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German Pages [92] Year 1964
HYPOMNEMATA H E F T 10
HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR A N T I K E U N D ZU I H R E M N A C H L E B E N
Herausgegeben von Albrecht Dxhle / H a r t m u t Erbse Wolf-Hartmut Friedrich / Christian Habicht Bruno Sneil
Heft 10
V A N D E N H O E C K v r : . II ^ u u ^^ u j lI I υ vj >_»
Ich nenne hier noch einmal das schon erwähnte Zeichen f ü r K a t a l e x e ( Λ ); vgl. Halporn-Ostwald, „ E r k l ä r u n g der metrischen F a c h a u s d r ü c k e " , z . B . katalektischer jambischer Vierfüßer: ia 4 * H i n z u k o m m t das Zeichen f ü r Synkope (vgl. S. 7), z . B . synkopierter kretischer T e t r a m e t e r : cr 4 8 y : 19
) Ich richte mich nach der „Lateinischen M e t r i k " von Halporn-Ostwald, Göttingen 1962, die mir B r u n o Snell zuletzt noch in D r u c k f a h n e n zugänglich machte, doch weichen meine Notierungen des Colon Reizianum u n d des Versus Reizianus b e w u ß t von der genannten Metrik ab. 2 Maurach
Liedschlüsse Wir fragen nach der Gliederung plautinischer Lieder. Dabei muß zunächst festgestellt werden, wo Plautus einen Einschnitt im Ablauf der Worte und Metren gemacht hat. Geht man dabei nur vom Inhalt aus, ergeben sich zuweilen mehrere gleich gute Möglichkeiten, den Text zu gliedern. So muß ein formales Kriterium hinzutreten, um Sicherheit zu schaffen. Solche formalen Kriterien gibt es, sie sind recht zahlreich und von relativ hoher Sicherheit. Einige metrische Kriterien sollen nun in folgender Weise gewonnen werden: Wir werden zunächst typische Arten des Canticum-Schlusses betrachten und dabei feststellen können, daß bestimmte formale Anzeichen des Liedabschlusses auftreten, die dann an dieser Stelle Zeichen f ü r ein Innehalten, f ü r das Ende einer Periode sind. Sind diese Zeichen erst einmal zusammengestellt, wird zu prüfen sein, ob sich die gleichen Zeichen auch im Liedinnern finden. Zunächst also sollen einige Liedschlüsse betrachtet werden. Nun ist zu beobachten, daß Lieder besonders gern mit einer Klausel schließen. Es sollen daher zunächst einmal einige Beispiele f ü r solchen „Klauselschluß" untersucht werden.
1. Amph. 653 Alcumena tritt nach dem Fortgange Juppiters klagend auf die Bühne und singt eine der schönsten lyrischen Partien, die Plautus geschaffen hat. Da beklagt sie nach einer Einleitung ihre Verlassenheit, findet dann (v. 641a ff.) ein Trostmittel im Gefühl des Stolzes über die Virtus des Gatten; im letzten Abschnitt singt sie getröstet und voller Zuversicht einen Hymnus auf die Virtus (648ff.): virtus praemiumst optumum. virtus omnibus rebus anteit profecto. libertas, salus, vita, res et parentes patria et prognati tutantur, servantur 20 ). virtus omnia in sese habet, omnia adsunt bona, quem penest virtus. 20
) Zur Skandierung vgl. Anm. 52.
ba3A ba 4 ba 4 ba 4s v ba 4 cr
Klauselschluß
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Leo wird wohl recht h a b e n , w e n n er d a s letzte K o l o n als K o l o n R e i z i a n u m (c r ) bezeichnet, i m Gegensatz zu Sudhaus 2 1 ), w e n n es a u c h selten v o r k o m m t , d a ß ein c r n a c h Baccheen s t e h t . H i e r bezeichnet die K l a u s e l d e n Liedschluß. I h r e v o n den Baccheen abweichende R h y t h m i k bereitet auf d e n u n m i t t e l b a r folgenden Schluß vor, i n d e m sie anzeigt, d a ß m i t d e m E n d e dieses r h y t h m i s c h e n Gebildes a u c h das E n d e des Liedganzen e i n t r e t e n wird, zu d e m diese Klausel als Schlußfigur gehört. N a c h d e m K o l o n R e i z i a n u m liegt ein s t a r k e r E i n s c h n i t t : d a s M e t r u m wechselt, n u n spricht nicht m e h r Alcumena, sondern A m p h i t r u o , der freudig seiner T a t e n gedenkt, sich d a n n a n Sosia wendet u n d erst n a c h ein p a a r Dialogversen das Dreiergespräch beginnen l ä ß t . Die Klausel leitet hier also nicht e t w a sacht ü b e r zu d e n Langversen, sie b e w i r k t keinen „fließenden Ü b e r g a n g " , sondern sie schließt d a s Lied endgültig a b u n d s t e h t so in einer deutlichen Kompositionsfuge. Die Klausel ist hier Zeichen f ü r ein gliederndes I n n e h a l t e n . I c h weise hier schon auf ein f ü r P l a u t u s typisches Schlußschema h i n : die Klausel, die d e n Schluß m a r k i e r t , ist vorbereitet d u r c h einen v o m n o r m a l e n b a 4 abweichenden Vers, den synkopierten ba 4 . U n m i t t e l b a r v o r der Klausel s t e h t ein voller ba 4 , also ein „ n o r m a l e r " Vers, wie die beiden Verse n a c h d e m einleitenden ba 3 " u n d n a c h d e m ba 4 s v. So geht das Lied n a c h d e m Einleitungsverse also in 2 ba 4 , auf die ein synkopierter Vers folgt. E r modifiziert den R h y t h m u s u n d lockert i h n ; d a d u r c h weist er offenbar schon auf d e n gleich zu e r w a r t e n d e n Abschluß hin. N u n folgt ein n o r m a l e r ba 4 . E r bringt d u r c h seinen vollen R h y t h m u s d e n synkopierten des v o r h e r g e h e n d e n Verses u n d d e n der abschließenden Klausel erst richtig zur W i r k u n g , er ist also ein „ K o n t r a s t v e r s " , wie ich diese häufig a n z u t r e f f e n d e n Verse v o n j e t z t a b n e n n e n werde. Auf den K o n t r a s t vers folgt d a n n der endgültige A b s c h l u ß d u r c h das c r . So ist der Abschluß g u t v o r b e r e i t e t . E s liegt zwar ein „fließender Ü b e r g a n g " v o n den „ n o r m a l e n " , vollen ba 4 z u m Abschlußkolon h i n vor, n i c h t aber, wie bereits herausgestellt ist, ein „fließender Überg a n g " zu d e n folgenden L a n g v e r s e n . Die Klausel beschließt das Lied u n d setzt es a b v o m folgenden, wie Metren- u n d Personenwechsel u n d der I n h a l t zeigen. H i e r f ü r ist die Klausel ein formales Anzeichen.
