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German Pages [368] Year 1997
V&R
CHRISTIAN HERRMANN
Unsterblichkeit der Seele durch Auferstehung Studien zu den anthropologischen Imphkationen der Eschatologie
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Wolfliart Pannenberg und Reinhard Slenczka Band 8 3
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Herrmann, Christian: Unsterblichkeit der Seele durch Auferstehung: Studien zu den anthropologischen Implikationen der Eschatologie / Christian Herrmann. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1997 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, Bd. 83) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1996. ISBN 3-525-56290-X
© 1997 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Pohle. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1995/96 von der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde angenommen. Sie wurde für den Druck leicht überarbeitet, d. h. v. a. in der Einleitung ergänzt, um einige Literaturhinweise erweitert und mit einem Rückblick versehen. Wenn eine Dissertation einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist dies ein Grund und der richtige Ort, Dank allen denen auszusprechen, die die Arbeit auf ihrem Weg begleitet und diesen erst ermöglicht haben. An erster Stelle gilt mein Dank meinem verehrten akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. R. Slenczka, durch den ich in zahlreichen Lehrveranstaltungen ein solides, profiliertes theologisches Rüstzeug und Unterscheidungsvermögen vermittelt bekam. Ihm und Herrn Prof. Dr. W. Spam ist für die Erstellung der Gutachten mit Denkanstößen und weiterfuhrenden Hinweisen zu danken. Herrn Prof. Dr. R. Slenczka und Herrn Prof Dr. W Pannenberg, München, bin ich fur die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Forschungen zur Systematischen und Ökumenischen Theologie" verbunden. Die Universität Erlangen-Nürnberg hat mit der Gewährung eines Promotionsstipendiums wesendich zur zügigen Erstellung der Dissertation im Zeitraum von zwei Jahren beigetragen. Die Druckkostenzuschüsse der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der ZantnerBusch-Stiftung und des Arbeitskreises fur evangelikale Theologie haben die Drucklegung des Werkes in einem erheblichen Maße erleichtert. Die Ermöglichung eines zentralen und subventionierten Wohnens in guter geistlicher Atmosphäre während der gesamten Zeit meines Studiums in Erlangen durch den Martin-Luther-Bund verdient besondere Erwähnung. Nicht zuletzt sei an die ideelle und finanzielle Unterstützung durch meine Eltern erinnert, ohne die mein Studium nicht zum Erfolg hätte gefuhrt werden können. Als Bibliotheksreferendar weiß ich um die Art und Weise und Bedeutung der Benutzung wissenschaftlicher Literatur und hoffe insofern, daß das vorliegende Werk einen nicht unerheblichen Beitrag zu der Begleitung theologischen Arbeitens leisten kann. Tübingen, im Juli 1997 Christan Herrmann
Inhalt Vorwort
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Einleitung
13 GRUNDLEGUNG
A. I.
Seelesein als von Gott zum Vollzug der Gottesbeziehung instandgesetzte Existenz - biblisch-exegetische Erwägungen Die Seele als Funktion des Leibes
17 17
1. Funktionieren und Sterben der Seele
17
2 . Lebenserfiillung statt Todesüberwindung (Chr. Barth)
18
II. Die Seele als Mittel der ontischen Vertikalisierung der menschlichen Existenz (F. Heidler)
22
1. D i e Seele als das doppelseitige Mittlere im Menschen
22
2 . D i e Geistseele als Garant der Personidentität
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3 . Additive oder dynamische Sicht der Auferstehung?
III. Die Unsterblichkeit des Menschen als „Seele" 1
26
29
„Mensch als Seele" statt „Seele des Menschen"
29
2 . Menschliche Existenz als Sein im Außenbezug
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3 . D i e Seele als Kehle und Gefäß
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4 . Die Toten als von G o t t her Lebende
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a) Leben von der Treue Gottes her
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α) Theozentrische, nicht neutral-indifferente Betrachtung von Leben und Tod ß) Primat und Kontinuität der Zuwendung Gottes
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γ) G o t t als Wender in der N o t
38
δ) Existenzsicherung durch Christus
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ε) D i e Scheol als heilsgeschichdiches Provisorium
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b) Leben von der Macht Gottes her
44
α) D i e Auferstehung als Herrschafts- und Gerichtsakt Gottes
44
ß) D i e christologische Fundierung der Auferstehungswirklichkeit
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γ) D i e pneumatische Vollzugsweise und Vermitdung der Auferstehung 4 7 δ) Auferstehung als Manifestation der Christusrelation 5. Kontinuität in der Diskontinuität a) Das totaliter aliter der postmortalen Existenz b) Das menschliche Ich als Gegenstand des Wirkens Gottes 6 . Seele als Modus der menschlichen Existenz
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8
Inhalt
В. Seelesein als Vollzug und Transzendierung der kreatürlichen und soteriologischen Dialektik der menschlichen Existenz die reformatorische Präzisierung der biblischen Lehre I. Der Mensch in der Simultaneität der doppelten Relation 1. „Seele" als immanente Vitalität 2. Die vernunftbegabte Seele des homo philosophicus 3. Die Seele als transzendierende Struktur a) Die theozentrische Umklammerung der irdischen Existenz b) Aktuale Durchbrechung der konstitutionellen Lokalisierung c) Seele und Gewissen II. Eschatologische Antizipation und eschatologischer Vorbehalt 1. Der dynamische Konnex von Sünde und Tod a) Der Tod als Strafe Gottes b) Die Auferstehung der Gotdosen 2. Privation und Finalisierung 3. Das Sterben unter Gesetz und Evangelium III. Die Dialektik der postmortalen Situation 1. Theologie statt Topographie 2. Schlaf und Jüngster Tag a) Die Toten als der Zeit Entnommene b) Die Toten in der Zeit IV. „Seele" ist der Mensch als kommunikatives Gegenüber Gottes
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A U S F Ü H R U N G U N D ABGRENZUNG
С
Unsterblichkeit durch eine vorgängig in der geschöpflichen Konstitution grundgelegte Verbundenheit mit Gott der römisch-katholische Ansatz I. Die konkurrierende materialistische Option II. Gottbezogenheit als Sein und Weg das platonisch-neuplatonische Erbe 1. Die asymmetrische Zwischenstellung des Menschen a) Die Göttlichkeit der Seele (Orphik) b) Konstitutive Partizipation an der Transzendenz (Piaton) 2. Die Zwischenstellung als Entscheidungssituation a) Philosophie als Einübung in den Tod b) Gericht als Reinkarnation 3. Die hierarchische Dynamisierung der Zwischenstellung (Augustin) a) Intellekrivität als Realgrund der Hierarchie α) Intellektivität als Relationsmodus ß) Immaterialität: Ausweis des essentiellen Plus' der Seele b) Mitte als Vermittlung 4. Vereinigung mit Gott als ethisches Postulat (Origenes)
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Inhalt Inexistenz des Lebensbringers als psychophysische Konvergenz das aristotelische Erbe 1. Interdependenz, nicht Identität von Leib und Seele a) Die Seele: nicht Körper, aber etwas am Körper b) Funktionale Priorität in der anthropologischen Einheit 2. Die Seelenaktivität als Zielbestimmung a) Der artspezifische, weil sitdiche Lebensweg b) Persönliche Sterblichkeit und universale Unsterblichkeit? α) Die Separierbarkeit der Vernunft bei Aristoteles ß) Intellekt in Diastase zur Person (Averroes) IV. Inexistenz als Supergredienz (Thomas von Aquin) 1. Die Spannungseinheit von Leib und Seele 2. Independenz des Intellekts trotz psychophysischer Reziprozität a) Selbständige Erkenntnistätigkeit b) Selbständiges Sein α) Der substanzontologische PersonbegrifF ß) Die anima separata 3. Natürliche Unsterblichkeit, gnadenhafte Auferstehung a) Der geschöpflich-konstitutionelle Grund von Tod und Unsterblichkeit b) Der Weg der ethischen Reintegration der Leiblichkeit c) Die Auferstehung als Appendix der Heilsgeschichte V. Relative Dependenz statt Supergredienz (Pomponazzi) 1. Revision des Zusammenhangs von Intellekt und Unzerstörbarkeit a) Der Modus der Materiebezogenheit als spezifizierende Größe b) Die Inadäquatheit der Unsterblichkeit c) Die Unsterblichkeit als Glaubensartikel die These der doppelten "Wahrheit 2. Der ethische Ausweis und Inhalt der Mittelstellung VI. Versuche einer Weiterfiihrung und Korrektur des thomanischen Ansatzes 1. Die positive Qualifizierung des Todes als Vollendungstat (K. Rahner) . 2. Die nichtmaterielle Interpretation der Leiblichkeit (G. Greshake) a) Der Leib als Vollzugsmodus der personalen Selbstexplikation der Seele b) Auferstehung als Vollendung der menschlichen Freiheitsgeschichte. 3. Relationale Akzentuierung innerhalb des substanzontologischen Grundschemas (J. Ratzinger) a) Relation als Relationsfähigkeit b) Zwischenzustand ohne Separation VII. Ansatz einer grundsätzlichen Revision: Schöpfungsmodus statt intellektiver Disposition als Grundlage der Gottesrelation (Tertullian)
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III.
127 127 127 128 131 131 133 133 134 135 135 138 138 143 143 146 148 148 153 156 158 158 158 162 164 168 170 170 172 172 175 178 178 179
182
10
Inhalt 1. Unsterblichkeit trotz Materialität 2. Auferstehung als Implikat des Gerichts
182 186
D.
Naturalistische Reduktion der Eschatologie als Radikalisierung des konstitutionellen Ansatzes (Außlärungsphilosophie)
189
I.
Exklusive Geistigkeit der Seele statt Asymmetrie (Descartes) 1. Denken heißt Sein 2. Denken als Ausweis und Vollzug einer rein intelligiblen Existenz a) Totale Diastase von Geist und Körper b) Das ontisch-noetische Derivations- und Partizipationsverhältnis zu Gott 3. Ewigkeit der Seele trotz monistischer Ausdeutung der psychophysischen Koexistenz (Spinoza) Unzerstörbarkeit durch Fortschritt als notwendige Explikation der konstitutionellen Anlage (Leibniz) 1. Dynamische Substantialität statt Immaterialität a) Einfachheit ohne Vernunftbesitz b) Die Geistseele als Ziel-, nicht Ausgangspunkt 2. Die Seele als perpetuum mobile a) Metamorphose statt Tod und Auferstehung b) Veränderung als Aufwärtsentwicklung Unsterblichkeit als Mittel zum Zweck der ethischen Erziehung (Lessing) 1. Soteriologie als Pädagogik 2. Die Überwindung der Diastase von individueller und universaler Pädagogik durch Reinkarnation Sittliche Existenz heißt unsterbliche Existenz (Kant) 1. „Seele" als vernunftimmanente Funktion 2. Die ethische Transformation des rationalen Ansatzes a) Die Korrelation von Vernunft und moralischem Gesetz als transzendierende Dimension b) Beständiges Defizit und unendlicher Fortschritt c) Moralische Religion als Theologie des ersten Artikels 3. „Seele" als Moment am Fortschrittsprozeß a) Die Spiritualisierung der Substantialität b) Die Dynamisierung der Unsterblichkeit
II.
III.
IV.
189 189 191 191 194 198 201 201 201 203 205 205 209 212 212 217 219 219 227 227 230 234 236 236 237
E.
Auferstehung gegen Unsterblichkeit und Unsterblichkeit durch Auferstehung - neuere evangelische Theologie
I.
Der Mensch zwischen Nichts und Gnade (K. Barth) 242 1. Der konkurrierende Ausgangspunkt bei dem menschlichen Internum (E Schleiermacher) 242 2. Gottesherrschaft durch Auferstehung 246
241
II.
III.
IV.
Inhalt
11
3. Die definitive Realisierung des Bundes in der Auferstehung a) Die Seele als aktual gesetztes Korrelat der Gnade b) Die Gerichtsdimension des Todes: die Preisgabe an das Nichts c) Das natürliche Sterben: Faktum und Zielbestimmung 4. Ansan zur Korrektur: postmortale Existenz der Gotdosen trotz des Ausgangspunktes bei der Gnade (R. Seeberg) Der Mensch im Sein zum Tod und gegen den Tod (E. Jüngel) 1. Die Wurzel: Das Korrelationsverhältnis von Dasein und Tod (M. Heidegger) 2. Immanentes Todesverständnis 3. Faktizität und variable Modalität des Todes 4. Das Kreuz als hermeneutische Hilfe zur Todesbewältigung 5. Die Radikalisierung: Realisierung des Liebesprinzips als entmythologisierte Fassung der Auferstehung (R. Leuenberger) Der Mensch zwischen Verheißung und Noch-nicht wahren Menschseins (J. Moltmann) 1. Exklusiv fiiturische Eschatologie durch Negation des pneumatischen Wirkens Gottes 2. Weg-Geschehen als Surrogat des Geisteswirkens a) Gottsein Gottes als Ziel-, nicht Ausgangspunkt b) In Bewegung sein heißt gerecht sein 3. Auferstehung als universaler Veränderungsprozeß 4. Ansatz zur Korrektur: Reich Gottes in der Seele, nicht gegen sie (A. v. Harnack) Der Mensch unter Radikalität der Sünde und Externität der postmortalen Fortexistenz - neuere lutherische Entwürfe 1. Die Irreversibilität des Sünderseins des Menschen (W. Eiert) a) Ganztod als Gerichtsvollzug b) Forensisch-relationale Kontinuität ohne menschliches Relat c) Pneumatische Präsenz der Auferstehung als Sinnerfullung menschlicher Existenz (W. Künneth) 2. Bleibende individuelle Verantwortung vor Gott (H. Thielicke) a) Personalität gegen Ich-Teilung b) Personales Todesverständnis als Ausfüllung des biologischen Rahmens 3. Exklusiv theologisches, jedoch dialektisches Todesverständnis (E Althaus) a) Unsterblichkeit durch Tod als Gottesdienst b) Unsterblichkeit durch Auferweckung c) Individuelle ohne endgeschichdiche Eschatologie (H. Grass) 4. Ansatz zur Korrektur: exklusive Deduktion des Todes aus der Sünde (Th. Kliefoth)
249 249 252 254 257 259 259 260 262 264 268 270 270 273 273 275 279 283 286 286 286 288 289 291 291 294 298 298 302 305 307
12
V.
F. I.
II.
III.
Inhalt
Präzision der Korrekturen
309
1. „Tod, wo ist dein Stachel?" 2. Der Inhalt und Modus des protologischen Kontinuums der Eschatologie
309 311
Lebensvollzug als Entfaltung der innermenschlichen Tiefendimension — Psychoanalyse und Anthroposophie 314 Seele als unbewußt determiniertes, immanentes Geschehen (S. Freud) 314 1. Erweiterung des Psychischen durch Dynamik und Konflikt 2. Geschichtlich-evolutive Fassung der Seele
314 316
Die Seele zwischen Gegensatz und Kompensation (C. G. Jung)
319
1. Transzendierung nach innen als Modifikation des empiristischen Ansatzes 2. Religion als Therapeutikum zur Erlangung der Ganzheit
319 321
Lebensgeschichtliche Persönlichkeit statt relational begründeter Personalität (R. Steiner)
324
1. Geistigkeit des Menschen durch intuitiv begründete Eigenaktivität .... 3 2 4 2. Biographische, nicht dualistische Fassung der Reinkarnation 325 ANWENDUNG
G. I. II.
III.
Asymmetrisches Übergewicht des worthaften Wirkens Gottes als Ereignis des Seeleseins — praktisch-theobgische Konsequenzen Soteriologische, nicht hermeneutische Neuqualifizierung der kasuellen Situation - Begründung der Bestattung Theozentrische Doxologie, nicht nekrologische oder ethische Reduktion auf die Immanenz - der Vollzug der Bestattung
334
1. Handeln fur den Toten? 2. Immanent-reduktionistische Konsequenzen fiir die Lebenden 3. Soteriologische Konsequenzen fur die Lebenden
334 335 338
Handeln Gottes an den Menschen im Leben und im Sterben Sterbebegleitung und Todesanzeigen
341
330 330
Rückblick
343
Literaturverzeichnis
345
Einleitung 1. Relevanz der Thematik: Die Auseinandersetzung mit dem Tod und der postmortalen Fortexistenz und Identität des Individuums hilft, ein Defizit der neueren evangelischen Theologie abzubauen, das verheerende Folgen fur Gemeindeleben und Gesellschaft nach sich gezogen hat. Der aus nihilistischen Auffassungen erwachsenden panischen Todesangst gerade vieler protestantischer Todkranker und Sterbender' korrespondiert die verstärkte Hinwendung zur Esoterik, in der vielfach bereitwilliger Antworten auf die Frage nach der Transzendenz, dem Unsichtbaren und der von dorther gewonnenen Sinngebung des Lebens gegeben werden^. Diese Erscheinungen sind ein Indiz der vernachlässigten Tauferinnerung und der häufig zugunsten einer ethisierenden Gesetzespredigt erfolgenden Verdrängung der Verkündigung der Rechtfertigung aus Glauben^. Wie man in der Naturwissenschaft auf eine durch technische Maßnahmen wie die Gefriertrocknung von Lebewesen erreichbare potentielle Unsterblichkeit und unbegrenzte Lebensverlängerung setzt·*, so ' Dazu Sauter, Einfuhrung, 197 ^ Vgl. Ruppert, Reinkarnation, 82 ' Stellvertretend fiir vieles sei auf Küngs Arbeit „Ewiges Leben?" (1982) verwiesen, in der von der Aussage über das - vage bleibende - Daß des ewigen Lebens sofort auf das verändernde Handeln des Menschen hinübergelenkt wird, das sich aus der Vorläufigkeit und Variabilität des Hic et Nunc quasi programmatisch ergibt: ebd., 291.294 Dombrowski, Unsterblichkeit, 133f.l45. Neben solchen letztlich im materialistischen Kausalschema verbleibenden Anläufen zur Bewältigung dieser Thematik findet auf medizinischer Seite - in Kooperation mit der Philosophie - eine Diskussion statt, die einen konstitutionellen, materialistischen wie auch einen methodischen, physikalistischen Monismus vermeiden möchte. So schließt sich Goller, Emotionspsychologie, 288.297, an K. Popper/J. Eccles, Ich, sowie an Carrier/Mittelstraß, Geist, an, wenn er die Beweislast auf der Seite einer rein physikalistischen Ausdeutung des Leib-Seele-Verhältnisses sieht (Goller, ebd., 288.277). Poppers „Welt 1", der Bereich der physischen Phänomene, ist nicht kausal geschlossen, sondern weist sozusagen Spalten auf. Die Tatsache, daß im Verlauf der Evolution völlig neue Dinge und Ereignisse mit unerwarteten und unvorhersehbaren Ereignissen auftreten (etwa die menschliche Sprache, das Bewußtsein) - so Poppers Emergenzthese - , beweist die notwendige Autonomie des Ichbewußtseins gegenüber Gehirn und Körper trotz der notwendigen Interaktion. Das Ich nimmt eine überlegene interpretierende und kontrollierende Vorrangstellung gegenüber der neuronalen Maschinerie ein (Eccles) (Goller, ebd., 262). Die psychischen Größen sind besonderen Gesetzen unterworfen und können daher nur mit besonderen Meßverfahren aufgewiesen werden (Goller, ebd., 281). Die Tatsache mentaler Dimensionen der menschlichen Existenz führt zur Annahme eines „Dualismus", d.h. zur Ablehnung einer rein epiphänomenalistischen oder funktionalen Deutung des Psychischen. Immerhin ist hierin eine gewisse naturwissenschaftliche Bestätigung eines der Grundanliegen der vorliegenden Arbeit gegeben, worauf hier vorweg hingewiesen werden soll.
14
Einleitung
konzentriert man sich in Theologie und kirchlicher Praxis auf die beratende Sterbebegleitung, die auf die Gefühlslage und nicht auf die Qualität vor Gott abhebt^ Die Eschatologie wurde - zumal in den 1960er Jahren - und wird auf ihre universale Dimension beschränkt und in einem Verheißungspotential begründet, das den Menschen in ein antizipatives politisches Tun einweist'^. Demgegenüber empfiehlt sich - wie aus der Überschrift der Arbeit ersichdich - eine Rehabilitation und Revision der Begriffe „Seele" und „Unsterblichkeit" durch deren Verbindung mit der Auferstehung, die so individuell und nicht strukturell gefaßt werden kann^. Für den Menschen in seiner individuellen Personalität gilt es, angesichts der durch den Tod allenfalls provisorischen Zufluchtsmöglichkeiten in kollektiv-universale Sinngebungsinstanzen sich an Christus als an den zu halten, der als erster die Grenze des Todes überschritten hat«. 2. Komposition: Wenn der Ausführung und Abgrenzung sowie der Anwendung eine biblisch-reformatorische Grundlegung vorangestellt wird, so kommt darin eine zweifache methodische Vorentscheidung zum Ausdruck. Zum einen kann der Ausgangspunkt theologischer Rede nicht bei den Adressaten und der Zeit und deren vermeintlichen oder tatsächlichen Bedürfnissen liegen. Es geht nicht darum, zeit- und geistesgeschichdichen Wendepunkten und Trends zu entsprechen und auf eine statistisch erhebbare Akzeptanz zu ' Dies ist Folge einer vor allem durch und seit der Ritschl-Schule forcierten Reduktion des Gemeindelebens auf Kultur-, Sozial- und Bildungsarbeit. Nicht umsonst schreckten viele Schüler Troeltschs vor dem Pfarramt zurück, weil sie außer einer dankbaren Erinnerung an die vollbrachte Lebensleistung den Sterbenden nichts mehr zu sagen wußten. Dazu Sauter, Einfuhrung, 30.191f. ^ Nicht zuletzt durch die Ereignisse des Jahres 1989, die die Ambivalenz aller utopistischen Staats- und Handlungskonzepte eindrücklich vor Augen gefuhrt haben, scheint jedoch in letzter Zeit eine gewisse Ernüchterung und ein Umdenken ausgelöst worden zu sein. Während z. B. G. Sauter 1965, Zukunft, 52f.57.66f 150f 157, sich nachdrücklich gegen den Primat der Soteriologie wendet, das Evangelium als Verheißung - ohne Zueignung - versteht, die Verheißung wiederum als ein „nomen actionis", als ein im steten Noch-nicht und anzustrebenden Voraus des Gegenwärtigen befindliches Ziel eines Veränderungsprozesses, sind 1995, Einführung, 196f. 200, kritische Töne gegenüber der nihilistisch-hermeneutischen und ethisierenden Tendenz der neueren evangelischen Theologie zu hören. Ebd., 200: „Doch wenn solche Reportagen [über Rückkehr und Berichte Totgesagter] (oder auch Berichte über Sterbephasen und ihre psychische Bewältigung) das vordringliche Interesse finden, dann dürfte das ein Alarmzeichen für Kirche und Theologie sein". Allerdings kann Sauter auch (Zeit, 628£) in der Nachfolge Heideggers bereits 1965 vom Tod her einen Zugang zur Würdigung der menschlichen Individualität gewinnen. ' Ein ähnliches, allerdings mit Hilfe einer modifizierten existentialen Interpretation verfolgtes Anliegen hat H. Ott, Eschatologie, 53f.: „Nach der Eliminierung der griechisch-dualistischen Unsterblichkeitslehre ist die Polemik gegen den Begriff der Unsterblichkeit unbegründet geworden"; „Aber freilich: es handelt sich durchaus um eine christologisch begründete Unsterblichkeit" (Hervorhebung im Original). ' V g l . Campenhausen, Diskussion, 192
Einleitung
15
hoffen, sondern das Wort Gottes in unverwechselbarer Identität zur Zeit und zur Unzeit zu verkündigen (2.Tim. 4,2), d. h. in die Zeit hinein, aber nicht von der Zeit her. Der Motivation durch den Auftrag Gottes entspricht die Akzentuierung der Priorität des Redens und Handelns Gottes im Gegenüber zu allen immanentistischen Reduktionen, die wie ein roter Faden die vorliegende Arbeit durchzieht. Zweitens soll der Eindruck vermieden werden, daß man die dargestellten Ansätze als jeweils auch mögliche und beliebige Stimmen im vielstimmigen, pluralistischen Chor der Theologie erklingen lassen und nebeneinanderstellen kann. Es muß vielmehr von vorneherein und stets danach gefragt und geurteilt werden, was theologisch wahr, d. h. schrift- und bekenntnisgemäß, und was mit mehr oder weniger erheblichen Problemen behaftet ist. So treten neben chronologische vor allem systematische Kriterien der Disposition. Die Vielschichtigkeit des SeelenbegriiFs, die Komplexität der theologischen und philosophischen Auseinandersetzungen und ihrer Wurzeln und die Vielzahl konkurrierender Ansätze macht einerseits einen Rückgang bis zu Antike und Mittelalter erforderlich, andererseits aber eine breite, nuancierte und differenzierte Abgrenzung nach verschiedenen Seiten hin. Weil die vorliegende Arbeit dogmatische und nicht theologiegeschichtliche Interessen verfolgt, werden die theologischen Weichenstellungen und deren Korrekturen an einem oder wenigen repräsentativen Vertretern greifbar gemacht, nicht aber alle biographischen, kontextuellen und theologischen Dependenzverhältnisse geklärt. Im Vollzug der dogmatischen Beurteilung ist allerdings häufig eine Erweiterung über das spezifisch anthropologische und eschatologische Areal notwendig, um Ursachen und Auswirkungen bestimmter Entscheidungen vor Augen zu fuhren. Dies gilt etwa fur die erkenntnistheoretischen Grundentscheidungen, die sich in der Auseinandersetzung mit Pomponazzi am adäquatesten entfalten lassen. Der grundsätzlich aposteriorische, d. h. von der Offenbarung herkommende Charakter der theologischen Rede von „Unsterblichkeit" und .^Auferstehung" verbietet eine apriorische, neutrale Koordination mehrerer - sei es auch nur partiell analog redender Quellen neben der Schrift etwa aus der Philosophie zum Ziel einer reziproken Interpretation. 3. Systematischer Zugriff: Das Phänomen des Todes, wie es in dem Bereich des Kreatürlichen generell anzutreffen ist, läßt die Frage nach der Differenz neben der Konvergenz in der Wesensbestimmung von Mensch und Пег besonders virulent werden. Das Proprium und Plus des Menschen wird in der Tatsache und im Modus der Transzendierung der Todesgrenze manifest. Der Definition des Ereignisses, des Grundes und der Auswirkungen des Todes korreliert die Qualifizierung und inhaldiche Füllung des Lebens; das Was des Todes bestimmt das Was und Wie des Lebens. Das Daß der Verbindung von erstem Glaubensartikel einerseits und zweitem bzw. drittem andererseits indiziert die angestrebte oder zu erwartende Transzendierung des Todes ent-
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Einleitung
gegen einer Leugnung oder hermeneutischen Akzeptanz desselben. In dem Wie des Konnexes von protologischer und soteriologisch-eschatologischer Ebene deuten sich theologische Weichenstellungen grundsätzlicher Art an. Die Grundalternative läßt sich vorausgreifend dahin bestimmen, ob die Richtung der Bewegung, in die Leben und Tod eingezeichnet werden müssen, von unten nach oben, d. h. vom Menschen und seinen geliehenen oder zwar geschenkten, aber doch zuhandenen Möglichkeiten her, verläuft oder von oben nach unten, so daß in Gott das Kontinuum und Subjekt zu sehen ist und ihm der Primat zufällt. Je nach der Option für eine der beiden Möglichkeiten erhalten folgende Termini, Begrififspaare und Sachverhalte eine unterschiedliche Füllung bzw. Zuordnung und werden in dieser Weise zu konstitutiven Eckpunkten im Koordinatensystem eines theologischen Lehrgebäudes. Erstens ist die Frage der Leiblichkeit, der Materialität, ihre Integration oder Überwindung, ihr Verhältnis zur Vernunft und zur Geistigkeit zu nennen. Dem entspricht zweitens die Entscheidung, ob mit „Geistigkeit" ein Besitz, eine Potenz, ein Programm des Menschen oder ein Geschehen von Gott her, das pneumatische Wirken Gottes gemeint ist. Daraus folgt drittens die Inbeziehungsetzung von Sein und Akt. Hier gilt es, sowohl einer Vorlagerung der horizontalen Seins- vor der vertikalen Aktebene in dispositioneller oder subjektivistischer Weise wie auch der Horizontalisierung der Aktebene zu wehren, aber auch einen rein aktualistischen Objektivismus zu vermeiden. Dem will die im Zuge der Ausführungen vorgenommene Unterscheidung einer funktionalen und überfunktionalen Sicht der Seele bzw. die Diskussion über die inhaltliche Füllung der überftinktionalen Dimension Rechnung tragen.
GRUNDLEGUNG
Α. Seelesein als von Gott zum Vollzug der Gottesbeziehung instandgesetzte Existenz biblisch-exegetische Erwägungen I. Die Seele als Funktion des Leibes 1. Funktionieren und Sterben der Seele Die empirische Beobachtung, daß mit dem Aufhören der Atmung oder mit dem Ausfließen des Blutes der Tod eintritt, läßt Atem und Blut als Träger des Lebens erscheinen. Der Hebräer kennt nun nicht nur die Wurzel ttfbJ = hauchen/atmen (2.Sam. 16,14; Ex. 23,12; 31,17), sondern kann den Tod als Entweichen der w^a (Gen. 35,18; l.Kön. 17,17: Rückkehr der tt/bj) bezeichnen, sie also mit dem Atem gleichsetzen'. Auch ihre Verortung im Blut (Gen. 9,4; Lev. 17,11)^ bzw. ihre Identifizierung mit dem Blut (Dm. 12,23) sieht die Wüj als „inhärentes, leibgebundenes Lebensprinzip"^. Daher steht twöi bzw. ψυχή zumeist fiiir „Leben", das z. B. gerettet (l.Sam. 14,11; 2.Sam. 19,6), bewahrt (Dtn. 4,9; Ps. 25,20), bedroht (l.Sam. 20,1; 23,23), vernichtet (Ez. 22,7; Ps. 26,9) werden kann"*. „Leben" meint hier das bloße Dasein; ttrüa ist als Hauchseele (Gen. 2,7) oder „Lebensseele"' neutrischer Ausdruck der Lebendigkeit, d. h. Bezeichnung der vitalen Funktionen eines Menschen'^. Ψυχή kann in dieser Bedeutung als Ausdruck des belebenden Prinzips der σάρξ, der σάρξ als etwas Lebendigem und in der Gleichordnung zu anderen ebenfalls auf begrifflicher Explikation körperlicher Funktionen beruhender „Organ' Vgl. Jacob, Anthropologie, 615; Daunenberg, Seele, 188 ^ Vgl. den Ausdruck „die tüsa ausschütten": Thr. 2,12; Ps. 42,5; l.Sam. 1,15; Hiob 30,16; deren Ausleeren: Ps. 141,8; Jes. 53,12 ^ Vgl. Dautzenberg, Seele, 189; WolfF, Anthropologie, 26; Jacob, Anthropologie, 616 ^Vgl. Dauaenberg, Seele, 189. I m N T : A p g . 20,10; 27,22; 27,10; Joh. 12,25; 13,37; 15,13; l.Joh. 3,16. Dazu Schweizer, ψ υ χ η , 635.638; Kümmel, Römer 7, 200 ' Gen. 12,13; 19,17.19.20; 32,31; dazu Stendebach, Anthropologie, 249.251; ders., Mensch, 130 ' Vgl. Stendebach, Anthropologie, 252f., der auch in einer geistigen Funktionalität aufgehen läßt.
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Seelesein - biblisch-exegetische Erwägungen
Seelen", als Bezeichnung gerade des Vergänglichen (l.Kor. 15,45a: ψυχή ζώσα) auf die Seite der σάρξ rücken und an ihrer Wertung teilhaben^, ttrüj wird dann zum „LebensstofF'®, die anthropologischen BegriflFe beschreiben in einer die menschliche Existenz horizontalisierenden Weise den Menschen in seinen verschiedenen Funktionen®. Im Zuge dieser rein funktionalen Sicht der Seele wird, ausgehend von der radikalen Diastase von n.n und tffba, ein „gewisser Materialismus" des Alten Testaments konstatiert, der den Menschen als aus Materie und unpersönlicher π η zusammengesetzt sieht, womit die J auf die Seite der Materie zu stehen kommt'«. Beim Tode kehrt dienn zu Gott zurück (Ps. 104,29; Hiob 34,l4f ; Ps. 146,4; Koh. 3,19f ; 12,7), während alles aus Staub Gemachte, also auch die u;üJ, zu Staub wird (Gen. 3,19f.)". Mit dem Leib vergehen auch dessen Funktionen, dessen Vitalität, die ttröJ stirbt'^. Es wird an späterer Stelle zu zeigen sein, daß wegen des Totalaspektes der Anthropologie und der Leibverbundenheit der Seele in der Tat vom Tod des ganzen Menschen, also auch der Seele ausgegangen werden muß. Aber es ist die Frage, ob sich wöa auf die hier dargelegte Bedeutung eingrenzen läßt. 2. Lebenserfüllung
statt Todesüberwindung
(Chr.
Barth)
Problematisch wird die in gewisser Weise berechtigte AuflFassung des Todes als „Zerstörung des Menschen", des Menschen „Ende" und „Zerfall"'' dann, wenn in bewußtem Gegensatz zur kirchlichen Lehre jegliche Möglichkeit einer Rede über ein Jenseits des Todes geleugnet, die Todesgrenze als unüberwindbar und der Tod als definitives und endgültiges Ende, als „Versinken im Nichts"''' gedeutet wird. Der Tod erscheint als notwendig mit der Materialität, mit dem Staub-Charakter des Menschen gegeben, als biologisch begründet oder als vom Schöpfer im Sinne einer „geschöpfliche[n] Ordnung" gesetzt". Der Tod ist dann nur in Einzelfällen, vor allem als vorzeitiger Tod Straffolge einer dann auch nur rein aktual verstandenen Sünde'®, aber ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Faktizität der Sünde und Faktizität des Todes ' So z. B. Kümmel, Römer 7, 26.181; vgl. Stendebach, Anthropologie, 257; Sander, Dualismus, 331; itfüJ hat die Funktion der Ernährung, ntoa die der Fortpflanzung. ' Eichrodt, Theologie, 87f. ' Vgl. Stendebach, Anthropologie, 261 So z. B. Kellermann, Oberwindung, 261.279 " So C. Barth, Errettung, 63.165 Ri. 16,30; Num.31,19; 2.Sam. 19,6; l.Kön. 19,4; Jon. 4,8; vgl. C. Barth, Errettung, 165 " C . Barth, Errettung, 54.65.181 " C . Barth, Errettung, 183; vgl. ebd., 183.186f. " C . Barth, Errettung, 54.179.181.187; vgl. Plöger,Tod, 80f.; Wächter,Tod, 199.203; Wolff, Anthropologie, 109f. Gen. 6,5-7; 18f.; Ex. 12,19f.; l.Sam. 4,17; 2.Sam. 12,18; Jer.21,6; l.Sam. 2,31f.; Hiob 22,25f.; 4,7
Die Seele als Funktion des Leibes
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als solchem wird bestritten. Dagegen ließe sich nicht nur Gen. 2 - 3 mit seiner keineswegs rein horizontalen, sondern theologisch relationalen Sicht des Menschen anfuhren, bei der der Tod als Strafe fiir die hybride Mißachtung des letzten Verfügungsrechtes Gottes verhängt wird (Gen. 2,17)'^, sondern auch Ps. 90,7: „ D e n n wir vergehen durch deinen Zorn [ηύκη], fahren plötzlich dahin durch deinen G r i m m [ ^ n n q a i ] " (vgl. V. 9)'®. Für die Thessalonicher war es keineswegs selbstverständlich,daß ein Christ - immerhin mit derselben biologischen Konstitution wie alle anderen Menschen ausgestattet stirbt''. D e m Tod gilt nicht das „Sehr gut" der Schöpfung, sondern er ist der letzte Feind (l.Kor. 15,26), eine zu überwindende und nun übervmndene Verderbensmacht. Die unbestreitbare Universalität des Todes dient Paulus zum Nachweis der Universalität der Sünde (Rom. 5,12), wie er auch im U m kehrschluß den Tod von der Sünde ableitet (Rom. 6,23). Insofern der Mensch die Sünde als das eigentliche Subjekt seines Tuns erfährt, bleibt ihm nur die Anerkennung des definitiven und vom Menschen her nicht kompensierbaren Todesurteils Gottes (Röm. 7,9f. 22-24)^°. Das Unterworfensein unter den Zusammenhang von Sünde und Tod bleibt der eine Spannungspol des je neuen dialektischen Überschrittes zur neuen, pneumagewirkten Existenz durch die Sündenvergebung (Röm. 8,1-8)^'. D a der Blick auf das Jenseits des Todes versperrt bleibt, wendet Chr. Barth sich dem Diesseits zu, dem Vorgang des Sterbens. D i e Qualität des jeweils " Man kann freilich einwenden, daß hier nicht das Sterblichwerden, sondern das faktische Sterben als Strafe angekündigt wird und dann nicht einmal sogleich eintritt. Aber auch dann wäre das Manifestwerden einer mit der leiblichen Existenz gegebenen Möglichkeit wie auch ihre Aufschiebung im Rahmen gnädiger Erhaltung ein vom eigentlichen Schöpfungsakt unterschiedener Vorgang. Vgl. Athanasius, de inc. 4: M S G 25, 103 " Dazu Kellermann, Überwindung, 265; Gese, Tod, 37; Runze, Unsterblichkeit, 283; Vriezen, Theologie, 174f " l.Thess. 4,13; vgl. l.Kor. 11,30: einige Gemeindeglieder sind vor allem aufgrund ihrer verfehlten Abendmahlspraxis gestorben. Vgl. Wilckens, Römerbrief, 2, 99f Insofern muß entgegen der seit Kümmel üblichen rein sukzessiven Verhältnisbestimmung von Röm. 7 und 8 durchaus an einer Gültigkeit der Aussagen von Röm. 7 auch für den Christen festgehalten werden. Vgl. G. Bornkamm, Ende, 69: „Er hat den Freispruch, das Sein Iv Χριστώ nicht anders als im Bekenntnis seiner Verlorenheit unter Gesetz, Sünde und Tod"; „Die Vergangenheit bleibt darum der abgründige Grund des neuen Seins in Christus" (Hervorhebung im Original). Cullmann, Unsterblichkeit, 25-28.33, verweist auch auf die Todesangst Jesu als Angst vor der Gottverlassenheit und dem Ausgeliefertsein an den Feind Gottes (Mk. 14,34.36; 15,37; Lk. 12,50; Hebr. 5,7); Plöger, Tod, 79, verschiebt die Aussagerichtung, wenn er zwar richtig annimmt, daß Gott der „Ursächer des Lebens und des Todes" sei (l.Sam. 2,6; Dtn. 32,39), aber den Tod auf das Schöpfungs-, nicht auf das Strafhandeln Gottes bezieht. In ähnliche Richtung zielt Wächter, Tod, 203, wenn er das richterliche Tun Gottes als sozusagen mythologische Verstehenshilfe zur Verdeudichung eines natürlich-immanent erklärbaren Vorgangs betrachtet: „Der Gedanke der Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind, ließ sich durch das Bild der endgültigen Verwehrung des Zugangs zum Lebensbaum aufs willkommenste verdeutlichen"
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erlebten Todes kann nicht an sich, sondern muß von der Art und Weise des individuellen Sterbens her bestimmt werden. Dabei w^ird differenziert zwischen einer positiv-natürlichen (Koh. 3 , 2 . u n d einer negativ-unnatürlichen Seite des Todes. Die Sünde macht das Sterben und damit auch den individuellen Tod, nicht den Tod an sich „schrecldich", sodaß ein „Fluch" auf diesem liegt^'. Positiv ist der Tod, wenn das Sterben „alt und lebenssatt" (Gen. 25,7f), „friedlich", nicht trostlos, entlastet, als „Entschlafen" „ohne Bitterkeit" als Weg aller Welt akzeptiert erfolgt^''. Im Hintergrund steht eine weite Fassung des Lebensbegriffes im Sinne einer positiv qualifizierten Existenz, zu der die Verfügungsgewalt über bestimmte Möglichkeiten wie „Zeit haben", Spontaneität, Gemeinschaft, Ernährung gehört, deren Anwendung der Entfaltung des Lebensträgers dienen, d. h. eine immanente Bestimmung der teleologischen Struktur der menschlichen Existenz^^ Leben heißt mehr als bloßes Dasein und kann mit den Gütern, die seine Eigentlichkeit konstituieren, in einem Mehr oder Weniger begegnen. Die Perspektive von Mk. 8,35.36f, die das ein bloßes Vorhandensein transzendierende Element gerade nicht in einem dieses zwar graduell Übertreffenden, aber im innerweltlichen Horizont Verbleibenden, also in Gesundheit, Reichtum, langem Leben u.ä., sondern im Bezug auf den handelnden Gott festmacht^®, wird abgelehnt. Das Gottesverhältnis beschränkt sich hier auf das Wissen um die Gratuität der Güter^^. Trost spendet dem Sterbenden nicht der Blick nach vorn, auf Gott als Erlöser, sondern zurück auf das von Gott dem Schöpfer ermöglichte Leben. Wenn man ein erfülltes Leben hatte, kann einem dieses nicht genommen werden, der unvermeidliche Zerfall erhält ein anderes Gewicht^'. Der böse Aspekt des Todes ist daher keineswegs sein einziger^'. ^^ Man wird nicht so ohne weiteres das Buch Kohelet zum Kronzeugen einer materialistischen Lebensauffassung machen dürfen. Hugo, Kohelet, verweist auf die durchgängige Aufforderung zur Gottesfiircht bzw. den Gerichtsgedanken {12,14; 11,9; 7,16; 8,llf.; 9,1; 3,14; 6,10; 4,17; 5,6; 7,19; 8,12; 12,13) (ebd., 403-405) und auf die Akzentuierung der Gratuität dessen, was Gegenstand des Lebensgenusses werden soll (11,9) (ebd., 406f; vgl. 407: „Darum gibt uns das gleiche Buch, weiches uns auffordert, das Leben recht zu gebrauchen, daneben die ernstesten Mahnungen, und schreibt den Genießenden ein heilsames und ergreifendes Memento mori vor die Augen (7,2-6; 12,2ff.)". Es geht insofern um „einen frommen Lebensgenuß" (ebd., 409), d.h. die Immanenz ist von ihrer Beziehung zur Transzendenz nicht ablösbar; daher kann Koh. nicht auf ein nihilistisches Todesverständnis abzielen! " C. Barth, Errettung, 182f " Vgl. l.Kön. 2 , l f 10; Gen. 23,lf.; Dm. 34; dazu WolfF, Anthropologie, 109f; Zitate bei C. Barth, Errettung, 165.184f 183.186; Haenchen, Auferstehung, 82; Schreiner, Tod, 126 » Vgl. C. Barth, Errettung, 28.22fr.; Fohrer, Geschick, 249 Vgl. Schweizer, ψυχη, 641.644.645. " V g l . C. Barth, Errettung, 36.48.71f So C. Barth, Errettung, 65.162.165; vgl. Plöger, Tod, 80; das zur Erfiillung gebrachte Leben „qualifiziert auch das Sterben und den Tod" C. Barth, Errettung, 58.60
Die Seele als Funktion des Leibes
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Leben und Tod, beide weit gefaßt, letzterer hinsichtlich seiner negativen Seite, verhalten sich umgekehrt proportional. Der Tod muß in seinem räumlich-dynamischen Charakter gesehen werden, in seinem ständigen „über-dieUfer-treten"'°; wo immer der Tod regiert, manifestiert sich das Totenreich, und wo immer einem in Einschränkung oder Verlust des das Leben Ausmachenden Todesnähe begegnet, erfährt man schon die ganze Todeswirklichkeit''. Der Genesene, der einer Verfolgung durch Feinde Enthobene ist als ein aus der machtvoll vordringenden Todessphäre Befreiter wieder dazu in die Lage versetzt, sein Leben zu erfüllen - und damit am Ende eines so gelebten Lebens nur mit dem positiven Aspekt des Todes konfrontiert zu werden'^ Die Aussagen noch Lebender über ihre Rettung aus der Scheol, aus dem Tod'' sind demgegenüber sicher nicht nur hyperbolisch oder bildlich oder in Bezug auf eine Todesgefahr^^, sondern real gemeint (Hiob 33, 29f). Auferstehung meint im Alten Testament zumeist den Übergang von einem reduzierten zu einem erfüllten Lebensstatus'^. Aber muß nicht der Gott, dem fur sein helfendes Handeln gedankt wird, nicht auch den Ubergang von der partiellen zur totalen Errettungswirklichkeit herbeiführen? Und vor allem - muß in der Zeit Dost resurrectionem Christi um der Wahrung materialistischer Prämissen wilen eine bestimmte, nicht zu leugnende - aber eben nur eine - Linie alttestamentlicher Aussagen über den Tod zum für die Gegenwart relevanten Modell eines hermeneutischen Unternehmens gemacht werden, bei dem es um die rechte „Einstellung zum Tod" und um seine innersubjektive, im Bewußtsein stattfindende Bewältigung, nicht aber um seine objektiv, extra nos gesetzte Überwindung geht"'? Immerhin besteht die Gefahr, daß die Betonung des wie zu zeigen sein wird - keineswegs so eindeutigen innerweltlichen Charakters des Alten Testaments als Aufforderung zu einer hedonistischen Lebenspraxis im Sinne des „Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!" (Jes. 22,13; l.Kor. 15,32) verstanden wird!
« C . Barth, Errettung, 52.68.89 C . Barth, Errettung, 52.54f.58.100.116f.; vgl. Haenchen, Auferstehung, 75 Vgl. Barth, Errettung, 146 ' ' Z. B. Jon. 2,ЗАГ.; Hiob 33,21.28ffi; Ps. 9,13; 16,9fF.; 18,5.18.38f. ^ Vgl. C. Barth, Errettung, llff.; Dubarle, Erwartung. 687; Kraus, Leben, 39f.; Wolff, 103; Fohrer, Geschick, 260 Vgl. Haenchen, Auferstehung, 73 Vgl. Henry, Tod, 2; Plöger, Tod, 77; Schunack, Problem, 10; Schreiner, Tod, 117: „Wer vorn Tod spricht, redet zugleich auch vom Menschen - vom Menschen, der den Tod zu begreifen und zu bewältigen sucht"
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II. Die Seele als Mittel der ontischen Vertikalisierung der menschlichen Existenz (F. Heidler) 1. Die Seele als das doppelseitige Mittlere im Menschen In bewußter Frontstellung gegen die oben dargelegte materialistische Auffassung der Seele'^ wird von Fritz Heidler der entgegengesetzte Ausgangspunkt fur die Bestimmung dessen, was „Seele" heißt, gewählt, tt^bj wird nicht vom Leib, sondern von der mit dem Lebensodem (rtö^j) identifizierten m i Jahwes^® her gesehen. Während auch die Tiere als Π'Π и^ЬЗ bezeichnet werden (Gen. 1,20; 2,19), wird nur dem Menschen die ПИВ7Л eingehaucht''. Der Geist ist als ein „ontisches Existential des Menschen" das Besondere, das Plus des Menschen gegenüber den Tieren, die differentia specifica^". Der im Menschen als geschaffenes Element, als „spiritus creatus""" vorfmdliche Geist wird nicht als ein in sich ruhender, sondern als ein des beständigen Erhaltungshandelns Gottes bedürftiger gedacht''^. Der Akzent liegt allerdings auf dem anfänglichen Gesetztsein, nicht auf der Fortführung des rein kreatorisch gedachten Handelns Gottes am Geist. Der Geist des Menschen wird zwar erst bedeutsam, „wenn und sofern" der Heilige Geist Gottes wirkt und ihn aktualisiert"*', aber doch setzt dies eine der Einwirkung des Gottesgeistes vorgängige und im Sinne einer ,Antenne", eines Ansatzpunktes auch gleichzeitige „Eigenexistenz" des menschlichen Geistes als zuhandene, greifbare „seinsmäßige Disposition zu einem erneuerten Leben mit Gott" als „Habitus" und „Seinselement" voraus"''*. Der Mensch wird nicht als zeitweilig belebter Staub betrachtet, sondern als unwiderruflich, weil kreatorisch in eine Beziehung zu Gott gesetzt. Jedoch wird die als solche zu Recht betonte Vertikaldimension der Anthropologie wegen ihrer ontischen Fassung um einen hohen Preis erkauft. Die Ablehnung einer geschichtlichen Auffassung des menschlichen Geistes als je Heidler, Lehre, 5.22.189 Synonymer Gebrauch beider Vokabeln: Hieb 27,3; Jes. 42,5; 57,16; vgl. Dtn. 20,16/ Sach.12,1; l.Kön. 17,17/Ps. 104,29; Gen. 6,17; 7,15: М"п п п / Gen. 7,22: »ип π η пми>а; vgl. 2.Sam. 22,16; dazu Heidler, Lehre, 44. Eine gewisse Tendenz in diese Richtung läßt sich auch bei V. Rad, Genesis, 53, feststellen, wenn er von einer Personifizierung und Individualisierung der göttlichen Lebenspotenz spricht. Heidler, Lehre, 14. Heidler, ebd., 45f., sieht Gen. 6,17; 7,15.22, in denen auch den Tieren der Lebensodem zugeschrieben wird, als Pauschalformeln, die anders als Gen. 2,7 keine Konstitutionsdefmition beabsichtigen. « Heidler, Lehre, 25.29.36f.48 "" Heidler, Lehre, 33, unter Berufung auf Luther « Heidler, Lehre, 33.37.66 « Heidler, Lehre, 38f. "" Heidler, Lehre, 3 8 f 5 4 . 4 4 („Zueignung").39.44; Gebrauch des Partizip Präsens: die geschöpfliche Existenz, „als der und in der seiend er auch nur geistlich leben kann" (47)
Die ontische Vertikalisierung menschlicher Existenz
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neu durch Gottes Zuwendung gesetzte und zu setzende Größe, als einer „Nabelschnurexistenz" und die gegenüber solcher „Halbschöpfung" betont optimistische und daher tendenziell synergistische Protologie sieht den Menschen als aufgrund seines Geistbesitzes „persönliches, partnerschaftliches Gott-Gegenüber"''^ Die Sünde wird in ihrer Macht nicht genügend ernstgenommen, wenn infolge einer Differenzierung zwischen imago und similitudo Dei die imago als im Geist begründete, auch post lapsum, wenn auch pervertiert, in der Weise eines character indelebilis als „Rest" der Gottesebenbildlichkeit wirkende Konstante des Menschseins erscheint"*^. Ansprechbarkeit durch Gott als Wesensbestimmung der relationalen Struktur des Menschseins wird nicht aktuell durch jeweils neues faktisches Angesprochenwerden, sondern dispositionell als Besitz des Geistes, der „Stelle in uns, zu der Gott sprechen kann", verstanden''^. Die Menschen sind aufgrund ihres Geistbesitzes göttlichen Geschlechts (Apg. 17,29)"'®, ja das Gegenüber Gottes wird in das Intra des Menschen hineingenommen, wenn vom Geist als dem „tertium divinum" oder einem Göttlichen „im Menschen" gesprochen wird"". Die Bestimmung, die dem Menschen von Gott her zuteil wird, Gegenstand und Gegenüber des Heilplanes Gottes zu sein, ist dann nicht mehr das Spezifikum der menschlichen Existenz, sondern nur notwendige Folge des bereits protologisch gesetzten Verhältnisses zwischen Gott und Mensch'«. „Geist" ist nicht ratio oder intellectus, also Funktion der Seele; der Geist ist nicht von der Seele her, sondern die Seele vom Geist her zu bestimmen". Richtig ist, daß von tt/^J in Gen. 2,7 erst aufgrund des Geisteswirkens die Rede ist und der Geist nicht in der Seele aufgehen darf Aber das Moment der Unverfügbarkeit des Geistes, das beständige Verwiesensein aus sich heraus auf den Geist hin geht durch die anthropologisch-ontische Fassung des Geistes verloren. Die Beseelung des Menschen erscheint als Folge der Begeistung; die Seele trägt mit dem Geist unvergängliche, weil göttliche Lebenskraft in sich". Die Seele ist „Geistseele" wegen des enhypostasierenden
Heidler, Lehre, 47.52; 47; 4 4 Heidler, Lehre, 97; 15.12.37.39.69.87.90.91f. Heidler, Lehre, 59; 3 4 . 6 5 . 1 9 0 « Heidler, Lehre, 6 2 Heidler, Lehre, 62;92; Cremer, Geist Me., 457. Insofern dürfte die von Heidler, ebd., 49, monierte Angst seiner Gegner vor einer Vermischung von menschlicher und göttlicher Existenz nicht ganz unberechtigt sein. Die „Konstitution" des Menschen ist der „Ermöglichungsgrund dafür, daß es jene Bestimmung für sein Leben" („Destinationsdefinition") im Unterschied zu dem der Tiere überhaupt gibt und geben kann". Heidler, Lehre, 14. Zur Ablehnung des Ansatzes bei dem als „Destination" Bezeichneten bei K. Barth: Heidler, ebd., 5.50fF.186 Heidler, ebd., 24f.30 " Ebd..40f
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Seelesein - biblisch-exegetische Erwägungen
Geistes". Das, was Ergebnis des Vorgangs der Einhauchung des Odems in den geformten Menschen ist, also gerade den Leib mit einschließt (Gen. wird in ein Gegenüber zum Leib gebracht; statt vom Menschen als lebendiger Seele ist von der „Seele des Menschen" die Rede". Der Geist wird zu einem die Seele in einer bestimmten Weise qualifizierenden Strukturelement, gilt aber nicht wie in Gen. 2,7 dem ипк. Nicht in der Seele als solcher, als einer an sich in einer bestimmten Weise strukturierten Größe, sondern in der Inhärenz des Geistes in ihr liegt der besondere Charakter des Menschen^·^. Auch die Tiere haben ja Seelen. Die Seele ist nicht immer schon auf Gott bezogen, sondern neutral, eingespannt zwischen dem Leib als EinfaJIstor des Fleisches und dem menschlichen Geist als Einfallstor des göttlichen Geistes^^. „Seele" gehört abgesehen vom Geist primär zum Irdischen als dessen „Leben"'®. Sie belebt und durchdringt, obwohl selbst nicht Materie, die Materie, steht damit aber in einem Gegenüber zur Materie". Bei der menschlichen Seele muß von einer Doppelseitigkeit und Dialektik hinsichtlich des Todes ausgegangen werden. Wenn die Seele, wie an einigen Stellen des Alten Testaments gesagt, stirbt, so ist „die gestalthafte Seite der Seele" tot, die eigentliche Geistseele aber um der Inhärenz des unvergänglichen Geistes willen lebendig®. Franz Delitzsch kann in ähnlicher Weise die Seele „das den Geist und den Leib vermittelnde doppelseitige Mitdere im Menschen" nennen^'. Die Seele erscheint als das zweite Glied im Rahmen einer dreigliedrigen Ordnung, innerhalb derer der Geist das „oberste Princip", die Seele als „incarnirte Geistesdoxa" „das nach der Seite der Leiblichkeit hin emanirte secundäre Princip" ist''^. Der Leib soll als Gegenstand einer durch die Seele in ihrer Brückenfiinktion vermittelten geistigen Durchwirkung zum Widerschein der geistesbildlichen Seele werden^^. " Ebd., 41.190 Gen. 2,7: nm ttiüj·? т к п мпп riMtoJ i'bna ns'i n m ^ n ' i » чь» »зчкп п»« уз^п"?« m m WI1. Zur Akzentuierung der Begriffe auch: Westermann, Leib, 167 « Heidler, Lehre, 42 Vgl. Heidler, Lehre, 54f. ' ' Die Seele ist zwischen die „beiden geradezu konträren Existentiale des Menschen (Geist und Materie) eingeordnet" (Heidler, Lehre, 71; vgl. ebd., 82f.) Heidler, Lehre, 92 Heidler, Lehre, 74 " Heidler, Lehre, 74.78. Vgl. ebd., 74: „Seele im Blick auf einen toten Menschenkörper meint die rein körperhaft-materielle Seingestalt aber ohne Seele: d.h. die Menschenleiche liegt da, die reine Form der Seele, der ,Erdenkloß' ohne den eingehauchten Lebensodem (Gen. 2,7), ohne die Geist-Seele, unbelebte Materie" (Hervorhebungen im Original) Delitzsch, Psychologie, 153. Auch Le Seur, Zukunft, 37, geht von der Möglichkeit eines Unten und Oben für die Seele aus. Allerdings erscheinen diese eher als ethische denn als ontische Bezugsgrößen, insofern sich die Seele nach unten binden oder nach oben offen leben kann. Delitzsch, Psychologie, 175.219.175 " Delitzsch, Psychologie, 2 2 2 f 2 2 5
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Bei Hermann Cremer wird die dialektische Betrachtung der Seele noch weiter ausgeführt. Die Seele setzt sich zusammen aus dem, was ihr vom Geist und was ihr vom leiblichen Organismus her, innerhalb dessen sie gewirkt wird, eignet und zukommt". Der Geist ist nicht etwas Besonderes neben der Seele im Menschen, sondern ihr immanent als „Teil ihrer selbst, ihr selbst angehörig"®^ Die Seele ist zwar nicht selbst die Lebenskraft, der Geist, aber auch nicht zwischen zwei Polen - sozusagen in Aquidistanz - eingespannt. Sie hat die Lebenskraft nicht außer sich, sondern in sich*^. Während zwischen geistig qualifizierter Seele und Leib geschieden werden muß, kann zwischen Geist und Seele nur unterschieden werden, insofern der Geist der Odem als Bedingung, das Wirkende, die Seele aber der Odem als Erscheinung, das Seiende ist^^. Der Geist stirbt nicht, die Seele aber stirbt und stirbt zugleich nicht, weil sie den Geist in sich trägt*^'. Eine besondere Nähe von Geist und Seele ergibt sich bei Cremer schon daraus, daß von der beiden gemeinsamen Grundbedeutung „Odem/Hauch" ausgegangen wird®.
2. Die Geistseele als Garant der Personidentität Der Geist ist nicht nur menschliches Spezifikum, sondern auch Konstitutiv des Ich, der Person, der Identität; die menschliche Person ist geistgebunden^®. Will man nicht von einem sozusagen additiven Hinzutreten des Personseins zum Menschsein aufgrund des Geistbesitzes ausgehen, so muß man zwischen äußerem und innerem, eigentlichem Menschen diflFerenzieren. Der innere Mensch wird als der gesehen, der in Distanz vom Leib als des äußeren Menschen sprechen (2.Kor. 4,16), sich selber zusehen (l.Kor. 13,3) und außer dem Leibe, daheim beim Herrn sein kann (2.Kor. 5,Ifif.; Phil. 1,23)^'. Die Ganzheidichkeit des Menschen wird nicht im Sinne eines perspektivischen Denkens, sondern als gleichzeitiges Vorhandensein aller drei trichotomischen Konstitutionselemente gedeutet. Diese werden dabei nicht einfach nebeneinandergestellt, sondern zugleich einer Hierarchisierung unterworfen, bei der im Sinne eines Schichtenmodells der Geist als innerster Kern des inneren Menschen erscheint^^. Die Aussagen nehmen ihren Ausgangspunkt nicht bei der Größe Mensch, von der in einer bestimmten Hinsicht dieses oder jenes gilt, sondern bei den abgrenzbaren Teilen, die „im" oder „am"
" Cremer, Seele, 128 " Cremer, Geist Me., 453; ders., Geist heilig., 444 Cremer, Geist Me., 453.456 Cremer, Geist Me., 451 Cremer, Seele, 130; ders., Jenseits, 31 f. " Cremer, Wörterbuch, 949f.; ders., Geist Me., 451 ™ Heidler, Lehre, 65.60 " Heidler, Lehre, 22f.24 " Heidler, Lehre, 54f.26; ebd., 84: „Dreischichtigkeit"
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Menschen vorgeflmden werden können^^. Der Leib wird als Hütte gesehen (2.Petr. l,13f.), mit der das eigentliche Ich des Menschen allenfalls akzidentell und zeitweilig etwas zu tun hat^^. Sterben heißt „aus dem Leib gehen, um bei Christus im Leben zu sein ..."; der Tod ist Trennung des inneren vom äußeren Menschen^^ Damit wird die Dialektik von Tod und Unsterblichkeit aufgehoben und in einen Dualismus überführt, aufgrund dessen Sünde^^ und Tod^^ dem Leib zugewiesen, die Unsterblichkeit hingegen der Geistseele zugesprochen wird. Die biblische Aussage über das Sterben der Seele wird als Umschreibung fiir ihr Ausgehen vom Körper betrachtet^®. Eine Aufteilung des Ich auf den im Staub versinkenden Körper und die als unsterbliche zu Gott zurückkehrende Seele wird vermieden, weil das Ich allein an die Geistseele gebunden ist^'. Richtig erkannt ist bei diesem Ansatz das Kontinuitätsproblem. Die Gestorbenen sind nach dem Tod Existierende, nicht nur einst Gewesene'". Die Väter des Alten Testaments sind Personen (Lk. 13,28; Mt. 8,11; Mk. 9,4)®'. Aber Heidler kann dies wegen seiner ontischen Fassung der Personalität nur mit Hilfe eines dualistischen Denkmodells zum Ausdruck bringen®^.
3. Additive oder dynamische Sicht der Auferstehung? Heidler legt alles Gewicht auf eine Unterscheidung von Protologie und Soteriologie unter Betonung der ersteren und eine dem korrespondierende Gegenüberstellung des spiritus vivificans und spiritus salvificans®^. Die FortexiZu „im"/„in": Heidler, Lehre, 22.26.36.44.59 (Pneuma als die „Stelle in uns, zu der Gott sprechen kann", nach Le Seur): der Leib als eine „Seite" der menschlichen Existenz (79), als das „Materielle an uns ..." (144) ' " V g l . Heidler, Lehre, 109.155.172f. Heidler, Lehre, 22.99.98 ' ' Ebd., 23f.: der äußere Mensch ist der Leib, „der post lapsum nur mit der ihm inhärenten gottwidrigen sündigen Dynamis zusammen gesehen werden kann" (Rom. 7,23f.) " Ebd., 189: „die Person des Gestorbenen nicht mehr mit diesem Leichnam ... identisch" Ebd., 103 " Ebd., 103 gegenüber Thielickes Bedenken. Das Problem des wesensmäßigen Leibbezuges der Seele, wie er mit der Erkennbarkeit der Seelen der Verstorbenen gegeben ist (Apk.6,9; 20,4), will Heidler durch eine nachträglich eingeführte Differenzierung der Leiblichkeit lösen: der untere materielle Teil des Leibes, der eigendiche Leib also, vergeht, der obere belebende Teil, der wohl mit der gestalthaften Seite der Seele gleichgesetzt wird, bleibt: so ebd., 160f. Ebd., 155 " Ebd., 155.158; vgl ebd., 141f. Etwa unter Zugrundelegung des platonisierend ausgelegten Textes 2.Petr. 1,13f.: dieselbe Person, dasselbe Ich verläßt die Leibeshütte und ist vorher und nachher vorhanden (ebd., 22). Bezeichnenderweise reduziert Heidler, ebd., 41.74.25, um seine eigene Nähe zu Piaton zu verdecken, die griechische Seelenlehre auf die Vorstellung einer übernatürlichen Allseele, in die die individuelle Seele aufgenommen wird. " Heidler, Lehre, 50f.
D i e ontische Vertikalisierung menschlicher Existenz
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Stenz als solche ist kreatorische, weil mit der Inhärenz des Geistes in der menschlichen Seele gegebene Setzung®''. Zwar kann Heidler sicherlich die Personidentität in der Auferstehung begründen®^ aber es kann keineswegs von einer gelungenen Verbindung von Unsterblichkeit und Auferstehung die Rede sein. Die Auferstehung dient der Wiederherstellung der als Addition von Teilen gedachten Ganzheitlichkeit des Menschen"'; der neue Leib wird dem als Geistseele post mortem existierenden Menschen „beigelegt"; er soll „auch einen neuen Leib erhalten"®^. Es wird nicht deudich, inwiefern die leibliche Auferstehung als soteriologischer Akt mit dem Heil gleichgesetzt werden muß, nachdem doch schon mit dem Zeitpunkt des Todes eine Scheidung der Geister und ihre Zuweisung zu bestimmten Zuständen erfolgt ist'®. Hier wird nicht nur die doch tatsächlich rein quantitative Bedeutung der Auferstehung mit qualitativer Begrifflichkeit expliziert, sondern auch die doppelte Auferstehung geleugnet®'. Es ist auch die Frage, ob der erste und zweite Artikel tatsächlich nur in einer antithetischen Weise bzw. in einem Nacheinander gesehen werden können und nicht vielmehr gewisse konvergierende Linien anzunehmen sind. Die Fortexistenz des Menschen post lapsum und daher auch post mortem verdankt sich keineswegs einer linear die Schöpfung weiterfuhrenden creatio continua, sondern ist Erhaltung inmitten der Gerichtsverfallenheit, also Gnade (Gen. 3,21; 4,15; 8,21f.; 9,11; 1 1 , 1 - 9 neben 12,1-3). Zudem handelt Gott, der Erlöser, auch in schöpferischer Weise (2.Kor. 5,17; l.Kor. 15,381Τ.)'°. Es ist zu fragen, ob Heidlers Lehre die Aussage von Gen. 1 - 2 , „aber auch der ganzen Heiligen Schrift"" wiedergibt oder nicht vielmehr ein dualistisch gelesener Vers Gen. 2,7 in die übrige Schrift eingetragen und ihr übergeordnet wird. Ansätze zu einer Korrektur der Heidlerschen Position sind in Konzeptionen zu erkennen, die an sich von ihrem Grundgedanken her in eine ähnliche Richtung zielen. So kann zwar auch der römische Katholik Ernst Haag von Ebd., 107f. Ebd., 146; vgl. ebd., 190f. Ebd., 119; vgl. ebd., 157 Ebd., 145 (vgl. ebd., 147). 157 (Hervorhebung vom Verfasser) »» Ebd., 148.165.166 " Ebd., 148. Dies ist die negative Kehrseite der Reduktion der Personalität auf den geistseelischen Innenbereich des Menschen: die Verantwortung und die StrafiFolgen der Abwendung von Gott hat der Gottlose als Person voll zu tragen - dazu bedarf es aber keines Leibes, also auch keiner Auferstehung im Sinne einer Hinzufiiigung des Leibes zur Person! Heidler, ebd., 56, übersieht, daß Ez. 37,lfiF. zwar in der Tat als Parallele zu Gen. 2,7 zu verstehen ist, aber eben nicht als Variante der Schöpfungserzählung, sondern als Vision eines sich in neuschöpferischer Weise vollziehenden Geschichtshandelns Gottes an seinem Volk zu betrachten ist. Zudem ist die Kontinuität der Identität der Gestorbenen in Ez. 37 gerade nicht durch ihre Geistseele, sondern durch die Totengebeine gegeben! " Ebd., 42
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einer gleichsam habituellen Struktur des Menschen, einer schöpfungsmäßigen Voraussetzung und einem Anknüpfungspunkt fur Gottes Heilshandeln sprechen'^. Aber Garant der geschöpflichen Identität ist nicht eine Geistseele, sondern die „Geistnatur" des Menschen'^. Die ganzheidiche Perspektive der Anthropologie bleibt auch gewahrt, wenn die Seele als Bezeichnung des Menschen in seinem für ihn wesenhaften Gottesbezug bzw. der Person des Menschen unter Hervorhebung des in ihrer Geistnatur gründenden Gottesbezuges definiert wird'''. Die Belebung durch den Geist zielt nicht auf die Mitteilung eines Lebenselementes an sich ab, sondern dient der „Befähigung des Menschen zu einer Führungsgeschichte mit Gott"'^ Schöpfung und Erlösung, Ur- und Heilsgeschichte müssen zusammengesehen werden'^: von Anfang an ist der auf Gott hin geöffnete Mensch Gegenstand einer Führung durch Gott, die auf die Vollendung der Gottesgemeinschaft durch die endgültige Manifestation der Gottesherrschaft abzielt'^. Eine Differenzierung zwischen Schöpfimgs- und Erlösungsgeist ist nicht möglich. Vielmehr garantiert die Belebung durch den einen Geist, d. h. garantiert Christus als der die Schöpfertätigkeit tragende (Gen. 1,2) und die Heilsgeschichte bewegende (Röm. 6,34; l.Sam. 16,13; Jes. 31,3; Ez. 36,27; 37,14) Geist Gottes (l.Kor. 15,45) die Kontinuität der Heilsführung Gottes'®. Die Unsterblichkeit ist nicht an sich gegeben, etwa wegen einer reinen Geistigkeit der Seele, sondern ist Ziel des die Gottesrelation vollendenden Handelns Gottes am Menschen. Der Mensch ist auf eine relational, als fortwährende Gemeinschaft mit Gott, definierte Unsterblichkeit ausgerichtet^^. Die Auferstehung tritt nicht quasi additiv-akzidentell zu einer kreatorisch gesetzten Unsterblichkeit hinzu, sondern ist als das letztliche „Wie der Vollendung", als unverzichtbares Ziel, ja Inhalt in die von der Schöpfung an in Gang gesetzte Dynamik des Handelns Gottes eingebunden'"". Haag, Seele, 43.44.45.88 " Ebd., 33f.88; 59f.92 Ebd., 92f.89 Ebd., 44 Ebd., 81 " So stehen die Zuweisung des Paradiesgartens (Gen. 2,15) und die Auferstehung als Versetzung in den Lebensraum der über den Tod triumphierenden Königsherrschaft Gottes zueinander parallel. Ebd., 33.82.90f. " Ebd., 81.82. Ez. 37,lfF. wird richtig als Wirksamwerden der Schöpfermacht Gottes zur Vollendung seiner heilsgeschichtlichen Planung, als Abschluß der Führungsgeschichte Jahwes mit seinem Volk gesehen: ebd., 64.66. Bezeichnend für die zutreffende konvergierende Sicht ist z. B. auch der Ausdruck: „Offenbarung der Schöpfer- und Erlösermacht Gottes in der Auferstehung der Toten" (ebd., 61). Zu Recht betont Haag auch die Gnadenhaftigkeit des Weiterbestehens des Menschen allgemein und des geschöpflichen Habitus im besonderen: ebd., 43.45; vgl. 92 " Vgl. Haag, ebd., 92f "" Vgl. dazu ebd., 71.73 (die Auferstehung als „Eröffnung des Weges oder Zugangs zum Endheil")
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Anstöße in die richtige Richtung gibt auch Hermann Cremer. Zwar ist auch fiir ihn der der Seele immanente Geist der „Punkt, wo Gott und die Kreatur sich berühren"; zwar kann auch er sogar vom Geist als dem Göttlichen „im Menschen" reden"". Aber daneben tritt eine andere Aussagelinie: der Geist des Menschen stammt von Gott und bindet zugleich an Gott'°^. Gott wird nun doch nicht einfach als solcher in den Innenbereich des Menschen hineingenommen, sondern tritt ihm als der ihn Beanspruchende gegenüber. Der Geist des Menschen ist der internalisierte Anspruch Gottes; seine Unverfügbarkeit wird angedeutet. Sünde als Widerstreben gegen den mit d e r n n gesetzten Anspruch Gottes"" führt zu einer Diastase von wöS und n n : der Geist wird zum richtenden Gesetz im Sinne des usus theologicus legis, die Seele zum zwiespältigen ένώ'°''. Entscheidend ist die sich hier andeutende nichtontische Bedeutung des Geistes"'^
III. Die Unsterblichkeit des Menschen als „Seele" 1. „Mensch als Seele" statt „Seele des Menschen" In der Heiligen Schrift berühren sich Bedeutungsgehalt und Gebrauch der anthropologischen Begriffe in vielfältiger Weise, и/йл und Titra können nicht nur unterschieden""', sondern auch parallel gebraucht werden'"^. Es gibt nichts, was nicht seinen leiblich-sinnlichen Ausdruck fände: so spiegeln sich im Angesicht die Affekte wider'"', das Auge gilt als Organ der Erkenntnis""; Erregungen und Bewegungen des innersten Lebens treten in den Augen hervor"". Geduld und Ungeduld können in Analogie zu körperlichen Bewegungsvorgängen als Kurzwerden (lïp) oder Langmachen (τικ) der tt7öa bezeichnet werden"'. Mut und Angst vollziehen sich in bestimmten Bewe-
"" Cremer, Geist Me., 451.457; ders., Geist heilig., 444 Cremer, Geist Me., 451; vgl. ders., Geist heilig., 444 "" Cremer, Seele, 130.131; ders., Geist Me., 453; ders., Jenseits, 30f. Vgl. Cremer, Geist Me., 457; ders., Jenseits, 30f. Auf das anfängliche Zögern Cremers, überhaupt von einem menschlichen Geist zu sprechen (ders., Geist Me., 452), sei hingewiesen Z . B. Gen. 9,4-6; Lev. 17,11-14; Dtn. 12,23-25; vgl. Dautzenberg, Ψ υ χ η , 28 Ζ . В. Ps. 84,3; 63,2; 16,9ί; Hiob 14,22; 21,6; Prv. 4,22; vgl. Haenchen, Auferstehung, 75f.; Dubarle, Erwartung, 687-691; Jacob, Anthropologie, 619 Gen. 4 , 5 f : Zorn; 31,21: Willensentschluß; 33,1: Erbarmen; 19,21: eine Bitte u.a.; vgl. dazu Stendebach, Anthropologie, 262f "" Gen. 3,5.7; 16,6; 19,8 "" Z . B. Gunst in jemandes Auge: Gen. 6,8; 18,3; 19,19; 30,27; 32,6 u.a.; Wohlwollen und Verachten: Gen. 16,4f.; 19,14; sexuelle Begierde: Gen. 39,7. Dazu Stendebach, Anthropologie, 2 6 3 - 2 6 6 N u m . 21,4; Ri. 16,16; Hiob 6,11. Dazu Wolff, Anthropologie, 25f
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gungen des Herzens (aa^)"^. Geistig-seelische Vorgänge werden häufig in einem Körperteil lokalisiert"'. Sowohl tffbj"''als auch Titra"^ können das Personalpronomen vertreten. Aber auch von «7ûJ und n n wird Analoges ausgesagt: auch die ПП kann kurz werden (nïp)"^; sie bezeichnet Gemütseinstellungen ПП und ttfül werden lebendig (Gen. 45,27/Ps. 119,175), kehren zurück (l.Sam. 30,12/ l.Kön. 17,21f.), entweichen (Ps. 146,4/Gen. 35,18), verschmachten (Ps. 77,4/Ps. 107,5), werden befreit (Ps. 31,6/2.Sam. 4 , 9 ) " l Die Abgeschiedenen können als ψ υ χ α ι (Apk. 6,9; 20,4) und als ττνευματα (l.Petr. 3,19; Hebr. 12,23) bezeichnet werden. Geist (Joh. 19,30; Mt. 27,50) und Seele (Apg. 15,26) können hingegeben werden. Das Sterben kann mit έκψύχειν (Apg. 5,5.10; 12,23) und έκττνέειν (Mk. 15,37.39; Lk. 23,46) umschrieben werden"'. Psychologie kann nur als Psychophysik betrieben werden; Seele und Leib können weder voneinander noch gegenüber dem Geist isoliert werden. Die anthropologischen Begriffe dürfen zunächst nicht analytisch auseinandergenommen, sondern müssen synthetisch zusammengedacht werden'^®. Sie stehen „synekdochisch" für den Menschen, sind gleichsam nach oben, zur Ganzheit des Menschen hin, ofïen'^'. Der gemeinsame Reflexionsgegenstand, der Mensch, führt zu einer gewissen Stereometrie, d. h. Synonymität'^^. Die in vielen Belegen begegnende Austauschbarkeit im Gebrauch bedeutet aber nicht Beliebigkeit und Ununterscheidbarkeit, sondern impliziert eine bestimmte Aussagerichtung, Hinsicht, Perspekive, unter der die Größe Mensch betrachtet wird'^'. Keiner dieser Begriffe meint einen Besitz des Menschen, der mit einem Teil seiner selbst identisch wäre oder zu dem er in eine Distanz Zittern: Jes. 7,2; Weichwerden; Jes. 7,4; Dtn. 20,8; Zerfließen: Dtn. 20,8; Herausgehen: Gen. 42,28; vgl. Ps. 40,13; Pochen: Ps. 38,11 Dtn. 8,5: Erkenntnis im Herzen; Dtn. 6,6: Gedächtnis im Herzen; Jes. 42,25: sich eine Kriegsnot zu Herzen nehmen; Prv. 16,9: Planen im Herzen; Ps. 20,5: Begehren im Herzen; Ps. 16,7; Jer. 12,2: Nieren als Sitz des Gewissens; Ps. 16,9: Freude von Herz, „Seele" und Leib (ähnlich Ps. 84,3); Prv. 14,37: Einsicht hat Ort im Inneren, in den Eingeweiden des Menschen. Dazu WolfF, Anthropologie, 47fF. Z. B. Gen. 19,19f.; l.Kön. 20,32; Ps. 54,6; Gen. 27,4 Z. B. Prv. 4,22; Ps. 119,120; vgl. -itoa-ija: Jes. 40,5.6; 49,26b; Ps. 145,21; 136,25; dazu WolflF, Anthropologie, 30f.35f. Prv. 14,29: als Ausdruck für den Jähzorn Koh.7,8: Geduld bzw. Hochmut; Prv. 18,14: Mut; l.Kön. 21,5: Mißmutigkeit. Dazu WolfF, Anthropologie, 43f. Dazu Cremer, Geist Me., 451 Dazu Delitzsch, Psychologie, 400; vgl. Dautzenberg, Ψυχη, 26; WolfF, Anthropologie, 40 Vgl. Krieg, Leiblichkeit, 13 Vgl. Dautzenberg, Ψυχη, 20.28; Krieg, Leiblichkeit, 13 Vgl. WolfF, Anthropologie, 17f. So unterscheidet z. B. WolfF: Tii73 - der hinfällige Mensch; m i - der ermächtigte Mensch; a^ - der vernünftige Mensch; zu (tfbJ s.u.; ders., Anthropologie, 19fF33fF.39fF.47fF.
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treten könnte, nicht etwas, was man haben oder nicht haben kann, sondern, was man ist, ein Sein-als'". Daher kann auch nicht von Teilen des Menschen, etwa von der Seele oder dem Leib des Menschen, gesprochen und diese dualistisch oder trichotomisch gegeneinander ausgespielt oder voneinander abgegrenzt werden. Scheinbar dualistische Aussagen der Heiligen Schrift müssen vom Gesamtkontext her im Sinne des Totalaspektes der Anthropologie gelesen werden. Σαρξ/ntoa kann in einen ethischen, aber nicht ontischen Gegensatz zu ττνευμα/πη treten, insofern es, obwohl Ausdruck der Hinfälligkeit und Schwachheit, zum falschen Orientierungspunkt, d. h. zum Anlaß des Selbststatt des Gottvertrauens werden kann'^'. Jes. 10,18 (τί£73'ПУ1 ttrajö) meint, synthetisch, nicht antithetisch gelesen, die vollständige Vernichtung Assurs durch die Vernichtung der beiden Pole, um die das Leben kreist'^^. In l.Petr. 2,11 werden die ψυχή und die σαρκικαί έπιθυμίαι einander entgegengesetzt, aber die ψυχή rückt als Bezeichnung dessen, der zwar noch in der irdischen Sphäre lebend doch schon im Himmel zu Hause und vom ΐτνεϋμα bestimmt ist, in die Position des ΐτνεΟμα (vgl. Gal. 5,17)'".
2. Menschliche Existenz als Sein im Außenbezug Menschsein ist nicht nur bloßes Dasein, geht auch nicht auf im Besitz und Gebrauch eines Maximums irdischer Güter, sondern ist Existenz, d. h. besteht von einem anderen her (ex), befindet sich in einem „Gegenüberstand"'^'. Der Mensch ist als Geschöpf Gottes allen innerweltlichen HerleiSo z. B. pointiert Bultmann, Theologie, 195: „... das σωμα nicht etwas dem eigentlichen Ich des Menschen (etwa seiner Seele) äußerlich Anhaftendes ist, sondern wesenhaft zu diesem gehört, so daß man sagen kann: der Mensch hat nicht ein σωμα, sondern er ist σωμα" (Hervorhebungen im Original) Z. B. Jes. 31,3; Rom. 8,5-8: σαρξ und ττνεύμα als zwei sich ausschließende Mächte; vgl. Jer. \7,bñ.·, 2.Chr. 32,8. Wenn σωμα und σαρξ gelegentlich parallel gebraucht werden (2.Kor. 4,11/Röm. 8,13; Gal. 5,16f.24f./Röm. 6,12), so sind doch nicht σωμα als der Mensch selbst und σαρξ als transzendente Macht identisch. Andernfalls könnte kaum der Leib der Ort der Offenbarung des Lebens Jesu genannt werden (2.Kor. 4,10), als Wohnstätte des Heiligen Geistes (l.Kor. 6,19) oder Ort der Verherrlichung Gottes (l.Kor. 6,20b; Phil. 1,20) bezeichnet werden und die Hoffnung sich gerade auf eine leibliche Existenz richten (l.Kor. 15,35ff.). Vgl. Wolff, Anthropologie, 37; Jacob, Anthropologie, 627; Schnelle, Anthropologie, 67f.; Kümmel, Römer 7.19.24f.; Krieg, Leiblichkeit, 41 f. Vgl. Sander, Dualismus, 331. Die These Schuberts, Entwicklung, 177, fur den alten Orient allgemein sei weniger der Dualismus von Leib und Seele als der von Tod und Leben kennzeichnend, ist zwar nicht ganz falsch, aber darf nicht im strikt materialistischen Sinne verstanden werden. Dazu Schweizer, σαρξ, 653. Schmid, Seele, 139, verweist zudem darauf, daß σαρξ in l.Petr. 3,18; 4,lf.6 den ganzen irdischen Menschen bezeichne. Zum Ganzen vgl. auch Kümmel, Römer 7, 180 Vgl. Richard von St. Viktor, DeTrin. IV,12, MPL 196,937£: „Nomen existentiae trahitur verbo quod est existere"; „Quid est enim existere nisi ex aliquo sistere, hoc est substantia-
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tungsversuchen seines Seins enthoben und vorgängig zu seinem Denken und Tun auf Gott als seinen Schöpfer verwiesen. Die vita steht grundsätzlich im Zeichen der gratia des Gottes, der als der pater familias (Ps. 145,16) die Quelle des Lebens ist (Ps. 36,10)'^'. Anthropologie kann nur in theonomer Weise betrieben werden'^". Die Transzendenz ist das „eigentliche Sein", „dem gegenüber die im Leben erfahrene Existenz wie eine abgeleitete ist"'^'. Leben geht nicht in seiner horizontalen Linie auf, vermag nicht aufgrund von Essen und Trinken Ruhe zu finden - ohne Gott und an Gott vorbei'^^, sondern steht als von Gott gewährtes Darlehen ("Weisheit 15,8) unter einem Rechtsanspruch und Herrenrecht Gottes (Lk. 12,20)'^^. Weil das Leben Gott gehört, weil Gott König (Lk. 17, 7 f f . ; Mt. 18,23ff.) und Richter (Mt. 10,28; 25,l4ff.) ist, gehört der Mensch Gott (Gen. 9,6) und hat ihm zu dienen, ihn zu verherrlichen (Mt. 5,16)"''. Sorge um die eigene physische Existenz (Mt. 6,25), die emotional (Lk. 12,29) und aktivisch (Mt. 6,26.28.33) als angsterfülltes Sich-Bemühen aufgefaßt werden m u ß " ' , widerspricht dem Totalanspruch Gottes (Mt. 6,24). Dessen Werk ist Leben und Leib, dessen — viel geringere — Gabe daher auch Nahrung und Kleidung'^''. Ein von ängstlichen Fragen (Mt. 6 , 3 I f ) beherrschtes Streben nach eigenmächtiger Existenzsicherung ist insofern ein heidnisches Verhalten, als es von dem Gott absieht, der als Vater um das Lebensnotwendige weiß und gebeten werden kann''^. Sorge verfehlt die relational-teleologische Dimension des menschlichen Seins, insofern — statt auf den auch am Sünder fest- und ihn erhaltenden Geber zu blicken - die Gabe fiir verläßlich gehalten und in ein immanentes Kausalverhältnis zu eigener Bemühung gebracht wird. Arbeit ist tatsächlich aber nichts anderes als eine aktive Inanspruchnahme der Providenz Gottes, der sich die Verfügungsgewalt über die Gaben, auch in ihrer Verwendung, vorbehält'^®. Der Mensch muß von den Sorgen um die irdischen Güter freigesetzt werden, um in seinem exklusiven Ausgerichtetsein auf Gott, seine Herrschaft, sein Tun (Mt. 6,33: Ίτρώτον) seine eigentliche Identität zu gewinnen"'. liter ex aliquo esse?": damit wird die doppelte Frage beantwortet, „^ua/e quid sit de quolibet,... unde habeat esse". Dazu Pannenberg, Person, 231 Dazu Kraus, Leben, 31f. "" Vgl. Jacob, Anthropologie, 617 Anm.57, der in dem л'П in Gen. 2,7 und dem П'п^к nach n^y in Gen. 1,27 den dem Menschen vorgegebenen Gottesbezug erkennt Gese, Tod, 53 Lk. 12,19; dagegen Ruhe bei Gott: Ps. 131,2; 62,2; vgl. 42,6 Dazu Dautzenberg, Ψυχη, 85.90.162.164; vgl. Schweizer, ψυχη, 636.647 "" Vgl. v. Rad, Tod, 255; Kümmel, Römer 7, 171f. Vgl. Luz, Matthäus, 1, 367 Vgl. Schlatter, Matthäus, 26f.229f.; Schniewind, Matthäus, 95 M t . 6,7f. neben 6,11. Dazu Luz, Matthäus, 1, 330f.347.370 " ' V g l . l.Tim. 6,17ff.; EKG 385,3; 387,3; BSLK 511,4f.; 560,22fF.; Thielicke, ThE 11,1, 4l0f.4l4f.428-430 Zum Ganzen vgl. Dautzenberg, Ψυχη, 94.96; auch Schweizer, ψυχη, 635; Kümmel, Römer 7, 175
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Auch wenn der zur Anerkennung Gottes gerufene Mensch diese in hybrider Selbstüberhebung verweigert (Rom. 1,23!; vgl. l.Kor. 1,21; 2,12; Kol. 2,8), so besteht er im eigentlichen Sinne doch nur von der Bestimmung Gottes her, von der Begegnung mit dem ó καλέσας ήμάς her (Gal. 1,6; 5,8; l.Thess. 5,24). Menschsein heißt Berufensein und Angesprochensein von Gott'"*®. Der Mensch ist ein „Gott gegenüberstehendes Wesen"''". Der Mensch ist nicht in naturhafter Weise mit Gott verwandt, er trägt nicht Gott in sich, sondern immer sich gegenüber, aber doch so, daß Gott ihm handelnd zugewandt ist. Genausowenig wie der Mensch wegen einer gottfremden Natur Gott entgegensteht und σάρξ ist, der κόσμος nicht an sich schlecht und böse ist, sondern wegen der geschichtlich vollzogenen Ablehnung Gottes, genausowenig kann der Mensch als naturhaft mit Gott verbundener gedacht werden, sondern nur aufgrund eines faktischen Handelns an ihm. Nicht das έν τω κοσμώ είναι ist böse, sondern das έκ του κόσμου είναι (Joh. 17,16; vgl. 17,18)''*^. So beruht auch die durch die Taufe hervorgerufene neue Wirklichkeit nicht auf einer substanzhaften Veränderung, einer ontologischen Transformation, sondern muß sich als έν καινότητι ζωής π ε ρ ι π α τ ε ί ν (Röm. 6,4) geschichtlich bewähren''*^. Der Unterschied gegenüber den Tieren läßt sich nicht am zusätzlichen Besitz eines anthropologischen, zuhandenen Geistes festmachen, sondern nur an der besonderen Zuwendung Gottes, die dem Menschen durch die persönliche, direkte und unmittelbare Form der Einhauchung des Lebensodems zuteil wird (Gen. 2 , 7 ) N u r der Mensch wird aufgrund eines feierlichen Entschlusses erschaffen (Gen. 1,26) und als Gottes Hoheitszeichen aus der übrigen Welt herausgehoben. Seine Gottesebenbildlichkeit (Gen. 1,26) läßt sich nicht so sehr an einer besonderen Natur, sondern an einem besonderen Verhältnis zu Gott erkennen, das ihn als Mandatar Gottes der übrigen Schöpfung gegenübertreten läßt'^'. Die Sünde des Menschen besteht in der Verneinung seiner Bestimmung, in diesem besonderen Verhältnis Gott geVgl. Schnelle, Anthropologie, 97; Kümmel, Römer 7, 179; ähnlich Zimmerli, Menschenbild, 5f.9.26 Kümmel, Römer 7, 179; vgl. ebd., 200. Dazu Röm. 14,18; l.Thess. 2,4; 4,8; Joh. 3,27; 5,34.41; 10,33; 12,43; l.Joh. 5,9 Vgl. Kümmel, Römer 7, 200.202; Zimmerli, Menschenbild, 6.10 Dazu Schnelle, Anthropologie, 89 Zwar werden auch die Tiere Π'Π Vfäl (Gen. 2,19) genannt und Mensch und Tier zusammenfassend als lisa П"П nn'nnttfJ Ьэ (Gen. 7,22) bezeichnet, aber nirgendwo von der Übertragung des Lebensodems an die Tiere als Akt berichtet. Vgl. Haag, Seele, 41. 43; Schilling, Geist, 43; Schnackenburg, Existenz, l4f. Gen. 1,28: dominium terrae!. Vgl. v. Rad, Theologie, 158.160. Die Gottesebenbildlichkeit läßt sich jedenfalls nicht auf den „Geist" beschränken, sondern meint gerade auch seine leibliche Gestaltung, vgl. Ps. 8,6 ( l i a a / n n ) ; Ez. 28,12 (vollkommene Schönheit des Urmenschen); Westermann, Leib, 168, sieht in der Gottesebenbildlichkeit weniger eine Seinsaussage als einen Hinweis auf das zwischen Gott und Mensch Geschehende.
