung des Kapitalkontos auf 192.000 Euro und den entsprechenden Folgen bei der Auseinandersetzung führen. Gleiches gilt, soweit aufgrund der Verringerung des Gesellschaftsvermögens sogar ein Verlust entsteht, um den die Kapitalanteile – dann jedoch nach Köpfen verteilt (§ 121 Abs. 1 HGB) – bis in den negativen Bereich schrumpfen können. Wird ein positiver Kapitalanteil durch einen Verlustanteil verringert, liegt darin wiederum eine Verkürzung des Auseinandersetzungsguthabens. Werden die Kapitalkonten durch die Verlustzuweisung gar negativ, so bedeutet das, dass der jeweilige Gesellschafter einer erhöhten Zahlungspflicht unterliegt. Eine Schädigung durch die Verursachung oder Erhöhung eines Verlusts bleibt also auch im negativen Bereich möglich. Abgebildet wird die Beeinflussung der Vermögensrechte ebenfalls auf dem jeweiligen Kapitalkonto. Der den Gesellschaftern insgesamt entstandene Schaden (inklusive Selbstschädigung) entspricht danach dem entzogenen Betrag. Er verteilt sich bei der Verkürzung von Gewinnen unterhalb der 4%-Grenze jedoch nicht zu gleichen Teilen, da er durch die Vorzugsdividende verzerrt wird. Bei Verlusten erfolgt stets eine gleichmäßige Verteilung. Sowohl die Verringerung von Gewinn- als auch die Erhöhung von Verlustanteilen bewirkt eine Verschlechterung der Vermögensrechte des Gesellschafters, da beides zu einem niedrigeren Auseinandersetzungsguthaben beziehungsweise einer höheren Ausgleichspflicht führt. Im Einzelfall muss also die Auswirkung auf die Gewinn- oder Verlusterwartung jedes nicht einverstandenen Gesellschafters untersucht werden, die sich in einer entsprechenden Bewegung des Kapitalanteils ausdrücken lässt. Dabei ist zu beachten, dass in den allermeisten Fällen im Gesellschaftsvertrag von dem hier dargestellten System in verschiedenem Umfang abgewichen wird. cc) Gewinn- und Verlustverteilung bei der KG Bei der Kommanditgesellschaft ist zwischen Komplementären und Kommanditisten zu unterscheiden. (1) Komplementäre Hinsichtlich der Komplementäre ergeben sich methodisch keine Unterschiede zur Lage der Gesellschafter der OHG. Allein für die Höhe des Ge-
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winn- und Verlustanteils gilt ein anderer Verteilungsschlüssel. Das Procedere zur Ermittlung des Schadens ist also identisch, nur verteilt er sich wegen der abweichenden Quoten anders. Somit verbleibt zunächst nur ein Blick auf den in § 168 HGB geregelten Verteilungsschlüssel zu werfen. Bezüglich des Gewinns bekommen zunächst alle Gesellschafter wie bei der OHG eine Vorzugsdividende von 4% ihres Kapitalanteils gutgeschrieben, § 168 Abs. 1 HGB. Anders als bei der OHG wird jedoch der darüber hinausgehende Teil nicht nach Köpfen, sondern in einem „angemessenen Verhältnis“ verteilt, § 168 Abs. 2 HGB. Was darunter zu verstehen ist, wurde bereits oben im Rahmen der Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs bei Inanspruchnahme eines Gesellschafters durch Dritte erörtert:298 Es erfolgt eine Orientierung an den Kapitalanteilen, wobei hinsichtlich der Gewinnverteilung eine besondere Prämie für die persönlich haftenden Komplementäre und besondere Arbeitsleistungen zu berücksichtigen ist.299 Verluste treffen die Komplementäre ebenfalls in einem angemessenen Verhältnis.300 Auf Basis all dessen kann also konkret die mit der Verringerung des Gesamtvermögens einhergehende negative Beeinflussung der Vermögensrechte des jeweiligen Komplementärs anhand der Buchungen auf den Kapitalkonten berechnet werden. (2) Kommanditisten Für Kommanditisten ergeben sich jedoch erhebliche Unterschiede. Das äußert sich indes nicht in der Teilnahme am Gewinn und Verlust. Insofern bestehen kaum Abweichungen zu den Komplementären: Vom Gewinn gebührt ihnen 4% ihres Kapitalkontos und darüber hinaus ein angemessener Anteil, § 168 HGB. Es besteht nun zwar noch die Besonderheit, dass sie sich nicht unbegrenzt Gewinne auf ihrem Kapitalkonto gutschreiben lassen können, sondern dieses auf die Höhe ihrer Pflichteinlage begrenzt ist, § 167 Abs. 2 HGB. Einen darüber hinausgehenden Gewinn können sie sich nur auszahlen oder gesondert gutschreiben lassen.301 Zweck dieser Regelung ist eine Begrenzung der Höhe der Vorzugsdividende.302 Im Ergebnis macht das 298
Siehe oben C. IV. 1. b) aa) (2) (b). Baumbach/Hopt-Hopt § 168 Rn. 2; Koller/Roth/Morck-Koller § 168 Rn. 1; Heymann-Horn § 168 Rn. 3. 300 Siehe dazu ausführlich oben C. IV. 1. b) aa) (2) (b). 301 Baumbach/Hopt-Hopt § 167 Rn. 3; Heymann-Horn § 167 Rn. 7; Hueck/ Windbichler § 18 Rn. 11. 302 Das ist zwar gesetzlich so vorgesehen, in der Praxis aber nicht unproblematisch, da die Komplementäre über nicht entnommene Gewinne ihren Vorzugsanteil gegenüber den Kommanditisten immer weiter erhöhen können, vgl. Hueck/Windbichler § 18 Rn. 11. 299
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aber keinen Unterschied, da es wie oben dargelegt einerlei ist, ob sich der Schaden in einer niedrigeren Entnahme oder einer niedrigeren Gutschrift (hier dann auf gesondertem Konto) niederschlägt. Es kommt allein auf die Verkürzung des entsprechenden Rechts an. Am Verlust nehmen auch sie in angemessenem Verhältnis teil. Der entscheidende Unterschied ist nun, dass die rechnerische Gewinnund Verlustbeteiligung der Kommanditisten auf den Kapitalkonten nicht in jeder Hinsicht auch tatsächliche Auswirkungen hat. Denn während die Vermögensrechte der persönlich haftenden Gesellschafter bei allen angesprochenen Gesellschaftsformen stets mit der Entwicklung des Gesamtvermögens verquickt sind – im positiven Sinn durch entsprechende Guthaben, im negativen Sinn durch die Ausgleichspflicht –, gilt das für Kommanditisten nicht. Sie haben zwar Vermögensrechte in Höhe ihres positiven Kapitalkontos, sind aber für negative Beträge nicht ausgleichspflichtig. Gemäß § 167 Abs. 3 HGB nimmt der Kommanditist nämlich nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils am Verlust teil. Gemeint ist damit, dass bei einer Liquidation keine Nachschusspflicht besteht, so dass dieser Fehlbetrag zusätzlich von den persönlich haftenden Gesellschaftern auszugleichen ist und die Kommanditisten nicht weiter belastet werden.303 Soweit die Kapitalkonten positiv sind, sind die Kommanditisten also tatsächlich betroffen, da die damit einhergehenden Rechte (Entnahme/Liquidationsanspruch) bei der Erhöhung eines Verlustanteils verringert beziehungsweise bei der Verkürzung eines Gewinnanteils nicht erhöht werden. Soweit aber die Kapitalkonten schon negativ sind oder durch die Tat werden, betrifft sie eine Verringerung des Gesellschaftsvermögens zu diesem Zeitpunkt nicht beziehungsweise nur rein rechnerisch. Das bedeutet, dass dieser Teil der Verringerung des Kapitalanteils der Kommanditisten letztlich auf die Schultern der Komplementäre verteilt wird304 und sich nur deren Nachteil entsprechend erhöht. Soweit der Kapitalanteil also negativ ist, hat die Vereitelung eines Ausgleichs des negativen Kontos beziehungsweise eine Vertiefung des Minusbetrags gegenwärtig keine Auswirkungen auf sie. Für die Kommanditisten ist zu diesem Zeitpunkt einerlei, wie tief sie im Minus stehen. In negativer Hinsicht sind also ihre Pflichten von der Entwicklung des Gesellschaftsvermögens abgekoppelt. Damit ergibt sich, dass Kommanditisten jedenfalls insoweit durch Verkürzung eines Gewinn- oder Verursachung eines Verlustanteils geschädigt werden können, als dass ihr Kapitalanteil positiv ist. Soweit die Verringerung des Gesamtvermögens jedoch ein negatives Konto betrifft, scheidet eine Schädigung zu diesem Zeitpunkt an sich aus. Zu beachten ist allerdings bei 303 304
Siehe dazu das Rechenbeispiel bei MüKo-HGB-K. Schmidt § 155 Rn. 32. Huber, Vermögensanteil, S. 151.
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positivem wie negativem Konto, dass sie stille Gewinne und Verluste nicht berücksichtigen. Auch bei negativem Konto ist also eine Schädigung insoweit möglich, als dass in Wahrheit das Konto aufgrund stiller Reserven höher anzusetzen wäre. Andersherum kann eine Schädigung trotz positiven Kapitalanteils ausscheiden, wenn wegen stiller Verluste in Wahrheit das Konto schon im Minus ist. Es ist also noch eine fiktive Liquidationsbilanz zur Aufdeckung stiller Reserven und Verluste durchzuführen, um herauszufinden, wie sich die Verringerung des Gesamtvermögens zur Tatzeit auf den jeweiligen Kommanditisten auswirkt. Auf die Überlegungen zum Ausschluss der Schädigungsmöglichkeit bei negativen Konten soll es laut BGH jedoch gar nicht ankommen. Zu bedenken ist nämlich noch Folgendes: Obgleich sich der Schaden im Tatzeitpunkt nicht realisiert, bedeutet das nicht, dass dies auch für die Zukunft ausgeschlossen ist. Denn das Kapitalkonto ist auch im negativen Bereich dauerhaft verringert, so dass ein Kommanditist den verursachten Negativbetrag erst wieder mit Gewinnen der Folgejahre auffüllen muss, bevor die Konten wieder in den positiven Bereich gelangen und dem Kommanditisten damit entsprechend werthaltige Vermögensrechte vermitteln. Ohne die Pflichtwidrigkeit hätte der dazu nötige Betrag schon vorher den positiven Anteil gemehrt. Insofern droht ab dem Zeitpunkt der Verringerung der Konten eine Realisation des darin angelegten Schadens – freilich mit einer vom Einzelfall abhängenden Wahrscheinlichkeit. Hätte ein Konto ohne die Verringerung des Gesellschaftsvermögens etwa einen Stand von 0 aufgewiesen, steht es nun aber aufgrund dessen bei –100, so ist eine Verschlechterung der tatsächlichen Vermögenslage für den Kommanditisten damit zunächst nicht in Sicht. Falls im Folgejahr aber ein Gewinnanteil von 100 zu erwarten ist, so muss dieser jedoch zunächst zum Ausgleich des Defizits verbucht werden und verhindert so, dass dem Gesellschafter bereits wieder ein entsprechend positiver Kapitalanteil entsteht. An die Vereitelung dieser Aussicht knüpft denn auch die Rechtsprechung an, wenn sie trotz negativer Kapitalkonten einen Gefährdungsschaden annimmt: In seinem Urteil vom 02.10.1981 hatte der BGH über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem eine Gesellschaft mit überhöhten Kaufpreisforderungen belastet wurde.305 Hinsichtlich des Schadens der Kommanditisten ergab sich das Problem, dass deren Kapitalkonten bereits negativ waren und sie daher für eine weitere Belastung nur rein buchmäßig einzustehen hatten. Gleichwohl befand der BGH, dass dennoch ein Gefährdungsschaden darin gesehen werden könne, dass durch die Belastung der KG mit den überhöhten Forderungen in absehbarer Zeit keine Aussicht mehr bestehe, 305
BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81.
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dass die negativen Konten der Kommanditisten wieder ausgeglichen oder den Kommanditisten gar Gewinne zugewiesen würden.306 Es soll also – wie auch der BGH durchaus richtig erkennt307 – die Verursachung eines rein rechnerischen Buchverlustes, für den die Kommanditisten an sich gerade nicht einzustehen haben, deshalb zur Annahme eines Schadens ausreichen, weil damit die Chance zur Erlangung eines positiven Kapitalkontos vereitelt wird. Im Ergebnis wird also die Möglichkeit die Kommanditisten zu schädigen trotz deren beschränkter Einstandspflicht an die Lage der Komplementäre angeglichen. Die Sonderstellung der Kommanditisten wird damit unter Rückgriff auf den Gefährdungsgedanken umgangen. dd) Zusammenfassung Insgesamt lässt sich also feststellen, dass man den im Gesellschaftsvermögen entstandenen Schaden auf die einzelnen Gesellschafter in der Weise rechnerisch umlegen kann, dass auf deren veränderte Gewinnerwartung beziehungsweise Verlusttragungspflicht geblickt wird. Der Terminus „Verkürzung des Gewinnanteils“308 in den ohnehin kryptisch kurz gehaltenen Ausführungen zu dieser Schadensposition ist allerdings unpräzise. Vielmehr kann sich durch die Verringerung des Gesellschaftsvermögens sowohl eine Gewinnverringerung als auch eine Verlusterhöhung ergeben. Beides hat für die Vermögensposition des Gesellschafters Folgen, die durch den Kapitalanteil dargestellt und wertmäßig quantifiziert werden. Ist er positiv, bedeutet das, dass der Gesellschafter Kapital in der Gesellschaft stehen hat, auf das er durch Entnahmen oder Liquidation zugreifen kann. Eine Gewinnverkürzung verhindert eine Erhöhung dieses Betrags, eine Verlustverursachung vermindert ihn. Ist der Kapitalanteil negativ, so steht das für eine entspre306 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6; wobei der BGH mit der „fehlenden Aussicht, dass Kommanditisten gar Gewinne zugewiesen werden“ wohl nicht die Gewinnzuweisung auf die Kapitalkonten gemäß §§ 168, 120 HGB meint, sondern das Erreichen eines positiven Kapitalkontos. Anderenfalls wäre die Aussage redundant, da ein Ausgleich der Kapitalkonten, also deren Erhöhung, auch schon eine Gewinnzuweisung voraussetzt. Zudem weist die Formulierung „gar Gewinne zugewiesen“ darauf hin, dass dies mehr sein soll als ein Ausgleich der Kapitalkonten – eben die positive Vermögensposition, die durch positive Konten dargestellt wird. Unter Hinweis auf dieses Urteil wird auch in BGH NJW 1987, 2008 (2010) eine Schädigung der Kommanditisten durch eine „weitere Belastung“ bejaht (wobei allerdings in der NJW ein falscher Verweis in der Klammer abgedruckt wurde; anders in den Parallelveröffentlichungen). 307 Die Feststellung, dass es sich dabei um Buchverluste handelte trifft der BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81 auf S. 7. 308 Zu finden etwa bei Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26; Krekeler, Verteidigung, S. 102.
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chende Ausgleichspflicht. Eine Gewinnverringerung verhindert, dass sich die Ausgleichspflicht reduziert. Eine Verlustverursachung lässt diese gar steigen. Allein für Kommanditisten gelten Besonderheiten, da sie an sich nicht für negative Anteile einstehen müssen. Jedoch hat der BGH auch in diesen Fällen einen Gefährdungsschaden angenommen, da durch die Belastung die Aussicht zerstört wird, dass die negativen Konten wieder in den positiven Bereich gelangen. Dadurch werden Kommanditisten hinsichtlich der Schädigungsmöglichkeit den persönlich haftenden Gesellschaftern gleichgestellt. Je nach Gesellschaftsvertrag sind zudem eine Vielzahl von Abweichungen im Detail denkbar, die vom Tatgericht zu berücksichtigen sind. 2. Verhältnis der Schadensposten zueinander Wurden somit die drei Positionen erörtert, die der BGH je nach Fall zur Schadenskalkulation heranzieht, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese stehen, das heißt insbesondere, ob sich die Summen der einzelnen Posten addieren können oder diese in einem Alternativverhältnis stehen. Direkte Aussagen dazu finden sich in der Rechtsprechung nicht. Allerdings lassen sich gewisse Rückschlüsse aus den Formulierungen einzelner Passagen ziehen. Die Literatur beschränkt sich zumeist darauf, punktuell auf Einzelentscheidungen zu verweisen und ist bemüht, eine Stellungnahme zum System der Schadensberechung zu vermeiden. Soll dennoch der Versuch unternommen werden, in der Handhabung der herrschenden Auffassung eine Systematik zu erkennen, ist zunächst festzustellen, dass in mehreren Urteilen alle drei untersuchten Positionen nebeneinander in Betracht gezogen wurden. So heißt es etwa in einem Urteil vom 22.02.1991 hinsichtlich der Schädigung einer Komplementär-GmbH, dass die Gesellschafterin „weder mit Einlagen an der KG, noch an deren Gewinn beteiligt“ sei und dass sich dem Urteil der Vorinstanz nicht entnehmen lasse, ob die GmbH Vermögen hatte, mit dem sie „als Komplementärin für Schulden der KG haftete.“309 Offensichtlich werden hier alle drei Schadensposten geprüft: Auf die Einlagen wird wegen der anteiligen Schädigung geblickt, auf die Gewinnbeteiligung wegen der Verkürzung des Gewinnanteils und auf die Haftung für den daraus resultierenden Gefährdungsschaden. Ähnliches lässt sich einem Urteil des OLG Stuttgart entnehmen, wonach es für den Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung irrelevant sei, dass die Komplementär-GmbH „nicht an Kapital und Gewinn und Verlust der KG beteiligt gewesen sei.“310 Auch hier wird auf alle drei Positionen 309 310
BGH wistra 1991, 183. OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4.
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Bezug genommen, wenn man die „Beteiligung am Kapital“ so versteht, dass damit die Einlage in das Gesellschaftsvermögen gemeint ist. Weiteren Aufschluss können die einzigen beiden Urteile geben, in denen jeweils auf eine bestimmte Schadensposition näher eingegangen wird. So wird im Urteil vom 17.03.1987 die anhand des rechnerischen Verhältnisses der Einlagen ermittelte anteilige Schädigung nur dahingehend kritisiert, dass diese die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten „unberücksichtigt“ lasse.311 Demnach scheint der Gefährdungsschaden aufgrund möglicher Inanspruchnahme die anteilige Schädigung ergänzen zu sollen.312 In der Entscheidung vom 02.10.1981, in der die Verkürzung eines Gewinnanteils thematisiert wird, soll diese ausdrücklich „unabhängig von der Haftung der Kommanditisten für Schulden der Gesellschaft“ vorliegen.313 Auch das klingt nach einem Nebeneinander. Festzuhalten bleibt also, dass die Rechtsprechung je nach Fall auf verschiedene, mitunter gar alle drei Schadenspositionen blickt, deren Verhältnis zueinander aber nicht hinreichend klärt. Jedenfalls der Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung soll offenbar neben dem wegen einer Verkürzung des Gewinnanteils und dem wegen der anteiligen Schädigung möglich sein. Offen wäre danach nur das Verhältnis von anteiliger Schädigung und einer Verkürzung des Gewinnanteils. 3. Kompensation Schließlich bleibt ein Blick darauf zu werfen, inwieweit ein Schaden dadurch ausgeschlossen werden kann, dass dem geschädigten Vermögensinhaber ein kompensierender Vorteil zugeflossen ist. Da sich nämlich der Schaden auf Grundlage einer Saldierung der Vermögenslage vor und nach der treuwidrigen Handlung ergibt, sind nach allgemeiner Meinung neben schadenserhöhenden auch solche Faktoren zu berücksichtigen, die sich positiv auf das Vermögen des Opfers auswirken.314 Dabei ist zunächst zu klären, welche Vermögensvorteile überhaupt zur Kompensation herangezogen werden dürfen. Einigkeit besteht insofern, dass grundsätzlich nur solche Zuwächse einbezogen werden können, die „unmittelbar“ durch die schädi311
BGH NStZ 1987, 279. So auch Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297, wo im Anschluss an die Darstellung der anteiligen Schädigung festgestellt wird, dass „darüber hinaus“ als Schadensfaktor ein Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung zu berücksichtigen sei. 313 BGH, Urteil v. 01.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6. 314 Siehe etwa BGH NStZ 1999, 353 (354); LK-Schünemann § 266 Rn. 137; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 41; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 59, 73; Lackner/Kühl § 266 Rn. 17b. 312
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gende Handlung erfolgen.315 Unmittelbarkeit soll vorliegen, wenn durch dieselbe Handlung des Täters Einbuße und Kompensation zugleich hervorgebracht wird.316 Nicht ausreichend ist es in Abgrenzung dazu, wenn die Mehrung erst durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung zustande kommt.317 Durch die Zuordnung des Vermögens zu den einzelnen Gesellschaftern ergeben sich auch bezüglich der Kompensation Auswirkungen. Denn wenn hinsichtlich des Abflusses von Vermögenswerten bei den Gesellschaftern angeknüpft wird, muss gleiches auch für die Kompensation gelten. Es ist also zu fragen, ob und wenn ja in welcher Höhe den einzelnen Gesellschaftern unmittelbar durch die Untreuehandlung ein Vorteil erwachsen ist, der den Nachteil ganz oder teilweise ausschließt. Dies ermöglicht im Einzelfall, solche Positionen als schadensmindernd heranzuziehen, die, wollte man auf Ebene der Gesellschaft anknüpfen, unberücksichtigt bleiben müssten, da sie nur den Gesellschaftern zugute kommen. Als Beispiel für einen Vorteil, der den Kommanditisten, nicht aber der Personengesellschaft entsteht, kann ein Blick auf die steuerlichen Auswirkungen der Verringerung des Gesellschaftsvermögens geworfen werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des BGH, in dem es um einen Untreuefall im Zusammenhang mit einer so genannten Verlustzuweisungsgesellschaft ging.318 Um zu verstehen, worum es bei einer solchen Gesellschaft geht und wie dadurch der Schaden des Gesellschafters bei einem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen verringert werden kann, muss ein kurzer Blick auf die steuerrechtliche Behandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieben geworfen werden. Ziel einer solchen Verlustgesellschaft ist es, möglichst hohe Verluste zu erwirtschaften, insbesondere durch (Sonder-)Abschreibungen. Solche Verluste werden dann auf die Kapitalkonten der Gesellschafter verteilt, die auch über den eingelegten Betrag hinaus ins Minus rutschen können. Dadurch ergibt sich rechnerisch ein Buchverlust weit über die geleistete Einlage hinaus, für den die Gesellschafter als beschränkt haftende (§ 171 Abs. 1 HGB) und auch in der Liquidation nicht nachschusspflichtige (§ 167 Abs. 3 HGB) Kommanditisten aber nie tatsächlich einstehen müssen. Weiter 315 BGH NStZ 1999, 353 (354); NStZ 1986, 455 (456); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 41; Lackner/Kühl § 266 Rn. 17b; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 73. 316 BGH NStZ 1999, 353 (354); NStZ 1986, 455 (456); LK-Schünemann § 266 Rn. 137; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 73. 317 BGH NStZ 1999, 353 (354); NStZ 1986, 455 (456); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 41; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 73. 318 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81.
IV. Schaden
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steigern lässt sich dieser Effekt, wenn mit Fremdkapital gearbeitet wird, so dass der durch die Abschreibung entstehende Verlust im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital der Gesellschafter sogar noch größer wird – so genannter Leverage Effekt („Hebelwirkung“ des Fremdkapitals). Das Motiv zur Errichtung einer solchen Gesellschaft ist nun darin zu sehen, dass die so erwirtschafteten rechnerischen Verluste mit anderen positiven Einkünften im Rahmen des horizontalen oder vertikalen Verlustausgleichs verrechnet werden konnten. Es ist also möglich, sich durch solche Verlustzuweisungen arm zu rechnen und die Steuerschuld entsprechend zu verringern. Zu beachten ist allerdings, dass die negativen Kapitalkonten im Falle einer Liquidation der Gesellschaft aufgelöst werden und dann wiederum als Einkünfte zu versteuern sind. Passiert dies, wird die Steuerschuld nur zeitlich verschoben. Das kann jedoch insofern vorteilhaft sein, als dass sich dadurch zumindest der Effekt eines zinslosen Darlehens ergibt und die zu einem späteren Zeitpunkt zu versteuernden Einkünfte aus der Auflösung des Kapitalkontos gegebenenfalls – bei einer entsprechend veränderten Einkommenssituation – niedriger zu versteuern sind. Nachdem deutlich gemacht wurde, inwieweit sich eine Belastung der Kommanditisten positiv auf deren Steuerschuld auswirken kann, bleibt ein kurzer Blick auf das angesprochene BGH-Urteil zu werfen. Darin wurde der Geschäftsführer einer Verlustzuweisungsgesellschaft wegen Untreue angeklagt, weil er der Kommanditgesellschaft als Zwischenhändler Flugzeuge zu überhöhten Kaufpreisen verkauft und sich die Differenz zum regulären Preis einverleibt hatte.319 Der Bundesgerichtshof befand, dass wenn die Verteuerung der Flugzeuge eine Voraussetzung für die von den Kommanditisten begehrten höheren Verlustzuweisungen gewesen seien, die Erhöhung dieser Zuweisungen bei der Erörterung der Frage, ob und in welchem Umfang bei den einzelnen Kommanditisten ein Schaden eingetreten ist, nicht außer Betracht bleiben dürfe.320 Vielmehr seien die Vor- und Nachteile des Vorgehens des Angeklagten gegeneinander abzuwägen. Dabei sei auch die mögliche Gefahr zu berücksichtigen, dass das Finanzamt die überhöhten Forderungen nicht (steuermindernd) anerkennt oder die Auflösung der negativen Kapitalkonten im Fall eines Bankrotts nachversteuert werden muss.321 Die Anknüpfung an die einzelnen Gesellschafter eröffnet also die Möglichkeit, auch solche vermögensmehrenden Positionen in den Blick zu nehmen, die in deren persönlichen Vermögensverhältnissen wurzeln. 319
BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 2 f. BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 7 f.; dazu auch Scholz9Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26 Fn. 98. 321 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 8. 320
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Hinsichtlich der aktuellen Rechtslage ist darauf hinzuweisen, dass die steuerrechtliche Zulässigkeit solcher Gesellschaften immer wieder von der Rechtsprechung und auch durch Maßnahmen des Gesetzgebers angegriffen worden ist. Zuletzt wurde mit der Einführung des § 15a EStG im Jahr 1980 der Abzugsfähigkeit insofern ein Riegel vorgeschoben, als dass die Verluste bei Entstehung eines negativen Kapitalkontos nur noch in späteren Jahren mit Gewinnen aus derselben Quelle verrechnet werden dürfen (so genannter verrechenbarer Verlust gemäß § 15a Abs. 2 EStG). Sofort beachtlich sind also nur noch solche Verluste, die ein positives Kapitalkonto aufzehren, also durch eine einmal tatsächlich erbrachte Einlage abgedeckt sind. Darüber hinaus sind gemäß § 15a Abs. 1 S. 2 EStG auch solche negativen Kontostände beachtlich, die daraus resultieren, dass der Gesellschafter den Gläubigern in Höhe einer Haftsumme haftet, die die Pflichteinlage übersteigt.322 Unter dieser Regelung hat die Attraktivität solcher Gesellschaften – wie vom Gesetzgeber gewollt – ganz erheblich gelitten, waren doch gerade die Buchverluste durch negative Kapitalkonten steuerlich besonders interessant. Die Verringerung eines positiven Kapitalkontos durch eine schädigende Handlung bleibt indessen unberührt, so dass auf Basis der herrschenden Vorgehensweise insoweit auch jetzt noch steuerliche Vorteile in die Saldierung einfließen können. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass das Ergebnis bei der Berechnung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs laut höchstrichterlicher Rechtsprechung anders ist: Da hier die Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs als Betriebseinnahme und damit als steuerbares Einkommen zu behandeln ist, wird der Anspruchsberechtigte in etwa gleicher Höhe steuerlich belastet, wie er zuvor durch den Entzug der Vermögensposition entlastet wurde. Die Folge ist, dass eine Kürzung des Schadens um die ersparten Steuern nicht in Betracht kommt.323 Im Strafrecht weicht die Rechtslage hiervon ab. Zwar sind die hier angesprochenen steuerlichen Auswirkungen bislang nicht Gegenstand ausführlicher Untersuchungen geworden.324 Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass Opferansprüche wegen der Tat nicht 322
Auch hier wird wieder der Begriff „Einlage“ für Haftsumme und Pflichteinlage gleichermaßen verwendet; das Gesetz macht aber – auf recht umständliche Art – jeweils klar, was genau gemeint ist, indem es von „Einlage“ und „Einlage, die in das Handelsregister einzutragen ist“ (= Haftsumme) spricht. 323 Siehe nur BGHZ 74, 103 (114 f.); danach wird aus Vereinfachungsgründen sogar davon ausgegangen, dass ein auf den Schaden anrechenbarer Steuervorteil grundsätzlich durch die den Geschädigten hinsichtlich der Schadensersatzleistung treffende Steuerpflicht aufgewogen wird, ohne dass die Beträge im Einzelfall festgestellt zu werden brauchen; aus jüngster Zeit siehe etwa BGH NJW 2006, 499. 324 Siehe etwa Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53), die feststellen, dass es völlig ungeklärt sei, inwieweit steuerliche Auswirkungen bei der Schadensberechnung mindernd zu berücksichtigen sind.
V. Strafantrag
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kompensierend berücksichtigt werden dürfen.325 Dann muss gleiches erst Recht für die steuerlichen Auswirkungen der etwaigen Erfüllung solcher Ansprüche gelten, so dass steuerlichen Vorteile – wie in dem besprochenen BGH Urteil – zugunsten des Täters berücksichtigt werden können. Anderenfalls würde der Opferanspruch einerseits ausgeblendet, andererseits aber dessen steurliche Auswirkungen doch zu Lasten des Täters herangezogen. Insgesamt ist also auch bezüglich der Kompensation an die Anknüpfung bei den einzelnen Gesellschaftern zu denken.
V. Strafantrag Schließlich bleibt ein Blick darauf zu werfen, inwieweit bei einer Untreue zu Lasten einer Personengesellschaft die Verfolgung eines Täters durch das Erfordernis eines Strafantrags verhindert werden kann. Gemäß §§ 266 Abs. 2, 247 StGB wird eine Untreue zum Nachteil von bestimmten Personen mit einer persönlichen Beziehung zum Täter, insbesondere Angehörigen, ausschließlich auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt ist gemäß § 77 Abs. 1 StGB der Verletzte, womit das Gesetz den Träger des geschützten Rechtsguts meint.326 Wird nun hinsichtlich des Strafvorwurfs beim Vermögen der Gesellschafter angeknüpft und stehen diese in einer entsprechenden Beziehung zum Täter, so müssen sie einen Strafantrag gestellt haben.327 Dadurch, dass es nicht auf die Summe der Gesellschafter, sondern vielmehr auf die einzelnen als Geschädigte ankommen soll, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen ist in den Fällen, in denen teils nahe stehende und teils nicht nahe stehende Personen betroffen sind, eine Verfolgung ohne Antrag nur hinsichtlich der Schädigung der nicht nahe stehenden möglich.328 Zum anderen muss eine Strafverfolgung insoweit ausscheiden, als dass nur einzelne von mehreren nahe stehenden Personen einen Strafantrag gestellt haben und andere nicht. 325 Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 120; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 93; Lackner/Kühl § 263 Rn. 36. 326 MüKo-StGB-Hohmann § 247 Rn. 9; Tröndle/Fischer § 77 Rn. 2; Lackner/ Kühl § 77 Rn. 2. 327 BGH NJW 1992, 250 (251); wistra 1989, 264 (266); wistra 1987, 218; LKJähnke § 77 Rn. 39; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296; MüKo-StGB-Hohmann § 247 Rn. 9; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid § 31 Rn. 209; Hartung NJW 1996, 229 (235). 328 So auch BGH NJW 1992, 250 (251), wo hinsichtlich der Ehefrau des Täters eine Verurteilung am Strafantrag scheitern soll, hinsichtlich der Schädigung der Komplementär-GmbH aber weitergeprüft wird; mit Blick auf die sogleich folgenden Ausführungen zur Beteiligung einer GmbH ist es bedauerlich, dass im Urteil nicht auf die Identität der GmbH-Gesellschafter eingegangen wird.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Zuletzt bleibt noch ein Blick auf die Beteiligung einer GmbH an der Gesellschaft zu werfen. Ist eine GmbH zum Beispiel Komplementärin einer Kommanditgesellschaft, wäre es aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften zu erwarten gewesen, dass ein Strafantrag zumindest hinsichtlich deren Schädigung entbehrlich ist. Denn eine geschädigte juristische Person kann selbst in keinem das Antragserfordernis auslösenden persönlichen Näheverhältnis zum Täter stehen.329 Diese Erwartung wird jedoch nicht erfüllt. Der BGH hat unter Billigung der Literatur vielmehr wiederholt entschieden, dass in Fällen, in denen ausschließlich Familienangehörige an der GmbH beteiligt sind, diese „als Verletzte im Sinne der §§ 266 Abs. 2, 247 StGB“ anzusehen sind.330 Folglich soll eine Verfolgung ausscheiden, falls kein Strafantrag gestellt wurde.331 Es ist also laut Rechtsprechung auch hier – ganz ähnlich wie bei den Personengesellschaften – ein Blick auf die Gesellschafter zu werfen. Anders soll es hingegen dann sein, wenn die Tat zu einem „bedeutsamen Vermögensnachteil der GmbH selbst“ geführt hat.332 Ein solcher Nachteil soll wiederum dann vorliegen, wenn durch die Schädigung die Existenz gefährdet wird, was insbesondere beim Angriff auf das Stammkapital anzunehmen ist.333 Es werden also die aus der Einwilligung bekannten Grenzen herangezogen, um zu bestimmen, ob ein Strafantrag entbehrlich ist. Das ist deshalb nötig, weil anderenfalls die von der Rechtsprechung gewollte Strafbarkeit bei Existenzvernichtung durch die Notwendigkeit eines Antragserfordernisses ausgehebelt werden könnte. Die Schädigung einer an der Personengesellschaft beteiligten GmbH löst danach also nicht per se eine Verfolgbarkeit aus, sondern nur dann, wenn diese in ihrer Existenz gefährdet wird.
VI. Zusammenfassung der herrschend vertretenen Auffassung Blickt man zusammenfassend auf die herrschenden Ansicht, ergibt sich folgendes Bild: Das Vermögen der Personengesellschaft ist in Ermangelung 329
BGH NStZ-RR 2005, 86; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53). BGH NStZ-RR 2005, 86; NJW 2003, 2924 (2926); auch in BGH wistra 1989, 264 (266) wird hinsichtlich der Schädigung der Komplementär-GmbH festgestellt, dass jedenfalls deren Gesellschafter als Angehörige des Täters keinen Strafantrag gestellt hätten; ebenso MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 163; Lackner/Kühl § 266 Rn. 22; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 129; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 85. 331 BGH NStZ-RR 2005, 86; NJW 2003, 2924 (2926). 332 BGH NStZ-RR 2005, 86; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 263; Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 85. 333 BGH NStZ-RR 2005, 86; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 85. 330
VI. Zusammenfassung der herrschend vertretenen Auffassung
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einer eigenen Rechtspersönlichkeit den Gesellschaftern zugeordnet. Diese sollen aber nicht gemeinsame, sondern jeweils anteilige Inhaber des geschädigten Rechtsguts „Vermögen“ sein. Daraus resultiert, dass jeder von ihnen unabhängig von den anderen sein Einverständnis in die Schädigung seines Anteils am Gesellschaftsvermögen erklären kann. Ist eine GmbH Gesellschafterin, ist die Rechtsprechung zur eingeschränkten Dispositionsbefugnis im Falle der Existenzgefährdung zu beachten. Auch hinsichtlich der Schadensberechnung werden konsequent die einzelnen Gesellschafter als anteilig geschädigt angesehen, so dass Kriterien gefunden werden müssen, um den Nachteil zu bestimmen, der ihnen über den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen entsteht. Dazu tauchen in der Rechtsprechung drei Posten auf, deren Verhältnis zueinander jedoch weitgehend ungeklärt ist. Erstens wird eine anteilige Schädigung in Betracht gezogen, die sich aus dem Verhältnis der Einlageleistungen der Gesellschafter ergeben soll. Zweitens wird auf die Gefahr einer Inanspruchnahme für Gesellschaftsverbindlichkeiten geblickt. Eine solche Inanspruchnahme droht aber nur insoweit, als dass der jeweilige Gesellschafter persönlich haftet und aufgrund einer Krise kein Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft realisierbar ist. Zudem kann der Gefährdungsschaden für den Einzelnen eine gewisse Minderung dadurch erfahren, dass die gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafter im Innenverhältnis ihrer Verlustquote entsprechend ausgleichspflichtig sind. Zur Bestimmung dieser Quote kommt es primär auf gesellschaftsvertragliche Regelungen an, sekundär auf die gesetzlichen Vorschriften, die je nach Gesellschaftstyp variieren. Wird eine GmbH als Gesellschafterin einer solchen Haftungsgefahr ausgesetzt, soll aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtung nur eine Schädigung in Höhe ihres unbelasteten Restvermögens möglich sein. Als dritten und letzten Schadensposten ist an einen Gefährdungsschaden durch eine Verkürzung von Vermögensrechten zu denken. Eine solche Verkürzung kann zunächst dadurch zustande kommen, dass aufgrund der Verringerung des Gesellschaftsvermögens der Jahresgewinn sinkt und deshalb der einzelne Gesellschafter einen nur entsprechend verringerten Anspruch auf Gewinnauszahlung hat. Aber auch falls Verluste entstehen oder vertieft werden, hat der Gesellschafter hierfür einzustehen, spätestens bei Liquidation der Gesellschaft. Obgleich dies bei Kommanditisten wegen ihrer beschränkten Einstandspflicht an sich gerade nicht der Fall ist, hat der BGH auch bei ihnen einen Schaden bejaht. Der reine Buchverlust auf ihren Kapitalkonten wurde als ausreichend erachtet, da dieser die Kommanditisten weiter von der möglichen Erlangung eines Guthabens entfernt.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Hinsichtlich der möglichen Kompensation einer Vermögensminderung ist daran zu denken, dass auch diesbezüglich auf Ebene der Gesellschafter angeknüpft werden muss, so dass etwa einkommensteuerrechtliche Auswirkungen zu beachten sind. Schließlich ergibt sich bezüglich des Erfordernisses eines Strafantrags, dass es auf die privilegierende Beziehung des jeweiligen Gesellschafters zum Täter ankommen soll, so dass eine Strafverfolgung nur insoweit in Betracht kommt, als dass ein Antrag gestellt ist oder kein Näheverhältnis besteht. Bei Beteiligung einer GmbH wird indes nicht auf diese geblickt, sondern darauf, ob die GmbH-Gesellschafter dem Täter nahe stehen. Ein Antrag soll nur dann entbehrlich sein, wenn auf Grundlage der schon beim Einverständnis herangezogenen Kriterien eine Existenzgefährdung der GmbH gegeben ist und ihr somit „selbst“ ein Nachteil zugefügt wurde.
VII. Kritik an der herrschenden Meinung Im Folgenden soll die Konstruktion des BGH einer Kritik unterzogen werden, um deren Vor- und Nachteile deutlich zu machen. Dabei wird in erster Linie ein Abgleich mit den gesellschaftsrechtlichen Normen im Mittelpunkt stehen, die nach eigenen Aussagen der herrschenden Meinung zugrunde liegen sollen. 1. Vermögensträgerschaft: Widerspruch zum Gesellschaftsrecht Der Ausgangspunkt der überwiegenden Ansicht ist, dass der Geschädigte im Sinne des § 266 StGB nur ein mit dem Täter nicht identischer Träger eines fremden Vermögens sein kann, sei es eine natürliche, sei es eine juristische Person. In Ermangelung einer eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesamthand soll es darauf ankommen, dass den einzelnen Gesellschaftern als Vermögensträger ein Vermögensnachteil entstanden ist.334 Damit wollen sich der BGH und die Literatur im Einklang mit der gesellschaftsrechtlichen Zuordnung des Gesamthandsvermögens wissen. Allerdings wird eine solche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens von niemandem im Gesellschaftsrecht vertreten. a) Vergleich mit dem Gesellschaftsrecht Zur Überprüfung, ob und wie sich die Rechtsauffassung der herrschenden Meinung in die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung um die Ver334
Siehe die umfassenden Nachweise oben unter C. I.
VII. Kritik an der herrschenden Meinung
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mögensordnung der Gesamthand einfügt, kann auf die Erkenntnisse der Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft zurückgegriffen werden.335 Der BGH will sich, ebenso wie die herrschende Literaturmeinung, daran orientieren, wem das Gesellschaftsvermögen als die geschädigte Vermögensmasse zivilrechtlich zugeordnet ist.336 Diese Vorgehensweise spiegelt sich denn auch historisch in den Wurzeln der Strafrechtsprechung zur Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften unmittelbar wider: Der zweite Strafsenat hat sich nämlich in seiner Grundsatzentscheidung vom 02.10. 1981 ebenso wie der fünfte Strafsenat in den ersten Folgeentscheidungen maßgeblich auf die Rechtsauffassung des zweiten Zivilsenats zur Zuordnung des Gesellschaftsvermögens berufen.337 Alle weiteren Urteile nehmen seitdem durch eine im Laufe der Zeit länger werdende Verweisungskette auf diese Zivilrechtsprechung Bezug. Allein die Umsetzung der zivilrechtlichen Vorgaben ist von vornherein fehlerhaft ausgefallen. Beim zitierten zweiten Zivilsenat heißt es nämlich: „Die oHGn und die KGn sind trotz ihrer starken Verselbständigung keine juristischen Personen. Nach einhelliger Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung sind Träger der Rechte und Pflichten die Gesellschafter selbst, allerdings in ihrer Verbundenheit als Gesellschafter. Die Personalgesellschaft ist von der Persönlichkeit der Gesellschafter nicht zu trennen.“338 Damit ist die seinerzeit herrschende individualistische Theorie angesprochen, die in Ermangelung einer Rechtsfähigkeit/Rechtspersönlichkeit339 die Personengesellschaft selbst nicht als taugliche Trägerin des Gesellschaftsvermögens qualifiziert. Die Konsequenz dieser Auffassung ist jedoch – wie sich dem Zitat auch unmittelbar entnehmen lässt –, dass die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit, das heißt gemeinschaftlich Inhaber des geschützten Vermögens sind. Im Strafrecht wird hingegen oftmals – so auch im Grundsatzurteil von 1981 – einleitend das Prinzip aufgestellt, dass Geschädigter der Untreue nur eine vom Täter verschiedene natürliche oder juristische Person als Trägerin fremden Vermögens sein kann.340 Diese Prämisse befindet sich nach dem 335
Siehe dazu oben B. I. BGH wistra 1992, 24 (26); Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; Schönke/SchröderLenckner/Peron § 266 Rn. 6; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 30; ders. LPK § 266 Rn. 19; Bittmann InsR § 16 Rn. 56; Mitsch § 8 Rn. 14; Achenbach NStZ 1988, 97 (100); Schulte NJW 1984, 1671; Schäfer NJW 1983, 2850 (2851). 337 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3; Urteil v. 31.01.1984, 5 StR 885/83 S. 4; wistra 1984, 71; alle mit Verweis auf BGHZ 34, 293 (296). 338 BGHZ 34, 293 (296). 339 Damals wurden die Begriffe noch als Synonyme verwandt, siehe oben B. I. 2. a). 340 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3; wistra 1984, 71; wistra 1992, 24 (25); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Mitsch § 8 Rn. 14; Otto BT § 54 Rn. 37; Schulte NJW 1983, 1773. 336
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Gesagten seit jeher nicht im Einklang mit den Möglichkeiten zivilrechtlicher Vermögenszuordnung und ist wahrscheinlich gar der Quell für eine gesellschaftsrechtlich nicht nachvollziehbare Vermögenszuordnung im Strafrecht.341 Denn bei der Gesamthand gibt es gerade nicht eine natürliche oder juristische Person als Rechtsträger, sondern die Verbundenheit einer Vielzahl natürlicher Personen ist Inhaber des Gesellschaftsvermögens.342 Entsprechend muss danach die Personenmehrheit – ganz gleich, wie man diese dogmatisch versteht – als Opfer der Untreue angesehen werden. Das wird durch die im Strafrecht gängige Formulierung übergangen, die eine Untreue zu Lasten nur einzelner Personen nahe legt.343 Wie auf Basis der vom zitierten Zivilsenat herangezogenen traditionellen Auffassung eine Untreue zum Nachteil einer Gesamthandsgesellschaft richtig zu lösen ist, wird später noch ausführlich zu behandeln sein.344 Für die hier interessierende Kritik an der herrschenden Meinung ist allein von Bedeutung, dass es jedenfalls nicht der Weg ist, den diese geht, wenn sie sich unter Berufung auf die Zivilrechtsprechung im Einklang mit dem Gesellschaftsrecht wähnt und die einzelnen Gesellschafter als anteilige Opfer der Untreue ansieht.345 Insbesondere entspricht dies keinesfalls der seinerzeit herrschenden individualistischen Theorie,346 wie auch schon ein kurzer Blick auf den Wortlaut der von den Strafsenaten in Bezug genommenen Zivilrechtsprechung eindeutig zeigt. Denn auch sie geht von einer Personenmehrheit als Rechtsträgerin aus. Die herrschende Meinung bricht also schon im Ausgangspunkt mit der postulierten Zivilrechtsakzessorietät. Eine solche Aufteilung des Gesellschaftsvermögens zwischen den Gesellschaftern wird im Gesellschaftsrecht von niemandem vertreten.347 Wenn nun die einzelnen Gesellschafter anteilige Vermögensträger sein sollen, bedeutet das nicht nur einen Bruch mit der Zivilrechtsprechung, sondern auch einen eklatanten Widerspruch zur Grundkonzeption der Gesamthand im BGB. Es wurde nämlich bereits dargestellt, dass mit der Einfüh341
Zur Fokussierung der herrschenden Ansicht auf natürliche und juristische Personen und dem damit einhergehenden Ausschluss von Personenmehrheiten als Vermögensinhaber siehe auch die zutreffende Analyse bei Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 183. 342 Dazu ausführlich unter B. I. 2. 343 Besonders deutlich ist dieser Fehlschluss etwa bei Bittmann InsR § 16 Rn. 56 f. 344 Siehe unten D. 345 So zu Recht auch Schultz BB 1988, 572 (574) mit dem Hinweis, dass das der Gesamthand zugeordnete Vermögen jedenfalls nicht eigenes Vermögen des einzelnen Gesellschafters ist. 346 Anders aber Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 294; LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178; Schulte NJW 1984, 1671 f. 347 So ausdrücklich etwa Grunewald GesR S. 49.
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rung der Gesamthand – ungeachtet aller Zweifel über deren Rechtsnatur – jedenfalls Konsens dahingehend bestand, dass ein dem Gesellschaftszweck gewidmetes Sondervermögen gebildet wird, das vom Privatvermögen gerade zu trennen ist.348 Aufgrund dieser Absonderung spricht man von einem „Gesellschaftsvermögen“ im Gegensatz zum Gesellschaftervermögen. Beide Vermögensmassen sind strikt zu unterscheiden. Wenn nun vom BGH in Strafsachen das „Gesellschaftsvermögen“ den einzelnen Gesellschaftern zugeordnet wird, ist das gegensätzlich und juristisch unvereinbar. Es verwundert, mit welcher Offenkundigkeit dieser Gegensatz von manchen Autoren übergangen wird, indem sie in ein und derselben Abhandlung zwar feststellen, dass die Gesellschafter gemeinsam Vermögensträger sind, daraus aber dennoch folgern wollen, dass im Rahmen der Untreue doch die Einzelnen als Vermögensträger geschädigt sein sollen.349 Das Gesellschaftsvermögen definiert sich nach der unstreitigen gesetzlichen Konzeption nämlich gerade darüber, dass es eben kein Gesellschaftervermögen ist. Der BGH löst also die (gemeinsame) Gesellschaftsebene auf und schlägt diese den einzelnen Privatsphären zu. Wenn so vorgegangen wird, kommt es denn auch begrifflich zu Schwierigkeiten. Wie soll nämlich unter Bezugnahme auf eine Verringerung des gemeinsamen „Gesellschaftsvermögens“ der Bogen zu einer davon an sich gerade zu unterscheidenden Individualschädigung geschlagen werden? Dazu wurde kurzerhand ein Satz geprägt, der zwar auf den ersten Blick so klingt, als würde ein vom Privatvermögen getrenntes Gesellschaftsvermögen noch anerkannt, de facto aber zu einem Beiseiteschieben der Gemeinschaftssphäre führt: Gleich im seinem ersten Urteil befand der zweite Strafsenat, dass „die Schädigung des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft nur insoweit bedeutsam ist, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt.“350 Es ist beachtlich, wie behutsam von einem „Berühren der Gesellschaftervermögen“ gesprochen und das Wort „Schädigung“ in 348
Siehe oben B. I. 2. Siehe etwa Bittmann/Richter wistra 2005, 50 einerseits und S. 51 andererseits; Schulte NJW 1984, 1671 einerseits und S. 1672 andererseits; Winkelbauer JR 1988, 33 einerseits und S. 34 andererseits; ebenso Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; sogar der 6. Zivilsenat hat in NJW 1987, 2008 (wohl im Bestreben, keinen Widerspruch zu den Strafsenaten zu provozieren) im Rahmen von §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 BGB einerseits die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin angesehen (S. 2008), andererseits aber auf den Einzelnen für ein anteiliges Einverständnis geblickt (S. 2009). 350 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3 f.; Urteil v. 31.01.1984, 5 StR 885/83 S. 4; wistra 1984, 71; NStZ 1987, 279; StV 1988, 14 (15); wistra 1991, 183; wistra 1992, 24 (25); NJW 2003, 2996 (2999); aus der Literatur siehe etwa Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 293; Kohlmann, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 366; Große Vorholt Rn. 453; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 81 („mitbetroffen“); Hartung NJW 1996, 229 (335). 349
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Bezug auf die Gesellschafter vermieden wird, obgleich genau das gemeint ist. Offenbar gab es doch gewisse Hemmungen, den auftretenden Widerspruch offen auszusprechen. Freilich war der Weg zur Individualschädigung damit verbal schon geebnet und ist gleich in derselben Entscheidung gegangen worden. Schon wenig später erfuhr dieser Satz, insbesondere in der Literatur, mitunter eine Akzentverschiebung, die das Umgehen der gesellschaftsrechtlichen Bindung zugunsten einer Einzelschädigung dann ganz deutlich machte. Bald hieß es nämlich, dass „eine Schädigung des Gesamthandsvermögens nur dann ein für § 266 StGB bedeutsamer Vermögensnachteil ist, wenn den einzelnen Gesellschaftern ein Vermögensschaden entstanden ist.“351 Damit war ausgesprochen, worum es eigentlich ging – eine Schädigung auf Gesellschafterebene. Die Verschmelzung der an sich zu trennenden Vermögensebenen wird perfekt gemacht. Das Wort „Gesellschaftsvermögen“ wird nur noch erwähnt um klarzustellen, dass es ein solches, vom Privatvermögen getrenntes und einer Schädigung zugängliches Vermögen gerade nicht geben soll. Gesellschaftsrechtlich ist das nicht nachvollziehbar. Versucht man die Auffassung der im Strafrecht herrschenden Meinung einer der in der Vorüberlegung zur Vermögensträgerschaft dargestellten Vorgehensweisen zuordnen, so scheiden aus dargestellten Gründen all jene aus, die ein vom Privatvermögen getrenntes Gesellschaftsvermögen anerkennen, also alle heute im Gesellschaftsrecht vertretenen Auffassungen.352 Aus dem gleichen Grund kann die Konstruktion des BGH auch nicht mit einem Anknüpfen an die Mitgliedschaft gleichgesetzt werden. Danach wird nämlich ebenfalls zwischen zwei zwar gleichzeitig betroffenen aber dennoch verschiedenen Vermögensmassen – Gesellschafts- und Gesellschafterebene – unterschieden.353 Die einzige Möglichkeit, die einzelnen Gesellschafter als anteilige Vermögensträger anzusehen, bietet der erste Entwurf des BGB, worin auf die Bildung eines Sondervermögens verzichtet und die dem gemeinsamen Gesellschaftszweck gewidmeten Gegenstände nach Art einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt werden sollten.354 Die herrschende Meinung verhält sich also im krassen Gegensatz 351 BGH wistra 1984, 226 (in weiteren Entscheidungen hat der BGH diese Formulierung vermieden); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; MüKoStGB-Dierlamm § 266 Rn. 177; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Hoffmann/LiebsLohberger Rn. 877.1; Schulte NJW 1984, 1671. 352 Siehe dazu oben B. I. 2. 353 Siehe dazu oben B. III. 354 Eine Vergleichbarkeit der im Strafrecht herrschenden Meinung mit der Bruchteilsgemeinschaft sieht auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 184; ebenso im Rahmen des Einverständnisses Reiß wistra 1989, 81 (86) und Grunst BB 2001, 1537 (1539), wobei dieser Befund schon für die Frage der Identi-
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zu ihren Beteuerungen schlicht gesellschaftsrechtswidrig, wenn sie die Einführung des Gesamthandprinzips durch den BGB-Gesetzgeber ignoriert. Es verwundert besonders, dass die herrschende Ansicht im Strafrecht die Aufsehen erregende Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR im Zivilrecht nicht wenigstens zu einer Überprüfung der eigenen Rechtsauffassung genutzt hat. Unbeirrt und ohne Diskussion wird in der Strafrechtsprechung weiter der gesellschaftsrechtswidrigen Linie gefolgt.355 Auch in den Kommentaren werden die Ausführungen aus den Vorauflagen einfach übernommen.356 Das mag daran liegen, dass die Unvereinbarkeit mit dem Zivilrecht aufgrund der im Gesellschaftsrecht nunmehr existenten Begriffsverwirrung schlicht nicht aufgefallen ist. Denn der BGH in Strafsachen hat sich von den damals gleichbedeutenden Begriffen „Rechtsfähigkeit“ und „Rechtspersönlichkeit“ früh für letzteren entschieden, um sein Ergebnis zu begründen.357 Da der GbR nach wie vor die Rechtspersönlichkeit abgesprochen wird, kann der Gedanke aufkommen, dass alles beim Alten bleibt. Diesbezüglich hat sich ja nichts geändert hat. Das ist, wie die Ausführungen zur Gruppenlehre oben gezeigt haben, in der Tat sogar der Fall: Die nun herrschende Gruppenlehre und die traditionelle individualistische Theorie unterscheiden sich gerade hinsichtlich der Zuordnung des Vermögens nicht.358 Bei einer Auseinandersetzung mit der Zivilrechtsprechung und den Begriffen Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit wäre indes vielleicht endlich aufgefallen, dass beide Ansichten aber jedenfalls von der Existenz eines gemeinsamen Vermögens ausgehen und damit das Alte, bei dem es bleibt, jedenfalls etwas anderes ist als das, was man im Strafrecht seit jeher meint. b) Strafrechtliche Stimmen zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR Bei denjenigen wenigen Stimmen, die doch auf die Entwicklung im Gesellschaftsrecht eingehen, hält sich hartnäckig das Missverständnis, dass die mangelnde Rechtspersönlichkeit zu einer Einzelbetrachtung führt. Das verfikation des geschützten Rechtsgutsträgers relevant ist, deren Beantwortung dann die Zuständigkeit im Rahmen des Einverständnisses nur zwangsläufig vorgibt. 355 Siehe nur BGH NJW 2003, 2996 (2999). 356 Siehe nur Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Lackner/Kühl § 266 Rn 3. 357 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 3; BGH wistra 1984, 71; Beschluss vom 31.01.1984, 5 StR 885/83, S. 4; mit Verweis auf diese Entscheidungen BGH wistra 1984, 226; NStZ 1987, 279; StV 1988, 14 (15); wistra 1989, 264 (266); wistra 1991, 183; wistra 1992, 24 (25); allein in BGH NJW 1992, 250 (251) wird von Rechtsfähigkeit gesprochen. 358 Siehe oben B. I. 2. b) aa).
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
sperrt den Blick auf die eigentlich zu stellende Frage, wer Inhaber des gebundenen Sondervermögens ist. So stellen Bittmann/Richter fest, dass auch nach neuer Zivilrechtsprechung die Gesellschaft als solche nicht als Opfer der Untreue in Betracht kommt.359 Mit Blick auf namhafte abweichende Stimmen im Gesellschaftsrecht ist schon diese These durchaus diskussionsbedürftig.360 Hier wäre nun aber jedenfalls der Schritt zu gehen gewesen, sich mit dem Verständnis der Gesamthand grundlegend auseinander zu setzen und festzustellen, dass nach allen Ansichten das Angriffsobjekt stets ein einheitliches gebundenes Vermögen ist und dass darüber zu streiten ist, wem dieses gehört, wer genau also Rechtsgutsträger sein kann. Ein solcher Befreiungsschlag bleibt jedoch ebenfalls aus. Es wird wiederum der altbekannte Fehlschluss gezogen, dass Vermögensträger nur die einzelnen Gesellschafter sein können.361 Einen Schritt weiter sind die Ausführungen von Grunst. Sie fragt nämlich, ob es auf Basis der neuen Rechtsprechung eine Untreue „zum Nachteil des Gesamthandsvermögens“ geben kann.362 Die Frage macht zwar so keinen Sinn, da das Vermögen selbst kein einer Schädigung zugänglicher Rechtsträger ist. Richtigerweise hätte gefragt werden müssen, ob eine Untreue zum Nachteil des Inhabers des einheitlichen und gebundenen Vermögens möglich ist. Die daran anknüpfende, eigentlich diskussionswürdige und das Gesellschaftsrecht beschäftigende Frage ist dann die, wer denn nun Inhaber des verringerten Gesellschaftsvermögens ist – die Gesellschaftergesamtheit oder die Gesellschaft selbst. Diese Auseinandersetzung wird durch die gewählte Formulierung, die nur das gemeinsame Vermögen unabhängig von der entscheidenden Frage nach dessen Träger im Blick hat, verdeckt.363 Ferner wird mit der Bezugnahme auf die neue Zivilrechtsprechung übersehen, dass die Existenz eines gebundenen Sondervermögens gar nichts Neues ist, sondern auch vorher schon Geltung beanspruchte. Aber immerhin wird die althergebrachte Einzelbetrachtung kritisch hinterfragt und der Schritt getan, dass die Existenz eines Sondervermögens Anerkennung findet. 359
Bittmann/Richter wistra 2005, 51. Zur abweichenden Auffassung siehe oben B. I. 2. b) bb). 361 Bittmann/Richter wistra 2005, 51. 362 Grunst BB 2001, 1537. 363 So verwundert es nicht, dass im Folgenden auch nicht zwischen einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit und der Gesellschaft als solcher differenziert wird, sondern vielmehr eine Vermischung der verschiedenen Ansichten stattfindet. So wird bei Grunst BB 2001, 1537 (1539) etwa zunächst das Vermögen des „Rechtssubjekts Gesellschaft“ angesprochen, dann aber auf Flume Bezug genommen, der mit seiner Gruppenlehre gerade nicht die Gesellschaft als solche als Rechtssubjekt anerkennt. 360
VII. Kritik an der herrschenden Meinung
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Ganz ähnlich verhält es sich mit den Ausführungen von Seier. Auch dieser Autor meint zunächst wieder, dass die im Strafrecht herrschende Einzelbetrachtung der individualistischen Theorie entspricht364 – was nicht der Fall ist. Das führt dazu, dass auch die dann folgenden Ausführungen mit dem Stand des Gesellschaftsrechts unvereinbar sind: Im nächsten Absatz wird auf abweichende Ansichten hingewiesen, die „das Gesellschaftsvermögen als verselbständigt erachten“ und sich auf die Lehre von der kollektiven Einheit (Gruppenlehre) stützen lassen.365 Wenn damit bloß gemeint ist, dass die Existenz eines Sondervermögens anerkannt wird, ist das nichts neues. Alle Ansichten im Gesellschaftsrecht halten das Sondervermögen für verselbständigt. Aber auch die Meinung, nach der die Gesellschaft „als solche“ Vermögensträgerin ist, kann nicht gemeint sein. Denn der in Bezug genommene Aufsatz von Reiß366 bezieht sich eindeutig auf die Gruppenlehre.367 Offenbar wird also auch hier zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Anerkennung eines Sondervermögens eine Errungenschaft der Gruppenlehre ist. Damit wird, wie auch schon bei Grunst, die eigentlich zu behandelnde Frage nach dem Inhaber des unstreitig vorhandenen Sondervermögens nicht angegangen. Ausgangspunkt eines jedes Fortschritts muss also zunächst sein, dass endlich anerkannt wird, dass es nach allen Ansichten im Gesellschaftsrecht seit Einführung des BGB ein gebundenes Gesellschaftsvermögen gibt und dass zu untersuchen ist, wem genau dieses zusteht. Im Strafrecht ist das bisher nicht geschehen.368 Die herrschende Ansicht im Strafrecht hält unbeirrbar an einer Einzelbetrachtung fest. Da somit weiterhin von einem ganz anderen Verständnis der Gesamthand als im Gesellschaftsrecht ausgegangen wird, sind gravierende Konflikte vorprogrammiert.
364
Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 294. Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 295. 366 Reiß wistra 1989, 85. 367 Der ebenfalls in Bezug genommene Aufsatz von Schäfer NJW 1983, 2850 lässt sich hingegen nur schwer einer der zivilrechtlichen Meinungen zuordnen. Siehe dazu die Kritik bei Schultz BB 1988, 472, (474). 368 Äußerst gelungen sind insoweit die Ausführungen bei Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 181 ff. Die Autorin geht jedoch auf den Streit um die Vermögenszuordnung der Gesamthand und deren Folgen fürs Strafrecht nicht weiter ein, da sie eine eigene, originär strafrechtliche Betrachtung erarbeitet (siehe dazu unten F.). Hentschke, Untreueschutz der Vor-GmbH, S. 165 ff. befasst sich ebenfalls in gesellschaftsrechtskonformer Weise mit der Vermögenzuordnung der Gesamthandsgesellschaft, geht dann aber nur auf die Vor-GmbH ein und legt dieser ein von der Gesamthand abweichendes, körperschaftsnahes Verständnis zugrunde. Schultz BB 1988, 572 (574) erkennt, dass das Gesellschaftsvermögen ein Sondervermögen ist, lässt aber dessen Zuordnung offen, siehe dazu noch E. I. 365
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
2. Vermögensbetreuungspflicht Im Rahmen der Bestimmung des täterschaftsbegründenden Pflichtenverhältnisses setzt sich konsequent die unzutreffende Annahme einer Einzelbetrachtung fort. Wenn die herrschende Ansicht davon ausgeht, dass Bezugspunkt der Betreuungspflicht nur die individuellen Gesellschafter sein können, wird wiederum übersehen, dass das anvertraute Sondervermögen in der Gesellschaftssphäre angesiedelt ist. Die Pflichtenstellung des jeweiligen Verantwortungsträgers (Geschäftsführer, Prokurist, leitender Angestellter) beim Umgang mit diesem Vermögen bezieht sich auf dessen Inhaber. Und das ist „die Gesellschaft.“ Offen bleiben kann hier wiederum, was genau unter „der Gesellschaft“ dogmatisch zu verstehen ist. Da dies nämlich jedenfalls nicht die Gesellschafter anteilig sind,369 scheidet das Verständnis der herrschenden Meinung aus. Wohlgemerkt handelt es sich dabei weniger um eine besondere Erkenntnis im Rahmen der Vermögensbetreuungspflicht. Vielmehr spiegelt sich hier nur die richtigerweise anders zu beurteilenden Identität des Rechtsträgers wider, die sich wie ein roter Faden durch die Tatbestandsmerkmale zieht. 3. Einverständnis Die Annahme, dass die einzelnen Gesellschafter Vermögensträger sind, hat ferner unmittelbare Auswirkungen auf das Einverständnis. Denn für die Preisgabe des geschützten Rechtsguts ist wiederum dessen Inhaber zuständig. Insofern ist es konsequent, wenn der BGH und die Strafrechtsliteratur danach fragen, ob der einzelne Gesellschafter mit der schädigenden Handlung in Hinblick auf seine Vermögensposition einverstanden war.370 Das führt dazu, dass das Urteil über die Pflichtwidrigkeit einer Handlung aufgespalten wird und in Bezug auf verschiedene Gesellschafter unterschiedlich ausfallen kann. Eine Bestrafung kommt dann nur hinsichtlich der nicht einverstandenen Individuen in Betracht. Da schon festgestellt wurde, dass der Ausgangspunkt des BGH gegen geltendes Gesellschaftsrecht verstößt, verwundert es nicht, wenn dasselbe aufgrund der Rechtsgutsbezogenheit beim Einverständnis der Fall ist. Auch hier hilft ein kurzer Blick auf die dogmatischen und historischen Grundlagen der Gesamthand: Der Gesetzgeber hat das Gesellschaftsvermögen der Verfügung des Einzelnen im Interesse der Verfolgung des gemeinsamen Zwecks entzogen. Einen „Anteil“ am Gesamtvermögen, in dessen Schädi369 370
Dazu soeben C. VII. 1. Siehe oben C. III.
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gung der Einzelne unabhängig von den Mitgesellschaftern einwilligen könnte, gibt es nicht. Die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens durch eine Abkoppelung von der Individualsphäre war gerade einer der zentralen Gründe, um die gesamthänderische Vermögensbindung in das BGB aufzunehmen. Denn die Zuordnung zum Gesellschaftervermögen würde dazu führen, dass jeder Gesellschafter frei über seinen Anteil verfügen kann, um damit das Gesellschaftsvermögen jederzeit zu zerstören und den gemeinsamen Zweck zu vereiteln.371 Also verfährt der BGH weiterhin gesellschaftsrechtswidrig, wenn er jeden Gesellschafter unabhängig von den anderen in eine Verringerung des Vermögens zumindest hinsichtlich seiner (richtigerweise gar nicht existenten) Position einwilligen lässt.372 Um das zu vermeiden, sind denn auch im Gesellschaftsrecht in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen Mechanismen zur gemeinsamen Verwaltung vorgesehen. Welche das sind wird noch im Detail zu erörtern sein.373 Hier genügt die Erkenntnis, dass auch hinsichtlich des Einverständnisses eine Gesamtzuständigkeit besteht, so dass eine Schädigung des Vermögens nur insgesamt erlaubt werden oder eben verboten bleiben kann. Eine Aufspaltung des Pflichtwidrigkeitsurteils kann es richtigerweise niemals geben. Gesellschaftsrechtlich läuft es in Bezug auf das Einverständnis auf eine Allesoder-Nichts-Lösung hinaus. Das wird im Strafrecht übersehen. Solange alle Gesellschafter zustimmen, sind beide Ansätze, die des BGH und die auf Grundlage des Gesellschaftsrechts, im Ergebnis noch deckungsgleich. Allein ist die dogmatische Konstruktion ist eine andere: Der BGH geht von mehreren einzelnen (Teil-)Einverständnissen aus, die erst in der Summe zu einem völligen Ausschluss der Pflichtwidrigkeit führen, während gesellschaftsrechtlich die Gesellschafter ein gemeinsames Einverständnis abgeben. Wenn der BGH das übergeht und aufspaltet, verdienen naturgemäß zwei Konstellationen besondere Beachtung, in denen die individuelle und die kollektive Zustimmung auseinander fallen. Zum einen kann die Gesellschaftergesamtheit mit einer Schädigung nicht einverstanden sein, ein einzelner Betroffener aber schon. In solchen Fällen scheidet nach der herrschenden Auffassung eine Untreue insoweit anteilig aus, als dass eine Zustimmung vorlag.374 Dies ermöglicht es, den Nachteil nach Gesellschaftern aufgeteilt anteilig zu bewerten und von der Alles-oder371
Siehe dazu B. I. 1. Reiß wistra 1989, 81 (86); Grunst BB 2001, 1537 (1539). 373 Siehe unten D. III. 374 BGH wistra 1991, 183; NStZ 1987, 279; NJW 1987, 2008 (2009); Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 57; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296; Schramm, Untreue und Konsens, S. 85; Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.1; Winkelbauer JR 1988 33 (34); Wiedemann EwiR § 823 BGB 8/87, 777 (778). 372
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Nichts-Lösung des Gesellschafsrechts Abstand zu nehmen. Zugegebenermaßen ist dies flexibler und im Ergebnis vielleicht auch geeigneter, um den tatsächlichen Unwert der Tat zu bestimmen. Denn dass ein Täter, der sich über alle Gesellschafter hinwegsetzt, mit größerer Schuld handelt als einer, der drei Viertel der Gesellschafter hinter sich hat, kann nicht bezweifelt werden. Die herrschende Meinung kann das schon auf Tatbestandsebene berücksichtigen, wenn sie hinsichtlich der Vermögensanteile, die sie einverstandenen Gesellschaftern zuschreibt, die für die Strafhöhe relevante Schadenssumme kürzt. Jedoch läuft jede gedankliche Aufteilung des Schadens dem einheitlichen Charakter des gebundenen Sondervermögens zuwider. Der Tatbestand lässt sich ohne eine Missachtung gesellschaftsrechtlicher Grundprinzipien eben nicht aufspalten, so dass es – dem angesprochenen Alles-oder-Nichts-Prinzip entsprechend – eine Selbstschädigung beziehungsweise ein anteiliges Einverständnis schlichtweg nicht geben kann. Um dem Schuldprinzip dennoch Geltung zu verschaffen, verbleibt nur die Möglichkeit, trotz tatbestandlicher Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaftergesamtheit die (gesellschaftsrechtlich unbeachtliche) Zustimmung Einzelner im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Viel bedenklicher mutet die zweite Konstellation an, in der das Kollektiv zustimmt, zum Beispiel aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses, ein Einzelner jedoch damit nicht einverstanden ist. Stimmen in einem solchen Fall beispielsweise drei Viertel der Gesellschafter der Handlung zu, kann zivilrechtlich ein wirksamer Beschluss zustande gekommen sein, der die Pflichtverletzung der Gesellschaftergesamtheit gegenüber im Innenverhältnis beseitigt.375 Die herrschende Meinung im Strafrecht wird in solchen Fällen in Erklärungsnöte geraten. Denn wenn sie allein auf die einzelnen Gesellschafter und deren Einverständnis blickt, müsste an sich davon ausgegangen werden, dass der nicht einverstandene Gesellschafter hinsichtlich seines Vermögens pflichtwidrig geschädigt wird. Die Folge wäre eine strafrechtliche Ahndung einer gesellschaftsrechtlich pflichtgemäßen Handlung. Es liegt auf der Hand, dass eine im Zivilrecht rechtmäßige Handlung schon aufgrund des Ultima Ratio Prinzips des Strafrechts nicht bestraft werden darf.376 Zutreffend wird insofern von einer asymmetrischen Akzessorietät des Strafrechts gesprochen:377 Ein Verhalten, das zivilrechtlich erlaubt ist, darf straf375
Zu den Details der richtigerweise für das Einverständnis maßgeblichen Beschlussfassung sowie gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzinstrumenten, die im Einzelfall zu einer Unwirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses führen können, siehe unten D. III. 2. 376 Siehe allgemein zu diesem unstreitigen Grundsatz LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 21; Roxin AT I § 14 Rn. 32; speziell zur Untreue MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 154. 377 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 154.
