Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt in den arabischen Staaten: Eine rechtsvergleichende Analyse von Aktien-, Anleihe- und Hybridemissionen am Beispiel Ägyptens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und Jordaniens 9783161531965, 9783161527678

Seit der Privatisierung des öffentlichen Sektors und der Entstehung organisierter Kapitalmärkte im arabischen Raum unter

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
A. Untersuchungsgegenstand
I. Die Regulierung von Kapitalmarktemissionen in den modernen arabischen Aktien- und Kapitalmarktrechtsordnungen
1. Eigenkapitalfinanzierung
a) Differenzierung zwischen unterschiedlichen Emissionstypen
b) Funktionen des Rechts
aa) Erhöhung der Transaktionskosten- und Allokationseffizienz
bb) Minderheitsschutz
cc) Anlegerschutz
2. Fremdkapitalfinanzierung
3. Hybridkapitalfinanzierung
4. Ausblendung strukturierter und islamischer Finanzierungsinstrumente
II. Regionale Eingrenzung
1. Ägypten
2. Vereinigte Arabische Emirate
3. Saudi-Arabien
4. Jordanien
B. Quellen des Rechts
I. Ausgangspunkt: Positives Recht
II. Bedeutung des islamischen Rechts
1. Verfassungsrechtliche Ebene
2. Einfachgesetzliche Ebene
a) Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Jordanien
b) Saudi-Arabien
III. Gelebtes Recht
1. Akzeptanz des positiven Rechts im arabischen Raum
a) Perspektiven auf das positive Recht
aa) Positives Recht als Ausdruck einer liberal legality
bb) Positives Recht als Instrument der Beherrschung
b) Ursachen des Rechtsdualismus
aa) Funktionelle Interpretation des positiven Rechts
bb) Komplexität und kulturelle Distanz als Eintrittshürde und Anwendungshindernis
cc) Politische Faktoren
2. Rezeption des romanischen Vermögensrechts
a) Ursachen der Rezeption
aa) Ausländische Herrschaft
bb) Modernitätsstreben
cc) Technizität der Lebenssachverhalte
dd) Komplementarität und Kontinuität
ee) Autonome Faktoren
b) Adaptionen
aa) Bedeutung
bb) Zivilrecht
cc) Unternehmensrecht
3. Rechtskultur als Hindernis der Rezeption im Unternehmensrecht?
4. Probleme der Rechtsdurchsetzung
a) Rollenverteilung zwischen Gerichten und Aufsichtsbehörden
b) Ursachen der Ineffizienz der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung
c) Kompensation der Effizienzprobleme durch die Aufsichtsbehörden
5. Interdependenz von Normativität und Faktizität
C. Rechtshistorische Grundlagen
I. Historie des ägyptischen Aktienrechts
1. Die Epoche der gemischten Gerichte
2. Ägyptisierung und die Ära Nasser
3. Infitah
4. Entstehung einer Kapitalmarktgesetzgebung
II. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien
D. Grundlagen zur Entwicklung der arabischen Kapitalmärkte
I. Eigenkapitalmarkt
1. Ägypten
2. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien
II. Fremdkapitalmarkt
1. Ägypten
2. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien
III. Der Markt für hybride Finanzierungsinstrumente
Teil I: Ägypten
§ 2 Eigenkapitalfinanzierung
A. Rechtsgrundlagen
I. Grundsätzliches zur Regelungstechnik des ägyptischen Gesetz- und Verordnungsgebers
1. Begriffsbildung
2. Systembildung
3. Prinzipienbildung
II. Verfassungsrecht
III.Gesellschaftsgesetz
IV. Kapitalmarktgesetz
B. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien
I. Erscheinungsformen des initial public offering
1. Unterscheidung nach der Emissionsstruktur
a) Primary initial public offering
b) Secondary initial public offering
c) Secondary initial public offering mit anschließender Kapitalerhöhung
2. Unterscheidung nach Aktientranchen
II. Gremienbeschlüsse
1. Art der Kapitalerhöhung
2. Hauptversammlungsbeschluss
a) Zuständigkeit
b) Verfahren
aa) Ladung
bb) Beschlussfähigkeit
cc) Mehrheit
3. Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre
4. Mindestvorgaben des Hauptversammlungsbeschlusses
a) Grundsatz der Finanzhoheit der Hauptversammlung
b) Zulässigkeit von Höchstgrenzen
5. Zwischenergebnis
III. Bedingungen der Kapitalerhöhung
1. Emissionsvolumen und der Grundsatz der vollständigen Zeichnung
2. Bestimmung der Aktienart und -gattung
a) Aktienart
b) Aktiengattung
3. Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss
a) Bedeutung
b) Rechtsgrundlage und Voraussetzungen des Bezugsrechts
aa) Gesetzliches oder dispositives statutarisches Bezugsrecht?
bb) Vorliegen einer Barkapitalerhöhung
c) Bezugsrechtsausschluss
aa) Vorliegen eines öffentlichen Angebots
bb) Verzichtslösung hinsichtlich der institutionellen Tranche
d) Zwischenergebnis
4. Festsetzung des Ausgabebetrags
a) Der angemessene Wert als Maßstab der Ausgabekurskontrolle
aa) Das Nettoreinvermögen als Bewertungsmaßstab i.S.v. Art. 17 S. 1 VOKMG a.F
bb) Die methodenoffene Anwendung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG durch die Finanzaufsicht
cc) Die Öffnung des Angemessenheitsbegriffs durch die Kapitalmarktrechtsreform 2007
dd) Verfahren
b) Die Zulässigkeit von Abweichungen vom angemessenen Wert
aa) Verbot von Preisaufschlägen zum Schutz der Anleger?
(1) Auffassung der Finanzaufsicht und Literatur
(2) Systematische Rechtfertigung
(3) Historisch-vergleichende Betrachtung
bb) Verbot von Preisabschlägen zum Schutz der Aktionäre?
(1) Gesellschaftsrechtlicher iustum pretium- Grundsatz
(2) Teleologische Reduktion beim initial public offering
c) Verfahren der Ausgabekursfestsetzung
aa) Festpreisverfahren
bb) Marktorientierte Preisfestsetzung durch Bookbuilding
(1) Verfahrensablauf
(2) Preisfestsetzung
(3) Underpricing-Phänomen
d) Schlussfolgerungen für die aktienrechtliche Ausgabekontrolle
aa) Anlegerschutz
(1) Börsenkurs als ökonomisch vorgegebener Maßstab der Ausgabekurskontrolle
(2) Problematik der Blasenbildung auf dem Sekundärmarkt
(3) Eingriff in die Unternehmensbewertung als Kompensationsmechanismus
(4) Überbewertung der Aktie als irreführendes Kaufsignal
(5) Unvereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse
(6) Lösungsvorschlag
bb) Aktionärsschutz
(1) Beschlusskontrolle
(2) Haftung des Verwaltungsrats
e) Zusammenfassung
5. Marktschutzvereinbarungen
6. Sonstige Voraussetzungen der Kapitalerhöhung
a) Durchführungsfrist
b) Subsidiarität der Kapitalerhöhung
IV. Aufsichtsrechtliches Genehmigungsverfahren
1. Der Weg vom Konzessionssystem in Richtung Normativsystem
a) Die Entwicklung des normativierten Konzessionssystems
b) Die Entwicklung bis zum normativen Notifizierungsverfahren
c) Die rechtstatsächliche Beibehaltung des normativierten Genehmigungserfordernisses
2. Chronologie des Verwaltungsverfahrens
a) Verfahren zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Zeichnungsperiode
aa) Pflichten auf Grundlage des Gesellschaftsgesetzes
bb) Pflichten auf Grundlage des Kapitalmarktgesetzes
b) Verfahren nach dem Ende der Zeichnungsfrist und vor der Satzungsänderung
aa) Genehmigung der Zeichnung durch die Finanzaufsicht
bb) Genehmigung der Satzungsänderung durch die GAFI
c) Verfahren nach der Genehmigung der Satzungsänderung
d) Besonderheiten beim secondary offering mit anschließender Kapitalerhöhung
3. Bewertung der behördlichen Kapitalerhöhungskontrolle als Instrument des Funktions- und Individualschutzes
a) Effizienz der präventiven Rechtmäßigkeitskontrolle
aa) Kosten
bb) Vorzüge
b) Normativiertes Konzessionssystem vs. Notifizierungsverfahren
4. Zwischenergebnis
V. Prospektpflichten
1. Prospektpflichten aufgrund des öffentlichen Angebots von Aktien
a) Grundsätzliches
b) Voraussetzungen der Prospektpflicht
aa) Vorliegen eines Angebots
(1) Definition und Reichweite
(2) Analoge Anwendung auf secondary offerings
bb) Angebot an die Öffentlichkeit
(1) Erweiterte Auslegung des Bestimmtheitsbegriffs
(2) Problematik des Fehlens einer Börseneinführungspublizität
cc) Ausnahme sog. Private Placements von der Prospektpflicht
(1) Systematische Einordnung
(2) Rechtsfolgen
c) Inhalt des Prospekts
aa) Allgemeine Angaben
bb) Preisbestimmungen
d) Auswirkungen auf das Bookbuilding-Verfahren
e) Rechtsvergleichende Einordnung
2. Prospekthaftung
a) Rechtsgrundlage
b) Prospektverantwortliche
c) Haftungsvoraussetzungen
d) Unwirksamkeit eines Haftungsausschlusses
3. Zwischenresümee
VI. Rechtsfragen der Zeichnung
1. Rechtsnatur der Zeichnung
a) Vertragstheorie vs. engagement unilateral
b) Qualifikation des Vertragstyps
2. Zustandekommen des Zeichnungsvertrags
a) Emissionsprospekt als Angebot der Gesellschaft auf Abschluss des Zeichnungsvertrags
b) Zeichnung als Angebot der Zeichner auf Abschluss eines Zeichnungsvertrags
3. Form
4. Inhalt
5. Mängel im Zeichnungsvertrag
6. Erbringung der Einlage
7. Dauer der Zeichnungsperiode
8. Zuteilung, Überzeichnung und Repartierung
a) Retail-Tranche
b) Institutionelle Tranche
c) Tranchenbezogene claw back-Klausel
9. Zwischenergebnis
VII. Wirksamkeit der Kapitalerhöhung und Abschluss des Emissionsverfahrens
1. Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kapitalerhöhung
a) Wirksamkeit der Gesellschaftsgründung und Entstehung der juristischen Person
b) Konsequenzen für die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung
2. Registrierung der dematerialisierten Aktien bei der MCDR
3. Voraussetzungen der Börsennotierung
a) Mindestquote für öffentlich angebotene Aktien
b) Mindestkapital und Ertragsvoraussetzungen
c) Börsennotierung neu gegründeter Holding- Gesellschaften
VIII. Kursstabilisierung
1. Funktionsweise und Modelle der Kursstabilisierung
a) Greenshoe
b) Reverse Greenshoe
c) Ägyptische Variante der Kursstabilisierung
2. Wirkung der Kursstabilisierung
3. Gründe für die Kursstabilisierung
a) Ad hoc-Erklärungsansätze
b) Informationsasymmetrien
c) Agency-Konflikte
d) Institutioneller Erklärungsansatz
e) Agency-Konflikte zwischen Emittenten und Emissionsbanken
f) Schlussfolgerungen für die ägyptische Variante der Kursstabilisierung
4. Rechtliche Beurteilung der Kursstabilisierung
a) Bereitstellung der Aktien
b) Durchführung von Stützkäufen
aa) Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien im ägyptischen Aktienrecht
bb) Kursstabilisierung durch Reverse Greenshoe als Erwerb eigener Aktien
(1) Entsprechende Anwendung auf Umgehungssachverhalte
(2) Konkrete Anwendung auf Stabilisierungsmaßnahmen
cc) Verstoß gegen das Verbot der Kursmanipulation
c) Rückführung und Verwertung der Aktien
5. Zwischenergebnis
IX. Die Rolle und Rechtsposition der Emissionsbanken
1. Emissions- und Konsortialformen auf dem ägyptischen Emissionsmarkt
a) Verbot der Selbstemission bei öffentlichen Angeboten
b) Verlagerung des Platzierungsrisikos auf die Emissionsbanken
c) Garantierte Absatzvermittlung als ägyptisches Underwriting-Modell
d) Konsortienbildung
2. Ausgestaltung des Absatzvermittlungsvertrags
a) Rechtsnatur
b) Vertragsparteien
c) Form
d) Inhalt
e) Haftungsfreistellungen
3. Zusammenfassung
X. Resümee zur Regulierung von Börsengängen
C. Folgeemissionen
I. Formen und Grundfragen der Folgeemission
1. Bezugsrechtsemission, Platzierung am Markt oder beides?
2. Die rights offer-Frage als ungelöstes Paradox
a) Entwicklung des Bezugsrechts
b) Entstehung der rights offer-Diskussion in den USA
c) Aufgreifen der rights offer-Diskussion durch die deutsche Literatur
d) Ungelöstheit des rights offer-Paradox
3. Konkretisierung der juristischen Fragestellung im rechtsvergleichenden Kontext
a) Ermessenfreier Bezugsrechtsausschluss
b) Mitgliedschaftsrechtlicher Ansatz
4. Bestandsaufnahme ägyptischer Folgeemissionen
a) Rechtlicher Rahmen
b) Empirischer Befund
c) Gang der Untersuchung
II. Reine Bezugsrechtsemissionen ohne Übernahmegarantie
1. Kapitalerhöhungsbeschluss
a) Genehmigte Kapitalerhöhung
b) Problematik der Stimmrechtsbeschränkung
2. Bedingungen der Bezugsrechtsemission
a) Bezugsrecht
aa) Bestehen einer satzungsmäßigen Bezugsrechtsklausel
bb) Wert des Bezugsrechts und Implikationen für den Aktienkurs
b) Preisfestsetzung
c) Stillhalteperiode und Notwendigkeit von deep discounts
3. Die Problematik des faktischen Teilnahmezwangs
a) Historischer Exkurs: Unzureichende Möglichkeiten der Bezugsrechtsverwertung
aa) Faktische Hürden der Bezugsrechtsveräußerung
bb) Schwierigkeiten der operation blanche
cc) Vorliegen eines faktischen Teilnahmezwangs?
b) Einführung eines börslichen Bezugsrechtshandels
c) Bezugsrechtshandel bei illiquiden Titeln
aa) Tatsächliche Möglichkeit der Veräußerung
bb) Begrenzung der Verwässerung
4. Nachbezugsverfahren
a) Bestehen eines Nachbezugsrechts
b) Problematik der Unterbewertung im Nachbezugsverfahren
c) Würdigung
5. Fehlbewertung der Aktie ex Bezugsrecht am Sekundärmarkt
6. Publizitätspflichten bei Bezugsrechtsemissionen
7. Die Zeichnung von Aktien bei der Bezugsrechtsemission
8. Zwischenresümee
III. Direktplatzierungen
1. Art der Kapitalerhöhung
2. Bezugsrechtsausschluss
a) Tatbestand
aa) Formelle Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses
bb) Vorliegen eines öffentlichen Angebots
cc) Bestehen eines wichtigen Grundes
b) Würdigung des zwingenden Bezugsrechts
aa) Kosten
(1) Angebote an das Publikum
(2) Privatplatzierungen am Kapitalmarkt
(3) Strategische Platzierungen
bb) Systematischer Widerspruch
c) Reformvorschlag
aa) Prämisse: Aufrechterhaltung des Schutzniveaus
bb) Ausschluss der Aktionäre von der Zuteilung
3. Festsetzung des Ausgabekurses
a) Ausgabekursfestsetzung de lege lata
aa) Börsenkurs als angemessener Wert
(1) Rechtsgrundlage
(2) Liquidität
(3) Informationseffizienz
(4) Rechtsvergleichende Betrachtung
(5) Würdigung
bb) Festsetzung des Ausgabebetrags auf Grundlage des angemessenen Werts
(1) Verbot von Preisabschlägen
(2) Stillhaltefrist
(3) Würdigung
cc) Verbot der Unterpari-Emission
b) Reformmöglichkeiten
aa) Vorüberlegungen
(1) Zu berücksichtigende Platzierungsformen
(2) Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Angeboten
(3) Berücksichtigung der Vorgaben des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahrens
bb) Ausgabekurskontrolle durch Begrenzung des Preisabschlags mittels eines Prozentsatzes
(1) Flexibilisierung der Preisfestsetzung
(2) Verkürzung der Stillhaltefrist
(3) Entwurf einer Ausgabekurskontrolle
(4) Zulässigkeit des Bookbuilding
cc) Begrenzung des Preisabschlags mittels normativer Instrumente
(1) Ermittlung des angemessenen Werts
(2) Entwicklung eines materiellen Überprüfungsmaßstabs
(3) Stillhaltefristen
4. Publizitätspflichten
5. Zwischenergebnis
IV. Bezugs- und Vorerwerbsrechtsemissionen mit Übernahmegarantie (standby offerings)
1. Bezugsrechtsemissionen
a) Zulässigkeit
b) Umgehungsstrategien in der ägyptischen Kapitalmarktpraxis
c) Aktuelle Entwicklungen
d) Würdigung
2. Vorerwerbsrechtsemissionen
a) Ausnahmen vom Grundsatz des zwingenden Bezugsrechts
aa) Regelfall: Einräumung eines Vorerwerbsrechts
bb) Sonderfall: Gewährung eines partiellen Ausgleichs?
cc) Sonderfall: Gefährdung der Kapitalmarktstabilität
b) Ausgabekurs
c) Würdigung
3. Zwischenergebnis
V. Resümee zur Regulierung von Folgeemissionen
D. Ergebnis der Untersuchung von Aktienemissionen in Ägypten
§ 3 Fremdkapitalfinanzierung
A. Einordnung der untersuchten Fremdkapitalformen
I. Formelles Fremdkapital und seine Erscheinungsformen
1. Einbeziehung hybrider Finanzierungsinstrumente
2. Ausblendung islamischer Kapitalmarktpapiere (sukûk)
II. Differenzierung zwischen kapitalmarktfähigen Fremdkapitaltiteln und nicht kapitalmarktfähigem Fremdkapital
B. Rechtsgrundlagen
I. Obligationenrecht
II. Gesellschaftsgesetz
III. Gesetz über Investmentgesellschaften
IV. Kapitalmarktgesetz
C. Institutionelle Probleme als Ursachen der Illiquidität des ägyptischen Fremdkapitalmarkts
I. Primärmarkt
1. Dominanz von Geschäftsbanken
2. Unzureichende Verzinsung für Nichtbanken-Investoren
3. Zufriedenheitseffekte auf Emittentenseite
4. Unzureichende Erfahrung mit festverzinslichen Kapitalmarktprodukten
II. Sekundärmarkt
1. Illiquidität des Sekundärmarkts
2. Kontinuierliches ordergetriebenes Handelssystem
3. Market Making durch lizenzierte Anleihehändler
4. Neuregulierung des Market Making als Kapitalmarktaktivität i.S.d. KMG
III. Fazit
D. Typologie des formellen Fremdkapitals im ägyptischen Aktienrecht
I. Reichweite der Vertragsfreiheit im Finanzverfassungsrecht der ägyptischen Aktiengesellschaft
1. Numerus clausus der Fremdfinanzierungsinstrumente im romanischen Rechtskreis
2. Standpunkt der arabischen Gesetzgeber
a) Ägypten
b) Jordanien
3. Schuldverschreibungen mit Gewinnbeteiligung in der arabischen Literatur
4. Schuldverschreibungen mit Gewinnbeteiligung in der Aufsichtspraxis
a) Entscheidung des kuwaitischen Justizministeriums
b) Vereinigte Arabische Emirate
c) Saudi-Arabien
5. Fazit
II. Kapitalvergütung
1. Nominale Vergütung
a) Feste Verzinsung
b) Variable Verzinsung
2. Effektive Vergütung
a) Beteiligung am laufenden Ergebnis
b) Beteiligung an Wertveränderungen des Gesellschaftsvermögens
III. Kapitalüberlassungsdauer
1. Überlassung der Kapitalsubstanz
a) Ewige Anleihen
b) Pflichtwandelanleihen
2. Überlassung der laufenden Vergütung
IV. Kapitalrang
V. Wandlungsfähigkeit des Kapitals
1. Umtausch von Fremd- in Eigenkapitaltitel
2. Bezugsrechte auf Eigenkapitaltitel
VI. Hybride Finanzierungsinstrumente im ägyptischen Bilanz-und Bankaufsichtsrecht
VII. Zwischenergebnis
E. Allgemeine gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen
I. Subsidiarität der Kapitalerhöhung
II. Investment Grade-Rating
III. Kapitalanforderungen
F. Gremienbeschluss
I. Beschluss der Hauptversammlung
1. Zuständigkeit und Mehrheit
2. Mindestvorgaben des Hauptversammlungsbeschlusses
a) Anleihen
b) Wandelanleihen
c) Sukûk al-tamwîl
3. Dauer und zwingende Ausnutzung der Ermächtigung
II. Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre auf hybride Finanzierungsinstrumente
1. Wandelanleihen
a) Fehlen einer statutarischen Rechtsgrundlage für das Bezugsrecht
b) Mehrheitsanforderungen
c) Zwingendes Bezugsrecht
2. Sukûk al-tamwîl
G. Anleihebedingungen
I. Einfache Unternehmensanleihen
1. Emissionsvolumen und Stückelung
2. Laufzeit und Tilgung
3. Verzinsung
a) Festverzinsliche Anleihen
b) Anleihen mit variabler Verzinsung
c) Verfassungsmäßigkeit von Zinsen
4. Nennwährung
5. Rangvereinbarungen
6. Ordentliche Kündigungsrechte
a) Befristete Laufzeit
b) Unbefristete Schuldverhältnisse
7. Zusicherungen und außerordentliche Kündigungsrechte
a) Nebenpflichten, Zusicherungen und financial covenants
b) Rechtsfolgen der Leistungsstörung und außerordentliche Kündigungsrechte
c) Ausübung von Kündigungsrechten und Rückzahlungsansprüchen
8. Bestellung von Sicherheiten
a) Vorüberlegungen
aa) Funktionen der Besicherung
bb) Arten der Besicherung
cc) Akzessorietät und Kapitalmarktfähigkeit
dd) Aktienrechtliche Anforderungen
(1) Bestellung der Sicherheiten zugunsten eines Anleihetreuhänders
(2) Rechtspersönlichkeit der Gläubigerversammlung
(3) Vereinbarkeit mit dem Akzessorietätsgrundsatz
ee) Durchsetzung der Sicherungsrechte
b) Realsicherheiten
aa) Hypothek
bb) Pfandrecht am Gewerbebetrieb
c) Personalsicherheiten
aa) Bürgschaft
bb) Garantie
d) Tilgungsfonds
e) Versicherung
9. Rechtswahl- und Gerichtsstandklausel
II. Wandelanleihen
III. Sukûk al-tamwîl
H. Emissionsverfahren
I. Aufsichtsrechtliche Genehmigung
II. Begebung der Anleihe und Entstehung des verbrieften Rechts
1. Kausalgeschäft
2. Verfügung
a) Briefeffekten
b) Bucheffekten
aa) Die Dematerialisierung des ägyptischen Effektenwesens
bb) Der Tatbestand der Überweisung dematerialisierter Effekten
(1) Rechtslage in Frankreich
(2) Rechtslage in Ägypten
3. Kreation
III. Emissionsform, Platzierung und Börsennotierung
1. Underwriting
a) Best efforts underwriting als Emissionsform am Fremdkapitalmarkt
b) Ineffizienzen der Lizenzierung als Underwriter
2. Preisfestsetzung und Zeichnung
3. Zuteilung
a) Rechtslage und Rechtspraxis
b) Lösungsvorschlag
c) Jüngere Entwicklungen
4. Anforderungen an die Börsennotierung
IV. Prospekt- und sonstige Publizitätspflichten
1. Regelungsregime
2. Veröffentlichung der Preisgestaltung
I. Sicherung und Bedienung von Wandlungsrechten
I. Kapitalerhöhung
1. Genehmigte Kapitalerhöhung
2. Ordentliche Kapitalerhöhung
3. Bezugsrecht und Ausgabekurskontrolle
II. Eigene Aktien
J. Schutz der Anleihegläubiger
I. Inhaltskontrolle der Anleihebedingungen
1. Adhäsionsvertrag als Instrument der Kontrolle von Vertragsbedingungen
2. Qualifikation der Schuldverschreibung als Adhäsionsvertrag?
II. Anpassung der Anleihebedingungen zum Schutz der Anleger
1. Gesetzlicher Schutz einfacher Anleihegläubiger
a) Kapitalherabsetzung
b) Verschmelzung
aa) Gesetzliche Regelung
bb) Rechtsschutz der Anleihegläubiger der übernehmenden Gesellschaft
c) Auflösung
2. Gesetzlicher Verwässerungsschutz der Inhaber von sukûk al-tamwîl und Wandelanleihen
a) Ausgangslage: Möglichkeiten der Wertverwässerung
b) Gesetzliche Anpassungsmöglichkeiten
aa) Vertragsauslegung
bb) Störung der Geschäftsgrundlage
cc) Vertragsergänzung
III. Die Versammlung der Anleihegläubiger und die Änderung der Anleihebedingungen
1. Entstehung der Gläubigerversammlung
2. Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung
3. Der gesetzliche Vertreter der Gläubiger
4. Änderung der Rechte der Anleihegläubiger durch die Gläubigerversammlung
a) Fehlen einer gesetzlichen Regelung
b) Rechtslage in Frankreich
c) Widerspruchslösung der EFSA
d) Lösungsvorschlag
IV. Zwischenresümee
K. Ergebnis der Untersuchung von Anleihe- und Hybridemissionen in Ägypten
Teil II: Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien
§ 4 Vorfragen
A. Rechtsgrundlagen
B. Investitionsbeschränkungen für ausländische Kapitalgeber
§ 5 Eigenkapitalfinanzierung
A. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien
I. Nominalwertgrundsatz als prägendes Strukturmerkmal des Börsengangs
1. Rechtspolitische Hintergründe
a) Wohlfahrtspolitik als Treiber des Kapitalmarkts
b) Anlegerschutz
2. Auswirkungen auf die Emissionsstruktur
3. Implikationen für die Kapitalmarktstabilität
a) Negativauslese unter den Emittenten
b) Liquiditätsabfluss
c) Verlagerung von Informationsasymmetrien auf den Sekundärmarkt
4. Aktuelle Entwicklungen
II. Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen
1. Neugründung (Greenfield-Emissionen)
a) Verfahren
b) Preisgestaltung und Risikostruktur
c) Würdigung
2. Börsengang operativ tätiger Gesellschaften
a) Vereinigte Arabische Emirate
aa) Formwechsel
(1) Dogmatische Einordnung
(2) Entsprechende Anwendung der Vorschriften über die „Umwandlung“ einer privaten in eine öffentliche Aktiengesellschaft
(3) Pricing
bb) Kapitalerhöhung
(1) Verfahren
(2) Bezugsrechtsausschluss
(3) Pricing
cc) Secondary offering
dd) Einschaltung von Zweckgesellschaften
(1) Finanzierung des Erwerbs der Betriebsgesellschaft mit Gesellschaftsaktien
(2) Finanzierung des Erwerbs der Betriebsgesellschaft in bar
ee) Preisfestsetzung im Wege des Bookbuilding
(1) Hintergrund
(2) Anwendungsbereich
(3) Verfahren
b) Saudi-Arabien
aa) Pricing
bb) Emissionsformen
(1) Kapitalerhöhung
(2) Secondary offering
c) Jordanien
aa) Kapitalerhöhung
bb) Secondary offering
cc) Einschaltung von Zweckgesellschaften
3. Zwischenergebnis
III. Sonstige Bedingungen
1. Streubesitzanforderungen
a) Vereinigte Arabische Emirate
b) Saudi-Arabien und Jordanien
2. Marktschutzvereinbarungen
IV. Emissionspublizität
1. Jordanien
2. Saudi-Arabien
3. Vereinigte Arabische Emirate
V. Stillhaltefristen
VI. Zeichnung und Zuteilung
1. Zustandekommen des Zeichnungsvertrags
2. Erbringung der Einlagen
3. Zwingende pro rata-Zuteilung als gesetzliches Leitbild
4. Exzessive Überzeichnung und IPO lending
5. Reformierung der Zuteilungsregeln im Zuge der Einführung des Bookbuilding
VII. Rolle der Emissionsbanken
VIII. Zwischenergebnis
B. Folgeemissionen
I. Bezugsrechtsemissionen ohne Übernahmegarantie
1. Emissionsverfahren
a) Vereinigte Arabische Emirate
b) Saudi-Arabien
c) Jordanien
2. Erbringung der Einlagen
3. Bezugsrechtshandel
4. Regelung des Nachbezugsrechts
a) Vereinigte Arabische Emirate
b) Saudi-Arabien
c) Jordanien
5. Zwingendes standby underwriting in Saudi-Arabien
II. Direktplatzierungen
1. Vereinigte Arabische Emirate
2. Saudi-Arabien
3. Jordanien
a) Bezugsrechtsausschluss
b) Ausgabekurs
III. Zwischenergebnis
§ 6 Fremdkapitalfinanzierung
A. Verfügbarkeit hybrider Kapitalformen
I. Grundsatz: Numerus clausus der Hybridkapitalformen
II. Wandlungsfähigkeit des Kapitals
III. Nachrangvereinbarungen und ewige Laufzeit
B. Allgemeine Voraussetzungen der Anleiheemission
I. Anleihefähigkeit
II. Gremienbeschluss
III. Kapitalanforderungen und Rating
C. Anleihebedingungen
I. Einfache Unternehmensanleihen
1. Zinsvorschriften
a) Vereinigte Arabische Emirate
b) Saudi-Arabien
aa) Allgemeines Zinsverbot als islamischer ordre public
bb) Zinsen in der saudi-arabischen Wirtschaftspraxis
cc) Zinsen vor den Gerichten
dd) De facto-Legalisierung von Zinsen durch prozessuale Vertiefung des Rechtsdualismus
(1) Bankensektor
(2) Kapitalmarkt
ee) Fazit
c) Jordanien
2. Sicherheiten
a) Vereinigte Arabische Emirate und Jordanien
aa) Islamische Bürgschaft
bb) Islamische Hypothek
cc) Pfandrecht am Gewerbebetrieb
b) Saudi-Arabien
II. Wandelanleihen
1. Bezugsrechtsproblematik in den Vereinigten Arabischen Emiraten
2. Umtauschverhältnis
D. Emissionsverfahren und -publizität
I. Gesellschaftsrechtliche Genehmigung
II. Kapitalmarktrechtliche Genehmigung und Publizität
E. Begründung der Rechte aus der Schuldverschreibung
F. Bedienung der Umtauschrechte
G. Stellung der Anleihegläubiger
I. Schutz der Anleihegläubiger
1. Spezialgesetzlicher Anlegerschutz vor Strukturmaßnahmen
2. Gesetzlicher Verwässerungsschutz
II. Versammlung der Anleihegläubiger
§ 7 Resümee zur rechtsvergleichenden Untersuchung
Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen
Einleitung
Aktienemissionen in Ägypten – Börsengang
Aktienemissionen in Ägypten – Folgeemissionen
Anleihe- und Genussrechtsemissionen in Ägypten
Aktienemissionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Jordanien – Börsengang
Aktienemissionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Jordanien – Folgeemissionen
Anleiheemissionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Jordanien
Abschließende Würdigung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 309 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Carlo Pohlhausen

Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt in den arabischen Staaten Eine rechtsvergleichende Analyse von Aktien-, Anleihe- und Hybridemissionen am Beispiel Ägyptens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und Jordaniens

Mohr Siebeck

Carlo Pohlhausen, geboren 1979; Studium der Rechtswissenschaften in Passau und München; Referendariat in Hamburg; Doktorand, Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München; anschließend in einer internationalen Unternehmensberatung tätig; seit 2012 bei einer Investmentfirma in München tätig.

e-ISBN PDF 978-3-16-153196-5 ISBN 978-3-16-152767-8 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Zeit als Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen entstanden. Mein besonders herzlicher Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön. Er hat mir während der Promotionsphase mit großem Vertrauensvorschuss den wissenschaftlichen Gestaltungsfreiraum gewährt, den eine Arbeit zu einem fremden Rechtskreis benötigt, und mit seinen Anregungen, Diskussionen und stetem Interesse wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Für die lehrreichen sowie in fachlicher und persönlicher Hinsicht wertvollen Jahre am Max-PlanckInstitut bin ich ihm sehr verbunden. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Peter Kindler für die Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen gilt mein Dank für die großzügige Gewährung eines dreijährigen Forschungsstipendiums sowie die Ermöglichung von vier Forschungsreisen nach Ägypten und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Ebenso danke ich den Herausgebern der Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe. Während meiner Forschungsreisen bin ich mit einer Vielzahl von Rechtsanwälten, Fachbeamten, Richtern, Unternehmensjuristen und Finanzexperten zusammengekommen, ohne die diese Abhandlung nicht möglich gewesen wäre. Erwähnt sei zuvorderst Herr RA Hossam Omar, dessen vertieftes Verständnis der arabischen und westlichen Kapitalmarktordnungen, vor allem aber unerschöpfliche Geduld in langen und kleinteiligen Diskussionen für mich von unschätzbarem Wert waren. Ebenso danke ich Herrn Prof. em. Dr. Omaia Elwan, der mir stets mit Ratschlägen sowie Kontakten in die Kairoer Juristenwelt zur Seite stand. Von großer Bedeutung für die Arbeit war auch die intensive Zusammenarbeit mit der Egyptian Financial Supervisory Authority (EFSA), der General Authority for Investments, der ägyptischen Börse sowie dem ägyptischen Zentralverwahrer MCDR. Mein besonderer Dank gilt insofern dem früheren Vorsitzenden der EFSA, Herrn Dr. Hani Sarie Eldin, sowie Ahmed Lebena und Mohammed Abdelwahid, die mir vertiefte Einblicke in die Arbeit der Aufsichtsbehörden ermöglicht haben. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Hossam

VIII

Vorwort

Loutfi für seine fürsorgliche Betreuung während meiner Aufenthalte in Kairo sowie dem Vizepräsidenten des ägyptischen Verfassungsgerichts Rajab Salim und dem Präsidenten des Kassationsgerichts Dubai Dr. Ali Ibrahim Al Imam für wertvolle Diskussionen über die nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen, darüber hinaus Ahmed El-Guindy (EFG Hermes), Ahmed El-Houssieny (Citadel Capital), dem früheren Vorsitzenden der ägyptischen Börse Dr. Sameh el-Torgoman, Kamel Galal (Al Ezz Steel Rebars) sowie der Niederlassung der Deutschen Bank in Dubai für ihre Einblicke in die Kapitalmarktpraxis in der Region. Bei meinen Recherchen wurde ich von verschiedenen Sozietäten mit großer Offenheit durch intensiven fachlichen Austausch und juristische Materialien unterstützt. Insoweit danke ich den Kanzleien Shalakany, die mich für einen Monat als Mitarbeiter aufnahmen, Amereller, Sarie Eldin, Al-Tamimi, Afridi Angell, Kosheri Rashed & Riad, Zaki Hashem und Arab Legal Consultants. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2012 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Das Manuskript hierzu wurde im Januar 2011 abgeschlossen. Für die Veröffentlichung wurden die zentralen gesetzlichen Neuerungen bis Dezember 2013 eingearbeitet (insbesondere die Einführung eines börslichen Bezugsrechtshandels in Ägypten). Im Verlauf dieser Zeit haben die arabischen Staaten und auch Ägypten grundlegende politische Umwälzungen erlebt, die auch die aktuelle Rechtsentwicklung nicht unberührt ließen. Auch wenn die eher technischen Regeln des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts von dem Wandel bislang kaum erfasst wurden, wird mit Spannung zu beobachten sein, in welche Richtung sich die Gesetzgebung bewegt, namentlich im Hinblick auf die Frage der Zinsen. Es ist zu hoffen, dass die betroffenen Staaten die politische Stabilität, derer es in einem funktionierenden Rechtssystem bedarf, bald wiederfinden. Neben fachlichem Beistand habe ich ein großes Maß an persönlicher Unterstützung erhalten. Besonders am Herzen liegt mir der Dank an meine Frau Dr. Stephanie Pohlhausen, die mich während der Promotionszeit fortwährend motivierte und mir stets liebevollen Rückhalt gab. In bester Erinnerung bleiben mir auch die schönen Stunden am Institut mit Dr. Alexander Jehlin, Mauritz von Einem, Dr. Tobias Beuchert und Dr. Alexander Hellgardt sowie die gute Betreuung durch Frau Gabriele Auer. Ihnen allen sei hierfür gedankt. Mein tiefer Dank gilt schließlich meinen Eltern, die mich während meiner Ausbildung vorbehaltlos unterstützt, begleitet und gefördert haben. Ihnen widme ich diese Arbeit in liebevoller Verbundenheit. München, im Dezember 2013

Carlo Pohlhausen

Inhaltsübersicht

Vorwort ................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis .................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis .................................................................. XXXIV

§ 1 Einleitung ...................................................................................... 1 A. B. C. D.

Untersuchungsgegenstand ......................................................... 5 Quellen des Rechts ................................................................. 18 Rechtshistorische Grundlagen ................................................. 59 Grundlagen zur Entwicklung der arabischen Kapitalmärkte .... 70

Teil I: Ägypten .................................................................................... 83 § 2 Eigenkapitalfinanzierung ......................................................... 83 A. Rechtsgrundlagen der kapitalmarktorientierten Eigenkapitalfinanzierung ........................................................ 83 B. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien .......................... 91 C. Folgeemissionen ................................................................... 292 D. Ergebnis der Untersuchung von Aktienemissionen in Ägypten ................................................................................ 412

§ 3 Fremdkapitalfinanzierung ...................................................... 416 A. Bestimmung der untersuchten Fremdkapitalformen .............. 417 B. Rechtsgrundlagen der aktienrechtlichen Fremdfinanzierungsinstrumente ............................................ 425 C. Institutionelle Probleme als Ursachen der Illiquidität des ägyptischen Fremdkapitalmarkts ........................................... 429 D. Typologie des formellen Fremdkapitals im ägyptischen Aktienrecht ........................................................................... 441

Inhaltsübersicht

X E. F. G. H. I. J. K.

Allgemeine gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen ............ 477 Gremienbeschluss ................................................................. 480 Anleihebedingungen ............................................................. 490 Emissionsverfahren .............................................................. 535 Sicherung und Bedienung von Wandlungsrechten ................. 559 Schutz der Anleihegläubiger ................................................. 563 Ergebnis der Untersuchung von Anleihe- und Hybridemissionen in Ägypten ............................................... 591

Teil II: Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien ............................................................................... 593 § 4 Vorfragen ................................................................................... 593 A. Rechtsgrundlagen ................................................................. 593 B. Investitionsbeschränkungen für ausländische Kapitalgeber ... 596

§ 5 Eigenkapitalfinanzierung ....................................................... 598 A. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien ........................ 598 B. Folgeemissionen ................................................................... 667

§ 6 Fremdkapitalfinanzierung ...................................................... 688 A. B. C. D. E. F. G.

Verfügbarkeit hybrider Kapitalformen .................................. 689 Allgemeine Voraussetzungen der Anleiheemission ................ 692 Anleihebedingungen ............................................................. 695 Emissionsverfahren und -publizität ....................................... 718 Begründung der Rechte aus der Schuldverschreibung ........... 719 Bedienung der Umtauschrechte ............................................. 720 Stellung der Anleihegläubiger ............................................... 721

§ 7 Resümee zur rechtsvergleichenden Untersuchung ............ 726 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen .............................. 729 Literatur- und Quellenverzeichnis ......................................................... 751 Sachverzeichnis ............................................................................................ 791

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................. VII Inhaltsübersicht.............................................................................................. IX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ XXXIV

§ 1 Einleitung ............................................................................................... 1 A. Untersuchungsgegenstand ................................................................ 5 I. Die Regulierung von Kapitalmarktemissionen in den modernen arabischen Aktien- und Kapitalmarktrechtsordnungen ...... 5 1. Eigenkapitalfinanzierung ......................................................... 8 a) Differenzierung zwischen unterschiedlichen Emissionstypen ................................................................... 8 b) Funktionen des Rechts ........................................................ 9 aa) Erhöhung der Transaktionskosten- und Allokationseffizienz ..................................................... 9 bb) Minderheitsschutz ...................................................... 10 cc) Anlegerschutz ............................................................. 10 2. Fremdkapitalfinanzierung ...................................................... 11 3. Hybridkapitalfinanzierung ..................................................... 12 4. Ausblendung strukturierter und islamischer Finanzierungsinstrumente ...................................................... 12 II. Regionale Eingrenzung .............................................................. 14 1. 2. 3. 4.

Ägypten ................................................................................. 14 Vereinigte Arabische Emirate ................................................ 16 Saudi-Arabien ....................................................................... 17 Jordanien ............................................................................... 17

B. Quellen des Rechts ......................................................................... 18

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Inhaltsverzeichnis

I. Ausgangspunkt: Positives Recht .................................................. 18 II. Bedeutung des islamischen Rechts ............................................. 18 1. Verfassungsrechtliche Ebene ................................................. 19 2. Einfachgesetzliche Ebene ...................................................... 21 a) Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Jordanien ...... 21 b) Saudi-Arabien ................................................................... 24 III. Gelebtes Recht ......................................................................... 25 1. Akzeptanz des positiven Rechts im arabischen Raum ............ 27 a) Perspektiven auf das positive Recht .................................. 27 aa) Positives Recht als Ausdruck einer liberal legality ..... 27 bb) Positives Recht als Instrument der Beherrschung ........ 28 b) Ursachen des Rechtsdualismus .......................................... 29 aa) Funktionelle Interpretation des positiven Rechts ......... 29 bb) Komplexität und kulturelle Distanz als Eintrittshürde und Anwendungshindernis.................... 31 cc) Politische Faktoren ..................................................... 32 2. Rezeption des romanischen Vermögensrechts ......................... 33 a) Ursachen der Rezeption .................................................... 33 aa) Ausländische Herrschaft ............................................. 33 bb) Modernitätsstreben ..................................................... 36 cc) Technizität der Lebenssachverhalte............................. 36 dd) Komplementarität und Kontinuität .............................. 38 ee) Autonome Faktoren .................................................... 39 b) Adaptionen ....................................................................... 40 aa) Bedeutung .................................................................. 40 bb) Zivilrecht .................................................................... 41 cc) Unternehmensrecht ..................................................... 43 3. Rechtskultur als Hindernis der Rezeption im Unternehmensrecht? .............................................................. 44 4. Probleme der Rechtsdurchsetzung ......................................... 50 a) Rollenverteilung zwischen Gerichten und Aufsichtsbehörden ............................................................ 50 b) Ursachen der Ineffizienz der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung .......................................................... 51 c) Kompensation der Effizienzprobleme durch die Aufsichtsbehörden ............................................................ 55 5. Interdependenz von Normativität und Faktizität .................... 56

Inhaltsverzeichnis

XIII

C. Rechtshistorische Grundlagen ........................................................ 59 I. Historie des ägyptischen Aktienrechts ........................................ 60 1. 2. 3. 4.

Die Epoche der gemischten Gerichte ..................................... 60 Ägyptisierung und die Ära Nasser ......................................... 61 Infitah ................................................................................... 64 Entstehung einer Kapitalmarktgesetzgebung.......................... 66

II. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien ...... 67 D. Grundlagen zur Entwicklung der arabischen Kapitalmärkte............ 70 I. Eigenkapitalmarkt ....................................................................... 70 1. Ägypten ................................................................................. 70 2. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien ............................................................................... 73 II. Fremdkapitalmarkt..................................................................... 76 1. Ägypten ................................................................................. 77 2. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien ............................................................................... 79 III. Der Markt für hybride Finanzierungsinstrumente ..................... 81

Teil I: Ägypten ........................................................................................... 83 § 2 Eigenkapitalfinanzierung ................................................................ 83 A. Rechtsgrundlagen ........................................................................... 83 I. Grundsätzliches zur Regelungstechnik des ägyptischen Gesetz- und Verordnungsgebers ................................................. 83 1. Begriffsbildung ..................................................................... 84 2. Systembildung ....................................................................... 85 3. Prinzipienbildung .................................................................. 87 II. Verfassungsrecht ........................................................................ 88 III.Gesellschaftsgesetz ................................................................... 88 IV. Kapitalmarktgesetz ................................................................... 89 B. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien ................................. 91 I. Erscheinungsformen des initial public offering ........................... 92

XIV

Inhaltsverzeichnis

1. Unterscheidung nach der Emissionsstruktur........................... 92 a) Primary initial public offering........................................... 92 b) Secondary initial public offering ....................................... 93 c) Secondary initial public offering mit anschließender Kapitalerhöhung................................................................ 93 2. Unterscheidung nach Aktientranchen ..................................... 95 II. Gremienbeschlüsse .................................................................... 97 1. Art der Kapitalerhöhung ........................................................ 98 2. Hauptversammlungsbeschluss ............................................. 100 a) Zuständigkeit .................................................................. 100 b) Verfahren ........................................................................ 100 aa) Ladung ..................................................................... 100 bb) Beschlussfähigkeit .................................................... 101 cc) Mehrheit ................................................................... 101 3. Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre ................................ 102 4. Mindestvorgaben des Hauptversammlungsbeschlusses ........ 103 a) Grundsatz der Finanzhoheit der Hauptversammlung........ 104 b) Zulässigkeit von Höchstgrenzen ...................................... 106 5. Zwischenergebnis ................................................................ 106 III. Bedingungen der Kapitalerhöhung.......................................... 107 1. Emissionsvolumen und der Grundsatz der vollständigen Zeichnung ........................................................................... 107 2. Bestimmung der Aktienart und -gattung .............................. 109 a) Aktienart ......................................................................... 109 b) Aktiengattung ................................................................. 110 3. Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss ............................ 113 a) Bedeutung ....................................................................... 113 b) Rechtsgrundlage und Voraussetzungen des Bezugsrechts ................................................................... 114 aa) Gesetzliches oder dispositives statutarisches Bezugsrecht? ............................................................ 114 bb) Vorliegen einer Barkapitalerhöhung .......................... 118 c) Bezugsrechtsausschluss ................................................... 119 aa) Vorliegen eines öffentlichen Angebots ...................... 119 bb) Verzichtslösung hinsichtlich der institutionellen Tranche .................................................................... 121 d) Zwischenergebnis............................................................ 123

Inhaltsverzeichnis

XV

4. Festsetzung des Ausgabebetrags .......................................... 124 a) Der angemessene Wert als Maßstab der Ausgabekurskontrolle ..................................................... 128 aa) Das Nettoreinvermögen als Bewertungsmaßstab i.S.v. Art. 17 S. 1 VOKMG a.F.................................. 128 bb) Die methodenoffene Anwendung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG durch die Finanzaufsicht .................... 130 cc) Die Öffnung des Angemessenheitsbegriffs durch die Kapitalmarktrechtsreform 2007........................... 131 dd) Verfahren .................................................................. 132 b) Die Zulässigkeit von Abweichungen vom angemessenen Wert ......................................................... 133 aa) Verbot von Preisaufschlägen zum Schutz der Anleger? ................................................................... 134 (1) Auffassung der Finanzaufsicht und Literatur ...... 134 (2) Systematische Rechtfertigung ............................ 135 (3) Historisch-vergleichende Betrachtung ................ 137 bb) Verbot von Preisabschlägen zum Schutz der Aktionäre? ................................................................ 137 (1) Gesellschaftsrechtlicher iustum pretiumGrundsatz .......................................................... 137 (2) Teleologische Reduktion beim initial public offering .............................................................. 138 c) Verfahren der Ausgabekursfestsetzung ............................ 140 aa) Festpreisverfahren .................................................... 141 bb) Marktorientierte Preisfestsetzung durch Bookbuilding ............................................................ 142 (1) Verfahrensablauf ................................................ 143 (2) Preisfestsetzung ................................................. 147 (3) Underpricing-Phänomen .................................... 148 d) Schlussfolgerungen für die aktienrechtliche Ausgabekontrolle ............................................................ 152 aa) Anlegerschutz ........................................................... 152 (1) Börsenkurs als ökonomisch vorgegebener Maßstab der Ausgabekurskontrolle .................... 153

XVI

Inhaltsverzeichnis

(2) Problematik der Blasenbildung auf dem Sekundärmarkt ................................................... 156 (3) Eingriff in die Unternehmensbewertung als Kompensationsmechanismus .............................. 159 (4) Überbewertung der Aktie als irreführendes Kaufsignal ......................................................... 161 (5) Unvereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse ........................................ 162 (6) Lösungsvorschlag .............................................. 165 bb) Aktionärsschutz ........................................................ 165 (1) Beschlusskontrolle ............................................. 165 (2) Haftung des Verwaltungsrats .............................. 167 e) Zusammenfassung ........................................................... 169 5. Marktschutzvereinbarungen ................................................. 170 6. Sonstige Voraussetzungen der Kapitalerhöhung ................... 170 a) Durchführungsfrist .......................................................... 170 b) Subsidiarität der Kapitalerhöhung ................................... 171 IV. Aufsichtsrechtliches Genehmigungsverfahren ......................... 172 1. Der Weg vom Konzessionssystem in Richtung Normativsystem .................................................................. 173 a) Die Entwicklung des normativierten Konzessionssystems ........................................................ 173 b) Die Entwicklung bis zum normativen Notifizierungsverfahren .................................................. 176 c) Die rechtstatsächliche Beibehaltung des normativierten Genehmigungserfordernisses........................................... 179 2. Chronologie des Verwaltungsverfahrens .............................. 180 a) Verfahren zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Zeichnungsperiode .......................................................... 181 aa) Pflichten auf Grundlage des Gesellschaftsgesetzes ... 181 bb) Pflichten auf Grundlage des Kapitalmarktgesetzes .... 181 b) Verfahren nach dem Ende der Zeichnungsfrist und vor der Satzungsänderung ..................................................... 184 aa) Genehmigung der Zeichnung durch die Finanzaufsicht .......................................................... 184 bb) Genehmigung der Satzungsänderung durch die GAFI ........................................................................ 184

Inhaltsverzeichnis

XVII

c) Verfahren nach der Genehmigung der Satzungsänderung ........................................................... 186 d) Besonderheiten beim secondary offering mit anschließender Kapitalerhöhung ..................................... 187 3. Bewertung der behördlichen Kapitalerhöhungskontrolle als Instrument des Funktions- und Individualschutzes ......... 187 a) Effizienz der präventiven Rechtmäßigkeitskontrolle........ 187 aa) Kosten ...................................................................... 187 bb) Vorzüge .................................................................... 189 b) Normativiertes Konzessionssystem vs. Notifizierungsverfahren .................................................. 191 4. Zwischenergebnis ................................................................ 192 V. Prospektpflichten ..................................................................... 193 1. Prospektpflichten aufgrund des öffentlichen Angebots von Aktien ........................................................................... 196 a) Grundsätzliches ............................................................... 196 b) Voraussetzungen der Prospektpflicht ............................... 198 aa) Vorliegen eines Angebots.......................................... 198 (1) Definition und Reichweite ................................. 198 (2) Analoge Anwendung auf secondary offerings..... 201 bb) Angebot an die Öffentlichkeit ................................... 201 (1) Erweiterte Auslegung des Bestimmtheitsbegriffs ........................................ 201 (2) Problematik des Fehlens einer Börseneinführungspublizität .............................. 203 cc) Ausnahme sog. Private Placements von der Prospektpflicht ......................................................... 204 (1) Systematische Einordnung ................................. 206 (2) Rechtsfolgen ...................................................... 207 c) Inhalt des Prospekts ........................................................ 208 aa) Allgemeine Angaben ................................................ 208 bb) Preisbestimmungen................................................... 209 d) Auswirkungen auf das Bookbuilding-Verfahren .............. 210 e) Rechtsvergleichende Einordnung .................................... 215 2. Prospekthaftung................................................................... 216 a) Rechtsgrundlage.............................................................. 217 b) Prospektverantwortliche .................................................. 218

XVIII

Inhaltsverzeichnis

c) Haftungsvoraussetzungen ................................................ 220 d) Unwirksamkeit eines Haftungsausschlusses .................... 221 3. Zwischenresümee ................................................................ 222 VI. Rechtsfragen der Zeichnung ................................................... 223 1. Rechtsnatur der Zeichnung .................................................. 224 a) Vertragstheorie vs. engagement unilateral ....................... 224 b) Qualifikation des Vertragstyps......................................... 225 2. Zustandekommen des Zeichnungsvertrags ........................... 226 a) Emissionsprospekt als Angebot der Gesellschaft auf Abschluss des Zeichnungsvertrags .................................. 226 b) Zeichnung als Angebot der Zeichner auf Abschluss eines Zeichnungsvertrags ................................................ 229 3. Form.................................................................................... 232 4. Inhalt ................................................................................... 232 5. Mängel im Zeichnungsvertrag ............................................. 233 6. Erbringung der Einlage ........................................................ 235 7. Dauer der Zeichnungsperiode .............................................. 236 8. Zuteilung, Überzeichnung und Repartierung ........................ 236 a) Retail-Tranche ................................................................ 237 b) Institutionelle Tranche..................................................... 239 c) Tranchenbezogene claw back-Klausel ............................. 244 9. Zwischenergebnis ................................................................ 244 VII. Wirksamkeit der Kapitalerhöhung und Abschluss des Emissionsverfahrens ................................................................ 245 1. Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kapitalerhöhung .................. 245 a) Wirksamkeit der Gesellschaftsgründung und Entstehung der juristischen Person .................................. 246 b) Konsequenzen für die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung.............................................................. 247 2. Registrierung der dematerialisierten Aktien bei der MCDR ................................................................................. 249 3. Voraussetzungen der Börsennotierung ................................. 250 a) Mindestquote für öffentlich angebotene Aktien ............... 250 b) Mindestkapital und Ertragsvoraussetzungen .................... 251 c) Börsennotierung neu gegründeter HoldingGesellschaften ................................................................. 252

Inhaltsverzeichnis

XIX

VIII. Kursstabilisierung ........................................................... 253 1. Funktionsweise und Modelle der Kursstabilisierung ............ 253 a) Greenshoe ....................................................................... 254 b) Reverse Greenshoe .......................................................... 256 c) Ägyptische Variante der Kursstabilisierung ..................... 257 2. Wirkung der Kursstabilisierung ........................................... 259 3. Gründe für die Kursstabilisierung ........................................ 259 a) Ad hoc-Erklärungsansätze ............................................... 259 b) Informationsasymmetrien ................................................ 260 c) Agency-Konflikte ............................................................ 261 d) Institutioneller Erklärungsansatz ..................................... 261 e) Agency-Konflikte zwischen Emittenten und Emissionsbanken............................................................. 262 f) Schlussfolgerungen für die ägyptische Variante der Kursstabilisierung ........................................................... 262 4. Rechtliche Beurteilung der Kursstabilisierung ..................... 264 a) Bereitstellung der Aktien ................................................. 264 b) Durchführung von Stützkäufen ........................................ 265 aa) Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien im ägyptischen Aktienrecht ........................................... 265 bb) Kursstabilisierung durch Reverse Greenshoe als Erwerb eigener Aktien .............................................. 269 (1) Entsprechende Anwendung auf Umgehungssachverhalte..................................... 269 (2) Konkrete Anwendung auf Stabilisierungsmaßnahmen........................................................ 271 cc) Verstoß gegen das Verbot der Kursmanipulation ....... 272 c) Rückführung und Verwertung der Aktien ........................ 275 5. Zwischenergebnis ................................................................ 275 IX. Die Rolle und Rechtsposition der Emissionsbanken ............... 275 1. Emissions- und Konsortialformen auf dem ägyptischen Emissionsmarkt ................................................................... 275 a) Verbot der Selbstemission bei öffentlichen Angeboten .... 276 b) Verlagerung des Platzierungsrisikos auf die Emissionsbanken............................................................. 277

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Inhaltsverzeichnis

c) Garantierte Absatzvermittlung als ägyptisches Underwriting-Modell ...................................................... 278 d) Konsortienbildung........................................................... 281 2. Ausgestaltung des Absatzvermittlungsvertrags .................... 282 a) Rechtsnatur ..................................................................... 282 b) Vertragsparteien .............................................................. 284 c) Form ............................................................................... 287 d) Inhalt .............................................................................. 288 e) Haftungsfreistellungen .................................................... 289 3. Zusammenfassung ............................................................... 290 X. Resümee zur Regulierung von Börsengängen .......................... 291 C. Folgeemissionen .......................................................................... 292 I. Formen und Grundfragen der Folgeemission ............................. 292 1. Bezugsrechtsemission, Platzierung am Markt oder beides? ................................................................................ 293 2. Die rights offer-Frage als ungelöstes Paradox ...................... 295 a) Entwicklung des Bezugsrechts ........................................ 295 b) Entstehung der rights offer-Diskussion in den USA ........ 296 c) Aufgreifen der rights offer-Diskussion durch die deutsche Literatur ........................................................... 298 d) Ungelöstheit des rights offer-Paradox ............................. 299 3. Konkretisierung der juristischen Fragestellung im rechtsvergleichenden Kontext .............................................. 302 a) Ermessenfreier Bezugsrechtsausschluss .......................... 302 b) Mitgliedschaftsrechtlicher Ansatz ................................... 305 4. Bestandsaufnahme ägyptischer Folgeemissionen ................. 307 a) Rechtlicher Rahmen ........................................................ 307 b) Empirischer Befund ........................................................ 309 c) Gang der Untersuchung ................................................... 309 II. Reine Bezugsrechtsemissionen ohne Übernahmegarantie......... 310 1. Kapitalerhöhungsbeschluss .................................................. 310 a) Genehmigte Kapitalerhöhung .......................................... 310 b) Problematik der Stimmrechtsbeschränkung ..................... 313 2. Bedingungen der Bezugsrechtsemission .............................. 315 a) Bezugsrecht .................................................................... 315

Inhaltsverzeichnis

3.

4.

5. 6. 7. 8.

XXI

aa) Bestehen einer satzungsmäßigen Bezugsrechtsklausel ................................................. 315 bb) Wert des Bezugsrechts und Implikationen für den Aktienkurs ................................................................ 315 b) Preisfestsetzung .............................................................. 317 c) Stillhalteperiode und Notwendigkeit von deep discounts ......................................................................... 318 Die Problematik des faktischen Teilnahmezwangs ............... 321 a) Historischer Exkurs: Unzureichende Möglichkeiten der Bezugsrechtsverwertung ................................................. 321 aa) Faktische Hürden der Bezugsrechtsveräußerung ....... 323 bb) Schwierigkeiten der operation blanche ..................... 324 cc) Vorliegen eines faktischen Teilnahmezwangs? .......... 326 b) Einführung eines börslichen Bezugsrechtshandels ........... 329 c) Bezugsrechtshandel bei illiquiden Titeln ......................... 329 aa) Tatsächliche Möglichkeit der Veräußerung ............... 329 bb) Begrenzung der Verwässerung .................................. 331 Nachbezugsverfahren .......................................................... 334 a) Bestehen eines Nachbezugsrechts ................................... 334 b) Problematik der Unterbewertung im Nachbezugsverfahren ...................................................... 336 c) Würdigung ...................................................................... 337 Fehlbewertung der Aktie ex Bezugsrecht am Sekundärmarkt .................................................................... 338 Publizitätspflichten bei Bezugsrechtsemissionen ................. 341 Die Zeichnung von Aktien bei der Bezugsrechtsemission .... 344 Zwischenresümee ................................................................ 345

III. Direktplatzierungen ................................................................ 346 1. Art der Kapitalerhöhung ...................................................... 347 2. Bezugsrechtsausschluss ....................................................... 349 a) Tatbestand ....................................................................... 349 aa) Formelle Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses ......................................... 349 bb) Vorliegen eines öffentlichen Angebots ...................... 350 cc) Bestehen eines wichtigen Grundes ............................ 351 b) Würdigung des zwingenden Bezugsrechts ....................... 353 aa) Kosten ...................................................................... 353

XXII

Inhaltsverzeichnis

(1) Angebote an das Publikum ................................. 354 (2) Privatplatzierungen am Kapitalmarkt ................. 355 (3) Strategische Platzierungen ................................. 356 bb) Systematischer Widerspruch ..................................... 358 c) Reformvorschlag ............................................................. 360 aa) Prämisse: Aufrechterhaltung des Schutzniveaus........ 360 bb) Ausschluss der Aktionäre von der Zuteilung ............. 360 3. Festsetzung des Ausgabekurses ........................................... 363 a) Ausgabekursfestsetzung de lege lata ............................... 364 aa) Börsenkurs als angemessener Wert ........................... 364 (1) Rechtsgrundlage ................................................ 364 (2) Liquidität ........................................................... 367 (3) Informationseffizienz ......................................... 368 (4) Rechtsvergleichende Betrachtung....................... 372 (5) Würdigung ......................................................... 374 bb) Festsetzung des Ausgabebetrags auf Grundlage des angemessenen Werts ........................................... 375 (1) Verbot von Preisabschlägen................................ 375 (2) Stillhaltefrist ...................................................... 376 (3) Würdigung ......................................................... 377 cc) Verbot der Unterpari-Emission ................................. 380 b) Reformmöglichkeiten ............................................... 381 aa) Vorüberlegungen ...................................................... 381 (1) Zu berücksichtigende Platzierungsformen .......... 381 (2) Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Angeboten ............................................ 383 (3) Berücksichtigung der Vorgaben des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahrens ... 385 bb) Ausgabekurskontrolle durch Begrenzung des Preisabschlags mittels eines Prozentsatzes ................ 386 (1) Flexibilisierung der Preisfestsetzung .................. 386 (2) Verkürzung der Stillhaltefrist ............................. 387 (3) Entwurf einer Ausgabekurskontrolle .................. 390 (4) Zulässigkeit des Bookbuilding ........................... 391 cc) Begrenzung des Preisabschlags mittels normativer Instrumente .............................................................. 392 (1) Ermittlung des angemessenen Werts ................... 392

Inhaltsverzeichnis

XXIII

(2) Entwicklung eines materiellen Überprüfungsmaßstabs ....................................... 393 (3) Stillhaltefristen .................................................. 394 4. Publizitätspflichten .............................................................. 395 5. Zwischenergebnis ................................................................ 396 IV. Bezugs- und Vorerwerbsrechtsemissionen mit Übernahmegarantie (standby offerings) ................................... 398 1. Bezugsrechtsemissionen ...................................................... 399 a) Zulässigkeit..................................................................... 399 b) Umgehungsstrategien in der ägyptischen Kapitalmarktpraxis .......................................................... 400 c) Aktuelle Entwicklungen .................................................. 401 d) Würdigung ...................................................................... 402 2. Vorerwerbsrechtsemissionen ................................................ 404 a) Ausnahmen vom Grundsatz des zwingenden Bezugsrechts ................................................................... 404 aa) Regelfall: Einräumung eines Vorerwerbsrechts ......... 404 bb) Sonderfall: Gewährung eines partiellen Ausgleichs? .............................................................. 407 cc) Sonderfall: Gefährdung der Kapitalmarktstabilität .... 408 b) Ausgabekurs ................................................................... 409 c) Würdigung ...................................................................... 409 3. Zwischenergebnis ................................................................ 410 V. Resümee zur Regulierung von Folgeemissionen ....................... 411 D. Ergebnis der Untersuchung von Aktienemissionen in Ägypten ..... 412

§ 3 Fremdkapitalfinanzierung ............................................................ 416 A. Einordnung der untersuchten Fremdkapitalformen ....................... 417 I. Formelles Fremdkapital und seine Erscheinungsformen ........... 417 1. Einbeziehung hybrider Finanzierungsinstrumente ................ 418 2. Ausblendung islamischer Kapitalmarktpapiere (sukûk) ........ 421 II. Differenzierung zwischen kapitalmarktfähigen Fremdkapitaltiteln und nicht kapitalmarktfähigem Fremdkapital ............................................................................ 423 B. Rechtsgrundlagen ......................................................................... 425

Inhaltsverzeichnis

XXIV

I. Obligationenrecht .................................................................... 425 II. Gesellschaftsgesetz ................................................................. 425 III. Gesetz über Investmentgesellschaften ..................................... 426 IV. Kapitalmarktgesetz.................................................................. 427 C. Institutionelle Probleme als Ursachen der Illiquidität des ägyptischen Fremdkapitalmarkts .................................................. 429 I. Primärmarkt .............................................................................. 430 1. 2. 3. 4.

Dominanz von Geschäftsbanken .......................................... 430 Unzureichende Verzinsung für Nichtbanken-Investoren ....... 431 Zufriedenheitseffekte auf Emittentenseite ............................ 432 Unzureichende Erfahrung mit festverzinslichen Kapitalmarktprodukten ........................................................ 434

II. Sekundärmarkt......................................................................... 435 1. 2. 3. 4.

Illiquidität des Sekundärmarkts ........................................... 435 Kontinuierliches ordergetriebenes Handelssystem ............... 436 Market Making durch lizenzierte Anleihehändler................. 436 Neuregulierung des Market Making als Kapitalmarktaktivität i.S.d. KMG ........................................ 439

III. Fazit ....................................................................................... 441 D. Typologie des formellen Fremdkapitals im ägyptischen Aktienrecht .................................................................................. 441 I. Reichweite der Vertragsfreiheit im Finanzverfassungsrecht der ägyptischen Aktiengesellschaft .......................................... 443 1. Numerus clausus der Fremdfinanzierungsinstrumente im romanischen Rechtskreis ..................................................... 443 2. Standpunkt der arabischen Gesetzgeber ............................... 447 a) Ägypten .......................................................................... 447 b) Jordanien ........................................................................ 449 3. Schuldverschreibungen mit Gewinnbeteiligung in der arabischen Literatur ............................................................. 450 4. Schuldverschreibungen mit Gewinnbeteiligung in der Aufsichtspraxis .................................................................... 451 a) Entscheidung des kuwaitischen Justizministeriums ......... 451 b) Vereinigte Arabische Emirate .......................................... 452

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XXV

c) Saudi-Arabien ................................................................. 454 5. Fazit .................................................................................... 456 II. Kapitalvergütung ..................................................................... 457 1. Nominale Vergütung ............................................................ 458 a) Feste Verzinsung ............................................................. 458 b) Variable Verzinsung ........................................................ 458 2. Effektive Vergütung ............................................................. 459 a) Beteiligung am laufenden Ergebnis ................................. 459 b) Beteiligung an Wertveränderungen des Gesellschaftsvermögens .................................................. 461 III. Kapitalüberlassungsdauer ....................................................... 462 1. Überlassung der Kapitalsubstanz ......................................... 462 a) Ewige Anleihen ............................................................... 463 b) Pflichtwandelanleihen ..................................................... 467 2. Überlassung der laufenden Vergütung .................................. 468 IV. Kapitalrang ............................................................................. 469 V. Wandlungsfähigkeit des Kapitals.............................................. 471 1. Umtausch von Fremd- in Eigenkapitaltitel ........................... 471 2. Bezugsrechte auf Eigenkapitaltitel ....................................... 472 VI. Hybride Finanzierungsinstrumente im ägyptischen Bilanzund Bankaufsichtsrecht ............................................................ 473 VII. Zwischenergebnis ................................................................. 476 E. Allgemeine gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen .................... 477 I.