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geniiberzustehen, sodaß er, auf diese Negation seines eigentlichen Wesens festgelegt, des erneuernden Handelns Gottes bedarf (vgl. Eph. 4,24; Kol. 3,10).
3. Die Seele als Kehle und Geßß Für в/йл läßt sich aus Ps. 69,2; Jes. 5,14 und Hab. 2,5 eine Grundbedeutung „Schlund, Rachen, Kehle" erschließen''*^. Die synthetische Redeweise des Hebräischen, die mit der Nennung eines Körperteils zugleich und vor allem dessen Funktion meint, legt es nahe, daß nicht so sehr nur an das Organ der Nahrungsaufnahme (Ps. 107; Koh. 6,9) bzw. der Atmung (Jer. 2,24; 15,9) oder an den Hals (Ps. 105,18; Jes. 51,23; Gen. 37,21; Dtn. 19,6.11; Jer. 4 0 , l 4 f ; Jer. 4,10) gedacht ist, sondern vielmehr an die Struktur der Bedürftigkeit (Ps. 143,6; Prv. 10,3) und an den Akt des Verlangens, Begehrens, Trachtens nach etwas'"*^. ttröJ bedeutet „Leben" nicht von einer nach innen, auf den Leib ausgerichteten und von ihm her bestimmten Perspektive, d. h. als Sammelausdruck fiir organische Funktionen des Körpers, sondern gerade als Vollzug des Außenbezugs. Nicht das Organ der Nahrungsaufnahme und Atmung als solches garantiert schon Leben, sondern erst das seiner Aufgabenbestimmung nachkommende, also z. B. essende und atmende"*'. Auch dort, wo ttrüj Sitz und Akt anderer Empfindungen wie Erschrockensein (Ps. 6,3), Verzweiflung (Ps. 42,6f 12; 43,5), Verzagtheit (Jon. 2,8), Bitterkeit (l.Sam. 1,10; 2.Kön. 4,27) bezeichnet, ist Anlaß und Objekt der Emotionen in anderen Menschen, deren Verhalten oder der durch sie geschaffenen Situation gegeben''". Wenn tt7b3 das Personal- oder Reflexivpronomen vertritt, so liegt auch hier der spezifische Akzent auf dem Begehren bzw. Bedürfen (z. B. Mi. 6,7; l.Sam. 18,1; Jes. 3,9)'^°. Wûïbezeichnet nicht ein accidens, nicht das Begehrte, nicht etwas dem Menschen Gegenüberliegendes und von ihm Ablösbares, sondern meint den, von dem etwas ausgesagt werden kann. Daher kann tt/ûJ auch für das zählbare Individuum, eine Person gebraucht werden'". Man wird einen Schritt weitergehen und sagen müssen: wenn ВгЬЗ den Menschen bezeichnet, insofern er auf etwas aus ist, nicht nur auf AußenbeVgl. Dürr, Gurgel, 262-269; Wolff, Anthropologie, 19f.; Schilling, Geist, 35 Prv. 23,2; vgl. Verbindung mit n i x : Mi.7,1; Dtn. 17,15.20; l.Sam. 2,16; Dm. 14,26; Verbindung von nwi und «iaa („Verlangen richten a u f ) : Gen. 34,2f.; 44,30; l.Sam. 18,1. Vgl. Wolff, Anthropologie, 20-24 Wolff, Anthropologie, 26f., verweist auf folgende Belege für die Bedeutung „Leben": Prv. 8,35f.; Ps. 30,4; Prv. 19,8; 7,23 Z. B. Verfolgung und Bedrängnis: Ex. 23,9; Ps. 31,8; Jer.4,31. Dazu Wolff, Anthropologie, 25f. Vgl. Wolff, Anthropologie, 31 Z. B. Lev. 23,30; 19,8; 22,3; Num. 5,6; 9,13; Pluralbildung: Lev. 18,29; Jer. 43,6; Gen. 12,5. Dazu Wolff, Anthropologie, 28f.
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zug angelegt ist (Kehle), sondern diesen aktuell vollzieht (synthetisches Denken), meint sie nicht nur die Person des Menschen, sondern den Menschen als Person. Der Mensch ist als и;!зл immer schon auf etwas außerhalb seiner selbst bezogen und erst in der Verbindung mit dieser außerhalb liegenden Größe, erst in ihrer Aufnahme in Analogie zum Vorgang des Essens und Atmens kann von eigendicher Lebendigkeit, Existenz, Sinnerftillung gesprochen werden. Zur Verdeudichung kann das in Gen. 2,7 gegebene Töpferbild (Ufi) herangezogen werden. Der Mensch ist П'П ttiöj gleichsam als ein von Gott getöpfertes Gefäß, das seinen Sinn, seine Zweckbestimmung und Daseinsberechtigung nur in seiner Offenheit fur einen bestimmten Inhalt und in seiner tatsächlichen Füllung mit diesem Inhalt erhält''^. Es kann nicht zwischen einer gestalthaften, leiborientierten und einer nach oben offenen Seite der Seele unterschieden w e r d e n s o n d e r n gerade als Gestalt ist die Seele nach oben offen. Beide Seiten können nur in einem In- und Miteinander gesehen werden. Gestalt ist nicht denkbar ohne das Material, dem Gestalt verliehen wird. Material wiederum kann nie gestaltlos, sondern nur in einer bestimmten Gestalt begegnen. Die Gestalt eines Gefäßes ist immer eine nach oben offene. Sie hängt in ihrer spezifischen Ausprägung ab von dem Gehalt, zu dessen Aufbewahrung sie bestimmt ist. Das Gefäß kann sich nicht selber füllen, sondern muß von außen her gefüllt werden. Es wird eigentlich erst dadurch ein Gefäß, daß es etwas „faßt"'^"*. Dieses Etwas zu umfassen, ist seine Bestimmung: leer im Schrank zu stehen oder mit Milch statt mit Wein gefüllt zu sein, wäre Zweckverfehlung. Gefdßsein besteht im Vollzug des von außen her ermöglichten und in Gang gehaltenen Bezugs zu diesem Außen. Das Wesen eines Gefäßes geht nicht in seiner gleichsam horizontalen Dimension, in seiner Materialität, dem Bestehen aus Ton und der damit gegebenen Zerbrechlichkeit auf. So ist auch der Mensch, der er ist, der Mensch als Seele, als Gefäß, in seiner - intakten - Verbindung nach außen, in der Realisierung der seine Stofflichkeit (ЛИ7«Л"1П Gen. 2,7) transzendierenden vertikalen Dimension seines Seins - und damit existiert er erst! Man wird nicht wie Hermann Cremer^^^ von der Grundbedeutung „Odem/Hauch" ausgehen und damit urbJ in ein Gegenüber zum Leib bringen und sie mit ihm erst nachträglich verbinden können. Vielmehr meint ttrüa das Atmungsorgan in Aktion, wobei der Akzent nicht auf dem Organ, sondern auf dem Atmungsvorgang liegt, der die Lebendigkeit des Organs ausmacht"®. Atmung kann anders als Atem immer nur gleichzeitig mit einer Leiblichkeit gedacht werden. Verbindet man das Bild der atmenden Kehle Vgl. Findeisen, Seele, 1419 So bei Heidler, Lehre, 74.78 Duden/Etymologie, 157: Hinweis auf den Ausdruck: „Der Krug faßt zwei Liter" Cremer, Wörterbuch, 949 So der Ansatz bei WolfF, Anthropologie, 19-32
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mit dem des gefüllt werdenden Gefäßes, so wird deutlich, daß die Aktion des Menschen (Kehle) immer schon herkommt und in Gang gehalten wird durch die Aktion des Außen (Gefäß), das Gott ist. Das, wozu der Mensch bestimmt ist, wonach er zu streben hat (Imperativ), wird ihm zugleich geschenkt (Indikativ). Der durch die Negation seiner Bestimmung gefallene Mensch ist geistlich tot (Eph. 2,1.5) und bedarf gleichsam der Füllung mit dem Heiligen Geist, um nun seinerseits zu atmen, d. h. auf Gott, ihn lobend, ausgerichtet zu sein und nach ihm zu streben - und so zu leben (l.Kor. 12,3; vgl. Kol. 3,13f.). Der Mensch als ttrüa ist es ja, der das Loben Gottes als Sollbestimmung des Lebens, ja als Wesen wirklichen Lebens im Sinne von Existenz, vollzieht (Ps. 103,lf.; 104,L35; Lk. 1,46). Gott ist der eigentliche Inhalt des Außen, auf das der Mensch als Seele, herkommend von einer Begegnung mit Gott, immer schon bezogen ist (Ps. 63,2.9). Auch der physisch tote Mensch ist einerseits als ganzer tot, denn die funktional verstandene Seele vergeht mit dem Leib. Aber die Heilige Schrift bezeugt - wie zu zeigen sein wird - , daß mit dem Tod nicht eine „Verhältnislosigkeit"'^^ eintritt, sondern der Außenbezug des Menschen, das Verhältnis zu Gott von der Seite Gottes her aufrechterhalten wird und der Mensch auch als Gestorbener lebendig bleibt, weil er als „Seele" von Gott her den Bezug zu Gott realisiert.
4. Die Toten als von Gott her Lebende a) Leben von der Treue Gottes her CL) Theozentrische, nicht neutral-indifferente Betrachtung von Leben und Tod Das Leben des gefallenen Menschen ist vom Tod gezeichnet. Es ist vergänglich wie verrinnendes Wasser (Hiob 14,10-12), eine verdorrende Pflanze'^®, ein flüchtiger Schatten'" oder ein kurzer Atemhauch"^"; der Tod erscheint als Weg aller Welt""'. Dem Tod eignet etwas Offensives, eine in das Leben in der Form von Krankheit, Verfolgung, Mißgeschick und anderen Übeln hineinragende und dieses in seinen Bann ziehende Macht'®^. Aber der Tod erscheint in der Heiligen Schrift nie als eine zu akzeptierende Größe, mit der man sich in der rechten Weise zu arrangieren oder gar Kontakt zu knüpfen hätte. Die menschliche Existenz ist nicht in eine indifferente Bipolarität einzuzeichnen
Wolff, Anthropologie, 103 Blüte: Ps. 90,6; Blume: Jes. 40,6-8; Ps. 103,15f.; Hiob 14,2; Laub: Jes. 64,5; Gras: 2.Kön. 19,26; Jes. 40,6-8; Ps. 37,2; 90,5f.; 102,12; 103,15; 129,6 Ps. 102,12; 109,23; 144,4; Hiob 8,9; 14,2; Koh. 6,12; l.Chr. 29,15 Ps. 78,39; 144,4; Hiob 7,7. Dazu Kellermann, Überwindung, 263f. Jos. 23,14; l.Kön. 2,2. Vgl. Wolff, Anthropologie, 96 Z . B. IQagepsalmen wie Jon. 2,3ffi; Ps. 9,13; 16,9ffi; 18,5.18.38f. Dazu Haenchen, Auferstehung, 78f.; C. Barth, Errettung, 52.68; Kellermann, Überwindung, 260
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etwa in dem Sinne, daß Leben und Tod als zwei von Anfang an gegebene Fakten sich die Waage hielten mit zeitweiligem Übergewicht des einen oder anderen und damit auf der gleichen Ebene zu stehen kämen. Dem Tod kommt vielmehr gerade keine eigenständige Macht zu. Er und die ihm Unterworfenen sind die falsche Adresse, wenn um Hilfeleistung oder Auskünfte gebeten werden soll. Der Umgang mit Toten allgemein, insbesondere deren Befragung ist verboten'^' und auch nutzlos'". Der Mensch ist nicht Spielball und Kampffeld zweier einander widerstreitender Gottheiten Er ist vielmehr Gegenüber des einen Gottes, der sich ihm durch sein Handeln als der Allmächtige kundgetan hat. Die Exklusivität der Bezogenheit alles Kreatürlichen auf den einen Schöpfer hin schließt eine Leben und Tod rein immanent als absolute Gegebenheiten betrachtende Einordnung aus; „beide ruhen sie in Gottes Hand"'^. Ist das Leben von Gott gegeben, so ist auch der Tod von Gott als Strafe verhängt und zugleich von ihm beherrscht. Gott ist dem Tode gegenüber nicht machtlos. Er ist es ja, der tötet und lebendig macht (l.Sam. 2,6; Dtn. 32,39). Er beansprucht die Verfügungsgewalt über den Tod, wie es in der Einsetzung der Todesstrafe zum Ausdruck kommt"^^. Jahwe stößt hinunter in die Scheol (Ps. 88,7). Es kann nicht von einem „theologischen Vakuum""'® die Rede sein, so als werde zwar der Bereich des Todes dem Zugriff anderer Mächte entzogen, nicht aber zugleich der Macht Jahwes unterstellt. Die Scheol liegt ofïen vor ihm (Hiob 26,6.14; Prv. 15,11). Jahwe vermag dem Lebenden ein Zeichen aus der „Tiefe" zu geben (Jes. 7,11). Die Frevler können auch in der Scheol noch von Jahwe erreicht werden (Amos 9,2). Es gibt kein neutrales Areal, keine Phase der Existenz, die nicht von Gott fur sich beansprucht vmrde. Auch die Toten gehören Jahwe"^'. ßj Primat und Kontinuität der Zuwendung Gottes Der Indikativ der Zuwendung Gottes, wie er schon in der Erschaffung des Menschen zutagetrat (Ps. 139,13-16) und sein Tun stets von einem vorgängigen Wissen und Tun Gottes umschlossen sein läßt (Ps. 139,5.10; 1 3 9 , 1 ^ . 1 5 f ) , transzendiert alle zeitlichen (Ps. 139,1 If 16.24) und räumlichen Grenzen (Ps. 139,8): Gott ist auch bei den Toten'^". Die ttriJJ, der ' " D t n . 14,If.; 18,11; Lev. 19,27f.31; 20,6.27; Berührungsverbot: Num. 19,11-16; Lev 11,32-35 l.Sam. 28,13. Vgl. auch Dautzenberg, Seele, 190 So nahmen z. B. die Kanaanäer die Existenz eines Seuchen und Tod herbeiführenden Gottes Resheph an, dem Schalmon, der Gott des Heils und Lebens gegenüberstand. Dazu Henry, Tod, 2 ' » G . V Rad, Tod, 258 Gen. 9,6; Ex. 21,12fF. Vgl. Schreiner, Tod, 129f. Wolff, Anthropologie, 162; vgl. dazu Dautzenberg, Seele, 191 Vgl. Gese, Tod, 39 Z u m Ganzen vgl. Gese, Tod, 48
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Mensch als iPöJ weiß sich geborgen in Gott, dem Vogel gleich, der im Hause Gottes, im Heiligtum, bei Gott seine Wohnung gefunden hat (Ps. 84,3-5) und ihn nun „immerdar" lobt (V. 5: • ··· «ΐώνας των αιώνων). Jahwe bleibt als Gut und Erbteil (Ps. 16,5: iphnnin nw)'^'. Der sterbende Patriarch weiß um das Unauslöschbare und Wirksame der ihm zuteilgewordenen Verheißung Gottes, deren Zeuge und Tradent er wird (Gen. 48,21). Er stirbt in der in dieser Verheißung begründeten Gewißheit des Fortgangs der götdichen Heilsftihrung. Die einzelnen Israeliten sehen sich als Lebende nicht nur als Glieder irgendeiner Sippe, als Tote nicht nur als „erinnerte Glieder des durch seine Geschichte schreitenden V o l k e s " D a s Bleibende ist nicht ihr Volk an sich, die Nachkommenschaft, sondern das von Jahwe unverbrüchlich mit sich in Beziehung gesetzte Volk. Der einzelne Israelit hat als Glied des Volkes die Gewißheit seines Hineingenommenseins in den unabhängig von seiner physischen Existenz bestehenden Bereich der Beziehung von Jahwe und Israel'^^. Der Name eines Gerechten lebt nicht nur im Andenken der Nachkommen weiter'^'', sondern ihm wird ein durch den Tod nicht austilgbarer Name vor Gott zuteil y) Gott als Wender in der Not Die Gemeinschaft des Gerechten mit Gott kann zwar als zeitweise ausgesetzt erscheinen, sie hört aber faktisch nicht auf. Die Zuversicht, daß Gott nicht immer schweigen kann, fuhrt den sich real bereits in der Todessphäre befindenden Hiob zu der Gewißheit, Gott zu sehen (rti^N ntn^ Hiob 19,26). Gott ist nicht nur die einzige Appellationsinstanz, der einzige Bezugspunkt in der Not. Er ist auch der einzig wirkungskräftige Anwalt gegen den die Not zulassenden Deus absconditus (Hiob 19,25: '^«á)'^'^· „Nicht der Tod selbst ist's, aber dies, daß ihm Gott als sein Gott entschwunden ist ... Ist die Sache hier nicht beigelegt (er wird ja in Kürze sterben), so wird Gott irgendwie und irgendwo jenseits dieses Lebens wieder sein Gott w e r d e n " G o t t wird sich wieder als der ihm Zugewandte offenbaren. Auch der Beter des Ps. 73 droht zunächst an Gott irrezuwerden (V 2.16). Grund ist die ungleiche Verteilung der Schicksale: das Glück fällt den GottVgl. Gese, Tod, 47f.49; Wolff, Anthropologie, 105; gegen Haenchen, Auferstehung, 79f. So Breit, Sinndeutung, 464 Vgl. Kellermann, Überwindung, 267f.; Gese, Tod, 38.42; Breit, Tod, 465f. Sagen über die Erzväter: Gen. 48,16; Gedenkstein Absaloms 2.Sam. 18,18; furchtbar ist die Auslöschung des Namens: Jer 11,19; Am. 7,17. Dazu Kellermann, Überwindung, 268f. Jes. 56,5. Ein Eintrag in das von Gott geführte Buch des Lebens durchbricht die Todesgrenze (z. B. Jes. 4,3; Jer. 22,30; Ez. 13,9. Zum Motiv auch Ex. 32,32f.; Ps. 69,29; vgl. Ofïb. 3,5; 17,8; 20,12.15; Phil. 4,3. Dazu Kellermann, Überwindung, 272) Zum Ganzen vgl. Gese, Tod, 44. Anders Fohrer, Geschick, 260f.; Haenchen, Auferstehung, 86f v. Rad, Tod, 262 (Hervorhebungen im Original)
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losen, Frevlern, Spöttern zu (V. 4-12), während der sein Herz rein Erhaltende größte Qualen zu erdulden hat (V. l4.21.26a). Auch hier wird von Gott her, durch den Blick auf Gott, durch einen Perspektivenwechsel also, der von einer am Heiligtum Gottes, am Ort der Gottesnähe zuteilgewordenen Enthüllung herkommt (V. 17.28a), die Wende der Not ermöglicht; „im Licht der Lebenswirklichkeit Gottes" bricht das hybride Lebensgebäude der О'УЧ'Г' sich zusammen; der Beter kann vorausgreifend über die Frevler das Leichenlied anstimmen (V. 18-20)'^®. V. 23fF. ist nicht Artikulation kühner Hoffnungen, nicht Explikation von Bevmßtseinsvorgängen, nicht Todesbewältigung, sondern Zustandsbeschreibung, Bezeugung einer von Gott her ermöglichten und garantierten Realität. Der Beter weiß sich Gott bleibend zugehörig (V. 23), weil von Gottes Hand ergriffen und auf Gott als seinen nicht wankenden Existenzgrund (р^п) fur immer (о^уЬ) ausgerichtet (V. 23b. 26.28). Weder nimmt der Beter den Tod als unabänderliches Schicksal resigniert zur Kenntnis oder versucht, die rechte Einstellung zu ihm zu gewinnen, noch tröstet ihn ein neutral-diffuses „Es gibt ein Leben nach dem Tod". Sondern „Sterbehilfe in einem sehr anderen als dem heute gängigen S i n n e " T o d e s ü b e r w i n d u n g widerfährt ihm in der Gewißheit, daß das mit Gott ausgetauschte „Du" bleibt - und zwar als ein handelndes „Du" bleibt'®". Das „Du gibst mein Leben nicht dem Tode preis" (Ps. 16,10a) wird konkretisiert: am Ende (ΊΠΚΙ V. 24b; vgl. V. 17b: onnQK·?) - und nur dieser zielorientierte, auf Jahwe gerichtete Blick zählt - wird alle Not durch einen plötzlichen Eingriff Gottes aufgehoben. Jahwe ergreift, entrückt (np^) den Beter in Herrlichkeit (MT: П1аэ; LXX: μετά δόξης; Vulgata: cum gloria) (V. 24)'®'. Nicht der Gegensatz von reich und arm als solcher, nicht die Nivellierung sozialer Unterschiede ist Thema des Psalms 49. Der Tod ist nicht Gleichmacher, sodaß der Gedanke, daß es am Ende ja doch allen gleich ergehen wird, das Sterben erleichtern könnte. Der Tod ist vielmehr der Scheider, der den Versuch immanenter Selbstsicherung als Selbstbetrug entlarvt und dem die Vgl. Kraus, Psalmen, 2,670; vgl. ebd., 674 Perlitt, Tod, 4 0 5 Z u m G ^ z e n vgl. v. Rad, Tod, 263.265; Perlitt, Tod, 404f.; Kraus, Psalmen, 2, 6 7 1 - 6 7 5 ; Kellermann, Überwindung, 275; Gese, Tod, 45 Anders C. Barth, Errettung, 162f., der nur eine rein immanente Auslegung gelten lassen will. Soweit die Auffassung dahinter steht, zu einem solch frühen, vor-apokalyptischen Z e i t p u n k t könne noch nicht der Gedanke an eine wirkliche Existenz u n d ein Handeln Gottes jenseits der Todesgrenze gebildet worden sein, m u ß dem entgegengehalten werden: nicht ein Unsterblichkeits^íΟί/θυμός: ebd., 304.314; zu sh! φρήν; νόος: ebd., 314; zu Scheolvorstellung/homerische „ψυχή": ebd., 83) als Analogie zum Alten Testament soll den Verweis auf den biblischen Monismus relativieren. (BbJ und ntoa können sich demnach noch nicht so wie Leib und Seele gegenüberstehen, weil sie nicht das beinhalten, was im griechischen Sinne mit diesen Begriffen gemeint ist, sondern nur Teilaspekte (ebd., 318). Problematisch daran ist, daß das Schriftzeugnis in einen geistesgeschichtlichen Prozeß eingeebnet bzw. eingeordnet und damit relativiert wird. So Ratzinger, Eschatologie, 74; Nachtwei, Unsterblichkeit, 165 (über Ratzinger); Haeffner, Versuch, 190: „[es] scheint... mir im Interesse der Theologie zu liegen,,Piatonismus' nicht als abwertende Bezeichnung zu gebrauchen" Vgl. Ratzinger, Eschatologie, 135, der in ders., Auferstehung, 218, nicht ganz zu Unrecht folgert, daß mit der Ablehnung der Seelenunsterblichkeit auch die Auferstehung zu Fall komme; Scheffczyk, Unsterblichkeit, 27; Greshake, Resurrectio, 318
Pietro Pomponazzi
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auch Thomas von Aquin und mit ihm die neuere römisch-katholische Theologie erkennt nicht die eigentliche Differenz zwischen Natur und Gnade, Philosophie und Theologie, Vernunft und Offenbarung. Es ist keineswegs nur die substantielle bzw. akzidentelle Materieverbundenheit als solche bzw. das Aufbegehren des Leibes gegen den Geist und damit einhergehende Schwächung des letzteren, sondern die völlige Korrumpierung der Natur durch die Sünde. Zur protologischen Differenz tritt eine gleichsam soteriologische, qualitative hinzu. Da der Mensch mit der Sünden- auch der Todesherrschaft - in psychophysischer Totalität - unterworfen ist (Röm. 6, 23), findet er in sich nichts, was unzerstörbar wäre. Eine Durchbrechung der Todes-, d. h. Sündengrenze kann nur von außen, von Gott her erfolgen. Die Vernunft verbleibt, selbst wenn sie völlig von der Materie separiert werden könnte, als eine der Sünde unterworfene auf der immanenten Ebene. Sie vermag aus sich heraus keine hinreichenden und zutreffenden Aussagen über Gott - und auch sein den Tod überwindendes Handeln zu machen. Aber weil die Unfähigkeit der Vernunft zur Erkenntnis der Unsterblichkeit nicht, wie Pomponazzi annimmt, in einem irreversiblen Materiebezug, sondern in ihrer Wesensbestimmung durch die Sünde begründet ist, in ihrer Feindschaft wider Gott und sein Wort·"', besteht eine Möglichkeit zu einer neuen, ganz anders gearteten Zuordnung von Natur und Gnade. Die Vernunft kann durch den Heiligen Geist erneuert und dadurch für das empfänglich gemacht werden, was Gott ist und tut'"''. Sie kann metaphysische Gegenstände - und die Unsterblichkeit gehört dazu als ein die immanenten Grenzen und Gesetze transzendierendes Geschehen - nicht vorgängig zur Offenbarung und auf sie hin, aber auch nicht einfach gar nicht erkennen, sondern von der Offenbarung, von der Gnade her ist dies möglich. Die Gnade integriert die Natur, aber nicht so, daß sie an sie anknüpft und das notwendig verbleibende Defizit ihrer Leistungsfähigkeit auffüllt, sondern so, daß sie sie verwandelt, sie als erneuerte stets aufs neue aus sich heraussetzt und in den Dienst stellt. Erst in aposteriorischer Weise, d. h. dann, wenn der Erkenntnisinhalt durch die Offenbarung bereits vorgegeben ist, und als pneumatisches Geschehen ist ein vernünftiges Reden von Unsterblichkeit тофсЬ. Eine in der Schrift unterwiesene Vernunft kommt zur Einsicht in die Ubereinstimmung von Vernunft und Offenbarung^'5. Vgl. AC IV,34/BSLK 1 6 6 , 3 0 - 3 2 : „Ist nu die Vernunft und fleischlich gesinnet sein ein Feindschaft wider Gott" (latein.: BSLK 166, 3 6 - 3 8 : ,Лг humanus animus sine spiritu sancto aut securus contemnit iudicium Dei"); S D 11,7/BSLK 8 7 4 , 1 - 6 (bzgl. Vernunft, Herz, Wille): „... sondern seie ganz und gar zum Guten erstorben und verdorben, also daß in des Menschen Natur, nach dem Fall, vor der Wiedergeburt, nicht ein Fünklein der geistlichen Kräfte übrig geblieben noch vorhanden"; vgl. CA XV1II,4/BSLK 7 3 , 1 3 - 1 9
Röm. 12,2: ,,μεταμορφουστε τη άνακαινώσει τοΰ ναός"; vgl. l.Kor. 2,12.14 Dies meint Luther, wenn er fordert, man müsse vor Gott gleichsam „novis Unguis" reden, mit „zum Bade" geführten Begriffen, d.h. in soteriologischer, nicht in protologischer Hinsicht; vgl. WA 39/1, 229,18f.; ebd., 2 3 1 , 1 6 f . l 8 - 2 1 ; ebd., 2 3 2 , 1 4 - 1 6
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Unsterblichkeit - der römisch-katholische Ansatz
2. Der ethische Ausweis und Inhalt der Mittelstellung Pomponazzi möchte aulzeigen nicht nur, warum die Seele nicht unsterblich sein kann, sondern auch, warum sie es nicht sein darf. Mit dem Unsterblichkeits- ist gewöhnlich auch der Gerichtsgedanke verbunden. Sofern das Gericht als ftiturisches, postmortales Ereignis gesehen und als Vollzug einer ausgleichenden Gerechtigkeit mit der Zuweisung von Lohn und Strafe verstanden wird, kann es zur entscheidenden, möglicherweise einzigen Motivation für ein sittliches Verhalten werden. Die sozusagen utilitaristische Begründung des Verhaltens, die in der guten Tat nicht einen Selbstzweck erkennt, sondern nur ein Mittel zum Zweck der Erlangung eines jenseitigen Lohns, erscheint Pomponazzi als zutiefst inferior. Die gute Tat ist dem Guten Lohn genug, das Laster dem Lasterhaften hinreichende Strafe'"''. Dem Anspruch der Tugend wird vollkommener entsprochen, wenn die Unsterblichkeit geleugnet wird^'^. Das tugendhafte Leben soll nicht durch das künftige Gerichtsereignis, sondern durch den gegenwärtigen Stand, d. h. durch die Mittel- und Zwischenstellung motiviert sein. Der Mensch erweist sein Menschsein, wenn er der Tugend gemäß lebt und sich nicht durch die völlige Mißachtung der Vernunft auf die Ebene der Tiere herabbegibt^'®. Nur sehr wenige sind durch die Beherrschung der vegetativen und sensitiven Seele ganz und gar von der Vernunft bestimmt und quasi den Göttern gleich'"'. Aber die „speculatio", die selige Schau, ist ein eher den Göttern als den Menschen zukommendes Ziel''^". Die gegnerische These „homo est animal felicitabile, cum sit rationis capaK'"*^' muß nicht gegen Pomponazzis Annahme der Sterblichkeit der Seele sprechen, wenn das, was „ratio" oder „intellectus" ist, neu interpretiert wird. PomponazTractatus XIV, 194 (Mojsisch): .Aristoteles... respondit: O u o d vos spe praemiorum facilis et timore poenae fugitis. ego ex amore et nobilitate virtutis fado et ex vicii vituperio fiigio" (Hervorhebung im Original); XIV, 190: „Praemium essentiale virtutis est ipsamet virtus, quae hominem felicem facit"; XIV, 190/192: „Poena namque vitiosi est ipsum vitium, quo nihil miserius, nihil infelicius esse potest"; XIV,222: „naturaliter felicitas appetatur et miseria fugiatur et per dicta felicitas consistir in actu virtuoso, miseria vero in actu vitioso"; ebd.: „studiose operans, non expectans praemium aliud a virtute, longe virtuosius et magis ingenue videtur operati quam ille, qui ultra virtutem praemium aliquod expectat" Tractatus XIV, S. 224 (Mojsisch): „Quare perfectius asserentes animam mortalem melius videntur salvare rationem virtutis quam asserentes ipsam immortalem. Spes namque praemii et poenae timor videntur servilitatem quandam importare, quae rationi virtutis contrariatur" Tractatus I, S. 8 (Mojsisch): „Quidam vero ex toro neglecto intellectu solisque vegetativae et sensitivae incumbentes quasi in bestias transmigraverunt ... Quidam vero puri homines nuncupati sunt; et hi sunt, qui mediocriter secundum virtutes morales bestiam superare"; XIV, S. 226 Tractatus I, S. 8 (Mojsisch): „Quidam namque inter Deos connumerati sunt, licet perpauci; et hi sunt, qui subiugads vegetativa et sensitiva quasi tori rationales efFecti sunt" Tractatus XIV, S. 182 (Mojsisch) Tractatus XIII, S. 150/152 (Mojsisch)
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zi differenziert zwischen drei Arten des Intellekts, von denen zwei, der „intellectus speculativus" und „factivus", nicht der Mittelposition entsprechen bzw. zu deren ethischer Bewährung unnötig sind, und einer, der „intellectus operativus", von allen Menschen in vollkommener Weise besessen und ausgeübt werden soll und kann'*^^. Die Vernunft ist also weiterhin der Zugang zur Erreichung des soteriologischen, artspezifischen Ziels (finis), aber nun nicht als Vollzugsort der Erkenntnis, sondern als Ermöglichungsgrund sittlichen Handelns"*^'. Die teleologische Struktur bleibt, aber sie weist nicht in ein transzendent-subsistentes Sein ein, sondern in die irdische Welt, in eine Hier-undJetzt-Ethik''^''. Der Vorteil dieses Ansatzes ist es, daß trotz des Ausgangspunktes bei der - neu interpretierten - intellektiven Konstitution des Menschen die psychophysische Einheit und Totalität das Ziel in Simultaneität ihrer Momente erreicht. Mit der Leugnung der Unsterblichkeit entfällt auch die Doppelpoligkeit der Eschatologie, in deren Rahmen der Auferstehung nur eine sachlich und zeitlich nachgeordnete Bedeutung zukommt. Das Hauptproblem der ethischen Ausftihrungen Pomponazzis ist der Wegfall jeder Möglichkeit und auch Notwendigkeit zur Transzendierung der Todeszäsur. Unsterblichkeit und Gericht erscheinen nur als pädagogischen Zwecken unterworfene Chiffren, die Menschen zu einem tugendhaften Verhalten anhalten und ftihren sollen, sofern nicht die Einsicht in den Eigenwert des Guten besteht''^'. Weil Pomponazzi letztlich innerhalb des thomanischen Denksystems verbleibt, nach dem das Leben als Weg der Aktualisierung konstitutionell vorgegebener Anlagen zu verstehen ist, er aber zugleich die psychophysische Reziprozität mit Konsequenz verfolgt, endet er bei einem immanenten Ansatz. Aber das Gericht ist keineswegs, wie er es mit der Tradition annimmt und ablehnt, Ende des Lebensweges, Ziel des Perfektionsprozesses. Die Gerichtsdimension ist ftir die Ethik unverzichtbar, nicht so sehr als Zieldenn als Ausgangspunkt: vom Freispruch aus dem kommenden Gericht her kann man als Gerechter gerecht handeln; der Weg führt nicht so sehr auf Gott hin, sondern kommt von ihm her und ist Gottes pneumatisch wirksamer Weg mit uns. Ein an sich Gutes gibt es nicht, sondern nur um Christi willen, aufgrund seiner uns zuteilwerdenden fremden Gerechtigkeit wird ein Werk gut und gerecht. Andererseits ist mit dem Gesetz allen Menschen der Maßstab des kommenden Gerichts, der Anspruch Gottes auf sie ins Herz geschrieben (Röm. 2,15). Die Ewigkeit ist in der Zeit präsent, aber nicht so, daß der jeweilige Augenblick durch den Vollzug des Guten gleichsam zu einem ewigen wird, sondern durch den Anspruch und das Handeln Gottes in der Zeit. Die " " Tractatus XIV, S. 174.176.180 (Mojsisch) Vgl. Tractatus XIV, S. 178: „si homo mortalis est, quilibet homo potest habere finem, qui universaliter convenit homini"; XIV, 180: „aliquid speculativi et aliquid fattivi habere possint perfecteque practici"; „si moralis exister, Felix nuncupari potest et vere nuncupatur" Vgl. dazu Kristeller, Studien, 96 Tractatus XIV, S. 196/198.220 (Mojsisch)
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Unsterblichkeit - der römisch-katholische Ansatz
durch die Offenbarung belehrte und unter Einwirkung des Heiligen Geistes erneuerte Vernunft erkennt die Unsterblichkeit als notwendiges Implikat des universalgegebenen Beanspruchtseins durch Gott.
VI. Versuche einer Weiterfiihrung und Korrektur des thomanischen Ansatzes 1. Die positive Qualifizierung des Todes als Vollendungstat (K. Rahner) Thomas von Aquin bewertet den Tod negativ, weil er als Trennung der Seele vom Leib und als Endpunkt des durch die Sünde in Gang gesetzten natürlichen Verfallsprozesses des Leibes die Seele in einen ontologisch defizienten Status überführt. Karl Rahner hingegen sieht die Möglichkeit, dem Tod selbst, nicht erst der leibfreien visio beatifica oder der Auferstehung, eine positive Bedeutung beizumessen. Der Tod begegnet zunächst als etwas gleichsam Neutrales und Gemeinsames; alle Menschen sterben denselben Tod"*^®. Er ist auch, nicht nur „das verbleibende Restphänomen (das Ende des diesseitigen Lebens unter Aufgabe der konkreten Leibgestalt) In naturaler Hinsicht geht es um eine Trennung von Leib und Seele"*^'. Aber hinter den biologischen Ursachen und der empirischen Erhebbarkeit steht eine tiefere, den Tod als unnatürliches Ereignis erweisende Dimension. Dem Menschen ist als übernatürliches Existential eine Ausrichtung auf Gott, auf die Überformung durch die Gnade hin mitgegeben"®^'. Der Tod als Abbruch, als in Passivität hinzunehmendes Widerfahrnis ist ein Zeichen dafür, daß die irdische Wirklichkeit nicht mehr oder noch nicht ganz durchformt ist von der Gnade"*^". Die Überformung durch die Gnade ist jedoch anders als die Abbruchdimension kein dem Menschen nur widerfahrendes, sondern ihn einschaltendes und zur Aktivität freisetzendes Geschehen. Der Tod ist auch eine „Tat des Menschen", „die personale Selbstvollendung", „tätige Vollendung von innen, ein aktives Sichzur-Vollendung-Bringen, aufwachsende, das Ergebnis des Lebens bewährende Auszeugung und totales Sich-in-Besitz-Nehmen der Person, ist Sich-selbstgewirkt-Haben und Fülle der frei getätigten personalen Wirklichkeit""*''. Er ist End- und Zielpunkt der prozessualen Explikation und Perfektion einer positiven, konstitutionell manifesten Anlage, in deren Vorhandensein und Vollzug das Personsein des Menschen besteht. Der Endcharakter des Todes Rahner, Theologie, 35; vgl. ebd., 36 Rahner, Theologie, 35 Ebd., 15 Ebd., 35.44 Vgl. ebd., 45 Ebd., 29.30
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wird durch die Vollendungsdimension überhöht, wo das Leben als Pilgerzustand verstanden, d. h. auf Gott hin gelebt wurde; der Tod ist dann eine Verendgültigung und Vollendung der Entscheidung auf Gott hin"*^^. Der konkrete Tod kann je nach der Weise, in der er bestanden wird, nicht nur ein Unheils-, sondern auch ein Heilsereignis sein"*^^. Er ist der Tod Adams, wenn er in Gottlosigkeit, in Autonomie bestanden wird, d. h. wenn die Übergabe in die Verfügungsgewalt Gottes als aktives Entsprechungsverhältnis zum übernatürlichen Existential verweigert wird; dann dominiert die Leere, die Zerstörung'"''. Er ist der Tod Christi als „Tat des Glaubens", d. h. wenn der im übernatürlichen Existential mitgesetzten Dynamik auf Gott hin entsprochen wird. Da in diesem Existential das zu sehen ist, was den Menschen zur Person, zum Selbst macht, ist der Tod in diesem Sinne ein „Sich-ganz-in-Besitz-genommen-Haben", wirkliche Tat, nicht nur Schicksal"*^'. Glauben ist hierbei wie bei Thomas eine Wegtugend, insofern die weghafte Selbstinbesitznahme nur in Wechselwirkung mit einem Mitsterben mit Christus, eineni Mitvollzug und einer Aneignung seines erlösenden Heilstodes, d. h. in Interaktion mit der Gnade möglich ist. Der Tod soll „durch Mitvollzug des Todes Christi zum Kommen der verklärenden Gnade Christi gemacht" werden''^®. Die Negativität des Todes besteht weniger in seinem An-sich, sondern in einem Defizit des Umganges mit ihm, in der Mißachtung der protologisch mitgegebenen Ausrichtung auf Gott, die die Todesgrenze transzendiert. Die Überwindung des Todes geschieht nicht exklusiv durch Tod und Auferstehung Christi und imputativ durch Zurechnung der Gerechtigkeit Christi, sondern durch eine tätige Neuqualifizierung vonseiten des Menschen unter Mithilfe Gottes. Der Tod soll zur Vollendung der personalen Selbstentfaltung des Menschen werden. Als solcher trennt er nicht das prä- und postmortale Leben, sondern verbindet es. Das Weggeschehen, die Aktivität des Menschen, die Explikation der Person vollzieht sich anders als bei Thomas nicht in asketischer Distanz zur Leiblichkeit und in ihrer Beherrschung. Der Tod ist nicht Vollendung der Leibentfaltung, weil Universalisierung des Weltbezuges. Die Separierbarkeit, Subsistenz und Immaterialität des Intellekts lehnt Rahner ab, die Geistseele ist „nie verschlossene, fensterlose Monade"''^''. Geist und Materie sind Momente aneinander; die Materie ist „gefrorener Geist"·*'®. Weil der Körper die inneranthroEbd., 2 6 Ebd., 35.36; vgl. ebd., 4 3 Ebd., 3 6 . 4 0 (der Mensch nach Adam vollzieht „die Vollendung des getanen Todes in das leere Ende des erlittenen Todes" hinein). 41.45 Vgl. ebd., 3 9 . 3 8 („die Fülle totalen Sich-in-Besitz-Nehmens der Person, In-sich-Sein und reines Für-sich-Sein der Person") ^^ Ebd., 36; 34 Ebd., 2 2 Rahner, Einheit, 2 0 4 . 2 1 3 ; vgl. ScheflFczyk, Unsterblichkeit, 19
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pologische Manifestation der Welt ist, ist der Seele der "Weltbezug in irreversibler und nicht transzendierbarer Weise eingeprägt; er gehört zur Entfaltung der Person und folglich auch zu deren Vollendung in positiver, nicht nur asketisch-privativer Hinsicht hinzu. Ziel ist nicht die anima separata, die Trennung vom Leib, das Widerfahrnis von außen her, sondern das Allkosmischwerden der Seele'*^'. Die Aufgabe des abgegrenzten Einzelleibes fuhrt in ein „tieferes und umfassenderes Sichöffnen und Sichdurchsetzen dieses ihres allkosmischen Weltbezuges"^'"'. Der Verklärungsleib ist so ,Ausdruck der bleibenden Allweltlichkeit"^'". Der Tod bewirkt eine Transformation der Leiblichkeit von seiner materiell-partiellen Konkretheit in eine Chiffre fur einen universalen Weltbezug. Der Tod ist positiv, wird zur Vollendung dort, wo das Ende des Körpers und die Trennung der Seele von ihm nicht in einen defizienten Status fuhrt, sondern zur perfektionierten Existenz der Person gemacht wird. Es geht letztlich darum, das gelebte Leben, die konkrete Geschichte des Menschen in ihrer Wechselwirkung mit derjenigen der anderen Menschen ernstzunehmen. Der Tod wird vom Leben her verstanden und ist wie dieses eine Tat des Menschen. Er hebt nicht die personale Existenz auf, sondern ist die „Endgültigkeit seiner [=des Menschen] freien personalen Auszeugung'"'''^.
2. Die nichtmaterielle Interpretation der Leiblichkeit (G. Greshake) a) Der Leib als Vollzugsmodus der personalen Selbstexplikation der Seele Als Weiterführung des thomanischen Hylemorphismus' versteht auch Gisbert Greshake seine Reflexionen über die Leiblichkeit des Menschen. Thomas habe zwar zu Recht die Zusammengehörigkeit von Leib und Seele betont und in gewisser Weise einen Ganztod des Menschen angenommen, weil nur der Rahner, Theologie, 22: „Sie wird also im Tode nicht akosmisch, sondern allkosmisch werden" Ebd., 20; vgl. ebd., 23: „die so im Tode durch Aufgabe ihrer abgegrenzten Leibgestalt sich dem All öffnende Seele" Ebd., 26 Ebd., 19. Zwar läßt Rahner Tod und Auferstehung des Individuums koinzidieren (man vergleiche die parallele Formulierung in ders., Leben, 435: [Auferstehung des Fleisches ist] „die heile Endgültigkeit des Menschen als ganzen"), aber nimmt doch anders als Greshake und Lohfink (dazu unten) eine gewisse eschatologische Bipolarität an bzw. das Wirken des Fegefeuers; ders., Leben, 436: (Fegefeuer) „wegen der Vielschichtigkeit des Menschen und der damit gegebenen Phasenungleichheit des Werdens seiner allseitigen Vollendung eine Ausreiflmg des ganzen Menschen ,nach' dem Tod in der Durchsetzung dieser Grundentscheidung auf die ganze Breite seiner Wirklichkeit"; (Phasenungleichheit) „auch zwischen der individuellen Vollendung des einzelnen im Tod und der Gesamtvollendung der Welt"; es bleibt das Nebeneinander der Auferstehung des einzelnen und der Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde erhalten (ders., Leib, 426), worauf in der Verteidigung Ratzingers besonders Nachtwei, Unsterblichkeit, 135, hinweist.
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lebendigen leib-seelischen Einheit das Personsein zukomme''''^. Aber letztlich betreibe er nur eine Korrektur, nicht eine Überwindung des Dualismus; es blieben „neuplatonische Reste'"'''''. Greshake bezieht sich in seiner Kritik vor allem auf die Annahme soteriologischer Vollendung bei gleichzeitiger ontologischer Defizienz, d. h. auf die anima separata''''^ Sein Anliegen ist die Überwindung der Diastase von seelischer und leiblicher Vollendung, d. h. die Herausarbeitung einer mehr als nur akzidentell-anhangsweisen Bedeutung der Auferstehung'''"'. Die Leiblichkeit muß so eng an die Seele gebunden sein, daß ihre Funktionen, vor allem die Darbietung der Phantasmen, nicht einfach mirakulös durch den Eingriff Gottes ersetzt werden kann, wie dies gemäß der thomanischen Lehre der separierten Seele gegenüber geschieht''''^. Die Seele ist das Kontinuum des Leibes; ihre aktuierende Tätigkeit und nicht die Erhaltung der physischen Konstitution garantiert die Selbigkeit des irdischen und des Auferstehungsleibes''''®. Damit der Konnex von Seele und Leib in nicht nur intentional-habitueller, sondern aktueller Weise auch im postmortalen Raum erhalten bleibt, muß die Leiblichkeit in eine transphysische Existenzweise überfuhrt werden. Die Materialität ist nicht ein Wesenskonstitutivum der Leiblichkeit, sondern ein vorübergehendes Wie ihrer Existenz und Aktivität. Zwischen materieller Körperlichkeit und der Seele zugeordneter Leiblichkeit besteht ein empirisch-faktischer, nicht ein wesensmäßiger und daher unabtrennbarer Zusammenhang'''". Der Leib muß nicht von der Materie, sondern vom Geist her verstanden werden. Besser: die Materialität der Leiblichkeit ist inhaltlich neu zu füllen, d. h. nicht stofflich, sondern relational-modal. Der Leib gliedert als Medium zwischen dem Ich und den anderen die Seele in eine Kommunikations- und Interaktionsgemeinschaft ein. Er ermöglicht eine aktive Selbstexplikation nach außen und die Rezeptivität für Einflüsse der Umgebung·*'". Der Leib ist „jener,Ausdruck' des Geistes ..., kraft dessen das Subjekt sich in und an der Welt auszeitigt'""'. Die Materie soll aus ihrem vorgängigen Gegenüberstand und der damit gegebenen Negativqualifikation befreit und in ein konvergierendes Verhältnis zur geistig strukturierten Seele gebracht werden. Sie ist in sich das Unsinnige, das einen Sinn erst erhält durch die Einordnung in die Geschichte des Menschen. Der Mensch ist beauftragt, der „in sich sinnlosen Wirklichkeit schöpferisch Sinn und Ziel zu geben'"'". Die
Greshake, Nahenvartung, 93 Ebd., 94; ders., Seele, 136 Greshake, Naherwartung, 95 Ebd., 95-97.114; ders., Seele, 136.149; ders., Resurrectio, 264 Greshake, Naherwartung, 95 Greshake, Naherwartung, 94.120; vgl. Nachtwel, Unsterblichkeit, 125 Vgl. Greshake bei HaefFner, Versuch/Anhang, 181 Vgl. Greshake bei HaefFner, Versuch/Anhang, 182f. Greshake, Seele, 151 Greshake, Auferstehung, 375
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Materie wird so zu einem Strukturmoment der menschlichen Seele, zu einem Moment an der Vollendung des Geistes - und nicht zu einem Hemmschuh derselben'*". Das Seelesein, die Aktivität der Seele, der Außenbezug wird weniger in der „immaterialiter" vollzogenen Erkenntnistätigkeit als vielmehr im Weltbezug, in der Entfaltung interpersonaler Akte manifest. Die Vollendung gilt einem konkreten Individuum; der Leib ist das Individuationsprinzip, aber nun nicht im physischen, sondern im gleichsam biographisch-geschichdichen Sinne''^'^. „Der Mensch ist im Tode und in der hier stattfindenden Gottesbegegnung genau das, was aus seiner .Leibhaftigkeit', d. h. Welt- und Geschichtsverwobenheit und -gebundenheit geworden ist'"*". Die doppelte Relarionalität des Menschen wird auch im Greshakeschen Ansatz manifest in der doppelten Konstitution des Menschen. Der Leib begründet per se den Weltbezug, ja er besagt ihn geradezu als eine Chiffre'*"'. Er hat keine eigenständige Bedeutung, sondern ist - als Modus und Instrument der Seele in ihrem Existenzvollzug zu- und eingeordnet. Andererseits sieht Greshake in der Entfaltung in die Welt hinein, im Wechselverhältnis zur Umgebung den entscheidenden Inhalt dieses Existenzvollzuges. Nicht die intellektiv strukturierte - und dominierte - Seele ist das natürliche Kontinuum, an das die Gnade anknüpft und es zur Vollendung bringt, sondern die durch eine bestimmte innerwekliche Geschichte geprägte Seele. Eine Unterscheidung der Relationen findet nicht statt; die Coram-mundo-Dimension geht postmortal weiter, ja wird zum eigentlichen Gegenstand des coram deo. Die Biographie, der Lebensweg mit allen seinen Inhalten und Facetten, nicht hinsichtlich des Wieweit des asketischen Separationsprozesses, sondern in positiv-integrativer Weise ist Grundlage des Standes vor Gott. Nicht die in der Zeit eingenommene Haltung gegenüber Gott, etwa das Bekennen oder Verleugnen Jesu (Lk. 12,8f.), hat Gewicht fiir die Ewigkeit; nicht ist die Ewigkeit in der Zeit präsent im Anspruch Gottes, im Gesetz als Maßstab des kommenden Gerichts und im Evangelium als vorweggenommenem Freispruch aus dem Gericht. Nicht der Gottesbezug ist der Ewigkeitsbezug, sondern die innerweltlichen Bezüge werden in die Ewigkeit hinein verlängert. Nicht nur die Geschichte Gottes mit und am Menschen transzendiert die Todesgrenze, sondern die Geschichte des Menschen gegenüber der Welt hält sich durch. Der Totalaspekt der menschlichen Existenz wird nicht exzentrisch, ex foro dei begründet, sondern konzentrisch im Rückverweis auf sich und sein Leben bzw. additiv: der Mensch begegnet als Summe seiner biographischen Lebensdaten und -taten. Der thomanische Synergismus bleibt der Struktur nach erVgl. Greshake, Auferstehung, 376; dazu Nachtwei, UnsterbUchkeit, 123fF. Vgl. Greshake, Naherwartung, 118 Greshake, Seele, 151 Greshake, Seele, 118.126, will die Materialität vom biblischen Terminus „πάσα σάρξ" her gedacht wissen. Sie besagt dann die Gesamtheit der Schöpfung, die in ihrer Verwobenheit und in ihrer Hinfälligkeit Gegenstand der Verheißungen Gottes ist.
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halten. Der Part des Menschen besteht nun allerdings nicht mehr in einem Tugendleben, das die Beherrschung und Unterordnung des Leibes voraussetzt, sondern gerade im Vollzug der Leiblichkeit, d. h. des interpersonalen Handelns. Es geht nicht nur um die Aktualisierung einer im Intellekt zuhandenen Anlage auf Gott hin, an der der Leib nur in abgeleiteter Weise partizipiert, sondern um die Umsetzung eines den ganzen Menschen umfassenden Habitus' - aber eben doch eines Habitus'! Unzerstörbar ist nicht nur eine intellektiv strukturierte Seele, sondern auch eine bestimmte Leibiichkeit, ja fast: die Seele als Leiblichkeit - im relational-kommunikativen Sinne"*". b) Auferstehung als Vollendung der menschlichen Freiheitsgeschichte Der Tod ist das Ende der sich unter Raum-Zeit-Bedingungen vollziehenden Auszeitigung des menschlichen Subjekts und zugleich deren Verendgültigung, d. h. Vollendung, weil der Ertrag des gelebten Lebens nicht abgestreift wird·*^'. Schöpfung wird als Setzung eines Bleibenden und Greifbaren verstanden, d. h. als Versetzung „ins Eigene und in die Selbständigkeit"'*''. Die menschliche Freiheit und Freiheitsfähigkeit, d. h. das Vermögen zu selbständigem Handeln, ist ein geschöpfliches Kontinuum'*®'. Die freie Selbstexplikation des Menschen und die Gottesbeziehung schließen nicht einander aus. Vielmehr ist erstere Voraussetzung und Vollzug der letzteren. Die Geschichte ist ein Wechselspiel zweier Freiheiten, ein dialogisches Geschehen zwischen Gott und Mensch im Medium der Welt·*^'. Das, was der Mensch ist und durch Gottes Handeln seiner Vollendung zugeführt wird, macht Greshake, wie gesehen, nicht nur am Geist, am Intellekt, sondern an der Gesamtheit der Realisierungen seiner Freiheit in diese Welt hinein fest. Im Gefolge von Teilhard de Chardin und Rahner bekämpft er die Annahme einer Diastase von Materie und Geist und vertritt im Gegenzug eine zunehmende Komplexion beider Dimensionen. Die leibseelische Reziprozität wird dynamisiert; die Leiblichkeit ist notwendiger Existenzmodus der Seele und wird zugleich in die Seele als deren konkrete Prägung hineingenommen, verinnerlicht''". Tod und Auferstehung müssen unter dieser Perspektive koinzidieren. Die Seele ist unzerstörbar nur als eine konkret geprägte, d.h unter Einschluß ihrer Leiblichkeit. Der Tod führt nur den Verlust des raumzeidich gebundenen Körpers herbei, d. h. quasi der Hülle, des Instruments der Leiblichkeit, aber nicht der Leiblichkeit selbst"·^^. Der Mensch ist In diese Richtung zielt die Kritik HaefFners, Versuch/Anhang, 187, an Greshake. Vgl. Greshake, Naherwartung, 109; ders., Seele, 151; ders., Resurrectio, 264 Greshake, Resurrectio, 303; ders., Naherwartung, 108f. ^ Vgl. Greshake, Naherwartung, 110 Vgl. Greshake, Auferstehung, 338-348 ^^ Vgl. Greshake, Naherwartung, 119 Vgl. Greshake bei HaeflFner, Versuch/Anhang, 181
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auch postmortal ein leiblich-welchaft geprägtes Wesen'"'''. Die Eschatologie ist die Vollendung der Protologie. Wenn die Kommunikabilität und tatsächliche Kommunikation gegenüber der Weit ein protologisches Konstitutivum und Wesenskontinuum ist, muß sie auch ein wesendiches Moment des eschatologischen Ziels sein^'''. Nicht nur fallen individueller Tod und Auferstehung zusammen, sondern auch die individuelle Auferstehung im Tod und die universale am Jüngsten Tag sind „durch einen dynamischen progressiven Prozeß miteinander verknüpft'"'^'^. Die Auferstehung Christi als des Ersriings garantiert, daß die Auferstehung des einzelnen nicht ein nur individuelles Geschehen ist'"'^. Mit dem Tod jedes einzelnen Menschen wird jeweils ein neues Stück Welt und Geschichte in die Vollendung eingebracht. Der Prozeß des Eingefugtwerdens in den Auferstehungsleib Christi dauert so lange, bis dieser alle Menschen umfaßt''®'. Es bleibt jedoch unklar, inwiefern Christus der Erstling der Auferstehung ist, zumal diese universal gedacht ist und nicht nur die Christen umfassen soll. Der Zusammenhang von Sünde und Tod bzw. Sündenvergebung und Auferstehung bleibt außer Betracht. Es geht um eine Verendgültigung des gelebten Lebens, bei allen Menschen und unabhängig von deren Glauben oder sündhafter Rebellion gegen Gott. Die Universalität der Auferstehung beruht nicht auf der Anrede Gottes, seinem im Gesetz manifesten Anspruch, sondern in einer vorgängigen protologisch-konstitutionellen Struktur, die eine Dynamik auf die - neu gedeutete - Auferstehung in sich enthält. Die Dialektik einer doppelten Auferstehung zum Gericht und zur Rettung entfällt, weil die Auferstehug protologisch, nicht soteriologisch begründet wird. Sie erscheint gewissermaßen als ein naturgesetzlicher Vorgang, der in der Wesensbestimmung des Menschen als Person, als freiem Subjekt impliziert ist''®. Letztlich sind Auferstehung und Unzerstörbarkeit identisch, wobei erstere in letztere aufgelöst wird. Von der Leiblichkeit gelten dieselben Aussagen wie von der Seele. Die Auferstehung ist schöpferisch mitgesetzt; es bedarf nicht eigentlich eines neuen Eingreifens Gottes. Der Preis ftir diesen der hebräischen Anthropologie mit ihrer Betonung des Totalaspektes des Menschseins scheinbar so gut entsprechenden Ansatz''^® ist eine Sublimierung und Spiritua-
Greshake, Resurrectio, 264 Vgl. Greshake, Naherwartung, 117 Greshake, Seele, 152 Greshake, Seele, 152 So Greshake, Seele, 152f.; dazu Nachtwei, Unsterblichkeit, 126 Während bei Thomas neben der geschöpflich, nämlich in der Immaterialität gesetzten Unzerstörbarkeit der Geistseele die unterstützende Wirkung der Gnade zur Reintegration des Leibes bis hin zur Auferstehung notwendig ist, bestreitet Greshake eine durch die Sünde bewirkte oder ohnehin vorhandene Diastase von Seele und Leib. Zur eindeutigen Option fur das hebräische Menschenbild: Greshake, Naherwartung, 86 (vgl. ders., Seele, 123)
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lisierung der Leiblichkeit. Sie muß vom Körper getrennt und in nicht-physischer Weise verstanden v^ferden·*^'. Die Leiblichkeit wird Bestandteil und Derivat der Seele; die Auferstehung bleibt ein Geschehen an der Seele, d. h. die Bestätigung und Verendgültigung ihrer konkreten Prägung"*^^. Der Leib in materiell-immanenter Hinsicht wird nicht ernstgenommen. Die alte Gleichsetzung von Materialität und Vergänglichkeit hält sich durch, ohne daß ein endzeitliches Handeln Gottes an der Körperlichkeit erwartet würde. Der anthropologische Dualismus, wie ihn Greshake gerade umgehen möchte, tritt in subtiler Weise wieder in Erscheinung''^^.
Greshake, Naherwartung, 86 (vgl. ders., Seele, 123), stellt wohl nicht zu Unrecht heraus, daß die altkirchliche Betonung der Auferstehung des Fleisches und der physischen Kontinuität zwischen Erden- und Auferstehungsleib vor allem auf der antignostischen Abgrenzung beruhte. Es ist dann um so erstaunlicher, daß er in Abgrenzung gegen eine vermeintlich neugnostische Position der neueren evangelischen Theologie gerade den altkirchlichen Weg verläßt (ders., Naherwartung, U l f ) Greshake, Seele, 148.157, und Kremer/(Greshake), Resurrectio, SfiF., berufen sich zwar auf die Polysemie des AuferstehungsbegrifFs im Neuen Testament, um eine nichtmaterielle, relationale Deutung der Leiblichkeit stützen zu können. Aber die angeführten Belege betreffen nur die Gottes-, nicht aber die Weltbeziehung des Menschen. Positiv bewertet Benoit, Auferstehung, 723, Greshakes Interpretation der Leiblichkeit. Ahnlich wie Greshake und Rahner stellt Boros, Sinn, 6 7 4 f 6 7 6 , dem Verbrauch, dem allmählichen Entschwinden des äußeren Menschen ein Wachsen der Innerlichkeit, eine Selbstüberbietung gegenüber. Im Tod wird der innerliche Mensch gesetzt, ein verklärter, durchgeistigter Leib erzeugt (Boros, Sinn, 676.677; vgl. Luyten, Todesverständnis, 173). In relationaler Weise wollen auch Metz und Fiorenza, Einheit, 6 3 1 f , die Leiblichkeit deuten. Hinsichdich des postmortalen Bereiches ist nicht der leibliche Zustand als solcher von Interesse, sondern es geht um „die vor Gott bleibende ,ewige' Gültigkeit seines frei getanen Daseins"; die Leiblichkeit muß „neu qualifiziert werden", nämlich „als eine Offenheit zur Geschichte" (vgl. ebd., 6 1 8 f ) . In diese Richtung zielen auch die Erläuterungen des thomanischen Hylemorphismus, ebd., 622: die Seele ist „nur wirklich in ihrem realen Außer- sich-sein als informierende Wirklichkeit, d.h. als Leib" (Hervorhebung im Original). Der Mensch erfahre Subjektivität nicht durch einen reflexiven Blick auf sich, sondern in und durch seine intersubjektiven Beziehungen (ebd., 621). Ähnlich setzt die heftige Kritik Luytens, Todesverständnis, 178f, und Ratzingers, Eschatologie, 96f 137-139.159 (dazu Nachtwei, Unsterblichkeit, 166), an. Allerdings legen beide kein überzeugendes Alternativmodell vor, sondern erneuern die thomanische Lehre von der anima separata (Luyten, Todesverständnis, 192; zu Ratzinger s.u.). Bezeichnend ist die Kritik von Ziegenaus, Auferstehung, 121, der den Seelenbegriff nicht von der Bibel her definieren möchte, sondern liturgische Praktiken wie die Heiligenverehrung und das Gebet für die Verstorbenen bzw. die postmortale Läuterung als Prämissen zugrundelegt; der Greshakesche Ansatz einer Auferstehung im Tod mache den Zwischenzustand „funktionslos" (ebd.).
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3. Relationale Akzentuierung innerhalb des substanzontologischen Grundschemas (J. Ratzinger) a) Relation ah Relationsfiihigkeit Joseph Ratzinger verwahrt sich in seinen neueren Ausführungen zur Eschatologie gegen eine Eliminierung traditioneller Termini und der mit ihnen explizierten Sachverhalte aus liturgischen Texten und Lehraussagen. Die Gemeinden würden verunsichert und sprachlos, wenn ihnen nicht der Seelen- und UnsterblichkeitsbegriflF zur Verfügung stehe'*^'*. Methodisches Ziel ist ihm daher nicht die Veränderung der Glaubensessenz und der überlieferten Begrififlichkeit, sondern deren Entfaltung und Durchdringung·*^'. Der SeelenbegriflF entstammt nicht einfach philosophischem Denken, sondern mit seiner Übernahme in den christlichen Sprachgebrauch verbindet sich eine Reinigung und Umgestaltung''^®. Um der berechtigten Antithese gegen dualistische Konsequenzen einer ontisch gefaßten Seelenlehre zu entsprechen, betreibt Ratzinger eine Akzentuierung des relationalen Moments der thomanischen Psychologie. Das Personsein soll weniger mit Boethius im Vernunftbesitz als mit Richard von St. Viktor im Vollzug der Kommunikabilität festgemacht werden: es bedeutet so viel wie das „Beim-anderen-Sein"·*^^. Dementsprechend geht es nicht darum, „Seele" zu „haben" als zu sein, d. h. „Dialogpartner Gottes [zu] sein"·*^®. In der analytischen Ausführung des dialogischen Strebens der menschlichen Existenz verfällt Ratzinger jedoch den im thomanischen Ansatz mitgegebenen Schwierigkeiten. Die Bezogenheit auf Gott beruht nicht auf einer aktuellen Beziehung zum Wort Gottes, zu dem gleichzeitig und je neu in Beziehung zum Menschen tretenden Gott, sondern in einer geschöpflich gesetzten Potenz. Der Blick auf Gott richtet sich zurück und nach vorne. Die Schöpfting ist eine Mitteilung, eine Zuteilung eines dann frei verfügbaren Gutes; die Erlösung ist eine erneute Gnadenzuteilung''^'. In der jeweiligen Gegenwart und als Kontinuum wird die Gottesrelation jedoch nur in einem Internum manifest, in einer dispositiven Struktur. Die Gottesbeziehung bleibt in einem Voraus, nicht weil das sie je neu setzende Handeln Gottes
Raninger, Auferstehung, 210; ders., Eschatologie, 99; dazu Nachtwei, Unsterblichkeit, 21. „Seele" erscheint als „ein Grundwort des Glaubens und Betens der Christenheit" (Ratzinger, Auferstehung, 212; vgl. ebd., 214) Raßinger, Auferstehung, 211 Ebd., 2 2 0 Ratzinger, Personverständnis, 220; dazu Nachtwei, Unsterblichkeit, 29 Ratzinger, Einführung, 296; vgl. ders., Jenseits, 241: „Seele ist nicht ein okkultes Etwas, das man hat; ein Substanzstück, das irgendwo verborgen im Menschen steckt; sie ist die Dynamik einer unendlichen Ofïenheit, die zugleich Teilhabe an der Unendlichkeit, am Ewigen bedeutet" Vgl. Raainger, Eschatologie, 130
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unverfügbar ist, sondern weil sie erst durch Aktualisierung einer dem Menschen zuhandenen Anlage Wirklichkeit wird. Die Seele ist der Ort der „Beziehungsfähigkeit" des Menschen, das, worin die Beziehung im Menschen einen - ihr vorgängigen - Anhaltspunkt findet'"". Der Mensch ist das „gottfähige Wesen"'*®'. Die Relation setzt das voneinander unabhängige Sein der Relate als ihrer Träger und Vollzugssubjekte voraus·*®^. Der Mensch wird von Gott ins Eigene, in Freiheit versetzt·*®'. Weil das menschliche Spezifikum nicht in einer von außen, vom Wort Gottes her gesetzten Qualifikation besteht, sondern in einer Disposition, wird das Menschsein quantifiziert. Der Mensch ist dadurch Mensch, „daß er unendlich hinausreicht über sich, und er ist folglich um so mehr Mensch, je weniger er in sich verschlossen, ,beschränkt' ist"''®'*. Das Menschsein ist mit dem Maß der Realisierung der Gottesrelation steigerungsfähig. Zwar vermeidet Ratzinger eine Bezugnahme auf den Intellekt und verzichtet somit auf eine inneranthopologische Lokalisierung und Präzision der zur Gottesrelation befähigenden Disposition. Er möchte wohl die materielle Dimension des Menschen nicht aus der Relation ausgeklammert wissen. Aber in der Begründung der Unsterblichkeit überwiegt dann doch die Differenz und Superiorität der Seele gegenüber dem Leib: „Oder gibt es doch etwas, was im zeiträumlichen Zersetztwerden des Leibes von ihm unterscheidbar besteht und aus der Zeit heraustritt, die ihn nur erst vollends in Besitz nimmt? Wenn es aber ein solches Etwas gibt, warum darf man es dann eigentlich nicht Seele nennen?""*®^. Letztlich ist nicht der Mensch in seiner psychophysischen Ganzheit Träger der Gottesrelation und damit auch der Kontinuität der Person, sondern die Seele in Unterschiedenheit vom Leib'*®''. h) Zwischenzustand ohne Separation Trotz des eben Gesagten gilt: Ratzinger will ebenso wie Greshake die Annahme einer anima separata vermeiden und Geist und Materie in ein positives Verhältnis überfuhren. Er möchte dies aber nicht unter Preisgabe des ZwiRaßinger, Auferstehung, 222; ders., Eschatologie, 130 Ratzinger, Begründung, 16 Vgl. Ratzinger, Eschatologie, 124; vgl. ebd., 123 Ratzinger, Schöpfting, 461.463 Ratzinger, Einfuhrung, 190 Ratzinger, Auferstehung, 217; andere Äußerungen geben die thomanische Supergredienz wieder, z. B. ders.. Eschatologie, 126: „Die Seele gehört dem Leib zu als ,Form', aber das, was .Form' des Leibes ist, ist doch Geist, macht den Menschen zur Person und öffnet ihn so auf Unsterblichkeit hin" Rarainger, Auferstehung, 211 : fur den Zwischenzustand gilt, daß „die Kirche die Kontinuität und die selbständige Existenz des geistigen Elements am Menschen nach dem Tode" festhält, „das mit Bewußtsein und Wille ausgestattet ist, so daß das ,Ich des Menschen' weiterbesteht"
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schenzustandes und der Materie als solcher erreichen. Ratzinger kann die Dialektik der prä- und postmortalen Perspektive nicht nachvollziehen. Eine Simultaneität und beziehungslose Parallelität von partiellem BeVbllendetsein und universalem Weiterlaufen der Geschichte erscheint ihm als Paradox"*'^. Die Kommunikabilität des Menschen hat nicht nur Gott, sondern auch die Welt, die in der Zeit verlaufende Geschichte zum Gegenstand. Der Welt- und Zeitbezug, die Mit-Zeitlichkeit, die im Menschsein mitgesetzt ist, soll nicht nur vfc'ie bei Greshake als ein „perfectum", in der Form eines gelebten Lebens affirmiert werden und sozusagen in der Rückschau für den postmortalen Bereich Gültigkeit haben. Vielmehr soll zwischen Zeit und Ewigkeit eine aktuelle Wechselwirkung bestehen, zwischen beiden vermittelt und eine „Zeit in Ewigkeit" angenommen werden^®®. Die zeidiche Geschichte eines Menschen kann nicht beendet sein, solange ein Teil ihrer selbst, die anderen Menschen gegenüber begangene Sünde, noch Nachwirkungen zeitigt: „ein Mensch kann nicht ganz fertig und am Ende sein, solange seinetwegen noch gelitten wird, solange Schuld, die von ihm ausgeht, auf Erden weiterglimmt und Menschen leiden macht"^^'. Den irdischen Nachwirkungen korrespondieren die zeitlichen Sündenstrafen, die im postmortalen Raum - als Purgatorium - ausgelitten werden müssen. Die weitergehende Schuld, das „zu-Endeleiden der irdischen Hinterlassenschaft" bedingt ein bleibendes Ausgeliefertsein an die Zeit'"". Die universal-gesamtmenschheitliche Vollendung hat eine konstitutive, nicht nur additive Bedeutung fiir die individuelle Vollendung. Die Vollendung ist erst dann im Vollsinn des Wortes gegeben, wenn sich nichts mehr auf dem Weg zur Vollendung befindet'"'. Der Tod separiert nicht die Seele von der Welt und Zeit, sondern intensiviert ihre Bezüge zur Immanenz. Ratzinger betreibt eine relationale Auslegung und Begründung des Zwischenzustandes. Es geht ihm nicht um den im Tod vollendeten Gottesbezug, um die leiblose visio beatifica, sondern um das aktuelle Weitergelten und -wirken des Weltbezuges in Mitsorge (Fürbitte der Heiligen) und Mitleid (Purgatorium)'"^. Der Tod verliert jedoch seine Zäsurbedeutung, wenn er nicht zur unmittelbaren Konfrontation mit der Ewigkeit, mit Gott fuhrt, sondern nur das Wie des Weges zur Gottfähigkeit und dem folgend: zur Gottesbegegnung verändert'"^. Es ist zwar richtig, die Weltge-
Ratzinger, Auferstehung, 217: „wieso kann die Geschichte irgendwo schon zu Ende sein ..., während sie in Wirklichkeit noch auf dem Wege ist?" Vgl. Nachtwei, Unsterblichkeit, 96-100.109; Ratzinger, Eschatologie, 151: „Das Netz der Mitmenschlichkeit ist zugleich auch ein Netz der Mitzeitlichkeit" Ratzinger, Eschatologie, 155 Ratzinger, Eschatologie, 156.155 So stellt es Nachtwei, Unsterblichkeit, 105.107, heraus. Dazu Unsterblichkeit, 107 Zu Letzterem Ratzinger, Eschatologie, 188; Nachtwei, Unsterblichkeit, 62f Der Mensch kann keine neuen Sünden begehen, sondern nur für die alten Strafe erleiden.
W e i t e r f i i h r u n g des t h o m a n i s c h e n Ansatzes
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schichte, die empirische Verlaufszeit als solche ernstzunehmen und sie nicht wie Greshake außen vor zu lassen bzw. generell in eine Überzeitlichkeit zu transformieren, sondern den Jüngsten Tag und den neuen Himmel und die neue Erde als k o m m e n d e Ereignisse zu erwarten'"''. Problematisch ist jedoch die Hereinnahme des verlaufszeitlichen Intervalls in den postmortalen Bereich und der damit gegebene Versuch einer quantitativen Erfassung qualitativer Veränderungen. Es muß nicht der prämortalen Zeitdifferenz bis zur Parusie auch eine postmortale entsprechen'"^. Der Vollendung der Zeit als Zeit korrespondiert das Interesse an der Materie als Materie. Der materielle Körper soll nicht als zeitweilig gebrauchte Hülle der Leiblichkeit - im relationalen Sinne - im Tod abgestreift und zurückgelassen werden. Es mutet wohl in der Tat - zumindest aus der prämortalen Perspektive - als grotesk an, von noch auf dem Totenbett liegenden Menschen die Auferstehung auszusagen"*"·. Ratzinger wehrt sich gegen eine völlige Interiorisierung von Materie und Kosmos und möchte sie als eigenständige Wirklichkeiten festhalten. Der altkirchliche Terminus der Auferstehung des Fleisches wird begrüßt, weil er die geschöpfliche Totalität des Menschen als Gegenstand des eschatologischen Handelns Gottes herausstellt'"^. Zwar hält Ratzinger „Einzelheiten der Auferstehungswelt" für „unausdenkbar" und stimmt teilweise Greshakes Anliegen zu, die Kontinuität des Erden- und Auferstehungsleibes an rein physischen Kriterien festzumachen""®. Aber „die SeeRatzinger, Eschatologie, 158; Nachtwei, Unsterblichkeit, 129.173.180 Man wird anders als Ratzinger G. Lohfinks Erwägungen über eine Zeidosigkeit bzw. besondere Art der Zeitlichkeit jenseits des Todes eher positiv zu beurteilen haben. Lohfink/ (Greshake), Naherwartung, 64f., schließt sich an Thomas' These eines „aevum" an, d.h. einer Zeit, die zwar im Unterschied zur Ewigkeit einen Anfang, aber anders als die Verlaufszeit kein Ende hat. Ihm geht es um eine Uberwindung der Alternative von Zeit und Ewigkeit (ebd., 66), nicht um eine Einzeichnung der Zeit in die Ewigkeit wie bei Ratzinger. In der inhaltlichen Ausführung begründet Lohfink die Überlegenheit über die Verlaufszeit nicht mit der postmortalen Verbundenheit und Konfrontation mit Gott, im Blick nach vorne, sondern in einer Rückbindung an das gelebte Leben, das vollzogene Coram-mundo, das in einem „tota simul" zusammengezogen, „verklärt" wird (ebd., 6 7 f : verklärte Zeit als „die Gesamtsumme seiner zeitlichirdischen Existenz", „Ernte der Zeit", „gesammelte Zeit"; ebd., 69: „Prozeß des ständigen Hineingezeitigtwerdens der gesamten irdischen Existenz in ihre jenseitige Vollendung"). Ratzinger moniert, daß der Begriff des aevum, obwohl von Thomas zur Beschreibung der Lebensweise der Engel herangezogen, hier auf den Menschen übertragen werde; zum Menschsein gehöre konstitutiv die Zeitlichkeit (Ratzinger, Eschatologie, 150). Zudem (ebd.) sei eine begonnene Ewigkeit keine Ewigkeit. Sowohl Lohfink und Greshake als auch Ratzinger können der Definition des Todes als eines Eintritts in die Ewigkeit nicht oder nicht voll Rechnung tragen, weil sie den Weltbezug zum integralen Bestandteil des Gottesbezuges machen und so den Tod in einen Weg des Menschen auf Gott hin statt in einen Weg Gottes mit dem Menschen einzeichnen. So Ratzinger, Eschatologie, 96 Raninger, Eschatologie, 115. Richtig erkennt Ratzinger, Eschatologie, 76fF. lOOf 102.112, den Zusammenhang gerade von Auferstehung, nicht nur Unsterblichkeit, und Gottesbeziehung. Ratzinger, Eschatologie, 158f Andererseits wehrt er sich gegen eine Repristinierung des
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Unsterblichkeit - der römisch-katholische Ansatz
le, die fortbesteht, hält verinnerlicht die Materie ihres Lebens in sich und ist so ausgespannt a u f . . . die neue Einheit von Geist und Materie hin Die Komp exion von Geist und Materie hat mit der Verinnerlichung und Integration der letzteren in den ersteren nicht ihr Ziel erreicht, sondern kann erst in der leiblichen Auferstehung realisiert werden. Es ist aber die Frage, ob tatsächlich von einer Nichtsepariertheit der Seele im Zwischenzustand gesprochen werden kann, wenn ihre Verbindung zur Materie als insuffizient und ergänzungsbedürftig gedacht wird. Die Auferstehung erbringt dann gleichsam eine Retransformation der verinnerlichten Leiblichkeit in eine materielle Erscheinungsweise. Ratzinger kann dem Totalaspekt der Anthropologie nur mit Hilfe der additiv-hierarchischen Perspektive der traditionellen, bipolaren Eschatologie gerecht werden; seine Abgrenzung gegenüber einem wie auch immer gearteten anthropologischen Dualismus bleibt zweifelhaft^®".
VII. Ansatz einer grundsätzlichen Revision: Schöpfungsmodus statt intellektiver Disposition als Grundlage der Gottesrelation (Tertullian) 1. Unsterblichkeit trotz
Materialität
Die Ausführungen Tertullians (gestorben nach 220) in seinen eschatologischen Schriften bieten einige Anhaltpunkte für eine grundsätzliche Kritik der römisch-katholischen Seelenlehre. Wie alles Existierende ist die Seele ein Körper, wenn auch ein „corpus sui generis". Sie darf nicht aufgrund einiger Eigenschaften, durch die sie von der übrigen Körperwelt unterschieden ist, aus der Klasse der „corporalia" ausgeschieden werden^"'. Die Seele hat mit allen anderen Körpern die räumliche Ausgedehntheit und Gestalthaftigkeit, ja Farbe gemeinsam'"^. Die körperlichen Qualen im Hades erweisen ihre Passibilität, die ihrerseits eine Körperlichkeit voraussetzt^"^. Daneben kennzeichnen sie einige Eigenschaften und Fähigkeiten, durch die ihre Körperlichkeit nicht gesprengt, sondern spezifiziert wird: sie ist als körperliche und gestaltLösungsweges des T h o m a s und des Durandus, nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die Identität des Leichnams Jesu mit dem Gekreuzigten; ebd., I49f. Ratzinger, Personverständnis, 221 " " Zur Kritik und Diskussion vgl. Nachtwei, Unsterblichkeit, 168fF. " " Tertullian, D e an. V I I I , l / C C h r . S L . 2 , 7 9 0 , 2 f . D e an. I X , l / C C h r . S L . 2 , 7 9 2 , 8 f . : „ut habitum, ut terminum, ut illud trifarium distantiuu m " ; I X , 2 / C C h r . S L . 2 , 7 9 2 , l l f . : „ e f f i g i e m a n i m a e d a m u s " ; I X , 3 / C C h r . S L . 2 , 7 9 2 , 2 0 : „lineaecorporales"; Farbe: IX,5f./CChr.SL.2,793,42; 2,793,50; bzgl. O f f b . 6,9: I X , 8 / C C h r . S L . 2 , 7 9 4 , 6 9 f . : „Per has lineas et animae martyrium sub altari intelleguntur" Tertullian, D e an. VII,1/ C C h r . S L . 2 , 7 9 0 , 3 (bzgl. Lk. 16,23fF.): „Dolet apud inferos anima cuiusdam et punitur in flamma"
Ansatz einer grundsätzlichen Revision: Tertullian
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hafte unsterblich, denkfähig und vernünftig, verftigt über die Willensfreiheit und über die Befähigung zur Herrschaft und zur Vorahnung'"''. Die Seele scheint daher Gott eher verwandt zu sein als der Materie"". Der Unterschied der Eigenschaften zeugt jedoch nicht von der Selbst- und Übermacht der Seele, sondern von der Erhabenheit des Schöpfers'"®. Nicht der Intellekt als eine konstitutionelle Struktur ist es, der den Menschen über die Tier- und Pflanzenwelt heraushebt. Er steht in einer Reihe mit den gemeinmaterielien Eigenschaften der Seele. Wahrnehmung (sentire) und Erkenntnis (intellegere) werden austauschbar, weil auf dasselbe Tätigkeitssubjekt zurückftihrbar'"^; dem Intellekt kommt keinerlei Präferenz zu'"®. Nicht ein vorfindbares Ergebnis, sondern der Modus der Schöpftmg begründet die qualitative Differenz zwischen Mensch und Tier. Die Seele ist nicht im allgemeinen Sinne ein Werk Gottes, sondern beruht auf einer besonderen und unmittelbaren Zuwendung Gottes; in dieser Charakterisierung kann sie als eine dem Menschen vorbehaltene Sache angesehen werden'"'. Sie ist ein Hauch (flatus), entstanden aus dem Anhauch Gottes"" und daher nicht aus der Materie ableitbar'". Die Beziehung zu Gott bleibt von einem vorgängigen Handeln Gottes abhängig und ist nicht zuhanden. Dem Menschen ist kein „spiritale semen" verliehen. Die Verbindung zu Gott ist nicht mach- und verfügbar, sondern wird durch den Geist Gottes hergestellt - quasi als erneute Zuwendung Gottes entsprechend der im Schöpftmgsakt manifesten Vorgabe"^.