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rechtlich nicht verboten sein, während das, was im Zivilrecht verboten ist, nicht notwendigerweise strafbewehrt sein muss. Aus dem ersten Teil dieses Satzes ergibt sich also, dass die herrschende Meinung schon hier zu einer Korrektur gezwungen wird, welche die Rechtsgutszuständigkeit des Einzelnen zugunsten der Kollektiventscheidung beschneidet. Da eine Gesamtzuständigkeit für das Rechtsgut Vermögen an sich gerade als nicht existent erachtet wird, muss der BGH also entweder mit dem Rechtmäßigkeitsmaßstab des Zivilrechts oder mit seiner eigenen Grundprämisse der Einzelzuständigkeit brechen. Da ersteres unzulässig ist, bleibt nur letzteres. Der dargestellte Konflikt ist die direkte und notwendige Konsequenz daraus, dass sich das Gesellschaftsrecht auf die Gesamtheit der Gesellschafter und ein gesondertes Gesamtvermögen bezieht. Die Einzelbetrachtung der im Strafrecht herrschenden Auffassung stellt sich damit als nicht durchzuhalten heraus und muss im Interesse der Einheit der Rechtsordnung zumindest in der zuletzt dargestellten Konstellation wieder in die Bahnen des Zivilrechts gezwungen werden. 4. Schadensberechnung Hinsichtlich der Schadensberechnung fällt zunächst auf, dass sich der BGH mit Stellungnahmen zur konkreten Berechnung des eingetretenen Schadens ausgesprochen bedeckt hält. Meist wird nur in einem (Halb-)Satz ein Schlagwort aufgestellt um den Schaden zu bejahen und die konkrete Berechnung dann den Untergerichten überlassen. Immer dann, wenn auf die schadensrelevanten gesellschaftsrechtlichen Einzelheiten einzugehen wäre, beendet der BGH seine Ausführungen.378 Ebenso verfährt die Literatur.379 Das ist vor allem deshalb problematisch, weil sich der BGH – wie dargelegt – nicht auf einer Linie mit dem Gesellschaftsrecht befindet, so dass völlig unklar ist, auf welcher Grundlage ein Nachteil berechnet werden kann und ob der Rückgriff auf gesellschafsrechtliche Prinzipien im Rahmen der Schadensberechnung überhaupt möglich ist. Jede Anknüpfung an die gesetzlichen Mechanismen zur Verwaltung des gemeinsamen Ge378 Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (52) bemängeln diesbezüglich gar, dass sich den Urteilen überhaupt keine Kriterien zur Schadenberechnung entnehmen lassen. Es lassen sich indes zwar schon (die oben dargestellten) Kriterien finden. Die Autoren haben aber im Ergebnis insofern Recht, als dass deren Ausgestaltung und Handhabung völlig unklar bleibt. 379 Siehe beispielsweise Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 39; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 26; Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn 26; Kohlmann, Strafrechtliche Verantwortlichkeit Rn. 366 ff.; Schulte NJW 1984, 1671 (1672); die detailliertesten Ausführungen finden sich noch bei Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Hoffmann/ Liebs-Lohberger Rn. 877.1 ff.; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53 f.).
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sellschaftsvermögens läuft jedenfalls Gefahr, mit der Auffassung der herrschenden Meinung in Konflikt zu geraten, da es ein solches Sondervermögen ja eigentlich gar nicht geben soll. Vielmehr sind laut BGH alle Auswirkungen auf das Individualvermögen der Gesellschafter zur Ermittlung des Nachteils in Betracht zu ziehen. Dafür kann jedoch wiederum auch nicht auf gesicherte Verfahren aus dem Zivilrecht zurückgegriffen werden. Denn im Gesellschaftsrecht wird ja gerade der Gesellschaftsebene der Vorrang vor der Individualebene eingeräumt: In den allermeisten Fällen kann wegen einer Schädigung des Sondervermögens nur Leistung in dieses verlangt werden.380 Eine auf die einzelnen Gesellschafter herunterzubrechende Schädigung der Privatvermögen wird daher kaum thematisiert. Insofern bleibt nur übrig, mit den einzelnen Schadensposten zu arbeiten, die in der Rechtsprechung fallgruppenartig und weitgehend zusammenhangslos in Einzelentscheidungen entwickelt wurden. Im Folgenden werden zunächst die Kriterien untersucht, die aus den Entscheidungen des BGH extrahiert werden konnten [a) bis c)]. Im Anschluss daran soll betrachtet werden, ob sie insgesamt geeignet sind, den entstandenen Schaden abzubilden [d)] a) Anteilige Schädigung im Verhältnis der Einlageleistungen Als erste Schadensposition soll eine anteilige Schädigung des jeweiligen Gesellschafters in Betracht kommen, die sich an dem Verhältnis der Einlageleistungen orientiert.381 Dem liegt wohl das Bestreben zugrunde, den Gesamtschaden am Gesellschaftsvermögen möglichst spiegelbildlich auf die anteilig betroffenen Gesellschafter zu verteilen und dabei auf die Einlageleistung als Verteilungsschlüssel zurückzugreifen. Ein solches Vorgehen ist jedoch in jeder Hinsicht derart unvereinbar mit jeglichen Kategorien des Gesellschaftsrechts, dass es schwer fällt, überhaupt Ansatzpunkte für eine Kritik zu finden. Es verkennt nämlich nicht nur die Rechtsnatur des gemeinsamen Vermögens (das allein wäre mit Blick auf die vorherige Kritik nichts neues), sondern darüber hinaus auch die rechtliche Bedeutung der Pflichteinlage, die mit einem Verteilungsschlüssel für Vermögensverringerungen in keinen Zusammenhang zu bringen ist. Zudem wird mit Begriffen operiert und auf Systeme Bezug genommen, die es gar nicht geben dürfte, wenn man mit dem BGH die Existenz eines vom Privatvermögen getrennten Gesellschaftsvermögens negiert. Die Einlageleistungen der Gesellschafter werden ja gerade aus dem Privatvermögen in das Sondervermögen überführt, um dieses erst zu konstituieren. 380 381
Siehe oben B. III. 2. BGH NStZ 1987, 279; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297.
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Lässt man sich aber gleichwohl auf den Gedanken ein, dass irgendwie eine Aufteilung des Vermögens und damit auch eine unmittelbare anteilige Schädigung möglich sein soll, kann die weitere Kritik auf den Ausführungen zum Vermögensanteil aufbauen. Denn die rechnerische Verwaltung der Vermögensposition des Einzelnen anhand der Kapitalkonten kommt dem Bestreben des BGH nach einer Aufteilung des Schadens am nächsten. Es wurde bereits an anderer Stelle dargelegt, dass es sich bei diesen Konten um Rechnungsziffern handelt, um den Vermögensanteil der Gesellschafter (der aber kein wirklicher Anteil im Rechtssinne ist) darzustellen.382 Im Falle der Liquidation stellt er – nach Aufdeckung der stillen Reserven und Verluste in einer Liquidationsbilanz – einen Schlüssel zur Verteilung des positiven oder negativen Liquidationsergebnisses dar. Wird er verringert, geht damit die Verringerung der Vermögensrechte des einzelnen Gesellschafters in der Liquidation einher. Der entscheidende Unterschied zum Vorgehen des BGH ist der, dass mit dem Blick auf die Kapitalkonten der Vermögensanteil der Gesellschafter rein buchmäßig quantifiziert, nicht aber ein Maßstab für eine „echte“ rechtliche Aufteilung des Gesellschaftsvermögens geschaffen werden kann. Es ist aber möglich, bei einer Verringerung des Gesellschaftsvermögens mit Hilfe des Kapitalanteils zu berechnen, um welchen Betrag sich das Auseinandersetzungsguthaben eines Gesellschafters verringert. Um zu verstehen, was der BGH gemeint haben könnte, kann eine Orientierung an diesen Überlegungen stattfinden. Der Kapitalanteil des jeweiligen Gesellschafters ist nämlich im Ausgangspunkt abhängig von dessen Einlageleistungen. Indes wird er nach der gesetzlichen Konzeption durch Gewinne, Verluste und Entnahmen ständig verändert und unterliegt damit steten Schwankungen. Die Einlagen geben also allenfalls zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft Auskunft darüber, wie viel Geld der Gesellschafter in der Gesellschaft „stehen hat.“ Selbst wenn, wie in der Praxis üblich, feste Kapitalkonten eingerichtet wurden, die der Einlage wertmäßig entsprechen, so muss dann für Gewinne etc. mindestens ein zweites bewegliches Kapitalkonto errichtet werden, so dass sich die vermögensmäßige Beteiligung des Gesellschafters nur aus dem Zusammenspiel dieser Konten ergibt. Mit der Einlage hat der Kapitalanteil also nur im Ausgangspunkt etwas zu tun und es kommt in hohem Maße auf die gesellschaftsvertragliche Ausgestaltung und weitere Vermögensentwicklung der Gesellschaft an. Selbst wenn aber dem BGH zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass er mit dem „Verhältnis der Einlageleistungen“ eigentlich das Verhältnis der Kapitalanteile zueinander meinte und nur übersehen hat, dass sie keine feste und von der Einlage bestimmte Größe sind, so geht auch das an der Sache vorbei. Denn die Kapitalkonten geben gerade nicht das relative Verteilungs382
Siehe zum Ganzen oben C. IV. 1. b) bb) (2) (b).
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verhältnis in Bezug auf das Gesamtvermögen an, sondern stellen absolute Größen dar. Wenn A einen Kapitalanteil von 10.000, B einen von 20.000 hat, heißt das also nicht, dass das Gesellschaftsvermögen A zu einem und B zu zwei Dritteln „gehört,“ sondern nur, dass im Fall der Auseinandersetzung B 10.000 mehr als A bekommt. Ferner sagt die Höhe der Kapitalkonten nichts über den Schlüssel aus, in dem ein Vermögensentzug verteilt wird. Negative Entwicklungen des Gesellschaftsvermögens schlagen sich zwar auf den Kapitalkonten im Wege der Verbuchung eines höheren Verlustes oder niedrigeren Gewinns nieder. Der Gewinn und Verlust wird aber nicht im Verhältnis der Kapitalkonten verteilt, sondern nach einem recht komplizierten Verteilungssystem, das vom jeweiligen Gesellschaftstyp abhängt.383 Zwar ist es denkbar, dass Gewinn- und Verlustverteilung sich allein an den festen Kapitalkonten orientieren. Das wäre aber eine spezielle gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, die nicht zur Regel gemacht werden kann. Nach alledem kann man erahnen, was der BGH mit der anteiligen Schädigung im Verhältnis der Einlagen bezweckten will. Allein ist die Durchführung dessen nicht nachvollziehbar. Die Einlagen sind kein Anteil am Gesellschaftsvermögen, der anteilig verringert werden könnte. Auch falls in Wirklichkeit die – nur im Ausgangspunkt von der Einlage abhängigen – Kapitalkonten als Rechnungsziffer zur Darstellung des Vermögensanteils gemeint sein sollten, geben diese keinen Aufschluss über die Verhältnisse etwaiger Vermögenspositionen zueinander, sondern sind eine absolute Größe. Auf ihnen werden Vermögensbewegungen verbucht, sie selbst sind aber nicht Verteilungsmaßstab. b) Gefährdungsschaden aufgrund der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten Als zweite Schadensposition soll ein Nachteil dadurch in Betracht kommen, dass sich die Gefahr der Inanspruchnahme der persönlich haftenden Gesellschafter für Gesellschaftsschulden aufgrund der Verringerung der Haftungsmasse erhöht.384 Auch dieser Schadensposten ist von dem Bestreben geprägt, die Auswirkungen auf das Vermögen der einzelnen Gesellschafter zu ermitteln. 383
Siehe dazu ausführlich oben C. IV. 1. c). BGH NJW 2000, 154 (155); NJW 1992, 250 (251); NStZ 1987, 279; NJW 2003, 2996 (2999); Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6; OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.2; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Reiß wistra 1989, 81 (86). 384
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aa) Anforderungen an eine hinreichend konkrete Gefährdung Zunächst ist dies an den allgemeinen Grundsätzen zum Vorliegen eines Gefährdungsschadens zu messen. Dazu ist erst einmal festzuhalten, dass weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass ein Schaden auch darin liegen kann, dass eine Gefährdung für einen Vermögenswert besteht.385 Bei der dem Schadensinhalt zugrunde liegenden wirtschaftlichen Betrachtung besteht nämlich zwischen Gefährdung und Schaden ein nur quantitativer Unterschied.386 Diese Erkenntnis steht jedoch in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Bestimmtheitsgebot. Denn die Untreue setzt ihrem Wortlaut nach einen tatsächlich eingetretenen Schaden voraus. Lässt man jede Vermögensgefährdung ausreichen, liegt darin die Gefahr, den Tatbestand des § 266 StGB erheblich auszuweiten, indem zur Vollendung der Tat statt eines tatsächlich eingetretenen Nachteils eine bloße Gefährdung reicht und dadurch ein an sich straffreier Versuch der Vollendung gleichgestellt wird.387 Die Untreue würde von einem Verletzungs- zu einem Gefährdungsdelikt umfunktioniert.388 Schon mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG ist einer solchen Aufweichung des Nachteilsbegriffs entgegenzuwirken.389 Es reicht daher nicht jede abstrakte Gefahr („schadensgleiche Vermögensgefährdung“ ist daher unpräzise), vielmehr muss die Gefahr eines Vermögensverlustes zur Zeit der Tathandlung so konkret sein, dass diese bei wirtschaftlicher Betrachtung schon zu einer echten Vermögenswertminderung führt („Gefährdungsschaden“).390 Um dies auf die hier zu untersuchenden Fallkonstellationen zu übertragen muss also gefragt werden, unter welchen Umständen und in welcher Höhe ein derartiger Gefährdungsschaden aufgrund möglicher Inanspruchnahme angenommen werden kann. Es bestehen Zweifel, ob der BGH diesem Punkt in seinen Urteilen mit hinreichender Sorgfalt begegnet ist. Stellungnahmen, die präzisieren, unter welchen Bedingungen die Haftungsgefahr hinreichend konkret ist, um von einem Schaden sprechen zu können, lassen sich näm385 BVerfG NStZ 1998, 506; BGH NStZ 2004, 264 (265); Tröndle/Fischer § 263 Rn. 94; Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 143; Lenckner JZ 1971, 320 (321). 386 Tröndle/Fischer § 263 Rn. 94; Arzt/Weber § 20 Rn. 97; Otto Jura 1991, 494 f. 387 Tröndle/Fischer § 266 Rn. 63a; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 195; Samson JA 1978, 625 (629). 388 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 195; SK-Samson/Günther § 266 Rn. 45; Weber FS Dreher, 555 (562). 389 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 195; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 94; SKSamson § 266 Rn. 45; Dierlamm NStZ 1997, 534 (535); Otto Jura 1991, 494 (495). 390 Tröndle/Fischer § 263 Rn. 94; Mitsch § 7 Rn. 97; Otto Jura 1991, 494 f.; Lenckner JZ 1971, 320 (321).
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
lich nicht finden. Zudem gibt es nicht eine einzige Entscheidung, in der Modalitäten zur Berechnung der Höhe des Gefährdungsschadens angesprochen oder eine solche gar erfolgt wäre. Ein Gefährdungsschaden kommt richtigerweise überhaupt nur dann in Betracht, wenn tatsächlich zu erwarten ist, dass Gläubiger aus dem Privatvermögen befriedigt werden müssen.391 Das ist immer dann ausgeschlossen, wenn im Gesellschaftsvermögen noch genug Masse vorhanden ist, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Denn insofern kann der Gesellschafter von der Gesellschaft Freistellung beziehungsweise Ersatz seiner Aufwendungen verlangen und diesen Anspruch auch durchsetzen.392 Das bedeutet, dass einer gesunden Gesellschaft bis zur Grenze der Überschuldung (vgl. § 19 Abs. 2 InsO) Haftungsmasse entzogen werden kann, ohne dass der Handelnde den Eintritt eines Gefährdungsschadens bei den Gesellschaftern befürchten müsste.393 Der Anwendungsbereich dieses Schadenspostens ist damit auf Krisenfälle beschränkt, in denen Ansprüche gegen die Gesellschaft nicht mehr werthaltig sind.394 Auf diese wichtige und weitreichende Einschränkung ist der BGH in keinem seiner Urteile eingegangen.395 Ganz knapp thematisiert wurden in einem Urteil von 1987 allein etwaige Ausgleichsansprüche zwischen den Gesellschaftern,396 die aber wie oben dargelegt in den meisten Fällen nur zu einem Hin- und Herschieben der Schadensposten, nicht aber zu einem echten Ausschluss des Nachteils führen können.397 Die erste Voraussetzung ist also stets, dass es spätestens durch die Tathandlung zu einer Unterdeckung im Gesellschaftsvermögen gekommen ist. Mit dieser Erkenntnis geht unmittelbar einher, dass die Höhe eines Gefährdungsschadens keinesfalls mit der dem Gesellschaftsvermögen entzogenen Summe beziehungsweise der zusätzlichen Belastung mit einer Verbind391
In BGH NStZ 1999, 557 wird in Bezug auf mögliche Haftungsverpflichtungen zu Recht von der Gefahr einer „jederzeitigen Inanspruchnahme“ zur Annahme eines Gefährdungsschadens gesprochen. 392 Siehe oben C. IV. 1. b) bb) (2) (a). 393 So auch BGHZ 110, 342 (357), der bemerkt, dass eine Komplementär-GmbH erst bei Überschuldung der KG aufgrund zu erwartender Inanspruchnahme zu passivieren hat. 394 Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Hoffman/Liebs-Lohberger Rn. 877.2; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 26; Kohlmann, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 366 Fn. 373. 395 Siehe allein OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4, das sich in Ermangelung höchstrichterlicher Rechtsprechung der Strafsenate auf BGHZ 60, 324 (329) berufen muss. 396 BGH NStZ 1987, 279. 397 Siehe dazu oben C. IV. 1. b) bb) (2) (b).
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lichkeit deckungsgleich sein muss. Entscheidend ist vielmehr allein der Betrag der Unterdeckung. Wenn eine Gesellschaft etwa ein Aktivvermögen von 100.000 Euro und Verbindlichkeiten in Höhe von 20.000 Euro hatte, bevor ihr durch den Geschäftsführer die ganzen 100.000 Euro entzogen wurden, so kann eine Inanspruchnahme von vornhinein nur hinsichtlich der bestehenden Verbindlichkeiten von 20.000 Euro gegeben sein.398 Würden ihr nur 80.000 Euro entzogen, ist sogar überhaupt kein Gefährdungsschaden denkbar. Es ist also für die Schadenshöhe der jeweilige Stand der ungedeckten Verbindlichkeiten nach der Tathandlung maßgeblich, da nur für diese gehaftet werden muss. Zwar wird auch darüber hinaus Haftungsmasse entzogen, die dann für zukünftige Verbindlichkeiten nicht mehr zur Verfügung steht. Die abstrakte Gefahr, möglicherweise irgendwann einmal für noch nicht existente Forderungen einstehen zu müssen, kann jedoch nach den oben dargestellten Anforderungen an die Konkretheit nicht genügen. Wenn der BGH hierauf nicht eingeht, läuft er Gefahr, aus jeder Verringerung des Gesellschaftsvermögens auf einen Gefährdungsschaden zu schließen, ohne dass eine Inanspruchnahme der Gesellschafter – oder zumindest nicht in voller Höhe – in Sicht ist. Das wäre ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Ferner dürfte ohne diese Untersuchung auch die für die Strafzumessung wichtige Bezifferung der Schadenshöhe kaum möglich sein. Schließlich muss unter Zurechnungsgesichtspunkten weiter dahingehend eingeschränkt werden, dass nur der Teil einer Haftungsgefahr als schadensbegründend angesehen werden kann, für den die pflichtwidrige Tathandlung kausal war. Eine Untreuehandlung darf nicht zum Anlass genommen werden, den Täter für sämtliche bestehenden Haftungsrisiken einstehen zu lassen. Es ist also genau zu differenzieren, welchen Teil der zu erwartenden Inanspruchnahme der Täter pflichtwidrig herbeigeführt hat und welcher schon vorher bestand. Das ist in solchen Fällen relevant, in denen schon vor der Tathandlung eine Überschuldung, also eine Unterdeckung in entsprechender Höhe, vorlag. Dieser Fehlbetrag, für den schon vorher eine Inanspruchnahme der Gesellschafter zu erwarten war, steht dann in keinem Zusammenhang mit der pflichtwidrigen Handlung. Dem Täter vorzuwerfen ist dann allein die weitere Erhöhung der Haftungsgefahr.399 Das zu beach398 So auch Hoffman/Liebs-Lohberger Rn. 877.2 f., der zu Recht nicht den abgeflossenen Betrag, sondern die in der Bilanz bei der Komplementär-GmbH zu passivierende Haftungsverpflichtung für maßgeblich hält. 399 Uneindeutig sind insofern die Ausführungen bei Hoffman/Liebs-Lohberger Rn. 877.3, der einen Schaden „in Höhe des Haftungsbetrags“ annehmen will. Damit kann der ganze oder nur der durch den Entzug einer Vermögensposition zusätzliche Haftungsbetrag gemeint sein. Richtigerweise kann bei schon vor der Tat bestehender Überschuldung nur der zusätzliche, rechtswidrig herbeigeführte Haftungsbetrag relevant sein.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
ten ist vor allem deshalb bedeutsam, weil Untreuehandlungen oftmals in Krisenzeiten stattfinden, zu denen schon vor der Tat erhebliche (rechtmäßig entstandene) Unterdeckungen bestanden. War etwa eine Gesellschaft, die über 150.000 Euro Aktivvermögen verfügt, schon vor dem Entzug dieser Summe mit 200.000 Euro Verbindlichkeiten belastet, so sind dem Täter nicht die 200.000 Euro für die die Gesellschafter dann insgesamt persönlich einstehen müssen, sondern allein die Erhöhung der Haftungsgefahr um 150.000 Euro wegen des Entzugs der entsprechenden Haftungsmasse zur Last zu legen. Es ist also zu untersuchen, welcher Teil der Haftung in einem Pflichtwidrigkeitszusammenhang mit der Tathandlung steht. Die dem Täter zur Last gelegte Schadenssumme kann nie höher sein als dieser Betrag. Hinsichtlich der Kommanditisten kann danach ein Schaden aufgrund ihrer beschränkten Haftung gar gänzlich fehlen. Eine persönliche Inanspruchnahme kommt zunächst ohnehin nur dann in Betracht, wenn keine mindestens der Haftsumme entsprechende Pflichteinlage erbracht wurde.400 Selbst wenn danach eine Haftung wegen der nicht erfolgten Einzahlung möglich sein sollte, so ist genau zu prüfen, ob nicht schon vor der pflichtwidrigen Handlung Schulden in einer Höhe bestanden, die die Haftung der Kommanditisten vollumfänglich erforderlich gemacht hätte. Eine weitere, pflichtwidrige Erhöhung der Unterdeckung durch eine Verringerung der Haftungsmasse oder Erhöhung der Verbindlichkeiten wäre dann nämlich irrelevant: Der überschießende Teil beträfe die Kommanditisten aufgrund ihrer beschränkten Haftung nicht mehr. Hierfür hätte allein der Komplementär unbeschränkt einzustehen. Falls dieser nun noch (wie häufig) der Täter war, kommt ein Schaden wegen einer Erhöhung der Haftungsgefahr gar nicht mehr in Betracht, da ihm insofern nur eine Selbstschädigung vorzuwerfen wäre. Der Gefährdungsschaden wegen einer Erhöhung des Haftungsrisikos muss also keinesfalls mit der entzogenen Summe beziehungsweise der Höhe einer pflichtwidrigen Belastung übereinstimmen. Sie kann zwar nie darüber liegen, durchaus aber darunter oder gar ganz fehlen (je nach Stand der Unterdeckung und Umfang der Haftungspflicht der Gesellschafter). In jedem Einzelfall wäre also festzustellen gewesen, ob und in welcher Höhe tatsächlich eine Unterdeckung existiert und welcher Teil davon durch die pflichtwidrige Handlung verursacht wurde. Diese so wichtigen Differenzierungen hinsichtlich der Voraussetzungen und Höhe eines Gefährdungsschadens wurden in keinem der BGH-Urteile angesprochen. Vielmehr wird stets nur bemerkt, dass sich das Haftungsrisiko eines Gesellschafters erhöht ha400
Siehe oben C. IV. 1. b) bb) (1).
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ben kann.401 Auch in der Literatur findet so gut wie keine nähere Auseinandersetzung mit diesem Schadensposten statt.402 Zwar handelte es sich in der Rechtsprechung oft um Fälle, in denen sich die jeweilige Gesellschaft in einer Krise befand oder diese vom Täter verursacht wurde.403 Das besagt aber nur, dass die Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen, nicht jedoch, wie hoch die Gläubigerforderungen sind und welcher Teil der Unterdeckung durch die Tathandlung verursacht wurde. Soll die Höhe des Gefahrdungsschadens als ein Kriterium zur Ermittlung einer schuldangemessenen Strafe exakt bestimmt werden, muss man erstens die oben angestellten Überlegungen zu den Voraussetzungen eines Gefährdungsschadens anstellen und sich zweitens die Mühe machen, diese Kriterien im Einzelfall auch anzuwenden. bb) Einschränkung des Gefährdungsschadens bei Vermögenslosigkeit Hinsichtlich des Gefährdungsschadens verbleibt die in der Rechtsprechung teilweise vorgenommene Einschränkung der Schadenshöhe bei einer Untreue zu Lasten einer überschuldeten GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin zu untersuchen. Dazu ist zunächst ein Blick auf den Grund für die so uneinheitliche Behandlung dieser Frage in der Rechtsprechung zu werfen. Man kann festgestellen, dass die Urteile, die eine unbegrenzte Schädigung annehmen, von einem zivilrechtlichen Verständnis ausgehen, das sich vom strafrechtlichen Begriff des Vermögensschadens ganz gravierend unterscheidet und daher im Rahmen des § 266 StGB nicht verwendet werden kann (1). Im Anschluss ist auf Basis der richtigerweise anzuwendenden Grundsätze zum strafrechtlichen Begriff des Vermögensschadens zu klären, ob sich eine Einschränkung der Schädigungsmöglichkeit ergeben kann (2). Auch diesbezüglich ist dem BGH nicht zu folgen.
401
Siehe nur BGH NJW 2000, 154 (155); NJW 1992, 250 (251); NJW 2003, 2996 (2999); in BGH NStZ 1987, 279 wird zwar festgestellt, dass sich aus den Feststellungen des LG die Höhe des tatsächlich eingetretenen Nachteils aufgrund möglicher Inanspruchnahme nicht entnehmen lasse. Jedoch fehlt auch hier jeglicher Hinweis auf die Voraussetzungen zur Annahme einer konkreten Gefährdung und deren Kalkulationsgrundlagen. 402 Siehe etwa Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 297; Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 26; Reiß wistra 1989, 81 (86); ausführlicher sind allein die Ausführungen bei Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.2 f. (siehe aber Fn. 399). 403 So in BGH NJW 2000, 154; NJW 1992, 250 (251); OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.07.1985, 1 Ws 182/85, S. 4; anders aber wohl in BGH NJW 2003, 2996.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
(1) Uneinheitliche Schadensbegriffe als Grund für die uneinheitliche Rechtsprechung Wie dargestellt schwanken die Urteile und Stellungnahmen in der Literatur zwischen einer unbeschränkten Schädigungsfähigkeit aufgrund einer „rechtswidrigen Erhöhung der Schuldenlast“404 und einer Einschränkung dahingehend, dass eine GmbH nur bis zur Höhe ihres (unbelasteten) Restvermögens geschädigt werden kann.405 Auf der Suche nach einer Erklärung für beide Auffassungen ergibt sich, dass die unterschiedlichen Ergebnisse darin wurzeln, dass verschiedene Schadensbegriffe zugrunde gelegt werden. Die Strafrechtsprechung, die eine unbegrenzte Schädigung propagiert, begründet ihr Ergebnis mit keinem Wort, sondern verweist kommentarlos auf vorherige Urteile. Bei Zurückverfolgung führen die Verweise ins Zivilrecht: In seiner Entscheidung vom 03.05.1991406 nimmt der zweite Strafsenat zwar noch Bezug auf eine Entscheidung des dritten Strafsenats vom 22.02.1991407. Dieser wiederum verweist jedoch auf ein Urteil des sechsten Zivilsenats408 zu §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB. Der liefert darin jedoch auch keine Begründung, sondern verweist auf ein Urteil des zweiten Zivilsenats409. Darin geht es um die Schadensberechnung im Rahmen des § 249 BGB bei Belastung eines vermögenslosen Vereins. Damit baut dieser Teil der Strafrechtsprechung auf dem im Urteil behandelten zivilrechtlichen Schadensbegriff auf. Eine solche Vorgehensweise überrascht, sollte doch bekannt sein, dass der zivilrechtliche und der strafrechtliche Schadensbegriff keinesfalls identisch sind. Genauer gesagt gibt es nicht einmal „den“ zivilrechtlichen Schadensbegriff, sondern Art und Umfang der Kompensation hängen vom System der §§ 249 ff. BGB ab.410 Im Zivilrecht wird der Schaden im Rahmen des § 249 BGB zunächst extrem weit definiert als jede Beeinträchtigung eines Interesses, sei es vermögenswert oder ideell.411 Anhand der so genannten Differenzhypothese 404 BGH NJW 1992, 250 (251); wistra 1991, 183 (obgleich im Anschluss dennoch nach der verfügbaren Haftungsmasse der GmbH gefragt wurde, vgl. nächste Fn.); so auch Hoffman/Liebs-Lohberger Rn. 877.3; ebenso der 6. Zivilsenat in NJW 1987, 2008 (2009) im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB. 405 BGH NStZ 1999, 557 (558); wistra 1991, 183; wistra 1989, 264 (267); Achenbach NStZ 2000, 524 (526); Winkelbauer wistra 1986, 17 (18). 406 BGH NJW 1992, 250 (251). 407 BGH wistra 1991, 183. 408 BGH NJW 1987, 2008 (2009). 409 BGH NJW 1972, 1858. 410 Siehe dazu Lange/Schiemann S. 26 ff. 411 MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 16; Bamberger/Roth-Grüneberg Vor § 249 Rn. 8; Palandt-Heinrichs Vorb § 249 Rn. 7.
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wird die bestehende Lage mit der verglichen, die bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.412 Dabei wird zwar verbreitet von einem Vergleich der Vermögenslage gesprochen.413 Das ist jedoch, wie schon ein Blick auf den dargestellten weiten Schadensbegriff zeigt, ungenau. Denn auch Nichtvermögensschäden werden durch einen Zustandsvergleich ermittelt, nur das Substrat der Differenzrechnung ist dann ein anderes.414 Der Konzeption des § 249 BGB liegt ein ganz umfassender Integritäts- und Rechtsgüterschutz zugrunde, der unabhängig von einer Vermögensdifferenz ist.415 Demnach fußt die Frage nach einem zivilrechtlichen Schaden bei der Belastung mit einer Verbindlichkeit auf einem dogmatischen Fundament, das mit den strafrechtlichen Vorstellungen eines „Vermögensschadens“ nichts zu tun hat. Zur Bejahung eines Schadens im Sinne des § 249 BGB ist nämlich schlicht zu fragen, ob eine Zustandsveränderung eingetreten ist.416 Das ist bei der Belastung mit einer Verbindlichkeit stets der Fall. Welcher Art ein solcher Schaden ist, ist für das Zivilrecht dabei völlig gleichgültig.417 Die Frage, ob es sich um einen „Vermögensschaden“ handelt, stellt sich überhaupt nicht.418 Doch selbst für eine Qualifikation als Vermögensschaden, etwa im Rahmen des § 251 BGB, gelten im Zivilrecht andere Maßstäbe als im Strafrecht. Denn Voraussetzung dafür ist allein, dass eine Einbuße in Geld messbar ist.419 Es wird damit also nicht gesagt, dass damit auch eine unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten feststellbare Vermögenswertminderung verbunden ist.420 Der Wert des Gesamtvermögens zum Zeitpunkt der Schädigung ist demnach irrelevant, weil er auf die Zustandsveränderung durch die Belastung keinen Einfluss hat. Die zusätzliche MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 18; Soergel12-Mertens Vor § 249 Rn. 41. Siehe etwa die ausführlichen Darstellungen zur Bilanzierung von Vermögensgütern im Rahmen der Differenzhypothese bei RGRK-Steffen § 823 Rn. 436 ff.; JurisPK-Rüßmann § 249 Rn. 5. 414 Soergel12-Mertens Vor § 249 Rn. 41; Lange/Schiemann S. 43; v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, 411 (416 f.). 415 Lange/Schiemann S. 43. 416 Siehe nur § 249 Abs. 1 BGB: „Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.“ Dazu auch Soergel12-Mertens Vor § 249 Rn. 41; v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, 411 (417). 417 MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 24; Lange/Schiemann S. 213 f. 418 Lange/Schiemann S. 50: Die Abgrenzung zu einer Schadensgruppe ist bedeutungslos im Bereich der Restitution. 419 MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 28; Lange/Schiemann S. 50. 420 Wenn MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 29 hinsichtlich des angesprochenen Urteils des zweiten Zivilsenats von einem Vermögensschaden ausgeht (dort in Fn. 97 zitiert), bedeutet das also nicht notwendigerweise, dass damit auch ein Vermögensschaden im strafrechtlichen Sinn einhergeht. 412 413
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Belastung ist folgerichtig im Rahmen des Schadensersatzes rückgängig zu machen.421 Von diesen Grundsätzen zur Schadensfeststellung hatte zwar das Reichsgericht im Fall einer überschuldeten Person zunächst eine systemwidrige (normative) Ausnahme gemacht, da zusätzliche Schulden für einen vermögenslosen Schuldner „praktisch nichts bedeuten“ und kein „Schaden im Rechtssinne“ vorliege.422 In einem weiteren Urteil wurde das ausgeführt: §§ 249 ff. BGB würden nur vom Ersatz des Vermögensschadens handeln, so dass die Ersatzpflicht nicht weiter reiche als der Vermögensschaden des Belasteten, der nicht höher zu schätzen sei als dieser aufwenden könne.423 Das ist – zumindest aus heutiger Sicht – gleich in zweierlei Hinsicht unrichtig. Denn zum einen ist es fern liegend, §§ 249 ff. BGB auf Vermögensschäden zu reduzieren (siehe nur den Wortlaut von §§ 249 Abs. 1 oder 253 BGB). Zum anderen ist auch zur Annahme eines Vermögensschadens nicht nötig, dass der Schuldner über Vermögen verfügt, da es nur darum geht, dass der Schaden in Geld messbar ist. Zu denken ist nur an die absurden Konsequenzen, wenn das anders wäre: Wer einen Mittellosen überfährt, müsste diesem für die aufgrund der Behandlung entstandenen Verbindlichkeiten keinen Schadensersatz leisten.424 Davon hat sich der BGH also zu Recht früh abgewandt und befunden, dass „gemessen an den Maßstäben des redlichen Geschäftsverkehrs (. . .) auch dem Vermögenslosen das berechtigte Interesse nicht abgesprochen werden [kann], von dritter Seite nicht erneut belastet zu werden und nicht noch einem weiteren Gläubiger etwas zu schulden.“425 Er stellte fest, die „rein begriffliche Vorstellung“ des Reichsgerichts, dass ein Vermögensloser nicht weniger als nichts besitzen könne, werde der Bedeutung des Schadensersatzpflicht nicht gerecht.426 Jede Erhöhung der Passiven führe nämlich zu einer Differenz der Vermögenslage.427 Damit wurde das Prinzip des Zustandsvergleichs (§ 249 Abs. 1 BGB) wieder deutlich hervorgehoben. Dieser Standpunkt zur Schädigung Vermögensloser ist bis heute im Zivilrecht so gut wie unstreitig.428 421 Gemäß § 249 Abs. 1 BGB kann zunächst Naturalrestitution in Form eines Freistellungsanspruchs verlangt werden, der sich über § 250 StGB in einen Geldersatzanspruch umwandeln kann, vgl. MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 29. 422 RGZ 146, 360 (362 f.). 423 RGZ 147, 248 (251). 424 Dieses Beispiel führt Meyer JW 1934, 3258 f. zur Kritik am Reichsgericht an. 425 Grundlegend BGH NJW 1972, 1856 (1857 f.); aus jüngster Zeit siehe etwa BGH NJW 2005, 981 (982). 426 BGH NJW 1972, 1856 (1857). 427 BGH NJW 1972, 1856 (1857); ebenso BGH NJW 1986, 581 (582 f.); NJW 2004, 220 (221).
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Es ist somit deutlich geworden, dass die Idee, ein solches Vorgehen auf § 266 StGB zu übertragen, keinen Beifall verdient. Man sieht, wie gefährlich es ist, ohne kritische Reflexion Ergebnisse aus anderen Rechtsgebieten einfach zu übernehmen, nur weil sie mit ähnlich klingenden Begriffen arbeiten. Das gilt für die Strafgerichte ebenso wie auch für die Zivilgerichte, die im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB strafrechtliche Normen anwenden. Folglich können diese Stimmen für die Frage, ob eine vermögenslose Person strafrechtlich schädigungsfähig ist, außer acht gelassen werden, da sie die Grundlagen der im Straf- und Zivilrecht unterschiedlichen Schadensbegriffe verkennen. (2) Vermögensschaden bei wirtschaftlicher Betrachtung Es verbleibt sich mit den Stimmen auseinander zu setzen, die eine Erklärung suchen, welche sich am strafrechtlichen Begriff des Vermögensschadens orientiert. Zur Ermittlung des Nachteils im Sinne des § 266 StGB ist – ganz ähnlich wie bei der Saldierung im Rahmen der Differenzhypothese – ein Vermögensvergleich anzustellen und ein Schaden zu bejahen, wenn das Gesamtvermögen durch die schädigende Handlung verringert wird.429 Der entscheidende Unterschied zu § 249 Abs. 1 BGB ist der, dass allein „Vermögen“ als Gegenstand der Saldierung in Betracht kommt und im Rahmen dessen ganz herrschend nur wirtschaftlich wertvolle Positionen anerkannt werden430. Die Wertbezogenheit des Schutzgutes spiegelt sich denn auch in der Definition des Gesamtvermögens wider. Dieses wird definiert als Summe der geldwerten Güter einer Person nach Abzug der Verbindlichkeiten.431 Ein Schaden tritt dann ein, wenn der wirtschaftliche Wert des so ermittelten Gesamtvermögens nach der Tathandlung geringer ist als vorher.432 Wenn in Urteilen und Kommentaren zumeist nur auf einzelne Vermögenspositionen Bezug genommen wird, so ist das in der Regel zulässig. Denn die negative Veränderung eines Ausschnitts an Vermögenspositionen wirkt sich zugleich negativ auf das Gesamtvermögen aus. Die aufwendige Ermittlung aller anderen Ver428
Gottwald-Haas § 92 Rn. 476; MüKo-BGB-Oetker § 249 Rn. 16; PalandtHeinrichs Vor § 249 Rn. 46; RGRK-Steffen § 823 Rn. 437; Lange/Schiemann S. 213 f. 429 BGH NJW 1975, 1234 (1235); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 40; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 59; Lackner/Kühl § 266 Rn. 17. 430 Siehe nur die Ausführungen zum juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff bei Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 82; Lackner/Kühl § 263 Rn. 33; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 54. 431 BGHSt 3, 99 (102); Tröndle/Fischer § 263 Rn. 55; Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 80. 432 Tröndle/Fischer § 263 Rn. 70; Lackner/Kühl § 263 Rn. 36.
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mögenswerte wird in der Praxis deshalb vermieden, weil sich diese nicht verändert haben und somit den Schaden ohnehin nicht beeinflussen können.433 Das darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass es sich dabei nur um eine Vereinfachung handelt und an sich doch das Vermögen als Ganzes geschützt ist434. Anderenfalls würde § 266 StGB zu einem Tatbestand zum Schutz einzelner (positiver) Vermögenswerte umfunktioniert. (a) Unbegrenzte Schädigungsmöglichkeit Nun kann die Idee aufkommen, dass bei konsequenter Anwendung wirtschaftlicher Bewertungsmaßstäbe im Falle der Überschuldung überhaupt keine weitere Schädigung denkbar ist. Denn fragt man nach dem wirtschaftlichen Wert eines solchen Vermögens, so bleibt dieses wertlos, auch wenn es noch weiter verringert wird. Im Fall einer Untreue müsste das Gesamtvermögen also vor der Pflichtwidrigkeit ebenso wie danach mit einem wirtschaftlichen Wert von Null angesetzt werden. Ein negativer Saldo und damit ein Schaden ergibt sich nicht. Anhand solcher Überlegungen hat in der Tat auch der BGH einen Ausschluss der weiteren Schädigungsmöglichkeit erwogen.435 Um doch einen Schaden anzunehmen wurde dieses Ergebnis dann aber unter Rückgriff auf die Zivilrechtsprechung zu § 249 BGB korrigiert. Dass sich eine solche Bezugnahme auf die zivilrechtliche Schadensfeststellung verbietet, wurde bereits festgestellt. Obgleich die Begründung daher nicht überzeugen kann, ist es jedoch im Ergebnis richtig, auch bei Überschuldung von einer weiteren Schädigungsmöglichkeit auszugehen. Denn auch die Verursachung weiterer Schulden wirkt sich belastend für das Opfer aus. Um sich von diesen zu befreien, muss es einen entsprechenden Wert aufwenden. Auch das Freisein von Verbindlichkeiten hat also einen wirtschaftlichen Wert.436 Dieser wird mit der Belastung unabhängig von der Gesamtvermögenslage zunichte gemacht. Ferner wären auch die praktischen Konsequenzen untragbar, wenn das anders gesehen und damit Überschuldeten der Schutz der Vermögensdelikte versagt würde: Dass man solche Individuen nicht erpressen, betrügen oder im Rahmen einer Untreue schädigen können soll, wäre rechtspolitisch unerträglich. Daran kann auch die Mög433
MüKo-StGB-Hefendehl § 263 Rn. 466. Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 3; Rengier BT I § 1 Rn. 2; Wessels/Hillenkamp Rn. 489. 435 BGH NJW 1992, 250 (251) mit der Überlegung, dass eine Schädigung wirtschaftlich nicht als Nachteil für eine ohnehin nicht mehr existenzfähige GmbH anzusehen sei, da sie keinen (selbständigen) wirtschaftlichen Wert mehr besitze, sondern lediglich noch als formales rechtliches Gebilde bei der Abwicklung des Konkurses weiterbestehe. 436 Tröndle/Fischer § 263 Rn. 60. 434
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lichkeit nichts ändern, sich seiner Schulden nachträglich im Wege der Insolvenz zu entledigen. Zwar ist insbesondere bei der Belastung einer überschuldeten GmbH schon aufgrund der Insolvenzantragspflicht davon auszugehen, dass diese liquidiert wird und die Schulden nicht mehr zu erfüllen sind. Das ändert aber nichts daran, dass die GmbH zuvor mit den Verbindlichkeiten belastet wurde und diese den Zusammenbruch des Unternehmens beschleunigt oder gar erst verursacht haben. Es ist nicht statthaft, die Belastung mit der Begründung zu verneinen, dass der Schuldner nicht mehr beschwert ist, wenn er aufgrund dessen untergeht. Sollte in solchen Fällen angenommen werden, dass die Gesellschaft aufgrund der zu erwartenden Liquidation schon im Zeitpunkt der Belastung nicht geschädigt ist, würde im Extremfall der Täter aufgrund der Folgen seiner eigenen Tat entlastet. Gleiches gilt für natürliche Personen. Zudem ist bei ihnen im Tatzeitpunkt noch in hohem Maße ungewiss, ob überhaupt ein Insolvenzverfahren stattfindet, da zwar das Recht, nicht jedoch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags besteht. Demnach kann grundsätzlich auch der Vermögenslose geschädigt werden – und zwar in voller Höhe. (b) Abweichende Ansicht des BGH: Schaden nur in Höhe des unbelasteten Restvermögens Anders sieht das jedoch der vierte Strafsenat des BGH in einer jüngeren Entscheidung. Er hat die nicht unproblematische Schädigungsmöglichkeit zwar grundsätzlich (diskussionslos) angenommen, dann aber die Schadenshöhe doch anhand wirtschaftlicher Erwägungen begrenzt. Da der Wert einer Forderung gegen eine GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung abnehme, wenn diese überschuldet sei, müsse umgekehrt wegen der Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen gleiches auch für deren Schaden gelten, falls keine Besserung in Sicht sei.437 Werde die Untreue nicht durch eine Verminderung des Aktivvermögens der GmbH, sondern durch eine Belastung mit einer Verbindlichkeit begangen, könne dementsprechend ein Vermögensschaden nur in Höhe des Betrages angenommen werden, in dem die GmbH noch über unbelastetes Vermögen einschließlich konkreter Erwerbsaussichten verfüge.438 Die darüber hinausgehende Belastung sei für die Bewertung der Vermögenssituation des ohnehin überschuldeten Unternehmens und damit auch für die Strafzumessung ohne Belang. Mit Blick darauf, dass oftmals die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG im Rahmen einer Untreue betroffen ist, handelt es sich hierbei um eine wichtige Aussage. Aufgrund der großen Praxisrelevanz der Untreue 437 438
BGH NStZ 1999, 557 (558). BGH NStZ 1999, 557 (558).
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zum Nachteil einer GmbH verwundert es, dass diese Rechtsprechung soweit ersichtlich bislang auf kein Echo gestoßen ist. Da pflichtwidrige Zugriffe auf Gesellschaftsvermögen nämlich sehr häufig in der Krise des Unternehmens stattfinden, wird der Befund des BGH in vielen Fällen eine Rolle spielen und zu einer Begrenzung oder gar einem Ausschluss des Schadens führen. Inhaltlich kann der vom BGH gegangene Zwischenweg – einerseits Schädigungsmöglichkeit, andererseits Begrenzung auf das Aktivvermögen – jedoch gleich aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Zunächst ist es irreführend, wenn der BGH eine Begrenzung der Schadenshöhe aufgrund der „beschränkten Haftung der GmbH auf ihr Vermögen“ annimmt und damit (unbeschränkt haftende) natürliche Personen offenbar anders behandeln will. Denn der erkennende Senat verkennt schlicht GmbH-rechtliche Grundlagen, wenn er eine Begrenzung der Schädigungsfähigkeit mit deren besonderer „Haftungsbeschränkung“ zu begründen versucht. Eine GmbH haftet nämlich zwar „nur“ mit ihrem Vermögen für ihre Verbindlichkeiten (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Das ist jedoch alles, was sie hat. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung haftet also keineswegs beschränkt, sondern vielmehr unbeschränkt mit ihrem ganzen Vermögen.439 Die Bezeichnung „mit beschränkter Haftung“ bedeutet nicht (wie offenbar der BGH meint), dass die Gesellschaft besondere Haftungsprivilegien genießt, sondern dass die dahinter stehenden Gesellschafter keiner persönlichen, über ihre Beiträge zur Gesellschaft hinausgehenden, Haftung ausgesetzt sind.440 Eine GmbH hat demnach nicht anders als jede natürlich Person für ihre Verbindlichkeiten einzustehen.441 Der Eindruck, dass es sich um eine GmbH-spezifische Fallgestaltung handelt, wird also zu Unrecht erweckt. Eine Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten. Aber auch die weitere Argumentation des Senats vermag nicht zu überzeugen. Die Begrenzung der Schadenshöhe wird nämlich damit begründet, dass gerade wegen der Haftungsbeschränkung die Forderungen gegen den Schuldner weniger wert sind, wenn dieser überschuldet ist. Der Senat hat zwar insoweit Recht, als dass sich bei wirtschaftlicher Betrachtung der Wert einer Forderung in solchen Situationen verringert. Das liegt aber schlicht daran, dass in derartigen Fällen die Wahrscheinlichkeit abnimmt, dass eine Forderung noch erfüllt wird. Auch das ist bei natürlichen Personen nicht 439
Siehe nur BGHZ 110, 342 (357); Roth/Altmeppen-Altmeppen § 13 Rn. 65; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich § 13 Rn. 8. 440 Roth/Altmeppen-Altmeppen § 13 Rn. 66. 441 Unzutreffend ist es daher, wenn Tröndle/Fischer § 266 Rn. 58 unter Bezugnahme auf das in Rede stehende Urteil ebenfalls von einer Haftungsbeschränkung der GmbH sprechen.
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anders, wenn diese in eine Vermögenskrise geraten und keine Besserung in Sicht ist. Dies zeigt erneut, dass der irrtümlich angenommenen „Haftungsbeschränkung“ keine Bedeutung zukommt und dass sie als Begründung für eine Abnahme des Werts der Forderungen zudem überflüssig ist. Auf Basis dieses Vorgehens wären vermögenslose natürliche wie juristische Personen hinsichtlich weiterer Belastungen gleichermaßen schutzlos gestellt.442 Es könnte stets geltend gemacht werden, dass die Forderung wirtschaftlich nichts wert ist und damit die Opfer nicht belastet sind. Dass ein solches Ergebnis schon aus rechtspolitischen Gründen abzulehnen ist, wurde soeben bereits dargestellt. Infolgedessen sieht sich denn auch der BGH in derselben Entscheidung zu inkonsequenten Korrekturen veranlasst. Die logische Konsequenz des postulierten Gleichlaufs von Werthaltigkeit der Forderung und Schädigungsmöglichkeit wäre die, dass im Fall einer Überschuldung jeder weitere Nachteil ganz (oder jedenfalls oberhalb der zu erwartenden Insolvenzquote) abzulehnen wäre. Dennoch meint der Senat, dass ein Schaden in Höhe des unbelasteten Restvermögens einschließlich konkreter Erwerbsaussichten doch möglich sein soll.443 Nach den vorangegangenen Überlegungen mutet dieser nicht weiter begründete Satz fast schon zusammenhangslos an. Denn es bleibt völlig unerklärlich, warum nun auf einmal doch eine Schädigung möglich sein soll und wie eine Begrenzung der Schadenshöhe ausgerechnet auf das Aktivvermögen zustande kommt: Weder ist die einzelne, pflichtwidrig herbeigeführte Forderung in Höhe des verbliebenen Aktivvermögens noch werthaltig (die restlichen positiven Vermögenswerte müssen vielmehr zur Deckung aller Passiva gleichermaßen verwendet werden), noch muss der Schuldner davon ausgehen, dass er die zusätzliche Verbindlichkeit vollständig wird erfüllen können. Um eine Schutzlosigkeit zu vermeiden, wird also das Ergebnis doch wieder von der zuvor aufgestellten Prämisse des Gleichlaufs von Werthaltigkeit und Schädigungsmöglichkeit abgekoppelt. Das wird besonders deutlich, wenn man sich eine Situation vorstellt, in der eine überschuldete Person mit zwei Forderungen pflichtwidrig belastet wird, wobei die eine höher ist als das Restvermögen und die andere darunter liegt. Die darüber liegende müsste zu einem Schaden nur in Höhe des Restvermögens, die darunter liegende aber zu einem Schaden in Höhe ihres vol442 Eine generelle Straffreiheit bei Überschuldung befürchten mit Blick auf dieses Urteil auch Tröndle/Fischer § 266 Rn. 58. Dabei wird jedoch übersehen, dass der BGH aufgrund der sogleich erörterten Korrektur genau das Gegenteil sagt: Eine Schädigung in Höhe des Restvermögens soll auch dann möglich sein, wenn die Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva keinen positiven Saldo ergibt. Das Argument einer ungerechtfertigten Straffreiheit kann demnach allein für den Fall gelten, in dem kein Restvermögen vorhanden ist. Das ist freilich bedenklich genug. 443 BGH NStZ 1999, 557 (558).
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len Nennwertes führen können. Und das, obwohl das Aktivvermögen nur zur Bedienung einer der zwei Forderungen eingesetzt werden kann und die Summe der Forderungen das Restvermögen übersteigen. Mit einer an sich bei allen Forderungen gleichermaßen vorzunehmenden Wertberichtigung hat das also ebenso wenig zu tun wie mit einem Blick auf das insgesamt zur Schuldentilgung noch vorhandene Vermögen. Zudem ist der Blick auf das verbliebene Restvermögen mit dem bisherigen Verständnis des Schutzguts „Vermögen“ unvereinbar. Bisher wurde das Angriffsobjekt als Saldo aus Aktiva und Passiva definiert.444 Der vierte Strafsenat funktioniert die Untreue hingegen zu einem Delikt zum Schutz bestimmter, frei verfügbarer Aktivposten um. Dadurch gerät das bisherige Rechtsgutsverständnis der Vermögensdelikte im engeren Sinne und damit einer ganzen Deliktskategorie ins Wanken. Schließlich bleiben nach dieser Rechtsprechung zumindest juristische445 Personen jedenfalls dann strafrechtliches Freiwild, wenn sie über kein Restvermögen mehr verfügen. Denn in derartigen Fällen greift auch die Verlegenheitskorrektur des BGH nicht mehr. Folglich ist es weder gerechtfertigt, die Schadenshöhe überhaupt zu beschränken, noch ein Grund dafür ersichtlich, warum es ausgerechnet auf die Höhe des Restvermögens ankommen soll. Diese Rechtsprechung ist daher sowohl von den Ergebnissen als auch von der Begründung her abzulehnen. Es bleibt dabei, dass eine Schädigung durch Erhöhung der Passiva stets in voller Höhe möglich ist. Das gilt dann auch für den hier in Rede stehenden Gefährdungsschaden wegen möglicher Inanspruchnahme. c) Schaden durch negative Beeinflussung der Vermögensrechte Als letzte Schadensposition wird ein Gefährdungsschaden aufgrund einer negativen Beeinflussung der Vermögensrechte in Betracht gezogen. Durch die Verringerung des Gesellschaftsvermögens fallen die Kapitalkonten der jeweiligen Gesellschafter entsprechend ihrer Gewinn- und Verlustbeteiligung niedriger aus, als sie ohne die Pflichtwidrigkeit ausgefallen wären. Das führt im positiven Bereich zu niedrigeren Gewinnentnahmemöglichkeiten beziehungsweise zu einem niedrigeren Auseinandersetzungsguthaben und im negativen Bereich zu einer höheren Nachschusspflicht im Falle der Auflösung. Wer hieran anknüpft, der übergeht zwar die gesellschaftsrechtliche Zuordnung des primär geschädigten Sondervermögens. Denn über die 444 BGHSt 3, 99 (102); Tröndle/Fischer § 263 Rn. 55; Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 80. 445 Dass auch dieser Beschränkung ein unzutreffendes Verständnis der GmbH zugrunde liegt wurde soeben erörtert. An sich müsste der BGH daher seine Rechtsprechung auch auf natürliche Personen anwenden.
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Kapitalkonten werden ja gerade nur rechnerisch die Rechte der einzelnen Mitglieder in Bezug auf das Gesamtvermögen wertmäßig quantifiziert – eben weil es einen echten Anteil des Einzelnen nicht gibt. Ein solches Vorgehen ist also bei gleichzeitiger Berufung auf die Zivilrechtsakzessorietät wiederum widersprüchlich. Es liefert aber wenigstens eine gesicherte Grundlage zur Kalkulation der gewünschten anteiligen Schädigung und entspricht durchaus dem Anliegen der herrschenden Ansicht im Strafrecht. Freilich ist zu dieser Art der Ermittlung des Werts der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen anzumerken, dass die Basis dafür stets der Anteil am Reinvermögen ist, der sich bei Auflösung realisieren ließe, der Goodwill also keine Berücksichtigung findet. Wenn der Schaden mit dieser Methode auf den Einzelnen heruntergebrochen wird, kann es dabei stets nur um den Minderwert der Summe gehen, die der Gesellschafter bei einer Abwicklung erhalten würde beziehungsweise die er sogar nachschießen muss, nicht aber um eine umfassende Betrachtung der Entwicklung des Marktwerts des Gesellschaftsanteils insgesamt vor und nach der Pflichtwidrigkeit. Grundlage der Kalkulation ist also allein der (rechnerische) Anteil am Substanzwert der Gesellschaft. Das besonders Bequeme an einer Schadensermittlung anhand der Kapitalanteile ist jedoch, dass sie geeignet sind, die Gesamtsituation der Gesellschafter in der Gesellschaft darzustellen. In den Kapitalanteilen wird nämlich das Reinvermögen verwaltet, das heißt Aktiva wie Passiva werden verrechnet. Die mögliche anteilige Haftungsverpflichtung der Gesellschafter wird also neben dem Wertanteil am Aktivvermögen gleich mitberücksichtigt: Ist der Kapitalanteil positiv, verfügt der Gesellschafter insgesamt noch über in der Gesellschaft gebundenes Kapital. Ist er negativ, hat er nach dem momentanen Stand seiner Vermögensrechte etwas nachzuschießen – entweder an Gläubiger oder zur Auszahlung anderer Gesellschafter. Zu beachten ist dabei freilich, dass auch die negativen Kapitalkonten sich in der Liquidation durch die Aufdeckung stiller Reserven oder Verluste noch einmal verändern können, so dass bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe der Konten nicht notwendigerweise der Summe der Haftungsverpflichtung oder des Auseinandersetzungsguthabens entspricht. Jedoch sind auch solche Veränderungen immer absoluter Natur. Die Verringerung des positiven oder negativen Kontos durch die Tathandlung entspricht bei persönlich haftenden Gesellschaftern also stets dem Betrag, den der jeweilige Gesellschafter weniger bekommt beziehungsweise mehr nachschießen muss. Als problematisch hat sich allein die Berechnung der Schädigung der Kommanditisten herausgestellt.446 Das Vorgehen des BGH kann diesbezüg446
Siehe oben unter C. IV. 1. c) cc) (2).
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lich nicht überzeugen. Persönlich haftende Gesellschafter sind nur deshalb ab dem Zeitpunkt der Verringerung des Gesellschaftsvermögens unabhängig von der weiteren Entwicklung des Vermögens betroffen, weil sie positiv wie negativ am Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft teilnehmen. Für die Kommanditisten gilt das nicht. Denn sie nehmen nur in positiver Hinsicht tatsächlich an der Entwicklung des Gesellschaftsvermögens teil. Für Verbindlichkeiten, dargestellt durch negative Kapitalkonten, haben sie lediglich rechnerisch einzustehen. Anders als etwa der Komplementär werden sie durch eine weitere Verringerung/einen nicht erfolgten Ausgleich im Zeitpunkt der Tat nicht geschädigt. Einen Nachteil kann man nur dann annehmen, wenn die zukünftige Entwicklung mit einbezogen wird. Das tut denn auch der BGH, wenn er einen Gefährdungsschaden darin sieht, dass durch die Belastung der negativen Kapitalkonten die Aussicht darauf vereitelt wird, dass diese in absehbarer Zeit wieder ausgeglichen werden oder gar in den positiven Bereich gelangen.447 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass schon im Zeitpunkt der Tat die Aussicht auf ein entsprechendes späteres Guthaben zunichte gemacht wird, da alle zukünftigen Gewinnanteile zunächst zum Ausgleich der negativen Konten verbucht werden müssen, bevor für den Kommanditisten wieder eine vermögenswerte Position entsteht. Richtig ist an dieser Vorgehensweise zunächst, dass der maßgebliche Zeitpunkt zur Schadensermittlung der der Vornahme der schädigenden Handlung ist.448 Das bedeutet, dass sowohl positive als auch negative nachträgliche Veränderungen der Vermögenslage grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben.449 Ansonsten wäre einer grenzenlosen Spekulation über die zukünftige Entwicklung des Opfervermögens Tür und Tor geöffnet.450 Anders kann es nur dann sein, wenn die jeweilige zukünftige Entwicklung schon im relevanten Zeitpunkt der Tat einer (positiven oder negativen) Vermögensposition gleichkommt.451 Zur Erfassung zu erwartender negativer Positionen hat sich die Figur des Gefährdungsschadens entwickelt, zur Erfassung positiver die der vermögenswerten Exspektanz. 447
BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6; wobei hinsichtlich der fehlenden Aussicht, dass Kommanditisten „Gewinne zugewiesen“ würden, wohl das Erreichen eines Guthabens gemeint ist; vgl. Fn. 306. 448 Zu § 263 StGB (Zeitpunkt der Vermögensverfügung): BGHSt 30, 388 (389 f.) („Wie sich die Dinge später entwickeln, ist für die strafrechtliche Wertung gleichgültig“); NStZ 1999, 353 (354); LK-Tiedemann § 263 Rn. 161; MüKo-StGB-Hefendehl § 263 Rn. 454; anders ist das etwa im Zivilrecht, siehe v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, 411 (417). 449 LK-Tiedemann § 263 Rn. 162; MüKo-StGB-Hefendehl § 263 Rn. 454. 450 Man denke nur an die Rechtsunsicherheiten beim (pflichtwidrigen) Kauf oder Verkauf einer Aktie oder eines Loses oder bei Vornahme eines Risikogeschäftes; siehe dazu m. w. N. LK-Tiedemann § 263 Rn. 162. 451 MüKo-StGB-Hefendehl § 263 Rn. 454.
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Im Hinblick auf die Schädigung des Kommanditisten ist es daher richtig, eine Schädigung im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung insoweit anzunehmen, wie seine Rechte in Bezug auf das Gesamtvermögen werthaltig sind (dargestellt durch einen positiven Kapitalanteil). Die nachträgliche Möglichkeit, dass durch eine spätere Entwicklung das Konto ins Minus rutscht und so auch ohne die vom Täter hervorgerufene Verminderung kein werthaltiges Vermögensrecht mehr besteht, ist daher irrelevant. Anders kann es ausnahmsweise nur dann sein, wenn diese Entwicklung schon so absehbar ist, dass sie einer negativ anzusetzenden Vermögensposition entspricht. Ist andersherum der Kapitalanteil im Zeitpunkt der Tat bereits negativ oder wird er durch die Tat negativ, scheidet eine Schädigung insoweit grundsätzlich aus, da in diesem Moment kein werthaltiges Vermögensrecht des Kommanditisten betroffen ist. Es sei denn, dass durch die Tat eine Entwicklung verhindert wird, die schon in diesem Zeitpunkt so konkret absehbar war, dass sie einer positiven Vermögensposition gleich kam. Wenn der BGH nun davon ausgeht, dass ein Schaden darin zu sehen ist, dass durch die Verringerung des Gesellschaftsvermögens die Aussicht der Kommanditisten auf eine zukünftige Vermögensposition (dargestellt durch Erlangung eines positives Kapitalkontos) zunichte gemacht wird, muss also gefragt werden, ob diese Aussicht bereits so konkret war, dass sie schon im Zeitpunkt der Tat zum positiven Vermögen gehörte.452 Der BGH spricht in diesem Zusammenhang von einem Gefährdungsschaden. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass damit überhaupt auf die richtige strafrechtliche Kategorie zurückgegriffen wird. Denn um einen Gefährdungsschaden geht es immer dann, wenn untersucht wird, ob das Vermögen schon jetzt als vermindert gelten kann, weil die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Verlustes hinreichend konkret ist. Nicht das Bestehen der Vermögensposition, sondern die Wahrscheinlichkeit des Verlusts ist in solchen Fällen also zu thematisieren. Vorliegend geht es aber nicht darum, ob die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes hinreichend konkret ist (das wäre aufgrund der zu erwartenden Buchungsmodalitäten ganz sicher), sondern vielmehr darum, ob mit der zukünftigen Aussicht auf einen positiven Kapitalanteil überhaupt eine hinreichend konkrete positive Vermögensposition besteht, die zunichte gemacht werden könnte. Die Fragestellung entspricht damit vielmehr der nach der Existenz einer vermögenswerten Exspek452
Wenn laut Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 82 im Zivilrecht die Schädigungsmöglichkeit auch von Kommanditisten mit negativem Konto grundsätzlich zu bejahen ist, weil diese „vom Erreichen eines positiven Stands weiter entfernt werden“, liegt dem wiederum ein vom Strafrecht abweichendes Schadensverständnis zugrunde („Zustandsveränderung“), das sich auf das strafrechtliche Erfordernis einer Vermögensminderung nicht ohne Weiteres übertragen lässt. Siehe zu den Schadenbegriffen ausführlich oben C. VII. 4. b) bb) (1).
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tanz.453 Mit dieser Feststellung soll keineswegs dem ohnehin oft übertriebenen Denken in Kategorien Vorschub geleistet werden – zumal die angesprochenen Problemkreise ganz ähnlich sind454. Die richtige Zuordnung kann jedoch helfen, die zu behandelnde Frage richtig und präzise zu stellen. Es ist also zu klären, ob ein Schaden der Kommanditisten aufgrund der Vernichtung einer bereits vermögenswerten Exspektanz vorliegt. Das ist nur dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Tat die Aussicht auf die positive Vermögensposition als gesichert anzusehen war, während eine allgemeine, unbestimmte Hoffnung, einen Vermögenswert zu erlangen, nicht reichen soll.455 Freilich handelt es sich dabei um eine ausfüllungsbedürftige Generalklausel, bei der Abgrenzungsschwierigkeiten vorprogrammiert sind.456 Es bleibt also Sache der tatrichterlichen Überzeugung im Einzelfall, ob der Sachverhalt den Schluss auf eine derartige, von einer hohen Wahrscheinlichkeit getragene Position zulässt, wobei gewisse Orientierungspunkte durch die Bildung von Fallgruppen gegeben werden können457. Bei einem Vergleich dieser Anforderungen mit dem Vorgehen des BGH ist jedenfalls eines klar: Der pauschal vorgenommenen Annahme eines „Gefährdungsschadens“ bei jeder weiteren Belastung negativer Kapitalkonten mangelt es an jedem Wahrscheinlichkeitselement. Wenn der BGH zur Begründung des „Gefährdungsschadens“ besonders betont, dass der Entzug etwaiger Gewinne zur Erfüllung der erhöhten Kaufpreisforderungen zu erwarten gewesen sei,458 so verschleiert er damit nur die eigentlich relevante Frage. Denn für einen Schaden aufgrund der Vereitelung einer zukünftigen Vermögensposition wäre zu klären gewesen, ob derartige, zu einer solchen Position führende Gewinne überhaupt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten wa453 Siehe nur die Beschreibung dieses Problemkreises bei LK-Tiedemann § 263 Rn. 135; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 46. 454 In beiden Fällen geht es darum, die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Verlusts einer Vermögensposition festzustellen. Nur ist im einen Fall die Existenz der Vermögensposition (Exspektanz) und im anderen Fall deren Verlust (Gefährdungsschaden) fraglich. 455 BGH NJW 1983, 1807 (1808); OLG Bremen NStZ 1984, 228 (229); Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 60; LK-Tiedemann § 263 Rn. 135; Schönke/Schröder-Lenckner/ Perron § 266 Rn. 46; MüKo-StGB-Hefendehl § 263 Rn. 340 ff. 456 Siehe nur die Terminologie in den vorstehenden Nachweisen zur Bestimmung der notwendigen Verlustwahrscheinlichkeit: „große Wahrscheinlichkeit“ / „bloße Wahrscheinlichkeit“ / „begründete Aussicht“ / „mit Sicherheit.“ Zu Recht weist MüKo-StGB-Hefendehl § 263 Rn. 341 darauf hin, dass jedenfalls dem häufig benutzten Konkretisierungsversuch, der Position müsse bereits ein wirtschaftlicher Wert zukommen, ein Zirkelschluss zugrunde liegt und daher auch dieser wenig hilft. Denn um die Frage nach dem wirtschaftlichen Wert geht es ja gerade. 457 Siehe nur die Aufzählungen bei LK10-Lackner § 263 Rn. 135. 458 BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6.