2. Bacch. 995 f f . Der schlaue Crusalus ü b e r b r i n g t d e m V a t e r d e n Brief des Sohnes (979). E r spielt d e n moralbeflissenen, t r e u e n Erzieher des Sohnes u n d erzählt d e m Alten, er h a b e d e m Sohne so dringende V o r h a l t u n g e n 21 ) Siehe: S. Sudhaus, Der Aufbau der plautinischen Cantica, Leipzig und Berlin 1909, S. 4. o»
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Liedschlüsse
gemacht, daß jener zu Tränen gerührt war (981—3). Dann übergibt er den Brief und der Alte schickt sich an, ihn zu lesen; dies veranlaßt den Intriganten dazu, triumphierend den dritten Punkt des TroiaVergleiches von v. 953 nachzutragen (987/8): es geht dem Alten jetzt offenbar an den Geldbeutel. Der aber freut sich zunächst über die feine Schrift und macht sich dann umständlich daran, den Brief zu lesen. Er befiehlt dem Sklaven zuzuhören, der erklärt sich dann auch einverstanden (995 ff.): N. Hoc age sis nunciam! C. Ubi lubet, recita: aurium operam tibi dico.
i8
Doch zum Lesen kommt es noch nicht: der Alte freut sich doch zu sehr an dem Kunstwerk des Sohnes: Ceräe quidem haud parsit neque stilo! (Ich halte diesen Vers22) für i 4 .) Doch ist schließlich der Brief nicht zum Anschauen da: Sed quidquid est, pellegere certumst. Dieser Vers ist offenbar23) ein i 2 plus c r . Nun will der umständliche Alte endlich lesen, nachdem er sich genug an dem hübschen Äußeren erfreut hat. Es folgen die sachlichen24) Senare. Jetzt ist das Singen zu Ende, die Klausel zeigt an, daß das Lied beendet ist. Sie schließt ab, nach ihr beginnt etwas Neues. 3. Cas. 753 ff. Nachdem die listige Pardalisca ihrem Herrn einen furchtbaren Schrecken eingejagt hat durch die Nachricht, daß Casina (das Ziel der geheimen Wünsche dieses „senex hircosus") ihn und zugleich ihren zukünftigen Ehemann umbringen wolle (621—717), tritt dann in v. 720 dieser zukünftige Ehemann Olympio auf, der sich die Fürsprache seines Herrn bei der Werbung um Casina für das ius primae noctis eingehandelt hat: leicht beschwipst beginnt er ein lustiges Geplänkel mit seinem Herrn (724ff.); schließlich will er ins Haus und fordert den erus auf, ihm ein leckeres Mahl zu bereiten (743ff.). Der Alte traut sich nicht recht hinein, fürchtet er doch die beiden Schwerter der „verrückten" Casina. Das sagt er schließlich auch dem Olympio (750ff.). Das Folgende will ich ausschreiben: 22 ) Auch Lindsay versteht ihn als ia 4 , wie sein „Iambici" des „Schema Metror u m " andeutet; Leos Iktierung führt auf das gleiche. Spengels „equidem" ist eine unnötige, trivialisierende Konjektur. 2 3 ) So auch Lindsay und Leo (Apparat). 24 ) Vgl. etwa zu diesem Übergang Persa 501 ff.
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Klauselsehluß
Scio, sic sine habere. cr Nugas agunt, novi ego'illas malas merces. 2 or 25 Quin t u i modo mecum d o m u m ! L. At ) pol malum metuo! v r I t u modo, perspicito prius, quid intus agatur! vr 0 . Tarn mihi mea vita q u a m t u a tibi carast. 2 cr Verum i modo! L. Si t u iubes! em — ibitur tecum. vr Ein Einzelkolon leitet ein, dann folgen zwei Doppelkola, danach Versus Reizianus. Darauf folgt ein Doppelkolon, dann schließt ein v r das Ganze ab. Dieser Liedteil entspricht im Bau dem Schlußteil der Alcumena-Arie, den wir schon besprachen: Einleitungsvers, dann zwei Doppelkola, d a n n der Versus Reizianus, der den R h y t h m u s der Doppelkola modifiziert u n d so auf den Abschluß vorbereitet. Dann kommt wieder ein „Normalvers" (ein Kontrastvers, der sowohl den Vorbereitungsvers als auch den Abschlußvers erst richtig hervortreten läßt), dann der Abschlußvers, der im Gegensatz zum Kontrastvers mit einem ia 4 , also mit Hebung endenden Vers verbunden ist. Dieser vorgeschaltete iambische ia 4 erlaubt uns, hier von einem „Klauselsehluß" zu sprechen, obgleich das Lied auch sonst in c 1 geht. Doch wird sich der v r genügend von den Doppelkola abgehoben haben, so daß das schließende c r durchaus als Klausel empfunden werden konnte. Wieder h a t also die Klausel am Ende eines Liedes abschließenden, Pause bewirkenden Charakter. Ihre formale Funktion ist eindeutig: sie markiert den Abschluß der letzten metrisch-inhaltlichen Periode; nach ihr wird die Bühne leer. 4.
Pseud.1334
N u n ist es ja nicht immer das c r , das Lieder beschließt. J e d e Klausel kann diese Funktion übernehmen, z.B. auch der Ditrochaeus. Der Schluß des Pseudolus ist so gebaut: Te sequor. Quin vocas spectatores simul ? er 4 So singt der geprellte, aber n u n versöhnte Kuppler Ballio, als der ebenfalls versöhnte Alte u n d der schlaue Anstifter Pseudolus von der Bühne ,,recta via ad c a n t h a r u m " gehen. Darauf dann Pseudolus: Hercle me isti hau solent vocare nec ergo ego istos 26 )
er 2 i4A
Der Dimeter beschließt, scheinbar definitiv, diese Kretische Partie. Dieser von dem Kretiker generell verschiedene, also „heterogene" Vers 25
) Vgl. Lindsay, Early Latin Verse, 58 (Verf. 288f.). ) Zum Schluß des Pseud. vgl. Lindsay, Early Latin Verse, S. 262f. Seiner Analyse von 1329/1330 stimme ich nicht zu; die Verse sind ein an8*, 1328 als voller „Tetrameter" inmitten katalektischer ein Kontrastvers, genau wie Rud. 225ff. 26
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Liedschlüsse
(über den im übernächsten Abschnitt gesprochen werden soll) bewirkt also ebenso wie die Klausel Abschluß und Pause. Gerade die Pause ist hier besonders deutlich, da ja ein Innehalten vor der eigentlichen Pointe besonders angebracht ist. Doch ist der Abschluß nur scheinbar: Verum si voltis adplaudere atque adprobare hunc gregem et fabulam, in crastinum vos vocabo.
er 4 er 3 ditr
Ein System von sieben kretischen Metren, beschlossen durch den Ditrochaeus. Die Funktion dieser Klausel ist wiederum klar: er soll die kretische Partie, damit Lied und Stück abschließen. Nach der Klausel ist das ganze Stück zu Ende.
5. Bud. 680 ff. Trachalio kommt den verängstigten Mädchen zu Hilfe. Er ruft die Mädchen an, sie antworten ganz verzweifelt (677 ff.). Zuversichtlich, wie er ist, schilt er sie dafür aus: . . . Tace ac bono animo es! 680a Me vide! P. Si modo id liceat, vis ne opprimat quae vis vim mi afferam ipsa adigit. T. Ah, desine nimis inepta es.
cr 4 cr 4 ditr
Also wieder Kretiker, hier zwei Tetrameter, die durch einen Ditrochaeus beschlossen werden. Auch hier markiert die Klausel einen Einschnitt: nicht nur das Lied ist aus, sondern auch inhaltlich ist ein Einschnitt kenntlich; verbittet sich Palaestra doch jedes weitere Gerede, wenn ihm nicht Taten folgen. Mit dem nicht sehr freundlichen „desiste" als Replik auf das etwas burschikose „desine, nimis inepta es" des Sklaven schlägt Ethos und Stimmung um. Die gliedernd-schließende Funktion der Klausel ist wiederum deutlich genug.