De an. XXII, 2/CChr.SL.2,814,9-13: „animum ... immortalem, corporalem, effigiatam, substantia simplicem, de suo sapientem, uarie procedentem, liberam arbitrii, accidentis obnoxiam, per ingenia mutabilem, rationalem, dominatricem, diuinatricem, ex una redundantem" "" De an. XXII,l/CChr.SL.2,814,2f.: „de potius quam materiae propinqua cognoscitur" Vgl. De an. VIII, l/CChr.SL.2,791,4 De an. XVIII,8/CChr.SL.2,808,61-63: „rerum genera diuersa sunt, non domicilia sensus et intellectus, id est, non anima et animus". Tertullian bekämpft die platonisch-gnostische Aufspaltung der Seele in einen vernünftig-geistigen und einen körperzugewandten Teil; die Seele ist eingestaltig (uniformis); sie verftigt über Kräfte und Vermögen, nicht Teile. De an. XXI,l/CChr.SL.2,813,2: „non multiformis, quia uniformis"; XIV,3/CChr.SL.2,800,14f 16f : „uires et efFicaciae et operae"; „Non enim membra sunt substantiae animalis, sed ingenia"; vgl. CChr.SL.2,800,20f De an. VIII, 13/CChr.SL.2,809,106f.: „neque praeferendum sensui intellectum"; vgl. Χ ν ΐ Ι Ι , Ι Ι / CChr.SL.2,809,92-94: „rerum erit praelatio, sublimiorum scilicet aduersus humiliores, non intellectus aduersus sensum". Tertullian kann sogar den Pflanzen eine gewisse Denktätigkeit zuschreiben: De an. XIX,4/CChr.SL.2,810,21; vgl. XIX, 6/CChr.SL.2,811,35^1 De an. XIX, 2/CChr.SL.2, 810,8f.: „apud nos in homine priuata res"; vgl. Esser, Seelenlehre, 50: Unterscheidung durch „einen besonderen modus der Hervorbringung" "" De an. XXII,2/CChr.SL.2,814,9: „animam dei flatu natam"; XI,l/CChr.SL.2,796,9f.: „ex dei flatu"; LX,6/CChr.SL.2,793,52: „flatus et spiritus tradux"; vgl. XIX,2/CChr.SL.2,810,10 De an. XI,l/CChr.SL.2,796,9f: „aduersus Hermogenen, qui eam ex materia, non ex dei flatu contendit" De an. XI,3/CChr.SL.2,796,19; das „postea" des Heiligen Geistes: XI,3/CChr. SL.2,797,31; vgl. XI,6/CChr.SL.2,797,49f: „solam eam constat ante euentum spiritus"
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Unsterblichkeit - der römisch-katholische Ansatz
Der entscheidende Gewinn der modal-exzentrischen Begründung der Gottesrelation ist die Möglichkeit des Verzichts auf inneranthropologische Aufteilungen und Entgegensetzungen. Die Materialität bedingt nicht per se die Vergänglichkeit und Variabilität^'^. Im Gegenteil wäre die Seele ohne ihre Körperlichkeit ein Nichts (nihil)"''. Körperlichkeit ist fur Tertullian der Garant der Beständigkeit gegenüber akzidentellen Veränderungen. Der materiell-modale Begriff „flatus" bezeichnet die Seele als Substanz im Gegensatz zu ihren Akten"^ Die Unsterblichkeit wird nicht durch die Intellektivität bedingt, sondern ist wie diese Folge und Korrelat des besonderen Entstehungs- und Existenzmodus der materiellen menschlichen Seele. Sie gehört zu den „naturalia", den Wesenskennzeichen der Seele und ist Ausweis und Bestandteil der „diuinitas" der Seele'"'. Zwar betont Tertullian ähnlich wie die platonische und thomanische Tradition die Kontinuität der Schöpfung, die durch die Sünde nur überdeckt, verdunkelt, aber nicht korrumpiert werden kann"^. Aber er reflektiert nicht über eine mögliche Lokalisierung und Präzision dessen, was unsterblich macht und warum. Entscheidend ist der Rückverweis auf den Modus des schöpferischen Handelns Gottes und von daher der Blick auf das Ganze der Seele, deren Eigenschaften nur konstatiert werden können"®. Die UnsterbDie Auffassung der altkirchlichen Thnetopsychiten unterscheidet sich von der der antiken Materialisten darin, daß sie neben dem Ganztod der körperhaften Seele eine gnadenhafte, allein von Gott gewirkte Unsterblichkeit vertritt, und von der platonisch-thomanischen Tradition in der Einschränkung der Unsterblichkeit auf die Gerechten (z. B. Justin und Arnobius). Dazu Fischer, Studien, 52f.58-60 De an. VII,3/CChr.SL.2,790,l4f. Vgl. De an. XI,l/CChr.SL.2,796,6-10. Dazu Esser, Seelenlehre, 45.65.67£81. Esser, ebd., 77.79, beklagt freilich, daß Tertullian ein rein geistiges Wesen und Sein nicht erfassen könne. Mit der Feststellung einer zunehmenden Vergeistigung des Körperbegriffes und der Zuordnung „geistiger" Eigenschaften zur Seele versucht er, Tertullian wrenigstens tendenziell für die römisch-katholische Theologie, gewissermaßen als eines noch nicht ausgereiften Modells im Rahmen einer Lehrentwicklung, zu retten. Man wird hingegen mit Greshake, Seele, 120f, die Einsicht in die Kommensurabilität von Seelesein und Materialität positiv zu bewerten haben, ohne Tertullian zum Kronzeugen der Greshakeschen Materie-Sublimierung zu machen. Es ist doch hervorzuheben, daß eine Ontologie als Lehre vom Seienden als Seiendes im Unterschied zum Werdenden und Veränderlichen hier ohne einen Rekurs auf die intellektive und immaterielle Struktur des Seienden auskommt. D e an. X X I V , 2 / C C h r . S L . 2 , 8 1 6 , 1 I f ; A u f z ä h l u n g der E i g e n s c h a f t e n : X X I I , 2 / CChr.SL.2,814,9-13. Dazu Esser, Seelenlehre, 63.83 De an. XXI,3/CChr.SL.2,813,15f; XLI,l/CChr.SL.2,844,2-5: „ex originis uitio antecediti naturale quodammodo. Nam, ut discimus, naturae corruptio alia natura est... tamen insit et bonum animae"; XLI,2/CChr.SL.2,844,7f.: „поп tamen extinguitur quam obumbratur" Tertullian leitet die Unzerstörbarkeit der Seele auch von ihrer Einfachheit ab. Dies ist aber nicht in ihrer Intellektivität und Immaterialität begründet, sondern gerade in der instrumentalen Integration und Beiordnung aller Seelenvermögen: De an. XTV, 1 /CChr.SL. 2,799,1.4f : „singularis"; „simplex"; „Itaque quia non mortalis, ñeque dissolubilis ñeque diuisibilis"; XIV,3/ CChr.SL.2, 800,14f: „uires et efficaciae operae"
A n s a t z einer grundsätzlichen Revision: Tertullian
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lichkeit beruht auf der im Geschaffensein als „flatus" manifesten Relation zu Gott. Die Gottesrelation kommt immer schon her vom Gehandelthaben und In-Beziehung-Getretensein Gottes und ist nicht erst vom Menschen approximativ herzustellen. Man wird die durch Tertullians Einsichten gegebenen Impulse dahingehend weiterzufuhren und zu akzentuieren haben, daß die Vorgängigkeit und die konstitutive Bedeutung der Relation in ihrem Vollzug ftir das Bezogene herausgestellt wird. Das Externum darf nicht als eine sekundärakzidentelle Wirklichkeit verstanden werden, etwa als Aktualisierung einer an sich und unabhängig vom Vollzug der Relation vorhandenen Disposition, sondern Sein, Bezogensein und aktueller Vollzug der Beziehung müssen koinzidieren. Die Seele muß nicht die materiellen Begrenzungen durchbrechen und den Leibbezug transzendieren, um unsterblich, weil unzerstörbar zu sein. Oder umgekehrt: sie ist nicht aufgrund einer wesensmäßigen Konvergenz und Reziprozität zum Leib schlechthin sterblich, wie Pomponazzi annimmt. Sondern unabhängig von ihrer materiellen oder - bei Tertullian gleichrangig und beigeordnet - intellektiven Struktur ist sie unsterblich aufgrund der vom Gegenüber Gottes gestifteten und aufrechterhaltenen Relation zu Gott^". Eine ontologische Betrachtung der Seele ist insofern berechtigt, als es sich bei ihr um etwas real Vorhandenes und nicht um eine Summe von Bevmßtseinsvorgängen und eine Abfolge und Wechselwirkung affektiver Zustände handelt. Sie besteht nicht von den ihr zuhandenen und durch sie realisierbaren Funktionen her, sondern liegt ihnen zugrunde. Aber dies kann sie nur, weil sie zugleich auf Gott bezogen ist und dieser Gottesbezug unabhängig von den innerweltlichen Veränderungen, Relationen und Geschehnissen Bestand hat. Die überfunktionale Dimension wird nicht durch eine Abstufung der Funktionen und Vermögen und die schlechthinnige Superiorität der obersten über die unteren, nicht also über einen auch möglichen immateriellen Seinsund Tätigkeitsmodus gewährleistet, sondern über die Konfrontation mit dem Anspruch und Zuspruch Gottes. Das Sein des Menschen ist den zwischenN . Slenczka, Realpräsenz, 1 1 4 . 1 6 6 f . l 8 2 - 1 8 5 . 2 2 4 f . 2 2 7 . 2 9 1 f . 3 0 3 . 3 3 7 . 3 3 9 . 3 8 6 . 536.540.547.560.564.569f.575, stellt im Hinblick auf das Abendmahl einen ähnlichen Zusammenhang heraus. Auch in den neueren römisch-katholischen Entwürfen der Eucharistielehre begegnet demnach eine substanzontologische Ausdeutung der Zueignung des Heilswerkes Christi bzw. der heilvollen Gegenwart Christi. Das An-sich liegt hier auf der Seite Gottes, genauer: im opus operatum der sakramentalen Handlung bzw. in den gewandelten Elementen; die Relation des Mensch zu diesem An-sich bzw. die finale Durchbrechung des Zugrundeliegenden auf ein Sein-fiir, ein Erscheinen hin ist dem nachgeordnet. Die im opus operatum gesetzte Wirklichkeit bleibt extra usum bestehen ebenso wie Gott und sein Wort zum intellektuell ergründbaren Gegenstand der Reflexion bzw. der Zustimmung (assensus/fides histórica) werden. Keine Beachtung findet hierbei die Tatsache, daß die beiden Seiten der Relation sich nicht wie Substanz und Akzidens zueinander verhalten, sondern sich in einem pneumatisch gewirkten Korrelationszusammenhang befinden. Das Einsetzungswort ist auch ein Verheißungswort, das das enthält und mitteilt, was es zusagt. Christus ist der Christus pro nobis, der den Glauben wirkt und zugleich im Glauben ergriffen wird (fides apprehensiva).
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Unsterblichkeit - der römisch-katholische Ansatz
menschlichen A k t e n vorgelagert u n d geht nicht in i h n e n auf. Es k o m m t aber h e r u n d w i r d je neu gesetzt v o m A k t G o t t e s a m M e n s c h e n .
2. Auferstehung als Implikat des Gerichts Tertullian v e r m e i d e t a u f g r u n d seiner antignostischen Frontstellung alle dualistischen Tendenzen, die den Leib abwerten u n d die Einheit des M e n s c h e n u n d der Seele gefährden k ö n n t e n . Letztere w i r d bereits in der S i m u l t a n e i t ä t der Entstehung manifest. D i e Seele w i r d z u s a m m e n m i t d e m S a m e n in der G e b ä r m u t t e r e m p f a n g e n (Traduzianismus)"". Das W a c h s t u m der Seele als Explikation v o r m a l s verborgener A n l a g e n vollzieht sich parallel u n d in K o o r d i n a t i o n zu d e m des Leibes"'. Tätigkeit u n d Sein beider anthropologischer D i m e n s i o n e n vollzieht sich in reziproker Weise: der Leib steht i m D i e n s t der Seele, aber als G e f ä h r t e , nicht als Instrument'^^; der Leib ist Herberge, aber n i c h t G e f ä n g n i s der Seele^^^. Tertullian v e r m e i d e t eine i n n e r a n t h r o p o l o g i s c h e Lokalisierung der S ü n d e u n d differenziert ganz anders als die augustinischt h o m a n i s c h e Tradition nach i h m zwischen d e m „carnaliter" u n d „in carne" als Q u a l i f i k a t i o n e n des Lebens; d e m e n t s p r e c h e n d geht es n i c h t d a r u m , d e m Leib, s o n d e r n der Ü b e r t r e t u n g abzusterben'^·*. Leib u n d Seele partizipieren konsequenterweise n i c h t in sukzessiver, son-
" " De an. XXIV,8/CChr.SL.2.817,58-61; abgelehnte These: XXIV,12/CChr.SL.2,818, 96-98: „ut animae et innatur et in caelestibus conuersatae et consciae diuinorum illic et inde delatae et hic recordatae crederentur, ad occasiones plane haereticis subministrandas"; XXV,2/ CChr.SL.2,819,6-8; Beweise, daß bereits der Embryo über eine Seele verfugt in XXVI, 1-5/ CChr.SL.2,821,1-822,38; XXVII,l/CChr.SL.2,822,3-823,1: „simul ambas et concipi et confici, perfici dicimus"; CChr.SL.2,823,4f.: „nec ullum interuenire momentum in conceptu quo locus ordinetur"; XXVII,3/ CChr.SL.2,823,13f.: „Pariter ergo in uitam compinguntur quae pariter in mortem separatur"; zwei Leib und Seele repräsentierende Bestandteile des Samens sind „contemporales eiusdemque momenti" (XXVII,4/CChr.SL.2,823,20f.); XXXVII, 1/ CChr.SL.2,839,1-8, kann dann auch davon sprechen, daß der Mensch in den Uterus eingesät werde. De an. XXXVII,5/CChr.SL.2,840,30: „simul crescunt"; 2,840,36: „paulatim cum carne producitur"; XXXVII,7/CChr.SL.2,840,48f.: „Ita et animae crementa reputanda, non substantiua, sed prouocatiua" De res. 16/CChr.SL.2,939,3: „in officio animae"; abgelehnt: CChr.SL.2,939,10f.: „uasculi adparere animae, ut instrumentum, non ut ministerium"; CChr.SL.2,940,40-42: „caro autem, ab exordio uteri consata conformata congenita animae, etiam in omni operatione miscetur illi" De an. XXXVIII,4-5/CChr.SL.2,842,36; 2,842,40f. De res. 46/CChr.SL.2,983,9f.; CChr.SL.2,984,34f.: „non caro aduersatur saluti, sed operatio carnis"; CChr.SL.2,984,47-49: „Sic etsi sensum carnis mortem appelauit, dehinc et inimicitiam ad deum, sed non carnem ipsam"; De res. 47/CChr.SL.2,985,10; „Carni? Non, sed delinquentiae". Anders als Platon leitet Tertullian die Möglichkeit des Irrtums nicht aus einer UnZuverlässigkeit der Sinne ab, sondern von den Gegenständen der Wahrnehmung: De an. XVII,8/CChr.SL.2,805,52f.; XVII,9/CChr.SL2,805,60f.; XVII,10/ CChr.SL. 2,805,67 (bzgl. der Sinne: ueritas; fides; integritas)
Ansatz einer grundsätzlichen Revision: Tertullian
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dem simultaner und einander bedingender Weise an der Realisierung bzw. Verendgültigung der soteriologischen Tatbestände. Wenn die Übertretung durch den ganzen Menschen geschieht, so muß auch die Strafe bzw. Belohnung den ganzen Menschen treffen. Das Gericht ist die Sühne für die mit Hilfe des Leibes begangenen Taten und impliziert die Restitution des ganzen Menschen in der Auferstehung"'. Der Tod ist in keiner Weise natürlich begründet, weil z. B. wenigstens potentiell in der materiellen Leiblichkeit mitgegeben, sondern soteriologisch-relational. Er beruht auf der schuldhaften Rebellion des Menschen gegen Gott (ex culpa)"''. Die Wirklichkeit des Todes als Trennung von Seele und Leib ist nicht bereits konstitutionell angelegt in einem Gegenüber einer immateriellen und daher unzerstörbaren Seele und eines per se vergänglichen Körpers, sondern in seiner Gewaltsamkeit Ausdruck des Strafcharakters des Todes'^^. Die nichtkonstitutionelle, relationale, soteriologische Begründung von Tod und Auferstehung vermag den Totalaspekt der Anthropologie zu wahren und die üblicherweise mit der Trennungsdefinition gegebene Bipolarität der Eschatologie zu vermeiden bzw. abzuschwächen. Der Körper verfällt demnach nicht dem Nichts, sondern geht in einen Schlafund Ruhezustand über, der ihm gleichsam eine Erquickung und Regeneration der Kräfte ermöglicht. Er bestätigt durch sein Erwachen die Auferstehung'^®. Die Seele verläßt vollständig den L e i b " ' und hält sich irgendwo auP'". Zwar kommt Tertullian nicht ohne die Annahme eines Zwischenzustandes aus, aber er zeichnet ihn als ein tristes Provisorium, als eine leere, leblose Wartezeit'^'.
De res. 3 4 / C C h r . S L . 2 , 9 6 4 , 7 - 1 2 ; 2,965,36: „Habes totius hominis restitutionem"; De res.l7/CChr.SL.2,94l,27f.; CChr.SL.2,94l, 35f.: „ut exhibitione carnis omnis diuina censura perfici possi t" ^^ Tertullian rekurriert explizit auf die bedingte Drohformei Gen. 2,17: De an. LII,2/ CChr.SL.2,858,7f.: „determinamus mortem non ex natura secutam hominem, sed ex culpa"; C C h r . S L . 2 , 8 5 8 , 1 2 - l 4 : „Porro non in mortem institutum eum probat ipsa lex condicionali comminatione suspendens et arbitrio hominis addicens mortis euentum" De an. LII,3/CChr.SL.2,858,20-22: „quae tantam animae et carnis societatem, tantam a conceptu concretionem sororum substantiarum diuellit ac dirimit"; zur Trennungsdefinition: D e a n . V , 6 / C C h r . S L . 2 , 7 8 7 , 3 3 f . ; V I , 6 / C C h r . S L . 2 , 7 8 9 , 4 5 - ^ 7 ; V l I . l / C C h r . S L . 2 , 7 9 0 , 3 f . ; V1II,3/ CChr.SL.2,791,19f.; X,8/CChr.SL.2,795,57f.; XLIV, 2 f . / C C h r . S L 2 , 8 4 8 , 7 - 9 ; 2,849.16f. De an. XLIII,5/CChr.SL.2,846,29f. (aligemeine Erwägungen zum Schlaf, der als eine „imago mortis" (XLIII,10/CChr.SL.2,847,61) erscheint; X L I I I , 7 / C C h r . S L . 2 , 8 4 6 , 4 0 - 4 3 ; XLIII,12/CChr.SL.2,848,85f In dieser Bedeutung kann Tertullian von einem Ganztod sprechen; es geht um die Wahrung der Einheit der Seele; De an. LI,5/ CChr.SL.2,857,26-29: „Ceterum anima indiuisibilis, ut immortalis, etiam mortem indiuisibilem exigit credi, non quasi immortali, sed quasi indiuisibili animae indiuisibiliter accidentem"; CChr.SL.2,857,30f.: „ita portio mortis cum animae portione remanebit"; LI,8/CChr.SL.2,858,49f.: „Mors, si non semel tota est, non est"; „si quid animae remanserit, uita est" De an. X L I I I , 1 2 / C C h r . S L . 2 , 8 4 8 , 7 6 f : „dissimulatione praesentiae futuram absentiam ediscens" De an. LVI,7/CChr.SL.2,864,51f : „Vita sine uita? Sed uacua erunt tempora solo decur-
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Unsterblichkeit - der römisch-katholische Ansatz
Die Seele kann in der Unterwelt bereits gewisse Strafen und Freuden erleben, aber die Vorläufigkeit dieses Geschehens wird doch so stark betont, daß die Differenz etwa zur thomanischen These der unmittelbar nach dem Tod eintretenden visio beatifica deutlich wird'^^. Die Defizienz des Zwischenzustandes bezieht sich nicht auf das konstitutionelle Sosein, von dem das Dasein und der soteriologische Status unberührt bliebe, sondern ist soteriologisch-relational, im Stand vor Gott begründet - und hierin liegt die wegweisende Einsicht Tertullians. Der Gottesbezug, die Dimension des „coram deo" erfordert auf prä- und postmortaler Ebene die Ganzheit des Menschen, da nichts an ihm von dieser Bezogenheit ausgenommen ist. Die Auferstehung ist das Implikat der Gottesheziehung und letztendliche Manifestation des fortgesetzten Wirkens Gottes am Menschen.
SU adimplenda"; De res.l7/CChr.SL.2,94l, 16-18: „habet enim de suo solummodo cogitare uelle capere disponete, ad perficiendum autem operam carnis exspectat"; CChr.SL. 2,942,33f.: „expectans tarnen et carnem, ut per illam etiam facta compenset, sui cogitata mandauit" De an. LVIII,l/CChr.SL2,867,1; LVIII,2/CChr.SL2,868,5f.: „sub expectatione utriusque iudicii"; CChr.SL.2,868,8f.; „tum quia et carnis opperienda est restitutio ut consortis operarum atque mercedum"
D. Naturalistische Reduktion der Eschatologie als Radikalisierung des konstitutionellen Ansatzes (AuiMärungsphilosophie) ^ I. Exklusive Geistigkeit der Seele statt Asymmetrie (Descartes) 1. Denken heißt Sein Römisch-katholische Theologen wie Heino Sonnemans^ und Josef Pieper^ sind nicht ohne G r u n d darum bemüht, den scholastischen Argumentationsansatz von dem der Aufklärungsphilosophie abzuheben und die Verkennung der Unterschiede beider als den G r u n d ihrer Verwechslung herauszustellen. D i e Schärfe der Angriffe einer reformatorisch orientierten Theologie auf die sich an T h o m a s anschließende Lehre sei zwar hinsichtlich der Aufklärungsphilosophie berechtigt, stoße aber im Hinblick auf T h o m a s ins Leere. Wie es schon der Überschrift dieses Arbeitsteils entnommen werden kann, teile ich diese Auffassung nicht. Zwar ist eine Reihe von Divergenzen zwischen dem römisch-katholischen und dem aufklärerischen Verständnis der Unsterblichkeit festzustellen. Diese sind jedoch nicht auf eine Aufhebung, sondern eine Radikalisierung des substanzontologischen Ausgangspunktes zurückzuführen und daher zu einer Endastung der scholastischen Tradition wenig geeignet. Dies wird bereits in der Wahl des methodischen Ausgangspunktes deutlich, wie sie bei René Descartes ( 1 5 9 6 - 1 6 5 0 ) begegnet. Unsterblichkeit ist nicht ' Eine solche Epochenbezeichnung, wie sie hier aus Gründen einer methodischen Zusammenfassung aufgrund gewisser Gemeinsamkeiten der behandeken Entwürfe übernommen wird, ist dann problematisch, wenn sie als nicht hintergeh- und hinterfragbare Station eines aufwärts strebenden Entwicklungsganges menschlicher Erkenntnis und Geistesgeschichte gesehen und so axiomatisierte Geschichtsereignisse als Urteilsinstanz an die Stelle der Heiligen Schrift gesetzt werden (Dazu R. Sienczka, Entscheidung, 8 4 f ; 90f.). Eben dies soll hier aber vermieden werden, insofern den vorgeführten Gedankengängen nicht eine eigene, durch den G a n g der Geistesgeschichte legitimierte Normativität zugestanden wird, sondern sie ihrerseits der Konfrontation mit der für die Beurteilung allein normativen Schrift unterworfen werden. ' Sonnemans, Seele, 2 2 . 2 6 7 . 3 2 0 . 3 6 0 ; vgl. Seifert, Problem, 1 5 7 . 1 5 8 f f ' Pieper, Tod, 156: „ D a s eigentliche Stimulans des gegenwärtigen Streitgesprächs ist, so scheint es, noch immer die Absage an die Unsterblichkeitsvorstellung, die im philosophischen und literarischen Schrifttum der Jahrzehnte vor und nach der Französischen Revolution formuliert worden ist"; e b d . , 1 6 0 f : „Dennoch, Unsterblichkeit gehört zu den Grundworten der Menschensprache ... Was man tun kann und tun muß, ist dies: in einer wachsamen, immer neu zu leistenden Bemühung den wahren, ursprünglichen Wortsinn makellos präsent zu halten suchen"
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Eigenschaft dessen, der in einem Licht wohnt, zu dem niemand - von sich aus - kommen kann (I.Tim. 6,15f.), sondern Erkenntnisgegenstand der Vernunft. Sie soll nicht aufgrund von Schrift und Tradition geglaubt, sondern rational und daher universal evident gemacht werden. Durch die Begrenzung der Erkenntnistätigkeit auf die Aktivität der „ratio naturalis" möchte Descartes jedermann einsichtige, quasi geometrisch gewisse Grundsätze formulieren, die jede Möglichkeit eines Streits ausschließen''. Da sich die Sinneswahrnehmungen als Chimären erweisen, die keinen Anhaltspunkt zur Unterscheidung von Traum und Wirklichkeit bieten', muß die Vernunft sich in sich selbst zurückziehen, in ein Selbstgespräch, in eine immanente Selbstreflexion eintreten^. Aber der Zweifel an der Zuverlässigkeit der Korrespondenz von angenommenem Erkenntnisinhalt und tatsächlichem Erkenntnisgegenstand erfaßt auch das Denken; auch dieses neigt zu Irrtümern^. Eine einfache analogia entis, die die unmittelbare Zugänglichkeit der vernünftig strukturierten Welt ftir die menschliche Vernunft einschließt, scheint unmöglich zu sein. Das Reduktionsverfahren des methodischen Zweifels verfolgt jedoch ein konstruktives Ziel. Die Ausscheidung des Unzuverlässigen soll Platz machen ftir etwas Gewisses (aliquid certi), das resistent ist gegenüber allem Zweifel und diesen transzendiert®. Dieses „certum" und „inconcussum"' besteht in der Gewißheit der eigenen Existenz. Es kann nicht bezweifelt werden, daß ich als der Zweifelnde bin. Dies ist wahr auch dann, wenn ich schlafe oder getäuscht werde'". Nicht die Gegenstände der Zweifels-, d. h. Denktätigkeit, wohl aber der Vollzug dieser Tätigkeit ist wahr". Eine Tätigkeit bedarf eines Substrates: nicht „es" denkt, sondern „ich" als zugrundeliegendes Subjekt denke'^. Im „cogito" fallen Subjekt und Objekt zusammen". Das Ich reflektiert über sich selbst als Tätiges und ist, weil diese Tätigkeit Reflexion, Denken ist, darin der Gegenstand der Tätigkeit. Um zu denken, muß man sein'^; das Nichts hat keine Affektionen ^ Descartes, Medit., Widmung/AT VII,23f.l6; VII,4,1-5,9 5 Medit. Ι,3/ΑΓ VII,18,15-18; I,5/AT VII,19,19-21; II,2/AT VII, 2 4 , 1 4 - 1 7 ^ Medit. III,1/AT VII,34,16-18: „neque solum alloquendo & penitius inspiciendo, meipsum paulatim mihi magis notum & familiarem reddere conabor" ' Medit. II,13/AT VII,31,29f.: „Miror vero interim quam prona sit mea mens in errores" » Medit. II,1/AT VII,24,7f. ' Medit. 11,1/AT VII.24,12f.; II,3/AT VII,25,10-12 '» Medit. II,9/AT VII,28,29-29,3 " Medit. II,9/AT VII,29,9-12 Vgl. Oeing-HanhofF, Seele, 95 " Besser als im lateinischen „(ego) cogito ergo sum" kommt dies im französischen „ie pense donc ie suis" (Discours IV,1/AT VI,32,19; IV,3/AT VI,33,17) zum Ausdruck, weil das Ich als eigenständiges Wort herausgehoben wird. Das seiende Ich der Konklusion ist als konkretes Denkobjekt, d.h. als nicht ausgesprochener Untersatz (propositio minor) im Denksubjekt des Obersatzes (propositio maior) „je pense" enthalten. Discours ΐν,3/ΑΓ VI,33,19: „pour penser, il faut estre"
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oder Qualitäten^^ Das Sein ist dem Denken nicht in dem Sinne vorgelagert, daß es ohne dieses gedacht werden könnte. Sein und Denken stehen in einem reziproken Korrelations- und Implikationsverhältnis. Essenz, d. h. Denktätigkeit, und Existenz werden zu real ununterscheidbaren Grössen"'. Ich bin, solange ich denke'^. Trotzdem wird man nicht Descartes' Ansatz darauf reduzieren dürfen, daß hier das denkende Subjekt nur über sich selbst reflektiert und alle eigene und übrige Wirklichkeit in diesem Selbstbewußtsein enthalten bzw. aus ihm heraus gesetzt w ü r d e " . Das Ich bedarf vielmehr, eben weil es nur im beständigen Akt, in der Denktätigkeit zu haben ist, einer externen stabilisierenden Größe, die die Kontinuität des denkenden Ich gewährleistet. Wie noch zu sehen sein wird, ist Gott diese logisch - durch den Schöpfungsakt (idea innata!) und bleibende Tätigkeitsinitiative - dem Selbstbewußtsein des Menschen vorausgehende und dieses setzende und bestimmende Größe.
2. Denken ah Ausweis und Vollzug einer rein intelligiblen Existenz a) Totale Diastase von Geist und Körper Das Reduktionsverfahren des methodischen Zweifels stellt auch die eigene Körperlichkeit zur Disposition. Das Ich kann ohne Verlust unter Abstraktion von der empirisch vor Augen stehenden Materialität gedacht werden und infolgedessen auch sein. Der epistemologischen Unabhängigkeit entspricht die ontische. D a die Konstitution des ersten Prinzips nicht über die Sinneswahrnehmung erfolgen kann, der Körper und seine in der scholastischen Tradition behaupteten inferioren seelischen Korrelate aber nur sinnlich wahrgenommen werden können, muß von ihnen als gleichsam unsicheren Kantonisten abgesehen werden. Nur das Denken kann nicht vom Ich getrennt wer-
'5 Princ. 1,11/AT VIII (1),8,20; vgl. Princ. I,52/AT VIII,25,7f. Dazu Rod, Descartes, 82f. Burman/AT V,164: „... (existentia et essentia) seipsa separati non possunt, ut soient distingui, quia essentia ante existentiam non fiiit, cum existentia nihil sit aliud quam essentia existens, ut proinde unum altero non prius, nec ab eo diversum aut distinctum". Daher möchte Marshall, Prinzipien, 34.39, von einem Identitäts-, nicht nur Prädikationsverhältnis zwischen Substanz und Attribut sprechen, während Rod, Descartes, 87 (ähnlich Beckermann, Beweis, 46-49) eine Gleichsetzung des Ich mit seinem Denken ablehnt und es als jene Substanz fassen möchte, deren wesendiches Attribut Denken ist (etwa anders aber ders., Descartes, 79f.). " Medit. II,6/AT VII,27,9f.: „Ego sum, ego existo ... Quandiu autem? Nempe quandiu cogito"; dazu auch Beckermann, Beweis, 60. " So beschreibt Thielicke, EG 1, 18f.23, einen cartesianischen Typus der Theologie so, daß hier stets „vom Ich als dem Subjekt der Erfahrung und des Verstehens" ausgegangen werde. Möglicherweise möchte Thielicke das für Schleiermacher Zutreffende, nämlich daß sich die Theologie „auf ein Kapitel der Anthropologie reduziert" (ebd., 47), auf Descartes und Kant zurückverlagern.
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den". Ich bin also nicht ein Gefiige von Gliedern, nicht Luft, Wind, Feuer, Dunst, Hauch, aber doch irgendetwas - denn das Denken als Prämisse schließt das Sein eines solchen ein^". Weil Gott nicht ein Betrügergott ist, der alles darauf anlegt, mich zu täuschen, auch wenn ich über eine Gewißheit zu verfugen meine^', ist ein „clare et distincte" als Resistenzkriterium gegenüber Zweifel und Täuschung möglich. Alles, was „clare et distincte" erkannt wird, kann als existent angenommen werden^^. Oder anders ausgedrückt: alles in dieser Weise Eingesehene kann ebenso von Gott geschaffen werden, wie man es versteht^'. Der Mensch hat eine Idee von sich selbst (idea mei ipsius), sofern (quatenus) er nur ein denkendes, nicht ausgedehntes Ding ist, und umgekehrt eine Vorstellung vom Körper unter Absehung von der Existenz als denkendes Ding^''. Das als unterschieden Erkannte ist ein protologisch als unterschieden Gesetztes. Das Ich kann ohne den Körper existieren und bedarf seiner nicht zur Wesensdefinition^'. Die Materialität ist nicht nur keine wesentliche Eigenschaft des Menschen, sondern gehört in keiner Weise zum Menschen. Das, was den Menschen ausmacht, ergibt sich aus dem Korrelationszusammenhang von Denken und Sein. Die Bestimmung des Menschen als res cogitans, als Geist ist die Explikation des mit dem „Ich bin" implizit Gemeinten^'^. Descartes schließt von der Denktätigkeit auf das Sein und von da wieder auf das Denken als exklusive Wesensbestimmung. Wenn nichts anderes als das Denken die Aussage des Seins ermöglicht, dann kann zur unverwechselbaren Kennzeichnung dieses Seienden von allem, nur nicht vom Denken abgesehen werden. Der Mensch ist Seele, Geistseele. Die Geistigkeit, Vernünftigkeit, die Denkfähigkeit und Denktätigkeit ist nun aber nicht nur ein Proprium, ein relatives Plus, eine Supergredienz der spezifisch menschlichen gegenüber tierischen Seelen. Sie ist vielmehr exklusiver Inhalt dessen, was Seele und was Mensch ist^^. Leib und Seele sind streng zu trennen^®. Die Seele transzendiert " Medit. II,6/AT VII,27,8: „cogitatio est; haec sola a me divelli nequit" Medit. II,7/AT VII,27,22f.: „supposui enim ista nihil esse. Manet positio: nihilominus tarnen ego aliquid sum" Medit. III,38/AT VII,52,6-9: Eine Tätigkeit als genius malignus würde der vorausgesetzten Vollkommenheit Gottes widersprechen. ^^ Medit. V,15/AT VII,70,11-13 " Medit. VI,9/AT VII,78,2-5: „talia a Deo fieri posse qualia illa intelligo" " Medit. VI,9/AT VII,78,15-19: „claram et distinctam ideam mei ipsius, quatenus sum tantum res cogitans, non extensa"; „distinctam ideam corporis, quatenus sum tantum res cogitans, non extensa"; „distinctam ideam corporis, quatenus est tantum res extensa, non cogitans" " Vgl. Medit. VI,9/AT VII,78,6.20 Vgl. Rod, Descartes, 81 " Vgl. Discours IV,2/AT VI,33,4-9: „que i'estois vne substance dont toute l'essence ou la nature n'est que de penser, & qui, pour estre, n'a besoin d'aucun lieu, ny ne depend d'aucune chose materielle ..." Ebd.
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nicht kraft ihrer Vernünftigkeit eine notwendig leibverbundene Tätigkeit; die Konstitution des Menschen begegnet nicht in einer dialektisch gespannten Doppelheit mit asymmetrischer Neigung nach einer Seite hin. Die Seele ist vielmehr nur Geistseele, nicht auch vegetativ-sensitive Seele^'. Der menschliche Geist ist seinem Wesen (essentia) nach nichts anderes als ein denkendes Wesen (res cogitans)'". Die völlige Trennung von „Seele" und „Leben", von vernünftiger und materiezugewandter, ftinktionaler Seele bzw. die exklusive Identifizierung von Seele und Geist^' geht einher mit einer Eliminierung aller nichtmateriellen Erklärungen materieller Vorgänge. Die völlige Entmaterialisierung der Seele bringt eine völlige Mechanisierung der Körperwelt mit sich. Dem Rationalismus bezüglich der Seele entspricht ein Materialismus im Hinblick auf die Welt^^. Die causa materialis wird zur causa efficiens, das Naturgesetz zur letzten Instanz'^ Während der Geist in einer absoluten Differenz von der Materie geschieden ist, besteht zwischen belebten Körpern und der unlebendigen Natur nur ein gradueller Unterschied. Es ist der zwischen einer ftinktionstüchtigen und nicht ftmktionierenden Maschine. Alle Tätigkeiten unter- und außerhalb der Schwelle der Vernunft lassen sich durch Maschinen imitieren und ersetzen'"*. So lassen sich die Tiere von den Automaten mit denselben Organen und derselben Gestalt nicht unterscheiden. Sie haben nicht nur weniger, sondern gar keinen Verstand^'. Die Nichtsimulierbarkeit des Denkens, der Sprachfähigkeit und Reflexionstätigkeit in Handlungen ist ein Ausweis der exklusiv immateriellen Existenz des Menschen^''. Der Status als anima separata ist nicht nur eine pointierte Manifestation der asymmetrischen Existenz des Menschen innerhalb des postmortalen Raums, sondern Seinsweise bereits des lebenden Menschen'^. Jedoch legt die Erfahrung nicht nur eine Koexistenz, sondern eine gewisse Wechselwirkung von Geist und Körper nahe'®. Die Empfindungen können " Vgl. Discours V,12/AT VI,59,23-30 Medit., Vorwort/AT VII,7,20-8,1 Descartes redet vor allem vom „Geist"; vgl. Medit. 1П,Зб/АГ VII,50,30-51,1: „cui me, hoc est mentem ... inesse judicavi"; Medit. VI,19/AT Vìl,85,29-86,1: „quod corpus ex natura sua fit semper divisibile, mens autem plane indivisibilis" " Vgl. Beckermann, Beweis, 14.18-24; Marshall, Prinzipien, 64; Loeck, Materialismus, 22.59f. " Vgl. in Discours V,5-9/AT VI,46,27-56,9, die mechanische Erklärung des Blutkreislaufs und der Herzfunktion. Zum Ganzen vgl. Loeck, Materialismus, 64; Specht, Commercium, 7f. Disc. V,10/AT VI,56,10-15 Discours V,11/AT VI,58,5-7.29f. Dazu auch Beckermann, Beweis, 28 ^ Discours V,10/AT VII,56,20-23; V,11/AT VII,58,21-24. Dazu Beckermann, Beweis, 27f.32f. " Vgl. Mersenne/AT 1,339,26f.; „le tâche à demonstrer l'existence des Dieu & de lame séparée du corps". Dazu Specht, Commercium, 62 " Vgl. Specht, Commercium, 62; G. Schmidt, Aufklärung, 151f.I54f.; Rod, Descartes, 144
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nicht allein als Akte des Verstandes begriffen werden^'. Sie beruhen vielmehr auf einer Bewegung der Animalgeister (les esprits animaux), mechanisch arbeitenden Partikeln, die die Funktion der entfallenen inferioren Seelenteile übernehmnen'"'. Aufgrund der übergeordneten grundsätzlichen psychophysischen Diastase kann die Begegnung beider Bereiche nur durch Zwischenschaltung einer vermittelnden Größe geschehen. Dies ist die Zirbeldrüse, mit deren Hilfe die Seele die Bewegungen der Lebensgeister zu beeinflussen vermag^·.
Es ist jedoch bezeichnend, daß in der Folgezeit auf eine Verbindung der dann so genannten rationalen und empirischen Psychologie verzichtet und beide Komplexe in separaten Abhandlungen bearbeitet wurden"*^, wobei die erstere vor allem wegen ihrer Bedeutung für die Begründung der Moral als des Hauptanliegens der Aufldärung eine privilegierte Position eingeräumt bekam. b) Das ontisch-noetische Derivations- und Partizipationsverhältnis zu Gott Garant der Auffindung und des Funktionierens eines zuverlässigen erkenntnistheoretischen Regelsystems ist in Descartes' System Gott. Es gilt, von der Evidenz der Existenz Gottes her zur Erkenntnis aller übrigen Dinge zu gelangen, d. h. zunächst den Blick von der Materie weg auf rein intelligible Gegenstände zu richten, um dann von dorther im Kriterium des „clare et distincte" eine sichere Grundlage zur Erfassung auch der materiellen Dinge zu erlangen"*^. Die Prämissen des von Kant später so genannten ontologischen Gottesbeweises beinhalten die Unmöglichkeit einer Prädikation Gottes als eines Betrügers (fallax)"'''. Den Katalog der Eigenschaften Gottes entnimmt Descartes der theologischen Tradition, die diese mit Hilfe der drei Wege des Areopagiten bestimmte''^ Der Gottesgedanke ist wie alle Gedanken notwendiger GegenMan beachte Descartes' Schrift „Les Passions de lame" (1649)/AT XI,291-490 Pass. I,27/AT Xl,349,12-16: „Des perceptions, ou des sentimens, ou des émotions de l'ame, ... qui sont causées, entretennuis & sortifiées par quelque mouvement des esprits" Pass. 1,31/AT XI,351, 26-352,2: „II est besoin aussi de sçavoir que, bien que l'ame soit jointe à tout le corps, il y a neantmois en luy quelque partie, en laquelle elle exerce ses fonctions plus particulièrement qu'en toutes les autres". Dazu Rod, Descartes, 136f.l40; Specht, Commercium, 65. Huonder, Unsterblichkeitsproblem, 65, will die Seele in Descartes' Verständnis als in der Zirbeldrüse lokalisiert betrachten; zu fragen ist aber, ob durch eine solche Aussage nicht die eigentliche Intention Descartes', nämlich die radikal immaterielle Existenz, gefährdet wird. So etwa bei C. WolfF, Psychologia empirica, Werke 11,5, und bei Kant, .Anthropologie in pragmatischer Hinsicht", AA VII, 117-334 Medit. IV,1/AT VII,52,23-53,5: „in mente a sensibus abducenda ... ad intelligibiles tantum ... convertam" " Medit. IV,2/AT VII,53,23f.; Medit. V,15/AT VII,70,10-12 Medit. III,22/AT VII,45,llf.: via negativa: „substantiam quandam infinitam, independentem"; via eminentiae: AT VII,45,12f.: „summe intelligentem, summe potentem"; via positiva (indirekt erschlossen aus AT VII,45,13£): „creator omnium rerum"
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stand des „ego cogito". Descartes setzt die Gültigkeit eines ontischen und noetischen Kausalitätsprinzips voraus. Ein in einer bestimmten Weise qualifizierter Erkenntnisgegenstand muß eine ontisch mindestens gleich-, wenn nicht höherwertige Größe zur Ursache haben. Der GottesbegrifF aber mit seinen oben genannten inhaltlichen Füllungen verfugt über einen höheren Realitätsgehalt (plus realitatis) als der denkende Mensch, kann also nicht von diesem selbst gesetzt worden sein, geht diesem vielmehr vorher über ein diesem gegenüber distinktes Sein"·^. Die Existenz eines unendlichen "Wesens als Ursache der Vorstellung eines solchen ist mit dem Begriff desselben, mit seiner Wesensbestimmung gegeben; die Nichtexistenz wäre eine Unvollkommenheit^^.
Die Ausführung des Gottesbeweises impliziert eine zweifache Aussage über den Menschen. Erstens ist die Dialektik der endlichen Existenz, des Grundsaaes des „finitum non capax infiniti'"*' einerseits und des vorgängigen Eingepflanztseins der Gottesidee (idea innata/ingenita) andererseits"" zu nennen. Der Mensch ist ein weniger vollkommenes Wesen als Gott'". Dies äußert sich in einem oft irrtümlichen Handeln; er besitzt die Fähigkeit der Erinnerung und Einbildung in nur schwachem und eingeschränktem Maße gegenüber Gott''. Der Irrtum ist in einem Mangel begründet, in einer Zwischenstellung zwischen Gott als dem höchsten Wesen und dem wesenlosen Nichts". Die konstatierbare Unvollkommenheit verweist - das ist die positive Kehrseite der Unfähigkeit zur eigenständigen Bildung des Gottesbegriffs - auf eine vollkommene Ursache, deren Vollkommenheit eben darin besteht, das Dasein aus sich selbst zu haben und als Wesensattribut einzuschließen'^. Die ontische Abhängigkeit'·' wird noetisch manifest in der „idea innata" von Gott. Diese ist gleichsam die „nota" des Künstlers an uns, noetischer Ausweis der Gottesebenbildlichkeit". Im Unterschied dazu enthalten die Vorstellungen körperlicher Dinge nichts so Großes, daß sie nicht aus dem erkennenden Ich selbst hervorgegangen sein können"^. Der Mensch ist zwar endlich, steht aber doch « Medit. III,24/AT VII,45,26-29; Medit. III,25/AT VII, 46, 5f.: „Nec dici potest hanc forte ideam Dei materialiter faisam esse" Medit. V,7.8/AT VII,65.28-^6,1; AT Vll,66,8f.; Medit. V I 1/ATVII,67,12-14; vgl. Discours IV,5/AT VI,36,29-31; Medit. III,38/AT VII,52,3-5 Medit. III,25/AT VII,46,22f.: „ut a me, qui sum fmitus, non comprehendatur"; Discours rV,4/AT VI,33,25-27: „ie doutois, & que, par consequent, mon estre n'estoit pas tout parfait" Medit. V , n / A T VII,68,7-10; Medit. III,37/AT VII,51,12-14; Discours IV,4/AT VI, 34, 15-19 Discours IV,4/AT νΐΙ,34,15ίΤ. " Medit. IV,8/AT АЛ1,57,1-6 « Medit. IV,4/AT VI,34,12-15 " Vgl. Medit. III,30/AT VII,48,7-10: „si a me essem ... ita ipsemet Deus essem" Medit. III,32/AT VII,49,19f: „ab aliquo ente a me diverso pendere" « Medit. III,38/ATVII,51,15-17 « Medit. III,19.20/AT VII,43,10-12; Vll,44,9í
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in einer exklusiven, weil konstitutionell vorgegebenen Verbundenheit mit Gott. Der Geist (mens) ist das eigendiche Ich. Dieser mit seinen Eigenschaften stammt nur von Gott, während die Eltern allenfalls gewisse Anlagen der Materie mitzuteilen vermögen'^. Die Fähigkeit zur eigenständigen Erkenntnis eines Gegenstandes beinhaltet die Unabhängigkeit von diesem Gegenstand. Der Geist ist in keiner Weise von seinen materiellen Erkenntnisgegenständen abhängig und kann auch auf sie verzichten. Er ist aber sehr wohl abhängig von Gott. Dies leitet über zum zweiten Aspekt der anthropologischen Implikationen des Gottesbeweises, nämlich den Zusammenhang von Denken, Sein und Bezogensein. Die Gottesbeziehung des Menschen vollzieht sich in noetischer Weise. Sie besteht aber nicht nur in einer Relationsfähigkeit des Menschen kraft seiner Vernünftigkeit, also nicht in einer konstitutionell verankerten Disposition, sondern in einem protologisch - in der idea innata - mitgegebenen Faktum: Sein und Bezogensein, d. h. Sein und An-Gott-Denken koinzidieren. Wie der Begriff Gottes das Sein Gottes mit einschließt, so auch der Begriff des Menschen sein Sein — zwar nicht an sich, aber doch der Begriff des Menschen als eines denkenden Wesens (res cogitans). Der Mensch kann gar nicht anders denn als denkender existieren, weil ihm der Gottesgedanke und damit der seiner selbst vorgegeben ist und er an allem Anderen, von den Sinnen Vermittelten, zweifeln muß. Seele und Gott befinden sich nicht in einem sukzessiven Ergänzungs-, sondern in einem simultanen Implikationsverhältnis bei logischer Priorität Gottes als des schöpferisch handelnden Subjekts. Nicht der Vernunftbesitz ist entscheidend, aufgrund dessen man in Relation zu Gott treten kann bzw. an die Gott in seinem Handeln anknüpfen kann, sondern die Vernunft in Aktion, das Denken, nicht nur die Denkfähigkeit. Wo das Ich ist, hat es den Gottesgedanken, und wo Gott ist, da ist er im Bewußtsein der Menschen, jedes Ichs präsent. Ich und Gott sind gleichzeitig. Im Denken partizipiert der Mensch an Gottes intelligibler, immaterieller Seinsweise. Man kann zwar nicht sagen, daß Gottes Sein im Bewußtsein aufgeht - er manifestiert sich nur in ihm als eine distinkt bleibende Größe; es wird vielmehr deutlich die Notwendigkeit des Uberschritts vom Sein „in intellectu" zu dem „in re" vorgenommen. Aber man wird in gewisser Weise ein Aufgehen des Bewußtseins des Menschen im Sein Gottes festzustellen haben. Zwischen Gott und Mensch besteht hinsichdich ihrer Beschaffenheit, nicht in Bezug auf das Subjektsein nur eine relative, quantitative Differenz. Gott hat „mehr" (plus) an Realitätsgehalt'®. Er ist zwar via negativa der Kausalkette entnommen, übernimmt jedoch via eminendae et positiva als deren erstes Glied eine Funktion zur Erklärung des Gottesgedankens im Menschen. Gott und Mensch sind aber gemeinsam absolut geschieden von der Materie. Das Den-
" Medit. III,36/AT VII,50,28-30 Medit. III,24/AT VII,45,26f.
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ken ist der Vollzug der bei beiden analogen exklusiv geistigen Seinsweise, die den naturgesetzlichen Zusammenhängen der Materie entnommen ist. Der menschliche Geist und Gott haben den Status als denkende Substanz (substantia cogitans) gemeinsam; der Mensch unterscheidet sich jedoch durch sein GeschafFensein von Gott^'. Descartes kann denkende und ausgedehnte Substanz unmittelbar mit Geist und Körper gleichsetzen, letztere aber auch als Modi der ersteren aufFassen''". Die Seele, der Mensch befindet sich als cogitatio, als Modifikation der einen res cogitans in derselben gedankenhaften, an sich außerweltlichen Existenz wie Gott, allerdings zurückgeschraubt auf endliche Proportionen'''. Das Endliche, sei es Geist oder Körper, ist Limitation, Besonderung des Unendlichen, der denkenden oder der ausgedehnten Substanz. Gott wird manifest in der Seele, die Seele inexistiert in Gott. Die Sünde in ihrer fiir das Gottesverhältnis korrumpierenden Bedeutung kommt nicht in den Blick. Deswegen entfällt die Notwendigkeit wie die Kontingenz eines verbal bzw. sakramental vermittelten Gnadenhandelns Gottes. Das GottesverhäJtnis kann bei Descartes nicht positiv oder negativ gefüllt werden; es bestehen keine alternativischen soteriologischen Möglichkeiten. Die Alternative ist vielmehr als ontisches Kontinuum in Form des kosmischen Dualismus von res cogitans und res extensa vorgegeben. Der Geist ist und bleibt - unabhängig von allen Veränderungen auf natürlicher oder dann nur vermeintlich soteriologischer Ebene - Modifikation Gottes. Zwar wird richtig der Konnex von Sein und Bezogensein erkannt, aber nur um den Preis einer Eliminierung eines spezifisch soteriologischen Handelns Gottes, durch das im römisch-katholischen Ansatz die Zweipoligkeit von Natur und Gnade entstand. Dies hat seine Folgen fur die Eschatologie. Der Mensch ist als Geist, d. h. als vorgängig dem Bereich der res cogitans Zugeordneter, unsterblich; die Tiere hingegen werden, weil ohne Verstand, instinktgeleitet und daher materieimmanent lebend, durch den Tod vernichtet*^^. Der Geist ist schlechthin unteilbar, hat nichts mit der Ausdehnung gemein und bleibt daher beim Entfernen von Körperteilen oder des Körpers im Ganzen - im Tod - unverändert®'. Die Einlinigkeit der konstitutionellen Bestimmung zieht die Einpoligkeit des Endausblicks nach sich. Die Auferstehung bleibt unbeachtet, weil unnötig"^.
" Princ. I,54/AT VIII/l,25,29f. Princ. I,63/AT VIII/1,30,26-31,2; I,64/AT VIII/1,31,13-15 Vgl. G. Schmidt, Aufklärung, 150; Marshall, Prinzipien, 63; Rod, Descartes, 99.111.113 « Discours V I 2 / A T VI,59,23-27 " Medit. VI,19/AT VII,85,28-86,15 " Man kann allerdings einwenden, daß der Körper als Modifikation der res extensa ebenso beständig bleibe wie diese. Nur ist er als solcher trotzdem noch nicht je mein Körper. In den folgenden Abschnitten wird sich jedoch zeigen, daß fiir die Auferstehung in der Aufklärungsphilosophie aus prinzipiellen Gründen kein Platz bleibt. Rod, Descartes, 143, weist daraufhin, daß das primäre Interesse Descartes' nicht der Unsterblichkeit gelte, sondern dem fur den Ra-
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Aufklärungsphilosophie
3. Ewigkeit der Seele trotz monistischer Ausdeutung der psychophysischen Koexistenz (Spinoza) Julies, was ist, ist entweder in sich oder in anderem"®^. Diesen Satz variiert Spinoza (1632-1677) durch eine Verkürzung und Konzentration seines zweiten Teils: „alles, was ist, ist in Gott"^. Ort der Inexistenz und Subjekt der Erkenntnis alles Seienden ist Gott. Er ist in sich, wird infolgedessen auch durch sich begriffen und ist daher Substanz''^. Diese Bestimmung kommt ihm in exklusiver Weise zu'^®, wodurch alles Seiende in exklusiver Theozentrik auf ihn zu beziehen ist. Die universale Theozentrik setzt einen Integrationsund Explikationszusammenhang aus sich heraus: Gott begreift alles in sich; daher muß alles aus ihm folgen. Jedes einzelne Ding, auch der Mensch, ist Glied einer Kausalkette, an deren Anfang Gott steht, und somit mittelbare Wirkung Gottes®. Die Glieder der Kausaikette sind in ihrem Sein und in ihrer Erkennbarkeit abhängig von Gott, Derivate, endliche Manifestationen des Unendlichen, Modi und nicht Substanzen^". Körper und Geist sind jeweils ein Ausschnitt jeweils eines Attributs nun aber der einen vorhandenen Substanz, des Alls, d. h. eingegrenzte Sphären an und in der Allausdehnung oder im Allgeistigen^'. Das Wesen des Menschen besteht - man achte auf die pluralischen Konstruktionen - aus gewissen Modifikationen der Attribute Gottes^^. Wenn nun alk Dinge Modifikationen unterschiedlicher Attribute der einen bestehenden Substanz sind, so ist der Descartessche Dualismus überwunden. Denken und Ausdehnung sind zwar als Attribute verschieden; eine geistige Veränderung hat nicht ihre Ursache in körperlichen Umfor-
tionalismus kennzeichnenden Anspruch der Erkennbarkeit und Beherrschbarkeit der Wirklichkeit. Spinoza, Ethica I,Axiom l/Werke 2,88,16: „Omnia, quae sunt, vel in re, vel in alio sunt" Ethica I, propositio 15/Werke 2,106,15f.: „Quidquid est, in Deo est, et nihil sine Deo esse neque concipi potest" ^^ Ethica I, Definition 3/Werke 2 , 8 6 , l l f . : „Per substantiam intelligo id, quod in se est, et per se concipitur" Ethica I, propositio 14/Werke 2,104,32f.: „Praeter Deum nulla dati, neque concipi potest substantia" ® Natur und Kausalnexus werden von Spinoza synonym verwendet: Ethica II, propositio 7 Schol./Werke 2,170,20f.; „ordinem totius naturae, sive causarum connexionem". Vgl. dazu Fischer, Leben, 3 6 8 . 4 0 7 . 4 1 0 ™ Ethica I, Definition 2.5/Werke 2,86,7f.l6f.: „Ea res dicitur in suo genere finita, quae alia ejusdem naturae terminati potest"; „Per modum intelligo substantiae afFectiones, sive id, quod in alio est, per quod etiam concipitur" Vgl. Wahle, Spinoza, 33.46 " Ethica II, propositio 10 Corroí, et Schol./Werke 2 , 1 7 6 , l f . 4 - 6 . 9 - l 1: „Hinc sequitur essentiam hominis constituí a certis Dei attributorum modificationibus"; neben: „sive ... affbctio, sive modus, qui Dei naturam certo, et determinato modo exprimir"; „apud omnes in confesso est, quod Deus omnium rerum, tam earum essentiae, quam earum existentiae, unica est causa"
R e n é Descartes
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mungen - dies darf man schließen^^. Aber doch sind sie als Attribute desselben Subjekts vereinigt^'*. Die Simultanexistenz beider Attribute und ihrer Modifikationen wird monistisch ausgedeutet. Spinoza kann so den Menschen in seiner doppelten Konstitution ernstnehmen und muß ihn nicht wie Descartes als ein Gespenst in einer Maschine darstellen^'. Der Mensch ist wie jedes Ding zugleich und in gleichem Maße denkendes und ausgedehntes Ding, Geist bzw. Vorstellung des Körpers und Körper^'^. Dabei bleibt das zugrundeliegende Ich als gemeinsamer Bezugspunkt der Attribute in seiner inhaltlichen Füllung im Dunkeln. „Seele" ist nicht an sich, sondern nur vermittelt über dieses Substrat eine Totalaussage über den Menschen, neben - nicht: in - der die Leiblichkeit als zweite Totalaussage steht. Das Hauptproblem dieses Ansatzes zur Überwindung des kosmischen und anthropologischen Dualismus' besteht jedoch in der völligen Neutralisierung Gottes. Spinoza behauptet nicht eine wie auch immer geartete psychophysische Reziprozität, die je nach dem Übergewicht der einen über die andere Seite zum Materialismus oder Idealismus fuhrt. Er optiert auch nicht für eine von vorneherein bestehende exklusive Qualifikation der Seele als nur einer geistigen bzw. rein materiellen Größe. Er versucht vielmehr richtig die Gleichzeitigkeit von geistiger und leiblicher Existenz durchzuhalten durch deren gleichmäßigen Bezug auf Gott, geht jedoch irre durch die stofflich-konstitutionelle Füllung bzw. Verankerung dieses Gottesbezuges. ^^ Der Modifikationsgedanke bringt es mit sich, daß nicht mehr nur Gott und menschliches Geistwesen auf eine Ebene rücken, sondern Gott auch der materiellen Welt nicht als handelndes bzw. in seinem Sein distinktes Subjekt gegenübertreten kann. Gott und Welt werden austauschbar (deus sive natura). Auch Gott ist Natur und nur durch primäre Aktivität innerhalb desselben Wirkungsrahmens von der Welt unterschieden, d. h. natura naturans
' ' Ethica II, propositio 6/Werke 2, 1 6 8 , 8 - 1 0 : „Cujuscunque attributi modi Deum, quatenus tantum sub ilio attributo, cujus modi sunt; et non, quatenus sub uilo alio consideratur, pro causa habent" Ethica II, propositio 1 demonstratio/Werke 2,162,33; 2 , 1 6 4 , 1 ^ : „Singulares cogitationes, sive haec, et illa cogitatio modi sunt, qui Dei naturam certo, et determinatio modo exprimunt. ... Competit ergo Deo ... attibutum, cujus conceptum singulares omnes cogitationes involvunt, per quod etiam concipiuntur"; Ethica II, propositio 2/Werke 2,164,16: „Extensio attributum Dei est" Zu dieser pointierten Zusammenfassung des cartesischen Ansatzes: Ryle, Begriff, 17 Ethica II, propositio 21/Werke 2, 202,25f.: „Haec mentis idea eodem modo unita est Menti, ас ipsa Mens unita est corporis"; Ethica II, propositio 13/Werke 2,182,2f.: „Hinc sequitur hominem Mente, et corpore constare, et Corpus humanum, prout ipsum sentimus, existere"; vgl. Ethica II, propositio 21 Schol./Werke 2,204,4f.: „idem esse Individuum, quod jam sub Cogitationis, jam sub Extensionis attributo concipitur"; auch die nichtmenschlichen Wesen sind beseelt (Ethica II, propos.l3 Schol./Werke 2 , 1 8 2 , 9 - 1 4 ) . Vgl. auch Wahle, Spinoza, 67f.; Fischer, Leben, 425f. " Ethica II, propos. 1.2/Werke 2,162,32f.; 2,164,16f.: „Cogitatio attributum Dei est, sive Deus est res cogitans"; „Extensio attributum Dei est, sive Deus est res extensa"
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gegenüber natura naturataci Gott wird entpersonalisiert. Zu seiner Natur gehören weder Verstand noch Wille^'. Der Weg ist nicht weit, nicht die Natur von Gott her, sondern Gott von der Natur her zu bestimmen. Er kann dann in Beiordnung zu anderen Variablen etwa in der Funktion eines Garanten für die Funktionstüchtigkeit eines auch ohne ihn festzustellenden naturgesetzlichen Zusammenhanges als dessen Glied oder gedankliche Dimension in demselben aufgehen. Konsequenterweise verläuft auch die Begründung der Unsterblichkeit in naturalistischen Bahnen. Die Ewigkeit der Seele wird als ontischer Tatbestand offenbar durch eine bestimmte Erkenntnisweise. Der Geist hat Dauer, wird durch Zeit bestimmt, insofern er das ebenso bestimmte Dasein des Körpers ausdrückt®". Er ist aber ewig bzw. gibt es ein „aliquid ... aeternum" in ihm, wenn er das "Wesen des Körpers unter der Form der Ewigkeit (sub specie aeternitatis) ausdrückt®'. Ewigkeit ist das Wesen Gottes selbst, insofen dies ein notwendiges Dasein einschließt. Etwas unter der Form der Ewigkeit zu begreifen, d. h. nicht nur dessen gegenwärtiges Dasein, sondern dessen Wesen zu erkennen, bedeutet, es als in Gott enthalten und aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur folgend zu betrachten. Eine so beschaffene Erkenntnis des Geistes und des Körpers ist daher zugleich eine Gotteserkenntnis, weil Aufdeckung eines Modifikationszusammenhangs mit ihm'^. Ewigkeit meint hier nicht eine endlose Dauer, wird nicht durch Zeit bestimmt®', sondern ist Ausdruck der nur graduell abgestuften Alleinheit mit Gott. Unter dieser Perspektive betrachtet findet der Tod sozusagen nicht statt. Der Derivationszusammenhang von Gott und Natur hält sich in seiner Grundstruktur durch; mögliche Veränderungen werden notwendigerweise integriert - es kann ja keine andere oder eine Nicht-Wirklichkeit geben. Die Transzendierung des Todes ist ein quasi naturgesetzliches Faktum, das mit dem Sosein der Natur mitgegeben ist. Die unveränderte Fortsetzung des hiesigen Lebens in den postmortalen Raum hinein kommt einer Ignorierung des Todes gleich®''.
So Fischer, Leben, 416.561 Ethica I, propositio 17 Schol./Weriie 2, 116,10-12; Ethica I, propos. 32 Corroí. Ii/Werke 2 , 1 3 6 , 1 0 - 1 4 EthicaV, propositio 23 demonstr./Werke 2 , 5 3 4 , 2 3 - 2 7 ; vgl. ebd., Schol./Werke 2,536.10f. " Ethica V, propos. 22.23/Werke 2 , 5 3 4 , 1 0 f . l 8 f . 2 7 - 3 1 . 3 2 - 3 5 Ethica V, propositio 29.30/Werke 2 , 5 3 8 , 2 5 - 2 8 ; 2 , 5 4 0 , 1 7 - 1 9 ; dazu Brucar, Spinoza, 11-13 Ethica V, propositio 23 Schol./Werke 2, 534,36f.; 2,536,1 Wahle, Spinoza, 154, und Huonder, Unsterblichkeitsproblem, 66, weisen daraufhin, daß Spinoza keine individuelle, persönliche Unsterblichkeit kenne. Man wird aber fragen müssen, ob nicht auch schon in der Aussage über den Lebenden dessen unverwechselbare, d.h. auch gegenüber Gott distinkte Identität gewahrt ist. "
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IL Unzerstörbarkeit durch Fortschritt als notwendige Explikation der konstitutionellen Anlage (Leibniz) 1. Dynamische
Substantialität
statt
Immaterialität
a) Einfachheit ohne Vernunftbesitz G. W. Leibniz (1646—1716) greift zwar wie Descartes den Substanzbegrifif auf und wählt so wie er einen konstitutionell-protologischen Ausgangspunkt, möchte aber einen dualistischen Ansatz vermeiden, ohne dafür wie Spinoza den Preis eines expliziten Pantheismus zu zahlen. Die Seele muß in ihrer eigenen Konstitution als materiell aufgefaßt und durch ihre Lokalisierung und Tätigkeit in eine positive Beziehung zur Materialität gebracht werden. Leibniz verfolgt dieses Anliegen mit der Einführung des Begriffs der Monade. Die Funktion dieser Größe wird in ihre Wesensdefition hineingenommen: sie ist eine einfache, d. h. unteilbare Substanz, die sich inmitten des Zusammengesetzten, also des Aggregates der einfachen Dinge befindet®'. Die Monaden sind die wahrhaften Atome der Natur®·^. Sie sind die letzten, nicht weiter hintergehbaren Elemente einer Analyse der Dinge und daher, quasi als metaphysische Punkte, die ersten Prinzipien ihrer Zusammensetzung®^. Eine gänzlich von der Materie separierte Seele kann es weder vor noch auch nach dem Tod geben®®. Die Monade ist Ingrediens und Konstituens des Zusammengesetzten. Mit dem Einfachen ist das Zusammengesetzte gegeben, weil das eine nicht ohne das andere zu erklären bzw. auftufinden ist®'. Die Welt ist das Aggregat aller Monaden'". Die Simultaneität von Geist und Körper wird in zweifacher Weise manifest: zum einen als gemeinsame Inexistenz in der Monade als deren latente und zur Entfaltung drängende präformierte Dimensionen". Zum anderen dadurch,
M o n a d . § 1 . 2 / G V I , 6 0 7 : „substance simple, qui entre dans les composés"; „simple, c'est à dire, sans parties"; „aggregatum des simples"; vgl. Syst./G IV,478f. ' ' M o n a d . § 3 / G VI,607: „les veritable de la Nature" Syst./G IV,482; vgl. G ГУ,483: „les points métaphysiques ou de substance (constitués par formes ou ames) qui soyent exacts et reels, et sans eux il n'y auroit rien de reel, puisque sans les véritables unités il n'y auroit point de multitude" " Leibniz fuhrt die scholastische Lehre der anima separata als einen der Irrtümer der Cartesianer an: M o n a d . § 1 4 / G V l , 6 0 9 : „donner dans le préjugé scholastique des Ames entièrement separées" Vgl. Ruf, Eins, 8 . l 4 . 2 3 . 2 4 f . 5 9 ^ T h e o d . § 8 / G VI, 107: „J'appelle M o n d e toute la suite et toute la collection de toutes les choses existentes"; ebd., § 7 / G VI,106: „qui est l'assemblage entier des choses contingentes" " Causa § 8 1 / G VI,451: „sciendum est ex recentiorum observatis rationibusque apparere, animalium et plantarum formationem non prodire ex massa quadam confusa, sed ex corpore j a m nonnihil praeformato in semine latente et d u d u m animato"
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daß zwar zwischen Geist und Körper unterschieden wird'^, beide jedoch wie alle Substanzen als in einem harmonischen Verhältnis befindlich herausgestellt werden. Jede Substanz bringt alle anderen zum Ausdruck und ist ein Spiegel des Universums, eine perspektivische Facette der einen Welt''. Eine direkt wechselseitige Beeinflussung ist nicht möglich - eine solche Variierbarkeit durch äußere und daher akzidentelle Einwirkungen würde dem Substanzcharakter der Monaden widersprechen. Seele und Körper folgen jeweils eigenen Gesetzen, handeln so, als gäbe es das jeweils andere nicht, und stimmen doch miteinander überein, weil sie wie alle Substanzen das Universum unter einem bestimmten Gesichtspunkt darstellen. Der Körper ist von selbst in jedem Augenblick tätig, in dem die Seele es wilP·^. Es gibt nun also nicht nur eine Substanz, die alles in sich begreift, oder zwei entgegengesetzte Substanzen ohne jede Beziehung zueinander, sondern unendlich viele Substanzen, d. h. Monaden. Die Entsprechung, die prästabilierte Harmonie der einzelnen Monaden untereinander wie auch der einen Monadena^regate gegenüber anderen bzw. zu einer in ihnen befindlichen Zentralmonade'' wird durch eine Dynamisierung der Substanz erreicht. In jeder Monade befinden sich - wie gesehen - die Anlagen zu den verschiedensten denkbaren Funktionen; jede ist ansatzweise, potentiell sowohl Geist als auch Körper, könnte also z. B. als Körpermonade oder als Zentralmonade bzw. Seele ftingieren und sich dazu entwickeln. Die Einfachheit der Monade, ihr Prinzipcharakter ist verkoppelt mit einer in ihr liegenden Kraft; die Monade befindet sich in einer stetigen Spannung auf eine unterschiedlich akzentuierte Entfaltung des in ihr Liegenden hin. Das substantielle Atom ist zugleich eine mit Kraft erfüllte Größe, die Monaden sind „forces primitives"'®. Dies gewährleistet eine Spontaneität des Dies geschieht jedoch nur auf begrifflicher Ebene. Der Körper wird als ein zu einer Monade, die seine Seele ist, gehörender bezeichnet und als ein mit dieser das Lebewesen konstituierender: Monad. § 63/G VI,617f.: „Le corps appartenant à une Monade, qui en est l'Entelechie ou l'Ame, constitue avec l'Entelechie ce qu'on peut appeller un vivant"; ebd., G VI,618: „et avec l'Ame ce qu'on appelle un Animal" " Monad. § 56/G VI,616: „un miroir vivant perpetuel de l'univers"; Monad. § 57/G VI,616: „comme autant de difîèrens univers, qui ne sont pourtant que les perspectives d'un seul selon les differens points de veue de chaque Monade"; ebd., § 62/G VI,617: „l'ame représenter aussi tout l'univers en représentant corps, qui luy appartient d'une maniere particulière" Monad. § 78/G V],620; § 79/G VI,620; Syst./G IV,484: „que chacune de ces substances, représentant exactement tout l'univers à sa manière et suivant un certain point de veue"; Syst./ G IV,484: „se trouvant réciproquement preste agir d'elle-même, suivant les loix de la machine corporelle, dans le moment que l'ame le veut, sans que l'un trouble les loix de l'autre". Dazu Hildebrandt, Leibniz, 323ίΤ.; Ruf, Eins,51.53; Schüßler, Leibniz, 149f. " Princ. 3/G VI,598f : „chaque substance simple ou Monade distinguée, qui fait le centre d'une substance composée ... et le principe de son Unicité, est environnée d'une Masse composée par une infinité d'autres Monades, qui constituent le corps propre de cette Monade centrale" '' Syst./G IV,479; vgl. ebd., 478. Durch die Umformung des aristotelischen Entelchieterminus' kann Leibniz dessen exklusive teleologische Bestimmung als eines artspezifischen Pro-
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Wirkens. Die Monaden sind nicht bloße Potenzen, die einer äußeren Ursache zu ihrer Aktivierung bedürften, sondern brechen je neu von sich aus ins Wirken auF^. Die Differenz der Substanzen kommt durch die Variabilität des Wirkens der Monaden zustande, ihre Eintracht durch deren gemeinsame ursprüngliche Struktur. Die Einfachheit der Monaden wird nicht an einer exklusiven Geistigkeit, an einem Vernunftbesitz festgemacht und der per se zusammengesetzten, wandelbaren und daher auch korrumpierbaren Materialität entgegengesetzt. Die Verknüpfung mit einer den Monaden inhärierenden Kraft erlaubt vielmehr die positive Integration der Materialität als einer stets variablen in die Wesensbestimmung dieser Grundelemente. Variabilität steht nun allerdings nicht für die Möglichkeit des Aufgelöstwerdens, der Zersetzung und des Untergangs — die Monaden sind ja unteilbare, nicht mehr auflösbare, aber einfache Größen - , sondern fur die Vielfalt der Entwicklungsoptionen. b) Die Geistseele als Ziel-, nicht Ausgan^punkt Wenn, wie aus dem zuvor Gesagten geschlossen werden kann, alles in der Welt Begegnende als Erscheinungsform der Monaden in ihrer Aktivität betrachtet werden kann, so läßt sich zweierlei folgern. Erstens kann es nichts Totes im Unterschied zu Lebendigem geben. Wie Descartes betrachtet Leibniz einen Körper, die materielle Welt allgemein als eine Maschine, die jedoch gerade nicht durch einen menschlichen Handwerker nachgeahmt werden kann. Die götdiche bzw. natürliche Maschine hat der menschlichen uneinholbar viel voraus durch ihre unendliche Teilbarkeit in immer wieder neue Maschinen, d. h. durch den Aufweis immer wieder neuer Monaden als in sich lebendigen Elementen des Körpera^regats. Auch im geringsten Teil der Materie findet sich eine Welt von Geschöpfen, Lebewesen. Jedes Stück der Materie ist gleichsam ein Garten voller Pflanzen und ein Teich voller Fische'®. Es gibt nichts ö d e s . Unfruchtbares, kein Chaos und keine Verwirrung außer dem Anschein nach'®. Die ganze Natur ist voller Leben'®". Von einem Panpsychismus kann gramms vermeiden zugunsten der Offenheit fur mehrere Entwicklungsmöglichkeiten und durch den eher dispositionellen Zug des Kraftbegriffes die Möglichkeit einer zeitweilig eingeschränkten Aktivität der Monade wahren. " Vgl. dazu auch Janke, Leibniz, 31.33 " Monad. § 64/G VI,618: „chaque corps organique d'un vivant est une Espèce de Machine divine, ou d'un Automate Naturel, qui surpasse infiniment tous les Automates artificiels"; ebd./ G Vl,618: „sont encor des machines dans leuer moindres parties jusqu'à l'infini"; Monad. § 66/ G VI,618: „Par où l'on voit, qu'il y a un Monde de Creatures, de vivans, d'Animaux, d'Entelechies, d'Ames dans la moindre partie de la matiere"; § 67/G VI,618: „Chaque portion de la matiere peut être conçue comme un jardin plein de plantes, et comme un étang plein de poissons" " Monad. § 69/G VI,618f.: ,^insi il n'y a rien d'inculte, de sterile, de mort dans l'univers, point de Chaos, point de confusions qu'en apparence" Princ.l/G VI,598: „toute la nature est pleine de vie"
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jedoch nur in einem weiteren Sinne gesprochen werden, weil eine spezifisch als solche tätige Seele eine alternative Entfaltungsmöglichkeit der Monade darstellt. Zweitens kann dann nur von einer quantitativen Differenz alles Seienden ausgegangen werden. Kennzeichen der Seele ist der Vollzug der Perzeption, d. h. der Zustand der Monade, in dem sie äußere Dinge darstellt'®'. Das Erfassen der empirischen Begebenheiten ermöglicht eine gewisse Reflexion über eine bevorstehende Handlung, die aber nur als Verknüpfung gemachter Erfahrungen mit zu erwartenden Wirkungen zu verstehen, also auf Erinnerung zurückzufuhren ist'°^. Ein grundsätzlich überinstinktives Handeln, d. h. ein solches, das auf einer Erkenntnis der Ursachen (connoissance des causes) und einer Verknüpfung von Ideen, notwendigen Wahrheiten und entsprechenden praktischen Folgerungen beruht, läßt auf eine Vernunftbegabung, auf einen Geistcharakter der Seele schließen'"'. Dem korrespondiert die Apperzeption, also die Selbstbevmßtheit, die reflexive Erkenntnis dieses inneren Zustandes (der Perzeption)'®^. Den Tieren kommt die Fähigkeit zur Perzeption zu, den Menschen darüberhinaus die Apperzeption. Ihnen kann nicht wie bei Descartes die Empfindung (sentiment) abgesprochen werden"". Die Vernunft ist Ziel einer Weiterentwicklung der Seele, die dadurch erhoben und in eine höhere Ordnung eingegliedert wird'®''. Die Seelen menschlicher Samentiere sind nicht schon vernunftbegabt, sondern werden es erst in der Empfängnis'®^. Leibniz kombiniert den Kreatianismus und den Präexistenzianismus: die im Samen präexistierende Seele war nur sensitiv und vmrde im Akt der Empfängnis zur Vernunft erhoben'®^. Dies muß jedoch insofern Princ. 4/G VI,600: „Perception qui est l'état Interieur de la Monade représentant les choses externes" Princ. 5/G VI,600 Princ. 5/G VI,600f. Princ. 4/G VI,600: „l'Apperception qui est la Conscience, ou la connoissance reflexive de cet état intérieur" Princ. 4/G VI,600; bzgl. derTiere Princ. 4/G VI,599: „sentiment, c'est à dire jusqu'à une perception accompagnée de memoire"; Fehlen der Apperzeption: Princ. 5/G VI,601: „Les animaux, où ces consequences ne se remarquent point, sont appelles Bêtes"; Monad. § 14/G VI,609; vgl. Monad. § 21/G VI,610; § 25/G VI,611; § 28/G VI,611. Zur im Präformations- und Enrwicklungsgedanken grundgelegten nur quantitativen Differenz von Tier und Mensch vgl. Rohbeck, Fortschrittstheorie, 59.61 f. Princ. 4/G VI,599f.: „quand cette Ame est elevée jusqu'à la Raison, elle est quelque chose de plus sublime, et on la compte parmy les Esprits"; Syst./G IV,479: „qu'il n'y falloit point mêler indifFerement ou confondre avec les autres formes ou ames les Esprits ny l'ame raisonnable, qui sont d'un ordre supérieur, et ont incomparablement plus de perfection que des formes enfoncées dans la matiere"; die gewöhnlichen Seelen nennt Leibniz, ebd., G IV,480: ,Ames brutes" Princ. 6/G VI, 601 : „II est vray que les Ames des Animaux spermatiques humains ne sont point raisonnables, et ne le deviennent que lorsque la conception determine ces animaux à la nature humaine" Dazu Pichler, Leibniz, 285
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relativiert werden, als die präexistentielle Dimension überwiegt und von ihr her der Schöpfungsgedanke abgelehnt wird, wie unten zu sehen sein wird. Das Subjekt der Determination zur Ausgestaltung des menschlichen Propriums ist im soeben genannten Beleg nicht Gott im personalen und distinkt wirkenden Sinne, sondern die Empfängnis als hypostasierter natürlicher bzw. naturgesetzlicher Vorgang, .^userwählung" bzw. „Determination" meint zunächst einmal nur die Feststellung, daß eine begrenzte Zahl von Monaden einen bestimmten Entwicklungsweg einschlägt"". Darin kommt aber auch eine Wertung zum Ausdruck: die Vernunft, der Status der Geistseele stellt ein relatives Plus dar"", jedoch nicht wie bei Descartes oder in der Scholastik ein absolutes. Die Vernunft ist irrelevant fur die Begründung der Substantialität; sie ist aber Zielpunkt der sozusagen innersubstantialen Entwicklung. Der Mensch erhält sein wesensmäßiges Spezifikum nicht von außen her, sondern durch eine Variation der mit allem Seienden gemeinsamen Konstitution. Es besteht im Vollzug der mit dieser Variation gegebenen und eine gewisse herausgehobene Position vermittelnden Tätigkeiten'".