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ren, nicht jedoch, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese dann verbraucht und nicht zur Mehrung der Kapitalkonten genutzt werden können. Es wird deutlich, dass der zweite Senat durch das Verwechseln der Kategorien „Gefährdungsschaden“ und „Exspektanz“ tatsächlich die falsche Frage behandelt. Wenn so vorgegangen wird und die Gewinnwahrscheinlichkeit offen bleibt, wird § 266 StGB insoweit zu einem Gefährdungsdelikt – ein Ergebnis, das mit dem Wortlaut des Tatbestands nicht zu vereinbaren ist. Richtigerweise ist also zu fragen, ob mit der für eine Exspektanz notwendigen Sicherheit zur Tatzeit ein Gewinn der Gesellschaft erwartet werden kann, der so hoch ist, dass er ohne die pflichtwidrige Verringerung des Gesellschaftsvermögens zu einem positiven Kapitalkonto der Kommanditisten geführt hätte. Anderenfalls wurde eine nur unsichere Chance vereitelt, die zur relevanten Zeit nicht den Status eines Vermögenswertes hatte. Gegenstand der Exspektanz ist also die Aussicht auf einen positiven Kapitalanteil. Nur in dessen Höhe kann dann ein Schaden der Kommanditisten angenommen werden; gegebenenfalls sind Mindestfeststellungen zu treffen. Nun ist die Gewinnaussicht naturgemäß in hohem Maße von der individuellen Situation des Unternehmens und allerlei anderen Faktoren abhängig, die schwer zu prognostizieren sind. Insofern wird es kaum möglich sein, eine hinreichend sichere Prognose zu treffen, ob und vor allem in welcher Höhe eine Gewinngutschrift zu erwarten war. Jedoch wird in der Rechtsprechung auch ohne Rückgriff auf die im Einzelfall zu ermittelnde Wahrscheinlichkeit des Gewinns schon aus dem Bestehen eines festen Kundenstamms eine hinreichend konkretisierte Gewinnchance abgeleitet, auch wenn noch keine vertraglichen Bindungen bezüglich künftiger Geschäftsabschlüsse bestehen.459 Dabei ging es jedoch um Sachverhalte, in denen der Kundenstamm beeinträchtigt wurde und sich nur die Frage stellte, ob in diesem überhaupt ein Vermögenswert in Form einer Gewinnaussicht zu erblicken ist. Es wurde dann jeweils nur festgestellt, dass daraus eine Exspektanz erwächst, nicht jedoch ihr genauer Wert bestimmt – wie könnte man auch. Die tatsächliche Schadenshöhe blieb also offen. Das ist mit Blick auf das Erfordernis einer Schuldangemessenheit der Strafe, die insbesondere auch von der Schadenshöhe abhängt, schon bedenklich genug. Aber immerhin meinte man sagen zu können, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist. Denn egal wie wenig die Gewinnexspektanz wert war, in ihrer Vernichtung läge stets ein Schaden. Die hier zu entscheidenden Fälle sind jedoch noch anders gelagert. Denn es kommt über die bloße Feststellung einer sicheren Gewinnaussicht des Unternehmens hinaus auch darauf an, inwieweit diese in ihrer Höhe ausreicht, um 459
RGSt 26, 227 (228 f.); BGH NJW 1975, 1234 (1235); LK-Tiedemann § 263 Rn. 135; LK10-Lackner § 263 Rn. 135; Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 221 ff.
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den negativen Wert des Kapitalkontos auszugleichen und damit dem Kommanditisten eine Gewinnaussicht zu verschaffen. Gegenstand der Exspektanz ist also nicht der Unternehmensgewinn, sondern erst die Aussicht, dass dadurch ein positiver Vermögenswert (dargestellt durch ein positives Kapitalkonto) für den Einzelnen entsteht. Anders als in den entschiedenen Konstellationen ist also die Frage der – sonst offen gelassenen – Gewinnhöhe schon für das „Ob“ des Schadens relevant. Es müsste also der allgemeinen Aussicht, aus dem festen Kundenstamm Profit zu ziehen, im Zeitpunkt der Tat mit hinreichender Sicherheit ein Wert zugewiesen werden können, der den Gewinnanteil des Kommanditisten derart erhöht hätte, dass ohne die Verringerung des Gesellschaftsvermögens ein positiver Kapitalanteil zu erwarten war. Steht das Kapitalkonto etwa vor der Tat auf –10 und wird durch eine Entnahme des Täters auf –50 gedrückt, so reicht es nicht, dass irgendwelche Gewinne zu erwarten waren, sondern es muss ein Gewinnanteil des Kommanditisten in einer Mindesthöhe von über 10 zu erwarten gewesen sein, da nur insoweit ein positiver Wert vereitelt worden wäre. Wenn schon die Annahme einer konkreten Vermögensposition aufgrund eines festen Kundenstammes sehr fragwürdig ist, so muss es umso zweifelhafter sein, dieser auch noch mit hinreichender Sicherheit eine bestimmte Höhe zuzusprechen. Konstellationen, in denen eine derartige Prognose gelingen kann, sind kaum denkbar, zumal Zweifel zu Gunsten des Täters zu berücksichtigen sind. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass die Tatsache, dass die Kapitalkonten der Kommanditisten im Minus sind, schon einmal per se als Indiz gegen das Bestehen günstiger Geschäftsaussichten und damit Gewinnchancen spricht. Denn entweder ist das verfügbare Kapital durch eine schon zuvor schlechte Geschäftsentwicklung oder aber durch einen exzessiven Vermögensentzug durch den Täter aufgezehrt worden. Beides deutet auf das Vorliegen einer Krise hin. Damit muss nicht notwendigerweise ausgeschlossen sein, dass trotz dessen noch ein Gewinn erwirtschaftet werden kann. Zur Annahme eines Schadens hilft jedoch auch das kaum etwas. Denn es geht ja nicht (negativ) um den sicheren Ausschluss einer Gewinnaussicht, sondern (positiv) um die Feststellung dass diese zur Zeit der Tat höchst wahrscheinlich war – und darüber hinaus hoch genug. In den allermeisten Fällen wird das Vorliegen eines derartigen, sicheren Gewinns schon wegen der durch die Kontenlage indizierten schlechten Verfassung des Unternehmens auszuschließen sein. Ein Nachteil der Kommanditisten im Zeitpunkt der Tat muss damit in der Regel insoweit ausscheiden, als dass deren Kapitalanteil negativ ist oder durch die Tat wird. Wohlgemerkt bedeutet das nicht, dass insgesamt kein Schaden vorliegt, sondern vielmehr nur, dass anstelle der Kommanditisten insoweit die Komplementäre zusätzlich belastet sind. Falls diese selbst Täter sind, ist zwar insoweit kein untreuerelevanter Schaden gegeben.
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Ein solches Ergebnis ist aber keinesfalls unbillig, denn immerhin sind sie dann die einzigen, die für die durch ihre Tat verursachten Fehlbeträge auch tatsächlich einzustehen haben. d) Verhältnis der Schadensposten zueinander Es wurde bereits festgestellt, dass sich weder der BGH noch die Literatur die Mühe gemacht haben, auch nur die Voraussetzungen der einzelnen Schadensposten hinreichend zu konkretisieren. Auf die Spitze getrieben wird die Rechtsunsicherheit aber dadurch, dass unklar ist, in welchem Verhältnis die Schadensposten zueinander stehen. Die Urteile des BGH sind offensichtlich weniger von systematischen Erwägungen getragen, sondern vielmehr vom Bestreben, im Einzelfall zum gewünschten Ergebnis zu kommen. So wird meist nur der Schadensposten thematisiert, mit dessen Hilfe sich im individuellen Fall ein Nachteil begründen lässt. Die Literatur beschränkt sich darauf, die Einzelentscheidungen fragmentarisch und unvollständig wiederzugeben und vermeidet jede darüber hinausgehende Aussage, die einer Systembildung dienlich wäre.460 Jedenfalls lassen sich zwei Entscheidungen so verstehen, dass sowohl die Verkürzung von Vermögensrechten als auch die anteilige Schädigung anhand der Einlageleistungen neben den Gefährdungsschaden aufgrund möglicher Inanspruchnahme treten sollen.461 Ein solches Vorgehen führt jedoch zu nicht überzeugenden Ergebnissen. Denn je nach Konstellation kann dem Täter durch die Summierung der Schadenssummen eine Nachteilshöhe zur Last gelegt werden, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht in Einklang zu bringen ist. Man stelle sich nur folgenden, ganz typischen Fall vor: A und B haben eine OHG gegründet, beide eine Einlage von 100.000 Euro geleistet und sich auf eine Gewinn- und Verlustverteilung zu gleichen Teilen geeinigt. Durch Verluste der Vorjahre und Entnahmen sind die Kapitalkonten auf jeweils 0 Euro geschrumpft. Da sich ein Zusammen460 Siehe nur Krekeler, Verteidigung, S. 102, der einen Schaden dann annehmen will, wenn die Haftung des Gesellschafters eingreift „oder“ der Gewinnanteil verkürzt wird. Offen bleibt, was gelten soll, wenn nach beiden Methoden ein Schaden vorliegt. Auch Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 26 thematisiert den Haftungsschaden nur in Bezug auf den Komplementär und die Verkürzung des Gewinnanteils nur für den Kommanditisten. Nach Tröndle/Fischer § 266 Rn. 57 kann eine Komplementär-GmbH grundsätzlich anteilig geschädigt sein; falls diese „nur Geschäftsführerin ist“ (gemeint ist wohl: ohne mit einer Einlage beteiligt zu sein), so komme ein Nachteil aufgrund der Haftung in Betracht. Man fragt sich, warum ein Gefährdungsschaden für die Inanspruchnahme nicht auch in den Fällen herangezogen wird, in denen die GmbH eine Einlage geleistet hat. Denn an der Haftung ändert sich dadurch in keinem Fall etwas. 461 Siehe dazu oben C. IV. 2.
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bruch des Unternehmens abzeichnet und A finanziell in Schwierigkeiten ist, überweist er sich die letzten Barreserven in Höhe von 50.000 Euro auf sein Privatkonto und verbraucht diese für sich selbst. Die herrschende Ansicht würde B als geschädigt ansehen. Da Freistellungsansprüche weder gegen die Gesellschaft noch gehen A realisierbar sind, wäre B schon in Höhe der vollen 50.000 Euro aufgrund zu erwartender Inanspruchnahme geschädigt, wenn entsprechende Forderungen existieren. Jede weitere Schadensposition führt zu einem über dem entzogenen Betrag liegenden Nachteil. Tritt etwa die anteilige Schädigung im Verhältnis der Einlageleistungen daneben,462 kämen 50.000 Euro : 2 = 25.000 Euro hinzu. Der Gesamtschaden läge dann schon bei 75.000 Euro. Gleiches gilt, wenn die Bewegung auf den Kapitalkonten zur Ermittlung der Verkürzung der Vermögensrechte herangezogen wird: Die von A begangene Untreue hat zu einer Verkürzung des Jahresergebnisses um 50.000 Euro geführt. Wäre normalerweise ein Jahr ohne Gewinne oder Verluste zu erwarten gewesen, entstünde nun ein Verlust, von dem 25.000 Euro auf B entfallen. Sein Kapitalkonto verringert sich auf –25.000 Euro. Soll die oben ermittelte Haftung neben die Verkürzung der Vermögensrechte treten,463 so ergäbe sich ebenfalls ein Schaden von 75.000 Euro464 beziehungsweise gar von 100.000 Euro, wenn davon ausgegangen wird, dass der an sich von A zu tragende Fehlbetrag in Höhe von ebenfalls 25.000 Euro auch noch von B geschultert werden muss, da von A nichts zu holen ist. Berücksichtigt man gar alle drei Positionen nebeneinander, ergibt sich trotz des Entzugs von nur 50.000 Euro ein Schaden von 125.000 Euro.465 Mit dem Schuldprinzip ist es unvereinbar, dem Täter derartige, durch die Konzeptionslosigkeit der Berechnungsmodalitäten zustande gekommene Beträge zur Last zu legen. Der Grund für solche offensichtlich nur rechnerischen Mehrbeträge liegt darin, dass dieselbe Position doppelt und dreifach berücksichtigt wird, da die einzelnen Schadensposten nicht aufeinander abgestimmt sind und sich inhaltlich überschneiden. Den Buchungen auf den Kapitalkonten liegt nämlich eine rechnerische Darstellung des Reinvermögens zugrunde, so dass die Gefahr der Inanspruchnahme (abgebildet durch negative Konten) ebenso schon berücksichtigt wird wie die Verringerung des (Wert-)Anteils am Gesellschaftsvermögen (dargestellt durch die Kontobewegung an sich), die wohl durch die anteilige Schädigung anhand des Verhältnisses der Einlageleistungen ermittelt werden soll. Werden diese Positionen daneben 462
So wohl in BGH NStZ 1987, 279. So wohl BGH, Beschluss v. 02.10.1981, 2 StR 544/81, S. 6. 464 50.000 Euro wegen der Gefahr der Inanspruchnahme und 25.000 Euro wegen der Verursachung des negativen Kapitalkontos. 465 50.000 Euro wegen der Gefahr der Inanspruchnahme, 25.000 Euro wegen der anteiligen Schädigung, 50.000 Euro wegen der Verkürzung der Vermögensrechte. 463
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angesetzt, fließt derselbe Schaden mehrfach in die Berechnung ein. Aber auch die anteilige Schädigung und die Gefahr der Haftung überschneiden sich schon. Denn wenn der Schädigungsbetrag aufgeteilt wird, ist damit gleichzeitig die Verringerung der Haftungsmasse erfasst, für die der Gesellschafter zusätzlich einstehen muss,466 falls keine Freistellung zu erlangen ist. Dieselbe Auswirkung geht dann sogar ein drittes Mal in die Kalkulation ein. Es wird deutlich, dass die Schadensberechnung so jedenfalls nicht durchgeführt werden kann. Wenn die herrschende Ansicht im Strafrecht auf das Individualvermögen der einzelnen Gesellschafter blickt, so macht es zur Schadenskalkulation am ehesten Sinn, allein auf das dafür vorgesehene gesellschaftsrechtliche System zur Verwaltung der (rechnerischen) Vermögensanteile über die Kapitalkonten zurückzugreifen. Dieses dient ja gerade dem Zweck, die Auswirkungen von Veränderungen des Sondervermögens auf die Gesellschafter umfassend darzustellen.467 Gerade diese Möglichkeit hat jedoch in Literatur und Praxis bislang am wenigsten Beachtung gefunden. Das mag daran liegen, dass das System der Kapitalkonten weder in seiner dogmatischen Bedeutung noch in seiner Handhabung leicht zugänglich ist. Die ebenfalls in Betracht gezogenen Schadenspositionen (Haftungsgefahr und anteilige Schädigung) sind daneben überflüssig und führen nur zu unangemessenen Ergebnissen. Freilich ist die Veränderung auf den Kapitalkonten nur geeignet, die Summe des Kapitals zu ermitteln, die der Einzelne positiv wie negativ in der Gesellschaft stehen hat. Eine mögliche Zerstörung oder Verringerung des Unternehmenswerts für den Gesellschafter auf Basis eines fiktiven Verkaufswerts lässt sich damit nicht ermitteln. 5. Strafantrag Hinsichtlich des Strafantragserfordernisses kommt es darauf an, wer Inhaber des verletzten Rechtsguts ist. Wenn die herrschende Auffassung im Strafrecht bezüglich des Antrags ebenfalls von einer Einzelbetrachtung der Gesellschafter ausgeht,468 so korrespondiert das mit der von ihnen vor466
Wenn auch nicht im richtigen Verhältnis, da die Bedeutung der Einlageleistung insofern missverstanden wird, als dass sie tatsächlich überhaupt keinen Aufschluss über die Verteilung von Gewinnen und Verlusten gibt, siehe C. VII. 4. a). 467 Siehe auch BGH NJW 1962, 859, wo hinsichtlich des Schadensersatzverlangens eines Gesellschafters einer OHG von einem Schaden „der Gesamthand“ gesprochen wird, der sich „über die Gewinnverteilung oder bei der Auseinandersetzung auch auf die übrigen Gesellschafter auswirkt.“ 468 BGH NJW 1992, 250 (251); wistra 1989, 264 (266); wistra 1987, 218; LKJähnke § 77 Rn. 39; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 296; Müller-Gugenberger/ Bieneck-Schmid § 31 Rn. 209; Hartung NJW 1996, 229 (235).
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genommenen anteiligen Zuordnung des Schutzguts Vermögen. Auch wenn damit wiederum die gesellschaftsrechtliche Vermögenszuordnung übergangen wird, so entspricht das Ergebnis durchaus dem Telos des § 247 StGB. Diese Vorschrift bezweckt nämlich den Erhalt des Haus- und Familienfriedens und soll daher eine interne Konfliktlösung unabhängig von strafrechtlichen Sanktionen ermöglichen.469 Indem das Rechtsgut aufgeteilt wird, kann insoweit differenziert werden, als dass bezüglich der Angehörigen auf die persönliche Beziehung Rücksicht genommen werden kann, während in Bezug auf nicht privilegierte Täter-Opfer-Beziehungen eine Verfolgung von Amts wegen eingreift. Bei einer Gesamtzuständigkeit wäre das qua definitionem nicht möglich.470 Überraschend ist allerdings, dass gleiches für die GmbH gelten soll. Im personengesellschaftsrechtlichen Kontext ist diese Rechtsprechung insbesondere hinsichtlich der GmbH & Co. KG relevant, wenn mit der herrschenden Meinung die GmbH als Geschädigte angesehen wird.471 Es soll also auch für eine GmbH darauf ankommen, in welchem Verhältnis deren Gesellschafter zum Täter stehen, da diese als „Verletzte im Sinne der §§ 266, 247 StGB“ anzusehen seien.472 Anderes soll nur dann gelten, wenn „ein Nachteil der GmbH selbst“ entstanden ist, wofür die zur Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entwickelten Kriterien herangezogen werden.473 Das ist inkonsequent und nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der GmbH galt nämlich bisher als weitgehend unbestritten, dass sie – aufgrund ihrer eigenen „Rechtspersönlichkeit“ – als solche Vermögens- und damit auch Rechtsgutsträgerin ist.474 An sich wäre dann nie ein Antragserfordernis gemäß §§ 266 Abs. 3, 247 StGB von Nöten, da eine Gesellschaft in keiner persönlichen Beziehung zum Täter stehen kann.475 Wenn in Kommentaren bezüglich der GmbH mitunter darauf verwiesen wird, dass sie die Antragsberechtigte sein kann,476 so liegt darin kein Widerspruch. Dass ein Antrag 469 BGH NJW 1957, 1933 (1934); Schönke/Schröder-Eser § 247 Rn. 1; Lackner/ Kühl § 247 Rn. 1. 470 Siehe dazu noch die Ausfügrungen unter D. V.; E. V. und F. V. 471 Siehe etwa BGH wistra 1989, 264 (266), wo hinsichtlich der KomplementärGmbH nach dem Verhältnis deren Gesellschafter zum Täter gefragt wird. 472 BGH NStZ-RR 2005, 86; NJW 2003, 2924 (2926); Lackner/Kühl § 266 Rn. 22; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 85; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 129 erweitert die Aussage gar auf die Aktionäre einer AG. 473 BGH NStZ-RR 2005, 86; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 263; Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 85. 474 BGHSt 3, 23 (25); NJW 1992, 250 (251); Lackner/Kühl § 266 Rn. 3; Tröndle/Fischer § 266 Rn 11a; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 6. 475 BGH NStZ-RR 2005, 86; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53).
VII. Kritik an der herrschenden Meinung
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nötig ist, gilt nämlich hinsichtlich der Antragserfordernisse, die von keiner persönlichen Beziehung abhängig sind, zum Beispiel §§ 248a, 303c StGB. Soweit jedoch auch im Rahmen des § 247 StGB davon ausgegangen wird, dass ein Antragserfordernis einer juristischer Personen bestehen kann,477 so ist das zwar mit der Rechtsgutszuordnung, nicht aber mit dem Erfordernis einer Nähebeziehung vereinbar und damit im Ergebnis abzulehnen. Der Grund dafür, dass auf die Gesellschafter geblickt wird, mag darin liegen, dass auch bei einer Familien-GmbH das Bedürfnis nach interner Erledigung groß sein kann. Durch ein formaljuristisches Vorgehen wird diese Möglichkeit abgeschnitten. Insofern besteht durchaus ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Telos des § 247 StGB und der Rechtsgutszuordnung im Rahmen des § 266 StGB. Freilich sollte eine Entscheidung zugunsten der formaljuristischen Lösung erfolgen. Denn ansonsten droht ein ganzes, auf die Vermögensträgerschaft der GmbH ausgerichtetes System zu kippen, das dann nur noch über eine Folge wenig einleuchtender Korrekturen „gerettet“ werden kann. Was damit gemeint ist, wird anhand der Rechtsprechung des BGH deutlich: Dadurch, dass er von einem Antragserfordernis der jeweiligen Gesellschafter ausgeht, wird die Vermögensträgerschaft der GmbH ignoriert. Das wirft die Frage auf, ob Gleiches entgegen der sonstigen Praxis für die Nachteilsberechnung gelten und damit plötzlich auch bei der GmbH eine Aufspaltung des Schadens stattfinden soll. Denn Antragserfordernis und Schadensberechnung knüpfen ja gleichermaßen an die Zuordnung des Rechtsguts „Vermögen“ an. Der BGH hat in diesem Zusammenhang jedenfalls schon die Ehefrau des Täters als „alleingeschädigte Gesellschafterin“ bezeichnet.478 Damit wäre auch bezüglich der GmbH-Untreue die zivilrechtsakzessorische Vermögenszuordnung durchbrochen.479 Ob das nur in manchen Fällen der Fall sein soll (nämlich bei Beteiligung einer nahestehenden Person als Gesellschafterin) und bei manchen nicht (in allen anderen Konstellationen), bleibt unklar. Die Konsequenzen dieses Vorgehens sind unbefriedigend. Wenn der BGH für das Antragserfordernis auf die 476 So drücken sich zu Recht Lackner/Kühl § 77 Rn. 6 und Tröndle/Fischer § 77 Rn. 2 aus; es kommt eben auf die Voraussetzungen des konkreten Antragserfordernisses an. 477 So MüKo-StGB-Hohmann § 247 Rn. 9 ohne Begründung. In der Fußnote zu dieser Aussage wird dann auch auf ein Urteil zu § 303c StGB verwiesen, der anders als § 247 StGB eine Nähebeziehung aber gerade nicht voraussetzt. 478 BGH NJW 2003, 2924 (2926); auch die Ausführung, dass erst bei Existenzgefährdung ein Schaden „der GmbH selbst“ vorliegen soll deutet darauf hin, dass zuvor kein Schaden der GmbH „selbst,“ sondern nur ein Schaden der Gesellschafter in Betracht kommt, vgl. BGH NStZ-RR 2005, 86. 479 Siehe dazu auch die Kritik bei Bittmann/Richter wistra 2005, 51 f.
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
Gesellschafter blickt, droht die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff bei der GmbH umgangen zu werden. Die Familien-GmbH könnte von ihrem Geschäftsführer auch unterhalb der vom BGH sonst als Dispositionsschranke für das Einverständnis angesehenen Stammkapitalgrenze480 ausgeplündert und der Geschäftsführer wegen der fehlenden Anträge nicht bestraft werden. Interessant wäre ferner die Übertragung dessen auf eine Ein-Mann-GmbH & Co. KG, da die Rechtsprechung sich hier schon hinsichtlich des Schadens erklären müsste. Sieht sie nämlich auch hier den einzigen Gesellschafter der Komplementärin als Geschädigten an, müsste sie eigentlich bereits bezüglich des Nachteils von einer straffreien Selbstschädigung ausgehen. In der Praxis wird das aber seit Jahren anders gehandhabt und von der Möglichkeit einer Untreue auch zu Lasten einer Ein-MannGmbH ausgegangen.481 Also muss die Rechtsprechung korrigierend eingreifen, indem sie sagt, dass bei Existenzgefährdung „ein Schaden der GmbH selbst“ entstanden und hierfür wegen der fehlenden Nähebeziehung kein Antrag nötig sei.482 Oberhalb der Stammkapitalgrenze sollen also die Gesellschafter Vermögensund Rechtsgutsträger, Geschädigte und Antragberechtigte sein, darunter auf einmal die Gesellschaft. Dass ein solches Hin- und Herschieben des Rechtsguts je nach gewünschtem Ergebnis abzulehnen ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Aber auch die Begründung dieses Vorgehens mutet systematisch willkürlich an. Es bleibt unklar, warum die zum Einverständnis entwickelten Schranken der Dispositionsbefugnis auf einmal zur Rechtsgutsverschiebung und Schadensbegründung im Rahmen des Strafantrags herangezogen werden können. Der Grund scheint ein Missverständnis zu sein: Zur Begründung seiner Auffassung verweist der vierte Zivilsenat in seiner Entscheidung nämlich auf ein Urteil des dritten Strafsenats. Darin befand dieser bezüglich einiger Entnahmen aus dem GmbH-Vermögen, dass ein Einverständnis in die Entnahmen unwirksam ist, „wenn eine an sich zulässige Gewinnentnahme schädliche Folgen hat, die über die durch die Entnahme bewirkte Vermögensminderung hinausreichen und deshalb als rechtswidriger Nachteil für die GmbH zu werten sind.“483 Das sei bei einer Existenzgefährdung der Fall. Der vierte Senat will das also so verstanden wissen, dass erst dann Entnahmen als rechtswidriger Nachteil für die GmbH zu werten sind, wenn eine Existenzvernichtung der GmbH droht. Der Passage lag aber nicht das Bestreben zugrunde, zwischen einem Scha480
Siehe dazu oben C. III. Jeweils m. w. N. BGHSt 34, 379 (384); BGH GA 1979, 311 (313); so auch schon RGSt 42, 278 (283 f.). 482 BGH NStZ-RR 2005, 86. 483 BGH NStZ 1989, 23. 481
VII. Kritik an der herrschenden Meinung
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den für die GmbH und einem Schaden für die Gesellschafter zu unterscheiden. Vielmehr sollten, wie sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, erlaubte Entnahmen von unerlaubten Eingriffen abgegrenzt werden. Das hat der erkennende Senat schon einleitend unmissverständlich klar gemacht. Es gehe „nicht allgemein um Probleme der Untreue zum Nachteil einer GmbH, sondern nur um den Sonderfall des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH, der der Gesellschaft bereits erzielte Gewinne im Einverständnis mit allen Mitgesellschaftern entnimmt, ohne die Vorschriften über die Erhaltung des Stammkapitals zu verletzen.“484 Die Passage ist also so zu lesen, dass erst dann durch Entnahmen ein rechtswidriger Nachteil der GmbH entsteht, wenn deren Existenzvernichtung droht. Anderenfalls entsteht der GmbH wegen des wirksamen Einverständnisses ein nicht rechtswidriger Nachteil. Entsprechend wird denn auch zurückverwiesen um zu klären, „ob ein (durch die Zustimmung der Gesellschafter nicht ausgeschlossener) Nachteil i. S. des § 266 StGB in Form einer Vermögensgefährdung für die GmbH“ vorliegt.485 Nur eine solche Interpretation verhindert denn auch, dass die gesamte bisherige Dogmatik zur Untreue zum Nachteil der GmbH über den Haufen geworfen wird. Leider sind die Weichen nun anders gestellt. Es verwundert, dass dieser Rechtsprechung in der Literatur ganz überwiegend kritiklos gefolgt wird.486 Diese Ansicht zum Antragserfordernis gilt es vielmehr entschieden abzulehnen. Die GmbH ist selbst als Rechtsgutsträgerin anzusehen. Mangels Nähebeziehung ist eine Untreue zu deren Nachteil daher stets verfolgbar.487 Das muss auf Basis der von der herrschenden Meinung praktizierten Einzelbetrachtung dann ebenso für eine GmbH als Mitglied einer Personengesellschaft gelten. Sie ist insofern nicht anders zu behandeln als eine natürliche Person. 6. Zusammenfassung Zusammenfassend hat sich ergeben, dass im gleichen Maße, wie die herrschende Meinung im Strafrecht stets die Zivilrechtsakzessorietät betont, mit dieser in Wahrheit gebrochen wird. Mit der Zuordnung des Vermögens zu den einzelnen Gesellschaftern sind die Weichen auf einen gesellschaftsrechtswidrigen Kurs gestellt, der zu allerlei Folgeproblemen führt. 484
BGH NStZ 1989, 23. BGH NStZ 1989, 23 (24). 486 Siehe nur NK-Kindhäuser § 266 Rn. 129; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 85; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 163; Lackner/Kühl § 266 Rn. 22. 487 So auch Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53) unter Berufung auf die Vermögensträgerschaft der GmbH. 485
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C. Die Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur im Strafrecht
So kann bezüglich des Einverständnisses zwar schon der Tatbestand in Bezug auf einzelne zustimmende Gesellschafter ausgeschlossen werden. Dies jedoch nur um den Preis, dass in bestimmten Konstellationen ein Konflikt mit der gesetzlich vorgesehenen Gesamtzuständigkeit für das Vermögen entsteht. Hinsichtlich der Schadensberechnung müssen aufgrund der Negierung der Existenz eines Sondervermögens Kriterien gefunden oder gar erfunden werden, um den Schaden des Einzelnen abzubilden. Dabei herrscht eine weitgehende Konzeptionslosigkeit und Unklarheit, so dass eine Verletzung des Schuldprinzips droht. Hinsichtlich einer Berechnung anhand des Verhältnisses der Einlageleistungen ist schwer zu ergründen, was überhaupt Hintergrund dieser Vorgehensweise sein soll, da es völlig fern liegend ist, daraus einen Verteilungsschlüssel für eine anteilige Schädigung ermitteln zu wollen. Hinsichtlich des Gefährdungsschadens wurde ein recht beschränkter Anwendungsbereich und zwar nur in Höhe der Unterdeckung festgestellt, so dass der Posten außerhalb der Krise zu keinem Schaden führt. Allein die Anknüpfung an die Vermögensrechte der Gesellschafter, dargestellt durch die Kapitalanteile, ist geeignet, die Betroffenheit der Gesellschafter angemessen darzustellen. Mit dieser Methode zur Quantifizierung des Wertanteils des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen ist denn auch eindeutig der Schritt weg vom Gesellschaftsvermögen und hin zum Gesellschaftervermögen vollzogen. Für weitere Schadensposten ist daneben kein Raum, da anderenfalls eine Mehrfachanrechung des Schadens stattfindet. In Bezug auf das Strafantragserfordernis ist es zwar dem Zweck des § 247 StGB förderlich, dass Anträge von Angehörigen notwendig sind. In einem solchen Vorgehen spiegelt sich jedoch erneut die zivilrechtswidrige Aufteilung des Vermögens wider. Diese Handhabung dann auch noch auf eine (Komplementär-)GmbH übertragen zu wollen, führt aufgrund der Komplikationen mit der Rechtsprechung zum eigenständigen Schutz der GmbH vollends auf juristische Abwege. Insgesamt hat sich die herrschende Auffassung im Strafrecht also einen Weg fernab von jeglicher Zivilrechtsakzessorietät gesucht, der mangels hinreichender gesellschaftsrechtlicher Orientierungsmöglichkeiten in vielerlei Hinsicht unausgereift und problembehaftet ist. Gleichwohl hat sich dieses Vorgehen in der Praxis durchgesetzt.
D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter Nachfolgend soll untersucht werden, wie sich die in Rede stehenden Untreuekonstellationen im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Zivilrecht lösen lassen. Wenn der Ruf nach einer Anbindung des Strafrechts an das gesellschaftsrechtliche Verständnis ernst gemeint ist, wäre dieser Weg der richtige.
I. Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit Der zivilrechtliche Jahrhundertdisput um die Rechtsnatur der Gesamthand wurde bereits ausführlich im Rahmen der Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft dargestellt. Dabei wurde festgestellt, dass auf Basis der lange Zeit herrschenden traditionellen individualistischen Theorie die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Träger des Gesellschaftsvermögens sind.488 Schutzobjekt ist damit ein Sondervermögen, das vom Individualvermögen getrennt und einer Gesamtzuständigkeit unterworfen ist. Die Urteile des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, auf die sich die frühen Urteile der Strafsenate zur Entwicklung ihrer Auffassung berufen haben, hatten denn auch eine solche Zuordnung im Sinn.489 Nicht anders sieht es nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus. Denn obgleich dieser nun die Rechtsfähigkeit, das heißt die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zuerkannt wird, bedeutet das im Vergleich zur traditionellen Auffassung entgegen dem ersten Anschein keine Änderung hinsichtlich der Frage der Vermögenszuordnung.490 Denn sowohl die Zivilsenate des BGH als auch die herrschende Literatur gehen nach wie vor davon aus, dass die GbR nicht „als solche,“ sondern als Verbundenheit ihrer Gesellschafter rechtsfähig ist; gleichbedeutend ist der Hinweis, dass es ihr an einer eigenen Rechtspersönlichkeit fehlen soll.491 Bezweckt wird damit, die Abgrenzung zur juristischen Person anhand der Vermögenszuordnung aufrecht zu erhalten. Es bleibt also auch danach bei einer gemeinsamen Zuständigkeit der 488 489 490 491
Siehe Siehe Siehe Siehe
oben B. I. 2. a). dazu oben C. VII. 1. a). oben B. I. 2. b) aa). oben B. I. 2. b).
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
natürlichen Personen.492 Wenn das zum Teil anders gesehen wird, liegt dem ein Missverständnis der vertretenen Ansichten zugrunde.493 Für § 266 StGB folgt daraus, dass Anknüpfungspunkt für eine Untreuehandlung das Sondervermögen der Gesellschaftergesamtheit ist. Für jeden Einzelnen stellt diese Vermögensmasse aufgrund der völligen Loslösung vom Individualvermögen „auch fremdes“ Vermögen dar. Damit ist wohlgemerkt das Vermögen im Ganzen fremd, da eine Aufteilung – anders als bei der Bruchteilsgemeinschaft – nicht stattfindet494. Auf ein solches Verständnis haben in der Vergangenheit einzelne strafrechtliche Stimmen hingewiesen.495 Deren Kritik an der herrschenden, gesellschaftsrechtswidrigen Auffassung ist im Strafrecht jedoch weitgehend ungehört verhallt. Soll die Untreue wirklich zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet werden, ist Vermögensträgerin nach der dort herrschenden Auffassung die Gesellschaftergesamtheit. In Bezug auf die zu verwendende Terminologie ist es üblich und keineswegs falsch, in diesem Zusammenhang von „der Gesellschaft“ als Rechtsträgerin zu sprechen. Denn es wird ja davon ausgegangen, dass die Gesellschaft aus der Gesamtheit der Gesellschafter besteht, also mit ihnen identisch ist. Mitunter kann das jedoch verwirrend sein, da es auch andere, noch später zu erläuternde Stimmen gibt, die mit der Absonderung der Gesellschaft von den Gesellschaftern Ernst machen und tatsächlich eine von den natürlichen Personen losgelöste „Gesellschaft als solche“ als Vermögensträgerin ansehen. Wenn von „der Gesellschaft“ als Inhaberin des Schutzguts gesprochen wird, kann also beides gemeint sein. Das ist insofern 492
Insoweit erkennen Bittmann/Richter wistra 2005, 51 f. richtig, dass sich durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit am Ergebnis nichts geändert hat. Übersehen wird in den folgenden Ausführungen aber, dass das Ergebnis (Gesamtzuständigkeit) seit jeher nicht der im Strafrecht vorherrschenden Meinung (Einzelbetrachtung) entspricht. Siehe dazu schon oben C. VII. 1. b). 493 Unzutreffend sind etwa die Ausführungen bei Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 294 f., der meint, dass individualistische Theorie und Gruppenlehre (Lehre von der kollektiven Einheit) zu verschiedenen Ergebnissen führen. Diese Annahme fußt in einem unrichtigen Verständnis der individualistischen Theorie, die entgegen den dortigen Ausführungen nicht der Meinung der Strafsenate, d.h. einer Einzelbetrachtung entspricht. Vielmehr geht auch sie von einer Gesamtzuständigkeit aus. Siehe dazu schon C. VII. 1. b). 494 Dazu ausführlich oben C. VII. 1. a). 495 LK-Schünemann § 266 Rn. 47; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 182; Reiß wistra 1989, 81 (86); Schultz BB 1988, 572 (574), wobei jedoch dessen Verweis auf das Miteigentum (Bruchteilsgemeinschaft!) im Rahmen der Eigentumsdelikte irreführend ist. Bei diesen Delikten ist nämlich auch bei der Bruchteilsgemeinschaft „auch Fremdheit“ anzunehmen, da das Angriffsobjekt „Sache“ nicht teilbar ist. Anders ist das hingegen beim Schutzgut Vermögen, da hier der jeweilige Bruchteil Angriffsobjekt ist.
III. Einverständnis
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unglücklich, als dass bei vielen Autoren unklar bleibt, von welchem Verständnis sie genau ausgehen.496 Dabei mag mitunter genau das bezweckt sein. Denn so kann man sich zweideutig und bedeckt halten, ohne im kaum überschaubaren Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand Stellung beziehen zu müssen. Im Folgenden soll das anders gehandhabt und klar zwischen den Auffassungen getrennt werden. In Bezug auf die hier zu behandelnde herrschende Ansicht wird daher von der Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin gesprochen.
II. Vermögensbetreuungspflicht Für den Bezugspunkt der täterschaftsbegründenden Treuepflicht kommt es auf die soeben festgestellte Identität des geschützten Rechtsgutsträgers an. Der Geschäftsführer einer Personengesellschaft oder ein sonstiger Verantwortungsträger übt die durch die Vermögensbetreuungspflicht beschriebene Herrschaftsmacht in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen aus. Da dieses „der Gesellschaft“ im Sinne einer Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter zugewiesen ist, sind sie es auch, denen gegenüber die Pflichtenstellung besteht.
III. Einverständnis Wenn somit geklärt ist, dass die Gesellschaftergesamtheit Rechtsgutsträgerin ist, bleibt als nächstes zu erörtern, wie diese Personenmehrheit ein die Pflichtwidrigkeit einer Handlung ausschließendes Einverständnis erklären kann. Wird erwartet, dass es sich dabei um eine im Strafrecht geklärte Frage handelt, da ja allerlei Personenmehrheiten strafrechtlich betroffen sein können, so hat man sich geirrt. Kaum ein Autor hat sich nämlich bisher die Mühe gemacht, die Kriterien für die Zustimmung eines Kollektivs herauszuarbeiten, bevor das für richtig erachtete Ergebnis präsentiert wird. Damit sich das ändert, ist in einem ersten Schritt zu klären, welches Kriterium überhaupt zur Ermittlung der Pflichtwidrigkeit und deren Ausschluss durch ein Einverständnis maßgeblich ist (1.). In einem zweiten Schritt verbleibt zu untersuchen, in welchen Fällen ein Einverständnis notwendig ist und wie es dann zustande kommt (2.). 496 Siehe beispielsweise NK-Kindhäuser § 266 Rn. 30 und MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 25, wonach das Vermögen „der Gesellschaft“ für die Gesellschafter einer OHG fremd sein soll. Dabei wird das von Letzterem in Rn. 177 offenbar doch wieder anders gesehen. Dort wird in Übereinstimmung mit den Strafsenaten des BGH – anders als es sich zuvor noch anhört – nämlich doch eine Betroffenheit des Gesellschaftervermögens gefordert.
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
1. Maßgeblichkeit der Geschäftsführungsbefugnis Hinsichtlich der Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften wird der soeben geschilderte Eindruck bestätigt: Auch diejenigen Autoren, die bei der Untreue zum Nachteil einer Personengesellschaft richtig erkannt haben, dass damit gesellschaftsrechtlich die Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit eröffnet ist, gehen auf die genauen Voraussetzungen des Einverständnisses nicht ein. Vielmehr werden im Strafrecht zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit und deren Ausschluss durch ein Einverständnis der Gesamthand eine Reihe ganz unterschiedlicher Kriterien herangezogen. So wird teilweise für richtig befunden, dass es auf die Vertretungsverhältnisse ankommen soll.497 Andere meinen, die Geschäftsführungsbefugnis sei entscheidend.498 Überwiegend wird schließlich gar vertreten, dass stets die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist.499 In manchen Stellungnahmen finden sich mehrere dieser Möglichkeiten nebeneinander, ohne dass klar würde, was nun gelten soll.500 Kaum ein Autor hält es dabei für erforderlich, seine Auffassung näher zu begründen oder die anders lautenden Stimmen auch nur zu erwähnen. Bei Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten wird deutlich, dass es auf die Geschäftsführungsbefugnis als Maßstab für die Pflichtwidrigkeit ankommen muss. Denn nur diese Interpretation entspricht den Wertungen des zugrunde liegenden Gesellschaftsverhältnisses und vermeidet eine Verletzung des Ultima Ratio Prinzips des Strafrechts. 497 Grunst BB 2001, 1537 (1539); auch Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52 sprechen von einer „Zustimmung durch vertretungsberechtigte Organe oder Gesellschafter.“ 498 LG Bonn NJW 1981, 469; LK-Schünemann § 266 Rn. 94; Grunst BB 2001, 1537 (1540). 499 LK-Hirsch Vor § 32 Rn. 116; LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178 (beide zum Gesamthandseigentum); Reiß wistra 1989, 81 (86); Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (52) meinen gar, auch bei Anerkennung des Kollektivs als Rechtsträger sei es „unstreitig,“ dass Voraussetzung für die Annahme einer „rechtfertigenden Einwilligung“ nur die Zustimmung aller Gesellschafter sein kann; dabei wird auf Grunst BB 2001 1537 (1539) verwiesen, die jedoch im Gegenteil eine verwirrende Vielzahl von Kriterien präsentiert (siehe die folgende Fußnote); allgemein für eine Einstimmigkeit in allen Fällen einer Mehrheit von Berechtigten Bittmann InsR § 16 Rn. 21 Fn. 69, wobei schon der Hinweis auf die GmbH-Gesellschafter als „Mehrheit von Berechtigten“ aufgrund der alleinigen Vermögensträgerschaft der GmbH nicht einleuchtet. 500 Siehe etwa Grunst BB 2001, 1537, die auf S. 1539 davon spricht, dass ein Einverständnis aller Gesellschafter oder aber der zur Geschäftsführung befugten nötig sei, im Folgenden aber auch auf eine Mitwirkung aller vertretungsbefugten Gesellschafter Bezug nimmt. Auf S. 1540 wird wieder die Geschäftsführungsbefugnis oder die Zustimmung aller für maßgeblich erachtet, ohne dass klar würde, in welchem Verhältnis diese Kriterien stehen sollen.
III. Einverständnis
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Als Ausgangspunkt aller Überlegungen ist zunächst zu fragen, was genau das Merkmal der Pflichtwidrigkeit, das beiden Tatbestandsalternativen des § 266 StGB gemeinsam ist, überhaupt leisten soll und wie genau es durch das Einverständnis beeinflusst wird. Charakteristisch für die Untreue ist, dass der Täter ein ihm anvertrautes Vermögen aufgrund seiner besonderen Stellung „von innen heraus“ schädigt.501 Ihr Erfolgsunwert liegt in der Schädigung des fremden Vermögens, ihr Handlungsunwert ist im Fehlgebrauch der eingeräumten Dispositionsmacht zu sehen.502 Die Pflichtwidrigkeit dient also dazu, die den Handlungsunwert ausmachende Befugnisüberschreitung im Innenverhältnis zu bestimmen (Handeln außerhalb des „rechtlichen Dürfens“),503 die eine Schädigung erst zu strafwürdigem Unrecht macht504. Zur Bestimmung, ob eine Handlung pflichtwidrig ist, kommt es zunächst darauf an, was sich dem der Vermögensbetreuungspflicht des Täters zugrunde liegenden Rechtsverhältnis für ein Pflichtenmaßstab entnehmen lässt.505 Konkret kommen dazu vertragliche Vereinbarungen oder gesetzliche Vorgaben und subsidiär auch allgemeine Sorgfaltspflichten, wie etwa die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB), in Betracht.506 Überschreitet die in Rede stehende Handlung diesen Rahmen nicht, ist die Handlung als rechtmäßig anzusehen. Darüber hinaus, das heißt wenn eine Handlung an sich pflichtwidrig wäre, kann eine Befugnis durch ein Einverständnis erweitert werden.507 Da die Zustimmung die Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis insoweit beseitigt, wird zu Recht ganz herrschend davon ausgegangen, dass eine Zustimmung des Vermögensinhabers in die Nachteilszufügung schon tatbestandsausschließend wirkt.508 Um festzustellen, ob eine Handlung gegenüber der Gesellschaftergesamtheit pflichtgemäß war, ist also zunächst zu fragen, welcher Rahmen für das rechtliche Dürfen durch das der Gesellschaft zugrunde liegende Rechtsverhältnis vorgegeben wird. Erst im Falle einer Überschreitung dessen ist hinsichtlich eines Einverständnisses weiter zu untersuchen, unter welchen 501 LK-Schünemann § 266 Rn. 1; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 2; Kindhäuser BT II § 34 Rn. 1. 502 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 2; Kindhäuser BT II § 34 Rn. 1. 503 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 1 spricht insofern davon, dass die Treuwidrigkeit die Angriffsmodalität kennzeichnet. 504 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 1. 505 BGH NJW 1956, 312; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 40; LK-Schünemann § 266 Rn. 94; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 151. 506 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 151; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 51. 507 MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 129; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 24. 508 BGHSt 3, 23 (25); Tröndle/Fischer § 266 Rn. 49; LK-Schünemann § 266 Rn. 100; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 129; Wessels/Hillenkamp Rn. 758.
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
Voraussetzungen der so abgesteckte Befugnisrahmen erweitert werden kann mit der Folge, dass die Pflichtwidrigkeit allen gegenüber entfällt. Im Gesellschaftsrecht wird das hier relevante rechtliche Dürfen im Innenverhältnis durch die Reichweite der Geschäftsführungsbefugnis bestimmt.509 Hält sich die in Rede stehende Handlung an den dafür im Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Umfang, so scheidet eine Pflichtwidrigkeit aus. Wird dieser Rahmen überschritten, so kann die Pflichtwidrigkeit nur durch einen (formlosen510) Beschluss der Gesellschafter beseitigt werden, der insoweit zu einer Erweiterung der Geschäftsführungsbefugnis führt.511 Der Beschluss ist dabei als Technik der kollektiven Willensbildung zu verstehen, dessen Träger der durch das Kollektivorgan repräsentierte Verband selbst ist.512 Dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis lässt sich damit entnehmen, dass der zu beachtende Pflichtenmaßstab den Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis entspricht,513 der durch ein Einverständnis in Form eines Gesellschafterbeschlusses erweitert werden kann. Das bedeutet, dass für den Pflichtenmaßstab der Blick zunächst auf den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis und für das Einverständnis auf die Notwendigkeit und Voraussetzungen der Beschlussfassung geworfen werden muss. Daran anknüpfend wird deutlich, warum die zwei abweichenden Auffassungen abzulehnen sind. Wenn auf die Vertretungsbefugnis Bezug genommen wird, verkennt das schon den Bedeutungszusammenhang des Einverständnisses. Dabei geht es nämlich in diesem Kontext darum, die für die Untreue charakteristische Überschreitung des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis zu ermitteln. Bei der Vertretung geht es hingegen um die davon scharf zu trennende Frage des rechtlichen Könnens im Außenverhältnis.514 Auf die Vertretungsmacht kann es im Rahmen einer Einwilligung daher allein dann ankommen, wenn es um die Wirksamkeit einer Zustimmung 509 MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 8; MüKo-HGB-K. Schmidt § 114 Rn. 7; Münch. Hadb. GesR I-v. Ditfurth § 7 Rn. 6; Hueck/Windbichler § 8 Rn. 2. 510 Baumbach/Hopt-Hopt § 119 Rn. 27. 511 Zu § 116 Abs. 2 HGB, der für OHG und KG gilt, Staub-Ulmer § 116 Rn. 23; Münch. Handb. GesR I-v. Ditfurth § 53 Rn. 6; bei der GbR stellt sich diese Frage nach der gesetzlichen Systematik zunächst nicht, da gemäß § 709 Abs. 1 S. 2 BGB ohnehin stets die Zustimmung aller Gesellschafter zu Maßnahmen der Geschäftsführung notwendig ist (Gesamtgeschäftsführung); anders ist die Lage aber bei diesbezüglichen gesellschaftsvertraglichen Abweichungen, siehe sogleich unter D. III. 2. c). 512 K. Schmidt GesR § 15 I 1. 513 So zu Recht auch LK-Schünemann § 266 Rn. 94: Die Pflichtwidrigkeit werde bei ihrer Ableitung aus den Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis zivilrechtsakzessorisch bestimmt; ebenso LG Bonn NJW 1981, 469. 514 MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 9; Münch. Handb. GesR I-v. Ditfurth § 54 Rn. 2; Hueck/Windbichler § 8 Rn. 2.
III. Einverständnis
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einem Dritten gegenüber geht, etwa bei der Einwilligung eines Organs in die Beschädigung einer Sache.515 Diejenigen, die meinen, es müssten stets alle Gesellschafter als gemeinsame Rechtsgutsträger ihr Einverständnis erklären, sind zu sehr allein auf die strafrechtliche Rechtsgutszuordnung fixiert und blenden damit zu Unrecht den Pflichtenmaßstab des zugrunde liegenden Betreuungsverhältnisses aus. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass der Rechtsgutsinhaber für die Zustimmung zuständig ist und bei mehreren Rechtsgutsinhabern diese sich nur gemeinsam erklären können. Übersehen wird jedoch, dass es auch im Bereich der Einwilligung Mechanismen geben kann, die zu einem Auseinanderfallen von Rechtsgutszuordnung und Einwilligungsbefugnis führen: Unter dem Topos der „Dispositionsbefugnis“ werden im Strafrecht verschiedene Modifikationen der grundsätzlichen Einwilligungskompetenz des primär berufenen Inhabers des geschützten Interesses behandelt. Dabei kann es sowohl zu Einschränkungen als auch zu Erweiterungen der Zuständigkeit kommen. Zu einer Einschränkung soll es beispielsweise dann kommen, wenn im Fall einer Insolvenz dem Vermögensinhaber die Verwaltungs- und Verfügungsmacht entzogen ist (§ 80 InsO).516 Eine Erweiterung der Zuständigkeit kann es etwa bei Erklärungen gesetzlicher Vertreter hinsichtlich der Rechtsgüter eines Minderjährigen geben.517 In Bezug auf Personengesellschaften findet nun die Erkenntnis, dass Rechtsgutsinhaberschaft und Dispositionsbefugnis auseinander fallen können, nicht hinreichend Beachtung, wenn allein auf die Zustimmung aller Gesellschafter geblickt wird. Ein solches Vorgehen übergeht nämlich, dass im Gesellschaftsrecht Mechanismen vorgesehen sind, aufgrund derer eine die Pflichtwidrigkeit beseitigende Erklärung für alle aber nicht notwendigerweise von allen abgegeben wird. Durch den Zusammenschluss als Gesellschaft wird nämlich das gemeinsame Rechtsgut „Sondervermögen“ einer gesetzlich und gesellschaftsvertraglich ausgestalteten gemeinsamen Verwaltung unterstellt. Damit wird die Dispositionsbefugnis auf die nach dem konkreten Gesellschaftstyp zuständigen Gremien übertragen. Wenn man allein auf die Rechtsgutszuordnung blickt, blendet man das zugrunde liegende Rechtsverhältnis und dessen Wirkungen völlig aus. Gemeinsame Zuständig515 Zu Recht blickt BGH NJW 2003, 1824 in einem solchen Fall daher auf den Umfang der Vertretungsbefugnis (ebenso Lackner/Kühl Vor § 32 Rn. 17). Wenn im selben Urteil auch von der Geschäftsführungsbefugnis des Organs gesprochen wird (so unter Bezugname auf diese Entscheidung auch LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178), erfolgt dadurch eine unzutreffende Vermischung mit den Regeln über das Innenverhältnis. 516 BGH NJW 1992, 250 (251); LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178. 517 LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 179; Schönke/Schröder-Lenckner Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 41; Schramm, Untreue und Konsens, S. 77.
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keit bedeutet nämlich nicht unbedingt, dass auch alle zustimmen müssen. So ist es denkbar, dass ein die Pflichtwidrigkeit beseitigender Beschluss gesellschaftsrechtlich einwandfrei auch mit einer Stimmenmehrheit zustande kommen kann.518 Wird im Strafrecht hingegen stets ein Einverständnis aller für erforderlich gehalten, führt das zu einer Verletzung des Ultima Ratio Prinzips – ganz so wie schon die Auffassung des BGH519. Wollte man nämlich in diesen Fällen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit dem Argument verneinen, dass ja nicht alle zugestimmt haben, so liefe das auf die Bestrafung einer zivilrechtlich pflichtgemäßen Handlung hinaus – ein unvertretbares Ergebnis. Der Konflikt entsteht deshalb, weil mit dem Einstimmigkeitserfordernis die Unterscheidung zwischen Rechtsgutszuordnung und der sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebenden Dispositionsbefugnis für das Sondervermögen ignoriert wird. Aufgrund dessen kann diese Vorgehensweise nicht überzeugen. Als Zwischenergebnis lässt sich also festhalten, dass es für die Pflichtmäßigkeit einer Handlung grundsätzlich auf die durch die Geschäftsführungsbefugnis gezogenen Grenzen ankommt. Für die Erklärung eines Einverständnisses sind die Grundsätze maßgeblich, die sich dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zur Erweiterung der Geschäftsführungsbefugnis durch Beschlussfassung entnehmen lassen. In Literatur520 und Rechtsprechung521 werden diese Grundsätze zu Unrecht ganz überwiegend nicht beachtet, obgleich sie zur Konkretisierung des oft schwammigen Pflichtwidrigkeitsmaßstabs erheblich beitragen können und deren Nichtbeachtung zu Konflikten mit dem zivilrechtlichen Dürfen führt. 2. Erforderlichkeit und Voraussetzungen des Einverständnisses Nachdem mit der Geschäftsführungsbefugnis das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit gefunden wurde, ist in einem zweiten Schritt zu klären, in welchen Fällen ein Einverständnis zu deren Erweite518 Freilich sind hier durch die Treuepflicht gezogene Grenzen zu beachten. Siehe dazu noch ausführlich unter D. III. 2. a) bb). 519 Siehe dazu oben C. VII. 3. 520 Siehe nur alle Nachweise in den Fußnoten 497 und 499. Keiner der Autoren geht näher auf den sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebenden Maßstab zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit ein. 521 Siehe etwa BGHSt 3, 23 (24), der auf die Generalklausel der Sorgfalt eines gewissenhaften und sorgfältigen Geschäftsmanns rekurriert, obgleich die in Rede stehende Maßnahme (privater Wäscheeinkauf aus Gesellschaftsmitteln) eindeutig außerhalb des Gesellschaftszwecks liegt. Die Pflichtwidrigkeit ließe sich viel konkreter und handfester mit der Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis und damit anhand gesellschaftsrechtlicher Prinzipien begründen.
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rung überhaupt erforderlich ist und wie es zustande kommt. Für beide Fragen kommt es wiederum sowohl auf gesetzliche Vorgaben, die vom jeweiligen Gesellschaftstyp abhängen, als auch auf gesellschaftsvertragliche Regelungen an, so dass eine unüberschaubare Vielzahl an Variationen denkbar ist. Die folgende Darstellung orientiert sich dabei an den gesetzlichen Regelungen sowie üblichen vertraglichen Abweichungen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird zunächst die Rechtslage bei der OHG dargestellt. Im Anschluss daran werden die Abweichungen für KG und GbR behandelt. a) Offene Handelsgesellschaft Ein Einverständnis zur Erweiterung des rechtlichen Dürfens ist zur Erlangung von Straffreiheit nur dann nötig, wenn die Handlung nicht ohnehin schon von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckt ist. Also sind zunächst deren Grenzen in den Blick zu nehmen. aa) Art und Umfang der Geschäftsführungsbefugnis Bei der OHG sind gemäß § 114 Abs. 1 HGB grundsätzlich alle Gesellschafter zur Geschäftsführung berufen und zwar in Form der Einzelgeschäftsführung (§ 115 Abs. 1 Hs. 1 HGB). Eine Einzelbefugnis ergibt sich auch dann, wenn nur einzelne Gesellschafter zur Geschäftsführung berufen und die anderen damit gemäß § 114 Abs. 2 HGB ausgeschlossen sind. Ein Korrektiv der Befugnis allein zu Handeln ergibt sich allerdings aus § 115 Abs. 1 Hs. 2 HGB, wonach ein anderer geschäftsführender Gesellschafter jeder Maßnahme widersprechen kann und diese dann zu unterbleiben hat. Falls es sich um eine bedeutende Maßnahme handelt, bei der davon auszugehen ist, dass die übrigen Geschäftsführer auf eine vorherige Unterrichtung Wert legen, ist dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift folgend eine Unterrichtung und Abwarten, ob nicht widersprochen wird, geboten.522 Liegt die Gefahr einer Nachteilszufügung für das Gesellschaftsvermögen nahe, wird eine solche Interessenlage regelmäßig gegeben sein. Wird eine Maßnahme trotz Widerspruch vorgenommen523 oder wird schon der Informationspflicht nicht genügt,524 so ist von einer Pflichtverletzung auszugehen. Von dieser gesetzlich vorgesehenen Art der Geschäftsführung kann abgewichen werden. Denkbar ist insbesondere eine Abrede, wonach nur alle Ge522
BGH BB 1971, 759; MüKo-HGB-Rawert § 115 Rn. 20; K. Schmidt, GesR, § 47 V 1 a. 523 MüKo-HGB-Rawert § 115 Rn. 29. 524 BGH BB 1971, 759.
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sellschafter zusammen handeln dürfen – Gesamtgeschäftsführung. In diesem Fall bedarf jedes Geschäft grundsätzlich der Zustimmung aller, § 115 Abs. 2 HGB. Aber auch ein Mehrheitsprinzip, zum Beispiel nach Köpfen oder nach Kapitalanteil, kann bestimmt sein. Alle so dargestellten Formen der Geschäftsführung müssen sich jedoch in ihrem Umfang an die Regelung § 116 Abs. 1 HGB halten.525 Danach umfasst die Geschäftsführungsbefugnis nur solche Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt. Alle darüber hinausgehenden Geschäfte sind grundsätzlich nicht gedeckt und damit pflichtwidrig. Im untreuerechtlichen Kontext interessieren hier allerdings nur solche Maßnahmen, die auch zu einem Schaden im Gesellschaftsvermögen führen. Sonstige Handlungen, mögen sie auch ungewöhnlich und damit grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Geschäftsführung gedeckt sein, sind nicht strafbewehrt. Ein Überschreiten des gewöhnlichen Betriebs ist dann anzunehmen, wenn das Geschäft dem Zweck der Gesellschaft fremd ist oder den Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs der konkreten Gesellschaft übersteigt.526 Eindeutig nicht mehr abgedeckt sind danach solche Fälle, in denen der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks zuwider gehandelt wird. Das wird bei vielen klassischen Untreuekonstellationen oftmals der Fall sein,527 etwa beim Beiseiteschaffen von Vermögenswerten oder der Vereitelung günstiger Geschäfte durch Kick-Backs. Denn dann wird nicht mehr der Gesellschaftszweck gefördert, sondern gesellschaftsfremde Motive prägen das Handeln. Unterhalb dieser Schwelle kann die Abgrenzung schwieriger werden und ist sehr vom Einzelfall und den individuellen Verhältnissen der Gesellschaft abhängig. Als Faustregel gilt, dass es darauf ankommt, ob die Handlung über den Rahmen des Geschäftsbetriebs hinausgeht oder ob sie durch ihre Bedeutung und die mit ihr verbundene Gefahr eine Ausnahme darstellt.528 Ein hervorgehobenes Abgrenzungskriterium zur Ermittelung der Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts ist danach insbesondere auch das ihm innewohnende Risiko einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens.529 Dabei soll 525 Auch hier sind Abweichungen möglich, siehe nur MüKo-HGB-Jickeli § 116 Rn. 5. 526 Baumbach/Hopt-Hopt § 116 Rn. 2; MüKo-HGB-Jickeli § 116 Rn. 7; K. Schmidt GesR, § 47 V 1 c; Hueck/Windbichler § 14 Rn. 5; Hueck OHG S. 121. 527 Siehe etwa die Ausführungen des LG Bonn NJW 1981, 469 zur Gesellschaftszweckwidrigkeit von Entnahmen zu Privatzwecken. 528 So insbesondere die ständige Rechtsprechung: RGZ 158, 302 (308); BGH NJW 1980, 1463 (1464); MüKo-HGB-Jickeli § 116 Rn. 17; K. Schmidt GesR § 47 V 1 c. 529 Ausführlich dazu MüKo-HGB-Jickeli § 116 Rn. 13 ff.
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es aber auf die Gepflogenheiten der konkreten Gesellschaft ankommen,530 so dass es einen Unterschied macht, ob es sich um ein konservatives Familienunternehmen oder einen Zusammenschluss von Risikokapitalgebern handelt. Zumindest bei letzteren gehört eine gewisse, über das normale Unternehmerrisiko hinausgehende Verlustgefahr zum Geschäft. Letztlich ist den individuellen Verhältnissen der Gesellschaft zu entnehmen, welche Risiken der Geschäftsführer jeweils einzugehen berechtigt ist.531 Generell wird davon auszugehen sein, dass die Gefahr einer Schädigung in den allermeisten Personenvereinigungen ungewollt ist und als gewichtiger Hinweis für die Ungewöhnlichkeit eines Geschäftes spricht. In den untreuerelevanten Fällen liegt daher eine Überschreitung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs oftmals besonders nahe. bb) Das Zustandekommen eines Einverständnisses durch Gesellschafterbeschluss Solange sich eine Handlung in dem soeben abgesteckten Rahmen bewegt, ist eine Pflichtwidrigkeit nicht gegeben, so dass auch eine Untreue ausscheidet und die Frage des Einverständnisses irrelevant ist. Ist der gesetzlich vorgesehene Umfang der gewöhnlichen Geschäfte jedoch überschritten, bedarf es eines Einverständnisses in Form eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter (unter Beteiligung auch der nicht zur Geschäftsführung berufenen), um die Pflichtwidrigkeit zu beseitigen, § 116 Abs. 2 HGB. Bei Gefahr einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens wird das nach den oben dargestellten Kriterien der Ungewöhnlichkeit regelmäßig erforderlich sein. § 119 Abs. 1 HGB sieht für die Beschlussfassung den Grundsatz vor, dass alle zustimmen müssen. Insoweit wird ein Einstimmigkeitserfordernis statuiert. Das deckt sich im Ergebnis noch mit der im Strafrecht vertretenen Auffassung, dass zur Straffreiheit stets alle zustimmen müssen – freilich nur über den Umweg der korrekten Anwendung der durch das Grundverhältnis vorgesehenen Befugnisschranken, die nicht in jedem Fall greifen müssen. Anders ist es nämlich grundsätzlich dann, wenn der Gesellschaftsvertrag – was üblich ist – vorsieht, dass Beschlüsse mit Mehrheit zustande kommen. Dann kann ein die Pflichtwidrigkeit beseitigendes Einverständnis mit dem Geschäft auch ohne Einstimmigkeit zustande kommen, vgl. § 119 Abs. 2 HGB. Genau diese Fälle sind es, die zu einer Verletzung des Ultima Ratio Prinzips führen können, wenn mit der herrschenden Auffassung im 530 Das macht schon der Wortlaut der Norm klar, wonach es auf den Betrieb des Handelsgewerbes ankommt, siehe dazu nur MüKo-HGB-Jickeli § 116 Rn. 10. 531 Zur Einzelfallbetrachtung siehe schon die Ausführungen bei RGZ 158, 302 (308).
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Strafrecht im Widerspruch zur gesellschaftsvertraglichen Regelung stets die Zustimmung jedes Gesellschafters für erforderlich gehalten wird. Denn zur Disposition über das Vermögen ist qua Gesellschaftsvertrag dann die Mehrheit berufen. Jedoch ist zu beachten, dass auch im Gesellschaftsrecht derartige Zustimmungen nicht schrankenlos möglich sind. Neben einer formellen Schranke, die mit dem so genannten Bestimmtheitsgebot erfordert, dass die Reichweite einer Mehrheitsklausel hinreichend klar ist,532 kommt auch eine materielle Inhaltskontrolle des Beschlussinhalts in Betracht.533 Die Entscheidungsbefugnis der Mehrheit unterliegt nämlich einer aus dem Grundverhältnis abzuleitenden Treuepflicht und steht damit unter dem Vorbehalt, dass sie ihre Machtstellung nicht missbraucht. Im Fall der Zustimmung zu einer schädigenden Maßnahme ist eine Einschränkung in zwei Richtungen zu diskutieren: Zum einen ist zu untersuchen, inwieweit bei Geltung eines Mehrheitsprinzips der zustimmenden Mehrheit aufgrund einer der Minderheit gegenüber bestehenden Treuepflicht Grenzen gesetzt sind, die zur Unwirksamkeit des Einverständnisses führen können (1). Zum anderen kann in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Einschränkung der Dispositionsbefugnis bei der GmbH gefragt werden, ob auch bei Zustimmung aller Gesellschafter das Einverständnis der Gesellschaft gegenüber treuwidrig und damit wirkungslos sein kann (2). (1) Unwirksamkeit eines gegenüber den Mitgesellschaftern treuwidrigen Mehrheitsbeschlusses Eine gesellschaftsvertragliche Festlegung von Mehrheitsbeschlüssen kann dazu führen, dass die Mehrheit eine Maßnahme billigt und damit der Pflichtwidrigkeit entkleidet, obwohl die überstimmte Minderheit gegen ihren Willen geschädigt wird. Es liegt auf er Hand, dass die Gesellschafter sich nicht beliebig über die Interessen der Minderheit hinwegsetzen dürfen und dass Mehrheitsbeschlüsse von einem angemessenen Minderheitenschutz flankiert sein müssen. Bei einer Beurteilung dieser Situation ist zu beachten, dass hier ein rechtliches Spannungsverhältnis zwischen der im Personengesellschaftsrecht weitgehend zugelassenen Privatautonomie auf der einen und Individualschutzinteressen auf der anderen Seite besteht.534 Mit der Mitgliedschaft in einer Gesellschaft geht notwendigerweise eine Beschränkung der Eigeninteressen der einzelnen Mitglieder zugunsten des 532
Siehe dazu insbesondere K. Schmidt GesR § 16 II 2. Wiedemann GesR I § 8 I 2 a. 534 MüKo-HGB-Enziger § 119 Rn. 60; allgemein zur Gestaltungsfreiheit und ihren Grenzen K. Schmidt GesR § 5 III 3. 533
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Kollektivs einher, die durch die freiwillige Aufnahme einer Mehrheitsklausel noch intensiviert wird. Insofern ist es nicht notwendig etwas Ungewöhnliches und Strafwürdiges, wenn auch solche Entscheidungen durch eine Mehrheit getroffen werden, die im Einzelfall einzelne Mitglieder gegen ihren Willen belasten können. Das ist der Preis einer privatautonomen Erweiterung der Kollektivsphäre. Hinsichtlich der bereits angesprochenen Dispositionsschranken ist jedoch anerkannt, dass es in jedem Rechtsverhältnis und damit auch in jedem Gesellschaftsrechtsverhältnis gewisse Loyalitätspflichten gibt, die sich zu konkreten Interessenwahrungspflichten verdichten können.535 Vor allem im Personengesellschaftsrecht wurde aufgrund der personalistischen Struktur und dem damit verbundenen Näheverhältnis der Gesellschafter zueinander die Existenz von Treuepflichten schon früh anerkannt.536 So ist seit langem unbestritten, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft und im gesellschaftsbezogenen Bereich auch zur Schonung seiner Mitgesellschafter verpflichtet ist.537 Davon umfasst ist vor allem auch das Gebot, bei der Rechtsausübung stets das schonendste Mittel zu wählen und umgekehrt das Verbot, die Gesellschaft oder Mitgesellschafter willkürlich zu schädigen.538 Aus der Treubindung resultieren insbesondere auch Grenzen für die Mehrheitsherrschaft, die mehr und mehr zu einer das Verbands-Innenrecht kontrollierenden Wertungsmaxime werden.539 Hinsichtlich der Intensität der Bindung und Beschränkung von Rechten wird herkömmlich danach differenziert, ob sie dem Gesellschafter eigennützig oder fremdnützig gewährt werden.540 In besonderem Maße gilt danach die Treubindung bei der Geschäftsführung.541 Denn dieses Recht ist den Gesellschaftern nicht im eigenen Interesse verliehen, sondern hat sich an der Förderung des gemeinsamen Zwecks zu orientieren.542 In Bezug auf die Stimmrechtsmacht kann die Pflichtenbindung zu entsprechenden In535
K. Schmidt, GesR § 20 IV 1 a. Staub-Ulmer § 105 Rn. 232; K. Schmidt, GesR § 19 III 1 a und § 20 IV 1 c; Hueck/Windbichler § 7 Rn. 3; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 74. 537 BGH NJW-RR 2003, 169 (170); Staub-Ulmer § 105 Rn. 233; Baumbach/ Hopt-Hopt § 109 Rn. 23; K. Schmidt, GesR § 20 IV 2 a; dabei handelt es sich um ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip, ausführlich Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 335 ff. 538 Staub-Ulmer § 105 Rn. 235, 241. 539 K. Schmidt GesR § 16 II 4 c; Baumbach/Hopt-Hopt § 109 Rn. 23, 25; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 75. 540 MüKo-HGB-K. Schmidt § 105 Rn. 191; Staub-Ulmer § 105 Rn. 237. 541 MüKo-HGB-K. Schmidt § 105 Rn. 191; ders. GesR § 59 III 1 b; Hueck/Windbichler § 7 Rn. 3 und § 14 Rn. 6; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen S. 79. 542 Staub-Ulmer § 105 Rn. 239; Wiedemann GesR I § 8 II 3 b; Hueck/Windbichler § 7 Rn. 4; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 79, 89 ff. 536
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haltsschranken führen (Verbot illoyaler Beschlüsse).543 Insofern kommt eine Ausübungskontrolle unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) in Betracht.544 Die Rechtsfolge eines solchen Rechtsmissbrauchs ist die Ungültigkeit der abgegebenen Stimmen sowie die Unwirksamkeit des ganzen Beschlusses,545 der für den Tatbestandsausschluss entscheidend ist. Sowohl der Beschluss als auch die Einzelstimme leiden am selben inhaltlichen Mangel. Eine Treuwidrigkeit gegenüber den Mitgesellschaftern kann also zur Unwirksamkeit eines Einverständnisses und damit zur Strafbarkeit führen. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wo genau die aus dem Schädigungsverbot resultierenden Grenzen der Dispositionsbefugnis zu ziehen sind. Relativ unproblematisch sind danach wiederum solche Fälle, in denen die in Rede stehende Nachteilszufügung gesellschaftszweckwidrig ist und damit den gemeinsamen Interessen der übrigen Gesellschafter widerspricht.546 Aus eigennützigen Motiven darf sich die Mehrheit nämlich gerade nicht über die Minderheit hinwegsetzen.547 Da sich das Stimmrecht wie dargelegt an der Verfolgung der gemeinsamen Interessen zu orientieren hat, können dem Gesellschaftszweck offenkundig widersprechende, schädigende Mehrheitsbeschlüsse nicht zu einer Beseitigung der Pflichtwidrigkeit führen. Sie sind vielmehr als willkürlich im Sinne des Schädigungsverbots anzusehen und damit treuwidrig. Zu denken ist beispielsweise an die Verschaffung von (finanziellen) Sondervorteilen für einen oder mehrere Gesellschafter.548 Zur Vornahme derartiger Handlungen ist dann für ein Einverständnis stets ein einstimmiger Beschluss nötig. Bei sonstigen, sich noch innerhalb des gemeinsamen Zwecks bewegenden Geschäften, die einen Nachteil für die Gesellschaft zur Folge haben, ist es 543 MüKo-HGB-Enzinger § 119 Rn. 82; Staub-Ulmer § 105 Rn. 232; K. Schmidt GesR § 21 II 3 c; Hueck/Windbichler § 7 Rn. 3; Wiedemann GesR I § 8 II 3 b; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 74 ff. 544 BGH ZIP 1991, 1427 (1428); Staub-Ulmer § 105 Rn. 233, 236; Baumbach/ Hopt-Hopt § 119 Rn. 11; MüKo-HGB-Enzinger § 119 Rn. 82; MüKo-BGB-Roth § 242 Rn. 213; MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 112; Bamberger/Roth-Grüneberg § 242 Rn. 74; Palandt-Heinrichs § 242 Rn. 49; siehe allgemein zu den Quellen der Treuepflicht Staub-Ulmer § 105 Rn. 232 f.; zu § 242 BGB als Ausdruck der allgemeinen Loyalitätspflichten K. Schmidt GesR § 20 IV 1 a. 545 Staub-Ulmer § 105 Rn. 248 („Unwirksamkeit der Rechtsausübung“); Hueck OHG S. 180, 185; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 85. 546 Besonders gelungen sind die Ausführungen zur Orientierung am Gesellschaftszweck bei Wiedemann GesR I § 8 II 3 b. 547 Siehe etwa MüKo-BGB-Roth § 242 Rn. 391. 548 K. Schmidt GesR § 21 II 3 b; Wiedemann GesR I § 8 III 1; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 88; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 350 f.