6. Pseud. 261 ff. Zum Abschluß dieser Reihe will ich noch ein Beispiel anführen, in dem der Ithyphallicus ein Lied abschließt. An unserer PseudolusStelle rennen Herr und Sklave hinter dem Kuppler und seinem puer her, um ihn zur Rede zu stellen (243 ff.). Diese Szene, die mit ihrem Wettlauf der beiden „Gespanne" zu den lustigsten im Plautus gehört, findet ihren Abschluß, als das Zauberwort „lucrum" fällt (264). Ballio hält sofort an, es entspinnt sich ein etwas ruhigeres Gespräch. Die Stelle (261 ff.) sieht so aus:
Klauselschluß
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Ps. Nosce saltem hunc quis est! Ba. Iam diu scio cr4sy 27 qui fuit. nunc qui sit ipsus sciat ). er 1 + tr 4A ambula t u ! Ps. Potin u t semel modo, cr 4sy Ballio, hue — cum l u c r o respicias? er 1 + ith Hier wird Ballio hellhörig, er bleibt stehen, das Singen ist zu Ende. Das magische Wort ändert die Situation: nach dem ith liegt also ein starker Einschnitt, eine Pause tritt ein. Dann, nachdem die Parteien Aufstellung genommen haben nach dem langen Hintereinanderherrennen, beginnt das Handeln. Wieder ist hier die Aufgabe der Klausel deutlich: sie beschließt das Lied, indem sie durch ihren, von den lockeren Kretikern abweichenden Ton den Abschluß des Gesungenen ankündigt. Auch hier kann von einem „fließenden Übergang" nicht die Rede sein, denn Ballio war vorher surdus, nun hört er plötzlich scharf; aus dem einleitenden Geplänkel wird das Feilschen, aus dem Liede die Langversszene: diese Szenenteile sind voneinander getrennt. Formales Zeichen dafür ist die Klausel. Dieses Beispiel soll das letzte in dieser Reihe sein. Ist das Grundsätzliche — die schließend-gliedernde Funktion der Klausel am Liedende — erst einmal erkannt, stellen sich weitere Belegstellen leicht ein. Die Klausel markiert also — formal gesprochen — einen Einschnitt in der metrisch-inhaltlichen Komposition. Daß Metrisches hier mit Inhaltlichem übereinstimmt, legen die angeführten Stellen nahe, handelt es sich doch um den Liedschluß, der ja eo ipso einen Einschnitt — und bei Plautus so gut wie immer auch einen inhaltlichen Einschnitt — bedeutet. Von einem „fließenden Übergang" 28 ) ist also nicht die Rede: die Klausel zeigt eine gliedernde Pause an, sie schließt Perioden ab. 27 ) Ich lese er1 + tr 4 ' mit Leo gegen Lindsay, der in Am. 233 den tr 2 ' als Klausel an er anerkennt. Spengel sagt nicht, wie er die letzten Verse des Canticums versteht. 28 ) Von „fließenden Übergängen" darf überhaupt nur in sehr beschränktem Maße die Rede sein. Crusius (S. 72) weiß als beste Belegstelle für ein Übergreifen des Canticums in die Langverse anscheinend nur Capt. 239ff. anzuführen. Hier gibt es aber mindestens drei Möglichkeiten, einzuschneiden und das Lied sinnvoll enden zu lassen. Hier verläßt uns auch die Notierung durch „DV" oder ähnliches. Es herrscht Unklarheit; als Belegstelle kann man diese Verse nicht verwenden. Mir selbst ist nur eine Stelle bekannt, wo man von einem Übergreifen sprechen könnte: Amph. 585b ff. (vgl. Anm. 47); doch beginnen die Langverse mit „Qui", also „Relativem Anschluß". Da ist also der Einschnitt auch noch recht deutlich. — Von „fließenden Übergängen" kann man eigentlich nur dort reden, wo nach lyrischen Maßen noch im Canticum selber (wie der Inhalt nachweisen müßte) eine Reihe von schließenden Langversen auftaucht, dessen letzter auch syntaktisch eng zu einer folgenden Langversszene gehört. Dann würden die Langverse im Lied zu denen in der folgenden Szene überleiten. Doch liegt in jedem solcher Fälle nach den schließenden Langversen ein starker Einschnitt, so daß ich den Ausdruck „fließenden Übergang" auch an solchen Stellen vermeiden will. (Vgl. etwa Ep. 98ff., und auch Merc. 360ff., Most. 154ff.)
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Liedschlüsse
Der K a t a l e x e n - S c h l u ß Die Zahl der Liedschlüsse durch Katalexe ist geringer als die der Klauselschlüsse. Doch ist diese Art des Abschlusses häufig genug, um sie als typisch bezeichnen zu können. Daher soll auch diese Art hier gesondert besprochen werden. 1. Most. 741 ff.™) Simo tritt in 690 auf die Bühne, er will aus dem Hause fort, weil seine Frau ihm lästig ist. Tranio, der lustige Sklave des Theopropides, der sich in Abwesenheit seines Herrn fröhliche Tage machte, tritt dann an Simo heran (717), um ihn für seinen Rettungsplan zu gewinnen. Dem Tranio droht ja das Verderben, da sein Herr eben zurückgekehrt ist. So klagt er dem Simo sein Leid (737ff.), worauf Simo dann (741 ff.) antwortet: Vellern ut tu velles, Tranio. sed quid est negoti 1 ? T. Eloquar. Erus peregre venit! S. Tunc tibi primum flagrum portenditur, inde ferriterium, postea crux30). Τ. Per tua te genua obsecro, ne indicium ero facias meo. S. Em, nequid metuas, nil seiet. T. Patrone, salve! S. Nil moror mi istius modi clientes.
ia 8 ia8 ia 8 ia 8 ia8*
Dann geht es ganz sachlich weiter: „Nunc hoc quod . . .". So schließt die Katalexe die Reihe der i8, danach beginnt etwas Neues. Der Klang der Katalexe hatte also abschließenden Charakter, er ließ den Gesang ausklingen; formal gesprochen zeigt die Katalexe den Abschluß einer Periode an. Ihre Funktion ist hier also die gleiche wie die der Klausel. Denn auch die gliedernde Funktion ist hier gut erkennbar: der doch recht abweisende Ton der Bemerkung des Simo und das Neueinsetzen im nächsten Verse mit dem sachlichen Übergang zum Geschäftlichen markieren den Einschnitt deutlich genug. 2. Aulul. 730 Nun soll ein Beispiel f ü r eine Katalexe an Trochäen folgen: Lyconides sitzt hier in der Klemme: er hört den alten Geizkragen Euclio 29
) Die Verse 742/3 sind zwar korrupt überliefert, doch ist die Art des Abschlusses durch die sicheren Verse 744/6 deutlich erkennbar. 30 ) Man beachte, wie der Gipfel der Strafen (crux) durch die Versdihärese hervorgehoben ist. Zu Plautus' Bestreben, die Pointe auch metrisch hervortreten zu lassen, vgl. Anm. 32.
Katalexenschluß
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jammern (727) und denkt dabei natürlich sofort an das, was ihn selber bedrückt: an die Niederkunft von Euclios Tochter; der Alte meinte dagegen sein Geld. Dieser einleitende Abschnitt vor dem Gespräch (727if.) sieht so aus: Quinam homo hie ante aedes nostras eiulans conqueritur maerens ? Atque hicquidem Eucliost, ut opinor? Oppido ego interii: palamst res, seit peperisse iam, ut ego opinor, filiam suam! nunc mi incertumst abeam an maneam, an adeam an fugiam ? Quid agam edepol nescio!