2. Die Seele alsperpetuum
mobile
a) Metamorphose statt Tod und Auferstehung Die Dynamisierung des Substanzbegriffes durch die Verkoppelung der stofflichen mit einer Krafickomponente macht die beständige Variation zu einem Wesenskonstitutivum des Seienden. Das Daß der Veränderung ist gewissermaßen das Kontinuum seiner Existenz"^. Die Veränderung erfolgt aus einem
109 Qjg Xiefseelen unterscheiden sich von der menschlichen Geistseele dadurch, daß ihre Perzeptionen nicht zur Apperzeption gelangen: Monad. § 14/G VI,609: „ayant compté pour rien les perceptions dont on ne s'apperçoit pas". Die Monaden sind durch die Grade der distinkten Perzeptionen voneinander verschieden: Monad. §60/G VI,617: „distinguées par les degrés des perceptions distinctes". Die vernünftigen Tiere, d.h. die Menschen (!), haben in der Erhebung ihrer in den Samen präformierten sensitiven Seelen zu vernünftigen ein besonderes Vorrecht: Monad. § 82/G Vl,621: „il y a pourtant cela de particulier dans les Animaux raisonnables, que leurs petits Animaux spermatiques tant qu'ils ne sont que cela, ont seulement des Ames ordinaires ou sensitives, mais dès que ceux, qui sont élus, pour ainsi dire, pariennent par une actuelle conception à la nature humaine, leur ames sensitives sont elevées au degré de la raison et à la prerogative des Esprits" (Hervorhebung vom Verfasser) " " In der vernünftigen Seele ist „etwas mehr" als in den übrigen Monaden: Princ.l4/G VI,604: „Pour ce qui est de l'Ame raisonnable ou de l'Esprit, il y a quelque chose de plus, que dans les Monades"; vgl. Monad. § 20/G VI,610: „quelque chose de plus" ' ' ' Der hierarchische Vorsprung wird etwa darin manifest, daß alles übrige als für die Geister geschaffen ausgegeben wird: Syst/G IV,480: „on peut dire que tout de reste n'est fait que pour eux" Monad. § 10/G VI,608: „tout être creé est sujet au changement ... et même que de changement est continuel dans chacune"
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inneren Prinzip (principe interne)"^. Die Monade ist eine vorgängig geprägte Form, die lebend sich entwickelt und im Verlauf der Entwicklung ihre Eigenart offenbart"''. Sie enthält gewisse Falten, die jedoch nie alle und alle zugleich entwickelt werden können"^ Bei aller Veränderung gilt, daß etwas bleibt (reste), nämlich die präformierte Grundstruktur, und etwas sich ändert (change), nämlich die konkrete Gestalt bzw. die Tätigkeit der Monade als Applikation und kontingente Realisierung des präformiert Zugrundeliegenden"®. Die gesamte Biographie ist sozusagen in nuce bzw. potentiell in der konstitutionell manifesten Disposition vorgegeben. Sie ist Entfaltung einer Anlage, Offenbarung des schon Bekannten, aber nicht Hereinbrechen von Unerwartetem. Alles quillt der Seele aus ihrem eigenen Grund empor"^. Die Gegenwart trägt die Zukunft in ihrem Schoß; aus dem Vergangenen läßt sich das Zukünftige ablesen"®. Die Widerfahrnisse des Lebens müssen, um den Substanzcharakter der Monaden zu wahren, als akzidentelle Entfaltungen des in der Monade Angelegten, d. h. von der Substanz her, bestimmt werden und nicht als von außen an die Monade herantretende und sie in ihrem Wesen verändernde Ereignisse. Die Akzidentien sind nicht von der Substanz zu lösen und gegen diese als Wirkursachen - dann - substantieller Veränderungen zu wenden"'. Nichts kann von außen in die Monade eintreten; Monaden haben keine Fenster'^". Von daher müssen alle tatsächlichen oder denkbaren Ereignisse und Wechselfälle des Lebens in den Bewegungs- und Explikationsprozeß integriert und in ihrer Bedeutung relativiert werden. Wenn sich alles im Fluß befindet und das Sein nur als Bewegtsein begegnet, muß auch ein vermeintlicher Anfang oder ein scheinbares Ende nur ein Modus bzw. eine Station neben anderen im Ablauf der Entwicklung sein. Eine Schöpfimg im Sinne einer originären Setzung eines vorher nicht Seienden als Seiendes wird unmöglich und auch unnötig. Ebenso wird auch der Tod zu einem akzidentellen Ereignis, ja er kann fungieren als Instrument, als Auslöser, Impulsgeber einer andersartig verlaufenden, u. U. zu einer Verbesserung des bisherigen Status führenden Entwicklung. Die in der Gegenwart anzutreffenden Lebewesen stammen nicht aus einem Fäulnisprozeß oder Chaos, sondern aus präformierten Samen („de se-
Monad. § 1 1 / G VI, 608 Vgl. Monad. § 8/G VI, 608 Princ. 13/G VI,604: „si l'on pouvoit deplier tous ses replis, qui ne se développent sensiblement qu'avec le temps" Monad. § 13/G Vl,608 Syst./G rV,484: „tout luy doit naistre de son propre fonds" Princ. 13/G VI,604; vgl. Monad. § 22/G VI,610 Monad. § 7/G VI, 607f. Monad. § 7/G VI,608: ,^insi ny substance ny accident peut entrer de dehors dans une Monade"; ebd., G VI,607: „Les Monades n'ont point de fenêtres, par lesquelles quelque chose y puisse entrer ou sortir"
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menees préformées"), d. h. sie sind eine Umgestaltung präexistierender Lebewesen („de la Transformation des vivans préexistans")'^'. Bei der Empfängnis nehmen sie ein neues Gewand an („qui par le moyen de la conception prennent un revestement nouveau"), das ihnen das Betreten eines höheren Schauplatzes ermöglicht'^^. Dem korrespondiert der Tod als Abwerfen der bisherigen Masken und Hüllen und Rückkehr zu einem geringeren Schauplatz'^'. Geburt und Tod sind gleichermaßen natürliche Ereignisse; sie koinzidieren im Geschehen des Formwechsels: die Geburt ist der Tod der bisherigen Form, der Tod die Geburt der neuen'^·*. Sie sind Intensivierungen natürlicher Prozesse, etwa des Stoffwechsels, dadurch daß hier mit einem Mal viel - aber nicht alles! - verloren und erworben wird'^'. Der Tod führt nicht einen Abbruch, sondern gleich einem Verfall eine Behinderung und Verminderung der bisherigen Tätigkeit herbei. Er bewirkt einen Betäubungszustand, der wegen des in der Substanz enthaltenen Spannungspotentials auf Aktivität hin nicht lange andauern kann. Das Muß des Erwachens ist ein naturgesetzliches Postulat'^"^. Was stets lebendig und organisiert war, bleibt dies für immer'^^. Der Tod ist eine zwischenzeitliche Reduktion zu einer Kleinheit (petitesse), eine Verringerung der Tätigkeit zu einem nicht wahrnehmbaren Geschehen'^®. Die Unordnung der Perzeptionen'^' ist Teil einer Umordnung und nicht Signum der Zerstörung. Der Tod ist eine diminutive Involution, die Zeugung eine augmentative E v o l u t i o n D i e Monaden sind unteilbar, einfache Substanzen, und können daher nicht, außer durch ein Wunder, auf einen Schlag entstehen oder vergehen'^'. Die Aufhebung der Existenz eines einzelnen Seienden würde das Universum selbst zur Disposition stellen. Die Welt wird in der Monade als dem „mundus concentratus" manifest; die Monade spiegelt die Welt wider und gliedert sich in deren Harmonie ein. Die Monaden dauern ebenso lang wie
'2· Princ. 6 / G V I , 601 Princ. 6/G VI,601: „pour passer sur un plus grand theatre" Ebd.: „quittant leur masque ou leur quenille, ils retournent seulement à un Theatre plus subtil" Dazu Pichler, Leibniz, 340 Princ. 6/G VlL601f.: „acquérir ou perdre beaucoup tout à la fois" Princ. 12/G V],604: „... se reveiller de l'Etat d'assoupissement, où la mort, ou quelque autre accident les peut mettre"; vgl. Monad. § 20/G VI, 610; § 21/G VI,610: „Et la mort peut donner cet etat pour un temps aux animaux" (Hervorhebungen vom Verfasser) Syst./G IV,481: „II est donc naturel que l'animal ayant tousjours esté vivant et organisé ... il le demeure aussi tousjours" ™ Syst./G IV,480: „une simple suspension des actions notables" Princ. 4/G Vl,600: „une grande confusion des perceptions" 1» Vgl. Pichler, Leibniz, 291, mit einer Belegstelle aus dem Briefcoφus. Monad. § 6/G VI, 607; Princ. 6/G VI,601; Syst./G IV,479: „ne pouvant avoir son commencement ny sa fin que par miracle"
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das Universum'^^. Die Unzerstörbarkeit ist Implikat der in Kontinuität verharrenden Weltordnung, zu deren Änderung im optimistischen Weltverständnis Leibnizens keine Veranlassung besteht''^. Die Wahl der Welt und ihrer immanenten Gesetzmäßigkeiten als Argumentationsbasis und perspektivischer Blickfang verunmöglicht die Ausklammerung und den damit einhergehenden Verlust eines Teils derselben, nämlich der Materialität. Schon deswegen muß diese in das Wesen und den Existenzvollzug der Monaden integriert werden. Diese Intention läßt sich im Rahmen des Leibnizschen Systems nur in einer für dieses höchst charakteristischen Weise realisieren, die zugleich zwei andere Lösungswege ausschließt. Nicht möglich ist zum einen die Auferstehung. Sie würde ein Geschehen an der Monade, nicht durch sie, sein und als übernatürlicher Eingriff die natürlichen Grenzen sprengen. Nicht gangbar ist zweitens die Reinkarnation. Hier behielte allenfalls der jeweils gegenwärtige Körper eine gewisse Relevanz, während alle früheren als abgestreifte Hüllen einer leibfreien Seele der Vernichtung preisgegeben würden. Also wählt Leibniz die Formel „Metamorphose, nicht Metempsychose"·''*. Die Seelen trennen sich nie gänzlich von ihrem Körper'^'. Der sozusagen habituelle Kern der Materialität bleibt erhalten, auch wenn sich dessen konkrete Ausgestaltung beständig ändert. Die Körper befinden sich in einem unaufhörlichen Fluß; ständig treten neue Teile ein und aus'^^. Die Materialität hat als eine Dimension der Monade teil an deren Unzerstörbarkeit. Letztere besagt nicht ein Hinüberretten der eigenen Existenz angesichts einer sich wandelnden und korruptiblen Umgebung und aufgrund einer von diesen Wandlungen nicht tangierbaren Konstitution - das wäre die Descartessche Diastase! Sondern sie wird gerade durch die unaufhörliche Veränderung ermöglicht, die alle denkbaren Widerfahrnisse ihrer Bedrohlichkeit beraubt und positiv als Explikation des eigenen Wesens integriert. Der einmal vorhandene Zusammenhang von Entwicklungen und Rückentwicklungen'^^
Princ. 1/G VI,598: „Elles ne peuvent commencer ny finir naturellement, et durent par consequent autant que l'univers, qui sera changé, mais qui ne sera point détruit"; Monad. § 77/ G VI,620: „l'Ame (miroir d'un univers indestructible) est indestructible"; Syst./G IV,485f.: „Tout Esprit ... exprimant l'univers, il est aussi durable, aussi subsistant, et aussi absolu que l'univers luy même des creatures" Leibniz wird nicht müde, die Schönheit und Vollkommenheit der Welt zu betonen: Princ. 13/G VI,604: „On pourroit connoite la beauté de l'univers dans chaque ame"; Princ. 10/G VI, 603: „le Monde Actuel le plus parfait qui soit possible" Monad. § 72/G VI,619: „il y a souvent metamorphose dans les animaux, mais jamais Metempsychose, ny transmigration des Ames"; Syst./G IV,480: „II n'y a point de tel passage, et c'est icy où les transformations"; vgl. Princ. 6/G VI,601 Princ. 6/G VI, 601 : „les Ames ne quittent jamais tout leur corps, et ne passent point d'un corps dans un autre corps qui leur soit entièrement nouveau"; vgl. Monad. § 72/G VI,619 Monad. § 71/G VI,619: „Car tous les corps sont dans un flux perpetuel comme des rivieres, et des parties y entrent et en sortent continuellement" Monad. § 73/G VI,619: „des developpemens et des accroissemens"; „des Enveloppe-
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verläuft als eine in sich geschlossene Größe, gleichsam als ein makro- und mikrokosmisches, in Welt und Monade manifestes perpecuum mobile'^®. b) Veränderung als Aufwärtsentwicklung Die Bewegtheit ist nicht nur ein neutraler und nach dem Gesetz der Beliebigkeit verfahrender Vorgang, sondern enthält eine teleologische Komponente. Sie ergibt sich aus der Tätigkeit des Begehrens (,^ppetition"), durch das die schon vorhandene Spannung auf ein Immer-weiter hin inhaltlich gefüllt wird als ein Immer-besser. Es ist ein Streben nach immer neuen Perzeptionen bzw. immer distinkteren'^'. Vom Vollzug überhaupt, von der Zahl und Qualität der Perzeptionen hängt die Positionierung innerhalb der Hierarchie des Seienden ab"'*"'. Die Tiere können zeitweise in den Zustand einfacher Monaden zurücksinken, wenn ihre Perzeptionen nicht hinreichend distinkt sind, um sich ihrer entsinnen zu können, z. B. beim traumlosen Schlaf oder im Betäubungszustand''". Der Mensch handelt meistens wie ein Tier aufgrund empirischer Erwägungen und Rückschlüsse und nicht rational, wie es ihm als Mensch gebührt'·*^. Aber letztlich kann man nicht dauerhaft den einmal erreichten Status verlieren. Auch völlig verworrene Perzeptionen müssen wieder zu neuer Entfaltung kommen''''. Das, was jeweils an Unvollkommenheit bleibt, rührt her von der grundsätzlichen Beschränkung des Geschöpflichen'''''. Das noch vorhandene Vollkommenheitsdefizit ist wie alles im Leibnizschen System jedoch mens et des Diminutions"; vgl. Princ. 6/G VI,601: „ils ne sont que développés, enveloppés, revêrtus, dépouillés, transformés" In ähnlicher Weise bestreitet Christian Wolff ein seiner „Psychologia rationaiis" die Zerstörbarkeit der Seele. Diese kann nur „per annihilationem" (§ 732, Werke 11,6, 654,10; vgl. § 744, Werke 11,6, 6 6 l , 3 0 f 2 4 i ; II,6,662,lf) vergehen, wo&r es keinen Grund gibt. Es müßten gleichzeitig alle Tätigkeiten und Fähigkeiten aufhören (§ 736, Werke 11,6, 6 5 5 , 3 0 f ; 11,6, 6 5 6 , 7 - 9 . 1 8 f ) . DerTod ist nur eine Veränderung (mutatio) und letztlich Verbesserung: § 745/ Werke 11,6, 662,23-28; 11,6, 663,6-8. Zum Wolffschen Seelenverständnis vgl. Schröer, Naturbegriff, 74 Monad. § 15/G VI,609; ebd., § 16/G VI,610; Princ. 2/G VI,598: Begehrungen als „tendences d'une perception à l'autre" Die Monaden sind durch die Grade der distinkten Perzeptionen begrenzt und voneinander verschieden; Monad. § 6/G VI,617: „Celles vont toutes confusement à l'infini, au tout, mais elles sont limitées et distinguées par les degrés des perceptions distinctes" Princ. 4/G VI,600: „leur Ames dans l'Etat de simples Monades, savoir quand leur perceptions ne sont pas assés distinguées ..." Princ. 5/G Vl,600 Princ. 4 / G VI, 600: „les perceptions devenues entièrement confuses se doivent redevelopper dans les animaux". Die Seele entreißt sich wieder diesem hierarchisch inadäquaten Zustand; Monad. § 20/G VI,610: „Dans cet état l'âme ne différé point sensiblement d'une simple Monade, mais comme cet état n'est point durable, et qu'elle s'en tire, elle est quelque chose de plus" Princ. 9/G VI, 603: „ce qui leur reste d'imperfection, vient de la limitation essentielle et originale de la creature"; vgl. Monad. § 47/G VI, 614
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eine bewegbare, d. h. hier: verkleinerbare und zu verkleinernde Größe. Der jeweilige Status soll überholt, nicht vermindert werden. Wie gesehen, ist die Vernunft bzw. ihre Betätigung das Entwicklungsziel. Die Perzeptionen sollen immer distinkter und reflexiver werden'''\ Nicht alle Falten der habituellen Struktur können, möglichst viele aber sollen entwickelt und in deutliche Erkenntnisinhalte überfohrt werden'·''^. Der Intensivierung der Distinktheit korrespondiert eine Unversalisierung der Gegenstände der distinkten Perzeptionen. Ziel ist, daß nicht mehr nur die der Monade am nächsten stehenden Dinge distinkt und das Universum als ganzes verworren wahrgenommen wird, sondern auch letzteres mit zunehmender Deutlichkeit erfaßt wird"*^. Es geht um die zunehmende Klärung der Vorstellung von der Welt, die die Monade als Mikrokosmos schon immer in sich enthält. Das Maß des Gelingens dieses noetischen Unterfangens entscheidet über den Grad auch der ontischen E n t w i c k l u n g ' S o ergibt sich eine Stufenleiter von den einfachen Monaden über die Tiere mit ihren schon deutlicheren Wahrnehmungen und den Menschen als mit der Apperzeption in Beiordnung zu weniger distinkten Perzeptionen ausgerüstete Geistmonade zu Gott als reiner Apperzeption'·^'. Wie die Unzerstörbarkeit nicht in einem Zustand, im Besitz einer bestimmten Qualität als solcher, sondern in der Bewegtheit begründet ist, so kann auch das Ziel einer klareren Erkenntnis nicht abgelöst vom Fortschrittsprozeß, jenseits von ihm, sondern nur in ihm realisiert werden. Der Geist würde abgestumpft werden, wenn es nichts Neues zu erkennen und zu wünschen gäbe und es nicht zu immer neuen Vollkommenheiten aufzubrechen g ä l t e ' D i e Seele ist in ihrer Anlage der Ausgangs-, in ihrer Vollendung der Zielpunkt einer Entwicklung, als deren Subjekt sie in Erscheinung tritt. Das Daß und das Wie des Vollzugs der Entwicklung ist ihr konstitutionell als Notwendigkeit mitgegeben. Die Unzerstörbarkeit ist zwar in der natürlichen Konstitution begründet, aber nicht in der Statik der Immaterialität als sich durchhaltender Qualität, sondern in der unaufhebbaren Bewegtheit, die sich als gleichzeitige Progression erweist. Anstelle von „Unzerstörbarkeit", was auf die stofflichen Komponenten abhebt, sollte man wohl eher von „Unaufhebbarkeit" sprechen. Diese gilt nun aber nicht einer Relation zu einem Extern-
M o n a d . § 19/G VI,610: „plus distincte et accompagnée de memoire" " " Monad. § 6 1 / G VI,617: „une A m e ne peut lire en elle même que ce qui y est representé distinctement, elle ne sauroit développer tout d'un coup ses replis" Monad. § 6 0 / G VI,617·. „cette representation n'est que confuse dans le detail de tout l'univers et ne peut être distincte que dans une petite partie des choses" Vgl. Monad. § 6 0 / G VI,617.· „Celles vont toutes confùsement à l'infini, au tout, mais elles sont limitées et distinguées par les degrés des perceptions distinctes" Dazu Ciafardone, Philosophie, 4 l f . Princ. 18/G VI,606: „notre bonheur ne consistera jamais, et ne doit point consister dans une pleine jouissance, où il n'y auroit plus rien à desirer, at qui rendroit notre esprit stupide, mais dans un progrès perpetuel à de nouveaux plaisirs et de nouvelles perfections"
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um, die in diesem ihren Wirk- und Erhaltungsgrund hat, sondern einer internen, der Natur immanenten, quasi naturgesetzlichen Entwicklung. Auch die Dynamisierung des Substanzbegrififes verbleibt im substanzontologischen Rahmen. Die Vernunft ist zwar nicht für sich Garant der Substantialität, aber doch zentrales Moment der Fortschrittsdimension der Substanz - durch deren noetische Füllung. Sie ist nicht wie in der Scholastik Verbindungsglied und Anknüpfungspunkt des Gnadenwirkens Gottes, enthält also keine Offenheit auf ein objektives Externum hin aufrecht, sondern ist in ihrer Tätigkeit autark. Damit wird sie wie bei Descartes zum Sachwalter des Subjektivismus und der naturalistischen Verengung der Wirklichkeit auf das Immanente in seiner Kontinuität. Dem entspricht eine nur marginale Bedeutung Gottes. Er wird mit der Vorsehung (providence) identifiziert'" und auf die Funktion eines Stifters und Erhalters der Weltordnung r e d u z i e r t ' G o t t ist der Architekt der Maschine des Universums'". Sein soteriologisches Handeln wird protologisch eingeebnet. Er ist zwar den vernünftigen Lebewesen gegenüber ein Monarch in einem moralischen Reich der Gnade, in einem Gottesstaat, in dem Gott seine Güte (Bonté) ausübt"''. Aber dies expliziert nur eine schon vorhandene Facette der gegebenen Naturordnung. Gott als Architekt stellt Gott als Gesetzgeber in allem zufrieden. Das Gericht Gottes bzw. die Rettung aus diesem wird vom Ende der Zeit an deren Anfang und in deren gegenwärtige Erfahrung verpflanzt bzw. zu einem zeitlosen Geschehen. An die Stelle der kontingenten Heilszueignung tritt ein berechenbarer, mechanischer Vorgang: die Handlungen führen von selbst zu Strafe oder Belohnung'". Gott ist als Schöpfer Gesetzgeber und als Gesetzgeber Schöpfer. Das Gottesverhältnis des Menschen beschränkt sich auf die Applikation, den graduell intensivierbaren Vollzug der Naturordnung. Gott ist Gegenstand der Nachahmung, der Erkenntnis. Es gilt, seinem früher, d. h. in der spezifischen Strukturierung der Welt, kundge-
Monad. § 90/G VI,622 Princ. 9/G VI,603: (im Bezug auf die Dinge der Welt): „les fait encore dépendre de luy en existant et en operant: et elles reçoivent continuellement de luy ce qui les fait avoir quelque perfection"; Gott als zureichender Grund der Dinge: Princ.8.9/G VI,602; vgl. Monad. § 38/G VI,613 Monad. § 87/G VI,622: „comme Architecte de la Machine de l'univers" Monad. § 86/G VI,622: „un Monde Moral dans le Monde Naturel"; ebd., § 87/G VI,622: „comme Monarque de la Cité divine des Esprits"; Syst./G IV,479f.: „C'est pourquoy Dieu gouverne les Esprits, comme un Prince gouverne ses sujets, et même comme un pere a soin de ses enfants; au lieu qu'il dispose des autres substances, comme un Ingenieur manie ses machines" Monad. § 89/G VI,622: „Dieu comme Architecte contente en tout Dieu comme Législateur, et qu'ainsi les péchés doivent porter leur peine avec eux par l'ordre de la nature, et en vertu même de la structure mechanique des choses, et que de même les belles actions s'attireront leur recompenses par des voyes machinales par rapport aux corps" (Hervorhebungen vom Verfasser); vgl. Princ. 15/G VI,605
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gebenem Willen zu entsprechen'^'^. Die Sünde findet ihren internen Ausgleich. Die Macht der Sünde und ihre Durchbrechung in der Sündenvergebung kommt nicht in den Blick. Eine Christologie findet nicht statt.
III. Unsterblichkeit als Mittel zum Zweck der ethischen Erziehung (Lessing)
1. Soteriologie als Pädagogik An G. E. Lessings (1729-1781) Schrift „Die Erziehung des Menschengeschlechts" läßt sich der fur die Aufklärung zumal in ihrer Wirkungsgeschichte kennzeichnende ethische Impetus aufzeigen. Der noetische Fortschritt, die sich verbessernde Erkenntnis wird inhaltlich gefüllt durch eine sich vergrößernde Sittlichkeit'^^. Dabei wird unhinterfragt vorausgesetzt, daß erstens der Mensch, wenigstens der Anlage nach, vernünftig und zur positiven Entfaltung dieser Struktur fähig ist und zweitens diese fortschreitende Explikation und Präzision der konstitutionellen Anlage notwendig ist. Lessing bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er diesen Fortschrittsprozeß samt seiner chronologischen Dimension vergleicht mit dem Wachsen und Reiferwerden eines Kindes hin zum Erwachsenenalter. Dieses Bild legt per se nahe, daß ein Verbleiben im Kindheitsstadium nicht wünschenswert sein kann und auch nach aller natürlichen Erfahrung nicht eintreten wird. Jeder war einmal Kind, jedes Kind wird zwangsläufig früher oder später erwachsen. Das Bild des Heranreifens eines Menschen erlaubt ein weiteres, nämlich die Integration der heiisgeschichtlichen Tradition, wie sie in der Heiligen Schrift bezeugt wird, in das System der Aufklärungsphilosophie. Diese bekommt einen nur relativen und provisorischen Wert eingeräumt. Die natürliche Anlage muß suffizient sein, ihre Entwicklung muß grundsätzlich auch unabhängig Monad. § 90/G V I , 6 2 2 : „qui aiment et imitent comme il faut l'Auteur de tout bien"; ebd.: „C'est ce qui fait travailler les personnes sages et vertueuses à tout ce qui pavoit conforme à la volonté divine presomtive ou antecedente"; Princ. 14/G V I , 6 0 5 : „Elle imite dans son département, et dans son petit Monde où il luy est permis de s'exercer, ce que Dieu fait dans le grand"; Princ. 17/G VI,605f.: „il est aisé de l'aimer comme il faut, si nous le connoissons comme je viens de dire"; Princ. 18/G V I , 6 0 6 : „il nous donne une parfaite confiance dans la bonté de notre Auteur et Maitre". Huonder, Unsterblichkeitsproblem, 6 7 , und ähnlich auch Pichler, Leibniz, 2 9 4 , wollen von der Unzerstörbarkeit eine Unsterblichkeit im engeren Sinne unterscheiden, die in der moralischen Qualität der menschlichen Existenz begründet sei, d.h. in der Fähigkeit zur Reflexion über eine Handlung und daraus folgenden Zurechenbarkeit. In diese Richtung zielt etwa die Aussage in Syst./G IV,481: „que tous les changemens de la matiere ne leur sçauroient faire perdre les qualités morales de leur personalité" Zur Korrelation von Wissen und Leben vgl. Erziehung, § 38/Werke 3 , 5 5 2 : „Das in die Fremde geschickte Kind sähe andere Kinder, die mehr wußten, die anständiger lebten, und fragte sich beschämt: warum weiß ich das nicht auch? warum lebe ich nicht auch so?"
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von übernatürlichen, externen Eingriffen erfolgen können. Daher ist die Möglichkeit und Tatsache einer Parallelität eines Kindes der Natur und eines Kindes der Erziehung konstitutiv. Der Nutzen der Erziehung besteht darin, daß dasselbe Ziel schneller erreicht wird und letztlich jede auf sich gestellte Entwicklung übertrifft"®. Aber auch dies wird relativiert, etwa durch die Aussage, daß die Perser nur mit Hilfe der Vernunft längst vor den Israeliten und dem Christentum eine reinere, d. h. moralischere Religion entwickelt hätten'". Die Heilsökonomie, Alter und Neuer Bund, wird nicht als setzendes, neumachendes bzw. wiederherstellendes, konstituierendes Handeln Gottes verstanden, sondern auf eine akzidentell-auxiliative Funktion beschränkt. Das göttliche Handeln erbringt eine Forcierung, aber nicht eine Setzung oder Inganghaltung der Entwicklung. Gott gibt der Entwicklung Stöße, um sie in eine bessere Richtung zu lenken'^®. Offenbarung, heilsökonomisches Handeln Gottes ist Erziehung, Belehrung"^'. Gegenstand der Belehrung ist einerseits der Gottesbegriff, andererseits und dem korrespondierend die Handlungsmotivation. Die Interpretation der Offenbarung als Erziehung und deren Einbindung in die Entwicklung der Vernunft macht ein sukzessives, nicht konfrontatives Verständnis der Offenbarung notwendig. Der Mensch wird also nicht sofort mit dem Lehrinhalt in seiner Reingestalt konfrontiert und zum Glaubensgehorsam demselben gegenüber aufgerufen, sondern ihm wird die Lehre ratenweise offeriert. Es kommt zu einer Akkomodation der Offenbarung an das Aufnahmevermögen des Menschen. Dabei geht es nicht um eine Addition der Lehrinhalte, so daß das Wissenspensum nach und nach erweitert, also quantitativ zunehmen würde, sondern um eine Konzentration derselben Lehrinhalte, d. h. deren Befreiung von verfälschenden Erscheinungsformen, also eine qualitative Steigerung. Zwischen Offenbarung und Vernunft besteht das Verhältnis der Analogie und Proportionalität. Die qualitative Steigerung des einen geht einher mit der qualitativen Steigerung des anderen und unterstützt diese. Wie es am Leibnizschen Monadenbegriff zu sehen war, kann Veränderung im Rahmen der Substantialität nicht anders denn als Explikation des Gegebenen, als eine qualitative Verbesserung des Vorhandenen gedacht werden. Die erste Station des Erziehungsprozesses spiegelt sich im Alten Testament als des Elementarbuches Israels wider. Es gilt, den Polytheismus in einen MoErziehung, §21/Werke 3,548: „Das Kind der Eniehung fängt mit langsamen aber sichern Schritten an; es holt manches glücklicher organisierte Kind der Natur spät ein; aber es holt es doch ein, und ist alsdann nie wieder von ihm einzuholen"; § 4/Werke 3,545: „Erziehung gibt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben könnte: sie gibt ihm das, was er aus sich selber haben könnte, nur geschwinder und leichter" Erziehung, § 38.39/Werke 3,552 Erziehung, § 7/Werke 3,545 Erziehung, § 1.2/Werke 3,544f.
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notheismus zu ü b e r f u h r e n G o t t erweist sich mit Hilfe von Wundern als der Mächtigste und daher auch - zumindest für Israel - einzige Gott'®. Dem entspricht die Motivation zu gutem Handeln aus Hoffnung auf Belohnung bzw. Furcht vor Strafe als unmittelbaren, irdischen Folgen der Taten'". Der erreichte Stand ist unbefriedigend, es „war die Zeit da, daß diese seine Begriffe erweitert, veredelt, berichtigt werden sollten", um „die rechten Begriffe" zu gewinnen'®'. Gott sollte nicht nur als der Mächtigste, als der Größte „aller Nationalgötter", sondern als der Weiseste, als Gott schlechthin erkannt werden'". Ziel war ein transzendentaler Begriff von Gott, der nicht an die sinnliche Welt gebunden ist'®^. Dem entspricht eine vom Bereich der Sinnlichkeit abstrahierende Begründung der Sittlichkeit, eine „innere Reinigkeit des Herzens in Hinsicht auf ein andres Leben""'®. Das Knabenalter des Menschen wird durch Christus als dem zweiten Pädagogen eingeleitet, der „dem Kinde das erschöpfte Elementarbuch aus den Händen reißen" sollte'®. Er ist „der erste zuverlässige, praktische Lehrer der Unsterblichkeit der S e e l e " T o d und Auferstehung Jesu ist nicht Grund der Unsterblichkeit, der Todestranszendierung des Menschen, sondern nur Affirmation der schon feststehenden und anders begründeten Lehre von der Unsterblichkeit des Menschen'^'. Die Interpretation der satisfaktorischen Bedeutung des Kreuzes durch Lessing verdeutlicht dessen Sündenverständnis. Sünde ist eine Unvollkommenheit, ein Defizit, das entweder durch die weitergehende Entwicklung abgebaut werden kann oder - wohl in einem stets bleibenden Restbestand - von den Vollkommenheiten Christi aufgewogen wird. Christus trägt nicht stellvertretend die Straffolge der Sünde, sondern ist die vollkommene Realisierung des Ideals, dem der Mensch seit je her zu entsprechen sucht. Es geht nicht um Imputation der schlechthin fremden Gerechtigkeit Christi, nicht um das forensische Die These eines Urmonotheismus, wie sie in Erziehung, § 6/Werke 3 , 5 4 5 , vertreten wird, widerspricht dem Akkomodations- und Fortschrittsgrundsatz, der einen Rückfall von bereits Gewonnenem weg ausschließt. Lessing steht hier wohl unter dem Einfluß der Neologen. Dazu Seppelfricke, Einheit, 301 Erziehung, § 13/Werke 3,546: „ U n d indem et fortfuhr, sich ihm als den Mächtigsten von allen zu bezeugen, ... gewöhnte er es allmählich zu dem Begriffe des Einigen" (Hervorhebung im Original) Erziehung, § 17/Werke 3,547: „Noch konnte Gott seinem Volke keine andere Religion, kein anderes Gesetz geben, als eines, durch dessen Beobachtung oder Nichtbeobachtung es hier auf Erden glücklich oder unglücklich zu werden hoffte oder fürchtete" Erziehung, § 34/Werke 3,551f. Erziehung, § 34/Werke 3,551; § 39/Werke 3,552; § 40/Werke 3 , 5 5 3 Erziehung, § 14/Werke 3,546: ,ЛЬег wie weit war dieser Begriffe des Einigen noch unter dem wahren transzendentalen Begriffe des Einigen"; vgl. § 39/Werke 3 , 5 5 2 Erziehung, § 61/Werke 3,556 Erziehung, § 53/Werke 3,555 " " Erziehung, § 58/Werke 3,556 (Hervorhebung im Original) Erziehung, § 59/Werke 3,556: „eigene Wiederbelebung nach einem Tode, durch den er seine Lehre versiegelt hatte": als Beispiel für die Zuverlässigkeit seiner Lehrtätigkeit.
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Als-ob, das dem an sich völlig korrumpierten Sünder zugesprochen wird. Vielmehr kommt es zu einem Ausgleich, in dem gleichsam komparativisch die quantitativ höhere Tugendhaftigkeit Jesu neben die graduell dahinter zurückbleibende Sittlichkeit des Menschen gehalten wird und Gott in einem perspektivischen Wechsel - nicht in einem Herrschaftswechsel - auf die erstere sieht, wohinter die letztere verschwindet'^^. Man muß fragen, ob bei Lessing nicht konsequenterweise eine Gerichtserwartung wie das Handeln Gottes und Gott selbst im Zuge der Entwicklung überflüssig werden'^^. Wie das Alte Testament als Offenbarung zunächst die Vernunft „geleitet" hatte, so „erhellte" seit der durch Jesus initiierten Einsicht in die übersinnliche Begründung der Moral die Vernunft die Ofifenbarung'^''. Das Neue Testament hat zwar die „eine große Lehre" der Unsterblichkeit bezeugt, diese aber noch mit anderen, beigemischten Lehren versetzt'^^ Es war zwar „das zweite beßre Elementarbuch fiir das Menschengeschlecht", aber ein „sola scriptura" konnte wegen der weitergehenden Entwicklung nur auf Abruf bestehen'^^. Das Neue Testament gilt Lessing als vernunftkonformer als das Alte, dies aber auch nur, weil es mehr Ansatzpunkte zur Selbsterkenntnis der Vernunft bzw. des ihr schon immer Gesagten bietet; „mehr als alle andere Bücher erleuchtet, sollte es auch nur durch das Licht sein, welches der menschliche Verstand selbst hineintrug"'^^. Wie die im Neuen Testament bezeugten Erfiillungen von Weissagungen, Wunder, die Auferstehung Jesu „itzt ... zur Erkenntnis der Wahrheit dieser Lehre so wichtig nicht mehr" sind, zumal diese Bestandteil einer Religion sind, „mit deren historischen Wahrheit... es so mißlich aussieht", so wird man „allmählich ... auch des Neuen Testaments entbehren zu können a n f a n g e n " D i e ,Ausbildung geoffenbarter Wahrheiten in Vernunftswahrheiten ist schlechterdings notwendig": d. h. die Konzentration der Offenbarung auf ihren zeitlosen, vernünftigen Kern unter Abstraktion von ihrer konkret-historischen Gestalt wird propagiert''^'. Die „Zeit eines neuen ewigen Evangeliums"'®" bedarf keiner Offenbarungsconcreta mehr, keines externen Lehrers oder Lehrbuches, keiner Erwartung einer Erziehung, § 75/Werke 3 , 5 5 9 : Gott hat dem Menschen alle Übertretungen „in Rücksicht auf seinen Sohn, d.i. in Rücksicht auf den selbständigen Umfang aller seiner Vollkommenheiten, gegen den und in dem jede Unvollkommenheit des Einzeln verschwindet, lieber verzeihen wollen" (Hervorhebung im Original) Zu diesem Urteil Seppelfricke, Einheit, 3 1 7 "" Erziehung, § 36/Werke 3 , 5 5 2 Erziehung, § 63/Werke 3 , 5 5 7 Erziehung, § 64/Werke 3 , 5 5 7 ; § 67/Werke 3 , 5 5 7 : „nötig, daß jedes Volk dieses Buch eine Zeitlang fiir das Non plus ultra ... seiner Erkenntnisse halten mußte" (Hervorhebung v o m Verfasser) Erziehung, § 65/Werke 3 , 5 5 7 Erziehung, § 59/Werke 3 , 5 5 6 ; § 77/Werke 3 , 5 6 0 ; § 72/Werke 3 , 5 5 8 Erziehung, § 76/Werke 3 , 5 5 9 f Erziehung, § 86/Werke 3 , 5 6 1
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kommenden Vergeltung als Handlungsmotivation'®'. Der „völligen Aufklärung" der Vernunft, d. h. der höchstmöglichen Explikation des in ihr Angelegten, korrespondiert als inhaldiche Füllung des schon immer gegebenen Vernunftinternums die „Reinigkeit des Herzens..., die uns, die Tugend um ihrer selbst willen zu lieben, fähig m a c h t " D e r „garstige breite Graben""^ zwischen historisch Geschehenem und Bezeugtem einerseits und der Gegenwart andererseits, d. h. zwischen Offenbarung und Vernunft, Damals und Heute wird überbrückt durch die Moral als einem zeitlos gültigen Kontinuum'®·*. Es besteht sozusagen eine materiale Identität zwischen fides histórica und fiducia nur, wenn man die fides histórica enthistorisiert, auf ihren ethischen Kern als notwendige Vernunfhvahrheit reduziert und die Historie zu dessen Herausstellung i n s t r u m e n t a l i s i e r t ' D i e Geschichte ist nicht Gegenstand des Glaubens, sondern Erziehung zur Erkenntnis desselben. Das Ziel der Erziehung, die vollständige Aufklärung der Vernunft, die höchstmögliche Ausbildung ihrer sittlichen Struktur ist dann quasi als fiducia die Vergewisserung bzw. der Vollzug des „pro me" einer universal und zeitlos gültigen Wahrheit. Die Erziehung durch Gott geht am Ende in die Selbsterziehung der Vernunft über. Die Soteriologie wird transformiert in Erziehung. Die Erziehung verselbständigt sich von Gott und konvergiert mit dem Weg der sich selbst überlassenen Vernunft"®. Dadurch erhält der natürliche Weg selbst soteriologische Züge: das Vertrauen der „fiducia" gilt nicht einem Externum, sondern der eigenen vernünftigen Konstitution, ihrer Entfaltungsmöglichkeit und ihren Fähigkeiten. Der zweite und dritte Artikel geht im ersten auf, der erste wiederum in der Begründung und im Vollzug der Sittlichkeit.
Vgl. Erziehung, § 88/Werke 3,561: der Neue Bund muß „ebensowohl antiquieret werden ..., als es der Alte geworden" (Hervorhebung im Original) Erziehung, § 80/Werke 3,560; vgl. § 85/Werke 3,561: „da er das Gute tun wird, weil es das Gute ist, nicht weil willkürliche Belohnungen darauf gesetzt sind, die seinen flatterhaften Blick ehedem bloß heften und stärken sollten, die innern bessern Belohnungen desselben zu erkennen" Lessing, Beweis/Werke 3,311 Vgl. auch Beweis/Werke 3,309: „Zufallige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden" Zur Darstellung des Glaubens als etwas Vernünftigem vgl. R. Slenczka, Glaube, T R E 13, 337,19ff. Bezeichnend ist folgendes, gegen den schwärmerischen Wunsch, sofort die Vollendung erreichen zu wollen, gerichtete Zitat, in dem die Wege des föndes der Natur und desjenigen der Erziehung unter dem Begrifft einer hypostasierten „Natur" zusammengefaßt werden: Erziehung § 90/Werke 3,562: „Wozu sich die Natur Jahrtausende Zeit nimmt, soll in dem Augenblick seines Daseins reifen"
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2. Die Überwindung der Diastase von individueller und universaler Pädagogik durch Reinkarnation Die Unsterblichkeit wird von Lessing auf zwei verschiedenen Argumentationswegen begründet, wobei der zweite den ersten ablöst und sich etzdich als subtile Variation des ersten erweist. Der erste, unzureichende Gedankengang setzt ein bei der notwendigen Korrespondenz von Tun und Ergehen. D e m Alten Testament ist, so meint Lessing, wegen seiner Verhaftung an das Diesseits, der Gedanke einer jenseitigen, nicht materiell manifesten Vergeltung ursprünglich fremd'®^. Es entsteht jedoch durch die Inadäquanz von Tugendhaftigkeit und Partizipation an den Gütern der Welt ein „Knoten", der den Verstand zur Suche nach einer Lösung dieses Problems antreibt und ihn öffnet für Einflüsse durch andere, wie z. B. die Perser, die die Unsterblichkeit schon seit langem kannten''®. Aber die sinnliche Grundausrichtung des israelitischen Volkes, läßt den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele als Erleuchtung „über ihre [des Volkes] eignen unerkannten Schätze" nur zur Überzeugung einer Minderheit werden'". Erst Christus als Lehrer, das Neue Testament als Lehrbuch bewirken, „daß ein andres wahres nach diesem Leben zu gewärtigende Leben Einfluß" auf die Handlungen gewinnt"". Lessing läßt es dann allerdings unausgesprochen, wie dies vonstatten gehen soll. In der Fortfuhrung der Antithese und Überbietung der alt- durch die neutestamentliche Phase müßte nun von einem jenseitig, postmortal zu gewärtigenden Vergeltungsakt, der notwendigerweise geistige, immaterielle Strafen und Belohnungen zuteilen vñirde, die Rede sein. Eben dies geschieht aber nicht, weil Lessing seine Gegenwart als Umbruchsphase von der christlich-neutestamentlichen in die rein vernünftige, völlig aufgeklärte Zeit versteht. In letzterer hat ein von der Handlung abgelöstes und dieser als Motivation, als externes Ziel gegenübertretendes Gericht keinen Platz'". An dieser Stelle schlägt der erste Argumentationsgang in den zweiten um. Wenn es unmoralisch ist, im Hinblick auf eine kommende Vergeltung zu handeln, so kann die Annahme einer solchen nur ein vorläufiges pädagogisches Mittel zur Förderung sittlichen Handelns minderen Ranges sein, aber keine tatsächliche Wirklichkeit. Das Gericht und die Rettung aus dem Gericht, das Heil liegt vielmehr im morali-
Eraiehung, § 22/Werke 3,548 Erziehung, § 28/Werke 3,550; § 39/Werke 3,552; § 42/Werke 3 , 5 5 3 Ertiehung, § 40/Werke 3,553; § 43/Werke 3,553f. "0 Erziehung, § 57/Werke 3 , 5 5 6 Erziehung, § 83/Werke 3,561 : der Mann ist im Unterschied zum Jüngling der, „der auch dann, wenn diese Aussichten der Ehre und des Wohlstandes wegfallen, seine Pflicht zu tun vermögend sei"; § 85/Werke 3,561: „da er das Gute tun wird, weil es das Gute ist, nicht weil willkürliche Belohnungen darauf geseat sind, die seinen flatterhaften Blick ehedem bloß heften und stören sollten, die innern bessern Belohnungen desselben zu erkennen"
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Aufklärungsphilosophie
sehen Handeln selbst. Die Soteriologie wird, wie gesehen, identisch mit der höchstmöglichen Explikation der natürlichen Konstitution, die manifest ist in der vernunftinternen Begründung und ebensolchem Vollzug der Sittlichkeit. Wenn dem aber so ist, kann ein vorzeitig gestorbener Mensch der Glückseligkeit, des Heils nicht teilhaftig werden durch ein individuell nach seinem Tod stattfindendes Gericht, auch nicht durch ein allgemeines und nach einem Zwischenzustand erlebtes. Er muß vielmehr in einem oder mehreren erneuten irdischen Leben die Möglichkeit zu einem im eigendichen Sinne tugendhaften Dasein erhalten. Die Erziehung zielt auf das Menschengeschlecht als ganzes ab. Der einzelne Mensch ist darin mit eingebunden und zwar so, daß er die Entwicklung des Ganzen in allen seinen Stadien mitvollzieht"^. Dabei können einzelne ihrer Zeit voraus sein und als Impulsgeber fur die Weiterentwicklung des Ganzen auftreten. So erfährt etwa Israel eine Konzentration auf einzelne Israeliten, die dann der Universalisierung des Anliegens unter allen Völkern zu dienen haben"^. So beginnen Individuen in der neutestamentlich bestimmten Epoche zu ahnen, daß auch diese vorübergehen wird und muß"^. Lessing spielt mit der Option, daß die Besserung und die Unsterblichkeit der abstrakten Totalität der Menschheit ein völlig zureichender Gegenstand und Zielpunkt der Entwicklung sein könnte, wobei der Ewigkeit des Ganzen der Ganztod des Individuums gegenüberstünde"'. Den Weg eines unpersönlichen Aufgehens des Individuums im Kollektiv wählte später im Gefolge Hegels KarlMar}¿^^. Lessing versteht „Ganzheit" jedoch nicht abstrakt, sondern konkret, als Gesamtheit aller Individuen. Erziehung, § 93/Werke 3,562: „Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muß jeder einzelne Mensch (der früher, der später) erst durchlaufen haben"; zum Konnex der individuellen und universalen Ebene auch: Erziehung, § 1.2/Werke 3,544f.; § 82/Werke 3,561 Erziehung, § 18/Werke 3,547: „um in der Folge der Zeit einzelne Glieder desselben so viel sichrer zu Erziehern aller übrigen Völker brauchen zu können. Er erzog in ihm die künftigen Erzieher des Menschengeschlechts" Erziehung, § 68/Werke 3,557: ein „fähigeres Individuum" soll sich hüten, die schwächeren Mitschüler merken zu lassen, „was du witterst, oder schon zu sehen beginnest"; vgl. § 7/ Werke 3,545: einzelne Gegner des Polytheismus Erziehung, § 22/Werke 3,548: die Wunder geschahen „nicht bloß fur die wenigen sterblichen Juden, zu deren Zeiten sie geschahen und aufgezeichnet wurden: er hatte seine Absichten damit auf das ganze jüdische Volk, auf das ganze Menschengeschlecht, die hier auf Erden vielleicht ewig dauern sollen, wenn schon jeder einzelne Jude, jeder einzelne Mensch auf immer dahinstirbt" Das Kontinuum und die absolute Instanz ist fiir ihn die Gattung Mensch. Diese befindet sich in einer andauernden Bewegung, die den in unmenschlichen Arbeitsbedingungen manifesten Tod zu überwinden trachtet. Insofern das Individuum sich durch das Jetzt des revolutionären Tuns in diese Bewegung einbringt, hat es teil am Fortbestand des Ganzen. Nicht der Tod ist das Entscheidende, sondern die Geburt, das jeweils gegenwärtige Veränderungspotential. Dazu H . Breit, Sinndeutung, 4 6 2 £ 4 6 8 i ; H . Schwarz, Jenseits, 160
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Dies fuhrt zu einer doppelten Begründung der Unsterblichkeit im Modus der Reinkarnation. Zum einen steht die sozusagen vertikal-intensive Dimension der Entwicklung im Hintergrund. Keiner kann innerhalb eines Lebens alle Entwicklungsstufen durchlaufen und zum höchsten Entwicklungsgrad gelangen"^. Zweitens läßt sich eine horizontal-extensive Entwicklungsdimension aus dem Gedankenduktus erschließen. Die Entwicklung soll alle je vorhandenen Generationen umfassen. Es muß fur den in früheren Phasen des Prozesses Erzogenen eine Möglichkeit zur Fortsetzung der Erziehung geben. Die Reinkarnation dient als Mittel zum Ausgleich der zeitlichen Disproportionalität zwischen den verschiedenen Stufen und Generationen, wie sie mit dem Erziehungsgedanken gegeben ist"'. Die Unsterblichkeit als Reinkarnation ist zwar wie in den antiken Vorbildern"' ethisch begründet. Anders als bei den alten Griechen ist die ethische Intention jedoch nicht mit einer stofflichen Dimension verkoppelt. Die Perfektion wird als positive Entfaltung des in der Vernunft Angelegten verstanden, nicht als zunehmende Privation vom Leiblichen^"®. Die Leiblichkeit wird aber auch nicht wie bei Leibniz positiv integriert in die Entwicklung. Sie tritt vielmehr an den Rand des Interesses. Die Auferstehung wird durch Reinkarnation ersetzt nicht so sehr wegen einer Leibfeindlichkeit, sondern weil sie anders als die Unsterblichkeit nicht für den dominierenden Perfektionszusammenhang eine funktionale Bedeutung übernehmen kann. Die Unsterblichkeit ist fiir ein Weitergehen des Fortschritts offen, die Auferstehung wäre dessen notwendiger Abschluß. Ein solcher aber widerspricht dem Grundaxiom der Aufklärung, nämlich dem Sein als In-Bewegung-Sein^"'.
IV. Sittliche Existenz heißt unsterbliche Existenz (Kant) 1. „Seele"als vernunfiimmanente
Funktion
Immanuel Kant (1724-1804) formuliert wohl die gerade in ihrer Ambivalenz wirkungsgeschichtlich weitreichendsten Aussagen über die Seele. Es wird zu fragen sein, ob er die Rede von „Seele" und „Gott" tatsächlich ein für alle Mal unmöglich gemacht hat, wie das viele behaupten, und ob er den Grundansatz seiner rationalistischen Vorgänger verläßt oder vielmehr variiert. Zur VerdeutErziehung, § 93.98/Werke 3,362.563 Vgl. Seppelfricke, Einheit, 332 Auf diese beruft sich Lessing ausdrücklich: Erziehung, § 95/Werke 3,563 Auch das „geistige" Christentum verfällt ja letztlich dem Verdikt der Insuffizienz; vgl. Erziehung, § 93/Werke 3,562 Zur Unvollendbarkeit des Fortschritts: Erziehung, § 98/Werke 3,563: „Bringe ich auf einmal so viel weg, daß es der Mühe wiederzukommen etwa nicht lohnet?". Dies gilt, obwohl theoretisch die Erreichbarkeit des Ziels festgehalten wird: § 81.82/Werke 3, 560.561
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Aufklärungsphilosophie
lichung der Intentionen und Entscheidungen Kants möchte ich einige Zitate aus der von Kant bekämpften Schrift „Phädon" des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn anfuhren^"^. Mendelssohn schreibt dem Denkungsvermögen wie dann auch Kant eine Fähigkeit und Tätigkeit des Ordnens und Verbindens von sonst desorganisiert und planlos zerstreut Gebliebenem zu^"^. Er identifiziert dann aber ohne weitere Reflexion das vorgängige Kontinuum der Tätigkeiten mit einer ontischen Substanz, deren Grundprädikation der Einfachheit aus dem Gegenüber zur Variabilität und zur AusdifFerenzierung der Tätigkeiten folgt^"''. Die ontische, nicht nur noetische Dimension der Aussage über eine Verbindungsgröße des Wahrgenommenen kommt in der Wahl der Termini zum Ausdruck: „Was in dem weiten Raum der Körperweit zerstreuet ist, dränget sich hier, ein Ganzes auszumachen, wie in einem Punkt zusammen"; „ein innerlich wirksames Wesen, das Ausdehnung und Farbe, Ruhe und Bewegung, Raum und Zeit sich vorstellet, verbindet, trennet, vergleichet, wählet ..."205. Kennzeichen und Fehler der sogenannten rationalen Psychologie^'"' ist in der Sicht Kants der Schluß von einer bestimmten Tätigkeit auf ein dem korrespondierendes und zugrundeliegendes Sein. Die Denktätigkeit ist nicht wie bei Descartes Vollzug einer schlechthin intelligiblen Existenz, modale, individuelle Manifestation der einen denkenden Substanz und Partizipation an deren Eigenschaften. Die alleinige Grundlage der rationalen Psychologie ist das „ego cogito" Descartes'^"^. Dieses gibt nach Ansicht Kants allerdings bei weitem nicht so viel her, wie das vorher üblicherweise angenommen worden sei. Das Ich ist zwar in der Formulierung des Satzes seiner Existenz nach enthalten, aber es ist damit noch keine Aussage über sein Wesen gemacht. Der Bei Kant, KrV: В 413-415/AA 3, 270ffi Phaedon 11,92: „alle Verhältnisse, die ein Zusammennehmen und Gegeneinanderhalten des Mannigfaltigen erfordern, sind Wirkungen des Denkungsvermögens"; II,92f.: nur das denkende Vermögen „ist fähig, durch eine innerliche Thätigkeit Vergleichungen, Verbindungen und Gegeneinanderhaltungen wirklich zu machen"; vgl. 11,95 Phaedon 11,96: „Wir würden weder uns erinnern, noch überlegen, noch vergleichen, noch denken können, ja wir würden nicht einmal die Person seyn, die wir vor einem Augenblick gewesen, wenn unsere Begriffe unter vielen vertheilet und nicht irgend wo zusammen in ihrer genauesten Verbindung anzutreffen wären. Wir müssen also wenigstens eine Substanz annehmen, die alle Begriffe der Bestandtheile vereiniget"; 11,98: „Diese einfache Substanz, die unausgedehnt ist, Vorstellungsvermögen besitzt, die vollkommenste unter den denkenden Substanzen ist, die in mir wohnen": Seele Phaedon 11,99; vgl. 111,107: „Ohne Beziehung auf das Einfache, auf denkende Wesen ... kann dem Zusammengesetzten weder Schönheit, Ordnung, Uebereinstimmung, noch Vollkommenheit zugeschrieben, ja sie können ohne dies Beziehung, nicht einmal zusammengenommen werden, um Ganze auszumachen" Diesen Terminus gebraucht Kant z. B. in KrV В 400/AA 3,263,16.12f ; В 401/AA 3,264,4f. KrV В 401/AA 3,264,4f : „der alleinige Text der rationalen Psychologie, aus welchem sie ihre ganze Weisheit auswickeln soll"
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Konnex von Denken und Sein ist keine verallgemeinerbare, objektiv gegebene Tatsache, die schlußfolgernd auf das konkrete, denkende Ich angewendet werden könnte. Mit dem sozusagen grammatikalischen Ichsubjekt des Satzes „ego cogito" ist noch nicht eine objektive Wesensbeschreibung gegeben, die aus der Denktätigkeit und -Fähigkeit bestimmte Attribute ableitet^"®. Die Substantialität des Subjekts ist nicht auf analytischem Wege aus dem vorgegebenen empirischen Faktum des „Ich denke" zu erschließen, sondern stellt eine Erweiterung über die unmittelbare Satzaussage hinaus dar, ein synthetisches UrteiP"'. Zur Erfassung des Substanzcharakters wären Sinnesdata, Anschauung nötig, weil dieser „ganz außer dem Felde des Verstandes und seinem Denken" liegt^'°. Ein denkendes Wesen ist aktiv, Subjekt, und nicht ein Objekt, über das, sofern es als Subjekt fungiert, die Eigenschaft der Substantialität ausgesagt werden kann^". Es geht nicht um die Einfachheit der Substanz, sondern um „eine bloße logische, qualitative Einheit des Selbstbewußtseins im Denken"^'^. Die Einheit des Selbstbewußtseins ist vom Denkakt nicht loslösbar und etwa zum Gegenstand von Anschauung zu machen; sie muß im nur-subjektiven Rahmen verbleiben^'^. Unter der Grundprämisse des Kantischen Systems, nämlich der Begrenzung der Erkenntnisfähigkeit und -tätigkeit auf den empirischen Bereich, erweist sich die notwendige Zirkelhaftigkeit des „ego cogito"^'''. Das Ich ist eine „für sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstellung"^''. Von einem empirischen Tatbestand wie dem „Ich denke" ist es unmöglich, „über die Erfahrungsgrenze hinaus etwas dogmatisch auszumachen"^'®. Über den Vorgang des Denkens hinaus ist nichts zu sagen, alles andere dem als ein Moment desselben einzugliedern.
KrV В 420/AA 3,274,16f. 18f.: nicht: „ein jedes denkende Wesen existirt"; sondern: „ich existiré denkend"; vgl. В 422/AA 3,275, 33; 276,18f. KrV В XL-XLI/AA 3 , 2 3 - 2 5 KrV В 408/AA 3,267,35f. Kant weist auf die qualitative Verschiedenheit der Gegenstände des Ober- und Untersatzes des Vernunftschlusses der rationalen Psychologie hin: (Obersatz): „Was nicht anders als Subjekt gedacht werden kann, existirt auch nicht anders als Subject und ist also Substanz"; (Untersatz): „Nun kann ein denkendes Wesen, bloß als ein solches betrachtet, nicht anders als Subjekt gedacht werden"; (conclusio): ,Also existirt es auch nur als ein solches, d.i. als Substanz": KrV В 4l0f./AA 3 , 2 6 9 , 1 6 - 2 0 ; vgl. В 404/AA 3 , 2 6 5 , 3 0 - 3 2 ; В 404/AA 3,266,2f. KrV В 413/AA 3 , 2 7 0 , 2 1 - 2 3 Der „Mißverstand der rationalen Psychologie" ist dieser: „Die Einheit des Bewußtseins, welche den Kategorien zum Grunde liegt, wird hier für Anschauung des Subjects als Objects genommen und darauf die Kategorie der Substanz angewandt": KrV В 4 2 1 f / AA 3,275,14—17; 3 , 2 7 5 , 1 7 - 2 0 : „Sie ist aber nur die Einheit im Denken, wodurch allein kein Object gegeben wird, worauf also die Kategorie der Substanz, als die jederzeit gegebene Anschauung voraussetzt, nicht angewandt, mithin dieses Subject gar nicht erkannt werden kann" KrV В 404/AA 3,265,22f.: (bzgl. Subjekt der Gedanken) „um welches wir uns daher in einem beständigen Cirkel herumdrehen" KrV В 404/AA 3 , 2 6 5 , 1 5 - 1 8 KrV В 424/AA 3 , 2 7 6 , 2 ^
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Aufldärungsphilosophie
Die Auseinandersetzung mit der rationalen Psychologie bzw. der rein rational begründeten Metaphysik betrifft die Bestimmung der Reichweite und der Grenzen der Vernunft. Ein exklusiv rationaler Ansatz hält die Sinneswelt für Schein und legt durch die Vernunft gebildete Begriffe zugrunde, von denen her weitere Deduktionen möglich sind. Der Mensch kann demzufolge aufgrund einer analogen rationalen Struktur zuverlässige Aussagen über den intelligiblen Bereich machen. Einen Überschritt vom „in intellectu" zum „in re" lehnt hingegen Kant wegen einer im Gefolge von David Hume vertretenen empiristischen Grundentscheidung als unmöglich ab^'^. „Es ist aber gänzlich unmöglich, aus einem Begriffe von selbst hinaus zu gehen und, ohne daß man der empirischen Verknüpfung folgt... zu Entdeckung neuer Gegenstände und überschwenglicher Wesen zu gelangen"^'®. Nicht die Vernunft in einer isolierten Stellung ist zuverlässiger Garant der Wahrheitsfindung, sondern die sinnliche Wahrnehmung. Die Vernunft gerät dabei jedoch anders als bei Locke und Hume nicht in eine rein rezeptive Stellung. „Seele" ist nicht ein neutrales Aktionsfeld von Sinneseinflüssen. Vielmehr betreibt Kant eine Verbindung von Empirismus und nichtempirischer Vernunfttätigkeit. Da auf der begrifflichen Ebene durch analytische Explikation des im Terminus enthaltenen Bedeutungsgehaltes keine Erkenntniserweiterung möglich ist, muß die Synthese auf empirischem Wege erreicht werden. Die Vernunft ist konstitutiv bezogen auf die empirische Welt, wird jedoch nicht, wie ein rein empiristischer Ansatz annimmt, von ihr bestimmt, sondern erfüllt eine aktive Funktion ihr gegenüber. Die Erkenntnis soll sich nicht nach den Gegenständen, sondern die Gegenstände nach den vorgegebenen Strukturen der Erkenntnis richten^". Ein Wechselverhältnis zwischen sinnlichem und rationalem Bereich, ohne das die Sinnlichkeit blind und der Verstand leer bliebe, ist nur dadurch zu erreichen, daß die rationale Komponente nicht von den Wahrnehmungen herkommt, sondern ihnen vorausgeht und dabei wesenhaft auf sie bezogen Das Ziel ist die Erstellung von synthetischen Urteilen apriori, d. h. auf den empirischen Bereich bezogenen Erweiterurigsurteilen, die das Konkrete unter immer schon vorhandene und universal gültige Strukturen subsumiert und dadurch erst erkennbar macht^^'. Die rationale Tätigkeit besteht in der Systematisierung und Vereinheidichung der mannigfaltigen Wahrnehmungen bis hin zu der höchstmöglichen Vernunfteinheit^^^. Dies vollzieht sich in einem Stufen-
Vgl. dazu Geisler, Gottesbeweis, 26.27.31 KrV В 667/AA 3,425,6-9 KrV, Vorrede zur 2. Aufl.: В XVI/AA 3,11,37-3,12,8; dazu Baumgartner, Anleitung, 39.76 "" Vgl. KrV В 75/AA 3,75,13-18 Vgl. KrV В 13f./AA 3,36,5-10 KrV В 365/AA 3,243,26-29: „eine bloß logische Vorschrift, sich im Aufsteigen zu immer höheren Bedingungen der Vollständigkeit derselben zu nähern und dadurch die höchste uns mögliche Vernunfteinheit in unsere Erkenntniß zu bringen"
Immanuel Kant
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weg: der Verstand antizipiert durch seine ihm eigenen Begrifife, die Kategorien, die Form möglicher Erfahrung; die Verstandesbegrifïe wie Raum und Zeit gehen der potentiellen Erfahrung als deren Ermöglichungsgrund vorher u n d gelten universal vor u n d fur alle Erfahrung^^^. Wie die Sinnlichkeit fiir den Verstand, so ist der Verstand bzw. sind dessen Begriffe der Gegenstand der weiterfuhrenden Vereinheitlichungstätigkeit der Vernunft^^''. „Der Verstand mag ein Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln sein, so ist die Vernunft das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Principien"^^'. Die Vernunft soll die Verstandesregeln unter Prinzipien vereinigen, zu den bedingten Erkenntnissen des Verstandes das Unbedingte finden u n d so die Einheit vollenden^^®. Das Unbedingte ermöglicht die Synthesis der Bedingungen der Erkenntnis, d. h. der Verstandesbegriffe^^^. Der Begriff eines solchen „Maximums in concreto" kann jedoch nicht in der Erfahrungswelt aufgefiinden werden, sondern ist eine diese übersteigende, also transzendentale idee^^'. Die Ideen, die Vernunftbegriffe sind nie gegeben, empirisch faßbar, sondern wie die Vereinheitlichungstätigkeit, deren methodisches Ziel und Element sie sind, stets aufgegeben und sozusagen je neu zu vollziehen^^'. Die „Welt" als eine der transzendentalen Ideen der Vernunft ist nur als BegriffdcT absoluten Totalität der Reihe der Bedingungen vorhanden. Ein Ganzes, das aus unendlich vielen Teilen besteht, ist in sich widersprüchlich und unmöglich. Das Unendliche kann nicht eingefangen und begrifflich umgrenzt bzw. zu einer Prädikation einer Größe gemacht werden. Die Welt existiert nur im Vorgang des Bestimmens, als Facette des Denk- u n d Ordnungsvorgangs, im Bewußtsein, aber nicht als fertig Gegebenes, empirisch Faßbares. Der regressus in infinitum, der die Bestimmbarkeit und das Vorhandensein Vgl. KrV В 129-131/AA 3 , 1 0 7 , 1 - 1 0 8 , 1 5 ; В 303/AA 3 , 2 0 7 , 1 2 - 1 7 ; В 305/AA 3,208,24-27; 3,209,2f.: die Kategorien sind die „reine Form des Verstandesgebrauchs in Ansehung der Gegenstände überhaupt" und haben die Aufgabe, „das mannigfaltige in der Anschauung Gegebene in ein Bewußtsein а priori zu vereinigen"; В 367/ AA 3,244,30-32 KrV В 692/AA 3,439,29f.; В 672/AA 3,427,27-32: die Vernunft hat den Verstand und „dessen zweckmäßige Anstellung zum Gegenstande; und wie dieser das Mannigfaltige im Objekt durch Begriffe vereinigt, so vereinigt jene ihrerseits das Mannigfaltige der Begriffe durch Ideen" KrV В 359/AA 3,239,27-29 KrV В 356/AA 3,238,lOf: die Vernunft als „das Vermögen der Principien"; В 364/AA 3,242,34f.; В 365/AA 3,243,26-29 KrV В 379/AA 3,251,16-22; В 393/AA 3,259,16-19 KrV В 385/AA 3,254,26f; В 377/AA 3,254,lf.: „Ich verstehe unter der Idee einen nothwendigen Vernunftbegriff, dem kein congruirender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann"; В 377/AA 3,250,1 Of: „Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, ist die Idee oder der VernunftbegrifP (Hervorhebung im Original) KrV В 380/AA 3,251,34-252,1: „Daher sind die reinen Vernunftbegriffe von der Totalität der Synthesis der Bedingungen wenigstens als Aufgaben, um die Einheit des Verstandes wo möglich bis zum Unbedingten fortzusetzen, nothwendig und in der Natur der menschlichen Vernunft gegründet"
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Aufklärungsphilosophie
des Unendlichen voraussetzt, muß ersetzt werden durch einen regressus in indefmitum, der die Unabgeschlossenheit und das beständige Aufgegebensein des Bestimmens impliziert^^". „Gott" steht ebenso wie die Idee der „Welt" und dann auch die der „Seele" unter dem methodischen Vorbehalt des ,Als-ob"^^'. Es wird so getan, als gäbe es eine „Totalität der Bedingungen, Gegenstände überhaupt", einen „Grund der Möglichkeit der sinnlichen Reihe überhaupt", eine schlechthin notwendige Ursache, obwohl dieses nicht in der Sinneswelt begegnen kann, sondern dieser schlechthin als ein „ens extramundanum" enthoben ist^'^. Die Idee einer letzten Ursache ist denkmöglich und -notwendig, aber auch nur dies^'^. In der Welt ist nicht ein „Princip der größtmöglichen Einheit der Erscheinungen als deren oberster Grund" aufzuweisen^^''. Gleichwohl muß, um dem Axiom der zunehmenden Vereinheitlichung als Voraussetzung der Erkenntnis zu entsprechen, in einem denkerischen Akt zu allem real Existierenden etwas Notwendiges gesucht werden, je neu und fortschreitend ohne Aussicht auf eine Vollendung des Prozesses^^^ Ebenso ist „Seele" eine nachträgliche terminologische Interpretation eines notwendigen Sachverhaltes innerhalb der ordnenden Tätigkeit der menschlichen Vernunft. Es geht um die Einheit des denkenden Subjekts im Vollzug der Vereinheidichung der Erfahrungen"®. Die Einheit der Erfahrung, wie sie im Stufenweg zu den Vernunftbegriffen hin je neu aufgegeben ist, ist aber nicht die Erfahrung von Einheit, weil dies unsinnigerweise das nur im Subjekt konstruierbare Unbedingte auf objektive Weise zugänglich machen wollte"^. Die " " KrV В 545/AA 3,354,9-12; В 546/AA 3,354,26-28; В 547/AA 3,355,4f.; В 550f./AA 3,357,16-22; В 552/AA 3,358,18-22; В 555/AA 3,360,8-12. Dazu auch Baumgartner, Anleitung, 1 0 5 f . l l l Vgl. dazu Geisler, Gottesbeweis, 70ff. KrV В 398/AA 3,262,11-16; В 587/AA 3,378,8-10; В 589/AA 3,379,12-18; В 592/ AA 3,381,16f.: „den für uns bloß transcendentalen und unbekannten Grund der Möglichkeit der sinnlichen Reihe überhaupt"; В 647/AA 3,412,36-413,4: ein „regulatives Princip der Vernunft, alle Verbindung in der Welt so anzusehen, als ob sie aus einer allgenugsamen nothwendigen Ursache entspränge, um darauf die Regel einer systematischen und nach allgemeinen Gesetzen nothwendigen Einheit in der Erklärung derselben zu gründen, und ist nicht eine Behauptung einer an sich nothwendigen Existenz" (Hervorhebung vom Verfasser) Als erlaubt gilt, sich „einen intelligiblen Grund der Erscheinungen, d.i. die Sinnenwelt, und denselben befreit von der Zufälligkeit der letzteren [zu] denken": KrV В 591/AA 3,381,31-33; vgl. В 592/AA 3,381,5f.l3-15 KrV В 645/AA 3,411,36f; 412,If. KrV В 644/AA 3,411,16-20: „zu allem, was als existirend gegeben ist, etwas zu suchen, das nothwendig ist, d.i. niemals anderswo als bei einer а priori vollendeten Erklärung aufzuhören, andererseits aber auch diese Vollendung niemals zu hoffen, d.i. nichts Empirisches als unbedingt anzunehmen, und sich dadurch fernerer Ableitung zu überheben" Vgl. KrV В 391/AA 3,258,1 Of. Vgl. Strawson, Grenzen, 140; Bona Meyer, Psychologie, 225f.; Geisler, Gottesbeweis, 34.41.45; Henrich, Gottesbeweis, 142.147
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Subjektivität ist nicht eine Seins-, sondern eine Funktionsbestimmung^'®. Die Seele ist nicht geistig strukturiert; sie enthält nicht eine ihr wesentliche Vernunftdimension; vielmehr ist die Seele ein Moment am Geist, nicht im stoflFlichen, sondern aktualen Sinne - als Funktion der Tätigkeit des Geistes. Wie „Welt" und „Gott", so übernimmt „Seele" eine heuristische, regulative Aufgabe, nicht eine konstitutive. Es geht um eine logische, nicht ontologische AusZwar ist es wohl richtig, von Grenzen der Reichweite der Vernunft zu sprechen^·*®. Allerdings muß man fragen, ob die Grenzziehung mit rein natürlichen Gesetzmäßigkeiten und die Überschreitung der Grenze als Vergehen der Nichtbeachtung solcher natürlichen Zusammenhänge, als transzendentaler Schein^"" erklärt werden kann. Kant übersieht völlig erstens den soteriologischen Sachverhalt, daß der Mensch als Sünder zur tatsächlichen Erkenntnis des erkennbaren Gottes nicht imstande ist (Rom. 1,19-21), seine Vernunft korrumpiert ist^·*^. Zweitens bricht die intelligible Welt, die Transzendenz als selbst aktive Gewißmachungsinstanz weg. Kant ist fixiert auf den Ausgangspunkt beim menschlichen Subjekt, das seine Umwelt als Objekt zu sich in Beziehung setzt und sich ihrer vergewissert. Der Unterschied zu seinen Vorgängern besteht darin, daß er die Dimension der Stofflichkeit bzw. Stofflosigkeit aus der Verhältnisbestimmung der Vernunft zu ihrer Umwelt ausklammert. Der Mensch ist nun nicht qua Vernünftigkeit ontisch mit der intelligiblen Welt verbunden und infolgedessen zu Aussagen über dieselbe imstande. Er ist vielmehr - und diesen stofflich-noetischen Zusammenhang bestreitet Kant nicht - völlig dem sinnlichen Bereich verhaftet und auf ihn zentriert^''^. Die Seele wird geradezu auf ihre sensitivvegetative Dimension reduziert bzw. übernimmt die Vernunft Steuerungsftjnktionen ftir den ursprünglich inferioren, unter Kants empiristischer Prämisse jedoch einzig zugänglichen und relevanten Bereich der Sinne. Die Vernunft hat keine transzendierende Bedeutung, weil die transzendente Welt auf die Vernunft selbst zusammenschrumpft, die Gegenstände der Metaphysik zu fiinktionalen Vernunftinterna werden und auch über die Vernunft selbst nicht mehr als ihre aktive Bedeutung ftir den Wahrnehmungsvorgang ausgesagt werden kann. Der überempirische Bereich wird unzugänglich, die menschliche Erkenntnis profanisiert, weil kein anderer Zugang als der über
Vgl. Köhler, Gottesbeweis, 47.55 KrV В 6 4 4 / A A 3 , 4 1 1 , 2 0 - 2 3 ; В 6 4 7 / A A 3 , 4 1 3 , 4 - 6 . 1 4 - 1 7 ; В 4 2 6 / A A 3 , 2 7 8 , 2 - 5 ; В 4 0 7 / A A 3 , 2 6 7 , 1 2 - 1 4 ; В 397/AA 3 , 2 6 1 , 1 5 - 1 7 Vgl. KrV В 4 2 1 / A A 3,274,36-275,4; В 423/AA 3,275,29-31; В 424/AA 3 , 2 7 6 , 2 ^ Zu diesem Terminus: KrV В 349ff./AA 3,234ff. Luther: WA 2 4 , 1 4 - 1 6 : „So last uns nu die vernunfift und unser natuerlich Hecht preysen und rhuemen. Was ist es anders denn Blindheit und finsternis?" Kant lehnt jeden „bloß speculativen" Gebrauch der Vernunft als fruchtlos ab: KrV В 664/AA 3,423,10-12
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Aufklärungsphilosophie
das menschliche Subjekt in seiner Konstitution, seiner Anlage in den Blick kommt, eben diese transzendierende Dimension der Konstitution aber wegen der allgemein-kosmischen Entgegensetzung von Phänomena und Noumena^'*'' bestritten wird. "Wenn man jedoch die soteriologische Begründung der begrenzten Fähigkeiten der Vernunft beachtet, so wird auch ein soteriologischer Weg zur Aufbrechung der Grenzen und zur Herstellung eines Transzendenzbezuges sichtbar. Gott und Seele müssen nicht das mögliche oder unmögliche Objekt des erkennenden Vernunftsubjekts sein. Es könnte ja auch Gott das Subjekt und der Mensch das Objekt sein, die Erkenntnis Folge und Nachvollzug einer Offenbarung. Die Trennung von Subjekt und Objekt würde dann von der Seite Gottes her überwunden, nicht durch einen stofflichen Modifikationsvorgang wie bei Spinoza, sondern durch das geschichdich-heilsgeschichdiche, kontingente Handeln des gegenüber dem Menschen distinkt bleibenden Subjekts Gott. Der Substanzgedanke betrachtet genauso wie eine ihn und seine Konsequenzen ablehnende Konzeption die intelligible Welt als eine statisch strukturierte und in sich geschlossene Überwelt, aus der ein aktives Eingreifen in die empirische Sphäre allenfalls in den durch die letztere vorgegebenen Bahnen und in Anknüpfung an diese erwartet werden kann. Die Schrift kennt die Transzendenz hingegen als ein wirksames Externum, das geschichtlich und verbal in diese Welt hereinbricht. Es geht in ihr nirgendwo um Gottesvorstellungen, um Gott als Funktion und Implikat der eigenen Denktätigkeit, um eine letztlich unnötige und überflüssige theologische Interpretation einer inhaltsleeren und abstrakten Chiffre eines die Verstandesbegriffe vereinheitlichenden Unbedingten. Vielmehr beruht die biblische Aussage über Gott, die nicht in Beliebigkeit, sondern in Gewißheit geschieht, auf einer Begegnung mit Gott, einem Widerfahrnis von außen, einem noch im Akt des Zeugnisses manifesten pneumatischen Geschehen^''^ Der Mensch denkt aufgrund des Gegebenen, nun aber nicht nur im Vollzug und in den Begrenzungen seiner protologisch-natürlich gegebenen Konstitution, sondern in Rückbindung an ein soteriologisches Geschehen an ihm^·*®. ^^^ K r V В 294fF./AA 3,202fF. Z. B. Ex. 15,21; l.Joh. 1,1-4; l.Kor. 1 1 , 2 3 - 2 6 (Zusammenschau des vergangenen Wirkens Christi am Kreuz und in Offenbarung an Paulus, des gegenwärtigen im Gottesdienst des Neuen Bundes, des zukünftigen in der Parusie); l.Kor. 15,3f.; Rom. 10,17 (Weitertragen und Weiterwirken des Wortes Christi in der Predigt. Vgl. dazu K.-H. Michel, Kant, 240.243.244f. Er weist ebd., 236f., auf die akute Möglichkeit des Atheismus hin, die im 19. Jahrhundert dort Wirklichkeit wurde, wo mit einer Radikalisierung des empiristischen Ansatzes die Notwendigkeit ohnehin inhaltsleerer Vernunftbegriffe entfiel. K.-H. Michel, Kant, 2 4 5 . 2 4 7 , betont die empirisch faßbare Gestalt zumal des geschichtlichen Handelns an und für Israel, das die dualistische Verbannung Gottes in unzugängliche und letzdich uninteressante Sphären, wie sie in der Aufklärungsphilosophie üblich ist, durchbricht. Z u erinnern wäre hier auch an die Akzentuierung der Kondeszendenz in Luthers christologischen Ausführungen. Unberücksichtigt bleibt bei Michel die pneumatische Vergegen-
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Ein nicht-konstitutionelles bzw. nicht-suhstanzontologisches Seelenverständnis wird von Kants Kritik nicht getroßen. Es widerlegt vielmehr mit seinem Ausgangspunkt beim göttlichen Externum Kants subjektivistische und empiristische Prämissen.
2. Die ethische Transformation des rationalen Ansatzes a) Die Korrelation von Vernunft und moralischem Gesetz als transzendierende Dimension Ein Stück weit muß das zuvor Gesagte revidiert werden, insofern Kant die Grenze zur intelligiblen Welt an einem fiür die Aufklärungsphilosophie charakteristischen Punkt aufbricht und der Vernunft in einer bestimmten Weise die Fähigkeit zur Transzendierung der menschlichen Existenz zuspricht. Die „Kritik der reinen Vernunft" hat mit der Behauptung der Denkmöglichkeit und -notwendigkeit der transzendentalen Ideen gleichsam einen hinsichdich des Realitätsgehaltes intelligibler Gegenstände leeren Platz freigehalten, den die „Kritik der praktischen Vernunft" mit ihrer Aussage über das moralische Gesetz auszufüllen imstande ist^"*^. In praktischer Absicht ist die Erweiterung des Vernunftgebrauchs in den überempirischen Bereich hinein möglich^·". Dies ist der Schlüssel, der einen Ausweg aus dem Labyrinth eröffnet, in das man mit dem transzendentalen Schein geraten war''*'. Eine doppelte Konstitution als irdisches und nicht-nur-irdisches Wesen hat der Mensch bei Kant allerdings nicht auf stofflicher Ebene, so daß er aus materiellen und immateriellen Elementen zusammengesetzt und mehr oder nur mit den letzteren zu identifizieren wäre, sondern aufgrund der Partizipation an zwei entgegengesetzten Formen von Kausalität. Der Mensch nimmt sich beobachtend wahr als eine der Erscheinungen in der Sinnenwelt, als Phaenomenon, als eine abgeleitete Ursache natürlicher Ereignisse, die ihrerseits empirischen Gesetzen untersteht. Auf reflexivem Wege, durch Apperzeption erkennt er sich jedoch auch als einen intelligiblen Gegenstand, der in Spontaneität eine eigene, von vernunftinternen Ideen und nicht von andereren Erscheinungen bedingte Ordnung zu bilden befähigt ist^^". Nicht der Vernunftbesitz als solcher, nicht die Denktätigkeit und die in der rationalen Psychologie, etwa bei Descartes, damit verknüpften Eigenschaften des Menschen erheben diesen über die Sinnenwelt. Die Vernünftigkeit alleine ist insufFizient wärtigung und je neue Manifestation des Handelns Gottes, wie sie im Gottesdienst geschieht und sich an den irdischen Buchstaben der Schrift und die irdischen Elemente der Sakramente bindet. KpV A 84/AA 5,48,27-29; A 85/AA 5,49,3-9; A 73f./AA 5,42,22-43,9 K p V A 2 1 8 / A A 5,121,13-15 KpV A 193/AA 5,107,15-17.28f. ™ KrV В 574f./AA 3,371,4-9.15-19.27-29; В 576/AA 3,372,5-10; В 569/AA 3,367,31ίΓ.
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Aufklärungsphilosophie
zur Akzentuierung des menschlichen Propriums. Das Menschsein ist vielmehr unter drei Dimensionen zu bestimmen: die „Tierheit" bezeichnet den Menschen als lebenden; die „Menschheit" ergänzt dies um die Vernünfigkeit; diese wird überboten durch die „Persönlichkeit" bzw. besser: durch die .Anlage fur die Persönlichkeit" als „Empfänglichkeit der Achtung fur das moralische Gesetz", als Fähigkeit zu einer freien und daher zurechenbaren Handlung^". Die Vernunft könnte auch nur das erfüllen, was der Instinkt in den Tieren leistet, nämlich die mechanische Entsprechung gegenüber den Naturgesetzen. Der Mensch besitzt die Vernunft aber „überdem noch zu einem höheren B e h u f , nämlich zur Erkenntnis und Umsetzung des an sich Guten^'^. Die Bestimmung des Menschen als eines endlichen und zugleich vernünftigen Wesens^'^ wird präzisiert durch die Dialektik eines Naturwesens und eines moralischen Wesens^'''. Der Mensch hat eine sinnliche Natur, insofern er bedürftig ist, das ersehnte Wohl zur Handlungsmaxime macht und wie die Tiere ein Glied der Natur ist, die sich den Willen ihrer Glieder unterwirft^". Er ist bzw. wird übersinnlich, wenn er die Natur dem Willen unterwirft, indem er dem Gesetz der Freiheit als einer nicht sinnlich, sondern durch das an sich Gute bedingten Kausalbestimmung folgt^'^. Geriet die „Seele" als regulatives Vernunftprinzip in die Nähe der traditionellen sensitiv-vegetativen Seele, so besteht die Geistigkeit der vernünftigen Seele nicht im Faktum der an Substanzhaftigkeit und Einfachheit festgemachten Immaterialität, sondern in der Immaterialität als Sollbestimmung in der Motivierung des Handelns. Letztere ist aber in ihrem Daß ebenso ein universal für alle Menschen als vernünftigen Lebewesen gültiges Faktum wie die mit dem Vernunftbesitz gesetzte Immaterialität. Dies äußert sich im Axiom der Universalisierbarkeit der jeweiligen individuellen Handlungsmaximen^^^. Das von der Vernunft Gebotene ist fiir jeden „ganz leicht und ohne Bedenken einzusehen"^^'. Die Konstanz, der schlechthin objektive und daher allgemeine Charakter des moralischen Gesetzes ist in seiner deontologischen, rein formalen Wirkungsweise begründet^''. Dem materiellen Bereich, der Sinnen- und Religion В 16-18/Weischedel 4 , 6 7 3 . 6 7 4 K p V А 108f./AA 5 , 6 1 , 3 2 - 6 2 , 7 K p V А 5 7 / A A 5,32,16 " " Religion В 23-25/Weischedel 4 , 6 7 8 K p V А 7 4 / A A 5 , 4 3 , 1 3 - 1 6 ; А 7 7 / A A 5 , 4 4 , 2 7 - 3 5 ; А 107/AA 5 , 6 1 , 1 6 - 2 0 K p V А 74f./AA 5 , 4 3 , 1 6 - 1 9 . 2 6 - 3 0 ; А 7 7 / A A 5,44,32f.; А 119f./AA 5 , 6 7 , 3 2 - 6 8 , 2 . 1 9 f . ; А 121f./AA 5 , 6 9 , 5 - 8 ™ K p V А 54/AA 5,30,38f.: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Princip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne"; vgl. А 57/AA 5,32,31f.; А 6 1 / A A 5,34,31f.; А 6 4 / A A 5,36,23f. KpV А 64/AA 5,36,28-31 K p V А 4 8 / A A 5 , 2 7 , 4 - 6 : „nur als solche Principien ..., die nicht der Materie, sondern blos der Form nach den Bestimmungsgrund des Willens enthalten"; vgl. А 52/AA 5,29,21f.; А 5 5 / A A 5,31,12f.; А 60f./A 5 , 3 4 , 2 5 - 2 9 ; А 7 1 / A A 5 , 4 1 , 3 1 - 3 8
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Erscheinungswelt entstammen die materialen, d. h. inhaltlich orientierten Bestimmungsgründe des Handelns. Die Erlangung eines begehrten Objekts, die Lustempfmdung erscheint zwar als subjektiv notwendig, kann aber wegen der Vielzahl denkbarer Zielgegenstände der Neigung objektiv nur zufällig sein^^. Das menschliche Proprium besteht nicht schon in der Vernünftigkeit, sondern in der durch diese ermöglichten Freiheit. Diese äußert sich negativ in der Unabhängigkeit von den empirisch-sensualen Gesetzen, positiv in der Spontaneität, die sich in der unmittelbar und exklusiv gesetzgeberischen Tätigkeit der Vernunft äußert^®'. Diese Autonomie besagt nicht, wie es in der Folgezeit oft mißverstanden vmrde, eine Loslösung von jeglichem Gesetz und eine unverbindliche Existenz gemäß dem Lustprinzip. Dieser Zustand, in dem sich die Vernunft Vorschriften zur Befolgung pathologischer Gesetze gibt, kennzeichnet Kant als Heteronomie^*^^. „Freiheit heißt also nicht Entscheidungsfreiheit, sondern Freiheit zur Sittlichkeit"^'"'. Es ist nicht die Frage, ob man einem Gesetz folgt, sondern welchem. Dem menschlichen Spezifikum, der Eigentlichkeit des Menschen wird nur Rechnung getragen, wenn man sich vom moralischen Gesetz als dem Korrelat und Implikat der Vernunft beherrschen läßt^«. Das Verhältnis des Menschen zum moralischen Gesetz hat im Kantschen System etwa dieselbe Bedeutung wie die Dimension des „coram Deo" bei Lu-
2«· KpV A 38/AA 5 , 2 1 , 1 4 - 1 6 . 3 2 - 2 2 , 3 ; A 40f./AA 5,22,8-14.27f.; A 46/AA 5,25,32f.; A 47/AA 5,26,5; A 50/AA 5,28,4; A 48/AA 5,27, 9 - 1 2 KpV A 45/AA 5 , 2 4 , 4 0 - 2 5 , 1 : „allein ist Vernunft nur, so fern sie für sich selbst den Willen bestimmt (nicht im Dienste der Neigungen ist)"; A 45/AA 5 , 2 5 , 6 - 1 0 : „Die Vernunft bestimmt in einem praktischen Gesetze unmittelbar den Willen, nicht vermitteist eines dazwischen kommenden Gefühls der Lust und Unlust, selbst nicht an diesem Gesetze, und nur, daß sie als reine Vernunft praktisch sein kann, macht es ihr möglich, gesetzgebend zu sein" (Hervorhebung im Original); vgl. A 72/AA 5,42,4f. KpV A 59/AA 5 , 8 3 , 2 7 - 8 4 , 2 : „Könnte nämlich ein vernünftig Geschöpf jemals dahin kommen, alle moralische Gesetze völlig gerne zu thun, so würde das so viel bedeuten als, es fände sich in ihm auch nicht einmal die Möglichkeit einer Begierde ... die Überwindung ... bedarf also Selbstzwang ... zu dem, was man nicht ganz gern thut ..."; A 154/AA 5 , 8 6 , 2 2 - 2 4 : (bzgl. Pflicht): „nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich fuhrt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst"; keine situationsbezogene Ethik: A 175/AA 5 , 9 7 , 3 4 - 3 6 : „Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht, sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze, die es sich durch Vernunft selbst giebt"; zum Sachverhalt der Unterwerfung auch: A I42f./AA 5 , 8 0 , 1 9 - 2 2 . Schwartländer, Person, 152f. 1 6 1 - 1 6 3 . 1 6 8 , weist zu Recht d a r a u f h i n , daß Autonomie eine gehorsame Erfüllung eines unbedingten Anspruchs bedeute und nicht wie in der Folgezeit eine Absolutsetzung des Menschen als Herrn der Welt und seiner selbst, als Autarkie und Entlassung in ein sittlich indifferentes Handeln. Autonomie ist für Kant die Möglichkeit, über die Selbstliebe Herr zu werden. Ahnlich: Forschner, Glück, I I I ; Hervorhebungen im Original Koppers, Begriff, 3 6 KpV A 175/AA 5,97,35f.: „Gesetze, die es sich durch Vernunft selbst giebt"; vgl. A 238/ AA 5 , 1 3 2 , 1 9 - 2 3 ; A 55/AA 5,31,10
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Aufklärungsphilosophie
ther. Der Wert des Menschen, sein Personsein hängt vom Vollzug des Gehorsams dem Sittengesetz gegenüber ab. Gut ist der „moraliter bonus", nicht der „bene moratus"^^^. Ein reicher Mensch ist dennoch ein Nichtswürdiger, wenn er seine Güter durch Betrug erworben hat^^. Was und wer gut ist, wird nicht durch den jeweiligen Zustand bedingt, sondern durch das moralische Gesetz und die Entsprechung ihm gegenüber^*^^. Korrespondierend dem unauslöschbaren Anspruch Gottes auf den Menschen bei Luther drängt sich das moralische Gesetz jedem unwiderstehlich auf und kann allenfalls untergeordnet, nie aber ausgerottet werden^'^®. Das moralische Gefühl der Achtung gegenüber dem Sittengesetz tritt an die Stelle des Glaubens. Es ist gewissermaßen das subjektive Korrelat bzw. die individuelle Manifestation nun nicht des objektiven Geisteswirkens Gottes, sondern der objektiven und wirksamen Gesetzeswirklichkeit^®. Problematisch ist Kants Unternehmen insofern, als es erstens das Gottesverhältnis konstitutionell, in der Vernunft, verankert und zweitens Gott durch das moralische Gesetz ersetzt. Wenn man bedenkt, daß letzteres von der Vernunft gesetzt wird, ist damit zwar die intelligible, freie Existenz der Vernunft gewährleistet, aber noch nicht die Distinktion zwischen Gott und Mensch^^o.
h) Beständiges Οφζίί
und unendlicher Fortschritt
Kant erreicht durch die Einbindung des moralischen Gesetzes als eines konstitutiven Elements der transzendierenden Dimension der menschlichen Existenz eine nicht-indikativische, sondern unter dem Vorbehalt des Sollens stehende Aussage. Der Mensch ist empfänglich fiir die Ausbildung der Persönlichkeit in der Achtung vor dem moralischen Gesetz; er verfugt über die MögReligion В 23f./Weischedel 4 , 6 7 8
K p V A 6 5 / A A 5,37,14-21
K p V А 1 0 4 - 1 0 6 / A A 5 , 5 9 , 2 7 - 6 0 , 3 3 : Kant difFerenziert hier zwischen dem Guten und dem Wohl. Religion В 34f./Weischedel 4,684f. Der Wert einer und derselben Handlung besteht nicht darin, ob sie als „Werk" oder „aus Glauben" geschieht, sondern ob sie „pflichtmäßig" oder „aus Pflicht" geschieht (vgl. R o m . 14,23): K p V А 144/AA 5 , 8 1 , 1 4 - 1 9 . Die Beispielhaftigkeit eines rechtschaffenen Mannes, durch den eine erneute KonfiOntation mit dem Gesetz geschieht ( K p V А 136/AA 5 , 7 7 , 3 - 7 ; А 138/ AA 5,78,12) erinnert an die Wolke der Glaubenszeugen von Hebr. 11. Bezeichnend ist die U m d e u t u n g von M t . 11,30 ( K p V А 151/AA 5 , 8 4 , 3 6 - 8 5 , 7 ) , bei der das Gesetz an die Stelle Christi tritt. Man muß allerdings neben diesem Aussagestrang, nach dem die Vernunft sich selbst das Gesetz gibt, andere Belege nennen (s.u. Abschnitt IV.)2.c)), nach denen Gott insgesamt, als Schöpfer der Garant der Gesetzeswirklichkeit ist und insofern sehr wohl vom menschlichen Sein unterschieden werden muß. Gott erhält dort, wo es u m die Erfahrung der bzw. Bindung an die Moral geht, eine über die Bedeutung einer regulativen Bewußtseinsstruktur zur Aufnahme von Erfahrung hinausgehende Funktion als vom Erfahrenden kausal unterschiedenes Etwas. Dazu R. Slenczka, Entscheidung, 89
Immanuel Kant
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lichkeit einer übersinnlichen Natur^^'. Neben dieser potentiellen intelligiblen Struktur steht die reale sinnliche Natur. Diese stellt bereits in ihrem bloßen Bestand als Reservoir möglicher materialer Ziele des Handelns eine Versuchung dar^^^. Sie tritt jedoch auch aktiv in Erscheinung, als Hang zur Selbstliebe, d. h. dazu, sich selbst zum Bestimmungsgrund des Willens zu machen^^^ Die Hindernisse zur Befolgung des Gesetzes, d. h. die Aktivität subjektiv-pathologischer Ursachen, treten konzentriert auf als ein radikales Böses, das unausrottbar das menschliche Leben von Anfang an begleitet und den Grund aller Maximen verdirbt^^"*. Wie bei Luther, an dessen Erbsündenlehre Kant sich zumindest formal anlehnt, geht es nicht um das Was, sondern um das Wer und das Warum der Handlung, nicht um den Inhalt, sondern um die Person der Tat. Ein Nachgeben gegenüber dem Hang, eine Übertretung äußert sich in der Beimengung nicht-moralischer, d. h. teleologischer Beweggründe in die Maxime bzw. in deren Überordnung über die moralischen^^'. Andererseits steht das Sollen dem Menschen nicht nur als Externum gegenüber, sondern befindet sich als Vernunftinternum, als Disposition in ihm. Der Mensch verfugt gleichsam über ein angeborenes Pfand, das es nicht zu vergraben, sondern in Umlauf zu bringen gilt^^"*. Das moralische Gesetz tritt nicht erst durch einen geschichtlichen Akt in das Leben des Menschen ein. Das Daß eines Verhältnisses zu ihm beruht nicht auf einer Entscheidung des Menschen oder einem Eingreifen Gottes. Es ist vielmehr immer schon als eine der beiden die Maximenbildung des Menschen beeinflussenden konstitutionellen Größen gegeben^^^. Die ungebrochene Kontinuität der Disposition bewirkt, daß der sündigende Mensch so betrachtet werden kann, als ob er jeweils aus dem Stand der Unschuld zum Bösen übergeschritten wäre^^®. Die Behauptung einer „natura corrupta" würde die Transzendierung der menschlichen Existenz unmöglich machen, weil diese in der Freiheit, in der Fähigkeit zur Durchbrechung der Dependenz von den Naturgesetzen durch Befolgung des Sittengesetzes begründet wird. Das Axiom der Zurechenbarkeit der Handlung läßt sich nicht wie in der theologischen Tradition im Zuge einer corporate identity der Menschheit mit Adam (Röm. 5,12ff.) mit der Erbsündenlehre vereinbaReligion В 18-20/Weischedel 4,674f.; KpV А 78/AA 5,45,22ff.; А 82/AA 5 , 4 7 , 3 0 - 3 2 KpV А 3 8 / A A 5 , 2 1 , 1 4 - 1 6 ; А 4 0 / A A 5 , 2 2 , 6 - 8 KpV А 131/AA 5 , 7 4 , 1 5 - 1 9 ; А 152/AA 5 , 8 5 , 2 9 - 3 1 "" KpV А 140/AA 5,79,12f.; Religion В 25f.35-37/Weischedel 4 , 6 7 9 . 6 8 6 KpV А 2 3 1 / А А 5 , 1 2 8 , 4 - 1 2 ; Religion В 22f./Weischedel 4 , 6 7 7 Religion В 62/Weischedel 4,703. Die Umgestaltung des Gleichnisses von Lk. 19,12ff. dahingehend, daß die Übergabe des Pfundes nicht heilsgeschichtlich, durch die Predigt, sondern im Schöpfungsakt als Anlage der Vernunft unter Absehung von Gnadenmitteln und Heilsökonomie erfolgt, ist bezeichnend fiiir den naturalistischen Ansatz der Aufklärungsphilosophie. Religion В 33/Weischedel 4,684: „Der Mensch (selbst der ärgste) tut, in welchen Maximen es auch sei, auf das moralische Gesetz nicht gleichsam rebellischerweise (mit Aufkündigung des Gehorsams) Verzicht" Religion В 42.43/Weischedel 4 , 6 9 0 . 6 9 1
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Aufldärungsphilosophie
ren, sondern führt bei Kant zu einem quantitativen Verständnis der Wirksamkeit der Erbsünde. Sie zerstört nicht die Freiheit des Menschen, sondern behindert sie nur. Augustins „posse non peccare" ist nicht Kennzeichnung des Zustandes nach dem Empfang der Gnade, sondern des unverändert bleibenden natürlichen Standes des Menschen^^'. Das moralische Gesetz zeigt, daß eine Handlung hätte unterlassen werden können^'". Es geht dabei nicht so sehr wie im usus elenchticus legis um die Aufdeckung der Sünde als um das Bewußtmachen der eigenen Möglichkeiten. Was der Mensch im Bezug auf den kategorischen Imperativ will, das kann er auch^®'. Der Mensch hat die Pflicht zur Besserung, muß dieses also auch können^®^. Die Disposition ist nicht ein Depositum, das fallweise aktiviert werden kann oder auch nicht, sondern drängt wie die Leibnizsche Monade aus sich heraus auf Bewegung, auf Realisierung hin. Die Heiligkeit des Gesetzes konfrontiert den Menschen mit seiner noch bestehenden Unheiligkeit, fordert aber nichtsdestoweniger die abbildlich-analoge Entsprechung^®'. Das Sollen kann von der Endlichkeit und Schwäche des Menschen abstrahieren, weil diese in ihrem Einfluß abbaubar ist. „Dem kategorischen Gebote der Sittlichkeit Genüge zu leisten, ist in jedes Gewalt zu aller Zeit"^^. Die asymmetrische Verschiebung der Koexistenz der beiden Kausalitäten zugunsten der Freiheit wird verstärkt durch die Annahme einer quasi-pneumatischen Wirksamkeit des Gesetzes: es fordert Achtung und flößt diese zugleich ein^®'. Insofern muß es früher oder später zum revolutionären Akt der Überordnung des moralischen über das natürlichsinnliche Gesetz kommen, zur Gewinnung der Reinheit der Gesinnung. Das legale, äußerlich dem Gesetz entsprechende Tun kann im Zuge einer Reform angenähert oder eingeübt werden. Moralisch wird dieselbe Handlung nur durch einen revolutionären Wandel in der Gesinnung, den Kant mit dem theologischen Terminus der Wiedergeburt beschreibt^®''. Allerdings ist vor und nach diesem Bruch kein anderes „Arzeneimittel der kranken Seele" im Blick als das Gesetz^'^. Die Umordnung innerhalb der Gesinnung bringt noch nicht die völlige Exklusivität des moralischen Gesetzes als Bestimmungsgrund für Vernunft und Willen mit sich. Auch nach dem Bruch geht die Auseinandersetzung zwischen der Pflicht und den Neigungen, zwischen dem moraliZur Zurechenbarkeit: Religion В 15/Weischedel 4,673; KpV А 178f./AA 5,99,33-100,5 KpV А 178f./AA 5,99,33-100,5; vgl. KrV В 584/AA 3,376,24f.; zum Gewissen: KpV А 175f./AA 5,98,13f.l7-21 KpV А 65/AA 5,37,9-13; vgl. А 54/AA 5,30,33-35: „Er urtheilt also, daß er etwas kann, darum weil er sich bewußt ist, daß er es soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre" Religion В 43/Weischedel 4,691 KpV А 231/AA 5,128,lf.4-12; А I48f./AA 5,83,22-27 KpV А 64f./AA 5,36,40-37,1 KpV А 143/AA 5,80,22f. Religion В 51.54/Weischedel 4,697.698 KpV А 158f./AA5,89,4f.