Subsidiarität der Kapitalerhöhung .......................................... 478

II. Investment Grade-Rating ....................................................... 478 III. Kapitalanforderungen ............................................................. 479 F. Gremienbeschluss ......................................................................... 480 I. Beschluss der Hauptversammlung ............................................. 480 1. Zuständigkeit und Mehrheit ................................................. 480 2. Mindestvorgaben des Hauptversammlungsbeschlusses ........ 482 a) Anleihen ......................................................................... 482 b) Wandelanleihen ............................................................... 483 c) Sukûk al-tamwîl .............................................................. 484

XXVI

Inhaltsverzeichnis

3. Dauer und zwingende Ausnutzung der Ermächtigung .......... 485 II. Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre auf hybride Finanzierungsinstrumente ........................................................ 486 1. Wandelanleihen ................................................................... 486 a) Fehlen einer statutarischen Rechtsgrundlage für das Bezugsrecht .................................................................... 486 b) Mehrheitsanforderungen ................................................. 487 c) Zwingendes Bezugsrecht ................................................. 489 2. Sukûk al-tamwîl ................................................................... 490 G. Anleihebedingungen ..................................................................... 490 I. Einfache Unternehmensanleihen ............................................... 491 1. Emissionsvolumen und Stückelung ...................................... 491 2. Laufzeit und Tilgung ........................................................... 492 3. Verzinsung .......................................................................... 492 a) Festverzinsliche Anleihen ............................................... 493 b) Anleihen mit variabler Verzinsung .................................. 494 c) Verfassungsmäßigkeit von Zinsen ................................... 494 4. Nennwährung ...................................................................... 499 5. Rangvereinbarungen ............................................................ 500 6. Ordentliche Kündigungsrechte ............................................ 503 a) Befristete Laufzeit........................................................... 504 b) Unbefristete Schuldverhältnisse ...................................... 506 7. Zusicherungen und außerordentliche Kündigungsrechte ...... 507 a) Nebenpflichten, Zusicherungen und financial covenants ........................................................................ 507 b) Rechtsfolgen der Leistungsstörung und außerordentliche Kündigungsrechte ................................ 508 c) Ausübung von Kündigungsrechten und Rückzahlungsansprüchen ................................................ 511 8. Bestellung von Sicherheiten ................................................ 512 a) Vorüberlegungen ............................................................. 512 aa) Funktionen der Besicherung ..................................... 512 bb) Arten der Besicherung .............................................. 513 cc) Akzessorietät und Kapitalmarktfähigkeit .................. 514 dd) Aktienrechtliche Anforderungen ............................... 515

Inhaltsverzeichnis

XXVII

(1) Bestellung der Sicherheiten zugunsten eines Anleihetreuhänders ............................................ 515 (2) Rechtspersönlichkeit der Gläubigerversammlung ...................................... 515 (3) Vereinbarkeit mit dem Akzessorietätsgrundsatz ..................................... 518 ee) Durchsetzung der Sicherungsrechte .......................... 519 b) Realsicherheiten .............................................................. 520 aa) Hypothek .................................................................. 520 bb) Pfandrecht am Gewerbebetrieb ................................. 522 c) Personalsicherheiten ....................................................... 524 aa) Bürgschaft ................................................................ 525 bb) Garantie.................................................................... 526 d) Tilgungsfonds ................................................................. 530 e) Versicherung ................................................................... 532 9. Rechtswahl- und Gerichtsstandklausel ................................. 532 II. Wandelanleihen ....................................................................... 533 III. Sukûk al-tamwîl ...................................................................... 535 H. Emissionsverfahren ...................................................................... 535 I. Aufsichtsrechtliche Genehmigung ............................................. 535 II. Begebung der Anleihe und Entstehung des verbrieften Rechts ...................................................................................... 536 1. Kausalgeschäft .................................................................... 538 2. Verfügung............................................................................ 540 a) Briefeffekten ................................................................... 540 b) Bucheffekten ................................................................... 541 aa) Die Dematerialisierung des ägyptischen Effektenwesens......................................................... 543 bb) Der Tatbestand der Überweisung dematerialisierter Effekten .................................................................... 545 (1) Rechtslage in Frankreich .................................... 545 (2) Rechtslage in Ägypten ....................................... 547 3. Kreation .............................................................................. 549 III. Emissionsform, Platzierung und Börsennotierung................... 550 1. Underwriting ....................................................................... 550

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

a) Best efforts underwriting als Emissionsform am Fremdkapitalmarkt .......................................................... 550 b) Ineffizienzen der Lizenzierung als Underwriter ............... 551 2. Preisfestsetzung und Zeichnung........................................... 552 3. Zuteilung ............................................................................. 554 a) Rechtslage und Rechtspraxis ........................................... 554 b) Lösungsvorschlag ........................................................... 554 c) Jüngere Entwicklungen ................................................... 555 4. Anforderungen an die Börsennotierung ............................... 556 IV. Prospekt- und sonstige Publizitätspflichten ............................. 557 1. Regelungsregime ................................................................. 557 2. Veröffentlichung der Preisgestaltung ................................... 558 I. Sicherung und Bedienung von Wandlungsrechten .......................... 559 I. Kapitalerhöhung ....................................................................... 559 1. Genehmigte Kapitalerhöhung .............................................. 559 2. Ordentliche Kapitalerhöhung ............................................... 560 3. Bezugsrecht und Ausgabekurskontrolle ............................... 562 II. Eigene Aktien .......................................................................... 563 J. Schutz der Anleihegläubiger .......................................................... 563 I. Inhaltskontrolle der Anleihebedingungen .................................. 564 1. Adhäsionsvertrag als Instrument der Kontrolle von Vertragsbedingungen ........................................................... 564 2. Qualifikation der Schuldverschreibung als Adhäsionsvertrag? ............................................................... 566 II. Anpassung der Anleihebedingungen zum Schutz der Anleger .. 567 1. Gesetzlicher Schutz einfacher Anleihegläubiger .................. 568 a) Kapitalherabsetzung ........................................................ 568 b) Verschmelzung ................................................................ 570 aa) Gesetzliche Regelung ............................................... 570 bb) Rechtsschutz der Anleihegläubiger der übernehmenden Gesellschaft .................................... 572 c) Auflösung ....................................................................... 573 2. Gesetzlicher Verwässerungsschutz der Inhaber von sukûk al-tamwîl und Wandelanleihen ............................................. 574 a) Ausgangslage: Möglichkeiten der Wertverwässerung ...... 575

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XXIX

b) Gesetzliche Anpassungsmöglichkeiten ............................ 576 aa) Vertragsauslegung .................................................... 577 bb) Störung der Geschäftsgrundlage ............................... 578 cc) Vertragsergänzung .................................................... 579 III. Die Versammlung der Anleihegläubiger und die Änderung der Anleihebedingungen .......................................................... 580 1. Entstehung der Gläubigerversammlung ............................... 582 2. Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung........................................................ 583 3. Der gesetzliche Vertreter der Gläubiger ............................... 584 4. Änderung der Rechte der Anleihegläubiger durch die Gläubigerversammlung........................................................ 586 a) Fehlen einer gesetzlichen Regelung................................. 586 b) Rechtslage in Frankreich ................................................. 586 c) Widerspruchslösung der EFSA ........................................ 587 d) Lösungsvorschlag ........................................................... 589 IV. Zwischenresümee ................................................................... 590 K. Ergebnis der Untersuchung von Anleihe- und Hybridemissionen in Ägypten ...................................................... 591

Teil II: Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien ..................................................................................... 593 § 4 Vorfragen ............................................................................................ 593 A. Rechtsgrundlagen......................................................................... 593 B. Investitionsbeschränkungen für ausländische Kapitalgeber........... 596

§ 5 Eigenkapitalfinanzierung .............................................................. 598 A. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien ............................... 598 I. Nominalwertgrundsatz als prägendes Strukturmerkmal des Börsengangs ............................................................................ 598 1. Rechtspolitische Hintergründe ............................................. 598 a) Wohlfahrtspolitik als Treiber des Kapitalmarkts .............. 598 b) Anlegerschutz ................................................................. 600 2. Auswirkungen auf die Emissionsstruktur ............................. 601

XXX

Inhaltsverzeichnis

3. Implikationen für die Kapitalmarktstabilität ........................ 602 a) Negativauslese unter den Emittenten ............................... 603 b) Liquiditätsabfluss ............................................................ 604 c) Verlagerung von Informationsasymmetrien auf den Sekundärmarkt ................................................................ 604 4. Aktuelle Entwicklungen ...................................................... 606 II. Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen ................................. 606 1. Neugründung (Greenfield-Emissionen) ................................ 606 a) Verfahren ........................................................................ 606 b) Preisgestaltung und Risikostruktur .................................. 612 c) Würdigung ...................................................................... 614 2. Börsengang operativ tätiger Gesellschaften ......................... 616 a) Vereinigte Arabische Emirate .......................................... 617 aa) Formwechsel ............................................................ 617 (1) Dogmatische Einordnung ................................... 618 (2) Entsprechende Anwendung der Vorschriften über die „Umwandlung“ einer privaten in eine öffentliche Aktiengesellschaft ............................ 622 (3) Pricing ............................................................... 623 bb) Kapitalerhöhung ....................................................... 625 (1) Verfahren ........................................................... 625 (2) Bezugsrechtsausschluss...................................... 626 (3) Pricing ............................................................... 626 cc) Secondary offering ................................................... 627 dd) Einschaltung von Zweckgesellschaften ..................... 628 (1) Finanzierung des Erwerbs der Betriebsgesellschaft mit Gesellschaftsaktien ...... 629 (2) Finanzierung des Erwerbs der Betriebsgesellschaft in bar ................................. 631 ee) Preisfestsetzung im Wege des Bookbuilding ............. 633 (1) Hintergrund........................................................ 633 (2) Anwendungsbereich ........................................... 634 (3) Verfahren ........................................................... 635 b) Saudi-Arabien ................................................................. 637 aa) Pricing ..................................................................... 637 bb) Emissionsformen ...................................................... 638 (1) Kapitalerhöhung ................................................ 639

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XXXI

(2) Secondary offering ............................................. 640 c) Jordanien ........................................................................ 640 aa) Kapitalerhöhung ....................................................... 641 bb) Secondary offering ................................................... 643 cc) Einschaltung von Zweckgesellschaften ..................... 643 3. Zwischenergebnis ................................................................ 646 III. Sonstige Bedingungen ............................................................ 647 1. Streubesitzanforderungen .................................................... 647 a) Vereinigte Arabische Emirate .......................................... 647 b) Saudi-Arabien und Jordanien .......................................... 649 2. Marktschutzvereinbarungen ................................................. 649 IV. Emissionspublizität ................................................................. 650 1. Jordanien ............................................................................. 651 2. Saudi-Arabien ..................................................................... 652 3. Vereinigte Arabische Emirate .............................................. 654 V. Stillhaltefristen ........................................................................ 655 VI.Zeichnung und Zuteilung ........................................................ 657 1. 2. 3. 4. 5.

Zustandekommen des Zeichnungsvertrags ........................... 657 Erbringung der Einlagen ...................................................... 658 Zwingende pro rata-Zuteilung als gesetzliches Leitbild....... 660 Exzessive Überzeichnung und IPO lending ......................... 661 Reformierung der Zuteilungsregeln im Zuge der Einführung des Bookbuilding .............................................. 664

VII. Rolle der Emissionsbanken ................................................... 665 VIII. Zwischenergebnis ................................................................ 666 B. Folgeemissionen .......................................................................... 667 I. Bezugsrechtsemissionen ohne Übernahmegarantie .................... 667 1. Emissionsverfahren ............................................................. 668 a) Vereinigte Arabische Emirate .......................................... 668 b) Saudi-Arabien ................................................................. 669 c) Jordanien ........................................................................ 670 2. Erbringung der Einlagen ...................................................... 671 3. Bezugsrechtshandel ............................................................. 673 4. Regelung des Nachbezugsrechts .......................................... 675 a) Vereinigte Arabische Emirate .......................................... 675

XXXII

Inhaltsverzeichnis

b) Saudi-Arabien ................................................................. 677 c) Jordanien ........................................................................ 679 5. Zwingendes standby underwriting in Saudi-Arabien ............ 680 II. Direktplatzierungen ................................................................. 681 1. Vereinigte Arabische Emirate .............................................. 681 2. Saudi-Arabien ..................................................................... 682 3. Jordanien ............................................................................. 683 a) Bezugsrechtsausschluss ................................................... 683 b) Ausgabekurs ................................................................... 684 III. Zwischenergebnis ................................................................... 686

§ 6 Fremdkapitalfinanzierung ............................................................ 688 A. Verfügbarkeit hybrider Kapitalformen .......................................... 689 I. Grundsatz: Numerus clausus der Hybridkapitalformen .............. 689 II. Wandlungsfähigkeit des Kapitals ............................................. 689 III. Nachrangvereinbarungen und ewige Laufzeit ......................... 691 B. Allgemeine Voraussetzungen der Anleiheemission ....................... 692 I. Anleihefähigkeit ........................................................................ 692 II. Gremienbeschluss .................................................................... 693 III. Kapitalanforderungen und Rating ........................................... 694 C. Anleihebedingungen ..................................................................... 695 I. Einfache Unternehmensanleihen ............................................... 695 1. Zinsvorschriften .................................................................. 695 a) Vereinigte Arabische Emirate .......................................... 695 b) Saudi-Arabien ................................................................. 698 aa) Allgemeines Zinsverbot als islamischer ordre public ....................................................................... 698 bb) Zinsen in der saudi-arabischen Wirtschaftspraxis ...... 699 cc) Zinsen vor den Gerichten .......................................... 700 dd) De facto-Legalisierung von Zinsen durch prozessuale Vertiefung des Rechtsdualismus............. 701 (1) Bankensektor ..................................................... 701 (2) Kapitalmarkt ...................................................... 703 ee) Fazit ......................................................................... 706

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XXXIII

c) Jordanien ........................................................................ 707 2. Sicherheiten......................................................................... 708 a) Vereinigte Arabische Emirate und Jordanien ................... 709 aa) Islamische Bürgschaft............................................... 709 bb) Islamische Hypothek ................................................ 711 cc) Pfandrecht am Gewerbebetrieb ................................. 712 b) Saudi-Arabien ................................................................. 713 II. Wandelanleihen ....................................................................... 715 1. Bezugsrechtsproblematik in den Vereinigten Arabischen Emiraten .............................................................................. 715 2. Umtauschverhältnis ............................................................. 717 D. Emissionsverfahren und -publizität .............................................. 718 I. Gesellschaftsrechtliche Genehmigung ...................................... 718 II. Kapitalmarktrechtliche Genehmigung und Publizität ............... 718 E. Begründung der Rechte aus der Schuldverschreibung ................... 719 F. Bedienung der Umtauschrechte ..................................................... 720 G. Stellung der Anleihegläubiger....................................................... 721 I. Schutz der Anleihegläubiger ..................................................... 721 1. Spezialgesetzlicher Anlegerschutz vor Strukturmaßnahmen............................................................. 721 2. Gesetzlicher Verwässerungsschutz ....................................... 723 II. Versammlung der Anleihegläubiger ......................................... 724

§ 7 Resümee zur rechtsvergleichenden Untersuchung ................ 726 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen ................................. 729 Literatur- und Quellenverzeichnis .............................................................. 751 Sachverzeichnis .................................................................................... 791

Abkürzungsverzeichnis

AED AG AktG ALQ Am. Econ. Rev. Am. J. Comp. L.

United Arab Emirates Dirham Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz (Deutschland) Arab Law Quarterly American Economic Review American Journal of Comparative Law

BaFin BB Bell J. Econ. & Man. Sci. BerufungsG BGB BGBl BKR Bull. civ

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Der Betriebsberater Bell Journal of Economics and Management Science Berufungsgericht (mahkamat al-isti´nâf) Bürgerliches Gesetzbuch (Deutschland) Bundesgesetzblatt (Deutschland) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, Chambre civiles (Frankreich)

CA CASE

Companies Act (England) Cairo and Alexandria Stock Exchange (Name der ägyptischen Börse bis 2009)

Cass. civ. CBE CEPR Clev. St. L. R. CMA

Cour de Cassation Chambre Civile Central Bank of Egypt Centre for Economic Policy Research Cleveland State Law Review Capital Market Authority (heutige Kapitalmarktaufsicht in Saudi-Arabien; ebenso Bezeichung der früheren Kapitalmarktaufsicht in Ägypten) Code de Commerce (Frankreich) Common Market Law Review Contemporary Finance Digest Committee for the Resolution of Securities Disputes (Saudi-Arabien) Committee for the Settlement of Banking Disputes (Saudi-Arabien) Committee for the Settlement of Commercial Disputes (Saudi-Arabien)

Code com. Common Mkt. L. Rev. Contemporary Fin. Dig. CRSD CSBD CSCD

DFM

Dubai Financial Market

Abkürzungsverzeichnis

XXXV

DIFX D.P.

Dubai International Exchange (heute Nasdaq Dubai) Dalloz, Recueil périodique et critique de jurisprudence, de legislation et de doctrine (1825–1940)

EBOR EFSA

European Business Organisation Review Egyptian Financial Supervisory Authority (Ägyptische Finanzaufsicht) Egypt for Information Dissemination (ägyptischer Börseninformationsdienst) Einführungsgesetz zum ägyptischen Investitionsgesetz Einführungsgesetz zum ägyptischen Kapitalmarktgesetz Egyptian Pounds The Egyptian Exchange (Ägyptische Börse) Gesellschaftsgesetz der Vereinigten Arabischen Emirate siehe SCA European Financial Management Einführungsverordnung zur Ausführungsverordnung zum ägyptischen Gesellschaftsgesetz Einführungsverordnung zur Ausführungsverordnung zum ägyptischen Kapitalmarktgesetz

EGID EGInvG EGKMG EGP EGX em.GesG ESCA Europ. Finan. Manage. EVVOGesG EVVOKMG

Finan. Manage. Fordham Int'l LJ

Financial Management Fordham International Law Journal

Ga. J. Int'l & Comp. L. GAFI GCC GesG Geo. LJ GmbH GmbHG

Georgia Journal of International and Comparative Law General Authority for Free Zones and Investment Gulf Cooperation Council Gesellschaftsgesetz Nr. 159/1981 Georgetown Law Journal Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Harv. L. Rev. HGB

Harvard Law Review Handelsgesetzbuch

IMF Int. Bus. & Econ. Res. J. Int. J. Acc. Int. J. Mid. East. Stud. Int. J. Urb. & Reg. Res. Int. Res. J. Finan. & Econ.

International Monetary Fund International Business and Economics Research Journal International Journal of Accounting International Journal of Middle Eastern Studies International Journal of Urban and Regional Research International Research Journal of Finance and Economics International and Comparative Law Quarterly International Financial Law Review Journal of International Financial Markets, Institutions and Money Ägyptisches Gesetz über Investmentgesellschaften Initial Public Offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

Int'l & Comp. L. Q. Int'l Fin. L. Rev. Int. Fin. Markets, Inst. and Money InvGG IPO IPRax

XXXVI

Abkürzungsverzeichnis

IStR

Internationales Steuerrecht

J. Appl. Corp. Fin. J. Acc. & Econ. J. Bus. J. Corp. Fin. J. Dev. Econ. Pol. J. Econ. Bus. J. Finan. Econ. J. Finan. Reg. & Compl. J. Finan. Res. J. Finance J. Isl. Stud. J. L. Econ. & Org. J.B.L. J.C.L. & I.L. jo.GesG jo.OSR JOD JSC JZ

Journal of Applied Corporate Finance Journal of Accounting and Economics Journal of Business Journal of Corporate Finance Journal of Development and Economic Policies Journal of Economics and Business Journal of Financial Economics Journal of Financial Regulation and Compliance Journal of Financial Research Journal of Finance Journal of Islamic Studies Journal of Law, Economics & Organization Journal of Business Law Journal of Comparative Legislation and International Law Jordanisches Gesellschaftsgesetz Jordanische Offer of Securities Regulation Jordanian Dinar Jordan Securities Commission Juristenzeitung

LLC

Limited Liability Company

KassG KMG KMRK

Kassationsgericht (mahkamat al-naqd) Ägyptisches Kapitalmarktgesetz Nr. 95/1992 Kapitalmarktrechts-Kommentar

Maastricht J. Eu. & Comp. L.

Maastricht Journal of European and Comparative Law

MCDR MEER MENA MüKo MustersatzungAG

Misr for Clearing, Settlement and Central Depository (zentrale ägyptische Clearing- und Depotstelle) Middle East Executive Reports Middle East/North Africa Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Mustersatzung für die Aktiengesellschaft

NBER Nw. J. Int’l L. & Bus. NZG

National Bureau of Economic Research Northwestern Journal of International Law and Business Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

Oxford J. Legal Stud.

Oxford Journal of Legal Studies

PJSC

Public Joint Stock Company

Quart. J. Econ.

Quarterly Journal of Economics

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

Abkürzungsverzeichnis Res. Int. Bus. & Fin. Rev. dr. bancaire et financier Rev. Finan. Stud. Rev. Int. Org. RIW RTD com.

S.A.E. sa.GesG sa.OSR SAMA SAR SCA

XXXVII

Research in International Business and Finance Revue de droit bancaire et financier Review of Financial Studies Review of International Organisations Recht der Internationalen Wirtschaft Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique

SSRN Stan. J. Int'l L. Stan. LR SZW

Société Anonyme Egyptian Saudi-arabisches Gesellschaftsgesetz Saudi-arabische Offer of Securities Regulation Saudi-Arabia Monetary Agency Saudi-arabische Rial Securities and Commodities Authority (Vereinigte Arabische Emirate) Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Deutschland) Social Science Research Network Stanford Journal of International Law Stanford Law Review Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

UCLA Law Review U. Pa. L. Rev.

University of California, Los Angeles Law Review University of Pennsylvania Law Review

VAE VOGesG

Vereinigte Arabische Emirate Ausführungsverordnung zum ägyptischen Gesellschaftsgesetz Ausführungsverordnung zum ägyptischen Gesetz über Investmentgesellschaften Ausführungsverordnung zum ägyptischen Kapitalmarktgesetz Ausführungsverordnung zum ägyptischen Zentraldepot- und Registergesetz

SchVG

VOInvGG VOKMG VOZentrDepotG

Wisc. L. Rev. WM WpÜG

Wisconsin Law Review Wertpapiermitteilungen Wertpapierübernahmegesetz

ZBB ZentrDepotG ZfbF ZfRV ZGB ZGR ZHR ZIP ZVglRWiss

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Ägyptisches Zentraldepot- und Registergesetz Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Rechtsvergleichung Ägyptisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

§ 1 Einleitung Am 5. Januar 1856 siegelte der ägyptische Vizekönig Mohammed Sa`îd Pasha in Alexandria eine Konzession, die dem französischen Grafen Ferdinand de Lesseps das Recht einräumte, zur Aushebung eines Kanals am Isthmus von Suez eine ägyptische1 Aktiengesellschaft mit dem Namen Compagnie universelle du canal maritime de Suez zu gründen2. Als die Anteile an der Gesellschaft gut drei Jahre später in über zehn Staaten Europas und in den USA öffentlich angeboten wurden3, erlebten die Kapitalmärkte der damaligen Zeit ein Novum. So sahen Art. 63 Ziffer 2 und Art. 70 der mit der Konzession aufgestellten Satzung4 erstmals5 eine Ausgabe nennwertloser Gründeranteile vor, sog. parts de fondateurs (hissas ta´sîs)6, die ihre Inhaber zu einer Beteiligung an den ausgeschütteten Ge-

1 Nach Art. 3 des Gründungsstatuts befand sich der Sitz der Gesellschaft (siège) in Alexandria, ihre Verwaltung war jedoch in Paris angesiedelt. 2 Compagnie financière de Suez, Actes constitutifs de la Compagnie universelle du canal de Suez, S. 17 ff. 3 Von den 400.000 Aktien zu je 500 Francs wurde knapp mehr als die Hälfte durch französische Anleger gezeichnet, in etwa ein Viertel durch den ägyptischen Vizekönig selbst. Da die Aktien in den USA, Großbritannien, Russland und Österreich nicht den erwarteten Absatz fanden, sah sich der Vizekönig gezwungen, durch hohe Verschuldung die Übernahme weiterer 85.000 Aktien zu finanzieren, um den Erfolg der Gründung zu gewährleisten, Wilson, The Suez Canal, S. 22. Zu den Folgen siehe § 1 Fn. 170. 4 Compagnie financière de Suez, Actes constitutifs de la Compagnie universelle du canal de Suez, S. 29 ff. 5 Die Emission stellte wohl die erste Ausgabe von Gründeranteilen dar, jedoch nicht die erste Genussrechtsemission. Bereits einige Jahre früher hatten österreichische Eisenbahngesellschaften im Zuge der Ausgabe amortisierender Aktien erstmals Genussrechte begründet, um den Inhabern der amortisierten Eigenkapitaltitel weiterhin eine Beteiligung am Gewinn einzuräumen, ausführlich Frantzen, Genussscheine, S. 44 f.; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 39 f. Zur Behandlung amortisierender Genussaktien (ashum tamattu`a) in Frankreich und Ägypten siehe auch § 3 Fn. 115 und 188. 6 Zu ihrer Behandlung im ägyptischen Recht siehe Art. 153 ff. VOGesG, hierzu AlQalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 729 ff.; Muhriz, Al-wasît fî al-sharikât altijâriyya, S. 502. In der heutigen arabischen Kapitalmarktpraxis spielen Gründeranteile keine Rolle mehr.

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winnen der Gesellschaft in Höhe von 10 Prozent berechtigten7. Aufsehenerregend war auch die hybride Ausgestaltung der Aktien: Nach Art. 59 der Satzung waren die Stammaktien der Gesellschaft mit einer Vorzugsdividende8 in Höhe von 5 Prozent des Nennkapitals versehen, die ihren Inhabern bis zur Eröffnung des Kanals unabhängig vom Vorliegen eines Gesellschaftsgewinns auszuzahlen war9. Aus ägyptischer Perspektive von entscheidender Bedeutung war indes eine andere, eher unscheinbare Klausel rechtstechnischer Natur. Art. 73 der Satzung zufolge sollte die Gesellschaft „mit Zustimmung der ägyptischen Regierung in der Rechtsform der Aktiengesellschaft gegründet werden“ und, so ging es weiter, „im Wege der Analogie […] den Prinzipien des französischen Aktienrechts unterliegen“. Der Verweis auf das französische Aktienrecht war einer doppelten Überlegung geschuldet. Zum einen stand es im nationalen Interesse Ägyptens, dass die Gesellschaft als Konzessionärin und Eigentümerin der Kanalanlagen ägyptischer Nationalität war10. Gleichzeitig war den Beteiligten jedoch klar, dass für die Aufnahme von Kapital an den verschiedenen nationalen Kapitalmärkten und die innere Organisation des größten Bauvorhabens der damaligen Welt ein Rechtsrahmen zur Verfügung gestellt werden musste, der den unterschiedlichen Interessen der Kapitalgeber und dem komplexen Rechtsverhältnis zwischen ihnen gerecht wurde. Der Rückgriff auf das zur damaligen Zeit in Ägypten verbreitet Anwendung findende islamische Recht scheint keine Handlungsoption gewesen zu sein11: Ihm war sowohl die erhöhte Fungibi7 Ihre Ausgabe diente der Entlohnung eines Kreises von Freunden und Financiers, welche die Forschungen und Arbeiten im Vorfeld der Unternehmensgründung finanziell gefördert hatten, Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 32. 8 Zu den Details der Gewinnverteilung siehe Hansen/Tourk, 38 J. Econ. History (1978) 938, 941. 9 Gänzlich neu war diese Ausgestaltung der Aktien allerdings nicht, da bereits im Zuge der US-amerikanischen und britischen Eisenbahnfinanzierung vereinzelt Vorzugsdividenden eingesetzt wurden, siehe Evans, 19 Am. Econ. Rev. (1929) 43, 44, der auf Vorzugsaktien von Baugesellschaften um US-Bundesstaat Maryland aus dem Jahr 1836 verweist. 10 Vgl. die bei Piquet, 5 Enterprise and Society (2004) 107, 111, zitierte Maxime Mohammed Sa`îd Pashas „The canal belongs to Egypt and not Egypt to the canal“, welche das in Ägypten herrschende Verständnis zum Ausdruck brachte, dass die Gesellschaft unbeschadet des Verweises auf die Prinzipien des französischen Aktienrechts ägyptischem Recht unterlag. Wie die Entwicklung gezeigt hat, entzog sich die ausschließlich durch Ausländer gesteuerte Gesellschaft unter dem Schutz der hinter den Kapitalgebern stehenden Staaten (unter diesen vornehmlich Frankreich) mehr und mehr der Kontrolle durch die ägyptische Regierung, siehe auch S. 34 f. sowie ausführlich mit Nachweisen Piquet, a.a.O, 111 ff. 11 Zur Geltung des islamischen Rechts im Ägypten des 19. Jahrhunderts siehe S. 33; zur Überlegung der Schaffung einer modernen Wirtschaftsordnung allein auf Grundlage des islamischen Rechts siehe § 1 Fn. 185.

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lität von Gesellschaftsanteilen als auch die Kunstfigur der Kapitalgesellschaft fremd, die eine umfassende Haftungsbeschränkung der Beteiligten und eine klare und gleichzeitig flexible Organisation von Kapitalgebern, Management und Gläubigern erlaubt hätte12. Eine eigene Kodifikation nach Vorbild des französischen Rechts zu entwerfen, kam aufgrund der gebotenen Eile13 zum damaligen Zeitpunkt nicht in Betracht. Angesichts des politisch-kulturellen Einflusses Frankreichs und des damaligen Modernitätsvorsprungs des französischen Gesellschaftsrechts lag der Verweis auf den Code de commerce von 1807, der von seinen Initiatoren – trotz aller Kritik14 – als wegweisendes Fundament für ein neu geschaffenes europäisches droit commun15 gefeiert wurde, also nahe. Er war ein früher Ausdruck einer rechtspolitischen Tendenz, die der spätere Khedive Isma`îl Pasha im Jahr 1879 mit den Worten „My country is no longer in Africa. It is now part of Europe.“16 zusammenfasste und die Rechtsentwicklung der gesamten arabischen Welt nachhaltig prägen sollte. Die Problematik, vor der die ägyptischen Khediven in der Mitte des 19. Jahrhunderts standen, lässt sich auch als universelle Frage formulieren: Wie reagieren Gesetzgeber auf Lebenssachverhalte, für die sie keine geeignete rechtliche Infrastruktur vorzuhalten glauben? Sie stellt sich heute unverändert. Mit der Privatisierung der öffentlichen Sektoren seit Beginn 12 Schacht, An introduction to Islamic law, S. 125 f. Die Rechtsfähigkeit nicht natürlicher Personen war dem klassischen islamischen Recht zwar durchaus bekannt, sie wurde jedoch lediglich auf bestimmte öffentliche Einrichtungen wie Stiftungen, den Fiskus und Moscheen übertragen, siehe Zahraa, 10 ALQ (1995) 193, 204, sowie ausführlich unten auf S. 45. 13 Eine erste arabische Übersetzung des Code civil und des Code de commerce erfolgte in der Mitte der 1860er Jahre durch den in Frankreich ausgebildeten ägyptischen Schriftsteller Rifa´a al-Tahtawi, der in den 1820er Jahren an der ersten Studienmission nach Paris teilgenommen hatte, siehe Brugman, History of modern Arabic literature, S. 20 f.; Ziadeh, Lawyers, the rule of law and liberalism in modern Egypt, S. 19. 14 Vgl. Deutsch, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Band 1, S. 46, 47, demzufolge das Gesetz in der Literatur für „lückenhaft, unstrukturiert, wenig innovativ und sogar rückwärtsgewandt“ befunden wurde. 15 Le moniteur 1807, Nr. 253, abgedruckt in: Seidensticker, Einleitung in den Codex Napoleon, S. 452; vgl. Deutsch, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Band 1, S. 46, 98. Die aktienrechtliche Liberalisierung, die das französische Recht mit dem neueren HGB von 1867 und dem Einzug des Normativsystems erfahren hatte, wurde im gemischten HGB jedoch nicht nachgeahmt, hierzu kritisch Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 68 sowie ausführlich unten auf S. 60, 172 ff. 16 Harrison, Gladstone's imperialism in Egypt, S. 53. Trotz des erheblichen politischen, finanziellen und militärischen Drucks, den die europäischen Mächte allgemein wie auch in dieser Entscheidung auf Isma`îl Pasha ausübten und in dessen Folge er im Jahr zuvor von seinem Kabinettsvorsitz zurückgetreten war, meinte er diese Aussage aufgrund seiner Identifikation mit europäischen Werten durchaus ernst, Dona, 23 Int. J. Urb. & Reg. Res. (1999) 103, 134.

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der 1990er Jahre und dem Aufbau organisierter Kapitalmärkte unterlagen die Organisationsstrukturen und Finanzierungsformen vieler arabischer Gesellschaften einem tiefgreifenden Wandel. Während die arabische Unternehmenslandschaft außerhalb des öffentlichen Sektors bis vor wenigen Jahren personalistisch organisiert war und nur das Modell der geschlossenen Familiengesellschaft und des Einzelunternehmers kannte17, finanzieren sich heute zunehmend mehr Gesellschaften über einen offenen Markt, der von den Gesetzgebern der Region die Entwicklung eines adäquaten rechtlichen Korsetts verlangt: Im Raum steht plötzlich die Frage nach dem Leitbild des Aktionärs, der Rechtsstellung der Minderheit, dem Schutz anonymer Kapitalgeber, der Transparenz und Flexibilität der Finanzverfassung, die über Erfolg oder Misserfolg umwälzender Strukturmaßnahmen entscheiden kann; Fragen, die bislang nicht nur ungestellt waren, sondern auch am Grundverständnis des wirtschaftlichen Handelns in der Region rühren. Die methodische Vorgehensweise bei der Entwicklung der Antworten hat sich im Vergleich zu den Lösungen der ägyptischen Khediven zunächst nur wenig geändert. Nach wie vor ist „borrowing […] a key scheme“18 bei der Fortentwicklung der arabischen Unternehmens- und Kapitalmarktrechtsordnungen. Einer Verschiebung unterliegt heute jedoch der Ausgangspunkt der Rezeption. Zwar orientiert sich das moderne Gesellschaftsrecht der arabischen Staaten wie schon das Zivilrecht vorbehaltlich punktueller Transplantationen aus anderen Rechtsordnungen19 nach wie vor weitgehend am französischen Recht. Im Bereich des Kapitalmarktrechts kann eine derart klare Zuordnung heute hingegen nicht mehr getroffen werden. So finden sich teilweise Normen oder ganze Normkomplexe, die aus anderen Mutterrechtsordnungen und namentlich dem angelsächsischen Rechtsraum übernommen wurden20. Noch häufiger erweisen sich die Regelungen als Kodifikation international anerkannter kapitalmarktrechtlicher 17 Ausführlich zur Beteiligungs- und Corporate Governance-Struktur arabischer Gesellschaften siehe S. 45 ff. 18 Friedman, The legal system, S. 195, mit umfassenden Ausführungen zur Rezeption als Instrument der Rechtsentwicklung. 19 Vgl. nur Art. 32 VOKMG, der einen wichtigen Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts verlangt und damit ebenso wie das deutsche und italienische Recht eine materielle Abwägung zwischen Minderheits- und Gesellschaftsinteresse vornimmt (hierzu vertieft S. 351). 20 Siehe Art. 51 VOKMG, der dem US-Recht folgend ein umfassendes Werbeverbot vor der Einreichung des Emissionsprospekts kennt (ausführlich S. 199); Art. 43 GesG, der eine Ausschüttungssperre durch Solvenztests aufstellt, wie sie in angelsächsischen Staaten üblich ist; das am britischen City Code on Takeovers and Mergers orientierte Übernahmerecht der Art. 325 ff. VOKMG, hierzu Sâlih, Al-nizâm al-qânûnî li-`urûd alshirâ´, sowie grundlegend Burhân, Al-nizâm al-qânûnî li-l-`ard al-`âmm li-shirâ´ alashum.

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Grundsätze und Praktiken, die sich nur noch schwer auf eine konkrete Rechtsordnung zurückführen lassen. Neben das rezipierte Recht traten im Lauf der Zeit in zunehmendem Umfang auch Regelungen, die nicht das Produkt eines Leihvorgangs sind, sondern das Ergebnis eigener Rechtsschöpfungen bilden21. Derartige Rechtstransplantationen und -fortbildungen stellen die Kohärenz einer Rechtsordnung in verschiedener Hinsicht vor Herausforderungen. Sie berühren zunächst die technische Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung, da ihre Kooperation mit dem bestehenden System nicht immer vorhersehbar und anfällig für systematische Spannungen ist22. Nicht minder verlangen sie nach einer Kompatibilität mit der Werte- und Sozialordnung der aufnehmenden Gesellschaft, sollen sie tatsächlich Anwendung finden und keine leere Gesetzeshülse bleiben23. Friktionen entstehen schließlich nicht selten gerade dann, wenn der Gesetzgeber versucht, diesen Herausforderungen gerecht zu werden, und Rechtsschöpfungen kreiert, die wiederum mit dem rezipierten Recht (und den zugrundeliegenden Marktmechanismen) nicht im Einklang stehen. Trotz des mehrschichtigen Spannungsverhältnisses und grundlegenden Wandels des wirtschaftlichen Rahmens sind die modernen arabischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtsordnungen bis heute kaum auf ihre innere dogmatische Kohärenz und rechtspraktische Akzeptanz untersucht worden. Angesichts der rigiden äußeren Zwänge und strengen funktionalen Anforderungen, denen ein integrierter Kapitalmarkt unterliegt, kommt dieser Aufgabe in einer marktbasierten Wirtschaftsordnung besondere Relevanz zu. Ihrer nimmt sich die vorliegende Arbeit an.

A. Untersuchungsgegenstand I. Die Regulierung von Kapitalmarktemissionen in den modernen arabischen Aktien- und Kapitalmarktrechtsordnungen Mit dieser Aufgabenstellung ist als Gegenstand der Untersuchung die Regulierung der Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt (sûq ra´s al21 Zu nennen sind hier etwa die Begrenzung von Aufgeldern beim Börsengang auf den inneren Wert der Aktien (S. 134 ff.) oder gar ihr vollständiges Verbot (S. 598 ff., 616 ff.), ebenso der Ansatz, Privatplatzierungen einem zwingenden Bezugsrecht zu unterwerfen (S. 119 ff., 350 ff.) oder die freie Verwertung von Aktien, die von den Altaktionären nicht bezogen wurden, zu untersagen (S. 399 ff.). 22 Vgl. Fleischer, NZG 2004, 1129, 1130 im Hinblick auf Transplantationen fremden Rechts. Dies gilt zweifellos nicht minder für eigene Rechtsschöpfungen, deren Eignung für den übernommenen Rechtskorpus ebenso nicht erprobt ist. 23 Ausführlich zur sozialen und kulturellen Dimension des Rechts S. 25 ff.

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mâl) in den Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtsordnungen der arabischen Staaten beschrieben. Unter dem vielfach uneinheitlich24 definierten Begriff der Unternehmensfinanzierung wird in seiner allgemeinsten Form die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die der Zuführung des betriebsnotwendigen Kapitals zur Unternehmung dienen25. Die Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt bildet eine Unterform der Außenfinanzierung, das heißt, sie beruht nicht auf der Selbstfinanzierungskraft der Gesellschaft, sondern auf der Zuführung externer Kapitalia, sei es von Seiten der Eigner oder Dritter26. Das entscheidende Differenzierungskriterium der Kapitalmarktfinanzierung gegenüber anderen Formen der Außenfinanzierung ist die erhöhte Fungibilität der ausgegebenen Beteiligungsoder Schuldrechte infolge ihrer Verbriefung (tawrîq)27. Sie ist zum einen Voraussetzung der Allokationsfunktion des Kapitalmarkts, das heißt dessen Fähigkeit, das Kapital dorthin zu lenken, wo der größte Bedarf besteht28. Indem sie den Marktteilnehmern die jederzeitige Investition in die Anlage der Wahl oder die Devestition aus dieser ermöglicht, die als Bedingung der Ansprache eines breit gestreuten, anonymen Publikums von Kapitalgebern anzusehen ist29, ist sie zum anderen Grundlage seiner Marktfunktion30. Mit dem Gegenstand der Kapitalmarktfinanzierung ist der Fokus der Untersuchung auf die Aktiengesellschaft (al-sharika al-musâhama) und ihr Recht gerichtet: Aus Gründen des Funktions- und Anlegerschutzes ist die Ausgabe von Effekten im romanischen Rechtskreis allein der Aktiengesellschaft vorbehalten. Auch eine Begebung von Schuldverschreibungen ist Zu den verschiedenen Ansätzen Drukarczyk, Finanzierung, S. 1 ff. Vgl. Eilers, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, S. 2; Schmidt/Terberger, Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 11. 26 Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 6; Drukarczyk, Finanzierung, S. 5. 27 Albers, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft III, S. 48. 28 Vgl. Albers, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft IV, S. 434 f.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 369 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 1; ferner mit zahlreichen Nachweisen Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.400 ff.; Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 31 f. und Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 76, jeweils auch mit Erläuterungen zu den weiteren Funktionen des Kapitalmarkts (der Bewertungsfunktion, Sicherung der operationalen und institutionellen Funktion, Individualschutz, Transformationsfunktion). Aus dem arabischen Schrifttum `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 16; Al-Dab`, Taswiyat `amaliyyât al-bûrsa, S. 11 f. 29 Zur entscheidenden Bedeutung der Devestitionsmöglichkeit für die Entwicklung eines Kapitalmarkts siehe am Beispiel Ägyptens S. 423 f., 429 f. 30 Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 369 f.; Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 32 f.; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 75; Albers, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft III, S. 435. 24 25

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den übrigen Formen der Kapitalgesellschaft also grundsätzlich nicht erlaubt31. Eine Auseinandersetzung mit der Aktiengesellschaft bedeutet jedoch stets notwendig mehr als eine reine Beschäftigung mit dem Aktienund auch Kapitalmarktrecht: Indem die börsennotierte Aktiengesellschaft im öffentlichen Raum agiert und der öffentlichen Wahrnehmung in besonderem Maße exponiert ist, ist sie zum wirtschaftspolitischen Leitbild unter den gesetzlichen Unternehmensformen erhoben, ihre Finanzverfassung und Organisationsstruktur zum Ausweis des rechtskreistypischen Corporate Governance-Verständnisses und der wirtschaftspolitischen Grundausrichtung einer Volkswirtschaft32. Die Aufnahme frischen Kapitals über den Markt erfolgt im Wege der Emission (isdâr, wörtlich: Ausgabe) von Effekten (awrâq al-mâliyya), unter der die massenhafte Begebung gleichartiger junger oder alter Wertpapiere durch eine Aktiengesellschaft am organisierten Kapitalmarkt zu verstehen ist33. Der Vorgang umfasst die Schaffung, Ausgabe und Platzierung der Titel am Kapitalmarkt, der in dieser Funktion in Abgrenzung zum laufenden Handel am Sekundärmarkt als Primärmarkt bezeichnet wird34. Unter den verschiedenen denkbaren Formen emissionsfähiger Effekten lassen sich zwei Grundtypen identifizieren, an deren Unterscheidung sich der Aufbau dieser Arbeit orientiert. Das Aktienrecht zwingt aufgrund seines formalistischen Ansatzes, der zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern trennt, zur formalen Differenzierung zwischen Eigenkapitaltiteln, die das Mitgliedschaftsrecht im Verband begründen, und Fremdkapitaltiteln, die lediglich ein schuldrechtliches Forderungsrecht gewähren. Während mit dem Erwerb der Mitgliedschaft typischerweise eine Beteiligung an den Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft einhergeht, erhält der Fremdkapitalgeber der Idealvorstellung nach eine feste Verzinsung und ein nominales Rückforderungsrecht35. 31 Vgl. Art. L228-39 Code com., hierzu Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales, S. 1223 n° 19574; Horn, Das Recht der internationalen Anleihen, S. 71. Eine jüngere Reform des ägyptischen Kapitalmarktrechts hat mit dieser Tradition allerdings gebrochen und ermöglicht nunmehr allen juristischen Personen, Fremdkapitaltitel zu emittieren, vgl. Art. 2 des ägyptischen Kapitalmarktgesetzes Nr. 95/1992, al-jarîda al-rasmiyya Nr. 25 vom 22. Juni 1992 i.d.F. des Gesetzes Nr. 123/2008, al-jarîda al-rasmiyya Nr. 23 vom 9. Juni 2008, im Folgenden KMG. Zur Anleihefähigkeit im ägyptischen Recht siehe S. 423. 32 Siehe Schön, in: Habersack/Hommelhoff/Hüffer et al. (Hrsg.), FS Ulmer, S. 1359. 33 Darüber hinaus bezeichnet der Begriff auch die Gesamtheit der ausgegebenen Papiere, vgl. Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 714, 715; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, S. 12. 34 Al-Dab`, Taswiyat `amaliyyât al-bûrsa, S. 25. 35 Zu der vermögensrechtlichen Situation von Aktionären und Fremdkapitalgebern siehe S. 418.

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1. Eigenkapitalfinanzierung a) Differenzierung zwischen unterschiedlichen Emissionstypen Die Aufnahme von Eigenkapital über die Börse findet heutzutage entgegen der Systematik der romanischen Aktiengesetze, die von der Gründung als dem Grundfall des öffentlichen Angebots von Aktien ausgehen36, typischerweise im Wege der Kapitalerhöhung statt37. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive steht somit die Kapitalerhöhung im Mittelpunkt der Untersuchung der Aktienemission38. Hinsichtlich der Emissionsstruktur differenziert die Arbeit zwischen erstmaligen öffentlichen Angeboten (initial public offerings, im Folgenden auch IPO) und Folgeemissionen (seasoned equity offerings). Beide Emissionsformen unterscheiden sich strukturell durch die Tatsache, dass beim erstmaligen Angebot weder ein etablierter Markt noch ein Marktpreis für die jungen Stücke existiert, was besondere Anforderungen an die Preisfindung, die Vermarktung und die „Betreuung“ der Aktien durch Kurspflegemaßnahmen im Nachfeld der Platzierung sowie den Schutz der Anleger vor Überbewertungen stellt. Werden die Aktien der Gesellschaft erst einmal an der Börse gehandelt, unterliegt die weitere Eigenkapitalaufnahme gänzlich anderen Überlegungen. Im Mittelpunkt steht die Fragestellung, ob sich der Emittent im Wege einer Bezugsrechtsemission an die Altaktionäre wenden und diese um frisches Kapital bitten soll oder die Mittel unter Ausschluss des Bezugsrechts von externen Investoren aufnimmt und damit in die Beteiligung der Aktionäre eingreift. Der Umgang mit dem Bezugsrecht erweist sich als eine der entscheidendsten Positionsaussagen der arabischen Gesetzgeber bei der Errichtung des Leitbilds des Aktionärs und ist als Symbol für das Ringen um eine rechtskultur- und kontextadäquate Lösung der mit der Kapitalmarktorientierung auftretenden Governance-Konflikte in den Aktiengesellschaften der Region zu verstehen. Ob die Finanzverfassungen der arabischen Aktiengesellschaften, die sich in erster Linie am Leitbild des Unternehmeraktionärs orientieren und diesen in seiner Beteiligung auf – im internationalen Vergleich – ungewöhnlich intensive Weise schützen, für die 36 Vgl. die amtliche Überschrift zu Teil 1, Kapitel 2, Abschnitt 2 der Ausführungsverordnung zum ägyptischen Gesellschaftsgesetz Nr. 159/1981 (Beschluss des Investitionsministeriums Nr. 96/1982, al-waqâ´i` al-misriyya Nr. 145 vom 23. Juni 1982, im Folgenden VOGesG): „Gründung durch öffentliches Angebot“. 37 Siehe nur Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 68, 69, 102; bei Emissionen im Anschluss an den Börsengang ergibt sich dies aus der Natur der Sache. Etwas anderes gilt jedoch in den Golfstaaten, in denen Börsengänge nicht selten im Wege der Neugründung (sog. Greenfield-Emissionen) durchgeführt werden, vgl. S. 606 ff. 38 Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 69.

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Publikumsgesellschaft und den neuen Typus des Aktionärs als Anleger noch geeignet sind, muss grundlegend hinterfragt werden39. Für den „atomistisch“ beteiligten Aktionär ist Bestandsschutz möglicherweise nunmehr weniger wichtig, ein effektiver Vermögensschutz umso mehr40; auf Seiten der Gesellschaft erweist sich aufgrund sensitiver Märkte nunmehr die Geschwindigkeit der Kapitalaufnahme als entscheidend und stellt an die Durchführung von Grundlagenmaßnahmen Anforderungen, die in dieser Form bislang nicht bestanden. Mit diesem Befund ist schließlich auch die Frage aufgeworfen, inwieweit die Finanzierungsbedürfnisse der arabischen Aktiengesellschaften nach einer Neuausrichtung ihrer Finanzverfassungen an den Erwartungen des Kapitalmarkts oder gar der Herausbildung eines zwischen kapitalmarktorientierten und nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften unterscheidenden Börsengesellschaftsrechts41 verlangen. b) Funktionen des Rechts Mit diesem Prüfungsprogramm sind drei unterschiedliche Perspektiven vorgegeben, die eine Austarierung und Abstimmung durch aktien- und kapitalmarktrechtliche Schutznormen verlangen. aa) Erhöhung der Transaktionskosten- und Allokationseffizienz Auf der Hand liegt zunächst die Perspektive der Unternehmung. Ihr Ziel ist es, sich zu möglichst geringen Kapital- und Transaktionskosten mit Eigenkapital einzudecken. Wesentliche Voraussetzung für das Erreichen dieser Vorgabe ist die Möglichkeit, Aktien (ashum) möglichst zeitnah zur Preisfestsetzung und gegen angemessene Gegenleistung unter Ausschluss des Absatzrisikos an den Investor der Wahl platzieren zu können. Die Emittenten sind somit an einer transaktionskosten- und allokationseffizienten Ausgestaltung sowohl der aktien- als auch der kapitalmarktrechtlichen Regeln über die Aktienemission, vor allem aber einem funktionierenden Zusammenspiel beider Bereiche interessiert.

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Grundlegend zu den Implikationen der Hinwendung an den Kapitalmarkt für das Leitbild des Aktionärs und den unterschiedlichen Konfliktsituationen in der (börsennotierten) Aktiengesellschaft Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt; Kraakman/Armour/Enriques et al. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law, S. 301 ff.; grundlegend Hopt/Wymeersch/Kanda et al. (Hrsg.), Corporate Governance in Context. 40 Vgl. nur Martens, ZIP 1992, 1677, 1690. Siehe umfassend zur Diskussion unten S. 295 ff. und 302 ff. 41 Zu dem von Fleischer geprägten Begriff siehe Fleischer, 165 ZHR (2001) 513, 514 f.

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10 bb) Minderheitsschutz

Eine teils konträre Blickrichtung nehmen die Minderheitsaktionäre der Gesellschaft ein, deren Rechtsposition durch die Ausgabe junger Aktien beeinträchtigt werden kann. Ihre besondere Gefährdungslage beruht auf der Corporate Governance-Struktur der börsennotierten arabischen Gesellschaften, die fast ausnahmslos von einem oder wenigen Großaktionären beherrscht werden42. Die Konflikte in der arabischen Aktiengesellschaft verlaufen somit typischerweise zwischen kontrollierenden Mehrheitsaktionären, die über das Vermögen der Gesellschaft verfügen und in die Beteiligungsverhältnisse eingreifen können, und der Minderheit, die zum Ausgleich nach Regeln zum Schutz ihrer Mitgliedschaftsrechte verlangt43. Geleistet wird dieser Schutz durch die aktienrechtliche Finanzverfassung und das Organisationsrecht der Aktiengesellschaft, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung44 der Aktionäre zunächst ein hohes Schutzniveau vorsehen, dieses im Interesse der Gesellschaft jedoch durch formale Regeln oder normative Abwägungsklauseln immer wieder einschränken. Im Fokus der Untersuchung werden die Erarbeitung dieser Grenzlinie in den arabischen Aktienrechtsordnungen und die Abwägung der Interessen der Beteiligten durch Gesetzgeber, Gerichte und Behörden stehen. cc) Anlegerschutz Indem die (Klein-)Aktionäre der börsennotierten Gesellschaft ihre Beteiligung an der Gesellschaft vielfach nur als Kapitalanlage sehen, ohne ein persönliches unternehmerisches Interesse mit ihr zu verfolgen, übernehmen sie zusätzlich die Rolle des Anlegers. Das Schutzinteresse des Aktionärs als Anleger geht weitgehend im aktienrechtlichen Schutz der Mitgliedschaft auf, stellt jedoch teilweise auch weitergehende Anforderungen, die im Zusammenhang mit der Anonymität des Marktes und dem höheren Umfang an Informationsasymmetrien stehen. Neben dem Aktienrecht bedarf es somit eines kapitalmarktrechtlichen Schutzes der Anleger. Um dessen Funktionsweise zu erfassen, bietet es sich an, auf die deutsche kapitalmarktrechtliche Literatur zurückzugreifen, die sich vertieft mit der Frage nach den Funktionen des Kapitalmarkts beschäftigt hat. Sie unterscheidet zwischen dem Schutz des Anlegerindividuums vor anlagebezogenen Gefahren, die sich konkret auf seine Person beziehen45, einerseits, und dem 42 43

Vgl. zur Governance-Struktur der arabischen Aktiengesellschaften, S. 44 ff. Grundlegend zur institutionenökonomischen Erklärung von Principal-AgentKonflikten zwischen der Minderheit (dem Prinzipal) und der Mehrheit (dem Agenten) Jensen, Theory of the firm, S. 136 ff., 153 ff. 44 Zum Gleichbehandlungsgrundsatz siehe § 2 Fn. 22. 45 In Anlehnung an Hopt wird in der deutschen Literatur in aller Regel zwischen Substanzerhaltungs- und Konditionenrisiken, Informationsrisiken, Abwicklungsrisiken und

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Schutz des Anlegerpublikums zur Stärkung des Vertrauens in den Kapitalmarkt insgesamt andererseits46. Neben ihrem Individual- und Kollektivschutz richtet sich das Interesse der Anleger auch auf die Funktionsfähigkeit47 des Kapitalmarkts als solchen: Aufgrund der vermögensschützenden Wirkung der Markteffizienz und der effizienzsteigernden Wirkung des Marktvertrauens stehen die Schutzrichtungen in einer engen Wechselwirkung48. Kapitalmarktrechtliche Schutznormen sind somit stets vor dem Hintergrund dieser Korrelation zu interpretieren und auszugestalten. Am Primärmarkt werden diese Schutzziele in erster Linie im Wege der Prospektpublizität verwirklicht, um den Anlegern eine informierte Transaktionsentscheidung zu ermöglichen49. 2. Fremdkapitalfinanzierung Die Finanzierung mit kapitalmarktfähigen Fremdfinanzierungsinstrumenten, die sich unter dem Oberbegriff der Schuldverschreibung50 (sanad) zusammenfassen lassen, unterliegt grundsätzlich anderen Risiken und Konflikten als diejenige mit Aktien. Neben den bereits angeführten allgemeinen Anlegerrisiken werden im Hinblick auf das spezifische Anlegerrisiko von Anleihegläubigern Gefahren wie die Vereitelung von Zinsansprüchen, Wertverwässerungen, der Austausch des Aktivvermögens oder etwa eine Unterinvestition ausgemacht51. Die besondere Risikoexposition wird dadurch verschärft, dass die Fremdkapitalgeber im Gegensatz zu Aktionären über keine mitgliedschaftlichen Herrschafts- und Schutzrechte verfüInteressenvertretungsrisiken unterschieden, ausführlich Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 83 ff.; zusammenfassend Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 58 f., m.w.N. Ein anderer Ansatz tendiert zu einer abstrakteren und institutionellen Beschreibung der Risiken und bewertet sie als Resultat asymmetrisch verteilter Informationen, Möllers, 26 ZGR (1997) 334, 338; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 400. Hinsichtlich des Ausmaßes und der Ausprägung der Risiken kann zusätzlich nach der Person des Anlegers differenziert werden (Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 79 f.). So verfügen institutionelle Investoren über eine hohe Informationstiefe, langjährige Markterfahrung und personelle und technische Ressourcen, welche die Risiken für sie beherrschbarer machen als für Privatanleger. Zu den rechtlichen Implikationen der unterschiedlichen Ausgangslage (namentlich im Bereich des Prospektrechts) siehe S. 95, 204 f. 46 Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 49. 47 Zu den verschiedenen Funktionen siehe S. 6 sowie die Nachweise in § 1 Fn. 28. 48 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 51 f., 336 f.; Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 51 m.w.N. 49 Punktuell können schließlich auch die Vorschriften zum Verbot der Marktmanipulationen Auswirkung entfalten, hierzu S. 272. 50 Zur Definition und Abgrenzung zu anderen Fremdfinanzierungsformen siehe S. 418 ff., 423 ff. 51 Smith/Warner, 7 J. Finan. Econ. (1979) 117.

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gen und somit auf andere Instrumente der Verhaltenskontrolle angewiesen sind. Als solche stehen ihnen neben dem bereits angesprochenen kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz einerseits spezialgesetzliche Schutzmechanismen wie etwa die Vorschriften über die Gläubigerversammlung zur Verfügung, andererseits die allgemeinen Vorschriften über Schuldverhältnisse, aus denen sich normative Vorgaben für das Verhältnis von Kapitalgeber und Kapitalnehmer ableiten lassen52. Als obligationenrechtliches Schuldverhältnis muss der Schwerpunkt des Schutzes jedoch auf vertraglichen Instrumenten beruhen, deren Ausgestaltung sich in den arabischen Staaten zunehmend an internationalen Standards orientiert, jedoch punktuell regionalspezifische Schutzlücken aufweist und somit näher zu untersuchen sein wird53. Der (im Vergleich zum Eigenkapitalmarkt) relativ niedrige Entwicklungsstand und die unzureichende Liquidität der arabischen Fremdkapitalmärkte erfordern es zudem, auf die institutionelle Organisation des Primärmarkts wie auch – da beide Marktsegmente in einem engen Interdependenzverhältnis stehen – des Sekundärmarkts einzugehen54. 3. Hybridkapitalfinanzierung Die Möglichkeit, von den „Reintypen“ der Finanzierungsformen abzuweichen und mitgliedschaftliche oder schuldrechtliche Vermögenspositionen aufzubauen, die sowohl über eigen- als auch fremdkapitaltypische Vermögensmerkmale verfügen, verlangt schließlich nach einer Berücksichtigung besonderer Schutzanforderungen, die aus der hybriden Natur der Papiere resultieren. Zuvorderst steht dabei die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gestaltungsfreiheit und Satzungszwang in den arabischen Aktienrechten im Raum, die die Bandbreite der denkbaren Kapitalformen determiniert55. Auf dieser Grundlage lässt sich schließlich überlegen, inwieweit die Instrumente sich den bestehenden Reintypen zuordnen lassen und durch die vorhandenen eigen- oder fremdkapitalrechtlichen Schutzmaßnahmen hinreichend adressiert werden oder spezielle Regelungen erfordern. 4. Ausblendung strukturierter und islamischer Finanzierungsinstrumente Den beschriebenen Kategorien von Finanzinstrumenten lassen sich auch strukturierte Finanzierungstitel wie asset-backed securities56 oder im Ein52 53 54 55 56

Ausführlich hierzu S. 567 ff., 580 ff. Zur Ausgestaltung der Anleihebedingungen siehe S. 490 ff. Zur Marktsituation siehe S. 79, zu den regulatorischen Ursachen S. 430 ff. Ausführlich S. 441 ff. Asset-backed securities sind forderungsbesicherte Wertpapiere, die durch eine Zweckgesellschaft ausgegeben werden und Zahlungsansprüche gegen die Gesellschaft verbriefen. Die Forderungen werden von der Zweckgesellschaft mit den am Kapitalmarkt

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klang mit islamischem Recht begebene Kapitalmarkttitel (in der Literatur und Praxis allgemein als sukûk bezeichnet)57 zuordnen. Indem sie unter Ausnutzung der dispositiven Regeln des staatlichen Rechts58 spezifische wirtschaftliche Ziele verfolgen oder sich an Vorgaben religiösen Rechts orientieren, gehen sie in aller Regel mit erhöhtem Strukturierungsaufwand und der Einbindung in juristisch und wirtschaftlich komplexe Gestaltungen einher. Insoweit bilden diese Instrumente eine eigenständige Rechtsmaterie, die nicht im Fokus dieser Arbeit liegen soll. So ist insbesondere das Recht islamischer Finanzierungsinstrumente – ungeachtet aller offenen Fragen59 – im Gegensatz zum Unternehmensrecht der arabischen Nationalstaaten vergleichsweise gut erschlossen und Gegenstand zahlreicher englisch- und auch deutschsprachiger Publikationen60. Aufgabe dieser Arbeit ist es nicht, den zahlreichen Darstellungen zum islamischen Finanzrecht eine weitere hinzuzufügen, sondern die bisher wenig behandelten Quellen des staatlichen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts selbst in ihren rechtlichen und tatsächlichen Ausprägungen zu untersuchen. Eine Erörterung islamischer Finanzierungsinstrumente soll aus diesen Gründen nur insoaufgenommenen Mitteln vom Kapitalnehmer (dem sog. originator) erworben und auf diese Weise vom originator für die Laufzeit der Wertpapiere verwertet, Geiger, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 515; umfassend Arlt, True Sale Securitisation, Berlin 2009. 57 Zur systematischen Einordnung islamischer Finanzierungsinstrumente in die zeitgenössischen Aktienrechtsordnungen siehe S. 421f. Zur Abgrenzung von sukûk von sog. sukûk al-tamwîl im ägyptischen Recht siehe § 3 Fn. 18. 58 In zunehmend mehr arabischen (aber auch nicht arabischen) Staaten finden sich mittlerweile auch im positiven Recht Regeln zum islamischen Finanzrecht, in erster Linie im Bereich des Bankaufsichtsrechts (siehe etwa das CBB Rulebook der Zentralbank von Bahrain oder den Islamic Financial Services Act 2013 in Malaysia, Federal Government Gazette vom 22. März 2013). Auch in Ägypten wurde jüngst die Initiative unternommen, eine umfassende Regulierung für sukûk zu schaffen (zum ersten Schritt siehe das sukûkGesetz (qânûn al-sukûk) Nr. 10/2013, al-jarîda al-rasmiyya Nr. 25 vom 7. Mai 2013, das bislang jedoch noch nicht durch Exekutivnormen konkretisiert wurde). 59 Auf den islamischen Finanzmarkt warten freilich im Bereich der Standardisierung, der Errichtung von Marktplattformen und der Erarbeitung einer Bandbreite wettbewerbsfähiger Produkte große Herausforderungen, vgl. Greuning/Iqbal, in: Archer/Ahmed/ Karim (Hrsg.), Islamic Finance: The Regulatory Challenge, S. 15, 271 ff. Nichts anderes gilt infolge der jüngsten Finanzmarktkrise für die Regulierung des Marktes für strukturierte Finanzprodukte. 60 Aus der neueren Literatur zum islamischen Finanzrecht siehe nur El-Gamal, Islamic finance: law, economics, and practice; Usmani, An introduction to Islamic finance; Ayub, Understanding Islamic finance; Hassan/Lewis (Hrsg.), Handbook of Islamic banking; Gassner/Wackerbeck, Islamic Finance, sowie die frühen Standardwerke Vogel/Hayes, Islamic law and finance: religion, risk, and return; Saleh, Unlawful Gain and Legitimate Profit in Islamic Law; Nienhaus, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, S. 164 ff.; Wichard, Zwischen Markt und Moschee.

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weit erfolgen, wie es zur Abgrenzung und konzeptionellen Einordnung in das gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Koordinatensystem der beschriebenen Rechtsordnungen erforderlich ist61. II. Regionale Eingrenzung Eine Untersuchung sämtlicher arabischer Rechtsordnungen ist schon wegen der Anzahl der Jurisdiktionen im Rahmen dieser Arbeit nicht zu bewältigen. Paradigmatisch sollen daher jene Länder dargestellt werden, die für den arabischen Rechtsraum repräsentativ sind und eine Vorbildfunktion bei der Fortentwicklung des Rechts besitzen – Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien. 1. Ägypten Im Mittelpunkt einer Untersuchung des positiven Rechts arabischer Staaten hat fraglos das ägyptische Recht zu stehen. Ägypten bildet seit jeher das Epizentrum der Rezeption des romanischen Rechts und ist Ausgangspunkt dessen wellenförmiger Verbreitung in zahlreiche andere arabische Rechtsordnungen. Als treibende Kraft hinter dieser Entwicklung ist der große ägyptische Jurist `Abd al-Razzaq al-Sanhûrî zu sehen, der mit dem ägyptischen Zivilgesetzbuch von 194862 ein Werk von – nach einem Diktum Krügers – „gemeinarabischem Charakter“63 geschaffen hat, das mittlerweile in über zehn arabischen Staaten mit kleineren oder größeren Anpassungen rezipiert wurde. Weniger deutlich nachgezeichnet ist bislang die Ausstrahlkraft des ägyptischen Rechts im Bereich des Gesellschaftsrechts64. Dass ägyptisches Rechtsdenken bei der Rezeption der arabischen Unternehmensrechtsordnungen eine hervorgehobene Rolle spielte, wird im Verlauf der Untersuchung allerdings immer wieder bestätigt65. So kannte das ägyptische Gesellschaftsrecht mit dem Gesellschaftsgesetz Nr. 26/1954 bereits zu einem Zeitpunkt, in dem viele arabische Staaten noch ohne ein eigenes Handelsgesetzbuch auskamen, die erste große unternehmensrechtliche Kodifikation Arabiens und setzte mit dem Gesellschaftsgesetz Nr. 159/198166 (GesG) und dem Kapitalmarktgesetz Nr. 95/199267 (KMG) 61 62

Siehe S. 421 ff. Erlassen durch Gesetz Nr. 131/1948, al-waqâ´i` al-misriyya Nr. 108 bis vom 29. Juli 1948. 63 Krüger, Recht van de Islam 1987, 98, 110; siehe ebenso den Hinweis von Dilger, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 1996, S. 187, 201, auf die Rechtseinheit im Vermögensrecht im Nahen Osten. 64 Ebenso Ballantyne, Essays and addresses on Arab laws, S. 15. 65 So wiederum Ballantyne, Essays and addresses on Arab laws, S. 15. Ausführlich zur Rezeption der arabischen Rechtsordnungen S. 33 ff. sowie zur Bedeutung des ägyptischen Gesellschaftsrechts für die weiteren Rechtsordnungen S. 64 f., 67 ff. 66 Siehe § 1 Fn. 36.

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ein weithin sichtbares Zeichen für die kraftvollen Bestrebungen, die Volkswirtschaft in die Weltwirtschaft zu integrieren, das in den übrigen Staaten vielfach Nachahmung fand. Auch bei der Entwicklung des Kapitalmarkts nahm Ägypten eine Vorreiterrolle ein. Geht man zu den Ursprüngen zurück, so ist zunächst festzuhalten, dass mit der Alexandria Stock Exchange im Jahr 1883 die erste Börse Arabiens in Ägypten den Handel aufnahm68. Heute setzt sich dieser Trend fort: Mit Erlass des Kapitalmarktgesetzes im Jahr 1992 verfügte das ägyptische Recht bereits zu einem Zeitpunkt über ein modernes kapitalmarktrechtliches Grundgerüst, in dem selbst wichtige Märkte wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien noch keine eigenen Börsen hatten69. Auch bei der Schaffung eines neuen Übernahmerechts nach internationalem Vorbild70, der Dematerialisierung des Effektenverkehrs71 oder der Regulierung hybrider sowie strukturierter Finanzierungsinstrumente72 gingen Reforminitiativen von Ägypten aus. Aber nicht nur aus rechtlichen Gründen liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf ägyptischem Recht. Auch die Emissions- und Transaktionstechniken haben in Ägypten einen Entwicklungsstand erreicht, der den anderen Staaten in vielerlei Hinsicht voraus ist. So erlebte der ägyptische Markt mit Wandelanleihen73, Verbriefungen von auf der Bilanz gehaltenen Forderungen74, öffentlichen Übernahmeangeboten75 und Bookbuilding-Platzierungen76 Finanzinnovati67 68

Siehe § 1 Fn. 31. Abdul-Hadi, Stock markets of the Arab world, S. 84. Zur Entwicklung der ägyptischen und anderen arabischen Börsen siehe S. 70 ff. 69 Diese wurden erst in den Jahren 2000 und 2001 gegründet, vgl. Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 104 mit einer detaillierten Übersicht zur Entstehung der arabischen Börsen. In Saudi-Arabien existierte seit 1984 jedoch ein semioffizieller Handel, vgl. Abdul-Hadi, Stock markets of the Arab world, S. 49 ff.; IMF, Financial systems and labor markets in the Gulf Cooperation Council countries, S. 15. 70 Siehe die Nachweise in § 2 Fn. 36. 71 Siehe S. 543 ff. 72 Siehe bereits S. 12 sowie S. 418 ff. 73 Zur ersten, durch die Al Ezz Steel Rebars S.A.E. am ägyptischen Kapitalmarkt emittierten Wandelanleihe siehe etwa S. 471, 483, 486 und 533. 74 Vgl. die Aufzählung der 12 im Jahr 2010 an der EGX notierten sog. securitization bonds (sanadât al-tawrîq) unter . Zu den Rechtsgrundlagen der internen Verbriefung, die in etwa die Ziele des deutschen Refinanzierungsregisters nach §§ 22a ff. KWG verfolgen, siehe Art. 41bis1 ff. KMG, 300 ff. VOKMG und insbesondere Art. 41bis8 KMG (Art. 41bis1 ff. KMG eingefügt durch Gesetz Nr. 143/2004, al-jarîda al-rasmiyya Nr. 25 vom 17. Juni 2004, Art. 300 ff. VOKMG eingefügt durch Dekret des Investitionsministers Nr. 46/2004, waqâ´i` al-misriyya Nr. 260 vom 18. November 2004), hierzu Ägyptische Finanzaufsicht, Dalîl al-sharikât litawrîq muhâfiz al-mâliyya al-âjala, 2004. 75 Vgl. beispielhaft den bei Burhân, Al-nizâm al-qânûnî li-l-`ard al-`âmm li-shirâ´ alashum, S. 362 Fn. 113 genannten Fall aus der Zeit vor der Reform des Übernahmerechts

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onen, die in den anderen Jurisdiktionen aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen zum Großteil erst später auftraten oder noch unbekannt sind. Aufgrund seiner rechtspolitischen Bedeutung, aber auch der vergleichsweise tiefen wissenschaftlichen Aufarbeitung des ägyptischen Rechts nimmt dieses den größten Raum dieser Untersuchung ein. Die anschließende Analyse des emiratischen77, saudi-arabischen und jordanischen Rechts konzentriert sich hingegen auf die spezifischen Besonderheiten und Probleme im Wege einer vergleichenden Betrachtung, ohne eine erneute umfassende Bestandsaufnahme vorzunehmen. Von einer solchen kann einerseits infolge der Zugehörigkeit der arabischen Wirtschaftsrechtsordnungen zu einem gemeinsamen romanisch-ägyptischen Rechtskreis abgesehen werden, des Weiteren wäre sie aufgrund der geringeren Quellendichte weniger ergiebig als für Ägypten78. 2. Vereinigte Arabische Emirate Eine derartige Transferleistung soll zunächst am Beispiel der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erfolgen79. Die VAE erweisen sich für diese Arbeit deshalb als interessant, weil sie sich zu einem besonders dynamischen und international eingebundenem Wirtschaftszentrum herausgebildet haben und in besonderem Maße von der angelsächsischen Kautelarpraxis beeinflusst sind. Entsprechend gehen Innovationen im Bereich der Fremdfinanzierungsinstrumente – der den Juristen eine größere Gestaltungsfreisowie das Pflichtangebot der Talaat Moustafa Holding S.A.E. an die Aktionäre der Alexandria Real Estate S.A.E. im Jahr 2007 für die Zeit danach, hierzu Al-Ahrâm, I`lân `an `ard shirâ´ ijbârî mukhtalat, 1. September 2007, S. 19. 76 Während das Bookbuilding in Ägypten bereits um die Jahrtausendwende auftrat, wird es in Saudi-Arabien seit 2007 eingesetzt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist es seit dem Jahr 2008 reguliert, kam jedoch noch nicht zum Einsatz (ausführlich S. 142 ff., 633 ff., 637 ff.). 77 Zur Bezeichnung siehe § 4 Fn. 11. 78 Eine Ausnahme ist freilich im Hinblick auf das saudi-arabische Recht zu machen, in dem das islamische Recht neben den speziellen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften eine beherrschende Rolle spielt und ihr Zusammenspiel eine Fülle von Rechtsfragen aufwirft. Diese müssen jedoch als eigenständiger Rechtsbereich aufgefasst werden, der im Rahmen dieser Arbeit lediglich in den wichtigsten Grundzügen abgedeckt werden kann, so im Hinblick auf die Zinsfrage und Anleihesicherheiten, vgl. S. 698 ff., 713 ff. 79 Mit der Bezugnahme auf das nationale Recht der VAE ist schließlich eine Abgrenzung zum Recht der Freihandelszone des Dubai International Financial Center geleistet, das im Wege einer Änderung der Verfassung der VAE mit eigenen Hoheitsrechten beliehen wurde und sich infolgedessen eine umfassende Zivilrechtsordnung und Jurisdiktion geschaffen hat (Cotran/Lau, Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law (2003–2004), S. 227). Eine Analyse dieses in angelsächsischer Tradition stehenden Rechtskorpus, der im Wirtschafts- und Rechtsleben nur geringe Relevanz erlangt hat, würde zum Verständnis des „traditionellen“ zeitgenössischen Rechts der arabischen Staaten nicht beitragen.