tr 8 tr 8 tr 8 tr 8 '
Das sind drei tr 8 und ein schließender Septenar. Danach kommt dann das Gespräch zustande, in dem die beiden in scheinbar komischer Weise aneinander vorbeireden; doch ist auch dieses wieder ein kennzeichnender, tragischer Zug in Euclios „Seelengemälde von überzeugender psychologischer Wahrheit und eindringlicher, ja erschütternder Wirkung", das nach Jachmanns Worten 31 ) „eine Großtat darstellt, die in der Komödie, soweit wir sie lesen, ihresgleichen nicht h a t " . — Der Klageruf „quid agam edepol nescio!" beendet den Monolog, danach beginnt etwas Neues, das Zwiegespräch. Auch hier wieder bedeutet die Katalexe gliedernden Abschluß: die beiden Klagepartien sind zu Ende, das Singen hört auf, es folgt das Gespräch, also etwas Neues. Die formale Funktion ist Idar: die Katalexe ist ein Zeichen f ü r gliedernden Abschluß. 3. Trin. 842a Nun noch ein Beispiel f ü r anapästische Katalexe: Bei v. 820 des Trinummus kommt Charmides nach Hause und dankt den Göttern, besonders aber Neptunus, f ü r die glückliche Heimreise. In an 4 betet er, dann erblickt er (840) den jungen Burschen, der die Briefe überbringen will und an die Tür von Charmides' Haus klopft. Damit nehmen dann die Verwicklungen ihren Lauf. Zunächst fällt dem Heimgekehrten das Gebaren des adulescens auf, er beschließt, zu lauschen: Sed quis hie est, qui in plateam ingreditur cum novo ornatu specieque simul? Pol! — quamquam domi cupio, opperiar, quam hic reml agat animum advortar!
an 4 an 4 an 4 an4'
Damit bleibt er auf der Bühne, um sich anzusehen, was nun vor sich gehen wird. Das sagt er uns in an 4 , die abgeschlossen werden durch 31
) G. Jachmann, Plautinisches und Attisches, Problemata 3; 1931, S. 134ff.
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Liedschlüsse
eine Katalexe. Danach folgt etwas ganz anderes, nämlich die Rede des Sycophanta, das Metrum wechselt, der Sprecher auch. Damit ist der Einschnitt gegeben. Er wird durch die Katalexe, die die anapästische Reihe beschließt, angedeutet. Wieder ist die Aufgabe der Katalexe klar: sie schließt ab und bereitet eine Pause, einen Einschnitt in der Komposition vor. Wir wollen hier einhalten. Das, was wir zeigen wollten, ist nun im Prinzip klar, auch sind diese Dinge keineswegs neu. Weitere Stellen ließen sich leicht anführen, doch soll dieser vorbereitende Teil nicht zu sehr durch das Material belastet werden. — Es hat sich also gezeigt, daß in formaler Hinsicht die Katalexe dieselbe Funktion am Ende eines Liedes hat wie die Klausel: auch sie beschließt das Lied, indem sie durch den modifizierten, abbrechenden Rhythmus das Ende des Singens bezeichnet. Stets bewirkt sie ein Innehalten. Liedschluß durch Synkope 1. Persa 818 Dordalus, der schlimme Kuppler, ist geprellt, und man amüsiert sich nun, um diese Tat zu feiern, solange der erus noch fort ist. Selbst Dordalus macht mit (v. 793), noch ein wenig mürrisch, denn zu all dem erlittenen Ärger wird er noch von dem frechen Paegnium verhöhnt (804ff.), der ihm zum Schluß den freundlichen R a t gibt (815ff.): 815 Restim t u tibi — cape crassam ac suspende te! D. Cave sis me attigas, ne tibi hoc scipione malum magnum dem! P. Utere, te condono. To. I a m iam, Paegnium, da pausam!
ba2A -)- tr 4A ba 4 ba 4 ba3®y
Toxilus ruft den frechen Knaben endlich zur Ordnung; es folgt eine „pausa", dann eine Plänkelei in Langversen. Metrisch stellt sich dieser Schlußabschnitt des Liedes so dar: ba 2 plus tr 4A , wobei der trochäische Vers mit seinem von den ba abweichenden Klang die Pointe besonders hervorheben soll32). Dann kommen zwei ba 4 . Der darauffolgende Ordnungsruf ist formal und auch metrisch-inhaltlich der Abschluß. Es handelt sich um einen synkopierten 33 ) ba 3 . Der baccheische Rhythmus wird modifiziert, der Abschluß dadurch markiert. Dieses Abschließen und Innehalten zu bezeichnen, das ist die Aufgabe der Synkope. Sie wirkt also entsprechend der Klausel oder Katalaxe. 32 ) Ich lese einen ba2A, auf den die Pointe in einem tr4A — also einem Vers, der schon zur Klausel geworden ist— folgt, ähnlich v. 887 a ff. der Mostellaria, wo in 887 a und 890ba 2A (also „Dochmius") + ith stehen. In der Analyse des Verses 817 schließe ich mich Leo (nihil desideratur) und Lindsay an; zu Mo. 885ff., Verf. 241. 33 ) Vers 818 ist in baccheischer Umgebung baccheisch zu lesen (gegen Spengel, Leo, Lindsay); vgl. nur Ba. 1121a und 1140a bei Lindsay; Verf. 259.
Synkopenschluß
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2. Eud. 289
Die beiden schiffbrüchigen Mädchen haben vom Strande aus den Venus-Tempel entdeckt und haben dort um Zuflucht nachgesucht. Die freundliche Tempelhüterin hat sie zwar aufgenommen, doch sagt sie ihnen gleich (282), daß sie nicht reich ist, daß es karg zugeht bei ihr, doch: 286 Verum, quidquid est, comiter fiet a me, quo 1 hoc copiae valebit 34 ). (Marx) Ite hac mecum. Pa. Amice benigneque honorem, mater, nostrum habes. P t . Oportet.
ba 4 ba 38 ^ ba 4 ba 3 s y
Dann gehen die drei ab, der Fischerchor tritt auf, dazwischen bleibt die Bühne ein Weilchen leer. Hier ist der abschließende Charakter der Synkope besonders klar: es sind die letzten Worte vor dem Leerwerden der Bühne, denen die Synkope abschließenden Rhythmus verleiht. Solche Liedschlüsse durch Synkope sind relativ selten. Denn Synkopen gibt es im Grunde ja nur bei Rretikern und Baccheen, eine Synkope am Schluß von Iamben oder gar Trochäen ist mir nicht bekannt. Da nun die wenigsten Lieder auf Baccheen oder Kretiker endigen, bleibt die Zahl der schließenden Synkopen ldein. Doch um das Grundsätzliche herauszustellen, genügen diese beiden besonders klaren Fälle. Sie lehren, daß die Synkope an solchen Stellen die gleiche Funktion hat wie Klausel und Katalexe. Sie schließt ab und bewirkt ein Innehalten, eine Pause. Sie gliedert und erlaubt uns, sie an solchen Stellen als formales Zeichen f ü r einen Abschluß zu werten.
Liedschluß durch heterogene Verse Recht selten schließt ein Canticum so, daß nach einer Reihe von Versen plötzlich als letzter ein Vers auftaucht, der zu einem anderen Geschlecht gehört. Einen solchen Vers wollen wir „heterogen" nennen. Auch hier sollen zwei sichere Beispiele genügen:
1. Bacch. 1116 Die beiden besorgten Väter haben einander ihr Leid geklagt (1106ff.), nun meinen sie, die beiden schlimmen Schwestern zur Rede stellen zu müssen. Von v. 1109 an geht das Lied in Rretikern, dann fällt zum Schluß das schlimme Wort: 34
) Ich lese 287 als ba3s>' ebenso wie 289. Vgl. Anm. 33.
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Liedschlüsse
Ph. Quid tibi ex filio nam, obsecro, aegrest ? N. Scies: id — perit cum tuo: ambo aeque arnicas habent! Ph. Qui scis? N. Vidi. Ph. Ei mihi — disperii!
er4 er4 an4
Ein an2 schließt die kretische Reihe ab, nach ihm kommen tr7, die Situation ändert sich: die Alten schreiten nun zur Tat, die ihnen ja nicht in der gewünschten Weise auskommen wird. So dürfen wir denn getrost von einem Liedschluß an dieser Stelle sprechen, zumal der Ton im folgenden sachlich-energisch wird. Wir haben hier also einen Einschnitt, der in folgender Weise gebaut ist: auf eine Reihe von gleichartigen Versen plötzlich ein Vers ganz anderen Klanges35), der stetige Fluß wird jäh unterbrochen, das Bisherige abrupt abgeschlossen. Das wird auch durch die abschließende Formel „disperii!" angedeutet. So wird denn die von 1109 an sich steigernde Erregung im an2 auf ihren Höhepunkt gebracht und abgeschlossen: es folgt die Tat. — Es zeigt sich, daß der „heterogene Vers" hier dieselbe Aufgabe erfüllt wie die Klausel, die Katalexe oder die Synkope: er schließt ab und trennt das Vorige vom Folgenden. Der ganz andere Rhythmus scheint das anzudeuten. Formal können wir also wieder von schließend-gliedernder Funktion sprechen.