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eine Frage des Einzelfalls und des Zuschnitts der Gesellschaft, ob eine zur Unwirksamkeit des Beschlusses führende Treuwidrigkeit vorliegt.549 Jedenfalls ist die Erkenntnis wichtig, dass nicht jede Schädigung gleich einen Verstoß gegen die Treuepflicht darstellen muss. Zutreffend wird daher die Treuepflicht als „bewegliche Stimmrechtsschranke“ charakterisiert.550 So sind viele Konstellationen denkbar, in denen ein Geschäft auch erhebliche Verlustrisiken mit sich bringt, die einige Gesellschafter einzugehen bereit sind, andere aber nicht. Dabei kann es sich durchaus um Maßnahmen handeln, die zwar aufgrund der ihnen immanenten Gefahren als ungewöhnlich im Sinne des § 116 Abs. 2 HGB einzustufen sind, dennoch aber im Falle der Zustimmung der Mehrheit nicht automatisch treuwidrig sein müssen. Insbesondere bei Risikogeschäften kommt eine solche Wirksamkeit der Zustimmung trotz Ungewöhnlichkeit in Betracht. Eine davon abweichende Interpretation würde die Rechweite des Mehrheitsprinzips zu sehr einschränken. Dessen Zweck ist es ja gerade, auch in Zweifelsfällen zu einer Lösung zu kommen, ohne dass die Gesellschaft sich stets am risikounfreudigsten Gesellschafter ausrichten müsste. Die Treuepflicht darf also nicht zu einem Einstimmigkeitsprinzip „durch die Hintertür“ führen, sondern ist als Ausprägung des Rechtsmissbrauchs restriktiv zu handhaben. Sie soll lediglich krasse Fälle von Machtmissbrauch und Willkür verhindern, so dass eine umfangreiche, vom Ermessen der Gesellschafter geprägte Grauzone existiert, in der Zustimmungen noch möglich sind.551 Nur in entsprechend gravierenden Fällen kommt es also zu einer Unwirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses und einer damit einhergehenden Unwirksamkeit des Einverständnisses. Ein solches Ergebnis mutet aus strafrechtlicher Perspektive beruhigend an, drängt es doch die Gefahr zurück, dass aufgrund mangelnder Vorhersehbarkeit der Treuwidrigkeit Konflikte mit dem Bestimmtheitsgebot entstehen. Die mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG im Strafrecht oftmals geforderte besondere Intensität der Pflichtverletzung552 wird damit schon auf zivilrechtlicher Ebene berücksichtigt. Eine darüber noch hinausgehende besonders gravierende Pflichtwidrigkeit ist daher nicht nötig.553 549 K. Schmidt GesR § 21 II 3 b; Wiedemann GesR I § 8 II 3 b; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 79 ff. 550 Staub-Ulmer § 109 Rn. 41; K. Schmidt GesR § 21 II 3 a; Wiedemann GesR I § 8 I 4 b aa; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 287 ff.; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 74. 551 Lokowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 83. 552 Diese Diskussion um eine „gravierende Pflichtverletzung“ wurde insbesondere durch das Urteil des BGH im Fall „SSV Reutlingen“ (BGHSt 47, 187) entfacht. Siehe dazu etwa MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 152 ff.; Fleischer-Spindler § 15 Rn. 23. 553 Siehe dazu nur die zutreffenden Ausführungen in BGH NJW 2006, 522 (526) („Mannesmann“), wonach die Bezugnahme auf die „gravierende Pflichtverletzung“
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(2) Unwirksamkeit eines gegenüber der Gesellschaft treuwidrigen Einverständnisses aller Als zweites taucht die Frage auf, ob eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis auch aufgrund einer Treuwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft in Betracht kommt, wie es insbesondere bei der GmbH gängige Praxis ist554. Eine Bedeutung käme dem neben den soeben dargestellten Einschränkungen in den Fällen zu, in denen alle Gesellschafter im Rahmen des Beschlusses zugestimmt haben, so dass eine Unwirksamkeit des Einverständnisses aufgrund verletzter Gesellschafterinteressen ausscheidet. Konkret geht es also darum, ob die Gesellschaft ein der Disposition der Gesellschaftergesamtheit entzogenes Eigeninteresse hat. Im Ergebnis ist das zu verneinen. Es wurde zwar bereits erwähnt, dass Treuepflichten nicht nur den Mitgesellschaftern, sondern auch der Gesellschaft gegenüber bestehen. Jedoch ist diese Aussage im Lichte der hier dargestellten Auffassung von der Rechtsnatur der Gesamthand zu verstehen. Sowohl die herrschende Gruppenlehre als auch die traditionelle individualistische Theorie gehen davon aus, dass „die Gesellschaft“ nur die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin beschreibt und es eine von ihr zu trennende Gesellschaft nicht gibt. Subjekte der Treuepflicht sind daher im einen wie im anderen Fall die Gesellschafter, nur sind die Schutzrichtungen verschieden. Wenn von einer Pflicht gegenüber „der Gesellschaft“ gesprochen wird, kann damit nur das Interesse der Gesamtheit der Mitglieder gemeint sein, da sie ja die Gesellschaft verkörpern.555 Wird hingegen von einer Pflicht gegenüber den Mitgesellschaftern gesprochen, sind damit Beschlüsse angesprochen, die die Mitglieder als Einzelpersonen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter betreffen.556 Die Konsequenz dessen ist, dass es kein von den Gesellschaftern getrenntes Subjekt gibt, das Bezugsperson eines zu achtenden Eigeninteresses sein kann. Um in der tradierten Terminologie zu sprechen existiert in Ermangelung einer eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft kein einem Eigeninteresse zugängliches Rechtssubjekt.557 Folglich handelt es sich bei der Treuepflicht zwar zum eine unentziehbare, nicht aber unverzichtbare, der Disposition der Gesellschafter entzogene Schranke.558 Die Rechtsprechung zur GmbH ist damit nicht auf die Personengesellschaften übertragbar, stets nur im Sinne eines Hinweises auf den schon im Zivilrecht anerkannten Ermessenspielraum des jeweiligen Entscheidungsträgers zu verstehen ist. So schon im Vorfeld der Entscheidung Rönnau/Hohn NStZ 2004, 113 (118). 554 Siehe dazu noch ausführlich unten E. III. 1. b) aa) (3). 555 Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 77. 556 Staub-Ulmer § 105 Rn. 241; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, S. 77. 557 Flume AT I/1 § 7 III. 558 Staub-Ulmer § 109 Rn. 41.
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so dass eine Zustimmung aller Gesellschafter die Pflichtwidrigkeit stets beseitigen kann.559 Da die Gesellschafter die Gesellschaft ausmachen, können sie nicht sich selbst gegenüber treuwidrig handeln. Im Strafrecht wird das zum Teil anders gesehen.560 Jene Autoren setzen sich jedoch nicht differenziert genug mit dem zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Verständnis der Gesamthandsgesellschaft auseinander.561 Denn innerhalb der Stimmen im Gesellschaftsrecht, die eine Rechtsträgerschaft der Gesellschaft anerkennen, macht es einen ganz gravierenden Unterschied, ob man die Gesellschaft „als solche“ oder als Gruppe ihrer Gesellschafter versteht. Nur im ersteren Fall gibt es überhaupt ein von den Gesellschaftern verschiedenes Subjekt, dem gegenüber eine Treuepflicht bestehen könnte. Es ist also durchaus die Meinung vertretbar, dass auch die Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht völlig frei über das Vermögen der Gesellschaft disponieren können. Dann muss aber in einem ersten Schritt der Weg gegangen werden, einen von den Gesellschaftern verschiedenen Träger eines Eigeninteresses anzuerkennen. Die herrschende, hier dargestellte Gruppenlehre tut gerade das nicht. Das wird schon dadurch deutlich, dass auch Flume als einer der Väter der nun herrschenden Gruppenlehre die Dispositionsbefugnis der Gruppe im Gegensatz zur Lage bei der GmbH ausdrücklich nicht einschränken will.562 Zum selben Ergebnis muss erst Recht die individualistische Theorie kommen. Daher ist auf diese Frage erst später einzugehen; und zwar im Rahmen des Ansatzes, welcher die Rechtsträgerschaft einer von den Gesellschaftern getrennten und insoweit der juristischen Person gleichgestellten Gesellschaft anerkennt.563 Geht man anders vor und bejaht einfach „eine Schutzwürdigkeit“ des Sondervermögens, ohne sich hinreichend mit der gesellschaftsrechtlichen Begründung einer möglichen Einschränkung der Dispositionsmacht auseinander zu setzen, so läuft man Gefahr, sich in Widerspruch zum gesellschaftsrechtlichen Pflichtenmaßstab zu begeben.564 Das gilt es zu vermeiden. Unter Zugrunde559
Flume AT I/1 § 7 III; Reiß wistra 1989, 81, (84). Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 295; Grunst BB 2001, 1537 (1539 f.). 561 Siehe dazu die Kritik unter C. VII. 1. b). 562 Flume AT I/1 § 7 III. 563 Siehe unten E. III. 1. b) bb). 564 Siehe etwa Grunst BB 2001, 1537 (1539 f.), die zwar erkennt, dass die Gruppenlehre keine Einschränkung der Dispositionsbefugnis vornimmt, dann aber ein abweichendes Ergebnis vertritt ohne zu klären, wie eine Einschränkung rechtstechnisch zustande kommen soll, insbesondere ob sie die Existenz einer von den Gesellschaftern verschiedenen Gesellschaft unter Abkehr von der herrschenden Meinung anerkennen will. Damit wird sowohl auf die Frage der Existenz von Treuepflichten als auch auf die nach deren Bezugssubjekt nicht weiter eingegangen. Beides ist aber Voraussetzung, um im Gesellschaftsrecht zu einer Pflichtwidrigkeit zu kommen. Siehe dazu noch die Kritik unter E. III. 1. b) bb) (1). 560
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legung des herrschend vertretenen Verständnisses der Gesamthandsgesellschaft ist daher kein Raum für die Annahme einer Treuwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft. Die Zustimmung aller Gesellschafter unterliegt demnach keinen Schranken. b) Kommanditgesellschaft Die Geschäftsführungsverhältnisse der KG entsprechen grundsätzlich denen der OHG. Allerdings sind zur Geschäftsführung nach der gesetzlichen Konzeption nicht alle Gesellschafter, sondern nur die Komplementäre berufen, § 164 S. 1 HGB. Das bedeutet, dass diese grundsätzlich alle gewöhnlichen Geschäfte vornehmen dürfen. Steht ein ungewöhnliches Geschäft in Rede, was wie gesagt bei der Gefahr einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens stets nahe liegt, so bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses gemäß §§ 116 Abs. 2, 119 HGB. An diesem sind auch die Kommanditisten mitzuwirken berechtigt. Zwar spricht § 164 HGB nur davon, dass den Kommanditisten bei ungewöhnlichen Handlungen ein Widerspruchsrecht zusteht. Auf § 116 Abs. 2 HGB – das Erfordernis eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter bei ungewöhnlichen Geschäften – wird hingegen nicht ausdrücklich verwiesen. Schon das Reichsgericht befand aber diesbezüglich, dass eine Schlechterstellung der Kommanditisten gegenüber den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern, die ja trotz dessen noch zur Mitwirkung an der Beschlussfassung berufen sind, ungerechtfertigt ist.565 Dem wird auch im Schrifttum gefolgt,566 so dass insofern kein Unterschied zur OHG besteht und im Rahmen eines Einverständnisses durch Gesellschafterbeschluss grundsätzlich alle Gesellschafter zustimmen müssen. Bei Vereinbarung eines Mehrheitsprinzips gilt das oben Gesagte, so dass auch hier eine Unwirksamkeit des Einverständnisses nur wegen Treuwidrigkeit gegenüber der Minderheit in Betracht kommt, nicht aber gegenüber der Gesellschaft. c) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Weitgehend anders sind die Verhältnisse zur Regelung der Befugnisse der Geschäftsführer bei der GbR ausgestaltet. Insgesamt ist das gesetzlich vorgesehene System der Geschäftsführung ausgesprochen konsensual ausgerichtet. Gemäß § 709 Abs. 1 BGB besteht im Grundsatz schon Gesamtgeschäftsführung, so dass ohnehin stets alle Gesellschafter einer Maßnahme 565
RGZ 158, 302 (306 f.). Baumbach/Hopt-Hopt § 164 Rn. 2; K. Schmidt GesR § 53 III 2 b; Hueck/ Windbichler § 18 Rn. 8. 566
III. Einverständnis
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zustimmen müssen. Das ist unpraktikabel, bietet aber ein hohes Maß an Sicherheit. Entsprechend dem Erfordernis einer Beteiligung aller existiert keine Beschränkung auf gewöhnliche Geschäfte wie bei OHG und KG. Vielmehr sind vom Umfang her alle gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäfte umfasst.567 Es wird zwar oftmals darauf hingewiesen, dass sich Befugnisgrenzen wie schon bei den Personenhandelsgesellschaften jedenfalls aus dem Gesellschaftszweck ergeben.568 Jedoch ist die so formulierte Beschränkung nach der gesetzlichen Konzeption praktisch einerlei. Die Folge bei Zweckwidrigkeit einer Maßnahme ist nämlich allein die, dass alle Gesellschafter zustimmen müssen.569 Das ist aber ohnehin schon der Regelfall des § 709 Abs. 1 BGB. Geschäftsführung und Beschlussfassung fallen also notwendigerweise zusammen. Wenn alle Gesellschafter stets gemeinschaftlich an der Geschäftsführung teilhaben, besteht kein Unterschied zwischen Geschäftsführung und Beschlussfassung.570 Insofern ist davon auszugehen, dass auch gesellschaftszweckfremde Maßnahmen wegen der Zustimmung aller nicht pflichtwidrig sein können. Ist in Untreuekonstellationen eine GbR betroffen, die sich dieses Mechanismusses bedient, ergibt sich daraus Folgendes: Grundsätzlich sind nur solche Geschäfte pflichtgemäß, die von der Zustimmung aller Gesellschafter gedeckt sind. Ist das nicht der Fall, liegt ein Überschreiten der Befugnis vor. Eine Handlung kann also nur entweder von allen vorgenommen oder pflichtwidrig sein. Für ein Einverständnis zur Erweiterung des rechtlichen Dürfens entsteht kein Bedürfnis. Für das „Ob“ der Strafbarkeit ist also weniger der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis entscheidend, sondern vielmehr das Postulat des personellen Zusammenwirkens aller Gesellschafter. Bedeutung gewinnt die Bindung der Geschäftsführungsmacht an den Gesellschaftszweck allerdings dann, wenn vertraglich von der Gesamtgeschäftsführung abgewichen wird und damit Gesellschaftergesamtheit und Geschäftsführung personell auseinander fallen. Ist eine Geschäftsführung durch eine Mehrheit oder gar Einzelgeschäftsführung vorgesehen (vgl. zu beiden Möglichkeiten § 710 BGB), so können nur Geschäfte innerhalb des Gesellschaftszwecks getätigt werden. Selbst innerhalb dieses Rahmens besteht aber noch die Möglichkeit eines Widerspruchs gemäß § 711 S. 1 BGB. Das Recht dazu haben freilich nur die geschäftsführenden Gesellschafter inne, so dass im Falle der Alleingeschäftsführung kein Widerspruch 567 MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 24; Staudinger-Habermeier § 709 Rn. 3; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 709 Rn. 15. 568 MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 23; Staudinger-Habermeier § 709 Rn. 11; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 709 Rn. 15. 569 Staudinger12-Keßler Vorbem. zu §§ 709–715 Rn. 25. 570 K. Schmidt GesR § 59 III 3 b.
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
in Betracht kommt.571 Zu beachten ist diesbezüglich ferner – wie schon bei den Personenhandelsgesellschaften – die Pflicht zur vorherigen Information, falls aufgrund der Bedeutung der Maßnahme davon auszugehen ist, dass die übrigen Geschäftsführer auf vorherige Unterrichtung Wert legen.572 Wird widersprochen, so hat das Geschäft zu unterbleiben (§ 711 S. 2 BGB), ist bei Vornahme also pflichtwidrig. Wird der Gesellschaftszweck jedoch überschritten, ist die fragliche Handlung wie dargelegt nicht mehr vom Umfang der Mehrheits- oder Einzelgeschäftsführung gedeckt. Da in solchen Fällen die zur Geschäftsführung Befugten nicht mit der Gesellschaftergesamtheit personenidentisch sind, ist in dieser Konstellation ein Einverständnis in Form eines Beschlusses zur Erweiterung der Befugnisse erforderlich.573 Auch hier gilt im Grundsatz – wie schon bei OHG und KG – ein Zustimmungserfordernis aller, § 709 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Anders als in § 119 HGB enthält § 709 BGB zwar keine ausdrückliche Regelung zur Beschlussfassung, so dass deren Grundsätze mit denen zur Geschäftsführung vermengt werden.574 Dennoch besteht Einigkeit, dass sich der Vorschrift ein entsprechendes allgemeines Prinzip der Einstimmigkeit auch für Beschlüsse entnehmen lässt.575 Sieht der Gesellschaftsvertrag ein davon abweichendes Mehrheitsprinzip vor (vgl. § 709 Abs. 2 BGB), gelten auch hier die oben zur OHG und KG dargelegten Einschränkungen aufgrund der Treuepflicht den Mitgesellschaftern gegenüber.576 Danach ist von einer Unwirksamkeit des Einverständnisses jedenfalls bei gesellschaftszweckwidrigen Schädigungen auszugehen. Darüber hinaus ist es wiederum eine Frage des Einzelfalls, ob die Zustimmung zu einer nachteiligen Disposition aufgrund einer hinreichend gravierenden Ermessensüberschreitung als treuwidrig und damit nichtig einzustufen ist. Somit ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen der Lage bei der GbR und der bei den Personenhandelsgesellschaften, solange der gesetzlichen Konzeption der §§ 709 ff. BGB gefolgt wird. Wird davon jedoch abgewichen, was die Regel sein dürfte, bewegen sich Voraussetzungen und Grenzen des Einverständnisses wieder in ähnlichen Bahnen. Der größte Unterschied ist dann der, dass bei OHG und KG jedes ungewöhnliche Geschäft eines Beschlusses bedarf, bei der GbR hingegen erst jedes zweckfremde. Freilich spielen im Rahmen der Bestimmung der Ungewöhnlichkeit 571
Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 710 Rn. 7. MüKo-BGB-Ulmer § 711 Rn. 3; Staudinger-Habermeier § 711 Rn. 3. 573 Staudinger12-Keßler Vorbem. zu §§ 709–715 Rn. 25. 574 Münch. Handb. GesR I-v. Ditfurth § 7 Rn. 1; MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 1. 575 MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 71; Bamberger/Roth-Timm/Schöne § 709 Rn. 28. 576 MüKo-BGB-Ulmer § 709 Rn. 100, 108, 112; Staudinger-Habermeier § 709 Rn. 27. 572
III. Einverständnis
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im Sinne des § 116 HGB auch Zweckerwägungen eine Rolle,577 so dass die praktischen Unterschiede nicht überschätzt werden dürfen. 3. Zusammenfassung Insgesamt ist zunächst die Erkenntnis bedeutsam, dass der dem Grundverhältnis zu entnehmende Maßstab für das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis der Geschäftsführungsbefugnis entspricht. Daher kann als Voraussetzung eines Einverständnisses weder die Anknüpfung an Vertretungsregeln noch ein undifferenziertes Zustimmungserfordernis aller überzeugen. Vielmehr ist im Einzelfall in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob der nach dem jeweiligen Gesellschaftstyp variierende Umfang der Befugnis eingehalten wurde mit der Folge dass eine darüber hinausgehende Zustimmung unnötig ist. Bei schädigenden Maßnahmen wird das selten, bei gesellschaftszweckfremden sogar nie der Fall sein. In solchen Situationen ist dann eine Erweiterung des rechtlichen Dürfens durch ein Einverständnis der Gesellschaftergesamtheit notwendig. Dabei darf das Erfordernis der Zustimmung der Gesamtheit nicht mit einem Erfordernis der Zustimmung aller verwechselt werden. Denn das Gesellschaftsrecht ist in Bezug auf die gemeinsame Vermögensverwaltung nicht inhaltsleer, sondern sieht im Gegenteil ein ausdifferenziertes System zur Bestimmung und Erweiterung des Pflichtenmaßstabs der Geschäftsführer vor. Für die Erweiterung des rechtlichen Dürfens durch ein Einverständnis sind die Regeln über die gemeinsame Willenbildung durch Beschlussfassung maßgeblich. Im Gesetz ist dafür ein Einstimmigkeitserfordernis vorgesehen (§ 119 Abs. 1 HGB, § 709 Abs. 1 BGB). In der Praxis wird davon aber meist zugunsten eines Mehrheitsprinzips abgewichen. Dann ist die Mehrheit zur Abgabe der Zustimmungserklärung mit Wirkung für alle berufen. Ignoriert man das, droht die Bestrafung einer gegenüber der Gesellschaftergesamtheit rechtmäßigen Handlung. Freilich sind der Mehrheitsherrschaft Grenzen gesetzt. Die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern setzt der Mehrheit Schranken, die jedenfalls bei gesellschaftszweckwidrigen Schädigungen greifen und das Einverständnis unwirksam machen. Stimmen aber alle zu, so kann dem Einverständnis – anders als es bei der GmbH herrschend gesehen wird – nicht aufgrund einer zugunsten der Gesellschaft bestehenden Dispositionsschranke die Wirksamkeit versagt werden. Denn als Trägerin einer gegenüber „der Gesellschaft“ bestehenden Treuepflicht kommt auf Grundlage der hier behandelten Auffassung wiederum nur die Gesellschaftergesamtheit in Betracht, die ja mit „der Gesellschaft“ identisch ist. Es fehlt also an einem von den Disponierenden verschiedenen Interessenträger, dessen Belange zu berücksichtigen wären. 577
Siehe oben unter D. III. 2. a) aa).
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
Im Ergebnis wird es bei Schädigungen also zumeist dazu kommen, dass eine Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Das ist jedoch in jedem Fall auf Grundlage des dargestellten Systems zu überprüfen, da insbesondere bei Risikogeschäften Fälle denkbar sind, die zwar ungewöhnlich, aufgrund des Ermessensspielraums aber nicht so ungewöhnlich sind, als dass gleich eine Treuwidrigkeit im Raum steht. Hervorzuheben ist schließlich, dass eine Handlung danach nur einheitlich allen gegenüber pflichtgemäß oder pflichtwidrig sein kann. Zu einer Aufteilung des Pflichtwidrigkeitsurteils kann es niemals kommen, selbst wenn einzelne Gesellschafter einverstanden waren. Die Regeln zur Verwaltung des Gesellschaftsvermögens geben nämlich ein Alles-oder-Nichts-Prinzip vor. Das folgt unmittelbar aus dessen Rechtsnatur als gebundenes, einheitliches und einer gemeinsamen Zuständigkeit unterliegenden Sondervermögen. Für die Berücksichtigung der Zustimmung Einzelner bleibt nur im Rahmen der Strafzumessung Raum.
IV. Schaden Die Berechnung des durch die Tat entstandenen Nachteils ist auf Basis dieses Ansatzes recht unkompliziert. Denn dadurch, dass das Sondervermögen die geschützte Vermögensmasse darstellt, erübrigt sich die umständliche Berechnung anteiliger Schädigungen. Dem eben dargestellten Allesoder-Nichts-Prinzip im Rahmen des Einverständnisses entsprechend ist bei Fehlen einer wirksamen Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit ein Gesamtnachteil zu deren Lasten entstanden. Falls der Täter zugleich Gesellschafter ist, umfasst das auch ihn. Das Sondervermögen ist nämlich rechtlich vom Privatvermögen völlig abgesondert und steht im Ganzen allen Beteiligten zusammen zu. Ein „Anteil“, in Bezug auf den eine Selbstschädigung denkbar wäre, lässt sich nicht isolieren. Der Täter geht als Einzelperson gewissermaßen in der Gesamtheit auf. Gleiches gilt für einzelne zustimmende Mitgesellschafter. Die Höhe des Nachteils entspricht damit dem im Gesellschaftsvermögen entstandenen negativen Saldo.578 Das beinhaltet, dass auch für mögliche Kompensationsposten auf Ebene der Gesellschaftergesamtheit anzuknüpfen ist und etwaige im Privatvermögen entstandene Vorteile unberücksichtigt bleiben müssen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die so dargestellte Berechnung des Nachteils im Vergleich zur Berechnung des BGH am Unrechtsgehalt der Tat nichts ändert, so dass sich trotz der nominal oft höheren (weil unteilbaren) Schadenssumme das Strafmaß am bisher üblichen Rahmen orientieren sollte.579 Im Rahmen der 578 579
Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (54); Reiß wistra 1989, 81 (86). Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (54).
V. Strafantrag
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Strafzumessung bleibt also nicht nur zu berücksichtigen, ob und wie viele Gesellschafter (inklusive Täter) mit der Schädigung „einverstanden“580 waren, sondern auch, in welchem Umfang sie am geschädigten Gesellschaftsvermögen rechnerisch beteiligt sind. Besondere Relevanz kann diese Erkenntnis dann gewinnen, wenn die Verwirklichung eines Regelbeispiels gemäß §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB in Rede steht. Danach liegt ein besonders schwerer Fall in der Regel dann vor, wenn ein Schaden großen Ausmaßes verursacht wird. Die entsprechende Grenze wird bei etwa 50.000 Euro gesehen.581 Sollte ein Fall vorliegen, bei dem der im Gesellschaftsvermögen insgesamt entstandene Nachteil über diesem Betrag liegt, bei Berücksichtigung der Beteiligung des Täters oder anderer zustimmender Gesellschafter jedoch darunter, ist von einer Widerlegung der Regelwirkung auszugehen. Auf Ebene der Strafzumessung gewinnt die Ermittlung der individuellen Betroffenheit zur Bestimmung des Schuldumfangs also doch wieder Relevanz. Es wurde bereits erarbeitet, dass sich dazu von den vorgeschlagenen Kriterien am ehesten das System der Kapitalkonten zur Verwaltung des gemeinsamen Vermögens und zur Quantifizierung des Wertanteils am Gesellschaftsvermögen eignet.582
V. Strafantrag Zuletzt ist zu untersuchen, welche Auswirkungen das dogmatische Verständnis dieser Auffassung von der Gesamthandsgesellschaft auf das Erfordernis eines Strafantrags nach §§ 266 Abs. 2, 247 StGB hat. Für § 247 StGB kommt es darauf an, dass der Rechtsgutsträger als der Verletzte im Sinne der Vorschrift in einem Näheverhältnis zum Täter steht. Als Folge der gemeinsamen Rechtsgutszuordnung kommt es auch in diesem Zusammenhang auf das Verhältnis der Personenmehrheit zum Täter an. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verweis in § 266 Abs. 2 StGB auf das Strafantragserfordernis beim Familiendiebstahl mit Vorsicht zu genießen ist. Der Verweis ist aufgrund der unterschiedlichen Struktur der geschützten Rechtsgüter „fremde Sache“ und „fremdes Vermögen“ etwas unglücklich – und zwar insbesondere dann, wenn es um eine Personen580 Gemeint ist damit die aufgrund der Gesamtzuständigkeit unbeachtliche Zustimmung einzelner Gesellschafter. Liegt ein wirksames Einverständnis für die Gesellschaftergesamtheit vor, stellt sich die Frage nach der Schädigung ohnehin nicht. 581 BGHSt 48, 361; BGH wistra 2004, 262 (263); Schönke/Schröder-Cramer § 263 Rn. 188c; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 122; Lackner/Kühl § 263 Rn. 66. 582 Siehe oben C. VII. 4. d).
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
mehrheit als Opfer geht. Denn während es für § 242 StGB einerlei ist, in welcher Form einer Personenmehrheit das Eigentum an einer Sache zusteht, ergeben sich im Rahmen des § 266 StGB durchaus Unterschiede. Der Grund dafür ist der, dass das tatbestandlich beschriebene Angriffsobjekt „Sache“ stets unteilbar ist. Unabhängig davon, ob sie im Miteigentum (also Eigentum nach Bruchteilen) oder im Gesamthandseigentum mehrerer steht, bleibt doch stets die Personenmehrheit gemeinsame Inhaberin des unteilbaren Rechtsguts. Im Rahmen des Vermögensschutzes macht es hingegen durchaus einen Unterschied, ob die Sache jedem anteilig gehört (Miteigentum) oder allen gemeinsam (Gesamthandseigentum). Im ersteren Fall wäre jeder Einzelne in Bezug auf seinen Miteigentumsanteil in seinem Privatvermögen geschädigt, im letzteren – da es ja gerade anders als bei der Bruchteilsgemeinschaft keine Anteile gibt – bleibt die Gesamtheit ungeteilte Rechtsgutsinhaberin des zum Sondervermögen gehörenden Gegenstandes. Wenn sich also zu § 247 StGB vielfach die Aussage findet, dass bei einer Personenmehrheit ein Strafantragserfordernis nur in Betracht komme, wenn alle zum entsprechenden Personenkreis gehören583 und ansonsten ohnehin das Antragserfordernis entfalle,584 so kann das nicht undifferenziert auf § 266 StGB übertragen werden. Bei der Bruchteilsgemeinschaft ist es nämlich im Rahmen der Vermögensdelikte im engeren Sinne zum Beispiel gerade nicht erforderlich, dass alle Bruchteilsberechtigten nahe stehende Personen sind. Vielmehr kommt es auf das jeweilige Individuum als Geschädigten an. Andersherum entfällt auch nicht das Antragserfordernis insgesamt, sobald ein Beteiligter in keiner privilegierenden Beziehung zum Täter steht. Denn die im Sonderverhältnis stehenden Personen müssen immer noch in Bezug auf die Schädigung ihres Bruchteils unabhängig von denen anderen einen Antrag stellen. Im Rahmen des § 242 StGB macht das freilich keinen Unterschied, da ein Bruchteil nicht gestohlen werden kann, sondern nur auf die gemeinsame Sache geblickt wird. Gesetzliche Verweisungen im Bereich der Vermögensdelikte auf Vorschriften zum Zweck des Eigentumsschutzes sind aufgrund der Verschiedenheit der Angriffsobjekte also generell ein heikles Unterfangen. Die so dargestellten Strukturunterschiede zwischen § 242 und § 266 StGB werden – soweit ersichtlich – im Rahmen des Strafantragserfordernisses nicht wahrgenommen, so dass sich gängige Kommentierungen zumeist in einem Verweis erschöpfen, ohne auf dieses Problem einzugehen.585 583
NK-Kindhäuser § 247 Rn. 12; Schönke/Schröder-Eser § 247 Rn. 12. Schönke/Schröder-Eser § 247 Rn. 12. 585 Siehe etwa Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 56; Tröndle/ Fischer § 266 Rn. 85; NK-Kindhäuser § 266 Rn. 129. 584
VI. Zusammenfassung
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Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Schädigung eines Gesamthandsvermögens ist das jedoch wenig schädlich. Denn ebenso wie eine Sache unteilbar im Miteigentum aller steht, so ist eine Rechtsgutsaufteilung im Falle einer gesamthänderischen Bindung undenkbar. Die Zuordnung zur gesamten Hand ist also gerade der Fall einer Personenmehrheit als Rechtsgutsträgerin, bei dem trotz Andersartigkeit der Schutzobjekte „Sache“ und „Vermögen“ die Ergebnisse gleich ausfallen müssen. Das muss man sich freilich bewusst machen, um die Bezugnahme auf die zu § 247 StGB angestellten Überlegungen erst einmal zu legitimieren. Wie gezeigt ist das nämlich im Gegensatz zum Eindruck, der in weiten Teilen des Schrifttums erweckt wird, keinesfalls selbstverständlich. Auf Basis einer unteilbaren Gesamtzuständigkeit aller Gesellschafter ergibt sich, dass ein Antragserfordernis nur nötig ist, wenn alle Mitgesellschafter zum Kreis der in § 247 StGB aufgeführten nahe stehenden Personen gehören.586 Es reicht dann jedoch, wenn einer von ihnen einen Antrag stellt, um die Verfolgung hinsichtlich der auf alle bezogenen (unteilbaren) Tat auszulösen. Eine Aufteilung, wie sie der BGH und die herrschende Strafrechtsliteratur vornehmen, kann es wegen der gesamthänderischen Bindung nicht geben. Aus demselben Grund entfällt das Antragserfordernis insgesamt, sobald auch nur die Beziehung zu einem der Gesamthänder keiner Privilegierung unterliegt. Das ist insbesondere bei einer GmbH als Gesellschafterin relevant, da sie als juristische in keinem persönlichen Verhältnis zum Täter stehen kann. Die abweichende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, die in einer mit der Vermögenszuordnung unvereinbaren Weise die GmbH-Gesellschafter als Geschädigte ansieht, wurde bereits oben abgelehnt.587 Die Tat ist also stets im Ganzen oder gar nicht verfolgbar.
VI. Zusammenfassung Die im Privatrecht herrschende Ansicht sieht die Gesellschaftergesamtheit als Trägerin eines vom jeweiligen Privatvermögen der Gesellschafter getrennten Sondervermögens an. Dementsprechend kommt es für alle Tatbestandsmerkmale auf diese Personenmehrheit an. Eine Aufteilung von Einverständnis, Schaden oder Strafantragserfordernis nach Köpfen kann es nicht geben. Hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit einer Handlung wurde herausgearbeitet, dass es auf die Geschäftsführungsbefugnis zur Ermittlung des rechtlichen 586 587
NK-Kindhäuser § 247 Rn. 12; MüKo-StGB-Hohmann § 247 Rn. 10. Siehe C. VII. 5.
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
Dürfens im Innenverhältnis ankommt. Ein Einverständnis zur Erweiterung dessen erfolgt durch Beschluss, der für alle Gesellschafter Wirkung entfaltet. Gleiches gilt auch bei einem gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsprinzip. Dabei führt jedoch die Schranke der Treuepflicht gegenüber der Minderheit zu Einschränkungen. Eine Treuepflicht gegenüber einer von den Gesellschaftern verschiedenen Gesellschaft gibt es nicht. Der Nachteil, welcher der Gesellschaftergesamtheit in Bezug auf das gemeinsame Vermögen entstanden ist, entspricht dem Nominalwert der Verringerung des Gesellschaftsvermögens. Die Betroffenheit einzelner Gesellschafter ist allein für die Strafzumessung bedeutsam. Ein Strafantrag ist nur dann nötig, wenn alle Gesellschafter in einer Nähebeziehung zum Täter stehen. Ist das der Fall, reicht ein einziger Antrag um die Verfolgbarkeit der Tat insgesamt auszulösen.
VII. Kritik Der große Vorteil des hier dargestellten Ansatzes ist der, dass die Existenz eines vom Privatvermögen getrennten gemeinsamen Gesellschaftsvermögens anerkannt wird. Dies führt wieder in zivilrechtsakzessorische Bahnen und bietet feste Orientierungspunkte. Aufgrund der Bezugnahme auf gesellschaftsrechtliche Prinzipien werden zum einen Widersprüche, insbesondere Verletzungen des Ultima Ratio Prinzips, vermieden. Zum anderen sind die zugrunde liegenden Wertungen bekannt und die daraus resultierenden Ergebnisse vorhersehbar. Im Gegensatz zur Konstruktion der herrschenden Meinung im Strafrecht verspricht ein solches Vorgehen nicht nur ein hohes Maß an Rechtssicherheit, sondern es ist auch einfacher zu handhaben und kann konsequent durchgehalten werden. Hinsichtlich des Einverständnisses wird die Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter berücksichtigt und mit der Anknüpfung an die Geschäftsführungsbefugnis dem zivilrechtlichen Rechtmäßigkeitsmaßstab Rechnung getragen. Zwar sind die Grenzen der Handlungsbefugnis vor allem in Grenzfällen nicht immer einfach festzustellen. Man denke nur an die Notwendigkeit der Bestimmung der außergewöhnlichen Natur eines Geschäfts oder der Treuwidrigkeit eines Mehrheitsbeschlusses. Dabei handelt es sich jedoch um Kriterien, an denen kein Weg vorbei führt. Denn der Umfang des rechtlichen Dürfens ergibt sich nun einmal aus dem Grundverhältnis, das heißt dem Gesellschaftsvertrag und den subsidiären gesetzlichen Vorschriften. Wenn das bisher nahezu keine Beachtung gefunden hat, droht zum einen die Bestrafung rechtmäßigen Handelns. Zum anderen begibt man sich auch der Möglichkeit, die im Grundverhältnis enthaltenen Verhaltensnormen zur Konkretisierung des Pflichtenkanons in positiver Hinsicht
VII. Kritik
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nutzbar zu machen. Das wird besonders angesichts der immer wieder vorkommenden Praxis deutlich, anstelle der an sich vorrangigen vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen auf den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns zurückzugreifen. Die Bezugnahme auf eine solche Generalklausel bleibt derart unbestimmt, dass jede Benennung konkreter Kriterien (wie etwa das der Gesellschaftszweckwidrigkeit eines Geschäfts) nicht ein Rückschritt ist, sondern vielmehr als Fortschritt in Punkto Rechtssicherheit gewertet werden muss. Der Grund für die mangelnde Berücksichtigung des Grundverhältnisses mag darin liegen, dass sie ein gewisses Maß an Aufwand bei der Auseinandersetzung mit gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen erfordert, das im Strafrecht mitunter gescheut wird. Bei Tatbeständen wie der Untreue, die in hohem Maße zivilrechtsbezogen sind, lässt sich das jedoch zur Konkretisierung der Merkmale nicht vermeiden. Durch die Anknüpfung an das Sondervermögen gestaltet sich die Schadensberechnung zunächst denkbar einfach. Eine umständliche Kalkulation der individuellen Schädigung einzelner Gesellschafter ist tatbestandlich unnötig. Darin liegt auf den ersten Blick ein großer Pluspunkt dieser Ansicht. Jedoch gewinnt der Umfang der Betroffenheit der einzelnen Gesellschafter im Rahmen der Strafzumessung doch wieder an Relevanz, insbesondere wenn der Täter selbst am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist. Das führt dazu, dass der Charme dieser Ansicht – die einfache Handhabung – wieder ein Stück weit verloren geht und im Grunde nur eine Verschiebung des Problems stattfindet. Beim Strafantragserfordernis fällt auf, dass bereits eine Person, deren Beziehung zum Täter nicht privilegiert ist, zur Unanwendbarkeit des § 247 StGB führt. Das Ziel der Vorschrift, dass auf die Familienbande und das Bedürfnis nach interner Konfliktlösung Rücksicht zu nehmen ist, wird damit in vielen Fällen entwertet. Jedoch ist es unvermeidbar, dass bei Beteiligung auch nur einer Person, deren Beziehung zum Täter nicht privilegiert ist, kein rein familieninterner Sachverhalt mehr vorliegt. Die Konsequenz einer Verfolgung hinsichtlich der vollumfänglichen Tat lässt sich aufgrund der mangelnden Aufteilbarkeit des Vermögens nicht umgehen. Auch hier bleibt nur der Verweis auf die Strafzumessung. Insgesamt führt also die Gesamtzuständigkeit bei allen dargestellten Merkmalen zu einer Verringerung der Flexibilität der Ergebnisse. Das ist der Preis der gesellschaftsrechtlich korrekten Anerkennung eines mit dem Gesamthandsprinzip einhergehenden einheitlichen Sondervermögens und damit unvermeidbar. Dabei bedeutet der auf mehreren Ebenen auftretende Alles-oder-Nichts-Charakter nicht, dass dem Täter ein unangemessener Schuldumfang zur Last gelegt wird. Denn es bleibt im Rahmen der Straf-
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D. Folgen bei Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter
zumessung Raum für eine Berücksichtigung all jener Faktoren, die auf Tatbestandsebene unberücksichtigt bleiben. Das betrifft das Einverständnis Einzelner ebenso wie den Umfang der jeweiligen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen oder die Tatsache, dass es sich bei einigen der Geschädigten um Familienmitglieder handelt, die keine Bestrafung wünschen. Für diese an der herrschenden Auffassung im Zivilrecht orientierte Lösung spricht vor allem der damit verbundene Zuwachs an Rechtssicherheit und die Vermeidung gesellschaftsrechtswidriger Ergebnisse.
E. Folgen bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher Im Rahmen der Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Verständnis der Rechtsnatur der Gesamthand auch im Zivilrecht nach wie vor gespalten ist. Neben der soeben dargestellten, in Literatur und Rechtsprechung herrschenden Auffassung, welche die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin ansieht, befindet sich eine abweichende Auffassung im Vordringen, die namentlich von K. Schmidt seit langem propagiert wird. Danach wird eine von den Gesellschaftern zu trennende Gesellschaft anerkannt, die selbst – also tatsächlich „als solche“ – Trägerin des Gesellschaftsvermögens ist.588 Welche Auswirkungen ein solches Verständnis hinsichtlich einer Untreuestrafbarkeit hat bildet den Gegenstand der folgenden Untersuchung.
I. Vermögensträgerschaft der Gesellschaft selbst Oben wurde dargestellt, dass eine Vermögensträgerschaft der Gesellschaft selbst deshalb herrschend abgelehnt wird, weil unbedingt an einer Abgrenzung zu den juristischen Personen anhand der Vermögenszuordnung festgehalten werden soll. Dazu wurde die Existenz einer von der Rechtsfähigkeit getrennten Rechtspersönlichkeit in Leben gerufen, ohne dass klar wäre, worin der Unterschied zwischen beidem liegen soll.589 Die gebräuchlichen Formulierungen zur Umschreibung des größeren Maßes an Verselbständigung haben sich als inhaltsleer erwiesen. Um des gewünschten Ergebnisses Willen scheint sich die herrschende Auffassung jedoch mit der daraus resultierenden Grundlagenungewissheit abzufinden. Die abweichende Ansicht, deren Konsequenzen im Folgenden durchdacht werden sollen, überwindet das althergebrachte Systemdenken und setzt sich mit den daraus resultierenden Folgen konstruktiv auseinander. Die Anerkennung einer Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft „als solcher“ führt dazu, dass sich die Vermögensträgerschaft als nunmehr gemeinsames Merkmal nicht mehr zur Abgrenzung eignet und juristische Personen und Gesamthandsgesellschaften diesbezüglich gleich behandelt wer588 589
K. Schmidt GesR § 8 I 2 und 3; ders. NJW 2001, 993 (997). Siehe oben B. I. 2. b) aa).
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E. Folgen bei Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher
den.590 Damit ist auch im Rahmen des § 266 StGB der Weg dafür bereitet, die Gesellschaft selbst als Opfer anzusehen.591 Im Folgenden ist also, wenn von einer Untreue zum Nachteil der Gesellschaft gesprochen wird, tatsächlich diese und nicht etwa die Gesellschaftergesamtheit gemeint.592 Da die Lage insofern vergleichbar ist mit der bei der ebenfalls vermögenstragenden GmbH, bietet sich grundsätzlich eine Anlehnung an die Behandlung der einzelnen Tatbestandsmerkmale bei einer Untreue zu deren Lasten an. Denn während eine Untreue zum Nachteil einer Personengesellschaft „als solcher“ bisher kaum Beachtung gefunden hat, werden die insofern parallelen Fragen bei der GmbH in Rechtsprechung und Literatur seit langem ausführlich diskutiert. Dabei ist freilich je nach Zusammenhang zu beachten, dass neben der neuen Gemeinsamkeit der Vermögensträgerschaft durchaus noch zahlreiche Strukturunterschiede bestehen, die zu einer anderen Bewertung der jeweiligen Rechtsfrage führen können.593 Im Strafrecht wurde in der Vergangenheit vertreten, dass es offen bleiben kann, ob die Gesellschaftergesamtheit oder die Gesellschaft selbst Vermögensträgerin ist.594 Wäre das zutreffend, könnte man sich die folgenden Ausführungen sparen. Schultz ist dabei zwar insoweit Recht zu geben, als dass jedenfalls nach allen Ansichten im Gesellschaftsrecht Einigkeit besteht, dass das Gesellschaftsvermögen keinesfalls Vermögen des einzelnen Gesellschafters ist.595 Das besagt aber nur, dass das Vorgehen der herrschenden Meinung im Strafrecht im Ausgangspunkt gesellschaftsrechtswidrig ist. Der Schluss, dass bei Anerkennung eines Sondervermögens die Ergebnisse immer gleich sein müssen, lässt sich daraus aber noch nicht ziehen. Und zwar deshalb nicht, weil auch das Sondervermögen noch verschiedenen Trägern (Gesellschaftergesamtheit oder der Gesellschaft) zuordnet werden kann. Dass sich daraus durchaus noch Unterschiede ergeben können, werden die folgenden Ausführungen zeigen.
590
Siehe dazu ausführlich oben B. I. 2. b) bb). Im Strafrecht wurde das unter Zugrundelegung dieses Verständnisses bislang nicht diskutiert, da die kritischen Stellungnahmen zur bisherigen Handhabung durch die Strafsenate nur die Absonderung des Vermögens überhaupt, nicht aber eine Zuordnung zu einem eigenen Rechtsträger im Blick haben. Siehe dazu ausführlich oben C. VII. 1. b). 592 Zur Terminologie siehe schon oben D. I. 593 Siehe dazu schon oben B. I. 2. b) bb). 594 Schultz BB 1988, 572 (574). 595 So Schultz BB 1988, 572 (574) zur Begründung, warum der im Gesellschaftsrecht geführte Streit offen bleiben könne. 591
III. Einverständnis
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II. Vermögensbetreuungspflicht Wird die Gesellschaft als Inhaberin des geschützten Sondervermögens angesehen, ist sie es auch, der gegenüber die Pflicht zur Wahrung der damit verbundenen Vermögensinteressen besteht.
III. Einverständnis In Bezug auf das Einverständnis kommt es auf die Zustimmung der Gesellschaft als Rechtsgutsinhaberin an. Da diese sich nicht selbst erklären kann, muss sie sich dazu ihrer Organe bedienen und zwar in Form eines Gesellschafterbeschlusses. Dieses Grundprinzip ist an sich einfach. Soll dieser Befund durch einen Blick auf die ebenfalls vermögenstragende GmbH bestätigt werden, finden sich jedoch oftmals wieder nur Stellungnahmen, die ohne weitere Begründung von einem Einverständnis durch Zustimmung aller Gesellschafter sprechen.596 Das lässt jedoch wie schon zuvor beim Einverständnis der Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin eine hinreichende Auseinandersetzung mit den gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsmechanismen vermissen. Denn zum einen geht es nicht um eine Zustimmung der Gesellschafter, sondern um eine der Gesellschaft. Inhaberin des Sondervermögens und damit zu dessen Preisgabe berechtigt ist zunächst einmal sie. Zum anderen ist es begründungsbedürftig, wenn offenbar ein Einverständnis nur durch einen einstimmigen Beschluss aller zustande kommen soll. Beides findet in der Diskussion so gut wie keine Beachtung und wird im Folgenden kurz zu hinterfragen sein. Ein richtiges Verständnis der gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsmechanismen ist zur Beantwortung der Frage nach der Pflichtwidrigkeit unerlässlich. Zu begrüßen ist es daher, wenn zum einen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es keineswegs um eine Zustimmung der Gesellschafter, sondern um eine Zustimmung der rechtsgutstragenden Gesellschaft durch die Gesellschafter als Organe geht.597 Die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit ist dabei – vergleichbar mit der Lage bei den Personenhandelsgesellschaften – überhaupt nur dann 596 BGH NJW 1989, 112; NJW 2000, 154 (155); NJW 1995, 185 (186); LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21a; Hellmann/Beckemper Rn. 349; Große Vorholt Rn. 456; Richter GmbHR 1984, 137 (146); Teile der Literatur formulieren wiederum deutungsoffen und sprechen von einer Zustimmung „der Gesellschafter,“ siehe etwa Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52a; Scholz9-Tiedemann Vor § 82 Rn. 15. 597 BGHSt 34, 379 (385); Reiß wistra 1989, 81 (84); Zieschang FS Kohlmann, 351 (354).
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und insoweit notwendig, als dass sich das Geschäft nicht ohnehin im Rahmen der gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Reichweite der Geschäftsführungsbefugnis hält. Im Detail ist die Ermittlung der Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis und damit die Eröffnung der Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit umstritten.598 Gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG sind jedoch jedenfalls für solche Geschäfte die Gesellschafter anzurufen, bei denen es „im Interesse der Gesellschaft erforderlich scheint.“ Darunter sollen alle ungewöhnlichen Maßnahmen fallen.599 Unabhängig davon, ob eine solche Generalklausel eng oder weit ausgelegt wird, kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls in Bezug auf schädigende und damit untreuerelevante Handlungen stets ein besonderes Interesse und damit eine Vorlagepflicht besteht.600 Zum anderen ist es entgegen dem Anschein auch keine Selbstverständlichkeit, dass stets alle Gesellschafter zustimmen müssen. Es sind vielmehr auch hier die gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen über die Beschlussfassung zu beachten, so dass grundsätzlich auch ein Mehrheitsprinzip gelten kann.601 Richtigerweise muss wegen der expliziten Regel in § 47 Abs. 1 GmbHG sogar vom Grundsatz eines Einverständnisses durch Mehrheitsbeschluss ausgegangen werden.602 Das ist bei der GmbH vor allem auch deshalb besonders praxisrelevant, weil nicht nach Köpfen, sondern nach Wert der Geschäftsanteile abgestimmt wird (§ 47 Abs. 2 GmbHG), so dass im (vor allem im Konzern nicht seltenen) Extremfall ein Mehrheitsgesellschafter sogar allein wirksame Beschlüsse herbeiführen kann. Warum hingegen ganz überwiegend nur die Zustimmung der Gesellschaft durch alle Gesellschafter problematisiert wird, ist daher zunächst einmal nicht einleuchtend und wird soweit ersichtlich auch nicht begründet603. Falls damit abweichend von den 598 Roth/Altmeppen-Altmeppen § 37 Rn. 11; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noak § 37 Rn. 7 ff. 599 Diese weite Auslegung ist herrschend: BGH NJW 1984, 1461 (1462); Münch. Handb. GesR III-Wolf § 44 Rn. 55; enger Baumbach/Hueck-Zöllner/Noak § 37 Rn. 11, wonach nur Geschäfte mit besonderem Risiko oder substantiellen Eingriffen in Gesellschafterrechte erfasst sein sollen. 600 Hachenburg-Hüffer § 49 Rn. 20; Baumbach/Hueck-Zöllner § 49 Rn. 17. 601 So richtigerweise MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 136; Schramm, Untreue und Konsens, S. 125; ebenso Bittmann InsR § 16 Rn. 23, der auch auf eine mögliche Unwirksamkeit wegen Treuwidrigkeit gegenüber der Minderheit hinweist. 602 Schramm, Untreue und Konsens, S. 125; wohl auch Lamann, Untreue im GmbH-Konzern, der auf S. 46, 61 von einer möglichen Beseitigung der Pflichtwidrigkeit durch die Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters (eines beherrschenden Unternehmens) ausgeht. 603 Ohne Begründung etwa BGH NJW 1989, 112; NJW 2000, 154 (155); NJW 1995, 185 (186); LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21a; Hellmann/Beckemper Rn. 349; Große Vorholt Rn. 456; Richter GmbHR 1984, 137 (146). Das gilt mitunter selbst für ausführliche Abhandlungen,
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Regelungen des GmbHG im Strafrecht stets eine Zustimmung aller für erforderlich gehalten werden sollte, so droht wiederum die Bestrafung einer rechtmäßigen Handlung in den Fällen, in denen der Mehrheitsbeschluss rechtswirksam ist. Es bleibt also noch gesondert zu untersuchen, wie es sich mit dem Verhältnis von Mehrheitsprinzip und Einstimmigkeit verhält. Die Zustimmung der Gesellschafter ist danach also allein als Einverständnis der Rechtsgutsträgerin Gesellschaft relevant. Ferner kann ein Einverständnis durchaus auch ohne Zustimmung aller Gesellschafter zustande kommen. Für die vermögenstragende Personengesellschaft gilt nach alledem, dass es auch bei ihr auf eine Zustimmung der Gesellschaft durch die Gesellschafter ankommt. Im Zusammenhang mit der Ansicht, die die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin ansieht, wurde bereits ausführlich dargestellt, dass eine Erweiterung des rechtlichen Dürfens durch ein Einverständnis überhaupt nur erforderlich ist, wenn die Geschäftsführungsbefugnis anderenfalls überschritten wäre und dass das Einverständnis in Form eines Beschlusses zustande kommt.604 Für beides, die Notwendigkeit und die Art der Erklärung des Einverständnisses durch Beschluss, kann auf die obigen Erörterungen verwiesen werden. Denn die gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich festgeschriebene Systematik zur Reichweite der Geschäftsführung und zu deren Erweiterung durch Beschlussfassung bleibt gleich, unabhängig davon, wer als Vermögensinhaber angesehen wird. Allein der gedankliche Bezugspunkt ist jeweils ein anderer: Während es hier wie bei der GmbH um die Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft und eine Erklärung der Gesellschaft geht, war oben eine Pflichtwidrigkeit gegenüber und eine Erklärung der Gesellschaftergesamtheit zu erörtern. Abweichungen können sich daraus indes hinsichtlich der Dispositionsbefugnis ergeben, da es hierfür auf das Verhältnis von Erklärendem und Rechtsträger und folglich auch auf deren Identität oder Verschiedenheit durchaus ankommt. 1. Einschränkung der Dispositionsbefugnis Hinsichtlich der Dispositionsmacht kommt erneut eine Einschränkung mit Blick sowohl auf die Gesellschafter- [a)] als auch auf die Gesellschaftsinteressen [b)] in Betracht. siehe etwa Hentschke, Untreueschutz der Vor-GmbH, S. 97 f., wo zunächst noch von einer Zustimmung „der Gesellschaftergesamtheit durch Beschlussfassung“ gesprochen wird, dann aber plötzlich die Zustimmung aller im Raume steht. Im Folgenden ist dann nur noch – ganz deutungsoffen – von einer Zustimmung „der Gesellschafter“ die Rede. 604 Siehe oben D. III.
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a) Unwirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen im Gesellschafterinteresse Die Interessen bestimmter Mitgesellschafter werden wiederum dann relevant, wenn im Rahmen eines gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsprinzips eine Beschlussfassung zur Legitimation einer schädigenden Handlung gegen den Willen einer Minderheit zustande kommt. Zu denken ist beispielsweise an eine Verwendung von Gesellschaftsmitteln zur Tilgung privater Schulden der Gesellschaftermehrheit. Unter den oben näher ausgeführten Voraussetzungen ist der Beschluss und damit das Einverständnis der Minderheit gegenüber treuwidrig und damit unwirksam.605 Auch diesbezüglich ändert sich durch die Anerkennung einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft im Vergleich zur Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit nichts. Denn die Gesellschafter sind weiterhin untereinander gleichermaßen zur Rücksichtnahme verpflichtet.606 Das mag auch der Grund sein, warum hinsichtlich der GmbH in Abweichung von der gesetzlichen Regel in § 47 Abs. 1 GmbHG meist von einer Zustimmung aller die Rede ist. Denn auch bei der GmbH kann aufgrund der mittlerweile in allen Gesellschaftsformen anerkannten Treuepflicht der Gesellschafter untereinander in solchen Fällen ein Mehrheitsbeschluss unstatthaft sein, so dass zur Wirksamkeit des Beschlusses eine Einstimmigkeit nötig wäre.607 Zivilrechtlich kommt es also auch bei Annahme einer Verselbständigung der Personengesellschaft trotz der vertraglichen Vereinbarung eines Mehrheitsprinzips in untreuerelevanten Konstellationen in der Regel zu einem Einstimmigkeitserfordernis. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass mit dem Mehrheitsbeschluss auch das Einverständnis im Strafrecht unwirksam ist und damit der Weg zur Untreue eröffnet wäre. Dem läge der Gedanke zugrunde, dass die Gesellschaft ihr Einverständnis eben durch einen Beschluss erklärt und dessen Unwirksamkeit – egal aus welchem Grund – dazu führt, dass die Schädigung der Gesellschaft gerade nicht gestattet wurde. Das geschützte Minderheiteninteresse kann so als Teil des organschaftlich gebildeten Gesellschaftsinteresses begriffen werden, welches aufgrund willensbildungsinterner Beschränkungen insgesamt fehlerhaft ist. Dabei ergibt sich unter Zugrundelegung einer Anerkennung der Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt und damit der Trennung von den Gesell605
Siehe dazu oben D. III. 2. a) bb) (1). Siehe nur K. Schmidt GesR § 20 IV 2, der trotz der Annahme einer Verselbständigung der Gesellschaft für die Treubindung der Gesellschafter untereinander dieselben Konsequenzen wie die herrschende Ansicht zieht. 607 Zur Unwirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht bei der GmbH siehe nur BGH ZIP 1991, 1427 (1428); Hachenburg-Hüffer § 47 Rn. 192; Hueck/Windbichler § 36 Rn. 23. 606
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schaftern jedoch ein – bislang nicht diskutiertes608 – Problem. Wenn nämlich die Unwirksamkeit eines sonst gestattenden Beschlusses mit einer Treuwidrigkeit gegenüber den überstimmten Mitgesellschaftern begründet wird, bemüht man eine Norm, die dem Minderheitenschutz dient, nicht aber dem Schutz des von § 266 StGB geschützten Vermögensinhabers „Gesellschaft.“ Es würde also ein rechtsgutsträgerfremdes Interesse zur Begründung der Strafbarkeit einer Handlung gegenüber der Gesellschaft herangezogen. Eine solche gleichzeitige Anwendung inkongruenter Schutznormen legt den Vorwurf einer Rechtsgutsvertauschung nahe. Bei einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit war das noch unproblematisch. Denn die Gesellschafter sind danach ja wenigstens Mitinhaber des geschützten Vermögens, so dass durchaus noch von einer rechtsgutsbezogenen, interessenkongruenten Einschränkung gesprochen werden konnte. Hier aber würde das Vermögensinteresse der Gesellschafter mit dem der Gesellschaft über die an sich gerade getrennten Subjektsebenen hinweg vermischt. Es erscheint systemwidrig, zum Nachteil des einen Vermögensträgers zu bestrafen, weil eine Pflichtverletzung gegenüber einem anderen vorliegt. An sich wäre aufgrund der Interessenlage in solchen Situationen eine Untreue zum Nachteil der Gesellschafter statthaft. Denn der Grund für die Unwirksamkeit ist die im Gesellschaftsvertrag fußende gegenseitige Rücksichtnahmepflicht der Mitglieder, nicht aber eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft (dazu sogleich). Soll es vermieden werden, sich wie die herrschende Meinung im Strafrecht auf gesellschaftsrechtswidriges Terrain zu begeben und die Bildung eines vom Privatvermögen getrennten Sondervermögens zu ignorieren, muss darüber nachgedacht werden, ob neben dem abgesonderten Gesellschaftsvermögen zugleich eine Position im Privatvermögen des Einzelnen betroffen ist. Ein solcher paralleler Untreueschutz ist bislang nicht Gegenstand systematischer Untersuchungen geworden und wird daher später noch gesondert zu betrachten sein.609 Für die hier behandelte Frage nach einer Strafbarkeitsbegründung wegen einer Tat zu Lasten der Gesellschaft aufgrund der Verletzung einer interesseninkongruenten Schutznorm „Gesellschafter-/Minderheitenschutz“ muss eine Strafbarkeit jedenfalls verneint werden. Die gesellschaftsrechtliche Unwirksamkeit des Beschlusses ist damit – durchaus in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der asymmetrischen Akzessorietät610 – insofern hinsichtlich des 608 Die hier aufgeworfene Frage darf keinesfalls mit dem in anderem Zusammenhang erhobenen Vorwurf der Rechtsgutsvertauschung bei einer Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen ein Eigeninteresse der Gesellschaft verwechselt werden, dazu sogleich unter b). Hier geht es um eine Unwirksamkeit wegen eines entgegenstehenden Gesellschafterinteresses. 609 Siehe dazu unten G. 610 Siehe dazu oben C. VII. 3.
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Gesellschaftsvermögens als bloßes Zivilunrecht anzusehen. Nebenbei sei bemerkt, dass nichts anderes für die selbst vermögenstragende GmbH gilt, auch wenn das wegen der im Strafrecht verbreiteten unzureichenden Auseinandersetzung mit gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsbeschlüssen bisher keinem aufgefallen ist. Zu diskutieren bleibt in solchen Fällen allerdings noch, ob die gleichzeitige Verletzung eines Dispositionsverbots in Rede steht, das sich auf die Gesellschaft selbst bezieht und damit aus diesem Grund eine Strafbarkeit eröffnet. b) Unwirksamkeit des Einverständnisses im Gesellschaftsinteresse Wenn alle Gesellschafter zur Erklärung eines Einverständnisses zustimmen, ist des Weiteren die Frage zu stellen, inwieweit sie dabei Dispositionsgrenzen in Bezug auf ein eigenes Gesellschaftsinteresse unterliegen, die zu einer Unwirksamkeit des Beschlusses trotz der Einstimmigkeit führen. Dem kommt nach den eben gemachten Ausführungen ferner dann Bedeutung zu, wenn einem Mehrheitsbeschluss zwar schon die Wirksamkeit versagt wurde, dies aber nur aufgrund rechtsgutsträgerfremder Minderheitenschutzinteressen geschah. Ergibt sich jedoch gleichzeitig ein Unwirksamkeitsgrund zu Gunsten der Gesellschaft und damit ein in seinem Schutzzweck rechtsgutskongruenter, so eröffnet das auch in diesen Fällen die Möglichkeit einer Bestrafung. Um nicht stets beides nennen zu müssen, wird im Folgenden von einer Untreue trotz eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses gesprochen. Das Ergebnis ist in dem dargestellten Sinn dann auch auf Mehrheitsbeschlüsse anwendbar. Der Gedanke einer hinsichtlich der Gesellschaft bestehenden Schranke kann deshalb aufkommen, weil auf Grundlage des hier diskutierten Verständnisses der Gesamthand die Gesellschafter nicht für sich selbst ein eigenes, sondern für einen von ihnen getrennten Rechtsträger ein fremdes Einverständnis abgeben. Während bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit noch recht unproblematisch eine Einschränkung der Dispositionsmacht mit der Begründung abgelehnt werden konnte, dass „die Gesellschaft“ mit den erklärenden Gesellschaftern identisch ist,611 so bleibt hier aufgrund ihrer Trennung von den Gesellschaftern noch zu untersuchen, ob die Personengesellschaft ein Eigeninteresse hat, das nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Eine grundlegende Untersuchung dieser Frage ist für Personengesellschaften bislang jedoch nicht erfolgt. Das liegt daran, dass bisher im Strafrecht kaum jemand überhaupt erkannt hat, 611
Siehe dazu oben D. III. 2. b) bb) (2).