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heit bietet als das starre Aktienrecht – in den letzten Jahren verstärkt auch aus den VAE hervor80. Von besonderem Interesse ist das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht der VAE schließlich deshalb, weil es bis heute in der arabischsprachigen Rechtsliteratur kaum aufgearbeitet wurde81. 3. Saudi-Arabien Die Wahl des saudi-arabischen Rechts als Untersuchungsgegenstand beruht auf dem tief ausgeprägten Dualismus von islamischem und weltlichem Recht, der das saudi-arabische Rechtssystem wie kein anderes charakterisiert und auch im Unternehmensrecht immer wieder eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis beider Rechtsebenen zueinander verlangt82. In wirtschaftlicher Hinsicht ist Saudi-Arabien von Bedeutung, da es über den mit Abstand größten Kapitalmarkt im arabischen Raum verfügt, der gemäß seinem volkswirtschaftlichen Gewicht in den letzten Jahren mit entsprechend hoher Sorgfalt reguliert wurde83. 4. Jordanien Die Einbeziehung des jordanischen Rechts geht in erster Linie auf die wechselhafte Rezeptionsgeschichte im Bereich des Unternehmensrechts zurück: Infolge des britischen Völkerbundmandats für Palästina und Transjordanien von 1922 bis 1946 stand das jordanische Gesellschaftsrecht zunächst unter Einfluss des britischen Rechts84, was sich noch heute – und damit nach der Übernahme des romanisch-arabischen Modells des Gesellschaftsgesetzes in das jordanische Recht – in einer Vielzahl von angelsächsischen Rechtsfiguren und Liberalisierungsansätzen ausdrückt. Nicht zuletzt sind Fragmente des britischen Rechts in den zentralen Regelungen über die Eigenkapitalaufnahme erhalten geblieben und haben zu einer Viel80 Siehe etwa die gewinnabhängig verzinsten, ewigen und bankaufsichtsrechtlich dem Kernkapital zuzuordnenden Nachranganleihen, die im Jahr 2009 von verschiedenen Banken der VAE begeben wurden, hierzu S. 452. 81 In arabischer Sprache existiert ein von dem jordanischen Gesellschaftsrechtler Sâmî verfasstes Lehrbuch jüngeren Datums (Sâmî, Al-sharikât al-tijâriyya fî qânûn dawlat al-imârât al-`arabiyya al-mutahida), eine Sammlung mit gesellschaftsrechtlichen Urteilen des Kassationsgerichts Dubai (Haydar, Al-sharikât al-tijâriyya). Ein englisches Nachschlagewerk bildet die Urteilssammlung von Price/Tamimi (Hrsg.), United Arab Emirates Court of Cassation Judgments 1998–2003; Price/Tamimi (Hrsg.), United Arab Emirates Court of Cassation Judgements 1989–1997. 82 Vgl. ausführlich zum Verhältnis von islamischem Recht und zeitgenössischen Kodifikationen in Saudi-Arabien S. 24. 83 Zum saudi-arabischen Kapitalmarktrecht und insbesondere den Angebotsregeln siehe S. 593 f. 84 Zum Reformprogramm Harris/Crystal, 10 Theoretical Inquiries in Law (2009) 561; ausführlich zur Bedeutung des britischen Rechts heute siehe S. 67 f., 726 f.

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falt der Emissionsformen geführt, die in den anderen untersuchten Jurisdiktionen nicht existiert85. Des Weiteren durchliefen das jordanische Wirtschaftsrecht und der junge aufstrebende jordanische Kapitalmarkt in den vergangenen Jahren ein umfassendes Reformprogramm, das international hoch gelobt86 wurde und sich in einzelnen Bereichen durch äußerst fortschrittliche Regulierungsansätze beim Schutz von Anlegern auszeichnet87.

B. Quellen des Rechts I. Ausgangspunkt: Positives Recht Die Rechtsquellen, auf denen diese Arbeit fußt, sind zunächst die Rechtsnormen des zeitgenössischen staatlichen Rechts, wie es seit Ende des 19. Jahrhunderts von den arabischen Gesetzgebern vornehmlich im Wege der Rezeption französischen Rechts positiv gesetzt worden ist. Unterhalb des einfachen Gesetzes erlangen für die Arbeit insbesondere Ministerialdekrete (qarâr wizârî) Relevanz, die sowohl generell-abstrakte (namentlich Verordnungen) als auch konkret-individuelle (etwa die Konzessionierung einer Gesellschaft) Regelungen enthalten können. Eine besondere Rolle für das ägyptische Unternehmensrecht spielen unter ihnen die sog. Ausführungsverordnungen (al-lâ´ihâ al-tanfîdhiyya, im Folgenden VO)88. Sie steuern den Großteil der gesellschaftsrechtlichen Regelungen Ägyptens bei und übernehmen damit in materieller Betrachtung weitgehend Gesetzesfunktion. Eine weitere Quelle des positiven Rechts sind Beschlüsse oberster Aufsichtsbehörden, die teilweise über Außenwirkung, gelegentlich auch nur über interne Wirkung i.S. eines Verwaltungserlasses verfügen. II. Bedeutung des islamischen Rechts Mit der Bezugnahme auf das staatliche Recht ist ein Kontrast zum islamischen Recht gesetzt, der eine – aufgrund der hinreichenden Bekanntheit der Diskussion nur äußerst gedrängte – Abgrenzung zwischen beiden Rechtsköpern verlangt. Das islamische Recht fußt auf der sharî`a, den uni85

Dies beruht in erster Linie auf der Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlusses, die sich in der größeren Flexibilität bei der Wahl der Formen der Folgeemission ausdrückt, S. 641. 86 Vgl. Alissa, 4 Carnegie Papers (2007), sowie Harrigan/El-Said/Wang, 1 Rev. Int. Org. (2006) 263 ff., mit Nachweisen und Kritik zu dieser Einschätzung. 87 Zu nennen sei hier etwa die Einführung eines Bezugsrechtshandels, einer vergleichsweise umfassenden Börseneinführungspublizität und der Liberalisierung des Rechts der geschlossenen Aktiengesellschaft, siehe ausführlich S. 673 f. und 67 f. 88 Technisch handelt es sich bei ihnen nicht um Ministerialdekrete, sie werden jedoch auf Grundlage eines Ministerialdekrets erlassen und genießen daher den gleichen Rang.

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versellen Geltungsanspruch erhebenden Rechtsvorschriften des Koran89 und der Sunna90, sowie ihrer rechtswissenschaftlichen Konkretisierung durch die islamischen Gelehrten im Rechtskorpus des fiqh91. Im Gefüge der Rechtssysteme nimmt es aufgrund dieses Ursprungs eine Stellung innerhalb der religiösen Rechte ein, erlangt aufgrund seines Selbstverständnisses als umfassendes Regelungswerk für weltliche Lebenssachverhalte jedoch auch für wirtschaftliche Vorgänge Relevanz. Um sich der Bedeutung der sharî`a für die moderne Wirtschaftsordnung aus dem hier angenommenen Blickwinkel des staatlichen Rechts zu nähern, ist zwischen der Ebene des Verfassungsrechts und des einfachgesetzlichen Rechts zu unterscheiden. 1. Verfassungsrechtliche Ebene In den Verfassungen der meisten arabischen Staaten wird die sharî`a zunächst als die oder (neben dem positiven Recht und dem Gewohnheitsrecht) als eine der Quellen des Rechts geführt92. Das islamische Recht kann somit zwei unterschiedliche Funktionen in der Verfassung annehmen: Ist die sharî`a lediglich eine Quelle des Rechts, erlangen ihre Regeln typischerweise nach dem geschriebenen Gesetz und dem Gewohnheitsrecht Anwendung93. Einen Kontrollmaßstab für das einfache Recht beinhaltet das islamische Recht aufgrund dieser Quellenhierarchie in der Rechtspraxis nicht. Vielmehr wird es als Auffangtatbestand angewendet, wenn das einfache Recht und Gewohnheitsrecht keine Vorschriften bereithalten94, Zur rechtlichen Dimension des Koran und dessen Geltungsanspruch statt vieler Rohe, Das islamische Recht, S. 48 ff. 90 Die Sunna umfasst die gesammelten rechtsrelevanten Aussprüche und normbildenden Handlungen des islamischen Propheten Mohammed, die ahadîth, und bildet nach dem Koran die zweithöchste Quelle des islamischen Rechts, Rohe, Das islamische Recht, S. 52 ff. 91 Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 9. Zum fiqh werden schließlich weitere Quellen wie der Konsens der Rechtsgelehrten (ijmâ), die Analogie (qiyâs) und deren teleologische Korrektur durch istihsân, vgl. Saleh, 38 Int'l & Comp. L. Q. (1989) 761; Rohe, Das islamische Recht, S. 58 ff. 92 Für eine Übersicht siehe Ballantyne, 1 ALQ (1985) 158 ff. 93 Ausführlich zur Interpretation der unterschiedlichen Quellenbestimmungen AlMuhairi, 11 ALQ (1996) 219, 222. Besonders intensiv wurde der Streit um die Rechtsquellenfrage in Ägypten geführt: Während die Grundsätze der sharî`a in der ägyptischen Verfassung von 1971 zunächst als eine Quelle des Rechts angeführt wurden, wurden sie infolge einer Verfassungsänderung im Jahr 1980 zu der Quelle des Rechts erhoben. Zu den Implikationen siehe Elwan, in: Steinbach/Robert (Hrsg.), Der Nahe und der Mittlere Osten, S. 221, 237 ff., sowie S. 494 ff. Die Rolle des islamischen Rechts wurde vorrübergehend durch die Verfassung von 2012 noch weiter verstärkt, siehe § 3 Fn. 326. 94 In Ägypten etwa ist diese Hierarchie einfachgesetzlich in Art. 1 Abs. 2 ZGB verankert, der der sharî`a subsidiäre Geltung hinter den Normen des ZGB und der Rechtspre89

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was aufgrund der bestehenden Regelungsdichte und weiten Auslegungsmöglichkeiten eher selten der Fall ist. Wird die sharî`a hingegen (wie heute etwa in Ägypten) als die Quelle des Rechts geführt, so wird zwar nach wie vor nicht das einfache Recht aus ihr gewonnen, allerdings will eine bedeutende Strömung ihr die Funktion eines Rechtmäßigkeitsmaßstabs, an dem sich das einfache Gesetz zu messen hat, geben95. Bälz charakterisiert die sharî`a in dieser Funktion in Anlehnung an Kelsens GrundnormLehre96 als materiell-dynamische Grundnorm, die (aufgrund der Indisponibilität) naturrechtsähnlich einen materiellen Rechtsrahmen vorgibt, innerhalb dessen die Regeln jedoch dynamisch geschaffen und rezipiert werden können97. Wie die Ausführungen zum ägyptischen und emiratischen Recht zeigen werden, führt dies insbesondere im Hinblick auf die Zinsvorschriften immer wieder zu juristischen Konfrontationen, die auch das Recht der Schuldverschreibungen nicht unberührt lassen. Im Alltag der Unternehmung schlägt sich der Prüfungsmaßstab der sharî`a trotz aller Bemühungen religiöser Gruppen, das einfache Recht an ihm zu messen, bis heute allerdings nur in geringem Ausmaß nieder, da es den Gerichten und den Gesetzgebern bislang weitgehend gelungen ist, die zivilrechtlichen Kodifikationen der Überprüfung anhand des islamischen Rechts zu entziehen98. Eine Sonderrolle nimmt das saudi-arabische Recht ein, das ungleich stärker von der verfassungsrechtlichen Verankerung99 der sharî`a geprägt ist. Im Gegensatz zu den übrigen Staaten bilden die zwingenden Vorschriften der sharî`a hier nicht nur formal den Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit des einfachen Rechts, sondern sind auch de facto Bestandteil des internen ordre public, der von jedem Richter unmittelbar anzuwenden ist. Sie sind damit zum Prüfungsmaßstab jeden weltlichen Handelns erhoben und prägen das Rechtsleben in einem Ausmaß, das den übrigen Ländern unbekannt ist100. chung gewährt. Damit steht die Norm allerdings in einem Spannungsverhältnis zu Art. 2 der ägyptischen Verfassung, der die sharî`a wie soeben beschrieben (§ 1 Fn. 93) heute als die Quelle des Rechts anführt. 95 Siehe die Ausführungen zum Verfahren vor dem ägyptischen Verfassungsgericht um die Rechtmäßigkeit des Art. 227 ZGB auf S. 494 ff. 96 Kelsen, Reine Rechtslehre: Einleitung in die rechtswissenschaftliche Problematik (Studienausgabe der 1. Auflage 1934), S. XLII. 97 Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 162. 98 Vgl. S. 494 ff. 99 Das islamische Recht wird einerseits in Art. 1 der saudi-arabischen Verfassung von 1992 als Quelle des Rechts verankert (zur geringen institutionellen Bedeutung der Verfassung Amereller, Hintergründe des „Islamic banking“, S. 149, m.w.N.), andererseits in den staatsorganisationsrechtlichen Organic Instructions of the Hijazi Kingdom von 1926, wobei ausdrücklich auf die Geltung des hanbalitischen fiqh verwiesen wird, Ballantyne, 1 ALQ (1985) 158 ff. 100 Umfassend S. 24.

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2. Einfachgesetzliche Ebene a) Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Jordanien Eine beherrschende Rolle im einfachen Gesetz erlangt das islamische Recht in den meisten arabischen Staaten lediglich im Bereich des Personenstandsrechts101. In den vermögensrechtlichen Vorschriften des Zivilrechts spiegelt sich der Einfluss islamischer Rechtsprinzipien in geringerem Umfang wider, wobei die Bedeutung zwischen den einzelnen Rechtsordnungen variiert. Da sie bereits in einer Vielzahl von Untersuchungen detailliert herausgearbeitet wurde102, soll an dieser Stelle daher nur so viel gesagt sein: Sanhûrî versuchte bei der Kodifikation der romanisch geprägten Zivilgesetze zwar, die grundlegenden Wertungen bei der Rechtsetzung zu berücksichtigen; beim Entwurf des ägyptischen ZGB war ihm dies aufgrund politischen Widerstands jedoch nur in geringerem Umfang möglich, als er sich wünschte103. Die im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit islamischem Recht besonders problematischen Passagen des ägyptischen ZGB – die Zinsvorschriften und das Versicherungsrecht – werden von religiöskonservativen Juristen jedoch abgelehnt: Indem das ZGB einerseits Zinsen erlaubt104, andererseits einen am französischen Recht orientierten Versicherungsvertrag105 regelt, sehen sie einen Verstoß gegen das islamische Verbot des ribâ106 sowie des gharar107 als gegeben an. 101 Entweder gelten die erb- und familienrechtlichen Regeln der sharî`a – soweit die Parteien Muslime sind – unmittelbar und werden von sharî`a-Gerichten durchgesetzt, oder aber das staatliche Personenstandsrecht wurde in (unterschiedlich stark ausgeprägter) Orientierung an den Vorgaben der sharî`a und des fiqh kodifiziert, vgl. Walther, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, S. 635, 660 ff. 102 Vortreffliche Übersichten zu den Grundstrukturen der verschiedenen arabischen Zivilrechtsordnungen finden sich bei Krüger, Recht van de Islam 1987, 98 ff.; Hill, 3 ALQ (1988) 182 ff. Saleh, 8 ALQ (1993) 161; Saleh, 38 Int'l & Comp. L. Q. (1989) 761 ff.; siehe zudem die zahlreichen Nachweise zu den unterschiedlichen Ländern bei Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 75 f., 165 f. Für eine vertiefte Analyse der islamischen Vorschriften im ägyptischen ZGB siehe die umfangreiche Analyse von Bechor, The Sanhuri Code. Zur islamischen und ägyptischen Zinsdiskussion ist auf die detaillierte Arbeit von Lohlker, Das islamische Recht im Wandel, zu verweisen. 103 Eine Aufzählung der vergleichsweise wenigen unmittelbar übernommenen Regeln des islamischen Rechts findet sich bei Ebert, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 2005, S. 199, 226; im Kontrast hierzu siehe die Beschreibung des ZGB der VAE bei Ballantyne, 1 ALQ (1986) 245, näher zum Stellenwert des islamischen Rechts in den modernen Zivilrechtskodifikationen S. 22. 104 Art. 226 f., hierzu umfassend, S. 494 ff. 105 Art. 747 ff. ZGB, ausführlich Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 70 ff. 106 Der Begriff des ribâ bedeutet im Ursprung einen unzulässigen Zuwachs und wird mangels einer Entsprechung in der westlichen Rechtslehre meist in aller Kürze mit den

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Über größere Gestaltungsspielräume verfügte Sanhûrî erst bei der Normierung der irakischen und der kuwaitischen Zivilrechtsordnung, in denen er dem islamischen Recht größeren Ausdruck verleihen konnte – etwa durch die Normierung eines Zinsverbots für Darlehen zwischen Nichtgewerblichen in Kuwait108. Aber auch Inhalte des allgemeinen Vertragsrechts, verschiedene Vertragstypen des besonderen Schuldrechts und Bereiche des Sachenrechts wurden dem islamischen Recht entliehen, oftmals unter Rückgriff auf die Vorschriften der osmanischen Majalla109 oder des hanafitischen Murshid al-Hayrân110. Nochmals größer war der Einfluss des islamischen Rechts auf das jordanische111 und emiratische112 Zivilgesetzbuch, die aufgrund des gharar-Verbots nicht zuletzt über ein auf dem Genossenschaftsprinzip basierendes Versicherungsrecht verfügen113. Der bezeichBegriffen „Wucher“ und „Zins“ übersetzt. In vergleichender Betrachtung bleibt der islamische Zinsbegriff vielfach hinter einem wirtschaftlichen Zinsbegriff zurück, geht aber auch teilweise darüber hinaus (zu einem Vergleich mit dem Zinsbegriff des deutschen Steuerrechts Momen, RIW 2010 368; Pohlhausen/Beck, IStR 2010, 225). Herrschende Auffassung unter islamischen Juristen ist jedenfalls, dass die Verzinsung von einfachen Darlehen grundsätzlich als unzulässig anzusehen ist (ausführlich zum ribâ-Verbot und den ägyptischen Zinsvorschriften siehe S. 492 ff). 107 Das Verbot des gharar verbietet unbestimmte und aleatorische Vertragselemente, wie sie etwa dem Glücksspiel und nach herrschender Auffassung unter islamischen Gelehrten auch dem Versicherungsvertrag inhärent sind, siehe Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 16 f. Zur Kritik an dieser Rechtslage derselbe auf S. 25 ff. 108 Art. 547 des kuwaitischen Zivilgesetzbuchs. 109 Bei der Majalla (al-majalla al-ahkâm al-`adaliyya) handelt es sich um eine Kodifizierung des islamischen Vermögensrechts nach hanafitischer Rechtsschule, die zwischen 1869 und 1876 erfolgte und mit Ausnahme von Ägypten im Osmanischen Reich Geltung erlangte, ausführlich Krüger, in: Krüger/Mansel (Hrsg.), FS Kegel, S. 43 ff.; Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 73, jeweils m.w.N. Eine englische Übersetzung findet sich bei Cooper, The Civil Law of Palestine and TransJordan, Jerusalem, 1933. 110 Der Murshid al-Hayrân ist eine vertrags- und sachenrechtliche Kompilation hanafitischer Normen, die durch den ägyptischen vormaligen Justizminister Qadrî Pasha im Jahr 1891 zusammengestellt wurde, ausführlich Saleh, 38 Int'l & Comp. L. Q. (1989) 761, 767. Zu den Einflüssen des islamischen Rechts auf das irakische und kuwaitische ZGB siehe Krüger, Recht van de Islam 1987, 98, 111 Krüger, Recht van de Islam 1987, 98, 137; Saleh, 8 ALQ (1993) 161, 164. Auch die Motive zum jordanischen ZGB berufen sich darauf, dass fiqh und Majalla die primären Grundlagen des Gesetzes bilden, vgl. Al-hukûma al-urduniyya (Hrsg.), Almudhakkirât al-tafsîriyya, S. 1 ff., wobei die durchaus bestehenden Abweichungen nicht immer klar gekennzeichnet werden, vgl. § 6 Fn. 115. 112 Vgl. nur Ballantyne, 1 ALQ (1986) 245, 257: „All in all, it may be submitted that the paramountcy of the Shari'a in the jurisprudence of the UAE could hardly be more strongly stated”. 113 Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 166 ff.

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nende Einfluss materiellen islamischen Rechts auf die zivilrechtlichen Kodifikationen dieser Staaten kann allerdings nicht überspielen, dass die Gesetze hinsichtlich Struktur und grundsätzlicher Regelungstechnik jedoch durchaus von französischer Zivilrechtssystematik geprägt sind114. In den Kodifikationen des Wirtschafts- und Unternehmensrechts haben sich die Regeln und Wertungen des islamischen Rechts – auch einschließlich der übergreifenden ethischen Prinzipien wie des ribâ-Verbots – kaum niedergeschlagen. Im Gegenteil: In praktisch allen arabischen Staaten werden zivilrechtliche Verbote oder Beschränkungen von Zinsen im Handels-, Kapitalgesellschafts- und Bankenrecht ausdrücklich aufgehoben oder eingeschränkt115. Angesichts der „Flexibilität und des Pragmatismus“116 des islamischen Rechts dürften für dieses Phänomen – wie im Folgenden noch vertieft diskutiert wird117 – einerseits historisch-politische Konstellationen, andererseits die spezifische Technizität der Regelungsbereiche als Begründung anzuführen sein. Konkreten Einfluss haben die Regeln des islamischen Vermögensrechts in den vergangenen Jahren schließlich im Bankenaufsichtsrecht einiger Golfstaaten gefunden. Im Zuge der Entstehung eines islamischen Finanzmarkts haben die Gesetzgeber vielfach islamische Rechtsprinzipien in ihr Aufsichtsrecht inkorporiert oder Verweise auf die Standards islamischer Rechnungslegungsinstitutionen wie der Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI) in ihre Kodifikationen aufgenommen, um einen international anerkannten Regulierungsrahmen für islamische Finanzprodukte zu schaffen118. 114 Ausdruck findet dies etwa in der Regelung eines internationalen Privatrechts in den Art. 1 ff. em.ZGB, der Voranstellung eines allgemeinen Teils des Schuldrechts in den Art. 29 ff. em.ZGB, in der Aufnahme des Grundsatzes der Vertragsfreiheit, die sich im islamischen Recht erst aus der Konfrontation mit den europäischen Rechtsordnungen herausgebildet haben. Zum Prozess der Systematisierung des islamischen Rechts anhand des franözischen Systemdenkens siehe Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 46 ff. Zur Frage der Aufnahme etwa des Grundsatzes der Vertragsfreiheit in das islamische Recht siehe § 6 Fn. 20. 115 So werden selbst dort, wo das Zivilrecht wie in den VAE das Nehmen und Geben von Zinsen verbietet, sämtliche Beschränkungen für den Banken- und Kapitalmarktverkehr verworfen, hierzu S. 695 ff. 116 Foster, InDret: Revista para el Análisis del Derecho 2006, 384, 388 f. 117 Siehe S. 33 ff. und insbesondere § 1 Fn. 185. 118 Vgl. etwa Central Bank of Bahrain Rulebook Vol. 2 BR 1.2.5: „The annual accounts must be in full compliance with the Financial Accounting Standards issued by AAOIFI“; ebenso PB 1.6.1 und HC 1.3.16, denen zufolge die Banken verpflichtet sind, im Einklang „with all AAOIFI issued accounting standards as well as the Shari'a pronouncements issued by the Shari'a Board of AAOIFI“ zu handeln. Näher zur Bedeutung der AAOIFI Standards im staatlichen Recht Eltayeb, in: Archer/Karim (Hrsg.), Islamic Finance, S. 109, 121.

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24 b) Saudi-Arabien

Eine besondere Situation besteht wiederum im saudi-arabischen Recht. Während das Zivilrecht – mit Ausnahme vereinzelter Kodifikationen von Spezialmaterien wie etwa dem Hypothekenrecht – unmittelbar auf dem islamischen Recht beruht, wird das Unternehmensrecht (vorbehaltlich einiger im Handelsrecht geregelter islamischer Gesellschaften119) nicht anders als in den übrigen arabischen Staaten von zeitgenössischen Kodifikationen romanischen Ursprungs beherrscht120. Die Koexistenz von weltlichem Unternehmensrecht und dem kraft Verfassungsrecht unmittelbar geltenden islamischen ordre public führt theoretisch wie praktisch zu einer Vielzahl von Rechtskonflikten, die das saudi-arabische Rechtssystem in einer einzigartigen Weise prägen und auch für diese Untersuchung immer wieder Relevanz erlangen121. Das Verhältnis beider Rechtsebenen lässt sich in Abgrenzung zum Recht der anderen arabischen Staaten kaum besser als mit den Worten des US-amerikanischen Juristen und Islamwissenschaftlers Vogel erklären: „In most Islamic states other than Saudi Arabia, the legal system is bifurcated: one part is based on man-made, positive (wadi) law; the other part on Islamic law. The first part usually exists in the form of comprehensive codes similar to those of the European civil law systems, and the second in the form of Islamic law, usually codified as well. The positive legal system provides the basic or residual law, while the Islamic law is exceptional, supplementary and relatively narrow in scope. […] Saudi Arabia also has a dual legal system, but the relative roles of the two sides are reversed. The Islamic component of the legal system is fundamental and dominant. The positive law, on the other hand, is subordinate, constitutionally and in scope.“122

Die verfassungsrechtlich verankerte Hierarchie zwischen sharî`a und fiqh auf der einen Seite und weltlichem Recht auf der anderen Seite hat zur Entstehung eines Rechtsdualismus geführt, der die Spannungen in den übrigen arabischen Staaten bei weitem übertrifft und in den frühen Jahren der modernen Kodifikationen – aufgrund des Absolutheitsanspruchs der sharî`a nicht als Gesetz, sondern als „Systeme“ (tanzîmât) bezeichnet123 – zu erheblichen Rechtsunsicherheiten beitrug. Sie beruhten auf der TatsaHierzu Saleh, Saudi and Omani Company Laws, S. 9 ff. Auch im Gesellschaftsrecht finden daher stets die allgemeinen Vertragsregeln des islamischen Rechts Anwendung, für deren Einfluss auf Saleh, Saudi and Omani Company Laws, 36 ff., verwiesen werden kann. 121 Zur Zinsproblematik und den Herauforderungen bei der Stellung von Anleihesicherheiten siehe S. 698 ff. und S. 713 ff. 122 Vogel, in: Sick/Potter (Hrsg.), The Persian Gulf at the Millennium, S. 249, 275. 123 Siehe Muhammad, Al-tatawwur al-tashrî`î fî al-mamlaka al-`arabiyya alsu`ûdiyya, S. 13; Ballantyne, 1 ALQ (1985) 3, 4; Amereller, Hintergründe des „Islamic banking“, S. 150. Aus Gründen der Praktikabilität soll im Folgenden jedoch einheitlich von Gesetzen gesprochen werden. 119 120

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che, dass die sharî`a-Gerichte aufgrund der unmittelbaren Geltung des islamischen Rechts Streitigkeiten nach den weltlichen Kodifikationen stets am islamischen ordre public messen und verschiedene Erscheinungsformen des Wirtschaftsverkehrs – darunter namentlich die Zinspraxis – für unzulässig bewerteten124. Um die Teilnahme der heimischen Unternehmen am internationalen Handel zu ermöglichen und die Versorgung der Wirtschaft mit Fremdkapital zu gewährleisten, richtete die Regierung verschiedene Schiedsstellen mit einer Spezialzuständigkeit für diejenigen Rechtsgebiete ein, die sich aus der Sicht des islamischen Rechts als problematisch erweisen – namentlich das Banken-, Wertpapier- und Versicherungsrecht125. Ihr Ziel ist es nicht zuletzt, vertraglichen Ansprüchen auch dann Anerkennung zu verschaffen, wenn sie sich im Hinblick auf islamische Vorschriften als problematisch erweisen. Der in den modernen Kodifikationen angelegte materielle Rechtsdualismus wird somit auf der Ebene des prozessualen Rechts verfestigt. III. Gelebtes Recht Neben dem formellen, positiven Recht existiert eine Ebene des gelebten Rechts, auf der sich die tatsächlichen Erscheinungs- und Verwirklichungsformen der Normen im Alltag der Gesellschaft ausdrücken126. Ihre Bedeutung für das Verständnis des Rechts wurde erstmals durch die Vertreter der soziologischen Jurisprudenz127 erarbeitet und im Verlauf der Herausbildung einer rechtssoziologischen Disziplin innerhalb der Rechtswissenschaft durch die facettenreiche Beleuchtung des Phänomens des gelebten Rechts unterstrichen. Sei es die Forderung nach empirischer Untersuchung des lebenden Rechts128, nach einer Erforschung der Rechtstatsachen129 oder –

Saleh, 38 Int'l & Comp. L. Q. (1989) 761, 764. Ein weiterer Grund für die Einrichtung der Spruchkörper war, dass die sharî`aGerichte die Anwendung der weltlichen tanzîmât nicht als Aufgabe der Verwaltung empfinden und – über die Kontrolle der Normen am islamischen ordre public hinaus – ablehnen, vgl. Vogel, Islamic law and legal system, S. 175. 126 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 181. 127 Grundlegend Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts, S. 409 ff. sowie Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Ursprung lässt sich dieser methodische Ansatz auf Montesquieus politische Handlungstheorie, die Geist und Wirken eines Gesetzes bereits in untrennbaren Zusammenhang mit seinem sozialen Kontext sah (Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, 1. Buch, 3. Kapitel). Zum rechtshistorischen Kontext Raiser, Rechtssoziologie, S. 26 f. 128 Siehe Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts, S. 33, 409 ff., der die dogmatische Rechtswissenschaft als bloße Rechtsanwendungslehre ansah, der die praktische Jurisprudenz als Teil der Soziologie vorauszugehen habe. Diese sei die eigentliche Rechtswissenchaft und habe das Recht als Produkt sozioökonomischer Erscheinung und Entwicklung induktiv zu erforschen. 124 125

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im rechtsvergleichenden Kontext – nach der Beachtung der Rechtskultur130: trotz aller programmatischen und konzeptionellen Unterschiede131 – und teils auch Unschärfen132 – haben sie das Anliegen gemein, das Recht in ihrem sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kontext zu erfassen und erst in diesem Zusammenhang zu interpretieren. Sie sind Ausdruck der zentralen Erkenntnis, dass context matters, auch – oder: gerade – in der Rechtswissenschaft133. Dass der Kontextualismus nicht nur in der Rechtssoziologie, sondern auch auf dem Gebiet der Komparatistik eine besondere Rolle spielt, wurde praktisch durch das Scheitern der US-amerikanischen law and development-Bewegung in den 1960er Jahren bestätigt134 und wird seit den 1970er 129 Vgl. Nussbaum, Die Rechtstatsachenforschung: Ihre Bedeutung für Wissenschaft und Unterricht. Nussbaum sah in der Rechtstatsachenforschung ein Programm zur Vertiefung des Verständnisses der Normen durch die Erfahrung der Wirklichkeit, allerdings ohne dieser Funktion in Abgrenzung zum bestehenden rechtssoziologischen Forschungsstand ein eigenes dogmatisches Fundament zugrundezulegen. Entsprechend sieht sich die Rechtstatsachenforschung der Kritik ausgesetzt, lediglich als angewandte empirische Rechtssoziologie oder gar als Hilfswissenschaft der Jurisprudenz zu fungieren, Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 19, 22. 130 Friedman, The legal system, S. 193 f., der unter dem Begriff der Rechtskultur zum einen die öffentliche Kenntnis des Rechts und die Einstellung ihm gegenüber versteht, zum anderen die kulturelle Spezifität des Rechts innerhalb eines Kulturraums in Abgrenzung zum Recht in einem anderen Kulturraum. Zu den Schwierigkeiten der Ausfüllung und Zielbestimmung des Begriffs siehe § 1 Fn. 132. 131 Auf diese kann und braucht angesichts vorzüglicher Darstellungen im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden; zu den methodischen Unterschieden zwischen der Rechtstatsachenforschung Nussbaums und der Rechtssoziologie Ehrlichs siehe etwa Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 18 f. Zur unterschiedlichen Bedeutung der rechtstatsächlichen Ebene für Rechtssoziologie und vergleichende Rechtswissenschaft Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1996, S. 8 ff. 132 So wird in der Rechtswissenschaft zunehmend kritisiert, dass der Begriff der Rechtskultur oftmals nur als argumentatorisches Perpetuum Mobile eingesetzt werde, das mangels erkennbarer Konturierung als tautologischer Rettungsanker für fehlende Erklärungen diene, vgl. Nelken, in: Nelken/Feest (Hrsg.), S. 7, 27; von Hein, Rezeption USamerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 785 f. 133 Knieper, Rechtsreformen entlang der Seidenstraße, S. 27, in Anlehnung an die unter dem Stichwort „history matters“ zusammengefasste Erkenntnis von North, Theorie des institutionellen Wandels, S. vii, 100, dass eingeschlagene Wege für die Bildung von Institutionen eine entscheidende Rolle spielen, vgl. auch S. 56 f. Allerdings existieren auch Stimmen, die vor einer Vermengung juristischer und außerjuristischer Elemente warnen, so Ernst, in: Schön/Engel (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 3, 17 f. 134 Die von der US-amerikanischen Agency for International Development, der Ford Foundation und führenden US-amerikanischen Rechtswissenschaftlern getragene Intitiative versuchte im Rahmen diverser Kooperationsprogramme, das Recht als Entwicklungsinstrument für die Dritte Welt einzusetzen, Merryman, 25 Am. J. Comp. L. (1977) 457. Ihr Scheitern wurde vornehmlich darauf zurückgeführt, dass die Autoren von der

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Jahren auch theoretisch mit zunehmender Intensität diskutiert135. Die besondere Bedeutung der Berücksichtigung des kulturellen und sozialen Umfelds einer fremden Rechtsordnung rührt aus der nachvollziehbaren Neigung des Betrachters, den im fremden Recht wiedererkannten Heimatnormen intuitiv die gewohnte und wohlbekannte soziale Funktion zuzuordnen, die sie bereits in seiner Heimatrechtsordnung ausüben136. Übersieht er daher, dass die Verpflanzung der Normen in ihr neues soziales und kulturelles Umfeld ihre Wahrnehmung, Auslegung und Anwendung maßgeblich verändert hat, läuft er nicht nur Gefahr, ihre tatsächliche Wirkung zu verkennen, sondern zieht wohlmöglich auch falsche Schlüsse für die dogmatische Ebene, die durch den veränderten rechtstatsächlichen Kontext ebenfalls berührt werden kann137. 1. Akzeptanz des positiven Rechts im arabischen Raum a) Perspektiven auf das positive Recht Das rechtssoziologische Postulat der Berücksichtigung des kulturellen und sozialen Kontexts erlangt umso größere Relevanz, je weiter sich das gelebte vom geschriebenen Recht entfernt – oder umgekehrt betrachtet: je weiter entfernt das positive Recht vom tradierten Rechtsleben kodifiziert wurde. aa) Positives Recht als Ausdruck einer liberal legality Das Ausmaß der Diskrepanz zwischen Recht und Wirklichkeit in den arabischen Staaten zu beurteilen, fällt angesichts sehr unterschiedlicher und widersprüchlicher Befunde nicht ganz leicht. So indizieren auf der einen Seite jährlich mehrere Millionen Verfahren vor den ägyptischen Gerichten – allen Klagen über die jahrelangen Prozesse und die Ineffizienz des aufgeblähten Gerichtsapparats zum Trotz – eine grundlegende Akzeptanz des Rechtssystems, die statistisch auch im internationalen Vergleich bemerÜbertragbarkeit des liberalen US-amerikanischen Rechtsdenkens auf Entwicklungsstaaten ausgingen und die Bedeutung des örtlichen Gewohnheitsrecht weitgehend vernachlässigten, Trubek/Galanter, Wisc. L. Rev. (1974) 1062 ff. 135 Vgl. die Erstauflage von Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1971, S. 36, 67; Friedman, The legal system, S. 193 ff.; Seidman, 5 Law & Society Review (1970) 161. Siehe auch Legrand, Le Droit Comparé, S. 119: „La comparaison des droits sera culturelle ou ne sera pas“; Ramsauer, Geistiges Eigentum und kulturelle Identität, S. 35; Henry, ZfRV 1997, 45, 54. 136 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1971, S. 36, 67. Wenn Sanhûrî die ägyptischen Rechtsanwender ermahnte, bei der Auslegung des ägyptischen ZGB den Heimatrechtsordnungen der rezipierten Normen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, aus denen die Normen stammten (Al-Sanhûrî, Al-wasît, Band I, S. 52), so ist dies die Kehrseite der gleichen Medaille. 137 Siehe nur Black, UCLA Law Review 2001, 781, 785: „different countries use different institutions to accomplish similar tasks”.

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kenswert ist138. In anderen arabischen Staaten ist das Ausmaß der Prozessfreude zwar tendenziell geringer, doch auch hier wird die Rezeption des ägyptischen Modells des Gerichtssystems insgesamt als Erfolg gewertet139. Der Eindruck einer allgemeinen Akzeptanz der Institutionen der Justiz findet auch auf der Ebene des materiellen Rechts Bestätigung: So konstatiert Ebert etwa, der Großteil der Ägypter habe sich mit dem romanisch geprägten Zivilrecht durchaus angefreundet und halte es mit den Grundprinzipien des islamischen Rechts für vereinbar140. Krüger schätzt das in über zehn Staaten rezipierte ägyptische Zivilgesetzbuch von 1948 noch heute als außerordentlich lebenskräftiges und bewährtes Instrument ein, „das ganz unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen gerecht“ werde141. Brown hält in seiner Monographie zur rule of law in der arabischen Welt fest, dass die Ägypter ihr Rechtssystem als solches durchaus nicht mehr als aufoktroyierten Fremdkörper ansehen, sondern als integralen Bestandteil ihrer Sozialordnung akzeptieren142. In seiner tiefgehenden Analyse des ZGB konstatiert Bechor gar: „[…] the New Code […] was consciously formulated on the foundation of a firm and comprehensive social perception relating to the unique environment and absorptive capacity of Egyptian society“143. Die deskriptive Beurteilung der rechtskulturellen Kohärenz wird von der Literatur vielfach mit einer normativen Bewertung der Rolle der modernen Rechtsordnung als Instrument zur Einpflanzung einer liberal legality144 und des Aufbaus einer Rechtsstaats- und Zivilgesellschaft verbunden, wie sie auch Sanhûrî vorschwebte. bb) Positives Recht als Instrument der Beherrschung Neben diesem harmonischen Bild des Verhältnisses zwischen modernem Recht und arabischer Gesellschaft existiert ein weiterer Befund, der von erheblichen Dissonanzen zeugt. Er basiert auf der Beobachtung einer Ablehnung der modernen Kodifikationen infolge einer „psychological and 138 Hierzu mit Zahlen aus den 1980er Jahren Brown, The rule of law in the Arab world, S. 189 f.; siehe auch Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 20, 22. 139 Brown, The rule of law in the Arab world, S. 1; eine Ausnahme ist wiederum im Hinblick auf Saudi-Arabien zu machen, dessen Gerichtssystem maßgeblich durch die sharî`a-Gerichte beherrscht wird, siehe bereits S. 24. 140 Ebert, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 2005, S. 199, 226. 141 Krüger, Recht van de Islam 1987, 98, 110, 141 f.; ebenso Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 20 f.: „[…] the Mixed Codes were sufficiently well drafted to stand the test of time“. Zu den abweichenden Auffassungen damaliger Richter siehe jedoch Hoyle, a.a.O., S. 21 Fn. 35. 142 Brown, The rule of law in the Arab world, S. 239. 143 Bechor, The Sanhuri Code, S. 2 f. 144 Ausführlich zu diesem Interpretationsansatz der Funktion des Rechts Brown, The rule of law in the Arab world, S. 8.

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understanding gap“ sowie der Dominanz religiöser Rechtsvorstellungen und des Gewohnheitsrechts, die mit dem aufoktroyierten Recht unvereinbar seien145. Der Ansatz geht mit einer weitgehend funktionellen Betrachtungsweise des modernen Rechts der arabischen Staaten einher und erblickt in diesem ein Werkzeug der politischen und wirtschaftlichen Beherrschung146. Mit besonderer Schärfe wird der Zusammenhang zwischen der Instrumentalisierung und dem Versagen des modernen Rechts von dem ägyptischen Rechtssoziologen Al-Fattah beschrieben. In einem Beitrag zum Verhältnis der ägyptischen Gesellschaft zu ihrer Gesamtrechtsordnung identifiziert er eine tiefsitzende rechtliche Anarchie und Abwendung der Rechtsadressaten von ihren Normen, die auf den Legitimationsdefiziten der nationalen Elite und der einseitigen Nutzung des Rechts zum Ausbau der eigenen politischen und wirtschaftlichen Machtposition beruhe147. Resultat dieser Einstellung sei eine Abwendung vom Recht, die zu einer „ineffectiveness of modern law“ und einem „revival of customary law and the law of the street“ führe148. Den Begriff des law of the street scheint AlFattah sehr bewusst in Abgrenzung zum law in action zu verwenden: Es geht ihm nicht um die veränderte Anwendung und Interpretation des positiven Rechts im neuen Kontext, sondern – im Gegenteil – um die gezielte Abwendung von den geschriebenen Normen. Auch seine Bewertung der hohen Auslastung der Gerichte fällt gänzlich anders aus: Er sieht sie nicht als Ausweis der Akzeptanz des Rechts, sondern als Folge einer mangelhaften Rechtsetzungstechnik, welche die rechtliche Unschärfe als Instrument der Interessendurchsetzung einsetzt149. b) Ursachen des Rechtsdualismus aa) Funktionelle Interpretation des positiven Rechts Der Gegensatz zwischen den unterschiedlichen Bestandsaufnahmen zum Verhältnis von Recht und Gesellschaft ist nicht leicht in Einklang zu bringen. Ad hoc ließe er sich als Folge der Ambivalenz der Lebenswirklichkeit selbst einordnen: Diese ist durch grundlegend unterschiedliche LebenskonAl-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 163. 146 Vgl. Nader, in: Mayer (Hrsg.), Property, social structure, and law in the modern Middle East, S. 1, 2: „Governance is an important function of law in the new nations of the Middle East”; Mayer, in: Heer/Ziadeh (Hrsg.), Islamic Law and Jurisprudence, S. 177, 180. 147 Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 169. 148 Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 165. 149 Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 163. 145

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zepte geprägt, die sich im breiten Spektralbereich vom liberal-weltlichen Modell des Städtebürgertums über ein konservativ-religiöses Weltbild bis zum traditionell-mystischen Selbstverständnis der Landbevölkerung bewegen150, vielfach Elemente verschiedener Modelle miteinander verbindend. Eine befriedigende Erklärung für die Diskrepanz der Bestandsaufnahmen bietet dieser Ansatz allerdings nicht: Die Heterogenität der Lebensformen vermag die Herausbildung verschiedener Rechtsrealitäten in unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen zu begründen, ist jedoch nicht in der Lage zu erklären, warum sich ein und dieselben Gruppen jeweils parallel sowohl an die Gerichte wenden als auch des Gewohnheitsrechts bedienen. Um die hohe Inanspruchnahme der Gerichte neben dem Befund „legal and social anarchy“ einordnen zu können, ist es hilfreich, sie weniger als eine Frage der Geisteshaltung oder eines Werturteils der Rechtsadressaten über das positive Recht zu verstehen, sondern mehr als Folge eines äußeren Zwangs und subjektiver Interessenverfolgung. So beruht die herausragende Position der (zweifellos weithin als unabhängig geschätzten151) Gerichte in der ägyptischen Sozialordnung nach Brown nicht notwendig auf einer normativen Identifikation mit dem Gesetz oder dem Vertrauen in die materielle Gerechtigkeit des Rechtssystems, sondern einem Nutzenkalkül, in dem die Gerichte als „survival tool“ im täglichen Überlebenskampf und zur Verteidigung gegen den Machtanspruch des Staates erkannt werden152. Nicht minder gebietet dieses Kalkül, parallel die Kräfte des law of the street zu bemühen, soweit diese zum Erreichen der konkreten Ziele besser geeignet sind. In seiner Intensität wird dieses Phänomen dadurch erklärbar, dass die gezielte Instrumentalisierung der beiden Rechtsebenen nicht allein durch die breite Gesellschaft, sondern gerade die führenden Schichten erfolgt. Die herrschenden Gruppen haben das Rechts- und Gerichtssystem als effizientes Mittel der Durchsetzung der selbstgeschaffenen Regeln und „flexiblen Mechanismus der Herrschaftssicherung“153 erkannt, der in der Verfassungslehre durch die Unterscheidung zwischen der rule of law und der rule by law154 gekennzeichnet wird. Aus dem funktionalistischen Verständnis des Dualismus von positivem Recht und Gewohnheitsrecht lässt sich somit auch das Paradox erklären, warum die politischen Führer Ägyptens ein autonomes und weitgehend unabhängiges Gerichtswesen geschaffen haben155, das ihre eigene Autorität prima facie zu untergraben scheint. Gellner, Muslim society, S. 61. El-Dean, Privatisation, S. 221. Brown, The rule of law in the Arab world, S. 237; vgl. auch S. 238: „[The] procedures and rules appear as opportunities for increasing tactical mobility more than they present fairness and justice”. 153 Lohlker, Das islamische Recht im Wandel, S. 5. 154 Tamanaha, On the rule of law, S. 3, 96. 155 Brown, The rule of law in the Arab world, S. 1. 150 151 152

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Der Rechtsdualismus von modernem Rechtswesen und Gewohnheitsrecht ist somit über die verschiedenen Gesellschaftsschichten hinweg als Ausdruck eines ausgeprägten utilitaristischen Verständnisses des Rechts zu verstehen. Zwar ist hiermit in erster Linie nur eine funktionelle Akzeptanz beschrieben, diese lässt sich von der Frage der sozialen Akzeptanz jedoch kaum gänzlich trennen und macht verständlich, warum Brown das ägyptische Gerichtssystem trotz aller Konflikte als integralen Bestandteil der Sozialordnung betrachtet. bb) Komplexität und kulturelle Distanz als Eintrittshürde und Anwendungshindernis Warum trotz der funktionellen Akzeptanz der Gerichte eine ausgeprägte informelle Rechtswelt existiert, erklärt Al-Fattah im Wesentlichen mit zwei Gründen. Der erste sei rechtskultureller Natur und beruhe auf der übermäßigen Komplexität156 und psychologischen und kulturellen Distanz157 der modernen Kodifikationen zur Gesellschaft, welche die Rechtsadressaten überfordere. Die Komplexität wird in diesem Ansatz in erster Linie als Zugangsbarriere zum formellen Recht und zur staatlichen Gerichtsbarkeit, die einen Teil der Bevölkerung am Gebrauch ihrer Rechte hindere, interpretiert. Als Beispiel seien hier etwa die Beobachtungen Bahaa-Eldins zur Herausbildung eines informellen Kreditmarkts in Ägypten angeführt, der in erster Linie von solchen Kapitalnehmern in Anspruch genommen wird, die durch die Anforderungen des positiven Kreditsicherungsrechts überfordert werden und keinen Zugang zum formellen Kreditmarkt haben158. Die Komplexität des Rechts darf über den Ansatz von Al-Fattah hinaus jedoch nicht nur als Eintrittshürde in die Sphäre des formellen Rechts verstanden werden. Vielmehr äußert sich die zunehmende Komplexität des Rechts auch dann, wenn die Hürde überwunden ist, und spiegelt sich, – wie wiederholt zu sehen sein wird159 – in der Art und Weise der Interpreta156 Vgl. Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 165: „[…] the complexity of the law and its rules has created a rift between citizens and the modern law with its many rules“. 157 Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 164: „Cultural factors play a crucial role in explaining the absence of law”. 158 Bahaa-Eldin, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 205, 209, 211. In seinen Ausführungen bezieht er sich auf eine Studie zum informellen Kreditmarkt in der Region Qalyûbiyya, derzufolge jedoch für einen Teil der Befragten durchaus auch der Zinsaspekt eine Rolle spielte, Bahaa-Eldin, a.a.O., S. 205, 211. 159 Besonders anfällig für Veränderungen in der Interpretation sind freilich solche Rechtsfiguren, die mit den islamischen Konzepten im Widerspruch stehen, wie es etwa

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tion und Anwendung des Rechts durch die nicht selten überforderten Gerichte, Behörden und weiteren Organe der Rechtspflege wider. In diesem Zusammenhang (also auf der dogmatischen Ebene in Abgrenzung zum informellen, vom positiven Recht gänzlich losgelösten Sektor) erhält der Gedanke der Komplexität seine hauptsächliche Relevanz für diese Arbeit, da sich Vorgänge auf dem Kapitalmarkt aufgrund des formalisierten Verfahrens der laufenden Beurteilung und Überprüfung anhand des positiven Rechts nicht entziehen und in einen informellen Sektor entweichen können. Er soll daher an späterer Stelle160 vertieft untersucht werden. cc) Politische Faktoren Ein zweiter Grund für das ausgeprägte law of the street ist nach Al-Fattah (wirtschafts-)politischer Natur. Seiner Auffassung zufolge ist die Hinwendung zum Gewohnheitsrecht eine Antwort auf die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen konkret im Zuge der Einführung einer marktorientierten Wirtschafts- und Rechtsordnung und der hiermit einhergehenden Privatisierung des öffentlichen Sektors161. Weite Teile der Bevölkerung fühlen sich demnach nicht nur vom neuen Wohlstand und Wachstum der Wirtschaft ausgeschlossen, sondern infolge der zunehmenden Ökonomisierung des Alltags und des Wegfalls der klaren sozialen und öffentlichen Strukturen sogar in ihren Existenzgrundlagen bedroht162. Hiermit einher geht eine tiefgreifende Legitimationskrise der herrschenden Gruppen, die – wie Lohlker anmerkt – allerdings weniger auf dem Vorwurf demokratischer Illegitimität als auf der Entmachtung der arabischen Nationalstaaten im Zuge der Einbindung ihrer Politiken und Volkswirtschaften in das internationale Ordnungssystem durch die Herrschenden selbst beruht163. Für die Rechtsdogmatik ist dieser Erklärungsansatz zwar nicht von im Hinblick auf die Abstraktion der Rechtspersönlichkeit der Fall ist (S. 44 ff.). Ein weiteres bedeutendes Beispiel für die Komplexitätsproblematik bildet etwa der Schutz der Aktionäre vor Eingriffen in ihre Beteiligungsrechte im Rahmen der Ausgabe hybrider Finanzierungsinstrumente, vgl. S. 715. 160 Siehe S. 44 ff. 161 Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab World, S. 159, 163. 162 Eine konkrete Äußerung fand diese Entwicklung jüngst in den Ausschreitungen im Rahmen der „Brotkrise“ im Jahr 2008, Al-Ahram Weekly, Bread Queue, 17.–23. April 2008. 163 Lohlker, Das islamische Recht im Wandel, S. 4. Entsprechend ist das psychologische Ringen mit der eigenen Herrschafts- und Rechtsordnung in den meisten Golfstaaten, in denen einerseits die politischen Führungen dem konservativen und traditionellen Gesellschaftsbild eher gerecht werden und deren Bevölkerung andererseits von der wirtschaftlichen Öffnung oftmals materiell profitiert hat, trotz der größeren kulturellen Distanz zum romanischen Recht ungleich geringer ausgeprägt ist als in vielen übrigen arabischen Staaten.

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unmittelbarer Bedeutung; er spricht jedoch den eingangs bereits angeführten Aspekt des Machtverlusts des Staats gegenüber dem Markt an, der in der Bevölkerung sehr wohl wahrgenommen wird und für die Ausgestaltung der Rolle des Staats und seiner Aufsichtsbehörden durchaus von Relevanz ist164. 2. Rezeption des romanischen Vermögensrechts Um das Verhältnis des positiven Vermögensrechts der arabischen Staaten und allen voran Ägyptens mit dem kulturellen Selbstverständnis des Rechtsraums nachvollziehen zu können, ist es von Bedeutung, sich zunächst mit den Ursachen und Motiven der Rezeption auseinanderzusetzen. Sie geben eine erste Auskunft auf die Frage, ob und in welchem Ausmaß die neuen Rechtsordnungen schon im Ursprung die Funktion übernommen haben, spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der rezipierenden Staaten zu dienen. a) Ursachen der Rezeption aa) Ausländische Herrschaft Bis zu den ersten Rezeptionen des französischen Rechts waren dem ägyptischen Recht, das zu weiten Teilen auf dem klassischen islamischen Recht basierte, zivilrechtliche Kodifikationen grundsätzlich fremd165. Trotz – oder gerade wegen – der unterschiedlichen Erscheinungsformen des durch die verschiedenen islamischen Rechtsschulen und variierende sufistische Einflüsse geprägten Rechts genoss es eine hohe soziale Akzeptanz und war nach verbreiteter Auffassung eng mit dem Alltagsleben verwoben166. Der Bruch mit diesem System und die Hinwendung zum französischen Rechtsdenken geht im Ursprung auf den intellektuellen Einfluss Frankreichs auf die ägyptische Elite im Nachfeld von Napoleons ägyptischer Expedition von 1798 bis 1801 zurück167. Diese bildete den Ausgangspunkt eines zu164 Zu den Ansätzen des Staats, die Herrschaft über das Marktgeschehen (zurück) zu erhalten, siehe S. 187 ff. 165 Ziadeh, Lawyers, the rule of law and liberalism in modern Egypt, S. 16 f.; Brown, The rule of law in the Arab world, S. 23 ff. Es existierte jedoch eine Vielzahl von strafund verwaltungsrechtlichen Regularien, die teilweise auf osmanischem Recht beruhten. Oftmals wurden die osmanischen Gesetze jedoch nicht angewendet, so etwa das Strafgesetzbuch von 1840 oder das romanisch geprägte Handelsgesetzbuch von 1850, Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 4 f. 166 So entgegen einiger Stimmen, die dem islamischen Recht nur marginale Bedeutung einräumen, Lohlker, Das islamische Recht im Wandel, S. 5; Brown, 29 Int. J. Mid. East. Stud. (1997) 359, 361 f. 167 Die ägyptische Expedition Napoleons war zwar nur von kurzer Dauer, hatte aufgrund der Begleitung zahlreicher Technokraten und etwa 120 Wissenschaftlichern (die Angaben zu der Zahl variieren) grundlegenden Einfluss auf die zukünftige Entwicklung

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nächst noch langsamen, in der Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch an Geschwindigkeit aufnehmenden umfassenden rechtlichen Wandels, der von den ägyptischen Regenten und unter ihnen namentlich Isma`îl Pasha mit dem Ziel vorangetrieben wurde, ein modernes zentralistisches Staatswesen nach französischem Vorbild aufzubauen168. Das Interesse an der Entwicklung eines modernen Rechts- und Gerichtssystems bestand auf Seiten des ägyptischen Staats ebenso wie auf Seiten der europäischen Kapitulationsstaaten169, wenn auch die Motive ganz unterschiedlich waren. Ihr Ausgangspunkt war die wirtschaftliche Entwicklung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts: Mit dem Streben nach Internationalität und sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung traten immer mehr ausländische Gesellschaften in Ägypten auf, die im Laufe der Dekaden die ägyptische Wirtschaft zunehmend unter ihre Kontrolle brachten und nach mehr Rechtssicherheit bei der Verfolgung ihrer Ansprüche verlangten. Nichts anderes galt für ausländische Fremdkapitalgeber – allen voran Frankreichs und Großbritanniens –, welche die Modernisierung der Infrastruktur und nicht zuletzt den Erwerb der ägyptischen Beteiligung an der Suez-Kanal-Gesellschaft mit einem hohen Kapitaleinsatz finanziert hatten170 und nunmehr nach verlässlichen Instrumenten verlangten, ihre Ansprüche gegen ägyptische Schuldner und insbesondere die hoch überschuldete ägyptische Regierung durchzusetzen171. Ägyptens, Schamp, Ägypten, S. 172, 175 ff.; Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 29. 168 Brown, The rule of law in the Arab world, S. 26. 169 Bei den Kapitulationen des Osmanischen Reiches handelte es sich um bilaterale völkerrechtliche Verträge europäischer Staaten mit dem Osmanischen Reich, durch die sich die europäischen Staaten Vergünstigungen im Handel mit dem Osmanischen Reich einräumen ließen. Indem die Kapitulationen auch in Ägypten, das bis zum Jahr 1914 formal zum Osmanischen Reich gehörte, Anwendung fanden, war die ägyptische Regierung bei der Entwicklung eines eigenen Rechtssystems in vielfacher Hinsicht auf die Zustimmung der europäischen Vertragsstaaten angewiesen, was ihnen entsprechenden Einfluss auf die ägyptische Gesetzgebung verschaffte, vgl. Brown, The rule of law in the Arab world, S. 27. Ausführlich zum Einfluss der europäischen Staaten auf die Gesetzgebung siehe S. 33 ff. 170 Nachdem sich Ägypten zunächst hoch verschuldet hatte, um die dem Staat zugeteilten Aktien der Suez-Kanal-Gesellschaft zu zeichnen (vgl. § 1 Fn. 3), musste es später sämtliche Anteile wie auch seine in der Konzession gewährten Ansprüche gegen die Gesellschaft auf Gewinnbeteiligung in Höhe von 15 Prozent an Großbritannien und die französische Crédit Foncier veräußern, um seine Schulden bezahlen zu können, Hansen/Tourk, 38 J. Econ. History (1978) 938, 940 ff. Die Veräußerung der Gewinnansprüche erfolgte über eine eigens dafür errichtete Zweckgesellschaft und stellt damit eine der frühen Formen der Verbriefung dar. 171 Brown, The rule of law in the Arab world, S. 27; zur Schuldenkrise und ihren Ursachen siehe Haarmann/Halm/Gronke, Geschichte der arabischen Welt, S. 392 ff. Ein weiterer Aspekt war, dass die für ausländische Sachverhalte zuständigen Richter häufig

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Das ägyptische Interesse an einem geordneten Rechtsrahmen beruhte hingegen auf der Hoffnung, die ausländischen Gesellschaften endlich einer rechtlichen Kontrolle zu unterwerfen, über welche die ägyptische Regierung bislang nicht verfügte172. Die Gesellschaften unterlagen bislang gemäß dem osmanisch-britischen Vertrag von Balta Liman aus dem Jahr 1838, dem die übrigen Kapitulationsstaaten sehr schnell beitraten, allein ihren Heimatstatuten173 und konnten sich auf ägyptischem Gebiet in einem weitgehend rechtsfreien Raum bewegen174. Zum anderen sah der Gesetzgeber das Bedürfnis, den eigenen Gesellschaften ein Instrumentarium an die Hand zu geben, das ihnen Waffengleichheit mit den hochgradig organisierten und strukturierten ausländischen Rechtsgebilden verschaffen sollte175. Wie sehr die einheimische Wirtschaft bis zum Erlass der handelsrechtlichen Kodifikationen gelitten hatte, verdeutlicht ein Vergleich der Anzahl der in Kairo angesiedelten ägyptischen Unternehmen, die von 164 Gesellschaften im Jahr 1844 auf nur 40 Gesellschaften im Jahr 1877 gesunken war176. Dass sich die europäischen Mächte durchsetzen und erheblichen Einfluss auf das ägyptische Rechts- und Gerichtssystem, dessen Entwicklung der mehrfache ägyptische Premierminister Nubar Pasha seit dem Ende der 1860er Jahre vorantrieb, gewinnen konnten, beruhte auf einer politischen Konstellation: Aufgrund der formalen Zugehörigkeit Ägyptens zum Osmanischen Reich hatten die Kapitulationsstaaten einem Dispens von ihren Verträgen mit dem Osmanischen Reich zugunsten Ägyptens jeweils zuzustimmen177. Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum sich Ägypten 1875 mit dem sog. gemischten HGB178 ein Handels- und Unternehmensrecht gegeben hat, das gezielt Sachverhalte mit Beteiligung ausländischer Personen erfasste und diese einer eigenständigen, maßgeblich von ausländischen Juristen gesteuerten Gerichtsbarkeit – den gemischten

nicht ausreichend juristisch geschult waren und auf die Ablehnung ausländischer Unternehmer stießen, vgl. Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 8. 172 Foster, InDret: Revista para el Análisis del Derecho 2006, 384 ff. 173 Gelvin, The Modern Middle East: a history, S. 147 ff.; Cuno, in: Hourani/Khoury/Wilson (Hrsg.), The Modern Middle East: a reader, S. 195, 218. 174 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 60 f. Ausländische Personen unterlagen allein der Konsulargerichtsbarkeit ihres Heimatlandes, was zur Anwendbarkeit einer Vielzahl von Rechtsordnungen führte, siehe Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 7 f. 175 Foster, InDret: Revista para el Análisis del Derecho 2006, 384 ff. 176 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 53. 177 Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 1, 15 f. 178 Siehe zum gemischten HGB Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 68 sowie die zahlreichen Nachweise bei Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 27 Fn. 101.

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Gerichten179 – unterwarf. Die jungen Kodifikationen dienten im Ergebnis weniger der Regelung des Rechtslebens der nationalen Bevölkerung und der Berücksichtigung rechtskultureller Bedürfnisse, als der Sicherung der wirtschaftlichen Interessen ausländischer Kapitalgeber und Gesellschaften180. Unterstrichen wird diese Funktion des Rechts durch den Umstand, dass nahezu 40 Jahre vergingen, bis die erste Gründung einer rein ägyptischen Aktiengesellschaft nach Maßgabe des im Jahr 1883 geschaffenen indigenen HGB (sog. al-majmû`a al-tijâriyya), das auf rein ägyptische Sachverhalte Anwendung fand, erfolgen sollte181. bb) Modernitätsstreben Der Umfang und die Selbstverständlichkeit, mit der die arabischen Staaten die französischen Kodifikationen übernahmen, warfen in der Literatur immer wieder die Frage auf, warum die Lösung der Probleme nicht in der Anwendung, Kodifikation und Weiterentwicklung des islamischen Rechts gesucht wurde. Ein weitgehend anerkanntes Motiv stellt das Modernitätsstreben der arabischen Herrscher dar. Die Vorstellung, dass ein moderner und entwickelter Staat eines Rechtssystems nach europäischem Vorbild bedürfe, hatte nicht nur die politischen Führer ergriffen, sondern war auch in konservativen religiösen Kreisen verbreitet182. Ebenso erschien ein „modernes“ Wirtschaftsrecht auf Grundlage europäischer Kodifikationen unabkömmlich, um ausländische Händler und Investoren anzuziehen183. cc) Technizität der Lebenssachverhalte Von universellerer Bedeutung als die zeitgeschichtlichen Faktoren sind die spezifisch rechtstechnischen Ursachen der Rezeption des französischen Rechts. Sie beziehen sich zunächst auf den äußeren Rahmen: Diesbezüglich war zum damaligen Zeitpunkt bereits anerkannt, dass nur ein umfassend kodifiziertes Recht in der Lage sei, den Anforderungen des an Schnelligkeit und Komplexität gewinnenden Wirtschaftsverkehrs an die Sicher-

179 Ausführlich hierzu Hoyle, Mixed courts of Egypt; Al-Sanhûrî, Al-wasît, Band I, S. 2 f.; siehe ferner die Nachweise bei Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 27 Fn. 96. 180 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, 34 f. Zur anfänglichen Beherrschungsfunktion des modernen Rechts auch Brown, The rule of law in the Arab world, S. 5 f. 181 Siehe zur Gründung der ersten rein ägyptischen Aktiengesellschaft Banque Misr S. 60 f. 182 So Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 5 im Hinblick auf die Übernahme französischer Kodifikationen in das osmanische Recht. 183 Vgl. Brown, The rule of law in the Arab world, S. 26; Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 5 unter konkreter Bezugnahme auf das Osmanische Reich.

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heit und Vorhersehbarkeit des Rechts zu genügen184. Nicht abschließend geklärt ist, inwiefern die materiellen Anforderungen an die Ausgestaltung des Rechts – jedenfalls im Hinblick auf die wirtschaftsnahen Rechtsgebiete – bei der Rechtswahl eine entscheidende Rolle gespielt und insbesondere die Beibehaltung des islamischen Rechts ausgeschlossen haben. So wird die Rezeptionsentscheidung des damaligen Gesetzgebers in der Literatur teilweise mit dem Hinweis hinterfragt, dass das islamische Recht durchaus flexibel genug sei, um als Grundlage für eine wirtschaftsrechtliche Kodifikation zu dienen185. Dem gegenüber steht die Auffassung, dass das personalistisch geprägte klassische islamische Wirtschaftsrecht, dem Konzeptionen wie die Abstrahierung der Rechtspersönlichkeit, die erhöhte Verkehrsfähigkeit von Gesellschaftsanteilen oder ein detailliertes Wertpapierrecht fremd sind, eine solche Aufgabe nicht zu leisten vermag186, der Gesetzgeber also zur Übernahme einer technisch an den neuen Handelspraktiken ausgerichteten Rechtsordnung gehalten war. Dieser Annahme liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Technizität bestimmter Lebenssachverhalte notwendig eine spezifische Technizität der Regulierung verlangt, die durch die adressierten Sachverhalte weitgehend determiniert und kulturell weitgehend indifferent ist187 – ein Zusammenhang, den Friedman mit der Formulierung “Capitalist economies need capitalist law, […] modernizing societies need modernizing law“188 und Großfeld mit den Worten „Märkte machen Recht“189 umschreibt. Vgl. Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 16. Aus diesem Grund erschien auch die Einführung eines common law-Systems nicht als Alternative. 185 Siehe Foster, InDret: Revista para el Análisis del Derecho 2006, 384, 388 f. Siehe auch den Hinweis bei Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 5 Fn. 26 a.E. 186 Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 5 Fn. 26, zählt in diesem Zusammenhang Schiedsurteile auf, in denen die Anwendung des islamischen Rechts von den Schiedsrichtern auf wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten mangels Eignung abgelehnt wurde. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum in das auf der sharî`a basierende saudiarabische Recht eine romanisch geprägte Kodifikation des Aktienrechts übernommen wurde, vgl. S. 593 f. Teilweise wird sogar hinterfragt, ob in hochtechnisierten Rechtsbereichen wie dem Aktien-, Börsen- und Kapitalmarktrecht eine Anpassung der Normen an das zwingende islamische Recht überhaupt als spezifisch islamische Lösung bezeichnet werden kann, vgl. Labib, 46 The Business History Review (1972) 397, 399). Im Einklang mit dieser Auffassung beschränkte sich auch die spätere Anerkennung der Kapitalgesellschaft durch islamische Institutionen (siehe hierzu S. 47) eher auf eine Zulässigkeitsprüfung der westlichen Konstruktionen anhand zwingender islamischer Rechtsprinzipien, als dass sie zur Herausbildung eines „eigenen“ islamischen Kapitalgesellschaftsrechts geführt hat. 187 Fleischer, in: Schön/Engel (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 51, 65 f. Vgl. zur rechtskulturellen Dimension des Unternehmensrechts auch S. 44. 188 Friedman, The legal system, S. 195; siehe ferner El-Dean, Privatisation, S. 4; Ebke, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt et al. (Hrsg.), FS Lutter, S. 17, 19. 189 Großfeld, in: Großfeld/Sack/Möllers et al. (Hrsg.), FS Fikentscher, S. 864, 865. 184

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dd) Komplementarität und Kontinuität Während der Gedanke der technischen Spezifizität der Regulierung hinsichtlich hochtechnisierter Rechtsbereiche wie dem Wertpapier-, Aktienund Kapitalmarktrecht durchaus über Plausibilität verfügt, vermag er in Rechtsgebieten, die über eine geringere Abstraktionstiefe verfügen, nur untergeordnete Geltung zu erlangen. So zeigen die Beispiele des islamischen Versicherungsvertrags- oder des Kreditsicherungsrechts190 etwa, dass es jedenfalls auf dem Gebiet des allgemeinen Zivilrechts durchaus möglich gewesen wäre, eine eigene, vom islamischen Recht geprägte Lösung zu suchen. Warum es hierzu nicht kam, lässt sich – neben der Ursache des Zeitdrucks191 – mit der Rechtsetzungsmaxime der Systemkomplementarität192 begründen. Sie beschreibt die Notwendigkeit, die verschiedenen Bausteine einer Rechtsordnung dogmatisch und funktional aufeinander abzustimmen, um ihre erfolgreiche „Kooperation“ und innere Kohärenz zu gewährleisten. Eine solche schien den arabischen Gesetzgebern bei einer Verbindung eines romanisch geprägten Handels- und Gesellschaftsrechts mit islamischem Zivilrecht gefährdet zu sein, wie sich am Beispiel der Einführung des kuwaitischen Handelsgesetzbuchs Nr. 68 aus dem Jahr 1961 mit besonderer Plastizität illustrieren lässt. Der kuwaitische Gesetzgeber, der an der Geltung der osmanischen Majalla für Streitigkeiten unter Privaten weiterhin festhalten wollte, jedoch das Bedürfnis für ein Handelsgesetzbuch nach französischem Vorbild sah, stellte dem neuen französisch geprägten HGB zusätzlich ein eigenes Obligationenrecht nach romanischem Vorbild voran, da er die Inkompatibilität von Majalla und französischem HGB befürchtete193. Ein weiteres Beispiel kann etwa in der Verdrängung des britischen Rechts aus dem jordanischen Gesellschaftsrecht

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Siehe S. 22 sowie S. 708 ff. Vgl. Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 20, der auf die herausragende Leistung hinweist, allein die gemischten Gesetze mit ihren gut 3000 Artikel in nur wenigen Monaten zu verfassen. Siehe auch Dilger, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 1996, S. 187, 201. 192 Zur Bedeutung der Komplementarität im Recht siehe Gilson, 49 The American Journal of Comparative Law (2001) 329; Schön, 42 Common Mkt. L. Rev. (2005) 331, 353; im Kontext der Rezeption von Hein, Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 365 f. 193 Sfeir, 36 Am. J. Comp. L. (1988) 729; Ballantyne, Essays and addresses on Arab laws, S. 8. Das saudi-arabische Recht erbringt freilich den Gegenbeweis, dass die Koexistenz von islamischem Zivilrecht und modernem Handels- und Unternehmensrecht durchaus möglich ist; wie die weitere Untersuchung zeigen wird, erfolgt sie jedoch um den Preis gewisser Rechtsunsicherheiten, vgl. S. 698 ff., 713 f.; zu den Problemen hybrider Rechtssysteme und ihrer Funktionsfähigkeit Ogus, 22 Oxford J. Legal Stud. (2002) 419, 432.