2. Men.
773f.
Die Gattin des Menaechmus I. weiß sich keinen anderen Rat, als ihren alten Vater zu rufen; vielleicht kann er schlichten, wenn nicht, will sie ihn bitten, die Ehe zu lösen. Ganz wie die Greise der griechischen Tragödie sich über das leidige Alter beschwerend, kommt der 35
) Daß die anapästischen Verse einen von den Kretikern stark abweichenden Klang auch für Plautus hatten, läßt sich u. a. daraus schließen, daß bei Plautus die Verbindung dieser beiden Versgattungen äußerst selten ist und nur u m bestimmter Effekte willen verwendet wird. Ich nenne einige wenige Stellen: Persa 758ff., womit man das ähnliche( ?) Versspiel Capt. 498ff. vergleichen k a n n ; True. 583, wo der eingeschobene anapästische Vers die besonders offen zur Schau getragene Freude der vorgeblichen Mutter Phronesium malen soll. — Die einzige mit unserem Vers vergleichbare Stelle ist Rud. 216 f. Hier scheint auf zwei kretische Verse (er2 plus thym.) ein schließender an 4 * zu folgen, wenn m a n das „ i t a " aus Β in den Text nimmt, wie es die meisten Herausgeber tun. Hier soll offenbar in besonders starker und auffallender Weise die Verzweiflung des Mädchens ausgedrückt werden. — Der gewöhnliche Abschluß von Kretikern geschieht durch den Ithyphallicus (z.B. Aul. 142ff.), den Ditrochaeus (Amph. 247), durch ganze trochäische Verse (ζ. B. Cas. 195, tr 4 ", oder tr 8 * wie Most. 117); gern mischt sich der Kretiker mit Iamben (vgl. die Fundgrube f ü r kretische Formen Bacch. 640ff.) und Trochäen (vgl. z.B. das Duett Most. 718ff.), zuweilen auch mit Glykonikern, Baccheen und Choriamben; die Verbindung mit anapästischen Versen ist jedoch so selten, daß man berechtigt ist, an der Stelle Bacch. 1116 von einem ungewöhnlichen Abschluß der kretischen Reihe zu sprechen und von einem stark ins Ohr fallenden Kontrast.
Schlüsse vermittels heterogener Verse
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Alte auf die Bühne (753), besorgt um seine Tochter. Denn etwas Schlimmes muß es schon sein, wenn die Tochter den Vater ruft (770): nec pol filia umquam patrem accersit ad se nisi aut quid commissi' aut iurgist causa. Sed id quidquid est iam sciam. — Atque eccam eampse ante aedes et eius virum tristem video. I d est quod suspicabar !3e)
ba 4 ba 4s y ba 4 ba 4 ia4A
Dieser ia4A stellt — als geschlossene syntaktische Einheit — den Abschluß der baccheischen Reihe dar. Diese war vorher schon durch die Synkope gelockert worden, der Abschluß ist also auch hier vorbereitet. Der halb ä part gesprochene Vers ist auch inhaltlich gesehen der Abschluß: mit „appellabo hanc" setzt sich der Alte wieder in Bewegung und geht auf seine Tochter zu. Das ist etwas Neues, hier beginnt der Dialog. Zudem wechselt das Metrum: der heterogene Vers hat auch hier abschließend-gliedernde Bedeutung.
Zusammenfassung Wir haben vier Typen des Liedschlusses, wie sie immer wieder anzutreffen sind, auf ihre formale Bedeutung hin untersucht. Dabei ergab sich, daß am Liedende Klausel, Katalexe, Synkope und heterogene Verse die gleiche Funktion haben: sie deuten den Liedschluß an und stehen in einer kompositioneilen Fuge. Außer der abschließenden Funktion können wir daher auch von einer gliedernden sprechen. Diese Liedschlüsse sind also nicht „fließende Übergänge". Die Klausel und die anderen genannten metrischen Erscheinungen stellten sich uns dar als Zeichen f ü r ein Innehalten. 3e ) Lindsay und Ernout drucken v. 773/4 mit der handschriftlichen Überlieferung als tr 8 ; sie behalten also die überlieferte Stellung „tristem virum" bei. Nun ist dieser Oktonar erstens nicht besonders schön, zum anderen wird die Fuge zwischen „video" und „Id est . . ." dadurch verdeckt. Ich halte daher den Leoschen Text für den besseren. Nimmt man dies dagegen nicht an, so muß dieser Fall dennoch zu den schließenden „heterogenen Versen" gerechnet werden, nur, daß dann ein Langvers abschließt. Außerdem sehe ich in Leos Text wieder den Kontrast- und Vorbereitungsvers vor dem Abschluß. — Crusius hält den Vers 773 für ba 2 plus c r , nimmt also einen nicht zu rechtfertigenden doppelten Klauselschluß an.
Das Liedinnere Wir suchen nach formalen Kriterien f ü r eine sichere Gliederung plautinischer Lieder. Es wurden zunächst vier Arten festgestellt, wie Plautus Lieder abschließt. Die beobachteten Erscheinungen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit am Liedende auftauchen, deuten einen Abschluß, ein Innehalten und Abtrennen des Voraufgehenden vom Folgenden an, also eine Gliederung. I m folgenden sollen nun diese Beobachtungen f ü r eine Beurteilung der gleichen metrischen Erscheinungen im Liedinnern verwertet werden, d. h. die Funktion von Klausel, Katalexe etc. im Liedinnern soll mit Hilfe des an den Liedschlüssen Festgestellten gedeutet werden. Doch wollen wir noch ein weiteres formales Gliederungszeichen f ü r die folgenden Interpretationen bereitstellen: Jede Seite plautinischen Textes zeigt, daß Inhaltsabschnitte häufig durch vorangestellte, gliedernde Wörter gekennzeichnet werden. Es ist ja eine ohne weiteres einsichtige und längst bekannte Tatsache, daß Wörter wie ,,sed, nam, ita, atque" usw. Inhaltsperioden einleiten und nur ganz selten im Versinnern stehen. Daß man hierauf zu achten habe, wenn man plautinische Kolometrie betreiben will, hat u.a. S. Sudhaus gleich zu Beginn seines Buches 37 ) zu Recht gefordert. Dieses einfache Hilfsmittel wollen auch wir uns zunutze machen bei dem Versuch, die Struktur plautinischer Lieder und Liedperioden in den Grundzügen festzustellen. Wenn ich hier sage ,,in den Grundzügen", dann meine ich, daß am Ende dieser Arbeit eine gewisse Typik hervortreten wird: wir werden dann sehen, wie Plautus seine Lieder gern in Blöcke gliederte und wie diese Blöcke aussehen. Nicht aber werden wir Gesetze formulieren können, die es erlauben, alle Lieder einheitlich unter Bauschemata zu fassen, die stets und überall gültig wären. Eine solche Sicherheit in der Analyse dürfen wir nicht erwarten, sie würde zudem die plautinische Kunst nivellierend flach und schal erscheinen lassen und sich damit selber aufheben; denn die sprudehide Fülle des Plautus kennt keine Gesetze, keine gültig-normierende Theorie. Unsere Kriterien sind also lediglich Hilfsmittel, die in vielen Fällen dazu beitragen, das Richtige zu erkennen, Falsches zu berichtigen; ein Allheilmittel sind sie jedoch nicht. Wir werden nur so etwas wie eine Vorhebe konstatieren können, 37
) S. S u d h a u s , A u f b a u , S. 3.