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dass es ein vom Privatvermögen getrenntes Gesellschaftsvermögen gibt.612 Bei denen, die sich doch mit der Existenz eines Gesellschaftsvermögens befassen, wird fast einhellig von einem Schutz des Sondervermögens vor dem Zugriff der Gesellschafter ausgegangen,613 ganz so wie bei der GmbH. Jedoch lassen all diese Stimmen die weitergehende Differenzierung vermissen, wem genau das Vermögen überhaupt zustehen soll.614 Das wäre aber zum einen deshalb wichtig gewesen, weil sich wie soeben dargelegt die Frage nach einem Eigeninteresse der Gesellschaft erst dann stellt, wenn man den Rechtsträger als von der Gesellschaftergesamtheit getrennt denkt. Zum anderen kann es kaum gelingen, die für eine mögliche Einschränkung maßgeblichen Gesichtspunkte herauszuarbeiten und zu bewerten, wenn nicht einmal das Bezugsobjekt der Treuepflicht klar definiert ist. Während also zu den Gesamthandsgesellschaften die Stellungnahmen äußerst rar sind, stellt sie die Lage bei der GmbH als genau gegenteilig dar. Die Frage einer Untreue zu Lasten der GmbH aufgrund einer Dispositionsschranke der Gesellschafter stellt eines der seit Jahrzehnten meistdiskutierten Probleme der Untreue dar. Im Gesellschaftsrecht stellt sich die parallele Frage im Rahmen der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe.615 Da sich die hier zu untersuchende gedankliche Konstruktion der Personengesellschaft als eigenes Rechtssubjekt hinsichtlich der Vermögensträgerschaft insoweit mit dem gängigen Verständnis der GmbH deckt, bietet sich eine Orientierung an diesem Streitstand an. Dabei gilt es in einem ersten Schritt zu analysieren, warum eine Untreue trotz einstimmigen Beschlusses möglich sein soll [aa)]. In einem zweiten Schritt ist dann zu fragen, inwieweit sich das so gefundene Ergebnis unter Beachtung der verbliebenen Unterschiede zur juristischen Person auf die Gesamthandsgesellschaften übertragen lässt [bb)]. aa) Streitstand zur GmbH-Untreue trotz Zustimmungsbeschlusses Das Schrifttum zur Untreue zum Nachteil einer GmbH trotz Zustimmungserklärung der Gesellschafter ist kaum überschaubar. Insgesamt lassen sich jedoch drei Meinungsströmungen identifizieren. Davon ist eine im We612
Dazu ausführlich oben C. VII. 1. LG Bonn NJW 1981, 469; ebenso Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 295; Grunst BB 2001, 1537 (1539); siehe auch Winkelbauer wistra 1986, 17 (18). 614 Siehe die Ausführungen bei LG Bonn NJW 1981, 469; Grunst BB 2001, 1537; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 294 f.; vgl. dazu auch schon die Kritik unter C. VII. 1. b). 615 Besondere Beachtung fand etwa das Urteil des zweiten Zivilsenats im Fall Bremer Vulkan, BGHZ 149, 10 ff.; siehe dazu etwa Scholz-Emmerich § 13 Rn. 98 ff. 613
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sentlichen rechtshistorischer Natur. Sie kann aber dennoch zum Verständnis der zu klärenden Problematik hilfreich sein, so dass sie im Folgenden ebenfalls kurz Erwähnung finden soll. Hinsichtlich der Frage, ob die Gesellschafter bei der Abgabe ihres Einverständnisses für die Gesellschaft frei sind, müssen grundsätzlich zwei Aspekte Berücksichtigung finden: Zum einen ist zu klären, wer genau eigentlich die Erklärung abgibt, die Gesellschafter oder die Gesellschaft. Zum anderen muss untersucht werden, welchen Bindungen der Erklärende dabei unterliegt. Alle vertretenen Ansichten lassen sich auf diese beiden Fragen reduzieren. Dabei besteht im Grundsatz durchaus Einigkeit, dass es auf die GmbH als Vermögensträgerin für das Einverständnis ankommt und sie dieses, da sie selbst nicht handlungsfähig ist, durch die Gesellschafter erklärt. Im Folgenden wird deutlich werden, dass die Unterschiede im Ergebnis dabei weniger in grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zur Rechtsnatur der GmbH begründet liegen, sondern vielmehr erst durch eine abweichende Akzentuierung der Gesellschafts- oder Gesellschaftersphäre innerhalb desselben Sachverhalts zustande kommen: Es lässt sich nämlich entweder betonen, dass die Gesellschafter eine fremde Erklärung für die Gesellschaft abgeben oder aber besonders hervorheben, dass die Erklärung der Gesellschafter in Wahrheit als eine eigene der Gesellschaft anzusehen ist. Das spiegelt sich schon in der Terminologie wider, die sich für die verschiedenen Ansichten eingebürgert hat: Körperschaftstheorie, Gesellschaftertheorie und eingeschränkte Gesellschaftertheorie.616 (1) Körperschaftstheorie Zunächst ist als eine der denkbaren Extrempositionen die Ansicht vertretbar, dass die Gesellschaft ein umfassendes Integritätsinteresse in dem Sinne hat, das die Gesellschafter nicht befugt sind, sie durch eine Zustimmung in eine schädigende Handlung zu verletzen. Das Reichsgericht hatte noch jede Schädigung verboten,617 während der dritte Strafsenat des BGH die Grenze der Dispositionsmacht dort als erreicht angesehen hat, wo die nachteilige Handlung nicht „der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ entspricht618. Dieser Auffassung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Gesellschafter eben gerade nicht selbst Inhaber des Vermögens sind, über das sie entschei616
Diese Begrifflichkeiten gehen zurück auf LK-Schünemann § 266 Rn. 125. RGSt 71, 353 (355); von LK-Schünemann § 266 Rn. 125 als strenge Körperschaftstheorie bezeichnet. 618 BGHSt 34, 379 (385); LK-Schünemann § 266 Rn. 125 spricht insofern von einer eingeschränkten Körperschaftstheorie. 617
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den, sondern ein fremdes Einverständnis für den Rechtsträger GmbH abgeben.619 Aufgrund der rechtlichen Trennung dürften die Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen gerade nicht wie ihr eigenes behandeln.620 Eine solche Zustimmung sei selbst gesetzes- und treuwidrig und damit wirkungslos.621 Während die Rechtsprechung des Reichsgerichts dabei noch eindeutig gläubigerschutzbezogen war,622 hat der BGH nach deren Modifizierung offen gelassen, ob durch die Dispositionsschranke auch die Gläubiger geschützt werden sollen, dabei gleichzeitig jedoch eingeräumt, dass die von ihm herangezogenen gesetzlichen und kaufmännischen Grundsätze überwiegend auf die Wahrung der Gläubigerinteressen gerichtet sind623. Nach dieser Ansicht wird also die Fremdheit des Vermögens und die Fremdheit der Erklärung für die Gesellschaft betont und schon daraus eine Dispositionsgrenze gegenüber und zugunsten der GmbH abgeleitet. (2) Gesellschaftertheorie Die entgegenstehende Extremposition besagt, dass den Gesellschaftern keinerlei Grenzen hinsichtlich ihrer Zustimmungsbefugnis gesetzt sind. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass die Erklärung der Gesellschafter aufgrund ihrer Organstellung eine Erklärung der Gesellschaft selbst sei.624 Einen Verstoß gegen ein eigenständiges Gesellschaftsinteresse könne es deshalb nicht geben, weil der Inhalt des Gesellschaftsinteresses von den Gesellschaftern bestimmt werde, so dass diese damit in ihre Selbstschädigung einwillige.625 Das sei auch daran zu sehen, dass die Gesellschaft jederzeit nach dem Belieben der Gesellschafter liquidiert werden dürfe.626 Zum Teil wird gar so weit gegangen, dass die Gesellschafter aufgrund der Identität der Willensbildung als wirtschaftliche Eigentümer des Vermögens bezeichnet werden.627 Aufgrund der Interessengleichheit diene daher jede Ein619
BGHSt 34, 379 (385). BGHSt 34, 379 (385). 621 BGHSt 34, 379 (384 f.). 622 RGZ 71, 353 (355 f.) mit der Begründung, der GmbH dürfe nicht die Fähigkeit genommen werden, ihre Pflichten gegenüber den Gläubigern zu erfüllen. 623 BGHSt 34, 379 (386). 624 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Kasiske wistra 2005, 81 (85); Labsch JuS 1985, 602 (604 f.); Arloth NStZ 1990, 570 (573). 625 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Kasiske wistra 2005, 81 (85); Labsch JuS 1985, 602 (604 f.). 626 Kasiske wistra 2005, 81 (84). 627 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 265, 275; Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 185; Schramm, Untreue und Konsens, S. 124; Labsch JuS 1985, 602 (604). 620
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schränkung der Dispositionsbefugnis nicht mehr dem Schutz des GmbHVermögens, sondern nur den Befriedigungsinteressen der Gläubiger – ein Rechtsgut, das von § 266 StGB aber nicht erfasst ist (Vorwurf der „Rechtsgutsvertauschung“).628 Für den Gläubigerschutz seien allein die §§ 283 ff. StGB zuständig, deren Anwendung sich der BGH aber durch die Anwendung seiner Interessenformel zu § 14 StGB verbaut habe.629 Diese Auffassung hebt also die Natur der Erklärung als eine eigene der Gesellschaft besonders hervor und negiert die anderweitige Existenz von Schutzbelangen der GmbH, die eine Dispositionsschranke rechtfertigen könnten. (3) Eingeschränkte Gesellschaftertheorie Heute herrschend ist ein Mittelweg. Danach können die Gesellschafter grundsätzlich frei über das Vermögen der Gesellschaft disponieren. Das soll jedoch dann nicht mehr der Fall sein, wenn die Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, was insbesondere bei einer Gefährdung des durch § 30 GmbHG geschützten Stammkapitals angenommen wird.630 Nach anfänglichen Diskrepanzen631 hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafwie im Zivilrecht mittlerweile zu dieser gemeinsamen Linie gefunden.632 Anders als von der Körperschaftstheorie wird damit nicht ein umfassendes Integritäts-, sondern lediglich ein Bestandsinteresse gewährleistet. Einerseits wird also durchaus anerkannt, dass die Erklärung der Gesellschafter für die Gesellschaft Wirkung entfaltet, andererseits wird aber angenommen, dass die Gesellschafter dabei nicht völlig frei sind. Die genaue dogmatische Begründung für die Unwirksamkeit ist jedoch nicht geklärt. Verbreitet wird 628 SK-Samson/Günther § 266 Rn. 48; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52e; Schönke/ Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 273; Schramm, Untreue und Konsens, S. 122 f.; Labsch JuS 1985, 602 (605 f.); Arloth NStZ 1990, 570 (573). 629 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 53; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 273; Arloth NStZ 1990, 570 (571); Labsch JuS 1985, 602 (607). 630 Grundlegend BGHSt 35, 333; BGH NJW 2000, 154, (155); NJW 1997, 66 (69); LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 178; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 134; Rohwedder/Schmidt-Leithof-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 17; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52a; Hueck/Windbichler § 36 Rn. 24; Gehrlein NJW 2000; 1089. 631 Dazu Schramm, Untreue und Konsens, S. 119 ff.; Gribbohm ZGR 1990, 1; Schnauder/Müller-Christmann JuS 1998, 980. 632 BGH NJW 2000, 154 (155); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21a; Scholz-Emmerich § 13 Rn. 101; Schramm, Untreue und Konsens, S. 121; Fleischer NJW 2004, 2867 (2869); Beckemper GmbHR 2005, 592 (595); wegweisend waren insofern insbesondere die beiden Urteile des fünften Strafsenats (BGH NJW 2004, 2248) und des zweiten Zivilsenats (BGHZ 149, 10) im Fall Bremer Vulkan.
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eine Treuwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft angenommen,633 teils wird auf das gesetzliche Verbot der Minderung des Stammkapitals verwiesen634 und teils wird der Gedanke des Rechtsmissbrauchs herangezogen.635 Eine Festlegung ist bis heute weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur abzusehen. Alle Begründungsansätze verfolgen jedoch im Ergebnis dasselbe Ziel: Die Gesellschaft soll als eigenes Rechtssubjekt deshalb vor dem freien Zugriff ihrer Gesellschafter geschützt werden, weil aufgrund des Ausschlusses jeglicher persönlichen Haftung der Erhalt eines Mindestvermögens im Interesse der Gläubiger für nötig gehalten wird.636 Die Betonung liegt dabei freilich auf „eigenes Rechtssubjekt.“ Die Anwendung des § 266 StGB soll nämlich keinesfalls dem unmittelbaren Schutz von Gläubigerinteressen, sondern allein dem Schutz des verselbständigten Vermögensträgers GmbH dienen. Dass das Gesetz die Absonderung in der Tat um der Gläubigerinteressen willen vorsieht, soll dabei zweitrangig sein, so dass es sich dabei nur um einen mittelbaren Schutzreflex handele.637 Die unmittelbare Legitimation der Dispositionsschranke wird also aus einem Blick auf die Funktionsweise der Rechtsform GmbH gewonnen, bei der der Haftungsausschluss nur um den Preis eines Zugriffsverbots gewährt wird, das sich in den Vorschriften über die Kapitalerhaltung manifestiert. Dementsprechend wird § 30 GmbHG herangezogen und diesem der Grundsatz entnommen, dass die Gesellschafter nicht berechtigt sind, über das Vermögen der GmbH zu verfügen, soweit deren Stammkapital beeinträchtigt wird.638 Eine weitergehende Präzisierung des genauen Umfangs der Einschränkung bleibt dann jedoch aus. Insbesondere ist bis heute unklar, ob danach nur solche Vermögensminderungen als verboten angesehen werden sollen, die auch tatsächlich den Tatbestand des § 30 GmbHG erfül633 So etwa BGH NJW 2000, 154 (155); Hueck/Windbichler § 36 Rn. 23 f.; Zieschang FS Kohlmann, 351 (359); Schnauder/Müller-Christmann JuS 1998, 980 (984). 634 LK-Schünemann § 266 Rn. 125; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 58 f. 635 BGH NJW 1997, 66 (69); BGHZ 151, 181; Fleischer NJW 2004, 2867 (2868). 636 BGHZ 151, 181 (186); BGH NJW 2004, 2248 (2253); Rohwedder/SchmidtLeithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 16; Fleck ZGR 1990, 31 (37 f.); Schäfer GmbHR 1992, 509 (512); Gehrlein NJW 2000, 1089 (1090); Fleischer NJW 2004, 2867 (2869); Ransiek wistra 2005, 121 (122); ders. FS Kohlmann, 207 (212); Tsambikakis GmbHR 2005, 331 (335). 637 Fleischer-Spindler § 15 Rn. 19; Ransiek FS Kohlmann, 207 (212); ders. wistra 2005, 121 (122); Schäfer GmbHR 1992, 509 (512); Gehrlein NJW 2000, 1089 (1090). 638 BGH NJW 2000, 154 (155); MüKo-Dierlamm § 266 Rn. 137; HachenburgKohlmann Vor § 82 Rn. 187; Gehrlein NJW 2000, 1089; Vonnemann GmbHR 1988, 329 (333).
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len.639 Das hieße, dass nur eine „Ausschüttung an die Gesellschafter“ unterhalb der Stammkapitalgrenze verboten wäre, nicht aber Leistungen an Dritte.640 Gängig ist hingegen die viel allgemeiner gehaltene Formulierung, dass „das durch die Kapitalerhaltungsvorschriften geschützte Stammkapital nicht angegriffen werden darf,“ ohne dass auf die in § 30 GmbHG geregelten Tatbestandsmodalitäten weiter Bezug genommen wird.641 Das klingt, als ob das Stammkapital generell geschützt wäre und es auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 GmbHG nicht ankommt.642 Letztlich ist diese Frage jedoch ohnehin hinfällig, da mit der Anerkennung einer allgemeinen Dispositionsschranke für existenzgefährdende Eingriffe bereits jede Anbindung an den Wortlaut der Vorschriften zur Stammkapitalerhaltung verloren gegangen ist. Danach sind nämlich auch solche Vermögensminderungen unzulässig, die zwar nicht das Stammkapital unmittelbar angreifen, jedoch über die zulässige Entnahme hinaus schädliche Folgen für die Gesellschaft haben und dadurch deren Existenz gefährden, insbesondere durch Entzug der Produktionsgrundlagen oder dringend benötigter Liquidität.643 Damit erfolgt eine deutliche Loslösung von § 30 GmbHG. Es wird also schon die bloße Existenz der Kapitalsicherung zum Anlass genommen, das Gesellschaftsvermögen insoweit dem Zugriff der Gesellschafter zu entziehen. Diesem Vorgehen liegen zwei Erwägungen zugrunde, die sich mit dem festgestellten Motiv des Schutzes der Gesellschaft im Interesse der Gläubiger decken: Zum einen werden die Kapitalerhaltungsregeln als unzureichend erachtet, da sie nur das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen schützen, bei anderen nicht weniger gefährlichen Eingriffen aber versagen, obgleich die Wirkung für die Gläubiger identisch sein kann.644 Zum anderen sollen die Vorschriften über die Liquidation nicht durch eine schleichende Aushöhlung der Gesellschaft („kalte Liquidation“) 639 So ausdrücklich Ransiek FS Kohlmann, 207 (215); auch Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 188 spricht von einer Minderung des Stammkapitals „entgegen den Vorschriften der §§ 30 ff. GmbHG.“ 640 Zur extensiven Auslegung der Vorschrift bei Zahlungen an nahestehende Personen oder mittelbaren Leistungen an einen Gesellschafter siehe Baumbach/HueckFastrich § 30 Rn. 17 ff.; Roth/Altmeppen-Altmeppen § 30 Rn. 31 ff.; Wilhelm FS Flume Bd. II, S. 337 (364) spricht treffend von einer causa societatis, also der Gesellschafterstellung als Grund der Auszahlung. 641 Siehe nur BGH NJW 2000, 154 (155); Rohwedder/Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 17; Gehrlein NJW 2000 1089 (1090). 642 So zumindest LK-Schünemann § 266 Rn. 125, der als stammkapitalwidrige Auszahlungen auch Spenden an Parteien heranzieht, die in der Regel nicht GmbHGesellschafter sein dürften und damit auch nicht § 30 GmbHG unterfallen. 643 BGHSt 35, 333 (337); Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 200; Rohwedder/ Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 17; Fleischer NJW 2004 2867 (2869). 644 Scholz-Emmerich § 13 Rn. 102; Fleck ZGR 1990, 31 (36 f.).
III. Einverständnis
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umgangen werden, so dass die vorrangige Befriedigung der Verbindlichkeiten gewährleistet bleibt.645 Diese Ausweitung wird teilweise kritisiert, gerade weil sie keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt im GmbHG mehr hat.646 Letztlich dürfte die Relevanz dieser Fallgruppe aber ohnehin gering sein, da bei existenzvernichtenden Eingriffen aufgrund der negativen Fortführungsprognose die Bewertung des Restvermögens anhand von Zerschlagungswerten oftmals auch zu einem Eingriff in das Stammkapital führen wird.647 Im Ergebnis geht die herrschende Ansicht also davon aus, dass die Erklärung der Gesellschafter eine solche der Gesellschaft ist. Das Vermögen der Gesellschaft soll jedoch im Gläubigerinteresse durch aus dem GmbHG abgeleitete Dispositionsschranken insoweit gegen den Zugriff der Gesellschafter geschützt sein. (4) Stellungnahme: Schutz der GmbH als Ausgleich für Haftungsausschluss Letztlich unterscheiden sich die Ansichten in ihren Ausgangpunkten dadurch, dass die einen die Trennung von Gesellschaftern und Gesellschaft und die anderen deren Einheit für entscheidend erachten. Dabei lässt sich schwer sagen, was richtig ist. Denn einerseits erfolgt die Willensbildung der Gesellschaft nun einmal durch ihre Gesellschafter, andererseits sind die Gesellschafter trotz ihrer Organeigenschaft eben nicht mit der Gesellschaft identisch. Zur Entscheidung der Frage, wie frei die Gesellschafter nun tatsächlich sind, hilft daher die Akzentuierung des einen wie des anderen Aspekts wenig weiter. Ausschlaggebend muss vielmehr das Motiv für die jeweils diskutierten Einschränkungen sein. Zur Bewertung der einzelnen Ansichten hilft ein Blick auf das Wesen der GmbH. Die GmbH ist ein Kunstgebilde zur Verwirklichung der Interessen ihrer Gesellschafter. Das GmbHG gestaltet diese Rechtsform dabei so aus, dass die Gesellschafter keiner persönlichen Haftung unterliegen (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Der Preis dafür ist der, dass die Gesellschafter ein Gesellschaftsvermögen in einer bestimmten Höhe konstituieren und auf die Gesellschaft übertragen müssen, auf das sie nur in Grenzen zugreifen dürfen (§§ 30 ff. GmbHG). Auf dessen Aufbringung und Erhaltung darf der Rechtsverkehr vertrauen. Das darüber hinausgehende Vermögen können die Gesellschafter jedoch nach ihrem Belieben für eigene Zwecke verwenden (§ 29 GmbHG). 645 Scholz-Emmerich § 13 Rn. 102; Hueck/Windbichler § 36 Rn. 24; Schnauder/ Müller-Christmann JuS 1998, 980 (984); Radkte GmbHR 1998, 311 (316). 646 MüKo-Dierlamm § 266 Rn. 137; Ransiek wistra 2005, 121 (122). 647 BGHSt 35, 333 (338); Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 201; Rohwedder/ Schmidt-Leithoff-Schaal Vor §§ 82–85 Rn. 18.
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Das GmbHG schafft also ein System zur inhaltlichen Ausgestaltung der Rechtsform GmbH, das einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Gesellschafterzwecken einerseits und Gläubigerschutz andererseits zum Ziel hat. An diesen einfachen Grundprinzipien, die insoweit unstreitig sein sollten, müssen sich die dargestellten Ansichten messen lassen. Der Körperschaftstheorie liegt die Vorstellung zugrunde, dass mit der den Gesellschaftern eingeräumten Entscheidungsbefugnis ein allgemeines Treuegebot einhergeht, das es verbietet, den Geschäftsherren zu schädigen. Der Gedanke, dass jede fremdbezogene Machtausübung pflichtgebunden und insoweit beschränkt ist, ist keineswegs abwegig.648 Im Fall eines Minderjährigen etwa ist es durchaus einleuchtend und entspricht wohl dem allgemeinen Rechtsempfinden, dass der Entscheidungsbefugnis der Eltern insofern Grenzen gesetzt sind, als dass sie sich am Wohl des Kindes auszurichten haben und dieses nicht willkürlich schädigen dürfen.649 Anderenfalls wäre es in vielen Situationen denkbar, dass sich die für das fremde Vermögen handelnden Personen selbst entlasten könnten. Daher ist der Gedanke, dass die Gesellschafter sich bei ihrem Handeln generell an einem absoluten Integritätsinteresse der Gesellschaft auszurichten haben weniger fern liegend, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die Annahme einer derart weitreichenden Schranke übersieht jedoch, dass die Gesellschaft trotz der Vermögenstrennung gerade nicht völlig unabhängig von den Gesellschaftern existiert, sondern deren Interessenverwirklichung zu dienen bestimmt ist. Das wird daran deutlich, dass die Gesellschafter gerade befugt sind, Vermögenswerte der Gesellschaft im Rahmen des § 29 GmbHG zum Nachteil des Gesellschaftsvermögens in ihr Privatvermögen zu überführen.650 Bei einem Minderjährigen wäre das undenkbar.651 Bei der GmbH sind die Gesellschafter also tatsächlich grundsätzlich frei, mit dem Vermögen zu verfahren wie sie möchten. Zu Recht wird die Körperschaftstheorie daher heute von niemandem mehr vertreten. Dem GmbHG lässt sich nämlich unmittelbar entnehmen, dass eine absolute Pflicht zur Wahrung der Vermögensintegrität der Gesellschaft eben nicht besteht. Die Gesellschaft 648 Siehe insbesondere Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 336 ff.; dazu auch Vonnemann GmbHR 1988, 329 (332); Schnauder/Müller-Christmann JuS 1998, 980 (984). 649 Siehe dazu Schramm, Untreue und Konsens, S. 77 f., der neben den gesetzlichen Vorschriften aus § 1666 Abs. 2 Var. 2 BGB eine allgemeine Pflicht zur ordentlichen Vermögenssorge ableitet, bei deren Verletzung eine Zustimmung der Eltern für das Kind wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. 650 BGHSt 35, 333 (336); Hachenburg-Kohlmann Rn. 196; MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 138; Schramm, Untreue und Konsens, S. 117. 651 Siehe Schramm, Untreue und Konsens, S. 78 zur Untreuestrafbarkeit der Eltern bei Verwendung von Mitteln des Minderjährigen zur Tilgung eigener Schulden oder Bestreitung des eigenen Unterhalts.
III. Einverständnis
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besteht zur Interessenverwirklichung der Gesellschafter und dient in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem deren Vermögensmehrung. Das führt direkt zur anderen Extremansicht, der Gesellschaftertheorie, die diese Freiheit generell und schrankenlos annimmt. Grundsätzlich ist zuzustimmen, dass die Gesellschafter wie soeben dargestellt auch in Bezug auf vermögensmindernde Maßnahmen den Willen der Gesellschaft bilden dürfen. Daraus aber ableiten zu wollen, dass die Gesellschafter die wahren, wirtschaftlichen Eigentümer des Gesellschaftsvermögens seien652 geht zu weit. Ein solches Verständnis stellt die – durchaus auch von den Vertretern dieser Formulierung vorgenommene653 – zivilrechtlichen Vermögenszuordnung auf den Kopf.654 Überhaupt ist oft nicht klar, ob mit dieser Formulierung tatsächlich eine wirtschaftliche Vermögenszuordnung gemeint ist655 oder nur für eine unbegrenzte Dispositionsbefugnis geworben werden soll656. Ein Vergleich mit der eingeschränkten Gesellschaftertheorie ergibt jedoch, dass sich die Meinungsverschiedenheit auf eine ganz bestimmte Frage reduzieren lässt: Bemerkenswert ist nämlich, dass auch die Vertreter der Gesellschaftertheorie durchaus anerkennen, dass das Gesetz mit den Kapitalerhaltungsvorschriften der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter Grenzen setzt. Die Verbote der §§ 30 ff. GmbHG werden im Rahmen des § 266 StGB allein deshalb für irrelevant gehalten, weil ihnen primär eine Gläubigerschutzfunktion zukommen und dies mit dem Rechtsgut der Untreue (Schutz des betreuten Vermögens) unvereinbar sein soll. Damit spitzt sich der Unterschied zur eingeschränkten Gesellschaftertheorie auf die Beantwortung dieser Meinungsverschiedenheit hinsichtlich des Schutzzwecks der Kapitalerhaltungsvorschriften zu. Führt man sich das eingangs dargestellte Konzept der GmbH vor Augen, wird schnell deutlich, dass die Vertreter der Gesellschaftertheorie die Kapi652
Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 21b; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 265, 275; Schramm, Untreue und Konsens, S. 124; Labsch JuS 1985, 602 (604). 653 So lehnen Schönke/Schröder-Lenckner/Perron in § 266 Rn. 6 eine wirtschaftliche Vermögenszuordnung ab, obwohl sie sich in Rn. 21b auf das wirtschaftliche Eigentum der Gesellschafter berufen. 654 Dagegen wenden sich denn auch Stimmen innerhalb der Gesellschaftertheorie, siehe etwa Schramm, Untreue und Konsens, S. 124 f., der seine Aussagen zum wirtschaftlichen Eigentum wieder relativiert und diese doch nicht im Sinne einer echten Vermögenszuordnung verstanden wissen will. 655 So wohl Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 265, 275 („Selbstschädigung“); Labsch JuS 1985, 602 (604). 656 So Schramm, Untreue und Konsens, S. 124 f.; Arloth NStZ 1990, 570 (571); aufgrund der sonst widersprüchlichen Aussagen (siehe Fn. 653) wohl auch Schönke/ Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 6, 21b.
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E. Folgen bei Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher
talerhaltungsvorschriften mit ihrer isolierten Betrachtung aus dem Gesamtzusammenhang reißen und damit das Konzept der Rechtsform GmbH (Haftungsbeschränkung gegen Dispositionsbeschränkung) zu einseitig betrachten. § 30 GmbHG ist ein gesetzliches Verbot, das einen zentralen Teil der Ausgestaltung des Rechtsträgers „GmbH“ ausmacht. Die Gesellschaft entsteht mit dieser immanenten Schranke als Voraussetzung ihrer Absonderung von den Gesellschaftern. Es ist zwar richtig, dass die Vorschriften über das Stammkapital im Interesse der Gläubiger (genauer: des Rechtsverkehrs allgemein) bestehen. Dass es sich dabei aber nur um einen abstrakten, mittelbaren Schutz handelt zeigt die Tatsache, dass die einschlägigen Normen auch dann Geltung beanspruchen, wenn nicht ein einziger Gläubiger existiert, etwa unmittelbar nach der Gründung der Gesellschaft. § 266 StGB schützt also durchaus das Gesellschaftsvermögen als solches und unabhängig von etwaigen konkreten Gläubigerinteressen. Die hier diskutierte Einschränkung kann also durchaus als rechtsgutskongruent aufgefasst werden. Dogmatisch darf der eigenständige Schutz eines Rechtsträgers zum Zweck eines abstrakten Gläubigerschutzes eben nicht mit einem Schutz der Gläubiger selbst verwechselt werden.657 Das Dispositionsverbot ist vielmehr Teil der GmbH selbst und auf deren Vermögen bezogen. Darin liegt auch der Unterschied zur oben abgelehnten Annahme einer Dispositionsschranke bei Unwirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses aufgrund der Treuepflicht gegenüber den überstimmten Gesellschaftern.658 Denn die zur Unwirksamkeit führende Norm, das Gebot der Kapitalerhaltung, setzt auf Gesellschaftsebene an und dient dem Erhalt des Gesellschaftsvermögens, während die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern einen unmittelbaren Schutz nur der Mitgesellschafter bezweckt. Es wird nach alledem deutlich, dass die eingeschränkte Gesellschaftertheorie deshalb überzeugend ist, weil sie die Rechtsform „GmbH“ umfassend und zutreffend betrachtet. Die Gesellschafter dürfen die zu einem Haftungsausschluss führende GmbH nur um den Preis der Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften erschaffen. Dass dieses juristische Konstrukt dann insoweit auch strafrechtlich vor einer Aushöhlung bewahrt wird, ist eine konsequente Verlängerung des gesetzlichen Schutzkonzepts. Dabei verschleiert allerdings der gängige Verweis auf das Bestehen eines Eigen657 Das ist in der Vergangenheit schon mehrfach betont worden, siehe die Nachweise in Fn. 637, wird aber immer wieder anders gesehen, siehe nur Schramm, Untreue und Konsens, S. 123 (der tiefere Grund der Einschränkung sei doch einzig und allein der Gläubigerschutz); Labsch JuS 1985, 602 (604) (alle Hinweise auf die Eigenständigkeit der GmbH liefen immer wieder allein auf den Gläubigerschutz hinaus). 658 Siehe E. III. 1. a).
III. Einverständnis
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interesses der GmbH und einer damit korrespondierenden Treuepflicht659 nur den Blick auf die ausschlaggebenden Wertungen. Denn es ist nicht ein besonderer Wunsch der GmbH nicht vernichtet zu werden, der zu einem Entzug der Dispositionsbefugnis führt, sondern schlicht die Existenz der Kapitalerhaltungspflicht. Wenn man sich allein auf die Treuepflicht beruft, rückt man wieder in die Nähe der Körperschaftstheorie und hat Schwierigkeiten zu begründen, warum jede auch noch so schwere Schädigung der GmbH so lange einerlei ist, bis beim Erreichen der Stammkapitalgrenze plötzlich ein Eigeninteresse auflebt. Die Antwort kann nur sein: Weil das GmbHG das in § 29 und §§ 30 ff. so vorsieht. Damit wird deutlich, dass es sich in Wahrheit um eine gesetzliche, das Konzept der GmbH flankierende Einschränkung handelt. Die Begriffe „Eigeninteresse“ und „Treuepflicht“ werden in Bezug auf die GmbH wohl deshalb benutzt, weil sich die Begründung möglichst vom Vorwurf des Gläubigerschutzes entfernen und die Anknüpfung an den Schutz der Gesellschaft betont werden soll. Es ist jedoch überzeugender, sich direkt auf das GmbHG zu berufen und sich der Diskussion um die Zielrichtung der entsprechenden Vorschriften zu stellen. Daher liegt auch die Diskussion, ob das Recht der Gesellschafter die Gesellschaft zu liquidieren gegen ein eigenes Bestandsinteresse spricht oder nicht,660 neben der Sache. Hinsichtlich des Umfangs der Einschränkung mag zweifelhaft sein, inwieweit man aus § 30 GmbHG ein allgemeines Prinzip zum Schutz des Stammkapitals und dessen weitere Ausdehnung auch auf existenzgefährdende Eingriffe ableiten kann. Im Bestreben, bestehende oder vermeintliche Schutzlücken zu schließen, ist die Rechtsprechung dabei möglicherweise wirklich übers Ziel hinausgeschossen. Letztlich kann das aber dahinstehen, da es sich um GmbH-spezifische Regelungen handelt, die aus dem im GmbHG geregelten Grundsatz der Kapitalerhaltung resultieren und damit die Konsequenzen der beschränkten Haftung absichern sollen. Sollte die folgende Diskussion zur Übertragung auf die Personengesellschaften ergeben, dass auch dort eine Einschränkung angezeigt ist, so wird dessen Umfang unter Berücksichtigung personengesellschaftsrechtlicher Spezifika ohnehin gesondert zu erörtern sein. Denn eine mit § 30 GmbHG vergleichbare Pflicht zur Kapitalerhaltung gibt es dort nicht. Als Zwischenergebnis lässt sich also festhalten, dass die Dispositionsbefugnis bei der GmbH – wem auch immer man die Erklärung letztlich zu659 So etwa BGH NJW 2000, 154 (155); Hueck/Windbichler § 36 Rn. 23 f.; Zieschang FS Kohlmann, 351 (359); Schnauder/Müller-Christmann JuS 1998, 980 (984). 660 Siehe dazu Kasiske wistra 2005, 81 (84) einerseits und Schäfer GmbHR 1992, 509 (512); Schnauder/Müller-Christmann JuS 1998, 980 (984); Zieschang FS Kohlmann, 351 (362) andererseits.
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rechnen mag – aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung der Rechtsform derart beschränkt ist, dass eine bestimmte Vermögensmasse nicht angetastet werden darf. Dabei handelt es sich um einen aus dem GmbHG abgeleiteten Schutz, der das Gesellschaftsvermögen als solches betrifft, obgleich damit der Erhalt eines bestimmten Kapitalstocks als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung durchaus im Interesse des Rechtsverkehrs bezweckt ist. bb) Übertragung auf die Gesamthandsgesellschaft Zunächst erfolgt eine Anwendung der erarbeiteten Grundsätze auf die Personengesellschaften (1). Im Anschluss ist noch auf den Sonderfall der GmbH & Co. KG einzugehen (2). (1) Dispositionsfreiheit aufgrund der persönlichen Haftung Bei Übertragung des gefundenen Ergebnisses auf die Personengesellschaften ergibt sich, dass eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis nicht geboten ist. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass es – genau andersherum als bei der GmbH – bei den Personengesellschaften stets mindestens einen Gesellschafter gibt, der persönlich und unbeschränkt mit seinem Vermögen für die Verbindlichkeiten haftet. Es gibt also gerade keinen Haftungsausschluss der Gesellschafter, der durch einen (auch strafrechtlichen) Schutz der Haftungsmasse „Gesellschaftsvermögen“ flankiert werden müsste. Das wird unzweifelhaft deutlich, wenn ein erneuter Blick auf die beiden zur Einschränkung herangezogenen Kriterien der Kapitalerhaltung und der Existenzvernichtung geworfen wird. Bei den Personengesellschaften fehlt es an der entscheidenden Komponente, die bei der GmbH die Beschränkung legitimiert hat, nämlich die gesetzlichen Pflicht zur Kapitalerhaltung im Gläubigerinteresse. Vorschriften, die den §§ 30 ff. GmbHG entsprechen, gibt es nicht. Vielmehr soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers schon die persönliche Haftung die Gesellschaft davor schützen, zugunsten der Gesellschafter ausgehöhlt zu werden.661 Der zweite Zivilsenat beschreibt das sehr plastisch als eine gesetzliche „Bremsfunktion.“662 Ein aus dem Gesetz ableitbares Dispositionsverbot wie bei der GmbH gibt es somit gerade nicht. Der Schutz der Gläubiger wird durch einen anderen Mechanismus gewährleistet, so dass sich die Frage nach einem eigenständigen Schutz des Gesellschaftsvermögens gar nicht stellt. 661 662
BGHZ 110, 342 (356). BGHZ 60, 324 (332); BGHZ 110, 342 (357).
III. Einverständnis
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Aus denselben Gründen kann auch keine Schranke bei Existenzvernichtung der Gesellschaft angenommen werden. Diese ist zwar als Verlängerung des Kapitalerhaltungsgebots entwickelt worden und knüpft damit nicht unmittelbar an § 30 GmbHG an. Aber auch diese weitere Einschränkung erfolgt bei der GmbH unter Berufung auf die Gefahr der „kalten Liquidation.“ Es wird also wiederum ein Vermögensschutz im mittelbaren Gläubigerinteresse angeführt, der bei den Gesamthandsgesellschaften überflüssig ist. Zwar existieren auch bei GbR, OHG und KG Regelungen, die bei der Liquidation eine vorrangige Befriedigung der Gläubiger aus der Liquidationsmasse vorsehen (§ 733 Abs. 1 BGB; §§ 149, 155 Abs. 1 HGB). Anders als bei der GmbH sind Dritte hierauf jedoch nicht angewiesen, da sie sich für Ausfälle ohnehin an die Gesellschafter halten können. Eine Umgehung dieser Vorschriften ist daher nicht zu befürchten. Auch hier reicht die persönliche Haftung als Korrektiv aus. Die Antwort auf die Frage nach der Dispositionsbeschränkung liegt also auch bei den Personengesellschaften in deren gesetzlicher Ausgestaltung begründet. Nur fällt sie wegen des von der GmbH verschiedenen Gesamtkonzepts anders aus. Wegen der persönlichen Haftung sind die Gesellschafter hinsichtlich der Verwendung des Gesellschaftsvermögens demnach nicht beschränkt, da jeder Ausfall sie letztlich ohnehin selbst trifft.663 Selbst wenn die Gesellschaft als eigener Rechtsträger begriffen wird, ist von einer unbeschränkten Willensbildung der Gesellschafter für die Gesellschaft auszugehen. Das hat zur Folge, dass keine von ihrem Willen getrennten Dispositionsschranken zur Erhaltung eines Mindestkapitals oder der Existenz der Gesellschaft anzuerkennen sind. So zwangsläufig diese Argumentation nach den vorangegangenen Untersuchungen anmutet, so sehr verwundert es, dass diese Meinung von denen, die sich mit einem Schutz des Vermögens einer Personengesellschaft überhaupt auseinandersetzen, ganz überwiegend nicht geteilt wird.664 Diese 663 So auch Große Vorholt Rn. 456 ff., der daraus allerdings den Schluss zieht, dass eine Untreue zum Nachteil der Gesellschaft generell nicht möglich sein soll und es in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen herrschenden Meinung nur eine Untreue zum Nachteil der Gesellschafter geben kann. Siehe auch Ransiek FS Kohlmann, 207 (214), der hinsichtlich der GmbH darauf hinweist, dass die Dispositionsbeschränkung nur insofern zu akzeptieren ist, als dass der Gläubigerschutz dies erfordert – was bei den Personengesellschaften eben nicht der Fall ist. Auch Reiß wistra 1989, 81 (84) geht von einem wirksamen Einverständnis für Personenhandelsgesellschaften auch bei „gläubigerschädigenden Vermögensverfügungen“ aus. 664 Für eine Dispositionsschranke LG Bonn NJW 1981, 469; Achenbach/RansiekSeier V 2 Rn. 295; Grunst BB 2001, 1537 (1539); Winkelbauer wistra 1986, 17 (18); Wiedemann EWiR § 823 BGB 8/87, S. 777, (778); wohl auch Schäfer NJW 1983, 2850 (2852), der Ausführungen zur Dispositionsbeschränkung bei der GmbH
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Stimmen können jedoch nicht überzeugen. Ein Abgleich mit den voran stehenden Darstellungen ergibt nämlich, dass – soweit überhaupt eine Begründung geliefert wird665 – zumeist die verschiedenen Argumentationsmuster, die zur GmbH entwickelt wurden, ohne eine nähere Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Grund der Dispositionsschranke übernommen werden. Die Strukturunterschiede zwischen GmbH und Gesamthand bleiben damit unberücksichtigt. So wird angeführt, dass der Schutz des Gesellschaftsvermögens nötig sei, weil anderenfalls Gläubigerinteressen durch den Entzug von Liquidität und Haftungskapital gefährdet würden.666 Das ist jedoch, wie soeben festgestellt wurde, wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter gerade nicht der Fall. Hierin liegt vielmehr der entscheidende Unterschied zur GmbH. Grunst schließlich bejaht eine eigenständige Schutzwürdigkeit des Gesellschaftsvermögens und damit eine Dispositionsschranke allein aufgrund der rechtlichen Vermögenstrennung.667 Das kommt einer Übertragung der zur GmbH früher vertretenen Körperschaftstheorie gleich. Dementsprechend beruft sich die Autorin auch einleitend auf die (heute außer von ihr von niemandem mehr vertretene668) Ansicht des Reichsgerichts.669 Die Argumente gegen einen solch umfassenden Integritätsschutz wurden bereits ausgeführt und gelten für die Personengesellschaften entsprechend: Auch bei der Gesamthandsgesellschaft sind die Gesellschafter nach der gesetzlichen Konzeption frei, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen.670 Daneben gilt weiterhin, dass auch dieser veralteten Rechtsprechung dieselben GmbH-spezifischen Erwägungen zugrunde liegen, die sich nicht übertragen lassen.671 Keine der abweichenden Stellungnahmen kann also überzeugen. Ein Schutz der Gesellschaft vor den Gesellschaftern durch eine Dispositionsschranke ist wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter weder gesetzlich vorgesehen noch notwendig.
macht, die dem Zusammenhang nach offenbar auch für die KG als Vermögensträgerin gelten sollen. 665 Ohne Begründung nimmt Achenbach/Ransiek-Seier Rn. 295 eine Dispositionsschranke auch für die Personengesellschaften an. 666 LG Bonn NJW 1981, 469; Winkelbauer wistra 1986, 17 (18); wohl auch Schäfer NJW 1983, 2850 (2852). 667 Grunst BB 2001, 1537 (1539 f.). 668 Tröndle/Fischer § 266 Rn. 52. 669 Grunst BB 2001, 1537 (1539) mit Verweis auf RGZ 71, 353. 670 BGHZ 110, 342 (356). 671 Zur Bezugnahme auch schon der Reichsgerichtsrechtsprechung auf ein Gläubigerschutzbedürfnis siehe oben E. III. 1. b) aa) (1).
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(2) Sonderfall GmbH & Co. KG Ein faktischer Ausschluss der persönlichen Haftung kann sich allerdings dann ergeben, wenn der einzig haftende Gesellschafter eine GmbH ist. Das könnte für eine Dispositionsschranke zumindest in diesen Fällen sprechen. Das LG Bonn hat das in einer Entscheidung zum Anlass genommen, das Verbot des § 30 GmbHG im Gläubigerinteresse entsprechend auf das KGVermögen einer GmbH & Co. KG anzuwenden und eine daraus abgeleitete Dispositionsschranke zu bejahen.672 Die KG mit einer GmbH als Komplementärin würde dadurch im Ergebnis wie eine GmbH behandelt. In der Tat haben sich im Zivilrecht bei der GmbH & Co. KG Maßnahmen zur Kapitalsicherung unter Anlehnung an die entsprechenden Vorschriften des GmbHG etabliert.673 Dieser Weg wird ebenfalls im Interesse eines mittelbaren Gläubigerschutzes gegangen,674 so dass die Sachlage hinsichtlich der Anerkennung einer Dispositionsbeschränkung zunächst durchaus vergleichbar scheint. Gestützt wird diese Annahme ferner dadurch, dass im Rahmen der entwickelten Kapitalsicherung insbesondere die §§ 30, 31 GmbHG analog angewendet werden, das heißt wenn dass ein Abfluss aus dem Vermögen der Personengesellschaft mittelbar zu einem Absinken des Stammkapitals der GmbH führt.675 Für das Strafrecht kommt es nun darauf an, bei welchem Vermögen genau diese Schranke ansetzt. Die alles entscheidende Frage lautet also: Ist das, was im Gesellschaftsrecht betrieben wird, ein eigenständiger Schutz der Personengesellschaft, so dass auch hinsichtlich ihres Vermögens eine Dispositionsschranke eingeführt wird. Oder handelt es sich dabei vielmehr um einen Schutz des GmbH-Vermögens, der nur über die KG abgewickelt wird, da die mittelbare Beeinträchtigung des Stammkapitals über eine Ausschüttung aus dem Gesamthandsvermögen entsteht. Im ersteren Fall liegt die Anerkennung einer Dispositionsschranke für das KG-Vermögen auch im Strafrecht nahe,676 im letzteren Fall käme eine eigenständige Untreue nur zu Lasten der GmbH, nicht aber der KG in Betracht. Für einen Schutz des Vermögens der KG spricht zunächst, dass die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG mittlerweile auch für Kommandi672
LG Bonn NJW 1981, 469; ebenso wohl Grunst BB 2001, 1537 (1539). K. Schmidt GesR § 56 V 1 b; Hueck/Windbichler § 37 Rn. 20 ff.; Grunewald GesR S. 151 ff. 674 Hueck/Windbichler § 37 Rn. 20. 675 Grundlegend BGHZ 60, 324; K. Schmidt GesR § 56 V 1 b; Hueck/Windbichler § 37 Rn. 21. 676 Zudem wäre die Frage nach der Zulässigkeit außerstrafrechtlicher aber strafbegründender Analogien eröffnet. 673
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tisten anerkannt ist, die gar keine Gesellschafter der GmbH sind.677 Das bedeutet, dass auch sie zur Rückerstattung ins KG-Vermögen verpflichtet sind, wenn durch die Auszahlung das Stammkapital der GmbH angegriffen wurde. Daraufhin wird auch im Zivilrecht die Forderung erhoben nun anzuerkennen, dass dies ein eigener Kapitalschutz der KG und nicht mehr ein nur mittelbarer Schutz der GmbH sei.678 Soll dem gefolgt werden, stellt sich strafrechtlich jedoch ein gravierendes Konkurrenzproblem. Wenn die Zivilrechtsprechung nämlich so verstanden wird, dass damit eine Dispositionsschranke auch hinsichtlich des Vermögens der Personengesellschaft entsteht, so ändert das nichts daran, dass auch eine Untreue zu Lasten der GmbH wegen des Eingriffs in ihr Stammkapital in Betracht kommt. Eine Einschlägigkeit des § 30 GmbHG (die hier deshalb nicht gegeben ist, weil gerade nicht an einen GmbH-Gesellschafter GmbH-Vermögen ausgezahlt wird679) soll ja für die Einschränkung der Dispositionsbefugnis bei der GmbH gerade nicht erforderlich sein, sondern schon eine sonstige, an dieser Vorschrift orientierte existenzvernichtende Maßnahme ausreichen. Richtigerweise ist die genannte Zivilrechtsprechung aber ohnehin auf den eigenständigen Schutz des Vermögens der Komplementär-GmbH (im Gläubigerinteresse) bezogen. Dafür spricht die Tatsache, dass im Zivilrecht nach wie vor das Stammkapital der GmbH als entscheidende Messlatte für das Ausschüttungsverbot herangezogen wird, während ein weitergehender Kapitalschutz, der beim Vermögen der KG ansetzten würde (etwa bei Entstehen einer Unterbilanz), gerade noch nicht anerkannt ist.680 Der zweite Zivilsenat des BGH hat vielmehr in seiner Leitentscheidung explizit eine Haftung aufgrund einer analogen Anwendung der KG-spezifischen Ausschüttungsverbote der §§ 171 ff. HGB mit der Begründung abgelehnt, dass ein bestimmtes Gesellschaftsvermögen, das zu vermindern schlechthin untersagt wäre, den Gläubigern nach dem Recht der Kommanditgesellschaft gerade nicht garantiert wird.681 Eine Ausschüttung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter könne vielmehr jederzeit erfolgen.682 Das zeigt deutlich, dass die aus § 30 GmbHG abgeleitete Dispositionsschranke gerade nicht beim 677 BGHZ 110, 342; K. Schmidt GesR § 56 V 1 b; Hueck/Windbichler § 37 Rn. 21. 678 K. Schmidt GesR § 56 V 1 b. 679 Zur Frage, inwieweit es im Rahmen der Dispositionsschranke überhaupt erforderlich ist, dass in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 30 GmbHG eine Ausschüttung „an die Gesellschafter“ stattfindet, siehe oben E. III. 1. b) aa) (3). 680 K. Schmidt GesR § 56 V 1 b Fn. 131, der eine solche Anerkennung auch für fragwürdig hielte. 681 BGHZ 60, 324 (327 f.); wiederholt in BGHZ 110, 342 (356). 682 BGHZ 110, 342 (356).
III. Einverständnis
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KG-Vermögen, sondern beim GmbH-Vermögen ansetzt.683 Auch der BGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch seine Rechtsprechung nur der Haftungsfonds der GmbH im Gläubigerinteresse erhalten werden soll.684 Für die oben als entscheidend erkannte Frage nach dem Anknüpfungspunkt der Dispositionsschranke heißt das also: Es wird zum Schutz der GmbH § 30 GmbHG in Bezug auf die Gesellschafter der KG erweitert, nicht aber § 30 GmbHG zugunsten der KG angewandt.685 Der Anspruch der GmbH soll allerdings der Kommanditgesellschaft zustehen, der Komplementärin wird hingegen die Aktivlegitimation abgesprochen.686 Die Rückabwicklung erfolgt also in das Vermögen der KG. Das geschieht deshalb, weil der Abfluss auch aus diesem Vermögen stammt und anderenfalls die getrennten Gesellschaftsvermögen vermischt würden. Da die GmbH insoweit nur mittelbar geschädigt wurde, hat sie auch nur Anspruch auf eine Rückgängigmachung dieses mittelbaren Nachteils durch eine Wiederherstellung des früheren Zustandes.687 § 30 GmbHG ist nach alledem also nicht zugunsten der (GmbH & Co.) KG, sondern nur bei der GmbH & Co. KG zugunsten der GmbH anwendbar. Der Grund für das aufgezeigte Vorgehen ist eben nicht der, dass das Vermögen der KG erhalten werden soll, sondern der, dass anderenfalls durch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über die KG die Vorschriften zum Schutz der GmbH umgangen zu werden drohen.688 Es fehlt also schlicht an einer Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften auf die Personengesellschaft als Grundlage einer Einschränkung der Dispositionsbefugnis. Daher ist es überzeugend, die im Strafrecht durch das Auszahlungsverbot gezogenen Dispositionsgrenzen auch weiterhin allein auf die GmbH zu beziehen. Das vermeidet auch das anderenfalls entstehende Konkurrenzproblem. Schließlich werden die gesetzlichen Beschränkungen hinsichtlich der GmbH nicht in an sich systemwidriger Weise689 auf die Ebene der Personengesellschaft angewandt. Folglich kann 683
So auch Schlichte DB 2006, 1357 (1360). BGHZ 110, 342 (357 f.). 685 Wilhelm FS Flume Bd. II, 337 (363 f.); Schlichte DB 2006, 1357 (1360); unmissverständlich ebenso BGHZ 110, 342 (358) mit dem Hinweis, dass das Verbot des § 30 GmbHG auch die Kommanditisten treffe, da Ausschüttungen an sie den Haftungsfonds der GmbH ebenso betreffen wie solche an die GmbH-Gesellschafter. 686 BGHZ 60, 324 (329 f.). 687 BGHZ 60, 324 (329 f.). 688 Siehe dazu den Problemaufriss bei K. Schmidt GesR § 56 v 1 b. 689 Zwar ist bei der GmbH & Co. anerkannt, dass sie aufgrund ihrer Grundtypenvermischung in einem Spannungsverhältnis zwischen Personen und Kapitalgesellschaftsrecht steht, siehe Hueck/Windbichler § 37 Rn. 3 f. Dennoch gilt der Grundsatz, dass es sich um eine KG handelt und jede Anwendung GmbH-rechtlicher Vorschriften begründungsbedürftig ist (sog. Trennungsdenken). 684
192
E. Folgen bei Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher
auch in diesen Fällen nur von einem nicht disponiblen Schutz der GmbH, nicht aber der KG ausgegangen werden. 2. Zusammenfassung Hinsichtlich des Einverständnisses ergibt sich also, dass es auf die Zustimmung der Gesellschaft ankommt, die mangels Handlungsfähigkeit von den Gesellschaftern als Gesellschaftsorgan nach den entsprechenden Beschlussgrundsätzen erklärt wird. Eine Wirksamkeitsschranke bei Mehrheitsbeschlüssen zugunsten der Minderheit gibt es zwar, diese löst aber in Ermangelung eines rechtsgutsbezogenen Schutzzwecks keine Untreuestrafbarkeit zugunsten der Gesellschaft aus. Eine Dispositionsschranke zum Schutz der Gesellschaft selbst gibt es nicht, da es an einem entsprechenden Bedürfnis fehlt. Gleiches gilt für die GmbH & Co. KG.
IV. Schaden Hinsichtlich der Nachteilsberechnung ist auf die Auswirkungen der pflichtwidrigen Handlung im Vermögen der Gesellschaft zu blicken. Der im Gesellschaftsvermögen entstandene Schaden ist in voller Höhe als tatbestandlicher Nachteil anzusetzen. Die Zustimmung einzelner Gesellschafter, insbesondere des Täters selbst, kann wie auch schon bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit nur im Rahmen der Strafzumessung eine Rolle spielen. Es gilt also das bereits erwähnte Allesoder-Nichts-Prinzip.690 Dass das Zuordnungssubjekt für das Vermögen ein anderes ist, wirkt sich in diesem Punkt nicht aus. Für die Unteilbarkeit der Schadenssumme kommt es allein auf die Natur des Gesellschaftsvermögensvermögens als ein einheitliches, gebundenes und von den jeweiligen Privatvermögen abgesondertes an. Wem es gehört, ist für die Feststellung des negativen Saldos einerlei.
V. Strafantrag Wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt Rechtsgutsinhaberin ist, so entfällt das Erfordernis eines Strafantrags gemäß §§ 266 Abs. 2, 247 StGB. Denn die Gesellschaft kann als bloßes Rechtskonstrukt in keinem privilegierenden Näheverhältnis stehen.
690 Siehe dazu schon oben D. IV., insb. auch zur nötigen Widerlegung der Regelwirkung bei Verursachung eines Schadens großen Ausmaßes.
VII. Kritik
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VI. Zusammenfassung Inhaberin des von § 266 StGB geschützten Gesellschaftsvermögens ist nach dieser Ansicht die Gesellschaft als eigenes und von den Gesellschaftern getrenntes Rechtssubjekt. Das Einverständnis erklärt sie selbst durch ihre Gesellschafter als Organe, die dabei nicht in ihrer Dispositionsmacht beschränkt sind. Eine zur Strafbarkeit führende Dispositionsschranke existiert weder bei Mehrheitsbeschlüssen im Hinblick auf überstimmte Mitgesellschafter. Eine solche Einschränkung wäre unter Rechtsgutsgesichtspunkten inkongruent. Noch besteht sie im Hinblick auf die Gesellschaft. Aufgrund der persönlichen Haftung muss das Gesellschaftsvermögen nämlich nicht vor den Gesellschaftern geschützt werden. Der Schaden entspricht der durch die Tat verursachten negativen Differenz im Gesellschaftsvermögen. Ein Strafantragserfordernis kann es mangels einer entsprechenden Nähebeziehung nicht geben.
VII. Kritik Hinsichtlich der Kritik kann weitgehend auf die Ausführungen zur Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit verwiesen werden. Denn die Ergebnisse sind aufgrund der Anerkennung eines Sondervermögens in vielen Punkten gleich: Die Anbindung ans Zivilrecht durch die Anerkennung eines Gesellschaftsvermögens und den Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Entscheidungsmechanismen im Rahmen des Einverständnisses dient der Rechtssicherheit und vermeidet Widersprüche zum Gesellschaftsrecht. Der Schaden ist aufgrund der Alles-oder-Nichts-Lösung einfach zu berechnen. Allerdings muss im Rahmen der Strafzumessung doch wieder der Schadensanteil in den Blick genommen werden, der dem Täter oder einzelnen zustimmenden Gesellschaftern entsteht. Es findet also auch hier eher eine Problemverschiebung als eine echte Vereinfachung statt. Zwei Unterschiede sind jedoch hervorzuheben: Erstens führt die gedankliche Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern dazu, dass bei Unwirksamkeit eines Beschlusses aufgrund von Minderheitenschutzgesichtspunkten eine Strafbarkeit wegen des inkongruenten Schutzzwecks der zur Unwirksamkeit führenden Norm in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen ausscheiden muss. Das ist deshalb misslich, weil die Gesellschafter durch die Tat aufgrund der Schädigung des in ihrem Privatvermögen befindlichen Werts ihrer Mitgliedschaft selbst verletzt werden. Das Problem liegt also darin, dass sich das eigentlich berührte und zur Unwirksamkeit führende Interesse in ihrem Vermögen befindet, während nach der hier untersuchten
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E. Folgen bei Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher
Konstruktion der Gesamthandsgesellschaft auf das Vermögen der Gesellschaft als das geschützte geblickt wird. Das macht noch einmal die Inkongruenz der entsprechenden Schutznormen deutlich. Hinsichtlich des betroffenen Vermögens stellt sich jede Schädigung der Gesellschaft zugleich als Schädigung des Werts der Mitgliedschaft dar. In der Erkenntnis, dass es sich um eine gleichzeitige Schädigung handelt, liegt der entscheidende Unterschied zur herrschenden Meinung im Strafrecht, die eine Einzelzuständigkeit der Gesellschafter unter Ausblendung der Vermögenszuordnung zur Gesellschaft vornimmt. Es liegt also eine echte Doppelzuständigkeit hinsichtlich des Vermögens vor, so dass richtigerweise die entstehende Schutzlücke durch eine Untreue zum Nachteil der nicht zustimmenden Gesellschafter geschlossen werden müsste. Es wurde bei den Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft bereits herausgearbeitet, dass sich aufgrund dieser Struktur in allen Verbänden eine Doppelzuständigkeit hinsichtlich der betroffenen Vermögensmasse ergibt.691 Das Verhältnis dieser Schädigungen zueinander wurde hinsichtlich der daraus resultierenden verschiedenen Bezugssubjekte einer Untreuestrafbarkeit bisher nicht thematisiert. Vielmehr wird immer nur nach „dem“ einen zivilrechtlichen Vermögensträger gefragt und auf diesen dann die Untreue bezogen. Spätestens hier wird deutlich, dass das zu eindimensional gedacht ist. Die Folgen und der mögliche Nutzen einer solchen Doppelzuständigkeit werden daher noch gesondert und ausführlich zu untersuchen sein.692 An dieser Stelle ist lediglich festzuhalten, dass es bei Anknüpfung an das Gesellschaftsvermögen aus Sicht der Gesellschafter zu Schutzlücken kommen kann. Zweitens ist § 247 StGB in Ermangelung eines Näheverhältnisses zur Gesellschaft unanwendbar; und zwar anders als bei Annahme einer Gesamtzuständigkeit der Gesellschafter generell und nicht nur bei Beteiligung juristischer Personen. Denn die Gesellschaft wird als eigenes Rechtssubjekt wie eine juristische Person behandelt. Das führt dazu, dass selbst bei reinen Familiengesellschaften eine interne Konfliktlösung durch das Erfordernis eines Strafantrags ausscheidet. Anders kann das nur dann gesehen werden, wenn man wie der BGH bezüglich der GmbH trotz der Zuordnung des Vermögens zur Gesellschaft im Rahmen des Strafantragserfordernisses doch die einzelnen Gesellschafter als Geschädigte ansieht. Zwar wäre der BGH nach der hier diskutierten Konstruktion nicht in gleicher Weise wie bei der GmbH zu Korrekturen zwecks Aufrechterhaltung einer Strafbarkeit bei Existenzvernichtung gezwungen.693 Denn eine entsprechende Dispositions691
Siehe oben B. III. Siehe unten G. 693 Siehe dazu oben die Ausführungen zum „Schaden der GmbH selbst“ unter C. V. und C. VII. 5. 692
VII. Kritik
195
schranke, die anderenfalls ausgehebelt würde, gibt es bei der Personengesellschaft ja nicht.694 Dass es für ein Hin- und Herschieben des Rechtsguts je nach Beteiligung nahe stehender Personen jedoch schon im Ansatz an jeder Grundlage fehlt und die an sich getrennten Vermögensebenen dadurch systemwidrig vermischt werden, wurde bereits ausführlich dargelegt.695 Also muss es bei einer generellen Unanwendbarkeit des Antragserfordernisses bleiben.
694 695
Dazu E. III. 1. b) bb). Siehe C. VII. 5.
F. Folgen bei wirtschaftlicher Betrachtung: Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträgerin Alle bisher behandelten Modelle zur Bestimmung des Inhabers des Gesellschaftsvermögens fußen auf entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Wertungen. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Ergebnisse sich bei Zugundelegung einer originär strafrechtlichen Betrachtung der Gesamthandsgesellschaften ergeben und inwieweit diese überhaupt von den aufgezeigten zivilrechtsakzessorischen Ansätzen abweichen (können).
I. Vermögensträgerschaft Der entsprechende Ausgangspunkt für eine strafrechtliche, am Rechtsgut orientierte Vermögenszuordnung wurde bereits im Rahmen der Vorüberlegungen zur Vermögensträgerschaft ausführlich dargestellt.696 Versteht man den Schutz von Vermögen nicht als Selbstzweck, sondern als Basis für die damit verbundenen Möglichkeiten der Ausübung individueller Freiheit, dann ist Inhaber derjenige, der diese Freiheit wahrnehmen kann. Zu dessen rechtlicher Ausgestaltung erfolgte eine Anknüpfung an die Arbeit von Nelles, die aus dem strafrechtlichen Vermögensbegriff konkrete Kriterien für eine wirtschaftliche Vermögenszuordnung abgeleitet hat. Danach ist Vermögensinhaber, wer die Dispositionsmacht über das entsprechende Vermögen ausübt, das heißt derjenige, dessen Zwecksetzungen den Handlungsrahmen für alle Dispositionen in Bezug auf einen Gegenstand darstellen. Denn gleichgültig, wem das Vermögen formell zugeordnet sein mag, ist es allein diese Einheit, die das in Rede stehende Vermögen für ihre Zwecke nutzbar machen und damit zur Freiheitsbetätigung einsetzen kann. Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die Personengesellschaften ergibt sich, dass das Gesellschaftsvermögen zur Disposition der Gesellschaftergesamtheit steht, so dass die Gesellschafter gemeinsam als dessen Inhaber anzusehen sind. Die einzelnen Gesellschafter scheiden aus, weil sie nicht mehr allein über den Einsatz des Vermögens entscheiden dürfen. Die Gesellschaft selbst kann als abstraktes Rechtsgebilde keine Zwecke definieren und ist daher auf Grundlage des hier behandelten, materiellen Rechtsgutsverständnisses keine taugliche Vermögensträgerin. 696
Siehe zum Ganzen oben B. II.
III. Einverständnis
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II. Vermögensbetreuungspflicht Wird die Gesellschaftergesamtheit als Trägerin des geschützten Gesellschaftsvermögens angesehen, besteht dementsprechend auch ihr gegenüber die Vermögensbetreuungspflicht.697
III. Einverständnis Das Einverständnis ist vom Inhaber des geschützten Rechtsguts zu erklären, also von der Gesellschaftergesamtheit.698 Obgleich die Vermögenszuordnung rein strafrechtlich vorgenommen wurde, sind für die Notwendigkeit eines Einverständnisses und dessen Zustandekommen die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen maßgeblich, die schon oben bei Annahme einer im Zivilrecht fußenden Vermögensträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit erarbeitet wurden.699 Der Grund dafür ist der, dass zwar die Vermögenszuordnung zivilrechtsextern vorgenommen wurde. Gleichwohl richtet sich aber das der Vermögensbetreuungspflicht zugrunde liegende und das rechtliche Dürfen prägende Verhältnis zwischen Täter und Opfer weiterhin nach den entsprechenden privatrechtlichen Abreden und Vorschriften. Aufgrund des Ultima Ratio Prinzips ist das Strafrecht hieran gebunden, so dass ein in Übereinstimmung mit diesen Befugnissen vorgenommenes Geschäft niemals strafbar sein kann.700 Insofern sind einer strafrechtsautonomen Betrachtung aufgrund der Einheit der Rechtsordnung Grenzen gesetzt. Für die Reichweite der Handlungsbefugnis ist also weiterhin der Umfang der erlaubten Geschäftsführung maßgeblich. Der Zweck des Vermögenseinsatzes ist nämlich aufgrund des gesellschafsrechtlichen Zusammenschlusses in der Weise definiert, dass das Gesellschaftsvermögen nur im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis zur Verwirklichung der gemeinsamen Interessen eingesetzt werden darf.701 Für ein diese Befugnis erweiterndes Einverständnis kommt es weiterhin auf eine Beschlussfassung an, die dann einer entsprechenden Umdefinition der gemeinsamen Zwecke entspricht.702 Wenn von dieser Ansicht darauf hingewiesen wird, dass die Gesellschafter nur gemeinsam die Vermögenszwecke entsprechend umdefinieren dürfen 697
Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 550. Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 550. 699 Siehe oben D. III. 700 Zum Prinzip der asymmetrischen Akzessorietät siehe oben C. VII. 3. 701 Siehe Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 490 f. zur Maßgeblichkeit des gemeinsam verfolgten, gesellschaftsvertraglich festgelegten Gesellschaftszwecks. 702 So denn auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 550. 698
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F. Folgen bei wirtschaftlicher Betrachtung
und dass die Zustimmung Einzelner unbeachtlich ist, da sie keine (anteiligen) Vermögensinhaber sind,703 so bedarf das wiederum der Konkretisierung. „Gemeinsam“ muss nämlich auch hier nicht unbedingt eine Zustimmung aller bedeuten, da in Abweichung vom grundsätzlichen Einstimmigkeitserfordernis auch gesellschaftsvertragliche Mehrheitsprinzipien gelten können.704 Das führt wiederum zur Frage nach einer Unwirksamkeit im Minderheiteninteresse. Außerdem ist kurz auf eine Unwirksamkeit trotz Zustimmung aller Gesellschafter einzugehen. Die Antwort auf beides entspricht den auf Basis einer zivilrechtlichen Gesamtzuständigkeit gefundenen Ergebnissen. Bei Unwirksamkeit eines Beschlusses aufgrund einer (hinreichend gravierenden) Überschreitung des Gesellschafterermessens und einer daraus resultierenden Treuepflichtverletzung705 liegt auch strafrechtlich eine Unwirksamkeit des Einverständnisses vor. Denn unter Rechtsgutsgesichtspunkten ist der zivilrechtliche Unwirksamkeitsgrund „Minderheitenschutz“ mit dem strafrechtlichen Schutz der Gesellschafter als Rechtsguts(mit)inhaber durchaus (teil)kongruent.706 Eine Unwirksamkeit aufgrund einer Treuepflichtverletung bei Zustimmung aller kommt hingegen wiederum nicht in Betracht, da die Gesellschaftergesamtheit sich selbst gegenüber nicht treuwidrig handeln kann.707 Auch sonst existieren keine Normen, aus denen eine Schranke abzuleiten wäre, insbesondere sind die Überlegungen zur Einschränkung bei Existenzvernichtung einer GmbH generell nicht auf Personengesellschaften übertragbar.708
IV. Schaden Der Schaden der Gesellschaftergesamtheit entspricht der im Gesellschaftsvermögen entstandenen negativen Vermögensdifferenz, ist also in voller Höhe anzusetzen. Die individuelle Betroffenheit Einzelner (inklusive des Täters) kann daher nur im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden.709
703 704 705 706 707 708 709
Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 550. Siehe dazu schon oben D. III. 2. a) bb). Siehe dazu ausführlich oben D. III. 2. a) bb) (1). Zu den Kongruenzerwägungen siehe oben E. III. 1. a). Siehe dazu schon oben D. III. 2. a) bb) (2). Siehe dazu oben E. III. 1. b) bb). Siehe dazu D. IV.
VII. Kritik
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V. Strafantrag Auch bezüglich des Erfordernisses eines Strafantrags ergeben sich keine Abweichungen zur Vermögenträgerschaft der Gesellschaftergesamtheit.710 Danach ist eine Tat stets insgesamt verfolgbar, sobald auch nur ein Gesellschafter nicht in einem privilegierten Verhältnis zum Täter steht. Sollten alle Mitglieder nahe stehende Personen sein, bedarf es eines Antrags. Jedoch reicht der eines einzigen an der Gesellschaft Beteiligten aus, um hinsichtlich der ganzen Tat eine Verfolgung auszulösen.
VI. Zusammenfassung Für die Zusammenfassung kann auf die Ausführungen bei Annahme einer Vermögensträgerschaft auf Basis des Zivilrechts verwiesen werden. Abgesehen von der Begründung der Fremdheit des Vermögens ergeben sich nämlich keine Unterschiede.
VII. Kritik Im Vergleich zur Gesamtzuständigkeit auf Basis einer zivilrechtlichen Vermögenszuordnung ist zwar der Ausgangspunkt verschieden, die Ergebnisse aber sonst gleich. Das liegt im Rahmen des Einverständnisses daran, dass mit der Wahl der Zwecksetzungsbefugnis als zentrales und über die Vermögensträgerschaft entscheidendes Kriterium in zweierlei Hinsicht die strafrechtliche Bewertung für gesellschaftsrechtliche Einflüsse geöffnet und auf die entsprechenden vertraglichen oder gesetzlichen Normen Bezug genommen wird. Denn zum einen wird durch die Aufnahme des Elementes „Zweck“ unmittelbar an den auch schon im Rahmen der zivilrechtlichen Bewertung der Pflichtenstellung als Grenze der Geschäftsführungsbefugnis für maßgeblich erachteten Gesellschaftszweck angeknüpft und dieser damit zum Maßstab des rechtlichen Dürfens gemacht. Zum anderen wird durch das Element der „Befugnis“ sichergestellt, dass es zu einer Gesamtzuständigkeit kommt (Umdefinition der Zwecksetzung durch Beschlussfassung), die dem Charakter des Gesellschaftsvermögens als ein gebundenes und einheitliches Rechnung trägt. Beides, sowohl die Anbindung an den Gesellschaftszweck zur Bestimmung des Pflichtenkreises als auch die Beachtung der Gesamtzuständigkeit, ist unumgänglich. Das Ultima Ratio Prinzip zwingt nämlich das Strafrecht in genau diesen Punkten in zivilrechtliche Bahnen. Anderenfalls droht eine Bestrafung zivilrechtmäßigen Handelns. 710
Siehe dazu D. V.