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gesehen werden, die auf dem Wunsch nach einer Kohärenz mit dem romanisch geprägten Zivilrecht beruhte194. Neben dem Aspekt der Komplementarität spielte bei der Rezeptionsentscheidung schließlich auch die Maxime der Kontinuität des Rechts eine bedeutende Rolle195. In besonderem Maße kam sie bei der Schaffung des ägyptischen ZGB von 1948 zum Tragen. So ist es nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen, wenn trotz der Auffassung Sanhûrîs, dass das französische Recht als Rezeptionsquelle für ein arabisches Land in vielerlei Hinsicht kulturell unpassend sei und die Gesetzgebung in größerem Ausmaße islamisches Recht zu berücksichtigen habe196, die mittlerweile fast siebzigjährige romanische Zivilrechtstradition im Kern fortgeführt wurde. Entsprechend begründete der ägyptische Gesetzgeber das Festhalten an einem französisch geprägten Zivilgesetzbuch mit dem Ziel, „die Rechtstradition des Landes aufrechterhalten“ und „die soziale und rechtliche Entwicklung ohne allzu plötzliche Brüche voranzutreiben“197. ee) Autonome Faktoren Schließlich dürften bei der Rezeption des ägyptisch-romanischen Rechts in die weiteren arabischen Staaten Faktoren eine Rolle gespielt haben, die der schottische Rechtshistoriker Watson unter dem Oberbegriff der „extreme practical utility“ zusammenfasst198. So liegt es zunächst nahe, dass die hohe Aufnahmebereitschaft der über zehn Staaten, die das ägyptische ZGB zumindest strukturell übernommen haben, mehr auf die politische und kulturelle Nähe zu Ägypten zurückzuführen ist denn auf die spezifisch kulturelle Eignung des französischen Rechts199. Auch die Praktikabilität des Rückgriffs auf die Erfahrungen der als Autorität anerkannten ägyptischen Gesetzgebung und Jurisprudenz wird nicht ohne Relevanz gewesen sein. So war das französische Recht bereits durch Sanhûrî einem Eignungs- und 194 Siehe zu dieser Entwicklung und dem Wiederaufleben angelsächsischer Elemente in den vergangenen Jahren S. 68 f. 195 Grundlegend zur verfassungsrechtlichen Dimension der Kontinuität vor dem Hintergrund des deutschen (Steuer-)Rechts Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip. 196 Vgl. die Nachweise bei Brown, 29 Int. J. Mid. East. Stud. (1997) 359, 370. 197 So der ägyptische Zivilrechtler Al-Sada, zitiert nach Bechor, The Sanhuri Code, S. 14. Ebenso Sfeir, Modernization of the law in Arab states, S. 95: „It was more important […] that the new code continue the legal tradition established by its predecessor”. Sanhûrî hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, das deutsche BGB zu übernehmen, das er für das technisch ausgefeilteste Werk seiner Zeit hielt. Er sah jedoch bewusst hiervon ab, da er aufgrund der ungewohnten komplexen und differenzierenden Dogmatik Umsetzungsprobleme in der Rechtspraxis befürchtete, vgl. Al-Sanhûrî, Al-wasît, Band I, S. 71. 198 Watson, 44 Am. J. Comp. L. (1996) 335 ff. 199 Wie nicht zuletzt die tiefgreifenden Anpassungen in den VAE und Jordanien zeigen, vgl. S. 22.

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Anpassungstest unterzogen worden, der nicht mehr durchlaufen werden musste. Mit dem ägyptisch-romanischen Recht zogen in die Gerichte der rezipierenden Staaten zudem ägyptische Juristen ein, ohne die eine derartig schnelle Verankerung der neuen Regeln in der Justiz der rezipierenden Staaten kaum möglich gewesen wäre200. Auch dürfte bei der Rezeptionsentscheidung die Sprachbarriere eine bedeutende Rolle gespielt haben: Wollten sich die Gesetzgeber nicht mit ausländischen Rechtstexten auseinandersetzen, so war die Rezeption des ägyptischen Zivilrechts, das den arabischen Juristen bereits durch Sanhûrîs Kommentierung al-Wasît201 zugänglich gemacht worden war, unumgänglich202. b) Adaptionen aa) Bedeutung Waren die für die Rezeption des französischen Rechts ausschlaggebenden Faktoren also nicht kultureller, sondern vielmehr politischer, rechtstechnischer und praktischer Natur, so fügen sie sich in ein von Watson entwickeltes Rezeptionsmodell ein, das das entscheidende Kriterium für den Erfolg der Rezeption in der Tatsache der Übernahme fremden Rechts selbst sieht und weniger im Prozess seiner sozialer Adaption an lokale Bedürfnisse203. Erfolgreiche Rezeption ist seiner Auffassung nach meist weniger das Produkt einer planmäßigen und von kulturellen Erwägungen geprägten Vorgehensweise, als das Ergebnis des Zusammentreffens von eigenständigen Faktoren wie Praktikabilität, Sprache und Zufall (im Sinne historischer Verkettungen)204. In der rechtsvergleichenden Wissenschaft ist das Autonomiemodell Watsons auf vehementen Widerspruch gestoßen. Namentlich Legrande trat unter den Kritikern hervor und beschrieb es als gerade zu undenkbar, dass Rezeption ohne die Berücksichtigung kultureller Belange überhaupt erfolgen könne205. Während Legrandes Argumentation auf einer eng gefassten Begriffsdefinition basiert, welche eine Rezeption ausschließt, wenn die Brown, The rule of law in the Arab world, S. 17. Al-Sanhûrî, Al-wasît fî sharh al-qânûn al-madanî al-jadîd, 1952–1970. Zu den sprachlichen Problemen bei der Weiterverbreitung der ägyptischen Kodifikationen Ballantyne, Essays and addresses on Arab laws, S. 9. Die Sprache war bereits bei der Übernahme der französischen Kodifikationen nach Ägypten, wo Französisch als lingua franca diente, ein wichtiger Faktor, siehe Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 17. 203 Siehe grundlegend das monographische Werk Watson, Legal Transplants, sowie unter den zahlreichen Aufsätzen nur Watson, Legal Transplants; Watson, 44 Am. J. Comp. L. (1996) 335 ff. 204 Eine ausführliche jüngere Auseinandersetzung mit den Thesen von Watson und ihrer Diskussion in der Literatur finden sich bei von Hein, Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 354 ff. 205 Legrand, 4 Maastricht J. Eu. & Comp. L. (1997) 111. 200 201 202

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übernommene Norm in ihrem neuen Umfeld nicht in das gleiche soziale Gefüge eingebettet ist wie in ihrer Heimatordnung206, richtete sich die Kritik im Übrigen weniger gegen die Annahme einer Rezeption selbst207, sondern in erster Linie gegen die Beurteilung des Rezeptionserfolgs: Watsons Lehre wird weithin als Verstoß gegen das law of the nontransferability of law208 angesehen, demzufolge Rezeption als ein sozialer Prozess209 anzusehen ist, ohne den – mit den Worten Teubners210 – legal transplants zu legal irritants verkommen, die ihre ursprüngliche Funktion mangels Berücksichtigung des unterschiedlichen Kontexts nicht adäquat ausfüllen können. Tatsächlich dürften die Kontraste nicht ganz so groß sein, wie die Diktion der Debatte vermuten lässt. Wie von Hein anmerkt, beruhen auch Watsons Rezeptionsmotive vielfach durchaus auf institutionenökonomisch fundierten Konzepten – etwa der Überlegung, dass die Nutzung von Netzwerkeffekten (wie der gemeinschaftlichen Rezeption durch die arabischen Staaten) einen Effizienzvorteil mit sich bringt211. Ebenso streitet Watson keineswegs ab, dass der Kontext für den Erfolg der Rezeption auch eine Rolle spiele212. Umgekehrt ist auch unter Kontextualisten kaum streitig, dass der Aspekt der Rechtskultur nicht in jedem Rechtsgebiet die gleiche Rolle spielt und insbesondere in „nicht-affektiven“213 Rechtsgebieten hinter technischen Fragen zurücktreten kann. bb) Zivilrecht Ausgehend von diesem Befund stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß die besonderen sozioökonomischen Bedürfnisse der rezipierenden Staaten 206 Vgl. das Zitat in Fn. 135 sowie von Hein, Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 53. 207 Die Nähe der autonomen und kulturrelativistischen Positionen in dieser Hinsicht zeigt die Aussage Friedmans: „borrowing […] a foreign code suggests that what is borrowed […] is not culturally specific“, Friedman, The legal system, S. 195. Hirsch, Rezeption als sozialer Prozeß, S. 206, macht etwa die Rezeption des schweizerischen Zivilgesetzbuchs als Produkt des Zufalls aus, sieht die soziale Einbettung des neuen Rechts jedoch als wesentliches Erfolgskriterium des Rezeptionsprozesses an. 208 Seidman, 5 Law & Society Review (1970) 161, 200. 209 Hirsch, Rezeption als sozialer Prozeß, S. 14 ff. 210 Teubner, 61 Modern Law Review (1998) 11; in diese Richtung auch Knieper, Rechtsreformen entlang der Seidenstraße, S. 32, 33: „[…] der Erfolg des bloßen Abwerfens des Corpus Iuris oder anderer Gesetze in beliebig strukturierte Gesellschaften [ist] nicht garantiert“. 211 Siehe von Hein, Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 364. 212 So weist von Hein, Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 52, Fn. 280 darauf hin, dass auch nach Watson gelte „context is everything“, Watson, in: Smits (Hrsg.), The Contribution of Mixed Legal Systems to European Private Law, S. 15. 213 Vgl. Krüger, in: Scholler/Tellenbach (Hrsg.), S. 125, 130.

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in den Rezeptionsprozess eingeflossen sind. Wie die Darstellung des Einflusses des islamischen Rechts auf die arabischen Zivilgesetzbücher gezeigt hat, hatte sich Sanhûrî unter dem Eindruck des französischen Schöpfers der „jurisprudence comparée“214 Edouard Lambert, der ebenfalls entscheidend am ägyptischen Gesetzgebungsprozess mitwirkte215, das kulturalistische Rezeptionsverständnis lange vor dem Beginn der Rezeptions- und Rechtskulturdebatte zu eigen gemacht und sozialen und kulturellen Faktoren bei dem Entwurf der arabischen Zivilrechtskodifikationen hohe Aufmerksamkeit geschenkt216. In seiner Gänze hat sich dieser Ansatz zwar erst beim Entwurf der Zivilgesetzbücher des Irak und Kuwaits entfalten können217, doch auch die Konzeption des ägyptischen ZGB zeugt von einer feinfühligen Berücksichtigung der Gefühlslage und Bedürfnisse der Bevölkerung Ägyptens. Auf den ersten Blick mag dies erstaunen, da die Rechtswissenschaft dem ZGB bescheinigt, sich nur aufgrund seiner „ideologischen Farblosigkeit“218 der Rezeption in zwölf Staaten mit „ganz unterschiedlicher politischer, wirtschaftlicher und sozialer Struktur“ zugänglich gezeigt zu haben219. Die kulturelle Eignung ist jedoch gerade dieser weitreichenden Neutralität und Flexibilität zu entnehmen, die das Resultat eines umfassenden Adaptionsprozesses bildet, der von Beginn an auf die Vermeidung rechtskultureller Friktionen zielte. Gänzlich frei von Wertungen ist das ZGB allerdings nicht: So ist es Sanhûrî gelungen dort, wo er ein soziales Bedürfnis sah, seinem Gesetz entscheidende Wertungen und Charakterzüge zu verleihen, die unter den arabischen Gesetzgebern offensichtlich auf einen allgemeinen Konsens gestoßen sind. Um die Auswahl der Modifikationen einordnen zu können, ist es zunächst erforderlich, sich die methodische Vorgehensweise des ägyptischen Gesetzgebers bei der Rechtssetzung vor Augen zu führen, die auf dem islamischen Prinzip des takhayur220 beruhte. Im Kontext der Entstehung des ZGB bedeutete takhayur, dass alle Regelungen der in Betracht kommenden Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 42. Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 48; Ziadeh, Lawyers, the rule of law and liberalism in modern Egypt, S. 141. 216 Vgl. Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 41, mit Zitaten und Nachweisen. 217 Vgl. S. 21 f. 218 Siehe auch Dilger, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 1996, S. 187, 201. 219 Krüger, Recht van de Islam 1987, 98, 110. 220 Im Ursprung bedeutet takhayur die Möglichkeit eines Muslims, bei der Rechtfertigung seines Handelns auf einen Rechtssatz einer Rechtsschule (mazhab) zurückzugreifen, der er nicht angehört. Die Methode geht im Ursprung auf das taqlîd zurück, derzufolge ein Muslim verpflichtet ist, sein Handeln nach der eigenen Rechtsschule zu richten, Rohe, Das islamische Recht, S. 191. 214 215

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Zivilrechtsordnungen – also das fiqh, die Majalla, der Murshid al-Hayrân, die europäischen Rechtsordnungen, aber auch das Gewohnheitsrecht – daraufhin geprüft wurden, ob sie sich für eine Rezeption in das ZGB eigneten und dort eine sinnvolle Funktion übernehmen könnten. Nur Normen, die diesen Test bestanden, wurden schließlich in das ZGB eingefügt221. Die Resultate dieses Prozesses sind bemerkenswert und drücken sich in verschiedenen normativen Grundsatzentscheidungen aus, die als entscheidende Faktoren für die Akzeptanz des ZGB angeführt werden können. So hielt Sanhûrî die in Deutschland herrschende objektive Vertragstheorie für geeigneter, die ausgeprägten Gerechtigkeitsvorstellungen des islamischen fiqh zu verwirklichen, als die französische subjektive Doktrin, der der Gedanke der équité traditionell suspekt war222. Ein weiterer prägender Charakterzug, der einem Grundbedürfnis aller rezipierenden arabischen Rechtsordnungen unabhängig von ihrer volkswirtschaftlichen Struktur entsprach, ist schließlich der stark betonte Sozialgedanke des ZGB. Auch wenn Sanhûrî diesen nicht so weit durchsetzen konnte, wie er es sich wünschte223, verlieh er dem ZGB ein Antlitz, mit dem sich die arabischen Gesetzgeber scheinbar gerne identifizierten. Ein drittes Beispiel kann die Aufnahme eines Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter dem Begriff des Adhäsionsvertrags bilden, der die Bedeutung des Prinzips der ausgleichenden Gerechtigkeit zwischen ungleichen Vertragsparteien zusätzlich unterstreicht224. cc) Unternehmensrecht Bei der Rezeption des Unternehmensrechts spielten derartige kulturbedingte Adaptionen hingegen keine nennenswerte Rolle. Die Gründe hierfür wurden bereits angedeutet: Geht man davon aus, dass sich das Wirtschaftsrecht an den abstrakten Erscheinungsformen wirtschaftlicher Sachverhalte orientiert, so ist die Bedeutung rechtskultureller Faktoren für eine erfolgreiche Rezeption erheblich reduziert: „technical corporate law institutions 221 Ausführlich Bechor, The Sanhuri Code, S. 79 ff. Dass sich die Übernahme der Normen aus verschiedenen Ordnunge nicht zu einem unabgestimmten Normkonvulut summierten, gewährleistete einerseits die sorgfältige Vorgehensweise bei der Systematisierung der Normen, vor allem aber die Orienteriung der Auswahl anhand normativer Wertungen und nicht einzelner Normen. So konnte etwa eine Wertung des islamischen Rechts dazu führen, dass unter zwei widerstreitenden Theorien der europäischen Zivilrechtsordnungen diejenige gewählt wurde, die der islamischen Doktrin näherstand. 222 Ausführlich Hill, Al-Sanhuri and Islamic law, S. 133; Hassan, 13 J. Isl. Stud. (2002) 257, 260 ff.; Bechor, The Sanhuri Code, S. 163 ff. Zu den konkreten Folgen in der Rechtsanwendung, namentlich der Anpassung von Anleihebedingungen S. 579 ff., 723 ff. 223 Bechor, The Sanhuri Code, S. 103 ff. 224 Zum Stellenwert dieses Grundsatzes im islamischen Recht siehe wiederum S. 723 ff.

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frequently prove to be transplantable“225. Wie nicht zuletzt die internationale Konvergenz im Recht der Aktionäre und Kapitalmärkte belegt226, handelt es sich bei der Aktiengesellschaft in ihrer heutigen Gestalt um eine „hochtechnisierte Zweckschöpfung des Rechts, die sich von ihren kulturellen und kontextualen Wurzeln weithin gelöst hat“227. Gänzlich ausgeschlossen waren Anpassungen – wie die Historie zeigt – dennoch nicht. Ansatzpunkt für rechtskulturell bedingte Modifikationen durch die Gesetzgeber war zuvorderst der bereits angesprochene Aspekt der Komplexität. Die französischen Normen wurden im Zuge der Entwicklungen der verschiedenen arabischen Gesellschaftsgesetze – im Detail in unterschiedlichem Ausmaß – teils erheblich vereinfacht, um ein größeres Maß an systematischer Klarheit und Verständlichkeit zu erzielen. Die Bewertung dieses Prozesses fällt allerdings nicht ganz leicht: Während die Komplexitätsreduktion in der Literatur teils als viel zu weitgehend und verfehlt angesehen wird228, dürfte sie oftmals nicht der Kern des Problems sein, sondern vielmehr die Art und Weise der Ausgestaltung und Interpretation der verbliebenen Normen, wie auch die folgende Untersuchung immer wieder zeigen wird229. In zentralen Bereichen wird der Gesetzgeber zugegebenermaßen jedoch nicht um eine Komplexitätserhöhung umhin kommen, um eine effiziente und ausgewogene Regelung zu schaffen230. 3. Rechtskultur als Hindernis der Rezeption im Unternehmensrecht? In welchem Ausmaß die rechtskulturellen Belange mit der Komplexitätsreduktion hinreichend berücksichtigt worden sind und nicht weitere Faktoren der erfolgreichen Einpflanzung des Unternehmensrechts entgegenstehen, ist jedoch näher zu hinterfragen. Zwar ist dem Rückschluss von der hohen Technizität des Aktienrechts auf die untergeordnete Bedeutung rechtskultureller Faktoren in diesem Rechtsbereich zweifellos zuzustimmen. Allerdings ist festzuhalten, dass es sich hierbei um eine graduelle Abstufung handelt, die durch ausgeprägte soziale Bedürfnisse im konkreten Kontext Tröger, EBOR 2005, 3, 21. Vgl. den umfassenden Überblick zu den verschiedenen Konvergenzthesen in der internationalen Corporate Governance-Diskussion bei von Hein, Rezeption USamerikanischen Gesellschaftsrechts, S. 39 ff. 227 Fleischer, in: Schön/Engel (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 51, 65 f. 228 El-Dean, Privatisation, S. 46 f.; ausführlich zur Kritik S. 83 ff. 229 So zeugen etwa die einfachen und gleichzeitig klaren Regelungen des saudiarabischen Prospektrechts davon, dass sich Komplexitätsreduktion nicht notwendig zulasten der Rechtssicherheit auswirken muss, vgl. S. 593 ff., 652 ff. 230 Dies gilt im Hinblick auf den hiesigen Untersuchungsgegenstand namentlich für die Regelung des Bezugsrechts und der Preisfestsetzung im Rahmen von Folgeemissionen, vgl. S. 350 ff., 360 ff. 225 226

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möglicherweise einzuschränken ist. Die ethische Indifferenz und nüchternsachliche Struktur des Aktienrechts hilft nicht darüber hinweg, dass eine hochgradig strukturierte Organisation der Wirtschaft oder künstliche Rechtsfiguren wie die Abstraktion der Rechtspersönlichkeit in einer an konkreten und greifbaren Sachverhalten orientierten Rechtsordnung durchaus zu Konflikten und Ablehnung führen kann. Ebenso ist die Aktiengesellschaft eng mit Fragen wie dem Selbstverständnis des Unternehmers und dem Umgang mit Vermögen und Kapital verknüpft, die sehr wohl in engem Konnex mit der sozialen Ebene stehen. Max Weber erkennt in diesem Zusammenhang nicht weniger als eine „intime Beziehung“231. Wie im Verlauf der Untersuchung verschiedentlich zu sehen sein wird, spiegeln sich die Konflikte zwischen dem modernen Unternehmensrecht und den tradierten Gepflogenheiten und Bräuchen von Handel und Wirtschaft im arabischen Raum spürbar in einer Kluft zwischen geschriebenem und gelebtem Wirtschaftsrecht wider. Der entscheidende Gesichtspunkt für die Erfassung dieser Diskrepanz ist die Frage nach dem Stellenwert unternehmerischer Verantwortlichkeit sowie des Kapitals im islamischen Recht. Die Frage der Verantwortlichkeit oder Haftung des Unternehmers basiert auf dem ursprünglich zum Kaufvertrag entwickelten allgemeinen islamischen Vertragsprinzip der Gegenseitigkeit und der Ausgeglichenheit des Kräfteverhältnisses zwischen den Parteien, demzufolge der Gewinnchance des Eigenkapitalgebers grundsätzlich ein ebenbürtiges Verlustrisiko gegenüberzustehen hat232. Aufgrund dieses „sakrosankten“233 Risiko-RenditeKonnexes ließ sich die unternehmerische Verantwortlichkeit nicht auf eine abstrakte Person verlagern, so dass auch für die Entwicklung einer Kapitalgesellschaft mit separater Rechtspersönlichkeit nur wenig Bedarf verblieb. Dies bedeutet nicht, dass das Konzept der abstrakten Rechtsträgerschaft dem klassischen islamischen Recht unbekannt war: So wurde die unter dem Begriff der dhimma bekannte Fähigkeit einer natürlichen Person, Rechte auszuüben, auch auf rechtliche Kunstfiguren übertragen234. Der Transfer beschränkte sich jedoch auf einen abschließenden Kanon öffentlicher oder wohltätiger Einrichtungen, namentlich die Stiftung (waqf), die Moschee (masjid) und den Fiskus (bayt al-mâl)235. Vor allem aber – Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 181. Hierzu Hassan, 13 J. Isl. Stud. (2002) 257, 260 ff.; Chehata, Droit Musulman, S. 135. Ein iustum pretium-Gebot folgte hieraus jedoch gerade nicht, vgl. Bälz, Versicherungsvertragsrecht in den Arabischen Staaten, S. 18 f.; Wichard, Zwischen Markt und Moschee, S. 190. 233 Saleh, 8 ALQ (1993) 179, 181. 234 Zahraa, 10 ALQ (1995) 193, 202 ff.; Siddiqi, Partnership and profit-sharing in Islamic law, S. 79. Aus der Rechtsfähigkeit wurde wiederum die Rechtsträgerschaft abgeleitet, Saleh, 8 ALQ (1993) 179, 180. 235 Zahraa, 10 ALQ (1995) 193, 202 ff.; Saleh, 8 ALQ (1993) 179, 180. 231 232

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wie Saleh betont – diente die Rechtsfähigkeit der juristischen Person nicht dazu, die dahinterstehenden und handelnden Personen von der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Einrichtung zu entlasten: „The sharî`a”, hält Saleh fest, „never envisaged the dhimma bestowed on a nonhuman being as […] a corporate veil meant to protect members from liability”236. Gewisse Beschränkungen der Haftung konnten im Gesellschaftsrecht lediglich im Wege vertraglicher Abreden erreicht werden. Grundlage derartiger Vereinbarungen war die islamische Gesellschaftsform der mudâraba237, die in ihrer Grundstruktur der im europäischen Hochmittelalter aufgekommenen Comenda238 entspricht. In ihrer allgemeinsten Erscheinungsform war die mudâraba derart organisiert, dass einer der Gesellschafter das Kapital beisteuerte (sog. rabb al-mâl), der andere ausschließlich seine Arbeitskraft (mudârib). Während die Gewinne geteilt wurden, trug der Kapitalgeber die Verluste239. Tatsächlich waren die Verluste grundsätzlich auf die Höhe des Kapitalstocks beschränkt240. Allerdings – und dies ist entscheidend – beruhte die Beschränkung auf dem Umstand, dass dem mudârib untersagt war, den rabb al-mâl über seine Einlage hinaus zu verpflichten241. Für über das Kapital hinausgehende Verluste hatte also der mudârib einzustehen. Eine Haftungsbeschränkung nach heutigem Verständnis bestand somit gerade nicht242. Infolge der haftungsrechtlichen Implikationen (bzw. der fehlenden Kontrolle auf Seiten des Saleh, 8 ALQ (1993) 179, 181. Ausführlich Udovitch, Partnership and profit, S. 175 ff.; Nienhaus, Islam und Moderne, S. 257 ff. Ihre Bedeutung erlangte die mudâraba ursprünglich für die Karawanenfinanzierung, heute wird sie vor allem für Kapitalanlagegeschäfte mit Banken eingesetzt, vgl. zur heutigen Erscheinungsform die Nachweise in § 3 Fn. 28. 238 Die Comenda trat seit dem 10. Jahrhundert im europäischen Mittelmeerraum auf und wurde wie die mudâraba eingesetzt, um Handelsexpeditionen zu finanzieren, vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 48. 239 Vogel/Hayes, Islamic law and finance: religion, risk, and return, S. 109 f. 240 Vogel/Hayes, Islamic law and finance: religion, risk, and return, S. 109 f.; Ayub, Understanding Islamic finance, S. 328 unter Hinweis auf Ibn-Qudama, 1367, S. 18, 35. Teilweise wird auch geäußert, dass die unbeschränkte Haftung des Kapitalgebers den Regelfall bilde und der Kapitalgeber den mudârib ausdrücklich zu instruieren habe, die Gesellschaft nicht über das vorhandene Kapital hinaus zu verpflichten, El-Ashker, The Islamic business enterprise, S. 74, 76 f.; vgl. auch Thomas/Cox/Kraty, Structuring Islamic finance transactions, S. 48: „According to the classical concept, a mudaraba is an unlimited liability entity“. 241 So deutlich Saeed, Islamic banking and interest, S. 55; Dar/Moghul, Chancellor Guide to Islamic Finance, S. 217. 242 Dem könnte zwar entgegnet werden, dass eine Fungibilisierung der Anteile des Kapitalgebers aufgrund seiner Haftungsbeschränkung durchaus in Betracht käme. Hier stellt sich jedoch das Problem der fehlenden Kontrolle, da die Unternehmung allein vom mudârib gelenkt wird. 236 237

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Kapitalgebers) hat sich nachvollziehbarerweise auch die Idee der erhöhten Verkehrsfähigkeit der Kapitalbeteiligung nicht zu einem originären Konzept der islamischen Wirtschaft entwickelt. Die soziale Einordnung des Wirtschaftsfaktors Kapital spielt insbesondere für die Fremdfinanzierung eine Rolle, die durch die Ablehnung von Zinsen erschwert wird. Indem Kapital und gleichgestellten Tauschwaren243 die Qualität eines Wirtschaftsguts aberkannt und die Forderungsabtretung (bay` al-dayn) über oder unter dem Nennwert244 als unzulässig eingeordnet wurde, ist ein Markt selbst für unverzinsliche Kapitalforderungen nach klassischem Rechtsverständnis nicht vorstellbar. Das Zusammentreten beider Faktoren – die personalistische Binnenorganisation und die Beschränkung der Fremdfinanzierung – erschwerte die Bildung von durch und durch technisierten Großunternehmen mit einer breiten Basis von Kapitalgebern und führte zum Idealbild des Einzel- und Familienunternehmens245. Die klassischen Konzeptionen des islamischen Gesellschaftsrechts wurden im Wege eines umfassenden ijtihâd246 zwar wesentlich weiterentwickelt; so werden sie heute herangezogen, um komplexe Finanzierungsinstrumente zu begründen, und auch die Kapitalgesellschaft (wenn auch nach intensiven Debatten247) wurde schließlich 1992 von der Fiqh Academy der einflussreichen Organisation der Islamischen Konferenz formal anerkannt248. Einen impliziten Einfluss scheinen die hinter ihnen stehenden ethischen Wertungen jedoch auch heute noch auszuüben. Offenen AusAusführlich zu den Grundlagen des ribâ-Verbots S. 494 ff. Nienhaus, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, S. 164; Ayub, Understanding Islamic finance, S. 172. Die Unzulässigkeit geht wiederum auf das ribâVerbot zurück, demzufolge beim Austausch von Kapital kein Zuwachs (also ein Ab- oder Aufschlag vom Nennwert) aufgrund der Aufschiebung der Leistung (infolge des späteren Forderungseinzugs) erfolgen darf, vgl. S. 492 ff. 245 Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 104; Weiß, Wirtschaftliche Entwicklungsplanung, S. 52; vgl. auch Gulf Venture Capital Association, Annual Report, 2006, S. 46: “As a result of the owner managed culture, many businesses have not felt the need to set up robust governance procedures”; in besonderem Maße drückt sich dies in den Golfstaaten aus, wo Großunternehmen teils noch in der Rechtsform des Einzelunternehmens geführt werden, so etwa die Mohammad Al-Mojil Group PJSC bis zu ihrem Börsengang, vgl. Mohammad Al-Mojil Group PJSC, Prospectus, S. 1. 246 Der Begriff des ijtihâd bezeichnet den Prozess der Rechtsfindung und -fortbildung im Wege einer von Wortlaut und ursprünglichem Kontext losgelösten Interpretation von Koran und Sunna, vgl. Vogel/Hayes, Islamic law and finance: religion, risk, and return, S. 32. 247 Zu den Schwierigkeiten siehe Nadîm, Sharika al-musâhama fî daw´ al-qânûn alwad`î wa-l-fîqh al-islâmî, S. 186 ff. 248 Entscheidung 65/1/7, Siebte Sitzung (1992), Fiqh Academy Journal I, 711 f. Umfassend zur Anerkennung der Aktiengesellschaft im islamischen Recht und der Entscheidung der Fiqh Academy Nadîm, Sharika al-musâhama fî daw´ al-qânûn al-wad`î wa-lfîqh al-islâmî; Vogel/Hayes, Islamic law and finance: religion, risk, and return, S. 167 f. 243 244

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druck findet dieser an den arabischen Kapitalmärkten zunächst in der Eigner- und Governance-Struktur sowie in der Eigenkapitalquote. So befindet sich die ganz überwiegende Anzahl der börsennotierten Gesellschaften trotz einer partiellen Öffnung für das Publikum fest in der Hand der Gründer und wird von ihnen personalistisch geführt249. Gleichermaßen werden jedenfalls die kleineren und mittleren Gesellschaften, die typischerweise nicht international tätig sind, in überproportional hohem Maße mit Eigenkapital finanziert250, wobei die Hintergründe durchaus mannigfaltig sein dürften und die Rolle der kulturellen Faktoren nur schwer zu bestimmen ist251. Aus diesem Verständnis der Unternehmung heraus ist durchaus nachvollziehbar, dass der Kapitalmarktgedanke und die mit ihm verbundenen Konsequenzen – Transparenzdenken, Trennung von Eigentum und Kontrolle, Einordnung der Unternehmung als Anlageobjekt, die Komplexität der Organisationsformen – über eine kürzere Tradition verfügen als in den Jurisdiktionen mit historisch gewachsenen Kapitalmärkten. El-Dean zufolge tritt dieser Kulturkonflikt deutlich im Verhalten der Marktteilnehmer hervor252 und manifestiert sich in besonderem Maße in der Frage der

249 Private Equity International, Middle Eastern Equity, Juli/August 2003, S. 41. Bis vor wenigen Jahren war ein Großteil der an der EGX notierten Gesellschaften sogar gänzlich geschlossen und ohne jeglichen Streubesitz, eine sukzessive Erhöhung der Streubesitzanforderungen konnte die Anzahl dieser Notierungen jedoch reduzieren. 250 Besonders deutlich zeigt sich dies in Saudi-Arabien, Al-Dohaiman, Capital Structure in Saudi Arabian Companies, S. 181; Omet/Mashharawe, The Capital Structure Choice in Jordanian, Kuwaiti, Omani and Saudi Corporate Sectors, ERF 10th Annual Conference, Marokko, 2003, S. 12; zu Palästina und Jordanien Omet, The Capital Structure Choice in Unstable Economic Environments, Second International Conference on Finance, Singapur, 2008, S. 20; Girard/Omran, 17 Int. Fin. Markets, Inst. and Money (2007) 102, 118; Chazi/Terra/Zanella, 22 European Business Review (2010) 195 ff. Die Verschuldungsrate großer und international agierender Gesellschaften bewegt sich mittlerweile jedoch auf internationalem Niveau, siehe Love, Finances of Egyptian Listed Firms, World Bank Policy Research Working Paper No. 3639, June 2005. 251 So werden in der finanzwissenschaftlichen Literatur teils auch allein institutionelle Hürden wie der schwach entwickelte Anleihemarkt, der schwierige Zugang kleiner Gesellschaften zu den Banken, niedrige Steuersätze, vor allem aber die schwache Bonität der Gesellschaften und gläubigerunfreundliche Insolvenzrechtsordnungen ausgemacht, vgl. Zurigat, Pecking Order Theory, Working Paper, Edinburgh, März 2009, S. 124 ff. 252 So weist er darauf hin, dass an den arabischen Börsen wiederholt auch professionelle Anleger gegen fallende Aktienkurse demonstrierten, da sie die Möglichkeit von Kursverlusten in der Renditekalkulation schlicht nicht berücksichtigt hätten, El-Dean, Privatisation, S. 50. Kritisiert wird von Marktbeobachtern auch immer wieder das Verhalten von Privatanlegern, die – ganz im Einklang mit dem behavioristischen Erklärungsansatz des Herdenverhaltens (sog. herding, hierzu Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und behavioral finance, S. 123 ff.) – erheblich zur Bildung von Kursblasen und ihrem Platzen

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Transparenz, die als Gefahr für den persönlichen Machterhalt eingeordnet werde. Wenn er kritisiert, „a great number of companies see it [disclosure] as an invasion of a company’s privacy, and maintain that such information should not be made available to the public“253, so weist er damit auf die fehlende soziale Verankerung eines der Kernelemente eines funktionierenden Kapitalmarkts254. In der Praxis drückt sich dies einerseits in einer unzureichenden Regulierung und Organisation des regelmäßigen wie auch anlassbezogenen Informationsflusses aus, andererseits in einer unzureichenden Befolgung der Publizitätsvorschriften durch die Marktteilnehmer255. Festzuhalten ist gleichzeitig jedoch, dass Reformanstrengungen bereits zu erheblichen Verbesserungen geführt haben und das Publizitätsniveau sich kontinuierlich internationalen Maßstäben annähert256. Auf einen weiteren rechtskulturellen Konflikt im modernen Gesellschaftsrecht weist Chibli Mallat hin: In welchem Ausmaß die Anwendung des positiven Aktienrechts von islamischem Rechtsverständnis geprägt ist, dürfte wohl nirgendwo so plastisch zum Ausdruck kommen wie im Umgang mit der Haftungsbeschränkung. Wie Mallat berichtet257, neigen namentlich die Gerichte der Golfstaaten immer wieder dazu, die in der Literatur dogmatisch fraglos anerkannte258 künstliche Trennung der Vermögenssphären von Aktionären und Gesellschaften in ihren Urteilen nicht zu berücksichtigen – oftmals bei gleichzeitiger Betonung der eigenständigen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft. So verweist Mallat auf eine Zahl von Urteilen, in denen die Großaktionäre für die Schulden der Gesellschaft in die Haftung genommen wurden, ohne dass ein gezielter Eingriff des Aktionärs in das Gesellschaftsvermögen vorlag, der ein piercing of the veil gerechtfertigt hätte259. beitragen sollen, Al-Ahram Weekly, Bonds, corporate bonds, 26. August – 1. September 2004; vgl. auch S. 434 f. 253 El-Dean, Privatisation, S. 43. 254 Ebenso im Hinblick auf das libanesische Recht Mallat, 48 Am. J. Comp. L. (2000) 81, 121. 255 Vgl. Dahawy, Int. Res. J. Finan. & Econ. (2009) 194, 205, der im Hinblick auf die Einhaltung von Rechnungslegungsstandards spezifisch auf kulturelle Aspekte hinweist: „The propensity for secrecy that is embedded in the Egyptian culture overrides the IASB requirements”. Ebenso bereits Dahawy/Merino/Conover, 15 Advances in International Accounting (2002) 203. 256 So konstatieren Hassan/Romillyb/Giorgioni, 44 Int. J. Acc. (2009) 79 heute ein hohes Maß an Befolgung der gesetzlichen Regelpublizität. Zu den Reformbemühungen siehe auch S. 193 f. 257 Mallat, Introduction to Middle Eastern Law, S. 329. 258 Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 115 ff. 259 Mallat, Introduction to Middle Eastern Law, S. 329 f.; Saleh, 8 ALQ (1993) 179, 181, berichtet in diesem Zusammenhang von der Inhaftierung von (wohl Gesellschafter-) Geschäftsführern allein aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft.

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4. Probleme der Rechtsdurchsetzung Notwendige Voraussetzung einer erhöhten Diskrepanz zwischen positivem und gelebtem Recht ist neben der Ablehnung der materiellen Normen auch das Fehlen funktionierender Mechanismen der Rechtsdurchsetzung260. Wird das Recht nicht mit hoheitlichen Mitteln durchgesetzt, so gibt es unbeachtlich der sozialen Eignung für die Inhaber wie auch die Gläubiger von Ansprüchen keinen Grund, es überhaupt zu berücksichtigen261. Eine Aufnahme der rezipierten Normen in den Alltag der Rechtsadressaten ist in diesem Fall kaum zu erwarten. Um die Effizienz der staatlichen Institutionen bei der Durchsetzung der arabischen Unternehmensrechtsordnungen zu erfassen, ist es wichtig, sich die grundsätzliche Rollenverteilung der mit der Durchsetzung des Unternehmens- und Kapitalmarktrechts befassten hoheitlichen Einrichtungen – den Gerichten und zur Aufsicht des Kapitalmarkts zuständigen Behörden262 – vor Augen zu führen. a) Rollenverteilung zwischen Gerichten und Aufsichtsbehörden Während die Aufsichtsbehörden im Emissionsverfahren international zuvorderst für die formale Einhaltung der Publizitätsvorschriften und den Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zuständig sind und den Zivilgerichten bei der Ausfüllung und Durchsetzung der privatrechtlichen Ansprüche auf Grundlage des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts die entscheidende Rolle zukommt263, ist das Kräfteverhältnis in den arabischen Staaten umgekehrt. Die Wirtschaftsministerien, Gesellschafts- und Kapitalmarktbehörden verfügen über weitreichende Aufsichts- und Prüfungsbefugnisse, die es ihnen erlaubt, jede Satzungsänderung und Ausgabe von El-Dean, Privatisation, S. 219. Siehe Knieper, Rechtsreformen entlang der Seidenstraße, S. 138: „Die besten Gesetze bleiben totes Papier, wenn sie nicht durch kompetente Juristen angewendet werden“. 262 Dies ist in Ägypten die Egyptian Financial Supervisory Authority (EFSA, siehe S. 52), in den VAE die Securities and Commodities Authority (SCA, S. 595), in SaudiArabien die Capital Market Authority (CMA, S. 456) und in Jordanien die Jordan Securities Commission (JSC, S. 606). Aus Gründen der Klarheit soll im Folgenden anstelle der gebräuchlichen Abkürzungen weitgehend von der jeweiligen nationalen Finanzaufsicht, Wertpapieraufsicht oder Kapitalmarktbehörde gesprochen werden und für die Kollektivbezeichnung der Behörden der verschiedenen Jurisdiktionen der Begriff „Kapitalmarktbehörden“ verwendet werden. 263 Vgl. zum Kompetenzbereich der Aufsichtsbehörden in Deutschland, USA und im Vereinigten Königreich etwa von Rosen, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rn. 226 ff.; zur Prüfungskompetenz der Registergerichte bei der Eintragung von Kapitalmaßnahmen siehe Lutter, in: Zöllner (Hrsg.), KölnKomm AktG, § 183 Rn. 52; Krieger, in: Wiesner (Hrsg.), MünchHdb/AG, § 56 Rn. 41; Kulms, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1101, 1106 f.; Frach, Finanzaufsicht in Deutschland und Großbritannien, S. 47 f., 75. 260 261

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Wertpapieren einer umfassenden formellen wie auch materiellen Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. So entscheiden die Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit über die Bewertung junger Aktien, die Missbräuchlichkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen oder die Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses – Rechtsfragen, die in Europa grundsätzlich allein von den Gerichten beurteilt werden. Infolge der Machtfülle nehmen sie eine herausragende Stellung bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des Unternehmensrechts ein, die den europäischen Jurisdiktionen in dieser Form unbekannt ist264. Einen diametral entgegengesetzten Stellenwert besitzen die Gerichte: Der bereits erwähnten hohen Inanspruchnahme der Gerichte im Bereich des Zivilrechts steht ein Mangel an Präjudizien und Urteilen im Bereich des Unternehmensrechts gegenüber265. Speziell auf dem Gebiet des Aktienrechts ist ein richterlicher Beitrag zur Rechtsentwicklung vergleichsweise gering266. Die Bereitschaft der Gesellschaften, Aktionäre und Gläubiger, die Gerichte zur Durchsetzung von Rechten aus dem Rechtsverhältnis zur Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, ist kaum vorhanden267. In Anbetracht der hohen Zahl von Verfahren in den übrigen Bereichen des Zivilrechts stellt sich die Frage nach den Gründen für diese Diskrepanz. Verschiedene Faktoren erscheinen als Erklärungsansatz plausibel. b) Ursachen der Ineffizienz der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung Nicht ausgeblendet werden kann zunächst die historische Ausgangssituation. Bis zum Beginn der Privatisierungswelle in den 1990er Jahren wurde die Unternehmenslandschaft in vielen arabischen Staaten maßgeblich vom öffentlichen Sektor geprägt, der in Ägypten infolge der Verstaatlichung des Privatsektors durch den ägyptischen Präsidenten Nasser ab 1956 ganze 265 264 Wenn Nenova, Contaduría y Administración 2005, 181, 213, dementgegen kritisiert, dass die Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der Behörden unzureichend sind, so ist dies in erster Linie auf Bereiche wie Regelpublizität, insiderrechtliche Verstöße und Marktmanipulation sowie die unzureichende personelle und technische Ausstattung zu beziehen. Den umfassenden Befugnissen zur Prüfung von Kapitalmaßnahmen auf Grundlage des normativierten Konzessionssystems (hierzu S. 172 ff.) wird diese Aussage hingegen nicht gerecht. 265 Dies konstatiert bereits Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 124, Fn. 198. 266 So auch Nenova, Contaduría y Administración 2005, 181, 213. Die (soweit ersichtlich) einzige Sammlung zu gesellschaftsrechtlichen Urteilen des Kassationsgerichts Dubai (Haydar, Al-sharikât al-tijâriyya) enthält bspw. drei aktienrechtliche Entscheidungen. In Ägypten ist der Beitrag tendenziell größer, die im Rechtsverkehr notwendige Rechtssicherheit vermag er jedoch nicht zu leisten. 267 Dies geht deutlich aus dem von der US-amerikanischen Agency for International Development geförderten Bentley-Report über das ägyptische Justizsystem hervor, vgl. Bentley, Egyptian Legal and Judicial Sector Assessment Vol. IV, Anhang.

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der 295 Aktiengesellschaften umfasste268. Die Unternehmensstruktur hatte ihrerseits Auswirkungen auf die Art und Weise der Streitschlichtung, da Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaften des öffentlichen Sektors mehr politischer denn rechtlicher Lösungen bedurften. Auch in den wenigen verbliebenen privaten Gesellschaften wurden aktienrechtliche Streitigkeiten selten vor den Gerichten ausgetragen, waren sie doch fest in der Hand von Unternehmerfamilien, die ihre Probleme tendenziell intern lösten. Auch mit dem Beginn der politischen und wirtschaftlichen Öffnung Ägyptens in den 1970er Jahren änderte sich an der Bedeutung der zivilgerichtlichen Streitschlichtung für das Unternehmensrecht nur wenig. Zum einen blieben viele Staatskonzerne auch nach Erlass des Gesellschaftsgesetzes Nr. 159/1981 bis zum Beginn der großen Privatisierungswelle zum Ende der 1990er Jahre in öffentlicher Hand. Zum anderen hielt sich die frühere Aufsichtsbehörde für Gesellschaften, die maslahat al-sharikât, für befugt, eine direkte Rechtmäßigkeitsaufsicht über die Aktiengesellschaften auszuüben und im Fall der Nichteinhaltung aktienrechtlicher Vorschriften zu intervenieren269. Ein Vorsprechen bei der maslahat al-sharikât als „Sachwalter des Aktionärsinteresses“270 war daher vielfach weiterführender als die Erhebung einer zivilgerichtlichen Klage. Während die ägyptische Aufsichtsbehörde für Handelsgesellschaften, die hay´a al-`âmma li-listithmâr wa-l-manâtiq al-hurra (General Authority for Free Zones and Investment, GAFI)271, heute keine unmittelbaren Eingriffe272 in das Gesellschaftsverhältnis mehr vornimmt und ihre Kontrolle gemäß dem Gesetz nur noch anlassbezogen auf Strukturmaßnahmen richtet, verfügt sie zusammen mit der zur Aufsicht des Kapitalmarkts zuständigen hay´a al`âmma li-l-raqâba al-mâliyya (Egyptian Financial Supervisory Authority, EFSA)273 nach wie vor über eine Ordnungsfunktion, die den Gerichten nur 268 Issawi, Egypt in Revolution, S. 60 f. Zur Entwicklung des Aktienrechts während der Ära Nasser siehe S. 61 f. 269 Vgl. Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 60, der von einer starken Tendenz zur Überantwortung der Aktionärsrechte auf den Staat berichtet. 270 Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 60. 271 Ausführlich zur Rolle und Funktion der GAFI siehe S. 172 ff. 272 Dogmatisch wurden die Eingriffe der maslahat al-sharikât auf Art. 155 GesG gestützt, der die Behörde zur Überwachung der Anwendung der Vorschriften des GesG berechtigt. Wie der sich anschließende, eng gefasste Katalog von Eingriffsbefugnissen jedoch zeigt, stellt Art. 155 GesG lediglich eine allgemeine Aufgabeneröffnung dar. Entsprechend interpretiert die GAFI ihren Kompetenzbereich heute restriktiv. Allgemein zum gesellschaftsrechtlichen Regime aufsichtsrechtlicher Eingriffe Burhân, Al-nizâm alqânûnî li-l-`ard al-`âmm li-shirâ´ al-ashum, S. 580 ff. 273 Die für die Kapitalmarktaufsicht zuständige EFSA entstand im Jahr 2009 auf Grundlage des Gesetzes Nr. 10/2009 und im Wege der Zusammenlegung der Capital Market Authority (al-hay´a al-`âmma li-sûq al-mâl, CMA), der Egyptian Insurance Supervisory Authority und der Mortgage Finance Authority, um eine einheitlich ausgerich-

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eine subsidiäre Bedeutung zukommen lässt. Indem die Behörden rechtswidriges Verhalten in den kritischen Phasen des Gesellschaftslebens – der Durchführung von Grundlagenmaßnahmen – präventiv unterbinden und den Maßnahmen durch die hoheitliche Genehmigung Legitimation verschaffen274, sehen sich Aktionäre nur selten veranlasst, eigenmächtig bei den Gerichten Klage zu erheben. Weitere Ursachen für die geringe Inanspruchnahme der Gerichte in unternehmensrechtlichen Streitigkeiten sind in der Organisation des Zivilprozessverfahrens und des Gerichtswesens zu suchen. Da die Probleme bereits durch verschiedene Autoren am Beispiel des ägyptischen Rechts ausführlich beschrieben wurden275, sollen die wesentlichen Aspekte der Diskussion nur kurz angerissen werden: Die Schwäche des Prozessrechts beruht zunächst auf einem formalistischen Verfahrensablauf, der den Parteien zahlreiche Möglichkeiten der Verfahrensverzögerung an die Hand gibt. Die chronische Überlastung der Richter, das Bestehen eines Amtsermittlungsgrundsatzes und die Vielzahl von Möglichkeiten, Beweisanträge oder Fristverlängerungen zu beantragen, bewirken, dass sich jede der Instanzen über Jahre hinziehen kann276. Da die Berufungs- und Revisionshürden äußerst niedrig sind277, ist praktisch in jedem Verfahren mit einem vollständigen Instanzenzug zu rechnen. Ist ein rechtskräftiges Urteil erstritten, steht im Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Widerspruch schließlich ein weiteres Instrument zur Verzögerung des Verfahrens zur Verfügung278. tete Strategie zur Förderung des Finanzmarkts verfolgen und die Marktakteure effizienter überwachen zu können. Soweit auf die Kapitalmarktaufsicht während der Zeit vor der Bildung der EFSA Bezug genommen wird, soll aus Gründen der Einfachheit einheitlich von der EFSA gesprochen werden. 274 Zwar soll die behördliche Genehmigung nach Al-Rahîm, Al-qânûn al-tijârî almisrî, S. 386, gerade keine abschließende Zertifizierung und Legitimierung der Maßnahme darstellen, vom Rechtsverkehr dürfte sie de facto jedoch als solche verstanden werden. 275 El-Dean, Privatisation, S. 219 ff.; Brown, The rule of law in the Arab world, S. 221 ff.; vgl. ebenso die frühen Werke Hill, Mahkama!, S. 17 ff. Das ägyptische Gerichtssystem hat in den meisten arabischen Staaten Modell gestanden hat, so dass sich die Ausführungen in der Literatur zuvorderst mit ihm auseinandersetzen, die Erkenntnisse jedoch übertragen werden können. Eine Ausnahme gilt wiederum für Saudi-Arabien, wo die Gerichtsbarkeit in effektenrechtlichen Streitigkeiten eigens hierfür errichteten (behördenartig strukturierten) Schiedsstellen zugewiesen ist, die vergleichsweise effizient organisiert sind: Über sämtliche Anträge wird spätestens in dem auf den Antrag folgenden Jahr entschieden, oftmals sogar früher. In der Berufungsinstanz vor dem Appeal Panel wird etwa ein Drittel der Fälle im Antragsjahr entschieden, die verbliebenen Fälle im Folgejahr, Saudi-Arabische Kapitalmarktbehörde, Annual Report, 2007, S. 94 f. Ausführlich zum Rechtsschutz vor den Schiedsstellen S. 701 ff. 276 El-Dean, Privatisation, S. 222 f.; Al-Hamîd, Waqf wa-butlân, S. 108. 277 Vgl. Art. 219 ff., 248 ff. ägyptische ZPO. 278 El-Dean, Privatisation, S. 222 f.

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Freilich ließe sich fragen, warum all diese Probleme, die auch in einfachen zivilrechtlichen Streitigkeiten auftreten, die Prozessfreudigkeit im Bereich des Zivilrechts nicht verhindern. Der Grund ist in der Schnelllebigkeit des Wirtschaftsverkehrs zu suchen, für den sich eine derartige Prozessdauer in besonderem Maße als ungeeignet erweist. Zudem ist die Austragung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten vor Gericht für Kleinaktionäre schon deshalb unattraktiv, da auch die obsiegende Partei de facto ihre Anwaltskosten zu zahlen hat279 und diese das materielle Interesse am Obsiegen bei niedrigen Beteiligungswerten meist übersteigen. Ein bedeutender Faktor für die geringe Inanspruchnahme wird zudem in der unzureichenden Erfahrung der Zivilrichter in gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen gesehen280. Da das Gesellschaftsrecht im juristischen Studium keinen Ausbildungsgegenstand darstellt und ein junger ägyptischer Richter zunächst sieben Jahre bei der Staatsanwaltschaft verbringt, bevor er den Zivilgerichten zugewiesen wird, kommt er mit dem Gesellschaftsrecht vor der Aufnahme des Richteramts kaum in Berührung. Weiterhin gibt es in den meisten arabischen Staaten keine speziell für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständigen Kammern, an denen sich eine besondere Expertise herausbilden kann281. Das Vertrauen in die Urteilskompetenz der Zivilgerichte ist im Bereich des Unternehmensrechts entsprechend gering282. In Ägypten wurde mit der Einrichtung sog. Wirtschaftsgerichte283 279 Art. 184 f. der ägyptischen ZPO zufolge hat die besiegte Partei die Anwaltskosten zwar dem Grunde nach zu zahlen, der Anspruch ist jedoch auf eine niedrige und vom Richter festgesetzte Anwaltsgebühr beschränkt, welche die tatsächlichen Anwaltskosten bei weitem nicht abdeckt, siehe Brown, The rule of law in the Arab world, S. 225; in den anderen Staaten ist die Situation nicht anders, vgl. nur Art. 133 em.ZPO. 280 El-Dean, Privatisation, S. 225 f. 281 Grundlegend zum ägyptischen Gerichtssystem, an dem sich die Systeme in den meisten übrigen Staaten orientieren Hill, Mahkama!. 282 Brown, The rule of law in the Arab world, S. 224 f., fasst die Situation mit den Worten zusammen: „With civil procedures working slowly and uncertainly, court fees often fixed according to the size of a dispute (and thus potentially quite significant for large cases), judges unaware of business practice, and court-employed experts overburdened and often little more aware of standard business practices than judges, few business leaders have much confidence in the courts“. 283 Das Gesetz Nr. 120/2008 (al-jarîda al-rasmiyya Nr. 21 vom 22. Mail 2008) begründet eine Sonderzuständigkeit der sog. Wirtschaftsgerichte (mahâkim al-iqtisâdî) für sämtliche wirtschaftsrelevanten Streitigkeiten (Art. 4 des Gesetzes Nr. 120/2008). Aussagekräftige Erfahrungen über die Akzeptanz der Gerichte lassen sich bislang noch nicht treffen. In der Lehre und Richterschaft wird ihre Einführung jedoch heftig kritisiert: Neben verfassungsrechtlichen Bedenken sieht sich die Reform dem Einwand ausgesetzt, dass sie die Ausbildung der Richter in keiner Weise adressiert (Egypt News, Egypts new economic courts begin its work, 16. Oktober 2008). Ihre Expertise erlangen die Richter somit nach wie vor nur über ihre Gerichtstätigkeit, weshalb ein gewisser Zeitraum vergehen dürfte, bevor die Gerichte Akzeptanz unter den Marktteilnehmern finden.

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jüngst ein Reformschritt unternommen, um dieses Problem zu lösen; angesichts der Skepsis gegenüber der Reform auf Seiten der Kommentatoren284 bleibt jedoch abzuwarten, ob hiervon nennenswerte Verbesserungen ausgehen werden. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass jedenfalls derzeit noch vielfach auf außergerichtliche Instrumente der Rechtsdurchsetzung – sei es die Anrufung von Schiedsgerichten oder wirtschaftlichen und politischen Druck – zurückgegriffen wird, um langwierige und teure Gerichtsverfahren zu vermeiden. Vor allem Anfechtungsklagen von Aktionären gegen rechtswidrige Strukturmaßnahmen auf Grundlage des Art. 76 Abs. 1 GesG285 sind in den arabischen Staaten vergleichsweise selten – zumal ein Ausweichen auf die Schiedsgerichtsbarkeit in diesem Bereich mangels Vergleichsbefugnis wohl nicht möglich sein dürfte286. c) Kompensation der Effizienzprobleme durch die Aufsichtsbehörden Ob die Prüfungskompetenzen der Aufsichtsbehörden ausreichen, um die geringe Bedeutung der Gerichte bei der Umsetzung der Unternehmensrechtsordnung zu kompensieren, dürfte im Ergebnis zweifelhaft sein. Zum einen ist die Möglichkeit der Behörden, die Ineffizienzen der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung zu kompensieren, infolge des punktuell auf Satzungsänderungen und die Ausgabe von Effekten konzentrierten Durchsetzungsinstrumentariums allein auf konkrete und nur sporadisch auftretende Situationen im Leben der Gesellschaft beschränkt. Auch wenn es häufig Strukturänderungen und die Begebung von Effekten sind, die den Ausgangspunkt gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten bilden, so kann immer noch eine signifikante Bandbreite von Konflikten – all diejenigen, die nicht mit genehmigungspflichtigen Maßnahmen im Zusammenhang stehen – von den Behörden grundsätzlich nicht adressiert werden. Gewissen Schutz vermag lediglich ein im KMG geregeltes und vor der Finanzaufsicht durchgeführtes Verfahren zur Aussetzung missbräuchlicher Hauptversammlungsbeschlüsse bieten, das den Aktionären auch außerhalb von Strukturmaßnahmen zur Verfügung steht287. Zum anderen ist zu bedenken, 284

Vgl. nur Egypt News, Egypts new economic courts begin its work, 16. Oktober

2008. 285

Der Norm zufolge kann ein Hauptversammlungsbeschluss angefochten werden, wenn er gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt, siehe § 2 Fn. 220. 286 Interessanterweise werden in der Praxis jedoch auch für Streitigkeiten aus dem Anleiherechtsverhältnis keine Schiedsklauseln vorgesehen. Der Grund dürfte sein, dass die Emittenten eine Zuständigkeit der Gerichte aufgrund der Möglichkeiten der Verfahrensverzögerung gerade bevorzugen und der Markt bislang keinen anderen Standard durchsetzen konnte. 287 Bei dem Rechtsschutzverfahren nach Art. 10 Abs. 2 KMG handelte es sich ursprünglich um ein Anfechtungsverfahren, das neben die aktienrechtliche Beschlussanfechtung nach Art. 76 GesG (§ 2 Fn. 220) trat. Eine Anfechtung von Hauptversamm-

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dass auch dort, wo die Streitfrage Gegenstand einer Genehmigung und damit eine Prüfung möglich ist, immer die ex ante-Situation in einem Massenverfahren besteht, die stets nur einen flüchtigeren Blick erlaubt, als er im konkreten subjektiven Streitverfahren und ex post möglich ist288 – ein Aspekt, auf den im Rahmen der systematischen Prüfung des Aufsichtsverfahrens vertieft eingegangen werden wird. 5. Interdependenz von Normativität und Faktizität Betrachtet man die kulturelle Distanz zwischen dem traditionellen arabischen Unternehmertum und dem durch und durch technisierten positiven Wirtschaftsrecht im Zusammenhang mit Friedmans Erkenntnis, dass ein capitalist law systemimmanente Bedingung der capitalist economy ist289, so scheint sich zunächst ein ernüchternder Befund aufzudrängen. Denn ist die Ablehnung des Rechts kein spezifisch juristisches Problem, sondern notwendige Folge einer kulturell bedingten Ablehnung des Wirtschaftssystems, das sich aufgrund der Komplexität der Lebenssachverhalte, der systeminhärenten Anforderungen eines Kapitalmarkts und der internationalen Einbindung der Volkswirtschaft im Kern nicht verändern lässt, so ist in Frage gestellt, ob das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsordnung und Gesellschaft durch kulturell adäquate Anpassungen des Rechts überhaupt aufgelöst werden kann. Die Probleme und Risiken eines rechtlich forcierten Wandels illustriert der aus der Institutionenökonomie stammende Gedanke der Pfadabhängiglungsbeschlüssen in diesem Verfahren war möglich, wenn der Hauptversammlungsbeschluss einen Vorteil oder Nachteil für eine bestimmte Gruppe von Aktionären vorsah und mindestens 5 Prozent des Kapitals das Verfahren initiierten. Spruchkörper war eine bei der Kapitalmarktbehörde gebildete Schiedsstelle, an deren Entscheidung sich das allgemeine Verfahren vor den Zivilgerichten anschloss. Dem Schiedsverfahren war zudem nach Art. 10 Abs. 1 KMG ein zwingend durchzuführendes Eilrechtsverfahren bei der Kapitalmarktbehörde vorgelagert, über das ein Ausschuss der Behörde entschied. Zusätzlich war die Schiedsstelle nach Art. 52 ff. KMG in allen effektenbezogenen Streitigkeiten vor dem Beschreiten des Rechtswegs anzurufen. Im Jahr 2002 urteilte das ägyptische Verfassungsgericht (Urteil Nr. 55 des Gerichtsjahrs 23, al-jarîda al-rasmiyya Nr. 4 vom 24. Januar 2002, S. 26 ff.), dass das Schiedsverfahren wegen Verkürzung des in Art. 68 Abs. 1 der ägyptischen Verfassung gewährleisteten Rechts auf den „natürlichen Richter“ (al-qâdî al-tabî`î) verfassungswidrig sei. Da das Eilverfahren nach Art. 10 Abs. 1 KMG jedoch weiterhin Bestand hatte, entwickelte die Finanzaufsicht das Verfahren implizit zu einem Hauptsacheverfahren weiter, bis der Widerspruchsausschuss der EFSA diese Praxis einschränkte. Formal fungiert Art. 10 Abs. 1 KMG heute nur noch als Eilverfahren, an das sich die Anfechtungsklage nach Art. 76 GesG anschließt. Angesichts der langjährigen Prozessdauer hat ein Aussetzungsbeschluss nach Art. 10 Abs. 1 KMG jedoch faktisch oftmals die Wirkung eines Urteils. 288 Ausführlich S. 187 f. 289 S.o. auf S. 36 f.

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keit. Er besagt, dass bei einer Entwicklung, die zu mehreren Ergebnissen führen kann, das sich einstellende Ergebnis jeweils davon abhängt, welchen Weg die Entwicklung historisch genommen hat290. Auf die Entwicklung von Rechtssystemen übertragen beschreibt das Modell, dass die Richtung einer Entwicklung aus kulturellen, sozialen und strukturellen Gründen vorgegeben sein kann, da die Abweichung vom eingeschlagenen Weg Kosten verursacht, welche die Vorzüge der Übernahme eines abstrakt effizienteren Systems an Vorzügen übersteigen291. Hieraus lässt sich folgern, dass es mitunter vorteilhaft sein kann, auf die Rezeption eines neuen Systems auch dann zu verzichten, wenn es sich isoliert betrachtet als überlegen erweist. Für die hiesige Untersuchung wirft dies die Frage auf, ob der Adaptionsprozess derart schwerfällig verläuft, dass gesellschaftliche Widerstände, Ineffizienzen und Reibungsverluste die Wohlfahrtsgewinne eines marktorientierten Wirtschaftssystems aufzehren, ohne dass dies durch rechtliche Anpassungen kompensiert werden kann. Wie selbst die Vertreter der Pfadabhängigkeitslehre bescheinigen, sind Pfadabhängigkeiten freilich keine Determinismen292. Sie können nur als graduelles293 Phänomen verstanden werden, das in engem Austausch mit der Normativität steht. Wie die Rechtssoziologie lehrt, ist das Verhältnis von sozialer Realität zum gesetzten Recht (und zum Wirtschaftssystem) kein statisches, sondern unterliegt Fluktuationen, die in einem Interdependenzverhältnis zwischen der rechtskulturellen Sphäre und dem positiven Recht begründet sind294. „Kontext und Universalität“ bilden ein Spannungsverhältnis, das sich „argumentativ-theoretisch“ nicht lösen lässt295 und damit sowohl der Annahme einer kulturell determinierten Pfadabhängigkeit als auch einseitigen Konvergenzvorstellungen entgegensteht. Diese Ackermann, Pfadabhängigkeit, S. 11. Grundlegend North, Theorie des institutionellen Wandels, S. 100; Ackermann, Pfadabhängigkeit; Heine, Regulierungswettbewerb im Gesellschaftsrecht; im Hinblick auf Corporate Governance Systeme Bebchuk/Roe, 52 Stan. LR (1999) 127; Schmidt/Spindler, 5 International Finance (2002) 311. 292 Beyer, Pfadabhängigkeit, S. 38. 293 Entsprechend unterscheidet Roe (Roe, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 165, 169 ff.) zwischen schwacher, mittelstarker und starker Pfadabhängigkeit, wobei festzuhalten ist, dass er bei der Aufstellung dieser These historisch-induktiv vorgeht, um geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen zu erfassen, und nicht beansprucht, ein allgemeingültiges theoretisches Modell zu entwickeln. 294 Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 16, 265; Siems, Konvergenz der Rechtssysteme, S. 340; Knieper hält rezipiertes Recht zwar für bedeutungslos, wenn es nicht auf ein kulturelles Regelungsbedürfnis trifft, hält jedoch fest, dass der Kontext durchaus nur die „Ausgangslage“ sein kann, der rechtliche „Universalismus die Lösung, die sich irgendwann wieder kontextualisieren mag“, Knieper, Rechtsreformen entlang der Seidenstraße, S. 32, 34. 295 Knieper, Rechtsreformen entlang der Seidenstraße, S. 32. 290 291

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soziokybernetische Hypothese der Wechselwirkung zwischen law of fact und fact of law296 ist für die hiesige Untersuchung von entscheidender Bedeutung: Sie impliziert, dass Divergenzen zwischen positivem und gelebtem Recht überwunden werden können und einer gegenseitigen Konvergenz zugänglich sind, ohne dass hieraus Ergebnisgleichheit und Identität mit der Mutterordnung resultieren müssen297. Entsprechend lässt sich auch für die arabische Situation festhalten, dass der Befund zum spannungsgeladenen Verhältnis von Recht und Gesellschaft nur als eine Pointierung einzelner Phänomene auf der Makroebene des Rechts verstanden werden darf, die als Gegenstand eines langfristigen, ambivalenten Prozesses anzusehen sind, der keineswegs statisch verläuft. So zeugen auf der Mikroebene zahlreiche Reformprojekte der jüngeren Vergangenheit von einer zunehmenden Funktionsfähigkeit der marktregulierenden Institutionen und von einer größeren Akzeptanz der Vorgaben des Unternehmens- und Kapitalmarktrechts. Genannt seien hier etwa die erfolgreiche Implementierung eines dematerialisierten Effektenwesens, die Verschärfung der Vorschriften zum Delisting, die Ausweitung und verbesserte Durchsetzung der Publizitätspflichten und die Einführung einer marktorientierten Bewertung von jungen Emittenten298. Parallel zu den Reformen des materiellen Rechts erfolgten eine Reorganisation der Aufsichtsbehörden und die Einrichtung von elektronischen Informationsdiensten299. Deutlich nachzeichnen lässt sich die Entwicklung auch anhand der Weiterentwicklung des Marktes für Finanzdienstleistungen: Binnen der letzten Dekade entstand eine ganze Branche von professionellen Finanzintermediären, Fondsgesellschaften und Rechtsberatern mit international ausgebildeten Spezialisten, die ein eindrucksvolles Zeugnis des Wandels abgibt, der die arabische Unternehmensrechtskultur erfasst hat. Einen weiteren Ausdruck hat dieser in der Anlegerstruktur gefunden: So wurde einerseits Kleinanlegern der Zugang zum Markt erleichtert, woraus eine größere öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber den Entwicklungen an der Börse und das wachsende Engagement der Mittelschicht auf dem Kapitalmarkt resultierte300. Andererseits traten im Zuge der Liberalisierung der Rehbinder, Rechtssoziologie, S. 1 f. Die Entwicklung dürfte somit irgendwo zwischen dem „end of history of corporate law“, wie es Konvergenztheoretiker aufgrund des Erreichens des US-amerikanischen aktionärsorientierten und dispersed ownership Governance-Modell vorhersagen (vgl. Hansmann/Kraakman, 89 Geo. LJ (2000) 439), und einer aus kulturellen oder wirtschaftlichen Gründne unüberwindbaren Pfadabhängigkeit verlaufen. 298 Vgl. S. 543 ff. (zum dematerialisierten Effektenwesen); § 2 Fn. 631 (zum Delisting); S. 193 ff. (zu Publizitätspflichten); S. 142 ff. (zum Bookbuilding). 299 Vgl. S. 193 f. 300 Nach der anhaltenden Hausse von 2002 bis 2005 zogen ägyptische Börsengänge allein im Jahr 2005 über 200.000 neue Kleinanleger an, die zu 70 Prozent des Handel296 297

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Märkte zunehmend institutionelle Investoren an den arabischen Börsen auf, die das Reformtempo wiederum erhöhten und die Professionalisierung der Branche vorantrieben301. In besonderem Maße drückt sich dies – wie noch wiederholt zu sehen sein wird302 – in den Methoden und der Regulierung der Preisfestsetzung aus. Betrachtet man die Entwicklung und Verrechtlichung der arabischen Märkte während der vergangenen Jahre aus diesem Blickwinkel, so werden die zur kulturellen Pfadabhängigkeit auf dem Gebiet des Unternehmensrechts getroffenen Aussagen wieder relativiert. Als zentrale Herausforderung verbleibt jedoch nach wie vor die Frage, auf welchem Wege eine weitere Harmonisierung zwischen beiden Rechtsebenen erreicht werden kann. Dass sie pauschal nicht zu beantworten ist, liegt angesichts der Komplexität der juristischen Materie und der unterschiedlichen sozialen Lebenssachverhalte auf der Hand. Sich ihr anzunähern ist im Ergebnis nur über einen methodischen Ansatz möglich, der auf einer konsequenten Berücksichtigung der spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse des Rezipienten beruht303. Ihnen soll daher im Verlauf der systematischen Untersuchung des positiven Rechts besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

C. Rechtshistorische Grundlagen Dass im Spannungsverhältnis der Rezeption fremden Rechts und eigener Identitätsfindung in einem einhundertfünfzigjährigen Prozess Brüche und gegensätzliche Entwicklungen stattfinden, die bis auf den heutigen Tag wirken, liegt auf der Hand: Die Konflikte zwischen nationalen und ausländischen Interessen; der Einzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die unvorbereiteten Agrarstaaten; die Kollision einer abstrahierenden Wirtschaftsverfassung mit den personenbezogenen Grundvorstellungen der islamischen Wirtschaftsordnung; das innere Ringen zwischen Herrscherhäusern, Wirtschaftsoligarchen und religiösen Interessengruppen um die Macht; diese und weitere Faktoren bewirkten, dass die Entwicklung der modernen Wirtschaftsrechtsordnungen in vielen arabischen Ländern und sumsatzes beitrugen, Al-Ahram Weekly, Never felt better, 29. Dezember 2005 – 4. Januar 2006. 301 Zur Rolle von Finanzinvestoren bei der Entwicklung des Finanzmarkts und des Rechts siehe Gerke/Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), The Changing Role of Institutional Investors, S. 377 ff. 302 Zur Bedeutung von Finanzinvestoren für die marktorientierte Festsetzung des Ausgabekurses von Aktien siehe S. 142 ff., 239 ff., 601 ff., 660 ff. 303 Siehe auch Knieper, Rechtsreformen entlang der Seidenstraße, S. 33 f.