True. 448ff.
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eine Vorliebe f ü r eine klare Gliederung in Blöcke, die voneinander durch bestimmte metrische Rhythmusvariationen abgesetzt werden. Die nun folgenden Beispiele sollen zeigen, daß diese metrischen Rhythmusvariationen (Klausel, Katalexe, Synkope und heterogene Verse) an Periodenschlüssen im Liedinnern denen am Liedende entsprechen.
1. True. 448 ff. Phronesium, die schlaue Meretrix, will dem Soldaten, von dessen Heimkehr sie erfahren hat, einen guten Teil seiner Beute abnehmen (415), ,,de praeda praedam capere" (567ff.). Sie gibt nun vor, sie hätte dem reichen Soldaten einen Sohn geboren, um ihm, angeblich zum Unterhalt des Sohnes, möglichst viel abzuknöpfen. Diese List will sie jetzt den Zuschauern erzählen: Puero isti date mammam !38) ion2 Ut miserae matres sollicitaeque ex animo sunt cruciantque! an8* Edepol commentum male! Cumque eam rem in corde agito, an® nimio minus perhibemur malae, quam sumus ingenio! vr Ego prima de me domo docta dico: Quanta est cura in animo, quantum corde capio dolorem — dolus ne occidat morte pueri! Mater dicta quod sum, eo magis studeo vitae. Quae ausa hunc sum, tantundem dolum nunc adgrediar !39) Lucri causa avara probrum sum exsecuta, alienos dolores mihi supposivi. Sed nullam rem oportet dolose adgrediri nisi astute accurateque exsequare: Vosmet iam videtis, ut ornata incedo: puerperio ego nunc me esse aegram adsimulo40). 38
) Enk; so liest den Vers auch Roppenecker, Philologus 84, 1929, 455. ) Man wird, wenn man die Überlieferung und vor allem den Inhalt prüft, doch letztlich zu Leos Fassung geführt, besonders das „nunc" ist schön ergänzt. Lindsays Text steht der Überlieferung zwar am nächsten, der zweite Hiat aber scheint mir nicht vertretbar zu sein. Ernouts Text ist keine glückliche Lösung (vgl. Enk a. 1.). 40 ) Die Änderung von me zu med ist zwar leicht, verdeckt hier aber, so glaube ich, die von Plautus beabsichtigte Schlußsynkope. 39
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Das Liedinnere
Das Lied beginnt mit einem Einleitungsvers 41 ). Er ist auch inhaltlich ein solcher, denn Phronesium spricht ihn ins Haus hinein: die Dienerinnen sollen f ü r seine Nahrung sorgen, die Amme also und nicht die „junge Mutter", was ja bezeichnend ist. Phronesium hat ja gar nicht geboren, und doch kommt sie jetzt gleich auf ihre „Muttorsorgen" zu sprechen! Diese Sorgen und der Kommentar dazu (449 452) bilden den ersten Teil dieses Liedes. Metrisch ist dieser erste Teil iambisch-anapästisch g halten im Gegensatz zu den folgenden Baccheen. Und zwar ist dieser erste Teil auch metrisch ein geschlossener Block: ein an 6 , d.h. ein voller Vers, wird durch einen an8* und einen v r , also durch katalektisch ausgehende Verse, eingerahmt. Eine solche Blockbildung durch Einrahmung ist nicht selten, ein schönes Beispiel ist Bacch. 991—994: tr 8 A — 2 tr 8 — tr 8A . Beschlossen wird diese Periode durch den v r , also durch eine Klausel. Diese Klausel schließt ab und trennt den ersten Teil von dem zweiten. Der zweite Teil geht in Baccheen, schon dieses rechtfertigt es, von einem Einschnitt zu sprechen; zudem wird stark interpungiert. Das Wichtigste ist aber die inhaltliche Verschiedenheit des ersten vom zweiten Teil: der erste Teil ist — wie so oft — allgemeiner Art, der zweite dagegen enthält — durch „ego prima . . . " klar abgesetzt — die persönliche Anwendung 42 ). Diesen Einschnitt zwischen den Liedteilen zeigt die Klausel an, sie hat also gliedernde Funktion. Inhalt, Metrenwechsel und formale Anzeichen weisen auf die gleiche Fuge. Nun folgen 11 ba 4 . Formal-metrisch sind sie nicht weiter gegliedert, inhaltlich zerfällt die Reihe in einen Einleitungsvers (453), drei Tetrameter über die Muttersorge, dann drei Tetrameter über die List 43 ), dann folgen zwei Tetrameter mit einer Selbstermahnung (461 /2)44) ;denSchluß bilden zwei Tetrameter ad spectatores. Wir wollen hier nicht auf die Einzelheiten des inhaltlichen Aufbaus eingehen, sondern das Formale betrachten. Da zeigt sich, daß diese elf Tetrameter (1—3—3—2—2, so läßt sich ihre innere Ordnung andeuten) von den folgenden Septenaren in einer f ü r Plautus typischen Weise abgesetzt sind: nach acht regelmäßigen Tetrametern erscheint im neunten eine Synkope; der nächste 41
) Es ist berechtigt, wenn man solchen Versen einen eigenen Namen gibt, sie also unter eine besondere Kategorie zusammenfaßt. Immer wieder treffen wir solche Verse am Lied- und Periodenbeginn. Einige Stellen mögen das zeigen: Heterogene Verse als Einleitung am Liedanfang: Ep. 526, True. 209; am Periodenanfang: Ci. 10, Men. 114, Mo. 737 etc. Oder einleitende Synkope: (Liedanfang) Mo. 783, Per. 1; (Periodenbeginn) Ba. 643, Ps. 258. Oder Kurzvers am Liedanfang: Ep. 182 („st" wohl extra versum), am Periodenanfang Ba. 1158, Capt. 234. Diese typischen Erscheinungen gehören zur plautinischen Technik und müssen bei der Interpretation der Cantica berücksichtigt werden. 42 ) Vgl. hierzu die ausgezeichneten Bemerkungen von Crusius, z.B. S. 70 und auch sonst. 43 ) Leos „nunc" paßt sehr gut zu diesem Folgendes einleitenden Vers. 44 ) Auch das „sed" Gepperts paßt inhaltlich und formal ausgezeichnet.
Amph. 551
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Vers ist wieder vollständig, dann tritt im letzten abschließenden Vers wieder eine Synkope auf. Schon früher wurde auf ähnliche Abschlußschemata hingewiesen: Es handelt sich auch hier um einen Vorbereitungsvers und einen Schlußvers, deren modifizierter Rhythmus durch den dazwischentretenden vollen Vers — den Kontrastvers — erst richtig hervortritt. Die Änderungen in Vers 462 und 464 erweisen sich als unnütz. — Die Reihe der elf Tetrameter wird also durch Synkope beschlossen, einen solchen Abschluß kennen wir nun schon. Unser Lied zerfällt also in zwei große Blöcke: der erste wird vom zweiten durch eine Klausel getrennt, die zugleich den ersten Block abschließt. Metrik und Inhalt entsprechen sich dabei vollkommen. Die Klausel in 452 ist demnach ein sicheres formales Zeichen f ü r die Gliederung. Dieses Beispiel ist klar und einfach, fast selbstverständlich. Es legt nahe, daß die Klausel im Liedinnern die gleiche Aufgabe hat wie am Liedende, wenn sie am Schlüsse einer inhaltlich-syntaktischen Einheit auftaucht. Ein weiteres einfaches Beispiel soll diesen Eindruck festigen.