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sehen Gesetz u n d d e m bösen Hang weiter. D e r Totalaspekt der Rechtfertigung besteht nicht in der G e w i ß h e i t der UnverHerbarkeit, weil externen Beg r ü n d u n g der Gerechtigkeit, sondern in dem quasi naturgesetzlichen G r u n d satz, daß ein einmal erreichter Entwicklungsstand nicht rückgängig gemacht w e r d e n kann. Die moralische Gesinnung, die A c h t u n g vor d e m Gesetz beruht nicht auf einem äußeren Eingreifen, sondern ist Ergebnis des Gegeneinanders der Konstitutionselemente des Menschen u n d der gleichzeitigen dynamischen A s y m m e t r i e zugunsten der transzendierenden Dimension der Verbind u n g v o n V e r n u n f t u n d moralischem Gesetz. D e r Totalaspekt wird insofern relativiert, als er in den Partialaspekt aufgelöst wird: das Sein ist n u r als Unterwegssein, die reine Gesinnung n u r als Tugend, als A p p r o x i m a t i o n zu haben^®®. D i e neue G e s i n n u n g ist letztlich hinsichtlich der Umverteilung der d o m i n a n ten Position in der Auseinandersetzung der konkurrierenden Gesetze eine Station, hinsichtlich ihrer völligen Reinheit beständiger Gegenstand der „Selbstbesserung" des Menschen^®'. Die Revolution der Denkungsart beruht nicht auf einem separaten Heilswirken Gottes in Christus - dann w ä r e der Totalaspekt nicht quantifizierbar - , sondern besteht in einer perspektivischen
Religion В 55/Weischedel 4,698f.: „er kann hoffen, daß er bei einer solchen Reinigkeit des Prinzips, welches er sich zur obersten Maxime seiner Willkür genommen hat, und der Festigkeit desselben, sich auf dem guten (obwohl schmalen) Weg eines beständigen Fortschreitens vom Schlechten zum Bessern befinde" (Hervorhebung im Original); В 55/Weischedel 4,699: „für die Beurteilung der Menschen aber, die sich und die Stärke ihrer Maximen nur nach der Oberhand, die sie über Sinnlichkeit in der Zeit gewinnen, schätzen können, ist sie nur als ein immer fortdauerndes Streben zum Bessern, mithin als allmähliche Reform des Hanges zum Bösen, als verkehrter Denkungsart, anzusehen"; vgl.: Kennzeichnung der Wiedergeburt als Gewinnung der „virtus noumenon", die damit den Tugend- und Reformcharakter mit der Annäherung an legale Taten (virtus phaenomenon) gemeinsam hat und sich von ihr durch die Dimension der Freiheit in der formalen Bestimmung der Tat unterscheidet: Religion В 51-54/ Weischedel 4, 697f.; zum Ganzen vgl. Koppers, Begriff, 86.92.97 Religion В 61/Weischedel 4,703; vgl. ebd., В 60f./Weischedel 4, 702.703; „Da dieses nun bloß auf eine ins Unendliche hinausgehende Fortschreitung vom Schlechten zum Besseren fuhrt, so folgt: daß die Umwandlung der Gesinnung des bösen in die eines guten Menschen in der Veränderung des obersten inneren Grundes der Annehmung aller seiner Maximen dem sittlichen Gesetz gemäß zu setzen sei, so fern dieser neue Gegenstand (das neue Herz) nun selbst unveränderlich ist"; „aber auf den Weg, der dahin führt, und der ihm von einer im Grunde gebesserten Gesinnung angewiesen wird, muß er hoffen können, durch eigene Kraftanwendung zu gelangen" (Hervorhebung im Original). Bezeichnend ist auch, daß die KpV ohne Behauptung eines Bruches das Ziel der Heiligkeit und reinen Gesinnung mit der Aussage eines wegen der Begierde des Menschen unendlichen Progressus dorthin verbindet: KpV А 148/AA 5,83,14-16: „Das Gebot... kann ... nicht diese Gesinnung in pflichtmäßigen Handlungen zu haben, sondern blos darnach zu streben gebieten" (Hervorhebung im Original); А 148f/AA 5,83,22-27: „Jenes Gesetz ... stellt ... die moralische Gesinnung in ihrer ganzen Vollkommenheit dar, so wie sie als ein Ideal der Heiligkeit von keinem Geschöpf erreichbar, dennoch das Urbild ist, welchem wir uns zu näheren und in einem ununterbrochenen, aber unendlichen Progressus gleich zu werden streben sollen"; vgl. А 150/AA 5,84,12-16; А 149/AA 5,83,27-84,2; А 229 (Anmerk.)/AA 5,128,33-38; А 231/AA 5,128,lf4-12; А 264f/AA 5,147,6-10
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Aufldärungsphilosophie
Zusammenschau des unendlichen Fortschritts in einen Punkt^'". Daraus läßt sich folgender Grundsatz der Auffassung Kants und der Aufklärungsphilosophie allgemein erschließen: Sein ist schon von seiner dynamischen Disposition her ein In-Bewegung-Sein, dieses aber - in einer Zusammenschau von Protologie und Soteriologie - ist ein Gerechtsein, ist das Heil. Dies wird im folgenden Abschnitt zu verdeudichen sein.
c) Moralische Religion als Theologie des ersten Artikels Das Eschaton, das „Gott alles in allem" (l.Kor. 15,28) tritt in der Kantschen Interpretation dann ein, vk^enn die Vernunftreligion herrscht, d. h. w^enn die Explikation der natürlichen Anlage ihren Höchststand erreicht hat^". Die „ecclesia triumphans" wird nicht durch die endgültige Durchsetzung des Sieges Christi über die Verderbensmächte Sünde,Tod und Teufel erreicht, sondern durch eine Reduktion der Kirche auf ihren moralischen und daher universalen Kern, wobei der Streit der Kirche nicht auf teuflische Anfechtungen wie bei Luther, sondern auf kirchenspaltende Lehrstreitigkeiten bezogen wird^'^. Letzte Instanz, Ausgangs- und Zielpunkt der menschlichen Existenz und der Reflexion über sie ist die Natur, d. h. die moralische Anlage in der Korrelation von Vernunft und moralischem Gesetz. Nicht soll die Moral nach der Bibel, sondern die Bibel nach der Moral ausgelegt werden^'^. Buchstabe und Geist stehen nicht in einem heilsökonomischen Verhältnis, so daß „Geist" den Neuen Bund bzw. den sich an das verbum externum bindenden Heiligen Geist meint, sondern in einem reduktionistischen Verhältnis: „Geist" ist die ursprüngliche Intention, der eigentliche Aussagekern, der sich mit dem Mantel anderslautender Aussagen bzw. variierender positiver Religionen umgibt^'·*. Die moralische Religion hat ihr Wesen nicht in konventionellen, geschichtlich bedingten „Satzungen und Observanzen", „sondern in der Herzensgesinnung zu Beobachtung aller Menschenpflichten", im Vollzug der natürlichen Struktur des Menschen^''. Sie wird sich langfristig in der AuseinReligion В 55/Weischedel 4 , 6 9 9 : „für denjenigen, der den intelligibilen Grund des Herzens (aller Maximen der Willkür) durchschaut, für den also diese Unendlichkeit des Fortschritts Einheit ist, d.i. fur Gott so viel, als wirklich ein guter (ihm gefalliger) Mensch sein; und insofern kann diese Veränderung als Revolution betrachtet werden;... für die Beurteilung des Menschen aber ... ein immer fortdauerndes Streben zum Bessern ...". Eine Analogie zur je neu aufgegebenen Vereinheitlichung der Wahrnehmung und zur funktionalen Bestimmung der regulativen Prinzipien der Vernunft in der K r V ist nicht zu bestreiten. Dazu auch Beck, Kommentar, 2 4 6 f Religion В 179/Weischedel 4, 7 8 5 Religion В 168/Weischedel 4, 7 7 8 Religion В 1 5 8 (Anmerkung)/Weischedel 4 , 7 7 1 ; vgl. В 179/Weischedel 4 , 7 8 5 : moralische Anlage als „Grundlage und zugleich Auslegerin aller Religion" Bzgl. Schrift: Religion В 1 1 5 f . 1 5 3 . 1 5 8 . 1 6 1 f / W e i s c h e d e l 4 , 7 4 0 . 7 6 8 . 7 7 1 . 7 7 3 f ; bzgl. Gesetz: K p V А 147/AA 5 , 8 2 , 3 3 - 8 3 , 2 ; bzgl. Kirche: Religion В 6 1 f 1 5 4 . 1 5 4 f l 16/Weischedel 4, 703.768.769.741 Religion В 116/Weischedel 4 , 7 4 0
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andersetzung mit dem „Fronglauben" durchsetzen, weil sie auf die universal vorauszusetzende Vernunft, auf die Natur und nicht auf kontingente Geschichtsereignisse rekurriert, sich selbst als autoritativ beweist durch ihren unübertroffenen Nutzen ftir die Realisierung des Grundaxioms der moralischen Besserung des Menschen^'®. In der sitdichen Gesinnung bzw. in der fortschreitenden Erlangung derselben besteht das Heil und deren Bevmßtmachung tritt in der Anfechtung an die Stelle Christi bzw. des Heiligen Geistes als Parakleten^'^. Es gilt, nicht an, sondern wie Jesus zu glauben, d. h. an die Tugend, an die Gültigkeit der Vernunftidee zu glauben^'®. Weil die Ersetzung des „extra nos" des Heils durch ein imitatives Verhältnis gegenüber Christus die systemimmanente Prämisse ist, erscheinen die Göttlichkeit und Sündlosigkeit Jesu als schädliche, weil die Distanz zum Menschen vergrößernde Aussagen. Jesus ist nur ein Lehrer, eine nicht zwingend notwendige Inkarnation des Urbildes der moralischen Vollkommenheit, das sich ohnehin in jedermanns Vernunft befindet^". Gott wird in seinem Wirken und seinen Eigenschaften auf den Erhalt der Gesetzeswirklichkeit reduziert. Letztere impliziert als unbestrittenes geschöpfliches Faktum Gott als dessen Verursacher''*'. Die ^ Religion В 184/Weischedel 4,788: der moralische Religionsglauben hat den Anspruch auf Vorzug, „der ihm als allein seelenbessernden Glauben zukommt, nie aufgegeben ..., und ihn endlich gewiß behaupten"; vgl. Religion В I67.195.236/Weischedel 4, 777.795.826; vgl. ebd. В 161/Weischedel 4,773: das Lesen der Schrift hat zur „Endabsicht bessere Menschen zu machen". Dazu auch R. Slenczka, Geschichdichkeit, 4 l f Religion В Il4f/Weischedel 4,739: „Dieser Sinn besteht darin, daß es schlechterdings kein Heil ftir die Menschen gebe, als in innigster Aufhehmung echter sitdicher Grundsätze in ihre Gesinnung"; ebd., В 90-93/Weischedel 4, 724: „Die gute und lautere Gesinnung (die man einen guten uns regierenden Geist nennen kann) ..., ist der Tröster (Paraklet), wenn uns unsere Fehltritte wegen ihrer Beharrlichkeit besorgt machen" Religion В 98/Weischedel 4,729: Übel des Lebens, „die der neue Mensch in der Gesinnung des Sohnes Gottes, nämlich um des Guten willen übernimmt"; В 99/Weischedel 4,729 neue Gesinnung, „in ihrer Reinigkeit, wie die des Sohnes Gottes"; В 110/ Weischedel 4, 736 „nahmen andere Menschen auch dieselbe Gesinnung gläubig an"; В 77/Weischedel 4,715 Forderung von Wundern als „Mangel des Glaubens an die Tugend"; В 77f/ebd.: „nur der Glaube an die praktische Gültigkeit jener Idee, die in unserer Vernunft liegt ... moralischen Wert hat"; vgl. В 24/Weischedel 4,678; В 247f./Weischedel 4,833 ^^ Religion В 78-82.73-76.113/Weischedel 4, 716-718.712-714.738. Das Kreuz, das stellvertretende Strafleiden erscheint als Konzentration und Antizipation der um des Guten willen übernommenen Leiden, woraus ein „Überschuß über das Verdienst der Werke" der Menschen gewonnen und diesen in einer Ergänzungs-, nicht Vergebungsaktion zugeeignet wird (Religion В 99f./Weischedel 4,729f) Religion В Ill/Weischedel 4,649: „Die Moral ... bedarf weder eines andern Wesens über ihm, um seine Pflicht zu erkennen, noch einer andern Triebfeder als des Gesetzes selbst, um sie zu beobachten"; vgl. KpV А 226/AA 5,125, 30-32; 5,126,20-23; moralisch, d.h. auf Überwachung der GesetzeserfiiUung hin ausgedeutete Eigenschaften Gones: KpV А 235f/АА 5,131,2-6; А 236 (Anmerkung)/AA 5, 131, 27-38; А 252/AA 5,140,4-6; А 254/AA 5,141,6f.; Religion В XI. XIII.84.138f 145/Weischedel 4, 652.655.719f758.762. Gott ist die Liebe nur, sofern der Mensch seinem Gesetz gegenüber adäquat lebt: Religion В 220/Weischedel 4, 813. Insofern meint „Theologie des ersten Artikels" zwar Entfaltung des von der Schöpfting her Mitge-
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Gnadenmittel, wie sie im kirchlichen Gottesdienst verwaltet werden, erscheinen als „Parerga", als kultisches Beiwerk der moralischen Religion, das allenfalls zeitweise instrumentalisiert werden kann, jedoch angesichts des Todes ein „Opium fürs Gewissen" bedeuten. Die Aufforderung, die Sterbestunde mit dem Nachholen von versäumten und Ausbügeln von verfehlten Taten zu verbringen, zeigt, daß die Todestranszendierung durch die Aufrechterhaltung oder Forcierung des sittlichen Fortschritts, nicht durch Sündenvergebung geschieht und nur ein Stillstand des Fortschritts den Tod ausmacht'"'.
3. „Seele"als Moment am Fortschrittsprozeß a) Die Spiritualisierung der Substantialität Zwar verwirft Kant, wie gesehen, die Substantialität mit den aus ihr abgeleiteten Prädikationen als eine unmögliche, weil unerkennbare Bestimmung der Seele, macht dann jedoch die die Sinnlichkeit transzendierende Dimension der menschlichen Existenz an der gleichsam dynamischen Konstitution der Vernunft in Korrelation zum moralischen Gesetz fest. Kant gelingt es, ohne einen Rekurs auf die stoffliche Beschaffenheit eine konstitutionelle, keiner übernatürlichen Externa bedürfende Begründung des auch überempirischen Wesens des Menschen durchzuführen. Die Transzendierung ist nur in fortschreitender Weise zu vollziehen; das Sein begegnet nur als ein Bewegtsein. Aber wie die Leibnizsche Monade ihre Substantialität in ihrer bleibenden Identität trotz der beständigen Veränderung erweist, so kennt auch Kant solche Konstanten. Die erste ist die Gesinnung, wie sie sich als Manifestation des wirksamen Korrelationsverhältnisses von Vernunft und Gesetz ergibt. Sie bleibt in ihrer Ausrichtung auf das Besserwerden hin unveränderlich und fest'°^. Die zweite ist das moralische Gesetz als ein kategorischer Imperativ. Es gebenen und daher universal Vorauszusetzenden, nicht aber den Verzicht auf ein unterschiedenes Sein und Handeln Gottes. Allerdings wird letzteres nur auf der moralischen, d.h. hier: universal-apriorisch-schöpfungsmäßigen Ebene aussagbar. з»' Religion В 63/Weischedel 4, 704; В 168/Weischedel 4,778: der Glaube einer gottesdienstlichen Religion „wähnt durch Handlungen (des Kultus), welche ... doch fur sich keinen moralischen Wert haben, mithin nur durch Furcht oder Hoffnung abgenötigte Handlungen sind, die auch ein böser Mensch ausüben kann, Gott wohlgefällig zu werden"; В 104f 8 9 - 9 1 / Weischedel 4, 733.723f. ^^ Dies gilt insbesondere vom Zeitpunkt des Übergewichtes des moralischen Gesetzes an: Religion В 61/Weischedel 4,702: „so fern dieser neue Grund (das neue Herz) nun selbst unveränderlich ist"; В 55/Weischedel 4, 698f: „hoffen, daß er sich bei einer solchen Reinigkeit des Prinzips ... und der Festigkeit desselben auf dem guten ... Weg ... zum Bessern befinde"; KpV А 222 (Anmerk.)/ AA 5,123,2 lf.24f.: „Unwandelbarkeit der Gesinnung im Fortschritte zum Guten ... Bewußtsein der Beharrlichkeit im moralischen Progressus"; А 222 (Anmerk.)/AA 5,123,25-30: „tröstende Hoffnung, ... daß er auch in einer über dieses Leben hinaus fortgesetzten Existenz bei diesen Grundsätzen beharren werde"; Religion В 86f./Weischedel 4,721: „von der Wirklichkeit und Beharrlichkeit einer im Guten immer fortrückenden (nie daraus fallenden) Gesin-
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gilt unbedingt und universal und verweist alle anderen die Maximenbildung beeinflussenden Größen, alle potentiellen Neigungen, aber auch den Tod in den Bereich unbedeutender Akzidentien'"'. Man könnte, beides verbindend, auch sagen, daß sich die Vernunft in actu durchhalte, denn sie ist der Autor und Rezeptor des Gesetzes. Die Annahme der Kontinuität einer dem Menschsein natürlicherweise mitgegebenen, also konstitutionellen Struktur, zumal ihre Verbindung mit der Vernunft, verbindet Kant mit der rationalen Psychologie wie auch mit der Scholastik. Allerdings ist diese Konstitution bei Kant nicht im Menschen zu lokalisieren, abzugrenzen, mit den Kategorien der Stofflichkeit bzw. deren Negation zu beschreiben. Kant kann die Strukturelemente eines substanzontologischen Personverständnisses integrieren, ohne von „Substanz" oder „Seele" zu sprechen. Die Seele geht auf in bestimmten Einzeldimensionen der Selbstexplikation der Vernunft. b) Die Dynamisierung der Unsterblichkeit Leibniz hatte die These der Unzerstörbarkeit der Seele dahingehend variiert, daß diese nicht in der durch die Denktätigkeit vermittelten Zugehörigkeit zu einer intelligiblen, unveränderlichen Sphäre begründet war, sondern gerade in der beständigen Bewegung der Monade. Kant macht in ähnlicher Weise die Unsterblichkeit an der Tatsache eines unendlichen Progressus' fest, allerdings unter Zugrundelegung der eben beschriebenen Spiritualisierung der Substantialität. Aussagen über bleibende Seinsprädikationen interessieren nur, insofern sie sich als Momente der vorgegebenen sittlichen Existenz und des mit ihr in Gang gesetzten Fortschrittsprozesses darstellen lassen. Die Unsterblichkeit könnte nie isoliert, als bloße Seinsaussage, als Folgerung aus einer vorgegebenen Geistigkeit und Substantialität in den Blick kommen. Sie kann nur als Impiikat, als Postulat des sittlichen Fortschritts notwendig werden. Es geht nicht um Unzerstörbarkeit als Wesenseigenschaft einer immateriellen und daher unteilbaren und unveränderlichen Seele, sondern um den
nung verstanden wird, denn das beständige .Trachten nach dem Reiche Gottes', : von der Unveränderlichkeit einer solchen Gesinnung fest versichert wäre, würde eben so viel sein, als sich schon im Besin dieses Reiches zu wissen" (Hervorhebung im Original) Zum kategorischen Imperativ: KpV A 35/AA 5,19,llf.; A 36f./AA 5,20,13f.; A 38/AA 5,21,1-3; A 157/AA 5,88,6-9.15f.: bei einem Unglück wegen der Pflichterfüllung (z. B. Tod): „BewTißtsein ..., daß er die Menschheit in seiner Person doch in ihrer Würde erhalten und geehrt habe, daß er sich nicht vor sich selbst zu schämen und den inneren Anblick der Selbstprüfung zu scheuen Ursache habe"; ,Λbhaltung der Gefahr, im persönlichen Werthe zu sinken, nachdem der seines Zustandes von ihm schon gänzlich aufgegeben worden ist"; bezeichnend ist der Nachsatz eines den spekulativen Vernunftgebrauch in der Aussage über die Einfachheit der Seele ablehnenden Textabschnitts, der die ethische Transformation der Substantialität verdeutlicht: KrV В 125/AA 3,275,1 If.: „das Verhalten so bestimmt, als ob unsere Bestimmung unendlich weit über die Erfahrung, mithin über dieses Leben hinaus reiche"
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Ausgleich eines Defizits, das bei allem Fortschreiten bleibt'®''. A u c h w e n n K a n t u m der ethischen, spiritualisierenden U m a k z e n t u i e r u n g des p h i l o s o p h i schen Erbes w i l l e n den A u s d r u c k „Seele" meidet, so betreibt er strukturell dasselbe, was seine Vorgänger v o n diesem Terminus ausgehend beabsichtigten: die Q u a l i f i z i e r u n g der menschlichen V e r n u n f t - N a t u r m i t ihren M ö g l i c h keiten u n d N o t w e n d i g k e i t e n als Ausgangs- u n d Z i e l p u n k t sowie K o n t i n u u m der menschlichen Existenz'"'. D i e Unsterblichkeit, die v e r n ü n f t i g e S t r u k t u r des M e n s c h e n soll n i c h t w i e in der Scholastik die Relationsfähigkeit des M e n schen gegenüber G o t t w a h r e n u n d einen A n k n ü p f t m g s p u n k t f ü r die A u f e r s t e h u n g liefern. V i e l m e h r w i r d das gegenwärtige Leben verabsolutiert u n d die Unsterblichkeit als E r m ö g l i c h u n g s g r u n d der F o r t f ü h r u n g der Explikation der natürlichen A n l a g e sozusagen nachgeschoben'®^. Z w a r ist die Unsterblichkeit sicherlich das „Lieblingsdogma" der Aufklärung'"^, aber F u n d a m e n t des S y stems ist der Naturalismus, der bei Lessing u n d K a n t in den M o r a l i s m u s u m schlägt. D i e Unsterblichkeit ist A u s d r u c k der Naturalisierung der Eschatologie, d e r g e m ä ß der Tod letzdich nicht stattfindet, sei es weil der M e n s c h ein M o d u s der göttlichen Substanz ist, sei es weil er sich ständig f o r t - u n d a u f w ä r t s b e w e g t u n d den Tod als instrumentales Element in d e n Fortschritt integriert. D i e G e g e n w a r t , die N a t u r u n d ihre Explikation ist das Eschaton, über das hinaus nichts qualitativ Neues erwartet w e r d e n kann"". D e r Vollzug der KpV A 220/AA 5,122,9-12.13f.: „Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem Zeitpunkte seines Daseins fähig ist"; „so kann sie nur in einem ins Unendliche gehenden Progressus zu jener völligen Angemessenheit angetroffen werden" (Hervorhebungen im Original); A 221/AA 5,123,5-7: „Einem vernünftigen, aber endlichen Wesen ist nur der Progressus ins Unendliche von niederen zu den höheren Stufen der moralischen Vollkommenheit möglich"; A 231/ AA 5,128,9-12: „... Heiligkeit, welche das christliche Gesetz fordert, nichts als Fortschritt ins Unendliche dem Geschöpf übrig läßt, eben daher aber auch dasselbe zur Hoffnung seiner ins Unendliche gehenden Fortdauer berechtigt"; A 238/AA 5,132,21-23: die Unsterblichkeit „fließt aus der praktisch nothwendigen Bedingung der Angemessenheit der Dauer zur Vollständigkeit der Er&llung des moralischen Gesetzes"; vgl. A 239/AA 5,133,1-8 Kant erwähnt „Seele" hin und wieder beiläufig, ohne an deren spezifisch theologischer Bedeutung Interesse zu zeigen: z. B. KpV A 231f./AA 5,128,20-22: „durch die Darstellung der Welt, darin vernünftige Wesen sich dem sitdichen Gesetze von ganzer Seele weihen, als eines Reichs Gottes"; A 265/AA 5,147,8: „allmählig moralische Stärke der Seele zu erwerben ist" "" „Seele" bleibt bei Kant eher eine sprachliche Chiffre fur das Seinsmoment in der Bewegung des Fortschritts. Das eigentlich Reale, das sich der praktischen Vernunft aus der Welt der Dinge an sich darbietet, ist das moralische Gesetz, das die spezifische Natur des Menschen begründet und die Bewegung in Gang setzt. KpV A 220/AA 5,122,17-20: „Dieser unendliche Progressus ist aber nur unter Voraussetzung einer ins Unendliche fortdaurenden Existenz und Persönlichkeit desselben vernünftigen Wesens (welche man die Unsterblichkeit der Seele nennt) möglich" (Hervorhebung im Original) Grass, Unsterblichkeit, S p . l l 7 6 ^^ KpV A 222 (Anmerkung)/AA 5, 123,25-30: „tröstende Hoffnung ..., daß er auch in einer über dieses Leben hinaus fortgesetzten Existenz bei diesen Grundsätzen beharren werde"; A 223/AA 5,123,19f.-124,l-3: „niemals hier, oder in irgend einem absehlichen künftigen
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Natur hat eine heilswirksame Bedeutung, ist letztlich das Heil. Die Sitdichkeit ist die unhinterfragte Konstante der menschlichen Existenz und des Kantschen Systems. Sie ist das erste und für die Handlungsmotivation einzig relevante Element des „höchsten Guts", dessen Bewirkung „das nothwendige Object eines durchs moralische Gesetz bestimmbaren Willens" darstellt'"'. Die Glückseligkeit ist die erhoffte"", aber nicht intendierte Nebenwirkung, ein Begleitphänomen der Sitdichkeit. Man darf hofïèn glücklich zu sein, wenn man dessen nicht unwürdig ist'". Die Glückseligkeit ist nicht einfach wie bei den Stoikern mit der Tugendhaftigkeit identisch, sondern bleibt, weil durch die Sittlichkeit als ihrer „conditio sine qua non" bedingt, wie diese steigerungsfähig, in einer Spannung des Noch-nicht"^. Es bleibt unklar, ob mit dem Tod und dem dadurch gegebenen Ende der Neigungen die Glückseligkeit und nicht nur der Genuß einer Zufriedenheit über die eigene Tugendhaftigkeit möglich wird'". Dem steht entgegen, daß die Glückseligkeit offensichtlich auch nach dem Tod steigerungsfähig bleibt und das höchste Gut als ein Ganzes, „worin die größte Glückseligkeit mit dem größten Maße sittlicher (in Geschöpfen möglicher) Vollkommenheit als in der genausten Proportion verbunden vorgestellt wird"'"·, letzdich ein unerreichbares Ideal ist. Die Annahme eines Endes des Fortschrittsprozesses widerspräche dem aufklärerischen Anliegen der Begründung der Sitdichkeit in der Gegenwart"^ Die Marginalisierung Gottes zu einer protologischen bzw. pädagogischen Chiffre"^ bahnt wenigstens tendenziell den Weg zu einer Selbstapotheose des Menschen"^. Zeitpunkte seines Oaseins, sondern nur in der (Gott allein übersehbaren) Unendlichkeit seiner Fortdauer dem Willen desselben völlig adäquat zu sein" KpVA219/AA5,122,4f. KpV A 45/AA 5,25,12-14; vgl. A 65/AA 5,37,6f. Dazu Forschner, Glück, 119f.130.140 KpV A 234f./AA 5,130,6-8.19f.32-34 So KpV A 213/AA 5,118,2^26.27f. KpV A 233f./AA 5,129,35-37 Die Auferstehung lehnt Kant unter Hinweis auf die Unmöglichkeit einer denkenden Materie ab: Religion В 191-193/Weischedei 4,793f. Wenn die Sittlichkeit im Prozeß einer Immaterialisierung, wenn auch nur auf motivationaler Ebene, besteht, würde die Auferstehung einen Rückschritt bedeuten. Sie kann aber wohl auch als Abschluß des Prozesses und zudem als ein auf externem Wirken beruhendes Ereignis nicht mit Kants System in Einklang gebracht werden. Gott ist der Garant der Gültigkeit des moralischen Gesetzes, auch hinsichdich der Wirkung der Befolgung desselben - in der Glückseligkeit - : KpV А 223f./AA 5,124,7-20; А 238f / AA 5,132,19-29. Ihm kommt ebenso wie der Unsterblichkeit nur eine abgeleitete Funktion aufgrund der Restriktionen der Freiheit als metaphysischer Basisoption des Systems zu. Dazu Geisler, Gottesbeweis, 83.100.107.109 Dies gilt trotz der Abgrenzung von den Stoikern, die das moralische Vermögen des Menschen „über alle Schranken seiner Natur hoch gespannt" hätten (KpV А 228/AA 5,127,2-4). Die Endlichkeit mit ihren Ursachen und Folgen ist im Zuge des Fortschrittsprozesses abbau-
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Z w a r k ö n n t e das Verhältnis des M e n s c h e n z u m moralischen Gesetz als eine relationale Fassung der Personalität gedeutet w e r d e n , aber es handelt sich u m eine v e r n u n f t i m m a n e n t e u n d insofern natürliche G r ö ß e . D a s radikale Böse reicht nicht an den M a c h t c h a r a k t e r der S ü n d e heran, w i e er biblischr e f o r m a t o r i s c h bezeugt wird. K a n t k a n n insofern nicht über den naturalistischen A n s a t z h i n a u s f u h r e n , der d u r c h die Negation der G n a d e bzw. deren R e d u k t i o n a u f das V o r h a n d e n s e i n u n d Beschafifensein der N a t u r d e n konstitutionellen A n s a a der römisch-katholischen T h e o l o g i e radikalisiert'".
bar. Sie verhindert nicht die Unsterbhchkeit durch Fortschritt bzw. die SittUchkeit einschließlich der Glückseligkeit, sondern provoziert diese gerade. Es könnte zwar in gewisser Weise außer von einer Theologie des ersten auch von einer solchen des dritten Artikels gesprochen werden, wenn man die Erfahrung des stets neu begegnenden moralischen Gesetzes zugrundelegt, aber wie soll es einen dritten Artikel ohnen einen zweiten geben, der vergegenwärtigt und zugeeignet wird? Das Christusgeschehen spielt als soteriologisches Ereignis keine Rolle; die Erfahrung ist nur als Affirmation des geschöpflich Gegebenen und Erneuerten wirksam. Allerdings bringt die Notwendigkeit der Erfahrung und die Beschränkung der Vernunft auf eine regulative, nicht konstitutive Funktion die unumgängliche Unterscheidung von Gottes Sein und Handeln einerseits und menschlichem Bewußtsein andererseits zum Ausdruck.
E. Auferstehung gegen Unsterblichkeit und Unsterblichkeit durch Auferstehung neuere evangelische Theologie Die Betitelung dieses Arbeitsteiles hebt auf ein BegriflFspaar ab, dem in seiner Zusammenstellung und variierenden, zumeist konträren Verhältnisbestimmung eine signifikante, charakteristische Bedeutung fur die eschatologische Diskussion der evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts, zumal in den zwanziger Jahren desselben' zukommt. Die Behauptung einer radikalen Alternative und Konkurrenz beider Begriffe als Bezeichnungen zweier durch ihr dominierendes Subjekt grundsätzlich unterschiedener Wirklichkeiten, wie sie wohl am deutlichsten von Oscar Cullmann in der programmatischen Entgegensetzung „Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung der Toten"^ auf den Punkt gebracht wurde, hat sich in der evangelischen Theologie weitgehend durchgesetzt. Darin eingeschlossen ist der Verlust des Seelenbegriffes, der als verdächtiges Relikt eines überwundenen Gedankengebäudes erscheint und einer Untersuchung als eines theologisch relevanten Begriffes nicht mehr fiir wert befunden wird. Allenfalls begegnet er als Gegenstand einer referierenden Betrachtung religionsgeschichtlicher Entwicklungen, die von historischem, aber nicht dogmatisch-normativem Interesse sind^. Nun ist die Entgegensetzung beider Termini nicht unberechtigt dort, wo es gegen eine konstitutionelle Begründung der Unsterblichkeit bzw. gegen eine substanzontologische Füllung des Seelenbegriffes anzugehen gilt. Es soll jedoch im Gang der nachstehenden Studien gezeigt werden, daß der radikale Neuansatz der Eschatologie, der in der Wiederentdeckung der biblischen und reformatorischen Wurzeln gründete, teilweise zu Konsequenzen geführt hat, die in ihrer Zuspitzung dem - bereits vorgeführten - Aussagegehalt dieser Wurzeln nicht voll gerecht zu werden vermögen oder ihm gar widersprechen. Die positive Zuord-
' Stellvertretend fiir andere sei hier Carl Stange genannt, z. В mit seinem Werk „Die Unsterblichkeit der Seele", Gütersloh 1925, in dem verschiedene Typen von Unsterblichkeitsverständnissen analysiert und abschließend Aussagen Luthers konfrontiert werden, die jedes Ansinnen in dieser Richtung - vermeintlich - zu kompromittieren scheinen. ^ So ein Buchtitel aus dem Jahre 1962 ' In der RGG^, Bd. 5 (1931), S p . 3 6 9 - 3 7 4 , werden neben der religionsgeschichtlichen Abhandlung neuere Seelentheorien untersucht. In der R G G , 3. Aufl., Bd.5 (1961), Sp. 1 6 3 4 - 1 6 3 6 , erscheint „Seele" nur noch unter dem religionsgeschichtlichen Aspekt.
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Neuere evangelische Theologie
nung der Begriffe, wie sie im zweiten Teil der Überschrift angedeutet wird, steht für eine Wiedergewinnung des - freilich anders als in der römisch-katholischen oder philosophischen Tradition interpretierten - Seelenbegrififs. Dieses Anliegen soll formal auch dadurch zum Ausdruck kommen, daß an drei Stellen auf Autoren hingewiesen wird, deren Schriften zum Thema noch vor 1920 erschienen sind und unbefangen, wenn auch nicht unproblematisch von „Seele" reden. Sie haben mit dem im jeweiligen Arbeitsteil behandelten theologischen Ansatz einiges gemeinsam, weisen aber aufgrund ihrer partiellen Ubereinstimmung mit demselben in anderen Aspekten dergestalt über ihn hinaus, daß sie die Richtung fur eine anzustrebende Korrektur angeben. Diese Korrekturansätze sollen in einem abschließenden Arbeitsteil aufgenommen und präzisiert werden.
I. Der Mensch zwischen Nichts und Gnade (K. Barth) 1. Der konkurrierende Ausgangspunkt bei dem menschlichen Internum (F. Schleiermacher) Wenn in der theologischen Arbeit des 19. Jahrhunderts „das eschatologischen Bureau ... meist geschlossen'"· war, so beruht das darauf, daß man sich weitgehend in den durch Friedrich Schleiermacher (1768-1834) eingeschlagenen Bahnen bewegte. Schleiermacher verfolgte eine apologetische Intention, wenn er sich an die Gebildeten unter den Verächtern der Religion wandte, entsprach ihr jedoch durch ein vermittlungstheologisches Verfahren. Dabei betreibt er nicht primär wie etwa Lessing und Kant eine Reduktion auf der materialen Seite der Theologie, sodaß ein zeitgemäßer bzw. dem Wandel der Zeiten gegenüber resistenter, weil ethischer Kern herausgeschält und von akzidentellem kultischen Ballast befreit würde. Vielmehr geht es ihm um die formale Seite, um den Theologen, die theologischen Methoden und Quellen. Der Gegenstand, das Universum und das Verhältnis des Menschen zu ihm, ist derselbe wie der von Metaphysik und Moral, aber der Zugangsmodus ist ein anderer^. Nicht die Aktivität des Menschen, nicht Denken und Handeln, sondern die Passivität sollte die adäquate „Verfahrungsart" sein®. „Religion" im Sinne der Erfahrung eines Ergriffenwerdens durch das Unendliche, das Universum ist das verbindende Dritte zwischen Metaphysik und Moral^. Sie überführt Gott als ersten Gegenstand der Metaphysik in das gegenüber der Kantschen Kritik sturmfreie Gebiet des Erlebnisses, bei dem es nicht auf die
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E. Troeltsch, zitiert nach Geißer, Grundtendenzen, 14 Schleiermacher, Reden I,43f./R 41.42 Reden II,44.49/R 44.50 Vgl. Reden II,50/R 52
Karl Barth
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Ergründung des Wesens, der Natur Gottes ankommt®. Weder Gott noch die Seele interessieren in ihrem An-sich, sondern nur in ihrem aktuellen Korrelationsverhältnis, in ihrem wechselseitigen Durchdrungensein. Wäre Gott ein zu gebender, ein distinkter Gegenstand, so würde er eine Gegenwirkung, Eigenaktivität unsererseits, ein gewisses Maß an Freiheit auslösen und damit ein „schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl" als Wesensform der Frömmigkeit verhindern'. Unsere „ganze Selbsttätigkeit" muß „von anderwärts her" sein'". Der Mensch muß sich von anderswoher empfangen. Frömmigkeit, Religion, ein Verhältnis zu Gott zu haben heißt, sich des „IrgendwohergetrofFenseins der Empfänglichkeit"" bewußt zu sein. Religion ist in ihrer Faktizität universal vorgegeben und nur in ihrer Intensität variabel und kontingent. Jedem Menschen ist eine religiöse Anlage angeboren'^, ein schlummernder Funke, der bei vielen momentan nicht aufglüht'^, eine unverstandene Ahnung des Universums und Sehnsucht nach dem Une n d l i c h e n R e l i g i o n ist ein „Kontinuum"^^ das die qualitative Differenz von Christen und Atheisten, von Gläubigen und „Verächtern der Religion" einebnet in das quantifizierende Gegenüber solcher, bei denen das Gottesbevmßtsein mehr oder weniger gehemmt bzw. entfaltet ist. Das setzende, Glauben, Gerechtigkeit wirkende Handeln Gottes wird überfuhrt in das hermeneutische Unternehmen von „Heroen der Religion", von Mittlern, die in den anderen den Keim zur Religion wecken und impulsartig die Schwingungen ihres Gemütes auf sie fortpflanzen sollen"^. Die Erlösung besteht in einem Übergang aus einem - relativ - schlechten, aber nicht völlig korrumpierten Zustand, in dem das Gottesbevmßtsein bzw. schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl „nicht null" ist, sondern nur nicht dominiert, in einen besseren'^. Es geht um eine allmähliche Überwindung der „Gottvergessenheit"'*, nicht um eine zäsurartig-akthafte Setzung der Gottesbeziehung. Gott ist ein stets mitgegebenes Implikat der empirisch faßbaren Bevmßtseinsstruktur des Menschen. Er ist die theologische Etikette der anthropozentrischen Selbstreflexion des Menschen. Er ist die Verbalisierung des im „Selbstbevnißtsein mitgesetzte[n] Woher unseres empfänglichen und selbsttätigen Daseins"". Mit Schleiermacher
« Vgl. Reden II,49/R 50 ' CG^ § 5.1.2.3/Redeker S. 31.33.36; § 4,3/Redeker S. 28 CG2 § 4,3/Redeker S. 28 " CG2 § 4/Redeker S 25; vgl. dazu Beisser, Lehre, 20.33 Reden II,93/R 122; III,106/R 145 Reden III,101/R 136 " Reden 111,106.118/R 145.165 Reden III,103/R 139 Reden 111,116.104/R 162.141; I,24f./R l l f . ; IV,128/R 178 " CG2 § 11,2/Redeker S. 78.76.77 C G 2 § 11,2/Redeker S. 77 " CG^ § 4,4/Redeker S. 28f.; Hervorhebung im Original; zum Ganzen vgl. R. SIenczka,
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begegnet eine ungleich radikalere Konzeption von einem natürlich-konstitutionellen Ausgangspunkt her als in der römisch- katholischen oder aufklärerischen Tradition. Nach Thomas von Aquin kann der Mensch sich zwar durch Vernunft und Wille als den in ihm verbliebenen geschöpflichen Fähigkeiten approximativ Gott nähern, sich gleichsam für die Gnade präparieren, aber ein vollgültiges Gottesverhältnis kommt erst durch den sakramentalen Empfang der Gnade zustande und bleibt in seinem Weg auf die Rückbindung an die Eucharistie, die gleichsam eine Tankstellenfunktion übernimmt, angewiesen. Die Aufklärer negieren zwar die Inhalte des zweiten Artikels, also die Notwendigkeit der Zueignung der durch Christi Kreuzestod und Auferstehung ermöglichten Gnade der Sündenvergebung, aber kennen doch die protologische Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf und das distinkte Handeln Gottes am Menschen, das freilich nur dem Erhalt, der Verstärkung und Beschleunigung der geschöpflichen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Menschen dient. Bei Schleiermacher hingegen werden das menschliche Ich und Gott zu austauschbaren Synonymbegriffen des Gefühls, des Gemütes als dem Ort der Religion^". Gott tritt dem Menschen nicht als kontingent handelndes Subjekt gegenüber; der Erfahrung entspricht kein von seinem Tun bzw. von der Wirkung desselben unterschiedener Gott als Ursache. Es geht primär um den christlichen Glauben als Existenzmodus des menschlichen Bewußtseins, nicht um dessen personalen, weil als seine pneumatische Ursache von ihm unterschiedenen Inhalt^'. Dem entspricht, daß die Offenbarung nicht von Gott her deduziert, sondern mit dem menschlichen Akt der Anschauung des Universums identifiziert wird^^. Sie bindet sich nicht an das verbum externum, an den Buchstaben der Schrift, sondern findet ihren unmittelbaren Niederschlag im Bewußtsein des Menschen: „Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern der, welcher keiner bedarf und wohl selbst eine machen könnte"^^ Korrespondierend dazu sieht Schleiermacher die Kirche sich nicht in der WortverkündiGeschichtlichkeit, S. 198; Walther, Eschatologie, 98; etwas anders Mildenberger, Geschichte, 72 ^^ Reden I,38f./R 34f. Zwar nimmt auch Descartes seinen methodischen Ausgangspunkt bei einer Simultaneität von Ich und Gott im menschlichen Bewußtsein, aber weil das Bewußtsein an der Vernunft, am Denkvollzug und nicht am Gefühl festgemacht wird, kann er gerade nicht auf eine Benennung der Wesensprädikate Gottes verzichten. Letztere wiederum erzwingen den Schluß, daß Gott eine externe, distinkte, weil gegenüber dem Menschen mächtigere Ursache des Gottesgedankens sein muß. Und auch Kant kann in seinem moralischen Gottesbeweis nicht auf die Annahme Gottes als eines distinkten Garanten der moralischen Gebundenheit des Menschen verzichten. Z u m Grundansatz der Kritik vgl. K. Barth, Evang. Theologie, 15-18; Albrecht, Theorie, 143.156 " Reden II,51.52/R 53.55 " Reden I I , 9 2 i / R 122; vgl. II,92/R 121f: „Jede heilige Schrift ist nur ein Mausoleum, der Religion ein Denkmal, daß ein großer Geist da war, der nicht mehr da ist"; vgl. IV,128/R 179. Dazu auch Eber, Schriftlehre, 58f
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gung und in der Sakramentsverwaltung bzw. in der Gemeinschaft der aufgrund dessen Glaubenden manifestieren^'', sondern in einem quasi soziativen Zusammenschluß religiös inspirierter Individuen, unter Umständen um einen Virtuosen der Religion als Personalgemeinde versammelt^'. Es ist nicht verwunderlich, daß die Eschatologie als etwas erscheint, das nur sehr bedingt aus dem Selbstbewußtsein - nur dies und nicht etwa die Schrift kann normative Quelle der Theologie sein - abgeleitet werden kann^^. Mit dem Gegenüber des kontingent handelnden Gottes fehlt die Grundlage der Erwartung eines grundsätzlich neuen und andersartigen Geschehens. Nicht die Zukunft ist entscheidend, sondern die Gegenwart bzw. der Wert des vormals in der Zukunft Erwarteten für die Gegenwart. Die Religion ist die Erscheinung des Unendlichen im Endlichen, des Ewigen im Zeitlichen; im Menschen ist das Unendliche, der Abdruck, die Darstellung desselben, d. h. etwas Ewiges zu sehen^^. Das Eschaton wird zum Apriori, zum geschöpflichen Internum. Die Unsterblichkeit wird nicht akut angesichts des Todes, sondern ist Chiffre fur den präsentischen Vollzug der stets vorgegebenen und explizierbaren Religiosität des Menschen^'. Die Darstellung des vollendeten Zustands der Kirche richtet ein moralisches Regulativ fur die Gegenwart auf, hat „nur den Nutzen eines Vorbildes, welchem wir uns nähern sollen"^'. Ein Dann, ein Noch-nicht ist nicht im Blick, weil der Mensch sich im Besitz wiegt und seine Aufmerksamkeit nur noch der Perfektionierung desselben zu widmen hat. Der Tod führt als Übergang ins Unendliche^® keinen grundlegend vom Leben unterschiedenen Zustand herbei. Die Tatsache, daß neben der Unsterblichkeit auch die Sterblichkeit als natürliches Prädikat des Menschen genannt wird'', verstärkt die Annahme, daß mit „Unsterblichkeit" nur eine umschreibende Qualifikation der menschlichen Religiosität gemeint ist'^. » CA VlI/BSLK 61,1-7 " Reden IV, 1 3 3 . 1 4 1 . 1 4 5 / R 188.203.208f.; vgl. IV,131/R 184f.: „ein priesterliches Volk ..., wo ... jeder derselben Kraft im andern folgt, die er auch in sich fühlt, und damit auch er die andern regiert" C G ^ § 159 These/Redeker S. 4 l 6 f . : „Die Lösung beider Aufgaben, die Kirche in ihrer Vollendung und den Zustand der Seelen im künftigen Leben darzustellen, wird versucht in den kirchlichen Lehren von den letzten Dingen, denen jedoch der gleiche Wert wie den bisher behandelten Lehren nicht kann beigelegt werden" (Hervorhebung im Original) " Reden II,49.64/R 51.74 Reden II,99/R 133: „Mitten in der Endlichkeit eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in einem Augenblick, das ist die Unsterblichkeit der Religion"; vgl. C G ^ § 158,1/ Redeker 4 1 2 ; § 158,2/Redeker S. 4 1 5 : Unsterblichkeit als zur menschlichen Natur gehörig. ' ' C G 2 § 157 These/Redeker S. 4 0 8 . Dazu auch Weirich, Kirche, 158 ^ Reden IV,149/R 215; 111,1 l l f . / R 154 C G 2 § 158,2/Redeker S. 4 1 5 ; § 58 Zusatz/Redeker S. 3 2 0 Dafür spricht auch, daß der von der Auferstehung handelnde § 161/Redeker 4 2 3 - 4 2 9 weniger eine Erwartung eines konkreten Handelns Gottes anspricht als die Frage zu lösen versucht, warum es zur Vorstellung von der Auferstehung des Fleisches gekommen ist bzw. kommen mußte, und die mit den vorhandenen Theorien verbundenen Probleme referiert.
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2. Gottesherrschafi durch Auferstehung Karl Barth wendet sich mit Vehemenz gegen jeden Versuch, in der Nachfolge Schleiermachers eine Theologie zu treiben, die das Christentum möglichst anstoßfrei in die Moderne einpassen und in eine Konformität zur jeweiligen Kidtur überführen möchte''. Die Kultur, der natürliche Mensch, der homo religiosus vermag von sich aus nicht, in eine positive Beziehung zu Gott zu treten oder etwas über Gott auszusagen. Er ist Gott gegenüber gleichsam eine tabula rasa, ganz und gar angewiesen auf das primäre Reden Gottes'··. Allem natürlichen Streben und Haben setzt insbesondere der frühe Barth die exklusive Deduktion der Existenz in ihrer Eigendichkeit von Gott her (άπό του θεού) entgegen". Die Hybris des natürlichen Menschen, der über einen unmittelbaren Zugang zur Sphäre der Transzendenz zu verfugen wähnt, besteht in einer Verwechslung von Mensch und Gott, in der Vergöttlichung des Menschen und Vermenschlichung Gottes'®, in einer usurpierten Selbständigkeit gegenüber Gott'^, in einem selbstsüchtigen „Sichvordrängen und Geltendmachen"". Die Natur, das Zeidiche, Immanente ist als solches schlechthin negativ qualifiziert. Anders als später in der „Kirchlichen Dogmatik " deutet Barth nicht den Tod von der Natur her, sondern die Natur vom Tod her. Der Tod erscheint hier unter ausschließlich theologischer Perspektive als von Gott her ausgesprochene Prädikation der natürlichen Welt. Er ist nicht eigentlich Folge und Strafe für die Sünde, sondern letzte Potenzierung und Explikation der sündigen Welt". Die sich hinter der natürlichen Religiosität verbergende άγνωστα ist eine „Todkrankheit"'·''. Es geht nicht um das Sterben am Ende des Lebens, sondern um ein Totsein, wie es in der Konfrontation mit der Offenbarung als der Normalzustand des adamitischen Menschen entlarvt wird: „Die Toten! das sind wir"^'. Der Mensch befindet sich allerdings in einer Doppelexistenz. Sein Dasein als in sich sündiges Sosein begegnet nicht nur in seiner Faktizität, sondern als ein Geschehen, ein Schauplatz. Er gehört nicht nur zu Adam, sondern auch zu " ^ " ebd.,
K. Barth, Prot. Theologie, 386.387.393.395.398 Vgl. Stock, Anthropologie, 172-180; Wohlgschaft, Hoffnung, 46 Dies stellt er als die Grundformel des 1 .Korintherhriefes heraus: Auferstehung 4.23; vgl. 32.34.41.52.53.54 Römer, 169; vgl. ebd., 180 Römer, 173 Auferstehung, 33; vgl. ebd., 5.6.11 („die Krisis des natürlichen wildwachsenden Menschen und seiner geistigen und weniger geistigen Lebenskraft").54 („Er wirft ihr vor, daß das Menschliche, das Vitale, das Heroische oder auch Gigantenhafte ... im Begriff ist, zu überwuchern, ins Kraut zu schießen, zum Selbsaweck zu werden"; „Sichaufrecken des Menschen").67 '' Auferstehung, 98: „Der Tod ist der Gipfel des Gottwidrigen in der Welt" ^ Auferstehung, 105 Auferstehung, 60
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Christus; er ist alter Mensch und soll neuer Mensch werden··^. Der zweite Artikel knüpft nicht an den ersten an, sondern ist selbst im ersten präsent bzw. integriert den ersten gleichsam in sich als Negativfolie. Die Kreatürlichkeit kann nicht innerhalb des ersten Artikels, etwa als bleibender, jedoch vom Menschen verfehlter Anspruch Gottes, vom Sündersein unterschieden werden, sondern nur durch die mit dem zweiten Artikel gegebene simultane Aussage der Erfüllung des Anspruches von Gott her. Von seiner - berechtigten - Auseinandersetzung mit der Behauptung eines anthropologischen oder natürlichen Ausgangspunktes der Theologie kommt Barth zu einer negativen Einschätzung der Natur und ihrer Möglichkeiten. Die Seele, das Psychische ist ein Konkretum der ohnmächtigen Rebellion des Menschen gegen Gott''^. Sie wird zum Ausweis der irdischen Existenz des Menschen und auf ihre funktionale Seite reduziert. Die Seele ist das, was den Menschen zum Menschen macht'''' und mit ihm der φθορά, ατιμία, ά σ θ έ ν ε ι α verfallen'". Nicht ein kooperatives, sondern ein alternatives Verhältnis zum göttlichen Pneuma kennzeichnet sie als den ersten Adam, der nur durch eine ττωοή ζωής, nicht durch das ττνεΰμα ζίΟοποιοΟν entstanden ist'"'. Sie muß durch den Geist Gottes ersetzt werden·®^. Neben die kreatürlich-adamitische Dimension tritt die Auferstehungswirklichkeit, die jedoch mit der Schöpfung und dem Ende der Dinge „ein einziges Geschehen" bildet··®. Der zweite Adam, Christus, ist zugleich der ursprüngliche, eigentliche Mensch und auch seine ErschafRing wird auf den in Gen. 2,7 beschriebenen Vorgang zurückgeführt'". Die Dialektik von Geschöpflichkeit
" Auferstehung, 123; vgl. ebd., 118: „Du bist beides oder vielmehr du gehörst zu beiden, und wie beide miteinander den Weg Gottes bezeichnen, von der alten zur neuen Kreatur, so ist auch dein Leben der Schauplatz, über den dieser Weg fuhrt, so mußt auch du von hier nach dort" (Hervorhebungen im Original) ^^ Auferstehung, 116: „dieser bekannte anschauliche Mensch, das σ ώ μ α ψυχικόν, der alte Mensch, ich, sofern ich nicht Gottes, sondern mein eigen bin" « Auferstehung, 115; vgl. ebd., 114 Auferstehung, 114 Auferstehung, 115f.l 17 („Wir sind von unten, wir kennen auch die ψ υ χ ή ζ ώ σ α nur als irdische Größe, lebendig, aber stehend und fallend mit dem stehenden und fallenden Leibe") Auferstehung, 116: Seele als „der Platzhalter für das ττνεΰμα Χρίστου."; Römer, 177: Gnade „als das Nicht-Gegebene gegenüber dem Bestand der menschlichen Psyche, das sich als Aufhebung aller Psychologie der Sünde wirksam erweisen muß"; vgl. Römer, 184; Auferstehung, 118: „Der Psychologie verfallen sind wir alle, mit dem, was wir als unseren Geistesbesitz rühmen möchten"; ebd., 121: „Es gibt keine Möglichkeit innerhalb dieses Leibeslebens als solchen (sic!)[D.h.: σ ώ μ α ψυχικόν: Anmerkung des Verfassers] das Reich zu ererben"; zur Ablehnung der Unsterblichkeit der Seele: Auferstehung, 99.114 Auferstehung, 115 Auferstehung, 115: „Gott spricht und was daraus wird, das ist sein Mensch, die ursprünglich-endliche Kreatur, der fleischgewordene Logos, der lente Adam, der der wahrhaft erste ist"; „der Mensch, der wirklich durch den götdichen Lebenshauch entstanden ist, ist der zweite Adam" (Hervorhebungen im Original)
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und Sündersein wird transponiert in die Dialektik einer zweifachen und antithetischen soteriologischen Qualifizierung der Schöpfiing. Auf der einen Seite steht der „wirkliche" Mensch, wie er ist, die irdische Existenz des χοϊκός, der als solcher in Gottesferne lebt'". Auf der anderen Seite befindet sich Christus, das Pneumatische, der Mensch, „der Gottes ist"''. Das Ursprüngliche steht nicht als Gesetz vor dem Menschen, das dieser zu befolgen und sich dadurch seiner Bestimmung zu nähern hätte. Zwischen uns und Christus besteht keine Kontinuität, sodaß man in einem etwa asketischen Tun des Menschen die Christuskonformität zu erlangen versuchen könnte". Es begegnet aber auch nicht als ein faktisch vom Menschen unerfülltes Gesetz, dem in einem separaten Akt und nur einem Teil der Menschen gegenüber dem Evangelium folgen würde. Vielmehr erfolgt die Erlangung der Ursprünglichkeit, die Identifizierung der beiden Menschen aktuell und universal von Gott her, „von oben nach unten"'^. Die Identität beider Seiten begegnet nur im Modus der beständigen Aufhebung des natürlichen Menschen und des fortwährenden Voraus des eigendichen. Die Auferstehung ist der Vollzug der Gottesherrschaft, Manifestation der Gottheit Gottes und muß daher die kreatürliche Welt in die monistische Wirklichkeit des „Gott alles in allem" hereinholen'''. Die Auferstehung ist ein Angriff auf den kreatürlichen, alten Menschen, den sie in die Krisis fuhrt. Sie vollzieht sich in radikaler Diskontinuität und Neuprädikation gegenüber dem Alten". Der Tod erhält aufgrund seines Charakters als Wesensbestimmung Vgl. Römer, 179: „Dieser Leib der Sünde ist mein Leib, mein zeitlich-dinglich-menschliches Dasein" (Hervorhebungen im Original); ebd., 186: „Das Leben in der Welt der Zeit, der Dinge und des Menschen ist als solches das Leben in der unanschaulichen Gottesferne des Anthropomorphismus" ' ' Auferstehung, 121 " Auferstehung, 118.117 " Auferstehung, 117; vgl. ebd., 60.123 Der Herrschaftsgedanke wird angedeutet, wo gesagt wird, die Gemeinde sei der Ort, wo das Recht Gottes an den Tag kommt (Auferstehung 12; vgl. ebd., 22: „daß er Recht habe und nicht der Mensch" (Hervorhebung im Original)); vgl. Auferstehung, 95.98 („das bis aufs letzte und umfassendste ausgreifende βασιλεύειν"); ebd., 112: Auferstehung als Umschreibung des Wortes „Gott"; ebd., 115: Ziel der Auferstehung: „Gottes sein ..."; vgl. auch Römer, 181.182.183 (Glauben als menschlicher Hohlraum für rein götriichen Inhalt) " Das σώμα als Träger der menschlichen Subjektkontinuität befindet sich gewissermaßen in einem neutralen Bereich. Das Alte wird nicht an ihm, sondern an der ψ υ χ ή im Gegensatz zum ττνεΟμα als jeweiligem Prädikat festgemacht: Auferstehung, 109.111.113. Zur Akzentuierung der Diskontinuität: ebd., 6: Zeugnis von Christus „zu allem menschlich betrachtet Großen, Achtbaren, Staunenswerten schlechthin im Verhältnis eines Enrweder-Oder" (vgl. ebd., 10); ebd., 29: „Die Begegnung mit Gott müssen sich die einen wie die anderen zunächst als das Ende ihrer Wege gefallen lassen" (Hervorhebungen im Original); ebd., 45: „durch einen unüberbrückbaren Abgrund von dem Ziel geschieden"; ebd., 47: „via negativa"; ebd., 48: .Angriff auf die Christenheit"; Krisis-Begriffz. B. in Auferstehung, 11.23; Römer, 180: „Der Mensch, der mit dem Einsetzen dieses Angriffs in den Gesichtskreis tritt..., ist nicht der, der ist, was ich bin" (Hervorhebungen im Original)
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des Kreatürlichen eine tiefergehende Funktion. Er bezeichnet nicht mehr nur die Ohnmacht des alten Menschen, sondern wird zur Kehrseite der Auferstehung, zum Modus des Angriffs und damit zum Wendepunkt, jenseits dessen das Eingegliedertsein in die Gottesherrschaft, in Christus steht'^. Tod und Auferstehung werden jedoch, weil je neu vollzogene Vorgänge, zu unkonkreten Größen. Die Endgeschichte wird in die Urgeschichte, die Auferstehung in die Schöpfung hineingenommen, die letzten Dinge zu ersten gemacht^^, um im Gegenschlag gegen Schleiermachers uneschatologischen Ansatz von vorneherein den Begegnungsmodus zwischen Gott und Mensch als einen exklusiv eschatologischen zu bestimmen. „Eschatologie" meint hier die ausschließliche Aktivität Gottes, die Herausstellung der Allmacht Gottes in radikaler Distanz zum Menschen, die Proklamation der für den Menschen unverfiigbaren, aber über den Menschen verfugenden Herrschaft Gottes. Nicht dagegen geht es um den Tod als Ende des Lebens und seine Überwindung durch die konkret erwartbare Auferstehung. Ein überzeitliches „Futurum resurrectionis/aeternum"^®, aufgrund dessen das „wird" der Auferstehung nur in Anfuhrungszeichen geschrieben und der neue Mensch als „unmögliche Möglichkeit" bezeichnet werden muß", will die Unverfügbarkeit des Heils sichern gegen das gegenwärtige Haben bei Schleiermacher. Dadurch wird jedoch die Gegenwart des konkret erfahrbaren pneumatischen Wirkens Gottes ebenso beraubt wie die Zukunft eines tatsächlich eintretenden Vollendungshandelns Gottes®".
3. Die definitive Realisierung des Bundes in der Auferstehung a) Die Seele als aktualgesetztes Korrelat der Gnade In der „Kirchlichen Dogmatik" (KD) kommt Barth durch ein anderes Zeitverständnis zu einer neuen Ausdeutung derselben theologischen Grundstruktur. An die Stelle des futurischen Voraus treten präsentisch-indikativische Aussagen. Mit der Auferstehung Christi ist eine unverrückbare Zäsur eingetreten. Das Ende der Zeit, der letzte Tag ist angebrochen; alles dann Folgende ist nur
^ Auferstehung, 111 : Tod als „Wendepunkt", „Nullpunkt, der vom Minus zum Plus fuhrt"; ebd., 109: „Tod, als die Mitte zwischen beiden" (dem Alten und Neuen); ebd., 113: σώμα τινευματικόν als „eine thanatologische Größe"; vgl. Auferstehung, 115; Römer, 174.177f " Vgl. Auferstehung, 59.60.115 " Auferstehung, 122.123.125; Römer, 170.175.176.179f 180.182.187.272 u.ö. " Auferstehung, 122.60 (Auferstehung „in Hoffnung gegeben ..., aber nicht zu vollziehen" [Hervorhebung im Original]); Römer, 175; vgl. ebd. 178: „Vogel im Flug"; ebd., 175: „die inkommensurable Todeskraft der Auferstehung" ^ Zur Ablehnung einer endgeschichtlichen Eschatologie: Auferstehung, 58.94. Kritisch äußert sich Althaus, Auferstehung, 130f. 132.137-139; richtig bemerkt er (ebd., 124), daß hier ,^uferstehung" ein die Weite des ganzen Heils bezeichnender Begriff wird.
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noch Ablauf des letzten Tages®'. Die positive Qualifizierung der Welt, die Ebene des eigendichen, ursprünglichen Menschen steht nicht je neu aus, sondern ist bereits Realität. Die Dialektik von negativ einzuschätzender Kreatürlichkeit und der nur in der Form des Futurum aeternum auszusagenden Auferstehung w^ird zum Gegenüber und Ineinander einer neutral zu bewertenden Natur und deren Füllung durch die Gnade. Die Schöpfung ist in sich gleichsam ein Vakuum, eine Hülle, die die Durchführung des Gnadenbundes umfängt"^^. Bezeichnend ist, daß Barth nun auf eine zweifache Auslegung von Gen. 2 , 7 auf den psychischen und den pneumatischen Menschen hin verzichten kann. Es gibt sozusagen nur noch den einen, nämlich den pneumatisch bestimmten Menschen, der als solcher zugleich psychisch ist. „Seele" dient nicht mehr als Gegensatzbegriff zu „Geist", sondern tritt in eine positive Beziehung zum, ja Abhängigkeit vom Geist. Der Heilige Geist ist, indem G o t t den Menschen mit ihm anhaucht, die Möglichkeit, ψ υ χ ή ζ ώ σ α sein®. Der Geist ist nicht etwas dem Menschen Zuhandenes, nicht ein Konstitutionselement im M e n schen, sondern ein Geschehen, eine zu empfangende Wirkung Gottes''·^. D e r Mensch ist ein vom Geist Gehabter'^'. Der Geist ist der Ermöglichungsgrund der Existenz, aber nicht als Existential, Besitz, Potenz^. Die Seele besteht nicht vor und unabhängig vom Geist Gottes, so daß sie ihm als durch ihre etwa immaterielle Konstitution disponiertes Empfangsorgan vorgelagert wäre. Wenn sie als der O r t , in dem das Zusammensein mit G o t t Ereignis wird^^, als „Geistseele"®® sich in einer Unmittelbarkeit zum Geist befindet, so doch in einer mit dem Wirken Gottes koinzidierenden und von diesem abgeleiteten Existenzweise®'. In der Seele manifestiert sich nicht mehr wie vormals angenommen die Unordnung, das rebellische Chaos des Kreatürlichen, sondern sie wird selbst zum Gegenstand und Garanten einer innermenschlichen Ordnung. Leib und Seele stehen nicht in einem dualistischen Widereinander, wie das bei einem konstitutionellen Ansatz der Fall sein müßte, sondern in
" KD 111/2,757 " K D 111/1,46: „Die Schöpfung ist die Erstellung des Raumes für die Geschichte des Gnadenbundes"; III/l,258fiF.: „der Bund als innerer Grund der Schöpfting" (vgl. 111/2,429); III/ l,103fiF.: „die Schöpfung als äußerer Grund des Bundes"; Dazu auch Hummel, Psyche, 9 « KD 111/2,401 f. " K D 1 1 1 / 2 , 4 2 6 . 4 2 8 . 4 3 5 („Geist haben heißt leben dürfen, heißt also: Seele sein dürfen" [Hervorhebungen im Original]).437 (Geist als „ein TätigkeitsbegrifT) « KD 111/2,426 ^ Vgl. KD III/2,425f. KD 111/2,438 KD 111/2,438.447 " Vgl. KD 111/2,447: „sie ist nicht der belebende Atem Gottes, sondern das durch diesen Lebende, der durch diesen erweckte eigene Atem des Menschen". Zum Geschehnischarakter der Relation zu Gott im Unterschied zu einer statischen, rein ontischen Sicht: KD 111/3,418; vgl. ebd., 416: „Der Mensch ist, indem er von Gott begründet, konstituiert und erhalten wird" (Hervorhebungen im Original); vgl. ebd., 4 1 9 . 4 2 4
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einer durch die Aktivität des Geistes bewirkten Ordnung^". Der Seele schreibt Barth eine Superiorität zu, weil sie in einem direkten Verhältnis zum Geiste stehe, der Leib hingegen nur in einem indirekten, über die Seele vermittelten^'. Zwar betont Barth zu Recht gegenüber Schleiermacher den absoluten Gegensatz zwischen Gott und Geschöpf, die Notwendigkeit der primären Aktivität Gottes, die Koinzidenz von Seelesein des Menschen und Wirken Gottes. Fragwürdig bleibt es jedoch, die Zusammengehörigkeit von Mensch und Gott nur an der Gnade festzumachen^^, die Schöpfung als Bundesvollzug zu betrachten und damit den schöpferisch wirksamen Geist Gottes unmittelbar mit dem erst seit Pfingsten in heilsökonomisch qualifizierter Weise wirkenden erlösenden Geist gleichzusetzen^^. Richtig ist zwar eine Zuordnung des ersten und zweiten Artikels, auch eine gewisse Hereinnahme des zweiten in den ersten und umgekehrt. Aber der erste Artikel darf nicht wie bei Barth in den zweiten aufgelöst werden, ebensowenig wie der zweite in den ersten, was wohl in der Aufklärungsphilosophie geschieht. Um einen Schöpftmgsdoketismus zu vermeiden, muß zwischen Geburt und Wiedergeburt, zwischen Menschsein und Christsein, zwischen Bestimmung zum Bund und Realisierung desselben unterschieden werden können'^"'.
™ KD 111/2,407 " KD III/2, 408.409.427.438. Der Geistseele steht sozusagen ein Geistleib zur Seite, als ihr gegebener bzw. aufgegebener Wirkungsbereich. Vgl. dazu Stock, Anthropologie, 166f. KD III/2, 441.442f. Vgl. KD 111/2,475: „der den Menschen als Seele seines Leibes begründete (sie!), konstituierende und erhaltende Geist hat eben per se eine Affinität zu dem prophetischen Geist, in dessen Wirkung aus der Potentialität seiner Geschöpflichkeit die Aktivität seines Seins im Bunde mit Gott werden wird"; 111/2,431: „Es ist derselbe Geist, der dort das Prinzip seiner Erneuerung ist, hier das Prinzip seiner geschöpflichen Wirklichkeit" (Hervorhebungen im Original); III/2,401f.: „Der Heilige Geist ist ... Gott selbst in seiner schöpferischen Zuwendung zum Geschöpf". Zum Ausgangspunkt bei dem Vollzug des Bundes bzw. dessen Faktizität: KD 1II/2, 391.414.416.419.420.429 (es geht nicht um des Menschen natürliche Beschaffenheit, sondern „um seinen Stand im Bunde mit Gott").431f. Vgl. Peters, Mensch, 134f.; Prenter, Einheit, 175; Heidler, Lehre, 51f. Richtigerweise stellt Prenter, Einheit, 177, die Dialektik der Schöpfung Gottes, an der Gott weiterhin Wohlgefallen hat, und ihrer faktischen Verlorenheit heraus, von der die Gerechtigkeit als eigener Status zu unterscheiden ist. Beisser, Hoffnung, 125.129.134. sieht auch beim späteren Barth noch die neukantianischen Denkmuster seiner Lehrer am Werk, denen zufolge aufgrund der radikalen Diastase von Zeit und Ewigkeit, Immanenz und Transzendenz stets eine Tendenz zur Negierung der irdischen Zeit vorhanden ist und damit zur UnUnterscheidbarkeit der einzelnen heilsökonomischen Schritte bzw. der Aktionen Gottes.
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b) Die Gerichtsdimension des Todes: die Preisgabe an ¿las Nichts Der Ausgangspunkt bei der Einhauchung des Geistes Gottes, die zugleich der Beginn und Vollzug des Gnadenbundes Gottes mit dem Menschen ist, erlaubt die Formulierung eines Grundschemas der Todesdefinition. Der Tod ist bzw. kommt zustande durch das Zurückziehen des Geistes Gottes; er ist „Geistesabwesenheit", „Geistlosigkeit"^'. Er ist nicht eigentlich der Vollzug des Gerichtes Gottes, sondern der - nun anders als beim frühen Barth — neutrale Normalzustand, aus dem der Mensch zeitweise durch die Gabe des Geistes herausgehoben wird und in den er durch die Privation desselben wieder zurückfällt. Der Tod überfuhrt nicht in ein etwa durch fortwährende Konfrontation mit dem Richtergott negativ qualifiziertes Sein, sondern in ein Nichtsein, in den Bereich des Nichts, des Staubes, in eine weniger als schattenhaft:e Existenz^'^. Die Auferstehung kann dann nicht mehr ein im Kampf davongetragener Sieg über das Erzübel des Todes sein, sondern nur eine Wiederholung des Leben stiftenden Aktes der Geisteinhauchung^^. Tod und Auferstehung stehen nicht in einem dialektischen Verhältnis zueinander, sondern der Bereich des Todes ist gleichsam ein Hohlraum, der verschwindet, wenn er durch die Auferstehung, die Gnade ausgefüllt wird, bzw. wie eine weiße Fläche, die im Zuge der Auferstehung und der Lebenssetzung am Anfang bemalt wird, aber nicht ein Gegenbild zu Christus, eine Verderbensmacht, wie Luther den Tod beschreibt. Der Tod ist nicht das Dazwischenhineingekommene, sondern neutrale und logische Kehrseite des Lebens, alternativische Möglichkeit gegenüber dem Leben. Geburt, Tod und Auferstehung erscheinen als fakultative Wirklichkeitserfahrungen^®. Die Definition des Todes als Trennung von Seele und Leib hat keine primäre Bedeutung, sondern ist abzuleiten aus dem privativen Schema: die Loslösung vom Geist Gottes fuhrt zur Trennung der leibseelischen Verbindung. Die Seele ist dann nicht nur separiert vom Physischen, sondern verliert auch ihren Charakter als Geistseele und damit ihre Existenz dies im Unterschied zur platonischen Tradition^'. Die allgemeine, privative Todesbestimmung erhält allerdings eine tiefergehende Deutung. Der dem Menschen gegebene Geist Gottes ist anders als der ' ' KD 111/2,426.432.402 Man wird dies durch einen Umkehrschluß der Definition des Lebens entnehmen können: KD 111/2,414: „Der Mensch ist, indem er Geist hat"; ebd.: „Der Mensch verdankt es Gott, daß er Mensch und nicht etwas Anderes ist, und daß er ist und nicht nicht ist" (Hervorhebungen im Original); KD 111/1,268; III/2,424f. " KD 111/2,437: „Es hängt daran, daß er ihm wiedergegeben, daß jenes Dürfen erneuert wird, ob der Tod das letzte oder nun doch nicht das letzte Wort ist, das über den Menschen gesprochen ist" (Hervorhebung im Original); vgl. 111/1,268 KD 111/2,434: der Mensch kann wissen, „daß sein Atmen und Leben wie das der Tiere, einmal, wenn es angefangen hat, so auch endigen wird"; 111/2,435: Wegnehmen des Lebensodems durch ein neues Aussenden relativiert; vgl. 111/2,402 " Vgl. KD III/2,443f.445.472
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in den Tieren wirksame zugleich der erlösende, der den Gnadenbund stiftende und in ihn hineinnehmende Geist. Dies wird im Akt der besonderen Zuwendung Gottes zum Menschen bei der Einhauchung des Geistes manifest'®. Daher enthält das formale, neutral-privative Geschehen des Geistentzugs eine inhaltliche, negative Tiefendimension. Das zurückgehaltene Ja der Gnade kann zum wenigstens indirekten Nein werden, indem Gott den Tod zur bewußten Bestätigung der vom Menschen erwählten Nichtigkeit werden läßt. Die Nichtigkeit vor Gott wird im Vernichtungswerk des Todes ofifenbar, im Tod wird der Mensch seiner Nichtigkeit gegenüber Gott überfuhrt®'. Barth kann hier im Anschluß an die Schrift die Unnatürlichkeit des Todes betonen'^
Aber diese Aussagen werden sogleich revidiert vom christologischen Indikativ als der Mitte der „Kirchlichen Dogmatik" her. An Christus wurde stellvertretend und ein für allemal das Gericht vollzogen. Das εφάπαξ des Kreuzes wird zur endgültigen Bestätigung bzw. - in einer Zusammenschau der Zeiten - zum Grund der protologisch begründeten Universalität der Gnade®^. Die Macht des Todes wird zur Ohnmacht, wenn und weil Gott es anders will. Die Konfrontation mit Gott wird zur Begegnung mit dem gnädigen Gott, das Feuer seines Zorns zum Feuer seiner zürnenden Liebe, der Fluch zur Schattenseite des Segens®"*. Für die Christen, die sich in der Peripherie Christi als des Zentrums befinden, wird der Vollzug des Gerichts zu einem Irrealis der Vergangenheit und die Furcht davor zu einem Anachronismus. Das Gericht bleibt uns erspart, weil es durch einen Anderen, durch Christus für uns erlitten wurde®'. Die Identität von Sterben und Todesgericht könnte nur noch in einer unerlaubten Abstraktion vom Kreuz Christi ausgesagt werden®^. Die Gerichtsdimension haftet dem Tod nurmehr in signifikativer Form an, als Zei-
K D 111/1,268; III/2, 4 3 1 . 4 3 2 . 4 3 4 . 4 7 5 K D 111/2,761: „Sterblichkeit heißt Verfallensein an den Tod, und Tod heißt die radikale Negation des Lebens und also des menschlichen Seins"; der Tod ist „die Bestätigung und der Vollzug seiner Nichtigkeit": „Tod heißt: daß es wirklich und endgültig nichts ist mit uns Menschen"; 111/2,762; 111/2,740: „Es besteht seine Macht doch nur darin, das gegen Gott streitende Geschöpf, den sündigen und schuldigen Menschen, seiner Nichtigkeit gegen Gott zu überfuhren"; ebd.: „Er [der Mensch] steht unter Gottes Nein und ist nur insofern, als er von Gott verneint ist"; vgl. 111/2,729; 111/2,725: „ D a ß wir dann .nicht mehr' sein werden, wird konkret das bedeuten, daß unser gewesenes Sein dann das und nur das gewesen sein wird: ein schuldiges, ein auf der ganzen Linie rückständiges Sein, ein einziger Mißerfolg"; ebd.: nicht nur Beendigung, „sondern Verstoßung unseres unwürdigen und verwirkten Lebens von den Augen des Schöpfers" (alle Hervorhebungen im Original) K D 111/2,726: der Tod gehört nicht „zu der von Gott geschaffenen und darum guten Natur"; 111/2,727: der Tod nicht als Freund oder Erlöser; vgl. 111/2,730.750 " Z u m Ausgangspunkt beim Kreuz: K D III/2, 7 3 0 . 7 3 l , 7 3 4 . 7 5 5 f 7 5 7 " K D 111/2,741 K D 111/2,726 Vgl. K D i n / 2 , 7 6 6 f . ; III/2, 738
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chen des real nicht mehr zu erwartenden, sondern bereits hinter uns, auf Christus liegenden Gerichts'^. Es handelt sich um ein Minuszeichen vor der Klammer unseres Lebens, um eine Drohung Gottes'®, die aber nichts an der Faktizität unserer Befreiung aus dem Gericht ändert, sondern als Rückverweis auf die Größe der Gnade Gottes bzw. den Ernst des durch diese überwundenen Gerichtes zu verstehen ist.
c) Das natürliche Sterben: Faktum und Zielbestimmung Wenn der Tod nicht mehr real, sondern nur noch in der Weise einer Reminiszenz, eines signifikativen Relikts von der Sünde her zu begründen ist, muß anders erklärt werden, warum die Christen bzw. Menschen faktisch noch sterben. Barth versucht zwar hier wie überall, die Natürlichkeit des Todes von einem christologischen Tatbestand abzuleiten. Der Gerichtsvollzug durfte nicht der einzige Grund des doch unverdienten Sterbens Jesu sein, sondern eine vorgängige natürliche Endlichkeit war gleichsam das Vehikel des Gerichtstodes". Bei Christus sei der natürliche Tod eine anthropologische Notwendigkeit gewesen, nicht aber die de facto nur bei ihm auftretende Koinzidenz des natürlichen Todes und des tatsächlichen Gerichtsvollzuges'". Von daher kann Barth auch vom Christen nicht nur die Relativierung der Gerichtsseite annehmen, sondern überhaupt auf den Zusammenhang von Sünde und Gericht zur Begründung des Todes absehen". Aber der eigentliche Grund fur Barths Behauptung einer natürlichen Sterblichkeit liegt nicht in der Erklärung des Kreuzestodes Jesu, sondern in dem Versuch, die inneren Widersprüche des Gnadenmonismus' abzubauen. Gerade post Christum crucifixum ist gar nicht einsichtig zu machen, warum dem Menschen der Geist Gottes als Ausdruck und Mittel der Begnadigung entzogen werden soll bzw. warum im Tod zwischen Schöpfer- und Erlösergeist zu unterscheiden ist, nachdem bei der Erschaffung auf ihre Identität so viel Wert gelegt wurde. Daher treten neben den Rekurs auf die Wegnahme des Geistes, wie sie auch bei den Tieren zu beobachten sei'^, andere Argumentationsmuster. Eine Hinwendung zu einer rein immanenten Erklärung des K D III/2, 725.726.739.747.766f. Parallelen zu Barths ebenfalls signifikativem bzw. ethischem Sakramentsverständnis drängen sich auf Die effektive Dimension sowohl des Gerichts als auch der Heilszueignung wird alleine an Christus festgemacht. Das, was von der Welt, von den Christen gilt, ist unter Rückbezug auf Christus, per analogiam relationis auszusagen. K D 111/2,726 " K D 111/2,767. Beisser, Hoffnung, 144, weist zu Recht daraufhin, daß bei Anselm von Canterbury im Unterschied zu Barth die Freiwilligkeit des Kreuzestodes Jesu gerade mit der Tatsache, daß er sonst nicht hätte sterben müssen, begründet wird. '0 K D III/2, 7 6 6 . 7 6 7 " K D III/2,764f ; ebd., 767: „Daß unser Sein in der Zeit ein endliches ist, das kann doch offenbar auch etwas Anderes bedeuten, als daß wir unter Gottes Zorn stehen" (Hervorhebung im Original) K D III/3, 4 3 1 . 4 3 4 . 4 3 5 . 7 1 7
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Todes deutet sich an, wenn der Tod als Privationsgeschehen nicht mehr auf Gott, sondern auf die Handlungs- und Bewegungsfreiheit des Menschen, also Güter dieses Lebens, als Gegenstand der Ermangelung bezogen wird'^. Dann zeichnet Barth den Tod als ein unabänderliches Schicksal und Lebenselement, ohne auf theologische Ursachen Bezug zu nehmen'"*. Der Tod erscheint dann unter rein formaler Perspektive als ein neutraler der Geburt in spiegelverkehrter Weise korrespondierender Vorgang des Überschrittes vom Sein ins Nichtsein«. Die Akzentuierung der Selbstverständlichkeit des Todes verbindet sich mit einer eher teleologisch orientierten Betrachtung, bei der der natürliche Tod als exklusive Wirklichkeit zur Zielbestimmung wird. Der Tod bekommt erst den Charakter des letzten Feindes; der Mensch kann aber auch alt und lebenssatt sterben'®. Ziel ist die Befreiung vom unnatürlichen zu einem natürlichen Sterben'^. Das bedeutet, daß auch die Begegnungsweise des Todes als Zeichen des Gerichts, immerhin schon ein stark reduzierter Restbestand der Gerichtsdimension, zu einer abbaubaren Größe erklärt wird. Das Zeichen des Gerichts übernimmt möglicherweise die Funktion des Imperativs im Indikativ, der die Konformität der Welt und des menschlichen Verhaltens zur Gnadenwirklichkeit einfordert. Letztere könnte erstens auf ethischer Ebene erreicht werden: der Mensch soll daran erinnert werden, wovor er bewahrt wurde - um wohl dem Gnadenempfang entsprechend zu leben'®. Zweitens kommt die noetischhermeneutische Ebene in den Blick. Die Gerichtsseite des Todes steht in ei" K D 111/2,716: „Totsein heißt nicht mehr leben können. Totsein bedeutet Mangel an jeder eigentlichen und sinnvollen Handlungs- und Bewegungsfreiheit" K D 111/2,721: die Todesbedrängnis „versetzt den Menschen in eine Tiefe, aus der es für ihn kein Hinaufeteigen gibt, weil der Weg dahinunter eine Einbahnstraße ist"; ebd.: „eine Rutschbahn, auf der es ... kein Aufhalten geben kann"; ebd.: atl. Todesverständnis fiir das N T vorauszusetzen, „was die Endlichkeit unserer Zeit, die Beschränktheit unseres Lebens als solche betrifft" (Hervorhebung im Original); 111/2,714: „wir gehen einem Dort entgegen, wo wir nicht mehr sein werden"; „Unser Leben hat nun einmal die Richtung vom Anfang zum Ende und nicht umgekehrt"; ebd., 7 1 5 : „wir eilen ... dem Nullpunkt entgegen: demselben, von dem sie alle, von dem wir selber herkommen"; ebd., 7 1 5 : „nicht ausgemacht, daß Tod an sich und als solcher Fluch bedeutet"; „Der Tod an sich und als solcher ist des menschlichen Lebens Ende und Grenze" K D 111/2,770 " K D 111/2,772; ebd. auch: „Daß der Mensch sterben muß, das kann fur ihn dieses schlechthinnige Urteil bedeuten" (Hervorhebung im Original); ebd., 7 7 3 " K D 111/2,777; vgl. ebd., 7 7 8 : „Man darf jetzt gerade natürlich sterben und gestorben sein" (Hervorhebung im Original) " K D 111/2,737: im Bezug auf die vom Tod ausgehende Drohung: „Eben die wissen, daß sie bewahrt sind, können offenbar nicht vergessen, müssen vielmehr als Bewahrte und um wirklich Bewahrte zu sein und zu bleiben, beständig vor Augen haben, vor was sie bewahrt sind"; vgl. 111/2,729 (bzgl. Adäquatheit gegenüber der Gnade Gottes): „Tod ist die unmittelbare Folge der Konfrontierung des Menschen ... mit dem heiligen Gott: eine Begegnung, die der Mensch darum nicht überleben kann, weil ihm dabei der belebende Odem Gottes, dessen er sich als t, nur wieder genommen werden kann" (Hervorhebung vom Verfasser)
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nem Zusammenhang mit der Sünde. Sünde kann im Rahmen eines gnadenbzw. christomonistischen Ansatzes nur privativ, als Sich-nicht-gesagt-sein-lassen der Gnade, als Trägheit, als Unwissenheit bestimmt werden. Das Bewußtmachen des Gerettetseins in Christus erscheint dann als ein Weg des Kampfes gegen die Gerichtsseite des Todes". Hier deuten sich die von anderen eingeschlagenen Wege an, wie noch zu sehen sein wird. Wie die Gewinnung eines nur natürlichen Todes vonstatten gehen soll, bleibt letzdich unklar. Wenn ein exklusiv natürliches Sterben als durch das Christusereignis ermöglichte Möglichkeit angestrebt werden kann, der Tod wiederum als ein Zurück- und Hineinfallen in den Bereich des Nichts zu definieren ist, kehrt die alte Grundfigur der Korrelation des Nichts bzw. des Todes und der Gnade wieder. Barth muß nun nicht mehr erklären, warum Gott dem Menschen die Gnade entzieht. Vielmehr ist der Tod selbst bzw. sein natürlicher Modus Teil der Gnadenwirklichkeit. Der Tod ist wieder Kehrseite der Gnade, nun aber nicht mehr als Gerichtsvollzug, sondern als menschliches Pendant zur Allmacht Gottes. Daß der Mensch sterben muß und an sich dem Nichts verfallen ist, ist das Aussagekontinuum. Das Wie (Geistentzug) wird nicht mehr reflektiert, das Warum (Gericht/Zeichen des Gerichts) wird als anachronistisches bzw. abbaubares Akzidens herausgestellt. Es liegt im Wesen der Antithese von Nichts und Gnade, daß das Nichts nur ein Provisorium sein kann und der Triumph der Gnade sich vollenden muß. Der Mensch eilt zwar dem ihm von Gott gesetzten terminus ad quem entgegen, er ist als solcher „endend", „wird also einmal nur noch gewesen sein, wie er einmal noch nicht war", aber er ist „als dieser Gewesene nicht Nichts", weil Gott ein gerade „in seinem Tode treues Gegenüber" bleibt, der eine Verheißung ausgesprochen hat'"". Die Auferstehung ist letztlich ein Oflfenbarmachen des schon Gültigen, der Rettung, eine Durchsetzung der Gnade"". Sie ist nicht ein neues, gegen Sünde und Tod ausgerichtetes Ereignis, sondern integriert den Tod als Ende des Lebens und verendgültigt bzw. verherrlicht das " Vgl. KD 111/2,738: Jene aber, die Anderen, diese Toren und Verblendeten mit und ohne Gesetz, alle miteinander wußten von alledem nichts, wußten weder um Jesus Christus noch um sich selbst"; „ahnten nicht, daß der Richter auf den Plan getreten und gegen sie alle - aber zuerst und vor allem fijr sie alle - das Urteil, das Todesurteil gesprochen"; „ Dieser Kontrast von Wissen in der Gemeinde und entsetzlichem Nichtwissen in der Welt ist das Motiv, seine Überbrückung ist das Problem der urchrisriichen Mission" (Hervorhebungen im Original); vgl. ebd., 737 KD III/2,770f.; vgl. 111/2,753. Eine ähnliche Spannung auf die Auferstehung hin entsteht durch das Gegenüber des zeidich abgeschlossenen, begrenzten Seins des Menschen und des zeidich unbeschränkten Seins Gottes (KD 111/2,753). Hierin wird geradezu die Unverzichtbarkeit der natürlichen Begrenztheit des Menschen für Barths Begründung der Auferstehung deutlich; vgl. KD III/2, 779: „Wenn es mit dem definitiven Ende des menschlichen Lebens nichts wäre, dann wäre es eben auch nichts mit seiner Auferstehung, mit seiner definitiven Koexistenz mit dem Leben Gottes" "" Barth, Credo, 146.145
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durch den Tod beendete Leben'®^. Richtig ist sicherlich der Ausgangspunkt bei Gott'"^. Problematisch und ohne biblischen Anhaltspunkt bleibt die alle Differenz von Sünde und Gerechtigkeit, Gericht und Rettung, Gesetz und Evangelium und letzdich auch Tod und Auferstehung zudeckende Fixierung des Handelns Gottes auf die G n a d e i m Gegenüber zum Nichts der KreaturX'l
4. Ansatz zur Korrektur: postmortale Existenz der Gottlosen trotz des Ausgangspunktes bei der Gnade (R. Seeberg) Reinhold Seeberg (1859-1935) möchte ähnlich wie Barth die Annahme eines expliziten Gerichtshandelns Gottes vermeiden. Die Gnade ist es, die Leben entstehen und bestehen läßt""^. Christus ist zur Errettung des Menschen gekommen und es heißt, sich von ihm bewegen zu lassen'"^. Gott wirkt und begegnet in pneumatischer Weise und ist damit ähnlich wie bei Barth auf ein positives, heilschaffendes Handeln festgelegt. Aber Seeberg trägt dem biblischen Zeugnis besser Rechnung als Barth, wenn er eine Differenz der Zeiten, ein Vorher und Nachher, eine prä- und postmortale Existenz annimmt, die durch das präsentisch und futurisch wirkende pneumatische Kontinuum zusammengehalten wird'"®. Der Begründung des ewigen Lebens im wirkenden
KD 111/2,771: „bevorstehende Verherrlichung gerade seines von Natur und von rechtswegen diesseitigen, endenden und sterbenden Seins"; „daß eben dieses Sein in seiner Zeit ... offenbar werde und so von Gott her und in Gott ewiges Leben sein möchte" (Hervorhebung im Original). K. Barth erhält von römisch-katholischer Seite einiges Lob wegen seiner Betonung der Kontinuität des Geschöpfs und seiner Verwendung des Seelenbegriffs (Wohlgschaft, Hoffnung, 84.86.93-95; anders Ahlbrecht, Tod, 55). Eine Kritik an der Annahme der Natürlichkeit des Todes ist von dieser Seite her freilich nicht zu erwarten. Vgl. Barth, Credo, 143: Zukunftserwartung: „nicht primär Erwartung eines Etwas ..., sondern Erwartung des Herrn. Er erweckt die Toten; er schenkt ewiges Leben; er ist der Erlöser, so gewiß die Erlösung die Offenbarung der in ihm geschehenen Versöhnung ist" (Hervorhebung im Original) Barth lehnt es zwar ab, die Apokatastasis-Lehre ausdrücklich unter die Sätze der christlichen Dogmatik aufzunehmen, aber bekennt doch, daß er den Menschen in Christus betrachte und daher nicht mit seinem ewigem Verlorengehen rechne: Credo, 147f Fairerweise m u ß bemerkt werden, daß Barth sich in späten Aussagen immer mehr der Schrift nähert, wenn er unter Hinweis auf die Entrückung die Möglichkeit erwägt, daß der Tod nicht der einzig mögliche Modus des kreatürlichen Endes sein muß: KD rV/3/2, 1061-1066 Seeberg, Leben, 56 Leben, 58; vgl. ebd., 47 "" Leben, 55: „Ist nun der Mensch auf Erden von Christus oder dem Geist ergriffen und erhoben, so bedarf es nur noch dessen, daß der Geist ihn auch über den Tod hinaus vollendet"; „Des Christen ganzes Leben ist ein l^ben in der Kraft und in der Richtung des göttlichen Geistes"; ebd., 56: „Er [der Geist] bildet den Menschen innerlich um und erhält das, in ihnen in dieser Gemeinschaft mit ihm entstehende, neue ewige Leben über den Tod hinaus bis zur Vollendung oder der Verklärung des Leibes"; vgl. ebd., 52f 54.73
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göttlichen Externum entspricht eine relationale Definition des Todes. Der Tod besteht im Alleinsein, in der Isolation von der Gemeinschaft mit anderen Menschen und mit Gott"". Dieses formal an Barths Begriff der Geistlosigkeit erinnernde Verständnis des Todes meint allerdings nicht ein Nichtsein, ein Versinken im Nichts, sondern impliziert eine unterschiedlich qualifizierte Fortexistenz, die zwischen dem Geschick der Gotdosen und der Christen differenziert. Weil Seeberg wie Barth das Wirken und Wesen Gottes auf die Gnade reduziert, muß er, um die Tendenz zur Apokatastasis-Lehre zu vermeiden, die universale Fortexistenz anders als von der an das Gesetz rückgebunden bleibenden Verantwortung vor Gott her begründen. Er betreibt dies im Rekurs auf ontologische Zusammenhänge. Der Tod zerstört die mit dem Leib gegebenen Verbindungsfäden zur sinnlichen Welt"". Trotzdem ist eine Fortexistenz anzunehmen, weil die Seele eine unvergängliche, unteilbare Substanz ist"'. Die Gottlosen befinden sich dann in einem Zustand fortwährender Isolation, weil sie sich zu Lebzeiten dem götdichen Geisteswirken widersetzten und sich der Sinnlichkeit, dem Weltbezug widmeten, der im Tod zerbricht"^. Aber dieser Zustand wird als inferior, die ontologische Begründung der postmortalen Existenz als insuffizient gekennzeichnet. Letztere hat ebenso wie der Verweis auf das desiderium naturale nur eine sekundäre Bedeutung, insoweit sie den Gedanken der Unsterblichkeit als nicht denkwidrig aufieigt"^. Ziel ist ein Yonleben, nicht nur eine ¥onexisten¿^'^. Im Anschluß an die relationale Definition des Lebens heißt das, daß eine qualifizierte Weiterexistenz nur durch den Vollzug einer Relation bzw. die Partizipation an dem Wirken einer externen Größe begründet werden kann, die nach dem Ende des leiblich vermittelten Weltverhältnisses nur Gott sein kann. Die ontische Seelenstruktur ist so weniger die Voraussetzung als der Rahmen, der durch das pneumatische Wirken Gottes ausgefüllt wird. Die Menschen sind letztlich nicht in sich, sondern „sofern sie eins werden mit dem Geist, unvergänglich" Das ewige Leben wird durch den Geist Gottes in der Seele entfacht"^. Die Seele bleibt nach dem Tod in der Gemeinschaft des Geistes, in die sie zu Lebzeiten eingetreten war"^. Seeberg bahnt so den Weg zu einer exklusiv relationalen Begründung der Unsterblichkeit. Der substanzontologische Unterbau könnte aber vermieden Leben, 4.63.78 "0 Leben, 5.10.63.67.78 l.eben, 10.16.28.48.52f. Leben, 38.41.63.64.69.78.96 Leben, 28.65.69 Leben, 11.15.52f. Leben, 67 (Hervorhebung vom Verfasser) Leben, 56 Leben, 48; vgl, ebd., 56. Vgl. Seeberg, Seele, 160: „... wenn ich nun eins werde mit diesem Willen [Gottes], dann bin ich auch erhaben über diese vergängliche Welt, dann werde ich ewig mit Gott"
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werden, wenn der dem Gnadenwirken vorgegebene Rahmen nicht ontisch, sondern verbal-relational gefaßt vmrde. Dies könnte freilich nur um den Preis der Annahme eines Gerichtshandelns Gottes und Redens auch im Gesetz geschehen, womit dem Schriftzeugnis nur entsprochen würde (2.Kor. 5,10; Mt. 25,31-46; Rom. 2,lff·.; Offb. 20,11-15). Dann würde auch der Tod nicht dualistisch als Trennung vom Leib, sondern relational als Gerichtsvollzug verstanden, und die Gottlosen befänden sich nicht im Status der Isolation, sondern der fortwährenden Konfrontation mit dem zornigen Gott.