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namentlich Ägypten nicht als linearer Prozess verlief, sondern als Wechselspiel von Annäherung und Entfremdung zwischen Gesellschaft und Recht, das von der Suche nach der eigenen Position im System der Wirtschafts- und Rechtsordnungen zeugt. I. Historie des ägyptischen Aktienrechts Die Historie des modernen ägyptischen Aktienrechts lässt sich recht klar in drei große (rechts-)politische Epochen einteilen: diejenige der gemischten Gerichte, pointiert auch als „époque européene“304 bezeichnet (hierzu 1.), die Ära Nasser (siehe 2.) und die bis heute andauernde Phase der wirtschaftlichen Öffnung, der sog. infitah (hierzu 3.). Die politisch zur Phase der wirtschaftlichen Öffnung gehörende Wiederentdeckung und Entwicklung des Kapitalmarkts soll infolge der mit ihr einhergehenden rechtlichen Zäsur gesondert unter 4. betrachtet werden, auch wenn sie die konsequente Fortsetzung der infitah bildet und ihr ideologisch zuzuordnen ist. 1. Die Epoche der gemischten Gerichte Wie im Zuge der Darstellung der Rezeption des französischen Zivil- und Wirtschaftsrechts beschrieben wurde, beruhte das System der gemischten Gesetze und Gerichte auf der Privilegierung ausländischer Personen gegenüber der ägyptischen Bevölkerung und Gesellschaften. Die rechtstechnischen Defizite und rudimentären Strukturen der aktienrechtlichen Vorschriften305 des gemischten HGB erwiesen sich entsprechend als ungeeignet, die ausländischen Gesellschaften einer effizienten judiziellen Kontrolle zu unterstellen. Zwar unterwarf das gemischte HGB die Gesellschaftsgründung in Orientierung am (bei Erlass des gemischten HGB bereits veralteten306) französischen HGB von 1807 einem strengen Konzessionssystem307, zwei Mechanismen bewirkten jedoch, dass sich das ausländische Kapital nach wie vor weitgehend frei und schrankenlos organisieren konnte. Wie bereits dargestellt wurde, richtete sich die Zuständigkeit der gemischten Gerichte308 nach der mediatisierten Herkunft des Kapitals, das nach wie vor fast ausnahmslos aus Europa zugeführt wurde309. Befand sich also – wie es lange Zeit in allen Gesellschaften der Fall war – auch nur eine Aktie in ausländischer Hand, entschieden mehrheitlich ausländische Richter. Zum anderen folgten die gemischten Gerichte bis zu einem Urteil der Cour Mixte d’Alexandrie aus dem Jahr 1908 der Gründungstheorie, so 304 305 306 307 308 309

Ducruet, Les capitaux européens au Proche-Orient, S. 1. Diese befanden sich in den Art. 38 ff. gemischtes HGB. Siehe S. 15. Art. 46 gemischtes HGB. Edge, 34 Clev. St. L. R. (1985–1986) 129, 131. Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 22.

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dass im Ausland gegründete Gesellschaften – in aller Regel britische joint stock companies, deren Statuten durch den Companies Act von 1844 und den Limited Liabilities Act von 1855 grundlegend liberalisiert worden waren310 – lange Zeit sogar der Kontrolle durch die gemischten Gerichte selbst entzogen waren311 – eine Situation, die mit Schwindelgründungen, Spekulationsblasen und Finanzkrisen einherging312. Ein deutlicher Beleg für die Übermacht der ausländischen Gesellschaften313 ist die Tatsache, dass die Gründungsvorschriften des indigenen HGB von 1883 erstmals im Jahr 1920 im Zuge der Gründung der Banque Misr S.A.E. durch den bedeutenden ägyptischen Industriellen Tala`at Harb zur Anwendung gelangten314, bis zu diesem Zeitpunkt also keine rein ägyptischen Aktiengesellschaften existierten. Umso höher ist der Stellenwert dieses Ereignisses jedoch einzuordnen: Es war nicht nur Vorbote der am 22. Februar 1922 folgenden formalen Unabhängigkeit Ägyptens von Großbritannien315, sondern ist auch als erstes Anzeichen eines langsam erwachenden nationalen Selbstbewusstseins und einer zunehmenden Betonung ägyptischer Interessen in der Aktienrechtsgesetzgebung zu deuten, die immer strengere Ägyptisierungsregeln hervorbrachte und gut 35 Jahre später und nach der Machtübernahme durch die Freien Offiziere in die Verstaatlichung der ägyptischen Kapitalgesellschaften mündete. 2. Ägyptisierung und die Ära Nasser Den Ausgangspunkt der gesetzlichen Ägyptisierung der Aktiengesellschaften bildete das Dekret vom 18. Juli 1923, das über das Instrument der Mustersatzung der Aktiengesellschaft eine ägyptische Mindestbeteiligung von einem Viertel des Grundkapitals und die Besetzung des Verwaltungsrats 310 Hicks/Goo, Cases and materials on company law, S. 101; Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 243; Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 35. 311 Vgl. Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 86, mit Hinweis auf Consorts Zogheb v City & Agricultural Lands of Egypt Ltd., Gemischtes Berufungsgericht Alexandria v. 6. Januar 1908, MCA, 29. April 1908. Zu den politischen Hintergründen siehe ferner Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 96 ff. In dieser Funktion drücken sich die Motive hinter der Entwicklung der Gründungstheorie aus: Sie war ein Instrument der Kolonialstaaten und Handelsnationen, ihren Gesellschaften auch im Ausland, das meist keinen eigenen Rechtsrahmen für die Gesellschaften vorsah, ein verlässliches Regelwerk an die Hand zu geben, vgl. Schön, 42 Common Mkt. L. Rev. (2005) 331, 332; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 1 Abs. 2. 312 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 87 f., 98; Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 85 f. 313 1914 befanden sich 91 Prozent des Kapitals in ausländischem Eigentum, 1933 waren es immer noch 84 Prozent, Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 20 f. 314 Bonné, State and economics in the Middle East, S. 285 ff. 315 Gershoni/Jankowski, Egypt, Islam, and the Arabs, S. 40.

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mit mindestens zwei Ägyptern einführte316. Dank der rudimentären Publizitätspflichten und Kontrollinstrumente konnten sich die ausländischen Gesellschaften der Finanzierungsregel jedoch durch anschließende Kapitalerhöhungen vielfach entziehen317. Dass es in den folgenden zwei Dekaden dennoch zu einer teilweisen Ägyptisierung der Aktiengesellschaften kam, ist weniger auf rechtliche denn auf weltpolitische Ursachen zurückzuführen – die Weltwirtschaftskrise und den Beginn des Zweiten Weltkriegs, die einen weitgehenden Abzug des ausländischen Kapitals bewirkten318. Ein weiterer Vorstoß der formalrechtlichen Ägyptisierung erfolgte durch das Gesetz Nr. 138/1947319, dessen Art. 6 neben anderen Instrumenten eine ägyptische Mindestbeteiligung an neugegründeten Gesellschaften von 51 Prozent des Grundkapitals vorsah. Bei der Umsetzung dieses Ziels ging der Gesetzgeber jedoch zu weit: Um mittelbare Kontrollbeteiligungen mit ausländischem Kapital auszuschließen, wurde allen Kapitalgesellschaften unabhängig von der Zusammensetzung ihres Gesellschafterkreises die Eingehung von Mehrheitsbeteiligungen an Neugründungen untersagt, was in der Konsequenz zu einem dramatischen Rückgang von Gründungsaktivitäten führte, da natürliche Personen mit ägyptischer Nationalität nunmehr die Mehrheit des Grundkapitals zeichnen mussten320. Die 1952 beginnende Herrschaftsperiode der Freien Offiziere, die von 1954 an von Oberst Nasser (Jamâl `Abd al-Nâsir) angeführt wurden, erlebte zwei sehr unterschiedliche Phasen. In ihren ersten Zügen ist sie paradoxerweise ein Ausweis zaghafter wirtschaftlicher Liberalität321, die sich einerseits in der umgehenden Herabsetzung der ägyptischen Mindestbeteiligung auf 49 Prozent des Gesellschaftskapitals322, andererseits in dem zwei Jahre später erlassenen Gesellschaftsgesetz Nr. 26/1954 manifestierte, der wohl ersten umfassenden rein gesellschaftsrechtlichen Kodifikation der

Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 158. Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 26; Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 161. 318 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 147 ff., Tignor, Economic change in Egypt, S. 189. So wurden 79 Prozent der Neuemissionen zwischen 1933 und 1948 zugunsten von Ägyptern durchgeführt, in deren Folge 39 Prozent des Kapitals der Aktiengesellschaften von Ägyptern gehalten wurde. 319 Al-waqâ´i` al-misriyya Nr. 72 vom 4. August 1947. 320 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 185 321 Vgl. Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 386; O'Brien, Revolution in Egypt's economic system, S. 68 ff.; Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 32 f. 322 Unter dem Eindruck der schwindenden Zahl von Neugründungen setzte der ägyptische Gesetzgeber durch Gesetz Nr. 120/1952 die Beteiligungsschwelle wieder auf 49 Prozent herab und behandelte nunmehr auch in Ägypten gegründete Kapitalgesellschaften als ägyptische Person i.S.v. Art. 6 des Gesetzes Nr. 138/1947, vgl. auch Zohny, 16 ALQ (2001) 106, 109; Moustafa, The struggle for constitutional power, S. 85. 316 317

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arabischen Welt323. Ihr Ziel war es, die Machtbasis der Gesellschaften, die durch ihre Großaktionäre bislang durch Höchststimmrechte, intransparente Verfahrensabläufe und einen Mangel an Kontrollinstrumenten nach Belieben geführt werden konnten, zu verbreitern und heterogenisieren324. Wie sich zeigen sollte, blieben die Effekte, die von der Modernisierung der Binnenorganisation der Aktiengesellschaft und der Stärkung der Aktionärsrechte erhofft wurden, jedoch aus; der Gesetzgeber schien die Kräfteverhältnisse in den Gesellschaften und die Machtkonzentration in der ägyptischen Wirtschaft auf rechtlichem Wege nicht brechen zu können325. Die liberale Phase währte entsprechend nicht lange; zu groß war einerseits das wirtschaftliche, politische und psychologische Bedürfnis nach einer Kompensation der Erfahrungen unter den gemischten Gerichten, die erst im Jahr 1949 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung ihre Arbeit einstellten, zu enttäuschend andererseits die Resultate der Ägyptisierung der Aktiengesellschaften, die einigen wenigen ägyptischen Wirtschaftsoligarchen zu Macht und Reichtum verhalf, ohne die sozialen Probleme im Land zu lösen. Mit der Verstaatlichung der Suez-Kanal-Gesellschaft im Jahr 1956 wurde der Grundstein für die Enteignung des Aktienkapitals gelegt, die bis 1961 nahezu 90 Prozent der ägyptischen Aktiengesellschaften erfasste, darunter sämtliche Banken und Versicherungen des Landes326. Die wirtschaftlichen Folgen des „arabischen Sozialismus“ (al-ishtîrâkiyya al`arabiyya)327 waren fatal. Die Durchdringung der vormals effizient arbeitenden Aktiengesellschaften durch den bürokratischen Staatsapparat, mit der eine Entmachtung der westlich orientierten Unternehmer und Führungskräfte einherging, sowie ein „Labyrinth von Kontrollen, Vorschriften und politischen Direktiven“ versetzten die Volkswirtschaft in einen Zustand der Lähmung und Lethargie, der ihren rapiden Niedergang begründete.328

323 Ausführlich zur rechtshistorischen Entwicklung unter den „Freien Offizieren“ Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 183 ff. 324 Detailliert zu den verschiedenen Maßnahmen Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 406. 325 Ausführlich Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 40 f. 326 Sayigh, The economies of the Arab world, S. 368, mit einer Darstellung der rechtlichen Grundlagen der Verstaatlichung der Aktiengesellschaften und weiteren Privatvermögens; Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 45 m.w.N. 327 Der Begriff hat sich für das wirtschaftspolitische Programm der Regierung Nasser eingebürgert, obwohl er von der damaligen politischen Führung aufgrund der engen Konnotation zur kritisch betrachteten Doktrin des marxistisch-leninistischen Klassenkampfs abgelehnt wurde, vgl. Ginat, Egypt's incomplete revolution, S. 186. 328 Roy, 10 Ga. J. Int'l & Comp. L. (1980) 271, 293.

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64 3. Infitah

Mit dem Tod Nassers im Jahr 1970 und dem Amtsantritt des dritten ägyptischen Präsidenten, Anwar al-Sâdât, entstand erstmals seit über einer Dekade wieder eine politische Atmosphäre, die eine Abkehr von der sozialistischen Wirtschaftspolitik erlaubte. Die anfangs noch sehr vorsichtige Politik der wirtschaftlichen Öffnung – im Arabischen als siyâsat al-infitah aliqtisâdî329 bezeichnet – erfolgte zunächst noch auf der Grundlage des bestehenden GesG von 1954, das lediglich von allzu restriktiven Vorschriften und sozialistisch geprägten Nebengesetzen befreit wurde – eine Vorgehensweise, die bei den reformorientierten Kräften auf erhebliche Kritik stieß. Aufgrund der Beibehaltung der Ägyptisierungsregeln, der geringen Regelungsdichte des Gesetzes, fehlender Regelungen über die Auflösung, Verschmelzung und Umwandlung von Gesellschaften, eines fragmentarischen Aktionärs- und Gläubigerschutzes und der veralteten Verbandsorganisation wurde dem Gesetz nicht nur vorgeworfen, eine „mehr oder weniger zufällige Zusammenstellung von Regeln“330 zu bilden, sondern auch eine ungeeignete Rechtsgrundlage für einen Neubeginn der Wirtschaftspolitik zu bieten331. Der Versuch der Reformierung des Aktienrechts war nicht von klaren Schritten, sondern von Kompromisslösungen und Widersprüchen geprägt. Mit dem Investitionsgesetz Nr. 43/1974 schuf der Gesetzgeber zunächst ein Sonderregime für Investitionsgesellschaften, das für bestimmte definierte Gesellschaftszwecke332 weitreichende Steuervergünstigungen und Erleichterungen beim Gewinntransfer, beim Ex- und Import sowie der Beschäftigung von Arbeitnehmern vorsah333. Im Kontrast zu der vorhergehenden Ägyptisierungspolitik stand allerdings, dass der neue Typus der Aktiengesellschaft nicht nur von jeglichen Ägyptisierungsregeln befreit war, sondern darüber hinaus sogar allein ausländischen Investoren vorbehalten wurde. Anstatt einen einheitlichen Ausgleich zwischen beiden Polen – dem protektionistischen, „ägyptisierten“ Aktienrecht und dem System der Privilegierung ausländischer Investoren – zu suchen, schuf der Gesetzgeber also ein dualistisches System334. Nassâr, Sharikât al-amwâl, S. 24. Dilger, RabelsZ 1983, 176; ebenso bereits Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 91 f. Ausführlich Fahmî, 387 L'Égypte contemporaine (1982) 105, 110; Salacuse, Back to contract, S. 315, 328 ff.; Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 91 f. 332 Art. 1 ff. Gesetz Nr. 43/1974; hierzu Salacuse, 9 Int'l L. (1975) 647, 650 ff.; Stovall, 5 ALQ (1990) 124, 129. 333 Ausführlich Salacuse, 9 Int'l L. (1975) 647, 650; Stovall, 5 ALQ (1990) 124, 129. 334 Jedenfalls teilweise wurde diese widersprüchliche Rechtslage wieder bereinigt, indem die Investitionsgesellschaften später auch Ägyptern geöffnet wurden (Salacuse, Back to contract, S. 326). Paradox ist bis heute die Austarierung des Eigentumsschutzes vor staatlichen Enteignungen: Während Art. 8 des Investitionsgesetzes von 1974 Ver329 330 331

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Nachdem diese Reformschritte sichtbar keine Früchte trugen, suchte der Gesetzgeber die Lösung in der Neuorganisation der Kapitalgesellschaften und schuf mit dem Gesellschaftsgesetz Nr. 159/1981 das zentrale Regelungswerk der infitah. Ebenso wie das ZGB ist es in seinen Grundstrukturen sehr klar dem romanischen Rechtskreis zuzuordnen, wobei nur schwer zu beurteilen ist, ob sich das Gesetzeswerk vornehmlich das französische Recht (also das damals geltende loi sur les sociétés commerciales von 1966) oder die zu diesem Zeitpunkt modernste arabische Gesellschaftsrechtsordnung, das saudi-arabische Gesellschaftsgesetz Nr. M/6/1965 (1385H)335, zum Vorbild genommen hat, welches sich wiederum am kuwaitischen Gesellschaftsgesetz von 1961 orientiert: Da auch diese Kodifikationen französischen Ursprungs sind, ist eine klare Zuordnung nicht ganz einfach. Die ähnliche Struktur und – im Vergleich zum loi sur les sociétés commerciales – geringe Komplexität des ägyptischen Gesetzes deuten allerdings klar darauf hin, dass das saudi-arabische Gesetz jedenfalls signifikanten Einfluss auf das ägyptische Gesetz hatte. Von Interesse ist insoweit, dass auch das kuwaitische Gesetz maßgeblich aus der Feder von Sanhûrî stammt und somit in Ägypten fraglos Beachtung gefunden haben wird336: Nicht anders als die arabischen Zivilgesetzbücher müssen somit auch die Gesellschaftsrechtsordnungen zahlreicher arabischer Staaten, die sich am kuwaitischen, saudi-arabischen und ägyptischen Modell des Gesellschaftsgesetzes orientierten, als Teil des Wirkens und Lebenswerks von Sanhûrî verstanden werden. Mit der zentralen Säule der infitah-Politik wurden schließlich auch die Ägyptisierungsvorschriften eingeschränkt und Ausländern die Beteiligung an Aktiengesellschaften ermöglicht. Noch gezeichnet von den Folgen der gemischten Gesetze vermochte sich der ägyptische Gesetzgeber unter dem Beifall der Literatur337 jedoch nicht zu einer vollständigen Abschaffung der Ägyptisierungsregeln durchringen: Zu groß war noch die Sorge vor einem staatlichungen von Investitionsgesellschaften schrankenlos ausschließt, unterliegt die Enteignung übrigen Eigentums nach Art. 34 der ägyptischen Verfassung lediglich einem einfachen Gesetzes- und Richtervorbehalt, siehe S. 88. 335 Um-al-Qura Nr. 2080, 23. Juli 1965. 336 Edge, 34 Clev. St. L. R. (1985–1986) 129, 133.; Pearl, A textbook on Muslim law, S. 198; umfassend zur Rolle Sanhûrîs bei der Entwicklung des kuwaitischen Handels- und Zivilrechts Sfeir, 36 Am. J. Comp. L. (1988) 729, 752. Der Einfluss von Sanhûrî auf das kuwaitische Recht beruhte insbesondere auf seiner Tätigkeit in der Abteilung für Fatwa und Gesetzgebung des kuwaitischen Ministeriums für islamische Stiftungen und Justiz, vgl. S. 451 f. 337 Siehe nur den bedeutendsten Autoren dieser Zeit Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî al-muqâran, S. 8, sowie noch die Erstauflage von Al-Qalyûbî, Alsharikât al-tijâriyya, 1993, S. 176. Zu der stark am nationalen Wohl orientierten Grundstimmung der ägyptischen Literatur in den frühen Jahren der infitah siehe Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 99 Fn. 106.

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unkontrollierten Eindringen ausländischer Kapitalgeber in die etablierten Wirtschaftszweige außerhalb des Anwendungsbereichs338 des Investmentgesetzes. 4. Entstehung einer Kapitalmarktgesetzgebung Da sich die großen ägyptischen Gesellschaften nach den Reformen immer noch in der Hand des Staates befanden und dort weitgehend brachlagen, entstand auf Seiten der Regierung zunehmend der Wunsch, den öffentlichen Sektor in private Strukturen zurückzuführen und dem Staat gleichzeitig neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Als eines der zentralen Instrumente der Privatisierung wurde (neben Auktionen, Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, Joint Ventures oder auch der Liquidierung des Vermögens339) die Wiederbelebung des ägyptischen Kapitalmarktes angesehen, der sich unter dem GesG von 1981 kaum weiterentwickelt hatte und nur unzureichend reguliert war340. Der Aufbau des Kapitalmarkts und die Schaffung des Kapitalmarktgesetzes Nr. 95/1992 dienten somit einer ganz konkreten Zielsetzung und trugen entsprechend schnell Früchte: Die insgesamt 54 Gesellschaften, die im Zuge des Economic Reform and Structural Adjustment Programme von 1994 bis 2002 über den jungen ägyptischen Kapitalmarkt veräußert wurden, machten insgesamt ein Viertel aller privatisierten Gesellschaften des öffentlichen Sektors aus und zeugen von dem wesentlichen Beitrag des Kapitalmarkts zur Umstrukturierung der ägyptischen Wirtschaft341. Die letzte rechtspolitische Bastion der protektionistischen Epoche, die Ägyptisierungsregel des Art. 37 GesG, fiel schließlich durch das Änderungsgesetz Nr. 3/1998342. Die Reform stellte einen Wendepunkt dar, der psychologisch nicht geringer einzuschätzen ist als der Erlass des GesG selbst. Nach den traumatischen Erlebnissen in der Epoche der gemischten Gerichte wagte der ägyptische Gesetzgeber erstmals wieder, seine Wirt338 Dieser bemisst sich nach der Art und Form der Investition, der Herkunft des Kapitals und der konkreten Geschäftsaktivität, Art. 1 ff. Gesetz Nr. 43/1974; ausführlich Salacuse, 9 Int'l L. (1975) 647, 650 ff.; Stovall, 5 ALQ (1990) 124, 129. 339 Zum Umfang der einzelnen Maßnahmen Privatization Coordination Support Unit, Privatization in Egypt, Quarterly Review April–June 2002, S. 8. 340 Das GesG und die VOGesG verfügten mit Ausnahme einiger prospektrechtlicher Vorschriften über keine kapitalmarktrechtlichen Regelungen, während das BörsenG Nr. 161/1957 nur einige unzureichende Vorschriften über die Einrichtung der Börse enthielt. 341 Zum Umfang der einzelnen Maßnahmen Privatization Coordination Support Unit, Privatization in Egypt, Quarterly Review April–June 2002, S. 8. 342 Nassâr, Sharikât al-amwâl, S. 33; wie so häufig wurde die gesetzliche Änderung in der Ausführungsverordnung nicht nachvollzogen, die in Art. 11 VOGesG nach wie vor eine (nicht mehr anwendbare) Ägyptisierungsregel enthält.

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schaft internationalen Investoren und Konzernen vollständig zu öffnen und ihnen eine Vormachtstellung in den Aktiengesellschaften zu erlauben, ohne seine ordnungspolitischen Ziele gefährdet zu sehen. Mehr als ein halbes Jahrhundert hatte es gedauert, bis die Wunden, welche der Wirtschaftsimperialismus der europäischen Mächte geschlagen hatte, vollständig geheilt waren und die Republik von ihrer protektionistischen Industriepolitik breitflächig abrückte. Erst mit diesem Schritt war der durch die infitah eingeläutete Paradigmenwechsel abgeschlossen. Er ist das Ergebnis einer grundlegenden Veränderung der Perspektive, die nicht zuletzt auf das Wirken einer jungen, häufig im Ausland ausgebildeten Wirtschaftselite zurückgeht, die nach und nach an die Schaltstellen der Wirtschaftspolitik vordrang. Sie hat nicht die Leiden unter den gemischten Gerichten, sondern das Versagen des arabischen Sozialismus miterlebt und zeigte sich entsprechend bereit, das moderne ägyptische Unternehmensrecht an den Gesetzmäßigkeiten des Markts auszurichten. II. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien Mit der Erschaffung des saudi-arabischen Gesellschaftsgesetzes von 1965, das sich entgegen verschiedentlichen Mutmaßungen in der Literatur nicht am britischen343, sondern wie bereits angesprochen am romanisch geprägten kuwaitischen Recht344 orientierte, war schließlich die Grundlage für das ägyptische GesG von 1981 entstanden. Während zunächst das saudiarabische und anschließend das ägyptische GesG jeweils eine zusätzliche systematische Vertiefung und deutliche Erhöhung des Detailgrads erfuhren, nahm die Normdichte und Regelungskomplexität in den späteren Gesellschaftsgesetzen der weiteren arabischen Staaten345 – darunter auch die VAE und Jordanien – interessanterweise wieder ab. Der Hintergrund dieser Entwicklung beruht mutmaßlich auf der Tatsache, dass sich der emiratische, jordanische aber etwa auch der bahrainische und irakische Gesetzgeber jeweils am kuwaitischen und auch saudi-arabischen Gesetz mit seinen – im Vergleich zum ägyptischen Gesetz – rudimentäreren Strukturen orientiert haben.

So jedoch Hussainey/Al-Nodel, in: Tsamenyi/Uddin (Hrsg.), Corporate Governance in Less Developed and Emerging Economies, S. 39, 45, unter Berufung auf Shinawi/Crum, 6 International Journal of Accounting Education and Research (1971) 103. 344 Entgegen Hanson, 2 ALQ (1987) 272, 290, wurde das saudi-arabische Recht also nicht direkt vom ägyptischen Gesetz von 1954 direkt kopiert, sondern orientierte sich – wie bereits die Voranstellung des Personengesellschaftsrechts zeigt – am moderneren kuwaitischen Gesetz. 345 Dies gilt unter Vorbehalt des Maghreb, der sich traditionell unmittelbar und enger am französischen Recht orientiert. 343

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Während sich das ägyptische Gesellschaftsgesetz also als das am weitesten entwickelte in den untersuchten Jurisdiktionen erweist, ist die Situation im Bereich des Kapitalmarktrechts teilweise eine andere: Zwar hatte Ägypten zu Beginn der 1990er Jahre, als die Mehrzahl der arabischen Staaten also noch nicht über organisierte Kapitalmärkte verfügte346, seinen legislatorischen Vorsprung durch den Erlass des Kapitalmarktgesetzes zunächst weiter ausgebaut; als in Saudi-Arabien und Jordanien nach der Jahrtausendwende erstmals umfassende Kapitalmarktgesetze und Verordnungen über Wertpapierangebote erlassen wurden, war angesichts des höheren Maßes an systematischer Klarheit, dogmatischer Prägnanz und Praxistauglichkeit jedoch nicht zu verkennen, dass sie von den ägyptischen Erfahrungen und den Entwicklungen in der internationalen Kapitalmarktdebatte profitiert hatten. Dass die Entwicklung des modernen Aktienrechts auch in den VAE, Saudi-Arabien und Jordanien nie ganz einheitlich verlief, wurde eingangs bereits im Hinblick auf den Einfluss des islamischen Rechts angesprochen347 und soll an dieser Stelle nochmals anhand eines Beispiels aus dem jordanischen Recht, das infolge der britischen Kolonialherrschaft zunächst stark vom britischen Recht geprägt war, konkretisiert werden. In der Handels- und Gesellschaftsgesetzgebung drückte sich das Kolonialerbe noch im jordanischen Gesellschaftsgesetz Nr. 12/1964 deutlich aus, das eine Kombination aus der Palestine Companies Ordinance No. 18/1929 – ihrerseits eine Kopie des britischen Companies Act 1929348 – und des am französischen Recht ausgerichteten syrischen Handelsgesetzes Nr. 149/1949 bildete349. Unter dem Eindruck von Sanhûrîs jordanischer Zivilrechtskodifikation aus dem Jahr 1976 und aus dem Streben nach zivilrechtlicher Homogenität heraus erließ der jordanische Gesetzgeber im Jahr 1989 ein neues Gesellschaftsgesetz, das sich ungeachtet punktueller Anleihen am angelsächsischen Recht350 und eines eigenen Gesetzesaufbaus in seinen Grundzügen an den romanisch geprägten arabischen Gesellschaftsgesetzen orientierte und schließlich im Jahr 1997 durch ein neues, strukturell jedoch

Eine Übersicht über die Entstehung der arabischen Börsen findet sich bei Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 104. 347 Siehe die Ausführungen zum Einfluss des islamischen Rechts auf das saudiarabische Unternehmensrecht sowie die Gerichtspraxis in den VAE, S. 24 f., 49. 348 Bentwich, 5 J.C.L. & I.L. (1923) 170, 176 f.; Harris/Crystal, 10 Theoretical Inquiries in Law (2009) 561, S. 5 349 Al-`Akîlî, Al-sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-ûrdunî, 1995, S. 24 Fn. 1; AlRimawi, 9 J. Finan. Reg. & Compl. (2001) 253, 260. 350 Vgl. etwa die liberale Ausgestaltung des Bezugsrechts durch eine „opt in“Lösung, hierzu S. 641 f. 346

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vergleichbares Gesellschaftsgesetz ersetzt wurde351. Im Jahr 2002 erlangte das Ringen zwischen angelsächsischen und französischen Einflüssen unerwarteterweise neue Aktualität, als sich der Gesetzgeber zur Regulierung der „privaten“ und damit – entgegen anderer Annahme in der Literatur352 – nicht börsenfähigen Aktiengesellschaft (al-sharika al-musâhama al-khâsa) entschloss, die zu diesem Zeitpunkt in Jordanien nicht existierte und deren Rolle durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (al-sharika almas´ûliyya al-mahdûda) ausgefüllt wurde353. Während sich die Regeln über die „private“ Aktiengesellschaft in den übrigen arabischen Staaten von den Regeln über die „öffentliche“ Gesellschaft (deren Aktien also öffentlich angeboten wurden – al-sharikât al-musâhama al-`âmma) hinsichtlich Finanzverfassung und Binnenorganisation – wie auch in Deutschland – kaum unterscheiden, verfügt die jordanische private Aktiengesellschaft angesichts weitreichender Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer Aktien354 und nicht zuletzt der Möglichkeit des Rückkaufs von Aktien (sog. ashum 351 So schreibt Al-`Akîlî, Al-sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-ûrdunî, 1995, S. 24 Fn. 1, dass das Gesetz Nr. 22 von 1997 dem grundlegenden Erscheinungsbild nach den „arabischen Gesellschaftsgesetzen“ entspreche, die ihrerseits auf französisches Recht zurückgingen. Im Detail konstatiert er jedoch durchaus die zunehmende Transplantation angelsächsischer Elemente. 352 Entgegen anderweitiger Äußerungen im Schrifttum (Campbell, Legal Aspects of Doing Business in the Middle East, S. 192) ist die neu eingeführte private Aktiengesellschaft in Jordanien nicht börsenfähig, da nach Art. 2 jo.Listing-Regeln ausschließlich die sharika al-musâhama al-`âmma, also die „öffentliche“ Aktiengesellschaft (public joint stock company), an der Amman Stock Exchange notiert werden kann. Richtig ist jedoch, dass die private Aktiengesellschaft mangels gesellschaftsrechtlicher Beschränkung im Ausland an der Börse notieren kann. Nicht vollends klar ist, ob ihre Aktien in Jordanien öffentlich angeboten werden dürfen oder ob sie dann de iure zu einer öffentlichen Aktiengesellschaft wird. Während Art. 81bis b. jo.GesG erlaubt, die Titel auf „jede beliebige Weise“ anzubieten, geht Al-`Akîlî, Al-wasît fî al-sharikât al-tijâriyya, 2007, S. 364, davon aus, dass sich die Aktionäre „kennen“, also kein Streubesitz entsteht. Hierbei bezieht er sich zwar spezifisch auf die Gründung, wie üblich sind die Aussagen zur Gesellschaftsgründung jedoch auch auf Kapitalerhöhungen zu erstrecken. 353 Die private Aktiengesellschaft war zwar bereits im britisch geprägten Gesellschaftsgesetz Nr. 12/1964 verankert, wurde jedoch mit der Aufnahme der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in das Gesellschaftsgesetz Nr. 1/1989 wieder verdrängt, da eine Koexistenz zweier geschlossener Kapitalgesellschaften wohl für überflüssig gehalten wurde (vgl. auch Al-`Akîlî, Al-sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-ûrdunî, 1995, S. 24 Fn. 1). Interessanterweise enthielt bereits die eng am britischen Recht normierte Palestine Companies Ordinance von 1929 keine Regelungen über die private company, die schon im Jahr 1862 in das britische Recht eingeführt worden war, ohne dass die Rechtswissenschaft bislang eine lückenlose Erklärung dafür finden konnte, vgl. Harris/Crystal, 10 Theoretical Inquiries in Law (2009) 561, 573 ff. 354 Art. 68bis a, c jo.GesG lässt der Gesellschaft großen Spielraum bei der Ausgestaltung der Vorzugsaktien und räumt die Möglichkeit der Einführung von gewinnabhängigen Vorzugsdividenden ausdrücklich ein.

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qâbila li-l-istirdâd bzw. redeemable shares)355 über prototypische Merkmale des angelsächsischen Gesellschaftsrechts, die einen deutlichen Kontrast zum Kanon der übrigen romanisch geprägten Gesellschaftsformen und namentlich der öffentlichen Aktiengesellschaft bilden.

D. Grundlagen zur Entwicklung der arabischen Kapitalmärkte I. Eigenkapitalmarkt 1. Ägypten Die 1883 bzw. 1898 gegründeten Börsen von Alexandria und Kairo sind nicht nur die ältesten Kapitalmärkte im arabischen Raum356, sondern gehörten in ihren ersten Dekaden auch zu den Börsen mit der höchsten Marktkapitalisierung weltweit357. Ebenso wie die ägyptische Wirtschaft wurden die beiden Börsen, die in den 1940er Jahren zur Cairo and Alexandria Stock Exchange (CASE) fusionierten und seit 2009 unter dem Namen al-bûrsa al-misriyya (The Egyptian Exchange, EGX) firmieren, bis zum Ende der Epoche der gemischten Gerichte maßgeblich von ausländischem Kapital beherrscht. Mit der Verstaatlichung der privaten Aktiengesellschaften erlitten sie freilich drastische Einbußen: Das Handelsvolumen sank binnen vier Jahren um über 90 Prozent von EGP 39,3 Mio. im Jahr 1961 auf EGP 4,6 Mio. im Jahr 1965.358. Zu Beginn der infitah und im Zuge der Reprivatisierung des öffentlichen Sektors ließ sich zunächst nur eine gedämpfte Wiederbelebung des Marktes verzeichnen. Zwar nahm die Anzahl der börsennotierten Gesellschaften, die unter Nasser auf weniger als 30 gesunken war359, wieder erheblich zu, so dass 1993 über 650 Gesellschaften an der EGX notierten360; es handelte sich bei ihnen zum ganz überwiegenden Teil jedoch um kleinere Gesellschaften ohne Streubesitz, was sich in der geringen Marktkapitalisierung von nur EGP 12,8 Mrd. äu-

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Art. 68bis b jo.GesG. Die Norm stellt somit eine tiefgreifende Durchbrechung des Grundsatzes des festen Kapitals und ein prototypisches Merkmal angelsächsischen Gesellschaftsrechts dar, hierzu Sealy/Worthington, Cases and materials on company law, S. 427. 356 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 71. 357 So trugen im Jahr 1906 ganze 328 Notierungen zu einer Marktkapitalisierung von EGP 91 Mio. bei, Michie, The global securities market: a history, S. 152. 358 Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 64. Der Handel wurde jedoch stets aufrecht erhalten, Abdul-Hadi, Stock markets of the Arab world, S. 85. 359 Vgl. Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 63. 360 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 74. Um die Gesellschaften an die Börse zu bewegen, wurden keine Anforderungen an den Streubesitz gestellt.

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ßerte361. Erst einige Jahre nach Inkrafttreten des Kapitalmarktgesetzes im Jahr 1992 und dem Beginn des Privatisierungsprogramms nahm die Kapitalmarktentwicklung an Geschwindigkeit auf: Bis 2003 schnellte die Börsenkapitalisierung plötzlich bis auf über EGP 170 Mrd. hoch, die Anzahl der börsennotierten Gesellschaften auf 1150362. Für die Einordnung dieser Entwicklung ist es wichtig zu erwähnen, dass das treibende Element hinter der Renaissance der Börse jedenfalls nicht allein die Privatisierungsbemühungen und der Kapitalbedarf der Gesellschaften waren, sondern auch die Einkommens- und Stempelsteuerbefreiung von Dividenden börsennotierter Gesellschaften sowie von Gewinnen aus ihrer Veräußerung, die zahlreiche geschlossene Gesellschaften zur Migration an die Börse veranlasste363. Vor dem Hintergrund dieser Anreizsituation verwundert es nicht, dass sich an der Beteiligungsstruktur der Gesellschaften zunächst wenig änderte. Während sich die Anzahl der im offiziellen Segment notierten Gesellschaften, die gesetzlich über einen Mindeststreubesitz von 30 Prozent des Kapitals verfügen mussten364, in dem beschriebenen Zeitraum lediglich von 116 auf 152 Gesellschaften erhöhte, konnte das inoffizielle Segment 2 ohne Streubesitzanforderungen 395 neue Gesellschaften anziehen365. Anstatt den Zufluss neuen Kapitals zu den Gesellschaften zu bewirken, verlagerten die Steueranreize somit lediglich bereits vorhandenes und gebundenes Kapital an die Börse. Im Zuge der intensivierten Privatisierung des öffentlichen Sektors, aber auch des nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwungs, der den ägyptischen Kapitalmarkt ab 2003 erfasste, war auch das Bild der börsennotierten ägyptischen Aktiengesellschaft einem grundlegenden Wandel ausgesetzt. Nachdem die früheren Staatsunternehmen dem Privatsektor die Chancen des Gangs an den Kapitalmarkt vor Augen geführt hatten, begannen auch die Gesellschaften des privaten Sektors den Kapitalmarkt als Möglichkeit zu entdecken, frisches Wachstumskapital aufzunehmen oder Beteiligungen zu adäquaten Preisen zu veräußern. In Kombination mit verschärften Streubesitzregelungen und Delisting-Vorschriften, aufgrund derer hunderte geschlossene Gesellschaften ihre Notierung verloren366, erhöhte sich der Anteil der Gesellschaften mit Streubesitz auf sukzessive 50 Prozent der `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 74. Eine detaillierte Übersicht zur Marktkapitalisierung, Umschlagsrate und den Handelsvolumina aller arabischen Börsen in den Jahren von 1994 bis 2006 findet sich bei Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 110 ff. 362 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 86. 363 Art. 11 KMG; `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 86. 364 Zu den Notierungsvoraussetzungen siehe S. 250 ff. 365 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 86. 366 Von 2003 bis 2006 sank sich die Zahl der gelisteten Unternehmen von 978 auf 595, Nenova, Contaduría y Administración 2005, 181, 197. 361

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börsennotierten Gesellschaften367. Die qualitative Neuausrichtung der Börse bewirkte trotz der Verringerung der Anzahl der Notierungen in den Jahren von 2003 bis 2007 einen Anstieg der Marktkapitalisierung von EGP 170 Mrd. auf EGP 768 Mrd.368 Ein noch eindrucksvolleres Zeugnis der Entwicklung des Marktes und seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung ist das Verhältnis seiner Kapitalisierung zum Bruttoinlandsprodukt, das sich von 30 Prozent im Jahr 2002 auf die im internationalen Vergleich beachtenswerte Ziffer von 87 Prozent im Jahr 2005 entwickelte369. Seit diesem Jahr investierten zunehmend auch ausländische Investoren an der EGX und ließen nach EGP 266 Mio. im Jahr 2004 im Folgejahr sogar ganze EGP 6 Mrd. an die ägyptische Börse fließen, die zu einem Drittel des Handelsvolumens des gesamten Jahres beitrugen370. Auch in den Kursen der einzelnen Gesellschaften spiegelte sich diese Entwicklung wider. So entwickelte sich der Dow Jones 20 Titans CASE Index in den Jahren 2003 bis 2007 von einem Basiswert von 100 Punkten auf über 2000 Punkte und erwies sich damit als einer der erfolgreichsten Leitindizes der letzten Dekade371. Der Emissionsmarkt blieb von dieser Entwicklung freilich nicht unberührt. Während im Jahr 1993 junge Aktien im Wert von EGP 2 Mrd. an der EGX platziert wurden, betrug dieser Wert zur Hochzeit der Privatisierung in den Jahren 1999 und 2000 ganze EGP 45 Mrd. im Jahr372. In den Jahren von 2005 bis 2008 bewegte sich dieses Volumen in etwa zwischen EGP 7 Mrd. und EGP 12 Mrd., die im Rahmen von jährlich zwei bis vier Börsengängen und bis zu 40 Kapitalerhöhungen aufgenommen wurden373. Nach der krisenbedingten Unterbrechung des Neuemissionsgeschäfts im Jahr 2009 erfolgten im Jahr 2010 zwei weitere Börsengänge mit einem Emissionsvolumen von insgesamt EGP 2,1 Mrd.374. Auch wenn das Neuemissionsgeschäft in den beiden Folgejahren aufgrund der innenpolitischen Spannungen, die zum Sturz des Staatspräsidenten Mubarak führten, zum Erliegen kamen, ist das Zahlenwerk ein beeindruckender Ausweis der Tatsache, dass sich der ägyptische Eigenkapitalmarkt zu einem wichtigen InSo wurden allein bis 2006 441 Gesellschaften von der Börse entfernt, CASE, Yearbook 2006, S. 11. 368 CASE, Yearbook 2007, S. 18 f. Das jährliche Handelsvolumen stieg von EGP 23 Milliarden im Jahr 2003 auf EGP 287 Milliarden im Jahr 2006. 369 CASE, Yearbook 2006, S. 11. 370 CASE, Yearbook 2006, S. 3. 371 EGX, Dow Jones EGX Egypt Titans 20 Index Data, (zuletzt abgerufen am 21. Juni 2010). 372 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 83. 373 CASE, Yearbook 2008. 374 Siehe (zuletzt abgerufen am 10. Januar 2011). 367

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strument der Finanzierung der ägyptischen Aktiengesellschaften entwickelt hat. 2. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien Die wirtschaftlich dominierenden arabischen Kapitalmärkte entstanden in den vergangenen 20 Jahren in den von Öleinnahmen angetriebenen Volkswirtschaften der Golfstaaten375, deren Märkte zur Gesamtkapitalisierung der arabischen Börsen 81 Prozent beitragen376. Auch in den IPOAktivitäten der letzten Jahre spiegelt sich dieses Verhältnis deutlich wider. Von den USD 13,2 Mrd., die etwa im Jahr 2008 in 53 IPOs in der Middle East/North Africa-Region (MENA-Region) aufgenommen wurden, flossen etwa 90 Prozent in die GCC-Staaten377. Ein derartiges Wachstum verläuft freilich selten linear. Mehr noch als die internationalen Märkte wurden die Börsen der Golfstaaten in der letzten Dekade von einem Wechselspiel von Aufschwüngen, Spekulationsblasen und drastischen Marktkorrekturen geprägt. Der größte Markt der MENA-Region, die saudi-arabische Börse Tadâwul, erlebte nach einer langsamen und stetigen Wachstumsphase von 1994 bis 2002, in der die Marktkapitalisierung von SAR 198 Mrd. auf SAR 280 Mrd. stieg, eine sprunghafte Verbreiterung der Kapitalbasis auf SAR 2.438 Mrd. im Jahr 2005378. Eine Kurskorrektur im Jahr 2006 in Höhe von 50 Prozent der Marktkapitalisierung holte der Markt im darauffolgenden Jahr wieder weitgehend auf, nur um eine erneute Korrektur von wiederum 50 Prozent zu erleben, die zu einem Herabsinken der Kapitalisierung auf SAR 924 Mrd. im Jahr 2008 führte379. Interessanterweise brachten die erheblichen Kursschwankungen die IPO-Aktivitäten nicht zum Erliegen, was

375 Zum Zusammenhang zwischen Ölfunden und der Entstehung der großen public joint stock companies Darwiche, The Gulf Stock Exchange crash, S. 1; Abdul-Hadi, Stock markets of the Arab world, S. 19. 376 Vgl. Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 110, mit einer ausführlichen Aufstellung der Marktkapitalisierung der einzelnen Staaten; zu den Gründungsdaten § 1 Fn. 69. 377 Global Investment House, MENA IPO Report, January 2009, S. 2. 378 Tadawul, Annual Statistical Report, 2008, S. 23; damit trug die Marktkapitalisierung der Tadâwul nicht nur ca. 45 Prozent zur Marktkapitalisierung der arabischen Börsen bei, sondern belief sich zudem auf ganze 646 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 110; Bloomberg, Market Capitalization – Major MENA Equity Markets). 379 Tadawul, Annual Statistical Report, 2008, S. 23; die hohe Volatilität beruht nicht zuletzt auf der hohen Unternehmenskonzentration: 57 Prozent der Marktkapitalisierung verteilt sich auf nur fünf Unternehmen, vgl. Tadawul, Annual Statistical Report, 2008, S. 41 ff.; zum Ausmaß des Einflusses von Marktmanipulationen auf den Kurs siehe ausführlich Niblock/Malik, The political economy of Saudi Arabia, S. 218 f.

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in erster Linie auf das attraktive pricing380 und die hohe Liquidität im Markt zurückzuführen ist381. Selbst im Jahr 2009 stand das Neuemissionsgeschäft trotz des schwierigen internationalen Marktumfelds nicht still und erlaubte elf Emittenten insgesamt SAR 3,8 Mrd. aufzunehmen382. In 2010 blieb der Markt stabil und erlebte neun Platzierungen über insgesamt SAR 3,8 Mrd.383, im darauffolgenden Jahr ließ das Neuemissionsgeschäft nach und sah sechs IPOs mit einem Gesamtvolumen von SAR 1,7 Mrd.384, um in 2012 mit sieben Neuemissionen im Volumen von über SAR 6 Mrd. eine Erholung zu erleben385. Neben den erstmaligen öffentlichen Angeboten erfolgten zudem zahlreiche Private Placements386. Besondere Beachtung verdient die Aufnahmefähigkeit des Tadâwul insbesondere deshalb, weil die Börse – mehr noch als die übrigen Kapitalmärkte der Golfstaaten – weitgehend von nationalen Privatanlegern beherrscht wird387. Der zweitgrößte Kapitalmarkt im arabischen Raum – die Vereinigten Arabischen Emirate – verteilt sich auf drei Börsen: zunächst die im Jahr 2000 gegründeten Börsen Abu Dhabi Securities Exchange und Dubai Financial Market sowie die in der Freihandelszone Dubai International Financial Center ansässige Börse Nasdaq Dubai (früher Dubai International Financial Exchange), an der der Handel im Jahr 2005 begann. Trotz des freiheitlichen, an internationalen Marktstandards ausgerichteten Rechtsrahmens ist es der Nasdaq Dubai bislang nicht gelungen, die Marktkapitalisierung der beiden inländischen Börsen zu erreichen: Mit AED 26 Mrd. war sie im Jahr 2007 ungleich geringer kapitalisiert als die Abu Dhabi Securities Exchange (AED 258 Mrd.) und der Dubai Financial Market

380 Ein wesentlicher Faktor für diesen Umstand ist in der Einflussnahme der Kapitalmarktbehörde auf die Preisfestsetzung zu sehen, vgl. S. 638. 381 Zwischen 2006 und 2008 wurden 40 Gesellschaften an die Börse geführt, (Tadawul, Annual Statistical Report, 2008, S. 4). Siehe allgemein zu IPO Aktivitäten im MENA- und GCC-Raum die umfangreichen Statistiken bei Global Investment House, MENA IPO Report, January 2009; Al-Hassan/Delgado/Omran, 24 R. Int. Bus. & Fin. (2010) 344; Jordan Investment Trust PLC, IPOs in the Region, November 2005; The National Investor, Market Insight, Initial Public Offerings: The end of easy money, 3. Juli 2007. 382 Tadawul, Annual Statistical Report, 2009, S. 4. 383 Tadawul, Annual Statistical Report, 2010, S. 4. Die Angaben in den Annual Reports der Behörde weichen teils von den genannten Zahlen ab, siehe etwa SaudiArabische Kapitalmarktbehörde, Annual Report, 2011, S. 26. 384 Saudi-Arabische Kapitalmarktbehörde, Annual Report, 2011, S. 26. 385 Siehe Ernst & Young, MENA IPO Update, 23. Dezember 2012. 386 Siehe Saudi-Arabische Kapitalmarktbehörde, Annual Report, 2011, S. 26, die allein für das Jahr 2011 74 Private Placements aufführt. 387 Beide Faktoren gehen auf strenge Zuteilungsregeln und Beschränkungen für ausländische Direktinvestitionen zurück, vgl. S. 596 f., 660 f.

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(AED 346 Mrd.)388. Nicht anders als die Tadâwul erlebten auch die drei emiratischen Märkte in den Jahren 2006 und 2008 erhebliche Kurskorrekturen, die in etwa 50 Prozent des Marktvolumens betrugen. An der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Finanzplätze für die VAE konnten die Einbrüche nichts ändern: So betrug die Marktkapitalisierung der drei Börsen im Jahr 2008 immer noch 132 Prozent des emiratischen Bruttoinlandsprodukts389 und kennzeichnet den emiratischen Kapitalmarkt als ein wichtiges Instrument der Unternehmensfinanzierung. Mit diesem Bild stimmt überein, dass im Jahr 2005 Eigenkapital in Höhe von USD 8,4 Mrd. im Wege von Folgeemissionen und weitere USD 2 Mrd. im Rahmen von IPOs aufgenommen wurden390. Infolge der Kurseinbrüche im Jahr 2008 kam der emiratische Neuemissionsmarkt weitgehend zum Erliegen und erlebte erst im Jahr 2011 weitere Börsengänge391. Da ausländische Beteiligungen an emiratischen Gesellschaften bis zu 49 Prozent des Kapitals betragen können, besteht in den VAE ein im Vergleich zum saudi-arabischen Markt höheres Engagement von ausländischen Investoren, das zu etwa 35 Prozent der Handelsaktivitäten an den drei emiratischen Börsen beiträgt392. Die Marktkapitalisierung der 1978 gegründeten jordanischen Amman Stock Exchange393 ist unter den untersuchten Märkten mit einem Volumen von USD 32 Mrd. im Jahr 2006 zwar die niedrigste, im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt erweist sie sich mit einer Relation von über 250 Prozent jedoch als äußerst hoch394. Angesichts der hohen relativen Kapitalisierung scheint sich der liberale und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau aufweisende jordanische Regulierungsansatz, der im Vergleich zu den übrigen Märkten vielfach eigene Wege beschreitet, als erfolgreich zu erweisen. Entsprechend wird der Markt von ausländischen Kapitalgebern, die etwa 48 Prozent zur Marktkapitalisierung beisteuern, von denen wiederum zwei Drittel aus arabischen Quellen stammen, als attraktiv bewertet. Unterschiede zu den übrigen arabischen Märkten bestehen auch hinsicht388 Oxford Business Group, The Report: Dubai 2007, 73 f.; Oxford Business Group, The Report: Abu Dhabi 2007, S. 87. 389 Bloomberg, Market Capitalization – Major MENA Equity Markets. 390 Oxford Business Group, The Report: Dubai 2007, S. 76. 391 Die drei Börsengänge des Jahres 2011 erfolgten alle an der Börse von Abu Dhabi, vgl. Abu Dhabi Securities Exchange, Annual Report, 2011, S. 16. 392 Vgl. DFM, Annual Bulletin 2008, S. 7. Aufgrund von restriktiven Zuteilungsregeln, die Ausländer bei der Zuteilung benachteiligen oder vollständig ausschließen, sind Ausländer jedoch vom Primärmarkt weitgehend ausgeschlossen. Dies hat nicht zuletzt den Grund, potentielle Zeichnungsgewinne aufgrund des systematischen Underpricing der nationalen Bevölkerung und ggf. Anlegern aus den Golfstaaten vorzubehalten, siehe ausführlich S. 598 ff. 393 Bis 1999 firmierte die Börse unter dem Namen Amman Financial Market, zur anfänglichen Entwicklung Al-Rimawi, 9 J. Finan. Reg. & Compl. (2001) 253. 394 Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 110.

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lich der Marktkonzentration: Die geringe Kapitalisierung der Amman Stock Exchange wird von über 250 Gesellschaften beigesteuert, von denen über 150 aktiv gehandelt werden; im Durchschnitt sind die jordanischen Emittenten also vergleichsweise klein. Der jordanische Neuemissionsmarkt war in den vergangenen Jahren – jedenfalls in Bezug auf die Zahl der Neuemittenten – einer der dynamischsten im arabischen Raum: So erlebte er im Jahr 2007 21 Börsengänge und im Jahr 2008 weitere 20 Börsengänge, die mit einem Volumen von insgesamt JOD 430 Mio. respektive JOD 345 Mio. jedoch ebenso von überschaubarer Größe waren395. In 2009 flaute das Niveau weiter ab, und 4 Gesellschaften nahmen insgesamt lediglich JOD 13,7 Mio. auf396. Von besonderer Bedeutung ist, dass der jordanische Kapitalmarkt im Gegensatz zu den Märkten der Golfstaaten in größerem Ausmaß zur Aufnahme von Eigenkapital im Anschluss an den Börsengang genutzt wird. So wurde in den Jahren 2007 und 2008 mehr als 57-mal frisches Kapital von Altaktionären oder dem Publikum im Wege der Folgeemission aufgenommen397. II. Fremdkapitalmarkt Die arabischen Fremdkapitalmärkte sind bis heute als nationale Märkte einzuordnen, auf denen ausschließlich Inlandsanleihen ohne internationale Bezüge platziert werden. Auslandsanleihen, die von ausländischen Finanzierungsgesellschaften durch ein inländisches Konsortium im Inland angeboten werden, sind ebenso wenig zu finden wie internationale Anleihen, die von internationalen Konsortien auf verschiedenen Märkten angeboten werden. Die Untersuchung beschränkt sich daher auf Aspekte und Rechtsfragen der Begebung nationaler Anleihen398.

395 Amman Stock Exchange, Annual Report 2008, S. 21. Ein Übersicht über die Volumina am Primärmarkt für die vergangenen 30 Jahre findet sich unter (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2010). 396 Amman Stock Exchange, Annual Report 2009, S. 28. 397 Amman Stock Exchange, Annual Report 2008, S. 21. 398 Zur grundsätzlichen Beurteilung von Anleihen im ägyptischen internationalen Privatrecht siehe jedoch § 3 Fn. 6. Möchten arabische Emittenten an den internationalen Kapitalmärkten wie dem Eurobond-Markt Mittel aufnehmen, so bedienen sie sich ausländischer Finanzierungsgesellschaften. Die Platzierung kann in diesen Fällen zwar auch an Anleger aus den arabischen Ländern erfolgen, spezifische Berührungspunkte zum lokalen Recht bestehen jedoch nur insofern, als die Prospektregeln der Ländern zu berücksichtigen sind, in denen das Angebot unterbreitet wird. Um die Prospektpflichten zu umgehen, richten sich die Angebote daher in den arabischen Staaten wie auch international ausschließlich an institutionelle Investoren, vgl. etwa das Emissionsprogramm der Abu Dhabi Commercial Bank PJSC, Base Prospectus, 7. Juli 2009, S. 145 ff.

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1. Ägypten Die Handelsgesetzbücher von 1875 und 1883 enthielten noch keine ausdrücklichen Rechtsgrundlagen für Unternehmensanleihen, so dass die Begebung von Anleihen auf Grundlage der allgemeinen Vertragsfreiheit (alhurriyyat al-ta`aqdiyya) zu erfolgen hatte. Während teilweise von einem Anleihehandel bereits zu Zeiten der gemischten Gerichte berichtet wird399, soll die erste ägyptische Anleihe den meisten Quellen zufolge von der Credit Foncier im Jahr 1951 begeben worden sein400. Nach der Platzierung dieser Anleihe sollte es über 40 Jahre dauern, bis eine neue Industrieobligation begeben wurde. Den ersten Schritt zur Wiederbelebung des Markts unternahm die ägyptische Tochtergesellschaft des Hoechst Konzerns, die Hoechst Orient S.A.E., und platzierte im Jahr 1994 eine Anleihe mit einem Gesamtnennwert von EGP 30 Mio.401, die den Ausgangspunkt einer Serie von 28 Emissionen binnen fünf Jahren mit einem Gesamtvolumen von EGP 4,8 Mrd. bildete402. Der Erfolg der Reaktivierung des Anleihemarkts ist auf die Reformbemühungen des ägyptischen Gesetzgebers bei Erlass des KMG von 1992 zurückzuführen. Wie der Vergleich mit dem GesG von 1981 zeigt, lässt sich die plötzliche Beliebtheit von Anleihen anhand von zwei rechtlichen Veränderungen mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen erklären. Einerseits hatte der Gesetzgeber von 1981 zunächst noch davon abgesehen, Unternehmensanleihen von den Zinsbeschränkungen des Obligationenrechts (Art. 227 ZGB) zu befreien403. Der Höchstzinssatz von 7 Prozent und hohe Inflationsraten scheinen die Entstehung einer Marktnachfrage verhindert zu haben, wenn auch ggf. eine Einpreisung des Marktzinses über ein Agio möglich gewesen wäre404. Andererseits ist die Stimulierung des Anleihemarkts auf signifikante Steuervergünstigungen für börsennotierte Anleihen zurückzuführen, die das Finanzierungsinstrument der Industrieobligation für Emittenten gegenüber der Kreditaufnahme

399 Dem früheren Leiter der ägyptischen Börse Maged Shawky zufolge existierte bereits in den 1920er Jahren ein reger Anleihehandel an der Kairoer Börse, Al-Ahram Weekly, Let the money flow, 29. April – 5. Mail 2010. 400 Siehe Al-Ahrâm al-iqtisâd, Sûq al-sanadât fî misr, S. 6; Talaat Moustafa Group S.A.E., Offering Circular, S. 102. 401 Middle East Business Intelligence, Hoechst kicks off bond market, 18. März 1994; Roll/Hassan, The Development of Bond Market in Egypt, S. 18. 402 Middle East Capital Group, Arab Bond Markets: Moving from the Embryonic Stage to the Take Off Stage, 5. Februar 2001, S. 5. 403 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 87; Roll/Hassan, The Development of Bond Market in Egypt, S. 6. 404 So jedenfalls Roll/Hassan, The Development of Bond Market in Egypt, S. 18. Ob eine derart offensichtliche Umgehung der Zinsgrenzen Erfolg gehabt hätte, lässt sich heute nur schwer einschätzen.

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erst attraktiv machten405. Im Gegensatz zu Kreditzinsen sind Zinseinkünfte natürlicher (Art. 30 Nr. 4 EStG) und juristischer Personen (Art. 50 Nr. 7 EStG) aus im offiziellen Segment der EGX notierenden (Art. 16 A KMG) Anleihen und Genussscheinen gemäß Art. 14 KMG von der Einkommensund Körperschaftssteuer ausgenommen, was angesichts eines Körperschaftssteuersatzes von früher 40 Prozent durchaus ins Gewicht fiel406. Ebenfalls befreit sind Anleihen von der Stempelsteuer, während für Bankkredite bei Vertragsschluss sowie jährlich eine Stempelsteuer in Höhe von früher bis zu 0,4 Prozent der Valuta, heute 0,2 Prozent abgeführt werden muss407. Für die ägyptischen Banken, die für 18 der 28 bis 1999 begebenen Anleihen verantwortlich waren, erwies sich der Anleihemarkt unter diesen Voraussetzungen als günstige Refinanzierungsmöglichkeit, um die aufkommende Kreditnachfrage bedienen zu können408. Die relative Belebung des Anleihemarktes darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem ägyptischen Gesetzgeber nie gelang, einen tatsächlich liquiden Markt für Unternehmensanleihen zu schaffen. Trotz aller gesetzgeberischen Bemühungen spielt die Anleihe als Finanzierungsinstrument sowohl im Verhältnis zur Anlageklasse der Aktie als auch zur Unternehmensfinanzierung durch Kredite bis heute eine untergeordnete Rolle. Während das an den ägyptischen Privatsektor vergebene Kreditvolumen von EGP 20 Mrd. im Jahr 1993 auf über EGP 200 Mrd. im Jahr 2003 anstieg, entwickelte sich das Marktvolumen der börsennotierten Unternehmensanleihen im gleichen Zeitraum lediglich von null auf EGP 6 Mrd.409. Entsprechend trugen die 23 im Jahr 2005 an der EGX notierten Unternehmensanleihen lediglich zu 1,3 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung der EGX bei410. Ab dem Jahr 2003 sank die Kapitalisierung des Anleihemarktes sogar wieder ab und erreichte Mitte 2008 einen Tiefstand 405 So waren die Steuervergünstigungen und die hieraus folgende günstigere Verzinsung die tragende Motivation für die Emission der Hoechst Orient-Anleihe, Middle East Business Intelligence, Egypt: building a domestic bond market, 21. März 1997. 406 Infolge einer grundlegenden Reform des Einkommenssteuerrechts (das alte Gesetz Nr. 157/1981 wurde im Jahr 2005 durch das Gesetz Nr. 91/2005 ersetzt) ist der Höchststeuersatz für Körperschaften auf nunmehr 20 Prozent gesunken, so dass der Anreiz der Banken, ihren Klienten aus steuerlichen Gründen die Begebung von Anleihen zu empfehlen, geringer ist. Die früher in Art. 14 Abs. 2 KMG normierte Reduktion des Steuersatzes auf Veräußerungsgewinne auf 2 Prozent ist im Jahr 1996 durch das Änderungsgesetz Nr. 89/1996 aufgehoben worden. 407 Art. 57 Abs. 3 StempelsteuerG Nr. 111/1980, al-jarîda al-rasmiyya Nr. 22 vom 31. Mai 1980, geändert durch Änderungsgesetz Nr. 143/2006. 408 Mit zahlreichen Daten `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 90; Roll/Hassan, The Development of Bond Market in Egypt, S. 18 f. 409 `Awâd, Dawr sûq al-awrâq al-mâliyya, S. 93; vgl. auch CASE, Yearbook 2006, S. 65. 410 Egypt Financial Services Project, Technical Report #56, S. 2.

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von etwa EGP 3,5 Mrd.411. Auch von den Anstrengungen zur Belebung des Fremdkapitalmarktes durch die Regulierung von forderungsbesicherten Wertpapieren (asset-backed securities) gingen angesichts einer Bilanz von 12 Emissionen zwischen 2006 und 2009 mit einem Gesamtvolumen von unter EGP 4 Mrd.412 keine umwälzenden Effekte aus. Das Jahr 2010 brachte mit drei Anleiheemissionen und acht Verbriefungen im Gesamtwert von EGP 14,7 Mrd. eine gewisse Belebung des Marktes mit sich413. Die einsetzenden politischen Umwälzungen brachten den Markt daraufhin jedoch weitgehend zum erliegen414. Um den Zustand des ägyptischen Fremdkapitalmarkts vollständig zu erfassen, ist vor allem ein Blick auf die Handelsvolumina aufschlussreich. So betrug das Handelsvolumen an der EGX in den Jahren von 2006 bis 2008 allein aufgrund einiger block trades415 zwischen EGP 150 und 360 Mio. im Jahr416, ein laufender Handel existiert nicht. Während der Handel von Anleihen an den internationalen Börsen üblicherweise 70 Prozent des Handelsvolumens am Aktienmarkt ausmacht, erreicht er in Ägypten nicht mehr als 10 Prozent, die nahezu ausschließlich aus der Platzierung ägyptischer Staatsanleihen resultieren417. 2. Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jordanien Auch an den übrigen arabischen Kapitalmärkten ist die Bedeutung von Unternehmensanleihen vergleichsweise gering. Obwohl das saudiarabische Recht seit Erlass des sa.GesG von 1965 über eine Regulierung von Anleihen verfügt, erlebte der saudi-arabische Fremdkapitalmarkt seine erste Emission im Jahr 2006. Die jüngsten Entwicklungen zeugen hier jedoch von intensiven Bemühungen, den Fremdkapitalmarkt zu aktivieren: So wurden in den drei Folgejahren sechs weitere Platzierungen durchgeführt, die auf einen Gesamtnennwert von über SAR 34 Mrd. lauten418. 411 Central Bank of Egypt, CBE Economic Review Vol. 48, No. 3, 2007/2008, S. 41; Central Bank of Egypt, CBE Statisticial Bulletin, Februar 2009, S. 56. 412 Siehe Ägyptische Finanzaufsicht, Annual Report, July 2005 – June 2006, S. 12; Ägyptische Finanzaufsicht, Annual Report, 2007, S. 11, sowie unter (zuletzt abgerufen am 10. Januar 2010). 413 Ägyptische Finanzaufsicht, Taqrîr al-ihsâ´î li-nash´a sûq râ´s al-mâl, 2010, S. 7. 414 So wurde in 2011 lediglich eine Verbriefung an der ägyptischen Börse notiert (siehe Ägyptische Finanzaufsicht, Taqrîr al-sanawî, 2011, S. 65), in 2012 keine einzige. 415 Zum Begriff siehe § 2 Fn. 54. 416 Siehe nur CASE, Yearbook 2006, S. 66; CASE, Yearbook 2008, S. 37. 417 Al-Ahram Weekly, Bonds, corporate bonds, 26. August – 1. September 2004; Egypt Investment Monitor, Monthly Report, Issue No. 7, June 2009, S. 14. 418 Siehe die Übersicht bei Watheeqa Capital Company, Sukuk Market in Saudi Arabia, 21. März 2010, S. 4, sowie Oxford Business Group, The Report: Saudi Arabia 2009, S. 80.