2. Amph.
551
Den Text brauche ich nicht auszuschreiben, wir wollen uns an den Lindsayschen halten 45 ). Das ganze Lied gliedert sich offenbar in zwei große Teile: einen baccheischen von 551—574 und einen trochäischen von 575—585b. Überblicken wir schnell den ersten Teil! — Er gliedert sich in drei Abschnitte. Auf einen einleitenden, mitten ins Geschehen führenden Vers 551 folgen neun Tetrameter. Sie werden eröffnet durch das Wort „scelestissumus", das auch die folgende Reihe (561 ff.) eröffnet. Dieser erste Abschnitt enthält die ärgerlichen Worte des Amphitruo, auf die er eine handfeste Drohung folgen läßt. Sosia antwortet resignierend, bei seiner Meinung bleibt er aber: er sei hier und zu Hause. Dieser Abschnitt eröffnet das Lied, er spricht von einem αδύνατον, von dem wir zwar wissen, was es ist, das aber expressis verbis nicht genannt wird: man ist ganz vom Geschehenen ergriffen, nimmt auf den Betrachter keine Rücksicht. So wird ganz realistisch agiert: ein Zeichen f ü r die feine Kunst, die sich immer wieder in diesem schönen Stück zeigt. Nun — 561 — folgt der zweite Abschnitt: er wird eingeleitet und formal vom Voraufgehenden abgesetzt durch die Wiederaufnahme des Wortes „scelestissumus", diesmal im Vocativ. Wir hören wieder eine 45 ) In 555 ist keine Sicherheit zu gewinnen. Ob es facis oder etwa facis tu heißen muß, ist nicht zu entscheiden. V. 572 lese ich im zweiten Kolon einen synkopierten ba4 mit Hiat zwischen si und id, der nach in der Senkung stehendem si ohne weiteres möglich ist. Cf. Rud. 192, Men. 578 etc.
3 Maurach
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Das Liedinnere
zornige Drohung, wieder die resignierende Antwort des armen Sosia. Dabei wird hier der Gegenstand des Streites genau bezeichnet. Dieser Teil, der von 561 bis 564 reicht, ist also ähnlich gebaut wie der vorstehende. Dann hören wir ein neues Motiv: das „ludificari" in 565 schlägt einen neuen Ton an, es leitet den dritten Abschnitt ein. Zunächst wird das Streitobjekt noch einmal genannt: Sosia hat sich arg gegen den Satz vom Widerspruch versündigt; dann Verwünschung, Rechtfertigungsversuch des Sosia, und als Abschluß vermutet dann der verzweifelnde Amphitruo, daß der närrische Kerl eins über den Durst getrunken habe. Er sieht, daß er mit Drohungen nicht weiterkommt; so sucht er eben eine andere Erklärung als die, daß der freche Sklave ihn bewußt hinters Licht führen will. Den letzten Vers (574), einen an4*, spricht er eigentlich ä part. So ist dieser Vers, in dem der Feldherr seine bisherige Taktik als unzureichend aufgibt, dem Inhalte nach der Abschluß dieses ersten Liedteiles und zugleich die Einleitung zum zweiten: ein gliedernder Zwischenvers. — Die Baccheen werden mithin durch einen an4A beschlossen 46 ), durch einen heterogenen Vers also. Solche Verse kennen wir schon von den Liedschlüssen her. So können wir hier feststellen, daß Plautus an unserer Stelle f ü r den Periodenschluß dieselbe Technik anwendet wie beim Liedschluß; der heterogene Vers schließt ab und gliedert, er trennt den ersten Teil vom zweiten. Doch noch ein Weiteres können wir beobachten: zwei Verse vor dem Schlußvers 574 steht ein ba 4s v. Darauf folgt — zwischen dem synkopierten ba 4 und dem schließenden an 4 stehend — ein voller Tetrameter. Wir kennen diese Versanordnung am Periodenschluß bereits: es handelt sich um den typischen Vorbereitungsvers, auf den der Kontrastvers folgt, der den vorbereitenden und den Schlußvers in 4e ) Die Verbindung von Baccheen und Anapästen ist nicht ganz so selten wie die von Kretikern und Anapästen. Doch zeigt eine Stelle wie Aul. 146ff., daß ein beträchtlicher Unterschied bestand, auch für das antike Ohr, zwischen dem offenbar langsameren Baccheus und dem erregten, schnellen Rhythmus des Anapästs. Ähnlich ist die Mischung Capt. 498ff., wo die Freude in schnellen Anapästen, die zügelnde gravitas des Hegio aber in schwereren Baccheen ausgedrückt ist: das Widerspiel freudiger Erregung mit dem Gefühl, würdig auftreten zu müssen, ist hübsch wiedergegeben. (Ganz ähnlich Cas. 841.) Andere sichere Stellen sind etwa Pseud. 1278a (etwa eine Parodie auf die bekannten Schlußverse zu griechischen Tragödien, vgl. etwa Eur. Med. 1419?), dann auch Rud. 198, wo der Gedanke an das Vergehen des Kupplers, die Angst, die Pardalisca dabei empfindet, besonders hervorgehoben wird durch den viel schnelleren anapästischen Vers nach den langsameren Baccheen; unserem Verse entspricht genau der Vers Rud. 919: nach Baccheen ein an. Dim., der auf den folgenden iambisch-anapästischen Rhythmus vordeutet. Eine besondere Pointe scheint aber in diesem Metrenwechsel nicht zu liegen. Eine merkwürdige Vorliebe für die Mischung von Baccheen und Anapästen zeigt der Truculentus: besonders das Lied des Cyamus und das folgende Duett bieten mehrere Beispiele.
Amph. 551
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ihrem veränderten Klang hervorhebt. Das ist — wie wir immer klarer erkennen — eine gern geübte Technik des Plautus. Nun wollen wir uns noch den zweiten Teil dieses auf der Bühne ungemein komisch wirkenden Liedchens ansehen! Der zweite Teil besteht wieder aus drei Unterteilen. Der erste Abschnitt reicht von 575 bis 579. Er enthält 34 trochäische „Füße", deren letzter katalektisch endet. Inhaltlich knüpft dieser Abschnitt an den ä part gesprochenen, von Sosia aber doch gehörten an4" an. Die Frechheit des Sklaven, entwaffnet Amphitruo: er weiß sich kaum noch Rat: Quid hoc sit hominis? ist alles, was er sagen kann. Sosia aber bekommt Mut: frecher und frecher werdend dreht er den Spieß um: war er im ersten Liedteil der Unterlegene, so trumpft er jetzt auf. Der Kerl kann doch nur übergeschnappt sein! Mit einem entsetzten ,,Vah!" springt Amphitruo zurück. Sein Entsetzen drückt die Katalexe aus, sie schneidet den Fluß der vollen „Füße" abrupt ab; hier liegt ein Einschnitt, eine Pause. Der erste Teil dieser Arbeit hat gelehrt, auf die formalen Zeichen für ein Innehalten zu achten; ein solches Zeichen ist die Katalexe, die auch hier zuverlässig den von Plautus beabsichtigten Einschnitt anzeigt, im Verein mit dem Inhaltlichen. Geht man zu weit, wenn man sich die Handlung vergegenwärtigen will? Amphitruo ist plötzlich zum Bewußtsein gekommen, daß sein Sklave verrückt geworden sein könnte. Mit ,,Vah" springt er zurück und starrt den Sosia entsetzt an, dann erst findet er Worte: „Apage te a me!" Das ist nun schon der zweite Abschnitt. Amphitruo hat Angst vor „Ansteckung". Doch Sosia bleibt sachlichkühl und unbefangen. Das sieht auch Amphitruo und kommt zu der Ansicht, daß es sich nicht um Trunkenheit und nicht um Wahnsinn handelt, sondern ganz einfach um Frechheit. Da schlägt es ein! ,,At te ego faciam . . ." legt er los, das ,,salvos sum recte" und das „valeo" des Sosia aufnehmend: „Ich werde dich behandeln . . ." er hält inne vor dem darauf folgenden Wortschwall — die Katalexe zeigt es — und droht dem armen Sklaven dann in acht trochäischen Metren Schlimmes an, wenn er nur erst zu Hause ist. „Nun los, komm mit, der du deinen Herrn an der Nase herumführst mit deinem blödsinnigen Gerede!" Dann zählt er ihm, nun zur Ruhe gekommen, in Septenaren all seine Sünden von vorne auf47). So sehen wir, daß dieser Liedteil durch eine Katalexe beschlossen wird. Sie hat die Aufgabe, abzuschließen und zugleich die Dimeter von den folgenden Septenaren, also das Gesungene vom Rezitierten bzw. Gesprochenen zu trennen. Wir kennen diese Technik nun schon und wollen nicht weiter in Einzelheiten verfallen. Festhalten wollen wir aber, daß hier die formal-metrischen Zeichen in vollkommener Übereinstimmung mit dem Inhaltlichen 47 ) Ich finde bei wiederholter Lektüre den. Eindruck immer wieder bestätigt, daß sich in 586ff. eine Doppelfassung versteckt. 3*
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Das Liedinnere
stehen. Die Katalexen trennen drei Blöcke ab48), deren jeder vom anderen auch inhaltlich verschieden ist: der erste Abschnitt enthält das Motiv des „bibisti" und die Frechheit des Sklaven, der zweite das pestis-Motiv, der dritte die Drohung und den Abschluß. Diese Gliederung wird durch die metrische Technik verdeutlicht. Leider konnte ich hier keine erschöpfende inhaltliche Interpretation geben, sondern mußte mich auf Formales beschränken. Dadurch wird aber um so klarer geworden sein, daß die formalen Gliederungszeichen eine bestimmte Technik erkennen lassen, daß sie gewollt und bewußt verwendet sind. Ferner erkennt man auch hier deutlich, daß Inhaltliches und Metrisches in der Regel Hand in Hand gehen. 3. Amph. 633 ff.