II. Der Mensch im Sein zum Tod und gegen den Tod (E. Jüngel)
1. Die Wurzel: Das Korrelationsverhältnis von Dasein und Tod (M. Heidegger) Martin Heideggers (1889-1976) Todesverständnis hat vor allem hinsichdich seines methodischen Vorgehens und seines intentionalen Ausgangspunktes eine weitreichende Wirkungsgeschichte ausgelöst bzw. schon vorhandene Tendenzen in dieser Richtung verstärkt. Er möchte den Tod als ein Phänomen des Lebens, vom Leben her, d. h. in einem rein diesseirigen Rahmen analysieren"®. Der Tod ist mit der Sorge als der Grundverfassung des Daseins thematisiert, d. h. in ihrer Dimension des „Sich-vorweg". Das Dasein befindet sich in einer ständigen Unganzheit, einer Unabgeschlossenheit, so daß immer noch etwas aussteht, das noch nicht verwirklicht ist"'. Das bedeutet aber, daß die Frage nach der Ganzheit und damit nach dem Tod ein konstitutiver Aspekt des Daseinsvollzugs ist. Das Streben nach Ganzheit ist dabei nicht im Sinne des Ausstandes einer additiv-quanritativen Summe gemeint, auch nicht noetisch als eine bisher mangelnde Erkennbarkeit, sondern modal als Art und Weise des Seinsvollzugs'^". Es ist unzureichend, den Tod als Ende oder Vollendung zu betrachten'^', weil in beiden Fällen Leben und Tod in ein Sukzessivstatt Simultan- und Konvergenzverhältnis gebracht werden. Der Tod ist nicht ein Zustand, der, vom Seinsvollzug abstrahiert, auf das Leben folgt in der Gestalt eines Zu-Ende-seins. Er begegnet vielmehr als teleologische Dynamik, als Korrelat und Implikat des Daseins, als Sein zum Ende'^^. Zu erfassen ist der Tod nicht, wenn er existentiell, als ein punktuell eintreffendes Ereignis erwartet bzw. an anderen beobachtet wird, sondern nur in einer existentialen ZuSZ 328.329f.; vgl. dazu Peters, Tod, 250.253 SZ 314.332.334. Dazu auch Greshake, Auferstehung, 99 SZ 325 SZ 325f. Vgl. SZ 327.328f.
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gangsweise in Orientierung am je eigenen Dasein'^^. Es geht um das jemeinige Sterben, um die seinsmäßige Struktur der Existenz'^''. Entscheidend ist die Haltung, die dem Tod gegenüber eingenommen wird, der Einfluß, den man dem Tod im eigenen Lebensvollzug einräumt. Ein uneigentliches Sein zum Tode flüchtet sich in das Man, das stirbt, während man selbst vorläufig noch nicht stirbt. Der Tod wird dann zu einem beobachtbaren Phänomen, das neben anderen empirisch erfaßbaren Dingen eingeordnet werden kann und über das nicht unbedingt als eine einen mit Gewißheit treffende Sache reflektiert werden muß. Der Bevorstand im chronologischlinear erwartbaren und biologisch analysierbaren Sinne ersetzt den Ausstand, das Unterwegssein im existentialen Sinne'^'. Die Sünde ist sozusagen nicht Ursache des Daß des Todes, sondern besteht im Wie des Umgangs mit ihm. Das eigentliche Sein zum Tode weiß um den Charakter des Daseins als eines ständigen Sterbens, um die jeden Augenblick vorhandene Möglichkeit des Todes'^'^. Leben und Tod koinzidieren, aber nicht unbedingt auch Tod und Leben im Sinne einer postmortalen Existenz, einer Transzendierung des Todes. Auf letzteres kann und darf nicht reflektiert werden, weil dann der Tod in nicht-existentialer Weise als Ereignis, als ein Eintreten eines dann möglicherweise wieder zu überwindenden Zustandes gesehen wird. Der Gewinn der Gänze, d. h. des Sinns des Daseins fällt zusammen mit dem Verlust des Seins; man ist als Seiendes dann nicht mehr erfahrbar'^^. Während fur Heidegger der Seinssinn sozusagen im Tod selbst liegt, müßte aus biblischer Sicht der Tod als Folge der Verfehlung des Seinssinns gesehen werden und auf der Ebene des vom Tod unterschiedenen Seinssinns, auf soteriologischer Ebene wäre dann die Möglichkeit zur Überwindung des Todes gegeben. In Umkehrung eines Satzes Epikurs könnte man Heideggers These vom Konnex des Seins und des Todes so formulieren: solange wir sind, ist der Tod; sind wir nicht mehr, ist auch der Tod nicht mehr'^®. Ein Nihilismus, der den Tod nur als Umschlag aus der Seinsart des Daseins in das Nichtmehrdasein kennt, bahnt sich an'^'.
2. Immanentes Todesverständnis Eberhard Jüngel verbleibt im Heideggerschen Rahmen, wenn er die Todesthematik von einer Analyse der Zeit, des gesellschaftlichen Verhaltens aus angeht und im Anschluß daran einen Lösungsansatz unterbreitet. Als AusgangssituaVgl. S Z 3 1 1 . 3 2 0 . 3 2 4 ; dazu auch Wiedemann, Zeidichkeit, 10.83 S Z 3 1 9 . Dazu Demske, Sein, 25 Vgl. S Z 3 2 9 . 3 3 9 . 3 4 1 f. Dazu Demske, Sein, 3 1 . 3 6 - 3 8 . 4 2 SZ 343.344 Vgl. S Z 3 1 5 Vgl. Demske, Sein, 32 S Z 3 1 7 ; vgl. ebd., 322. Eine weniger theologische als formal-logische Kritik betreibt Edwards, Heidegger, 51.62, wenn er die Banalität der Thesen Heideggers herausstellt; zu den Veränderungen im Todesverständnis nach Heideggers „Kehre": Rubio, Heidegger, 3
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don wird die Herrschaft des Todes über den Menschen benannt, wie sie in der Undefinierbarkeit dieses Begriffes zum Ausdruck komme"®. Eine „Kraftlosigkeit" in der LebensgestaJtung ist Folge der mangelnden Effizienz der Auferstehungsvorstellung, diese ihrerseits Folge einer veränderten bzw. nicht mehr vorhandenen Einstellung des Menschen zum Tod'^'. Weitgehend werde die Konfrontation mit dem Tod auf bestimmte Berufsgruppen delegiert, so daß eine Stellungsnahme zum Tod aufgeschoben oder umgangen werde'^^. Ziel muß es ftir Jüngel daher sein, ein Todesverständnis zu gewinnen, „das eine Einstellung zum Tod allererst wieder möglich m a c h t " Z w a r will er dies durchaus im Rekurs auf biblische Zusammenhänge erreichen, aber diese vermittlungstheologisch in einer für die Prämissen der Zeit akzeptablen und deren Aporien adäquaten Weise interpretieren. Glauben - in der Gestalt einer neue Strategien der Lebensgestaltung eröffnenden neuen Einstellung zum Tod — darf demzufolge nicht gefordert oder unter Hinweis auf das pneumatische Wirken Gottes im Predigtvollzug erwartet, sondern soll ermöglicht werden''"·. Die Auferstehung Christi kann - wohl im Zuge einer statistischen Ermittlung - in der bisher verkündeten Form nicht als allgemein anerkanntes Faktum gelten und insofern auch nicht die Hoffnung auf die allgemeine Totenauferstehung begründen'". Die Forderung, die Auferstehung Christi neu und anders zu verstehen, mündet dann bezeichnenderweise ein in sich nur dem Tod Christi als der in sich unbezweifelbaren Tatsache widmende InterpretationsbemühungenDas heißt, daß der Auferstehung Christi nicht in sich eine Faktizität und pneumatisch etwa in dem Unterpfand des Geistes manifeste (2.Kor. l,21f; 5,5) objektive Wirksamkeit zuerkannt wird. Sie erhält ihre Bedeutung erst durch ein Bedeutsammachen vonseiten des Menschen im Zuge eines interpretatorischen Aktes, der parallele Strukturen zur eigenen Selbsterfahrung aufdeckt. Eine bestimmte Interpretation des Todes Jesu erlaubt eine analoge Interpretation des eigenen Todes. Allerdings ist nicht so sehr der Tod als vielmehr das Leben und sein Vollzug im Blick, dessen existential auf den Tod zulaufender Charakter erkannt und im eigenen Verhalten berücksichtigt werden soll. Jüngel, Tod, 11 Jüngel, Tod, 52 Ebd., 49: „Man stellt ihn [den Tod] weg" Ebd., 56 (Hervorhebung im Original) Ebd., 52 Ebd., 54f.55 („Das Gewißmachende scheint zugleich das Ungewisseste zu sein") Ebd., 56: „Wollen wir das von uns unabhängige Ereignis verstehen (und nur als verstandenes kommt es uns zugute), so können wir den sich wandelnden Zeitgeist nicht ignorieren"; Auferstehung Jesu „neu und das heißt so zur Sprache bringen, daß sie eine neue Einstellung der menschlichen Existenz zu Tod und Leben provoziert"; es sei entscheidend, „daß es in der Begegnung mit dem Tod Jesu zu einer neuen Einstellung zum Faktum des Todes kommt"; ebd., 121: „Nach dem Tod fragen heißt: das Leben befragen. Die Theologie befragt das Leben, das sich dem Tode Jesu Christi verdankt, nach diesem Tod"; vgl. ebd., 132
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Dem Absehen von der soteriologischen Dimension von Kreuz und Auferstehung Christi, nach der es um die Zueignung der Sündenvergebung und darin die vorausgreifende Todesüberwindung geht, entspricht das Abrücken von der exklusiven Begründung theologischer Aussagen aus der Schrift. Angestrebt ist eine Todesdefmition, die sich sehen lassen kann „im Haus der Wissenschaften"'^^. Daher nimmt Jüngel auch anthropologisch-existentiale und biologische Elemente der Todesbegründung auf, um sie dann quasi in einem Korrelationsverfahren durch theologische zu ergänzen, die im vorgegebenen immanenten Rahmen verbleiben. So zeige die Erfahrung der Zeidichkeit den Fristcharakter des Lebens auf ebenso wie der beobachtbare Verschleiß trotz des beständigen Austauschs der Zellen auf ein irgendwann eintretendes Ende ohne Anfang schließen lasse 3. Faktizität
und variable Modalität
des Todes
Die vorgelagerte nichttheologische Argumentationsbasis sichert die Faktizität des Todes'^'. Der Rekurs auf die Schrift hat nicht das Daß, sondern das Wie des Todes zu analysieren und Impulse zu dessen Veränderung zu liefern. Der Kausalzusammenhang von Sünde und Tod, die Unnatürlichkeit betrifft nur den Modus des Todes'^". Der Tod wird erst zu einem Problem, zu einer das Leben bedrängenden Macht, zu einem bösen Tod durch die rein aktual, weil als vermeidbar gedachte Sünde, durch eine verfehlte Lebensgestaltung'"". Er erweist sich in seiner Gestalt als lineare Verlängerung der Art und Weise bzw. des Inhalts des Lebensvollzugs; Leben und Tod stehen zueinander in einem analogen Verhältnis. Errettung aus konkreter Todesgefahr äußert sich in den Psalmen als die Gewährung einer Lebensverlängerung'"'^. Der Tod kann sinnvoller Abschluß eines sinnvoll gelebten Lebens, „Befriedung des Lebens", „Vollendung" sein'·''. Das „alte und lebenssatte" Sterben verbirgt sich gleichsam als potentielle Struktur, als Habitus hinter dem faktisch eintretenden und
Jüngel. Tod, 145 Ebd., 21.24.27.29. Verweis auf Heidegger: ebd., 14.24 Ebd., 56: „Faktum" Jüngel, ebd., 119, lehnt es ab, die biblische Rede vom ersten und zweiten Tod im Sinne einer zeidichen Abfolge zu verstehen und will zwischen der Funktion des Todes, das Faktum des Lebensendes zu bezeichnen, und einem qualifiziert negativen Gebrauch, der nicht unumgänglich ist, unterscheiden. Demgegenüber wird man vom biblischen Befund her eher umgekehrt sagen müssen, daß das Lebensende ein Modus des Fluchtodes ist. Ebd., 95: „der Schatten, den der Tod wirft, [ist] nur die unheimHche Vergrößerung des ursprünglichen Schattens, der von unserem Leben her auf unser Ende fallt"; „unser gelebtes Leben jedoch eine radikale Problematisierung des Todes"; „daß erst das, was wir im Laufe unseres Lebens aus diesem Leben machen, den Tod zu einer unheimlichen Macht macht" Ebd., 97 Ebd., 96.94
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dominierenden Fluchcharakter des Todes''*''. Der Tod wird vom gelebten Leben her verstanden, ist Reflex desselben. Er ist so böse, wie das Leben sündig ist. Die Sünde des Menschen umgibt ihn sozusagen schon zu Lebzeiten als Schatten des Todes, als Todesbedrängnis, um dann im Fluchtod ihren letztgültigen Ausdruck zu erhalten'^'. Heil und Wohl werden in dieser - vermeindich - alttestamentlichen Sicht austauschbar. Sünde und Tod werden in quantifizierender Weise verstanden. Die Sünde hat den Tod im Sinne eines Weniger an immanenten Lebensgütern zur Folge; sie korrumpiert aber nicht in qualitativer Form den Lebensvollzug als ganzen. Der Tod wird entsprechend dem aktualen Sünden verständnis zur manipulierbaren Manövriermasse in der Hand des Menschen, nicht in seinem Daß, wohl aber in seinem Was und Wie. Erhält der Tod vom Leben her seine Qualität, so ist damit das Leben als Ort und Mittel der Neuqualifizierung des Todes ausgewiesen. Um zu einer Definition des Todes in seinem Abbruchcharakter zu kommen, muß Jüngel seinen Prämissen folgend nach dem Wesen des Lebens fragen. Leben heißt ein Verhältnis haben; der Mensch kann nur in Beziehungen leben'''®. Sünde ist eine Verweigerung des so gearteten Lebensvollzugs, ein „Drang in die Verhältnislosigkeit", eine „Rebellion" und .Aggression gegen Gott"'''^. Der Fluchtod folgt notwendig aus einem so charakterisierten Sündenleben, indem er dieses verendgültigt''". Weil die Sünde zunächst aktivisch und als real gegebenes Verhalten und nicht nur wie bei Barth als Nichtannahme der Gnade verstanden wird, trifft der Fluchtod die Menschen auch gegenwärtig noch. Allerdings ist Gott anders als in Barths spekulativ von Christus abstrahierenden Äußerungen in keiner Weise am Zustandekommen des Fluchtodes beteiligt, etwa durch den Entzug seines Geistes, seiner Gnade oder durch eine bevmßte Verstoßung ins Nichts. Nicht Gott, sondern der Mensch ist das Subjekt, der Verursacher des bösen Todes. Der Tod ist Fluchtod, d. h. Fluch der eigenen Tat, nicht Gerichtstod, also Strafhandeln Gottes für diese Tat. Die Definition des Todes als „das Ereignis der die Lebensverhältnisse total abbrechenden Verhältnislosigkeit"^'^'^ schließt in sich die Annahme aus, daß der Tod ein Aspekt des Vollzugs der Beziehung Gottes zum Menschen sein könnte, wobei von der dadurch bleibenden Gottesrelation her zugleich ein Weg zur Transzendierung des Todes gewiesen wäre. Ebd., 91; vgl. ebd., 94: „ein das Leben eines Menschen vollendendes Ende ... So könnte jeder sterben. ... D e facto muß der Mensch sterben, weil er sich selbst nicht vollenden und so in Frieden beenden kann" (Hervorhebung im Original) Vgl. ebd., 96.97: Todesbedrängnis; böser, weil vorzeitiger Tod Ebd., 81.99 Ebd., 9 9 . 1 1 1 . 1 4 2 Ebd., 112: Tod als „ein aus dem Wesen der menschlichen Sünde gesetzlich folgendes und insofern dann auch strafendes Ereignis"; ebd., 113: Tod, „der die Nichtigkeit eines verhältnisiosen Lebens offenbart, indem er es zunichte macht"; „vernichtende Macht des Todes"; vgl. ebd.,
III
Ebd., 145 (Hervorhebung im Original)
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Jüngel kommt zu sich an Heidegger anlehnenden nihilistischen Kennzeichnungen des postmortalen Geschicks. Menschsein, personale Existenz ist nur noch in der Weise des Rückblicks auf eine endgültig verlorene Vergangenheit, aber nicht als gegenwärtige Realität auszusagen. „Der Gestorbene ,ist' nur noch in der Weise des G e w e s e n s e i n s " E s liegt in der Konsequenz der vorgenommenen Todesdefinition, daß ein Kampf gegen den Tod in der Neukonstituierung von Beziehungen zu bestehen hat. Dabei wird zu fragen sein, inwieweit Jüngel die Gottesbeziehung in zwischenmenschliche Verhältnisse einebnet bzw. vom Menschen als tätigem Subjekt her begründet"'.
4. Das Kreuz als hermeneutische Hilfe zur Todesbewältigung Das immanente Leben bleibt der Ausgangs- und Zielpunkt auch in der Beantwortung der Frage nach der Todesüberwindung. Das Verhältnis von Leben und Tod soll sich umdrehen: nicht mehr soll uns der Tod bedrohen, sondern wir den Tod'^^. Im Rahmen der feststehenden natürlichen Sterblichkeit geht es um einen Abbau, ein Zurückdrängen der Fluchdimension des Todes. Der Lebensvollzug muß sich so verändern, daß der Tod seinen Schrecken verliert und zum krönenden Abschluß des Lebens wird''^. Kampf gegen den Fluchtod heißt Kampf für die Aufnahme von Verhältnissen wider die Verhältnislosigkeit. Soll der Tod als Lebensende etwas anderes sein als ein Abbruch, so muß er zu einem Ende werden, „das Gott macht", indem Gott die Aktivität übernimmt"'*. Dies geschieht jedoch nicht in direkter Weise, so daß der Mensch im Tod unmittelbar mit Gott konfrontiert würde oder von einem objektiven Gehandelthaben Gottes auszugehen wäre. Anders als Barth wahrt Jüngel durchaus die Kontingenz der Partizipation an den Wirkungen des Christusgeschehens, macht diese aber nicht am Vorbehalt des ewigen Heilsratschlusses Gottes und seiner zeitlichen Umsetzung im pneumatischen Wirken durch Ebd., 145; vgl.: „Der Mensch ist, wenn er gestorben ist, nur noch das, was er war. Er wird von sich aus hinfort nichts mehr werden und insofern auch nicht mehr sein" Ebd., 101, spricht Jüngel vom natürlichen Tod als der Vollendung der Lebensverhältnisse - ohne theologische Füllung. Ebd., 114, fordert er eine Befreiung vom Fluchtod „in einer neuen Begründung der Verhältnisse ..., innerhalb derer allein sich Leben vollziehen kann". Dies ist um so aufFälliger, als er vorher (ebd., 97) den Fiuchtod noch durchaus in theologischem Bezug „als ein den Menschen und Gott entfremdendes Ereignis" bezeichnet hat (Hervorhebung im Original). Vgl. ebd., 146 Man beachte Jüngels Formulierungen, die stets auf die Bedeutsamkeit des Gesagten für das hic et nunc zu führende Leben, nicht aber auf die Ewigkeit abheben, der ja nach der Schrift durchaus ein leiderfülltes und sehr wohl vom Tod bedrohtes Leben vorangehen kann (vgl. Phil. 1,20-23; 4,10-20!). Z. B. ebd., 147: ,^llerdings muß man angeben können, was der ,Tod des Todes' für das Leben des Christen bedeutet"; ebd., 160: „dann muß die versöhnende Kraft des Todes Jesu Christi dem Leben zwischen Anfang und Ende der ihm gegebenen Zeit zugute kommen" (Hervorhebungen im Original) Ebd., 1 1 5 f
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Wort und Sakrament fest, sondern am freien Willen des Menschen. Das Handeln Gottes in Christus begegnet nicht als distinktes, effektiv wirkendes Geschehen, sondern als ein Bewußtseinsinhalt, als eine Rede, Vorstellung, als Gedanke, der angeboten wird und, sollte man von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, zu einem das Bewußtsein verändernden bewußtseinsinternen Vorgang wird'^^. Der Glaube, die Gewißheit der Todesüberwindung ist nicht Wirkung des Heiligen Geistes und beruht nicht auf einem auch jenseits des eigenen Todes handelnden, personalen Externum. Er ist vielmehr ein existentialer Akt, der das diesseitige Leben zu verändern, aber nicht zu transzendieren vermag''®. Der Verlagerung des Kreuzesgeschehens in das Bewußtsein korrespondiert eine gleichsam inkarnatorische Interpretation des Kreuzes. Aus der Kondeszendenz wird die Konvergenz Gottes mit der Menschheit, die im Gekreuzigten präsent ist. Gott identifiziert sich mit dem toten J e s u s G o t t bleibt nicht als das Subjekt der Versöhnung zugleich das Gegenüber des Versöhnungsvorgangs"', was die Folge der Ablehnung der Satisfaktionslehre Anselm von Canterburys i s t ' " . Mit der Preisgabe des A p a t h i e a x i o m s f ä l l t die Möglichkeit, ein gegenüber seinem ökonomischen Wirken unterschiedenes Sein Gottes anzunehmen. Weil die Sünde nicht ein Verfallensein an ein strafendes Gericht von außen herbeifuhrt, sondern die Verhältnislosigkeit in sich enthält, bedarf es auch keiner Sühne, sondern nur gleichsam einer Auffüllung des Vakuums der Sphäre der Verhältnislosigkeit. Mit der Wesensdefinition der Sünde als einer das Gericht in sich enthaltenden Größe ist die Entbehrlichkeit eines von der Sünde überführenden und diese mehrenden Gesetzes gegeben. Die Ausfüllung des Vakuums kann von vorneherein nur ein positiv zu qualifizierender Akt sein. Das Kreuz dient nicht der Begründung und Manifestation des Übergangs von einer negativen zu einer positiven Relation Gottes zum Menschen, sondern ermöglicht überhaupt erst eine dann allerdings nur positive Beziehung zu Gott. Nicht die Sühne ist das Ziel der Inkarnation (Joh. 3,14—17), sondern das Kreuz ist - auf einer Ebene mit dem Tod jedes anderen Menschen - mit der Inkarnation gegeben und in ihr enthalten. Der Kreuzes-
Vgl. ebd., 146: ..Angeboten wird die Rede vom Sieg des am Tode des Menschen partizipierenden Gottes über den Tod"; ebd., 109: „in der Sprache des Glaubens arbeitet das Ereignis der Auferstehung Jesu von den Toten"; vgl. ebd., 109f., die Aussage über das Explodieren der Sprache des Glaubens angesichts des Auferstehungsereignisses; ebd., 134: Verkündigung Jesu, Ausstattung mit Titeln als Interpretations-, nicht als Offenbarungsgeschehen. (Hervorhebungen vom Verfasser) Ebd., 146: „Der Glaube akzeptiert dieses Angebot"[der Rede vom Sieg Gottes über den Tod]; „Er entwirft sich damit als Hoffnung" (Hervorhebung vom Verfasser) Ebd., 138f 2.Kor. 5,18: τά δέ πάντα έκ τοϋ θεού τού καταλλάξαντος ήμάς έαυτώ διά Χριστού Ebd., 143 "Ο Ebd., 139Í
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tod ist sozusagen höchster Ausdruck des in der Inkarnation erfolgenden Wechsels von einer transzendenten zu einer immanenten Seinsweise"''. Das überimmanente Sein Gottes äußert sich nurmehr in einem Überschuß an Leidensfähigkeit gegenüber dem Menschen: Gott kann unendlich leiden, der Mensch nur endlich'®^. Die Übernahme des unendlichen Leidens Gottes an der fur ihn ungleich schlimmeren Gottfremdheit des Todes ist Ausdruck seiner unendlichen Liebe'®. Das bergende Element dieser Aussage liegt nicht darin, daß der Tod als solcher überwunden würde und eine personale Fortexistenz anzunehmen wäre, denn der Tod bleibt fiir den Menschen und letztlich zunächst auch für den sich mit dem Menschen identifizierenden Gott eine unübersteigbare, weil natürliche Grenze. Vielmehr kommt es auf die Überwindung des Fluchtodes an, wie sie sich in dem eben beschriebenen Überschußgedanken Ausdruck verschafft: die Liebe Gottes ist unendlich und daher eine alle Verhältnislosigkeit und allen Abbruch von Verhältnissen übersteigende Verhältnissetzung"'''. Dabei geht es nicht um eine Transzendierung des Todes, sondern um eine Transformation des Wechselverhältnisses zwischen Leben und Tod, um den Sterbevorgang als Manifestation des Wesens des Todes als Ende oder Vollendung'^^ Letzdich ist die Erfahrung der Liebe Gottes bzw. besser: das Sichbewußtmachen der Redemöglichkeit von einem positiven Verhältnis Gottes zu uns die Auferstehung, d. h. das Erleben des Todes als Vollendung, nicht als Abbruch. Der Rückbezug auf das gelebte Leben ist auch die Prämisse in der Ausdeutung des Auferstehungsbegriffes. Auferstehung meint nicht die durch das Gericht Gottes hindurchgegangene, ganzheitliche, personale Gemeinschaft mit Gott, sondern eine unterschiedslose Aufhebung des zurückliegenden Lebens in Gott'®®. Dem Aufgehen Gottes in der Menschheit im Kreuz bzw. in der Vgl. ebd., 139f.: die Menschwerdung „impliziert, daß Gott das Elend des Todes mit dem Menschen teilt"; ebd., 143: „Opfer götdicher Jenseitigkeit, göttlicher Unberührtheit, göttlicher Absolutheit, kurz: ... Opfer schlechthinniger Gegensätzlichkeit Gottes gegenüber seinem sündigen Geschöpf; vgl. ebd., 144 Ebd., 143 Ebd., 139: Gott offenbart sich in der Identifizierung mit Jesus „als ein den endlichen Menschen unendlich liebendes Wesen"; vgl. ebd., 138£: darin „setzte er sich der aggressiven Gottfremdheit des Todes wirklich aus, setzte die eigene Gottheit der Macht der Negation aus. Er tat es, um gerade so fiir alle Menschen dazusein" (Hervorhebung im Original); vgl. ebd., 144 Vgl. ebd., 139: „Denn wo alles verhältnislos geworden ist, schafft nur die Liebe neue Verhältnisse. Wo alle Beziehungen abgebrochen sind, schafft nur die Liebe neue Beziehungen" Bezeichnend ist folgende Formulierung (ebd., 139), in der die Auferstehung mit einer doch noch diesseits des Todes verbleibenden Veränderung der Einstellung, des Verhältnisses zum Tod gleichgesetzt wird: „Liebend partizipiert Gott am Schmerz des Todes, um Leben und Tod in ein neues Verhältnis zueinander zu bringen, das Auferstehung von den Toten genannt zu werden verdient" Ebd.,152: „Erlösung wäre also Rettung des gelebten Lebens durch Gott, wäre Teilhabe des irdischen, begrenzten Lebens an Gottes Leben, Teilhabe befristeter Lebenszeit an Gottes
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Inkarnation entspricht quasi ein A u f g e h e n des M e n s c h e n in G o t t in der A u f erstehung. Eine Berücksichtigung der S ü n d e des M e n s c h e n k a n n hier nicht s t a t t f i n d e n , weil die S ü n d e als Streben nach Verhältnislosigkeit d e f i n i e r t w u r d e u n d d u r c h die A u f h e b u n g in G o t t als Setzung eines Identitätsverhältnisses n i c h t m e h r existent ist'^^. Dieser Endausblick, der die Frage nach der Erlangung des Heils u n d die B e m ü h u n g u m die B e w a h r u n g des Glaubensgehorsams gegenüber G o t t gegenstandslos macht, dient der A u f w e r t u n g des diesseitigen Lebens u n d soll über d e n Impuls zu einer angemessenen L e b e n s f ü h r u n g zu e i n e m guten Sterben anleiten. D i e A u f e r s t e h u n g soll diesem Leben z u g u t e k o m m e n u n d i h m n i c h t ein ewiges Leben entgegensetzen. Erlösung v o m Tod h e i ß t letztlich Erlösung zu e i n e m guten Sterben'^®. Todesbewältigung als Streben nach e i n e m guten Sterben geschieht d u r c h den K a m p f f ü r einen natürlichen Tod, f u r die E n t f a l t u n g v o n Lebensmöglichkeiten"''. G e r a d e die ethischen Forderungen, die a u f eine Ebene m i t der V e r w e n d u n g der verbalen C h i f f r e des Kreuzestodes Jesu rücken, m a c h e n deutlich, d a ß es u m dieses Leben geht, u m eine in diesem Leben zu g e w i n n e n d e u n d sich a u f dieses Leben auswirkende H a l t u n g gegenüber d e m Tod, d. h. u m ein existentiales, hermeneutisches, n i c h t eigentlich soteriologisches Vorgehen'^".
Ewigkeit, Teilhabe schuldig gewordener Existenz an Gottes Ehre"; „In seinem Leben wird das unsrige geborgen sein. In diesem Sinn ist die kürzeste Form der AuferstehungshofFnung der S a a ,Gott ist mein Jenseits' " (Hervorhebung im Original); ebd., 152f.: ,Л11е werden so, wie sie waren, in Gott versammelt sein"; ebd., 153: „von Gott selbst vergegenwärtigte und von Gott... verherrlichte Vergangenheit"; Auferstehung als „Versammlung, Verewigung und Offenbarung gelebten Lebens" Jüngel spricht ebd., 149, ohne Rekurs auf ein Gericht Gottes bzw. eine Verantwortung vor Gott und ohne eine postmortale Existenz in personaler Distinktheit anzunehmen, nur von dem gelebten Leben: „Sein Dagewesensein jedoch bleibt unauswechselbar"; „Er war er selbst". Heidler, Lehre, 122.127.129, verweist nicht zu Unrecht auf die unübersehbaren Anleihen Jüngels bei Hegel. Vgl. ebd., 160: „dann muß die versöhnende Kraft des Todes Jesu Christi dem Leben zwischen Anfang und Ende der ihm gegebenen Zeit zugute kommen" (Hervorhebung im Original); ebd., 161: Erlösung vom Tode ist die „Beseitigung der von uns selbst heraufbeschworenen Drohung über unserem Lebensende, heißt Beseitigung des Fluches der das Leben verwirkenden Taten". Jüngel, ebd., 152, lehnt die Annahme einer Unsterblichkeit der Seele ab, mißdeutet sie aber dahingehend, als ginge es hier um eine unendliche Verlängerung des Lebens, während doch stets ein gewisses Element der Diskontinuität gesehen wird. Ebd., 167-171; zu den ethischen Konsequenzen des Todesverständnisses vgl. ebd, 168: „Die Hoffnung auf den im Tod uns von allen Seiten bergend umgebenden Gott befi^eit von der egoistischen Sorge um das eigene Ende und läßt an deren Stelle die Fürsorge fur das Leben anderer treten" Beisser, Tod, 4.10-12, möchte die Zuordnung von Faktizität und Bewältigung des Todes von Schleiermacher ableiten. Zu ergänzen ist diese Wurzel durch Heideggers Todesanalyse, auf die Jüngel wie gesehen ausdrücklich rekurriert.
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5. Die Radikalisierung: Realisierung des Liebesprinzips als entmythologisierte Fassung der Auferstehung (R. Leuenberger) Die Tendenz des Jüngelschen Ansatzes wird noch deudicher, wenn man die Arbeit Robert Leuenbergers daneben hält, die zwar fast zeitgleich erschien und unabhängig von Jüngels Schrift geschrieben wurde, aber nach den Angaben des Autors in eine ähnliche Richtung zielt bzw. - wie sich zeigen wird diese radikalisiert'^'. Methodische Prämisse des Entwurfes Leuenbergers ist die Forderung einer völligen Immanenz der theologischen Rede und ihrer Inhalte, womit den reduktionistischen weltanschaulichen Voraussetzungen der Zeit, der Adressaten entsprochen werden soll. Es sei unmöglich und unzumutbar, ein metaphysisches Zwei-Räume- bzw. -Stockwerke-Bild zu vertreten'^^. Das bisher im Jenseits Verortete muß diesseitig gedeutet, die Probleme dieser Welt in dieser Welt gelöst werden'''^. Der Tod macht das Diesseits, nicht das Jenseits zur Aufgabe; die Auferstehungsbotschaft müssen wir als Menschen unserer Zeit neu verstehen'^''. Leuenberger möchte ähnlich wie Jüngel eine veränderte Haltung dem Tod gegenüber erreichen, eine Freiheit vom, Distanz gegenüber dem und Triumph über den Tod'^'. Man muß dem Tod zustimmen können, ihn bejahen und ihm so seine Macht über uns nehmen'^®. Dabei steht nicht der Tod an sich zur Disposition. Er gilt - unter Absehung von allen soteriologischen Beurteilungskriterien - als ein Naturgesetz'^^. Leben und Tod befinden sich aus biologischer Sicht in einem reziproken Verhältnis; sie bedingen und bedürfen einander'^'. Der Zusammenhang von Sünde und Tod, wie er in Gen. 2,17 angedeutet wird, wird als überholtes Mythologoumenon und Relikt primitiven Denkens referiert'^'. Die Theologie hat nicht die Aufgabe der Erklärung oder Herleitung des Todes, sondern soll die Komplexität der naturwissenschaftlichen und medizinischen Todesanalysen handhabbar machen und es erleichtern, sich mit dem Tod zurechtzufinden'®". Die Wirkung des Todes, nicht einen Übergang, sondern ein absolutes Ende herbeizufuhren und den Menschen zu einem Nichts zu vernichten, steht Leuenberger als unbestreitbare Tatsache fest'". Nicht die Unsterblichkeit, nicht die postmortale FortexiIn der Vorbemerkung, Tod, 5, nimmt Leuenberger auf Jüngel Bezug. Bezeichnend ist bereits der Untertitel der Arbeit: „Der Tod: Schicksal und Aufgabe" (Zürich 1971) Leuenberger, Tod, 12.104.108.126 Ebd., 13.36.126 Ebd., 1 2 6 f l 0 4 Ebd., 31.64.75.83.120 Ebd., 64.71.120 Ebd., 39.42 Ebd., 43f. ' ' ' Ebd., 41.57.61 Ebd., 52.83 Ebd., 12.126.130
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Stenz ist von Interesse, sondern das Leben bzw. der Sterbevorgang als letzter Bestandteil desselben'®^. Daher verhandelt Leuenberger den Tod Jesu nicht in seinem Charakter als Realisierung des Heilsplanes Gottes zur Ermöglichung der Sündenvergebung, sondern nur in seiner irdischen Begründung als Konsequenz des Lebens Jesu bzw. hinsichtlich der Haltung Jesu zu ihm'®^. Jesus hat der Liebe Gottes gelebt und ist in sie hinein gestorben. Nicht Jesus selbst, sondern die Liebe ist der Grund, auf den hin auch wir leben und s t e r b e n E s heißt, eine Sterbetugend zu entwickeln, indem man wie, nicht an Jesus glaubt"^ Die Liebe ist sozusagen ein übergeordnetes Prinzip, das durch das Leben und Sterben Jesu eine Affirmation erhält. Die Vergegenwärtigung des Auferstandenen geschieht nicht pneumatisch, sondern ethisch-imperativisch in der Gegenwart des Anspruches und der Verwirklichung der Liebe, die durch Jesus verkörpert wurde'®''. Die Auferstehungswirklichkeit wird in die vor dem Forum moderner Kritik unverfängliche historische, d. h. innergeschichtliche und -weltliche Nachwirkung eingeebnet'®^. Die Liebe wird von einer Wesensaussage, die eine transzendente, distinkte Existenz Gottes einschließt, zur ausschließlichen Seinsweise Gottes. Gott geht auf in einem Liebesprinzip, wird zur Chiffre, zum Synonymbegriff eines innerweltlichen ethischen Prozesses'®®. Man ist demzufolge im Tod vom Leben Gottes umgeben und kann die Todesfiircht überwinden, wenn man in die Liebe Christi hineinstirbt'®'. Auferstehung, Begegnung mit Gott findet als quasi prämortaler Vorgang, der am Versinken in das Nichts nichts ändert, statt in der aktiven und erfahrenen Realisierung des Liebesprinzips. Wer als angestrebte Haltung zum Tod in ihn einwilligt, sich nicht festhalten, sondern preisgeben will, der verwirklicht damit die Liebe"". Das Sterben kann seiner Furchtbarkeit, d. h. Verlassenheit beraubt werden, indem von anderen Menschen her Liebe erfahren wird"'. Kann Jüngel immerhin noch von einer quasi inkarnatorischen Ebd., 87 Ebd., 9 1 . 9 2 f . l 0 6 Ebd., 109 Ebd., 109 Ebd., 108: „Sinnlos ist es deshalb mit dem Tod Jesu geworden, anders von der Herrschaft Gottes zu reden, als indem man redet vom Anspruch und der Gegenwart der Liebe, die durch Jesus verkörpert wird"; „Die Liebe Gottes aber hat durch Jesus ihre Sprache erhalten und durch ihn ist sie ganz gelebt worden. Durch seinen Tod bleibt sie ausgerufen als der Anspruch und die H o f f n u n g über alles Leben" Ebd., 96: „ D a r u m soll man den Auferstandenen nicht anderswo suchen als da, wo er unter Menschen auf dieser Welt zu geschichdicher Wirkung gekommen ist... Er lebt mit allem, was seinen Dienst der Liebe weiterträgt. Er ist unter den Menschen, die ihm nachfolgen. " Vgl. ebd., 109: „Durch Jesus sind Gott und Liebe eins geworden, und so ist Gott fiir uns eingegangen in die Liebe, die Jesus verkündigt und gelebt hat" Ebd., 11 Of Ebd., 130.132 Ebd., 133: „Dass uns die letzte menschliche Gemeinschaft und damit das Erspüren von Liebe zerbrechen wird und wir hineingestossen werden in die absolute Verlassenheit, das ist die
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Präsenz G o t t e s i m Kreuzesgeschehen reden u n d a u f G o t t als Jenseits v e r w e i sen, so w e r d e n bei Leuenberger G o t t u n d M e n s c h e i n e m übergeordneten Liebesprinzip unterstellt bzw. in es u n d seine M a n i f e s t a t i o n integriert. D a s G o t tesverhältnis w i r d vollends in zwischenmenschliche Relationen ü b e r f ü h r t , w e i l n u r M e n s c h e n es sind, die die Liebe realisieren k ö n n e n , j e d e r andere, e t w a gottesdienstlich-pneumatische Begegnungsmodus w e g e n der m e t h o d i schen Prämissen aber ausgeschlossen bleibt"^. Es bleibt u n a u s g e f ü h r t u n d w e g e n des postulierten R a h m e n s der I m m a n e n z auch n i c h t v o n Interesse, w o r a u f g e h o f f t w i r d . Insofern enthält das sich wechselseitig auslegende Verhältnis v o n Liebe u n d H o f f n u n g keine den i m m a n e n t e n Zirkel, d e r sich u m Lebensvollzug u n d Sterbebegleitung dreht, transzendierende S p a n n u n g " ' .
III. Der Mensch zwischen Verheißung und Noch-nicht wahren Menschseins Q. Moltmann)
1. Exklusiv futurische Eschatologie durch Negation des pneumatischen Wirkens Gottes J ü r g e n M o l t m a n n verfolgt zwei A n l i e g e n in der Auseinandersetzung m i t v o r angegangenen theologischen E n t w ü r f e n : eine futurische, a u f die hiesige Z e i t bezogene, aber n i c h t heilsgeschichtliche Eschatologie u n d einen W e l t b e z u g o h n e Rekurs a u f vorgegebene S c h ö p f u n g s o r d n u n g e n . A b g e l e h n t w i r d ähnlich Erfahrung, welche alles Sterben zu dem furchtbaren Vorgang macht, weiches es ist"; „Wir vermögen dagegen nichts zu tun ausser dem einen, dass wir im Leben einander die Liebe bezeugen, die den andern begleitet bis an den Rand des Dunkels heran"; ebd., 134: „Dienst an den Sterbenden ist darum immer priesterlicher Dienst, ist Christus-Dienst in der Situation der umfassenden Ohnmacht. Aber dass er getan wird, das ist das äusserste Zeichen der Hoffnung, das wir auf der Welt aufzurichten vermögen. Darum kann Liebe den Sterbenden noch begleiten, wenn er der Welt und sich selber ins volle Dunkel hinein entgleiten muss" Dem entspricht, daß der Kirche die eher soziologische bzw. hermeneutische Aufgabe der „Trauerarbeit" zugedacht wird, nicht aber die Zueignung des Heils, die Sündenvergebung, die Todesüberwindung also statt der Todesbewältigung: ebd., 18 Zum Wechselverhältnis: ebd., 131: „In der Grunderfahrung von Liebe wurzelt darum auch die Hoffnung"; ebd., 132: „Hoffnung aber ist die Zuversicht, welche sich im Vergehen des eigenen Daseins offen hält für das, was die Liebe tut". Andeutungsweise kommt die angesprochene Spannung noch zum Ausdruck bei Mildenberger, Auferstehung, 572f, wenn er zwar angesichts neuzeitlicher Kritik eine Reduktion auf die subjektive Ebene betreibt, aber dieser nur eine proleptische Funktion zuspricht: „Wirklichkeit der aligemeinen Totenauferstehung kommt für den Glaubenden zum Vor-Schein im Widerfahrnis der Liebe Gottes in Jesus Christus ... als Ermöglichung von Liebe und Gottesliebe wie als Nächstenliebe"; andererseits kann er im Anschluß an E. Fuchs wie Leuenberger reden: ebd., 568: „Erfahrung von Liebe wird dann zur Erfahrung der Wirklichkeit von Auferstehung". In Anlehnung an G. Marcel erneuert Wohlgschaft, Hoffnung, 346, unter dem Vorzeichen der Liebe lentlich eine der alttestamentlichen Linien, die eine Unsterblichkeit des Einzelnen durch sein Weiterleben in Volk und Nachkommenschaft annahm: „Nur der kann leben, der Sein hat im anderen, der .aufgehoben' ist in der Liebe dessen, der noch steht, wenn er selbst schon gefallen ist" (Hervorhebung im Original)
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wie beim frühen Barth eine end- Ьглу. heiisgeschichtliche Vorgehensweise ohne historisch-kritische Prüfung, durch die alle eschatologischen Ereignisse auf das Ende der Tage verlagert und damit für die Gegenwart unwirksam gemacht würden"''. Dabei übersieht Moltmann, daß eine lebendige Parusieerwartung durchaus nicht mit einem Beiseitedrängen der Eschata verbunden sein muß, sondern sich in der Gegenwart im Wachen und Beten Ausdruck verschaffen kann. In Abgrenzung gegenüber dem frühen Barth soll die futurische Grundausrichtung nicht als Uberzeidichkeit bzw. Gleichunmittelbarkeit aller Zeiten zu Gott verstanden werden. Gegenüber dem späteren Barth soll der Indikativ der Gnade durch die Hoffnung bzw. Verheißung ersetzt werd e n " ' . Moltmann will einen statischen, vertikalen Gegensatz von Zeit und Ewigkeit vermeiden und ein Hineinwirken der Ewigkeit in die Zeit als Telos auf immanenter Ebene fordern, das eine Diastase zum jeweiligen Jetzt bewirkt. Nicht auf eine Epiphanie der transzendenten Sphäre, die präsentische Manifestation des Ewigen kommt es ihm an, sondern auf die Verheißung, ein Hoffnungswissen"®. Der Indikativ wird in das Voraus der Hoffnung aufgelöst; die Hoffnung hat den Primat gegenüber dem Glauben; sie nährt und stützt den Glauben"^. An die Stelle der gegenwärtigen Gottesrelation, in der das Heil manifest wird, tritt die Erwartung, die als Existenzweise das Leben gut macht'". Der Glaubende ist nicht in den hohen Mittag des Lebens gestellt, sondern in die Morgenröte eines neuen Tages'". Von der Schrift her wird man demgegenüber sozusagen nicht die Tageszeit, sondern den Wechsel von der Finsternis zum Licht, die soteriologische Zäsur als das entscheidende Kriterium herauszustellen haben (Joh. 8,12; 12,46; Eph. 5,6). Der Glaube ist bei Moltmann keine fides apprehensiva Christi mehr, nicht mehr Ort des objektiven Wirkens Gottes am Menschen. Eine pneumatisch vermittelte Zueignung des Heils findet nicht statt. Einen Ausfall der Pneumatologie bedeutet es, wenn Moltmann die promissio Gottes als Korrelat des Glaubens und die Zukunft des Verheißenen als Erscheinungsform der Offenbarungsreligion kennzeichnet^"®, aber die präsentische Wirlöamkeit des Wortes Gottes übersieht, durch die die Verheißung das zueignet, was sie enthält. Die „besseren Verheißungen" von Hebr. 8,6^°' meinen doch dort gerade im Christusgeschehen, im Kreuz erfüllte Verheißungen als objektive Begründung des Neuen Bundes. Ebenso kommt die Prädikation Gottes als eines „Gottes der HoffMoltmann, ThH, 43.62f.ll Vgl. T h H 50.184 T h H 34.69 T h H 15f.; vgl. ebd., 28: „spes quaerens inteliectum"; 30: „docta spes": jeweils in Ersetzung der fides in Anselms Formulierungen T h H 27 T h H 26 T h H 36.37; vgl. ebd., 26 T h H 29
Til
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nung"^"^ her vom Indikativ des Gerettet- und Reingemachtseins der Heiden und der damit gegebenen Möghchkeit des Essens unreiner Speise (Rom. 15,13). Gott hat keineswegs nur das Futurum als Seinsbeschaffenheit und ist nur vor, aber nicht an und über einem zu finden^"'. Vielmehr kann in der Schrift eine Rekapitulation des von Gott Getanen in Erwartung eines erneuten, analogen Handelns Gottes erfolgen (Dtn. 26,5ff.). Die Unveränderlichkeit des Wortes Gottes m u ß nicht mit einer durch es in Gang gesetzten Veränderung der Welt einhergehen, sondern kann gerade auf die Erhaltung, die Kontinuität inmitten der Veränderungen abzielen (Gen. 8,21 f.!). Die Unverfügbarkeit Gottes m u ß nicht über sein ständiges Voraus gesichert werden, sondern kommt in der protologischen Differenz zwischen Gott und Mensch ebenso zum Ausdruck wie in seinem Subjektsein im Handeln am Menschen. Der eschatologische Vorbehalt, der das gegenwärtige pneumatische Wirken Gottes auf die Zukunft, die Vollendung ausrichtet (Rom. 8,24; 2.Kor. 4,7; l , 2 1 f ; 5,5), ist etwas anderes als ein fortwährendes Noch-nicht. Die Reduktion auf die „Kategorie Novum"^"'' übersieht die Identitätsaussagen Gottes, die ein Umgreifen der Zeit durch die Vorgängigkeit und Unterschiedenheit Gottes gegenüber der Zeit und alles dessen, was in ihr als neu gelten kann, voraussetzen (Ex. 3,14; Ofifb. l,17f ; Hebr. 13,8)^''\ Während Luther die Erfüllung der Verheißung als sub cruce tectum, wider den Augenschein vorhandene bekennt, verwendet Moltmann die Verborgenheitsaussage auf der Ebene des Noch-nicht, des Impulsiven: in der Verheißung kündigt sich die verborgene Zukunft an und wirkt durch eine erweckte Hoffnung in die Gegenwart hinein^®^. Die Präsenz des Kommenden ist dann nicht eine unter Umständen gegen den Widerstand des Menschen gesetzte, zugeeignete Gegenwart, sondern nur in der Form je neuer Vergegenwärtigung bzw. je neu gesetzter Stimulation zu dessen Realisierung zu haben^®^. Die biblische Dialektik von Schon-jetzt und Noch-nicht wird zu einer Diastase alternativischer Möglichkeiten verzerrt, unter denen nur eine als genuin biblisch, die andere hingegen als hellenistisch ausgewiesen wird. D e m entspricht es, daß die Verbindung von Gott und Welt nicht als eine vorgängig-geschöpflich gesetzte, sondern als zukünftige, geschichtlich ange-
T h H 12 T h H 12.25 T h H 214.241 Später versucht Moltmann, die Gegenwartsseite durch einen Verweis auf die Ergangenheit der Verheißung zu integrieren und die Zukunft als adventus zu fassen (Antwort, 213f.220; vgl. T h H 26), aber damit bleibt die effektive, die Erfüllungsdimension der Verheißung, der Indikativ ihrer gegenwärtigen Umsetzung unausgesagt. Z u m Ansatz der Kritik vgl. auch Greshake, Auferstehung, 153 T h H 13 Moltmann kennzeichnet die Prolepse der Rettung aus dem ewigen Gericht in der Zeit als ein „kultisches ,Nur noch'" ( T h H 143) und lehnt dieses folgerichtig ab.
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strebte behauptet wird^"®. Die resultative Prädikation des ,^lles sehr gut" über der vollendeten Schöpfung wird zum teleologischen Horizont, zum Postulat, zum Handlungsmovens^"'. An die Stelle der Kontinuität der Schöpfungs- und Erhaltungsordnungen und des in sie einweisenden Gesetzes setzt Moltmann das Kontinuum der beständigen Diskontinuität, Veränderung, Variabilität^'". Der in Abgrenzung gegenüber Bultmann geforderte Weltbezug^" meint, so wird man zugespitzt formulieren müssen, nicht diese Welt, in der wir leben, sondern eine kommende, nie zuhandene und erreichte Welt, die sozusagen nur im Formalprinzip der Ethik, im Menschen in dessen Bindung an die Verheißung als Handlungsimpuls präsent ist.
2. Weg-Geschehen als Surrogat des Geisteswirkens a) Gottsein Gottes als Ziel-, nicht Ausgangspunkt Der teleologischen Gesamtausrichtung seines Entwurfes entspricht es, wenn Moltmann das Gottsein Gottes, die Theodizeefrage mit der Erreichung des angestrebten Zieles verknüpft und in Gottes Wesen die Weghaftigkeit, das Unterwegssein einzeichnet. Ein vorgängiges, in sich identisches Sein Gottes, ein von seinem Wirken unterschiedenes Wesen Gottes, eine immanente Trinità! lehnt Moltmann ab^'^. Der Geist Gottes darf nicht Gegenstand innertrinitarischer Reflexion sein, sondern muß in seinem geschichdich-eschatologischen Charakter als Geist der Totenauferweckung gesehen werden^". Gott begegnet im Modus des Prozesses, in dessen Verlauf er seine Eigendichkeit gewinnt. Er ist nicht ein „Theos epiphanes", der sukzessive sein schon vorher und ehedem bestehendes Wesen offenbart, sondern ein „Verheißungsgott", „der Gott des Exodus und der Auferstehung"^'"'. Gott ist nicht der, der sich irgendwo im Jenseits befindet, sondern der kommt^'^ Die Christustitel sind nicht prädikative Explikation einer immer schon vorhandenen Wirklichkeit, sondern greifen vor auf einen am Ende des Wirkungsweges Christi erreichten und durch ihn erreichten Tatbestand. In den Ostererscheinungen wird Christus als der wahrgenommen, der er sein wird^"'. Christi je gegenwärtiges Sein ist das des Herrn auf dem Wege, im quantitativen Zurückbleiben hinter dem. Vgl. T h H 82 T h H 196 T h H 56.57.80 (natürliche Theologie als theologia viatorum).278f.l2f. T h H 53.55.59f. T h H 47.49 Ebd.; vgl. ebd., 55 T h H 74.69; vgl. ebd., 127.141 T h H 149 T h H 75; vgl. ebd., 78: Offenbarung in den Erscheinungen „auf eine Wirklichkeit zu beziehen, die noch nicht da ist"
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was er sein wird, aber im Unterwegssein auf dieses Ziel hin^'^. Man könnte das vielleicht so formulieren: Gottes Wesen besteht in einem Dasein plus X Das Dasein in seinem jeweiligen Sosein bleibt hinter dem Vollgehalt des Wesens zurück und bedarf der Umsetzung des X als eines konstitutiven konditionalen Faktors, um die Differenz zur Wesensganzheit zu überbrücken. Dieses X füllt Moitmann mit dem Macht- und Herrschaftsanspruch Gottes und nimmt so den Weltbezug in Antithese zu einem gegenüber der Welt distinkten Sein als konstitutives Element in das Wesen Gottes hinein^". Die Gottesgerechtigkeit ist dann nicht eine zuzueignende Größe, eine Gerechtigkeit vor Gott durch die Gabe der Sündenvergebung. Sie ist nicht eine Verheißung, die das Verheißene in sich enthält und übergibt, sondern die es aus sich heraus- und in Gang setzt^". Nicht der Gabe-, sondern der Machtcharakter, die wirksame, impulsive Kraft der Gottesgerechtigkeit ist zu akzentuieren^^". Die Hoffnung hofft nicht personal, sondern sachlich auf Gott, wobei seine Sachlichkeit mit einer Zielgröße immanenter Strukturen gefüllt wird. Die Herrschaft Gottes wird nicht soteriologisch, sondern ethisch-zwischenmenschlich bestimmt - als Realisierung von Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen^^'. Die zäsurartig, gottesdienstlich-sakramental zugeeignete Versöhnung zwischen Gott und Mensch wird transponiert in eine prozeßartig-chiliastische Umsetzung zwischenmenschlicher Versöhnung, die ihren Impuls in der Chiffre des Reiches Gottes empfängt^^^. Das Reich Gottes ist eine innerweldiche, d. h. im Rahmen der Immanenz zu realisierende und nicht in der Transzendenz oder im Transzendenzbezug anzusiedelnde Größe, steht jedoch zur jeweiligen Gegenwartserscheinung der Welt in schroffer Antithese^^'. Ebd., 77: „Er offenbart sich als der Herr auf dem Wege zu seiner kommenden Herrschaft und insofern in Differenz zu dem, was er sein wird"; vgl. ebd., 184. Man muß fragen, ob nicht der volle christologische Status vorgegeben sein muß, um einen variierten dynamistischen Monarchianismus zu vermeiden, der dann allerdings nicht in der Taufe, sondern in der Parusie Christi den entscheidenden Einschnitt erkennen würde. Vgl. ThH 104 Vgl. ThH 1 8 7 ThH 188 ThH 107.203; 143: Parusie als irdische Machtergreifung ThH 178f.: „Jeder Doketismus in der Hoffnung, der die irdischen Verhältnisse oder die Leiblichkeit in ihrem Widerspruch verfallen läßt, sich auf Kirche, Kult oder gläubige Innerlichkeit reduziert, ist darum Leugnung des Kreuzes..."; ebd., 200f.: Reich Gottes: „die eschatologische Weite seiner Zukunft für alle Dinge ..., in die hinein die Sendung und die Liebe Christi den Hoffenden führen" Vgl. ThH 202: „Mit dieser Beachtung des Kreuzes und der Auferstehung Christi wird das ,Reich Gottes' nicht spiritualisiert und zu einer jenseitigen Größe, sondern wird diesseitig und wird zum Widerspruch und Gegensatz zu einer gottlosen und gottverlassenen Welt"; bezeichnend ist die ethische, d.h. die bleibende Sünde an immanent-strukturellen Sachverhalten statt am Gottesbezug festmachende Uminterpretation des reformatorischen „sub cruce tectum": ebd., 203: das Reich Gottes ist verborgen unter seinem Gegenteil: „seine Freiheit unter der Anfechtung, sein Glück unter dem Leiden, sein Recht unter der Rechtlosigkeit, seine Allmacht unter der Schwachheit, seine Herrlichkeit unter der Unkenntlichkeit"
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In der Realisierung der Herrschaft, d. h. des Wesens Gottes konvergieren göttliches und menschliches Tun. Das Wirken des Menschen wird nicht nur integriert, sondern es ist die Gestalt, der Erscheinungsmodus der göttlichen Aktivität. Die promissio Gottes begegnet als ethischer Imperativ, als missio der Gemeinde^^''. Dem Menschen kommt die Setzung des Indikativs der mit den soteriologischen Termini der Rechtfertigung und Versöhnung zu beschreibenden Wirklichkeit zu^^^ Die Antizipation des Kommenden durch den Menschen vertritt und ersetzt in der Gegenwart das heilschafFende und sich an nicht menschliche, sondern am Menschen wirkende Heilsmittel bindende Tun Gottes. Die Pneumatologie wird zur Beschreibung der motivationalen Innerlichkeit des Menschen reduziert. Der Geist Gottes ist nicht distinkt tätiges Subjekt, sonder sittliche Gesinnung des Menschen^^®. Der Geist stellt in den Weg der Verwirklichung des Reiches Gottes, aber er fuhrt nicht auf diesem Weg, er ist nicht das eigentlich tätige Subjekt^^^. Gott ist nicht der gegenüber dem Menschen ganz Andere, sondern der durch den Menschen „Ganz-Andernde"^^'. Das Gottsein Gottes ist erreicht erst mit der vollständigen Konformität zwischen Gott und Welt, d. h. mit der Überwindung der Diastase zwischen dem tatsächlichen und dem von Gott in seinem Herrschaftsanspruch intendierten Zustand der Welt. Da Gott kein von seinem Herrschen unterschiedenes Sein besitzt, wird seine Eigentlichkeit sozusagen durch ein Konvergieren mit der Welt erreicht. b) In Bewegung sein heißt gerecht sein Das in der Gegenwart wahrnehmbare Sein und Wirken Gottes besteht außer im verändernden Handeln des Menschen in der diesem vorgelagerten Verheißung. Der Blick zurück wendet sich zugleich nach vorne, weil er sich nicht auf T h H 2 0 5 : „Die promissio der universalen Zukunft ftihrt notwendig in die universale missio der Gemeinde an alle Völker" T h H 267: der Mensch „vermittelt die Dinge der kommenden, messianischen Versöhnung. D a r u m steht sein weltverändernder Gehorsam ebenso wie sein Erkennen und Bedenken der Welt im .Dienst der Versöhnung'"; „Er vermittelt das Seiende mit der universalen, zurechtbringenden Zukunft Gottes. So dient seine Vermittlung der Versöhnung der Welt mit G o t t " ; „Sein Verstand besteht darin, daß er mitleidend mit dem Elend des Seienden in die erlösende Zukunft des Seienden vorgreift und ihm so Versöhnung, Rechtfertigung und Bestand stiftet" T h H 81: „Sie [die Hoffnung] macht ihn bereit, den Schmerz der Liebe und Entäußerung in dem Geiste auf sich zu nehmen, der Jesus von den Toten auferweckte und der das Tote lebendig macht" (Hervorhebung vom Verfasser) Vgl. T h H 193: „Der Geist stellt den Menschen in die Tendenz dessen, was in der Auferstehung Jesu latent ist und was mit der Zukunft des Auferstandenen intendiert ist" 228 Ygi Moltmann, Revolution, 599. Demgegenüber m u ß auf das im Alten Testament bezeugte gegenwärtige Epiphanwerden des in sich transzendent bleibenden Gottes sowie das den Menschen begleitende Handeln Gottes hingewiesen werden: Wolke als Erscheinungsmodus der Herrlichkeit Gottes: Ex. 2 4 , 1 7 f ; 40,34; Wolken- und Feuersäule: Ex. 1 3 , 2 1 f ; dazu Greshake, Auferstehung, 154
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etwas bereits und bleibend Vorhandenes in der Welt richtet, sondern auf die Verheißung in ihrer Er-gangenheit, die die Gegenwart für die Zukunft öfFnet^^'. Die Offenbarung hat demnach nicht die Aufgabe der Analyse der vorhandenen Wirklichkeit, sondern den Charakter der Verheißung im Bezug auf eine noch nicht seiende Wirklichkeit^'". Möllmann wird den weisheitlichen und vielen prophetischen Texten des Alten Testamentes nicht gerecht, denen es durchaus um die Benennung empirisch beobachtbarer und sich wiederholender Vorgänge bzw. um die Aufdeckung einer nicht mehr revidierbaren Wirklichkeit (Am. 8,2!) geht. Die Verheißung erhält bei Moltmann den Charakter eines habituellen Reservoirs, das auf eine Explikation der aufgezeigen Möglichkeiten drängt. Sie ist eine dispositionelle Größe, insofern sie dem Handeln vorausliegt. Aber sie übereignet nicht wie die thomistische, naturhaft verstandene Gnade die nötige Krafi:. Während der natürliche und gnadenhafte Habitus bei T h o m a s dem Menschen als vorhandene und greifbare Fähigkeiten inhärieren, die nur noch Gestalt gewinnen müssen, geht es Moltmann u m die Aufdeckung noch nicht realisierter Möglichkeiten und die Einweisung in ihren Vollzug. Die Zukunft ist in der Gegenwart sozusagen nur in der Gestalt des Imperativs und des Potentialis' präsent, aber nicht in der eines zu wenig sichtbar gemachten und ausgestalteten Indikativs^^'. Das quantifizierende Grundschema des Gegenübers positiver potentieller Strukturen und der Möglichkeit und Notwendigkeit ihrer Umsetzung bleibt aber erhalten^^^. Diese Strukturen werden nicht protologisch, sondern teleologisch begründet. Sie sind letztlich nur vorhanden in der Verheißung bzw. im Akt ihrer Umsetzung und Realisierung durch den Menschen. Sie sind grundsätzlich variabel und überholbar, weil sie stets hinter dem Verheißenen zurückbleiben. Insofern eröffnet die Verheißung einen Spielraum von Geschichte, von neuen Handlungsmöglichkeiten, die stets im Widerspruch zur vorhandenen Wirklichkeit stehen, selbst dort, wo es bereits zur - provisorischen - Realisierung der potentiellen Strukturen kommt^^'. Als notwendig gilt das Mögliche, das stets in dem Vorhandenen und gegen es aufzudecken ist, nicht das Unabänderliche^34_
T h H 78 T h H 75 T h H 76: „Vielmehr entsteht ,das MögUche' und damit ,das Zukünftige' durchaus aus dem Verheißungswort Gottes und geht damit über das Real-Mögliche oder Real-Unmögliche hinaus. Sie erleuchtet nicht eine Zukunft, die irgendwie immer schon der Wirklichkeit inhärent ist" T h H 29: „Sie [die christliche Hoffnung] ist vielmehr selber aufgerufen und ermächtigt zur schöpferischen Veränderung der Wirklichkeit, denn sie hat H o f f n u n g für die ganze Wirklichkeit" T h H 76: „sie [die Verheißung] eröffnet vielmehr im Widerspruch zur vorhandenen Wirklichkeit ihren eigenen Prozeß um die Zukunft Christi zur Welt und zum Menschen" T h H 21
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Die Wirklichkeit wird in ihrer Potentialität, die Weit als die gesehen, die sie der Verheißung zufolge sein wird und darum sein soll. Die Eschatologie sagt einer bestimmten geschichtlichen Wirklichkeit ihre Zukunftsmöglichkeit und -mächtigkeit an^^'. Die Welt wie der Mensch befinden sich in einem Fragment- und Experimentierzustand, im Status beständiger Variation und nie voll ausgeschöpfter Potentialität^''^. Die Welt ist „ein offener Prozeß", „ein riesiger Behälter voll Zukunft"^'^. Die Entwicklung wird ebenso wie in derAußlärungsphilosophie und in der platonischen Tradition hypostasiert und tritt, wenn auch jetzt teleologisch statt protologisch begründet, an die Stelle der pneumatischen Vermittlung und Setzung. Dem Prozeß der Gottwerdung Gottes entspricht eine damit verwobene Entwicklung des Zusichselbstkommens und Eigentlichwerdens des Menschen^'®. Die Transzendierung der menschlichen Existenz geschieht nicht so, daß sie vertikal über den Bereich des Empirischen herausgehoben würde, sei es substanzhaft oder verbal-relational, sondern horizontal durch einen Überschuß an Möglichkeiten über den hier und jetzt erreichten Zustand hinaus. Die Verheißung bindet den Menschen an die Zukunft, eröffnet sie ihm und weist ihn in deren Aktivierung und Realisierung ein^^'. Die Externität der Coram-Deo-Relation wird ersetzt durch ein Voraus auf der Coram-mundo-Ebene, hinter der Gott allenfalls in der Gestalt der Verheißung als impulsiver Untergrund präsent ist. Das Hier und Jetzt wird durch die zugemuteten, für den jeweiligen Zustand unmöglichen Möglichkeiten überboten^'"'. Nicht auf den qualitativen Stand vor dem Gerichtsforum Gottes, auf das, was der Mensch war oder ist, kommt es an, sondern auf die quantitativen Seinsmöglichkeiten, darauf, was der Mensch sein wird^"". Der Mensch lebt sozusagen nicht von der Sündenvergebung bzw. unter der Aufdeckung seiner Schuld, sondern von seiner Zukunftsoffenheit und zukunftsorientierten Tätigkeit^·*^. Der Mensch ist auf etwas hin unterwegs, zu einem zukünftigen „totum" hin, d. h. daß der Totalaspekt an das Ende eines durch die partiale Dimension der Rechtfertigung dominierten Lebens гигг^·*'. Die Hoffnung hält den Menschen in statu viatoris, der Glaube macht unruhig, ungeduldig und bewirkt ein „cor inquietum" im Menschen^'*''. Das sichere T h H 13 ^^ Vgl. T h H 20 T h H 266 T h H 80 T h H 92 Vgl. T h H 2 6 3 »> Vgl. T h H 2 6 3 T h H 263: der Mensch als „ein ,nichtfestgestelltes Wesen' ..., daß er nämlich zukunftsoffen fur neue, verheißene Seinsmöglichkeiten ist" T h H 2 6 4 . 2 6 6 ; 2 6 5 : „die natura hominis ergibt sich erst von der forma fiiturae vitae her" T h H 17.78.178. Zum Bewegungscharakter des Glaubens: T h H 16: „Glauben heißt, die Grenzen in vorgreifender Hoffnung überschreiten, die durch die Auferweckung des Gekreuzigten durchbrochen sind"
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Fundament der fremden Gerechtigkeit Christi wird hier eingetauscht in ein erschrocken bleibendes Gewissen. Das von Augustin zur Kennzeichnung seines vorchristlichen Zustandes, des alten Menschen herangezogene „cor inquietum" wird zum Prädikat des Christen erklärt. Nicht das Sündersein vor Gott, sondern das Defizit auf dem horizontalen Weg, das Verborgensein des Möglichen und noch nicht Realisierten, das Sein als „homo absconditus"^''^ ist die Negativqualifikation des Menschen. Die kontingent zugeeignete Rechtfertigung der Gotdosen wird zum universalen, imperativischen Akt der Berufiing umgemünzt. Der Akt des Unterwegsseins ist im Gegenüber zum sündhaften Defizit und im Abbau desselben die Gerechtigkeit^''^. Das Heilshandeln Gottes wird eingeebnet in das strukturreformerische Tun des Menschen. Zwar kann auch Barth einen ethischen Imperativ in das Evangelium integrieren, aber das Evangelium macht als christologisches Perfektum das menschliche Tun nur zu einem analogen Nachvollzug und Zeugnis des bereits Feststehenden. Moltmann positioniert und bewertet das menschliche Wirken innerhalb des Hegeischen dialektischen Dreischritts, dessen Anwendung hier erlaubt sei, anders. Während bei Barth die Antithese zur Welt der Gnade vorausgeht und dann nur noch im Rückblick auszusagen ist, steht bei Moltmann die These der Verheißung als der hier relevanten Gestalt der Präsenz Gottes am Anfang, worauf das antithetische Tun nun nur des Menschen als dominierendes Prädikat der Gegenwart folgt. Das menschliche Wirken ist hier mehr als ein analog-signifikatives, nämlich ein produktiv-effektives. Die Synthese steht am Ende des in sich bruchlosen, aber gegenüber der jeweiligen Zuständlichkeit je neu einen Bruch vollziehenden Entwicklung. In ihr konvergieren Gottsein Gottes, Menschsein des Menschen und Weltsein der Welt in quasi reziproker Konformität^"*^. Weil an die Stelle des simul peccator die DefizitDimension des Noch-nicht gesetzt wird, kann eine das Kontinuum des Sichbewegens begrenzende oder abbrechende Diskontinuität vermieden werden. Eine die Dialektik von Sünder- und Gerechtsein aufhebende Zäsur, etwa der Tod, der andererseits ein externes pneumatisches Kontinuum gegenüberstünde, entfällt mit der forensisch-qualitativen Ebene insgesamt^'". Wenn die Sünde rein aktual-privativ am Rückstand bzw. Vorankommen des in Gang gesetzT h H 81 ThH 264: „Die Berufung durch das Evangelium ist hier identisch mit der Rechtfertigung der Gottlosen und mit der Aufrichtung des Glaubensgehorsams unter allen Menschen" Zur Terminologie vgl. ThH 178: „Die Christusgemeinschaft, das neue Sein in Christus, zeigt sich als der Weg zur Menschwerdung des Menschen"; 80f : „So wird er mit sich selbst einstimmig ...": ebd., 80: „Er kommt zu ,sich selbst' ..." 2·" Bezeichnend ist die Auflistung folgender Synonymbegriffe dafür, was „Sünde" heißt; T h H 18: „in der Schwäche, im Kleinglauben, in der Ermüdung, das nicht sein zu wollen, was Gott einem zumutet"; „Nicht das Böse, das er tut, sondern das Gute, das er unterläf?t, nicht seine Untaten, sondern seine Versäumnisse klagen ihn an"
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ten Prozesses der Umsetzung der Verheißung gemessen wird, bedarf es auch keines das grundsätzliche Sündersein des Menschen aufdeckenden Gesetzes Gottes mehr. Die Gebote gelten wie alles in den Entwicklungsgang Integrierte als variabep·". Sie überfuhren nicht von Schuld, sondern forcieren in utilitaristisch-teleologischer Weise den jeweiligen Stand und Gang der Entwicklung.