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2010 und 2011 folgen schließlich insgesamt drei weitere Emissionen419. Von besonderem Interesse für die spätere Untersuchung der rechtlichen Ausgestaltung der Titel ist, dass sie aufgrund der islamischen Zinsproblematik stets als sukûk und damit im Einklang mit dem ribâ-Verbot strukturiert sind420. An den beiden nationalen Börsen der VAE wurden von 2001 bis 2006 sechs Industrieobligationen aufgenommen, wobei sich lediglich zwei der Emittenten nicht in der öffentlichen Hand befanden421. Im Jahr 2011 wurde schließlich eine weitere Anleihe an der Abu Dhabi Stock Exchange begeben422. Eine größere Rolle als konventionelle Industrieobligationen spielen wiederum sukûk, von denen eine zweistellige Anzahl an der Nasdaq Dubai notiert423. Vergleichbar ist die Situation am jordanischen Fremdkapitalmarkt: Hier existierte im Jahr 2009 eine zweistellige Anzahl von Unternehmensanleihen, von denen jedoch nur drei mit einem Volumen von ca. JOD 40 Mio. an der Amman Stock Exchange notierten. Die meisten Anleihen werden also privat platziert und nicht in den Börsenhandel aufgenommen. Das Emissionsvolumen betrug im Jahr 2008 JOD 141 Mio., im Jahr 2009 JOD 151 Mio. und ging in den beiden Folgejahren auf JOD 94 Mio. und JOD 38 Mio. zurück424. Nicht anders als in Ägypten ist der Sekundärmarkt für Unternehmensanleihen an den genannten Märkten illiquide, ein Handel der wenigen notierten Titel erfolgt kaum425. Die Anleger sind entsprechend überwiegend Banken, die auf eine Devestitionsmöglichkeit nicht angewiesen sind und

419 420

Saudi-Arabische Kapitalmarktbehörde, Annual Report, 2011, S. 26. Ausführlich zur Bedeutung der Zinsfrage im saudi-arabischen Schuldverschreibungsrecht siehe S. 701 ff. 421 Emirates Securities and Commodities Authority, Expmenu=Menu9 (zuletzt abgerufen am 22. Juni 2010). 422 Vgl. die Übersicht unter (zuletzt abgerufen am 22. Dezember 2013). 423 DIFX, Annual Review 2007, S. 3; die Titel unterliegen entsprechend nicht dem nationalen Recht der VAE, vgl. auch § 1 Fn. 79. Der Grund für die gezielte Platzierung der sukûk an der Nasdaq Dubai beruht auf der größeren Flexibilität der Listing-Regeln der Börse, die unter anderem die Emission der sukûk durch Offshore-Vehikel erlauben. 424 Siehe Jordan Securities Commission, Taqrîr al-sanawî, 2011, S. 28 mit weiteren Daten zu früheren Jahren. Eine Übersicht über die Entwicklung von 1998 bis 2004 findet sich bei Azzam, The Arab world facing the challenge of the new millenium, S. 56 f., 59, sowie Jordan Times, Deepening Jordan's corporate bond market, 8. Februar 2004. 425 Azzam, The Arab world facing the challenge of the new millenium, S. 50 f.; zu Saudi-Arabien Oxford Business Group, The Report: Saudi Arabia 2009, S. 80; zu Jordanien Jordan Times, Deepening Jordan's corporate bond market, 8. Februar 2004.

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die Anleihe funktional wie einen Kredit behandeln und in ihren Büchern stehen lassen426. III. Der Markt für hybride Finanzierungsinstrumente Wie die Ausführungen zur Gründung der ägyptischen Compagnie universelle du canal maritime de Suez gezeigt haben427, hatte das ägyptische Recht bereits früh Berührungspunkte mit hybriden Finanzierungsinstrumenten. Das Einsatzgebiet der Gründeranteile, die nicht selten dem Gründungsschwindel dienten und später entsprechend strenger reguliert wurden, beschränkte sich allerdings auf die frühen Gründungen im Wege öffentlicher Wertpapierangebote bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts428; die ägyptischen Familienunternehmen, die seit den 1920er Jahren entstanden, machten von den Papieren, kaum mehr Gebrauch. Wo entweder die Familie oder – während der sozialistischen Epoche – der Staat die Beteiligungen an der Gesellschaft eng kontrollierte und die Banken die Fremdfinanzierung übernahmen, wurde ein geringes Bedürfnis für atypische Kapitalformen gesehen. Dieses klassische Kapitalverständnis hat sich auch im Zuge der Entwicklung des Kapitalmarkts nicht wesentlich gewandelt, sondern setzt sich – mit wenigen Ausnahmen429 – in den börsennotierten Gesellschaften fort. Vor dem Hintergrund des ägyptischen Governance-Modells ist zu verstehen, dass auch die Einführung von Wandelschuldverschreibungen mit Erlass des Gesellschaftsgesetzes von 1954 auf wenig Interesse bei den ägyptischen Gesellschaften stieß. Bis der ägyptische Markt die erste und bis heute einzige Emission einer Wandelschuldverschreibung erleben durfte, sollten mehr als 40 Jahre vergehen. Nicht anders ist es zu bewerten, dass auch die Schaffung von Genussscheinen (sog. sukûk al-tamwîl)430 im Jahr 1988 von den Gesellschaften bislang kaum wahrgenommen geschweige denn ausgenutzt wurde. Ein konkreter Grund für die Fokussierung auf die klassischen Finanzierungsinstrumente dürfte – im Einklang mit den einführenden Aussagen zum Kapitalverständnis in der arabischen Welt – die geringe Anlageerfahrung und Vertrautheit des Marktes mit atypischen Finanzierungsinstrumenten sein. Als praktisches Beispiel lässt sich in diesem Zusammenhang die erste und bislang einzige ägyptische Wandelanleihe anführen, die im Jahr 426 So im Hinblick auf Saudi-Arabien Watheeqa Capital Company, Sukuk Market in Saudi Arabia, 21. März 2010, S. 7; zu Jordanien Jordan Times, Deepening Jordan's corporate bond market, 8. Februar 2004. 427 Siehe S. 1. 428 Zum missbräuchlichen Einsatz der Papiere Hoyle, Mixed courts of Egypt, S. 86. 429 So sind an der EGX derzeit zwei Emittenten notiert, die Vorzugsaktien ausgegeben haben, CASE, Yearbook 2006, S. 26. 430 Zu diesen ausführlich S. 418 ff., 459 ff.

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§ 1 Einleitung

1999 durch die Al Ezz Steel Rebars S.A.E. emittiert wurde431. Obwohl die Wandlungsoption der Anleihe aufgrund von Kurssteigerungen der Aktie weit im Geld war und der Wert der durch Umtausch zu erlangenden Aktien mehr als doppelt so hoch war wie der Nennwert der Anleihe, machten zahlreiche Investoren von ihrem Wandlungsrecht keinen Gebrauch432. Viele Investoren scheinen die Kompensation für den geringeren Kupon433, die Ertragschance aufgrund des Wandlungsrechts, nicht erkannt zu haben. Anders gesagt waren die Investoren bereit, für das gleiche Risiko eine geringere Rendite zu akzeptieren, als der Markt ihnen tatsächlich zu dieser Zeit (für normale Anleihen) geboten hatte. Die von ägyptischen Marktbeobachtern mit Blick auf die Situation des Anleihemarktes geäußerte Auffassung, dass es die Anleger Jahre gekostet habe, Aktien zu verstehen, und sie das Anleihegeschäft erst noch zu erlernen haben, scheint für den Markt hybrider Finanzinstrumente nachvollziehbarerweise noch weitaus größere Gültigkeit zu beanspruchen434. Während der ägyptische Markt für Börsengänge den Märkten der Golfstaaten beim Einsatz moderner Techniken der Aktienplatzierung voraus ist, haben die Golfstaaten interessanterweise umfassendere Erfahrungen mit hybriden Finanzierungsinstrumenten machen können. Die Erfahrungen umfassen nicht nur die Begebung von verschiedenen Wandelanleihen, sondern auch die Ausgabe von Genusskapital, das gleichermaßen die Anforderungen an Kern- und Ergänzungskapital für die Zwecke der Bemessung der Kapitaladäquanz von Banken erfüllt435. Der vertrautere Umgang mit atypischen Finanzierungsinstrumenten dürfte neben dem Umstand, dass im Golfraum eine große Anzahl internationaler Investmentbanken und Kapitalmarktexperten angesiedelt ist, insbesondere auch auf die Erfahrungen aus dem intensiven Einsatz der komplexen islamischen Finanzprodukte zurückzuführen sein.

431 Marktbeobachtern zufolge gab es im Jahr 1999 schlicht noch zu wenige Experten, um allein den Anleihemarkt begleiten zu können, Al-Ahram Weekly, Bonds in the shadow of equities, 26. August – 1. September 1999. 432 Dies berichtete der Investor Relation Manager der Al Ezz Steel Rebars S.A.E., Kamel Galal, in einem Interview mit dem Verfasser vom 20. Februar 2008. 433 Zur wirtschaftlichen Funktionsweise von Wandelanleihen siehe S. 471 f. 434 Al-Ahram Weekly, Bonds, corporate bonds, 26. August – 1. September 2004. 435 Ausführlich S. 452 f.

Teil I

Ägypten § 2 Eigenkapitalfinanzierung Wie eingangs dargestellt wurde, unterscheidet die Arbeit aufgrund der unterschiedlich gelagerten Interessenkonflikte und Preismechanismen zwischen erstmaligen öffentlichen Angeboten (B.) und Folgeemissionen (C.). Um die Rechts- und Quellenlage besser erfassen zu können, sollen vor der Analyse der Emissionsformen ihre Rechtsgrundlagen vorgestellt und systematisch eingeordnet werden (A.).

A. Rechtsgrundlagen I. Grundsätzliches zur Regelungstechnik des ägyptischen Gesetz- und Verordnungsgebers Der technische Zustand des ägyptischen Gesellschaftsrechts wird von ElDean mit scharfen Worten beschrieben: „The current Egyptian law can be described as inadequate. […] Most provisions are incomplete. They fail to provide a clear framework […]; the drafting of the current law has resulted in a legal vacuum which deprives the market of legal and commercial certainty.”1 Auch wenn die Formulierung angesichts der sichtbaren Fortschritte bei der Kapitalmarktregulierung nur als Zuspitzung verstanden werden kann, zeichnet sie doch ein deutliches Bild von der subjektiven Wahrnehmung des Rechts durch die Normadressaten. Ihre Schärfe resultiert nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die teils zähen politischen Prozesse und Verteilungskämpfe in den Ministerien und Behörden den Zustand des Rechts seit Jahren zementieren und Reformprojekte verzögern oder verhindern, obwohl die Probleme klar und deutlich identifiziert worden sind2. 1 El-Dean, Privatisation, S. 47. Vgl. auch Al-Fattah, in: Dupret/Berger/Al-Zwaini (Hrsg.), Legal Pluralism in the Arab world, S. 159, 163: „[…] the legal making is fraught with mystery because of the weak technical formulation thereof”. 2 Im Jahr 1999 initiierte das Investitionsministerium ein Projekt zur Reformierung des Aktien- und Gesellschaftsrechts (hierzu bereits El-Dean, Privatisation, S. 48), das in

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Teil I: Ägypten

Nähert man sich dem Gesetz methodisch, so offenbaren sich die rechtstechnischen Schwierigkeiten als Resultat einer unzureichenden Beachtung der elementaren Anforderungen an die Gesetzgebung – die Begriffs-, System- und Prinzipienbildung3. 1. Begriffsbildung Während sich Sanhûrî bei dem Entwurf des ZGB intensiv mit der Begriffsklarheit auseinandersetzte, um die von ihm konstatierten Rechtsunterschiede terminologisch im neuen Zivilrecht zu verankern, ist diese methodische Vorgehensweise in der heutigen gesellschaftsrechtlichen Gesetzund Verordnungsgebung weitgehend verlorengegangen. Wie eine Vielzahl von Beispielen belegt, ist an die Stelle einer einheitlichen Begriffsbildung nicht selten die Begriffsbeliebigkeit getreten: Die von Sanhûrî bei der Schaffung des ZGB penibel beachteten zivilrechtlichen Kategorien von Nichtigkeit (butlân) und Anfechtbarkeit (qâbil li-l-ibtâl) sind theoretisch zwar auch im Aktienrecht angelegt, wurden hier jedoch vom Gesetzgeber weitgehend missachtet, was im Ergebnis zu einer irreführenden Gesetzeslage führt4; bei dem für die Zwecke des Anlegerschutzes eingeführten „Private“ Placement handelt es sich tatsächlich in erster Linie um ein öffentliches Angebot, ohne dass dies in der Dokumentation der Behörde berücksichtigt wird5; dort, wo der Verordnungsgeber nach angelsächsischem Vorbild dem Gesetz Definitionen vorausschickt, sind diese häufig inhaltsleer (so im Übernahmerecht)6 oder werden wenige Sätze später bereits widerlegt (so in einem Entwurf eine neue Regulierung von sukûk al-tamwîl)7. Man muss jedoch gar nicht ins Detail gehen, um derartige Beliebigkeiten ausfindig zu machen. Schon die gesetzliche Bezeichnung des Kapitalmarktgesetzes (qânûn sûk ra´s al-mâl) und dessen Ausführungsverordnung verdeutlicht, dass der Institutionalisierung von Begrifflichkeiten ein unzureichender Stellenwert eingeräumt wird: So sind die Normen des wichtigen ersten Abschnitts des Gesetzes allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Natur und vielfach auch auf geschlossene Gesellschaften und privat platzierte Schuldverschreibungen anwendbar8. einen auf Ministerialebene zirkulierenden Gesetzesentwurf mündete (zur geplanten Änderung der Ausgestaltung von Vorzugsaktien durch den Entwurf siehe S. 110 f.). Zu einer Verabschiedung kam es bislang jedoch nicht. 3 Ausführlich und zu den historischen Hintergründen Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, S. 354 ff. 4 Siehe S. 806. 5 Siehe S. 207 f. 6 Vgl. Art. 326 VOKMG, „ashkhâs“. 7 So möchte der Entwurf variabel verzinsliche Anleihen Genussrechten gleichsetzen, S. 458 f. 8 Vgl. nur die allgemeinen Regelungen des Art. 1 KMG.

§ 2 Eigenkapitalfinanzierung

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2. Systembildung Unschärfen bestehen auch in der gesetzgeberischen Systembildung, die bei der Erarbeitung von Hierarchien zwischen den einzelnen Normen, zwischen den verschiedenen Regelungsbereichen und schließlich zwischen den Gesetzen selbst Orientierung geben soll. Auf all diesen drei Ebenen sind im ägyptischen Wirtschaftsrecht jene Antipoden der Systembildung zu finden, die Fleischer unter dem Stichwort des „Abstimmungsbedarfs“ zusammenfasst9. Dass es an der systematischen Abstimmung immer wieder fehlt, ist nicht zuletzt den konkurrierenden Zuständigkeiten geschuldet: Um die gesetzlichen Vorgaben trotz des schwerfälligen Gesetzgebungsprozesses flexibel ändern zu können, werden in den Kodifikationen des ägyptischen Unternehmensrechts nur die groben Rahmenbedingungen gesetzt, während die Ausdifferenzierung jeweils Durchführungsverordnungen (allâ´iha al-tanfîdhiyya, im Folgenden VO) überlassen wird, die stets durch mehrere zuständige Ministerien geändert werden können10. Die Vielfalt der Regelungsebenen und Kompetenzen der Exekutive bewirkt einerseits, dass eine Anzahl von Gesetzen und Verordnungen ein und denselben sozialen Sachverhalt regeln, ohne hinreichend aufeinander ausgerichtet zu sein11, andererseits löst er Konflikte zwischen dem lex specialis-Grundsatz und dem lex posterior-Grundsatz des Art. 2 ZGB aus12. Immer wieder führen die Ministerien neue Verordnungsbestimmungen ein und wenden diese unter Berufung auf den lex posterior-Grundsatz an, obwohl sie mit den gesetzlichen Rechtsgrundlagen nicht vereinbar sind13. Hinzu tritt ein technisches Problem der Rechtssetzung. Obwohl das GesG, das KMG und die Durchführungsverordnungen beider Gesetze als Gesetzesbücher konzipiert sind, in die neue Vorschriften laufend eingearbeitet 9 Fleischer, in: Schön/Engel (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 51, S. 58, nennt als solche „Regelungsredundanzen, Zieldivergenzen, Funktionsinäquivalenzen, Norminterdependenzen und Wertungsinferenzen“. 10 Hierzu auch Nenova, Contaduría y Administración 2005, 181, 213. 11 Dieser overlap of laws (El-Dean, Privatisation, S. 246) lässt sich besonders plastisch anhand der Regulierung von Genussrechten nachzeichnen. So werden diese über die zivilrechtliche Grundlage hinaus durch sechs verschiedene spezielle Gesetze und Verordnungen geregelt, eine siebte Rechtsgrundlage befindet sich im Entwurfsstadium (siehe S. 426 f.). 12 Zur Geltung der Grundsätze El-Dean, Privatisation, S. 26. 13 Diese Problematik tritt insbesondere dann auf, wenn die Ausführungsverordnung des KMG das GesG implizit aufhebt, ohne dass dies eine ausdrückliche und hinreichend klare Rechtsgrundlage im KMG findet, sondern lediglich auf einer Allgemeinklausel (vgl. Art. 1 Abs. 6 KMG) beruht, siehe nur die Beispiele in § 2 Fn. 331 und 373. Des Weiteren ist verschiedentlich das Problem zu finden, dass eine Regelung des GesG modernisiert wird, ohne dass die Schwestervorschrift im (grundsätzlich spezielleren) KMG oder dessen VO überarbeitet oder aufgehoben wird. Auch hier wird stets die neuere Vorschrift angewendet, vgl. § 2 Fn. 888.

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werden, kommt es immer wieder vor, dass speziellere Regelungen in externen Gesetzen oder Verordnungen geschaffen werden. Die älteren, verdrängten Vorschriften werden in diesen Fällen jedoch oftmals im Gesetz belassen. Es ist somit Aufgabe des Rechtsanwenders zu ermitteln, in welchen Fällen eine Aufhebung bewusst nicht erfolgte und wann sie lediglich vom Gesetz- und Verordnungsgeber vergessen wurde14. Ebenso ist zu beachten, dass bei einer Änderung des Gesetzes umgekehrt auch nur in den seltensten Fällen eine Anpassung der zugehörigen Durchführungsverordnung erfolgt. So befinden sich in den Ausführungsverordnungen zahlreiche Normen, die aufgrund Entfallens oder der Veränderung der Gesetzesgrundlage keine Anwendung mehr finden15, was unter den Rechtsanwendern immer wieder zu Verunsicherung und Fehlannahmen führt16. Mitursächlich für die herrschende Rechtsunsicherheit ist nicht selten auch die – grundsätzlich begrüßenswerte17 – Motivation der Gesetzgeber, simplifizierte Regelungswerke zu schaffen, um ihren Adressaten das Verständnis zu erleichtern. Wie El-Dean kritisiert, erlaubten die allzu rudimentären Regelungen dem Rechtsanwender häufig nicht einmal, selbst auf grundlegende Rechtsfragen Antworten zu finden18 – eine Beobachtung, die auch im Rahmen der folgenden Untersuchung bisweilen Bestätigung findet. In Kombination mit den redaktionellen Fehlern und offensichtlichen systematischen Unrichtigkeiten wird dem Rechtsanwender ein fundiertes Antizipieren der Rechtsfolgen seines Handelns vielerorts unmöglich gemacht. Als bezeichnendes Beispiel sei hier der Tatbestand der Marktmanipulation des Art. 321 VOKMG angeführt. Anstatt eine abgestimmte und konkretisierte Generalklausel – ggf. nach internationalen Vorbildern – zu schaffen, um den ex ante schwer abzugrenzenden Sachverhalt erschöpfend zu erfassen, hat der Verordnungsgeber zwölf unterschiedliche, kaum greifbare und ausufernde Manipulationstatbestände nebeneinander gestellt, die den Versuch einer klaren Systematisierung bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilen. Bei derartigen Regelungen dürfte oftmals der Wunsch des 14

Ganz grundsätzlicher Natur ist dieses Problem im Verhältnis von GesG und KMG, vgl. S. 85 ff. 15 Dies gilt etwa für die Aufhebung der Ägyptisierungsregeln im Zuge der infitah (S. 64 ff., vgl. auch § 2 Fn. 358), des Grundsatzes der vollständigen Zeichnung (vgl. § 2 Fn. 100) oder der Subsidiarität der Kapitalerhöhung (vgl. § 2 Fn. 331). 16 Teilweise betrifft dieses Phänomen auch ganz grundlegende Fragestellungen wie die Geltung der Gründungsvorschriften, vgl. § 2 Fn. 359. 17 Zu den rechtskulturellen Problemen von Komplexität siehe oben auf S. 31, 44 ff. 18 El-Dean, Privatisation, S. 47; darüber hinaus merkt El-Dean an, dass häufig auch die Herkunft der Norm nicht ersichtlich ist, so dass sich auch nicht der Rechtsvergleich als Auslegungsinstrument (das im Übrigen sehr wohl anerkannt ist, siehe sogleich) heranziehen lässt.

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Gesetzgebers eine Rolle spielen, sich durch vage Formulierungen und überschneidende Tatbestände die Möglichkeit zu erhalten, auf Sachverhalte, die mangels Erfahrung nicht antizipiert oder dogmatisch erfasst werden können, flexibel reagieren zu können. Aus dieser Motivation heraus nimmt die Rechtsunsicherheit weniger die Form einer ungeliebten Folgeerscheinung der Rechtskomplexität als vielmehr die Rolle einer selbständigen Gesetzgebungsmethode an, die wiederum im Zusammenhang mit dem eingangs erwähnten Ziel der rule by law19 zu verstehen ist. 3. Prinzipienbildung Baut die Gesetzgebung nicht auf übergreifenden Prinzipien und normativ folgerichtigen Leitgedanken auf – einer „teleologischen Ordnung“20 –, so drohen Wertungsgesichtspunkte im Dickicht der Systematik unterzugehen und Wertungswidersprüche zu erwachsen21. In dieser Hinsicht zeigen die ägyptischen Gesetze und Gerichtsurteile durchaus, dass unter Aufgriff romanischer Dogmatik grundsätzliches Rechtsdenken Einfluss auf das ägyptische Unternehmensrecht gefunden hat. Auf der Normebene lassen sich namentlich der Grundsatz der Aktionärsgleichbehandlung und das Verbot des Mehrheitsmissbrauchs erwähnen, deren Kodifizierung auf französischer Rechtsprechung basiert22. Weitere Beispiele bilden der Kanon von Aktionärsgrundrechten (huqûq asâsiyya li-l-musâhimîn)23 und der Grund19 20 21 22

Siehe S. 30. Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 47. Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 50. Der Gleichbehandlungsgrundsatz der Aktionäre findet sich in Art. 131 VOGesG normiert, demzufolge die Rechte aller Aktionäre vorbehaltlich der Rechte der Vorzugsaktionäre und Inhaber „anderer Aktien mit besonderer Rechtsnatur“ (hiermit sind die sog. „Genussaktien“ (ashum tamattu`a) gemeint, vgl. hierzu § 3 Fn. 188) gleich zu sein haben. Das äygptische Recht hat das ungeschriebene romanische Prinzip der égalité der Aktionäre damit sogar ausdrücklich kodifiziert (sog. mabda´ al-mutasâwiyya bayna almusâhimîn). Ebenso wie das französische Recht versteht das GesG den Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings allein im Sinne eines formalen Ordnungsprinzips, demzufolge die Aktionäre einer Gesellschaft (und soweit verschiedene Aktiengattungen existieren einer Gattung) gleich zu behandeln sind, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich eine Ungleichbehandlung erlaubt. Die Aufgabe einer materiellen Schranke der Verbandsmacht übernimmt der Mehrheitsmissbrauch nach Art. 76 Abs. 2 GesG, der das formale Gleichbehandlungsprinzip um normative Kriterien und eine Interessenabwägung ergänzt (zum französischen Recht siehe Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 253), vgl. zum Mehrheitsmissbrauch § 2 Fn. 955. 23 Hierbei handelt es sich in der ägyptischen Doktrin um diejenigen Aktionärsrechte, die nur mit positiver Zustimmung des Aktionärs geändert werden können (Al-`Arînî, Alsharikât al-tijâriyya, S. 296). Zu diesen werden etwa das Stimmrecht und das Recht auf Teilhabe am Gewinn und am Liquidationserlös gerechnet, aber auch das Verbot der Nachzahlungspflicht, die Haftungsbeschränkung und das Recht zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, vgl. Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 902.

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satz der übernahmerechtlichen Anlegergleichbehandlung24. Gewisse Schwächung finden diese Prinzipien gelegentlich durch die mangelnde Ausfüllung mit Inhalten und Schranken, was tendenziell eine Entwertung der Prinzipien zu Floskeln eines Billigkeitsrechts impliziert25. II. Verfassungsrecht Die verfassungsrechtliche Grundlage jeder privatwirtschaftlichen Investition ist der Schutz des Privateigentums (himâyat al-milkiyya al-khâsa). Ist das Eigentum – wie unter der Regierung Nasser auf Grundlage der Konfiskationsgesetze Nr. 117 und 118 des Jahres 1961 – von der Enteignung bedroht, steigen das Ausfallrisiko und die Kosten des Kapitals, privatwirtschaftliche Investitionen werden teurer und damit reduziert26. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen unter Präsident Nasser hat sich der ägyptische Verfassungsgeber bemüht, das Vertrauen der Anleger durch verfassungsseitige Grundlagen für den Eigentums- und Investitionsschutz wiederherzustellen. Anders als in Entwicklungsländern üblich, erfolgte dies nicht durch eine absolute Garantie des Eigentumsschutzes, sondern einen qualifizierten Gesetzes- und Richtervorbehalt mit Junktimklausel, wie er allgemein in Industrienationen zu finden ist27. III. Gesellschaftsgesetz Das GesG von 1981 regelt als allgemeine Quelle des Kapitalgesellschaftsrechts (al-sharî`a al-`âmma li-sharikât al-amwâl28) neben der Aktiengesellschaft auch die Kommanditgesellschaft auf Aktien (al-sharika altawsiyya bi-l-ashum)29 sowie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung 24 25

Vgl. Art. 327 (c) VOKMG. In der ägyptischen Rechtsliteratur äußert sich dies einerseits in der verbreiteten Übung, die Prinzipien dort, wo es adäquat erscheint, ohne nähere Diskussion als Argumentationsgrundlage zu nutzen, sie dort hingegen, wo es sich als inopportun erweist, schlichtweg zu übergehen. Andererseits leidet die Belebung der eigenen Normen unter der verbreiteten Technik des – teils unreflektierten – Verweises auf die französische Rechtsprechung, die eine intensivere Auseinandersetzung mit den eigenen Normen oftmals verhindert, so auch Davies, Business law in Egypt, S. 141. 26 Erlei, Institutionen, Märkte und Marktphasen, S. 194. 27 Nicht anders als in Deutschland darf die Enteignung gemäß der Junktimklausel des Art. 34 ägyptische Verfassung nur zum Wohl der Allgemeinheit erfolgen. Zu den dogmatischen Problemen im Hinblick auf den absoluten Investitionsschutz gemäß dem Gesetz Nr. 8/1997 über Investitionsgarantien und -anreize (al-jarîda al-rasmiyya Nr. 19 vom 11. Mai 1997) siehe El-Dean, Privatisation, S. 25 ff. 28 Al-Hamîd, Waqf wa-butlân, S. 32; Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 631. 29 Auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien finden die Regelungen über die Aktiengesellschaft, Art. 31 ff. GesG, entsprechende Anwendung, wenn sich aus den Art. 110 ff. keine abweichenden Regeln ergeben.

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(al-sharika dhât al-mas´uliyya al-mahdûda)30. Im ersten Abschnitt31 des Gesetzes und der VO finden sich die Regeln über die Gesellschaftsgründung, im zweiten Abschnitt die Normen über die Finanzverfassung32 und die Binnenorganisation der Gesellschaft33. Letzterer enthält auch die Regelungen über die Kapitalerhöhungen, die in Art. 32 f. GesG und Art. 86 bis 103 VOGesG verortet sind. Da die Normen lediglich einige wenige Spezialbestimmungen enthalten, sind über die Verweisnormen der Art. 24 GesG, 100 Abs. 2, 101 Abs. 1 VOGesG34 subsidiär die Normen über die Gründung (Art. 15 ff. GesG, Art. 1 VOGesG) anzuwenden. Die Reichweite des Verweises ist im Wege der Auslegung zu ermitteln und umfasst jedenfalls die Genehmigungsvorschriften, die Regeln über die Zeichnung der Aktien sowie die Prospektvorschriften. Während die Normen zum Gründungsverfahren selbst (Art. 17 ff. GesG) heute noch Anwendung finden, ist ein Großteil der Vorschriften der beiden weiteren genannten Regelungsbereiche aufgrund speziellerer Regelungen im KMG nicht mehr anwendbar. Einzelne Normen können jedoch immer wieder Wirkung entfalten, soweit die aktienrechtlichen Vorschriften des KMG nicht abschließend sind. IV. Kapitalmarktgesetz Auch wenn der ägyptische Gesetzgeber mit dem Erlass des KMG sein rechtspolitisches Ziel, den ägyptischen Kapitalmarkt zu beleben, in beachtlichem Ausmaß erreicht hat, muss das Gesetz in seiner inneren und äußeren Systematik als paradigmatisch für die beschriebenen Regulierungsdefizite bezeichnet werden. Im Zuge der Verrechtlichung des Kapitalmarkts wurde die VOKMG, die ursprünglich sechs Kapitel enthielt, immer wieder um neue Kapitel erweitert, die spezifische Kapitalmarktaktivitäten35 regulierten, ohne dass der Anordnung der Kapitel über die Chronologie ihrer Entstehung hinaus ein innerer Zusammenhang entnommen werden kann. Das für die hiesige Untersuchung wichtige erste Kapitel der VOKMG regelt die Ausgabe von Kapitalmarkttiteln durch die Aktiengesellschaft und orientiert sich systematisch an den Vorschriften der VOGesG. Im Aufbau unterscheiden sich das erste Kapitel der VOKMG und die VOGesG allerdings grundlegend. Anders als in der VOGesG werden in den Art. 1 bis 16 Für einen kursorischen Überblick über die Systematik des GesG siehe Al-hukûma al-misriyya, Al-mudhakkira al-idâhiyya li-mashrû` qânûn sharikât al-musâhama, Mai 1981, S. 4 ff. 31 Art. 1 bis 30 GesG, Art. 1 bis 79bis VOGesG. 32 Art. 31 bis 52 GesG, Art. 80 bis 199 VOGesG. 33 Art. 53 bis 109 GesG, Art. 200 bis 256 VOGesG. 34 Vgl. Art. 24 GesG, Art. 100 Abs. 2, 102 Abs. 1 VOGesG. 35 So etwa ein Primary Dealer-System für Anleihen (Art. 269 ff. VOKMG, siehe hierzu ausführlich S. 436 ff.), Regeln über Leerverkäufe und Differenzhandel (Art. 289 ff. VOKMG) und Verbriefungen (sog. sanadât al-tawrîq, Art. 300 ff. VOKMG). 30

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VOKMG zunächst allgemeine Regelungen ganz unterschiedlichen Inhalts vorangestellt, die auf alle Arten von Effekten Anwendung finden. Im Anschluss finden sich Vorschriften über die Kapitalerhöhung, Art. 17 bis 34 VOKMG, die jedoch nur die grundlegendsten Normen enthalten, sowie Regeln über die Ausgabe von Fremdkapitaltiteln, Art. 35 bis 39 VOKMG. Der folgende Abschnitt über das „öffentliche Angebot“ (al-iktitâb al`âmm), Art. 40 bis 69 VOKMG, enthält gemäß seiner Bezeichnung zunächst Prospekt- und Zeichnungsvorschriften für alle Arten öffentlicher Effektenangebote, aber auch systematisch nicht zusammenhängende Normen. Diese beziehen sich etwa auf Bilanzierungspflichten (Art. 58 VOKMG), Publizitätspflichten beim Beteiligungserwerb36 (Art. 59 bis 62 VOKMG) und die Bewertung von Aktien bei Sachkapitalerhöhungen und Verschmelzungen (Art. 64 bis 68 VOKMG). Obwohl die Prospekt- und Zeichnungsvorschriften oftmals von der Gründung ausgehen, sind sie teilweise auch auf Kapitalerhöhungen anzuwenden. Zu Auslegungsschwierigkeiten führt zudem, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Normen der VOKMG exakt oder mit leichter Variation aus der VOGesG übernommen wurde. Da diese Übertragung teilweise nur punktuell erfolgte, stellt sich immer wieder die Frage, ob die in der VOGesG verbliebenen Vorschriften bewusst nicht übernommen wurden und die VOKMG eine abschließende Regelung bildet, oder aber ob sie weiterhin anwendbar sind. Grundsätzliche Fragen wirft weiterhin der allgemeine Anwendungsbereich des KMG und der VOKMG auf. Der Titel des Kapitalmarktgesetzes lässt vermuten, dass sich der Anwendungsbereich des Gesetzes auf Gesellschaften beschränkt, deren Aktien oder Schuldverschreibungen öffentlich angeboten werden oder an der Börse notiert sind. Auf diesen Standpunkt stellt sich auch der frühere Direktor der ägyptischen Börse Torgoman in einer Monographie zum Schiedssystem des KMG37. Eine nähere Betrachtung der Vorschriften deutet jedoch darauf hin, dass diese Auffassung zu eng ist. Ein klarer Hinweis für die Richtigkeit dieser Annahme ist zunächst, dass einzelne Vorschriften ausdrücklich auf Gesellschaften Bezug nehmen, deren Aktien nicht öffentlich angeboten wurden38. Auch die Tatsache, dass der fünfte Abschnitt des ersten Kapitels die Überschrift „Öffentliches Angebot“ trägt, deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass die allgemeinen Vorschriften und die Regeln über die Kapitalerhöhung auch 36 Ob diese Normen noch anwendbar sind, ist jedoch zweifelhaft, da öffentliche Übernahmeangebote im Jahr 2007 in den Art. 325 ff. VOKMG umfassend neu reguliert wurden (hierzu Sâlih, Al-nizâm al-qânûnî li-`urûd al-shirâ´; grundlegend Burhân, Alnizâm al-qânûnî li-l-`ard al-`âmm li-shirâ´ al-ashum). 37 El-Torgoman, Dispute settlement system, S. 28. 38 Vgl. Art. 3 Abs. 1, 33 Abs. 2 VOKMG, des Weiteren Art. 1 Abs. 1 bis 4 KMG, Art. 2 KMG.

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auf geschlossene Gesellschaften Anwendung finden, soweit sie sich nicht ausdrücklich auf öffentliche Angebote beziehen. So ist nicht nachvollziehbar, warum etwa die Verwässerungsschutzvorschrift des Art. 17 VOKMG oder die bedeutende Anfechtungsnorm des Art. 10 KMG39 nur Aktionären von Publikumsgesellschaften zugutekommen soll, da sich das Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre beider Gesellschaftstypen insofern nicht unterscheidet. Den hier vertretenen Standpunkt nimmt ausweislich amtlicher Leitfäden zur Gesellschaftsgründung und Kapitalerhöhung auch die ägyptische Finanzaufsicht ein und wendet das KMG partiell ebenso auf nicht börsennotierte Gesellschaften an40. Anstelle einer originär kapitalmarktrechtlichen Regelung sind die ersten Kapitel des KMG und der VOKMG also ein von der Kapitalmarktorientierung unabhängiger Bestandteil des Kapitalgesellschaftsrechts. Das Verhältnis von KMG und GesG lässt sich schließlich als Beispiel für den Konflikt zwischen lex specialis- und lex posterior-Grundsatz anführen41. Obwohl das KMG und dessen Durchführungsverordnung aufgrund gesetzlicher Anordnung42 als leges speciales gegenüber dem GesG anzusehen sind, wurden in das GesG verschiedentlich Regelungen jüngeren Datums eingeführt, die gegenüber dem KMG und dessen Durchführungsverordnung als vorrangig angesehen werden. Da zusätzlich auch die Regelungen der VOGesG nicht an die Änderungen des GesG angepasst werden, besteht zwischen den vier Rechtstexten teils eine Inkonsistenz, zumal sich selbst innerhalb der einzelnen Kodifikationen nur schwer abgrenzbare Mehrfachregelungen zu ein und derselben Materie befinden.

B. Erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien Die Durchführung eines erstmaligen öffentlichen Angebots43 von Aktien dient der Schaffung eines Marktes für die Titel zum Zwecke der Kapitalzuführung oder der Veräußerung von Altaktien durch die Aktionäre. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich um ein hochgradig formalisiertes, mehrstufiges Verfahren, das verschiedenste Aspekte und Regelungsbereiche des Unternehmens- und Kapitalmarktrechts berührt. Um beiden Dimensionen 39 40 41 42 43

Vgl. § 1 Fn. 287. Ägyptische Finanzaufsicht, Isdâr ashum ta´sîs al-sharikât al-mughlaqa, S. 1. Siehe S. 85. Art. 1 EGKMG, 1 EVVOKMG. Mit Blick auf die ägyptische Situation ist dieser Begriff dem Terminus des Börsengangs vorzuziehen, da ägyptische Aktiengesellschaften aufgrund der früher bestehenden geringen Streubesitzanforderung an der Börse notieren konnten, ohne dass jemals ein öffentliches Angebot der Aktien erfolgt oder auf andere Weise ein Streubesitz geschaffen worden war, vgl. S. 203 f.

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gerecht zu werden, wählt die Arbeit nach einer Darstellung der ägyptischen Erscheinungsformen des IPO (hierzu I.) einen chronologischen Aufbau der wichtigsten Verfahrensschritte. Im Zentrum der Untersuchung steht das Recht der Kapitalerhöhung, die Voraussetzung der Ausgabe junger Aktien und der Beschaffung frischen Eigenkapitals ist44. Ausgehend von ihren gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen, den Gremienbeschlüssen (hierzu II.) und den Bedingungen der Aktienausgabe (hierzu III.), sollen das aufsichtsrechtliche Genehmigungsverfahren (IV.), die Veröffentlichung des Wertpapierprospekts (V.), die Zeichnung (VI.) und der Abschluss des Kapitalerhöhungsverfahrens (VII.) dargestellt werden. Im Anschluss werden zwei für die Durchführung des Verfahrens bedeutende Spezialmaterien, die Kursstabilisierung (VIII.) und das Rechtsverhältnis zu den Emissionsbanken (IX.), untersucht. I. Erscheinungsformen des initial public offering 1. Unterscheidung nach der Emissionsstruktur a) Primary initial public offering Mit der Primäremission45 oder dem primary offering wird der Grundfall des erstmaligen öffentlichen Angebots bezeichnet, welcher der Zuführung von frischem Kapital zum Emittenten dient. Bei der Primäremission werden die am Markt angebotenen Aktien durch den Emittenten selbst im Wege der Kapitalerhöhung geschaffen und den Anlegern im Gegenzug für die Leistung von Einlagen überlassen. Ob die Aktien – wie es in Ägypten üblich ist46 – durch Vertrag unmittelbar zwischen dem Zeichner und der Gesellschaft platziert werden oder zwischen diese – wie es bei USamerikanischen und europäischen Primäremissionen Usus ist – eine Emissionsbank (sog. Underwriter) geschaltet wird, welche die jungen Aktien zunächst zeichnet und dann an die Anleger veräußert, ist für die Beurteilung des Vorliegens eines primary offering unbeachtlich.

44 Freilich ist es denkbar, einen Börsengang im Wege des öffentlichen Verkaufsangebots allein von Seiten der Altaktionäre durchzuführen. Da der Gesellschaft in dieser Konstellation keine Einlagen zufließen, dient sie jedoch nicht der Unternehmensfinanzierung. Regelmäßig finden sich auch gemischte Emissionen, unter denen für die hiesige Untersuchung die von der Gesellschaft ausgegebene Tranche von Interesse ist. 45 Der Begriff der Primäremission, der nach dem Anbieter der Aktien (Gesellschaft oder Aktionär) differenziert, ist von dem Begriff der Neuemission zu unterscheiden, der in Abgrenzung zu Folgeemissionen das erste Angebot von Aktien einer Gesellschaft an den Kapitalmarkt unabhängig davon bezeichnet, ob die Titel von der Gesellschaft oder einem Altaktionär bereitgestellt werden. 46 Hierzu ausführlich an späterer Stelle, vgl. S. 275 ff.

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b) Secondary initial public offering Beim secondary offering bezweckt ein Altaktionär hingegen, seine gesamte Beteiligung oder einen Teil zu veräußern, und stellt die am Markt angebotenen Aktien (notwendigerweise in enger Kooperation mit dem Emittenten) daher selbst gegen Zahlung des Kaufpreises bereit. In der internationalen und auch ägyptischen Praxis treten oftmals auch Kombinationen von primary und secondary offerings auf, in deren Rahmen sowohl dem Emittenten Kapital zugeführt wird als auch die Altaktionäre einen Teil ihrer Beteiligungen liquidieren. c) Secondary initial public offering mit anschließender Kapitalerhöhung In den vergangenen Jahren hat sich in Ägypten eine Emissionsform zum Standardtypus des Börsengangs herausgebildet, die erstmals im Jahr 1998 beim Börsengang der EFG-Hermes S.A.E. eingesetzt wurde47 und die Verkürzung des Emissionsverfahrens zum Ziel hat. Ihre Funktion entspricht derjenigen der Primäremission (d.h. sie bezweckt die Kapitalaufnahme durch die Gesellschaft), nicht anders als beim secondary offering werden die am Markt angebotenen Aktien jedoch zunächst von einem oder mehreren Großaktionären bereitgestellt48. Da das frische Kapital nicht den Altaktionären, sondern der Gesellschaft zufließen soll, wird das Grundkapital der Gesellschaft im Anschluss an die Platzierung der Altaktien beim Anlegerpublikum um den Nennwert der durch die Altaktionäre veräußerten Aktien erhöht, und die jungen Aktien werden durch die veräußernden Aktionäre zu dem im secondary offering erzielten Preis gezeichnet. Wirtschaftlich besteht somit keine andere Situation, als wenn die Gesellschaft die jungen Aktien direkt platziert hätte. Der konkrete Hintergrund dieser Vorgehensweise ist das Bestreben der Gesellschaft, die „Stillhalteperiode“ zwischen der (aus Gründen des Prospektrechts endgültigen49) Festsetzung des Ausgabekurses der Aktien und ihrem Handelsbeginn so kurz wie möglich zu halten50, da die Aktien während dieser Periode dem Risiko von Marktschwankungen und negativen Vgl. EFG-Hermes Holding S.A.E., Offering Circular, 1998, S. 79. Vgl. Talaat Moustafa Group Holding S.A.E., Offering Circular, 2007, S. 5; Maridive & Oil Services S.A.E., Offering Circular, 22. April 2008, S. 6; Palm Hills Development S.A.E., Preliminary Offering Circular, 16. April 2008, S. 5; eine Vorläufervariante des heutigen secondary offering, bei der im Anschluss an die Platzierung eine Bezugsrechtsemission durchgeführt wurde, wurde bereits im Jahr 2005 im Rahmen des IPO der Raya Technologies Holding S.A.E. durchgeführt, vgl. § 2 Fn. 454. 49 Siehe zu den prospektrechtlichen Anforderungen S. 208 ff. 50 Ein alternatives, wirtschaftlich vergleichbares Modell bestünde in einer festen Übernahme der aus einer Kapitalerhöhung stammenden Aktien durch die Banken und anschließenden Platzierung. Das sog. hard underwriting konnte sich in Ägypten jedoch aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht durchsetzen, vgl. S. 277 f. 47 48

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Geschäftsvorfällen ausgesetzt sind, ohne dass die Möglichkeit der Anpassung des Ausgabekurses durch die Gesellschaft oder Devestition durch die Zeichner besteht51. Sie erweist sich für die Preisbildung der Aktien als entscheidend, da mit zunehmender Dauer der Stillhaltefrist der Ausgabekurs der Aktien zu reduzieren ist, um die Kosten des Stillhalterisikos auszugleichen. Hinsichtlich der Art und Weise der Risikotragung gilt es zunächst zu unterscheiden: Bis zum Zeitpunkt der Zeichnung lastet das Wertrisiko auf den Schultern des Emittenten, der bei akuten Wertverlusten gegebenenfalls keine Abnehmer mehr für seine Aktien findet. Er hat also einen ausreichend großen Abschlag auf die Titel vorzunehmen, der mögliche negative Marktstimmungen bis zur Zeichnung auffängt und kompensiert. Mit der Zeichnung geht das Risiko auf die Zeichner über, die ab diesem Zeitpunkt bis zum Handelsbeginn an die Titel gebunden und dem Risiko von Kursverlusten ausgesetzt sind. Je länger die Zeichner ihre Aktien nicht veräußern können, desto höher ist theoretisch der Abschlag auf den Ausgabekurs, den sie zur Kompensation des Wertrisikos verlangen. Da die von den Anlegern verlangten Abschläge auf einem vollkommenen Markt den Kosten des Stillhalterisikos vor der Zeichnung entsprechen, erweisen sich die Stillhaltekosten für jede Zeiteinheit der Stillhalteperiode unabhängig davon als gleich teuer, ob sie vor oder nach der Zeichnung liegen. Die besondere Relevanz der Stillhalteperiode für ägyptische Börsengänge (wie auch sonstige Formen der Aktienemission) resultiert aus dem aufwendigen aufsichtsrechtlichen Verfahren zur Genehmigung der Satzungsänderung und der Börsennotierung, das den Zeitraum zwischen dem Ende der Zeichnungsfrist und dem Beginn des Handels der jungen Titel an der Börse52 beim primary offering um mindestens sieben Tage, eher jedoch zehn bis 14 Tage verlängert53. Der Einsatz des secondary offering mit anschließender Kapitalerhöhung (im Folgenden einfach secondary offering) 51 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Stillhaltefrist Terstege, Bezugsrechte bei Kapitalerhöhungen, S. 126 ff.; Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre, S. 368, allerdings jeweils in Bezug auf die Stillhaltefrist bei der Folgeemission. In der Situation des initial public offering ist das Stillhalterisiko zwar geringer ausgeprägt als bei Folgeemissionen, bei denen bereits ein sensibel auf negative Informationen reagierender Börsenkurs existiert, existent ist es jedoch durchaus. 52 Zwar erlaubte die EFSA durch Beschluss des Verwaltungsrats Nr. 9/2006 den OTC-Handel (hierzu § 2 Fn. 449) von Aktien vor der Börsennotierung, dies bezieht sich jedoch lediglich auf solche Titel, die aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln resultieren und hinsichtlich derer das Satzungsänderungsverfahren abgeschlossen ist (CASE, Yearbook 2006, S. 110). Stillhalterisiken im Rahmen eines Börsengangs lassen sich durch einen OTC-Handel somit nicht mitigieren. 53 Vgl. zum Abschluss des Emissionsverfahrens nach dem Ende der Zeichnungsfrist S. 184 ff.

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erlaubt den Emittenten nunmehr, sich von diesen Kosten zu befreien: Da die Anleger nach Zeichnungsende von den Altaktionären im Wege eines block trade54 lediglich mit bereits vorhandenen Aktien beliefert werden, bedarf es keiner Durchführung des Kapitalerhöhungsverfahrens mehr. Zudem können die am Markt angebotenen Aktien bereits vor der Zeichnung an der Börse zugelassen werden55. Die Zuteilung der Aktien und der block trade selbst nehmen weniger als einen Tag in Anspruch56, die Einholung der abschließenden kapitalmarktrechtlichen Genehmigung einen weiteren Tag, so dass die Frist zwischen Zeichnungsende und Handelsbeginn auf zwei bis drei Tage verkürzt werden konnte57. Auch wenn es in den jüngeren ägyptischen Börsengängen nicht mehr eingesetzt wurde, soll im weiteren Verlauf der Untersuchung aus Gründen der Klarheit zunächst allein das gesetzliche Leitbild des Börsengangs – die Emission im Wege des primary offering – dargestellt werden, dessen Grundsätze sich weitgehend auf das secondary offering mit anschließender Kapitalerhöhung übertragen lassen. Nur soweit sich verfahrensrechtliche oder auch materiellrechtliche Besonderheiten ergeben, soll ausdrücklich auf das secondary offering mit anschließender Kapitalerhöhung eingegangen werden. 2. Unterscheidung nach Aktientranchen Die im Rahmen eines Börsengangs angebotenen Aktien werden in aller Regel nicht ausschließlich beim Publikum platziert, sondern im Wege der Tranchierung der Aktien in einem separaten Angebot an institutionelle Investoren wie Fonds, Banken und Versicherungen ausgegeben. Warum eine 54 Beim block trade werden große Volumina von Aktien außerhalb des regulären Handels und zu einem von den Parteien definierten Preis direkt von einem veräußernden Aktionär an einen oder mehrere Erwerber übertragen (ausführlich Wolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 195 ff.). Die laufenden Orders des Marktes können das Veräußerungsgeschäft auf diese Weise nicht stören. Der block trade bedarf stets der vorherigen Genehmigung durch das Trading Committee (lajnat al-tadâwal) der EGX, vgl. Art. 8 der Regeln für das Trading Committee der EGX (qawâ`id al-munathama li-l-lajnat al-tadâwal al-bûrsa); CASE, Dalîl istirshâdî li-ijrâ´ât al-tadâwal, Juli 2007, S. 48 f.; allgemein zum Einsatz des block trade an den arabischen Börsen Sabri, Financial markets and institutions in the Arab economy, S. 105. 55 Siehe S. 251. 56 Seit der Einführung eines elektronischen Handelssystems nach internationalem Standard im Mai 2001 können Orders an der EGX binnen zwei Tagen nach Eingabe in das System abgewickelt werden (sog. T+2 settlement), vgl. Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 348; ein block trade kann sogar unmittelbar ausgeführt werden, CASE, Dalîl istirshâdî li-ijrâ´ât al-tadâwal, Juli 2007, S. 48 f. 57 Vgl. etwa die Daten beim Börsengang der Palm Hills Development S.A.E., Preliminary Offering Circular, 16. April 2008, S. 5, 9.

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Trennung zwischen der sog. öffentlichen oder retail-Tranche (im Arabischen meist al-sharîha al-ûla) und der institutionellen Tranche (al-sharîha al-thâniyya) erfolgt, erklärt sich mit den Anforderungen der heute standardmäßig praktizierten marktnahen Ausgabekursfestsetzung im Wege des Bookbuilding-Verfahrens. Die Festsetzung des Preises der Aktien anhand von Markteinschätzungen verlangt zunächst, dass sich die Nachfrage allein auf Grundlage professioneller Finanzanalysen durch gut informierte Anleger bildet58. Privatanleger müssen aus dem pricing-Verfahren also ausgeschlossen werden können. Während dies grundsätzlich auch ohne formalrechtliche Unterscheidung zwischen den Tranchen denkbar ist, verlangt jedoch eine Spezifität des ägyptischen Aktienrechts nach der strikten Trennung: Da die dem Publikum angebotenen Aktien aufgrund der gesetzlichen Zuteilungsregel des Art. 54 Abs. 2 VOKMG den Zeichnern notwendig59 pro rata nach Höhe ihrer Zeichnungsorders zuzuteilen sind, eine ermessensfreie Zuteilung der Aktien an die Bieter jedoch weithin als unabdingbare Voraussetzung des Bookbuilding angesehen wird, müssen die den Finanzinvestoren im Bookbuilding angebotenen Aktien von Art. 54 Abs. 2 VOKMG befreit und damit formal unterschiedlich behandelt werden60. Während die den Privatanlegern angebotene retail-Tranche im Rahmen vergangener Privatisierungen vergleichsweise groß war, um die Bevölkerung an der Entwicklung der Unternehmen des öffentlichen Sektors teilhaben zu lassen61, ist sie heute mit meist 15 bis 30 Prozent des Emissionsvolumens62 üblicherweise kleiner als die institutionelle Tranche. Die nachlassende Bedeutung des ägyptischen retail-Marktes für Börsengänge wird in erster Linie auf die geringere Liquidität der ägyptischen Privatanleger zurückgeführt, die durch die großen retail-Tranchen der Börsengänge früherer Staatsunternehmen und die Börsenhausse in den Jahren 2002 bis 2005 stark gebunden wurde63. Des Weiteren versuchen die Emittenten, den Anteil der ägyptischen Privatanleger tendenziell gering zu halten, da diese auf Marktschwankungen nach allgemeiner Auffassung emotionaler reagieren

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Ausführlich zum Bookbuilding und Einfluss institutioneller Investoren auf die Preisbildung siehe die Ausführungen zur Preisfestsetzung und Zeichnung auf S. 142 ff., 239 ff. 59 Zur Ausnahme von dieser Regel siehe S. 237 f. 60 Siehe ausführlich zur Zuteilungsproblematik unten auf S. 239 ff. 61 Vgl. etwa den Börsengang der Telecom Egypt S.A.E., bei dem 50 Prozent der Aktien an das Publikum ausgegeben wurden, Telecom Egypt S.A.E., Nashrat al-iktitâb, 2005, S. 21 f. 62 Siehe nur die jüngeren Börsengänge der Palm Hills Development S.A.E., Preliminary Offering Circular, 16. April 2008, S. 5; Maridive & Oil Services S.A.E., Offering Circular, 22. April 2008, S. 6. 63 Siehe § 1 Fn. 300.

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als institutionelle Anleger und die Titel in schwachen Börsenphasen durch „vorschnelle“ Devestition zusätzlich unter Druck setzen64. II. Gremienbeschlüsse Entsprechend der allgemeinen Doktrin des romanischen Gesellschaftsrechts, dass Maßnahmen, die das Eigenkapital der Gesellschaft und damit ihre Satzung berühren, nur mit Zustimmung der Eigner der Gesellschaft durchgeführt werden können65, bedarf die Erhöhung des Gesellschaftskapitals und die Schaffung neuer Aktien in Ägypten stets einer Entscheidung der Hauptversammlung der Gesellschaft66. In Orientierung am französischen Aktienrecht bietet das ägyptische GesG den Emittenten zwei verschiedene Verfahren der Erhöhung des Gesellschaftskapitals an – die ordentliche und die genehmigte Kapitalerhöhung –, die in ihrer konkreten Ausgestaltung und rechtlichen Funktion jedoch mitunter grundlegend von den romanischen Vorbildern abweichen67. Um die Bedeutung und Verwendungsmöglichkeit der unterschiedlichen Verfahren für die Zwecke des initial public offering zu erfassen, soll zunächst auf ihre jeweilige Funktion eingegangen werden (hierzu 1.). Unabhängig von der konkret eingesetzten Methode der Kapitalerhöhung stellt sich anschließend die Frage nach der Umsetzung der soeben angesprochenen Finanzierungshoheit der Hauptversammlung im Rahmen der verbandsrechtlichen Kompetenzverteilung (hierzu 2.). Wird im Zuge der Kapitalerhöhung eine neue Gattung von Vorzugsaktien geschaffen, welche die Rechtsposition von Inhabern bestehender Vorzugsaktien beeinträchtigen, so verlangt die Kompetenzverteilung des Weiteren einen Sonderbeschluss der existierenden Vorzugsaktionäre (hierzu 3.). Da die Hauptversammlung ihre Beschlüsse weder vorbereiten noch ausführen kann, sind die Umsetzung des Beschlusses und die Durchführung der Kapitalerhöhung dem Verwaltungsrat überlassen. Bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten von Hauptversammlung und Verwaltungsrat stellt sich das grundsätzliche Problem, inwieweit Kompetenzen der Hauptversammlung im Rahmen einer Delegation auf den Verwaltungsrat verlagert werden können, ohne die zwingende Kompetenzzuweisung im Gesellschaftsverband und die Finanzierungshoheit der Eigner auszuhebeln (hierzu 4.).

64 Vgl. Daily News Egypt, The force of gravity, March 18, 2006; Zawya, (Nearly) the biggest looser, July 2006. 65 Vgl. den früheren Art. 153 loi 1966 sowie Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome 1, S. 638, n° 1914 f. Zum ägyptischen Recht siehe Art. 229 Abs. 2 VOGesG. 66 Art. 33 Abs. 1 GesG; zur Satzungshoheit und zum Zuständigkeitskatalog der Hauptversammlung Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 900 f. 67 So insbesondere die genehmigte Kapitalerhöhung, siehe S. 99.

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1. Art der Kapitalerhöhung Der gesetzlich vorgesehene Regelfall der Kapitalerhöhung ist die ordentliche Kapitalerhöhung, bei der die Hauptversammlung die grundlegenden Konditionen und alle vermögensrechtlich relevanten Ausgabebedingungen selbst festlegt und dem Verwaltungsrat allein die technische Umsetzung des Beschlusses überlässt. Gegenstand des Beschlusses ist die Erhöhung des gezeichneten Kapitals (ra´s al-mâl al-musdar) der Gesellschaft, das gemäß Art. 31 Abs. 1 GesG den kumulierten Nennwerten aller ausgegebenen Aktien entspricht und damit als Bezugsgröße für die Ermittlung der Beteiligungsquote der Aktionäre dient. In Anlehnung an den früheren Art. 180 al. 3 loi 1966 erlaubt der ägyptische Gesetzgeber der Hauptversammlung in Art. 33 GesG, 18 VOKMG des Weiteren, ein genehmigtes Kapital zu schaffen, das durch den Verwaltungsrat in eigenem Ermessen zur Erhöhung des gezeichneten Kapitals ausgenutzt werden kann68. Wie in anderen Rechtsordnungen69 ist es das Ziel der Delegation der Finanzierungskompetenz von der Hauptversammlung auf die Verwaltung, die konkrete Kapitalmaßnahme von dem langwierigen Einberufungsverfahren und der Ungewissheit über den Ausgang der Entscheidung zu befreien und ihr eine größere Spontanität und Flexibilität bei der Beschaffung von Eigenkapital zu verleihen. Entgegen diesem Anspruch ist das genehmigte Kapital in Ägypten allerdings nur von eingeschränktem Wert, da es aufgrund restriktiver Interpretation der Rechtsgrundlagen nach herrschender Auffassung ausschließlich zur Durchführung von Kapitalerhöhungen unter Einräumung des Bezugsrechts verwendet werden darf. Eine wohl zentrale Ursache für die eingeschränkte Verwendbarkeit ist, dass Art. 6 der Mustersatzung für die Aktiengesellschaft70 (im Folgenden MustersatzungAG), der das genehmigte Kapital der Gesellschaft regelt, keine unterschiedlichen Tranchen für bezugsrechtsfreies Kapital und solches Kapital, für das die Bezugsrechte nicht ausgeschlossen wurden, vorsieht. Einer derartigen Unterscheidung würde es bei der Schaffung bezugsrechtsfreien Kapitals jedoch bedürfen, da der Bezugsrechtsausschluss für das genehmigte Kapital nach Art. 32 KMG allein der Hauptversammlung vorbehalten ist und bereits im Zeitpunkt der Schaffung des Ka68 Allgemein zur genehmigten Kapitalerhöhung und Abgrenzung der Kapitalerhöhungsarten Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 513 f. 69 Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome 1, S. 647 n° 1931; Bayer, in: Goette/Habersack (Hrsg.), MüKo/AktG, § 202 Rn. 1. 70 Namûzaj nizâm al-asâsî li-sharikât al-musâhama al-munsha´a wafqan li-qânûn raqm 95 li-sana 1992, erlassen durch Beschluss des Verwaltungsrats der EFSA Nr. 40/2009. Die Mustersatzung ersetzt die bisherige Mustersatzung auf Grundlage des Gesellschaftsgesetzes Nr. 159/1981 (al-waqâ´i` al-misriyya Nr. 214 vom 16. September 1982, abgedruckt bei Hussain, Al-mawsû`a al-shâmila fî al-sharikât, Band II, S. 146).

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pitals durch die Aktionärsversammlung festgehalten werden müsste, in welcher Höhe das genehmigte Kapital die Einräumung von Bezugsrechten verlangt und in welcher nicht. Eine solche Differenzierung in Abweichung von Art. 6 der MustersatzungAG vorzunehmen, erweist sich aus zwei Gründen als problematisch: So haftet der Mustersatzung der Aktiengesellschaft nach allgemeinem Verständnis stets auch ein normatives Element an, das jedenfalls bei weitreichenden Abweichungen die Frage der Rechtmäßigkeit aufwirft. In der Rechtspraxis sind derartige Lösungen entsprechend unüblich. Des Weiteren wird diese Vorgehensweise durch ein spezifisches Verständnis des genehmigten Kapitals erschwert, das sich interessanterweise am angelsächsischen authorized share capital71 orientiert. Im Gegensatz zum französischen und deutschen Recht, in dem das genehmigte Kapital jeweils einen Erhöhungsbetrag im Sinne eines „Kapitalvorrats“ darstellt, der durch die Ausnutzung und Erhöhung des Grundkapitals wieder „verbraucht“ wird72, bildet die genehmigte Kapitalziffer in Ägypten eine Höchstgrenze, bis zu der das gezeichnete Kapital durch die Verwaltung erhöht werden kann. Die Ziffer des genehmigten Kapitals verringert sich durch dessen Ausnutzung also nicht, vielmehr wird das gezeichnete Kapital dem genehmigten Kapital angenähert (oder exakt auf dessen Betrag erhöht). Die Vorstellung, dass das „freie“ genehmigte Kapital in verschiedene Tranchen eingeteilt und damit nicht im Belieben der Verwaltung bis zur Höchstgrenze ausgenutzt werden kann, ist dem ägyptischen Gesellschaftsrecht fremd. Hinzu tritt, dass entsprechend dem Verständnis des genehmigten Kapitals als „Höchstgrenze“ des gezeichneten Kapitals nach herrschender Auslegung des GesG73 keine Frist für dessen Ausnutzung besteht, da die einmal gesetzte Höchstgrenze nach allgemeiner Auffassung nicht wieder verfallen kann. Akzeptiert man diese Auffassung, so ist es durchaus sinnvoll, zum Schutz der Aktionäre vor zeitlich unbegrenzten Eingriffen in die Beteiligungsquote lediglich ein „bezugsrechtswahrendes“ genehmigtes Kapital anzuerkennen. Für die Zwecke des Börsengangs wirft diese Rechtslage angesichts der langen Vorlaufzeit der Emission und der überschaubaren Aktionärsstruktur

71 Vgl. nur Sec. 2 (5a) CA 1985; durch CA 2006 wurde das authorized share capital nach früherem Verständnis allerdings abgeschafft, nunmehr bedürfen die Direktoren nach Sec. 551 CA 2006 einer Ermächtigung zur Zuteilung des der Höhe nach unbegrenzten ausgegebenen Kapitals (issued capital), vgl. Ferran, Principles of corporate finance law, S. 97 ff., 132 ff. 72 Vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales, S. 766 n° 11611; Bayer, in: Goette/Habersack (Hrsg.), MüKo/AktG, § 202 Rn. 64. 73 Vgl. S. 170.

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keine besonderen Probleme auf74. Rechtspraktische Bedeutung erlangt die Notwendigkeit, Direktplatzierungen an den Markt stets im Wege der ordentlichen Kapitalerhöhung durchführen zu müssen, erst im Hinblick auf Folgeemissionen im Stadium nach dem Börsengang75. 2. Hauptversammlungsbeschluss a) Zuständigkeit In Anlehnung an das französische Recht76 unterscheidet das GesG zwischen der jährlich nach Abschluss des Finanzjahrs stattfindenden ordentlichen Hauptversammlung und der außerordentlichen Hauptversammlung, in deren Zuständigkeitsbereich die Durchführung von Satzungsänderungen fällt77. Da die Kapitalziffer der Gesellschaft nach Art. 6 MustersatzungAG stets in der Satzung auszuweisen ist und die Satzung damit einer Änderung bedarf, setzt die Kapitalerhöhung gemäß Art. 33 Abs. 1 GesG stets den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung voraus. b) Verfahren aa) Ladung Die in Art. 202 f. VOGesG geregelte Einladung zur Hauptversammlung hat alle wichtigen Daten der Gesellschaft sowie die Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung zu enthalten und ist gemäß Art. 203 VOGesG zweimal in zwei Tageszeitungen, von denen zumindest eine arabischsprachig ist, mindestens 15 Tage vor dem Versammlungstermin mit einem Abstand von fünf Tagen zwischen den beiden Veröffentlichungen bekanntzumachen78. Zusätzlich ist die Ladung per einfachen Brief unter der im elektronischen Register der zentralen ägyptischen Clearing- und Depotstelle MCDR79 geführten Adresse80 an die Gesellschafter zu senden. 74 Diverse Schwierigkeiten bereitet das Kapitalerhöhungsverfahren jedoch bei der Durchführung von Folgeemissionen in Erscheinung, vgl. S. 310 ff. 75 Siehe hierzu S. 347 f. 76 Vgl. die früheren Art. 153, 155 loi 1966; Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome 1, S. 371 n° 1557. 77 Vgl. Art. 227 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 VOGesG. Ausführlich zu den weiteren Kompetenzen der außerordentlichen Hauptversammlung Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 898 ff. 78 Darüber hinaus ist die Einladung gemäß Art. 204 VOGesG nebst einer Kopie des Jahresabschlusses und des Berichts des Verwaltungsrats an die Finanzaufsicht, die GAFI und den Wirtschaftsprüfer zu senden, damit diese ihre Aufsichts- und Prüfungsfunktionen ausüben können. 79 Ausführlich zur Funktion der MCDR siehe S. 249 ff. 80 Ismâ`îl, Al-iltizâm bi-l-îdâ` wa-l-qayd, S. 288; Al-Mûsî, Al-gharad fî al-sharika, S. 123.

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bb) Beschlussfähigkeit Das Gesetz erachtet die außerordentliche Hauptversammlung gemäß Art. 70 (b) GesG, 229 Abs. 1 VOGesG für beschlussfähig, wenn die Stimmrechte der anwesenden Aktionäre die Hälfte des Kapitals repräsentieren, wobei die Gesellschaftssatzung eine höhere Quote festlegen kann81. Wird dieses Quorum bei der ersten Zusammenkunft nicht erreicht, so kann binnen 30 Tagen eine zweite Versammlung durchgeführt werden, die bereits bei Anwesenheit eines Viertels des Kapitals beschlussfähig ist. Auch wenn es das Gesetz nicht ausdrücklich vorschreibt, müssen zwischen der ersten und der zweiten Hauptversammlung nach Ansicht der GAFI mindestens sieben Tage liegen. Gestützt wird diese Ansicht auf Art. 203 Abs. 3 VOGesG, demzufolge die Ladung zur zweiten Hauptversammlung mindestens sieben Tage vor der Versammlung erfolgen muss. Aus diesem Gebot wird mittelbar gefolgert, dass die zweite Versammlung nicht unmittelbar an die erste anschließen darf. Darüber hinaus möchte Qalyûbî der Norm entnehmen, dass die Ladung zur zweiten Hauptversammlung erst im Anschluss an die nicht beschlussfähige erste Versammlung erfolgen darf82. In der Rechtspraxis hat sich diese Auffassung jedoch nicht durchgesetzt: Vielmehr erachtet es die GAFI angesichts der niedrigen Anwesenheitsquoten in den ägyptischen Hauptversammlungen für zulässig, wenn in der Ladung zur ersten Versammlung bereits vorsorglich zur zweiten Versammlung geladen wird, um sie bereits sieben Tage nach der ersten abhalten zu können83. cc) Mehrheit Im Gegensatz zu den allgemeinen satzungsändernden Beschlüssen der außerordentlichen Hauptversammlung, die mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen84 erfolgreich sind, bedürfen die in Art. 70 (c) GesG, 229 Abs. 2 VOGesG genannten Strukturmaßnahmen aufgrund des potentiell weitreichenden Eingriffs in die Rechte der Altaktionäre einer Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Stimmen. Um zu gewährleisten, dass alle an der Abstimmung teilnehmenden Personen auch tatsächlich

81 Insoweit ist Art. 225 Abs. 1 VOGesG analog anzuwenden; so im Ergebnis auch AlQalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 895. 82 Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 896. 83 Siehe beispielhaft die Ladung der Orascom Telecom Holding S.A.E., Invitation to the Ordinary General Assembly, 21. April 2008. 84 Die Verordnung spricht zwar nicht von Stimmen, sondern von „Aktien und Kapitalanteilen“ (ashum wa-hisas ra´s al-mâl); da Art. 132 VOGesG Vorzugsaktien mit Mehrstimmrechten für zulässig erklärt, muss die Anzahl der auf die vertretenen Aktien entfallenden Stimmen maßgeblich sein.

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Aktionäre oder Aktionärsvertreter85 sind und ihre Aktien nicht zwischenzeitlich veräußert haben, werden die Aktien der an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionäre von ihrer jeweiligen Depotbank (amîn al-hafiz oder custodian), die das Depot des Aktionärs verwaltet, für den Zeitraum zwischen der Einladung zur Hauptversammlung und ihrem Abschluss blockiert86. 3. Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre Das ägyptische Aktienrecht räumt Aktiengesellschaften gemäß Art. 35 Abs. 2 GesG, 9 VOKMG, 132 VOGesG unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, Aktien mit unterschiedlichen Rechten zu schaffen, die jeweils eine eigene Gattung (naw` al-ashum) bilden. Diejenigen Aktien, deren inhaltliche Ausgestaltung von den (dem gesetzlichen Leitbild des Aktionärs entsprechenden) Stammaktien abweichen, werden unabhängig davon, ob sie ihren Inhabern im Vergleich zu den Stammaktionären rechtliche Vorteile oder Nachteile gewähren, als Vorzugsaktien (ashum mumtâza) bezeichnet87. Plant eine Gesellschaft im Rahmen einer Emission neue Vorzugsaktien auszugeben88, deren Gewinnrechte denjenigen anderer Gattungen von Vorzugsaktien gleichstehen oder sogar vorhergehen, so stellt sich die Frage nach dem Schutz der existierenden Vorzugsaktionäre, haben sie doch Vertrauen in Bestand und Werthaltigkeit ihrer Vorzugsrechte gebildet. Der Schutz der Vorzugsaktionäre wird in den Art. 10 S. 1 VOKMG, 133 VOGesG normiert, denen zufolge bestehende Vorzugsrechte nur auf der Grundlage eines Sonderbeschlusses (qarar jama`iyya al-khâsa) der Vorzugsaktionäre mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmen geändert werden dürfen. Gemäß Art. 10 S. 2 VOKMG, 133 VOGesG gelten die auf die Hauptversammlung anzuwendenden Regeln für die Einberufung und die Beschlussfassung der gesonderten Versammlung entsprechend. Ob die Schutzvorschriften auch auf die hier diskutierte Konstellation der Schmälerung der Vorzugsrechte durch die Ausgabe neuer Vorzugsanteile anzuwenden ist, erweist sich allerdings aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs als fraglich. Gemäß ihrem Wortlaut setzen die Art. 10 S. 1 VOKMG, 133 VOGesG einen unmittelbaren Eingriff in die Rechte der Vorzugsaktionäre voraus, der in der Ausgabe neuer Aktien jedoch wohl 85 86 87

Zu den Problemen der Stimmrechtsvertretung siehe S. 313 f. Art. 205 VOGesG. Allgemein zu Vorzugsaktien im ägyptischen Recht siehe Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 655 ff.; Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî almuqâran, S. 353 f.; Ismâ`îl, Al-iltizâm bi-l-îdâ` wa-l-qayd, S. 119; `Awâd, Dawr sûq alawrâq al-mâliyya, S. 22; Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 524. 88 Ausführlich zu den Voraussetzungen S. 110 f.