Wir wollen jetzt ein schwieriges Lied besprechen, das der Alcumena im Amphitruo: eines der schönsten Lieder im Plautus. Dieses Lied hat auch Fr. Crusius besprochen und in ihm Responsion nachweisen wollen49). Ich will den Text nicht hersetzen; ich meine, Leo hat den Text gesichert, unsere Überlieferung gibt nicht mehr aus. Der 1. Teil. Das Lied beginnt mit einer einleitenden Periode: „im Leben gibt es mehr Leid als Freude; so ist es nun einmal geordnet im menschlichen Dasein" (633/4). Diese Periode wird durch acht baccheische Metra gebildet; ob man diese weiter unterteilt — etwa in zwei Tetrameter oder Hexameter plus Dimeter—ist Geschmackssache; klar ist, daß nach „molestumst" der erste wichtige Einschnitt liegt. Dieser erste Satz ist eine Frage; sie wird beantwortet durch den zweiten Teil der ersten Periode50), einen ,,ia4A plus er". Frage und Antwort gehören formal zusammen, auch inhaltlich Hegt nach „hominum" ein Einschnitt, denn das folgende bringt schon etwas Neues. Doch auch die Metrik zeigt hier den Periodenschluß: die Klausel schließt diese erste Periode ab, sie markiert den Einschnitt. Alcumena hatte also gesagt, es gebe im Leben mehr Leid als Freude. Nun wiederholt sie diesen Satz, doch modifiziert sie ihre Klage: nun sagt sie nämlich, „auf jede Freude folge sogleich ein größeres Leid". 4β ) Diese Blöcke stehen zueinander im Verhältnis der Steigerung. Es ist zu beachten, wie die Blöcke dem Umfang nach kürzer werden; wie das Enjambement, also das Zeichen für gesteigertes Sprechtempo, immer mehr in den Vordergrund tritt. ia ) Crusius, Responsion, S. 73 ff. 50 ) Vers 634 entspricht in der eindeutig überlieferten Form v. 638, wie Leo zu diesem Verse andeutet. Lindsay liest „quoiq'" und streicht „mi" metri causa. Ich meine, man sollte beide Verse als den Fluß der Baccheen unterbrechende ia4A -f- c r verstehen, denn mit Eingriffen metri causa sollte man, solange die plautinische Metrik noch so unsicher ist, kargen. Ernouts Anmerkung „633— 640: Bacch. Hexam. catal." ist mir unverständlich.
Amph. 633ff.
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Das Motiv des ,,comes" ist etwas Neues gegenüber der bloßen Aussage, es gäbe mehr Leid als Freude im Leben. So ist es nun auch ihr gegangen, die der liebe (mei!) Gatte nach kurzem Wiedersehen sogleich wieder verlassen hat. Alcumena f ü g t also dem Allgemeinen gleich die persönliche Anwendung auf sich selber bei. Doch müssen wir uns hier die metrische Gestaltung dieser Partie genauer ansehen, wenn wir über den Aufbau dieser Stelle Genaueres sagen wollen, denn dem Inhalt nach sind mehrere Einschnitte möglich. Daß in 635 etwas Neues beginnt, ist vom Inhalt her und wegen des gliedernden ,,ita"klar. Es folgen dann drei61) ba 8 , dann ein Vers wie 634, dann ba 68 ^, dann wieder ba 6 , auf den ein ba 6 s y folgt. Liest man also unvoreingenommen baccheisch los, so kommt man beim ersten synkopierten Hexameter, also beim Ende von 637 vorläufig zum Halten, wird dann aber durch das Enjambement zum nächsten Vers geführt, der zunächst vier baccheische Metra enthält und dann — nach Hiat zwischen ,,me" und „hinc" — mit einem scheinbaren Reizianum (in Wirklichkeit einer synkopierten Folge von Baccheen) beschlossen wird. Hier ist der ,,atque"-Satz zu Ende, es wird interpungiert, hier ist endgültig Periodenschluß. Wir wollen hier einschneiden und nachsehen, ob diese Gliederung sinnvoll ist. „Nach göttlichem Ratschluß folgt auf etwas Gutes sogleich ein Leid, das größer ist als die Freude. So ging es auch mir, als ich meinen Gatten nur kurz sehen durfte und er dann plötzlich mich wieder verließ." Sentenz und Anwendung, durch das „ n a m " sinnvoll voneinander getrennt, sind also in einen größeren Verband aufgenommen, der eingeleitet wird durch das „ita", vielleicht auch durch eine Synkope. Abgeschlossen wird der Block durch die Synkope in 639. Das Folgende ist etwas Neues, es wird mit „nunc" eingeleitet, das hier einmal eingerückt ist, weil das „Sola" emphatisch voranstehen sollte. Entscheidend ist aber, daß es sich in 640 f. um die Gegenwart handelt, während 637ff. von Geschehenem spricht. Wir sehen, daß 635 bis 639 auf Grund aller uns zugänglichen Indizien enger zusammengehört als etwa die einleitende Periode mit 635 ff. oder 640/1 mit dem unmittelbar Vor aufgehenden. Nach den formalen Anzeichen, die in keinem Punkte dem Inhaltlichen oder Metrischen widersprechen, zu urteilen, ist es nicht richtig, den Hauptschnitt bei 636 zu legen, wie Crusius es tut, wenn er mit 636 die „Strophe" schließen läßt. Eine solche Einteilung trennt Zusammengehörendes und verbindet von Plautus Getrenntes, z.B. 637—39 mit 51 ) Ich kann mich nicht dazu entschließen, in v. 638 metri causa den Text zu ändern. Die Juxtaposition von mei mihi ist ausgezeichnet und überdies entspricht dieser Vers zu deutlich dem v. 634 (zu ia