3. Auferstehung als universaler Veränderungsprozeß Der Tod erscheint Moltmann ebenso wie die Sünde als revidierbares, innerweltlich begründetes Übel. Er ist nicht wie bei Jüngel ein zu akzeptierendes natürliches Faktum, sondern ein zu bekämpfendes Defizit in der Erbringung des geforderten bzw. ermöglichten Verhaltens. Moltmann beschreibt ihn als Hoffnungslosigkeit bzw. Gottverlassenheit^'". Zwar weist Moltmann ebenso wie Jüngel dem Menschen den entscheidenden Part in der Auseinandersetzung mit dem Tod zu, aber anders als bei diesem findet dieses Wirken nicht auf der Ebene des Bewußtseins statt, so daß der Tod an sich davon nicht tangiert wird, sondern der Tod selbst wird direkt angegangen. Der Tod gilt als unerfüllte Gegenwart, mit der man sich von der Verheißung und ihrer Diastase zur vorfmdlichen Wirklichkeit her nicht abfinden darF^'. Moltmann vermeidet eine spezifisch theologische Qualifizierung des Todes und konkretisiert ihn als tödliche Struktur, wie sie aus negativen zwischenmenschlichen, d. h. ethischen Verhaltensweisen entsteht. So wird der Tod auf eine Ebene gerückt mit Erniedrigung und Beleidigung^" oder wird als sich in das Leben zum Tod treibenden Regulationssystemen manifestierend gesehen^". Der Tod ist dann nicht eine Straffolge einer grundsätzlichen und unüberholbaren Zielverfehlung, sondern eine defizitäre und je neu zurückzudrängende Gestalt des Lebens. Die im Raum stehende Verheißung, die Hoffnung deckt die Insuffizienz und Intolerabilität der gegenwärtigen Zustände auf und wird zu dem Potential, aus dem der Mensch als tätig Hoffender schöpft. Die Hoffnung auf ein „novum ultimum", die Verheißung enthält stets einen Überschuß über die jeweils gegenwärtige Wirklichkeit hinaus und macht so alle Wirklichkeit zu einer unzureichenden, vergänglichen, überholbaren^'"'. Die Hoffnung führt in das Leiden an der Unterworfenheit aller Dinge unter das Nichtige und nötigt ^^ T h H 110 T h H 27: „Darum wird es heißen, daß ohne Hoffnung zu leben, wie nicht mehr zu leben ist"; vgl. ebd., 192 T h H 14.17.91.195 T h H 17: Auferstehung Christi: „auch der Widerspruch Gottes gegen das Leiden und Sterben, gegen die Erniedrigung und Beleidigung, gegen die Bosheit des Bösen" ™ Moltmann, Kreuz, 306.307f. (Teufelskreis der Armut, Gewalt, rassischer und kultureller Entfremdung, Naturzerstörung, Sinnlosigkeit) T h H 78; vgl. ebd., 150: „vergänglich wird ihr [der Hoffnung] gerade das, was nach allgemeinem Eindruck immer ist und was alles Leben ins Vergehen stürzt; nämlich der Tod und das Böse. Vergänglich wird der Tod in der verheißenen Auferstehung"; vgl. ebd., 28.119
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den Hoffenden, sich der den Mächten des Nichtigen unterworfenen Erde anzunehmen^". Die Erklärung des Todes und die Hoffnung gegen den Tod verbleiben ebenso wie die Transzendierung der menschlichen Existenz auf der horizontalen Ebene. Das Jenseits über dem Grab befindet sich auf Erden in der durch die Menschheit heraufgeführten geschichtlichen Zukunft^^''. Die Verheißung richtet nach vorne, nicht nach oben aus^'^. Das Erhoffte sprengt nicht die Grenzen des Irdischen, weist vielmehr in sie und die Überwindung der provisorischen Defizite ein. Der geschundenen Menschheit ist ein Erdreich verheißen, die Zukunft ist eine innerirdische und -geschichtliche^^®. Die der Kantschen ICritik verhafteten bzw. diese radikalisierenden methodischen Prämissen lassen weder einen konstitutionellen, von unten her geschehenden noch einen pneumatischen, von Gott her sich ereignenden Zugang zum Jenseits zu. Der Seelenbegriff erscheint so angesichts des auf die Immanenz gerichteten Veränderungspostulats als Relikt vorkritischen Denkens oder als Indiz eines strafwürdigen Fluchtverhaltens^^'. Von daher ist deutlich, daß die Auferstehung nur als eine graduelle, weil sich in einer auf immanente Grenzen eingeengt vollziehenden Veränderung begegnen kann. Die Auferstehung ereignet sich als „creatio ex nihilo"; Gott ist der Schöpfer aus dem Nichts^"'", aber das Nichts meint nicht den schlechthinnigen Gegensatz von menschlicher Ohnmacht und Gottes Allmacht und Gottes Wirksamkeit, sondern einen notwendigen Schritt der menschlichen Realisierung des Reiches Gottes im Rahmen der Hegeischen Dialektik. Die Destruktion ist ein notwendiger Untergrund bzw. Vollzugsmodus der Konstruktion. Weil die Kontinuität nur durch die zu ständigem Aufbruch antreibende Verheißung, nicht aber durch die auch setzend wirkende pneumatische Tätigkeit Gottes gegeben ist, kann auf der Seite des Geschöpflichen kein je neu gesetztes Kontinuum, sondern nur die Notwendigkeit der Diskontinuität ausgesagt werden. T h H 203.204 T h H 16 T h H 107: „Gotteserkenntnis ist ... eine Erkenntnis, die nach vorne sieht - nicht nach oben - in noch Unabgegoltenes, noch Ausstehendes hinein"; „Sie transzendiert die Wirklichkeit nicht in ein unwirkliches Reich der Träume, sondern nach vorne in die Zukunft einer neuen Wirklichkeit" T h H 16 (gegen Mt. 5,3.10!).28: „nicht länger so von den kleinen ... Veränderungen ... dadurch distanzieren, daß sie diese in ein anderes Reich verweist, ihre eigene Zukunft aber für überirdisch und rein geistlicher Natur hält" M a n beachte die ironischen Äußerungen Moltmanns über die Seele: T h H 16: „In dieser H o f f n u n g schwebt die Seele nicht aus dem Jammertal in einen imaginären Himmel der Seligen und löst sich auch nicht von der Erde"; T h H 6 0 (wenn die Welt als ein Mechanismus statt als Gegenstand der Eschatologie betrachtet wird): „Damit verschwimmt die H o f f n u n g zur H o f f nung der einsamen Seele im Gefängnis einer versteinerten Welt und wird zum Ausdruck gnostischer Erlösungssehnsucht". Zur Berufung auf Kant: T h H 6 2 f 7 0 . 7 2 ^^ T h H 2 6 . 2 0 1 . 2 1 6 . 2 7 8
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Die Auferstehung Christi ist bei Moltmann nicht der bereits errungene Sieg über Sünde und Tod, der kontingent zugeeignet wird und als solcher unter dem eschatologischen Vorbehalt der bis zum Tod bleibenden Dialektik des simul peccator steht. Vielmehr ist sie der Anfang und Ursprung der prozeßhaften .Auferstehung des universalen Karfreitags", d. h. der Gottverlassenheit, also mangelnden Gottkonformität der Welt^'''. Bei der Auferstehung Jesu geht es nicht um die Erlangung einer ins Jenseits erhöhten Position, sondern um die Proklamation der kommenden innerweltlichen Herrschaft Christi^'^^. Christus ist nicht als der Erstling auferstanden (l.Kor. 15,20.23), sondern seine Auferstehung figuriert als Verheißung, als Programm, als Chiffre eines die Welt in sich integrierenden Christusprozesses^". Seine Auferstehung setzt nicht eine als Urftmdament des Glaubens zu bekennende Wirklichkeit (l.Kor. 15,3ff.), sondern verbürgt nur die Verheißung einer kommenden Realität bzw. ist verbale Affirmation und Unterstützung der auf dorthin ausgerichteten Bewegung^". Der Auferstandene begegnet als der Lebendige - ebenso wie der Mensch allgemein - , sofern er sich in Bewegung auf sein Ziel hin befindet^^^ Die Auferstehung Christi ist sozusagen nicht Mitte der Zeit, ein pneumatisch zugeeignetes Perfektum des Heilswirkens Gottes, auch nicht wie bei Pannenberg Prolepse des Endes der Geschichte, sondern Präludium und zugleich Modus eines Prozesses, der erst in seiner Gesamtheit das mit ,Auferstehung" Gemeinte aussagt. In diesem Prozeß konvergieren die Auferstehung Christi und der Menschen, der Weg zur Gottwerdung Gottes und Menschwerdung des Menschen. Die Auferstehung Christi wird als Verheißung zum Protest Gottes gegen das Leiden in der Welt^^ und damit zum Programm, zur Tendenzangabe für das umsetzende Handeln des Menschen^^^. Das έφάπαξ T h H 192 T h H 77.16: „Sie [die Hoffnung] erkennt in der Auferstehung Christi nicht die Ewigkeit des Himmels, sondern die Zukunft eben der Erde, auf der sein Kreuz steht" T h H 73: „nicht nur ..., daß ... die Glaubenden wie er Auferstehung finden werden, sondern ... daß er die Auferstehung und das Leben selber sei, und daß folglich die Glaubenden ihre Zukunft in ihm finden und nicht nur ^ er finden" (Hervorhebungen im Original); ebd., 172: „In diesem Sinne ist das Geschehen der Auferweckung Christi von den Toten ein Geschehen, das nur im m o d u s der Verheißung verstanden wird. Es hat seine Zeit noch vor sich, wird als .geschichtliches Phänomen' nur in seiner Bezogenheit auf seine Zukunft begriffen und vermittelt dem Erkennenden eine Zukunft, in die er geschichtlich gehen muß"; ebd., 178: „Die Auferstehung Christi ist promissio inquieta so lange, bis sie Ruhe findet in der Auferstehung der Toten und einer Totalität des neuen Seins" T h H 78: Offenbarung Christi „noch nicht erschienen, aber in seiner Auferstehung verheißen: und verbürgt, ja mit seiner Auferstehung als folgenotwendig gesetzt"; vgl. ebd., 182.183 T h H 77 T h H 17 T h H 177: christliche Eschatologie: „Tendenzkunde der Auferstehung und Zukunft Christi und geht darum unmittelbar in das praktische Wissen der Sendung über". Zwar grenzt sich Moltmann, T h H , 196, gegen die Annahme einer unmittelbar produktiven Aktivität des Menschen ab, aber das Fehlen einer ein distinktes Geisteswirken annehmenden Pneumatologie und
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des Heilsgeschehens (Hehr. 9,12; 10,10) wird in eine permanente Iteration, verbunden mit der Blochschtn Ontologie des Noch-nicht, überfuhrt. Die Auferstehungswirldichkeit ist nicht eigentlich ein Handeln Gottes am Menschen, Vollendung der individuellen Gemeinschaft zwischen Christ und Christus, weil Gott selbst von der noch ausstehenden vollen Realisierung der Auferstehung tangiert ist. Die Auferstehungswirklichkeit ist nicht ein vertikal-qualitativer Akt am Menschen, sondern ein innerweltlich-evolutives Geschehen, quasi ein strukturelles Gegenprogramm mit spiegelverkehrter, antithetischer Ausrichtung gegenüber dieser Welt, in dessen Realisierung der Mensch als unverzichtbares Subjekt einbezogen ist^^®. Möllmann nimmt eine ethisch-strukturelle Füllung des Auferstehungsbegriffs vor. Der neue Mensch wird geboren, wo Gerechtigkeit schöpferisch wird, wo gegen das Leiden und seine strukturelle Verursachung vorgegangen wird^^'. Liebe und Gehorsam gelten als Saat auf die Zukunft leiblicher Auferstehung^''''. Die Achillesverse dieses Entwurfes wie einer jeden politischen Theologie liegt darin, daß an die Stelle der Sündenvergebung die allmähliche strukturelle Veränderung tritt, deren Ende der Einzelne nicht erlebt. Moltmann vermittelt den jungen und dynamischen Menschen mit seinem Veränderungspathos das Gefühl, den Triumph des Guten über das Böse in der eigenen Hand zu haben und durch die Umsetzung des eigenen revolutionären Schaffensdranges mit herbeifuhren zu können. Die proklamierte Hoffnung erweist sich für die Alten, Kranken, Sterbenden aber als trügerisch und leer, weil wie bei Магхпш die abstrakte Größe der Gattung Mensch, nicht aber das Individuum an der Auferstehung partizipiert. Die Erlösung des einzelnen Menschen bleibt im Fragmentarischen stecken und vermag nichts gegen ein Verlorengehen des Menschen als Person im Gang der Geschichte auszurichten. Die Gottesherrschaft, das Reich Gottes wird zu einem unpersönlichen Konvolut veränderter Strukturen eingeebnet, in deren Rahmen der Einzelne - bei Luther der Mensch coram Deo - zu einem zu vernachlässigenden und auswechselbaren Bestandteil des Kollektivs verkommt^^'. die Verdiesseitigung des Götdichen lassen fragen, wie anders als durch den Menschen sich das Heilshandeln Gottes vollziehen soll. ^^ Die Auferstehung meint und enthält stets einen Überschuß über das Vorhandene hinaus; T h H 206: „Dann tritt heraus, daß diese Welt die Auferstehung und die aus der Auferstehung geschaffene neue Welt, nicht tragen kann" Moltmann, Kreuz, l 6 5 f : der hermeneutische Ort ftir das Verständnis des Auferstehungsglaubens: „Frage nach Gerechtigkeit in der Leidensgeschichte der Welt"; „Erst wo Gerechtigkeit schöpferisch wird und Rechtlosen wie Ungerechten Recht schafft, erst wo schöpferische Liebe das Häßliche und Hassenswerte verändert, erst wo der neue Mensch geboren wird, der weder unterdrückt ist noch unterdrückt, kann man von der wahren Revolution der Gerechtigkeit und von Gottes Gerechtigkeit sprechen" T h H 194 Der Grund hierftir liegt in der Reduktion der Wirklichkeit auf die Immanenz, die Zeit und ihre Geschichte. Die Auferstehung Jesu gilt dann „als Beginn des Endes der Geschichte
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4. Ansatz zur Korrektur: Reich Gottes in der Seele, nicht gegen sie (A. v. Harnack) Adolf von Harnack ( 1 8 5 1 - 1 9 3 0 ) betreibt wie Moltmann eine Reduktion der Wirklichkeit und christlicher Aussagen auf die Immanenz. Dies geschieht bei ihm jedoch nicht mit dem Anspruch, den Vollgehalt der biblischen Texte wiederzugeben, und nicht so, daß bei Wahrung der Terminologie deren an außerbiblischen Quellen orientierte Neuinterpretation vorgenommen wird. Sondern das genuin Christliche, das „Wesen des Christentums" erblickt er in dem gegenüber dem Wandel der Zeiten beständigen Kern, in dem historischen Kontinuum^^^. Harnack sieht das christliche Spezifikum nicht in einer gegenüber der Zeit antithetischen Größe, sondern in einem neutralen Kern, der sich mit wechselnden, zeitkonformen Schalen umgibt^^'. Das sich durch Einfachheit auszeichnende „Evangelium im Evangelium"^^"* besteht in einem seiner futurischen, universalen, äußerlichen Dimension entkleideten ReichGottes-BegrifF^^ Wie Moltmann lehnt Harnack eine soteriologische Füllung des Reiches Gottes ab, eine Orientierung am äußeren Kultus und technischreligiösen Übungen^''^. Die koinzidierenden Begriffe „Reich Gottes", „Gott als Vater", „unendlicher Wert der Menschenseele" haben ihre gemeinsame Mitte und Ausrichtung in der praktizierten besseren Gerechtigkeit^^. In der Übung der Nächstenliebe und Barmherzigkeit wird „die eigendiche Bethätigung der Religion erkannt"^^®.
mitten in der Geschichte" (Moltmann, Kreuz, 149). Eine Ablehnung des Seelen- und Unsterblichkeitsbegrifís, allerdings nicht ganz unter Preisgabe einer individuellen HofiFnung, aus politischen Gründen findet sich auch bei K. Barth, KD 111/2,467. Thielicke, Tod, 74, erkennt noch unmittelbar unter dem Eindruck des Krieges Parallelen zwischen sozialistischem und nationalsozialistischem Gedankengut, etwa im propagierten und stattgefundenen Kollektiv-Tod des Kollektiv-Menschen, bei der die Seele in kollektivistischer Entselbstung verdampft. Er urteilt über Moltmanns Entwurf so (EG, 3, 506), daß das in das Schema marxistischer Heilserwartung, in das ständige Noch-nicht und das Zukunftspathos eingezeichnete christliche Kerygma letztlich vom Marxismus resorbiert wird und, so wird man ergänzen müssen, an dessen unüberwindbaren, weil systemimmanenten Schwachpunkten teilhat. Man wird ähnlich wie Greshake, Auferstehung, 160£, vom Versuch eines theologischen Überbaus des marxistischen Denksystems sprechen müssen. Joest, Dogmatik, Bd.2, 6 2 6 f , formuliert seine Anfrage an die Theologie der Befreiung so: „Dem steht aber gegenüber, daß dann eine Teilhabe derer, die vor der Verwirklichung dieses Zieles gestorben sind und noch sterben werden, an dem so verstandenen Reich Gottes unvorstellbar wird - die Toten bleiben zurück auf dem Schlachtfeld der Geschichte. Kann die Hoffnung der Christen sie da liegen lassen?" Harnack, Wesen, 4.6.7.9 Vgl. Harnack, Wesen, 8 "" Ebd., 9.44 Ebd., 34f Ebd., 45 Ebd., 49 Ebd., 48
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Aber die ethische Ausrichtung meint nicht eine an universalen Veränderungen interessierte politische Praxis. Das Reich Gottes wendet sich nicht gegen den Einzelnen oder geht über ihn hinweg, wie es in der Konsequenz des Moltmannschen Ansatzes zu sagen wäre, sondern kommt zu den Einzelnen, hält Einzug in der Seele, ist „etwas Innerliches", „eine stille, mächtige Gotteskraft in dem Herzen"^^'. Es geht nicht so sehr um äußere Veränderung als um innere Gesinnung^®". Sein Wirkmodus ist ein inwendiger, weil es primär an der Relation zu Gott und nicht zu weldichen Strukturen festgemacht wird, wobei Gott allerdings nicht als Erlöser in Christus, sondern nur als Schöpfer und Gesetzgeber ausgewiesen wird^®'. Im Anschluß an Albrecht R i t s c h ^ sieht Harnack keinen Gegensatz zwischen dem Reich Gottes und den vorgegebenen Ordnungen und Berufsständen. Die Welt wird nicht in einem anzustrebenden Voraus, sondern in ihrem geschöpflichen Hier und Jetzt positiv beurteilt und in ihrer Funktion als vorgängiger Rahmen des chrisdichen Lebens erkannt^®'. Nicht auf die Beziehung des Reiches Gottes auf das Universum, sondern auf das Verhältnis des menschlichen Individuums zum Reich Gottes kommt es an^®"*. Harnack pocht auf den Wert des Individuums, das im Seelenbegriff seinen Anhaltspunkt findet^®^. Die Seele ist der konkrete Ort der Manifestation des Reiches Gottes. Letzteres meint eine protologisch, mit der Geschöpflichkeit mitgegebene und nicht erst geschichtlich begründete und zudem sitdich geEbd., 35.34.36 Ebd., 48.65.71 Wesen, 39: Reich Gottes: „Natur einer geistigen Größe, einer Macht, die in das Innere eingesenkt wird und nur von dem Innern zu erfassen ist"; „inwendig in euch"; ebd., 40: „etwas Überweltliches..., eine Gabe von Oben, nicht ein Produkt des natürlichen Lebens"; „ein rein religiöses Gut"; „der innere Zusammenschluß mit dem lebendigen Gott"; zu Gott ebd., 33: „er [Jesus] hatte nur ein Gebot von ihm und darum kannte er ihn [Gott]" (Hervorhebung im Original); ebd., 91: „Nicht der Sohn, sondern allein der Vater gehört in das Evangelium, wie es Jesus verkündigt hat, hinein". Man beachte die besondere Akzentuierung des ersten Artikels (Vorsehung) in dem Geftige ebd., 44: „In dem Gefüge: Gott der Vater, die Vorsehung, die Kindschaft, der unendliche Wert der Menschenseele, spricht sich das ganze Evangelium aus". Ein christologischer Bezug des Reiches Gottes besteht nur insofern, als Jesus ein besonderes Exemplar, ein Vorbild in der Realisierung des mit „Reich Gottes" gemeinten Ethos darstellt: Harnack, Reich Gottes, 389: „Einer, unser Herr, hat uns ein solches Leben vorgelebt, und in diesem Sinne war und ist Er selbst für uns das Reich Gottes" Bei Ritsehl konvergieren die sitdiche Arbeit am und für das evolutiv, als menschliches Produkt verstandene Reich Gottes und der Vollzug der weldichen Berufsarbeit; vgl. ders., Unterricht: § 5/S. 15; § 7/S. 16; § 19/S. 24f.; § 28/S. 30; § 32/S. 32; § 43/S. 39; § 49/S. 43; § 56/ S. 49 Harnack, Wesen, 51.53.56; vgl. ebd., 74: „Das Evangelium liegt über den Fragen der irdischen Entwicklungen; es kümmert sich nicht um die Dinge, sondern um die Seelen der Menschen" Ebd., 72 Von einem unendlichen Wert der Seele als des Subjekts der religiösen Besrimmung zur gotteinigen Persönlichkeit spricht z. B. auch Ernst Troeltsch, Glaubenslehre, 280.281.282.295
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füllte Beziehung zwischen Gott und Mensch, die „Gotteskindschaft"^®'^. Durch die Lokalisierung des Reiches Gottes in der Seele wird die Seele als präsentisch-immanentes Aufnahmegefäß des Ewigen, Transzendenten unendlich aufgewertet. Das Sittliche wird aus dem Ewigen geschöpft. Das ewige Leben begegnet mitten in der Zeit. Die Gotteskindschaft besteht im Besitz ewiger, weil sittlicher Güter^®^. Damit verbleibt Harnack jedoch in den Bahnen einer rein präsentischen, protologisch begründeten Eschatologie, wie sie von Schleiermacher vorgetragen wurde. Durch die ethische Interpretation des Reiches Gottes^®® wird es zu einem interiorisierten Reich der Welt eingeebnet. Der Glaube wird durch die Liebe ersetzt, die Beziehung zu Gott horizontalisiert. Zwar ist der primär personale, individuelle Charakter der Transzendierung des Empirischen richtig erkannt, aber der dadurch erzielte Gewinn bleibt nur von relativem Wert, wenn nicht die biblisch fundierte soteriologische, den Tod überwindende Dimension des Reiches Gottes, des Gottesverhältnisses Berücksichtigung findet. Das Reich Gottes wendet sich - so wird man von der Schrift her sagen müssen - deswegen nicht gegen die Seele, sondern hat seinen Ort in ihr, weil es als quasi vertikale Größe auf die Horizontale auftrifft und nicht nur ein Zielpunkt immanenter Strukturen ist, die in ihrer Bewegtheit die Annahme eines horizontalen Fixpunktes oder Pols der Gottesrelation nicht zulassen.
Harnack, Wesen, 36: „das Wort Gottes, Er selbst ist das Reich, und nicht um Engel und Teufel, nicht um Throne und Fürstentümer handelt es sich, sondern um Gott und die Seele, um die Seele und ihren Gott" (vgl. ebd., 90); ebd., 33: „er verkündet den lebendigen Gott und den Adel der Seele"; ebd., 42: „dieses Gebet [Vaterunser] fuhrt aus Allem heraus und auf jene Höhe, auf der die Seele mit ihrem Gott allein ist"; ebd., 42: Evangelium als „Gotteskindschaft, ausgedehnt über das ganze Leben, ein innerer Zusammenschluß mit Gottes Willen und Gottes Reich ...". Zur protologischen Vorgängigkeit der Gottesrelation: ebd., 43: Jesus „ruft jeder armen Seele, Er ruft Allen, die Menschenantlitz tragen, zu: Ihr seid Kinder des lebendigen Gottes ...". Zur Wertschätzung der Individualität: ebd., 44.64.71 („Jesus hat immer nur den einzelnen im Auge und die stetige Gesinnung des Herzens in der Liebe") Wesen, 5 . 2 9 . 4 0 . 4 2 . 4 5 . 9 1 Zwar spricht er der Terminologie nach von einer Gottesrelation, ebnet diese aber auf das Postulat bzw. die Affirmation sittlichen Verhaltens ein: Wesen, 49: Reich Gottes als der „Schatz, den die Seele an dem ewigen und barmherzigen Gott besitzt"; ders., Reich Gottes, 388: „das Reich Gottes ist zunächst und vor allem in dem festen, gottinnigen Menschen, in allen denen, deren Herz Er entzündet hat"; Wesen, 74: „... deine eigentliche Aufgabe bleibt immer dieselbe; es gibt nur ein Verhältnis und eine Gesinnung fiir dich, die unverbrüchlich bleiben sollen und der gegenüber die anderen nur wechselnde Hüllen und Aufzüge sind: ein Kind Gottes und Bürger seines Reiches zu sein und Liebe zu üben"
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IV. Der Mensch unter Radikalität der Sünde und Externität der postmortalen Fortexistenz neuere lutherische Entwürfe
1. Die Irreversibilität des Sünderseins des Menschen (W Eiert) a) Ganztod als Gerichtsvollzug Werner Eiert kann scheinbar wie Heidegger von einer teleologischen Grundstruktur des Lebens auf den Tod zu reden,davon, daß der Tod der Potentialis sei, den jeder Augenblick in sich trägt^®'. Er sieht auch in der Zeitgebundenheit des Menschen und der Tatsache, daß auch die Tiere sterben, Indizien für die Annahme einer Natürlichkeit des Todes^'". Aber das irdische Leben wird zum Todesweg unter dem Gesetz Gottes^'4 In der Todesrichtung vollzieht sich ein Gericht Gottes^'^. Die natürliche Erklärungsebene wird relativiert durch den streng christozentrischen Ausgangspunkt. Die Theologie muß wie alles auch den Tod von Gott her verstehen, d. h. von der Wirklichkeit des Gerichtsforums und Gerichtsvollzugs Gottes her^'^. Das menschliche Proprium liegt nicht in bestimmten geschöpflichen Möglichkeiten und Fähigkeiten, sondern im Gottesverhältnis, d. h. im stets und vorgängig schon durch den Menschen verwirkten Gottesverhältnis^'''. Das menschliche Leben ist wesenhaft durch den Tatbestand der Schuld gekennzeichnet. Nicht die Gnade - wie bei Barth - , sondern - schriftgemäß (Röm. 3,9ff. 23) - die Sünde ist das apriorische, universale Faktum. Dabei geht es nicht nur wie im Zivilrecht um ein Defizit, um eine Unterlassung einer geforderten Handlung, ein Schuldiggebliebensein, sondern um ein aktives und aggressives Tun, um den personalen Widersatz gegen Gott^'^. Alle menschlichen Versuche zur Überwindung dieses Tatbestandes scheitern an dem bleibenden Sündersein ihres Subjekts^'®. Sünde und Gerechtigkeit sind nicht mehr alternative Optionen, sondern alles menschliche Tun ist durch den Charakter seines Täters total korrumpiert. Die
Eiert, CG 503.504 CG 508.509; CE 224 CG 504 CG 510 Vgl. CE 223; CG 503.504.515 Dies begründet Eiert mit der im Unterschied zu den Ήeren vom Menschen auszusagenden Schuldfahigkeit und tatsächlichen Schuld: CE 225 CE 221 ^^ CE 221. Von römisch-katholischer Seite her wird die Berücksichtigung gradueller Unterschiede in der Sündhaftigkeit bzw. Gerechtigkeit des Menschen vermißt und die Herleitung des Todes von einem vindikativen Eingreifen Gottes her moniert: so Wohlgschaft, Hoffnung, 132f.
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Totalität und Radikalität des Tatbestandes des Sünderseins wird forciert durch das judikative, den Menschen verurteilende und noch tiefer in die Schuld hineintreibende und ihn darauf fesdegende Handeln Gottes^'^. Eiert stellt in massiver Weise den usus theologicus legis heraus: „Zweck des göttlichen Gesetzes" ist es, den Menschen „gerade dadurch, daß es ihn fiir total schuldig erklärt, auch seiner totalen Verlorenheit zu überfuhren"^'®. Das Gesetz und die damit verbundene Gerichtsverfallenheit, die radikale Konfrontation mit dem Richtergott steht als ein unentrinnbares Verhängnis über dem Leben des Menschen^". Der Tod ist nicht mechanische Folge der Sünde, sondern eine durch eine Verurteilung von Gott her beschlossene Strafhandlung Gottes am Menschen^"®. Die Gesetzesübertretung wird bestraft „durch den Totalverlust der Existenz", „durch das Nichtmehrsein"'"'. Dieser Ganztod ist nicht privativ bzw. nihilistisch als Verlust aller Beziehungen und Übergang in ein Vakuum zu verstehen, sondern als aktiver und zugleich negativer Vollzug des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch, als aktives Wirken Gottes am bzw. gegen den Menschen^"^. Die Koinzidenz des natürlichen und des Gerichtstodes ist, anders als etwa Jüngel es annimmt, ein nicht revidierbares Faktum. Eiert läßt zwar einen natürlichen Untergrund des Todes bestehen, wenn er nicht den Tod an sich, sondern den Tod des Sünders als der Sünde Sold erklärt'®'. Aber das Menschsein kann nicht vom Sündersein getrennt werden. Die unvermeidbare, weil vorgängige und doch zurechenbare sündhafte Qualifikation von Leben und Tod entsprechen einander'"''. Anders ausgedrückt: der Gerichtstod ist bleibender, nicht alternativer Modus des natürlichen Todes, weil das Sündersein bleibender, nicht alternativer Modus der menschlichen Existenz ist. Der Gerichtstod als menschliches Spezifikum ist Folge des stets schon verfehlten personalen Verhältnisses zu Gott als des primären Propriums des Menschen. Auch der Christ stirbt, weil er weiterhin alter Mensch, Feind Gottes im Kampf mit dem neuen Menschen bleibt"".
CE 221 CE 223 ^^ CG 131 ^ CE 223 CE 223 Vgl. auch CE 224.225 CE 225 ^ CE 225: „Die Frage, wie es sich mit dem Tod des Menschen verhält, der kein Sünder ist, braucht uns nicht zu beschweren, weil es diesen Menschen nicht gibt" (Hervorhebung im Original); ebd.: „Der qualifizierte Tod des Sünders ist die Folge des qualifizierten Lebens des Sünders" CG 516
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b) Forensisch-relationale Kontinuität ohne menschliches Relat Der Tod ist der „Zerstorer"^*"^. Er führt nicht einen Untergang herbei, dem automatisch ein neuer Anfang folgt^®^. Der leibliche Tod läßt kein Bleiben eines verdünnten Restes irdischer Lebendigkeit zu, sondern bewirkt den endgültigen und vollständigen Verlust der irdischen Existenz^"®. Der Mensch stirbt total'®'. Eine problematische Konsequenz der an sich richtigen Akzentuierung der forensischen Dimension ist es, wenn Eiert die postmortale Existenz des Menschen vollständig in das göttliche Externum verlagert. Es ist zwar richtig, daß die Erlösung keinen Habitus, keinen den Tod an sich überdauernden „character indelebilis" erzeugt^'". Aber muß jeder Gedanke an eine postmortale Kontinuität als hybrider Versuch des Sünders, sich gegen Gottes Handeln zu behaupten, gewertet werden'"? Das setzende Handeln, die pneumatische Tätigkeit Gottes, die auch im und jenseits des Todes ihr Gegenüber schafft, bleibt unberücksichtigt, wenn von uns nur das Urteil Gottes über uns bleibt, unsere Namen bei Gott aufgeschrieben und wir in das ewige Angedenken Gottes aufgenommen werden"^. Eiert definiert die Auferstehung folgerichtig als eine „creatio ex nihilo", bei der Gott nicht nur den aufweckenden Ruf ausstößt, sondern auch die Hörfähigkeit des Menschen schafft'". Zwar darf sicherlich die Hörfähigkeit des Menschen nicht konstitutionell, als eine vom Tod nicht tangierbare, bleibende Disposition gesehen werden, aber warum soll dem Gesetz nur eine resultative, verendgültigende und abbrechende und nicht auch eine quasi produktive, das beanspruchte Gegenüber durch das Aussprechen des Anspruches aktual setzende Wirkung zugesprochen werden? Das Verwirken des Anspruchs Gottes durch den Menschen hebt den Anspruch Gottes nicht auf. Das Gericht führt nach dem biblischen Zeugnis nicht in ein Nichtsein, sondern in die fortwährende Konfrontation mit dem heiligen Gott bzw. seinem Willen angesichts der eigenen Unheiligkeit und die damit einhergehende Qual""*. Im Hintergrund steht Elerts Neigung zur Betonung des Faktischen, Schicksalhaften bzw. die nur antithetische und exklusiv sukzessive Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium. Das Evangelium ist ein Glaube gegen das
C G 504 C G 524 "" C G 508 CE 225 CG 512 So C G 5 1 3 C G 513; vgl. ebd., 525.528: richtig, „daß er [der Tote] trotz des leiblichen Todes noch irgendwie oder irgendwo ,ist"'; „Er ,ist' im Urteil, im ewigen Angedenken Gottes, der ihn auch am Jüngsten Tage nicht vergessen wird" C G 524.525 Mt. 13,41f.49f.; Mt. 25,41.46; Offb. 20,11 f.; Ps. 139,7ff.
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Gesetz, gegen den Gott des Zorns an den Gott des Lebens^". Es darf keinerlei positive Verbindung von Gesetz und Evangelium, von Tod und Auferstehung, von Gericht und Rettung geben. Die Auferstehung, das Evangelium setzt einen neuen, positiven Tatbestand an die Stelle des alten. Beide Zustände stehen in einer radikalen Diastase zueinander, die durch den Gegensatz des gänzlichen Abbruchs und der totalen Neuschöpfung markiert ist. Für eine Seele, fur eine Kontinuität in der Diskontinuität bleibt hinsichtlich des Gegenstandes des göttlichen Handelns kein Raum. Gottes Tun wird letztlich - darin besteht der entscheidende Gegensatz zu Moltmann - auf seine forensische, analytische Seite beschränkt, auf die Feststellung, Beurteilung, Affirmation der Wirklichkeit statt einer damit einhergehenden Setzung derselben^'^.
c) Pneumatische Präsenz der Auferstehung als Sinnerfiillung menschlicher Existenz (W Künneth) Walter Künneth stellt im Anschluß an Heidegger den Tod als faktische Seinsbestimmung, den fragmentarischen Charakter des Daseins heraus''^, um dann jedoch den sinnentleerten, fragwürdigen Charakter desselben zu beton e n ' " . Das Psychische, d. h. die Gegebenheit und Möglichkeit der gefallenen Welt fuhrt nicht über die Sphäre der Zeitlichkeit hinaus; das Leben der immanenten Existenz wird als Scheinwirklichkeit entlarvt'". Damit es zur Sinnerfiillung kommt, muß das Sein zum Tode, die Gesetzmäßigkeit des Vergehens in ein Sein zum Leben überführt werden'^". Durch das Wirken des Geistes Gottes wird eine todüberlegene Wirklichkeit eröffnet. Die Auferstehungsbotschaft beinhaltet eine neue Existenzmöglichkeit'^'. Das Christuspneuma ist die Gegenwärtigkeit der neuen Zeitwirklichkeit, der Auferstehungswirklichkeit im Unterschied und Gegensatz zu der hiesigen'^^. Die Auferstehung Jesu als Grund und erster Vollzug der allgemeinen Totenauferstehung ist nicht eine von mehreren möglichen Konkretionen und Explikationen einer vorgegebenen, immanenten Größe. Die Auferstehung ist nicht einer Unsterblichkeitsund Lebensidee unterzuordnen, sondern ein nicht anderwärtig deduzierbarer Ausgangspunkt, von dem her das, was Unsterblichkeit ist, inhaltlich gefüllt wird - so wird man über Künneth hinausgehend sagen dürfen. Aus dem AufC G 504 D i e forensische Ebene bleibt aber unverzichtbar und ist auch das Primäre, weil nur durch sie eine Überfuhrung der Rechtfertigung in Entwicklungsprozesse vermieden werden kann. Anders als Moltmann bekennt sich Eiert zu der Dialektik von individueller und universaler H o f f n u n g bzw. präsentischem und futurischem Wirken Gottes: C G 498.500f. Künneth, Auferstehung, 220f.226 Auferstehung, 7 6 . 2 2 3 f 2 2 5 Auferstehung, 7 5 . 1 9 6 Auferstehung, 2 3 0 f Ebd., 231 Ebd., 196
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erstehungsfaktum darf nicht eine an das Faktum nicht notwendig gebundene Auferstehungsidee - als Fortfuhrung und Variation der allgemeinen Lebensidee — gefolgert werden^^^. Nicht ein übergeschichtliches Prinzip, das in geschichtlichen Konkreta manifest wird, sondern die heilgeschichtliche Faktizität ist der adäquate Aussagemodus der Auferstehung. Die Auferstehung ist ein heterogenes, fremdes, anstößiges, unanschauliches, metahistorisches, antirationales, kurzum: singuläres Ereignis^^''. Sie führt als unableitbares Perfektum, als Urdatum, als exklusiv analogieloses Geschehen den philosophischen Optimismus in die Krisis'^^. Sie ist nicht Bestätigung oder Fortfuhrung menschlich-immanenter Wünsche und Erfahrungen, sondern ein Angriff auf dieselben, auf die todverfallene Wirklichkeit^^'^. Die Auferstehungswirklichkeit wird nur durch eine theozentrische Betrachtung zugänglich'^^. Sie bewirkt ein „Leben aus Gott"^^®. Ihre radikal externe Begründung fuhrt sie in einen Gegensatz zu der als anthropozentrisch herausgestellten Seelen- und Unsterblichkeitsidee^^'. Die Auferstehung kann nur als Neuschöpfung, als „creatio ex nihilo" gedacht werden'^". Der Tod wird dementsprechend als Vollzug des zerstörenden Gerichtes Gottes über den Menschen, als Zerbrechen der ganzen Existenz desselben verstanden'^'. Künneth versäumt es ähnlich wie Eiert, von der Betonung der Auferstehung und der externen Begründung der postmortalen Existenz her bzw. unter Rückgriff auf die Pneumatologie eine neue Füllung des Seelen- und Unsterblichkeitsbegriffes vorzunehmen. Die Seele steht hier nur fiir den hybriden Versuch, eine natürliche Kontinuität über den Tod hinaus von unten her zu begründen. Demgegenüber kann der Tod nur als Abbruch der leibseelischen Wirklichkeit des Menschen gelten, wobei auch jede potentielle, in der Seele verankerte Brücke zerschlagen wird'^^. Das Jenseits darf nicht als Verlängerung des Seelentums des Diesseits gedacht werden'^'. Die in sich richtige Akzentuierung der theozentrischen Argumentations- und Wirklichkeitsbasis geht bei Künneth jedoch einher mit der falschen Konsequenz, eine irgendwiegeartete Benennung
Ebd.. 33f.36 Vgl. ebd., 19.29.39.59f.79 Ebd., 19.37.45.75 Vgl. ebd., 77 Ebd., 39.291 Ebd., 75 Ebd., 32 Ebd., 38.74.197.199 Ebd., 229. Daneben behauptet Künneth im Anschluß an E Althaus auch eine aufgrund des Glaubens erfahrbare positive Todesdimension, wobei nicht ganz deudich wird, ob diese tatsächlich wie bei Althaus Restitution einer geschöpflich angelegten Struktur ist oder erst durch die Partizipation an der Auferstehungswirklichkeit gewonnen wird: ebd., 229f Ebd., 38 Ebd., 32
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des menschlichen Kontinuums als des Gegenstandes des götdichen Wirkens zu verweigern^'·'.
2. Bleibende individuelle Verantwortung vor Gott (H. Thielicke) a) Personalität gegen Ich-Teilung Helmut Thielicke geht es darum, eine adäquate Zugangsweise zur Todesproblematik zu finden. Das Todesverständnis wird vom Gesamtverständnis der menschlichen Existenz getragen'^'. M i t seinem Dasein ist dem Menschen die Existenzanalyse, die Frage nach sich selbst und damit auch nach dem Tod mitgegeben^^''. Es k o m m t zu einer natürlichen Anthropologie, deren Insuffizienz, was die rein biologisch-naturwissenschaftliche Erklärung des Todes angeht''^, bzw. sündige Verfehltheit, was die Ausklammerung Gottes und der wesenhaften Gottesrelation des Menschen betrifft^'®, aufzuzeigen Thielicke bemüht ist. Nicht die Naturwissenschaft als solche ist das Problem, sondern der sündige Mensch, der sie zur Weltanschauung macht und die Wirklichkeit a u f empirisch-naturwissenschaftlich meßbare Daten reduziert'''. Kennzeichnend für das natürliche Selbstverständnis und den entsprechenden Daseinsvollzug ist das Gefühl der Sicherheit (securitas), der grenzenlosen eigenen Mächtigkeit und Fähigkeit'·*". D e r Tod, sofern er biblisch gesehen wird, bedeutet einen Angriff auf diese Sicherheitsillusion, sofern sie den Tod positiv zu instrumentalisieren und damit zu verharmlosen versteht'"". Die Sicherheit, letzdich eine verdrängte Angst, schlägt in offene Angst um, womit das Angewiesensein des Menschen auf einen ihm von außen her zukommenden, objektiv begründeten Frieden deutlich wird'^^. Der Tod darf wie das Leben nicht an sich, sondern m u ß von G o t t her betrachtet werden'"". In der theozentrischen Perspektive darf Hilfe nur von dem erwartet werden, der die Bedrängnis zugefügt hat; die Auslieferung an G o t t ist gefordert'"*"'. Thielicke sieht die natürliche Anthropologie sich in dem Unternehmen einer Ichteilung manifestieren, bei der der eigentliche Ichteil durch sein Aufgehen in einer überindividuellen Größe vom Tod unbetroffen bleibt, während ^^ Auferstehung, 2 9 2 : „Sofern die Auferstehungsleiblichlceit aber eine ,neue' ist, gibt es keinen Maßstab fur das, was in der Auferstehung eine Neuschöpfimg erfährt" Thielicke, Tod, 2 9 Ebd., 19.21.45 Thielicke, Tod, 90.126f. Vgl. ebd., 1 6 5 f l 7 0 Vgl. ebd., 1 4 f Ebd., 2 5 . 2 9 . 7 9 . 1 5 8 . 1 7 1 . 1 7 6 Vgl. ebd., 2 9 Ebd., 79.177f. Ebd., 164 Ebd., 1 5 9 . 1 6 1 . 1 9 0
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der uneigentliche Ichteil als individuell-konkreter, aber nur provisorischer, zwischenzeitlicher Träger der überindividuellen Sphäre dem Untergang anheimfällt''''. Dies kann sich auch wie bei Goethe in der Form einer fortwährenden Bewegung, eines „Immer strebenden Bemühens" äußern, bei dem die Einzelgestalten zwar jeweils Gleichnisse des Ganzen sind, aber nie ausreichende Träger und Inkarnationen des hintergründigen eigentlichen Lebens-Sinnes'''®. Das Individuum, das Besondere verschwindet bei Hegel hinter der Gattung, als Durchgangsstufe in der Selbstverwirklichung des Geistes'^^. Das Ich entzieht sich durch sein Aufgehen in die überpersönliche Größe der Konfrontation mit Gott wie auch der Bedrohung durch den Tod als einen ihn individuell treffenden'·*®. Der Mensch will durch sein Ausweichen vor Gott und die Reklamation göttlicher Prädikate für die überindividuelle Sphäre, an der er partizipiert, Gott seine Gottheit streitig machen'"". Der Mensch geht mit einer Konfrontation mit Gott auch einer solchen mit sich selbst aus dem Weg; er will nicht anerkennen, was er, was die Menschenexistenz ist"®. Dem hält Thielicke zwei Argumente entgegen, die beide auf die Verantwortung vor dem Gericht Gottes abheben. Der Mensch kann erstens nicht in ein Kollektiv fliehen und seine Schuld auf dieses übertragen oder in diesem verschwinden lassen. Vielmehr ist er ein zeitliches Wesen und seine einmal durchlaufene Zeitstrecke ist mit einmaligen Hypotheken, mit durch den Tod verendgültigter Schuld behaftet"'. Die Zeidichkeit ist, weil Raum for das sündhafte Tun des Menschen und aufgrund des auf alles in dieser Zeitstrecke Verrichtete einen Anspruch erhebenden bzw. darüber urteilenden Gottes, ein wesentliches Konstitutivum der Personhaftigkeit des Menschen. Weil die jeweilige Lebenszeit unrevidierbare Entscheidungszeit ist, wird das Individuum als solches ernstgenommen und zu mehr als einer provisorischen Zwischenstation des Überindividuellen'". Das Ich als Person ist die Summe seiner in der Zeit getroffenen und vor Gott zu verantwortenden Entscheidungen"'. Dem entspricht zweitens die Jemeinigkeit der Existenz und des Gerichtes Gottes. Die unumgängliche Verantwortung vor Gott isoliert von allem, mit dem man sich vertauschen könnte; man steht einsam, unentschuldbar und ohne Fluchtmöglichkeit vor Gott da"''. Der Mensch ist, weil von Gott namentlich angeredet, unvertretbar, einmalig und insofern Person, Individuum'". Das mensch^
Vgl. ebd., 29.37.44 Ebd., 47f. Ebd., 44 Ebd., 97 Ebd. 97 Ebd., 98 Ebd., 54f. Vgl. ebd., 85 Ebd., 168 Ebd., 62.74.75.121 Ebd., 6.38.41.95.99
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liehe Proprium besteht nicht in einer immanenten Qualität, sondern in der Qualifizierung, d. h. Beanspruchung von Gott her^^·^. Das Personsein wird an der Ansprechbarkeit von Gott her, an der Verantwortung vor Gott festgemacht357. In der Absicht, die Persönlichkeit des Menschen zu wahren, stellt Thielicke die Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen, das Aufgerufensein zur Entscheidung heraus, im Gegensatz zu einer Auffassung, daß der Mensch unpersönliche Wirkung einer fremden ersten Ursache (prima causa) sei'^'. Damit nähert sich Thielicke bedenklich einem substanzontologischen Personverständnis, das von dem Verbleiben gewisser Schöpfungsreste ausgeht. Eine fehlende Wahlfreiheit zum Guten aufgrund des Sünderseins, wie sie die lutherische Tradition lehrt, ist aber etwas anderes als eine naturgesetzliche, d. h. protologisch begründete Notwendigkeit. An dieser Stelle wird deutlich, daß Thielickes Grundschema einer Gegenüberstellung des Individuellen und Überindividuellen zu kurz greift. In der platonischen Tradition soll doch mit der Annahme einer Geistseele gerade die bleibende Individualität, die Möglichkeit der Rechenschaftsabgabe vor dem Gericht Gottes gegen ein materialistisches Versinken ins Nichts gesichert werden^^'. Es geht Piaton nicht so sehr um eine statische Verwandtschaft oder Identität der Geistseele mit der Ideenwelt als um den sittlichen Prozeß der zunehmenden Annäherung an die transzendente Sphäre. Weniger die Sicherung der Individualität, die vor allem gegenüber Spinoza und auch Moltmann berechtigt sein mag, als das Wie dieser Sicherung ist das Grundproblem. Die Alternative einer konstitutionellen oder relationalen Vorgehensweise scheint hier adäquater zu sein als die Antithese der Sicherung oder Preisgabe der Persönlichkeit. Der Weg-Gedanke bzw. allgemein die Annahme, durch die Entfaltung geschöpflicher Möglichkeiten in Loslösung von einem je aktuellen Wirken Gottes und menschliche Aktivität, sei sie asketisch, universal-strukturreformerisch oder ein Bewußtseinsakt, sich dem Ziel einer postmortalen Existenz zu nähern, einem Triumph über den Tod und der Nähe zu Gott, dürfte wohl die entscheidende Konkurrenz zu der biblischen Theozentrik scm. Das Subjekt, der tätige Verursacher der postmortalen Existenz muß Gott, nicht der Mensch sein. Das Aufgehen des Einzelnen in kollektiven Größen ist nur eine von mehreren denkbaren Varianten des an sich problematischen Versuchs, dieses Ziel durch menschliche Aktivität und natürliche Möglichkeiten zu erreichen.
Ebd., 116.180f. Ebd., 117 ™ Ebd, 118 ™ Gegen Thielicke, Tod, 31 f.
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b) Personales Todesverständnis als Ausfüllung des biologischen Rahmens Folge der Absicht Thielickes, den Dialog mit der Naturwissenschaft nicht abreißen zu lassen'®, ist die Annahme eines rein biologisch zu erklärenden Todes. Nicht das Daß, sondern das - allerdings irreversible — Was des Todes ist Folge der Sünde. Thielicke muß daher die in Gen. 2 - 3 begegnende und von der Orthodoxie - zu Recht - hervorgehobene sukzessive Beziehung von Sünde und Tod in eine simultane, je neu vollzogene umdeuten. Er vertritt sozusagen eine Identität von Aktual- und Originalsünde, d. h. ein, wenn auch notwendiges, je neues Hinübertreten in den gefallenen Zustand, nicht ein durch das Sündersein schon vorweg korrumpiertes Handeln innerhalb eines von der Sünde bestimmten Bereichs. Eine Reflexion über die Faktizität des Todes kann so zurücktreten hinter der Frage nach seinem Wesen'®'. Thielicke begründet die Neutralität des Todes an sich mit einem Hinweis auf das Verenden der außermenschlichen Kreatur, das er nicht in einen Zusammenhang mit der Sünde des Menschen stellen will"'^. Der Mensch stirbt zwar auch wegen der Eigengesetzlichkeit, d. h. der Verbrauchserscheinungen des biologischen Lebens, wegen seines Seins als Säugetier und seiner Erdverhaftung'®'. Aber Thielicke gesteht den biologischen Erklärungen des Todes keine eigenständige Bedeutung zu und deduziert nicht von dorther eine Ambivalenz und Dialektik in der Bewertung und Erscheinungsweise des Todes. Die äußerlich-biologische Betrachtung ist unzureichend; der biologische Tod ist nur der Rahmen, das Medium, innerhalb dessen sich der eigendiche Tod vollzieht'". Die theologische Bestimmung tritt aber nicht wie bei Barth und Jüngel als weitere, zusätzliche, unter Umständen veränderbare Dimension zur biologischen hinzu, sondern ist der exklusive Wesensgehalt des Todes, der die natürlich-biologische Ebene in sich integriert. Der Tod trifft den Menschen nicht, weil er ein Säugetier ist, sondern weil er in Personalunion dazu Person und zwar gegen Gott sich auflehnende Person ist - und dies ist das Eigendiche der menschlichen Existenz'®^ Andererseits ist mit dem biologischen Tod, der Erdverhaftung und konstitutionsbedingten Vergänglichkeit eine Explikation der protologischen Differenz zwischen Gott und Mensch und Einweisung in einen Ebd., 9.126f. Thielicke, Tod, 147: gegen Ableitung der gefallenen Welt von einer „prima causa"; „Jene Berichte wollen vielmehr unsere Lage beschreiben" (Hervorhebung im Original); ebd., 183: abgelehnt: „Ursache=Sünde des Menschen; Wirkung=biologischer Tod"; vgl. ebd., 123; ThE I, 457 Tod, 14.126.191.213.215 Ebd., 142.146 Ebd., 149: „daß sich im Medium des biologischen Sterbens ein personhafter, auf die Gott-Mensch-Beziehung deutender Akt vollzöge: nämlich die Begrenzung des Grenzenlosen"; ebd., 184: „Der Tod geht durch ,die Hand' des Bios, .kommt aber her von Gott'"; vgl. ebd., 190.191 Ebd., 145.146
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durch den Anspruch auf die Wahrung dieser Differenz eingegrenzten Bereich gegeben. Der theologisch verstandene Tod als Herbeiführen des Zurerdewerdens, als Zurückgeworfenwerden des Grenzenlosen in die Zone der Begrenzung fungiert dann als Bekräftigung und Bestätigung des mit dem biologischen Tod Intendierten'^. So erhält bereits der biologisch betrachtete Tod eine auf den Strafvollzug hinfuhrende, quasi prohibitive, theologische Funktion. Es geht in der Theologie nicht um eine Inhalts-, sondern eine Zielangabe des Lebens, nicht um das, woraus das Leben besteht - wie Essen, Trinken, Arbeiten, Schlafen - , sondern um das Wozu des Lebens'^^. Dementsprechend kann das Gegenteil des spezifisch menschlichen Todes nicht das biologische Leben, sondern nur das Leben aus Gott sein'^'. Wenn aber Leben und Tod ihren spezifischen Charakter durch den Rückbezug auf eine externe Größe, Gott, erhalten, kann das Leben nicht in sich als absoluter Wert und Ausgangspunkt gesehen werden, dem der Tod instrumental zu- und eingeordnet würde. Der Mensch darf nicht wie bei Nietzsche als Subjekt seinem Tod gegenüberstehen und ihn so einsetzen und benützen, daß er dem Leben nützt und es steigert, statt ihm zu schaden'®. Der Tod darf also nicht als Vollendung, d. h. als Fortführung und Ziel eines immanenten Lebensvorgangs und -inhalts gesehen werden, als Übergang und Vollzug der Aufhebung in einen höheren Wert wie Rasse oder Sippe, als „Punkt... hinter" einem „zeitlos geltenden, und eben darin .vollendeten' Satz"'^°. Der Tod ist nicht vom Leben her, als dessen Instrument, sondern das Leben vom Tod als einer über dem Leben stehenden und es bedrohenden Macht her zu bestimmen'^'. Der Tod ist nicht Wesenszug der Natur, sondern ein unnatürliches Geschehen'^^. Gegen alle Versuche, den Tod als Übergang in eine bessere Existenzweise zu instrumentalisieren oder ihn durch die Möglichkeit zur Flucht in die Personlosigkeit zu neutralisieren, stellt Thielicke den Ernst des Todes heraus. Der Tod muß dem Menschen sozusagen jede Fluchtmöglichkeit abschneiden, ihn vor Gott isolieren und ihn mit der eigenen Schuld unentrinnbar konfrontieren. Gerade dadurch, daß das Ich in seiner Verantwortlichkeit vor Gott ernstgenommen wird, wird der Tod als vom Menschen her unübersteigbare Grenze Vgl. ebd., 146.147 Ebd., 20 з«· Ebd., 13 Vgl. ebd., 3 4 - 3 6 Ebd., 67.68. M a n wird aus heutiger Sicht ergänzen müssen, daß vielen im Zuge vermeintlicher oder tatsächlicher atomarer oder ökologischer Bedrohung auch übergeordnete Größen wie die Gattung Mensch zu entschwinden scheinen und so die Überlebensfragen der Menschheit zum alles beherrschenden T h e m a der Theologie und des kirchlichen Lebens werden. Hierin wird man eine noch potenzierte Form der Flucht vor Gott und vor der Aussage seiner Verfügungsgewalt über die Schöpfung zu erblicken haben; dazu Preul, Überlebensprobleme, 2 - 1 8 Vgl. Thielicke, Tod, 37.66 Ebd., 2 6 . 1 0 5
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und Ofifenlegung der menschlichen Ohnmacht ernstgenommen^^'. Der Tod ist Erfahrungsort und Manifestationspunkt des Zornes Gottes über den Menschen als Person^^''. Nicht quantitativ-natürliche Kategorien wie unsere Kleinheit gegenüber Gott und damit gegebene Vergänglichkeit, sondern die qualitativ-soteriologische Ebene, unser Sündersein als Nichteingestehenwollen dieser íGeinheit ist der adäquate Zugangspunkt zur Erklärung des Todes^^'. Der Tod muß Abbruch, Untergang statt Ubergang, Ende als Verendgültigung des in seiner verfehlten Weise geführten Lebens sein, so daß das Leben als so und so gelebtes vor Gott als Richter bloßgelegt ist^^®. Das Was des Todes muß wie die Tiefendimension, die Eigentlichkeit des Lebens auf der Ebene des personalen Verhältnisses zu Gott gesucht werden. Der Tod muß dann als negativer Vollzug dieses Verhältnisses, als Gericht über den Menschen gesehen werden, der erst als von Gott beanspruchte Person dem Tod eine echte Beute bieten kann'^^. Die Ganzheit des Menschen wird angesichts der Totalität und Unbedingtheit der den Menschen beanspruchenden Forderung Gottes als eine verfallene deudich^^'. Die Schöpfung kann nicht von ihrem Gefallensein getrennt werden^^'. Die als ganze vom Fall gekennzeichnete Geschöpflichkeit des Menschen muß dementsprechend als ganze dem Gericht Gottes im Tod anheimfallen. Nur eine Totalveränderung^®" kann Abhilfe schaffen. Ein Licht scheint erst von der anderen Seite, nicht diesseits des Endes; die Auferstehung sprengt das Grab nur als ein vorher benutztes'®'. Der Betonung des Bruches, den der Tod vollzieht, korrespondiert die Akzentuierung der Exzentrizität der postmortalen Existenz. Die ψυχή, die der frühe Thielicke nur als adamitische, natürliche Lebendigkeit kennzeichnet, erlischt'®^. Die personhafte ζωή ist eine geschichriiche Größe; sie ist dem Ebd., 100: „Offenbar hängt also alles an diesem unauslöschlichen Selbst des Menschen, was den Tod und was auch die Sünde nach biblischer Sicht so ernst macht"; ebd., 43: „Das Problem des Todesernstes ist nichts anderes als das Problem des Ich-Ernstes, d.h. dessen, daß ich unvertretbar und auf mich festgenagelt... bin"; vgl. ebd., 42 Vgl. ebd., 138 Vgl. ebd., 140.141.143 Ebd., 42: der Tod vernichtet „wie ein Blitz den Menschen selbst..., ohne daß die Sippe ein Blitzableiter sein könnte" (Hervorhebung im Original); ebd., 43: „Vernichtung und nicht mehr Umformung"; ebd., 58: .Abbruch der Menschenexistenz"; vgl. ebd., 22.38.99. 113.133; ebd., 70: „Personhaftes Leben (,ich!') hört auf zu sein; das Einmalige versinkt" Ebd., 80: Thielicke wendet sich gegen eine Flucht in die „Personlosigkeit, der das Sterben nichts mehr anhaben kann (weil nämlich der Tod keine Beute mehr vorfindet und sein Opfer in das Kollektiv hinein verdampft ist)" Ebd., 94 Vgl. ebd., 65 Vgl. ebd., 95 Ebd., 58.1 OG („Erlösung allein gegeben in der Auferstehung der Toten, d.h. in der Wirklichkeit dessen, daß ich durch den Untergang hindurchgerissen werde von dem einen, den er in seinem Strudeln nicht zu ersticken vermochte"[Hervorhebung im Original]) Ebd., 189.190
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Menschen nicht als eine immanente und sich über den Tod hinaus durchhaltende Qualität zuhanden, nicht Eigenschaft des Menschen, sondern Gottes analog der uns zugesprochenen fremden Gerechtigkeit Christi^'^. Das Kontinuum durch den Tod hindurch ist die Geschichte Gottes mit uns, seine Treue, um derentwillen er die einmal begonnene Geschichte mit uns nicht abbrechen und unseren Namen nicht auslöschen läßt'®''. Das Interpretationsschema der Ichteilung verwehrt es, den SeelenbegrifF mit dem „Ich", das der Auferstehung harrt und Teilhaber an der Gemeinschaft mit Christus ist, zu verbinden, weil „Seele" dann nur Ausweis eines höheren, unpersönlichen Ichteils sein kann^". Thielicke lehnt zunächst eine terminologische Konkretion des tragenden Elements der Fortexistenz ab'®^ und wehrt sich zu Recht gegen die Annahme eines ontisch zu fassenden Etwas, das dem Handeln Gottes zugrundeliegt, stets schon da ist und an dem sich die Gemeinschaft mit Gott vollzieht^'^. Später kann Thielicke, ausgehend von der Begriffskombination „ψυχή ζώσα" (Gen. 2,7 LXX), den SeelenbegrifFin seiner rezeptiven bzw. auf Empfang und Entfaltung der ζωή als Bestimmung des Menschen angelegten Dimension positiv aufgreifen'". In Anlehnung an Luther füllt er den Seelenbegriff relational und hält ihn - in dieser veränderten Form berechtigterweise - für unverzichtbar, um die horizontale Seite des dialogischen Verhältnisses zu Gott zum Ausdruck zu bringen'". Dabei muß der externe Ausgangspunkt bei dem Wort Gottes erhalten bleiben''". Ebd., 186.193; vgl. T h E I , 347 Thielicke, Tod, 99.133.196; T h E I, 365.366 Thielicke, Tod, 220: „Das, was bei Christus ist, ist nicht meine .Seele' oder irgend etwas ,νοη' mir, sondern das bin ,ich', insofern ich Teilhaber an der Gemeinschaft mit Jesus Christus bin"; „Jesus meint in seiner Verheißung an den sterbenden Schacher sein ,Du', nicht seine .Seele'"; „Der Ton liegt also auch hier nicht auf .meinen' den Tod überdauernden Eigenschaften, sondern auf der Eigenschaft meines Herrn, mich nicht zu lassen"; ebd., 195: .ЛЬег ich versinke so in diesen Tod, daß ich wissen darf: ich kann ja nicht darin bleiben, ich bin ja von Gott bei meinem Namen gerufen und werde darum von neuem an Gottes Tag gerufen werden, ich bin ja in der Hut des Auferstandenen; ich bin nicht unsterblich, aber ich bin einer, der seiner Auferstehung harrt" Ebd., 221 T h E 1,348 EG, 3, 529: , ^ d a m s Lebendigkeit (psyché) ist insofern von der animalischen Lebendigkeit abgehoben, als in sie schon der Keim der zoé gelegt ist. als darum seine Bestimmung zur Sprache kommt" (Hervorhebung im Original); „sein lebendiges Ich das Gefäß .... in dem seine Bestimmung angelegt ist und in das hinein er die Vorgabe seiner zukünftigen zoé empfangt"; „sie [psyché] bezeichnet spezifisch menschliches, auf seine Bestimmung hin entworfenes Leben" EG. 3. 550: „.Seele', so könnte man in seinem Sinne vielleicht sagen, ist der Mensch in seinem Angesprochen-sein durch das Wort Gottes"; „.Seele' wäre dann der Inbegriff der Relation zu Gott, dieser Eingliederung in seine Geschichte mit uns"; „.Seele" wäre dann Chiffre für unsere Partnerschaft in dieser Geschichte. Sie bezeichnete den Pol ,Ich' in der Gemeinschaft mit dem ,Du' Gottes und bliebe so im Rahmen ihrer relationalen Bestimmung" Vgl. EG. 3. 546
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3. Exklusiv theologisches, jedoch dialektisches Todesverständnis (P. Althaus) a) Unsterblichkeit durch Tod als Gottesdienst Paul Althaus' Entwurf unterscheidet sich grundlegend von dem Thielickes in den Konsequenzen, die aus demselben Ausgangspunkt gezogen werden. Althaus lehnt ähnlich wie Thielicke eine kausale Ableitung der Aktualsünden aus der Personsünde bzw. eine historische Datierung des Falls ab und fordert die freie Tathaftigkeit als Charakteristikum aller unserer Akte^''. Auch ihm geht es darum, mit diesem Kunstgriff die Fragerichtung von der Ursache weg zum Sinn des menschlichen Todes zu verlagern^'^. Während Thielicke damit Freiraum zur Annahme einer neutralen natürlich-biologischen Rahmendimension des Todes gewinnt, die zu ihrer Eigentlichkeit der Ausfüllung durch die theologische Sinngebung bedarf, erhält bei Althaus die abgesehen von bzw. unter Nichtherleitung von der Sünde gültige Ebene eine eigenständige Bedeutung. Wird bei Thielicke auf einem neutralen naturwissenschaftlichen Hintergrund bzw. innerhalb eines so beschaffenen Rahmens nur das Bild des sündigen Menschen und des zornigen, ihn zur Rechenschaft ziehenden Gottes gemalt, so wird bei Althaus aus dem Rahmen oder Untergrund ein separates, in sich anders als das andere Bild theologisch qualifiziertes Gemälde. Aus dem dialektischen Ineinander von Schöpfung und Sünde wird ein vertikal differenzierendes Über- und damit Nebeneinander, das aus, in und hinter der faktisch der Sünde verfallenen Welt eine positive Wirklichkeitsdimension herauszuschälen versucht. In der Frage nach den Auswirkungen der Sünde auf die Gottesebenbildlichkeit lehnt Althaus sowohl ein quantifizierendes, nach Schöpfungsresten und damit Zuständlichkeiten suchendes Vorgehen ab als auch ein aktualistisches, das Nichtmehr- bzw. Niezuhandensein der Gottesebenbildlichkeit betonendes Verständnis. Die Personalität als eine Verfassung des Menschen, in der er bestimmt ist zur Gemeinschaft mit Gott, ist als schöpfiingsmäßige Bestimmung ganz erhalten, ihrer Erfüllung nach aber ganz verloren^''. Ein unverlierbares „datum" und nicht ein je neu gesetztes „dandum" ist die Bestimmung des Menschen fur Gott. Verloren hingegen ist die Freiheit für Gott, das Sein als Mensch Gottes^'^. TUthaus differenziert zwischen einem protologischen und soteriologischen Wirken des Geistes Gottes, zwischen „Ruachologie" und Pneumatologie. Gott knüpft an sein früheres, schöpferisches Tun an und Althaus, C W 362f.383; Kritik an Luther, der die Zerstörung der schöpfungsmäßigen Natur des Menschen durch den Fall annimmt: C W 338 Althaus, Tod, 915 C W 337.340.34lf. C W 342f.344
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bringt es zur Erfüllung''^. In Gottes richtendem Nein bleibt das Ja des Heilswillens erhalten''^ Der Anknüpfung Gottes an sein früheres Tun korrespondiert eine Doppelheit bzw. Stufenfolge seiner Offenbarung und damit ein Korrelationsverfahren zwischen Reflexion, Frage, Erfahrung des Menschen und klärender, ergänzender, korrigierender Antwort Gottes. Die Welt, die Zeit, das geschichtliche Leben wird zu einem gegenüber dem Wort Gottes selbständigen Modus, Ort, Instrument der Offenbarung und Vergegenwärtigung Gottes; sie erscheint sozusagen als leibhaft-gegenständliche, subjektive Kehrseite der geisthaften, objektiven Offenbarung''^. Mit der Ablehnung einer Reduktion der Gottesrelation auf eine ausschließlich positiv qualifizierte „Heilsgewißheit" ohne eine ihr vorausgehende und sie einbeziehende „Gottesgewißheit" versucht Althaus von der methodischen Alternative des Ansatzes bei der Zeit oder bei dem Wort bzw. dem geschichtlichen Handeln Gottes abzulenken. Dabei ist es doch keineswegs so, daß mit der Negation einer Schöpfungsoffenbarung nur das Evangelium als Offenbarungsinhalt übrigbleibt; im Gegenteil wird das Evangelium in der Dialektik zum Gesetz begegnen, aber zu einem nur unmittelbar und nicht über Zeiterfahrungen vermittelt von Gott abgeleiteten Gesetz''®. Für Althaus ist die Frage und Suche des Menschen nach sich selbst Ausdruck und Mittel dessen, daß Gott ihn fragt und sucht'''. In den Religionen ist dementsprechend nicht nur Sünde, sondern auch Wahrheit, Schöpfungsmäßiges zu finden"·"". So möchte Althaus auch im Bewußtsein entstehende, in der Erfahrung und nicht im Wort Gottes begründete Unsterblichkeitsgedanken und -sehnsüchte integrieren. Der Mensch erfährt den Existenzwiderspruch zwischen seinem Verfallensein an die Verwesung, seiner - von Althaus als selbstverständlich vorausgesetzten - Vergänglichkeit einerseits und teleologisch, durch eine Bestimmung charakterisierten Struktur andererseits und ahnt bzw. sehnt sich nach Unsterblichkeit""". Die philosophische Unsterblichkeitsfrage stellt sich weniger aufgrund der Beobachtung der Seelensubstanz — hier setzt die klassische römisch-katholische Vorschaltung des ersten Artikels an - , sondern wegen der apriorischen Transzendenzerfahrungen, in denen sich das Ich als sittliches oder religiöses Ich wahrnimmt'"'^. Mit der C W 345.346f. LD, 3.A., 193; CW 396
397 CW 37-97
LD, 2. Α., 30: „Die Gottesbeziehung und Gottesgemeinschaft sind zweierlei"; „Es ist unmöglich, die christliche Theologie auf die Soteriologie einzuschränken"; ebd., 28: „Nicht erst als Heilsgewißheit, sondern schon als Gottesgewißheit schafft der christliche Glaube eine auch das persönliche Leben betreffende Eschatologie" 399 CW
327
Althaus, Mensch, 389 Vgl. Aldiaus, Mensch, 388.389.390 Vgl. LD, 2. Α., 31; Mensch, 392
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Gottes- vor der Heilsgewißheit ist auch die Unsterblichkeitsgewißheit vor der des ewigen Lebens gegeben^"^. Nicht das Verlangen nach Leben überhaupt, sondern das selbstische Festhaltenwollen des natürlichen Lebens ist Sünde"*"^. Das apriorische Wissen um eine Bestimmung über die Wirklichkeit des jetzigen Daseins hinaus und durch den Tod hindurch'"'^ eröffnet den Weg zur Annahme einer positiven Todesdimension. Dabei geht es nicht um das Ergebnis biologischer Gesetzmäßigkeiten wie Verbrauch und Verzehr der Kräfte'"'^, sondern um eine Manifestation der auf Gott hin teleologisch ausgerichteten Grundstruktur der Schöpfimg in der Todeswirklichkeit. Der Tod wird ein Mittel zum positiven, aktiven Vollzug der Beziehung zu Gott, zu einem gottesdienstlichen Akt. Die Schöpfungsdimension ist nicht der theologischen vorgelagert, sondern wird selbst theologisch qualifiziert und zu einer vorgreifenden, untergründigen, in sich jedoch insufifizienten Erfüllung der von Gott her ergehenden Bestimmung über den Menschen'"'^. Der Tod wird nicht nur passiv als von Gott verhängtes Strafgericht bzw. als durch sein Heilshandeln zum Widerfahrnis der Gnade entschärft erlebt, sondern wir sind Gott als Menschen, nicht erst als Sünder, einen Tod schuldig'*"®. Da der Tod als Gnade zugleich Wiederaufnahme und Erfüllung der Schöpftingsdimension, der Berufung zum Opfer der Gottesliebe ist""", wird man sagen müssen, daß der neue Mensch, der Glaubende, nicht nur aufgrund seines bleibenden Sünderseins, auch nicht wegen einer konstitutionell angelegten Vergänglichkeit, sondern als neuer Mensch wie als Mensch überhaupt, aufgrund eines positiven Vollzugs des Verhältnisses zu Gott stirbt. Dem Menschen ist, unter der faktischen Sündengestalt der Welt verdeckt, ein aktiver Vollzug der Gottesrelation im Tod und so eine über das Bleiben der Gottesrelation vermittelte Unsterblichkeit möglich. Althaus tritt für den Erfüllungs- und Anknüpfungsgedanken gegen den Wiederherstellungsgedanken ein, d. h. für eine positiv-teleologische, nicht zuL D , 2. Α., 28f. L D , 4. Α., 103 Vgl. L D , 4. Α., 103 C W 4 1 0 ; L D , 3 . A . , 196 407 413. Sterben ermöglicht den vollkommenen Gottesdienst"; „ G o t t will ursprünglich des Menschen völlige Hingabe an ihn"; „Schöpfungssinn des Todes als Sterbens für G o t t " ; R ö m . 14,8: Schöpfungssinn, „daß wir Gott dem Herrn sterben dürfen"; „in williger Beugung unter das Sterbelos Gott als den preisen, der allein Unsterblichkeit hat"; ebd., 4 Ì 2 : „Sterben theologisch zu verstehen suchen, als Moment der Geschichte Gottes mit uns"; L D , 3. Α., 198: „Denn er [der Tod] erfüllt unser Verlangen, das eigene, unwerte Leben zu verlieren. Er ist auch uns der Befreier"; ebd., 199: „die Rede von ihm als Durchbruch in die Freiheit keine Oberflächlichkeit und seine Wertung als Ruf zum höchsten Gottesdienste keine Anmaßung"; L D , 4. Α., 84: „Wir dürfen Gott mit unserem Tode preisen"; ebd., 83: „ich, der alte Mensch, darf sterben. Wir müssen nicht nur sterben; wir dürfen sterben" « « L D , 4. Α.,84 L D , 4. Α., 84.85
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ständliche Sicht des abgesehen von der Sünde gehenden Seins'"". Ein Leben ohne Leid und Tod ist nicht der verlorene Anfang - im Sinne eines Nacheinanders von Schöpfung und gefallener Welt - , sondern das Ziel Gottes mit uns·"'. Demgegenüber wird man dem biblischen Text dahingehend zu folgen haben, daß mit der in Gen. 2,7 ausgesagten Zuwendung Gottes zum Menschen ursprünglich ein Gnadenverhältnis, fiir den Menschen quasi eine iustitia originalis gesetzt woirde. Damit war ein Gebot (Gen. 2,16f.) verbunden, dem es nicht um die Aufforderung zu einem positiven Vollzug und Aufbau des Gottesverhältnisses durch den Menschen ging, sondern um die Zurückweisung von einer Grenzüberschreitung, die aus dem Bereich des von Gott her vollzogenen und aufrechterhaltenen Verhältnisses zum Menschen heraustreten würde. Der Mensch begeht die Grenzüberschreitung, fällt aus der Gnade, so daß für ihn die Gnade gar nicht mehr und das Gebot nur noch als das die geschehene und weiterhin geschehende Grenzüberschreitung aufdeckendes Gesetz begegnet. Eine positive Beziehung zu Gott kann nur noch im Modus der Wiederherstellung des Gnadenverhältnisses von Gott her geschehen, nicht aber durch Aufnahme des Gebotes, da dieses nur noch in der Form des Gesetzes auf die Gnade hin (usus theologicus) bzw. als Einweisung in die Dankbarkeit von der wiedererlangten Gnade her (tertius usus legis in renatis) in Erscheinung tritt. Dies unterscheidet sich von Barths Ansatzpunkt insofern, als bei diesem die Gnade nicht eine ursprüngliche und wieder zu gewinnende, sondern schlechthin unverlierbare und post Christum universale, apriorische ist und das Gebot in den analogen Nachvollzug der Gnadenwirklichkeit einweist. Der Zusammenhang des ersten und zweiten bzw. dritten Artikels kann also nicht darin bestehen, daß die Schöpfung und die geschöpflichen Strukturen eine eigenständige Voraussetzung und ein ungebrochenes Kontinuum auf die Erlösung hin bilden, sei es in teleologisch-imperativischer Form wie bei Althaus, sei es in quantitativ-zuständlicher Weise wie in der römisch-katholischen Tradition. Es darf aber auch nicht wie bei Barth eine über Christus vermittelte Identität von geschaffener und erlöster Welt angenommen werden. Sondern der erste Artikel bleibt auf der Ebene der Coram-Deo-Relation die negative Voraussetzung des zweiten Artikels, insofern die gefallene Schöpfung Gegenstand des erlösenden Handelns Gottes ist, das Geschöpf als Gegenüber Gottes je neu gesetzt wird, zuerst durch die gnädige Zuwendung Gottes, dann durch das überführende und auf die Schuld festnagelnde Gesetz. Anders hingegen geht es auf der Coram-mundo-Ebene in der Tat um Konti-
Vgl. C W 4 1 9 Vgl. C W 4 1 8 ; ebd.: „Es geht also nicht an, den K a m p f und das Leid in der Welt allein von der Sünde herzuleiten, also .hamartiozenttisch' zu verstehen"; „Die Weltgestalt des Todes und des Leidens ist das Gesetz, unter das Gott, auch abgesehen von der Sünde, das menschliche Leben vorläufig stellt, um es zum Leben im Glauben, zum ewigen Leben zu bereiten"
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nuität ohne Wechselwirkung mit einem geschichtlichen Handeln Gottes, um die Erhaltung der Welt auf Erlösung hin, als äußerer Rahmen des erlösenden Wirkens Gottes, um die Eindämmung, nicht Überwindung der Sünde. Hier ist dann auch die Integration eines eigenständigen geschöpflichen Tuns - im Sinne des concursus divinus - möglich""^. Wenn Seele die von Gott sich gegenübergestellte Person ist""^, dem Menschen im Zuge der UrofFenbarungslehre aber eigenständige Möglichkeiten zum Vollzug des Gottesverhältnisses zugestanden werden, dieses also durch die Aktion des Menschen zustandekommt, dringt ein subjektivistischer Zug in die Wesensdefinition der Seele ein. Während bei Thielicke hinter dem Handeln Gottes die durch dieses gesetzte Horizontalseite zu verschwinden droht, also sozusagen die Gefäßseite dominiert, kommt bei Althaus der KehleDimension des Seeleseins eine gegenüber dem Gefäßcharakter selbständige Bedeutung zu. Richtig wäre die Simultaneität und Koninzidenz beider Seiten unter der primären Einwirkung Gottes'"''.
b) Unsterblichkeit durch Auferweckung Auf der anderen Seite grenzt sich Althaus deudich gegen den Idealismus ab und wahrt darin ein genuin lutherisches Erbe. Der Idealismus will den Triumph über den Tod aus eigenem Vermögen und eigener Tat unter Absehung von Gott erreichen. Die Selbstgewißheit ersetzt die Gewißheit um den Herrn; die Todesfurcht wird nicht aufgehoben, sondern verneint'"'. Die philosophischen Unsterblichkeitsgedanken müssen durch das Feuer der Schulderkenntnis vor Gott, der Konfrontation mit Gott als dem Richter und der Erkenntnis der eigenen Ohnmacht'"'^. Das Schöpfungsbild ist nicht unmittelbar zugänglich und darf nicht isoliert gesehen werden, sondern ist unter dem Sündenbild, unter dem Bild der gefallenen Schöpfung verborgen. Der Tod erhält daher neben der positiven vorrangig und unrevidierbar auch eine negative theologische Qualifikation. Er ist Unnatur, weil Gericht, Urteil Gottes über uns, Entmächtigung durch Gott, weil wir unsere Bestimmung faktisch nicht erfüllt haben'"^. Das Gericht begegnet als Ganztod, als vollständiger Zerbruch durch Gott, weil kein Teil des Menschen dem Nein Gottes entgehen kann'"®. Zu der empirischen Wirklichkeit der Institutionen; Peters, Mensch, 187fF. Vgl. Althaus, Mensch, 391 '"•' Pöhlmann, Problem, 252.255, unterstützt zwar Althaus' Beobachtung, daß Rom. 1 - 2 dem christomonistischen OfFenbarungsverständnis Barths nicht standhäh, bemerkt aber gegen Althaus zu Recht, daß die Ur-Ofifenbarung, an die die ChristusofFenbarung anknüpft, eine Zornesoffenbarung ist. Gemäß Rom. 1,2Iff. wird Gott zwar erkannt, aber gerade nicht anerkannt, sondern verkannt. Zur Uroffenbarungslehre auch: Grass, Theologie, 22Iff. LD, 4. Α., 86f.; vgl. LD, 3. Α., 200 Althaus, Mensch, 389.392; LD, 4. Α., 104 LD, 4. Α., 104; C W 4 l l . 4 1 4 f . Vgl. LD, 4. Α., SOf.
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Der Tod ist nicht das Ende des Gerichtes, sondern ein Moment desselben'*", d. h. auch: nicht Ende, sondern Ausdruck und Mittel des GottesverhäJtnisses. So eröffnet sich Althaus die Möglichkeit einer nichtnihilistischen Interpretation des Ganztodes. Der Tod ist zwar nicht nur eine Trennung von Leib und Seele, sondern auch der Tod der Seele, aber überftihrt doch nicht in einen Zustand des Nichtseins, weil trotz bzw. gerade im und durch den Tod hindurch die Unendlichkeit des Gottesverhältnisses bestehen bleibi"·^". Wir entfallen nicht dem Gericht Gottes, sondern nur uns selber; d. h. wir bleiben ein mit Gott konfrontiertes Gegenüber Gottes selbst in der Zerstörung durch Gott«'. Althaus unternimmt einen doppelten Neuansatz zur variierten Beibehaltung des Seelenbegriffs. Einerseits meint „Seele" nicht das empirische Seelentum, die psychische Wirklichkeit (vgl. l.Kor. 15,44), den äußeren Menschen, sondern den inwendigen, von Gott angeredeten bzw. von Christus ergriffenen Menschen (vgl. 2.Kor. Andererseits muß diese, über den Tod hinaus fortbestehende Größe gegen ein ontisch-dualistisches Mißverständnis abgesichert werden·*^'. Die Auffassung der Seele als eines immateriellen Teils des Menschen ist eine Verfälschung, d. h. irreführende Explikation des allgemein vorauszusetzenden Ahnens und Wissens um eine Bestimmung, eine teleologische Ausrichtung über den Tod hinaus''^''. Der Mensch steht nicht als Partner Gott gegenüber, sondern kommt von dem primären Handeln bzw. Reden Gottes her und steht unter Gott''^^ Der Mensch hat nicht Seele, sondern ist Seele, d. h. als ganzer Person vor Gott, an der Gott zu handeln nicht aufhört«·^. Aus dem Gesagten ergeben sich drei Schlußfolgerungen. Erstens hält sich Althaus an den biblischen Grundsatz der Kontinuität in der Diskontinuität. Die postmortale Existenz kann nicht so gedacht werden, daß der Mensch nur akzidentell oder gar nicht vom Tod berührt wird und sich aufgrund seines natürlichen Seinsbestandes durchhält, sondern als ein Leben aus dem Tod und
L D , 4. Α., 105 Vgl. L D , 4. Α., 107.109 Vgl. L D , 4. Α., 105 Mensch, 3 9 1 ; L D , 4. Α., 114 In diesem Sinne müssen die ablehnenden Äußerungen Althaus' hinsichdich des Seelenterminus' gesehen werden: L D , 4. Α., 109: „nicht... Unsterblichkeit der Seele, sondern ... Unaufhebbarkeit des personhaften Gottesverhältnisses"; „Nicht um die .Seele' geht es, sondern um die ,Person'" Vgl. C W 3 3 0 Vgl. C W 325: ,ЛЬег wenn der Mensch als Seele kein Ende hat, so ist das nicht in einem von G o t t unabhängigen metaphysischen Wesen der Seele begründet, sondern allein in dem Willen des Schöpfers, sie zu erhalten und darum zu lassen" Vgl. C W 331; der SeelenbegrifF kann den PersonbegrifF ersetzen, sofern der Gegensatz zu einer dualistisch vorgehenden Metaphysik beachtet bleibt: C W 331
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durch den Tod hindurch''^^. Der Tod als Manifestation radikaler Diskontinuität macht eine immanente Begründung der Kontinuität, d. h. der Unsterblichkeit, unmöglich. Das bleibende Ich muß vielmehr relational, vom aktuellen und wirksamen Gegenüberstand Gottes her gesetzt werden. Zweitens handelt Gott in doppelter Weise am Menschen, woraus sich ein zweifacher Endausgang des menschlichen Geschicks ergibt. Wir sind nur in abgeleiteter Weise unsterblich, weil Gottes Geist, der in und an uns wirkt, unsterblich ist"*^'. Neben dem pneumatischen Kontinuum und ihm vorgelagert bleibt der fordernde Anspruch Gottes, die Verantwortung vor Gott aufgrund der Verfehlung der vorgängigen Bestimmung''^'. Das Gesetz, die Gerichtsgewißheit bzw. bei Althaus besser: die Gottesgewißheit garantiert die Unsterblichkeit generell und in negativer Form'''". Die Fortfuhrung des begonnenen Heilswirkens Gottes ist bei einem Teil der Menschen eine zusätzliche Begründungsebene der Unsterblichkeit''^'. Drittens wird die auf philosophischem Wege zu erahnende Unsterblichkeit nur dann richtig präzisiert und konkretisiert, wenn sie durch das auferweckende Handeln Gottes vollzogen wird. Sie geschieht durch den Tod hindurch und ereignishaft-theozentrisch durch das exklusive, setzende Wirken des göttlichen Externum. Die Fortdauer über das Sterben hinaus und durch es hindurch ist nur als ein „Durchgehaltenwerden durch Gott" möglich^^^. Die Seele ist unsterblich nur, insofern sie den Menschen als ganzen, als Person meint, die als ganze zerstört und als ganze und als dieselbe von Gott auferweckt wird; die auferstandene Ganzheit ist sozusagen die postmortale Gestalt der Seele. Die Auferstehung ist nicht eine „creatio ex nihilo", sondern ein Wieder-, Weiter- und zugleich Andershandeln Gottes in seiner Identität am identischen Menschen"'^'. ^^^ C W 660: „Leben jenseits des Todes ist Leben aus dem Tode"; „Die Lebendigkeit aus dem Tode kommt dadurch zustande, daß Gott den Todeszustand, in den er den Menschen versetzt hat, aufhebt" C W 662f. 429 ç ^ Althaus akzentuiert dabei allerdings weniger wie Thielicke die Gerichtserwartung und Verantwortung vor dem Gerichtsforum Gottes, sondern die grundsätzliche, positive, teleologische Struktur der menschlichen Existenz im Rahmen seiner UrofFenbarungslehre: „Wir sind Person, d.h. ergriffen von der unbedingten Forderung, berufen zu einer unendlichen Aufgabe"; ebd., 660: „Gewißheit des Gerichtes Gottes, die über den Tod hinauszudenken zwingt"; LD, 4. Α., 115: „Diese Selbigkeit der Anrede bei meinem Namen, diese Selbigkeit der von mir geforderten Verantwortung und mir geltenden Verheißung ist die wahre Einheit meines Lebens, sein eigentlicher Zusammenhang, sein Kontinuum" «0 Vgl. C W 664 C W 660: Gesetz: „unser Dasein geht im Tode nicht für immer unter"; Evangelium: „Gott hat mich Sünder um Jesu Christi willen als ,Sohn' angenommen, zu einem Gegenüber in der Liebe, das nie aufhören wird"; LD, 4. Α., 115: -bleibe ich ... in der Selbigkeit meines Stehens vor ihm, meines Bewegtseins durch seine Liebe hin zu ihm" (Hervorhebung im Original) Retraktationen, 256 C W 331: „Nicht die Seele als unsterblicher Teil überdauert dieses Ende, sondern die
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Durch die Konzeption einer Unsterblichkeit durch Auferweckung kann sowohl der Radikalität und Totalität des Sünderseins Rechnung getragen als auch dem Einwand begegnet werden, daß die Ganztodlehre nicht die Kontinuität und Identität des menschlichen Individuums auszusagen vermöchte''''*. c) Individuelle ohne endgeschichtliche Eschatologie (H. Grass) Das Beispiel des Althaus-Schülers Hans Grass verdeutlicht, wie man trotz im Vergleich etwa zu Leuenberger oder auch Moltmann ähnlicher, nämlich reduktionistischer Voraussetzungen zu entgegengesetzten Konsequenzen komPerson. sofern Gott nicht aufhört, mit ihr zu handeln auch im Tode und jenseits seiner; sofern er die Person als ganze aus dem Tode erweckt zu einer neuen Daseinsgestalt, unterschieden nicht nur von der jetzigen Leiblichkeit, sondern von der jenigen leiblich-seelischen Lebendigkeit überhaupt" (Hervorhebung im Original); „Er ist unsterbliche Seele, das heißt: seine Bestimmung und Verfassung als Mensch für Gott und vor Gott wird auch durch den Tod nicht aufgehoben ... .Seele' ist nicht ein Teil des Menschen, sondern er als Mensch für Gott und vor Gott; .Unsterblichkeit' bezeichnet nicht eine Eigenschaft des angeblich einen Teiles, sondern die Unaufhebbarkeit der Beziehung, in die Gott den ganzen Menschen zu sich selbst gesetzt hat"; C W 662; „Mein Leib und Seele, die ich jetzt hatte, werden im Tod zerstört, aber ich werde erweckt. ... mein Ich wird vollendet. Nur ist dieses ,Ich' nicht gegenständlich auszusparen aus dem, was vergeht"; ebd.: „alles an uns muß verwesen und aufhören - und wir werden doch in unserem Personsein ganz bewahrt" (Hervorhebungen im Original); C W 6 6 1 : „Derselbe Mensch, der stirbt, wird erweckt, wenn auch zu einem anderen Leben". Wenn Beisser, Hoffnung, 191, moniert, ein Mensch, der wesensmäßig sterblich sei, könne nicht zugleich unsterblich genannt werden, ohne daß diese Unsterblichkeit dann Eigenschaft eines anderen sei. sieht er zu wenig den Ausgangspunkt Althaus' bei der Gottesrelation und der koinzident durch sie gesetzten Unsterblichkeit des Menschen, derentwegen die Schöpfungsdimension theologisch, nicht rein natürlich qualifiziert ist. Es ist bezeichnend, daß das. was der frühe Thielicke (Althaus. Retraktationen. 257) als eine sträfliche ontisch-anthropologische Abweichung von der radikalen Exzentrizität und Theozentrik (Bleiben nur der Treue Gottes, wir als Gedächtnisinhalt Gottes) kritisiert, aus römischkatholischer Sicht ein zu zaghafter und durch die Sündenlehre durchkreuzter Schritt in die richtige Richtung ist. Hier wird Althaus in die Nähe Thielickes gerückt, wenn behauptet wird, bei Althaus behalte die Natürlichkeit keine Eigenständigkeit und werde keine Kontinuität des Individuums ausgesagt (Wimmer. Eschatologie, 2 4 2 . 2 4 4 . 2 4 8 ) . Wimmer, Eschatologie, 2 4 5 . 2 4 7 . 2 4 9 , lehnt die Unaufhebbarkeit des Gottesverhältnisses als einen „Zwitter beider Linien" ab und fordert ein Eigenrecht bzw. eine Ergänzungs- und Vermittiungsftinktion der O n tologie neben dem personal-dialogischen Ansatz. Man wird dagegen sagen müssen, daß nicht der dialogisch-relationale Ausgangspunkt, auch nicht die ontisch-horizontalen Auswirkungen des aktuell-vertikalen Handelns Gottes (Seelenbegriffl) - wie diese auch E. Schlink gegen einen rein aktualistischen Ansaa ohne jede Ontologie gutheißt (Althaus, Retraktationen, 259) - das Problem sind, sondern die methodische Abstraktion vom Sündersein des Menschen in der Uroffenbarungslehre. Althaus betont zwar, die Auferstehung - die das Sündersein des Menschen voraussetzt und das Heilswirken Gottes besagt - und nicht eine philosophische Theorie beherrsche ihn (LD, 4. Α., 107). Dies ist aber das Ergebnis einer schrittweisen Einschränkung der in früheren Auflagen (etwa LD, 2. Α., 2 8 . 3 0 . 3 1 . 1 3 9 . 1 4 3 ) fast ausschließlich philosophisch-antrhopologischen bzw. individualistischen Gedankengänge zugunsten einer stärkeren Betonung des götdichen Handelns, auch in seiner ftiturischen und universal-allgemeinmenschheitlichen Dimension.