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nicht gesehen werden kann. Gibt die Gesellschaft neue Vorzugsaktien aus, die über den gleichen Vorzug wie die alten Vorzugsaktien verfügen und ihnen im Rang gleichstehen oder sogar vorgehen89, so erweist sich dies nur als mittelbare Beeinträchtigung der Rechtsposition der alten Vorzugsaktionäre. Für diese ist es freilich ohne Bedeutung, ob die Beschneidung ihrer Rechte durch einen unmittelbaren Eingriff in ihre Vorzugsrechte oder mittelbar durch die Schaffung neuer Aktiengattungen erfolgt. Sie haben allein das Interesse, dass ihnen ihre Rechtspositionen nicht durch die übrigen Aktionäre genommen werden, die von den Änderungen selbst nicht betroffen sind90. Möchte man einen umfassenden Schutz der Vorzugsaktionäre erzielen, sind die Art. 10 S. 1 VOKMG, 133 VOGesG daher entsprechend auf mittelbare Beeinträchtigungen anzuwenden91. 4. Mindestvorgaben des Hauptversammlungsbeschlusses Entsprechend der gesetzlichen Kompetenzverteilung wird auch der Verwaltungsrat eng in die Durchführung der Kapitalerhöhung einbezogen. Im Vorfeld des Hauptversammlungsbeschlusses wird er gemäß Art. 18 f. VOKMG, 86 f. VOGesG aktiv, indem er der Hauptversammlung die Kapitalerhöhung vorschlägt und einen vom Wirtschaftsprüfer testierten Bericht über das vergangene Geschäftsjahr sowie die Folgen der geplanten Kapitalerhöhung vorlegt. Im Anschluss an den Hauptversammlungsbeschluss hat der Verwaltungsrat einerseits diejenigen Ausgabebedingungen zu konkretisieren, die von der Hauptversammlung nicht endgültig festgesetzt wurden, andererseits die erforderlichen Verfahrenshandlungen zur Vollendung der Kapitalerhöhung durchzuführen. Klärung bedarf in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, in welchem Umfang die Hauptversammlung die endgültige Festsetzung der materiellen Ausgabebedingungen an die Verwaltung delegieren darf, ohne die gesetzliche Kompetenzzuweisung auszuhöhlen.

Zur Bedeutung des Rangverhältnisses Hüffer, AktG, § 141 Rn. 15. Genannt sei hier der Beispielsfall der Schaffung neuer Vorzugsaktien, die eine quotale Dividendenpriorität gegenüber den alten Vorzugsaktien vorsehen. 90 Völlig schutzlos bleiben die Vorzugsaktionäre freilich auch dann nicht, wenn sich die GAFI zu einer wortlautgetreuen Anwendung der Normen entscheiden sollte. In diesem Fall wären die Vorzugsrechte jedenfalls auf Grundlage der allgemeinen Missbrauchsanfechtung gemäß Art. 76 Abs. 2 GesG geschützt, derzufolge Beschlüsse, die einen Nachteil für die ein oder andere Aktionärsgruppe beinhalten, nur gefasst werden dürfen, wenn die Maßnahme durch das Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt wird, siehe näher § 2 Fn. 955. 91 So im Ergebnis und ohne vertiefte Begründung auch Al-Qalyûbî, Al-sharikât altijâriyya, 2008, S. 661. 89

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a) Grundsatz der Finanzhoheit der Hauptversammlung Ob bei der ordentlichen Kapitalerhöhung eine Delegation der Festsetzung der Ausgabekursbedingungen von der Hauptversammlung auf die Verwaltung zulässig ist, lässt sich der Rechtsgrundlage für die Kapitalerhöhung, Art. 33 Abs. 1 GesG, nicht ausdrücklich entnehmen. Während sich in der Literatur nur eine Stimme dieser Fragestellung annimmt und die Möglichkeit der Delegation bejaht92, deutet die Genehmigungspraxis der Finanzaufsicht tendenziell auf die Unzulässigkeit der Kompetenzteilung hin, ohne dass offizielle Stellungnahmen von Seiten der Behörde existieren. Die Grenzen der Delegation von Hauptversammlungskompetenzen lassen sich am besten anhand eines Urteils des Appellationsgerichts Alexandria93 (mahkamat al-isti´nâf al-iskandariyya) aus dem Jahr 2006 erörtern, das sich jedenfalls en passant mit der Fragestellung beschäftigte. Das Urteil hatte einen Kapitalerhöhungsbeschluss zum Gegenstand, der keinerlei Ausgabebedingungen enthielt und die Festsetzung der Konditionen dem Verwaltungsrat überließ, der wiederum die Bestimmung der Parameter an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats delegierte. Das Appellationsgericht beschäftigte sich allein mit der Zulässigkeit dieser zweiten Delegation der Finanzierungskompetenz an den Verwaltungsratsvorsitzenden und befand sie für rechtswidrig. Die Entscheidung begründete das Gericht mit dem Umstand, dass eine Delegation der Hauptversammlungskompetenz lediglich auf die Vervollständigung gewisser Bedingungen und Verfahrensschritte beschränkt sei und dem Verwaltungsratsvorsitzenden kein umfassender Ermessenspielraum hinsichtlich des Volumens der Kapitalerhöhung, des Ausgabekurses und des Bezugsrechtsauschlusses eingeräumt werden könne. Vielmehr hätte die Festsetzung der Bedingungen aufgrund ihrer Bedeutung nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung oder des Verwaltungsrats erfolgen dürfen. Während das Gericht die Ermächtigung des Vorsitzenden zur Bestimmung der genannten Bedingungen – Volumen, Ausgabekurs und Bezugsrechtsauschluss − durch das Urteil also klar für unzulässig befand, drückte es mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Zustimmung des Verwaltungsrats jedoch implizit die grundsätzliche Zuläs92 Ramadân, Himâiat al-musâhim fî sharika al-musâhama, S. 530; eine Auseinandersetzung mit den Grenzen der Delegation erfolgt jedoch nicht. 93 BerufungsG (mahkamat al-isti´nâf) Alexandria v. 13. Juni 2006, Verfahren Nr. 531, 623 und 3961 des Gerichtsjahrs 74; das Urteil selbst ist bislang nicht veröffentlicht, eine Zusammenfassung findet sich jedoch in der Darstellung der Revisionsentscheidung des Kassationsgerichts, das die Revision aufgrund der Verfristung der ursprünglichen Anfechtungsklage gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss abwies und sich entsprechend mit der Rechtmäßigkeit der Kapitalerhöhung nicht inhaltlich auseinandersetzte (Al-hukûma al-misriyya (Hrsg.), Mustahdath bi-mahkamat al-naqd, mawâd altijârî, S. 125). Aus diesem Grund erfolgt die Auseinandersetzung allein mit dem Urteil des Berufungsgerichts.

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sigkeit der Delegation der Entscheidung über die Emissionsbedingungen an den Verwaltungsrat aus. Da das Gericht im Detail offenließ, in welchem Umfang die Festsetzung der genannten Parameter durch den Verwaltungsrat erfolgen darf, bedarf dieses obiter dictum einer genaueren Prüfung. Um das Kooperationsverhältnis zwischen der Hauptversammlung und dem Verwaltungsrat zu bestimmen, ist es zunächst wichtig, sich den Schutzzweck der in Art. 33 GesG verankerten Finanzierungskompetenz der Hauptversammlung vor Augen zu führen: Der Grund für die gesetzgeberische Entscheidung, die Hoheit über Kapitalmaßnahmen den Eignern der Gesellschaft zuzuweisen, fußt auf ihrem Selbstbestimmungsrecht über den Bestand der Mitgliedschaftsrechte. Sie hat zum Ziel, die Aktionäre über eine Beeinträchtigung ihrer Rechtspositionen stets selbst entscheiden zu lassen, was auch den Schutz vor einer Entrechtung durch sich selbst im Wege der Delegation umfassen sollte94. Im Hinblick auf den Ausschluss des Bezugsrechts wird dieser Gedanke ausdrücklich in Art. 32 VOKMG ausgesprochen, demzufolge die Entscheidung allein der Hauptversammlung vorbehalten ist. Da das Ausmaß der Verwässerung durch den Bezugsrechtsausschluss mittelbar auch durch das Emissionsvolumen bestimmt wird, muss die Bestimmung des Umfangs der Kapitalerhöhung konsequenterweise ebenfalls dem Vorbehalt der Eignerversammlung unterliegen. Ein argumentum a maiore führt schließlich zur gleichen Annahme hinsichtlich des Ausgabebetrags. Denn während der Bezugsrechtsausschluss „nur“ den relativ gesehen geringeren Eingriff in die Beteiligungsquote erlaubt, bewirkt die Ausgabe von Aktien unter ihrem Wert eine direkte vermögensrechtliche Beeinträchtigung95. Die Kompetenzverteilung der Art. 227 VOGesG muss daher als zwingend angesehen werden und kann weder durch einen Hauptversammlungsbeschluss noch – infolge des Grundsatzes der Satzungsstrenge des Art. 16 Abs. 1 GesG96 – durch die Satzung überspielt werden. Entgegen dem obiter dictum des Appellationsgerichts ist eine umfassende Delegation der Festsetzung der Ausgabebedingungen also auch dann unzulässig, wenn sie zugunsten des Verwaltungsrats erfolgt. Ausweislich der Dokumentation vergangener Kapitalerhöhungsbeschlüsse, die je94 Vgl. vor dem Hintergrund des deutschen Rechts nur Mülbert, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar-AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 26, sowie § 182 Abs. 3 AktG. 95 Zur Wirkungsweise dieses Verwässerungsmechanismus siehe ausführlich S. 124 f. 96 Die Normierung des Prinzips der Satzungsstrenge im ägyptischen Recht ist ein weiterer Ausdruck des Bestrebens des ägyptischen Gesetzgebers, sich trotz der grundsätzlichen Anlehnung an das romanische Recht immer wieder durch andere Rechtsordnungen inspirieren zu lassen und einzelne Rechtsfiguren aus diesen aufzugreifen. So hat sich der Gesetzgeber bei der Regelung der Satzungsstrenge in Art. 16 GesG mutmaßlich am deutschen Recht orientiert, da weder die französische noch die weiteren großen ausländischen Rechtsordnungen eine ausdrückliche Vorschrift enthalten, vgl. Siems, Konvergenz der Rechtssysteme, S. 58 ff.

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weils eine eigene Entscheidung der Eigner hinsichtlich aller vermögensrechtlich relevanten Bedingungen (Emissionsvolumen, Ausgabekurs und Bezugsrechtsausschluss97) enthalten, scheint auch die ägyptische Finanzaufsicht die beschriebene Kompetenzzuordnung zu befürworten. b) Zulässigkeit von Höchstgrenzen Aufgrund des eingangs erwähnten Bedürfnisses der Gesellschaft, innerhalb des komplexen Emissionsverfahrens flexibel auf kurzfristige Entwicklungen reagieren zu können, hält die Behörde es jedoch richtigerweise für ausreichend, wenn die Versammlung das Emissionsvolumen und den Ausgabekurs nicht exakt festsetzt, sondern lediglich Höchstgrenzen bestimmt, die den potentiellen Eingriff in die Aktionärsrechte auf ein vordefiniertes Ausmaß begrenzen, und die genaue Bestimmung der endgültigen Bedingungen anschließend an die Verwaltung delegiert98. Dieser Kompromiss zwischen der Finanzierungshoheit der Eigner und den Bedürfnissen der Gesellschaft, wird den Aktionärsinteressen in hinreichendem Maße gerecht99. Für ihren Schutz genügt es, wenn sie den Wert bestimmen, bis zu dem ihre mitgliedschaftlichen „Grundrechte“ ad extremum beeinträchtigt werden, da jede Ermessensausübung durch die Verwaltung nur zu einer Verringerung der Eingriffstiefe unterhalb der Höchstgrenze führen kann. 5. Zwischenergebnis In einem ersten Zwischenresümee lassen sich zwei für die Durchführung von Aktienemissionen wichtige Erkenntnisse festhalten: Da ein genehmigtes Kapital nicht genutzt werden kann, um Aktien ohne vorherige Einräumung von Bezugsrechten zu platzieren, haben die Aktionäre stets selbst über die konkrete Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte zu entscheiden. Der Kapitalerhöhungsbeschluss hat wiederum – ob konkret oder über Höchstund Mindestgrenzen – sämtliche Parameter zu bestimmen, die auf das Ausmaß der Beeinträchtigung von Aktionärsrechten Einfluss haben.

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Zur Bedeutung dieser Faktoren für die Verwässerung siehe S. 124 f. Vgl. den Kapitalerhöhungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Ghabbour Auto S.A.E. vom 24. Mai 2007, Ghabbour Auto S.A.E., Nashrat al-iktitâb, 6. Juni 2007, S. 19; gleichermaßen der Hauptversammlungsbeschluss der Mardive & Oil Services S.A.E. vom 14. April 2008, Al-Ahrâm, Nashrat al-iktitâb Maridive & Oil Services S.A.E., 18. April 2008, S. 25. 99 Vgl. zur gleichgelagerten Situation in Deutschland Wiedemann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar-AktG, § 182 Rn. 55; Krieger, in: Wiesner (Hrsg.), MünchHdb/AG, § 56 Rn. 23.

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III. Bedingungen der Kapitalerhöhung 1. Emissionsvolumen und der Grundsatz der vollständigen Zeichnung Die Bestimmung des Gesamtnennwertes einer Emission steht im freien Ermessen der Gesellschaft und wird durch gesetzliche Vorgaben nicht beschränkt. Zu gewährleisten hat die Hauptversammlung nach Art. 31 GesG allein, dass der Betrag durch den Nennwert der Aktien teilbar ist. Nach früherer Rechtslage war bei der Volumenbestimmung zudem der Grundsatz der vollständigen Zeichnung (mabda´ al-iktitâb al-kâmil) zu berücksichtigen100. Er ging auf das französische Gebot der souscription intégrale101 zurück und ordnete die Unwirksamkeit der Kapitalerhöhung für den Fall an, dass das im Kapitalerhöhungsbeschluss vorgesehene Emissionsvolumen nicht nachgefragt und die angebotenen Aktien nicht vollständig gezeichnet wurden102. Der ursprüngliche Zweck des Gebots der souscription intégrale, die heute nur noch auf Gesellschaftsgründungen Anwendung findet103, war es, den Kapitalmarkt vor Schwindelgründungen und Investitionen in offensichtlich unzureichend kapitalisierte Gesellschaften zu schützen104. Eine Heilung des Rechtsverstoßes war nur möglich, wenn eine außerordentliche Hauptversammlung den Kapitalerhöhungsbetrag gemäß Art. 28 Abs. 3 S. 1 VOKMG a.F. nachträglich mit Zustimmung der Zeich-

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Art. 3 Nr. 1, 28 Abs. 1 VOKMG a.F., Art. 32 Abs. 2, 37 GesG, 9 Nr. 1, 23 VOGesG. Die technische Umsetzung der Reform ist wiederum ein Beispiel für die inkonsequente Gesetzgebungstechnik: So wurden mit Ausnahme des geänderten Art. 28 VOKMG alle übrigen Rechtsgrundlagen des Gebots der vollständigen Zeichnung im Gesetz belassen. Die Folge ist, dass die neuere Verordnungsvorschrift gegenüber den älteren gesetzlichen Regelungen unter Verstoß gegen den lex specialis-Grundsatz als vorrangig angesehen wird. 101 Eine Verletzung des Gebots führt heute allerdings nicht mehr zur Nichtigkeit, sondern löst im Gründungsstadium lediglich eine Gründer- und Direktorenhaftung aus (Art. L225-3 al. 1 Code com., vgl. auch Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome 1, S. 303 n° 1429). Im Rahmen einer Kapitalerhöhung kann sich die Gesellschaft mit der Durchführung der Erhöhung um den gezeichneten Betrag begnügen, wenn dieser drei Viertel des ursprünglich geplanten Erhöhungsvolumens beträgt, Art. L225-134 al. 1 Code com.). 102 Vgl. Art. 28 Abs. 1 VOKMG a.F., geändert durch Dekret des Außenhandelsministers Nr. 321/2003, al-waqâ´i` al-misriyya Nr. 150 vom 6. Juli 2003. 103 Art. 55 VOKMG, 32 Abs. 2 GesG; Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 609 f.; Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 232. Praktisch denkbar ist eine unvollständige Zeichnung freilich nur im Fall der öffentlichen Gründung, die heute in Ägypten nicht mehr üblich ist, in den Golfstaaten jedoch durchaus Relevanz entfaltet, siehe S. 606 ff. 104 Issa, Capitalisme et sociétés anonymes, S. 80; KassG Dubai v. 2. April 1968, Nr. 149 des Gerichtsjahrs 30.

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ner105 auf den Nennwert der gezeichneten Aktien herabsetzte oder die Emissionsbanken nach Art. 37 GesG, 20 Abs. 2 VOGesG106 die nicht gezeichneten Aktien ein weiteres Mal öffentlich anboten oder übernahmen. Während die erste Heilungsvariante aufgrund des Erfordernisses der Zustimmung sämtlicher Zeichner bei öffentlichen Angeboten nur ein wenig praxistaugliches Instrument darstellte, vermochte die zweite Variante jedenfalls bei vorheriger Vereinbarung eines standby underwriting das Scheitern der Kapitalmaßnahme durchaus abzuwenden, da der Emittent in diesem Fall die Übernahme der Aktien durch die Banken verlangen konnte. Die Ausdehnung des Gebots der vollständigen Zeichnung erwies sich jedoch im Zuge des vermehrten Auftretens von Folgeemissionen (die regelmäßig unter Einräumung von Bezugsrechten erfolgten107) als impraktikabel, da jede Emission aufgrund der Möglichkeit der unzureichenden Nachfrage seitens der Altaktionäre mit dem Risiko des Scheiterns behaftet war108. Da die Belastung der Kapitalerhöhungen in einem Missverhältnis zu dem Schutzbedürfnis der Zeichner stand, vollzog der ägyptische Verordnungsgeber im Jahr 2003 eine Wende und schaffte den Grundsatz der vollständigen Zeichnung durch eine grundlegende Novellierung des Art. 28 VOKMG ab109. Nach Abs. 1 der Norm in der heutigen Fassung ist die Gesellschaft nunmehr nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (yajib), die Kapitalerhöhung auch bei Nichterreichen des Kapitalerhöhungsbetrags durchzuführen. Mit der Reform wurde die sogenannte „bis zu“Kapitalerhöhung, bei der das Grundkapital im Fall einer geringeren Nach105

Das französische Recht verlangt im Gegensatz hierzu nicht die Zustimmung der Zeichner, sondern die einmütige Zustimmung der Hauptversammlung, Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome 1, S. 304 n° 1430. 106 Der Zweck der Art. 37 GesG, 20 Abs. 2 VOGesG ist nicht vollständig klar, da sie keinen zusätzlichen Handlungsspielraum für die Emittenten schaffen, sondern nur deklaratorisch erwähnen, was die Parteien bereits privatautonom vereinbaren können. Eine echte Privilegierung bewirkte hingegen Art. 121 Nr. 2 VOKMG, demzufolge bei der Replatzierung der übernommenen Aktien durch die Bank kein neuer Prospekt erstellt werden musste. Im Fall der unvollständigen Zeichnung bei der Unternehmensgründung finden Art. 37 GesG, 20 Abs. 2 VOGesG nach wie vor Anwendung, vgl. Al-Qalyûbî, Alsharikât al-tijâriyya, 2008, S. 609. 107 Zur Dominanz der Bezugsrechtsemission auf dem Markt für Folgeplatzierungen und dem Grundsatz des zwingenden Bezugsrechts siehe S. 309 f. 108 Die beim IPO übliche Abnahmegarantie ist bei dem in Ägypten verwendeten Regeltypus der Bezugsrechtsemission erforderlich, da die Gewährleistung des Absatzes über Preismechanismen erfolgt, vgl. S. 293. 109 Vgl. § 1 Fn. 102; interessanterweise hat inzwischen auch das französische Recht den Grundsatz der souscription intégrale eingeschränkt und lässt nunmehr gemäß Art. 225-134 Code com. i.d.F. der Ordonnance du 24 juin 2004 die Verwaltung über die Durchführung der Kapitalerhöhung entscheiden; zu den Gründen Daigre, in: Bissara (Hrsg.), Le droit des sociétés pour 2005, S. 145, 147.

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frage um den unter dem Erhöhungsbetrag liegenden gezeichneten Nennbetrag erhöht wird110, somit zum gesetzlichen Regelfall111. Da sich die Verfahrenserleichterung für die Gesellschaft nicht zum Nachteil der Zeichner auswirken sollte, die nunmehr in eine ggf. unzureichend kapitalisierte Gesellschaft gedrängt werden, räumt Art. 28 Abs. 2 VOKMG den Zeichnern jedoch das Recht ein, sich vom Zeichnungsvertrag zu lösen. Während die Abschaffung des Grundsatzes der souscription intégrale für die Zwecke der Kapitalerhöhung zu begrüßen ist, dürfte die durch Art. 28 Abs. 1 VOKMG normierte Pflicht, die Kapitalerhöhung im Fall der Unterzeichnung zwingend zu Ende zu führen, zu weit gehen. Mangels eines entgegenstehenden Schutzbedürfnisses sollte es der Hauptversammlung gestattet sein, die Kapitalerhöhung bei zu geringer Nachfrage jedenfalls dann scheitern zu lassen, wenn der Erhöhungsbeschluss und der Emissionsprospekt ausdrücklich auf diese Möglichkeit hinweisen112. 2. Bestimmung der Aktienart und -gattung a) Aktienart Die Historie der in Ägypten verfügbaren Aktienarten ist eng an die politische Geschichte des Landes geknüpft. Während das in die Anfangsphase der Machtübernahme durch die Freien Offiziere fallende, vergleichsweise liberale Gesellschaftsgesetz Nr. 26/1954 den Gesellschaften in Art. 7 Abs. 2 noch die Freiheit einräumte, zwischen der Ausgabe von Namensaktien (ashum ismiyya) und Inhaberaktien (ashum li-hamilihâ) zu wählen, wurden Inhaberaktien im Zuge der Verstaatlichung des privaten Sektors unter Präsident Nasser durch das Gesetz Nr. 111/1961 verboten, um eine effektive Kontrolle über die Beteiligungsstruktur der Gesellschaften ausüben zu können113. Diesen Schritt wollte auch der Gesetzgeber von 1981 nicht rückgängig machen, da aufgrund der Ägyptisierungsvorschrift des 110 Zur „bis zu“-Kapitalerhöhung Herfs, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 130, 150. 111 Die Änderung erwies sich insbesondere deshalb als essenziell, da im Bezugsverfahren verbliebene Aktien nach Auffassung der EFSA nicht frei verwertet werden dürfen, vgl. S. 334 ff. 112 Ein konkretes Bedürfnis besteht hier etwa, wenn die Kapitalerhöhung einem Aktientausch zum Zweck einer öffentlichen Übernahme dient, die Transaktion jedoch durch das Erreichen einer bestimmten Beteiligungsschwelle bedingt ist. Nach derzeitiger Rechtslage könnte das Ziel der Gesellschaft jedoch nach wie vor erreicht werden, wenn sie sich vorbehält, die Zeichnungsangebote nur anzunehmen, wenn die Schwelle erreicht wird. Nach hiesiger Auffassung, derzufolge der Zeichnungsvertrag erst mit der Annahme des Zeichnungsangebots der Zeichner durch die Gesellschaft im Wege der Zuteilung erfolgt (siehe S. 229 f.), ist mit Ablauf der Zeichnungsperiode ohnehin noch kein Zeichnungsvertrag geschlossen. 113 Sandl, Aktienrecht in Ägypten, S. 62.

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Art. 37 GesG nach wie vor ein Bedarf nach staatlicher Kontrolle der Aktionärsstruktur bestand. Mit Erlass des KMG wurde schließlich eine Kompromisslösung eingeführt, derzufolge die Ausgabe von Inhaberaktien zwar erstmals wieder erlaubt wurde; zum Zweck der Durchsetzung des Art. 37 GesG wurden ihren Inhabern jedoch einerseits jegliche Stimmrechte (alhaq fî al-taswît) versagt, andererseits erfolgte eine Beschränkung des Gesamtnennwerts der Aktien auf 25 Prozent des Grundkapitals114. Die praktische Bedeutung dieser Kompromisslösung ist bis heute gering: In geschlossenen Gesellschaften besteht allgemein kein Bedürfnis für eine erhöhte Fungibilität der Anteile. Zudem erweisen sich die stimmrechtslosen Inhaberaktien in wirtschaftlicher Hinsicht als unattraktiv, da aufgrund der Unzulässigkeit der Kombination verschiedener Vorzüge oder Nachteile115 neben der Stimmrechtsbeschränkung keine Einräumung von Gewinnvorzügen möglich ist. Der Regeltypus physischer Aktien (ashum mâdiyya) geschlossener Gesellschaften ist aus diesen Gründen nach wie vor die Namensaktie. Für börsennotierte Gesellschaften ist die Unterscheidung zwischen Namens- und Inhaberaktien heute gänzlich aufgehoben. Mit der zwingenden116 Dematerialisierung börsennotierter Effekten im Jahr 2000 durch das ZentrDepotG117 ist die Differenzierung zwischen den Aktienarten in börsennotierten Gesellschaften gänzlich entfallen118. b) Aktiengattung Im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausgegebene junge Aktien tragen die Rechte der gesetzlich typisierten Stammaktien, wenn die Hauptversammlung die Aktien nicht ausdrücklich mit abweichenden Rechten ausstattet119. Für die Zwecke der Kapitalmarktfinanzierung gilt die Ausgestaltung der Gesellschaftsaktien als Vorzugsaktien heutzutage eher als ungeeignet, da die Mehrzahl der Anleger aus Gründen der Bewertungsklarheit und einer klaren Machtbalance eine einheitliche Behandlung aller Aktionäre präfe-

114 Diese Rechtslage besteht im Hinblick auf nicht börsennotierte Gesellschaften nach wie vor. Ausführlich zu den Rechten und Beschränkungen von Inhaberaktien Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 649 ff.; Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 270. 115 Siehe die Ausführungen zur Aktiengattung sogleich. 116 Vgl. Art. 1 Abs. 1 VOZentrDepotG. 117 Ausführlich zur Bedeutung der Aktienart im dematerialisierten Effektenwesen S. 543 ff. 118 Mahmûd, Sharika al-îdâ` wa-l-qayd al-markazî li-l-awrâq al-mâliyya, S. 28 ff. 119 Al-Dab`, Taswiyat `amaliyyât al-bûrsa, S. 39.

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riert120. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass an der EGX heute nur zwei Gesellschaften notieren, die Vorzugsaktien ausgegeben haben121. Die geringe Attraktivität von Vorzugsaktien in Ägypten beruht des Weiteren auf rechtlichen Beschränkungen der Einsatzmöglichkeit von Vorzugsaktien. Nach Art. 35 Abs. 2 GesG, 132 Abs. 1, 133 VOGesG, 9 VOKMG können Vorzugsaktien zwar mit Vorzügen oder Beschränkungen hinsichtlich der Stimmrechte, Gewinnbeteiligung oder (wa) Beteiligung am Liquidationserlös versehen werden; Vertreter der GAFI wollen aus der Verwendung des Begriffs „oder“ allerdings folgern, dass ein Vorzug nur hinsichtlich eines der drei genannten Ausstattungsmerkmale eingeräumt werden kann (es wird also ein exklusives „oder“ gelesen) und beschränken damit die Möglichkeiten der Verwendung von Vorzugsaktien erheblich122. In der Literatur wird diese Frage hingegen nicht aufgegriffen, sondern allgemein von der Zulässigkeit von verschiedenen Vorzügen ausgegangen123. Eine weitere Hürde für den Einsatz von Vorzugsaktien beruht auf der gesetzlichen Voraussetzung124, dass ihre Ausgabe „von Anfang an“ (ibtîdâ´an) in der Gesellschaftssatzung vorgesehen war. Die GAFI legt die Formulierung dahingehend aus, dass die Möglichkeit der Ausgabe von Vorzugsaktien bereits im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung in der Satzung niedergelegt sein muss. Ist dies nicht der Fall, so sollen die Vorzugsaktien auch auf der Grundlage einer Satzungsänderung nicht ausgegeben werden können. Die Intention des Art. 35 Abs. 2 GesG soll es sein, Minderheitsaktionäre zu schützen, die nicht durch einen Vorbehalt in der Satzung vor einer nachträglichen Ausgabe von Vorzugsaktien an Mehrheitsaktionäre oder Dritte gewarnt wurden125. Zur Unterstützung der Auslegung der Behörde lässt sich die Vorschrift des Art. 95 VOGesG anführen, derzufolge die Hauptversammlung im Fall einer Kapitalerhöhung berechtigt ist, 120 Siems, Konvergenz der Rechtssysteme, S. 148 f.; Wirth/Arnold, 6 ZGR (2002) 859, 861. 121 Siehe § 1 Fn. 429. 122 Diese Auffassung wurde von einem hochrangigen Beamten der GAFI, Mohamed `Abd al-Wâhid, in einem Interview mit dem Autor vom 23. Februar 2008 geäußert und als die offizielle Verwaltungspraxis der GAFI geschildert. Die ägyptische Literatur geht auf die Frage soweit ersichtlich nicht ein. In Art. 23 des Gesetzesentwurfes für ein einheitliches Gesellschaftsgesetz, das derzeit in den Ministerien zirkuliert, wird das „oder“ durch „und“ ersetzt, um den Gesellschaften mehr Flexibilität einzuräumen. 123 Al-Dab`, Taswiyat `amaliyyât al-bûrsa, S. 41 f.; Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 192 f. 124 Art. 35 Abs. 3 GesG, 24, 9 S. 2 VOKMG, 92, 132 Abs. 2 VOGesG. 125 Diese Ansicht wurde wiederum von Mohamed `Abd al-Wâhid im Gespräch vom 23. Februar 2008 vertreten. So auch Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 524, dessen Ausführungen darauf hindeuten, dass die Gründungssatzung die Vorzüge nicht konkret benennen muss, sondern lediglich eine allgemeine Klausel für Vorzugsaktien vorzusehen hat.

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die bereits existierenden Altaktien vor der Erhöhung mit Vorzugsrechten auszustatten. Diese Vorschrift ist in der Tat am besten verständlich, wenn sie als Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 GesG gelesen wird: Für die Norm bestünde nämlich kein sinnvoll erklärbares Bedürfnis, wenn die Ausgabe von Vorzugsaktien auch ohne anfängliche Satzungsklausel zulässig wäre. In der Literatur stößt das anfängliche Satzungserfordernis dennoch auf Kritik. Radwân und Qalyûbî halten es für verfehlt und sprechen sich dafür aus, die Ausgabe von Vorzugsaktien auch ohne anfängliche Satzungsklausel zu erlauben126. Qalyûbî stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung namentlich auf das Argument, dass die Änderung der Satzung in der Kompetenz der Hauptversammlung stehe und dieses Kompetenzgefüge durch Art. 35 Abs. 2 GesG nicht berührt werden dürfe127. Mangels eines andernorts im Gesetz anerkannten Interesses an einem Schutz vor Einführung neuer Aktiengattungen ist die Auslegung der Norm durch die Behörde aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten in der Tat zweifelhaft. Es ergibt keinen Sinn, die vermögensrechtlich neutrale Ausgabe von Vorzugsaktien ohne anfänglichen Satzungsvorbehalt jedoch unter Einräumung eines Bezugsrechts zu verbieten, wenn andererseits erheblich tiefgreifendere Eingriffe in die Vermögensrechte der Altaktionäre wie etwa die Verwässerung der Beteiligungsquote im Rahmen öffentlicher Angebote oder der Aufnahme von Sachkapital gesetzlich erlaubt sind. Zudem dürfte sich der gesetzlich vorgesehene Schutz der Aktionäre durch den satzungsmäßigen Vorbehalt als wirkungslos erweisen, da eine derartig unkonkrete Warnung für den Investor kaum von Nutzen sein dürfte. Das bestehende gesetzliche Missbrauchsinstrumentarium128 und die beschriebenen Marktmechanismen, die den Einsatz von Vorzugsaktien in börsennotierten Gesellschaften bereits auf wirtschaftliche Weise hemmen, sind für die Verhütung von Rechtsverletzungen demgegenüber wesentlich besser geeignet. Angesichts der dogmatischen Probleme und des fragwürdigen Nutzens der Vorschrift stellt sich heute auch der Rechtsausschuss der GAFI (majlis umanâ´ hay´at al-istithmâr), der mit der Reformierung des Gesellschaftsgesetzes befasst ist, auf den Standpunkt, dass eine derart weitreichende Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 920; Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî al-muqâran, S. 537. Ismâ`îl, Al-iltizâm bi-l-îdâ` wa-l-qayd, S. 121, geht etwa ohne Weiteres davon aus, dass die Satzungsklausel lediglich vor der Emission vorhanden sein muss, also auch nach der Gründung durch eine Satzungsänderung eingefügt werden kann. 127 So Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 920. In einer vorhergehenden Passage (S. 915) stützt sie ihre Argumentation zwar zusätzlich auf Art. 95 VOGesG, übersieht hierbei jedoch die durch die Norm vorgegebene Unterscheidung zwischen Altund Neuaktien. 128 Zum Verbot des Mehrheitsmissbrauchs siehe S. 327. 126

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Beschränkung den Schutzzweck der Norm nicht rechtfertigt, und hat das Wort „ibtîdâ´an“ nicht in den Entwurf des neuen Gesellschaftsgesetzes aufgenommen129. 3. Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss a) Bedeutung Die Aktien einer Gesellschaft vermitteln ihren Inhabern eine Beteiligung an der Gesellschaft und mit ihr ein Bündel von Herrschafts- und Vermögensrechten, deren Umfang grundsätzlich durch die Höhe der nominalen Teilhabe am Grundkapital determiniert wird130. Wird das Grundkapital im Rahmen einer Kapitalerhöhung nunmehr erhöht, ohne dass die Altaktionäre einen ihrer bisherigen Beteiligungsquote entsprechenden Nennbetrag der neu geschaffenen Anteile erhalten, so wird der Anteil ihrer Rechte an den insgesamt zur Verfügung stehenden Rechten geschmälert. Hinsichtlich der Auswirkungen dieser „Verwässerung“ ist zwischen Herrschafts- und Vermögensrechten zu unterscheiden. Mit der Ausgabe neuer stimmberechtigter Stammaktien ohne Bezugsrecht findet zunächst eine quotale Verringerung der Stimmmacht der Aktionäre statt, da neben die vorhandenen Stimmrechte nunmehr diejenigen der neuen Aktionäre treten131. Die Verwässerung der Stimmmacht entspricht dabei stets dem Verhältnis des Nennwerts der neuen Anteile zum bestehenden Grundkapital. Die Verwässerung der Vermögensrechte kann im Gegensatz hierzu kompensiert werden: Wird das Vermögen der Gesellschaft durch die Zuführung von Einlagen mit der Heraufsetzung des Grundkapitals proportional erhöht, so ist zwar die relative Teilhabe der Aktionäre am Vermögen der Gesellschaft geschmälert, nicht jedoch ihr absoluter Wert132. Denn solange der Gesellschaft Einlagen zufließen, die dem Wert der ausgegebenen Aktien entsprechen, wird die quotale Verringerung der Vermögensrechte einer Aktie (da nunmehr mehr Aktien existieren) durch eine Erhöhung des absoluten Werts der Gesellschaft kompensiert133. Die Verwässerung der Beteiligungsquote ist somit notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung der Verwässerung des Beteiligungswerts. Um Minderheitsaktionäre, die nicht über die erforderliche Macht zur Einflussnahme auf die Bedingungen der Kapitalerhöhung verfügen, vor einer Verwässerung ihrer Beteiligungsquote und ggf. des Beteiligungswerts 129 130

Siehe Art. 23 des Entwurfs für ein einheitliches Gesellschaftsgesetz. Vgl. Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 295, 411; Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî al-muqâran, S. 526 f., 534 f. 131 Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 525 f. 132 Siehe ausführlich zur Verwässerung des Beteiligungswerts auf S. 126. 133 Vgl. Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 916; Al-`Arînî, Al-sharikât altijâriyya, S. 526.

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zu schützen, räumt der ägyptische Verordnungsgeber den Altaktionären der Gesellschaft in Anlehnung an die französische Rechtstradition in Art. 31 VOKMG – quasi als „Bollwerk“ gegen das wertfreie Mehrheitsprinzip – ein Bezugsrecht (al-haq al-awlawiyya fî al-iktitâb) auf neu ausgegebene Gesellschaftsaktien ein, das ihnen die Bewahrung ihres Besitzstands134 erlaubt: Wenn sie die Kapitalerhöhung schon nicht verhindern können, so sollen sie zumindest pro rata an den neu geschaffenen Mitgliedschaftsrechten beteiligt werden, um ihr Einflusspotential in der Gesellschaft und den Wert ihrer Kapitalbeteiligung zu erhalten. Dem Interesse der Altaktionäre an der Perpetuierung der Beteiligungsstruktur kann jedoch das Interesse der Gesellschaft gegenüberstehen, die jungen Aktien zu Finanzierungs- und Umstrukturierungszwecken an Außenstehende oder auch nur bestimmte Aktionäre auszugeben, das Bestandsinteresse der Aktionäre also höherrangigen Verbandszielen zu opfern. Für den hier diskutierten Fall des IPO ist die Situation insoweit eindeutig, da ein erstmaliges öffentliches Angebot von Aktien am Kapitalmarkt die Platzierung an Dritte und damit den Ausschluss des Bezugsrechts geradezu voraussetzt. Somit stellt sich die Frage, wie das ägyptische Aktienrecht den grundlegenden Konflikt zwischen Perpetuierungs- und Finanzierungsinteresse löst. b) Rechtsgrundlage und Voraussetzungen des Bezugsrechts Die Systematik der Vorschriften über das Bestehen und die Reichweite eines Bezugsrechts der Altaktionäre ist vergleichsweise unübersichtlich und führt rechtstheoretisch wie auch -praktisch zu zahlreichen offenen Fragen. Unter ägyptischen Juristen herrschen zahlreiche divergierende Ansichten, wie die Bezugsrechtsvorschriften auszulegen und anzuwenden sind, vielfach ohne dass sich ihre Vertreter mit der Möglichkeit anderer Auslegungen auseinandersetzen und eine offene Diskussion der Problematik existiert. Auch die ägyptische Literatur geht auf die Unklarheiten kaum ein. aa) Gesetzliches oder dispositives statutarisches Bezugsrecht? Die bei der Anwendung der Bezugsrechtsvorschriften auftretenden Auslegungsschwierigkeiten beginnen mit der Frage, ob ein Bezugsrecht der Altaktionäre zwingend kraft Gesetzes oder nur dann existiert, wenn und soweit die Satzung dies ausdrücklich vorsieht. Da nahezu alle ägyptischen Aktiengesellschaften ihren Aktionären in Orientierung an Art. 18 MustersatzungAG Bezugsrechte durch Satzungsvorschrift einräumen, stellt sich die Frage der Rechtsgrundlage des Bezugsrechts in der Praxis faktisch nicht. Dennoch kann die Problematik nicht ausgeblendet werden, da den 134

So Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 259 f.

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Aktionären das Bezugsrecht durch eine einfache Satzungsänderung mit der Mehrheit der außerordentlichen Hauptversammlung (Art. 229 VOGesG) jederzeit entzogen werden kann, wenn es tatsächlich allein auf den Gesellschaftsstatuten beruht. Zudem ergeben sich aus der zwingenden Natur des Bezugsrechts – wenn es denn erst einmal laut Satzung eingeräumt wird – Implikationen für die anschließende Rechtsfrage des Bezugsrechtsausschlusses, die an späterer Stelle diskussionsrelevant werden135. Um die Probleme bei der Auslegung der aktuellen, in den Art. 30 ff. VOKMG geregelten Bezugsrechtsvorschriften einordnen zu können, erweist sich zunächst die Betrachtung der bis zum Erlass der VOKMG geltenden Vorgängernormen der Art. 96 ff. VOGesG als notwendig. Gemäß dem heute durch die VOKMG verdrängten Art. 96 Abs. 1 VOGesG „musste“ (yajib) die Satzung einer Aktiengesellschaft Regelungen über die „Reichweite“ (al-mada) des Bezugsrechts enthalten. Während dieser Formulierung zu entnehmen war, dass die Satzung eine Aussage zur Bezugsrechtsfrage zu treffen hatte, ließ sie im Unklaren, ob auch die Existenz des Bezugsrechts durch eine vollständige Beschränkung seiner Reichweite per Satzungsklausel ausgeschlossen werden durfte136. Auch die Heranziehung des Grundsatzes der Satzungsstrenge des Art. 16 Abs. 1, 2 GesG, derzufolge die Vorschriften der Mustersatzung den Normen zufolge nur dann abbedungen werden können, wenn die Mustersatzung oder das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht, half nicht weiter; denn ob das Recht, die „Reichweite“ des Bezugsrecht zu bestimmen, eine solche Rechtsgrundlage darstellte, war ja gerade Gegenstand der Fragestellung. Zweifel an der Dispositivität des satzungsmäßigen Bezugsrechts begründete allerdings Art. 97 Abs. 1 VOGesG, der bestimmte, dass die Bezugsperiode mindestens 30 Tage zu betragen hatte. Denn indem Art. 97 Abs. 1 VOGesG die Bezugsrechtsperiode regelte, ohne die Existenz der bezugsrechtsbegründenden Satzungsklausel noch einmal ausdrücklich vorauszusetzen, suggerierte die Norm (wie insbesondere der Vergleich mit der späteren Rechtslage zeigen wird), dass das Bezugsrecht notwendig in diesem Umfang Bestand hatte. Die gleiche Argumentation ließ sich unter Heranziehung des Art. 98 VOGesG vorbringen, der – ohne auf ein Satzungserfordernis einzugehen – die Rechtsgrundlage für den Bezugsrechtsausschluss enthielt. Eine Gesamtschau der Normen führt also zu dem

135 136

Vgl. S. 362. Auch der alten MustersatzungAG auf Grundlage des Gesellschaftsgesetzes Nr. 159/1981 ließen sich keine weiteren Anhaltspunkte entnehmen: Zwar sah diese in Art. 18 eine Klausel vor, die ein Bezugsrecht einräumte. Diese Klausel hätte jedoch nach Art. 16 GesG abbedungen werden können, wenn sie nicht gemäß Art. 96 VOGesG zwingend war.

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Schluss, dass das Bezugsrecht gesetzlich institutionalisiert war137. Der verbleibende Anwendungsbereich des Art. 96 VOGesG und die Möglichkeiten der statutarischen Ausfüllung der „Reichweite“ des Bezugsrechts waren zwar äußert begrenzt, da Art. 97 f. VOGesG mit der Länge der Bezugsperiode und dem Bezugsrechtsausschluss die wichtigsten Bedingungen bereits verbindlich regelten. Die gesetzlich vorausgesetzte Existenz des Bezugsrechts konnte dies jedoch nicht in Frage stellen. Von diesem Standpunkt scheint im Ergebnis auch Qalyûbî auszugehen, wenn sie Art. 96 Abs. 1 VOGesG als allgemeines Ordnungsprinzip des zwingenden Rechts (al-nizâm al-`âmm) bezeichnet138. Bei Erlass der VOKMG im Jahr 1993 wurde der Wortlaut der Art. 96 ff. VOGesG zwar weitgehend, allerdings nicht vollständig in die neu geschaffenen Art. 30 ff. VOKMG übernommen. An drei verschiedenen Stellen wurden kleine Korrekturen in der Formulierung vorgenommen, die bei streng systematischer Auslegung wohl als grundlegender Eingriff in das Bezugsrechtsregime verstanden werden müssten. Zunächst verlangt das Gesetz nicht mehr in Anlehnung an Art. 96 Abs. 1 VOGesG, dass die Gesellschaftssatzung die Reichweite des Bezugsrechts regeln muss; vielmehr besagt der neue Art. 30 Abs. 1 VOKMG, dass die Satzung Regelungen über die Reichweite des Bezugsrechts enthalten darf (yajûz). Zusätzlich wurden in Art. 17 MustersatzungAG einige Leerzeilen aufgenommen, in die nunmehr von der Gesellschaft individuelle Bedingungen über die Ausnutzung des Bezugsrechts eingefügt werden können. Eine weitere Änderung betraf die gesetzliche Mindestdauer des Bezugsrechtsangebots, die nunmehr in Art. 31 Abs. 1 VOKMG verortet ist. Der neuen Regelung zufolge ist die Gesellschaft nur noch dann zur Eröffnung einer mindestens dreißigtägigen Bezugsphase verpflichtet, „wenn“ (iza) das Bezugsrecht der Aktionäre durch die Satzung ausdrücklich gewährt wird. Ebenso stellt Art. 32 VOKMG, der im Übrigen eng an die frühere Vorschrift des Art. 98 VOGesG angelehnt ist, heute ausdrücklich klar, dass ein Ausschluss des Bezugsrechts nur dann erfolgen kann, wenn die Gesellschaftssatzung den Aktionären Bezugsrechte überhaupt einräumt. Betrachtet man die verschiedenen, sehr gezielten Änderungen im Wortlaut der Bezugsrechtsvorschriften, so lässt sich kaum anzweifeln, dass der Verordnungsgeber das Bestehen des Bezugsrechts mit Einführung der VOKMG von der Existenz einer entsprechenden Satzungsklausel abhängig machen wollte. In systematischer Hinsicht bedeutet dies, dass die 137 Im Kontrast zu dieser Rechtslage stand allerdings, dass gemäß Art. 55 VOInvGG (Dekret des Außenhandelsministers Nr. 344/1988) das Bezugsrecht auf Genussscheine (sog. sukûk al-tamwîl) durch Satzungsklausel insoweit eingeschränkt werden durfte, wie die Einschränkung alle Aktionäre gleichermaßen betraf (ausführlich hierzu S. 490 f.). 138 Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 407 f.

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Art. 30 ff. VOKMG als Rechtsgrundlage i.S.v. Art. 16 Abs. 1, 2 GesG für die Aufhebung der Bezugsrechtsklausel der Mustersatzung anzusehen sind. Wird Art. 18 MustersatzungAG nach dieser Maßgabe aufgehoben, so haben die Aktionäre keinen Anspruch mehr auf Teilnahme an einer Kapitalerhöhung, wenn der Hauptversammlungsbeschluss einen solchen nicht ausnahmsweise ausdrücklich vorsieht. Mit dieser Rechtsänderung ist notwendigerweise eine Verschiebung bei der Auslegung des Begriffs der „Reichweite“ i.S.d. Art. 30 Abs. 1 VOKMG verbunden, da die Satzung nunmehr nicht nur über die inhaltliche Reichweite, sondern auch über die Existenz des Bezugsrechts entscheiden kann. Trotz der Änderungen der Bezugsrechtsvorschriften durch die VOKMG scheint ein klares Bild über dessen Voraussetzungen unter ägyptischen Juristen nach wie vor nicht zu bestehen. Während verschiedene Stimmen in der Literatur und Praxis – ohne dass die Problematik als solche näher diskutiert wird – davon auszugehen scheinen, dass eine Abbedingung der statutarischen Bezugsrechtsklausel zulässig ist139, indizieren andere Quellen das Gegenteil. Qalyûbî etwa hat ihre Ausführungen zu den Bezugsrechtsvorschriften in der Neuauflage ihres Lehrbuchs zum Gesellschaftsrecht, welche die Vorschriften des KMG und der VOKMG erstmals berücksichtigte, praktisch unverändert beibehalten und scheint somit nach wie vor davon auszugehen, dass das satzungsmäßige Bezugsrecht Bestandteil des zwingenden Rechts ist140. Auch Teile der Rechtspraxis nehmen an, dass ein Bezugsrecht ex lege und unbeachtlich der statutarischen Ausgestaltung existiert141. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus fraglich, ob die GAFI einer Aufhebung der satzungsmäßigen Rechtsgrundlage tatsächlich zustimmen würde – nicht zuletzt, da sich für die Verweigerung der Zustimmung auch ein logisches Argument anführen ließe: So ist kaum zu er139 Vgl. Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 526, demzufolge der Gesetzgeber „erlaubt, den Altaktionären ein Bezugsrecht auf Aktien im Rahmen von Kapitalerhöhungen zu gewähren, und die Bestimmung seines Ausmaßes [und damit auch Existenz, arabisch mada] der Satzung überließ“. Siehe ebenso die Ausführungen im Emissionsprospekt der Maridive & Oil Services S.A.E., Offering Circular, 22. April 2008, S. 89, demzufolge das (gemeint: satzungsmäßige) Bezugsrecht durch die außerordentliche Hauptversammlung aufgehoben werden kann; in diese Richtung auch EFG-Hermes Holding S.A.E., Offering Circular, 1998, S. 31, wonach die Satzung die Gewährung des Bezugsrechts verlangt; so wohl auch zu interpretieren Oberstes Verwaltungsgericht v. 29. Dezember 2001, Revision Nr. 3967 des Gerichtsjahrs 45, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 447, allerdings ohne dass sich dem Urteil gefestigte Erkenntnisse entnehmen lassen. 140 Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 915. 141 Vgl. die Beschreibung im – von der Finanzaufsicht genehmigten – Palm Hills Development S.A.E., Preliminary Offering Circular, 16. April 2008, S. 105, derzufolge das Bezugsrecht von Gesetzes wegen besteht. Inwiefern die Prospektgenehmigung als bewusster Ausdruck der Billigung dieser Auffassung angesehen werden kann, lässt sich nur schwer einschätzen.

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klären, dass das Bezugsrecht der Aktionäre durch Aufhebung der Satzungsregelung vollständig abgeschafft werden kann, jedoch dann, wenn es durch die Satzung erst einmal begründet wird, auch aus noch so wichtigen Gründen nicht mehr ausgeschlossen werden kann142. Gelegentlich ist von ägyptischen Anwälten auch zu vernehmen, dass ein Bezugsrecht nur dann nicht existiert, wenn es ausdrücklich in der Satzung ausgeschlossen wird, womit sie eine opt out-Lösung favorisieren. Gegen die Auffassung eines dispositiven gesetzlichen Bezugsrechts spricht jedoch, dass das Gesetz selbst keine Rechtsgrundlage für das Bezugsrecht enthält, sondern in Art. 30 Abs. 1 VOKMG auf die Satzung verweist. bb) Vorliegen einer Barkapitalerhöhung Ausweislich des Wortlauts des Art. 30 Abs. 1 VOKMG bestehen Bezugsrechte ausschließlich im Fall von Barkapitalerhöhungen. Die aus dem französischen Recht143 übernommene und in den meisten Ländern übliche144 Einschränkung des Bezugsrechts beruht auf der Natur von Sachkapitalerhöhungen: Da die konkrete von der Gesellschaft benötigte einzulegende Sache regelmäßig nur von einem bestimmten Investor und nicht allen Altaktionären erbracht werden kann, wird die Einräumung von Bezugsrechten bei Sachkapitalerhöhungen allgemein als unzweckmäßig angesehen145. Für Kapitalmarktemissionen ist diese Einschränkung freilich nicht von Relevanz, da sie allein gegen Zahlung von Bareinlagen erfolgen können.

142 Vgl. S. 362. Wie gezeigt werden soll, lässt sich dieser Widerspruch jedoch durch eine restriktive Interpretation auflösen 143 Vgl. Art. 183 loi 1966, Art. L225-132 al. 2 Code com. 144 Zur internationalen Tendenz, ein Bezugsrecht im Fall von Sachkapitalerhöhungen als unvereinbar mit dem Gesellschaftsinteresse anzusehen, mit Ländernachweisen Kindler, 27 ZGR (1998) 35, 43. 145 Ein Bezugsrecht besteht auch nicht für diejenigen Arten der Sachkapitalerhöhung, die in Art. 22 VOKMG als eigene Fallgruppe der Kapitalerhöhung aufgezählt werden, wie etwa die Einlage von Forderungen, der Umtausch von Schuldverschreibungen oder der Aktientausch. Da der Bedarf der Gesellschaft nach der spezifischen Sache jedoch keiner materiellen Prüfung unterliegt, besteht die Gefahr, dass die Systematik genutzt wird, um die Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses zu umgehen, etwa indem ein Großaktionär der Gesellschaft zunächst einen Kredit gewährt und die Forderung anschließend im Wege der Kapitalerhöhung einlegt. Das französische Recht beugt dem vor, indem die Kapitalerhöhung gegen Einlage von Forderungen als Unterfall der Barkapitalerhöhung betrachtet wird (siehe Art. L225-128 C. com.; vgl. auch Urbain-Parleani, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 575, 582).

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c) Bezugsrechtsausschluss aa) Vorliegen eines öffentlichen Angebots Die Frage des Ausschlusses des Bezugsrechts ist einer der drängendsten Problemkreise im ägyptischen Aktienrecht und prägt den ägyptischen Unternehmens- und Kapitalmarkt wie nur wenige andere Struktur- und Finanzierungsthemen. Die Schwierigkeiten beruhen auf dem Umstand, dass der Bezugsrechtsausschluss in Art. 32 VOKMG auf solche Kapitalerhöhungen beschränkt wird, die im Wege der öffentlichen Platzierung (li-l-l-iktitâb al`âmm) erfolgen. Wird das Angebot der Aktien hingegen als „privat“ eingeordnet (iktitâb khâs), ist ein Ausschluss des Bezugsrechts durch eine Mehrheitsentscheidung also unzulässig, und die Aktien müssen zunächst für 30 Tage den Altaktionären zum Bezug angeboten werden. Welche Aktienangebote als öffentlich und welche als privat anzusehen sind, teilt Art. 32 VOKMG nicht mit. Eine Legaldefinition für den Begriff des öffentlichen Angebots findet sich indes in der prospektrechtlichen Vorschrift des Art. 40 Abs. 1 VOKMG, die die Pflicht zur Erstellung von Emissionsprospekten bei öffentlichen Wertpapierangeboten regelt. Der Norm zufolge ist unter einem öffentlichen Angebot jedes Angebot von Wertpapieren an Personen zu verstehen, die „nicht im Voraus bestimmt sind“ (da`wat ashkhâs ghayr muhaddadîn sâlifan). Der Begriff der Öffentlichkeit wird somit durch das Kriterium der Bestimmtheit ausgefüllt. Wie die Untersuchung der Prospektvorschriften an späterer Stelle146 zeigen wird, geht die EFSA dann von der Bestimmtheit des Adressatenkreises aus, wenn er ex ante anhand bestimmter Merkmale hinreichend konkret individualisierbar ist. Ob die weite prospektrechtliche Legaldefinition des öffentlichen Angebots in Art. 40 Abs. 1 VOKMG einer Übertragung auf Art. 32 VOKMG zugänglich ist, erscheint jedoch angesichts des unterschiedlichen Schutzzwecks beider Regelungsbereiche zweifelhaft. Der Zweck des prospektrechtlichen Öffentlichkeitsbegriffs ist es, den Anwendungsbereich der Prospektpflichten möglichst weit zu ziehen, um Privatanlegern einen umfassenden Informationsschutz bei jeglichen Arten von Wertpapierangeboten über den Kapitalmarkt zugutekommen zu lassen. Um einen intensiven Schutz der Altaktionäre vor Eingriffen in ihre Beteiligungsrechte durch den Ausschluss des Bezugsrechts zu gewährleisten, ist es hingegen erforderlich, das Merkmal des öffentlichen Angebots in Art. 32 VOKMG eng auszulegen. Entsprechend nimmt die Finanzaufsicht keine Analogie zu Art. 40 Abs. 1 VOKMG vor, sondern vertritt stattdessen eine eigenständige, enge Auslegung des Öffentlichkeitsbegriffs des Art. 32 VOKMG. Als öffentliche Angebote i.S.v. Art. 32 VOKMG erachtet die Behörde nur solche Offerten, die sich an eine quantitativ wie auch qualitativ unbestimmte Vielzahl von 146

Ausführlich zum Begriff des öffentlichen Angebots S. 201 ff.

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Personen, also das gesamte Anlegerpublikum, richten 147. Umgekehrt bedeutet dies, dass Angebote, die sich nicht an das Publikum, sondern beispielsweise nur an institutionelle Investoren richten, auch dann, wenn die Anzahl der Investoren unbestimmt ist, als privat einzuordnen sind und ein Bezugsrechtsausschluss unzulässig ist. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass der Ausschluss des Bezugsrechts durch einen Mehrheitsbeschluss148 nur unter eng umgrenzten Voraussetzungen – dem Angebot an das Publikum – zulässig ist, alle anderen Formen der Effektenemissionen also nicht ohne ein vorheriges Bezugsangebot an die Altaktionäre durchgeführt werden dürfen. Der allgemeine Grundsatz des romanischen Gesellschaftsrechts „que l’intérêt individuel de l’actionnaire peut être sacrifé à l’intérêt collectif de la société“149 kann im ägyptischen Recht folglich nur sehr eingeschränkte Gültigkeit beanspruchen. Im Hinblick auf den Börsengang scheint diese Auslegung prima facie keine Komplikationen zu bereiten, da sich die Platzierung im Rahmen des IPO typischerweise an das Publikum richtet. Dies ist jedoch nur insofern richtig, als die Aktien der retail-Tranche betroffen sind; für die Aktien der institutionellen Tranche150, die ausschließlich erfahrenen Finanzinvestoren und damit nicht öffentlich i.S.v. Art. 32 VOKMG angeboten werden, kann das Bezugsrecht bei Zugrundelegung der soeben erarbeiteten Systematik hingegen nicht ausgeschlossen werden, was die Platzierung erheblich erschwert und aus rechtspraktischer Sicht als wenig praktikabel erscheint151. Ein zusätzliches Problem stellt sich dann, wenn die Aktien im Wege eines secondary offering mit anschließender Kapitalerhöhung zugunsten der veräußernden Aktionäre platziert werden. Auch in diesem Fall liegt ein öffentliches Angebot i.S.v. Art. 32 VOKMG technisch nicht vor, da die jungen Aktien, die im Anschluss an das secondary offering durch die Kapitalerhö147 Diese Auffassung dürfte in erster Linie auf dem Umstand beruhen, dass die Zuteilung bei öffentlichen Angeboten wegen Art. 54 Abs. 2 VOKMG nur pro rata erfolgen kann, eine Selbstbegünstigung der Mehrheitsaktionäre in diesem Fall also ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zu privaten Angeboten hält es die Finanzaufsicht daher für hinnehmbar, dass das Bezugsrecht ausgeschlossen wird, um Angebote an das Publikum zu ermöglichen (ausführlich zu dieser Problematik S. 307 ff. 148 Zur Frage nach der Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlusses durch einen einmütigen Hauptversammlungsbeschluss siehe sogleich auf S. 121 f. 149 Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome 1, S. 650 n°1937. 150 Zu ihrer Bedeutung vgl. S. 95. 151 Dies beruht in erster Linie auf dem Umstand, dass der Ausgabekurs de lege lata bereits vor dem 30-tägigen Bezugsangebot festzusetzen wäre, was eine entsprechende Verlängerung der Stillhaltefrist implizierte. Angesichts der Nervosität des Marktes im Umfeld eines Börsengangs und dessen Komplexität ist es notwendig, derartige Verfahrenshürden so weit es geht zu reduzieren. In der deutschen Literatur wird die Börseneinführung von Aktien daher allgemein als sachlicher Grund anerkannt, um das Bezugsrecht auszuschließen, vgl. Pfeifer, in: Goette/Habersack (Hrsg.), MüKo/AktG, S. 186 Rn. 96.

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hung geschaffen werden, nicht dem Publikum, sondern allein den veräußernden Mehrheitsaktionären angeboten werden. Die Aktien müssen den Altaktionären vor der Platzierung somit 30 Tage lang zum Bezug angeboten werden. Die Verzögerung als solche erweist sich für die Altaktionäre, die Aktien für das secondary offering zur Verfügung gestellt haben, zwar nicht als nennenswerter Nachteil, da sie durch lock up-Klauseln ohnehin zum Halten ihrer Beteiligung verpflichtet sind152. Allerdings besteht für sie die Gefahr, dass andere Aktionäre von ihrem Bezugsrecht Gebrauch machen und auf diese Weise die Beteiligungsquote der veräußernden Aktionäre verwässern. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich die gesetzlichen Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses mit den Anforderungen an die Ausgestaltung des Börsengangs nur schwer vereinbaren lassen. bb) Verzichtslösung hinsichtlich der institutionellen Tranche Da die Platzierung der institutionellen Tranche nicht zuletzt der Durchführung des Bookbuilding und damit auch dem Schutz der Privatanleger dient, aber auch der Einsatz eines secondary offering aufgrund der Verringerung von Stillhalterisiken im Interesse des Anlegerpublikums ist, ließe sich aus teleologischen Gesichtspunkten durchaus in Erwägung ziehen, Art. 32 VOKMG auf derartige Angebote von Aktien analog anzuwenden. Tatsächlich war die EFSA in der Vergangenheit zumindest in einem Einzelfall bereit, ein gemischt öffentliches-privates Angebot von Aktien als öffentlich einzuordnen und den Bezugsrechtsausschluss ausnahmsweise zuzulassen153. Eine formal anerkannte und gefestigte Regel und Genehmigungspraxis lässt sich hieraus bislang jedoch nicht ableiten. Wie die Untersuchung an späterer Stelle zeigen wird, sind namentlich bei Folgeemissionen von Aktien bislang keine Fälle bekannt, in denen es Emittenten gelang, im Wege des Angebots einer niedrigen öffentlichen Tranche eine Privatplatzierung zugunsten strategischer oder institutioneller Investoren durch einen Mehrheitsbeschluss und unter Ausschluss des Bezugsrechts durchzuführen154. Angesichts der restriktiven rechtlichen Ausgangslage hat die Emissionspraxis eine Vorgehensweise entwickelt, mit der sich die gesetzlichen Beschränkungen und Unsicherheiten der Verwaltungspraxis überwinden lasZur Vereinbarung von lock up-Klauseln siehe S. 170. Vgl. die Emission der Wandelanleihe der Al Ezz Steel Rebars S.A.E. im Jahr 1999, die sich nur zu 30 Prozent an das Publikum richtete, aber unter Ausschluss des Bezugsrechts auf sämtliche Schuldverschreibungen erfolgte, vgl. S. 489 f. 154 Vor diesem Hintergrund lässt sich erst das Ringen der Emittenten um den Bezugsrechtsausschluss bei Privatplatzierungen unter Einräumung eines Vorerwerbsrechts zugunsten der Altaktionäre verstehen (siehe S. 404 ff.), das bei Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses auf gemischt öffentlich-private Angebote in dieser Form oftmals umgangen werden könnte. 152 153

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sen. Nach Auffassung der Finanzaufsicht entfällt das Bezugsrecht der Aktionäre ausnahmsweise dann, wenn sämtliche Aktionäre der Gesellschaft auf ihr Bezugsrecht verzichten oder der Kapitalerhöhung in der Hauptversammlung zustimmen, also jeder einzelne Aktionäre sein Einverständnis mit der Kapitalerhöhung ohne eine vorzugsweise Zeichnungsberechtigung positiv erklärt hat155. Damit ist gleichzeitig die grundsätzliche Fragestellung nach der Natur des Bezugsrechts im ägyptischen Aktienrecht beantwortet. Es handelt sich beim Bezugsrecht um ein höchstpersönliches Recht der Aktionäre, das dogmatisch allein aufgrund der Regeln des Obligationenrechts, also durch Verzicht des Inhabers gemäß Art. 371 ZGB, aufgehoben werden kann. Auch ein einmütiger Beschluss der Hauptversammlung ist somit nicht in der Lage, das Bezugsrecht abzubedingen, wenn nicht sämtliche Aktionäre in der Versammlung anwesend sind. Für die Zwecke des Börsengangs erweisen sich die strengen gesetzlichen Anforderungen im Ergebnis jedoch als überwindbar: Im Gegensatz zu börsennotierten Gesellschaften mit einem breit gestreuten Kreis von Gesellschaftern, in denen die Einholung eines persönlichen Verzichts aller Aktionäre offensichtlich aussichtslos ist, ist es in der geschlossenen Gesellschaft mit einem überschaubaren Aktionärskreis angesichts der Bedeutung der Maßnahme in aller Regel ohne Weiteres möglich, alle Eigner zur Teilnahme an der Hauptversammlung zu bewegen. Aus rein rechtlicher Perspektive sind die Anforderungen an die Durchführung der Kapitalmaßnahme aufgrund der Notwendigkeit, dass alle Aktionäre dem Bezugsrechtsausschluss zustimmen, zwar höher als bei „normalen“ Kapitalerhöhungen ohne Ausschluss des Bezugsrechts, für die lediglich das gesetzliche Quorum von drei Vierteln der Stimmen156 erforderlich ist. Für die Durchführung eines Börsengangs erweist sich dies jedoch nicht als zusätzliche Hürde: Denn da die Emissionsbanken ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran haben, dass der Börsengang nicht mit Streitigkeiten unter den Aktionären und rechtlichen Anfechtungsrisiken belastet wird, die den Platzierungserfolg und ihre Reputation gefährden könnten, erklären sie sich typischerweise ohnehin nur dann zur Übernahme des Mandats bereit, wenn die Eignerschaft geschlossen hinter der Emission steht. Es ist daher bei Börsengängen Usance, dass alle Aktionäre der Maßnahme zustimmen157 oder ggf. zuvor aus der Gesellschaft gekauft werden. Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, werden die Banken in aller Regel schon auf155 Dieser Standpunkt der Finanzaufsicht ist bislang weder durch die Literatur noch die Behörde selbst dokumentiert worden, entspricht jedoch der gängigen Verwaltungspraxis. 156 Art. 229 Abs. 2 VOGesG. 157 Vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 68, 103.

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grund des Risikos von Anfechtungsklagen und schlechter Presse von der Begleitung der Emission Abstand nehmen. Da die Zustimmung aller Aktionäre also ohnehin eine Grundvoraussetzung des Börsengangs bildet, stellen die strengen Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses de facto keine zusätzlichen Hürden auf158. d) Zwischenergebnis Die in Art. 30 VOKMG verankerte Möglichkeit, das Bezugsrecht der Aktionäre durch Entfernung der satzungsrechtlichen Grundlage aufzuheben, stellt eine für das ägyptische Recht außergewöhnliche Liberalität dar, die sogar die in den europäischen Aktienrechtsordnungen zu findende Flexibilität übertrifft159. Mit Blick auf die Rechtspraxis ist jedoch festzuhalten, dass mangels Präzedenzfällen nicht vollends klar ist, ob die GAFI wie auch die EFSA der Wortlautauslegung tatsächlich folgen und eine Entfernung der Bezugsrechtsklausel aus der Satzung anerkennen würden. So vermag die Konzeption angesichts der Verknüpfung mit den restriktiven Regeln zum Bezugsrechtsausschluss auch dogmatisch nicht zu überzeugen: Denn wird das Bezugsrecht erst einmal eingeräumt, so schlägt das Pendel zur anderen Seite aus und das Bezugsrecht wird im nächsten Schritt als höchstpersönliches Aktionärsrecht durch ein weitgehendes Ausschlussverbot intensiv geschützt. Tendenziell existiert somit eine „Alles-oderNichts“-Lösung, die den vielschichtigen Finanzierungsbedürfnissen in keiner Weise gerecht wird160. In der Situation des Börsengangs erweist sich die Problematik des „zwingenden Bezugsrechts“ aufgrund des geschlossenen Aktionärskreises jedoch als handhabbar: Zwar kann das Bezugsrecht nicht mittels Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen werden, da ein Teil der Aktien ausschließlich an Finanzinvestoren und damit „privat“ (also nicht an das Publikum) platziert wird. Indem jedoch alle Aktionäre dem Ausschluss des Bezugsrechts durch den Kapitalerhöhungsbeschluss zustimmen und auf ihr Be-

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Schließlich ist durchaus auch denkbar, dass die Behörde einen Ausschluss der Bezugsrechte auf die Aktien der institutionellen Tranche ausnahmsweise auf Grundlage einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung akzeptiert, da die Platzierung der institutionellen Tranche für die Durchführung des Bookbuildings unerlässlich ist, das in besonderem Maße auch den retail-Anlegern zugutekommt. Aufgrund der von den Banken eingeforderten Zustimmung lässt sich diese Auffassung jedoch bislang nicht testen. 159 Vgl. Art. 29 Abs. 1, 4 Zweite Kapitalrichtlinie 77/91/EWG, der die Beschränkung des Bezugsrechts für börsenfähige Kapitalgesellschaften durch die Satzung verbietet. Selbst in der liberal ausgestalteten britischen private company, die einen generellen Bezugsrechtsausschluss per Statut erlaubt, muss das Bezugsrecht nach Sec. 567 (1) CA 2006 positiv aufgehoben werden. 160 Siehe zu den Konsequenzen die Ausführungen zur Folgeemission, S. 307 ff.