200
F. Folgen bei wirtschaftlicher Betrachtung
Insofern sind jeder originär strafrechtlichen Betrachtung aufgrund der zu beachtenden Einheit der Rechtsordnung letztendlich strikte Grenzen gesetzt. Bei der Schadensberechnung kommt es deshalb zu keinen Unterschieden, weil es sich dabei um eine Frage handelt, die ohnehin schon immer, das heißt auch bei Zivilrechtsakzessorietät, unter strafrechtlichen Gesichtspunkten bestimmt wurde. Für die Berechnungsmodalitäten ist es gleichgültig, wie die Vermögenszuordnung begründet wird, solange das geschädigte Vermögen als ein gemeinsames angesehen wird. Das Strafantragserfordernis folgt schließlich der Rechtsgutszuordnung, so dass sich die identischen Ergebnisse bezüglich der Vermögenszuordnung auch dort widerspiegeln. Der Spielraum für eine abweichende Beurteilung einzelner Merkmale geht also gegen Null. Hinsichtlich des Einverständnisses und des Schadens gilt wieder eine Alles-oder-Nichts-Lösung, die zwar im Tatbestand eine umständliche Aufspaltung der Ergebnisse vermeidet, dafür aber das Differenzierungspotential vermindert und schließlich im Rahmen der Strafzumessung doch wieder auf die Betroffenheit einzelner Gesellschafter blicken muss.711 Beim Strafantragserfordernis bleibt wenig Raum für die Berücksichtigung eines Bedürfnisses nach interner Konfliktbewältigung. Denn sobald die Beziehung zu einem Gesellschafter nicht privilegiert ist, erübrigt sich der Strafantrag; falls alle Vermögensinhaber nahe stehende Personen sind, reicht der Antrag eines von ihnen um eine Verfolgbarkeit der ganzen Tat auszulösen. Der große Vorteil einer strafrechtlichen Definition der Rechtsgutsträgerschaft gegenüber einer zivilrechtsakzessorischen ist also nicht in einfachereren oder einleuchtenderen Ergebnisse, sondern vielmehr darin zu sehen, dass das Strafrecht sich vom kaum überschaubaren und bis heute nicht eindeutig beantworteten Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand („Grundlagenungewissheit,“712 „Begriffsverwirrung“713) frei machen kann. Andererseits wird damit die vor allem Strafrechtler beschäftigende Frage nach Grund und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät angesprochen. Damit ist ein Themenbereich eröffnet, der nicht minder komplex und ungeklärt ist714 und gerade hinsichtlich der Vermögenszuordnung traditionell akzessorisch geprägt ist. Letztlich wird also im Wesentlichen die eine (privatrechtliche) Grundlagendiskussion gegen eine andere (strafrechtliche) ausgetauscht.
711
Siehe dazu schon oben D. VII. Beuthien NJW 2005, 855. 713 Beuthien JZ 2003, 715. 714 Siehe zum Rechtmäßigkeitsmaßstab nur LK12-Rönnau Vor § 32 Rn. 20 m. w. N. in Fn. 45. 712
G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter Zuletzt soll untersucht werden, welche Folgen sich bei einer Anknüpfung an die Mitgliedschaft im Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter im Gegensatz zur Anknüpfung an das Gesellschaftsvermögen ergeben.
I. Vermögensträgerschaft Eine Analyse der Strukturen einer Personenvereinigung hat ergeben, dass neben dem Sondervermögen, das „der Gesellschaft“ zusteht, die einzelnen Gesellschafter mit ihrer Mitgliedschaft einen auf die Gesellschaft bezogenen Vermögenswert innehaben. Dadurch kommt es zu einer Verdoppelung der bei einer Verringerung des Gesellschaftsvermögens betroffenen Rechtsgutsträger. Neben „der Gesellschaft“ sind immer auch die einzelnen Gesellschafter in ihrem Privatvermögen geschädigt.715 Die Möglichkeit einer Untreue zum Nachteil „der Gesellschaft“ wurde mit den vorstehenden Ausführungen (C. bis F.) bereits ausführlich erörtert. Die Modalitäten der Strafbarkeit hängen dabei vom höchst umstrittenen Verständnis der Zuordnung des Gesellschaftsvermögens innerhalb der Gesellschaft ab. Die hier zu untersuchende Untreue zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter knüpft hingegen an deren Mitgliedschaft als die beeinträchtigte Vermögensposition an. Es ist im Hinterkopf zu behalten, dass es dabei um eine Strafbarkeit geht, die grundsätzlich neben einer möglichen Untreue zu Lasten der Gesellschaft gegeben sein kann, so dass ein Konkurrenzverhältnis entsteht. Es handelt sich also weniger um eine alternative als um eine ergänzend in Betracht zu ziehende Konstruktion. Auf Konkurrenzebene macht dies freilich eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ebenen der Strafbarkeit erforderlich.716 Bislang hat sich im Strafrecht weder jemand für einen solchen Ansatz ausgesprochen, noch wurde er Gegenstand einer ausführlichen Untersuchung. Allein Schäfer hat in einem Aufsatz von 1987 eine derartige Doppelzuständigkeit gesehen, die Details dazu jedoch nur angedeutet und sich schließlich auch gegen eine Anknüpfung an die Gesellschafterebene ent715 716
Siehe B. III. 2. Siehe dazu noch unten H. III.
202 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
schieden.717 Im Zusammenhang mit der herrschenden Meinung im Strafrecht zur Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften findet sich zwar der Hinweis, dass der Schaden der Gesellschafter in einer Minderung des Werts der Beteiligung liegt.718 Diese Aussage ist jedoch vor dem Hintergrund der Auffassung des BGH zu sehen, wonach das Gesellschaftsvermögen – wie bei einer Bruchteilsgemeinschaft – in Ermangelung einer „Person“ als Rechtsträger zwischen den Gesellschaftern als natürliche Personen aufgeteilt werden soll.719 Das Gesellschaftsvermögen wird also entgegen der gesetzlichen Konzeption der Gesamthand in echte Anteile aufgespalten und damit die Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre verschmolzen. Das bedeutet, dass im Unterschied zur hier diskutierten Konstruktion nicht neben, sondern anstatt einer Anknüpfung an das Sondervermögen auf die Privatvermögen der Gesellschafter geblickt wird. Durch die Negierung der Existenz eines vom Privatvermögen zu trennenden Gesellschaftsvermögens und der entsprechenden Gesamtzuständigkeit wird das wichtigste Grundprinzip zum Verständnis aller Personenvereinigungen ausgeschaltet. Sämtliche darauf basierenden gesellschaftsrechtlichen Regelungsmechanismen werden ihres Sinns entleert. Es wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass dadurch völlig unklar ist, inwieweit die gesetzlichen Regelungen überhaupt noch anwendbar sein sollen, da diese von einem grundlegend anderen Verständnis der Gesellschaft ausgehen.720 Dementsprechend sind auch die Hinweise auf die Wertminderung des Mitgliedschaftsanteils nicht handhabbar und daher unbrauchbar. Es wird mit dieser Terminologie nämlich auf das Zusammenspiel zweier getrennter Vermögensebenen Bezug genommen, die es nach dem Verständnis des BGH gerade nicht geben soll. Zur Ausarbeitung einer Untreue zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter bieten sich jedoch zwei andere Anknüpfungspunkte. Zum einen kann auf die zivilrechtlichen Stimmen zu Individualansprüchen aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB zurückgegriffen werden, bei denen allerdings die Detailtiefe hinsichtlich der strafrechtlichen Fragen äußerst bescheiden ist.721 Zum anderen ist im Strafrecht hinsichtlich der GmbH die Vermögenstrennung aufgrund der „eigenen Rechtspersönlichkeit“ anerkannt. Eine Untreue wird gleichwohl nur zu Lasten des Gesellschaftsvermögens angenommen, eine Untreue zum Nachteil der Gesellschafter aber abgelehnt.722 Dabei erfolgt 717
Schäfer NJW 1987, 2850. Hoffmann/Liebs-Lohberger Rn. 877.2; Bittmann InsR § 16 Rn. 58; MüllerGugenberger/Bieneck-Schmid § 28 Rn. 59; Bittmann/Richter wistra 2005, 51 (53). 719 Siehe dazu schon die ausführliche Kritik oben unter C. VII. 1. a). 720 Siehe dazu oben C. VII. 4. 721 Siehe dazu schon B. III. 2. 722 Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 60; ders., Strafrechtliche Verantwortung, Rn. 171 steigt schon hinsichtlich des geschützten Rechtsguts aus und meint, dass 718
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 203
jedoch wiederum keine Auseinandersetzung mit gesellschaftsrechtlichen Prinzipien, aus denen sich – ausweislich der gängigen Handhabung im Zivilrecht – möglicherweise Gegenteiliges ergibt. Es wird Aufgabe der folgenden Ausführungen sein, diese jeweils isolierten Blickwinkel zusammenzuführen.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern Wurde somit festgestellt, dass es jedenfalls eine Vermögensposition in den Händen der Gesellschafter gibt, stellt sich als erstes die Frage, inwieweit diese überhaupt tauglicher Gegenstand einer Untreuehandlung sein kann. Es reicht nämlich nicht allein die bloße Existenz eines vom potentiellen Täter geschädigten fremden Vermögens. Dieses muss vielmehr auch Gegenstand einer besonderen Vermögensbetreuungspflicht sein. Eine Strafbarkeit des Geschäftsführers kommt also nur in Betracht, wenn er (auch) gegenüber seinen Mitgesellschaftern in einem entsprechenden Verhältnis steht. Für die Personengesellschaften ist das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers gegenüber seinen Mitgesellschaftern seit langem anerkannt.723 Das hilft hier jedoch nicht weiter. Denn dem liegt das besagte gesellschaftsrechtsfremde Verständnis einer Auflösung der Gesellschaftsebene zugrunde. Daraus folgt die Annahme, dass sich die Pflichten der jeweiligen Leitungsperson unmittelbar auf die einzelnen Gesellschafter beziehen. Das ist jedoch unzutreffend. Alle als Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse beziehen sich nämlich zunächst einmal auf die Gesellschaftsebene. Das gilt für die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers ebenso wie für vertraglich begründete Treueverhältnisse, zum Beispiel die Prokura. Es bleibt also zu fragen, ob neben diesen eindeutig und gesellschaftsrechtlich unstreitig auf die Gesellschaft bezogenen Pflichten auch solche gegenüber den einzelnen Gesellschaftern bestehen. Hierin liegt das Kernproblem einer möglichen Untreue zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter. allein das GmbH-Vermögen geschützt sei. Damit offenbart er jedoch das im Strafrecht typische, nur auf eine Vermögensebene bezogene Denken. Es kann richtigerweise kein Zweifel bestehen, dass es auch eine Vermögensposition in den Händen der Gesellschafter gibt. Ob die übrigen Merkmale des § 266 StGB in Bezug auf dieses Vermögen erfüllt sind, ist freilich eine andere Frage. An der Vermögensbetreuungspflicht wollen BGH NJW 2006, 1984; BGH, Urteil v. 22.01.1953, 3 StR 154/52, Rz. 27; Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 15 die Strafbarkeit scheitern lassen – dazu sogleich mehr. 723 Siehe nur Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 292; Hachenburg-Kohlmann Vor § 82 Rn. 300; Bittmann InsR § 16 Rn. 60; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 36.
204 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
Als Ausgangspunkt aller Überlegungen bietet sich die Suche nach einer möglichen Rechtsgrundlage an, aus der eine hinreichend qualifizierte Pflichtenstellung hergeleitet werden kann. Denn der Untreuetatbestand erfordert mit der Vermögensbetreuungspflicht eine rechtliche Sonderverbindung zwischen Täter und Opfer, während eine bloß moralische oder ethische Pflicht nicht reicht.724 § 266 StGB lässt neben einem gesetzlichen, behördlichen oder rechtsgeschäftlichen Ursprung auch eine rein tatsächliche Treuepflicht zur Konstituierung des besonderen Näheverhältnisses genügen. Die Ausfüllung dieser abstrakten Merkmale fällt indes im Strafund Gesellschaftsrecht unterschiedlich (genauer: gegensätzlich) aus. Im Folgenden wird zunächst auf das Strafrecht (1.) und dann auf das Gesellschaftsrecht (2.) eingegangen, bevor abschließend über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer hinreichenden Pflichtenstellung entschieden werden kann (3.). 1. Strafrecht: Ablehnung einer Vermögensbetreuungspflicht ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftsrecht Im Strafrecht wird eine Untreue zum Nachteil der Gesellschafter nicht weiter diskutiert, sondern allein auf das Gesellschaftsvermögen geblickt. Das liegt wohl daran, dass davon ausgegangen wird, dass eine Vermögensbetreuungspflicht im entsprechenden Verhältnis recht offenkundig nicht existiert. In der Literatur gibt es soweit ersichtlich überhaupt nur zwei Stellungnahmen zur Frage einer Pflichtenstellung von Leitungspersonen der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern: Tiedemann lehnt bezüglich der GmbH eine Vermögensbetreuungspflicht im entsprechenden Verhältnis in einem Satz und ohne weitere Begründung ab.725 Schäfer ist der Meinung, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern als Grundlage für eine Pflichtenstellung fehlen.726 Die Strafsenate des BGH waren zweimal mit dieser Frage befasst. 1953 lehnte der dritte Senat eine Vermögensbetreuungspflicht mit der Begründung ab, dass kein gesetzliches oder rechtsgeschäftliches Treueverhältnis gegenüber den Gesellschaftern bestehe.727 Danach blieb es in der Strafrechtsprechung lange Zeit ruhig, bis im Jahr 2006 der erste Senat über die Frage zu entscheiden hatte, ob bei einer GmbH-Untreue auch die einzelnen Gesellschafter als Opfer anzusehen sind, so dass an deren Wohnsitz An724 725 726 727
Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 27. Scholz9-Tiedemann Vor §§ 82 ff. Rn. 15. Schäfer NJW 1983, 2650 (2851). BGH, Urteil v. 22.01.1953, 3 StR 154/52, Rz. 27.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 205
klage erhoben werden kann.728 Der BGH verneinte dies wiederum mit dem Argument, dass weder aus der organschaftlichen Stellung, noch aus dem Anstellungsvertrag eine strafrechtlich geschützte Pflichtenstellung folge.729 Die Beziehungen bestünden allein zur Gesellschaft und deren Vermögen sei mit denen der Gesellschafter nicht einmal teilidentisch; eine bloß mittelbare Schädigung sei von § 266 StGB nicht erfasst.730 Der Geschäftsführer habe im Rahmen seiner Tätigkeit vielmehr Vermögensinteressen der Gesellschaft wahrzunehmen, die im Einzelfall gerade mit denen der Gesellschaftern in Konflikt treten können und damit einer Wahrnehmung ihrer Interessen entgegen stehe.731 Das sei etwa bei Maßnahmen zur Erhaltung des Stammkapitals oder der Verhinderung einer Ausplünderung der Gesellschaft durch die Gesellschafter der Fall. Im Strafrecht besteht also das Bestreben, das Entstehen eines Konkurrenzverhältnisses durch eine Tatbestandslösung zu vermeiden, das heißt indem schon eine Vermögensbetreuungspflicht abgelehnt wird. Unterfüttert wird dies mit dem Argument auch realer Interessengegensätze. Dabei wird jedoch mit der steten Fokussierung auf „organschaftliche oder rechtsgeschäftliche“ Verbindungen auf die Frage nach einem tatsächlichen Treueverhältnis nicht eingegangen (dazu später unter 3.). Zudem findet trotz ihrer Ablehnung in keiner Weise eine Analyse der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen innerhalb des Verbands statt (dazu sogleich unter 2.). 2. Gesellschaftsrecht: Anerkennung einer Vermögensbetreuungspflicht ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem Strafrecht Die strafrechtliche Auffassung ist äußerst fragwürdig. Die diametral gegensätzliche herrschende Auffassung im Zivilrecht zur Bejahung von Gesellschafteransprüchen aus §§ 823 Abs. 2, 266 StGB wird nämlich völlig ausgeblendet und keine der genannten Stimmen auch nur mit einem Wort erwähnt. Das ist vor allem deshalb nicht nachzuvollziehen, weil gesellschaftsrechtlich über die angesprochene deliktische Haftung hinaus sogar die Frage nach einer unmittelbaren vertraglichen oder verbandsrechtlichen Pflichtenstellung zwischen Leitungspersonen der Gesellschaft und den Gesellschaftern seit langem Hochkonjunktur hat. Zahlreiche Monografien beschäftigen sich seit mehreren Jahrzehnten mit exakt der Frage, ob es individuelle Rechte der Mitglieder gegenüber den Leitungspersonen des Unter728 729 730 731
BGH BGH BGH BGH
NJW NJW NJW NJW
2006, 2006, 2006, 2006,
1984. 1984 (1985). 1984 (1985). 1984 (1985).
206 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
nehmens gibt, die von diesen verletzt werden können.732 Sogar der Deutsche Juristentag hat sich im Jahr 2000 dieses Anliegens angenommen.733 Im Zivilrecht geht es um die Frage nach dem Bestehen von Individualansprüchen der Gesellschafter gegen Verantwortungspersonen, zum Beispiel auf Schadensersatz oder Unterlassung.734 Für das Strafrecht ist dieser Diskurs deshalb bedeutsam, weil die Ansprüche jeweils die Existenz einer Pflichtenstellung erfordern, die dann zugleich Grundlage einer strafrechtlichen Vermögensbetreuungspflicht sein kann. Ohne Auseinandersetzung mit der aufgezeigten Entwicklung ist eine Aussage zum Bestehen oder Nichtbestehen einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gesellschaftern nicht möglich. Dieser vielschichtigen Diskussion um die Pflichten der Unternehmensleitung gegenüber den Mitgliedern wird man sicherlich in keiner Weise mit einem einfachen Hinweis darauf gerecht, dass derartige Pflichten nicht bestehen. Vielmehr muten die strafrechtlichen Ausführungen, die sich mit der Pflichtenstellung innerhalb des komplexen Beziehungsgeflechts des Verbands befassen wollen, dabei jedoch auf nicht eine einzige gesellschaftsrechtliche Stimme aus Rechtsprechung oder Literatur Bezug nehmen, schon auf den ersten Blick höchst bedenklich an. Alle aufgeführten strafrechtlichen Äußerungen müssen sich die nahe liegende Frage gefallen lassen, wie sie ohne Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftsrecht gesellschaftsrechtliche Pflichtenstellungen verneinen können. Eine hinreichende Berücksichtigung des Zivilrechts erfolgt nicht. Die Annahme, dass das Fehlen offenkundiger Rechtsbeziehungen auch zum Fehlen einer Vermögensbetreuungspflicht führt, kann in der Einfachheit jedenfalls nicht überzeugen. Es sollte insbesondere nicht vorschnell der Versuchung erlegen werden, unter Hinweis auf die getrennten Vermögenssphären eine Pflichtenbeziehung abzulehnen. Denn nur weil in Bezug auf einen Vermögensträger (hier „die Gesellschaft“) eine entsprechende Stellung gegeben ist, heißt das noch lange nicht, dass nicht auch in Bezug auf einen anderen Vermögensträger (die einzelnen Mitglieder) ein Betreuungsverhältnis bestehen kann.735 Sonderbeziehungen sind nämlich nichts Exklusives. Für einen davon abweichenden negativen Umkehrschluss fehlt es an einer Grundlage. Vielmehr ist das Verhältnis zwischen Leitungspersonen und Gesellschaftern unabhängig vom Verhält732 Siehe etwa Habersack, Die Mitgliedschaft; Grunewald, Gesellschafterklage; Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden; Baums, Der Geschäftsleitervertrag; Schmolke, Organwalterhaftung; Banerjea, Gesellschafterklage. 733 Baums DJT 2000, Gutachten F. 734 Siehe nur die Fallgruppen bei Raiser ZHR 153 (1989), 1 (16 ff.). 735 Anders offenbar Kohlmann, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 171, auf den sich der BGH in NJW 2006, 1984 (1985) maßgeblich beruft. Die Vermögenstrennung und das Vorliegen von Betreuungspflichten sind jedoch zwei verschiedene Fragen.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 207
nis zwischen Leitungspersonen und der Gesellschaft in den Blick zu nehmen und auf eigene Rechtsquellen zu untersuchen, aus denen sich – positiv – eine Vermögensbetreuungspflicht ergeben kann. Anknüpfungspunkte dafür bieten sich gleich mehrere. Das wird im Strafrecht durch die Reduzierung des Blicks auf die Gesellschaftsebene übergangen. Soll keine von den zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Beziehungen losgelöste strafrechtliche Betrachtung vorgenommen werden, ist es also unvermeidbar, sich mit den verschiedenen Möglichkeiten der Begründung einer unmittelbaren Pflichtenstellung zwischen Leitungspersonen und den einzelnen Gesellschaftern zumindest in den Grundzügen auseinanderzusetzen. Dazu soll zunächst der weitgehend unproblematische Fall solcher Verantwortungsträger behandelt werden, die Mitglied in der Gesellschaft sind [a)], bevor zur komplexeren Lage hinsichtlich solcher Personen überzugehen ist, die nicht selbst an der Gesellschaft beteiligt sind [b)]. a) Vermögensbetreuungspflicht an der Gesellschaft beteiligter Leitungspersonen Die These, dass eine Vermögensbetreuungspflicht zwischen Geschäftsführung und den einzelnen Gesellschaftern mangels Sonderbeziehung nicht besteht, kann zunächst jedenfalls hinsichtlich solcher Leitungspersonen widerlegt werden, die gleichzeitig Mitglied in der Gesellschaft sind. Denn aufgrund ihrer Stellung als Partei des Gesellschaftsvertrags sind sie im Rahmen der Ausführung ihres Amtes auch den Mitgesellschaftern gegenüber zur Interessenwahrung verpflichtet.736 Dass sich in solchen Fällen aufgrund der Verletzung einer Treuepflicht Ansprüche des einzelnen Gesellschafters ergeben können, ist allgemein anerkannt, so dass derartige Konstellationen im Bereich der Gesellschafterklagen als weitgehend unproblematisch abgeschichtet werden.737 Besondere Bedeutung gewinnt diese Erkenntnis gerade im Personengesellschaftsrecht, wo aufgrund des Prinzips der Selbstorgan736 Zur Treuepflicht der Gesellschafter untereinander und deren besonderer Bedeutung im Rahmen der Geschäftsführung siehe schon ausführlich oben D. III. 2. a) bb) (1); speziell zur Herleitung von Individualansprüchen der Mitglieder aufgrund der Verletzung von Gesellschafterpflichten BGH NJW 1962, 859; K. Schmidt GesR § 19 III 1 a; Raiser ZHR 153 (1989), 1 (20 ff.). 737 Flume AT I/2 § 8 V 3; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 202; Scholz8Schneider § 43 Rn. 213; Banerjea, Gesellschafterklage, S. 188. Siehe zur Ableitung von Ansprüchen aus diesem unmittelbar zwischen den Gesellschaftern bestehenden Rechtsverhältnis BGH NJW 1962, 859. Freilich ist im Zivilrecht auch hier auf Konkurrenzebene das bereits oben (B. III. 2.) angesprochene Problem zu beachten, dass Schadensersatzansprüche wegen der Zweckbindung des gleichzeitig verminderten Gesellschaftsvermögens auf Zahlung ins Gesellschaftsvermögen zu beschränken sind.
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schaft die Geschäftsführer stets zugleich Gesellschafter sein müssen und damit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben immer auch die Vermögensinteressen der Mitgesellschafter zu berücksichtigen haben738. Die Organfunktion als Pflichtrecht ist dabei untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden, so dass jedes Handeln eines geschäftsführenden Gesellschafters stets solches eines Mitglieds ist und damit zugleich in Ausübung mitgliedschaftlicher Befugnisse und Pflichten erfolgt.739 Die Pflichtenstellung des Geschäftsführers hat damit eine doppelte Schutzrichtung. Darin liegt der Unterschied zum Fremdgeschäftsführer, etwa bei einer GmbH, der gerade in keiner derartigen unmittelbaren Sonderbeziehung zu den einzelnen Gesellschaftern steht. Die Wahrnehmung der Geschäftsführerpflichten stellt zudem eine wesentliche und in Bezug auf die Mitgesellschafter auch fremdnützige Aufgabe dar, die eigenverantwortlich ausgeübt werden kann. Damit liegen die Voraussetzungen einer Vermögensbetreuungspflicht im interessierenden Verhältnis vor. Es wird deutlich, dass die gängige, pauschale Verneinung einer Pflichtenstellung der Leitungspersonen gegenüber den Gesellschaftern jedenfalls dann nicht durchzuhalten ist, wenn ein Geschäftsführer zugleich Mitgesellschafter ist. Eine Tatbestandslösung muss zumindest insoweit ausscheiden. Der Grund liegt darin, dass die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung eine auch individualbezogene Komponente enthält. Dass sich ein geschäftsführender Gesellschafter nicht nur an den Belangen der Gesellschaft, sondern zugleich an denen der Mitgesellschafter zu orientieren hat, ist ein allgemein anerkanntes und übliches Phänomen. Widersprüchlichen Pflichtenbindungen ist er dadurch nicht ausgesetzt. Ein angemessener Interessenausgleich ist vielmehr Teil seines Amtes und kann im Wechselspiel der jeweiligen Treuepflichten gelöst werden. Der Gesellschaftsvertrag begründet nämlich nicht nur eine Interessenwahrungs- und Rücksichtnahmepflicht der Gesellschafter untereinander, sondern auch der Gesellschafter gegenüber dem Verband.740 Die Gesellschafter können daher eine Wahrnehmung ihrer Individualinteressen ohnehin nur in diesen Grenzen erwarten. Hinsichtlich eines Geschäftsführers, der gleichzeitig Partei des Gesellschaftsvertrags ist, kann demnach von einer Vermögensbetreuungspflicht ausgegangen werden. Ist schließlich eine GmbH Geschäftsführerin, etwa bei einer GmbH und Co. KG, gilt dasselbe Ergebnis aufgrund einer Merkmalsüberwälzung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch für den Geschäftsführer der GmbH. 738 739 740
Siehe nur BGH NJW 1962, 859; K. Schmidt GesR § 20 IV 2 a. Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 202. K. Schmidt GesR § 19 III 1 a; Hueck/Windbichler § 36 Rn. 23.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 209
b) Vermögensbetreuungspflicht nicht an der Gesellschaft beteiligter Leitungspersonen Sehr viel problematischer ist die Lage bei solchen Verantwortungsträgern, die nicht durch das pflichtenbegründende Band der Mitgliedschaft mit den einzelnen Gesellschaftern verbunden sind. Denn in solchen Fällen ist ein Geschäftsführer oder auch ein Prokurist auf den ersten Blick allein mit dem Verband durch die Organstellung und/oder den Anstellungsvertrag verbunden, nicht aber mit den einzelnen Gesellschaftern. Im Gesellschaftsrecht wird insoweit von einer „Haftungskonzentration“ gesprochen, die einer Pflichtenstellung zwischen Verantwortungspersonen und Mitgliedern grundsätzlich erst einmal entgegensteht (vgl. §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG, 34 Abs. 2 GenG).741 Für die hier primär interessierenden Personengesellschaften stellt sich hinsichtlich der Geschäftsführer dieses Problem nicht, da sie stets auch Mitgesellschafter sein müssen. Das mag der Grund sein, warum der Fokus der sogleich zu behandelnden Diskussion um die Anerkennung von unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Gesellschaftern und der Geschäftsleitung auf den Kapitalgesellschaften liegt. Dennoch ist die Frage nach einer Pflichtenstellung in diesem Verhältnis aus zwei Gründen interessant: Zum einen lassen sich daraus nämlich möglicherweise generelle Aussagen gewinnen, die auf solche Leitungspersonen übertragbar sind, die auch bei den Personengesellschaften nicht Mitgesellschafter sind (Prokuristen, sonstige Bevollmächtigte). Das ist deshalb bedeutsam, weil nur so beurteilt werden kann, ob es sich bei der bereits jetzt aufgezeigten Möglichkeit einer Untreue zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter um eine eng umgrenzte Fallgruppe einer „Gesellschaftergeschäftsführeruntreue“ handelt oder ob vielmehr allgemein bei allen Eingriffen ins Gesellschaftsvermögen zugleich die Gesellschafter als Opfer in Betracht zu ziehen sind. Zum anderen stellt sich, wenn bei den Gesamthandsgesellschaften eine auf das Gesellschaftervermögen bezogene Strafbarkeit angenommen wird, zwangsläufig die Frage, wie sich die Lage bei den anderen Gesellschaftsformen darstellt. Denn das Verhältnis der Geschäftsleitung zu den Gesellschaftern ist von allgemeiner verbandsrechtlicher Bedeutung. Bevor auf die Diskussion um das Bestehen unmittelbarer Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaftern und Geschäftsleitung eingegangen wird, sollte ein kurzer Blick auf den Grund für die Entstehung solcher Tendenzen geworfen werden. Denn nach dem oben gesagten stellt jede Anerkennung 741
Besonders ausführlich dazu Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 209 ff.; siehe ferner Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 205; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 101; Baums DJT 2000, Gutachten F, S. 231; Raiser ZHR 153 (1989), 1 (25).
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solcher Pflichten eine Abweichung vom Grundsatz der Konzentration aller Rechte und Pflichten der Leitungspersonen auf die Gesellschaft dar. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der, dass trotz der formalen Bindung der Verantwortungspersonen gegenüber der Gesellschaft diese gleichzeitig auch Treuhänder der Gesellschafter sind, da deren Vermögen über ihre Beteiligung an der Gesellschaft mitverwaltet wird.742 Diese Erkenntnis resultiert daraus, dass mit der Herrschaft über das Gesellschaftsvermögen zugleich eine Herrschaft über das damit verquickte Gesellschaftervermögen einhergeht. Umstritten ist allerdings, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, das heißt in welcher Weise sich diese Treuhandstellung gegenüber den Gesellschaftern auswirkt. Die überwiegende Ansicht trägt dem Schutzanliegen der einzelnen Gesellschafter dadurch Rechnung, dass sie zwar wegen der formalen Vermögenstrennung eine schuldrechtliche Verbindung verneint, über deliktische Vorschriften aber dennoch einen unmittelbaren Vermögensschutz zulässt.743 Diese Konstruktion befindet sich aber zunehmend im Umbruch, indem mehr und mehr individuelle Rechte der Gesellschafter in Rechtsprechung und Literatur anerkannt werden, die diese auch gegenüber der Unternehmensleitung geltend machen können. Das im Grundsatz trennscharfe Bild verschwimmt dadurch zunehmend.744 Umstritten ist im Zivilrecht also weniger die Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung gegenüber den einzelnen Gesellschaftern an sich, sondern vielmehr deren Ausgestaltung und Grenzen. Wendet man sich den Individualansprüchen zu, sollte noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden, dass auch bei deren Anerkennung diese jedenfalls in der Regel auf Konkurrenzebene hinter deckungsgleichen Ansprüchen der Gesellschaft zurückzustehen haben, da anderenfalls die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens umgangen würde.745 Die Fälle, in denen Raum für eine tatsächliche Durchsetzung derartiger Ansprüche einzelner Gesellschafter gegeben ist, bleiben also gering.746 Diese Überlegung macht deutlich, in welchen Situationen ein Bedürfnis für derartige Rechte gesehen wird: Näm742 Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46; ders. ZHR 153 (1989), 1 (12 f. und Fn. 26); Kübler/Assmann § 15 III 5 a; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 210 ff., 257 f.; ders. DJT 2000, Gutachten F, S. 230 f.; Fleck GmbHR 1974, 224 (235); siehe weitere Nachweise bei Schmolke, Organwalterhaftung, S. 136 Fn. 732. 743 Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176, 185; Scholz8-Schneider § 43 Rn. 211 ff.; Baums DJT 2000, Gutachten F, S. 228 ff. 744 Baums DJT 2000, Gutachten F, S. 228 ff. spricht insofern von „schwankendem Boden“ und stellt fest, dass die Anerkennung von Individualklagen in Deutschland erst in den Anfängen steckt (S. 233); ebenso Raiser ZHR 153 (1989), 1 ff. 745 Siehe dazu ausführlich oben B. III. 2. 746 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 227.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 211
lich dann, wenn die Gesellschaft (weil sie nicht anders kann oder will) untätig bleibt. In solchen Fällen soll der Gesellschafter nicht auf seinem Schaden im Privatvermögen sitzen bleiben. Bedeutung erlangt ein solches Individualrecht damit insbesondere als Minderheitenschutzinstrument.747 Es wurde bereits angedeutet, dass es im Gesellschaftsrecht gleich mehrere Ansätze gibt, um im interessierenden Verhältnis ein unmittelbares Pflichtenverhältnis zu begründen.748 Im Folgenden sind drei wesentliche Begründungsstränge zu unterscheiden: Erstens wird vertreten, dass die Organstellung des Geschäftsführers auch gegenüber den Gesellschaftern unmittelbare Pflichten mit sich bringt [aa)]. Dabei geht es also um die Begründung eines eigenen verbandsrechtlichen Sonderverhältnisses. Zweitens wird vertreten, dass die Pflichtenstellung der Leitungsperson gegenüber der Gesellschaft ein Rechtsverhältnis mit Schutzwirkung auch zugunsten der Gesellschafter darstellt [bb)]. Demnach soll im Gegensatz zur ersten Lösung nicht ein eigenes Rechtsverhältnis konstituiert, sondern ein bestehendes ausgedehnt werden. Schließlich bleibt eine nähere Auseinandersetzung mit dem deliktischen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB [cc)]. § 823 BGB erfordert zwar gerade keine besondere Pflichtenstellung. § 266 StGB hingegen schon, so dass auch im Rahmen dieser deliktischen Ansprüche die Frage nach einer hinreichenden Sonderbeziehung zu beantworten bleibt – ein Gedanke, der im Deliktsrecht grundsätzlich erst einmal ungewöhnlich ist. aa) Organpflichten gegenüber den einzelnen Gesellschaftern Zunächst wird von namhaften Vertretern vorgeschlagen, eine unmittelbare Verantwortung der Organe der Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern aufgrund ihrer Stellung im Verband anzunehmen und sie damit in das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis einzubeziehen.749 Die fehlende Mitgliedschaft der Verwaltungspersonen, die sonst Grundlage einer entsprechenden Pflichtenstellung ist,750 soll dadurch kompensiert werden, dass die Amtsträger aufgrund des Ineinandergreifens von Bestellung, Anstellung 747 Flume AT I/2 § 8 V 3; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 216; ebenso BGH NJW 1969, 1712: Die Mehrheit dürfe der Minderheit im Falle eines Verzichts auf die Geltendmachung eines der Gesellschaft zustehenden Anspruchs nicht den persönlichen Anspruch entziehen [Hervorhebung durch den Verfasser]. 748 Siehe dazu die Übersichten bei Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 204 f.; Baums DJT 2000 Gutachten F, S. 231 ff. 749 So insbesondere Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46; ders. ZHR 153 (1989), 1 (9 ff.); Wiedemann GesR I § 4 IV 2 b; siehe dazu auch jeweils m. w. N. Habersack, die Mitgliedschaft, S. 204 f.; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176. 750 Siehe dazu soeben G. II. 2. a).
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und Gesellschaftsvertrag als Teil des Verbandes begriffen werden.751 Daraus soll eine entsprechende Pflichtenstellung auch den einzelnen Verbandsmitgliedern gegenüber resultieren.752 Die Trennung zwischen Privat- und Gesellschaftsvermögen sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Auch bei Berücksichtigung der Vermögenstrennung könne das Organ nämlich neben der Gesellschaft auch den einzelnen Gesellschaftern gegenüber verpflichtet sein.753 Dieser Gedanke entspricht dem schon oben geäußerten, dass Pflichtenstellungen keinen Exklusivitätsanspruch haben und damit auch mit unterschiedlichen Polen bestehen können.754 Darin scheint in der Tat die größte Schwäche der üblichen Redensweise von einer Pflichtenkonzentration auf die Gesellschaft zu liegen. Die recht einfache Kernkritik an einer solchen Einbeziehung der Organe in das Mitgliedschaftsverhältnis liegt darin, dass sie eben gerade keine Mitglieder sind. Fremdnützige Organschaft und subjektiv-rechtliche und damit eigennützige Mitgliedschaft werden als zwei voneinander getrennte Kategorien angesehen, so dass jede Annahme mitgliedschaftlicher Pflichten eines Organs eine unvereinbare Kategorienvermischung darstellen soll.755 In dieser dogmatischen Trennung liegt denn auch der Unterschied zum Geschäftsführer einer Personengesellschaft begründet, bei dem Organstellung und Mitgliedschaft stets zusammenfallen müssen. Diese Lösung wird daher herrschend abgelehnt. Im hier interessierenden Zusammenhang wäre sie auch nur von geringem Nutzen, da Auslöser der Rechtsbeziehungen zwischen Geschäftsleitung und einzelnen Gesellschaftern deren organschaftliche Stellung ist. Diese Konstellationen sind aber in Bezug auf die Gesamthandsgesellschaften aufgrund der Selbstorganschaft gerade die wenig problematischen. Eine Erstreckung auf sonstige Bevollmächtigte dürfte hingegen an deren mangelnder Nähe zum Verband scheitern. bb) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Gesellschafter Größere Relevanz kommt hingegen dem zweiten in Betracht gezogenen Weg zur Begründung einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zu. Es kann 751 Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46; ders. ZHR 153 (1989), 1 (12 f.); ähnlich Wiedemann GesR I § 4 IV 2 b; auch Flume AT I/2 § 8 V 3 Fn. 190 bejaht ein Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftern und den Handlungsorganen der Gesellschaft allein aufgrund der Mitgliedschaft der Gesellschafter. 752 Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46; ders. ZHR 153 (1989), 1 (12 f.); Wiedemann GesR I § 4 IV 2 b. 753 Wiedemann GesR I § 4 IV 2 b. 754 Siehe unter G. II. 2. 755 Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 206; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 213
nämlich aus der treuhänderischen Stellung der Verantwortungspersonen der Schluss gezogen werden, dass sie sich beim Abschluss ihres jeweiligen Anstellungsvertrags auch zum Schutz der durch jede ihrer Maßnahmen mitbetroffenen Gesellschafter verpflichten. Die Annahme einer solchen Einbeziehung der Gesellschafter in das Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Leitungsperson findet mehr Zustimmung als die Begründung eines mitgliedschaftlichen Pflichtenverhältnisses über die Mitglieder hinaus.756 Die dogmatische Begründung einer solchen Sonderbeziehung (Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, verbandsrechtliche Schutzpflichthaftung, Rücksichtnahmepflichten nach dem Vorbild der positiven Vertragsverletzung757) ist dabei jedoch ebenso vielfältig wie die Definition ihres Umfangs758. Aufwind erfuhr diese Idee vor allem durch einige Entscheidungen des BGH zur GmbH & Co. KG, wonach sich der Schutzbereich des Dienstvertrags des Geschäftsführers mit der Komplementär-GmbH auch auf die Vermögensinteressen der KG erstrecken soll759. In der Folge wurde hieraus vom sechsten Zivilsenat auch eine entsprechende Vermögensbetreuungspflicht des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB abgeleitet.760 Freilich geht es dabei um ein Verhältnis, das anders gelagert und weit weniger problematisch ist als das hier in Rede stehende. Denn der BGH bejaht lediglich Pflichten des „mittelbaren“ Geschäftsführers gegenüber der KG, nicht aber gegenüber den Gesellschaftern. Dennoch zeigen die Entscheidungen, dass das herkömmliche Trennungsdenken – der Anstellungsvertrag bestand nur gegenüber der GmbH („Haftungskonzentration“) – 756 Hachenburg7-Mertens § 43 Rn. 110, enger aber in der 8. Auflage Rn. 108; K. Schmidt GesR § 36 II 4 c (bezüglich „einzelner Pflichten“); Baums ZGR 1987, 555 (560); Schmolke, Organwalterhaftung, S. 255 (für Fälle spezifischer Funktionsdefizite in der Haftungskette zwischen Organ, Verband und Gesellschafter); Scholz8-Schneider § 43 Rn. 212 (Loyalitätspflichten seien nicht ausgeschlossen); als dogmatische Alternative zur Ausweitung des Mitgliedschaftsverhältnisses ebenfalls Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46; ders. ZHR 153 (1989), 1 (13). Sympathisierend, aber letztlich ablehnend Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 207. 757 Siehe dazu die jeweiligen Nachweise bei Schmolke, Organwalterhaftung, S. 221 f. 758 Das Spektrum schwankt zwischen einer generellen Pflicht zur Interessenwahrung (so zum Beispiel Hachenburg-Raiser § 14 Rn. 46) und einer Pflicht nur in Bezug auf solche Normen, die einen Gesellschafterschutz bezwecken (siehe etwa K. Schmidt JZ 1991, 157 (161), auch mit entsprechendem Hinweis auf die Abgrenzungsprobleme). 759 BGHZ 75, 321; 76, 326. 760 BGH NJW 1987, 2008. Dem hätte es zwar wegen einer möglichen Merkmalsüberwälzung nach § 14 StGB nicht bedurft. Dieser zivilrechtliche Weg ist aber gleichwohl gangbar und macht noch einmal deutlich, wie die Ausweitung der zivilrechtlichen Pflichtenstellung auch zu einer der strafrechtlichen führen kann.
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bei entsprechender Erkennbarkeit und Schutzbedürftigkeit überwunden und sehr wohl auch über den unmittelbaren Vertragspartner hinaus eine Sonderrechtsbeziehung begründet werden kann. Insofern wird in Bezug auf eine Einbeziehung auch der Gesellschafter von einer „Fortentwicklung“ dieser Rechtsprechung gesprochen.761 Diese Konstruktion ist deshalb besonders interessant, weil sich diskutieren ließe, ob bei Annahme einer entsprechenden Drittschutzwirkung der rechtsgeschäftlichen Verbindung eines Organs zur Gesellschaft entsprechendes bezüglich der Anstellungsverträge sonstiger „einfacher“ Vertreter zu gelten hat. Denn sie müssen sich gleichfalls der Situation bewusst sein, dass jede nachteilige Disposition über das Gesellschaftsvermögen zugleich einen Eingriff auch in das Gesellschaftervermögen nach sich zieht. Doch auch diese Auffassung konnte sich nicht durchsetzen. Das liegt daran, dass in Bezug auf Fremdorgane – und nur um diese geht es ja hier762 – davon ausgegangen wird, dass deren Mandat allein dem Gesellschaftswohl gewidmet ist und für daneben stehende Individualinteressen kein Raum bleibt.763 Jede Zuerkennung unmittelbarer Ansprüche sei zudem eine Durchbrechung des gesetzlichen Modells der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft (siehe §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG).764 Damit drohe auch die Umgehung besonderer Vorschriften zur Zuständigkeit bei der Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen.765 Schließlich wird darauf hingewiesen, dass es derartiger dogmatischer Verlegenheitslösungen ohnehin nicht bedarf, da die deliktische Haftung die einzelnen Gesellschafter ausreichend schütze.766 cc) Deliktische Haftung Damit ist bereits zur Annahme einer Haftung übergeleitet, die als „Jedermann-Haftung“ grundsätzlich vom Bestehen der so umstrittenen Sonderverbindung unabhängig ist. Die herrschende Auffassung kompensiert die unter761
Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 205 Fn. 84. Zur Herleitung einer Pflichtenstellung gegenüber den einzelnen Gesellschaftern bei Mitgliedschaft der Leitungsperson siehe B. II. 1. 763 Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 207; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176. 764 Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 207 f.; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 101 attestiert jeglicher Haftung gegenüber den Gesellschaftern eine „systemsprengende Kraft.“ 765 Mit Verweis auf § 46 Nr. 8 GmbHG Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176; bezüglich §§ 112, 147 AktG siehe Schmolke, Organwalterhaftung, S. 141 m. w. N. 766 Hachenburg7-Mertens § 43 Rn. 110; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 207. 762
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 215
bliebene Anerkennung einer spezifisch verbandsbezogenen Haftung durch eine Deliktshaftung von beachtlicher Weite. § 823 Abs. 1 BGB hat in diesem Zusammenhang nur eine geringe Bedeutung. Denn die Mitgliedschaft ist zwar als absolutes Recht anerkannt. Jedoch wird ganz überwiegend eine Entwertung der Beteiligung wegen einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens als nicht ausreichend erachtet.767 Da im BGB gerade keine allgemeine Haftung für die Verursachung von reinen Vermögensschäden vorgesehen ist, wird ein Eingriff gegen den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaft gefordert, etwa durch deren Entzug.768 § 823 Abs. 1 BGB ist im interessierenden Kontext zudem wenig relevant, da er sich mangels Erfordernisses einer Pflichtenstellung nicht für die Untreuediskussion fruchtbar machen lässt. Dem Bedürfnis, auch in bestimmten Fällen zu einem Individualschadensersatzanspruch des Gesellschafters zu kommen, wird daher von der herrschenden Meinung im Gesellschaftsrecht durch die Gewährung eines Anspruchs aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB Rechnung getragen.769 Eine Leistung ins Privatvermögen kann verlangt werden, wenn eine der anerkannten Ausnahmen von der Regel vorliegt, dass aufgrund der Zweckbindung des gleichzeitig geschädigten Gesellschaftsvermögens auch der Individualanspruch auf Leistung an die Gesellschaft beschränkt ist.770 Es wird also eine Untreue zum Nachteil des Privatvermögens der jeweiligen Gesellschafter anerkannt. Diese Annahme ist allerdings deshalb höchst problematisch, weil auch die Untreue im Rahmen der Vermögensbetreuungspflicht eine Sonderbeziehung zum Träger des geschützten Vermögens voraussetzt. Wenn einerseits mit großem Begründungsaufwand eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Geschäftsleiter und einzelnen Gesellschaftern abgelehnt, dann aber doch eine Untreue bejaht wird, drängt sich die Frage auf, wie das gehen 767 RGZ 158, 248 (255); GroßKommAktG-Hopt § 93 Rn. 471; Ulmer/Habersack/ Winter-Paefgen § 43 Rn. 179; siehe auch BGHZ 110, 323 (334) („Schärenkreuzer“), dort im Ergebnis offen gelassen. 768 Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 179; GroßKommAktG-Hopt § 93 Rn. 471. 769 BGH NJW 1969, 1712; WM 1967, 287 (beide zu § 81a GmbHG a. F.); zu § 266 StGB: MüKo-AktG-Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 177; Hachenburg-Mertens § 43 Rn. 103; Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh/Noack § 69 Rn. 18; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 200; Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 194; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 227 f.; ders. ZGR 1987, 554 (560 f.); ders. DJT 2000, Gutachten F, S. 229; Hopt FS Mestmäcker, 909 (925); Fleck GmbHR 1974, 224 (235); Gribbohm DStR 1991, 248, (251). 770 Siehe oben B. II. 2. zu den in der Rechtsprechung anerkannten Situationen, in denen eine Sperrwirkung der Zweckbindung verneint wird, weil die Gesellschaft deckungsgleiche Ansprüche nicht geltend machen kann oder will.
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soll. Von den zitierten Stimmen äußert sich dazu niemand. Die entsprechende Pflicht wird offenbar einfach unterstellt.771 Es kann daher nicht verwundern, dass es auch im Gesellschaftsrecht gegen die herrschende Meinung eine Opposition gibt, die eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern verneint.772 Wegen der eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bestehe eine Pflichten- und Haftungskonzentration auf die Gesellschaft, so dass nur diese Bezugspunkt eines Treueverhältnisses sein könne.773 Diese Argumentation deckt sich insoweit mit der im Strafrecht zur Ablehnung einer Vermögensbetreuungspflicht. Dazu wurde bereits angemerkt, dass die Begründung einer Pflichtenbeziehung hinsichtlich der Gesellschaft nicht notwendigerweise eine gegenüber den Gesellschaftern ausschließt, sondern vielmehr positiv zu untersuchen ist, welche Quellen als Grundlage einer Treuepflicht in diesem Verhältnis in Betracht kommen. Anderenfalls wird schlicht das falsche Verhältnis in den Blick genommen. Der eine Vermögensfürsorgepflicht verneinenden Ansicht ist auf Grundlage der bisherigen Untersuchungen indes insoweit Recht zu geben, als dass eine unmittelbare vertragliche oder gesetzliche (organschaftliche) Beziehung zwischen Gesellschaftern und Leitungspersonen tatsächlich nicht besteht und auch eine Ausdehnung der zwischen Gesellschaft und Leitungsperson vorliegenden Sonderbeziehung über einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte oder eine Erweiterung des mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisses überwiegend ebenso abgelehnt wird. Das spricht erst einmal deutlich gegen eine strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht. Der Grund dafür ist aber – anders als im Strafrecht und von der soeben zitierten gesellschaftsrechtlichen Minderheitenmeinung gemeint wird – keineswegs der, dass schon eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft vorliegt, sondern vielmehr der, dass keine gegenüber den einzelnen Gesellschaftern angenommen wird. Dabei muss es nun auch hinsichtlich einer Untreue (und des damit verbundenen Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB) bleiben, wenn die im Zivilrecht als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs herrschend verneinte und die im Strafrecht für die Untreue relevante Pflichtenstellung gegenüber den einzelnen Gesellschaftern stets deckungsgleich sind. Dann müsste 771 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 228 erwähnt sogar, dass es „bemerkenswert“ sei, dass eine Vermögensbetreuungspflicht angenommen wird. Eine weitere Auseinandersetzung erfolgt dann jedoch auch bei ihm nicht. 772 OLG Hamm GmbHR 2002, 905 (906); Michalski-Haas § 43 Rn. 279; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack § 43 Rn. 80; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 185; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 100 ff.; zweifelnd GroßkommAktGHopt § 93 Rn. 476. 773 OLG Hamm GmbHR 2002, 905 (906); Michalski-Haas § 43 Rn. 279; Ulmer/ Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 185; GroßkommAktG-Hopt § 93 Rn. 476.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 217
nämlich der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Auffassung entgegengehalten werden, dass es unvereinbar ist, einerseits eine zivilrechtliche Pflichtenstellung zu verneinen, andererseits aber selbige im Rahmen der Untreue zu bejahen. Andersherum kann das Vorgehen im Zivilrecht aber dann Zustimmung finden, wenn es eine Lücke gibt, die es erlaubt, trotz Ablehnung einer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Pflichtenstellung dennoch eine Pflichtwidrigkeit im Sinne der Untreue anzunehmen. Und das ist sehr wohl der Fall. Alle bisherigen Positionen zum Vorliegen einer Pflichtenstellung behandelten nämlich die Frage, ob es eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Pflicht gibt, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann. Auch in den genannten strafrechtlichen Stellungnahmen zur Verneinung einer Vermögensbetreuungspflicht wird stets nur von diesen zwei Rechtsquellen gesprochen.774 Das übersieht aber, dass § 266 StGB daneben ausdrücklich auch ein tatsächliches Treueverhältnis genügen lässt. Der Zweck dieser Alternative ist, dass im Strafrecht auch solche Pflichtenstellungen für einen Strafbarkeitsvorwurf ausreichen sollen, die gerade nicht die Voraussetzungen einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Verpflichtung erfüllen.775 Anderenfalls wäre die Aufzählung des tatsächlichen Treueverhältnisses neben den Quellen Rechtsgeschäft und Gesetz auch überflüssig. Aus dem Fehlen eines (vertraglichen oder gesetzlichen) Schuldverhältnisses als Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche muss also nicht notwendigerweise folgen, dass eine Untreue stets auszuscheiden hat. Demnach verbleibt im Folgenden zu untersuchen, ob solche Personen, die der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind, gleichzeitig auch gegenüber den individuellen Gesellschaftern in einem tatsächlichen Treueverhältnis stehen. In diesem letzten Schritt geht es darum, die jeweils isoliert voneinander geführte straf- und gesellschaftsrechtliche Diskussion zusammenzuführen. 3. Tatsächliches Treueverhältnis als Basis einer Vermögensbetreuungspflicht Mit der Herausarbeitung der entscheidenden Unterschiede in den zugrunde liegenden Fragestellungen ist der erste Schritt dazu schon getan. Falls sich herausstellen sollte, dass ein tatsächliches Treueverhältnis in der fraglichen Beziehung besteht, wäre es folgerichtig, im Zivilrecht solche Ansprüche zu verneinen, die die Verletzung einer rechtsgeschäftlichen oder ge774 So ausdrücklich BGH NJW 2006, 1984 (1985); BGH, Urteil v. 22.01.1953, 3 StR 154/52, Rn. 27. 775 LK-Schünemann § 266 Rn. 61; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 26 f.
218 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
setzlichen Pflicht voraussetzen, gleichwohl aber über § 266 StGB (i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB) die dadurch entstehende Schutzlücke zu schließen. Der im Strafrecht vorzufindenden Verneinung einer Pflichtenstellung im fraglichen Verhältnis könnte man dann entgegenhalten, mit dem Fokus allein auf einer rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Begründung eine weitere mögliche Grundlage übersehen zu haben. Zunächst sollen allgemein die Voraussetzungen ermittelt werden, unter denen eine Vermögensbetreuungspflicht kraft eines tatsächlichen Treueverhältnisses in Betracht kommt [a)]. Anschließend erfolgt eine Subsumtion für das hier in Rede stehende Verhältnis [b)] In einem letzten Schritt verbleibt spezifischen Bedenken gegen die Annahme einer Sonderbeziehung auch gegenüber den Beteiligten zu begegnen [c)]. a) Voraussetzungen eines tatsächlichen Treueverhältnisses Das neben den Rechtsquellen Gesetz, Rechtsgeschäft und behördlicher Auftrag in der Treubruchsvariante ebenfalls als Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht ausreichende Treueverhältnis wird oft auch als „faktisches“ oder „tatsächliches“ beschrieben. Dabei besteht jedoch Einigkeit, dass dies nicht dahingehend missverstanden werden darf, dass eine moralische oder sittliche Pflicht gemeint ist, sondern vielmehr auch hier eine echte Rechtspflicht Anknüpfungspunkt des Strafbarkeitsvorwurfs ist, nur eben eine strafrechtlich definierte.776 Es soll lediglich verhindert werden, dass die Bestrafung strafbedürftiger Verhaltensweisen an zivilrechtlichen Komplikationen scheitert.777 Die sonst zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung der Sonderbeziehung wird in diesem Punkt also um eine strafrechtseigene, faktische Betrachtung ergänzt. Wie so oft in derartigen Konstellationen wird das durch den Ruf nach einer Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken verdeutlicht.778 Zur Konkretisierung dieser strafrechtlichen Sonderbeziehung wird eine Parallele zu den Garantenstellungen im Bereich der unechten Unterlassungsdelikte gezogen.779 In Anknüpfung an die von dort etablierte Rechtsquellenlehre drängt sich vor allem eine Bezugnahme auf die Garanten776
Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 27. Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 131; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 27. 778 LK-Schünemann § 266 Rn. 61; siehe zu diesem von Bruns geprägten Satz schon oben B. II. 779 Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 23a; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 29; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 137; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 27; Arzt/Weber § 22 Rn. 50. 777
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 219
pflicht kraft tatsächlicher Übernahme auf.780 Insofern verwundert es nicht, wenn im Einklang mit der aus § 13 StGB bekannten Methodik auch im Zusammenhang mit der tatsächlichen Treuepflicht bei § 266 StGB eine weitere Präzisierung dahingehend stattfindet, dass hierfür vor allem zwei Elemente konstituierend sein sollen: die Innehabung einer Machtstellung und die Inanspruchnahme von besonderem, schützenswerten Vertrauen.781 Eine weitergehende Konturierung dieser Generalklausel ist bisher jedoch nicht gelungen. Angesichts der Vielzahl verschiedener Lebenssachverhalte, die unter diesen Auffangtatbestand fallen sollen, ist das auch alles andere als einfach. Die Anforderungen an eine originär strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht sind somit nach wie vor weitgehend ungeklärt. Nachdem das Treueverhältnis auf diese zwei Elemente, Macht und Vertrauen, herunter gebrochen wurde, ist es üblich, sich in den sicheren Hafen von allgemein anerkannten Fallgruppen zu retten.782 Dabei werden für gewöhnlich nur solche Konstellationen aufgezählt, die noch in einer gewissen Nähe zu zivilrechtlichen Grundlagen einer Vermögensbetreuungspflicht stehen: Unwirksame Bestellungsakte von Organen (faktische Geschäftsführer), nachwirkende Treuepflichten aus einer beendeten vertraglichen Beziehung sowie gesetzes- oder sittenwidrige Rechtsverhältnisse.783 Manche Autoren erwecken den Eindruck, die Annahme eines faktischen Treueverhältnisses solle sich auf derartige Fälle nachwirkender oder defizitärer Privatrechtsverhältnisse beschränken.784 Andere machen hingegen deutlich, dass es sich dabei nur um Beispiele handelt, die als gesichert gelten können („insbesondere“/„im Wesentlichen“) und lassen damit Raum für eine generellere Anerkennung tatsächlicher Pflichtenstellungen.785 So sieht es insbesondere auch die Rechtsprechung, die über zivilrechtlich defizitäre/nachwirkende Rechtsgrundlagen hinaus Treuepflichten anerkennt.786 Grundlegend hierzu sind zwei Entscheidungen. Im Urteil vom 10.07.1996787 hatte der dritte 780
Kindhäuser LPK § 266 Rn. 29 f.; LK-Schünemann § 266 Rn. 61. BGH NStZ 1996, 124; NStZ 1999, 558; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; NKKindhäuser § 266 Rn. 38, ders. LPK § 266 Rn. 30; Geerds JR 1997, 340. 782 Siehe etwa LK-Schünemann § 266 Rn. 62 ff.; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 32 f.; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 31 ff. 783 Zu diesen drei „Klassikern“ siehe nur MüKo-StGB-Dierlamm § 266 Rn. 144 ff.; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 32 f.; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 132 ff. 784 Lackner/Kühl § 266 Rn. 10; unmissverständlich in diesem Sinne auch Arzt/ Weber § 22 Rn. 52. 785 Tröndle/Fischer § 266 Rn. 32; Kindhäuser LPK § 266 Rn. 30. 786 BGH NStZ 1996, 540; NStZ 1997, 124; NStZ 1999, 558; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 138; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; Krey/Hellmann BT Rn. 569c. 787 BGH NStZ 1996, 540. 781
220 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
Strafsenat über die Vermögensfürsorgepflicht eines GmbH-Gesellschafters zu entscheiden, der in erheblichem Umfang selbst die Vermögensgeschäfte der GmbH vornahm. Der BGH ließ offen, ob der Angeklagte faktischer Geschäftsführer im Sinne der zu den so genannten Geschäftsführer- oder Organdelikten entwickelten Rechtsprechung war. Denn der Treubruchstatbestand knüpfe ohnehin nur an die tatsächliche Verfügungsmacht und ein damit verbundenes schutzwürdiges Vertrauen an.788 Im Beschluss des vierten Senats vom 07.11.1996789 ging es um einen Fall, in dem eine Frau R. einen Anwalt, den späteren Angeklagten, beauftragt hatte, einen Vertrag zur Übertragung des gesamten Vermögens ihres Gärtners auf sie zu erstellen. Der Anwalt ließ sich vom Gärtner, für den der Vertrag „krass nachteilhaft“ war, unterzeichnen, dass er darüber aufgeklärt worden sei, dass ein Mandatsverhältnis zum Rechtsanwalt nicht bestehe, da dieser nicht auf beiden Seiten tätig werden dürfe und schon für Frau R. handele. Eine Betreuungspflicht gegenüber dem geschädigten Gärtner aufgrund eines Vertrages verneinte der BGH, da dieser allein mit Frau R. zustande gekommen sei. Jedoch komme eine strafbarkeitsbegründende Pflichtenstellung aufgrund einer faktischen Herrschaft über die Vermögensinteressen des Gärtners in Betracht, wobei eine Gesamtwürdigung der Umstände erforderlich sei.790 Beide Entscheidungen machen deutlich, dass eine Nähe zu zivilrechtlich begründeten Pflichtenstellungen nicht notwendig ist. Die Literatur folgt dieser Rechtsprechung ganz überwiegend.791 Demnach ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Person in einer Machtstellung über fremdes Vermögen schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Darüber hinaus verbleibt (wie sonst auch) in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob das tatsächliche Treueverhältnis den sonstigen Anforderungen an eine Vermögensbetreuungspflicht erfüllt, ob also die Wahrnehmung der fremden Vermögensinteressen wesentlicher Inhalt der Rechtsbeziehung ist, sie eigenverantwortlich ausgeführt wird und von gewisser Bedeutung ist.792 Durch die so gefundene Umschreibung einer Betreuungspflicht kraft tatsächlichen Treueverhältnisses, die im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung normativer und deutungsoffener Generalklauseln besteht, wird eines der Grundprobleme der Untreue deutlich. Um die vielfältigen, für straf788
BGH NStZ 1996, 540; im Anschluss daran ebenso BGH NStZ 1999, 558. BGH NStZ 1997, 124. 790 BGH NStZ 1997, 124 (125). 791 Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 138; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; LKSchünemann § 266 Rn. 61 (Fn. 226); Kindhäuser LPK § 266 Rn. 30; Geerds JR 1997, 340; zu abweichenden Stimmen sogleich. 792 Zur historischen Wurzel dieser zweischrittigen Prüfung insbesondere LKSchünemann § 266 Rn. 58; siehe ferner Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 140; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 34 ff. 789
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 221
würdig erachteten Lebenssachverhalte erfassen zu können, ist der Tatbestand in hohem Maße unbestimmt und konturenlos. Das gilt insbesondere für den gegenüber der Missbrauchsvariante weiter gefassten Treubruchstatbestand und noch mehr für die darin enthaltene Vermögensbetreuungspflicht kraft eines tatsächlichen Treueverhältnisses. Von den vielen Merkmalskombinationen des § 266 StGB sind damit hier genau die Tatbestandsmodalitäten angesprochen, die den Gipfel der Unbestimmtheit ausmachen. Es besteht bei der Untreue generell die Gefahr, dass zum einen die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit, Art. 103 Abs. 2 GG, leidet und zum anderen moralische und Billigkeitserwägungen zur Strafbarkeitsbegründung herangezogen werden.793 Daher herrscht weitgehend Einigkeit, dass der unberechenbaren Weite des § 266 StGB, insbesondere bei der hier in Rede stehenden zweiten (Treubruchs-)Alternative, mit einer restriktiven Auslegung zu begegnen ist.794 Darin ist auch der Grund zu sehen, warum die bereits angesprochene Einbeziehung solcher tatsächlichen Treueverhältnisse, die nicht auf einem fehlerhaften zivilrechtlichen Rechtsverhältnis beruhen, durchaus auf Kritik stößt.795 Werden die tauglichen Treueverhältnisse jedoch allein auf defizitäre/nachwirkende Privatrechtsverhältnisse beschränkt, bedeutet das zwar einen Zugewinn an Rechtssicherheit, gleichzeitig setzt man damit aber der an sich gewollten Emanzipation vom Privatrecht enge Grenzen und hebelt die gewollte Löslösung von „zivilrechtlichen Komplikationen“ weitgehend aus. Wie so oft bei der Ausfüllung von Generalklauseln, vor allem im folgenschweren Strafrecht, gilt es also einen Mittelweg zu finden und sich dabei der Gratwanderung bewusst zu sein, auf die man sich begibt. Es bedarf also einer sorgfältigen Begründung im Einzelfall, warum eine Konstellation gerade strafwürdig erscheint und warum dies für den Täter auch erkennbar war. Für die folgende Subsumtion ist dieses Restriktionsbedürfnis im Kopf zu behalten. b) Tatsächliches Treueverhältnis von Verantwortungspersonen einer Gesellschaft gegenüber den einzelnen Gesellschaftern Der Tatbestand der Untreue lässt in der Treubruchsalternative also auch ein tatsächliches Treueverhältnis unterhalb einer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Verpflichtung ausreichen. Die Leitungspersonen einer Gesellschaft können sich demnach dann einer Untreue zum Nachteil der einzelnen 793
Tröndle/Fischer § 266 Rn. 31; Arzt/Weber § 22 Rn. 52; Dierlamm NStZ 1997, 534 f. 794 Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 22; Achenbach/Ransiek-Seier V 2 Rn. 139; Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 30; Arzt/Weber § 22 Rn. 50; Dierlamm NStZ 1997, 534. 795 Krey/Hellmann BT Rn. 569c; Dierlamm NStZ 1997, 534 (535).
222 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
Gesellschaftern schuldig machen, wenn sie Inhaber einer tatsächlichen Verfügungsmacht über das Privatvermögen der Beteiligten sind und ein schützenswertes Vertrauen dahingehend in Anspruch nehmen, dass sie auch deren Vermögensinteressen ordnungsgemäß wahrnehmen. aa) Tatsächliche Verfügungsmacht An der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Vermögen der Gesellschafter kann kein Zweifel bestehen. Das hier relevante Gesellschaftervermögen ist zwar vom Gesellschaftsvermögen getrennt. Dennoch hat jeder Verantwortungsträger, der das Sondervermögen in der Hand hat, zugleich auch eine Einflussmöglichkeit auf das Privatvermögen. Trotz der rechtlichen Trennung sind die Vermögensmassen in ihrem Schicksal untrennbar miteinander verknüpft. Der Wert der Beteiligung hängt maßgeblich vom Wert des Gesellschaftsvermögens ab. Verringert sich letzteres, verringert sich auch ersteres. Dabei handelt es sich wohlgemerkt keinesfalls um eine wirtschaftliche Betrachtung der Vermögenszuordnung. Es geht nämlich nicht um eine gedankliche Verschmelzung der Vermögensmassen, sondern lediglich um das Aufzeigen eines Nexus zwischen ihnen. Besonders deutlich wird das bei den Personengesellschaften. Der Geschäftsführer oder auch Prokurist hat es in diesen Vereinigungen aufgrund der persönlichen Haftung (§ 128 HGB) sogar dann noch in der Hand, das Privatvermögen der Gesellschafter zu verringern, wenn das Gesellschaftsvermögen längst aufgebraucht ist. Bei den Kapitalgesellschaften ist diese Möglichkeit ausgeschlossen. Die Haftungsbeschränkung bedeutet aber nichts anderes, als dass die einzelnen Gesellschafter die Möglichkeit bekommen, die Verfügungsmacht der Leitungspersonen der Gesellschaft auf den Teil ihres Privatvermögens zu beschränken, der in der Gesellschaft über ihre Mitgliedschaft gebunden ist und einen weiteren Durchgriff auf ihr Privatvermögen zu untersagen. Das zugrunde liegende Prinzip ist dasselbe: Das Sondervermögen ist vom Privatvermögen getrennt, über die Mitgliedschaft besteht aber nach wie vor eine Verbindung zum Individuum. Allein die Verbindung zwischen beiden Vermögen ist mit der beschränkten/unbeschränkten Haftung in ihrer Reichweite unterschiedlich ausgestaltet. Dieser scheinbare Widerspruch zwischen Vermögenstrennung und Beeinflussung des Privatvermögens ist in der Funktionsweise jeder Gesellschaft angelegt und der sozialen Funktion dieser Rechtsgebilde geschuldet. Obgleich eine rechtliche Trennung zwecks Etablierung bestimmter, auf die Gesellschaftssphäre bezogenen Prinzipien stattfindet, wird über die Mitgliedschaft zugleich das vermögensrechtliche Band zu den individuellen Gesellschaftern aufrechterhalten, die sich der Gesellschaft zur Verwirklichung ihrer (auch individuellen) Vermögensinteressen bedienen. Der Vermögensnexus besteht in positiver
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 223
Hinsicht (Gewinnansprüche) wie in negativer (Haftung mit dem Wert der Beteiligung oder sogar darüber hinaus). bb) Schutzwürdiges Vertrauen Ganz ähnliches gilt für das Erfordernis eines schutzwürdigen Vertrauens in die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Gesellschafter. In der Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit diesem Prüfungspunkt solche Beziehungen ausgeschieden, bei denen der Vermögensträger erkennen konnte, dass der potentiell Betreuungspflichtige nicht dessen Interessen, sondern vielmehr seine eigenen oder die von Dritten erfüllte.796 Im Fall einer derartigen Interessenkollision darf der Vermögensinhaber nämlich gerade nicht darauf vertrauen, dass sein Wille das Handeln des Inhabers der Verfügungsmacht bestimmt, sondern muss vielmehr damit rechnen, dass fremde Motive den Maßstab allen Handelns bilden. Im vorliegenden Zusammenhang ist also zu untersuchen, ob derartige Interessenkollisionen bestehen, die eine Erwartung der einzelnen Gesellschafter, dass auch ihre Vermögensinteressen berücksichtigt werden, als unberechtigt erscheinen lässt. Sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht ist genau das (freilich in anderem Zusammenhang) vorgebracht worden: Die Verantwortungspersonen einer Gesellschaft seien dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet und das sei mit einer gleichzeitigen Bindung an Gesellschafterinteressen nicht vereinbar.797 In Wahrheit handelt es sich beim Nebeneinander von Gesellschafts- und Gesellschafterinteresse jedoch um keinen Gegensatz, sondern nur um zwei zwar verschiedene aber gleichgerichtete Interessen, die nur abgestimmt werden müssen.798 Sie sind gleichsam zwei Seiten derselben Medaille. Im Unterschied zu Fällen einer echten Verfolgung von Eigen- oder Drittinteressen durch die potentiell betreuungspflichtige Person ist das, was Gesellschaft und Gesellschafter erwarten dürfen, nämlich identisch: Von Leitungsper796
Siehe insb. die Entscheidungen BGH NStZ 1997, 540 (541); NStZ 1999, 558, in denen diskutiert wird, ob der Angeklagte in einem tatsächlichen Treueverhältnis zur Gesellschaft stand oder ob dies deshalb ausgeschlossen war, weil er Drittinteressen wahrgenommen hat. In BGH NStZ 1996, 124 f. wurde dies aufgrund der erfolgten Zurückverweisung nicht näher thematisiert. Die ausdrückliche Stellungnahme des Anwalts, dass er allein die Interessen der Frau R. im Sinn hat, sprechen aber gegen ein schutzwürdiges Vertrauen des Gärtners. 797 So der erste Strafsenat in seiner ablehnenden Entscheidung BGH NJW 2006, 1984 (1985); aus dem zivilrechtlichen Schrifttum siehe etwa Michalski-Haas § 43 Rn. 272; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen § 43 Rn. 176. 798 So zutreffend Schmolke, Organwalterhaftung, S. 141 zur Pflichtenstellung aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte.