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zugsrecht nach Art. 371 ZGB verzichten, lassen sich die Aktien direkt am Markt platzieren. 4. Festsetzung des Ausgabebetrags Die Bestimmung des Preises, zu dem die jungen Aktien an die Investoren ausgegeben werden (si`r al-isdâr oder si`r al-tarh)161, ist aufgrund der Vielzahl der konfligierenden Interessen der an der Emission beteiligten Parteien und der mit einer jeden Unternehmensbewertung verbundenen Unsicherheit eine der komplexesten und größten Herausforderungen eines Börsengangs. Die Gesellschaft und ihre Aktionäre verfolgen in erster Linie das Ziel, das Emissionsvolumen vollständig zu platzieren und hierfür einen möglichst hohen Emissionserlös zu erzielen162. Da die Großaktionäre aufgrund von lock up-Klauseln für die Dauer von mindestens 180 Tagen mit einem signifikanten Anteil in der Gesellschaft zu verbleiben haben und ihre Beteiligung typischerweise auch darüber hinaus aufrechterhalten163, haben sie gleichzeitig ein Interesse daran, ein kurzfristiges wie auch langfristiges Absinken des Börsenkurses nach der Emission und hieraus resultierende Reputationsschäden, die sich namentlich im Hinblick auf die Durchführung von Folgeemissionen als teuer erweisen können, zu vermeiden164. In einem vergleichbaren Zwiespalt befinden sich die als Underwri161 Im Gegensatz zu den bei Gründung ausgegebenen Aktien (Art. 31 Abs. 3 GesG) dürfen die bei der Kapitalerhöhung emittierten Stücke gegen ein Aufgeld ausgegeben werden, das die Wertsteigerungen der Gesellschaft seit der Gründung reflektiert (Art. 94 Abs. 2 VOGesG, 1 Abs. 4 KMG). 162 Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer/Meyer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, § 8 Rn. 24. Der Schutz der Altaktionäre vor Vermögensverwässerung ist durchaus auch als Interesse der Gesellschaft anzusehen, da eine wiederholt transaktionskostengünstige Kapitalaufnahme durch die Gesellschaft, die gleichzeitig zu einer hohen Verwässerung zu Lasten der Altaktionäre führt, zu mittelbar zu einer Erhöhung der Eigenkapitalkosten der Gesellschaft führen wird (Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre, S. 19 f.). 163 Vgl. nur Palm Hills Development S.A.E., Preliminary Offering Circular, 16. April 2008, S. 8. Die Mindesthaltpflichten haben den Zweck, sowohl die Erhöhung des Angebotsdrucks durch einen Ausstieg eines Großaktionärs zu verhindern als auch agencyKonflikte zwischen den Alteignern und Anlegern zu verringern, indem die Großaktionäre an den mittelfristigen wirtschaftlichen Erfolg des Emittenten gebunden werden. Zur Marktschutzfunktion von lock up-Klauseln Fleischer, WM 2002, 2305 ff. In den arabischen Staaten erhalten die Großaktionäre einer empirischen Untersuchung zufolge ihre Position fast immer über den Ablauf der Frist hinaus aufrecht, vgl. Egypt Financial Services Project, Technical Report #56, S. 5. 164 Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer/Meyer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, § 8 Rn 24; Logue/Rogalski/Seward et al., 75 J. Bus. (2002) 213, 214; Bingel, Kursstabilisierung, S. 50. Mit der Existenz von lock up-Klauseln wird teilweise auch das Interesse der Großaktionäre begründet, eine hohe Unterbewertung der Aktien zu erzielen. Diese soll eine hohe Nachfrage nach den Titeln am Markt generieren und dafür sorgen, dass die Papiere

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ter fungierenden Emissionsbanken, welche den Börsengang begleiten und die Preisfestsetzung maßgeblich steuern. Da sie mit einem Prozentsatz des Emissionserlöses vergütet werden und (blendet man agency-Konflikte aus165) für ihre Kunden grundsätzlich einen hohen Emissionserlös erzielen möchten, ist es zunächst in ihrem Interesse, die Aktien zu einem möglichst hohen Kurs zu platzieren166. Gleichermaßen sind sie jedoch darauf bedacht, keinen überhöhten Kurs anzusetzen, damit alle Aktien platziert werden können und sie aufgrund der von ihnen abgegebenen Übernahmegarantien keine verbleibenden Aktien – insbesondere über ihrem Sekundärmarktkurs – vom Emittenten abnehmen müssen167. Schließlich möchten sie ein Absinken des Börsenkurses unter den Ausgabekurs im frühen Sekundärhandel verhindern, um einen Reputationsverlust unter zukünftigen Emittenten und ihren Großkunden zu vermeiden168. Das Interesse der Anlieger richtet sich danach, ob sie eine kurz- oder langfristige Anlagestrategie verfolgen. Im ersten Fall hoffen sie vor allem auf eine hohe Unterbewertung und schnelle Kurssteigerungen, um Zeichnungsrenditen durch sog. flipping, also die schnelle Veräußerung der gezeichneten Aktien, erwirtschaften zu können169. Langfristig orientierte Anleger bevorzugen stattdessen eine stabile Kursentwicklung und haben an Unterbewertungen (sog. Underpricing170) nur soweit ein Interesse, wie diese langfristig nicht durch eine schwächere Entwicklung des Kurses kompensiert werden171. Aus juristischer Perspektive ist die Austarierung dieser Interessen insoweit von Bedeutung, als einzelne Parteien des Schutzes vor einem unangemessenen Ergebnis des Prozesses, also einem unangemessenen Ausgabekurs, bedürfen. Zu nennen sind hier zunächst die Minderheitsaktionäre, die bei einer Ausgabe der Aktien unter ihrem Wert Vermögenseinbußen

zum Ablauf der lock up-Periode noch zu hohen Preisen veräußert werden können (Aggarwal/Krigman/Womack, 66 J. Finan. Econ. (2002) 105 ff.). Für den arabischen Markt spielt diese Hypothese aufgrund des ohnehin langfristigen Engagements der Gründer und Großaktionäre in Personalunion keine nennenswerte Rolle. 165 Zu ihrem Einfluss auf die Preisfestsetzung siehe S. 148 ff., 239 ff. 166 Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, S. 27; Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre, S. 273. 167 Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 714, 719. 168 Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 714, 719; Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, S. 27, der zudem auf die gesetzliche Anlegerschutzfunktion der Banken verweist (siehe hierzu S. 275 ff.). 169 Erstmals grundlegend Krigman/Shaw/Womack, 54 J. Finance (1999) 1015. 170 Zum Underpricing-Begriff siehe S. 149. 171 Zu den langfristigen Wirkungen des Underpricing siehe Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre, S. 487 f. sowie unten auf S. 156 ff.

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durch eine Verwässerung ihrer Beteiligungswerte erleiden172. Da das Beteiligungsverhältnis bei einem initial public offering aufgrund der Ansprache externer Investoren nicht aufrechterhalten wird, bewirkt die Ausgabe der jungen Aktien unter ihrem Wert, dass der Gesellschaft ein geringerer Einlagewert zufließt, als sie an Werten abgibt. Die Unterbewertung hat zur Folge, dass der Unternehmenswert (qîmat al-sharika) zwar absolut steigt, sich jedoch auf eine höhere Anzahl von Aktien verteilt, deren Stückwert somit verringert wird173. Dieser Verwässerung174 des Beteiligungswertes auf Seiten der Altaktionäre, die immer noch die gleiche Anzahl von Aktien halten, steht spiegelbildlich ein Vermögenszuwachs auf Seiten der Zeichner gegenüber, deren Einlage weniger Wert ist als die Aktien, die sie im Gegenzug erhalten175. Neben den bestehenden Minderheitsaktionären haben auch die hinzutretenden Anleger ein Bedürfnis nach einem gesetzlichen Schutz vor Fehlbewertungen, in ihrem Fall vor Überbewertungen. Im Gegensatz zu den Minderheitsaktionären, die sich mangels Herrschaftsmacht der Durchführung der Emission durch den Verband nicht widersetzen können, können sie sich vor einem unangemessenen Ausgabekurs allerdings schon dadurch schützen, dass sie die Zeichnungsofferte nicht annehmen. Da das Eingehen des Anlagerisikos ihre eigene Entscheidung ist, haben sie in erster Linie ein Interesse an einer Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen. Der Schutz der Anleger vor Fehlbewertungen und „überteuerten“ Aktien wird daher nach allgemeinen Vorschriften durch die Verminderung von Informations172 173

Zum Verwässerungsmechanismus siehe S. 113 f. Hinsichtlich der Auswirkung des Preises auf die Aktionärsstellung siehe das Beispiel bei Taha, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 337; Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 526; Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 916, mit Rechenbeispielen zur Wertverwässerung; so auch Ramadân, Himâiat al-musâhim fî sharika al-musâhama, S. 529 f.; AlFadîl, Himâyat al-aqaliyya, S. 107; Al-Fadîl, Al-sharikât, S. 130. 174 Jede Berechnung der Verwässerung kann freilich nur dann Gültigkeit verlangen, wenn mit dem neu zugeführten Kapital die gleiche Eigenkapitalrendite erwirtschaftet wird, wie mit dem bislang eingesetzten Eigenkapital. Wenn auch diese Prämisse im echten Wirtschaftsleben häufig nicht exakt zutrifft, genügt diese Vereinfachung dem hiesigen rechtlichen Zweck, die rechnerische Beteiligungsverwässerung zu definieren und einen Verwässerungsschutz zu erarbeiten. 175 Die arabische Literatur spricht insofern von einer günstigen Beteiligung an den „Rücklagen“ (ihtiyâtî) der Gesellschaft, die durch die Gewinne der Gesellschaft gebildet wurden (vgl. Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 916; Al-`Akîlî, Al-wasît fî alsharikât al-tijâriyya, 2007, S. 317). Selbst wenn man eine substanzorientierte Betrachtung des Unternehmenswertes vornimmt und den marktorientierten Bewertungsansatz des ägyptischen Bilanzrechts berücksichtigt, ist diese Begründung jedoch unzureichend, da sie mit den stille Reserven und dem Firmenwert inkl. Kundenbestand Faktoren außer Betracht lässt, die durchaus zum Wert der Gesellschaft beitragen können, vgl. § 2 Fn. 185.

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asymmetrien zwischen dem Emittenten und den Anlegern mittels Publizitätspflichten und Haftungsandrohungen für die Veröffentlichung von Fehlinformationen gewährleistet: Es gilt der Grundsatz der informierten Anlage- und Transaktionsentscheidung176. Für die Werthaltigkeit selbst hat der Verkäufer eines Rechts – in Ägypten wie auch allgemein im romanischen Rechtskreis – gemäß Art. 308 Nr. 1 ZGB nicht einzustehen177. Eine Gewähr, dass der Wert der Aktien dem Ausgabekurs entspricht, besteht im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Risikoverteilung somit nicht. Als Reaktion auf die Unsicherheiten bei der Unternehmensbewertung und das Schutzbedürfnis der an der Emission beteiligten Personen hat der ägyptische Verordnungsgeber in Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG eine Vorschrift zur Kontrolle des Ausgabekurses junger Aktien geschaffen, derzufolge „der Ausgabekurs der jungen Aktien auf der Grundlage ihres angemessenen Wertes festzusetzen“ (tuhaddad qîmat al-ashum `alâ asâs alqîma al-`âdila li-l-ashum) ist. Der angemessene Wert der Aktien, der in der Norm nicht näher definiert wird, ist gemäß Art. 17 Abs. 2 VOKMG vor der Durchführung einer jeden Kapitalerhöhung zu ermitteln und nach Art. 7 Abschnitt 2 S. 2 VOKMG durch die ägyptische Finanzaufsicht genehmigen zu lassen. Art. 17 VOKMG enthält somit eine materielle wie auch formelle Dimension: In materieller Hinsicht wird der Ausgabepreis der Aktien an eine normative Bezugsgröße – den angemessenen Wert des Unternehmens – gebunden, in formeller Hinsicht in das behördliche Prüfungsverfahren einbezogen und zum Gegenstand der behördlichen Genehmigung gemacht. Der Finanzaufsicht ist es auf diese Weise möglich, den Ausgabekurs noch vor der Platzierung anhand des angemessenen Wertes zu kontrollieren und bei Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben dessen Anpassung zu fordern. Die Funktion und die Handhabung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG haben in der ägyptischen Literatur nur wenig Beachtung gefunden und wurden auch von der EFSA nicht näher durch Publikationen oder Stellungnahmen konkretisiert178. Angesichts ihrer zentralen Bedeutung für die FestVoigt, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 12. 177 Al-Sanhûrî, Al-wasît, Band III, S. 500; Al-`Amrûsî, Al-qânûn al-madanî almu`addal, Band I, § 308, S. 932; Al-Hamîd, Dawr al-bunûk fî khidmat al-awrâq almâliyya, S. 34 f.; ebenso Ismâ`îl, Al-iltizâm bi-l-îdâ` wa-l-qayd, S. 92; Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 353 f. Systematisch sind die Gewährleistungsregeln beim Rechtskauf, die ohne anderweitige Vereinbarung nur eine Einstandspflicht für die Verität vorsehen, in den Vorschriften über die Forderungsabtretung (hawâlat al-haq) verortet. 178 Die Literatur begnügt sich in der Regel mit dem Hinweis, dass die Gesellschaft nach Art. 94 VOGesG ein Agio (`alâwat al-isdâr) auf den Nennwert aufschlagen kann, vgl. Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî al-muqâran, S. 530, ohne jedoch auf dessen Höhe einzugehen. Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 113, und Al176

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setzung des Preises der Aktien und damit für die gesamte Tektonik der Eigenkapitalaufnahme – beim Börsengang wie auch bei Folgeemissionen – bedarf es einer vertieften Auseinandersetzung mit der Vorschrift. Wie der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG indiziert, sind bei der Kursfestsetzung zwei unterschiedliche Verfahrensschritte zu trennen, die auch den Aufbau des Untersuchungsgangs bestimmen. In einem ersten Schritt (unter a)) geht es um die Frage, auf welche Weise der angemessene Wert der Gesellschaft zu ermitteln ist. In einem zweiten Schritt (hierzu b)) gilt es zu überlegen, wie der Ausgabekurs „auf Grundlage“ (`alâ asâs) des angemessenen Wertes festzusetzen ist, in welchem Verhältnis also beide Größen zu stehen haben. Wie die unterschiedlichen Blickwinkel der an der Emission beteiligten Personen auf die Unternehmensbewertung und Preisfestsetzung nahelegen, richtet sich die Antwort nicht zuletzt nach der Zielrichtung des Schutzzwecks der Norm, der in diesem Zusammenhang mitzubehandeln ist. Im Anschluss an diese Untersuchung sollen die von den Emissionsbanken eingesetzten Methoden der Preisfestsetzung erarbeitet werden (hierzu c)), da nur auf ihrer Grundlage eine umfassende Bewertung der herrschenden Auslegung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG möglich ist (hierzu d)). a) Der angemessene Wert als Maßstab der Ausgabekurskontrolle Um sich der Bedeutung und Auslegung des unbestimmten Tatbestandsmerkmals des angemessenen Wertes anzunähern, ist es hilfreich, zunächst auf die bis März 2007 geltende Ursprungsfassung179 des Art. 17 VOKMG einzugehen, da diese konkrete Anhaltspunkte zum Maßstab der Preiskontrolle enthielt und vereinzelt auch Gegenstand von Ausführungen seitens der Literatur und der EFSA war. aa) Das Nettoreinvermögen als Bewertungsmaßstab i.S.v. Art. 17 S. 1 VOKMG a.F. Der früheren Fassung des Art. 17 VOKMG zufolge war der Ausgabekurs junger Aktien „auf der Grundlage des jeweiligen Anteils einer Altaktie am angemessenen Wert des Nettoreinvermögens der Gesellschaft festzusetzen“ (tuhaddad al-qîma allatî tusdar bihâ `alâ asâs mutawasit nasîb al-sahm min al-isdarât al-sâbiqa fî al-qîma al-`âdila li-sâfî usûl al-sharika). `Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 518, die als einzige Autoren auf die Ermittlung des Ausgabebetrags eingehen, erwähnen Art. 17 VOKMG. 179 Geändert durch Art. 4 Beschluss Nr. 12/2007 des ägyptischen Investitionsministers, waqâ´i` al-misriyya Nr. 26, veröffentlicht am 4. Februar 2007. Die Novellierung des Art. 17 VOKMG im März 2007 war Teil eines Reformprojekts, in dessen Zuge das ägyptische Aktienrecht auf die Herausforderungen des aufstrebenden Kapitalmarkts vorbereitet werden sollte und unter anderem das erste umfassende Übernahmerecht (Art. 193 ff. VOKMG) in einem arabischen Staat geschaffen wurde.

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Mu´min zufolge, der sich als einziger Autor mit der Ermittlung des angemessenen Wertes beschäftigt, ist unter dem Begriff des Nettoreinvermögens (sâfî usûl al-sharika) die Gesamtheit der Aktiva der Gesellschaft abzüglich ihrer Verbindlichkeiten oder – anders gesprochen – das Grundkapital der Gesellschaft zuzüglich Rücklagen und vorgetragener Gewinne, also das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft, zu verstehen180. Er geht davon aus, dass der sich hieraus ergebende Wert dem wahren und objektiven Wert (al-qîma al-haqîqiyya) der Gesellschaft entspricht und damit eine Annäherung an den Marktwert darstelle181. Auch ein Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2001 zog für die Bestimmung des angemessenen Werts das Nettoreinvermögen heran, nahm jedoch keine genauere Ausfüllung des Maßstabs vor182. Wie Mu´min stellte sich auch das Gericht auf den Standpunkt, dass das Nettoreinvermögen den Verkehrsoder Marktwert (also den Preis, den ein Dritter zahlen wird183) der Gesellschaft realistisch widerspiegelt184. Inwiefern die von Mu´min vertretene bilanzmäßige Bewertung der Gesellschaft in der Lage ist, einen objektiven und sachlich angemessenen Unternehmenswert für die Gesellschaft abzubilden, erscheint vom heutigen Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung aus betrachtet jedoch fraglich. Möchte man ein Unternehmen anhand dessen Substanzwert bewerten (was infolge der Durchsetzung ertragswertorientierter Bewertungsmethoden heute nur noch im Einzelfall geschieht), so erweist sich die Einbeziehung allein des bilanziellen Eigenkapitals deshalb als unzureichend, da dieses weder stille Reserven185 noch immaterielle Vermögenswerte wie den 180 Vgl. zur Definition des Nettoreinvermögens auch Al-Qalyûbî, Al-sharikât altijâriyya, 2008, S. 647, die den Begriff als die Summe der Aktiva (mawjudât) abzüglich der Gesellschaftsverbindlichkeiten definiert. Zum selben Ergebnis gelangt Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 113, der das Nettoreinvermögen aus der Summe des Grundkapitals der Gesellschaft zuzüglich Rücklagen, einbehaltener Gewinne und Gewinne des laufenden Finanzjahres abzüglich vorgetragener Verluste und laufender Verluste berechnet. Der Leitfaden zur Privatplatzierung, Ägyptische Finanzaufsicht, Dâlîl al-tarh al-khâs, 2002, S. 4, suggeriert hingegen, dass unter sâfi usûl al-sharika der Buchwert des Gesellschaftsvermögens zu verstehen ist. 181 Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 113. Dieser Standpunkt ist in der ägyptischen Rechtsliteratur verbreitet und wird etwa auch von Al-Qalyûbî, Al-sharikât altijâriyya, 2008, S. 647, in ihrem Standardlehrbuch vertreten. 182 Oberstes Verwaltungsgericht v. 29. Dezember 2001, Revision Nr. 3967 des Gerichtsjahrs 45, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 445. 183 Zum sog. qîmat al-sûqiyya oder qîmat al-tijâriyya Al-Qalyûbî, Al-sharikât altijâriyya, 2008, S. 648. 184 Oberstes Verwaltungsgericht v. 29. Dezember 2001, Revision Nr. 3967 des Gerichtsjahrs 45, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 445. 185 Diese sind in den börsennotierten ägyptischen Aktiengesellschaften nur in geringem Maße vorhanden, da die Bilanzierung der Unternehmen auf Grundlage der weitge-

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Geschäfts- und Firmenwert, die Managementqualität oder den Kundenstamm berücksichtigt, obwohl sie einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Die wortlautgetreue Anwendung des Art. 17 VOKMG a.F. hätte somit regelmäßig zur Folge gehabt, dass der zugrundegelegte Unternehmenswert signifikant unter dem tatsächlichen objektiven Wert der Unternehmung gelegen und damit entgegen Mu´min und dem Obersten Verwaltungsgericht keine Annäherung an ihren Verkehrswert geleistet hätte. bb) Die methodenoffene Anwendung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG durch die Finanzaufsicht Die ägyptische Finanzaufsicht hat diese Problematik bereits vor der Reform des Art. 17 VOKMG a.F. erkannt und der Heranziehung des Nettoreinvermögens in einem Leitfaden über Privatplatzierungen aus dem Jahr 2002 (dalîl al-tarh al-khâs, im Folgenden Private Placement-Leitfaden)186 ausdrücklich eine Absage erteilt. Stattdessen hielt die Behörde in dem Leitfaden fest, dass die Emittenten für die Zwecke des Art. 17 VOKMG a.F. anhand „allgemein anerkannter Bewertungsmethoden“ zu bewerten seien, für die beispielhaft Ertragswertverfahren wie das discounted cash flowVerfahren und das multiple earnings-Verfahren angeführt wurden187. Aufgrund der methodenoffenen Formulierung des Leitfadens, der heute noch über Geltung verfügt, können nach Aussage der Behörde auch Substanzwertverfahren bei der Bewertung zur Anwendung kommen. Zur Auswahl der konkreten Bewertungsmethode machte die Finanzaufsicht bewusst keine abschließenden Vorgaben188, um den unterschiedlichen branchen- und situationsspezifischen Bewertungsanforderungen gerecht zu werden. Der methodenoffene Ansatz soll nach Auffassung der Finanzaufsicht nicht zuletzt erlauben, verschiedene Bewertungsmethoden gleichzeitig einzusetzen und ein arithmetisches Mittel aus den Ergebnissen zu bilden, wie es in der internationalen Bewertungspraxis üblich ist. In dem Leitfaden manifestiert sich damit der Versuch, die finanzwissenschaftliche Erkenntnis, wonach hend an IAS/IFRS und am fair value-Gedanken ausgerichteten Egyptian Accounting Standards (ma`âyîr muhâsaba al-misriyya, EAS) erfolgt (hierzu Hamâd, Al-dalîl al`amalî li-tatbîq ma`âyîr al-muhâsaba al-misriyya, Band III, S. 399 f., 421 ff.). Vereinzelt können jedoch auch bei Anwendung von IAS/IFRS und EAAS stille Reserven entstehen, siehe die Übersicht bei Wulf, Stille Reserven im Jahresabschluss nach US-GAAP und IAS, S. 230 ff. 186 Ausführlich zum Leitfaden und dessen Rechtsnatur siehe S. 206 f. 187 Ägyptische Finanzaufsicht, Dâlîl al-tarh al-khâs, 2002, S. 3 f. 188 So wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „der Begriff des Nettoreinvermögens nicht bedeutet, dass [der angemessene Wert] durch den Buchwert bestimmt wird, sondern dass jede allgemein akzeptierte Bewertungsmethode […] verwendet werden kann“ (Ägyptische Finanzaufsicht, Dâlîl al-tarh al-khâs, 2002, S. 4).

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eine monodimensionale punktgenaue Bewertung aufgrund der großen Ermessensspielräume und Unsicherheiten über zukünftige Entwicklungen und die Subjektivität von Wertungen nur eine Scheingenauigkeit schafft189, in einer flexiblen Regelung zu verankern. Maßstab für die Bestimmung des Ausgabepreises ist folglich derjenige durch betriebswirtschaftliche Bewertung zu ermittelnde Wert, der in der deutschen Wertlehre als der „innere“ Wert190 bezeichnet wird191. cc) Die Öffnung des Angemessenheitsbegriffs durch die Kapitalmarktrechtsreform 2007 Die Schwierigkeiten, die betriebswirtschaftlichen und marktorientierten Bewertungsmethoden unter den Tatbestand des Art. 17 VOKMG a.F. zu subsumieren, veranlassten den ägyptischen Verordnungsgeber im Frühjahr 2007, die Norm zu reformieren und den Begriff des Nettoreinvermögens ersatzlos zu entfernen192. Der Ausgabebetrag der neuen Aktien ist nunmehr allein „auf Grundlage des angemessenen Wertes der jungen Aktie“193 (`alâ asâs al-qîma al-`âdila li-l-ashum) festzusetzen. Die starre Referenzgröße des Nettoreinvermögens wurde somit durch ein generalklauselartiges, methodenoffenes Normativkriterium ersetzt, das die von der Finanzaufsicht Siehe nur Wilm, NZG 2000, 234, 237; Piltz, ZGR 2001, 185, 192. Vgl. BVerfG v. 27. April 1999, BVerfGE 100, 289 (293); BGH v. 13. März 1978 – II ZR 142/76 (Kali + Salz), BGHZ 71, 40 (51). 191 Während der Position der Kapitalmarktbehörde im Ergebnis zuzustimmen ist, muss der dogmatische Weg, auf dem sie zu ihrer Rechtsansicht gelangt, hinterfragt werden. Die Formulierung des Leitfadens zur Privatplatzierung suggeriert, dass die Behörde die Zulässigkeit der Bewertung anhand des objektiven Unternehmenswertes nicht mit einer analogen Anwendung des Art. 17 VOKMG a.F. erzielen möchte, sondern eine weite Auslegung des Begriffs „sâfî usûl“ vornimmt (Ägyptische Finanzaufsicht, Dâlîl al-tarh al-khâs, 2002, S. 4). Die allgemeinen Grundsätze der Gesetzesauslegung (tafsîr al-qânûn, hierzu grundlegend Najîda, Al-madkhal li-dirâsat al-qânûn, S. 206 ff; Al-Sanhûrî, Alwasît, Band I, S. 52 ff.) überdehnt dies jedoch: Das Nettoreinvermögen lässt sich nicht als ein mittels des discounted cash flow-Verfahrens ermittelter Unternehmenswert auslegen. Es bedarf zur Begründung dieses Ergebnisses vielmehr eines Analogieschlusses (qiâs), der sich in concreto durch einen planwidrig dem Gesetzeszweck zuwiderlaufenden Wortlaut der Norm begründen lässt. 192 Vgl. § 2 Fn. 179. Interessanterweise hatte der französische Gesetzgeber den gleichen Schritt wenige Jahre zuvor vollzogen und den Begriff der capitaux propres durch die Ordonnance n°2004-604 von 24. Juni 2004 aus Art. L. 225-136 Code com. entfernt. 193 Einer Veränderung im Zuge der Neuregelung des Art. 17 VOKMG unterlag schließlich auch die Bezugsgröße für den angemessenen Wert, die heute nicht mehr der Unternehmenswert, sondern der Wert der einzelnen Aktie ist. Rechnerisch und damit juristisch ist diese Veränderung jedoch ohne Auswirkung: Der angemessene Wert der Aktie verhält sich zum angemessenen Wert des Unternehmens stets äquivalent und entspricht demjenigen Bruchteil des angemessenen Unternehmenswertes, der sich aus dem Verhältnis des Nennwerts der Aktie zum Grundkapital ergibt. 189 190

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bislang verfolgte Rechtspraxis auf eine feste Rechtsgrundlage stellen sollte. Eine Veränderung der bisherigen Rechtspraxis bezweckte die Reform damit also nicht; vielmehr wurde das geschriebene Recht der tatsächlichen Verwaltungspraxis angepasst. dd) Verfahren Während der angemessene Wert der Aktien vor der Novellierung des Art. 17 VOKMG regelmäßig durch den Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft ermittelt wurde, hat die Unternehmensbewertung heute durch einen „unabhängigen Finanzberater“ (al-mustashâr al-mâlî al-mustaqîl) zu erfolgen, der in der Praxis meist eine Investmentbank ist. Die Übertragung der Bewertung auf einen externen Finanzdienstleister hatte zum Ziel, eine Einflussnahme der Gesellschaft auf den Bewerter auszuschließen und die Objektivität der Bewertung zu gewährleisten194. Um die Qualität der Bewertung und Unabhängigkeit der Finanzberater sicherzustellen, können nur solche Personen vom Emittenten mandatiert werden, die in keiner geschäftlichen Verbindung zum Emittenten, mit ihm verbundenen Personen (al-ashkhâs al-murtabata)195 sowie dessen Verwaltungsrat und Wirtschaftsprüfer stehen und über eine Lizenz zur Ausübung der Tätigkeit des unabhängigen Finanzberaters von der Finanzaufsicht verfügen196. Der zeitliche Rahmen für den Stichtag der Bewertung warf lange Zeit Fragen auf. Während die Bewertung jedenfalls spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Genehmigung der Kapitalerhöhung bei der Finanzaufsicht vorzuliegen hatte, bestand über den frühesten Bewertungsstichtag früher keine Sicherheit. Folgt man dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG, ist das entscheidende Datum für die Ermittlung des angemessenen Wertes der Tag der „Ausgabe“ (isdâr) der jungen Aktien. In der früheren Rechtsprechung und Verwaltungspraxis erlangte diese Vorgabe kaum Bedeutung, da die Finanzaufsicht und Gerichte großzügige Vorlauffristen für die Bewertung anerkannten. Diese Rechtslage lässt sich in erster Linie einer Entscheidung der Finanzaufsicht aus dem Jahr 1998 entnehmen, die eine drei Jahre vor der Kapitalerhöhung erfolgte Unternehmensbewertung mit dem Hinweis ablehnte, dass sie länger als (die wohl

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Der Nutzen dieser Reform wird heute jedoch weithin bezweifelt, vgl. S. 159 f. Da eine aktienrechtliche Definition der „verbundenen Person“ nicht existiert, bietet es sich an, auf die Definition der verbundenen Person (taraf zawi al-`alâqa) in den EAS 15.9 zurückzugreifen (hierzu Hamâd, Al-dalîl al-`amalî li-tatbîq ma`âyîr almuhâsaba al-misriyya, Band II, S. 449 ff., sowie allgemein zu den EAS unten auf S. 473 f.). 196 Zu den Voraussetzungen der Registrierung als unabhängiger Finanzberater siehe im Detail Art. 2 ff. des Beschlusses des Leiters der ägyptischen Finanzaufsicht Nr. 41/2007 vom 20. März 2007.

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für zulässig gehaltenen) eineinhalb Jahre vor der Kapitalerhöhung lag197. Das Verwaltungsgericht Kairo hob diese Entscheidung zunächst auf, da es sogar die drei Jahre zurückliegende Bewertung als hinreichend erachtete198. Ein Urteil des ägyptischen Obersten Verwaltungsgerichts stellte den Beschluss der Finanzaufsicht jedoch wieder her, ohne dem von der Behörde zugrundegelegten – allerdings nicht entscheidungsrelevanten – Maßstab der eineinhalbjährigen Frist zu widersprechen199. Im Zuge einer allgemeinen Konkretisierung und Verschärfung der Mitteilungs- und Informationspflichten bei der Durchführung von Kapitalerhöhungen im Jahr 2008 schuf die Finanzaufsicht schließlich neue Regelungen, die eine erhebliche Verkürzung der Bewertungsfrist bewirkten. So verlangt die Behörde nunmehr ausweislich eines Merkblatts zum Antrag auf Genehmigung einer Kapitalerhöhung, dass der Bericht des unabhängigen Finanzberaters über die Festsetzung des angemessenen Wertes frühestens 15 Tage vor der Einreichung des Berichts unterschrieben wurde200. Die Vorschrift impliziert, dass der Bewertungsstichtag ebenso nicht vor diesem Datum liegt, da sie bei einer rein formalen Auslegung, die allein auf die Ausführung der Unterschrift abstellt, keinen sinnvollen Schutzzweck erfüllen kann201. Da der Kapitalerhöhungsbeschluss grundsätzlich auch vor dem Zeitrahmen für die Bewertung liegen kann – und in der Praxis auch häufig liegt –, erlaubt es die Finanzaufsicht, dass die Hauptversammlung den angemessenen Wert im Beschluss noch nicht abschließend beziffert, sondern lediglich auf den später festzusetzenden angemessenen Wert Bezug nimmt. b) Die Zulässigkeit von Abweichungen vom angemessenen Wert Ist der objektive Unternehmenswert einmal ermittelt, so stellt sich die Frage, welche konkrete Rolle er für die Festsetzung des Ausgabekurses spielt. 197 Zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 444. Einen gewissen Widerspruch bildet allerdings, dass die Finanzaufsicht in dem Fall gleichzeitig davon ausging, dass damit eine Bewertung auf den „Durchführungszeitpunkt“ (maw`id al-tanfîdh) gegeben sei (vgl. Salîm, a.a.O., S. 445). Eine Heranziehung der letzten Bilanz sah bis zur Aktienrechtsreform 2004 auch das französische Recht vor, vgl. Art. L225-136 al. 3 Code com. a.F. 198 Verwaltungsgericht Kairo v. 9. Februar 1999, Verfahren Nr. 857 des Gerichtsjahrs 52, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 444 f. 199 Oberstes Verwaltungsgericht v. 29. Dezember 2001, Revision Nr. 3967 des Gerichtsjahrs 45, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 446 ff. 200 Ägyptische Finanzaufsicht, Ziyâdat ra´s al-mâl `an tarîq al-tarh al-khâs, S. 2 201 Um die Emittenten nicht übermäßig zu belasten, dürfte es jedoch zulässig sein, etwa bei der Durchführung des Substanzwertverfahrens den letzten Quartalsabschluss zugrundezulegen und die Werte im Wege der Schätzung auf einen Stichtag innerhalb der Fünfzehntagefrist fortzuführen.

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Die Art und Weise der Heranziehung des angemessenen Wertes für eine Kontrolle des Ausgabekurses richtet sich in erster Linie danach, welchen Schutzzweck Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG verfolgt. aa) Verbot von Preisaufschlägen zum Schutz der Anleger? (1) Auffassung der Finanzaufsicht und Literatur Mit dem Telos und der Systematik der Ausgabekursfestsetzung beschäftigt sich neben Mu´min und dem Obersten Verwaltungsgericht (in dem bereits angeführten Urteil aus dem Jahr 2001) auch der Gesellschaftsrechtler Al`Arînî. Während das Gericht und Al-`Arînî die Ausgabekurskontrolle in ihren Ausführungen allein in den Dienst des Aktionärsschutzes stellen202, beschäftigt sich Mu´min203 darüber hinaus auch mit der Frage, inwieweit Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG auch den Anlegern einen Schutz vor Überbewertungen gewährt. Ausgangspunkt seiner Ausführungen bilden die Erfahrungen aus der Privatisierung des öffentlichen Sektors in den Jahren zwischen 1994 und 2000, die in vielen Fällen zu dramatischen Verlusten der Anleger führten, nachdem die Kurse im Sekundärmarkt mittelfristig um bis zu 80 Prozent vom Ausgabekurs nachgegeben hatten204. Seine Schlussfolgerung aus den Verwerfungen ist, dass die Preiskontrolle des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG in erster Linie dem Schutz der Anleger (himâyat almustathmîrîn) vor überhöhten Ausgabekursen dient. Um dieses Ziel zu erreichen, soll der Ausgabekurs nicht oberhalb des angemessenen Wertes der jungen Aktien festgesetzt werden dürfen205. Wie eine Analyse der ägyptischen Börsengänge der vergangenen Jahre zeigt, legt auch die ägyptische Finanzaufsicht Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG zum Schutz der Anleger aus und untersagt den Emittenten, junge Aktien über dem angemessenen Wert auszugeben. In dieser Auffassung spiegelt sich vornehmlich die auf die Erfahrungen der 1990er Jahre zurückgehende Befürchtung wider, dass die Emittenten und Altaktionäre den Börsengang andernfalls systematisch ausnutzen, um die Titel weit über ihrem inneren Wert an den unerfahrenen Anlegermarkt auszugeben und schnelle VeräußeAl-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 518; Oberstes Verwaltungsgericht v. 29. Dezember 2001, Revision Nr. 3967 des Gerichtsjahrs 45, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 446; siehe ausführlich zur Reichweite des Aktionärsschutzes durch Art. 17 Abs. 1 VOKMG auf S. 375 ff. 203 Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 113. 204 Al-Ahrâm, Al-hubût al-hâd li-as`âr al-bûrsa, 24. Januar 2000, S. 8. Der schlechten Entwicklung vieler Gesellschaften stehen allerdings auch erhebliche Kursgewinne anderer privatisierter Gesellschaften gegenüber, vgl. EGX, Monthly Bulletin, November 2009, S. 26. 205 Bedenkt man, dass der angemessene Wert nach Auffassung von Mu´min zusätzlich dem Nettoreinvermögen zu entsprechen habe, so entstünden freilich signifikante Unterbewertungen der ausgegebenen Aktien. 202

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rungsrenditen zu erzielen206. Für das Kapitalerhöhungsverfahren impliziert diese Verwaltungspraxis, dass der Hauptversammlungsbeschluss den angemessenen Wert stets als Höchstgrenze der Preisspanne zu definieren hat, innerhalb derer im späteren Bookbuilding-Verfahren der Ausgabekurs festgesetzt wird207. (2) Systematische Rechtfertigung In systematischer Hinsicht existieren durchaus überzeugende Gründe, die sich für die Auffassung der Finanzaufsicht anführen lassen. Für sie spricht zuvorderst die Überlegung, dass Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG keinerlei Anhaltspunkte enthält, wie etwaige Abweichungen von diesem Wert zu begrenzen und überprüfen sind, sondern schlicht eine Festsetzung des Ausgabekurses „auf Grundlage“ und damit zum angemessenen Wert verlangt. Darüber hinaus zwingt Art. 17 Abs. 3 (b) VOKMG die Gesellschaft vor einer Kapitalerhöhung für den Fall, dass der angemessene Wert niedriger als der Nennwert ist, den Nennwert der Aktien herabzusetzen: Damit geht der Verordnungsgeber über die Anforderungen, die zu einer Vermeidung der Aktienausgabe unter pari erforderlich wären, hinaus, da der Ausgabekurs – wäre er frei wählbar – ohne Weiteres über dem Nennwert und damit über dem angemessenen Wert angesetzt werden könnte. Genau dies möchte Art. 17 Abs. 3 (b) VOKMG jedoch zum Schutz der Anleger verhindern. Enthält Art. 17 Abs. 3 (b) VOKMG somit ein formales Verbot der Ausgabe von Aktien über dem inneren Wert in der Unterpari-Situation, so liegt es mangels eines Differenzierungsgrundes nahe, dass der Verordnungsgeber über Art. 17 1 S. 1 VOKMG ein solches Verbot auch dann begründen möchte, wenn der innere Wert der Aktien über ihrem Nennwert liegt. Einen weiteren Anhaltspunkt für diese Auslegung hält schließlich die Vorschrift des Art. 45 Nr. 2 VOGesG bereit, die heute aufgrund einer Änderung des Konzessionssystems (Art. 17 ff. GesG) im Jahr 1998 allerdings 206 Diese Auffassung wurde in zwei Interviews des Verfassers mit Beamten der EFSA, Ahmed Lebena und Mohamed El-Sayyad, am 24. Januar 2008 bzw. am 1. Dezember 2008 geäußert. 207 Siehe die Hauptversammlungsbeschlüsse der Ghabbour Auto S.A.E. vom 24. Mai 2007, Ghabbour Auto S.A.E., Nashrat al-iktitâb, 6. Juni 2007, S. 19, und der Mardive & Oil Services S.A.E. vom 14. April 2008, Al-Ahrâm, Nashrat al-iktitâb Maridive & Oil Services S.A.E., 18. April 2008, S. 25. Die Preisspanne kann (wie auch in europäischen Emissionen) während des Bookbuilding nach Auffassung der Behörde aufgrund des Erfordernisses der vorherigen Veröffentlichung (Art. 40 Abs. 1 VOKMG) nicht mehr verändert werden. In der Finanzwissenschaft wird das Versprechen, den Preisrahmen auch bei hoher Nachfrage nicht zu ändern, als Instrument angesehen, um Bietern, die eine Erhöhung der oberen Preisgrenze fürchten, keinen zusätzlichen Anreiz zur Abgabe bewusst niedriger Preisindikationen zu geben, Jenkinson/Morrison/Wilhelm, 80 J. Finan. Econ. (2006) 185, 187 f.

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nicht mehr anwendbar ist208. Der Norm zufolge hatte die Gesellschaft bei Einreichung des Antrags auf Genehmigung einer Gründung oder Kapitalerhöhung im Wege des öffentlichen Angebots zu beachten, dass das Agio einen von der damaligen Gesellschaftsbehörde vorgegebenen Preis nicht überstieg. Die Schutzrichtung bei der Festsetzung des Ausgabekurses war somit klar vorgegeben: Während der Schutz der Aktionäre bei der Preisfestsetzung keine Beachtung im Gesellschaftsgesetz und dessen Durchführungsverordnung erlangten, wurde der Schutz der Anleger ausdrücklich adressiert. Die Ausgabekurskontrolle zum Schutz der Anleger scheint somit in der ägyptischen Rechtsordnung durchaus verankert zu sein. Stichhaltige systematische Bedenken gegen die anlegerschutzorientierte Auslegung sind hingegen nicht ersichtlich. Argumentieren ließe sich lediglich mit dem Umstand, dass die Lehre des gerechten Preises dem ägyptischen Obligationenrecht grundsätzlich fremd ist und über Art. 17 VOKMG wohl kaum Eingang in das Gesellschaftsrecht finden sollte209. Der kaufvertragsrechtliche, auf das französische Recht210, zurückgehende Grundsatz, wonach der Rechtskäufer keine Gewährleistung hinsichtlich des Wertes des Rechts erhält, muss auch im Gesellschaftsrecht und bei der Auslegung des Art. 17 VOKMG berücksichtigt werden. Hinter ihr steht der tragende und auch auf dem Kapitalmarkt anwendbare Gedanke, dass die Werthaltigkeit eines Rechts – und der Aktie als Anlageprodukt im besonderen Maße – schlicht mit erheblichen Preisrisiken behaftet ist, die sich einer objektiven Prüfung und ex ante-Bewertung entziehen: Wer ein Recht erwirbt, setzt sich diesem Risiko sehenden Auges aus und hat entsprechende Veränderungen im Wert zu tragen, solange er über den Inhalt des Rechts richtig aufgeklärt wurde211. Der Argumentation mit dieser international anerkannten Risikoverteilung lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die allgemeinen Wertungen des Obligationenrechts in der Gesetzeshierarchie zurückzutreten haben, wenn sich im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht eine Spezialregelung findet. Als eine solche dürfte Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG wohl anzusehen sein. 208

Teile der Rechtsliteratur möchten an der Anwendbarkeit der Art. 44 ff. VOGesG jedoch festhalten, vgl. hierzu S. 177 f. und § 2 Fn. 359. 209 Nicht anders als das französische Recht, das die Übervorteilung (lésion) in Art. 1118 Code civil ausdrücklich akzeptiert, werden Ungleichgewichte zwischen Leistung und Gegenleistung auch im ägyptischen Recht vorausgesetzt und anerkannt, so etwa durch die Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage nach Art. 129 Nr. 1 ZGB, siehe hierzu S. 578 f. 210 Siehe nur Cass. Com. v. 23. Januar 1990, Rev. Soc. 1990, 248 mit Anmerkung Yves Guyon. 211 Vgl. Art. 308 Nr. 1 ZGB, hierzu Al-Sanhûrî, Al-wasît, Band III, S. 500; Al`Amrûsî, Al-qânûn al-madanî al-mu`addal, Band I, § 308, S. 932, sowie die Ausführungen und Nachweise auf S. 127.

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(3) Historisch-vergleichende Betrachtung Eine rezeptionshistorisch-vergleichende Betrachtung des Art. 17 VOKMG lässt weitgehend im Unklaren, ob der Schutz der Anleger der ursprünglichen Intention des Verordnungsgebers im Zeitpunkt der Schaffung der Norm entsprochen hat. Hiergegen spricht allenfalls der Vergleich mit der früheren französischen Schwestervorschrift des Art. 186-1 al. 3 loi 1966, an der sich der Verordnungsgeber bei Erlass des Art. 17 VOKMG ausweislich der Ähnlichkeit der Tatbestände mutmaßlich orientiert hat. Gemäß der französischen Vorschrift212 hatte die Bestimmung des Ausgabebetrags junger Aktien nicht „auf Grundlage“, sondern „mindestens auf Grundlage“ der capitaux propres, also des Nettoreinvermögens, zu erfolgen213. Da also auch das französische Recht das Nettoreinvermögen in die Ausgabekurskontrolle einbezogen hatte, liegt nahe, dass das ägyptische Recht diesen Maßstab aus Frankreich rezipiert hatte. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass das Nettoreinvermögen in Frankreich lediglich als Untergrenze des Ausgabekurses und damit als Instrument des Aktionärsschutzes fungierte, Aufschläge auf den Ausgabekurs hingegen zulässig waren. Indem der ägyptische Gesetzgeber durch die Entfernung des Wortes „mindestens“ die Preiskontrolle in den Dienst des Anlegerschutzes stellte, wies er dem Nettoreinvermögen nunmehr eine Funktion zu, die es nicht erfüllen konnte. Die Schwierigkeiten der ägyptischen Finanzaufsicht bei der Auslegung des Begriffs des Nettoreinvermögens lassen sich vor diesem Hintergrund also sehr gut nachvollziehen und zeugen von den grundlegenden Funktionsverschiebungen, denen eine Norm im Zuge der Rezeption unterliegen kann. bb) Verbot von Preisabschlägen zum Schutz der Aktionäre? (1) Gesellschaftsrechtlicher iustum pretium-Grundsatz Mit der Auslegung des Art. 17 VOKMG als Instrument des Anlegerschutzes ist freilich noch nicht ausgeschlossen, dass die Norm zusätzlich auch dem Schutz der Aktionäre dient. So ist denkbar, dass neben das Verbot von Preisaufschlägen ein Verbot oder eine Beschränkung von Preisabschlägen tritt. Um der Fragestellung nachzugehen ist es hilfreich, den Blick von der Kapitalerhöhung in der Sonderkonstellation des initial public offering abzuwenden und auf Kapitalerhöhungen im Stadium nach dem Börsengang zu richten. Wie die spätere Untersuchung von Folgeemissionen zeigen wird214, entnimmt die Finanzaufsicht Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG neben 212 Der Maßstab der capitaux propres wurde durch Decret No. 2004-604 vom 24. Juni 2004 inzwischen aus der Nachfolgenorm des Art. 186-1 al. 3 Loi 1966, Art. L. 225-136 al. 3 Code com. entfernt. 213 Bagel, Der Ausschluß des Bezugsrechts in Europa, S. 191. 214 Ausführlich S. 375 ff.

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dem Anlegerschutzgebot grundsätzlich auch ein strenges Aktionärsschutzprinzip. Für die Preisfestsetzung bedeutet dies, dass die Behörde neben Preisaufschlägen zusätzlich auch Preisabschläge auf den angemessenen Wert untersagt und damit die Ausgabe der jungen Aktien exakt zum objektiven Wert verlangt. Diese Auslegung wird durch das bereits erwähnte Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2001215 wie auch von al-`Arînî216 und Mu´min217 unterstützt, die Preisabschläge entweder ausdrücklich (so das Gericht und al-`Arînî) oder implizit (so Mu´min) untersagen und Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG damit zweifellos in den Dienst des Aktionärsschutzes stellen218. Legt man die Auffassung der Finanzaufsicht und Mu´mins zugrunde und erachtet sowohl Preisaufschläge als auch Preisabschläge für unzulässig, so beinhaltet Art. 17 Abs. 1 VOKMG ein allgemeines Gebot zur Platzierung zum iustum pretium, dem „gerechten und richtigen“ Preis. Aus dieser Funktion lassen sich wiederum Rückschlüsse auf den Rechtscharakter des Art. 17 VOKMG ziehen: Die Ermittlung des angemessenen Wertes dient nicht als Hilfsmittel zur juristischen ex post-Kontrolle der Adäquatheit des Emissionspreises, sondern ist ein formal und materiell determinierendes Element der tatsächlichen Preisfestsetzung, deren Ergebnis zum vermögensrechtlich einzig richtigen Preis erhoben wird. (2) Teleologische Reduktion beim initial public offering Richtet man den Blick nun auf die konkrete Situation des initial public offering, so offenbart sich zunächst ein Widerspruch zu dieser Bestandsaufnahme. Wie die Betrachtung vergangener Börsengänge ägyptischer Gesellschaften zeigt, werden die Ausgabekurse beim IPO entgegen dem soeben Gesagten stets unterhalb des angemessenen Wertes festgesetzt219. Dieses Ergebnis ist bereits dadurch vorgegeben, dass der angemessene Wert im Kapitalerhöhungsbeschluss stets als Höchstgrenze für den Preiskorridor, der den Emissionsbanken beim Bookbuilding zur Verfügung steht, angesetzt wird. Eine Preiskontrolle durch ein umfassendes Verbot von Preisabschlägen findet beim Börsengang im Gegensatz zu Folgeemis215 Oberstes Verwaltungsgericht v. 29. Dezember 2001, Revision Nr. 3967 des Gerichtsjahrs 45, zitiert bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 446. 216 Al-`Arînî, Al-sharikât al-tijâriyya, S. 518. 217 Mu´min, `Aqd bay` al-awrâq al-mâliyya, S. 113. 218 Das Oberste Verwaltungsgericht und al-`Arîni äußerten sich zur Frage des Anlegerschutzes und von Preisaufschlägen nicht und scheinen diese im Gegensatz zu Mu´min und der Finanzaufsicht akzeptieren zu wollen. 219 Vgl. wiederum die Hauptversammlungsbeschlüsse der Ghabbour Auto S.A.E. vom 24. Mai 2007, Ghabbour Auto S.A.E., Nashrat al-iktitâb, 6. Juni 2007, S. 19, und der Mardive & Oil Services S.A.E. vom 14. April 2008, Al-Ahrâm, Nashrat al-iktitâb Maridive & Oil Services S.A.E., 18. April 2008, S. 25.

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sionen also nicht statt; stattdessen wird die Festsetzung des Ausgabekurses, soweit sich dieser unterhalb des angemessenen Wertes befindet, in das freie Ermessen des Emittenten gestellt. Der dogmatische Ansatz, mit dem die Finanzaufsicht zu der liberalen Handhabung des Aktionärsschutzes beim initial public offering gelangt, fußt auf der Wertung der prozessrechtlichen Vorschrift des Art. 76 Abs. 3 GesG. Da die Norm eine Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses durch Aktionäre, die der Maßnahme nicht zu Protokoll der Hauptversammlung widersprochen haben, ausschließt, können einmütig gefasste Hauptversammlungsbeschlüsse von Seiten der Aktionäre nicht mehr angegriffen werden. Haben sich die Aktionäre durch eine einheitliche positive Zustimmung (oder ggf. auch durch Enthaltung) der Möglichkeit begeben, den rechtswidrigen Kapitalerhöhungsbeschluss nach Art. 76 Abs. 1 GesG220 anzufechten, sieht die Behörde keine Notwendigkeit mehr, sie unter Anwendung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG vor einer Unterbewertung der Aktien zu schützen. Die Wertung des Art. 76 Abs. 3 GesG wird nunmehr 220

Art. 76 Abs. 1 GesG erlaubt die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, die nicht mit dem Gesetz oder der Satzung in Einklang stehen. Das ägyptische Beschlussmängelrecht unterscheidet nicht zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen, vielmehr sind Hauptversammlungsbeschlüsse – entgegen dem Wortlaut des Art. 76 Abs. 1 GesG, der entsprechend der französischen Terminologie (nullité) die „Nichtigkeit“ (bâtilan) rechtswidriger Beschlüsse anordnet – stets nur anfechtbar (vgl. Al-Fadîl, Al-sharikât, S. 390; Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî al-muqâran, S. 522); im Zivilrecht werden Nichtigkeit und Anfechtbarkeit hingegen klar unterschieden, vgl. Art. 138 ff., 141 ZGB. Aufgrund eines konsequenten Gutglaubensschutzes (vgl. den Wortlaut des Art. 76 Abs. 1 GesG „vorbehaltlich der Rechte Gutgläubiger“) ist infolge der Anwendung der Rechtsfigur der faktischen Gesellschaft (sharika fi`liyya) von einer Bestandskraft des Beschlusses auszugehen, bis das Nichtigkeitsurteil in Rechtskraft erwächst (vgl. Al-Qalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 237 sowie Al-Qudâ, Alwujûd al-wâqi`î wa-l-wujûd al-qânûnî li-l-sharika al-fi`liyya, im Hinblick auf Gründungen; für eine Rückwirkung bei Kapitalerhöhungen hingegen die Gemeinsame Sitzung der Abteilungen für Fatwa und Gesetzgebung, Fatwa Nr. 4 vom 4. Dezember 1996, wiedergegeben bei Salim, Sharh ahkâm qânûn al-sharikât I, S. 454 f.); ggf. ließe sich insoweit auch zwischen relativen und absoluten Nichtigkeitsgründen differenzieren. Ungeklärt ist die Reichweite der Anfechtungsbefugnis. Während die wohl herrschende Literatur (AlQalyûbî, Al-sharikât al-tijâriyya, 2008, S. 890; Radwân, Sharikât al-tijâriyya fî al-qânûn al-misrî al-muqâran, S. 673) die Befugnisnorm des Art. 76 Abs. 3 GesG entgegen dem Wortlaut („in diesem Fall“) nicht nur auf Art. 76 Abs. 2 GesG, sondern auch auf Art. 76 Abs. 1 GesG anwenden möchte, wird teilweise vertreten, die auf das Gründungsverfahren anwendbare Anfechtungsnorm des Art. 161 GesG sei einschlägig, so dass (wie in Frankreich, vgl. den früheren Art. 365 al. 1 loi 1966) auch rechtlich betroffene Gläubiger anfechtungsbefugt seien. Gegen diese Meinung spricht jedoch insbesondere, dass die Aktionäre in diesem Fall keine Möglichkeit haben, die Bestandskraft des Beschlusses bereits vor der langen Anfechtungsfrist von mindestens einem Jahr (Art. 76 Abs. 5 GesG) herbeiführen zu können, und jede Maßnahme erheblichen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt ist. Zur Anfechtung wegen Mehrheitsmissbrauch siehe § 2 Fn. 955.

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auf das kapitalmarktrechtliche Genehmigungsverfahren übertragen: Wer vor den Gerichten kein Gehör finden kann, soll auch nicht durch die materielle Rechtmäßigkeitsprüfung im Genehmigungsverfahren geschützt werden. Für die Preisfestsetzung beim IPO ist die Wertungseinheit zwischen gerichtlichem und behördlichem Rechtsschutz von erheblicher Bedeutung: Ohne sie wäre die Ausgabe der jungen Aktien unter dem angemessenen Wert nicht möglich, so dass ein Zeichnungsanreiz in normalen Marktphasen, in denen der Markt nicht mehr als den Fundamentalwert zu bieten bereit ist, nicht gesetzt werden könnte. Das Erfordernis der Zustimmung aller Aktionäre zu der ermessensfreien Preisfestsetzung erweist sich in der Situation des Börsengangs nicht als besondere Hürde, sondern als der Regelfall. In praktischer Hinsicht ist die Zustimmung der Alteigner zu der Kapitalerhöhung bereits deshalb faktische Voraussetzung des Börsengangs, da die Emissionsbanken – wie bereits erwähnt wurde – vor der Durchführung der Platzierung die Unterstützung aller Aktionäre einfordern und widersprechende Aktionäre notfalls aus der Gesellschaft kaufen221. Im Ergebnis wirkt sich die Problematik des Verbots von Preisabschlägen nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 VOKMG auf die Ausgabekursfestsetzung beim initial public offering also nicht aus. c) Verfahren der Ausgabekursfestsetzung Bevor eine Würdigung der ägyptischen Ausgabekurskontrolle erfolgen kann, ist es notwendig, sich die Mechanik der im Neuemissionsmarkt eingesetzten Verfahren zur Bewertung der Aktien und Ermittlung des Ausgabekurses vor Augen zu führen. Soweit die Methoden der Preisfestsetzung bereits Anreize setzen, die eine sachgemäße und interessengerechte Preisfestsetzung begünstigen und Fehlbewertungen vermeiden, hat dies in die Bewertung der Anforderungen an die Ausgabekurskontrolle einzufließen. Bislang haben auf dem ägyptischen Emissionsmarkt das Festpreis- und das Bookbuilding-Verfahren Einsatz gefunden222. 221 222

Siehe S. 122. Das ebenfalls bei der Preisfestsetzung einsetzbare Auktionsverfahren spielt in Ägypten und den weiteren arabischen Staaten keine Rolle und soll im Folgenden nicht vertieft besprochen werden. Bei der Auktion wird die aus den Ordern gebildete Nachfragekurve genutzt, um die Aktien zum höchsten erzielbaren Kurs (dem Gleichgewichtskurs) an die meistbietenden Anleger auszugeben. Da also nur die optimistischen Anleger zum Zuge kommen, wird in der Literatur und Praxis angenommen, dass Auktionen zu Instabilität auf dem Sekundärmarkt führen (vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 68, 113) oder aufgrund der Furcht der Anleger, zu hoch zu bieten (winner‘s curse), zu niedrigeren Erlösen führen, Jagannathan/Sherman, Why do IPO auctions fail?, NBER working paper, 2006. Von den Befürwortern der Auktion wird demgegenüber geltend gemacht, dass das Underpricing aufgrund der Orientierung an den Höchstgeboten geringer ausfällt als beim

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aa) Festpreisverfahren Wie bereits ausgeführt wurde, steht im Preisfestsetzungsverfahren derjenige Preis im Mittelpunkt des Interesses der Parteien, den der Markt für das angebotene Aktienvolumen zu zahlen bereit ist. Ist dieser Preis den Parteien – wie es vor dem Börsengang grundsätzlich der Fall ist – nicht bekannt, so können sich die Emittenten lediglich an einem anhand von Fundamentaldaten ermittelten „objektiven“ Unternehmenswert orientieren. Diese im sog. Festpreisverfahren223 erfolgende Annäherung an den mutmaßlichen Verkehrswert, die in den meisten arabischen Staaten aus rechtlichen oder technischen Gründen bis heute noch eingesetzt wird224, ist naturgemäß mit verschiedenen Unsicherheiten verbunden. Sie beginnen bei der objektiven Unternehmensbewertung durch den Emittenten, die naturgemäß mit Prognosen, Schätzungen und Unschärfen verbunden ist225. Sie setzen sich in den unterschiedlichen subjektiven Beurteilungen fort, zu denen ein heterogenes und unterschiedlich informiertes Anlegerpublikum stets gelangt. In nicht unerheblichem Maße resultieren sie schließlich aus den rational nicht erklärbaren Schwankungen des Neuemissionsmarkt, der von Phasen völliger Inaktivität bis zu sog. hot markets-Phasen226 mit hohem Emissionsaufkommen und überoptimistischen Preiseinschätzungen der Titel geprägt ist. Da der Emittent eine stabile Kursentwicklung und den Erfolg der Emission gewährleisten möchte, ist er angesichts dieser Unsicherheiten zu großzügigen Abschlägen auf den objektiven Unternehmenswert gehalten, um auch bei pessimistischen Einschätzungen des Marktes über den Wert der Aktie einen Zeichnungsanreiz für die Investoren zu setzen und die Aktien vollständig abzusetzen227. Darüber hinaus ist ein weiterer Preisabschlag notwendig, um Wertrisiken während der Stillhaltefrist, denen die Emittenten Bookbuilding (umfassend Dasgupta/Hansen, in: Eckbo (Hrsg.), Handbook of corporate finance, S. 87, 132 ff.; Derrien/Womack, 16 Rev. Finan. Stud. (2003) 31), sich das Bookbuilding jedoch aufgrund der Möglichkeit der Banken durchgesetzt hat, bei einer freien Preisfestsetzung und Zuteilung Eigeninteressen verfolgen zu können (vgl. S. 239 ff.). 223 Allgemein zum Festpreisverfahren Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rn. 10/260 f.; Schanz, Börseneinführung, S. 344 ff. 224 National, IPO success in UAE hindered by regulations, 29. Juni 2008. 225 Ausführlich S. 153 ff. 226 In diesen Phasen liegt der Ausgabekurs häufig sogar über dem Fundamentalwert der Gesellschaft, vgl. Ljungqvist, in: Eckbo (Hrsg.), Handbook of corporate finance, S. 375, 415. Unter hot markets werden Phasen verstanden, in denen die Zeichnungsrenditen wiederholt etwa 30 Prozent über dem sonst üblichen Underpricing liegen werden, vgl. Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre, S. 247, 439, mit ausführlicher Darstellung des wirtschaftlichen Hintergrunds. 227 Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 68, 112; Terstege, in: Krimphove/Tytko (Hrsg.), Praktiker-Hdb. Unternehmensfinanzierung, S. 219, 245.

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in der Phase zwischen Preisfestsetzung und Zeichnung und die Zeichner zwischen Zeichnung und Handelsbeginn ausgesetzt sind, zu kompensieren. Angesichts der beträchtlichen Länge der Stillhaltefrist beim Festpreisverfahren, die spätestens mit Veröffentlichung des endgültigen Ausgabekurses im Wertpapierprospekt beginnt, ist der Risikoabschlag keineswegs unbeachtlich. Im internationalen Durchschnitt werden Aktien beim Börsengang aus den genannten Gründen etwa 10 bis 15 Prozent unter demjenigen Preis ausgegeben, den der Markt zu zahlen bereit ist und der sich am ersten Handelstag der Titel an der Börse bildet228. Dem Emittenten entgehen somit potentielle Einnahmen, die Beteiligungswerte der Altaktionäre werden entsprechend der Verwässerung ausgesetzt werden – Einbußen, die durch eine Orientierung an dem vom Markt gebotenen Preis vermieden werden könnten. Andererseits kann sich der Abschlag auf den objektiven Wert auch als unzureichend erweisen und zu einer Unterzeichnung der Aktien oder starken Kursverlusten im Handelsbeginn führen. Das Fehlen eines Indikators für die Marktnachfrage birgt im Ergebnis in beide Richtungen nicht unerhebliche Risiken und Nachteile für den Emittenten. bb) Marktorientierte Preisfestsetzung durch Bookbuilding Um die Unterbewertungen beim Börsengang zu verringern, wurde auf den internationalen Neuemissionsmärkten das marktorientierte Preisermittlungsverfahren des Bookbuilding eingeführt, das die Bewertung der angebotenen Titel durch den Kapitalmarkt mit in die Preisbildung und die Allokation der Aktien einbezieht. Das Verfahren geht auf die in den USA entwickelte Technik des sog. marketed deal zurück, die unter strukturellen Anpassungen an das europäische (Prospekt-)Recht in den 1990er Jahren in Europa übernommen wurde und sich dort unter dem Namen Bookbuilding ebenfalls zum Marktstandard entwickelt hat229. Im Zuge der Professionalisierung des ägyptischen Finanzintermediärwesens erhielt das Bookbuilding-Verfahren bereits vor der Jahrtausendwende auf dem ägyptischen Emissionsmarkt Einzug230. Sieben Jahre später sollte es erstmals in SaudiArabien Anwendung finden; ein weiteres Jahr später wurden auch in den 228

Für den ägyptischen Erstemissionsmarkt existieren keine Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren, da ausschließlich das Bookbuilding-Verfahren zum Einsatz kam. 229 Zur Einführung und Verbreitung des Bookbuilding in Europa siehe Willamowski, Bookbuilding, S. 24, 43. Das US-amerikanische marketed deal-Verfahren unterscheidet sich vom europäischen Bookbuilding in erster Linie durch ein weites Verständnis des Begriffs des öffentlichen Angebots, der ein Marketing vor der Einreichung eines Zulassungsantrags verbietet, siehe Willamowski, a.a.O., S. 106, 108 f., sowie ausführlich unten auf S. 210 ff. 230 Ein professionelles Bookbuilding wurde bereits beim Börsengang der Orascom Construction Industries S.A.E. im Jahr 1999 eingesetzt.

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Vereinigten Arabischen Emiraten die Rechtsgrundlagen für ein Bookbuilding geschaffen, kamen aufgrund der schwierigen Marktsituation bislang jedoch nicht zur Anwendung. (1) Verfahrensablauf Das Ziel des Bookbuilding-Verfahrens ist es, in einem mehrstufigen Bieterprozess eine Annäherung an den Gleichgewichtskurs für die angebotenen Aktien zu erzielen, der sich nach der Platzierung auf dem Sekundärmarkt bilden wird. Gegenstand dieses Prozesses sind allein die Aktien der Tranche, die den institutionellen Investoren angeboten werden, da nur diese über hinreichende Informationen und Ressourcen verfügen, um zur Ermittlung des vom Markt gebotenen Preises beitragen zu können. Um das Verfahren der Preisfestsetzung juristisch zu erfassen, empfiehlt es sich zwischen zwei Verfahrensschritten zu unterscheiden: Der erste betrifft die Art und Weise der Ermittlung der im Kapitalerhöhungsbeschluss231 aufgeführten Preisspanne, der zweite berührt die Festsetzung des endgültigen Ausgabekurses innerhalb dieser Spanne. Datum

Maßnahme

T-52

• Spätester Zeitpunkt für die Festsetzung des angemessenen Werts durch den unabhängigen Finanzberater • Spätester Zeitpunkt für die Festsetzung der Preisspanne durch den bookrunner (erfolgt de facto auch später) • Spätester Zeitpunkt für die vollständige Einreichung der Unterlagen bei der Finanzaufsicht • Hauptversammlungsbeschluss (erfolgt teils auch nach der Prospektveröffentlichung) • Benachrichtigung der GAFI, Finanzaufsicht und EGX • Verwaltungsratsbeschluss • Genehmigung der Emission durch die Finanzaufsicht • Veröffentlichung der Zusammenfassung des Wertpapierprospekts • Formaler Beginn der Marketingaktivitäten (erfolgt de facto früher) • Beginn der Zeichnungsperiode für institutionelle Investoren und des Bookbuilding • Beginn retail-Zeichnungsperiode • Ende der Zeichnungsperiode für institutionelle Investoren/Bookbuilding • Festsetzung des Ausgabekurses • Zuteilung an institutionelle Investoren • Veröffentlichung des Ausgabekurses • Ende der retail-Zeichnungsperiode

T-51 T-44 T-39 T-38 T-36 T-34 T-25 T-19 T-15 T-14 T-13 T-9

231 Im Gegensatz zum ägyptischen Bookbuilding muss die Preisspanne in Europa nicht im Kapitalerhöhungsbeschluss festgesetzt werden, da hier auf ein genehmigtes Kapital zurückgegriffen werden kann, das die Festsetzung der Bedingungen durch die Verwaltung erlaubt, Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 68, 102.

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144 T-8

T-7 T-4 T-2

T-1 T T+30

• • • • • • • • • • • • •

Zuteilung der retail-Aktien Einholung der Genehmigung der GAFI Antrag auf Registrierung der Aktien bei der MCDR Antrag auf Börsennotierung der Aktien beim Listing Committee der EGX Vorlage der neuen Satzung bei der GAFI Beglaubigung der Unterschriften auf der Satzung Erlass des Ministerialdekrets durch die GAFI Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister Registrierung der Aktien bei der MCDR Genehmigung der Börsennotierung durch das Listing Committee der EGX Übertragung der Aktien an die Zeichner mittels block trade Notierungsaufnahme Ende der Kursstabilisierung

Tabelle 1: Möglicher Zeitplan für einen Börsengang im Wege des primary offering

Für die Bestimmung der Preisspanne stehen wiederum zwei Vorgehensweisen zur Verfügung: In Europa ist es aufgrund liberaler Prospektvorschriften möglich, zum Zwecke der Festsetzung einer marktnahen Preisspanne unverbindliche Preisindikationen von ausgewählten Investoren im Rahmen eines sog. pre-marketing einzuholen, die auf einer betriebswirtschaftlichen Finanzanalyse des Emittenten durch die Investoren beruhen232. Anhand der Indikationen sowie der Resonanz von Analysten ermittelt die federführende Emissionsbank als sog. bookrunner (mudîr al-tarh)233 ein arithmetisches Mittel, aus dem eine Preisspanne mit einem Auf- und Abschlag von zehn bis 20 Prozent des errechneten Mittelwerts gebildet wird234. Datum

Maßnahme

T-46

• Spätester Zeitpunkt für die Festsetzung des angemessenen Wertes durch den unabhängigen Finanzberater • Spätester Zeitpunkt für die Festsetzung der Preisspanne durch den bookrunner (erfolgt de facto auch später) • Spätester Zeitpunkt für die vollständige Einreichung der Unterlagen bei

T-45

Willamowski, Bookbuilding, S. 74 f. Die Möglichkeit der Einholung von Indikationen beruht auf dem Umstand, dass die BaFin ein öffentliches Angebot erst in der Aufforderung zur Abgabe von konkreten Zeichnungsaufträgen sieht, Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Bekanntmachung zum VerkProspG, S. 5069; ausführlich hierzu Willamowski, a.a.O., S. 125 f. sowie unten auf S. 210 ff. 233 Als bookrunner wird die führende Konsortialbank bezeichnet, die das Bookbuilding-Verfahren organisiert, die Preisspanne festsetzt und die Order der Anleger entgegennimmt. 234 Wie bei der in Deutschland praktizierten Bookbuilding-Methode (vgl. Terstege, in: Krimphove/Tytko (Hrsg.), Praktiker-Hdb. Unternehmensfinanzierung, S. 219, 246 f.), kann vom maximalen Emissionsvolumen nach unten abgewichen werden. Zu den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen siehe S. 107 f. 232

§ 2 Eigenkapitalfinanzierung

T-40 T-39 T-35 T-29 T-28 T-26 T-26 T-23 T-17 T-12 T-7 T-6

T-2 T-1 T T+30