224 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
sonen des Unternehmens kann generell erwartet werden, dass sie ihr Handeln am Gesellschaftsinteresse, das heißt an dessen Zweck, ausrichten. Dazu sind sie kraft Vertrag oder Gesetz (Organstellung) verpflichtet. Mit nichts anderem dürfen die Gesellschafter rechnen. Der Brückenschlag für eine Rechtfertigung auch deren schutzwürdigen Vertrauens kann wiederum in der Verquickung von Sonder- und Privatsphäre gefunden werden. Der Einzelne darf sich nämlich zwar keineswegs darauf verlassen, dass das gesamte Sondervermögen aufgrund seiner Beteiligung vollständig seinen individuellen Wünschen untergeordnet wird. Dann wären Friktionen in der Tat vorprogrammiert. So etwas würde aber auch niemand behaupten. Es geht vielmehr allein darum zu begründen, dass in solchen Fällen, in denen ein Verstoß gegen das Gesellschaftsinteresse gegeben ist, zugleich ein solcher gegen das Gesellschafterinteresse vorliegt. Bei der Anerkennung eines Gesellschafterinteresses kann es immer nur um das Interesse „in“ der Gesellschaft gehen, also nicht um die Verfolgung irgendwie geartete privater Motive, sondern um das Vertrauen, dass die dem gemeinsamen Zweck gewidmete Mitgliedschaft so verwaltet wird, wie Gesetz und Satzung es gebieten. Der Schutzbereich der Treuepflicht ist dementsprechend in seinem Umfang sachlich beschränkt. Da dies dem Mandat des jeweiligen Verantwortungsträgers passgenau entspricht, dürfen auch die Einzelnen davon ausgehen, dass ihre mit dem Gesellschaftsinteresse gleichlaufenden und gleichgerichteten Gesellschafterinteressen beachtet werden. Mit dem angesprochenen Vermögensnexus geht aufgrund der deckungsgleichen Interessenlage auch ein entsprechender Vertrauensnexus einher. Ein Konflikt ist also keineswegs zu befürchten. Satzungs- und gesetzgemäße Handlungen sind sowohl der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern gegenüber erlaubt, Verstöße hingegen verboten. Besonders deutlich wird dies an den Beispielen, die der dritte Strafsenat zur Untermauerung seiner entgegenstehenden These vom Interessenkonflikt heranzieht. Genannt werden die Durchsetzung von Nachschüssen sowie Maßnahmen zur Stammkapitalerhaltung, insbesondere zur Verhinderung einer Ausplünderung einer GmbH.799 Dabei bleibt schon völlig unklar, warum derartige Handlungen überhaupt rechtswidrig sein sollen, entsprechen doch beide Maßnahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, so dass sie schlicht rechtmäßig sind. Der BGH versucht offenbar auf eine wenig subtile Weise seinen Standpunkt dadurch zu stärken, dass er ein abstraktes Individualinteresse skizziert, das von den Bedürfnissen der Gesellschaft völlig abgekoppelt ist und damit selbstverständlich zu Problemen führt. Dass hiergegen verstoßende Handlungen in den Bereich der Untreue fallen sollen, hätte aber wohl ohnehin niemand behauptet. Es geht vielmehr allein um solche Fälle, in denen eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft und aufgrund 799
BGH NJW 2006, 1984 (1985).
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 225
des Interessengleichlaufs dadurch zugleich gegenüber den Gesellschaftern verletzt wird. Insofern hat die Pflichtenstellung von Verantwortungsträgern eine doppelte Schutzrichtung. Dieser Befund deckt sich mit der Handhabung im Zivilrecht. Dort findet die Feststellung einer entsprechenden Treuepflicht (als Kehrseite des Vertrauens, das mit der Übernahme der Vermögensfürsorge begründet wird800) nämlich ganz überwiegend Anerkennung. Beim Streit innerhalb der herrschenden Meinung, die von einer Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit auch der Mitglieder ausgeht, liegt der Fokus der Auseinandersetzung nicht auf der Frage, ob ein Schutz der Beteiligten angezeigt ist, sondern vielmehr darauf, wie dies rechtstechnisch zu bewerkstelligen ist. Offen ist in erster Linie nur noch, welche Intensität die Pflicht hat: Während die dargestellte Minderheitenmeinung mit durchaus prominenten Vertretern gar organschaftliche oder rechtsgeschäftliche Beziehungen annimmt801, wird überwiegend das Vertrauen der Gesellschafter allein deliktisch über § 266 StGB (i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB) geschützt802. Dabei tut sich freilich in der Begründung der zweiten Ansicht dadurch eine Lücke auf, dass die strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht nicht hinreichend thematisiert wird. Die Lücke ist aber wie dargelegt im Strafrecht leichter zu schließen als im Gesellschaftsrecht, da § 266 StGB nicht von der sehr strittigen Anerkennung einer schuldrechtlichen Verbindung im entsprechenden Verhältnis abhängt. Auf Basis der garantenpflichtähnlichen, tatsächlichen Betrachtung kann durchaus von einer Vertrauensstellung auch gegenüber den einzelnen Mitgliedern ausgegangen werden. Dass möglicherweise keine unmittelbaren schuldrechtlichen Beziehungen bestehen, schadet aufgrund der Loslösung des Strafrechts vom Zivilrecht in diesem Punkt nicht. Im Gegenteil kann es als gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Annahme einer zumindest tatsächlichen Treuepflicht gewertet werden, dass sich das Gesellschaftsrecht an der Schwelle zur Anerkennung sogar schuldrechtlicher Beziehungen befindet. Ein solcher Befund entspricht schließlich auch der Lebenswirklichkeit, auf die sich zu beziehen im Rahmen einer faktischen Betrachtung durchaus legitim ist. Dass sich die an einer Gesellschaft Beteiligten darauf verlassen, dass ihre Beteiligung durch die Verantwortungsträger ordnungsgemäß verwaltet wird, dürfte unzweifelhaft sein. Ob ein Unternehmer sein Geschäft als Einzelkaufmann oder im Rahmen einer Gesellschaft betreibt, ändert an seinem Vertrauen in den Prokuristen nichts. Die formaljuristische Trennung der Vermögensträger, die der Annahme einer unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Bindung Schwierigkeiten bereitet, kann auf Basis einer tatsäch800 801 802
NK-Kindhäuser § 266 Rn. 38. Siehe G. II. 2. b) aa) und bb). Siehe G. II. 2. b) cc).
226 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
lichen Betrachtung nicht ausschlaggebend sein. Genau das zu vermeiden ist ja gerade der Zweck der strafrechtlichen Erweiterung der Rechtsquellen auf auch tatsächliche Treueverhältnisse.803 Somit bleibt festzuhalten, dass auch das Mitglied in seinem Vertrauen darauf geschützt ist, dass seine Beteiligung nicht durch rechtswidrige Maßnahmen von Verantwortungsträgern entwertet wird. cc) Restriktionsbedürfnis Zuletzt bleibt noch ein Blick auf das bereits angesprochene Restriktionsbedürfnis zu werfen. Denn jeder Rückgriff auf die tatsächliche Treuepflicht muss aufgrund ihrer Weite und ihrer Loslösung von zivilrechtlichen, sonst für eine gewisse Rechtssicherheit sorgenden Maßstäben Kritik erwarten. Probleme ergeben sich zum einen aus der drohenden Ausuferung der Strafbarkeit und zum anderen aus der damit verbundenen Unbestimmtheit, die die Vorhersehbarkeit der Strafandrohung zu vernachlässigen droht. Beide Punkte stellen sich jedoch gerade bei der in Rede stehenden Konstellation als weniger gravierend dar. Hinter der Warnung vor einer Ausuferung der Strafbarkeit steht die Gefahr, dass jegliche und sei es auch nur moralische Verbindung zwischen zwei Individuen zur Vermögensbetreuungspflicht stilisiert wird und damit auch strafunwürdige Verhaltensweisen erfasst zu werden drohen. Vorliegend geht es jedoch weniger um eine Ausweitung der Strafbarkeit (das „Ob“), sondern um die Aufzeigung eines alternativen Anknüpfungspunkts (das „Wie“). Betroffen sind allein solche Fälle, in denen es unstreitig ist, dass ein Strafbarkeitsbedürfnis besteht. Es geht lediglich um die Ausgestaltung dessen, das heißt ob auf Gesellschaftsoder Gesellschafterebene angeknüpft wird. Der einzige Fall, in dem der hier vorgestellte Weg tatsächlich zu einer Ausdehnung der Strafbarkeit führt, ist der, in dem die Gesellschaft selbst als Rechtsträgerin angesehen wird und bei einem aus Minderheitenschutzerwägungen unwirksamen Mehrheitsbeschluss der Täter nicht bestraft werden kann.804 Das ist jedoch wenig gravierend, da auch in derartigen Fällen durchaus ein Strafbedürfnis besteht. Es ist vielmehr gerade ein erklärtes Ziel des hier erörterten Ansatzes, dass die entsprechende Schutzlücke geschlossen wird.805 Da in Rechtsprechung und Literatur ohnehin überwiegend diskussionslos von einem undifferenzierten Erfordernis einer Zustimmung aller ausgegangen wird,806 803 804 805 806
Siehe Siehe Siehe Siehe
dazu oben G. II. 3. a). dazu E. III. 1. a). dazu E. VII. D. III. 1.
II. Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern 227
muss zudem davon ausgegangen werden, dass auch die bisherige Handhabung in derartigen Fällen (durch eine Vermischung der Schutzzwecke) zu einer Strafbarkeit führt. Im Vergleich zur bisherigen Vorgehensweise führt eine solche Lösung also keineswegs dazu, dass der Rahmen der strafbaren Handlungen erweitert wird. Gleiches gilt für die Gefahr der mangelnden Vorhersehbarkeit. Da nur solche Fälle erfasst werden, die nach herkömmlicher – eindimensionaler – Betrachtung eine Untreue darstellen, ergeben sich insofern keine Änderungen. Wer im Rahmen des Schuldspruchs letztlich als Opfer der Tat angesehen wird, das heißt wie genau die dogmatische Konstruktion aussieht, berührt die Vorhersehbarkeit der Strafe nicht. In der Tat liegt es vielfach sogar näher, dass sich der Täter eher der Unredlichkeit seines Handelns gegenüber den Gesellschaftern bewusst ist, als dass er an die Rechtsform denkt, derer sich die natürlichen Personen bedienen. Schließlich ist noch kurz auf die grundsätzliche Subsidiarität des tatsächlichen Treueverhältnisses als Rechtsgrundlage der Vermögensbetreuungspflicht einzugehen. Auf dieses soll aufgrund seiner Funktion als Auffangtatbestand nämlich erst dann zurückgegriffen werden, wenn keine rechtsgeschäftliche, behördliche oder gesetzliche Pflichtenstellung besteht.807 Daran anknüpfend könnte die Idee aufkommen, eine tatsächliche Pflichtenstellung gegenüber den Gesellschaftern deshalb abzulehnen, weil eine rechtsgeschäftliche/gesetzliche und damit vorrangige gegenüber der Gesellschaft besteht. Eine solche Argumentation verkennt jedoch, dass es sich dabei um zwei verschiedene Beziehungen handelt. Der Grundsatz der Subsidiarität kann nur innerhalb desselben Rechtsverhältnisses Geltung beanspruchen. Im Ergebnis steht das grundsätzlich anzuerkennende Restriktionsbedürfnis der Annahme eines tatsächlichen Treueverhältnisses als Grundlage einer Vermögensfürsorgepflicht gegenüber den Gesellschaftern daher nicht entgegen. Als weitere Voraussetzung bleibt wie immer zu beachten, dass nur solche Rechtsbeziehungen die Täterqualifikation zu begründen vermögen, die auch die sonstigen, einer Restriktion dienenden Voraussetzungen erfüllen (Vermögensbetreuung als wesentlicher Inhalt der Vertrauensstellung, Eigenverantwortlichkeit, wirtschaftliche Bedeutung). 4. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass eine Vermögensbetreuungspflicht von Verantwortungsträgern einer Gesellschaft auch gegenüber den einzelnen Gesellschaftern besteht. Sowohl im Straf- als auch im 807
Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 27.
228 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
Gesellschaftsrecht wird die Frage nach einer Sonderbeziehung (in verschiedenem Zusammenhang) relevant. Dabei erfolgt stets eine isolierte Betrachtung, die eine hinreichende Auseinandersetzung mit der jeweils anderen Rechtsmaterie vermissen lässt. Ziel der Untersuchung war es, beide Rechtsgebiete zusammenzuführen und so den Boden für eine einheitliche und fundiertere Lösung zu bereiten. In den wenigen strafrechtlichen Stellungnahmen, die es zur Frage einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gesellschaftern gibt, wird allein eine „rechtsgeschäftliche oder organschaftliche“ Beziehung in diesem Verhältnis abgelehnt und der jeweilige Gesellschafterschaden damit schon auf Basis eines Tatbestandmodells als untreueirrelevant ausgeschieden. Bereits für solche Entscheidungsträger, die gleichzeitig Gesellschafter sind – was bei den Personengesellschaften für die Geschäftsführer sogar vorgeschrieben ist –, hat sich die Annahme einer fehlenden Sonderbeziehung aufgrund der offenkundigen gesellschaftsvertraglichen Bindungen jedoch als unhaltbar erwiesen. Schon hier lässt sich das Konkurrenzproblem keinesfalls mehr tatbestandlich lösen. Aber auch darüber hinaus gibt es eine umfangreiche gesellschaftsrechtliche Diskussion, ob sich aus der treuhänderischen Stellung der Verwaltungsträger eine unmittelbare, schuldrechtliche Pflichtenbeziehung zu den Mitgliedern ergibt. Herrschend wird dies zwar verneint, zugleich aber (im Widerspruch zu den genannten strafrechtlichen Stimmen) ein Individualanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB bejaht. Dabei erfolgt jedoch wiederum keine hinreichende Auseinandersetzung mit den strafrechtlichen Anforderungen an eine Vermögensbetreuungspflicht, die angesichts der im selben Atemzug erfolgenden Ablehnung einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Verbindung durchaus fragwürdig ist. Ein Zusammenführen der isoliert voneinander geführten Diskussionen in beiden Rechtsgebieten ergibt, dass sich im Rahmen des § 266 StGB auch ohne Anerkennung einer schuldrechtlichen Pflichtenstellung auf Grundlage einer tatsächlichen, strafrechtseigenen Treuebeziehung eine Untreuestrafbarkeit bejahen lässt. Zu dessen Ausfüllung kann in der Weise auf die gesellschaftsrechtlichen Stimmen zurückgegriffen werden, dass sich ein Vermögens- und Vertrauensnexus zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern ableiten lässt, der die Basis der geforderten garantenstellungsähnlichen Beziehung ist. Jede nachteilige Bewegung im Gesellschaftsvermögen betrifft auch die Privatvermögen der Gesellschafter, die zudem auf die ordnungsgemäße Verwaltung ihrer Beteiligung im Rahmen von Gesetz und Satzung vertrauen dürfen und müssen. Aus dieser tatsächlichen Verquickung der Interessensphären ergibt sich auch gegenüber den Mitgliedern eine Treueposition all jener Personen, denen das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist.
III. Einverständnis
229
III. Einverständnis Für das Einverständnis ergibt sich daraus, dass grundsätzlich jeder einzelne Gesellschafter die Pflichtwidrigkeit einer Handlung in Bezug auf seine Beteiligung durch eine individuelle Zustimmung beseitigen kann. Liegt diese nicht vor, ist die Handlung ihm gegenüber verboten. Dabei sind indes noch zwei Besonderheiten zu beachten, die sich daraus ergeben, dass kein Widerspruch zum gesellschaftsrechtlichen Rechtmäßigkeitsmaßstab entstehen darf. Zuerst ist ein Blick darauf zu werfen, wann überhaupt eine Pflichtverletzung dem Einzelnen gegenüber vorliegt. Das ist deshalb bedeutsam, weil Kollisionen zwischen Individual- und Gesellschaftsebene vermieden werden müssen. Die Notwendigkeit einer Harmonisierung wurde soeben bereits im Zusammenhang mit der Vermögensfürsorgepflicht angesprochen.808 Zugleich wurde dort auch schon die Lösung zur Vermeidung von Konflikten aufgezeigt: Der einzelne Gesellschafter darf nur darauf vertrauen, dass seine Beteiligung in dem durch Gesetz und Satzung abgesteckten Rahmen verwaltet wird. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Beachtung rein privater Vermögensinteressen besteht nicht. Daraus ergibt sich eine Beschränkung des Schutzumfangs für das Privatvermögen in der Weise, dass ein Gleichlauf mit dem rechtlichen Dürfen auf Gesellschaftsebene hergestellt wird. Im Grundsatz gilt danach, dass ein Geschäftsführer nur dann überhaupt die Zustimmung des Vermögensträgers braucht, wenn er die Grenze der gesetzlich oder vertraglich definierten Geschäftsführungsbefugnis anderenfalls überschreiten würde.809 Das wurde oben für die Gesellschaftsebene bereits dargestellt.810 Für die Zustimmung der einzelnen Gesellschafter gilt nichts anderes. Denn sie haben ihre Beteiligung dem Regime der Gesellschaft unterworfen und diese Vermögensposition damit insoweit gebunden, als dass sie nur die Beachtung der Grundlagen dieser Bindung erwarten dürfen. Es besteht also keine Pflicht zur Beachtung überschießender Individualinteressen. Haben die Gesellschafter beispielsweise eine Gesellschaft gegründet, die Risikogeschäfte betreibt und dem Geschäftsführer damit einen dementsprechenden Freiraum auch zur Eingehung spekulativer Geschäfte eingeräumt, kann sich im Falle eines Schadens der Einzelne nicht in Bezug auf 808
Siehe zur (vermeintlichen) Gefahr von Interessengegensätzen G. II. 3. b) bb). Entsprechendes gilt für sonstige Verantwortungspersonen, bei denen sich die Reichweite des rechtlichen Dürfens dann aus dem Anstellungsvertrag beziehungsweise dem (gegebenenfalls nur im Innenverhältnis wirksam beschränkten) Umfang der eingeräumten Vollmacht ergibt. 810 Siehe oben D. III. 1. 809
230 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
seine Beteiligung darauf berufen, er habe kein individuelles Einverständnis erklärt. Das war nämlich deshalb gar nicht nötig, weil ihm gegenüber keine Pflichtenbindung besteht, die über die gesetzes- und satzungsgemäße Verwaltung hinausgeht. Eine Untreue zum Nachteil eines Gesellschafters trotz Einhaltung der Geschäftsführungsbefugnis ist damit ausgeschlossen. Auf seine Zustimmung kommt es überhaupt nur an, wenn das durch Gesellschaftsvertrag und Gesetz festgelegte rechtliche Dürfen anderenfalls überschritten wäre. Als zweite Besonderheit ist noch zu untersuchen, wie sich ein (gesellschaftsvertraglich vereinbartes811) Mehrheitsprinzip auf den Schutz der Individualvermögen auswirkt. Auch hier setzt das Ultima Ratio Prinzip insofern Grenzen, als dass bei einem wirksamen Gesellschafterbeschluss eine Bestrafung wegen einer Untreue zu Lasten der überstimmten Gesellschafter auszuscheiden hat. Anderenfalls würde eine rechtmäßige Handlung bestraft.812 Zur Lösung dieses Konflikts zwischen Einzel- und Gesamtzuständigkeit gilt dasselbe wie schon eben: Steht eine Maßnahme in Rede, die über den üblichen Umfang des rechtlichen Dürfens hinausgeht und damit eines zustimmenden Beschlusses bedarf, führen Mehrheitsbeschlüsse nach wie vor zum Ausschluss der Pflichtwidrigkeit auch gegenüber überstimmten Gesellschaftern. Bis zur Grenze der Treuwidrigkeit entspricht das nämlich wiederum der vereinbarten Verwaltung auch der Beteiligung. Anders ist die Lage wiederum zu beurteilen, wenn diese Grenze überschritten wurde. Da der Beschluss dann nichtig ist, kann insofern eine Untreue zum Nachteil der (unwirksam) Überstimmten vorliegen.813 Der Möglichkeit einer solchen Bestrafung auf Gesellschafterebene kommt besondere Bedeutung vor allem dann zu, wenn die Gesellschaft selbst als Rechtsgutsträgerin angesehen wird. Aufgrund der Inkongruenz der Schutzzwecke des § 266 StGB und des Minderheitenschutzes drohte dann eine Straffreiheit:814 Der Minderheitenschutz bezweckt nämlich einen Gesellschafterschutz, der nicht zur Begründung einer Strafbarkeit zum Nachteil der Gesellschaft herangezogen werden kann. Das dadurch entstehende Schutzdefizit kann auf dem hier behandelten Weg geschlossen werden.815 Da ein derartiges Verständnis der Personengesellschaften (Rechtsträgerin „als solche“) bisher jedoch nur von einer Minderheitenmeinung vertreten 811 Das dispositive Recht geht bei allen Typen von Personengesellschaften vom Grundsatz der Einstimmigkeit aus, siehe oben D. III. 2. a) bis c). 812 Siehe insoweit schon oben C. VII. 3 zur herrschenden Meinung, bei der genau das zu befürchten ist. 813 Zum zwingenden Einstimmigkeitserfordernis in diesen Fällen siehe ausführlich D. III. 2. a) bb) (1). 814 Siehe zum ganzen oben E. III. 1. a). 815 Siehe dazu schon E. VII.
IV. Schaden
231
wird, kommt dieser Konstruktion praktische Relevanz insbesondere bei der GmbH zu. In solchen Fällen entspricht es der Trennung der Vermögenssubjekte und auch der materiellen Interessenlage, wenn die Handlung nicht straflos bleibt (oder entgegen der hier vertretenen Auffassung durch eine Vermischung der Schutznormen als Untreue zu Lasten der Gesellschaft bestraft wird), sondern wenn der Vorwurf bei einer Verletzung der Interessen der Minderheitengesellschafter ansetzt.
IV. Schaden Zur Ermittlung des durch die Tat verursachten Nachteils kommt es auf den Schaden an, der den nicht zustimmenden Gesellschaftern in ihrem Privatvermögen aufgrund der Entwertung ihrer Mitgliedschaft jeweils entstanden ist. Bevor auf die konkreten Modalitäten zur Berechnung der Schadenshöhe eingegangen wird (2.), soll kurz untersucht werden, ob der Nachteil, der den einzelnen Gesellschaftern entsteht, als „bloß mittelbarer“ überhaupt von § 266 StGB erfasst wird (1.). 1. Ausschluss nur mittelbarer Schäden Der BGH hat in seinem Urteil von 2006, in dem er eine Klageerhebung am Wohnort der Gesellschafter einer GmbH ablehnte, sein Ergebnis auch damit begründet, dass es sich bei der Schädigung der Gesellschafter nur um „mittelbare, von § 266 StGB nicht erfasste Folgen“ handele.816 Das klingt, als würde auf eine allgemeine, gefestigte Dogmatik zum Ausschluss mittelbarer Schäden zurückgegriffen, die aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit nicht weiter erklärungsbedürftig wäre. Jedoch entpuppt sich der Verweis auf „bloß mittelbare“ Nachteile als weitgehend inhaltslose Worthülse, um dem gewünschten Ergebnis den Anschein einer gefestigten Basis zu verleihen. Bereits im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Diskussion zur Sperrung der Individualschadensersatzansprüche der Gesellschafter fand sich eine derartige Formulierung.817 Auch dort hat sich herausgestellt, dass es sich beim Ausschluss „mittelbarer Schäden“ nur um eine dogmatisch nichts sagende Formulierung handelt um zu beschreiben, dass Zahlungsströme am Gesellschaftsvermögen vorbei in der Regel zu unterbleiben haben. Die eigentliche Begründung hierfür hat mit den Attributen unmittelbar und mittelbar nichts zu tun: Es soll schlicht verhindert werden, dass die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens und alle damit einhergehen816 BGH NJW 2006, 1984 (1985); ebenso Kohlmann, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 171, auf den sich der BGH in seiner Entscheidung maßgeblich beruft. 817 Siehe dazu B. III. 2.
232 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
den Prinzipien unterlaufen werden.818 Es ist also keineswegs gemeint, dass ein Schaden der Gesellschafter nicht gegeben sein soll. In Situationen, in denen die Vermögensbindung nicht entgegensteht, können Individualschäden nämlich durchaus liquidiert werden. Das setzt deren Existenz zwingend voraus. Dort wie hier geht es in Wahrheit um die Auflösung einer ungewohnten Konkurrenzsituation, die sich aufgrund der gleichzeitigen und deckungsgleichen Schädigung zweier Vermögensmassen stellt, welche aber doch zwei verschiedenen Trägern zugeordnet sind. In der Tat muss entschieden werden, welcher Vermögensebene der Vorzug zu geben ist. Mit den Etiketten „mittelbar“ und „unmittelbar“ hat das aber nichts zu tun. Beiden Vermögensträgern, Gesellschaft und einzelnem Gesellschafter, entsteht ein gleichzeitiger und echter Schaden.819 Demnach bleibt allein zu fragen, ob es im Rahmen der bisherigen Handhabung des § 266 StGB Merkmale gibt, die Raum für die Berücksichtigung derartiger Konkurrenzfragen schon auf Tatbestandsebene zulassen. Nur dann kann hinter der Bezugnahme auf die plakative Allzweckwaffe der „bloß mittelbaren Folgen“ auch eine rechtliche Substanz stecken. Der Hinweis, dass mittelbaren Schäden tatbestandlich keine Relevanz zukommt, taucht im Untreuestrafrecht in verschiedenem Kontext auf und meint jeweils etwas ganz Verschiedenes. Im Rahmen der Schadensberechnung wird dieser Begriff bei der Gesamtsaldierung verwendet, wonach nur solche Verluste (und Gewinne) in die Kalkulation einfließen dürfen, die unmittelbar durch die ungetreue Handlung verursacht sind, während bloß mittelbare außer Betracht zu bleiben haben.820 Auch wenn es tatsächlich üblich ist, hier unter Rückgriff auf die Terminologie mittelbar/unmittelbar bestimmte Schadensposten auszuscheiden, wird schnell deutlich, dass der Zusammenhang ein vollkommen anderer ist. Bei der Gesamtsaldierung soll nämlich allein festgestellt werden, welche Bewegungen im Vermögen des einen Opfers noch in hinreichendem Zusammenhang mit der beanstandeten Handlung stehen. Dementsprechend werden die „mittelbaren“ und damit unbeachtlichen Folgen als solche charakterisiert, die durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung zustande kommen.821 Bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterschaden geht es 818
Ausführlich oben B. III. 2. Zu Recht spricht Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 214 insofern von einer gleichzeitigen Schädigung. 820 BGH NStZ-RR 2002, 237 (238); NStZ 1999, 353 (354); NK-Kindhäuser § 266 Rn. 107; Lackner/Kühl § 266 Rn. 17b; siehe zum Unmittelbarkeitskriterium auch schon oben C. IV. 3. 821 BGH NStZ 1999, 353 (354); NStZ 1986, 455 (456); Schönke/Schröder-Lenckner/Perron § 266 Rn. 41; Tröndle/Fischer § 266 Rn. 73. 819
IV. Schaden
233
aber keinesfalls um ein solches Zurechnungsproblem bei der Ermittlung relevanter Vor- und Nachteile im Vermögen eines Opfers, sondern vielmehr um das Verhältnis zweier getrennter aber gleichzeitig verminderter Vermögensmassen. Eine Übertragung der mit den Attributen mittelbar und unmittelbar beschriebenen Zurechnungskriterien zur Gesamtsaldierung ist daher ebenso unpassend wie unmöglich. Von einem Ausschluss mittelbarer Schäden wird ferner gesprochen, um deutlich zu machen, dass eine Identität zwischen dem Träger der zu betreuenden Vermögensinteressen und dem Inhaber des geschützten Vermögens bestehen muss.822 In diesem Sinn hat wohl auch der BGH in seinem Urteil von 2006823 die Schäden der Gesellschafter als mittelbare aussondern wollen, da diese seiner Auffassung nach nicht Bezugspunkt eines Treueverhältnisses sind. Damit wurde also keineswegs der individuelle Schaden negiert, sondern allein die fehlende Deckungsgleichheit zwischen Nachteil und Vermögensbetreuungspflicht festgestellt. Diese Annahme wurde bereits ausführlich kritisiert und letztlich genau gegenteilig entschieden.824 Folglich besteht kein Anlass, hierauf noch einmal einzugehen. Von einem Eigenschaden der Gesellschafter ist – dann offenbar sogar in Übereinstimmung mit dem BGH – auszugehen. 2. Berechnung der Schadenshöhe Die Methode zur Kalkulation des Schadens, der den einzelnen Gesellschaftern aufgrund einer Verminderung ihrer Beteiligung an der Gesellschaft entstanden ist, muss sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht als wenig geklärt gelten. Im Folgenden wird auf die bestehenden Ansätze in beiden Disziplinen gesondert eingegangen. Dabei bieten sich grundsätzlich zwei Alternativen: Erstens kann untersucht werden, wie sich im Falle einer Verringerung des Sondervermögens der Marktwert der Beteiligung im Ganzen verändert. Dem liegt eine Betrachtung des Vermögensgegenstands „Gesellschaftsanteil“ zugrunde, in dem sich alle Vermögensrechte zu einer Werteinheit verbinden. Zweitens kann ein Blick auf die durch die Tat negativ beeinflussten einzelnen Vermögensrechte, insbesondere eine verminderte Gewinnausschüttung, geworfen werden. Danach wird nicht auf den Wert des Anteils insgesamt, sondern auf die mit der Beteiligung verbundenen einzelnen Vermögensrechte und deren Auswirkungen auf das Privatvermögen geschaut. Zwischen diesen zwei Möglichkeiten bewegen sich die im Folgenden dargestellten Ansätze. 822 823 824
Trödle/Fischer § 266 Rn. 55. BGH NJW 2006, 1984 (1985). Siehe dazu soeben zur Vermögensbetreuungspflicht G. II.
234 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
a) Strafrecht Zur Schadensberechnung kann zunächst an die Ausführungen zur herrschenden Meinung im Strafrecht angeknüpft werden. Diese übergeht zwar das Grundprinzip der Trennung zwischen Sonder- und Privatvermögen und teilt das Gesellschaftsvermögen nach Art einer Bruchteilsgemeinschaft gesellschaftsrechtswidrig zwischen den Gesellschaftern auf.825 Das Ergebnis, eine Untreue zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter, ist jedoch mit dem hier untersuchten durchaus identisch. Hier wie dort stellt sich gleichermaßen die Frage, wie der Individualschaden zu berechnen ist. Der Unterschied besteht allein darin, dass vorliegend eine dogmatisch korrekte Konstruktion gewählt wurde, die dem Gesellschaftsrecht Rechnung trägt. Im Strafrecht sind im personengesellschaftsrechtlichen Kontext drei Methoden zur Schadensberechnung aufgetaucht und in dieser Arbeit erstmals näher untersucht worden: die anteilige Schädigung im Verhältnis der Einlageleistungen, der Gefährdungsschaden aufgrund einer persönlichen Haftung und schließlich die auf dem Kapitalkonto darzustellende Verkürzung von Vermögensrechten.826 Es wurde bereits herausgearbeitet, dass der geeignetste dieser drei Wege der Blick auf die negative Beeinflussung der Vermögensrechte ist, die über den Kapitalanteil wertmäßig quantifiziert werden.827 Das liegt daran, dass die Haftungsgefahr hierin schon abgebildet ist und das Verhältnis der Einlagen nichts über die jeweilige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen aussagt. Auf Grundlage dieser Methode wird also ermittelt, inwieweit sich der Substanzwert des Unternehmens verringert hat. Dieser Minderwert ist dann in voller Höhe auf die einzelnen Gesellschafter, entsprechend dem Gewinn- oder Verlustverteilungsschlüssel, umzulegen. Angemerkt wurde dazu jedoch auch, dass sich über den Kapitalanteil der Goodwill (Organisation, Kundenstamm, Geschäftserfahrung) nicht erfassen lässt, so dass allein die Verkürzung etwaiger Auszahlungsansprüche beziehungsweise die Erhöhungen etwaiger Nachschusspflichten berechnet werden kann, nicht aber der anteilige (Markt-)Wert des Unternehmens im Ganzen. b) Gesellschaftsrecht Im Gesellschaftsrecht ist die Wissenschaft und Praxis im Umgang mit dem Schaden einzelner Gesellschafter etwas weiter als im Strafrecht. Das mag daran liegen, dass hier in der Sache diskutiert werden kann, während 825 826 827
Siehe dazu oben C. VII. 1. a). Siehe dazu ausführlich oben C. IV. 1. Siehe dazu C. VII. 4. d).
IV. Schaden
235
im Strafrecht hinsichtlich der Personengesellschaften aufgrund der Vermischung der Vermögensebenen nicht einmal klar ist, welche Regelungen überhaupt Anwendung finden sollen. Indes ist im Zivilrecht der Individualanspruch eines Gesellschafters ohnehin meist gesperrt, so dass es kaum Fälle gibt, die sich mit der Berechnung des Gesellschafterschadens bei einer gleichzeitigen Schädigung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen befassen. Die Diskussion hat sich daher an Konstellationen entwickelt, in denen ein Gesellschafter verletzt wurde und dadurch im Sondervermögen ein Schaden entstanden ist, der wiederum zu einer Verminderung der Beteiligung des Gesellschafters führte.828 Exemplarisch kann auf die Leitentscheidung des sechsten Zivilsenats von 1977829 verwiesen werden, worin der Geschäftsführer und (Allein-)Gesellschafter einer (schweizerischen) Kapitalgesellschaft bei einem Skiunfall verletzt und dadurch reiseunfähig wurde. Aufgrund dessen platzten zwei Vertragsabschlüsse, die einen Gewinn von 300.000 Franken für seine Gesellschaft zur Folge gehabt hätten. Da der entsprechende Gewinn nicht im Privat-, sondern im Sondervermögen eingetreten wäre, stellte sich die Frage, welcher Schaden dadurch wiederum dem (allein anspruchsberechtigten) Gesellschafter in seinem Privatvermögen entstanden ist. Der Seltenheit solcher Konstellationen entsprechend stellt sich die damit verbundene Schadensproblematik insgesamt ebenfalls als nicht restlos geklärt dar. Die damit befassten Gerichte untersuchen nur den jeweiligen Einzelfall und die Literatur beschränkt sich zumeist auf eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung. Abstrakte, systematische Untersuchungen, in denen die verschiedenen Möglichkeiten einer negativen Beeinflussung des Gesellschaftsvermögens (Verursachung eines Verlusts, Verringerung eines Gewinns, Trennung zwischen Gesellschaften mit und ohne beschränkte Haftung) durchgespielt werden, finden sich nicht.830 Obgleich an sich Prinzipien des allgemeinen Verbandsrechts berührt sind, dreht sich die Diskussion – den entschiedenen Urteilen entsprechend – um die Beteiligung an Kapitalgesellschaften, insbesondere an der GmbH. Der Einfachheit halber werden sich die weiteren Ausführungen hieran orientieren, bevor anschließend auf die Lage bei den Personengesellschaften gesondert eingegangen wird.
828 Siehe nur die Besprechung der drei grundlegenden Entscheidungen bei K. Schmidt GesR § 40 III 4 a. 829 BGH NJW 1977, 1283; ganz ähnlich sind die sonstigen Sachverhalte gelagert, siehe BGH VersR 1962, 622; NJW-RR 1986, 684. 830 Am detailreichsten ist die Auseinandersetzung bei Kowalski, Gesellschaftsund Gesellschafterschaden, S. 83 ff., der jedoch ebenfalls nicht auf Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen eingeht.
236 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
aa) Verringerung der Vermögensrechte Zunächst wird auch im Zivilrecht daran gedacht, dass ein Schaden durch die Verkürzung der ohne die Schädigung höher ausgefallenen Gewinnausschüttung entstehen kann.831 Wie bereits zum Strafrecht angesprochen hätte das zur Folge, dass die Minderung des Substanzwertes im Verhältnis der Gewinnbeteiligungsquote als Schaden unter den Gesellschaftern aufzuteilen wäre.832 Dabei ergibt sich allerdings das Problem, dass keinesfalls gewiss ist, ob und in welcher Höhe eine Gewinnausschüttung überhaupt erfolgt wäre. Ein solches „Durchreichen“ des Schadens wäre nämlich nur dann unproblematisch möglich, wenn von einer Vollausschüttung des sonst höher ausgefallenen Gewinns in das Privatvermögen auszugehen ist.833 Soweit der Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in der Gesellschaft geblieben wäre, hätte das nur zu einer Erhöhung des Anteilswerts geführt, in welchem sich die Veränderung des Gesamtvermögens aufgrund bestimmter Berechnungsmodalitäten834 aber nur teilweise niederschlägt. Daraus wird gefolgert, dass ein Schaden der Gesellschaft nur insoweit auf die Gesellschafter „durchgereicht“ werden kann, als dass eine hypothetische Gewinnausschüttung höher ausgefallen wäre und es anderenfalls auf die Wertdifferenz des Anteils ankommen soll.835 Angesichts der Tatsache, dass gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG die Verwendung des Jahresergebnisses auf Grundlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses erfolgt, ist der Umfang der Ausschüttung durchaus fraglich. Zu einer Vermeidung der daraus resultierenden Schwierigkeiten kam der BGH dadurch, dass es sich in sämtlichen entschiedenen Fällen um solche handelte, in denen entweder ein Alleingesellschafter betroffen war oder aber ein Mehrheitsgesellschafter, der derart hoch beteiligt war, dass das Gericht ihn wie einen Alleingesellschafter behandelt hat.836 In seinen ersten beiden Urteil hatte der sechste Zivilsenat sich noch auf die wirtschaftliche Identität der Vermögen berufen und befunden, dass in derartigen Konstellationen das Gesellschaftsvermögen nur ein in besonderer Form verwalteter Teil des Gesellschaftervermögens sei (sog. „gesellschafterfreundlicher 831
BGH NJW 1977, 1283 f.; Schulte NJW 1979, 2230 (2231). Schulte NJW 1979, 2230 (2231); so auch die Berechnung des Schadens in BGH NJW 1977, 1283 (1285); VersR 1962, 622 (623). 833 BGH NJW 1977, 1283 f.; Lieb FS Fischer, 385 (387); Schulte NJW 1979, 2230 (2231). 834 Dazu im Detail sogleich. 835 Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 90 f.; Schulte NJW 1979, 2230 (2231 f.). 836 Siehe BGH NJW 1977, 1283 (schweizerische Kapitalgesellschaft); NJW-RR 1989, 684 (amerikanische corporation); VersR 1962, 622 (GmbH). 832
IV. Schaden
237
Durchgriff“).837 Aufgrund der damit verbundenen Übergehung des Trennungsprinzips ist dieses Vorgehen jedoch auf deutliche Kritik gestoßen.838 Infolgedessen ist der Senat bei seiner nächsten Entscheidung zu einer gesellschaftsrechtlichen Begründung zurückgekehrt. Er hielt darin ein Durchreichen des Schadens deshalb für möglich, weil der Alleingesellschafter allein über die Verwendung des Gewinns entscheiden könne, so dass es dem Schädiger verwehrt sei, sich darauf zu berufen, der Gewinn wäre nicht in voller Höhe ausgeschüttet worden.839 Auf diesem Umweg kam es in allen drei entschiedenen Fällen dazu, dass der Gesellschafter doch den im Gesellschaftsvermögen erlittenen Schaden seiner Beteiligungsquote entsprechend unmittelbar liquidieren konnte. Es wurde also gewissermaßen die für eine vollständige Kompensation erforderlich gehaltene Vollausschüttung vermutet. bb) Minderung des Anteilswerts Der Grund für dieses Vorgehen des BGH wird deutlich, wenn ein Blick auf die Alternative geworfen wird. Soweit nämlich die Vereitelung einer anderenfalls erfolgten höheren Gewinnausschüttung nicht nachgewiesen werden kann, soll ein Schaden nur insoweit in Betracht kommen, als dass ohne das schädigende Ereignis der Marktwert des geschädigten Gegenstandes „Beteiligung“ ein höherer gewesen wäre.840 Der Anteilswert wiederum wird unter Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Methoden zur Unternehmensbewertung ermittelt. Danach soll im Wesentlichen841 ein Mittel aus Substanz- und (langfristigem) Ertragswert maßgeblich sein, so dass sich als Berechnungsgrundlage für das Gesamtunternehmen die Formel Wert = (Ertragswert + Substanzwert) : 2 ergibt.842 Daraus folgt unmittelbar, dass jede Verringerung des aktuellen Gesellschaftsvermögens, also des Substanzwertes, sich nur zur Hälfte in einer Wertminderung widerspiegelt, so dass der 837 BGH VersR 1962, 622 (623); NJW 1974, 134 (135); zur Entwicklung der Rechtsprechung siehe auch Hüffer NJW 1977, 1285. 838 Siehe nur K. Schmidt GesR § 40 III 4 a; Lieb FS Fischer, 385; Hüffer NJW 1977, 1285. 839 BGH NJW 1977, 1283 (1284); kritisch zu dieser Annahme etwa John JZ 1979, 511 (512). 840 Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 90; Schulte NJW 1979, 2230 (2231). 841 Zu sonstigen Einflüssen, wie etwa Abschlägen wegen Ausstattung und Größe der Beteiligung (Paketzuschlag), siehe Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 83; Ganßmüller GmbHR 1977, 265 (266); John JZ 1979, 511 (513). 842 BGH VersR 1962, 622 (623); Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 83; Ganßmüller GmbHR 1977, 265 (266); John JZ 1979, 511 (513); Hüffer JuS 1976, 83 (84); Schulte NJW 1979, 2230 (2231).
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Schaden nicht in voller Höhe auf das Gesellschaftervermögen durchschlägt.843 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Ertragswert ausnahmsweise außer Betracht bleiben kann, etwa bei Liquidation oder fehlender Gewinnerzielungsabsicht.844 Es wird also durchaus gesehen, dass in der Regel eine den Schädiger entlastende Diskrepanz zwischen Gesellschaftsund Gesellschafterschaden entsteht, dies aber als Konsequenz der Vermögenstrennung vom BGH ausdrücklich hingenommen.845 Teilweise stößt ein solches Ergebnis auf Unbehagen, so dass über eine abweichende Schadensberechnung allein anhand der Substanzwerte,846 eine normative Schadensberechnung847 oder die Fiktion einer Vollausschüttung848 nachgedacht wird. In der Rechtspraxis konnte sich keine dieser Alternativvorschläge durchsetzen, so dass es bei einer Teilung zwischen hypothetisch ausgeschütteten Gewinnen und sonstigen, nur zur Hälfte durchzureichenden Schäden bleibt. Freilich hat der BGH die Konsequenzen der von ihm theoretisch entwickelten Schadensteilung bisher stets vermieden, indem er die bereits dargestellte Ausnahme für Alleingesellschafter oder ihnen gleichzustellende Mehrheitsgesellschafter schuf. cc) Kritik und Übertragung auf Personengesellschaften Hinsichtlich dieser Schadensteilung ergeben sich allerlei Kritikpunkte. Zunächst erscheint es in der Tat unbillig, wenn der Schädiger aufgrund der Einbeziehung des Ertragswerts in die Formel zur Berechnung des Unternehmenswerts entlastet wird. Das zeigen schon die verschiedenen Versuche in der Literatur, dieses Ergebnis durch eine Ausschaltung dieses Rechnungspostens zu vermeiden. Gleiches gilt für den ersichtlich vom Willen zur Kompensation getragenen Kunstgriff des BGH zum vollen Ausgleichsanspruch des Alleingesellschafters und dessen extensiver Ausweitung auch auf Mehrheitsgesellschafter. Es leuchtet zudem nicht ein, dass ein Gesellschafter besser steht, wenn seine Gesellschaft in Liquidation ist (und damit allein auf Basis von Substanzwerten kalkuliert wird), als wenn er Inhaber eines gesunden Unterneh843 Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 84 f. (mit Rechenbeispielen); Ganßmüller GmbHR 1977, 265 (266); Schulte NJW 1979, 2230 (2231). 844 Kowalski, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, S. 85 f.; Schulte NJW 1979, 2230 (2231). 845 BGH NJW 1977, 1283 (1284); Schulte NJW 1979, 2230 (2231 f.). 846 Eine lineare Überleitung des Gesellschaftsschadens auf den Anteilswert will Lieb FS Fischer, 385 (389 ff.) vornehmen; über eine Reduzierung auf Substanzwerte nachdenkend aber letztlich ablehnend auch John JZ 1979, 511 (513 f.). 847 Hüffer JuS 1979, 83 (85 f.). 848 Schulte NJW 1979, 2230 (2231 f.).
IV. Schaden
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mens ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Unterschiede im Ergebnis weniger in tatsächlichen Gegebenheiten liegen als vielmehr in den mathematischen Formeln, die zur Unternehmensbewertung, nicht aber zur Bestimmung von Gesellschafterschäden entwickelt wurden.849 Die Existenz einer Vielzahl von Bewertungsverfahren, von denen ausgerechnet auf das wohl gröbste zurückgegriffen wird,850 zeigt, dass die Berechnungsgrundlagen keineswegs zwingend sind. Ferner kann gefragt werden, was passieren soll, wenn nicht die Vereitelung eines Gewinns, sondern die Erhöhung eines Verlustes in Rede steht.851 Denn dann passt die Argumentation zur verkürzten Ausschüttung nicht mehr. In einem Urteil vom 06.10.1988 hob der BGH ein Urteil des Berufungsgerichts auf, welches einen Schaden mit der Begründung abgelehnt hatte, dass es sich bei einer Substanzverletzung nicht ohne weiteres um entgangenen Gewinn im Sinne der bisherigen BGH-Rechtsprechung handele.852 Die Vorinstanz hielt es demnach also offenbar für erforderlich, dass gerade eine Gewinnverringerung durch die Verletzung nachgewiesen werden konnte. Die Aufhebung konnte indes nur erfolgen, weil es sich um einen Alleingesellschafter handelte, dessen Schaden laut BGH ja ohnehin mit dem der Gesellschaft identisch sein soll.853 Eine weitere Stellungnahme blieb denn auch aus, so dass die den Regelfall ausmachende Handhabung für Gesellschaften mit mehreren Gesellschaftern ungeklärt bleibt. Hinsichtlich der Differenzierung zwischen mehrgliedrigen und Ein-MannGesellschaften ist fragwürdig, wo genau die Grenze zu ziehen ist, wenn auch Mehrheitsgesellschafter mit besonders hoher Beteiligung von der Ausnahme erfasst sein sollen, ihr Schaden sich dann aber doch wieder an der Höhe der Beteiligung bemisst. Soll an dem Erfordernis einer Vollausschüttung zur Annahme einer Identität der Schadenshöhe festgehalten werden, liegt es näher, dies als allgemeines Beweisproblem zu behandeln und so auch mehrgliedrigen Gesellschaften diesen Weg zu eröffnen.854 Schließlich ist die Abgrenzung anhand der hypothetischen Gewinnausschüttung überhaupt in Frage zu stellen. Denn immerhin kann eine Ausschüttung durch Beschluss jederzeit erfolgen, so dass auch in den Fällen, in denen ein Gewinn zunächst stehengelassen wurde, die Möglichkeit der spä849
In diesem Sinne auch Lieb FS Fischer, 385 (389 f.). Ganßmüller GmbHR 1977, 265 (266). 851 Auf dieses Problem hat auch schon Lieb FS Fischer, 385 (388) hingewiesen. 852 BGH NJW-RR 1989, 684. 853 BGH NJW-RR 1989, 684 (685) mit dem Hinweis, die vorherige Rechtsprechung betreffe alle Arten von Schäden am Gesellschaftsvermögen einer Ein-MannGesellschaft; ebenso schon BGH VersR 1962, 622. 854 Dazu John JZ 1979, 511 (513). 850
240 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
teren Überführung von Unternehmenswerten in das Privatvermögen entsprechend vereitelt wird. Insgesamt ist die Konstruktion des BGH und der ihm folgenden herrschenden Literatur daher ebenso wenig systematisiert wie überzeugend. Hinsichtlich der hier allein interessierenden Personengesellschaften stellt sich die Lage indes als weniger gravierend dar. Das liegt daran, dass selbst wenn der Auffassung im Zivilrecht gefolgt werden sollte, ein Durchschlagen des vollen Gesellschaftsschadens auf die Gesellschafter anzunehmen ist. Die dargestellte Handhabung ist nämlich Konsequenz daraus, dass bei der GmbH ungewiss ist, inwieweit eine Vollausschüttung des ohne die Schädigung höheren Gewinns aufgrund eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses eingetreten wäre. Bei Personengesellschaften ist aber die Gewinnausschüttung unabhängig von einem Beschluss. Vielmehr hat jeder Gesellschafter einen unmittelbaren Anspruch auf Entnahme seines Gewinnanteils, §§ 721 Abs. 2, 722 BGB, 122 HGB. Hier gilt das so genannte Prinzip der Vollausschüttung.855 Was bei der GmbH zur Voraussetzung einer Durchreichung des Schadens gemacht wird („hypothetische Vollausschüttung“), ist bei den Personengesellschaften also gesetzlich schon vorgesehen. Damit ist als Grundsatz eine Berechnung auf Basis der Substanzwerte möglich. Stellte sich bei der der GmbH noch die unbeantwortete Frage, wie vorzugehen ist, wenn nicht Gewinne vereitelt, sondern Verluste vertieft werden, ist auch dies für die Gesamthandsgesellschaft kein Problem. Da nämlich für alle Verluste jederzeit und spätestens in der Liquidation persönlich gehaftet wird, kann sich die Einbuße bei der Gesellschaft stets in voller Höhe im Vermögen der Gesellschafter niederschlagen.856 All das wird durch die entsprechenden Buchungen auf den Kapitalkonten erfasst. Damit kommt im Ergebnis also das Zivilrecht bei den Personengesellschaften ebenso wie das Strafrecht zu einer Substanzwertbetrachtung. c) Details der Schadensberechnung Bei den Personengesellschaften kann demnach der Schaden der Gesellschaft unmittelbar auf die Gesellschafter umgelegt werden. Das liegt daran, dass die einzelnen Privatvermögen in positiver wie negativer Hinsicht mit dem Schicksal des Sondervermögens verbunden sind: Für Fehlbeträge wird unmittelbar gehaftet, bei Überschüssen hat jeder einen unmittelbaren Anspruch auf seinen Anteil. Verringert sich das Gesamtvermögen, verschlechtert sich zwingend zugleich eine dieser Positionen im Individualvermögen. 855 856
Ebenroth/Boujong/Joost-Ehricke § 122 Rn. 35; Wertenbruch NZG 2005, 665. So auch Schulte NJW 1979, 2230 (2231 Fn. 4a).
IV. Schaden
241
Das Sondervermögen ist zwar rechtlich vom Privatvermögen getrennt, gleichzeitig jedoch vollkommen durchlässig ausgestaltet, so dass alle Vermögensveränderungen stets auf die Gesellschafterebene durchschlagen. Diese besondere Durchlässigkeit wird vor allem im Kontrast zur Ausgestaltung der Vermögenstrennung bei der GmbH deutlich. Bei ihr ist nämlich genau andersherum als bei den Personengesellschaften das Privat- vom Sondervermögen in positiver wie negativer Hinsicht völlig abgekoppelt: Für Schulden wird nicht gehaftet und auch Überschüsse stehen den Gesellschaftern erst nach einem entsprechenden, die Brücke zum Individualvermögen schlagenden Beschluss zu. Der Kommanditist einer KG steht zwischen beiden Extremen. Für ihn sind daher Abweichungen zu beachten, die an anderer Stelle bereits ausführlich untersucht wurden und an die hier nur kurz erinnert werden soll.857 Durch die Haftungsbeschränkung sind nämlich die Auswirkungen auf deren Vermögen in negativer Hinsicht von der Entwicklung des Gesellschaftsvermögens abgekoppelt. Die Verringerung/Nichterhöhung negativer Kapitalkonten führt daher strafrechtlich nur insoweit zu einem Schaden, als dass sicher zu erwartende, zukünftige Guthaben (Exspektanzen) vereitelt werden. Anderenfalls ist der ihm durch die Tat zugefügte Fehlbetrag zwischen den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern aufzuteilen, so dass sich deren Schaden entsprechend erhöht. Entsteht im Gesellschaftsvermögen ein Schaden, führt dieser also bei den Gesellschaftern zu einer gleichzeitigen Schädigung entsprechend ihrer Gewinn- oder Verlustbeteiligung. Der Nachteil der Gesellschaft lässt sich demnach auf die Gesellschafter überleiten. Zu quantifizieren ist er, indem auf die jeweiligen Auswirkungen auf den Kapitalanteil des einzelnen Gesellschafters geblickt wird.858 Die Berechnung erfolgt also allein auf Basis von Substanzwertveränderungen, während der darüber hinausgehende Goodwill, in dem sich die Ertragserwartungen ausdrücken, unberücksichtigt bleibt. Im Folgenden soll ein abschließender Blick darauf geworfen werden, ob ein solches Vorgehen den entstandenen Schaden adäquat widerspiegelt. Dazu können drei Konstellationen unterschieden werden. In den ersten zwei ist die Schadensberechnung anhand der Substanzwerte angemessen. Allein in der letzten ist das bisher gewonnene Ergebnis zugunsten einer Einbeziehung auch des Goodwills, also der Differenz zwischen Markt- und Substanzwert,859 zu modifizieren. 857
Siehe zur Berechnung der Schädigung eines Kommanditisten ausführlich oben C. VII. 4. c). 858 Ausführlich dazu mit Rechenbeispielen oben C. IV. 1. c). 859 Barthel DStR 1996, 1701 (1703).
242 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
aa) Schädigung eines gesunden Unternehmens Der einfachste Fall ist der, dass ein gesundes Unternehmen geschädigt und durch die Tat nicht in seiner Existenz gefährdet wird. Der Goodwill bleibt dann unberührt, so dass die Verkürzung der individuellen Vermögensrechte den Schaden des Einzelnen realistisch darstellt. Über den Substanzwert hinaus sind nämlich keine Werte betroffen. A und B sind beispielsweise Gesellschafter einer OHG, die einen Substanzwert von 50.000 Euro und aufgrund der guten Ertragsaussichten einen Marktwert von 100.000 Euro hat. Verwendet A 20.000 Euro für sich, entsteht bei B im Falle einer gleichen Beteiligung an Gewinn und Verlust ein Schaden von 10.000 Euro. Die Tat drückt zwar auch den Marktwert. Das geschieht aber allein aufgrund der nun geringeren Substanz, die ohnehin schon im Schaden erfasst ist. bb) Schädigung eines Unternehmens in der Krise Anders kann der Fall liegen, wenn die Gesellschaft im Anschluss an die Tat liquidiert werden muss und dadurch auch der Goodwill vernichtet wird. Dann geht nämlich auch ein möglicherweise über die Substanzwerte hinausgehender Unternehmenswert verloren. Die klassischen, die Rechtsprechung besonders häufig beschäftigenden Fälle sind jedoch solche, in denen zum Zeitpunkt der Tat bereits eine unabwendbare Krise vorlag. Der Zusammenbruch der ganzen Unternehmung wird vom Täter dann allenfalls beschleunigt. In solch einer Situation geht der Goodwill (soweit er überhaupt noch vorhanden ist) zwar unter. Dies kann dem Täter jedoch nicht zugerechnet werden, da auch ohne seine Tat dieser Schaden eingetreten wäre. Auf Grundlage dessen stellt es sich wiederum als zutreffend heraus, ihm allein die Verkürzung der mit der Substanzverletzung einhergehenden Schädigung anzulasten. In der Regel betrifft das die Erhöhung der Nachschusspflichten der persönlich haftenden Gesellschafter durch die Verringerung der noch zur Verfügung stehenden Haftungsmasse oder durch Erhöhung der Passiva. Falls sich das Unternehmen von A und B zum Zeitpunkt des Entzugs der 20.000 Euro schon unwiederbringlich in der Krise befand, hätte aufgrund dessen bei der Berechnung des Unternehmenswertes schon vor der Tat ein etwaiger Ertragswert außer Betracht zu bleiben. Es bleibt daher beim selben Ergebnis wie im vorherigen Beispiel.
V. Strafantrag
243
cc) Verursachung des Untergangs des Unternehmens durch die Tat An ihre Grenzen stößt die Schadensermittlung anhand der Substanzwertminderung allerdings in der letzten Konstellation. Angesprochen sind damit solche Fälle, in denen der Täter durch seine Handlung nicht nur das Sondervermögen mindert, sondern dadurch auch noch den Untergang der ganzen Gesellschaft verursacht. Dann ist ihm neben der Verringerung des Substanzwerts auch eine Vernichtung des darüber hinausgehenden Fortführungswerts anzulasten. In diesem Fall ist es nötig, auch den Goodwill in die Schadensberechnung mit einzubeziehen und den über die bloße Substanzvernichtung hinausgehenden Marktwert des Gesellschaftsanteils zum Zeitpunkt der Untreuehandlung zu berücksichtigen. Anderenfalls bliebe ein Teil des zerstörten Werts unberücksichtigt. Hätte A in dem Beispiel die ganzen 50.000 Euro der Substanz für sich verwandt und wäre dadurch das zuvor gut gehende Unternehmen in die Insolvenz geraten, ginge der gesamte Unternehmenswert von 100.000 Euro verloren. Da B hieran zu 50.000 Euro beteiligt war, ist ihm ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden. Der Substanzverlust ist daneben nicht zusätzlich in Ansatz zu bringen, da er im (darüber hinausgehenden) Gesamtwert aufgeht. In derartigen Situationen ist also doch nach betriebswirtschaftlichen Methoden der Anteilswert unter Hinzuziehung auch des Ertragsansatzes zu ermitteln und zur Grundlage der individuellen Schadensberechnung zu machen. Der Unterschied zur oben diskutierten Berechnung unter Einbeziehung des Ertragswerts liegt darin, dass nicht eine Minderung des Unternehmenswerts in Rede steht, sondern der Untergang des Anteilswerts insgesamt Gegenstand der Nachteilskalkulation ist. Das Problem einer „Verzerrung“ des Schadens aufgrund der Bewertungsformel stellt sich dabei nicht, da nicht nur der durch den Nenner beeinflusste Substanzwert (im Zähler), sondern der Marktwert insgesamt maßgeblich ist.860
V. Strafantrag Rechtsgutsinhaber und damit Verletzte im Sinne der §§ 266 Abs. 2, 247 StGB sind die einzelnen Gesellschafter hinsichtlich ihres Gesellschaftsanteils. Es findet also eine Einzelbetrachtung statt. Folglich ist für jeden Gesellschafter zu untersuchen, ob ein Näheverhältnis gegeben ist, welches das Erfordernis eines Strafantrags auslöst. Eine Verfolgbarkeit ist allein 860
Zu den Berechnungsmodalitäten des Marktpreises siehe oben G. IV. 2. b) bb).
244 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
hinsichtlich derjenigen Mitglieder möglich, die entweder in keiner privilegierenden Beziehung zum Täter stehen oder die einen Antrag gestellt haben.
VI. Zusammenfassung Es ist allgemein anerkannt, dass es bei jeder Gesellschaftsform neben dem Sondervermögen mit der Mitgliedschaft eine Vermögensposition in den Händen der einzelnen Gesellschafter gibt, die eng mit dem Gesellschaftsvermögen verzahnt ist und die von Veränderungen des Gesellschaftsvermögens stets ebenfalls betroffen ist. Für die Untreuestrafbarkeit kann daher auch beim Privatvermögen der Gesellschafter angeknüpft werden. Im Zivilrecht ist das seit langem Usus, während im Strafrecht ein solches Vorgehen kaum beachtet wird und ausführliche Auseinandersetzungen damit fehlen. Eine Vermögensbetreuungspflicht der Entscheidungsträger der Gesellschaft gegenüber den einzelnen Gesellschaftern ergibt sich auf Basis einer rechtsgeschäftlichen Beziehung recht unproblematisch dann, wenn die Verantwortungsperson Partei des Gesellschaftsvertrags ist. Darüber hinaus rechtfertigt sich die Annahme eines tatsächlichen Treueverhältnisses damit, dass jede Vertrauensstellung bezüglich des Gesellschaftsvermögens auch ein schutzwürdiges Vertrauen der einzelnen Gesellschafter begründet. Sie dürfen sich nämlich darauf verlassen, dass die Gesellschaft und damit gleichzeitig auch ihre mit dem Schicksal der Gesellschaft verquickte Beteiligung ordnungsgemäß verwaltet wird. Ein Interessenkonflikt für die Verwaltungsträger ist damit nicht verbunden, da diese nicht auf die privaten Wünsche, sondern lediglich auf die mit dem Gesellschaftsinteresse gleichlaufenden Gesellschafterinteressen Rücksicht zu nehmen haben. Ein Einverständnis in eine Schädigung kann jeder in Bezug auf seinen Anteil erklären. Falls ein zivilrechtlich wirksamer Mehrheitsbeschluss zustande kommt, ist eine Untreue zum Nachteil der Überstimmten ausgeschlossen. Deren Vermögensinteressen sind nämlich nur insoweit geschützt, als dass ihre Beteiligung satzungs- oder gesetzeswidrig geschädigt wird. Das ist bei einem ordnungsgemäßen Mehrheitsbeschluss jedoch nicht der Fall. Sollte eine Mehrheitsentscheidung hingegen aufgrund einer Treuwidrigkeit gegenüber den nicht zustimmenden Gesellschaftern unwirksam sein, kann aufgrund der Kongruenz der Schutznormen bestraft werden. Der dem Einzelnen entstehende Nachteil berechnet sich grundsätzlich danach, inwieweit sich dessen über die Kapitalkonten verwalteten Vermögensrechte durch die Tat negativ verändern. Die im Gesellschaftsvermögen entstehende Minderung kann der Gewinn- oder Verlustquote entsprechend auf
VII. Kritik
245
die einzelnen Gesellschafter übergeleitet werden. Für Kommanditisten ist dabei die Besonderheit zu beachten, dass diese nicht persönlich haften, so dass für eine Vertiefung oder Verursachung negativer Kapitalkonten die persönlich haftenden Gesellschafter zusätzlich belastet werden. Ein Durchreichen des Gesellschaftsschadens auf die Gesellschafter ist immer dann ausreichend, wenn ein Eingriff nur in die Substanzwerte vorliegt. Wird darüber hinaus durch die Tat das ganze Unternehmen vernichtet, erfolgt eine Berechnung unter Einbeziehung auch des Goodwills, so dass der Schaden dann dem (rechnerischen) Anteil am vernichteten Unternehmenswert entspricht. Hinsichtlich des Strafantragserfordernisses gilt ebenfalls eine Einzelbetrachtung. Eine Verfolgung kommt daher nur in Bezug auf den Nachteil solcher Gesellschafter in Betracht, die entweder in keiner Nähebeziehung zum Täter stehen oder aber einen Antrag gestellt haben.
VII. Kritik Zunächst einmal ist die Erkenntnis wichtig, dass im Falle einer Untreue mit Gesellschaftsbezug stets zwei Vermögensinhaber betroffen sind. Wird dies übergangen (wie es im Strafrecht üblich ist), bleibt jede Auseinandersetzung mit derartigen Konstellationen eindimensional und unvollständig. Der große Vorteil einer Anknüpfung bei den Gesellschaftervermögen ist der, dass schon auf Tatbestandsebene differenziert werden kann, um schon dort die Voraussetzungen zur Bestimmung des angemessenen Schuldumfangs zu schaffen. So kann insbesondere die Zustimmung Einzelner berücksichtigt und die insoweit irrelevante Schädigung (insbesondere die des Täters selbst) ausgesondert werden. Die Einzelbetrachtung ist dabei auch mit dem Zivilrecht, insbesondere den gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsmechanismen, abgestimmt, so dass es zu Konflikten mit dem zivilrechtlichen Rechtmäßigkeitsmaßstab nicht kommt. Hinsichtlich der Schadensberechnung wird über eine Betrachtung des Unternehmenswertes der mitunter ebenfalls vernichtete Goodwill einbezogen. Zudem besteht in erhöhtem Maße die Möglichkeit, auf in einzelnen Beziehungen bestehende Näheverhältnisse Rücksicht zu nehmen und so dem Normzweck des § 247 StGB größtmögliche Geltung zu verschaffen. Eine Verschiebung all dieses Differenzierungspotentials in den Schmelztiegel der Strafzumessung wird vermieden. Als Nachteil kann es angesehen werden, dass mit der Eröffnung einer zweiten Strafbarkeitsebene ein recht komplexes Konkurrenzverhältnis entsteht, auf das später noch näher einzugehen sein wird. Unter diesem Blickwinkel hat es durchaus einen gewissen Charme, die Konkurrenz (wie der
246 G. Folgen bei Anknüpfung an die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter
BGH in seinem Urteil von 2006) schon tatbestandlich zu lösen. Zumindest in den Fällen, in denen der Täter Partei des Gesellschaftsvertrags ist, führt jedoch kein Weg daran vorbei, sich zum Verhältnis der parallel betroffenen Vermögensebenen zu äußern. Die bisherige Handhabung im Strafrecht – eine eindimensionale Betrachtung – ist demnach vor allem deshalb einfacher, weil sie unvollständig ist beziehungsweise die zu trennenden Vermögensebenen gesellschaftsrechtswidrig vermischt. Für deren Qualität spricht das aber nicht unbedingt.
H. Schlussbetrachtung und Entscheidung In der Arbeit wurden vorstehend insgesamt fünf Szenarien für eine Untreuestrafbarkeit mit personengesellschaftlichem Bezug aufgezeigt und auf ihre Stärken und Schwächen untersucht. Ausgangspunkt ist jeweils die Vermögens- und damit die für § 266 StGB relevante Rechtsgutszuordnung: 1. Die herrschende Auffassung im Strafrecht teilt das Gesellschaftsvermögen unter Berufung auf das Gesellschaftsrecht zwischen den Gesellschaftern auf und sieht diese als anteilige Rechtsgutsträger an.861 2. Nach der traditionellen individualistischen Theorie und auch nach der nunmehr im Gesellschaftsrecht herrschenden Gruppenlehre ist die Gesellschaftergesamtheit als Inhaberin des Vermögens anzusehen.862 3. Nach einer namentlich von K. Schmidt propagierten Minderheitenmeinung ist die Gesellschaft als solche alleinige Trägerin des Gesellschaftsvermögens.863 4. Nelles schlägt eine strafrechtseigene, wirtschaftliche Betrachtung vor, wonach die Gesellschafter aufgrund ihrer alleinigen Zwecksetzungsbefugnis gemeinsame Inhaber des Sondervermögens sind.864 5. Schließlich kann beim jeweiligen Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter in Bezug auf ihre Mitgliedschaft angesetzt werden.865 Abschließend verbleibt nun zu entscheiden, welcher der vielen Wege letztendlich zu gehen ist. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die ersten vier Ansätze allein mit der Zuordnung des Gesellschaftsvermögens befassen und damit für den Untreuevorwurf allesamt auf Gesellschaftsebene anknüpfen.866 Insofern besteht Einigkeit. Uneinigkeit besteht jedoch hinsichtlich der Art und Weise der Zuordnung dieses Sondervermögens. Das führt dazu, dass diese Varianten in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stehen, 861
Siehe dazu oben C. Siehe dazu oben D. 863 Siehe dazu oben E. 864 Siehe dazu oben F. 865 Siehe dazu oben G. 866 Streng genommen lässt sich die herrschende Meinung im Strafrecht schwer einer der Vermögensebenen zuordnen, da sie die an sich getrennten Gesellschaftsund Gesellschaftersphären bis zur Unkenntlichkeit vermischt. Verbal wird jedoch daran festgehalten, dass das Gesellschaftsvermögen das relevante sein soll. 862
248
H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
sich also im Sinne verschiedener Alternativen gegenseitig ausschließen. Soll auf Gesellschaftsebene angesetzt werden, ist demnach eine Entscheidung für einen der Wege nötig. Anders sieht es mit der fünften Option aus. Dadurch, dass sie auf das Individualvermögen der Gesellschafter blickt, steht sie ergänzend neben den vier Varianten zur Anknüpfung an die Gesellschaftsebene. Mit der Einbeziehung der sonst stets übergangenen Gesellschafterebene wird jedoch eine Konkurrenzlage geschaffen. Es kann also festgehalten werden, dass sich zwei Problemkreise ergeben: Soll auf Gesellschaftsebene angeknüpft werden, ist im Streit um die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens Stellung zu beziehen. Auf Gesellschafterebene besteht eine solche Auseinandersetzung nicht. Dafür beansprucht die sich ergebende Konkurrenzlage zwischen den Ebenen weitere Aufmerksamkeit. Aus dem Nebeneinander der zwei Vermögensebenen folgt, dass deren Verhältnis in jedem Fall geklärt werden muss. Daran führt kein Weg vorbei. Sollte sich ergeben, dass eine parallele Strafbarkeit auf beiden Ebenen möglich oder aber allein beim Sondervermögen anzuknüpfen ist, bleibt ferner der Streit auf der Gesellschaftsebene zu klären. Sollte sich aber ergeben, dass allein bei den einzelnen Gesellschaftern anzusetzen ist, kann der Disput auf der dann ohnehin zurücktretenden Ebene offen bleiben. Im Folgenden wird gezeigt, dass eine Anknüpfung an das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter sowohl von den strafrechtlichen Ergebnissen (I.) als auch von der dogmatischen Begründung her (II.) am überzeugendsten ist. Ein Streitentscheid auf Gesellschaftsebene erübrigt sich letztlich, weil diese hinter der Gesellschafterebene zurücktritt (III.).
I. Vergleich der strafrechtlichen Folgen der verschiedenen Varianten In einem ersten Schritt soll zunächst ein Vergleich der verschiedenen Ansätze stattfinden. Ziel dessen ist es, sich Klarheit darüber zu verschaffen, inwieweit die verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten überhaupt im Ergebnis voneinander abweichen und wo deren Vor- und Nachteile liegen. Der Vergleich der fünf Varianten führt zu dem Ergebnis, dass die Unterschiede geringer sind, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Es ergeben sich durchaus gemeinsame Grundprinzipien. Besonders anschaulich wird dies auf Grundlage der folgenden Übersicht. Dabei wurden solche Punkte besonders markiert, bei denen sich relevante Abweichungen zu den anderen Ansichten ergeben. Eine ausführliche Erläuterung dessen erfolgt sogleich im Anschluss.
Organstellung/ Anstellungsvertrag
Jeder Gesellschafter anteilig
Quelle der Vermögensbetreuungspflicht
Einverständnis
Wg. der Einzelbetrachtung nicht thematisiert, Verletzung des Ultima Ratio Prinzips droht
Nicht nötig, da ohnehin eine Einzelbetrachtung vorgenommen wird
Nein
Schon tatbestandlich
Anteilig
In Bezug auf jeden Einzelnen zu prüfen
– Mehrheitsbeschluss
– Dispositionsschranken zum Schutz der Gesellschafter (Minderheitenschutz)
– Dispositionsschranken zum Schutz der Gesellschaft (mittelbarer Gläubigerschutz)
– Berücksichtigung der Zustimmung Einzelner
Schaden
Strafantrag gem. §§ 266 Abs. 2, 247 StGB
– Zuständigkeit
Gesellschafter als anteilige Inhaber des Gesellschaftsvermögens
Vermögens-/Rechtsgutsträger
H. M. im Strafrecht
Nur nötig, falls alle Gesellschafter erfasst sind
In voller Höhe, aber Berücksichtigung bei der Strafzumessung
In Strafzumessung
Nein
Ja, bei Treuwidrigkeit ist Einverständnis der Gesamtheit unwirksam
Möglich durch Anbindung an Beschlussgrundsätze
Alle gemeinsam durch Beschluss
Nur nötig, falls alle Gesellschafter erfasst sind
In Bezug auf jeden Einzelnen zu prüfen
Anteilig In voller Höhe, aber Berücksichtigung bei der Strafzumessung In voller Höhe, aber Berücksichtigung bei der Strafzumessung Nie nötig, da Gesellschaft nicht nahe stehend ist
Schon tatbestandlich
Nein
Nicht nötig, da ohnehin eine Einzelbetrachtung vorgenommen wird
In Strafzumessung
Nein
Ja, bei Treuwidrigkeit ist Einverständnis der Gesamtheit unwirksam
Möglich durch entsprechenden Zuschnitt des Pflichtenkreises
Jeder Gesellschafter anteilig
Alle gemeinsam durch Beschluss
Möglich durch Anbindung an Beschlussgrundsätze
Gesellschaftsvertrag/ tats. Treueverhältnis
Organstellung/ Anstellungsvertrag
In Strafzumessung
Nein
Nein, wg. inkongruenter Schutznormen keine Bestrafung
Möglich durch Anbindung an Beschlussgrundsätze
Alle gemeinsam durch Beschluss, aber für die Gesellschaft
Organstellung/ Anstellungsvertrag
Gesellschafter als jeweilige Inhaber ihres Privatvermögens
Gesellschafter als gemeinsame Inhaber des Gesellschaftsvermögens
Gesellschaft als alleinige Inhaberin des Gesellschaftsvermögens
Gesellschafter als gemeinsame Inhaber des Gesellschaftsvermögens Organstellung/ Anstellungsvertrag
Mitgliedschaft der Gesellschafter
Nelles
K. Schmidt
Trad. indiv. Theorie/ Gruppenlehre
I. Vergleich der strafrechtlichen Folgen der verschiedenen Varianten 249
250
H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
Aus der Übersicht ergibt sich, dass auf Tatbestandsebene alle Ansichten sowohl hinsichtlich des „Ob“ (Strafbarkeit überhaupt) als auch bezüglich des „Wie“ (Schuldumfang) meist zum selben Ergebnis kommen (1.). Dazu gibt es nur zwei relativ begrenzte Ausnahmen, auf die sogleich näher eingegangen wird. Gravierende Unterschiede ergeben sich jedoch im Rahmen des Strafantragserfordernisses (2.). 1. Tatbestandsebene Egal welchem Verständnis gefolgt wird, befinden sich Verantwortungsträger stets gleichermaßen in einem täterschaftsbegründenden Pflichtenverhältnis. Die letzte Variante unterschiedet sich konstruktiv allein dadurch, dass in solchen Fällen, in denen der Entscheidungsträger nicht zugleich gesellschaftsvertraglich mit den Gesellschaftern verbunden ist, ein mit der Organstellung/dem Anstellungsvertrag einhergehendes tatsächliches Treueverhältnis die Grundlage der Betreuungspflicht darstellt. Bezüglich des Einverständnisses gilt der Grundsatz, dass eine Straffreiheit nur dann in Betracht kommt, wenn ein Gesellschafterbeschluss vorliegt, der in der Regel einstimmig, bei entsprechender gesellschaftsvertraglicher Regelung aber auch mit Mehrheit zustande kommen kann. Bei Anknüpfung auf Gesellschaftsebene ergibt sich das daraus, dass dann „die Gesellschaft“ (unabhängig vom dogmatischen Verständnis) zugestimmt hat. Auf Gesellschafterebene schließt die Summe der Zustimmungen die Strafbarkeit ebenso aus. Im Falle eines wirksamen Mehrheitsbeschlusses muss der Überstimmte sich daran festhalten lassen, dass keine Pflicht zur Wahrung seiner abweichenden Individualinteressen vorliegt.867 Die einzige Ausnahme zur Regel, dass ein nicht treuwidriger Beschluss stets zur Straffreiheit führt, stellt die herrschende Meinung im Strafrecht dar. Diese geht nämlich auf die Anbindung an die Beschlussfassung nicht weiter ein. Damit läuft sie Gefahr, auch bei Vorliegen eines wirksamen Mehrheitsbeschlusses entgegen dem Ultima Ratio Prinzip wegen einer Untreue zum Nachteil der Minderheitengesellschafter zu bestrafen.868 Andersherum steht immer dann eine Strafbarkeit im Raum, wenn mindestens ein Gesellschafter nicht zustimmt: Gilt das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip, kann jede Stimme die Entlastung verhindern. Besteht ein Mehrheitsprinzip, kommt es darauf an, ob die Zustimmung wegen Treuwidrigkeit unwirksam ist. Ist das der Fall, kann bestraft werden. Das gilt auf Gesellschafterebene gleichermaßen wie auf Gesellschaftsebene, da insofern 867 868
Siehe dazu ausführlich oben G. III. Siehe dazu die Kritik unter C. VII. 3.
I. Vergleich der strafrechtlichen Folgen der verschiedenen Varianten
251
ein Gleichlauf mit der gesetzlichen oder vertraglichen Verwaltungsbefugnis besteht.869 Allein rechtskonstruktiv besteht der Unterschied, dass nicht ein gemeinsames, sondern einzelne Zustimmungen erteilt werden. Auch zu dieser Gemeinsamkeit gibt es nur eine Ausnahme: Wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft als solche Vermögensträgerin ist, kann nämlich auch bei Treuwidrigkeit eines Mehrheitsbeschlusses nicht bestraft werden. Das liegt daran, dass die zur Unwirksamkeit führende Norm die Gesellschafter und nicht etwa die Rechtsgutsträgerin „Gesellschaft“ schützen soll. Die Inkongruenz der Schutzzwecke steht nach diesem Verständnis dann einer Bestrafung (jedenfalls auf Gesellschaftsebene) entgegen.870 Bleibt es dabei, entsteht dadurch eine strafrechtliche Schutzlücke. Beide dargestellten Grundsätze betrafen das „Ob“ der Strafbarkeit. Hinsichtlich des Schuldumfangs (des „Wie“) sind die Gemeinsamkeiten sogar noch größer. Denn nach allen Ansichten ist für das Strafmaß maßgeblich, inwieweit den einzelnen Gesellschaftern ein Individualschaden entstanden ist und ob Einzelne zugestimmt haben; das gilt insbesondere auch insoweit, als dass der Täter selbst beteiligt ist. Ein Unterschied besteht allein hinsichtlich der Konstruktion. Die Ansichten, die aufgrund einer Gesamtbetrachtung auf Tatbestandsebene eine Alles-oder-Nichts-Lösung vornehmen, müssen zur Ermittlung des Unwertgehalts der Tat die Betroffenheit Einzelner in der Strafzumessung berücksichtigen. In bestimmten Konstellationen kann das etwa dazu führen, dass die Regelwirkung eines tatbestandlich gegebenen besonders schweren Falls dann doch als widerlegt gelten muss.871 Das betrifft die Varianten zwei bis vier, die auf die Gesellschaft beziehungsweise die Gesellschaftergesamtheit als Rechtsgutsträgerin blicken. Die Einzelbetrachtungen legen hingegen bereits auf Tatbestandebene ein feineres Raster an und kommen somit auf anderem Wege zum selben Ergebnis. Die Frage nach der Beachtlichkeit der individuellen Betroffenheit reduziert sich damit auf eine rein rechtskonstruktive. In der Sache dürfte Einigkeit bestehen, dass der Unrechtsgehalt und damit auch das Strafmaß identisch sein muss. Insgesamt ergibt sich also, dass auf Tatbestandebene die Ergebnisse (unter Einbeziehung der Strafzumessung) weitgehend gleich sind. Ausgenommen ist davon zum einen die herrschende Ansicht, jedoch nur in dem speziellen Fall, dass ein Mehrheitsprinzip gilt und ein nicht treuwidriger Mehrheitsbeschluss gegeben ist. Zum anderen muss bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher bei Vorliegen eines treuwidrigen Mehrheitsbeschlusses – das heißt im genau umgekehrten Fall – eine Strafbarkeit ausscheiden. 869 870 871
Siehe dazu G. III. Siehe dazu E. III. 1. a) und E. VII. Siehe dazu D. IV.
252
H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
2. Strafantragserfordernis Ganz gravierende Unterschiede ergeben sich jedoch hinsichtlich des Erfordernisses eines Strafantrags bei Vorliegen der in § 247 StGB genannten Nähebeziehungen. Je weiter der Rechtsgutsträger gedanklich von den Einzelpersonen gelöst wird, desto weniger Bedeutung kommt dem Antrag zu: Die zwei Ansichten, die bei den einzelnen Gesellschaftern anknüpfen, lassen noch maximalen Raum für die Berücksichtigung eines Näheverhältnisses und dem damit verbundenen Bedürfnis nach interner Konfliktlösung. Hinsichtlich jedes einzelnen Betroffenen ist nämlich zu untersuchen, ob in Bezug auf seine Verletzung eine Privilegierung vorliegt. Das ermöglicht einen umfassenden Spielraum für entsprechende Differenzierungen. Als anderes Extrem wird eine Rücksichtnahme auf eine familiäre oder sonst begünstigte Beziehung dann unmöglich gemacht, wenn die Gesellschaft als solche als Opfer angesehen wird. Selbst bei reinen Familiengesellschaften kommt es somit stets zu einem Eingreifen der Staatsgewalt. Mit Blick auf den Normzweck des § 247 StGB ist dies eine missliche Lage. Dass die Rechtsprechung das offenbar ebenso sieht, wird besonders im vergleichbaren Fall der GmbH deutlich, bei der sich selbiges Problem stellt. Der BGH sieht sich genötigt, in dogmatisch nicht nachvollziehbarer Weise die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zu durchbrechen, wenn er trotz der offenkundigen und unbestrittenen Zuordnung des Vermögens zur Gesellschaft im Rahmen der §§ 266 Abs. 2, 247 StGB auf einmal doch die Gesellschafter als Geschädigte ansieht. Dass eine solches Hin- und Herschieben des Rechtsguts je nach gewünschtem Ergebnis abzulehnen ist, wurde bereits an anderer Stelle dargelegt.872 Es zeigt jedoch, dass über das Bedürfnis interner Konfliktbewältigung nicht leichtfertig hinweggegangen werden sollte. Einen Mittelweg bieten schließlich die zwei Konzepte, die auf die Gesellschaftergesamtheit blicken. Eine Verfolgung scheidet dann aus, wenn sämtliche Gesellschafter nahe stehend sind und keiner von ihnen einen Antrag gestellt hat. Anderenfalls kann die Tat insgesamt verfolgt werden. Das bedeutet, dass auch hier der Schutz des § 247 StGB weitgehend ausgehebelt wird. Erheblichere Diskrepanzen ergeben sich also hinsichtlich der Strafverfolgung. Das darf zwar nicht überbewertet werden. Diese Unterschiede werden nämlich nur dann relevant, wenn überhaupt dem Täter nahe stehende Personen an der Gesellschaft beteiligt sind. Indes wird das gerade bei personengesellschaftlich organisierten Unternehmen nicht selten der Fall sein.
872
Siehe die Kritik unter C. VII. 5.
II. Dogmatische Begründung der verschiedenen Ansichten
253
3. Zwischenergebnis Hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen der verschiedenen Ansichten ergibt sich also, dass es durchaus vorteilhaft ist, wenn schon hinsichtlich der Rechtsgutszuordnung eine möglichst individualbezogene Sichtweise angelegt wird. Das vermeidet Problemverschiebungen in die Strafzumessung, eine Beeinträchtigung des Normzwecks des § 247 StGB und das Entstehen von Schutzlücken.
II. Dogmatische Begründung der verschiedenen Ansichten Vor dem Hintergrund der so dargestellten Präferenz für eine Einzelbetrachtung gilt es noch den entscheidenden Blick auf das jeweilige dogmatische Verständnis der verschiedenen Konstruktionen zu werfen. Denn es geht nicht allein darum, sich ein Wunschergebnis auszusuchen. Vielmehr muss sich darüber hinaus vor allem die rechtskonstruktive Begründung des entsprechenden Ausgangspunkts, also der Rechtsgutszuordnung, als tragfähig erweisen. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich im Wesentlichen aus der Kritik, die zu den einzelnen Ansichten bereits im Anschluss an die jeweilige Darstellung geäußert wurde. Nun, da alle denkbaren Ansätze offen liegen, kann im Folgenden entschieden werden, welcher von ihnen hinsichtlich seiner dogmatischen Grundlagen am stärksten ist. Es stellt sich als am überzeugendsten heraus, bei einer Untreue mit personengesellschaftlichem Bezug die einzelnen Gesellschafter hinsichtlich ihres Privatvermögens als die Opfer der Straftat anzusehen. Auf dem Weg zu diesem Ergebnis werden die letztlich ausschlaggebenden Kernbedenken gegen die verschiedenen anderen Ansichten im Folgenden noch einmal kurz vor Augen geführt. 1. Herrschende Ansicht im Strafrecht Unter dem Gesichtspunkt dogmatischer Stringenz kann zunächst jedenfalls eine Ansicht eindeutig ausgeschieden werden. Und zwar die im Strafrecht herrschend vertretene. Zwar führt die aus der Aufteilung des Gesellschaftsvermögens resultierende Einzelbetrachtung zu weitgehend angemessenen Ergebnissen im obigen Sinne. Das Kernproblem ist jedoch, dass aufgrund der Vermischung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene ein mit gesellschaftsrechtlichen Kategorien nicht mehr zu fassender Hybrid entsteht.873 Trotz der verbalen Berufung auf die privatrechtliche Vermögens873
Siehe dazu oben B. VII. 1. a).
254
H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
zuordnung geschieht in Wahrheit genau das Gegenteil. Aufgrund des Bruchs mit dem Prinzip der Trennung zwischen Sonder- und Privatvermögen entstehen kaum überwindbare Unsicherheiten. Das strafrechtliche Verständnis der Vermögensordnung der Personengesellschaften hat mit dem gesetzlich vorgesehenen nicht mehr viel zu tun, so dass unklar bleibt, wie die von einer Vermögenstrennung ausgehenden Vorschriften des Gesellschaftsrechts angewendet werden sollen, um in positiver Hinsicht Hilfestellung zu leisten und in negativer Hinsicht dem Ultima Ratio Prinzip Rechnung zu tragen. Das wird etwa im Rahmen der Schadensberechnung deutlich, die in der Praxis bis heute auf keinem gefestigten Fundament steht. Der Grund dafür ist schlicht darin zu sehen, dass nicht klar ist, wie genau die jeweils betroffene Vermögensmasse überhaupt definiert ist. Dadurch, dass im Strafrecht ein Mischgebilde entsteht, passt die im Privatrecht gängige Definition der verschiedenen Vermögensmassen jedenfalls nicht mehr. Ähnliches gilt für die Bestimmung des zu beachtenden Pflichtenmaßstabs. Die auf Gesellschaftsebene ansetzende Geschäftsführungsbefugnis und deren Erweiterung durch einen Gesellschafterbeschluss passen nicht ins Bild der undifferenzierten Einzelbetrachtung der Gesellschaftervermögen. Dass dieser Maßstab daraufhin ganz weggelassen wird, führt nur zu weiteren Widersprüchen mit dem Zivilrecht. Obgleich also die Ergebnisse der herrschenden Ansicht mit der Annahme einer Einzelbetrachtung dem favorisierten Ergebnis grundsätzlich entsprechen, ist dieser Weg in Ermangelung einer tragfähigen Begründung und der damit verbundenen fehlenden Handhabbarkeit dennoch eindeutig abzulehnen. 2. Strafrechtseigene Betrachtung Nelles’ Die von Nelles entwickelte wirtschaftliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens auf Basis der Zwecksetzungsbefugnis hat den Vorteil, dass sie sich auf den ersten Blick von den doch recht komplexen gesellschaftsrechtlichen Strukturen frei macht und so eine Betrachtung ermöglicht, die unabhängig von allen Unzulänglichkeiten und Unsicherheiten im Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand ist. Dabei geht jedoch einer der entscheidenden Vorteile der Zivilrechtsakzessorietät verloren. Denn gerade bei Tatbeständen mit generalklauselartigen Merkmalen wie der Untreue leistet die Anbindung an außerstrafrechtliche Normen einen wichtigen Beitrag zur Konkretisierung der Verhaltenspflichten und damit zur Rechtssicherheit. Zudem ist aufgrund des Ultima Ratio Prinzips eine Beachtung zivilrechtlicher Maßstäbe unumgänglich, so dass eine Emanzipation vom Gesellschaftsrecht ohnehin nur in engen Grenzen
II. Dogmatische Begründung der verschiedenen Ansichten
255
möglich ist. Insbesondere bezüglich der Pflichtverletzung und des Einverständnisses führt kein Weg daran vorbei, dem zivilrechtlichen Rechtmäßigkeitsmaßstab Rechnung zu tragen, wenn keine Bestrafung gesellschaftsvertraglich erlaubter Verhaltensweisen stattfinden soll.874 Daher kann eine Abkehr von privatrechtlichen Regelungen allenfalls fragmentarischen Charakter haben. Das streitet entscheidend für eine einheitliche, am Gesellschaftsrecht orientierte Vorgehensweise. 3. Gesellschaftsrechtliche Theorien zur Zuordnung des Gesellschaftsvermögens Damit ist dann auch schon der Blick auf die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung um die Vermögenszuordnung bei den Personengesellschaften gelenkt. Zunächst ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass im vorliegenden Kontext der „klassische“ Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand eine Verschiebung erfährt: Im Zentrum des Interesses steht nämlich nicht die über 100 Jahre diskutierte Frage, ob die Gesellschaft überhaupt rechtsfähig ist oder nicht. Die traditionelle, die Rechtsfähigkeit schlichtweg verneinende Auffassung kommt hinsichtlich der Vermögenszuordnung nämlich zum selben Ergebnis wie die heute herrschende, die der GbR und allen anderen Personengesellschaften die Rechtsfähigkeit zwar zuspricht, jedoch nicht „als solcher.“875 Nach beiden Ansichten sind die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit Träger des Gesellschaftsvermögens. Zu einem abweichenden Ergebnis kommt nur, wer über die Anerkennung der Rechtsfähigkeit hinaus diese auch der Gesellschaft „als solcher“ zuschreibt und damit gedanklich von ihren Mitgliedern trennt. Die für § 266 StGB entscheidende Kluft hinsichtlich der Rechtsgutszuordnung verläuft also nicht zwischen den Attributen rechtsfähig/nicht rechtsfähig, sondern zwischen der Klassifizierung als rechtsfähig in der Verbundenheit ihrer Gesellschafter (beziehungsweise nicht rechtsfähig) und rechtsfähig „als solche.“ Da die traditionelle Auffassung heute kaum mehr relevant ist, konzentriert sich die folgende Kritik auf die Konzeptionen der seit dem Grundsatzurteil des zweiten Zivilsenats des BGH aus dem Jahr 2001 herrschenden Gruppenlehre sowie der dazu vor allem von K. Schmidt alternativ entwickelten Ansicht zur Rechtsfähigkeit der GbR als solcher.876
874
Siehe dazu F. III. Dazu ausführlich oben B. I. 2. b) aa); entsprechend wurden beide Ansichten unter E. gemeinsam behandelt. 876 Siehe zu beiden Auffassungen oben B. I. 2. b). 875
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
a) Im Gesellschaftsrecht herrschende Gruppenlehre Für die Annahme, dass die Gesellschaftergesamtheit Rechtsgutsinhaberin ist, spricht unter rein praktischen Gesichtspunkten die Tatsache, dass dies der ganz überwiegenden Auffassung im Gesellschaftsrecht entspricht. Soll das Strafrecht in diesem Punkt akzessorisch ausgestaltet sein, kommt es so am ehesten zum erstrebten Gleichlauf mit dem gängigen strafrechtsexternen Verständnis. Jedoch weist die herrschend vertretene Konzeption gerade hinsichtlich der Vermögenszuordnung gravierende Schwächen in ihrer Begründung auf und ist diesbezüglich offenbar vor allem vom gewünschten Ergebnis getragen. In zahlreichen lange umstrittenen Rechtsfragen führt die Anerkennung der Rechtsfähigkeit im Vergleich zur traditionellen Theorie zu einem gewandelten Verständnis der Gesamthand. Allein hinsichtlich der Vermögensträgerschaft wird die mit der Anerkennung einer eigenen Rechtsfähigkeit verbundene Neuerung durch den Passus, die Gesellschaft sei nicht als solche, sondern nur in der Verbundenheit ihrer Gesellschafter rechtsfähig, zurückgenommen. Das dahinter stehende Motiv ist offenkundig: Die Abgrenzung zu den juristischen Personen soll aufrechterhalten werden, um die bisherige Systematisierung der Verbandstypen nicht zu sprengen.877 Eine schlüssige Begründung ist das aber nicht. Vielmehr hat sich mit der Schaffung einer neuen Art von Rechtsfähigkeit, die zwischen der „echten“ Rechtsfähigkeit der juristischen Personen (in der neuen Terminologie: Rechtspersönlichkeit) und der Nicht-Rechtsfähigkeit der reinen Innengesellschaften liegen soll, die Lage zusätzlich verkompliziert. Eine Systemverwirrung zwischen Gesamthandsgesellschaften und juristischen Personen wird nur um den Preis vermieden, dass es zu einer nicht weniger verwirrenden und bis heute ungeklärten Aufspaltung des Begriffs der Rechtsfähigkeit kommt. Wo es gewünscht ist, wird die nunmehr anerkannte Fähigkeit der Gesellschaft, Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein, als Jahrhundertereignis zelebriert und in die Praxis umgesetzt. Dort, wo dieselbe Annahme zu schwierigen Systemfragen führen würde, wird am tradierten Denken festgehalten. Unter dogmatischen Gesichtspunkten ist das alles andere als einleuchtend. Es handelt sich eher um ein aus der Not geborenes Kind, um den Aufwand zu vermeiden, der mit einer Neuordnung der Verbandstypen verbunden wäre. Im Vordergrund steht der Wille, zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen. Die herrschende Ansicht im Gesellschaftsrecht ist nach alledem zwar in ihrer Anwendung handhabbar und beherrscht darüber hinaus auch die Praxis. Rechtskonstruktiv überzeugend wird sie dadurch jedoch nicht. 877
Siehe dazu ausführlich oben B. I. 2. b).
II. Dogmatische Begründung der verschiedenen Ansichten
257
b) Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher Aus den genannten Gründen erscheint es daher ehrlicher und stringenter, mit der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft Ernst zu machen und sie somit als solche als Trägerin der Rechte und Pflichten und damit auch des Gesellschaftsvermögens anzuerkennen. Die aus diesem Verständnis resultierenden Systemfragen lassen sich dadurch in Grenzen halten, dass das Dogma der Rechtsträgerschaft als entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen juristischer Person und Gesamthand aufgegeben wird. Stattdessen können die sonstigen Strukturunterschiede in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken, die die im Vergleich zur juristischen Person engere Bindung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter demonstrieren (Selbstorganschaft, Einstimmigkeitsprinzip, persönliche Haftung, Erfordernis mehrerer Mitglieder, keine freie Übertragbarkeit der Anteile).878 Wenn sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Behandlung auch der Gesamthandsgesellschaften als rechtsfähig vorteilhaft ist, besteht also keineswegs eine Notwendigkeit, hinsichtlich der Vermögenszuordnung hiervon eine systematisch wenig einleuchtende Ausnahme zu machen. Dogmatisch ist also diese Auffassung durchaus überzeugender. Es spricht daher viel dafür, diese Konstruktion zur Grundlage der Zuordnung des Gesellschaftsvermögens zu machen. Aus strafrechtlicher Sicht hat das indes die unschöne Folge, dass sich der Anknüpfungspunkt für die Untreuehandlung am weitesten von der Einzelbetrachtung entfernt. Damit ist die dargestellte Problemverschiebung in die Strafzumessung, eine vollständige Ausschaltung des § 247 StGB und das Entstehen von strafrechtlichen Schutzlücken bei unwirksamen Mehrheitsbeschlüssen unvermeidbar. Diese Resultate sind unerwünscht, können jedoch wenig daran ändern, dass die entsprechende Vorgehensweise sich in ihrer gesellschaftsrechtlichen Begründung als am stärksten herausgestellt hat. Auf Gesellschaftsebene ist das dann die notwendige Konsequenz. 4. Mitgliedschaft im Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter Auf Gesellschaftsebene ergibt sich somit ein Bild, wonach alle Ansichten entweder in ihrer Begründung wenig einsichtig oder aber hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Rechtsfolgen unerwünscht sind. Die Lösung für dieses Dilemma liegt darin, auf Gesellschafterebene anzuknüpfen und die einzelnen Mitglieder als Opfer der Untreue anzusehen. 878
Siehe dazu oben B. I. 2. b) bb).
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
Ein solches Vorgehen deckt sich mit dem Gesellschaftsrecht und trägt der Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen Rechnung. Es ist im Zivilrecht unbestritten, dass es mit der Mitgliedschaft eine werthaltige Vermögensposition in den Händen der Gesellschafter gibt. Das bedeutet, dass unabhängig davon, welcher Auffassung zur Rechtsfähigkeit der Gesamthand gefolgt wird, jedenfalls daneben das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter steht. Da insofern Einigkeit besteht, kann im Rahmen des § 266 StGB der entsprechende Streit auf Gesellschaftsebene sogar dahinstehen. Das macht den Umgang mit entsprechenden Untreuefällen nicht nur gesellschaftsrechtskonform, sondern auch noch wesentlich einfacher. Die Zivilrechtsakzessorietät sorgt zudem für Rechtssicherheit, die daraus resultiert, dass endlich die Grundlagen der als sinnvoll erachteten Einzelbetrachtung auch für das Strafrecht als geklärt gelten können. Darüber hinaus ist diese Handhabung weder im Strafrecht noch im Zivilrecht eine große Umstellung. Im Privatrecht ist in Literatur und Rechtsprechung eine Untreue zum Nachteil der Beteiligung der Gesellschafter und die damit verbundene Möglichkeit von individuellen Schadensersatzansprüchen (§ 823 Abs. 2 BGB) seit langem anerkannt.879 Allein an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entsprechenden strafrechtlichen Grundlagen dafür mangelte es bisher. Im Strafrecht hat sich die Einzelbetrachtung ebenfalls seit Jahrzehnten eingebürgert. Dass dabei ein unzutreffendes Verständnis der Gesamthand zugrunde gelegt wurde, kann nun korrigiert werden, ohne die im Grundsatz für gut befundenen Ergebnisse aufgeben zu müssen. Auf einem anderen dogmatischen Weg werden nämlich ganz ähnliche Resultate erzielt. Über den Austausch der Begründungen hinaus ergeben sich nur dort Veränderungen, wo bisher ohnehin entweder weitgehende Unklarheit herrschte (Schadensberechnung) oder aber eine Verletzung des Ultima Ratio Prinzips drohte (Beachtung des gesellschaftsrechtlichen Dürfens, insbesondere bei Mehrheitsbeschlüssen). Straf- und Gesellschaftsrecht können damit auf eine einheitliche Linie hinsichtlich der Bejahung von Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB und der Annahme einer Untreue gemäß § 266 StGB geführt werden. Insgesamt ergibt sich also, dass eine Anknüpfung an die Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter nicht nur aufgrund der strafrechtlichen Resultate am Besten ist, sondern darüber hinaus auch durch die gesellschaftsrechtliche Begründung überzeugt.
879 Siehe dazu oben B. III. 2. und G. II. 2., insbesondere auch zur in der Regel nicht gegebenen Durchsetzbarkeit.
III. Auflösung der Konkurrenz zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene 259
III. Auflösung der Konkurrenz zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene Nachdem sich herausgestellt hat, dass die Annahme einer Untreue zum Nachteil der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter den Ansätzen auf Gesellschaftsebene überlegen ist, stellt sich noch ein letztes Problem: Dadurch, dass die parallelen Vermögensebenen existieren, sind bei einer Untreue stets zugleich die Gesellschaft im Gesellschaftsvermögen und deren einzelne Mitglieder in ihrem Privatvermögen betroffen. Das ergibt sich daraus, dass es aufgrund der rechtlichen Trennung der Vermögensmassen zu einer Verdoppelung der betroffenen Rechtsträger kommt. Werden etwa einer OHG 100.000 Euro entzogen, entsteht der Gesellschaft (welches Verständnis man auch zugrunde legen mag) in ihrem Sondervermögen ein Nachteil von 100.000 Euro. Gleichzeitig vermindert sich dadurch das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter (dargestellt auf den Kapitalkonten) um zusammen ebenfalls 100.000 Euro.880 Die rechtliche Trennung legt es zunächst nahe, den Täter aus zwei parallel verwirklichten Delikten zugunsten zweier verschiedener Rechtsgutsträger zu bestrafen. Gegen eine solche zweifache Bestrafung spricht allerdings die Erwägung, dass sie nicht dem Schuldgehalt der Tat entspricht. Denn zur Rechtsgutsverdoppelung kommt es allein aufgrund der formaljuristischen und gesellschaftsspezifischen Trennung der Vermögensmassen. Der Unrechtsgehalt beider Taten ist jedoch identisch. Materiell gesehen schlägt sich derselbe Schaden nur gleichzeitig auf beiden Ebenen nieder. Als konkurrenzdogmatische Figur verdient insofern das eng mit dem Schuldprinzip zusammenhängende Mehrfachverwertungsverbot (Doppelverwertungsverbot) Beachtung. Dieses verbietet es, dem Täter denselben Umstand und dieselben Unrechtselemente mehrfach zur Last zu legen.881 Um das zu verhindern erscheint es notwendig, auf Konkurrenzebene eine der Taten auszuscheiden. Die Vorteile der angestrebten Annahme einer Untreue zum Nachteil der Gesellschafter können zudem überhaupt nur dann zum Tragen kommen, wenn die stets gleichzeitig verwirklichte Untreue zum Nachteil der Gesellschaft zurücktritt. Einige der vorteilhaften Ergebnisse der Einzelbetrachtung würden nämlich anderenfalls durch die gleichzeitige Untreue auf der Gesellschaftsebene umgangen. Zu denken ist insbesondere an die Aushebelung des Strafantragserfordernisses: Während auf Gesellschafterebene aus Rücksicht auf die Nähebeziehung eine Strafverfolgung wie gewünscht ausschei880 Zu einem gegebenenfalls höher anzusetzenden Schaden aufgrund einer Vernichtung auch des Goodwills siehe G. IV. 2. c). 881 MüKo-StGB-v. Heintschel-Heinegg Vor §§ 52 ff. Rn. 16, 22 ff. m. w. N.; grundlegend Jakobs AT Abschnitt 31 Rn. 12.
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
den müsste, würde wegen derselben Tat auf Gesellschaftsebene doch bestraft, da dort nach den näher in Betracht zu ziehenden Ansichten stets ein gröberes Raster gilt. Bei einer parallelen Strafbarkeit bestünde ferner die Notwendigkeit, sich im gesellschaftsrechtlichen Streit um das richtige Verständnis der Vermögensträgerin „Gesellschaft“ für eine der als suboptimal empfundenen Konstruktionen zu entscheiden. 1. Konsumtion der Untreue zum Nachteil der Gesellschaft In Fällen, in denen der Unrechtsgehalt eines Delikts regelmäßig und typischerweise den eines anderen mit umfasst, kommt die Ausscheidung eines Delikts im Wege der Konsumtion in Betracht, da dann der Unwert des Gesamtgeschehens durch die Aburteilung der einen Tat erschöpft wird (lex consumens derogat legi consumptae).882 Werden die zwei Taten (wie hier) durch eine Handlung begangen, wird das Zurücktreten einer von ihnen terminologisch als mit abgegoltene Begleittat bezeichnet, im Bereich der Handlungsmehrheit wird von mitbestrafter Vor- oder Nachtat gesprochen.883 Unstreitig handelt es sich bei der Konsumtion nicht um einen logischen, sondern einen wertenden Entschluss, das rezessive durch das dominante Delikt zurücktreten zu lassen.884 Jedoch kommt es auch auf das Tatbild im konkreten Einzelfall an. Für ein Zurücktreten des Begleitdelikts ist danach dann kein Raum mehr, wenn es gerade nicht dem regelmäßigen, typisierten Bild entspricht, das sonst zur grundsätzlichen Annahme einer Konsumtion führt.885 Soll von den gleichzeitig verwirklichten Untreuen an die zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter angeknüpft werden, kann dementsprechend die daneben begangene Straftat zu Lasten der Gesellschaft zurücktreten. Denn die letztere Tat weist nach dem oben gesagten gerade keinen über die ersteren Taten hinausgehenden Unrechtsgehalt auf. Ihre Existenz ist eine reine Folge der gesellschaftsrechtlichen (Doppel-)Struktur und betrifft denselben 882 BGH NJW 2002, 150 (151); LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 144 f.; Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 124; Kühl AT § 21 Rn. 62. 883 Kühl AT § 21 Rn. 63; Wessels/Beulke Rn. 793; Geppert Jura 1982, 418 (425); zur Definition der Nachtat in diesem Sinne auch BGHSt 38, 366 (369). Andere Verständnisse dieser Begriffe sind nicht unüblich, siehe etwa Roxin AT II § 33 Rn. 213 ff. 884 LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 144; MüKo-StGB-v. Heintschel-Heinegg Vor §§ 52 ff. Rn. 49; Fahl GA 1996, 476 (483); Geppert Jura 1982, 418 (425) spricht insoweit von einem „Sammelbecken für alle Fälle, bei denen weder Spezialität noch Subsidiarität bejaht werden können.“ 885 BGH NJW 2001, 150 (152); LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 147; Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 126; Fahl GA 1996, 476 (483).
III. Auflösung der Konkurrenz zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene 261
Unrechtsvorwurf. Sie stellt zudem eine typische, ja sogar rechtlich notwendige Begleittat dar. Die Voraussetzungen der Konsumtion sind danach offenbar erfüllt. 2. Bedenken gegen die Annahme einer Konsumtion Auf zwei mögliche Kritikpunkte an dieser Lösung ist im Folgenden jedoch noch näher einzugehen. Beide beschäftigen sich mit der Frage, ob tatsächlich der Unrechtsgehalt der einen Tat den der anderen vollständig enthält. Wie bereits angedeutet ist die Grundlage zur jeweiligen Beantwortung der Natur der Konsumtion eine wertende Betrachtung. Es gilt also Argumente zu finden und Vergleiche zu in Literatur und Rechtsprechung behandelten Fallgruppen zu ziehen. a) Unterschiedliche Rechtsgutsträger Erstens fällt auf, dass – zumindest rein formaljuristisch – auf den zwei Vermögensebenen verschiedene Rechtsgutsträger betroffen sind. Das wirft die Frage auf, ob eine Konsumtion auch in solchen Fällen in Betracht kommt. Denn immerhin wird dann die Tat zu Lasten des einen Rechtsgutsträgers aufgrund der Bestrafung der Tat zu Lasten des anderen gar nicht mehr geahndet. Wie viele andere Problemkreise im normativ geprägten Bereich der Konsumtion ist auch dieser insgesamt wenig geklärt. Fallgruppen, in denen dies virulent wird, werden uneinheitlich behandelt. Als richtungweisend können diesbezüglich zunächst zwei jüngere Urteile des BGH gelten: Im einen ging es um die Frage, ob der Diebstahl an einer Scheckkarte (§ 242 StGB) hinter dem anschließend mit ihr begangenen Computerbetrug (§ 263a StGB) zurücktritt (Konsumtion in Form einer mitbestraften Vortat).886 Im anderen war zu entscheiden, ob der Diebstahl am Inhalt eines aufgebrochenen Tankautomaten (§§ 242, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB) die damit verbundene Sachbeschädigung (§ 303 StGB) erfasst (Konsumtion in Form einer Begleittat).887 In der ersten Entscheidung begründete der erste Strafsenat die Annahme einer Tatmehrheit mit der Erwägung, dass sich die Delikte „gegen verschiedene Rechtsgüter und Rechtsgutsträger richten,“ nämlich Karteninhaber und Geldinstitut.888 In der zweiten musste die Rechtsfrage zwar nicht entschieden werden, da das Gericht aufgrund des im Verhältnis zur Beute (8.000 DM) hohen Schadens am Automaten (20.000 DM) jedenfalls einen atypischen Charakter der Begleittat annehmen 886 887 888
BGH NJW 2001, 1508. BGH NJW 2002, 150. BGH NJW 2001, 1508 f.
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
und damit zur Tateinheit gelangen konnte.889 In einem obiter dictum ging der Senat aber auf das Verhältnis von §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 und § 303 StGB ein. Hierbei nahm er auf das zuerst genannte Urteil Bezug und befand wiederum, dass die mögliche Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter und Rechtsgutsträger gegen die Annahme einer Konsumtion spricht.890 In der Literatur findet diese Begründung hinsichtlich beider Formen der Konsumtion (Begleittat und Nachtat) Zustimmung.891 Danach scheint die Betroffenheit verschiedener Rechtsgutsträger generell gegen ein Zurücktreten eines der Delikte zu sprechen. Hinsichtlich der hier interessierenden Begleittaten gilt jedoch Folgendes: In anderen, geradezu klassischen Beispielsfällen der Konsumtion wird weder die Verschiedenheit der Rechtsgüter noch die der Rechtsgutsinhaber als Problem empfunden. Hinsichtlich der Betroffenheit verschiedener Rechtsgüter kann auf die allgemeine Ansicht zum Zurücktreten der mit einem Totschlag (§ 212 StGB) verbundenen Sachbeschädigung der Kleidung (§ 303 StGB)892 oder der mit einer Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202) einhergehenden Beschädigung des Umschlags (§ 303 StGB)893 verwiesen werden. Teilweise wird sogar explizit bemerkt, dass die Verletzung verschiedener Rechtsgüter in Abgrenzung zu Spezialität und Subsidiarität für die Konsumtion gerade wesensbestimmend sei.894 Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass soweit ersichtlich in der Kommentarliteratur gar ausschließlich derartige Fälle aufgeführt werden.895 Anderenfalls bliebe in der Tat von der Konsumtion neben den anderen Formen der unechten Gesetzeskonkurrenz wenig übrig. Insofern ist die Bezugname auf die Verschiedenheit der Rechtsgüter zur Begründung einer Ideal- oder Realkon889
BGH NJW 2002, 150 (152). BGH NJW 2002, 150 (151). 891 Lackner/Kühl § 263a Rn. 28; Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 128; Rengier BT I § 14 Rn. 38; ders. JuS 2002, 850 (854 f.); Wohlers NStZ 2001, 539 f.; Seher JuS 2004, 482 (483). 892 Jeweils m. w. N. Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 125; SK-Samson/Günther Vor § 52 Rn. 98; Fahl GA 1996, 476 (479). 893 Jeweils m. w. N. Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 125; Tröndle/Fischer § 202 Rn. 16; SK-Samson/Günther Vor § 52 Rn. 98; Kühl AT § 21 Rn. 61; Fahl GA 1996, 476 (479); Geppert Jura 1982, 418 (426); anders aber wieder, wenn der Brief verbrannt wird, da dann die Beschädigung über die typische Begleittat hinausgeht: Fahl GA 1996, 476 (483); Schönke/Schröder-Stree/ Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 126. 894 LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 145; Roxin AT II § 33 Rn. 215; Seher JuS 2004, 482 (483). 895 Siehe nur die Fallgruppen bei Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 125. Anderes soll für Nachtaten gelten, Roxin AT II § 33 Rn. 220. 890
III. Auflösung der Konkurrenz zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene 263
kurrenz nicht nachvollziehbar.896 Richtig ist für Begleittaten wohl eher das Gegenteil. Aber auch hinsichtlich einer Verschiedenheit der Rechtsgutsinhaber läst sich kein allgemeiner Grundsatz feststellen, wonach dies einer Konsumtion im Wege steht.897 Denn im Gegensatz zu den oben besprochenen Urteilen stört sich in anderen Konstellationen wiederum niemand an der fehlenden Identität der Interessenträger. So ist es beispielsweise allgemein anerkannt, dass bei einem Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) eine zugleich verwirklichte Körperverletzung der Frau (§ 223 StGB) konsumiert wird,898 obgleich ersterer Tatbestand das Leben des Ungeborenen und letzterer die körperliche Unversehrtheit der Frau schützt. Letztlich scheint also auch hier eine normative Betrachtung angezeigt zu sein, die danach fragt, ob der Unrechtsgehalt der einen Tat den der anderen typischerweise enthält. Dabei kann die Verschiedenheit der Rechtsgutsträger durchaus ein Indiz dafür sein, dass dies nicht der Fall ist und daher eine Idealkonkurrenz vorliegt.899 Andererseits wurde deutlich, dass der Unrechtsgehalt zweier Delikte aufgrund der normativen Betrachtung durchaus auch rechtsträgerübergreifend als identisch beurteilt werden kann. Es kommt also auf die Bewertung des in Rede stehenden Tatbildes an. Beim Verhältnis von § 218 und § 223 StGB liegt es etwa aufgrund der körperlichen Identität der rechtlich getrennten Schutzgüter durchaus nahe, dass das Unrecht des Schwangerschaftsabbruchs die damit stets einhergehende Körperverletzung mit umfasst, auch wenn rein formal zwei verschiedene Schutzsubjekte betroffen sind. Ganz ähnlich ist die hier zu entscheidende Konstellation gelagert. Denn auch die Schädigung der Gesellschaft und die der Gesellschafter ist tatsächlich betrachtet eins. Nur rechtlich tritt eine Trennung der Sphären ein. Da das Sondervermögen zwar der Gesellschaft zusteht, diese aber den Gesellschaftern über ihre Beteiligung vermittelt gehört, ist der Unrechtsgehalt der parallel verwirklichten Taten vollkommen deckungsgleich. Einer doppelten Bestrafung läge derselbe Vorwurf zugrunde. Einer Konsumtion steht daher in diesem Fall die Verschiedenheit der Rechtsgutsträger nicht entgegen.
896 Anders mag dies für die hier nicht weiter zu behandelnden Fälle der mitbestraften Vor- oder Nachtat sein, siehe Roxin AT II § 33 Rn. 220. 897 So auch Fahl JA 2002, 541 (543); ders. GA 1996, 476 (478 ff.). 898 BGHSt 10, 312 (314); Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 125; LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 146; Tröndle/Fischer Vor § 52 Rn. 43; Lackner/Kühl Vor § 52 Rn. 27; SK-Samson/Günther Vor § 52 Rn. 98; Roxin AT II § 33 Rn. 217; Fahl GA 1996, 476 (479). 899 Ebenso Fahl JA 2002, 541 (543 Fn. 20).
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
b) Sperrwirkung der Gesellschafterebene auch bei Straffreiheit? Als problematisch kann sich ferner herausstellen, dass Konstellationen denkbar sind, in denen auf Gesellschafterebene eine Verfolgung ausscheidet, obgleich dies (je nach vertretener Auffassung) auf der verdrängten Gesellschaftsebene noch möglich wäre. Die Ergebnisse auf beiden Ebenen sind also nicht stets deckungsgleich. Das wirft die Frage auf, ob auch dann noch von einem zur Straffreiheit führenden Vorrang der Gesellschafterebene ausgegangen werden kann, wenn hinsichtlich der (grundsätzlich zurücktretenden) Tat zum Nachteil der Gesellschaft an sich eine Bestrafung angezeigt wäre. Relevant wird das in dem Fall, in welchem alle Mitglieder nahe stehende Personen sind und kein Strafantrag gemäß §§ 266 Abs. 2, 247 StGB gestellt wurde. Hinsichtlich der verdrängenden Untreue zu Lasten der einzelnen Gesellschafter wäre dann eine Verfolgung ausgeschlossen. Die Aufrechterhaltung dieser Privilegierung ist eines der erklärten Ziele der Einzelbetrachtung. Damit kann nun aber die Gesellschaftsebene konfligieren: Denn zumindest dann, wenn die Gesellschaft selbst als Rechtsgutsträgerin verstanden wird, liegt aufgrund der Entbehrlichkeit eines Strafantrags bezüglich der Untreue zu ihren Lasten insofern eine an sich verfolgbare Tat vor. Falls es in derartigen Situationen zu einem Rückgriff auf die (sonst zurücktretende) Begleittat kommen muss, wäre insoweit der Vorteil der Einzelbetrachtung, die gewollte Straflosigkeit, bedeutungslos. Dieser Konflikt entsteht allein bei der Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher. Begreift man sie nämlich als Gruppe der Gesellschafter, so ergibt sich wegen der privilegierten Stellung der Gesellschaftergesamtheit auch auf Gesellschaftsebene ein (gemeinsames) Strafantragserfordernis. Auch dort muss dann die Verfolgung ausbleiben. Nach der im Strafrecht herrschenden (und ohnehin schon abgelehnten) Meinung erübrigt sich dieses Problem ebenfalls. Da nämlich eine (gesellschaftsrechtswidrige) Verschmelzung der Vermögenssphären stattfindet, kann es zu Widersprüchen ohnehin nicht kommen. Zu klären bleibt die Frage nach einem möglichen Konflikt der Vermögensebenen dennoch. Denn die hier verfolgte Prämisse, dass die Gesellschaftsebene stets zurücktreten und damit der auf ihr geführte Streit dahinstehen kann, erweist sich nur dann als tragfähig, wenn sie hinsichtlich aller vertretenen Möglichkeiten gleichermaßen gilt. Unter welchen Voraussetzungen eine an sich konsumierte Tat wieder auflebt wenn die Haupttat nicht geahndet wird, ist in allen Details umstritten und zerfällt in zahlreiche Fallgruppen, die je nach Autor variieren. Trotz aller Unklarheiten dürfte aber über folgende Punkte im Wesentlichen Einigkeit bestehen: Dem Gedanken der Konsumtion entsprechend überzeugt der Grundsatz, dass bei einer fehlenden Bestrafung der Haupttat die Begleittat wieder aufleben muss. Da nämlich die Haupttat dann gerade ungeahndet
III. Auflösung der Konkurrenz zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene 265
bleibt, lässt sich schwerlich sagen, das Unrecht der sonst zurücktretenden Tat wäre mit abgegolten.900 Das gilt für materielle Hinderungsgründe (zum Beispiel fehlende Rechtswidrigkeit oder Schuld, Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgründe) ebenso wie für verfahrensrechtliche (Verjährung, Strafantrag, Auslieferungsbeschränkung).901 Ausnahmen sollen jedoch dann gelten, wenn die vorrangige Vorschrift den Täter privilegiert, da ein Rückgriff auf das verdrängte Gesetz anderenfalls die intendierte Begünstigung unterlaufen würde.902 Im hier zu untersuchenden Konkurrenzverhältnis kann es zunächst materiellrechtlich zu keinen Unterschieden auf den beiden Strafbarkeitsebenen kommen. Das liegt zum einen daran, dass es sich um die Anwendung desselben Tatbestands (§ 266 StGB) handelt. Zum anderen bezieht sich der jeweilige Strafbarkeitsvorwurf auch noch auf dieselbe Handlung. Ein Auseinanderfallen der Ergebnisse ist daher in dieser Hinsicht nicht zu erwarten. Anders sieht es hingegen (wie eingangs dargestellt) auf verfahrensrechtlicher Seite bezüglich des Strafantragserfordernisses aus. Sind alle Gesellschafter nahe stehende Personen und stellt keiner von ihnen einen Strafantrag, so droht beim Aufleben der grundsätzlich verdrängten Gesellschaftsebene die von den §§ 266 Abs. 2, 247 StGB gewollte Begünstigung vereitelt zu werden. Nach dem soeben dargestellten Regel-Ausnahme-System zum Aufleben der Begleittat wäre wegen der Privilegierungswirkung an sich auch hinsichtlich der Untreue in der Gesellschaftssphäre eine Sperrwirkung anzunehmen. Zu bedenken ist jedoch, dass es sich bei der Gesellschaft nach dem hier zugrunde liegenden Verständnis zumindest formaljuristisch um einen eigenen Rechtsgutsträger handelt. Das ist deshalb problematisch, weil eine Sperrwirkung – gewissermaßen als Gegenausnahme – wiederum dann nicht in Betracht kommen soll, wenn durch die an sich verdrängte Tat ein Rechtsgutsträger geschützt wird, auf den sich die Privilegierung gar nicht bezieht.903 Eine Schmälerung dessen Schutzes sei nämlich vom Antrags900 So die ständige Rechtsprechung, siehe nur BGHSt 38, 366 (369); 39, 233 (235). Dem schließt sich die ganz herrschende Meinung in der Literatur an, siehe nur die umfangreichen Nachweise bei Roxin AT II § 33 Rn. 237 Fn. 244. 901 Tröndle/Fischer Vor § 52 Rn. 46; LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 96; Roxin AT II § 33 Rn. 228. 902 Generalisierend Tröndle/Fischer Vor § 52 Rn. 46; LK12-Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 96; Geppert Jura 1982, 418 (429); speziell zum Strafantragserfordernis BGHSt 19, 320 (321); MüKo-StGB-v. Heintschel-Heinegg Vor §§ 52 ff. Rn. 71; Jakobs AT Abschnitt 31 Rn. 47; zu privilegierenden Tatbeständen BGH 30, 235 (236); Roxin AT II § 33 Rn. 230. 903 Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 141; MüKoStGB-v. Heintschel-Heinegg Vor §§ 52 ff. Rn. 71; Fahl GA 1996, 476 (486).
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
erfordernis gerade nicht bezweckt.904 Der in der Literatur zur Illustration gern gebrauchte Fall ist folgender: Ein Täter bricht in das gemietete Haus seiner Eltern ein und stiehlt deren Sachen. Stellen sie keinen Strafantrag (§ 247 StGB), soll gleichwohl wegen der sonst konsumierten Beschädigung der Tür des Hauseigentümers (§ 303 StGB) bestraft werden können.905 Denn insofern besteht keine Privilegierung. Dieses Beispiel muss mittlerweile zwar wohl als überholt gelten, da sich der BGH in derartigen Fällen unter Zustimmung großer Teile der Literatur gerade vom Grundsatz einer Konsumtion abgewendet hat.906 Das dahinter stehende Prinzip macht es jedoch nach wie vor gut deutlich. Grundsätzlich ist es danach einleuchtend, dass ein Antragserfordernis nicht „zu Lasten Dritter“ angewandt und damit deren Schutzbedürfnis umgangen werden darf. Diese Regel kann im Umkehrschluss jedoch dann nicht gelten, wenn ausnahmsweise kein eigenes Schutzbedürfnis besteht. Bezüglich der Gesellschaftsebene ist das hier der Fall. Eine Ablehnung der Sperrwirkung ließe sich nämlich allein damit begründen, dass anderenfalls dem Integritätsinteresse der Gesellschaft nicht Rechnung getragen würde. Ein solches existiert aber gar nicht. Im Rahmen des Einverständnisses wurde bereits erörtert, dass das formale Gebilde „Personengesellschaft“ keinem von den Gesellschaftern verschiedenen Eigeninteresse zugänglich ist.907 Es handelt sich vielmehr um ein juristisches Gebilde, dem sich die Mitglieder zur Wahrnehmung ihrer eigenen Aktivitäten bedienen. Wenn nun eine Verfolgung entgegen dem Willen der Gesellschafter im Raume steht, muss die Frage gestellt werden, welchem Schutzbedürfnis das dienen soll. Um im Bild zu bleiben: Eine „Sperrwirkung zu Lasten Dritter“ ist deshalb nicht zu befürchten, weil der Dritte in diesem Fall schlichtweg keine über die der Beteiligten hinausgehenden schützenswerten Belange hat, die dadurch preisgegeben würden. Jede abweichende Annahme liefe auf eine Bestrafung zugunsten der Rechtsform als Selbstzweck hinaus. Ein Bedürfnis dafür ist jedenfalls im Bereich der Personengesellschaften nicht ersichtlich.908 904 Darin liegt denn auch der Unterschied zur soeben behandelten Frage, ob die Verschiedenheit der Rechtsgutsinhaber der Konsumtion insgesamt im Wege steht: Dort ging es um die Möglichkeit, den Unrechtsgehalt einer Tat über die formale Grenze der Rechtsträger hinweg als einheitlich zu bewerten. Hier geht es um den Schutzzweck einer privilegierenden Norm. 905 Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben Vorbem §§ 52 ff. Rn. 141; MüKoStGB-v. Heintschel-Heinegg Vor §§ 52 ff. Rn. 71; Fahl GA 1996, 476 (486). 906 Siehe dazu die Besprechung von BGH NJW 2002, 150 oben unter H. III. 2. a). 907 Siehe dazu oben unter E. III. 1. b). 908 Anders mag dies im Bereich der Kapitalgesellschaften sein, wo ein eigenständiger Kapitalschutz im Gläubigerinteresse in der Rechtsform angelegt ist. Siehe dazu oben unter E. III. 1. b) aa) (3) und (4) für die GmbH.
IV. Ergebnis
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Die Straffreiheit, die die Gesellschafter durch eine Zustimmung vor der Tat herbeiführen können, findet also ihre Verlängerung darin, dass nach der Tat diese ohne ihre Zustimmung auch nicht verfolgt werden kann. In beiden Fällen wird damit nicht etwa die zivilrechtliche Vermögenstrennung durchbrochen, sondern vielmehr an solchen Stellen, die einer teleologischen Betrachtung zugänglich sind, eine am Rechtsgüterschutz orientierte Auslegung vorgenommen, um eine Bestrafung bar jeglichen Schutzzwecks zu vermeiden. Es kann also auch bei Annahme einer Vermögensträgerschaft der Gesellschaft als solcher bei einer Verdrängung der Gesellschaftsebene bleiben. Eine Bestrafung im Widerspruch zur Gesellschafterebene ist damit ausgeschlossen und der Weg zur Bejahung der Konsumtion geebnet.
IV. Ergebnis Die Arbeit hat ergeben, dass von den verschiedenen Vorgehensweisen sowohl hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen als auch ihrer dogmatischen Konstruktion die Annahme einer Untreue zum Nachteil des Privatvermögens der einzelnen Gesellschafter am überzeugendsten ist. Auf Gesellschaftsebene verdient jedenfalls die herrschende Ansicht im Strafrecht Ablehnung, da sie in ihrer Begründung entgegen der gängigen, anders lautenden Beteuerungen in hohem Maße gesellschaftsrechtswidrig ist und dadurch zahlreiche Unsicherheiten in das Strafrecht trägt. Letztlich ist eine Streitentscheidung auf Gesellschaftsebene aber entbehrlich. Die auf ihr parallel zur Gesellschafterebene verwirklichte Untreue tritt nämlich ohnehin im Wege der Konsumtion zurück. Die für richtig gehaltene Handhabung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 266 StGB lässt sich im Detail dem obigen Abschnitt G entnehmen. In weiten Teilen entsprechen die Ergebnisse der Einzelbetrachtung der bisherigen herrschenden Auffassung im Strafrecht, die zumindest diesbezüglich überwiegend positiv bewertet werden konnte. Mit dem hier aufgezeigten Weg wurde dieses Verständnis indes auf eine abweichende dogmatische Grundlage gestellt, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang steht und damit für Rechtssicherheit und eine Beachtung des privatrechtlichen Rechtmäßigkeitsmaßstabs sorgt. Wo nötig wurden auf Basis dessen Korrekturen vorgenommen, zum Beispiel hinsichtlich des Einverständnisses zur Vermeidung eines Bruchs mit dem Ultima Ratio Prinzip. In ihrer Behandlung bisher unklaren Tatbestandsmerkmalen, insbesondere der Schadensberechnung, wurden zudem Konturen verliehen. Ferner vermeidet das Vorgehen eine Problemverschiebung in die Strafzumessung, das Entstehen von Schutzlücken und trägt dem Normzweck der §§ 266 Abs. 2, 247 StGB
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H. Schlussbetrachtung und Entscheidung
Rechnung. Schließlich gelingt es damit auch, ein Fundament und einen Gleichlauf mit der im Gesellschaftsrecht schon bisher gängigen Annahme von Individualansprüchen einzelner Gesellschafter aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB wegen Verletzung ihrer Beteiligung herzustellen. Es bleibt zu hoffen, dass die vorliegende Untersuchung zumindest Anlass gibt, über die bisherige Handhabung der Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften noch einmal kritisch nachzudenken.
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Sachverzeichnis Actio pro socio 52 Aktie 45 Alles-oder-Nichts-Prinzip 105 f., 160, 165, 192, 193, 200, 251 Anteil am Gesellschaftsvermögen, siehe Vermögensanteil Anteilige Schädigung 64 ff., 108 ff. Asymmetrische Akzessorietät 106 f., 173 Auseinandersetzungsguthaben 72, 80, 82 f., 109, 234 Ausgleichspflicht, siehe Nachschusspflicht Außergewöhnliche Geschäfte 148 f., 156, 157, 170
Eigeninteresse der Gesellschaft 154 ff., 174 ff. Eingeschränkte Gesellschaftertheorie 178 ff., 183 ff. Einlage 64 ff., 66 f., 84, 108 ff. Einverständnis 61 f., 104 ff., 141 ff., 164, 169 ff., 197 f., 229 ff., 250 Einzelbetrachtung 58 f., 101, 253 f., 257, 258, 267 Entnahme 72, 80 ff. Ermessensspielraum 153, 158, 160, 198 Existenzvernichtender Eingriff 180, 185, 187, 190 Exspektanz 126 ff., 241
Beeinflussung von Vermögensrechten, siehe Verkürzung von Vermögensrechten Beschlussfassung, siehe Gesellschafterbeschluss Beschränkte Kommanditistenhaftung, siehe Kommanditist Bestimmtheitsgebot 110, 153, 221 Beteiligung, siehe Mitgliedschaft Bruchteilsgemeinschaft 23, 100, 162, 202, 234 Buchgewinne und -verluste 72, 86 f., 90
Faktische Betrachtung 38 Faktisches Treueverhältnis, siehe tatsächliches Treueverhältnis Fester Kapitalanteil 73, 109 Freistellungsanspruch 69 ff., 112 Fremdorganschaft 208, 214
Differenzhypothese 116 ff. Dispositionsbefugnis 145 ff., 171 ff., 249 Dispositionsmacht, siehe Zwecksetzungsbefugnis Doppelschädigung, siehe mittelbare Schädigung
Gefährdungsschaden 65 ff., 110 ff., 126 ff. Gesamthand 24 ff., 98 ff. Gesamtschuld 68 ff. Geschäftsanteil 45 f. Geschäftsführungsbefugnis 142 ff., 197, 254 – Einzelgeschäftsführung 147 f., 157 – Gesamtgeschäftsführung 148, 156 f. – Mehrheitsprinzip 148, 157 – Umfang 147 ff., 157 f. Gesellschafterbeschluss 149 ff., 169 ff., 197 f., 250
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Sachverzeichnis
– Einstimmigkeitserfordernis 149 ff., 156, 158, 172 ff., siehe auch Minderheitenschutz – Mehrheitsbeschluss 149 ff., 156, 158, 170, 172, 226, 230, 244, 249, 250 – Notwendigkeit 149, 158, 169 f., 171 – Treubindung, siehe Treuwidrigkeit des Einverständnisses Gesellschafterfreundlicher Durchgriff 236 f. Gesellschafterschaden, siehe mittelbare Schädigung Gesellschaftertheorie 177 f., 183 ff. Gesellschaftsanteil 46 Gesellschafts- und Gesellschafterebene 45, 99 f., 201 f. Gesellschaftsvermögen 23 ff., 72 f., 99 f., 103, 140, 202, 247 f. Gesellschaftszweck, siehe Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens Gewinn- und Verlustverteilung 71 ff., 78 ff., 110, 236, 241 Gewöhnliche Geschäfte 148 f., 156, 157 GmbH – Dispositionsbefugnis 62, 136 f., 154 f., 175 ff. – Einverständnis 62, 169 ff., 230 f. – Schaden bei Überschuldung 75 f., 115 ff. – Strafantrag 94, 134 ff., 163, 252 – Unbeschränkte Haftung 122 – Vermögensschaden 135 – Vermögenszuordnung 135 ff., 252 GmbH & Co. KG 56, 60, 62, 64 f., 94, 121, 134, 136, 163, 189 ff., 208, 213 Goodwill 125, 234, 241, 245 Gravierende Pflichtverletzung 153 Gruppenlehre 27 ff., 55, 100, 103, 154, 247, 256 Hafteinlage 66 ff. Haftsumme 66 ff.
Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten 65 ff., 110 ff., 132 Haftungskonzentration 209, 212, 213, 216 Individualistische Theorie, siehe traditionelle individualistische Theorie Inkongruente Schutzzwecke, siehe Treuwidrigkeit des Einverständnisses Interessenwahrungspflichten, siehe Minderheitenschutz Juristische Person 26, 29, 34, 135, 167 f., 256 f., 266 Kapitalanteil 71 ff., 81 f., 90 ff., 109, 125, 132, 234, 240 f. Kapitalerhaltung 178 ff., 183 ff., 224 Kapitalgesellschaft, siehe juristische Person Kapitalkonto, siehe Kapitalanteil Kick-Back 148 Kommanditist 66, 68, 70, 84 ff., 90, 114, 125 f., 156, 241 Kompensation, siehe Schadenskompensation Komplementär 66, 83 f., 130 Kongruenz der Schutzzwecke, siehe Treuwidrigkeit des Einverständnisses Konkurrenz zwischen den Vermögensebenen 49 ff., 201, 205, 228, 232, 245 f., 259 ff. Konsumtion 260 ff. Kopfteilregress 71 Körperschaftstheorie 176 f., 182, 188 Lehre von der kollektiven Einheit, siehe Gruppenlehre Liquidationsbilanz 72, 109, 125 Loyalitätspflichten, siehe Minderheitenschutz Marktwert der Beteiligung 125, 233 f., 237 ff.
Sachverzeichnis Mehrheitsbeschluss, siehe Gesellschafterbeschluss Minderheitenschutz 150 ff., 172 ff., 193, 198, 226, 230, 244, 249 Miteigentum 23, 162 Mitgliedschaft 44 ff., 65, 72, 100, 125, 193 f., 201 ff., 215, 222, 224, 229 f., 233, 244, 247, 257 f. Mittelbare Schädigung 49 ff., 63, 191, 193 f., 201, 205, 231 ff. Nachschusspflicht 72 f., 79, 82 f., 85, 234, 242 Nachteil, siehe Vermögensschaden Negative Beeinflussung von Vermögensrechten, siehe Verkürzung von Vermögensrechten Negativer Kapitalanteil 82 f., 85 f., 126 ff. Organpflichten gegenüber den Mitgliedern 211 f. Person 26, 29, 58, 97 f. Personenverband 31 Pflichteinlage 66 f., 84, 108, 114, siehe auch Einlage Pflichtenkonzentration, siehe Haftungskonzentration Pflichtwidrigkeitszusammenhang 114 Privatautonomie 150 f. Rechtsfähigkeit 26, 28 ff., 97, 101 ff., 139, 167, 255 f. Rechtsgutsvertauschung 178, 183 f. Rechtsnatur der Gesamthand 22 ff. Rechtspersönlichkeit 26, 29 ff., 56 ff., 97, 101, 134, 139, 154, 167, 216, 256 Rechtssubjektivität 26 Reflexschaden, siehe mittelbare Schädigung Regelbeispiel 161, 251
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Regressanspruch, siehe Freistellungsanspruch Reinvermögen 125, 132 Relevanz der Personengesellschaften 1 Risikogeschäfte 153, 160 Saldierungsprinzip 62 f., 89, 119 f., 232, siehe auch Schadenskompensation Schaden, siehe Vermögensschaden Schadensgleiche Vermögensgefährdung, siehe Gefährdungsschaden Schadenskompensation 89 ff., 160 Schädigungsverbot 151 f. Schuldprinzip 106, 132, 259 Schutzwürdiges Vertrauen 223 f. Selbstorganschaft 61, 207 f. Sonderrechtsbereich 31 Sondervermögen, siehe Gesellschaftsvermögen Stammkapital, siehe Kapitalerhaltung Steuervorteile 90 ff. Stille Reserven und Verluste 72, 86, 109, 125 Strafantrag 74, 93 f., 133 ff., 161 ff., 165, 192, 194, 243 f., 249, 251, 259, 264 ff. Strafzumessung 19, 106, 113, 160 f., 165 f., 192, 193, 198, 200, 245, 249, 250, 257 Substanzwert 125, 234, 237 f., 240 ff., 245 Tatsächliche Verfügungsmacht 222 f. Tatsächliches Treueverhältnis 217 ff., 250 Traditionelle individualistische Theorie 25 ff., 55, 97 f., 100, 103, 139 ff., 154, 247, 255 f. Trennungsdenken 191, 237 Treuwidrigkeit des Einverständnisses 150 ff., 158, 171 ff., 198, 230, 250 f. – gegenüber den Mitgesellschaftern 150 ff., 172 ff., 198, 230
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Sachverzeichnis
– gegenüber der Gesellschaft 154 ff., 174 ff., 198 – Kongruenz der Schutzzwecke 173 f., 184, 193 f., 198, 226 f., 230, 244 Überschuldung, siehe Vermögenslosigkeit Ultima Ratio Prinzip 20, 106, 142, 146, 149, 164, 197, 199, 249, 250, 254, 258 Umsatzsteuerstatistik 1 Verbandsperson 31 Verfahrenseinstellung 19 f. Verkürzung von Vermögensrechten 76 ff., 124 ff., 234, 236 f., 240 ff. Verlustverteilung, siehe Gewinn- und Verlustverteilung Verlustvortrag 79 Verlustzuweisungsgesellschaft 90 ff. Vermögensanteil 44 ff., 65, 72, 109, 132 Vermögensbegriff 40, 63, 119 Vermögensbetreuungspflicht 59 ff., 104, 141, 143, 169, 197, 203 ff., 249 Vermögenslosigkeit 75 f., 115 ff. Vermögensnexus 222 f., 224, 228, 240 f., 244 Vermögensschaden 62 ff., 107 ff., 115 ff., 160 f., 192, 198, 231 ff., 249 Vermögensträgerschaft, siehe Vermögenszuordnung
Vermögenszuordnung 22 ff., 56 ff., 96 ff., 139 ff., 167 ff., 201 ff., 247, 249, 253, 254, 256 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 212 ff. Vertrauensnexus 224, 228, 244 Vertretungsbefugnis 142 ff. Vollausschüttung des Gewinns 236 ff. Vorzugsdividende 80 f., 84 Wertanteil am Gesellschaftsvermögen, siehe Vermögensanteil Widerspruchsrecht 147, 156, 157 Wirtschaftliche Betrachtung – der Schadensberechnung 63, 71, 75 f., 111, 119 ff. – der Vermögenszuordnung 37 ff., 177, 183, 196, 222, 236, 247, 254 Zivilrechtsakzessorietät – der Vermögensbetreuungspflicht 218 – der Vermögenszuordung 1 f., 20, 37 f., 56 ff., 97, 125, 135, 140, 164, 193, 196, 253 ff. – des Einverständnisses 106 f., 146 ff., 164, 193, 199 f., 245, 253 ff. Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 51 f., 148, 151 f., 157, 197, 199, 210, 224, 231 f. Zwecksetzungsbefugnis 41 f., 196, 199, 247, 254