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men kann, was die Beliebigkeit der Ergebnisse solcher methodischer Verfahrensweisen offenbart. Grass schließt sich an Bultmann darin an, die eine endgeschichtliche Eschatologie zeichnenden biblischen Texte als mythologisch zu kennzeichnen und abzulehnen'*^'. Albert Schweitzers These, daß für die urchristliche Frömmigkeit die Naherwartung und nicht der Christusglaube im Mittelpunkt gestanden habe, wird als unhaltbar zurückgewiesen^^^. Andererseits will Grass Bultmanns Entfuturisierung der Eschatologie, die dieser als Ziel einer vermeintlich bereits im Neuen Testament selbst anzutreffenden Entwicklung propagiert, nur insoweit folgen, als sie sich gegen eine apokalyptisch-universale Ausmalung der Endereignisse wendet, nicht aber in der existentialen Reduktion der Eschatologie auf die die Existenz grundlegend verändernde Begegnung mit dem Kerygma im Hier und Jetzt'''^. Es gibt eine letzte Stunde, es kommt noch ein Gericht; d. h. über die Gegenwart hinaus ist ein zukünftiges Geschehen anzunehmen''^®. Die Mythen sind nicht auf ein in ihnen ausgedrücktes Existenzverständnis, sondern auf das in ihnen sich ausdrückende Heilshandeln Gottes hin zu befragen"*^'. Die Ablehnung der universal-apokalyptischen Ebene, deren Berücksichtigung durch Althaus Grass kritisiert"''''', geht bei Grass nicht einher mit einer Reduktion auf die Immanenz. Vielmehr betont Grass gerade die Lebendigkeit Gottes und sein Wirken am Menschen'*'". Er versucht, innerhalb des durch das Entmythologisierungsprogramm vorgegebenen Rahmens zu reden und kommt so abzüglich der Parusie zu dem biblischen Zeugnis recht nahe stehenden Aussagen. Die biblische Ausdrucksweise vom Seelenschlaf macht die Annahme einer „creatio ex nihilo" unmöglich. Andererseits darf die Kontinuität nicht eine natürlich-ontologische sein, sondern muß durch das Gericht hindurch und als Geschenk empfangen werden'*''^. Sofort im Tode findet die Begegnung mit Christus statt'*'''. Die Universalität der Auferstehung wird sozusagen sukzessive vollzogen, indem die Menschen nacheinander vor Christus erscheinen und in den Kreis der vor ihnen Erlösten eintreten''''^. Mit seinem das individuelle Eintreten in das Jenseits betonenden Entwurf hofft Grass - zu Recht - , an den Gräbern nicht verstummen zu müssen''''^ «5 Grass, Problem, 51.59.61 Ebd., 53 w Ebd., 60f. Ebd., 64f. Ebd., 6 4 Ebd., 7 1 : dies als Biblizismus angegriffen Ebd., 6 6 Ebd., 72f. Ebd., 58.72.73.76 Ebd., 76f. Weil mit der Parusie auch das Endgericht entfällt, wird nicht deudich, wie Grass zwischen Erlösten und aufgrund ihres Unglaubens Nichterlösten unterscheiden will. Ebd., 69.78. Dem korrespondiert, ebd., die berechtigte Abgrenzung gegenüber geschichtsphilosophischen Utopien wie der eines Himmelreiches auf Erden in der klassenlosen Gesell-
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4. Ansatz zur Korrektur: exklusive Deduktion des Todes aus der Sünde (Th. Kliefoth) Wenn man eine theozentrische, von Gott als der wirkenden externen Größe ausgehende Begründung der postmortalen Existenz betreibt, sollte dem konsequenterweise auch in der Erklärung des Todes die biblische, exklusiv theologische, d. h. alles auf Gott beziehende und von ihm herleitende Wirklichkeitserfassung entsprechen. Diese wird in vorbildlicher Weise von Theodor Kliefoth (1810-1895) vor Augen geführt. Ausgehend von Gen. 2,17 zeigt er auf, daß der Tod nicht als solcher ein Naturgesetz ist, sondern für den gefallenen Menschen eine Naturordnung darstellt''''®. Der Tod ist Folge der Sünde, d. h. der Entfremdung von Gott, aber nicht einfach nur eine Selbstfolge, ein Automatismus, der in der Sünde selbst angelegt wäre (Jak. 1,15), sondern auch und vor allem aktives Strafhandeln Gottes am Menschen (Gen. 2,17)''''^. Kliefoth verbindet die berechtigte monokausale Ableitung des Todes mit seiner AuflFächerung in drei Formen und Phasen, die einen zusammenhängenden Todesprozeß bilden'*''®. Es geht dabei nicht um eine sukzessive und separate Herleitung dieser Aspekte, sondern um eine sukzessive Explikation, Auswirkung, Manifestation desselben theologischen Tatbestandes. Als geistlicher Tod tritt der Tod sofort ein, während der zeidiche und ewige Tod als Ende dieses Lebens bzw. als absolutes Ende aufgeschoben werden, um der Umsetzung des Heilsratschlusses Gottes Raum zu gewähren'''"; beide sind aber im geistlichen Tod virtualiter mitgesetzt'"". Die biologische Ebene wird nicht als ein wertneutraler Bereich aus der theologischen Beurteilung ausgeklammert. Die „dolores et labores" sind zwar der äußere Grund fiir den leiblichen Tod, aber dabei doch Ausweis des geisdichen Todes, d. h. erst durch die Sünde in Gang gesetzt bzw. von Gott als Strafe verhängt (Gen. 3,16—19). Der leibliche, zeidiche Tod muß nach hinten verlängert und als geistlicher Tod von der Sünde abgeleitet werden wie auch nach vorne auf den ewigen Tod verweisen, was zeigt, daß mit dem zeitlichen Tod nicht ein definitives Ende gekommen ist, sondern die Konfrontation mit Gott als dem Richter erfolgt. Eine Ambivalenz des Todes kommt nicht zustande durch variierbare Bedingungen, unter denen er stattfindet, oder ein unterschiedliches Verhalten des Menschen zum Tod, sondern durch seine Einbindung in die Heilsökonomie Gottes, indem er als Schaft oder eines pazifistischen Reiches. Es ist allerdings die Frage, ob diese Ansätze primär als eine mögliche Folge eines endgeschichtlich-universalen Ausgangspunktes anzusehen sind und nicht eher aus der reduktionistischen Prämisse resultieren, aufgrund deren etwa die Parusie nicht als ein geschichtsendendes Ereignis erscheint. Kliefoth, bchatologie, 43.45 Ebd., 44.42 Ebd., 40 Ebd., 40 Ebd., 41
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Gerichtsvollzug pädagogisch finalisiert werden kann. Der in der Mühsal dieses Lebens sich auswirkende geisdiche Tod ist dann ein Mittel, um eine Sehnsucht nach dem Heil zu wecken. Der leibliche Tod bzw. das Wissen um sein Kommen mahnt zur Buße. Nur der ewige Tod ist nur Strafe und nicht auch Gnade«'. Die Überwindung des Todes meint nicht die Modalitäten des zeitlichen Todes, ein leichteres Sterben, sondern die Befreiung vom ewigen Tod nach dem Durchgang durch den zeitlichen und im Überschritt vom geistlichen Tod zum Heilsleben aus Gott. Im Endgericht findet entweder eine Übergabe an den zweiten, ewigen Tod statt und damit eine Bestätigung und Verendgültigung des in der geistlichen und zeitlichen Todesdimension vollzogenen Gerichts, oder eine vollständige und endgültige Befreiung aus der Todeswirklichkeit·*'^. Es ist eine Erlösung vom Tod — durch den Tod hindurch — zu erhoffen, nicht aber eine Erlösung durch den Tod als Mittel, sei es in asketisch-platonischer Weise oder durch die Veränderung des Sterbevorgangé^^. Zwar gebraucht Kliefoth teilweise eine an dualistische Denkweisen anklingende Terminologie, wenn er etwa den Tod als Trennung des seelischen Lebensprinzips von der Stofflichkeit definiert'*^'' und ein postmortales Interim eines leiblosen Zustandes annimmt"*''. Aber dabei intendiert er zunächst nur die Betonung der Kontinuität des Menschen gegen die Annahme eines vollständigen Versinkens in das Nichts""®. Es geht ihm gerade nicht um eine in der natürlichen Beschaffenheit der Seele begründete Unsterblichkeit, sondern darum, die Seele durch Gott fiir das Auferstehungsgeschehen, auf das alles abzielt, aufbewahren und erhalten zu lassen^'^. Die Friedhöfe können so nur als „Saatfelder der Auferstehung" begriffen werden, die Auferstehung als Got-
Ebd., 47f. Vgl. ebd., 47 Vgl. ebd., 56 Ebd.,37.38 Ebd., 61; vgl. ebd., 49.62.67 Vgl. ebd., 32.33.48 Ebd., 39: „so kann das [die Erhaltung der Menschen über den leiblichen Tod hinaus] seinen Grund nicht in der Natur ihrer Seele, sondern nur in einem bezüglichen Willen des sie erhaltenden Gottes haben, und daß Gott so will, nur aus seinem Worte erkannt werden"; ebd., 44: der Mensch war ursprünglich unsterblich geschaffen: „daß Gott bei der Schöpfung des Menschen es nicht darauf, daß er sterben sollte, abgesehen, und darum ihn auch ursprünglich zum Fortleben ohne Tod eingerichtet hat, hauptsächlich dadurch, daß er es dem Menschengeiste vergönnte, aus dem Geiste seines Schöpfers fort und fort zu athmen und aus der Lebensfülle desselben Leben um Leben zu nehmen"; ebd., 33: „die so verstorbenen und versterbenden Menschen in dieser Zwischenzeit zwischen ihrem leiblichen Tod und der im Gefolge der Parusie zu erwartenden Auferstehung alle in ihrer individuellen Persönlichkeit werden erhalten und auf die Auferstehung und die mit ihr zu erwartende Vollendung aufbewahrt werden müssen"; vgl. ebd., 49: „die rechte Fortsetzung des vollen und wirklichen Lebens erst mit der Auferstehung"
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teswunder, nicht als Naturprozeß·*'®. Ein relationales Seelenverständnis deutet sich an und wird durch die Ausrichtung auf die Auferweckung durch Gott als alleinwirksamem Subjekt verstärkt. Die Auferstehung zum Leben (vgl. Joh. 5,29) ist so der positive Modus der Todesüberwindung durch den Tod hindurch, die Auferstehung des Gerichts hingegen das Belassen in der Todeswirklichkeit, die Ubergabe an den zweiten, ewigen Tod, das fortwährende Sterben (vgl. Offb. 2 0 , l 4 f ) .
V. Präzision der Korrekturen 1. „ Tod, wo ist dein Stachel?" Es gilt, die Aspekte des Todesverständnisses bzw. der Todeswirklichkeit zu klären, die dieser triumphierenden Frage (l.Kor. 15,55) vorausgehen und auf sie hinfuhren. Der Tod ist nicht ein natürliches, anerschaffenes Faktum. Zwar impliziert die protologische Differenz zwischen Gott und Mensch, also die Geschöpflichkeit die Endlichkeit des Menschen. Diese bringt eine Ortsangabe und Begrenzung des Menschen als eines unter Gott stehenden und von ihm beanspruchten Wesens zum Ausdruck. Aber diese Endlichkeit hätte nicht von Anfang an im Tod, in der Sterblichkeit sich manifestieren müssen, wie dies etwa in der Möglichkeit der Entrückung zu Gott am Tod vorbei deutlich wird"*". Der Mensch anerkennt seinen geschöpflichen Ort, seine Grenze nicht und darum wird er nun gewaltsam, durch den Tod, in seine Begrenzung eingewiesen'"'''. Der Hinweis auf den Tod der Tiere, der nicht infolge der Übertretung eines zuvor ergangenen und mit einer Strafandrohung verbundenen Gebotes Gottes erfolgt, ist kein Argument gegen eine Ableitung des Todes von der Sünde. Man wird zumindest einen indirekten Zusammenhang zwischen dem Tod der Tiere und der Sünde des Menschen erkennen müssen: erst der zur Begrenzung der Ausbreitung der Sünde erlassene Noahbund sieht die T ö tung von Tieren vor, während vorher Mensch und Tier pflanzliche Nahrung zugewiesen wurde (Gen. l , 2 9 f ; 9,3). Die Kreatur seufzt mit dem Menschen unter den Folgen der Sünde (Rom. 8 , 2 2 f ) . Christus hat mit den Sünden der Welt stellvertretend den Gerichtstod erlitten. Sündenvergebung und damit - vorweggreifend (Rom. 6 , 4 f ) - TodesEbd., 50.52 1. Thess. 4,17; vgl. 2.Kön. 2,11 f.; Gen. 5,24. Dazu auch R Brunner, Eschata, 6; Pannenberg, Tod, 173f.; ders., SyTh 2,311; SyTh 3,603, weist auch daraufhin, daß der auferstandene Christus ja die menschliche und damit endliche Natur behält, er aber als Auferstandener nicht zugleich sterblich sein kann. ^ Die Annahme eines bloßen Tun-Ergehen-Zusammenhanges, demgemäß der Tod nicht Strafe, sondern Konsequenz des Wesens der Sünde ist (Pannenberg, SyTh 2 , 3 0 4 f ), greift m. E. zu kurz und wird dem biblischen Zeugnis nicht voll gerecht.
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Überwindung bzw. Teilgabe an Christi Sieg über den Tod sind von daher möglich geworden. Der Tod bringt nicht selbst die Vollendung der menschlichen Existenz, sondern steht dieser entgegen. Er muß bekämpft und vernichtet werden··^'. Der Blick muß nach außen gerichtet werden, auf den, der im Unterschied zu uns in der Auferstehung Christi dem Tod die Macht nehmen konnte. Die Theozentrik ist der einzige Trost angesichts des eigenen Unvermögens''®. Der Verlust des Stachels im individuellen Tod des Christen könnte auf folgende Art erklärt werden. Entweder ist der wegen des Sünderseins auch des Christen notwendige Gerichtsvollzug des Todes nur der Rahmen, die Gestalt, die bei den Christen mit dem bereits prämortal empfangenen und sich fortsetzenden und in der Auferstehung vollendeten neuen Leben als Heilsgabe von Gott her gefüllt wird''®. Oder der Gerichtsvollzug wird noch voll erlebt, aber er ist anders als bei den Verworfenen nur ein punktuelles Ereignis im Nebeneinander und Überschritt zur positiv-soteriologisch gefüllten Auferweckung durch Gott. Vielleicht hilft es weiter, Gesetz und Evangelium, Gericht und Rettung mit Edmund Schlink in einer logischen Sukzession, aber zeidichen und faktischen Koinzidenz im Handeln Gottes am Menschen zu sehen und dies auf das Verhältnis von Tod und Auferstehung des Christen anzuwenden''". Drittens wird man aber bedenken müssen, daß der zeidiche Tod in Unterscheidung vom ewigen - wie von Kliefoth betont - , nicht der einzige Gerichtsvollzug ist. In der Schrift kann das Gericht als jenseits des Todes ausstehend erwartet werden (Hebr. 9,27; Joh. 5,28f). Hier wird die Gewißheit des Freispruchs, wie sie im die fremde Gerechtigkeit Christi uns zueignenden Urteil Gottes bereits in der Zeit vorweg zuteilwurde, dem Tod insofern seinen Stachel nehmen, als er nicht das letzte Wort behält. Für die Verworfenen wird das Endgericht hingegen die Bestätigung des bereits vorher realen Zustandes des Getrenntseins von Gott als Retter und des Konfrontiertseins mit dem heiligen, zornigen Gott angesichts der eigenen, bleibenden Unheiligkeit sein«5. Pannenberg, Tod, 175.176f. (vgl. ders., SyTh 2,311), verdeutlicht dies so, daß der Tod nicht als ein zeitliches Ereignis die Ganzheit des eigenen Daseins herbeiführen kann, die vielmehr erst am Ende der Zeit von außen, von Gott her durch die Auferstehung zu gewinnen ist. Die Zukunftsorientierung verbindet Pannenberg anders als Moltmann gerade mit einer Betonung der Individualität des Menschen, die durch den Ausgangspunkt bei der Gottesrelation gewahrt wird (ders., Tod, 173.179) Vgl. dazu Beisser, Hoffnung, 274.277 """ In diese Richtung zielt Brunner, Eschata, 19 Schlink, ÖD, 521 : „Sie ist nicht nur eine Unterscheidung im geschichtlichen Nacheinander des Handelns Gottes an der Menschheit, sondern im gleichzeitigen Miteinander des Handelns Gottes an jedem Menschen"; „Denn die Zusammengehörigkeit von Gesetz und Evangelium ist begründet in der Einheit ihres Ursprungs, im dreieinen Gott, der durch beide Worte redet und handelt". Dazu auch Eber, Einheit, 82ff. Vgl. Beisser, Hoffnung, 306: „Einstweilen aber erhält unser Sterben damit einen Dop-
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2. Der Inhalt und Modus des protologischen Kontinuums der Eschatologie Von römisch-katholischer Seite her wird nicht ganz zu Unrecht der neueren evangelischen Theologie eine Zurückstellung ontischer Kategorien zugunsten eines heilsexistentiellen Denkens, eine rein aktualistische Psychologie und das Fehlen eines menschlichen Beziehungsträgers im Verhältnis zu Gott vorgeworfen; der Mensch gelte als ein raumloses punctum mathematicum, das Gott keinen Raum zur Aufnahme der Gerechtigkeit biete"'®^. Dabei wird übersehen, daß von einer theologischen statt metaphysisch-substanzontologischen Kontinuität her nicht nur ein Gegensatz von Unsterblichkeit und Auferstehung, sondern auch eine positive Zuordnung beider Größen abgeleitet werden kann. Dies muß allerdings anders als in einem sukzessiven Verhältnis geschehen, demgemäß die Unsterblichkeit auf die Auferstehung angelegt ist und ihr vorausgeht'"'^. Man wird durchaus eine protologische Rahmen- bzw. Basisebene des soteriologisch-eschatologischen Handelns Gottes anzunehmen, diese aber relational zu füllen haben. Der Mensch ist kraft seiner Geschöpflichkeit als solcher, nicht wegen bestimmter konstitutioneller Elemente und Fähigkeiten wie etwa Vernunft und Immaterialität, ein auf Gott bezogenes und zum Leben bestimmtes Wesen. In dieser seiner Wesensstruktur ist er unzerstörbar, weil das göttliche Gegenüber der Relation unsterblich ist'"'®. Die im engeren Sinn geschichdiche Ebene des Geschehensablaufs tritt vom Menschen her erst auf mit seiner negativen Antwort auf Gottes Anspruch, in der Ablehnung des geschöpflichen Darunter- und Gegenüberstandes zu Gott sowie in der richtenden und je nachdem auch rettenden Reaktion Gottes darauf""^'. Die Bestimmung zum Leben - ihrerseits schon anders als bei Althaus auf die Initiative Gottes bei der Umsetzung angewiesen - begegnet nun nur noch als tötendes, richtendes, zur Rechenschaft ziehendes Gesetz. Eine positive Form des durch die Sünde des Menschen und die um ihretwillen verhängte Todesverhaftung einschneidend variierten Kommunikationsverhältnisses zwischen Gott und Mensch ist nur von der Auferstehung Christi her möglich, auf die die im Alten Testament bezeugten vorläufigen Heilstaten Gottes abzielen. Eine Überwindung des Wirklichkeitszusammenhangs von Sünde und Tod ist nur in einer radikal externen Begründung von Gott als wirkendem Subjekt her möglich.
pelcharakter. Es ist und bleibt auch Gottes Gerichtshandeln über den Sünder ... Es ist, im Lichte des Glaubens, dem die Sünden vergeben sind, ein bezwungener Tod, ein bloßes Sterben, das uns nicht halten kann" Ahlbrecht, Tod, 26.99.86f.ll8.115 So bei Ahlbrecht, Tod, 118.133 ^ Vgl. dazu Brunner, Eschata, 3.6f.l4; auch: Pannenberg, SyTh 2, 227f. Vgl. Brunner, Eschata, 9
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„Dieses Eschaton trägt den Namen Jesus Christus'"'^''. Die Zueignung
und An-
teilgabe an iier Auferstehung Christi und dem mit ihr errungenen Sieg ist nun der einzige Modus der Realisierung der ursprünglichen Bestimmung zum Leben. Das
Christusereignis wird pneumatisch präsent, wobei der die Auferstehung als geschehenes Perfectum vergegenwärtigende Geist Gottes zugleich der Geist ist, der unsere Auferweckung bewirkt. Durch das Geisteswirken wird die Spannung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gesetzt und zugleich überbrückt. Das Reich Gottes, wie es als Gerichts- und Vollendungserwartung sich vorweg im Gelten des überführenden Gesetzes und in der pneumatisch gewirkten Anteilgabe am Heil manifestiert^^', wendet sich nicht gegen den Einzelnen, sondern handelt an ihm. Der Mensch kann, sofern er Christ ist, eine zweifach begründete postmortale Existenz erwarten. Als Mensch befindet er sich in der seit dem Fall vom Gesetz Gottes ausgehenden geschöpflichen Urrelation zu Gott und ist so als Person unzerstörbar. Hinzu kann partiell und kontingent zugeeignet das Sein in Christus, die in heilsgeschichdicheschatologischer Zeit geschaffene positive Gottesbeziehung treten·*^^. Der Mensch geht zwar als ganzer in den Tod, weil seine Ganzheit Gegenstand des richtenden und rettenden Handelns Gottes ist, aber doch ist der Tod nicht der Übertritt in ein Nichtsein, in das Nichts^^'. Die Dialektik von Ganztod, also Diskontinuität, und Kontinuität ist nur durch den relationalen Rückbezug auf den handelnden Gott und daher nur als Überschritt vom Tod zur Auferstehung, als Unsterblichkeit durch Auferweckung möglich. Die Auferweckung muß an den Toten erfolgen, die unverlierbar kraft ihrer Geschöpflichkeit auf Gott bezogen, von Gott beansprucht sind·*^^. Die Auferstehung ist Brunner, Eschata, 8 Vgl. Beisser, Defizite, 60.63; ders., Hoffnung, 227f.243 Vgl. Brunner, Eschata, 7.11.14.16 Vgl. Brunner, Eschata, 14. In ähnlicher Weise betont auch E. Brunner, Mensch, 375.495, zwar einerseits von dem reziproken Verhältnis von Leib und Seele und von dem Totalanspruch Gottes her die Ganzheitlichkeit des Todes und den Tod gerade des Personzentrums, weil dieses als Herd der Verschuldung erkannt wird. Aber andererseits stellt er die Inkommensurabilität von - relational verstandener - „Geistigkeit" und - materialistisch verstandenem - Tod heraus, indem die sich durchhaltende Personalität des Menschen an seiner Bestimmung vonseiten Gottes her (dies als Unterschied gegenüber den Tieren!) und an der wirksamen Gegenwart Gottes im Wort festgemacht wird; ebd., 487f : „Nicht in einer Geistnatur, in einem neutralen und unpersönlichen geistigen Sein, sondern im Wort Gottes und in der in ihm liegenden Personbestimmung - Zorn oder Gnade - liegt das Ewige"; „er kann verkehrt im Wort Gottes sein und steht dann unter dem Zorn: aber er kann nicht überhaupt nicht im Wort Gottes sein"; „Wir können das Geistige als solches schlechterdings mit ,Tod' nicht zusammendenken"; vgl. ebd., 4 8 0 (gut ist die durchgehende theozentrische, soteriologische Begründung des Todes und seiner Überwindung!): ,ЛЬег wir verstehen gerade diese Zeitlichkeit, dieses Sein zum Tode nicht, wenn wir nicht auch den Ewigkeitsanspruch, der irgendwie ... zum Leben des Menschen als eines geistigen Wesens gehört und aus diesem geistigen Sein sich immer wieder erhebt, als Wesensmerkmal des Menschenlebens zur Geltung bringen" Zur Betonung der Kontinuität, auch auf kosmischer Ebene: Beisser, H o f f n u n g , 304.308.321
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der unter den Bedingungen der gefallenen Welt einzig mögliche Modus der Realisierung des protologischen Ziels Gottes mit den Menschen. Die Seele ist dann, personal-relational gefaßt, der menschliche Pol eines Ereignisses, das der permanente, unsterbliche Vollzug des kommunikativen Verhältnisses zwischen Gott und Mensch ist, das sich am Lebensende konkretisiert als Durchgang durch bzw. Überschritt vom Tod zur Auferstehung. Sie wird je neu durch die Anrede Gottes und in Koinzidenz mit ihr gesetzt, so daß dem göttlichen Pol die logische, aber nicht zeitliche Priorität zukommt. Das Sein, die ontische Ebene geht der Relation nicht voraus, sondern wird durch sie gesetzt. Das eigentliche Kontinuum ist Gott als distinkt wirkendes Subjekt. Der Mensch wird von Gott als notwendiges Derivat und Korrelat des Gottesverhältnisses durchgehalten - durch den Tod hindurch'*^'.
J. Baur, Unsterblichkeit, bemüht sich ebenfalls um eine positive Zuordnung der Termini „Unsterblichkeit" und .Auferstehung"; beide seien Momente, nicht erschöpfende Erfassung der genuin eschatologischen Sache, nämlich „der kommunikativen Beziehungsstiftung vom begegnenden Gott her" (ebd., 30); parallele Aussagerichtung beider: ebd., 36ff. Problematisch ist allerdings ein an Althaus erinnerndes methodisches Korrelationsschema, das bei dem allgemein vorauszusetzenden „Drang zur Endgültigkeit" ansetzt (ebd., 26) und die Auferstehung als eine in diesem Rahmen mögliche „Extrapolation aus der all unser Enden umgreifenden Endgültigkeit" (ebd., 49) betrachtet. Auch Radler, Unsterblichkeitsgedanke, 37, würdigt den Unsterblichkeitsbegriff, weil durch ihn „die Kontinuität der menschlichen Persönlichkeit, die religiöse Dimension der Schöpfimg" sowie der „Wesenszusammenhang zwischen dem Gönlichen und Menschlichen" zum Ausdruck gebracht werde; vgl. auch Campenhausen, Tod, 31 Of
F. Lebensvollzug als Entfaltung der innermenschlichen Tiefendimension Psychoanalyse und Anthroposophie I. Seele als unbewußt determiniertes, immanentes Geschehen (S. Freud) 1. Erweiterung des Psychischen durch Dynamik und Konflikt Die Reduktion des Gegenstandes und der Methodilc der Wissenschaft auf das immanent Gegebene und Erfaßbare, Meß- und Voraussehbare, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur vorherrschenden Doktrin wurde, hatte ihre Auswirkungen auch auf die Wesensbestimmung der Seele. Der seelische Binnenraum mit seinen Phänomenen, die in ihrem Funktionieren beschrieben und erklärt werden sollen, die in ihrer Intensität und Variation differierenden innerseelischen Vorgänge sind von Interesse, nicht aber ein in exzentrischer Relationalität gründendes Seelesein, das sich offenhält ftir eine existentiell neu qualifizierende personale Begegnung. Man verbleibt in einem horizontalen Rahmengefuge und diesseits der Todesgrenze. Die Interaktion mit der Umwelt, die Reaktion auf Ereignisse der mitmenschlichen Umgebung und deren Verarbeitung tritt an die Stelle der primären Aktion Gottes. Die Abhängigmachung der Vernunft von der Arbeit der sensitiv-vegetativen Seelenpotenzen bedeutet den Verzicht auf die Transzendierungsfähigkeit der Vernunft. Es geht um die Erfassung der Gesetzmäßigkeiten des Funktionierens von Lebensvorgängen, nicht um die Frage nach deren Wesen und schlechthinnigem Woher und Wohin bzw. Darüberhinaus. Die Psychologie wird zur Tatsachenwissenschaft'. Als Vorläufer dieser Auffassung sind zu nennen John Lobke (1632-1704), fur den die Seele wie ein weißes, unbeschriebenes, auf Rezeptivität festgelegtes Blatt, wie eine „tabula rasa" in Erscheinung tritt, und David Hume (1711-1776), der die Seele als ein „Bündel von Vorstellungen", eine „fortdauernde Abfolge der Erkenntnisinhalte" betrachtet^. Der Mensch wird reduziert auf einen Wahrnehmungsvorgang, ohne daß in Abstraktion von diesem Vorgang oder als Resultat desselben eine personale Identität des Menschen ausgesagt werden könnte. Die Wahrnehmungsvorgänge verfugen
' Vgl. Ulich, Einführung, I6.17.19.20f.57 ^ Dazu Ulich, Einfuhrung, 58f
Siegmund Freud
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nicht über die setzende Wirksamkeit, wie sie Gott zukommt, der sich als primär wirkendes Subjekt im Vollzug seines Tuns ein festes Gegenüber schafft. Letztlich finden nur Verschiebungen auf der Horizontalen statt, nicht aber eine existentielle Veränderung aus der Vertikalen heraus. Das Seelische - von „Seele" als abstrahierendem, summierendem, vorgängigem Begriff kann kaum mit Recht die Rede sein - wird experimentell-induktiv erfaßt. Wilhelm Wundt (1832-1920) konzipierte eine experimentelle Psychologie, die in der Beschreibung, Klassifizierung und Elementarisierung von Bewußtseinsvorgängen bestand'. Sigmund Freud (1856-1939) wendet sich gegen eine rein deskriptive Benennung des Hic et nunc des Psychischen und will nach dessen Verursachung fragen. Determinierender Faktor ist dabei nicht Gott, auch nicht ein gleichzeitig einwirkendes menschliches Gegenüber, sondern ein zurückliegendes Ereignis der individuellen Lebensgeschichte. Freud schließt von pathologischen Begebenheiten auf das normale Seelenleben zurück. Neurosen und Psychosen sind dann nicht durch organische Schäden, sondern durch seelische Fehlentwicklungen bedingt"·. Die Tatsache, dal? eine Versuchsperson mit Bewußtsein eine Handlung ausführte, deren Veranlassung jedoch, weil in einem während eines vorausgegangenen hypnotischen Zustandes erteilten Auftrag bestehend, unbewußt war, legte die Möglichkeit von Einwirkungen eines unbewußten Bereichs offen'. Die Annahme eines Unbevmßten hinter und vor dem von Wundt ausschließlich analysierten Bewußtsein sah Freud als indirekt legitimiert an im Nachweis der Nachwirkungen desselben, vor allem in Träumen und Fehlleistungen wie z. B. dem Versprechen, das heimlich Gewünschtes und Erdachtes verrät. Der Widerstand der Versuchsperson, der sich bei der freien Assoziation überall dort einstellte, wo man auf bestimmte Begriffe und Themen zu sprechen kam, ließ auf eine verborgen, auch als latenter hinter dem manifesten Trauminhalt, wirkende lebensgeschichdiche Ursache, schließen-^. Freud sieht sich zu einer korrigierenden Erweiterung des deskriptiven Konzepts Wundts durch eine dynamische Auffassung des Psychischen gezwungen. Das Unbewußte im eigentlichen Sinne ist nicht nur vorbewußt, d. h. momentan latent, aber jederzeit bewußtseinsfähig, sondern etwas Verdrängtes, in einem Konflikt mit dem Bevmßtsein Stehendes und daher nicht ohne weiteres Bewußtseinsfähiges^. Eine zweite Korrektur gründet in der Beobachtung, daß nicht alles Unbewußte auch verdrängt ist, sondern etwas Unbewußtes im Ich wirkt, das sich gegen das Verdrängte wendet bzw. dessen Verdrängung er-
5 Vgl. Ulich, Einfiihrung, 66f. ^ Vgl. Ulich, Einführung, 77; G. Adler, Seele, 2f.8f.l2; Wanner, Signale, 23.25f.27 5 Vgl. G. Adler, Seele, 9f. Freud, Vorlesungen, G W 11, 111-114.118 Freud, Ich, G W 13, 239-241
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zwingt. So kommt Freud zur Annahme eines Strukturmodells der Zuordnung und Interaktion bzw. des Widerstreits von Es, Ich und Über-Ich als Seelenkräften, nicht Seelenvorgängen oder hierarchisch geordneten Konstitutionselementen®.
2. Geschichtlich-evolutive Fassung der Seele Freuds Strukturmodell kombiniert den Konflikt- mit dem Entwicklungsgedanken. Ausgangspunkt ist das Es mit seinen vor allem sexuell gefärbten und in der ödipalen Ursprungssituation auf die weiblichen Familienmitglieder gerichteten Triebwünschen. Den Forderungen des Es muß in irgendeiner, es kann ihnen aber angesichts der Realität und der bald notwendig werdenden Sozialisation des Kindes nicht in unmittelbarer Weise entsprochen werden. Dem Lustprinzip tritt das Realitätsprinzip, dem Es das Über-Ich gegenüber, das die Forderungen des Es in eine fur das Ich - die zur Realität hin vermittelnde Instanz - akzeptable Gestalt überfuhren soll. Letzdich geht es um eine schrittweise Transformation der Modalitäten der Umsetzung der libidinösen Triebe bzw. um die Suche nach angesichts der Wirklichkeit gegenüber sexuellen Bezugspersonen adäquateren Objekten derselben. Das Ich ist der durch den Einfluß der Außenwelt veränderte, also sekundär entstandene Teil des Es'. Es vertritt gegenüber den Leidenschaften des Es die Vernunft und Besonnenheit'". Das Ich richtet das Uber-Ich auf, das zwar einerseits der Anwalt der Innenwelt, des Es, gegenüber dem auf die Außenwelt ausgerichteten Ich ist, andererseits aber diese Funktion gerade so ausfüllt, daß es restriktiv den Forderungen des Es gegenübertritt". Die Konfliktinstanzen entstehen gestaffelt, weil der Konflikt mit zunehmendem Alter zustandekommt und sich verschärft. Das Über-Ich hat einen zwangsartigen Charakter und verewigt den Elterneinfluß als der in der ursprünglichen ödipalen Situation normierenden Instanz'^. Das Ich bemächtigt sich durch die Ausbildung des Über-Ichs des Ödipuskomplexes, indem letzteres sowohl die durch die Liebe zur Mutter hervorgerufene Feindschaft gegen den Vater als auch die Vateridentifizierung repräsentiert''. Das Ich erobert in zunehmendem Maße das Es, indem es sich doch zugleich einem quasi domestizierten Es unterwirft'"'. Auch wenn es gilt, die Balance, den Kompromiß herzustellen zwischen den physischen Impulsen des Es und den im Über-Ich manifesten sozialen Anforderungen, so ist es ' Freud, Ich, G W 13, 244. Dazu Wahl, Lehre, 1 1 - 1 3 . 1 6 ; Wanner, Signale, 21; G. Adler, Seele, 18f.34 ' Freud, Ich, G W 13, 252 '» Ebd., G W 13, 252f. " Vgl. ebd., G W 13, 2 6 4 Ebd., G W 13, 263 Vgl. ebd., G W 13,262 Vgl. ebd., G W 13, 264.286
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doch so, daß wir gelebt werden statt zu leben, d. h. unter der in variabler Gestalt begegnenden Dominanz des Es s t e h e n D a s Es kann auch positiv eingeschätzt werden, insofern seine adäquate Gestaltung und Dosierung, seine Sublimierung die freigewordene Energie in konstruktive Bahnen lenkt und so etwa Kunst und Kultur ermöglicht"^. Das theologische Problem dieses Ansatzes wird deutlich, wenn man den Gebrauch der Reitermetaphorik bei Freud und Luther vergleicht. Nach Freud gleicht das Ich einem Reiter, der die überlegene Krafi: des Pferdes zügeln soll, aber oft das Pferd dahin gehen lassen muß, wohin es will'^. Es steht von vorneherein fest, daß nur der Mensch der Reiter - und zugleich das Pferd - sein kann und es nur auf das Wie des Reitens, d. h. auf das Maß der Dressur und Kontrolle des Pferdes, ankommt. Das Pferd ist die alles bestimmende Größe; es wird in jedem Fall laufen und der Reiter wird nur zusätzlich und nachträglich darauf gesetzt, um es zu zügeln. Luther hingegen'® macht die qualitative Differenzierung des Reitens nicht an der Technik des Reitvorgangs, sondern an der Person des Reiters fest. Der Mensch ist ein Gebundener und bleibt verwiesen auf die primäre Aktion Gottes oder des Teufels. Er unterliegt einer eschatologischen Norm und Zielsetzung und nicht nur dem Postulat eines innerweltlich als erfolgreich oder angemessen geltenden Verhaltens". Der Wille Gottes und nicht die libidinose Es-Struktur soll umgesetzt werden. Es geht nicht um die Transformation, sondern die Überwindung der Es-Ebene. Die Sünde ist nicht nur eine unzeitgemäße oder defizitäre Form der Umsetzung der Es-Triebe bzw. deren zum Gewissen modifizierten Forderungen^", sondern der Mensch ist von Anfang an Gewissen, steht vor Gott - und dies als Sünder im schlechthinnigen, qualitativen Sinne. Nicht eine kathartische Methode, die Bewußtmachung und Abreaktion verdrängter und unbewoißter Inhalte kann helfen^', sondern nur die Sündenvergebung durch Gott. Die methodische Reduktion des Aussagebereiches in der Wesensbestimmung des Menschen auf den Vollzug und die Umsetzung der Es-Triebe bedingt auch eine Umkehrung der Bewegungsrichtung im Verhältnis von Mensch und Gott. Gott ist nicht wie bei Schleiermacher Implikat des Bewußtseinsinhalts des Menschen, Verbalisierung des Woher seines Abhängigkeitsgefühls; der Mensch ist nicht passiv. Vielmehr betont Freud unter Zu" Ebd., G W 13,251: „das, was wir unser Ich heißen, sich im Leben wesentlich passiv verhält, daß wir ... gelebt werden von unbekannten, unbeherrschbaren Mächten" (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Ulich, Einführung, 75f.80; Wahl, Lehre, 18; Herms, Freud, 48; Wanner, Signale, 32; G. Adler, Seele, 13-21.33 Vgl. G. Adler, Seele, 31 f.; Wahl, Lehre, 21 Freud, Ich, G W 13, 253 Luther, De servo arbitrio, WA 18,709,22ff. " Vgl. Herms, Freud, 48f. ^^ Freud, Ich, G W 13, 265.280 Vgl. Wanner, Signale, 28
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grundelegung derselben Prämissen - wie Unmöglichkeit einer Aussage über das An-sich der Transzendenz bzw. eines ethischen oder vernünftigen Zugangs zur Transzendenz, Ausgangspunkt beim Gefühl, beim psychischen Innenleben - die Aktivität des Menschen, deren Woher nur der Mensch selbst sein kann. Von der Aktivität des Menschen her kann die innerseelische Basis zur Aussage über Gott nicht ein Abhängigkeits-, sondern nur ein Sehnsuchtsgefuhl sein, letztlich nur ein Projektionsvorgang, ohne daß der projizierte Gegenstand eine von diesem Vorgang zu lösende Existenz besäße. Gott, die Religion fungiert als Ersatzbildung fiir die Vatersehnsucht^^, die den Menschen als Kompensation bzw. andere Seite einer ambivalenten Beziehung zu dem ermordeten Urvater der von Darwin und Freud angenommenen Urhorde von Brüdern angeboren ist. Der ehemals gehaßte, weil seine Söhne unterdrückende Urhordenvater wird jetzt um so mehr verehrt und ihm bzw. seinem projizierten Ersatz nachträglich Gehorsam entgegengebracht, um das vorhandene Schuldgefühl zu beschwichtigen^'. Die dramatischen Schicksale der Urzeit mit ihrer ödipalen Grundsituation eines Vaters, der seinen Söhnen die begehrten Sexualobjekte vorenthält und sie mit Kastration bedroht und so den Widerstand der Söhne heraufbeschwört, haben Engramme in der Gehirnstruktur aller Menschen hinterlassen. Freud kombiniert dabei LarnacL· These von der Vererbung erworbener Eigenschaften mit dem Haeckekàicn biogenetischen Grundgesetz, nach dem die Ontogenese die individuelle Rekapitulation der menschheitsgeschichtlichen Phylogenese ist^"*. Es ist dabei bezeichnend, daß Freud den Reinkarnationsgedanken nur auf die physische Ebene der Begegnungs- und Wirkweise des Es bezieht, das in sich die Reste ungezählter Ich-Existenzen beherbergt und weiter vererbt^^ nicht aber eine über die Vorgeprägtheit der biologischen Grundstruktur hinausgehende individuelle Fortexistenz nach dem Tod annimmt. Der Tod gilt ihm vielmehr als der notwendige und unübersteigbare Ausgang allen Lebens. Der Gedanke einer Unsterblichkeit beruhe hingegen auf einem Nichtwahrhabenwollen der vernichtenden Wirkung des Todes durch den Menschen^^. Religion allgemein, sei es in der Ausbildung des ein Schutzgeflihl vermittelnden Gottesbegriflfes oder in der Hoffnung auf Unsterblichkeit, wurzelt in der Perspektive Freuds in einem Ohnmachtsgefiihl, das sich durch die Bewältigung der Sinneswelt mittels der Wunschwelt zu therapieren versucht^^. Es ist allerdings sehr die Frage, ob man nicht eher durch die Nachricht von der Existenz Gottes und einer postmortalen Fortexistenz des Menschen Angst bzw. ein zu^^ Vgl. Freud, Ich,GW 13, 265 " Vgl. Freud, Totem, G W 9, 172f.178.179f. Dazu Jüttner, Religion, 45-47.57 Vgl. Rattner, Tiefenpsychologie, 18 " Freud, Ich, G W 13,267.278 " Freud, Tod, GW 10, 341.347 " Freud, Folge, GW 15, 181; ders., Zukunft, GW 14, 343.346.352. Dazu Rattner, Tiefenpsychologie, 12f.29.32f40·, Jüttner, Religion, 49.62
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tiefst erschrockenes Gewissen auslöst und weckt und die Möglichkeit eines Absehenkönnens von Gott eine alte Wunschprojektion des zum Hedonismus und Egoismus neigenden Menschen darstellt. Die bleibende Verantwortung vor und das Angewiesensein auf Gott, wie es sich bei einem spezifisch theozentrischen Ausgangspunkt der Anthropologie ergibt, bedeutet weniger Wunsch als Verpflichtung des Menschen.
II. Die Seele zwischen Gegensatz und Kompensation (C. G. Jung) 1. Transzendierung nach innen als Modifikation des empiristischen Ansatzes Carl Gustav Jung (1875-1961) teilt die gegen eine selbständige Vernunfrtägkeit und -mächtigkeit gerichteten empiristischen Prämissen der modernen Psychologie, wendet sich jedoch gegen eine damit einhergehende materialistische Reduktion der Wirklichkeit auf das Physische oder vom Physischen Abhängige. Statt einer Psychologie ohne Seele, für die der Geist des Menschen rein horizontal — nur ein Gehirnsekret, ein Epiphänomen des Stofflichen darstellt und das äußerlich Sichtbare, die sogenannte Tatsache zählt, möchte Jung eine Ehrenrettung der Seele als einer genuin eigenständigen Größe betreiben^®. Die Spontaneität und Effektivität nun gerade der Erfahrung und nicht ein substanzontologischer Rekurs auf die Rationalität der Seele oder eine Herleitung vom Wirken eines personal, distinkt gegenüberstehenden Gottes erweist die Seele als eine der Materialität gegenüber überlegene Größe. Jung verweist auf den Osten, der das Wesen aller Dinge in der Seele begründet sieht und die psychische Realität als die einzige, unmittelbar erfahrbare Wirklichkeit erkennt^'. Die materiellen Objekte sind dagegen nur in einer über die Wahrnehmungsbilder vermittelten, d. h. einen Verwandlungsprozeß voraussetzenden Weise zugänglich'". Die telepathischen Phänomene widerlegen die These der Gehirnverhaftung und Raumzeitbeschränkung der Seele''. Jung verweigert zwar eine Aussage über das An- und Für-sich-Sein der Dinge, deckt
Jung, Dynamik, G W 8, 3 8 7 - 3 9 0 . 3 9 1 . 3 9 3 Ebd., G W 8, 4 3 9 ^ Jung nennt den für das westliche Denken zumal des 19. Jahrhunderts kennzeichnenden Grundsatz: „Nihil est in intellectu quod non antea fuerit in sensu": ders., Dynamik, G W 8, 4 3 7 ; vgl. ebd., 4 3 8 : „daß das Bewußtsein überhaupt in keiner direkten Beziehung zu irgendwelchen materiellen Objekten steht. Wir nehmen nur Bilder wahr ..." (Hervorhebung im Original) " Jung, Dynamik, G W 8, 4 7 2 - 4 7 4
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aber doch eine transzendierende Dimension auf, die sich in den umgrenzten Bereich des Erfahrbaren einordnen läßt, weil sie nach innen gekehrt wird'^. Wie Freud benennt Jung das Unbewußte als diese transzendierende Größe und läßt es zugänglich werden in seiner Nachwirkung, vor allem im Traum als der „Resultante unbewußter seelischer Vorgänge ..., die noch eben ins Bewußtsein hineinragt"^'. Während jedoch Freud als entscheidende Traumquelle das im Zuge der individuellen Lebensgeschichte Verdrängte kennt und so zu einem personalistischen Verständnis des Unbewußten als eines nicht mehr Bewußten kommt, weitet Jung das Unbevmßte über die biographischen Grenzen hinaus aus in die Gesamtheit der Menschheitsgeschichte, die vorrangig noch nicht bewußt ist und auch nie ganz bewußt gemacht werden kann'''. Als kollektives Unbewußtes hat es nichts zu tun mit der materiegebundenen, weil sexuell gefüllten Libido, deren inadäquate Entfaltung zur Verdrängungsaktion führte. Es ist also nicht Derivat eines anderen Triebes und Nebenprodukt des individuellen Umgangs mit diesem, sondern ein schlechthin geistiges, dem in sinnlichen Bahnen verlaufenden Individualleben vorgelagertes „Prinzip sui generis"'^. Die Phylogenese ist nicht so sehr wie bei Freud auf die physische Struktur als der Basis der Es-Triebe als vielmehr auf die geistige Arbeit, auf die religiöse, mythologische Schaffenskraft der Menschheit bezogen. In den Träumen begegnen Inhalte, die nicht auf persönlicher Erfahrung beruhen und im Lebensverlauf der Versuchsperson erworben worden sein können. Sie müssen vielmehr aus einem angeborenen und nur hier und da partiell manifest werdenden Reservoir überindividuellen Wissens geschöpft worden sein. „Das kollektive Unbewußte ist die gewaltige geistige Erbmasse der Menschheitsentwicklung, wiedergeboren in jeder individuellen Hirnstruktur""'. Der Mensch kommt nicht als eine „tabula rasa" zur Welt, wie Lokke das will, sondern ist durch einen ihm inhärierenden Fundus gesamtmenschheidicher Erfahrung vorgeprägt. Wie bei Descartes partizipiert das Ich an einer es umgreifenden und schlechthin transzendierenden Größe, die nun jedoch nicht in ein distinktes Gegenüber, sondern in die eigene, innerseelische Tiefenschicht verlegt wird'^. Vgl. ebd., G W 8, 164 Ebd., G W 8,166 Vgl. ebd., G W 8, 209.215 « Ebd., G W 8, 64.60f. ^ Ebd., G W 8, 183; vgi.ebd., 172f.175f.398. Dazu G. Adler, Seele, 64f.l 10.130; Unterste, Tiefenpsychologie, 43; G. Hummel, Psyche, 284f.294 Von römisch-katholischer Seite her wird zwar wohl zu Recht betont, daß ein nicht nur relatives, also durch den Vorgang etwa des Vergessens entstandenes, sondern absolutes Unbewußtes trotz der herbeigezogenen mythologischen Parallelen ein unbewiesenes Postulat bleibt (Staub, Auffassung, 28.30.32). Aber man wird nicht zustimmen können, wenn Jung das Übersehen der Geistigkeit der Seele vorgeworfen und auf die Notwendigkeit eines metaphysischen, d.h. hier: substanzontologischen Zugangs zu einer übermateriellen Realität abgehoben wird (ebd., 27f.31). Nicht die geschichdiche Fassung der Geistigkeit ist das Problem, sondern die
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2. Religion als Therapeutikum zur Erlangung der Ganzheit Wie Freud legt Jung eine dynamisch-akthafte Sicht der Seele zugrunde, insofern es sich bei dem Seelischen um ein durch eine Kraft in Gang gesetztes und gehaltenes Geschehen handelt. Anders als Freud zeichnet Jung aber nicht nur das Bild eines sich trotz aller Variation durchhaltenden Konfliktes, sondern stellt neben und über die Spannung den Ausgleich, die Synthese als Zielbestimmung^®. Es geht nicht um sich ändernde Modalitäten der Realisierung des Ich-Triebes, auf den in Freuds kausaler Betrachtungsweise stets Bezug genommen wird, sondern um quantitativ zu erfassende Intensitätsdififerenzen in der Gesamtheit psychischer Energie, um Energieumsetzungen bei gleichbleibender Energiemenge mit einer finalen Ausrichtung^'. Ein vorhandenes Energiegefälle muß durch entsprechende Energieverlagerungen ausgeglichen werden^". Die verschiedenen innerseelischen Instanzen sind von vorneherein und gleichzeitig vorhanden, entwickeln sich also nicht erst im Laufe einer Konfliktbewältigung; sie unterscheiden sich aber in ihrem Gewicht und Status. Jeder Mensch verfugt über eine doppelte Vierheit von seelischen Strukturen: über vier Grundfunktionen, darin die rationalen, nämlich Denken und Fühlen, und die irrationalen, also Empfindung und Intuition; diese lassen sich den beiden Einstellungen des Extra- und Introvertiertseins zuordnen"". Es ergeben sich zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten und Unterschiede, je nachdem welche der Funktionen und Eigenschaften eine sozusagen asymmetrische Präferenz erhalten, ohne daß die jeweils anderen, darin inferioren Dimensionen fehlen. Das Vorhandensein der letzteren und deren Wirken im Unbewußten übernimmt die Funktion einer Kompensation. So existiert ein Bündel mit den typischen Eigenschaften des jeweils anderen Geschlechts in einer unentwickelten Form im Unbewußten''^. Neben der Kompensation steht die Spannung, der Gegensatz, weil die jeweils im Unbewußten manifeste Seite unterrepräsentiert ist. Daher muß neben der Progression, der Anpassung an die Forderungen der Umwelt, eine Regression, die Anpassung an die psychische Innenwelt, erfolgen·". Ziel muß die möglichst vollständige Integration und Gleichgewichtung der inferioren
innerweltliche Füllung bzw. innermenschliche Lokalisierung dessen, was theologisch relevante Geschichte ist. Jung, Schriften, GW 7, 195f. Dazu Unterste, Tiefenpsychologie, 41.46.47.52.55.151 Vgl. Jung, Dynamik, GW 8, 3.l6-19.20.25-28.29f. « Ebd., GW 8, 33.44f.52 Vgl. Jung, Typen, GW 6, 566f. Dazu Unterste, Tiefenpsychologie, 37; G. Adler, Seele, 94-98 « Vgl. G. Adler, Seele, 74f. « Jung, Dynamik, G W 8, 35.39.43
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Seite und damit die Überfuhrung der Spannung, des krankmachenden Konflikts in die Synthese unter einem übergeordneten Ganzen sein. Jung kennzeichnet ein sich der Beseitigung des Ausgangsproblems der Gegensätzlichkeit zuwendendes Leben als den Prozeß der Individuation, als Programm der Realisierung des Selbst, das in einem stetigen Voraus bleibt, weil das Unbewußte nie vollständig bewußt gemacht werden kann"*"*. Als Instrument zur Ingangsetzung und Förderung des Individuationsprozesses dienen die Symbole, aus dem Unbewußten heraus entstehende Energietransformatoren, Schaltstellen, an denen das Unbewußte bewußt werden kann"*^. Wenn der Therapeut im Zuge einer amplifikatorischen Methode die Assoziationen und Trauminhalte der Versuchsperson aus dem Fundus der gesamtmenschheitlichen Mythologie heraus interpretiert und ausweitet, so gilt es, vor allem solche Symbole hervorzuheben und den Patient mit ihnen zu konfrontieren, die fur das Ziel der Ganzheit und des Ausgleichs förderlich sind. Es stellt sich dabei heraus, daß die formulierten Dogmen des Christentums, vor allem das Trinitätsdogma, eine nur unzureichende und therapeutisch nur bedingt wirksame Explikation des seit jeher im Unbevmßten Vorhandenen und in adäquater "Weise bewußt zu Machenden darstellt""^. Nur ein solches Symbol vermag den defizitären und spannungsgeladenen Charakter der kranken Psyche zu heilen, das seinerseits nicht eine defizitäre Struktur aufweist. Zwar bedeutete das Bekenntnis zur Trinität eine kompensierende Vergeistigung gegen eine zu große Primitivität und Unbewnißtheit''^, aber es kam zu einer Vernachlässigung der Schattenseite, also des Materiellen, Bösen, Weiblichen und zu deren Belassung im Unbewußten. Die Trinität ist letztlich eine verkappte Quaternität und durch ein Reduktionsverfahren nach dem Schema 4 minus 1 zustandegekommen"". Die Dreiheit ist ein Kunstprodukt, das die experimentell als Vgl. Jung, Schriften, G W 7, 195f.; ders., Typen, G W 6, 512f.: empirischer BegrifF bezeichnet das Selbst den Gesamtumfang aller psychischen Phänomene im Menschen. Es drückt die Einheit und Ganzheit der Gesamtpersönlichkeit aus. Insofern aber letztere infolge ihres unbewußten Anteils nur zum Teil bewußt werden kann, ist der BegrifF des S. [Selbst] eigentlich zum Teil potentiell empirisch und daher im selben Maße ein Postulat. Mit anderen Worten, er umfaßt Erfahrbares und Unerfahrbares, bzw. noch nicht Erfahrenes" (Hervorhebung im Original). Dazu G. Adler, Seele, 154£; Unterste, Tiefenpsychologie, 4 7 Jung, Dynamik, G W 8 , 5 0 f ; vgl. G. Adler, Seele, 132f.l34; Unterste, Tiefenpsychologie, 50 Als Beleg fur die Herleitung des Dogmas aus menschlicher Produktivität mag dienen: Jung, Archetypen, G W 9/1, 22: „Das Dogma ersetzt das kollektive Unbewußte, indem es dieses in weitem Umfang formuliert. ... Das Leben des kollektiven Unbewußten ist fast restlos in den dogmatischen, archetypischen Vorstellungen aufgefangen und fließt als gebändigter Strom in der Symbolik des Credo und des Rituals"; ders., Trinitätsdogma, G W 11, 154: „Die Ergebnisse dieser Geistestätigkeit schlugen sich nieder in Lehrsätzen, den sogenannten Dogmata, deren Gesamtheit im sogenannten Symbolum. dem Glaubensbekenntnis zusammengefaßt wurde" (Hervorhebungen im Original) ^^ Vgl. Jung, Trinritätsdogma, G W 11, 208 Vgl. Jung, Mysterium, G W 14/1, 202
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viel häufiger und ursprünglicher im Unbewußten anzutreffende Vierheit verzerrt und verdrängt hat. Das Böse muß aus seiner rein privativen Definition (privatio boni) befireit und als eigenständiger Pol in die göttliche Quaternität integriert werden"". An dieser Steile wird das Problem der Erkenntnisquellen und methodischen Prämissen der Jungschen Konzeption akut. Die theologische Tradition, wie sie in der Heiligen Schrift als dem Wort Gottes gründet, kennt nicht ein spezifisch böses Tun oder eine entsprechende böse Wesensdefinition Gottes in Koexistenz zu einer guten Seite, sondern nur ein zeitweiliges sich unter dem Gegenteil verbergendes oder sich abwendendes Handeln des Deus absconditus im Überschritt zur Gnadenofifenbarung. Dem Teufel wird in zeitlicher und qualitativer Differenz zu Gott ein gewisses Maß an Macht zugestanden, die aber nur eine verliehene und seit dem Abfall von Gott gegen Gott gewandte Macht darstellt. Aber es geht Jung nicht um ein Handeln Gottes oder auch des Teufels in personaler Distinktheit und im Gegenüberstand zum Menschen, sondern um eine adäquate begriffliche Explikation des im Unbewußten Befindlichen und deren impulsive Effektivität für den therapeutischen Weg der Ganzwerdung. Ein je nach den therapeutischen Bedürfnissen durchaus variables Gottesbild als Determinante des Unbevmßten, als apriorisch im eigenen Inneren mitgegebener Archetypus'" ersetzt Gott als unverfügbares, aber über den Menschen verfügendes Subjekt. Eine Hermeneutik der Existenz, die ein Sichbewußtmachen und Bejahen der eigenen Wesenskonstituentien anstrebt, tritt an die Stelle des Heilshandelns Gottes. Gott und Selbst konvergieren und Religion wird zu einer Beziehung des Menschen zu etwas, mit dem er wesensidentisch ist bzw. werden soll. Dem entspricht die immanente Begründung der Unsterblichkeit, die durch die Erweiterung des Unbewußten zu einer kollektiven Größe und die Partizipation des Individuums daran denkbar wird. Würde das Unbewußte personifiziert, so entstünde ein kollektiver Mensch, der über den Schatz der Niederschläge aller Ahnenleben verfugte und schon von daher über Geburt und Tod erhaben wäre''. Zudem kann die Auffassung des Lebens als einer Vorbereitung auf den Tod weniger wegen ihres Offenbarseins in der Schrift oder der Erfahrung des Handelns Gottes als aufgrund eines consensus gentium, einer unbestreitbaren Präsenz in der psychischen Tiefenschicht des Menschen, nicht ein ausgeklügeltes Gedankenkonstrukt sein".
Vgl. Jung, Trinitätsdogma, GW 11,183 Vgl. Jung, Dynamik, GW 8, 231. Zu den Parallelen hinsichtlich der erkenntnispsychologischen Funktion zwischen der Archetypentheorie und Kant vgl. Staub, Auffassung, 6.29; G. Hummel, Psyche, 298; Jacobi, Psychologie, 145 " Jung, Dynamik, G W 8, 398 " Ebd., GW 8, 467f.; vgl. ebd., 469.474
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III. Lebensgeschichtliche Persönlichkeit statt relational begründeter Personalität (R. Steiner)
1. Geistigkeit des Menschen durch intuitiv begründete Eigenaktivität Zentral- und Ausgangspunkt des anthroposophischen Systems Rudolf Steiners (1861-1925) ist der Mensch, von dem her und im Rahmen von dessen Möglichkeiten alles Weitere auszusagen ist. Es handelt sich um das Humanum, das „geistwärts ofifen" ist". Steiner zeichnet das Wesen des Menschen in einer doppelten Abgrenzung. Zum einen wendet er sich wie Jung gegen eine materialistische Reduktion der Wirklichkeit auf das sinnlich Erfahrbare und äußerlich Pafibare'"*. Einer geisteswissenschaftlichen Forschung, die in spiritualistischer Weise vermittelnde Instanzen wie das verbum externum des Schriftwortes umgeht, ist ein unmittelbarer Zugang zur hinter und über dem Physischen gelegenen übersinnlichen Welt möglich. Der Geistesforscher soll nicht auf Autorität und Offenbarung hin glauben, sondern denken, d. h. mit einem geöffneten geistigen Auge etwa die Geistgestalt in der physischen Gestalt der Lebewesen, die sinnlicher Wahrnehmung gegenüber unzugängliche Lebenskraft erkennen". In sich kann der Mensch den Weg zu dem Götdichen in der Welt finden^"'. Steiner fordert eine innere Empirie, ein inneres Erleben, das sich bei der Selbstbeobachtung einstellt^^. Die Naturwissenschaft wird der Realität des Seelischen nicht gerecht, weil in der Seele latent bestimmte Seelenkräfte schlummern'®. Der Unmittelbarkeit des Erkennens entspricht die Spontaneität des Handelns. Der Mensch soll nicht wie ein Automat aufgrund mechanischer Gesetzmäßigkeiten, wie sie mit seiner materiellen Konstitution gegeben sind, handeln". Zweitens lehnt Steiner aber auch die Möglichkeit einer Metaphysik, einer von außen herantretenden und den Primat und Vorbehalt Gottes wahrenden Offenbarung oder Bindung an ein Gebot ab. Der Mensch soll nicht sollen, was ein anderes, etwa götdiches Wesen will®. Der geistige Charakter des Menschen drückt sich - und darin liegt der entscheidende Unterschied zu Jung, der die sonstigen andmaterialisdschen bzw. antimetaphysischen Prämissen
'' Frieling, Wiederverkörperung, 86 Steiner, AP, 9 " Steiner, Theosophie, 37.38.41.141 Steiner, Christus, 143 " Steiner, SL, 32.41.50; ders., Anthroposophie, 20f. '' Steiner, AP, 16. Zum Ganzen vgl. Badewien, Anthroposophie, 33.79.82f.84f.90f.; Donat, Reinkarnationsidee, 176; Klingler, Menschenbild, 13f.; K. E. Becker, Anthroposophie, 2 2 " Steiner, PhF, 1 8 0 f . l 8 2 «> Ebd., 1 8 2 . 1 8 3
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teilt — in der Loslösung von allen überindividuellen bzw. externen Bezugsgrößen aus. Der Verweis auf das eigene Innere, das unmittelbar erlebbar und zugänglich ist, genügt, um die geistige Sphäre und die anthropologische Dimension der Geistigkeit zu erfassen, denn die Ideenwelt ist „in mir tätig"^'. Der Mensch soll nur sich folgen, d. h. aus eigenständig gewonnenen Impulsen und Intuitionen heraus handeln und sich nicht unterwerfen®^. Anders als etwa bei Kant kommt der Rekurs auf das spezifisch Geistige bzw. Vernünftige im Unterschied zum Natürlichen gerade nicht zu einem allgemein verbindlichen, weil allen Menschen kraft ihrer Vernunft inhärierenden sittlichen Gebot, sondern zu einem individuell differierenden Maß des Wollens®^. Der freie Mensch handelt sitdich, weil er eine sittliche Idee hat, d. h. aufgrund eines individuellen Zugangs zur Ideenwelt sein sittliches Gebot selbst zu bestimmen vermag". Die sittlichen Gebote sind dann Gedanken der Menschen, nicht Ausflüsse einer höheren Macht, sei sie materiell, göttlich-transzendent oder in der Weise eines apriorischen, universal bindenden Ethos begegnend·^'. Bei alledem ist die Freiheit aber nicht ein vorgegebener Zustand, sondern bleibt trotz aller Realisierung ein stets in einem Darüberhinaus liegendes Ziel. Der Mensch ist „ein sich entwickelndes Wesen", nicht ein „abgeschlossenes Produkt"^. Die Verbindung von akzentuierter Individualität und dem Entwicklungsgedanken wird sich als Proprium der Steinerschen Konzeption erweisen.
2. Biographische, nicht dualistische Fassung der Reinkarnation Nachdem die Existenz einer nicht-materiellen Dimension des Menschen nachgewiesen ist und deren Deduktion von einem göttlichen Externum, also von einem mirakelhaften Schöpfungsakt aufgrund der methodischen Reduktion auf die durch die menschlichen Möglichkeiten gesteckten Grenzen ausscheidet, bleibt nur eine Erklärung dieser Wirklichkeit aus sich selbst heraus übrig. Seelisches kann nur aus Seelischem entstehen®^. Von der Anwendung eines externe Verursachungsinstanzen ausschließenden Kausalprinzips her " PhF 170; vgl. ebd., 183 " PhF 1 5 1 . 1 5 4 f . l 5 8 . 1 6 6 f . l 6 9 . 1 7 3 . 1 7 6 ' ' PhF 163: „was für mich in dem individuellen Falle zu tun ist"; vgl. ebd., 176. In dieser Wendung gegen Kant ist ein Beleg dafür zu erkennen, daß Kants AutonomiebegrifF nicht eine Bindungs- und Gesetzlosigkeit meint. " Vgl. PhF 177f. ' ' Vgl. PhF 184 ^ PhF 185; vgl. ebd.: „Der Monismus weiß, daß die Natur den Menschen nicht als freien Geist fix und fertig aus ihren Armen endäßt ..."; vgl. Frieling, Wiederverkörperung, 20: „der Mensch, so wie er von der Schöpfimg herkam, offenbar noch nicht vollendet war ..." Vgl. dazu R. H u m m e l , Reinkarnation, 86f.; Ruppert, Reinkarnation, 91; Geisen, Anthroposophie, 2 6 0
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kann das Seelische in seiner gegenwärtigen Gestalt nur Folge früherer und Ursache späterer seelischer Wirklichkeit sein. Man beruft sich zum Erweis der Konsensfähigkeit des Daß dieses Sachverhaltes auf Origenes' Präexistenzpsychologie, die die Seele nicht einfach voraussetzungslos in das irdische Leben eintreten läßt''®, und auf die christliche Lehre vom Zwischenzustand bzw. allgemein: von der postmortalen Fortexistenz*^'. Letztere wird zwar gegenüber einer nihilistisch verstandenen Ganztodlehre verteidigt, aber ihr fragmentarischer Charakter hinsichtlich des Wie wird moniert^®. In diese Lücke stößt die Reinkarnationslehre vor, die an die These der Geistigkeit durch exklusiv individuell begründete Aktivität anknüpft, also vom Menschen als Handelndem ausgeht. Wie Jung nimmt Steiner in Antithese zu Locke die Präsenz von Schätzen der Vergangenheit im Geist an und bezeichnet die Seele als „treue Bewahrerin des Vergangenen"^', aber füllt das Vergangene nicht mit den Erfahrungen und der Denkarbeit des Menschheitskollektivs, sondern mit der vormaligen Tätigkeit des Individuums. Der Mensch wird nicht jeden Tag aus dem Nichts erschaffen, sondern erwacht, d. h. knüpft an die vor dem Schlaf vorhanden gewesene und selbt geschaffene Situation an^^. Das gestern Verrichtete ist heute in seiner Wirkung vorhanden, wobei das „Gestern" auch und vor allem im übertragenen Sinne als Rückverlängerung über die Grenze der Geburt hinaus zu verstehen ist^'. Der Mensch bereitet sich selbst sein Schicksal, das mit der Geburt vorgeprägt, weil durch das vorgeburtliche Tun bedingt ist^·*. Damit wird ein Zweifaches deutlich. Erstens ist die akthafte Begründung der Geistigkeit des Menschen zu präzisieren als Möglichkeit und Tatsächlichkeit einer individuellen Lebensgeschichte als eines in sich geschlossenen und nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktionierenden Systems. Während die Tiere eine rein gattungsmäßig-instinkthafte, d. h. durch ihnen vorgegebene Strukturen bedingte Entwicklung durchmachen, ist der Mensch Herr und Erbauer nicht nur einer Entwicklung, sondern einer Geschichte, die nur durch ihn und sein ihm jederzeit verfügbares Tun determiniert ist^^ Das Tier untersteht ebenso wie der menschliche Leib dem Gesetz einer durch Vererbung übertragenen kollektiven, weil gattungsmäßigen Konformität. Der ^ Frieling, Wiederverkörperung, 10 ® Steiner, Christus, 177 ™ Frieling, Wiederverkörperung, 66 " Steiner, Theosophie, 65 " Steiner, Theosophie, 79; ders., Grundlinien, 268: „der Mensch passiert mit jedem Aufwachen, jeden Morgen beim Aufwachen die Region seines vergangenen Karmas; er passiert jeden Abend beim Einschlafen die Region seines werdenden Karmas" " Vgl. Steiner, Theosophie, 79 Ebd., 71.83-85 Steiner, SL, 46; ebd., 47: „So wie er [der Mensch] die Erfahrung in Theorie verwandelt, aus der Natur die Wahrheiten des Geistes herausholt, so holt er aus dem Vergangenen die Regeln der Zukunft und wird dadurch zum Erbauer der Zukunft"
Rudolf Steiner
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Mensch im eigentlichen Sinne, d. h. als geistiges Wesen, stellt eine Gattung fur sich dar, deren Geschick nur aus dem individualgeschichtlichen Rahmen heraus erklärt werden kann^''. Zweitens wird die Reinkarnation in einer nicht-dualistischen, positiven Weise begründet. Beherrscht das fernöstliche Denken die Sehnsucht nach der Erlösung aus dem Kreislauf des Lebens und strebt Piaton die allmähliche Separation vom Materiellen an, so begrüßt Steiner die je neue Inkarnation als Vbllzugsmittel der gesamtbiographisch stattfindenden Progression. Er setzt Leib und Seele nicht gegeneinander, sondern verschachtelt die Konstituentien des Menschen ineinander^^. Die Entfaltung des Ich, das Eigentlichwerden des Menschen vollzieht sich nicht als Entkörperung, sondern als eine die materiellen Gegebenheiten bejahende Lebensgestaltung. Die Geistigkeit, die Eigentlichkeit des Menschen wird - wie gesehen - lebensgeschichtlich, nicht substantiell durch die Beziehung auf die Stofflichkeit begründet. Allerdings wird somit der christliche Gedanke der Personalität, der - sei er substanz- oder relationsontologisch begründet - die Wesensidentität und -kontinuität des Menschen in Abstraktion und Unabhängigkeit von seinem Wirken und Geschick bestimmt, überfuhrt in eine Persönlichkeit, die in der nie abgeschlossenen Gesamtheit des eigenen Tuns und Ergehens besteht. Das Wesen des Menschen wird zu einer verfugbaren Masse und zeichnet sich individuell gegenüber anderen nur aus durch ein So-und-nicht-anders-Gehandelthaben^'. Die Frage nach der Kontinuität stellt sich nicht, weil diese nicht der Ausgangs-, sondern Zielpunkt ist, d. h. die Aussage der Gesamtheit aller Einzeltaten und -leben^'. ' ' Vgl. Steiner, Tiieosophie, 69f.: „Was der Mensch bedeutet, das aber fängt erst da an, wo er nicht bloß Art-, oder Gattungs-, sondern wo er Einzelwesen ist"; „Wer über das Wesen der Biographie nachdenkt, der wird gewahr, daß in geistiger Beziehung jeder Mensch eine Gattung fur sich ist" " Ebd., 55: „Das Ich gibt die Trennung zwischen beiden, in der Art, daß sich das Physische in seiner Eigenart hingibt und einen Leib aufbaut, der eine Seele in sich aufleben läßt; und das Ich gibt sich wieder hin und läßt in sich den Geist aufleben, der nun seinerseits die Seele durchdringt und ihr das Ziel gibt in der Geisteswelt" (Hervorhebung im Original). Hinzuweisen ist auch darauf, daß Steiner in seiner dreifachen Untergliederung der trichotomischen Elemente die jeweiligen Rand- und Übergangsgrößen zusammenfaßt zu einem „empfindenden Seelenleib" und einer „geisterfullten Bewußtseinsseele": ders., Theosophie, 56f ; auch ebd., 9 0 f : „Die Seelen- und Geisteswelt sind nichts neben oder außer der physischen, sie sind nicht räumlich von dieser getrennt" (Hervorhebungen im Original) " Vgl. Frieling, Wiederverkörperung, 74: die Biographie als „Schicksalsgestalt", als „,Geistgestalt', die jedem Menschen in unverwechselbarer Einmaligkeit zugehört" " Frieling, Wiederverkörperung, 75, wehrt die Frage, ob man bei einer neuen Verkörperung noch derselbe sei, ab mit der Gegenfrage: „,bin ichs denn schon?' "; „Je mehr das wahre Ich des Menschen sich hervorarbeitet, desto ähnlicher wird es sich selbst"; zur Geringschätzung des theologischen PersonbegrifFs ebd., 95: ,Als diese bestimmte und einmalige Person stirbt man nur einmal"; „In einer nächsten Inkarnation würde die durchgehende ewige Individualität sich eine andere Person aufbauen, durch die sie ,per-sonat', ,hindurchtönt'. Aber der Tod ist jeweils
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Psychoanalyse und Anthroposophie
Weil der eigenständig agierende Mensch den Ausgangspunkt der Steinerschen Überlegungen bildet und der Selbstbezug des Menschen im Zentrum steht, kann der Welt- und Gottesbezug dem nur sekundär zugeordnet werden. Der Freiheit und Individualität des Menschen entspricht das Karma als immanent begründetes, weil quasi als Kehrseite der biographischen Existenz fungierendes Gesetz. Der Mensch ist dazu verpflichtet und in der Lage, ein durch sündiges Tun entstandenes Defizit in der Umsetzung der Vollkommenheitsforderung auszugleichen'". Die Sündenvergebung hat erst dort ihren Platz, wo es um die Auswirkungen des individuellen Tuns auf die Welt geht. Steiner erkennt also nicht wie die biblisch-reformatorische Tradition die vorgängig geordnete Welt als Rahmengefuge für das menschliche Tun, sondern denkt sich bleibende - positive wie negative - Strukturen der Welt als erst durch die menschliche Aktivität produzierte und gleichsam eingeprägte®'. Allerdings ist dem Menschen der Bereich der Welt nicht in demselben Maße verfügbar wie der seines eigenen Lebens. Er bedarf der Sündenvergebung als einer kosmischen, nicht einer karmischen Tatsache®^. Das Wirken Gottes wird notwendig, um die negativen Elemente der Auswirkungen unserer Taten für die Welt zu beseitigen und so auch die Welt der Vollkommenheit zuzuführen®^. W ä h rend in der römisch-katholischen Beichtpraxis neben der absoluten, d. h. auf die ewigen Sündenfolgen bezogenen Vergebung die satisfaktorische Leistung des Menschen hinsichtlich der zeitlichen Sündenstrafen tritt, beides aber prietwas Einmaliges" (Hervorhebungen im Original); vgl. Steiner, Theosophie, 81: „In dem, was ,ihm geschieht', wird er das eigene Ich erkennen". Es wird nicht deutlich, zu welchem Zeitpunkt der stetigen Progression das Gericht stattfinden soll, das Frieling, Wiederverkörperung, 77, wohl nur deswegen gewahrt wissen will, weil er als Mitglied der „Christengemeinschaft" die terminologische Berührung von Anthroposophie und Christentum sucht und die Reinkarnation als modale Füllung des Zwischenzustandes auszuweisen bemüht ist. Zur Kridk am Reinkarnationsgedanken aus chrisdicher Sicht auch: Nocke, Reinkarnation, 270f.278-280; Ruppert, Reinkarnation, 117f.; Zander, Reinkarnarion, 309fF.: Hinweis auf unterschiedlichen Stellenwert des Reinkarnationsproblems in Anthroposophie und Christentum; These der objektiven Erkennbarkeit der geisrigen Welt und des Hellsehens Steiners als eigenständiger Erkenntnisquelle ebenso problematisch wie der Emanations- und Reditusprozeß des Götdichen statt Unterschiedenheit des Menschen gegenüber Gott und Inkomparibilität gegenüber den empirischen Humanwissenschaften wegen Doppelung der Identität. Steiner, Christus, 182: „klar ..., daß der Mensch allerdings seinem Karma unterworfen ist, daß er dasjenige, was er als Unrecht getan hat, karmisch auszugleichen hat"; „er kann den Grad von Vollkommenheit, den er hatte, bevor er das Unrecht tat, erst wiedererringen, wenn er das Unrecht ausgleicht"; vgl. ebd., 188f. " Vgl. Steiner, Theosophie, 79: „nicht nur dem Geiste ... prägt die Seele ihre Erlebnisse ein, sondern ... auch der äußeren Welt durch die Tat" (Hervorhebung im Original); vgl. ebd. 80: „In ihr [der Welt] sind die Spuren seiner Taten eingeprägt". Ders., Christus, 183: „Wir müssen unterscheiden die Folgen einer Sünde für uns selbst, und die Folgen einer Sünde für den objektiven Weltengang" " Steiner, Christus, 188 " Ebd., 206: „Hätten wir den Christus zurückgewiesen, so würden am Ende der Erdenzeit unsere einzelnen Inkarnationsreste zerstreut dastehen"; vgl. ebd., 205
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mär von Gott und seiner Forderung her bestimmt wird, kehrt Steiner das DifFerenzierungsmodell des Sündenverständnisses um. Auf der absoluten Ebene steht das Karma und die ausgleichende Tätigkeit des Menschen. Auch auf der zeidich-weltlichen Ebene, die wie die absolute durch die Konfrontation mit einem der Existenz inhärierenden abstrakten Vollkommenheitspostulat entsteht und nicht von Gott her bestimmt wird, steht am Anfang die menschliche Tätigkeit. Gottes Wirken tritt erst hinzu, weil sozusagen der Aktionsradius des Menschen in der Welt nicht ausreicht. Es wird zudem so verstanden, daß es eine Erweiterung und Intensivierung, aber nicht eine Konstitution der menschlichen Möglichkeiten und Taten herbeiführt®'*. Die Begründung der postmortalen Fortexistenz als solcher kommt ohne einen Rekurs auf Gottes, sei es schöpferisches oder erlösendes, Wirken aus. Sie erfolgt durch die Akzentuierung des Lebensvollzugs als der Explikation der geschichdich verstandenen - Tiefenschichten und -fähigkeiten des Menschen.
" Es geht u m eine „Bewußtseinserweiterung" (Frieling, Wiedeгvericöφeгung, 39), ein Einströmen- bzw. Einstrahlenlassen Christi (ebd., 41.47; vgl. Steiner, Christus, 146.168), u m die Aufnahme Christi als eines „character indelebilis" (Frieling, Wiedeгverköφeгung, 110), eine „Durchchristung" (ebd., 49.66; vgl. Steiner, Christus, 167). Zwischen Christus und Christen besteht nur eine graduelle Differenz: Frieling, ebd., 79: „Die Menschheit ist verloren, wenn nicht ein Wesen höherer, ja höchster Ordnung ihr zu Hilfe kommt, das einen ... viel größeren vAktionsradius' hat als der Mensch und das die Macht besitzt, es mit jenem Unheilsfaktor aufzunehmen". Ein bezeichnender Beleg fur die Ein- und Unterordnung Gottes unter den Weltbezug des Menschen und ein auch ohne Gott bestehendes Perfektionspostulat ist die Parallelisierung von Welt und Gott bzw. in einem ursprünglich auf Gott bezogenen Schriftbeleg zur Beschreibung der Weltdimension der Tatfolgen: Frieling, ebd., 79: „sondern im unsichtbaren geistigen Weltbestand etwas ver,bricht"'; Ps. 51: ,vAn Dir [Gott] allein habe ich gesündigt"
ANWENDUNG
G. Asymmetrisches Übergewicht des worthaften Wirkens Gottes als Ereignis des Seeleseins praktisch-theologische Konsequenzen I. Soteriologische, nicht hermeneutische Neuqualifizierung der kasueUen Situation - Begründung der Bestattung Weit verbreitet ist die Ableitung des kirchlichen Tuns der Bestattung aus der Bedürfnislage der Angehörigen bzw. aus der Forderung nach unterstützender Begleitung und Stabilisierung in einer durcheinandergebrachten Gefuhlsdisposition. Dem Pfarrer fällt dann zu die Rolle eines Krisenagenten, eines Statisten in der sich im exklusiv immanenten Rahmen vollziehenden Aktion zur Bewältigung eines Schicksalsschlages, eines irritierenden Punktes auf der Linie der individuellen Lebensgeschichte der Angehörigen'. Die Kirche tritt ergänzend hinzu, um gewisse Defizite des hermeneutischen Koordinatensystems von Individuum und Gesellschaft zur deutenden Einordnung und Bewältigung des Außerordentlichen auszugleichen. Die Angst soll reduziert, die Emotionen sollen kanalisiert werden^. Das Ritual vermag aufgrund seines geordneten Charakters wenigstens vorläufig dem ungeordneten Inneren der Angehörigen ein beruhigendes Therapeutikum entgegenzusetzen'. D e m kirchlichen Tun kommt eine impulsartige Wirkung zu in der Forcierung der Abfolge verschiedener psychischer Phasen, die auf eine zunehmende Akzeptanz des Todes als eines unumgänglichen zielen. Analog zu den von Elisabeth Kübler-Ross in Gesprächen mit Sterbenden ermittelten Sterbephasen werden fur den Umgang der Angehörigen mit dem Verlust eines Familienmitgliedes diverse Phasen konstruiert, an deren Ende die Möglichkeit zur vollständigen Reintegration in das gesellschaftliche Leben steht''. Ausgangspunkt ist dann
' Vgl. dazu Wölfle, Auftrag, 92.107 ^ R Krusche, Begräbnis, I46f. ' Vgl. R Krusche, Begräbnis, 147; Josuttis, Praxis, 196 ^ Vgl. Hasler, Trauer, 204-206; R Krusche, Begräbnis, 163f.: Schockphase, kontrollierte Phase, regressive Phase, adaptive Phase
Begründung der Kasualie Bestattung
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nicht das Wort Gottes, auf das der Mensch hört, sondern der Mensch, der die Schrift exemplarisch-selektiv als einen Faktor unter anderen zur Anreicherung seines immanenten Bewältigungspotentials heranzieht. Die Adäquatheit der Schrift bzw. der theologischen Rede gegenüber der Situation ist ausschlaggebend. Es kann so nur zu einer linearen und analogen Verlängerung des Innermenschlichen kommen, nicht aber zu einem qualitativen "Wechsel von außen her. Das Schrifiwort wirkt signifikativ, der Heilige Geist impulsiv in der graduellen Veränderung der psychischen Struktur'. Es ist nicht verwunderlich, daß sich gegen eine derartige Praxis und Begründung der Bestattung Kritik von neomarxistischer Seite her erhoben hat. "Wenn vom qualitativ umstürzenden, weil richtenden und rettenden Handeln Gottes abgesehen und ein Programm zur Restituierung einer ausgeglichenen Gefiihlslage proklamiert wird, bleibt in der Tat letztlich alles beim Alten. Man wird allerdings nicht sagen können, die Kasualien als solche führten eine Verschleierung der wahren Situation des Menschen herbei''. Das würde bedeuten, Eigendichkeit und "Wesen des Menschen von gesellschaftlichen Dependenzund Interaktionsverhältnissen statt vom Gottesverhältnis her zu bestimmen. Die Kasualhandlungen können, richtig verstanden, sehr viel an der Situation des Menschen vor Gott ändern. Auf einer anderen Ebene als die Reduktion der Begründung der Bestattung durch die Bedürfnisse des Menschen, die als durch ein konkretes Ereignis erfolgte Erschütterung der Geftihlslage bedingt und als menschliches Produkt aufgefaßt werden, liegt eine grundsätzliche Betrachtung und Einordnung der Bedürfnisse. Diese werden dann als ein anthropologisches Grunddatum, als kreatürliches Wesenskonstitutivum, d. h. als Eingeständnis der eigenen Be' Vgl. Milchner, Beerdigung, 119: „Lassen Sie uns heute gemeinsam Trauer tragen, lassen Sie uns und nach Worten suchen, die jetzt Trost und Hoffnung sein können" (Hervorhebung vom Verfasser; man beachte auch die Ersetzung der indikativischen Rede - aus der Gewißheit des sich an das Schriftwort bindenden Wirkens des Heiligen Geistes heraus - durch den Potentialis); , ^ l s ein solches Zeichen der Hoffnung und des Trostes möchte ich diese Ansicht heute mit Ihnen verstehen"; ebd., 120: „Fragen wir so, dann reichen menschliche Antworten nicht aus. Die Bibel bietet sich an. und damit kommt Gott gewissermaßen in unser Blickfeld ..."; ebd., 122: „Im Namen des Heiligen Geistes, der die Kraft ist, die uns durch dunkle Tage zum Licht führt"; ebd., 134: „Gott, wir wagen es, auch dir dieses Leben wieder anzuvertrauen, wir möchten es dir zutrauen, daß du jetzt, wo wir ihn loslassen müssen, daß du jetzt mit ihm weitergehst, deinen weiteren Weg, durch den Tod hindurch. Das kann eine Hoffnung für uns sein, eine unbeschreibbare ... aber eine zum Leben ermutigende Hoffnung" (alle Hervorhebungen vom Verfasser). Zur immanent-innermenschlichen Reduktion der Begegnung mit dem Tod vgl. F. K. Barth, Agende, 79: ,ДсЬ Gott, wie hat dies Sterben unser Leben durcheinandergebracht!". Wie sehr hebt sich davon ein älterer Entwurf wie z. B. der Herbergers, Leichenpredigten, 7 2 - 7 4 . 7 8 f , ab, der die Beerdigungspredigt und den Bestattungsvollzug im Wort Gottes fundiert und stets neu darauf rekurriert, wobei das Wort Gottes mit einem Seelenhonig angesichts der Bitterkeit des Todes verglichen und seine Wirkung im Überschritt vom Tod und Gericht zum ewigen Leben gesehen wird. '' Dazu Ahuis, Kasualgottesdient, 85; vgl. Josuttis, Praxis, 198
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Praktisch-theologische Konsequenzen
grenztheit und des Angewiesenseins auf eine externe, erhaltende Macht erkannt. Es handelt sich demzufolge um so etwas wie eine diffuse Religiosität, die ihren Ort und Grund in der Schöpfungslehre hat^. So kommt es im Rahmen eines Korrelationsmodells zu einer Anknüpfung der Verkündigung an die Erwartungshaltungen der Angehörigen des Verstorbenen. Zwar wird man nicht einer Vergleichgültigung der kasuellen Situation das Wort reden dürfen und die Beerdigung als eine exemplarische Gelegenheit neben anderen zu betrachten haben, in der das situationsüberlegene Evangelium zu verkündigen ist®. Andererseits aber dürfen nicht die Bedürfnisse und Erwartungen, nicht die Situation als solche, nicht ein verselbständigtet erster Artikel das Daß und Was des kirchlichen Tuns, der Verkündigung bestimmen'. Die Kirche handelt vielmehr im Auftrag Gottes und bezieht die Inhalte ihrer Verkündigung aus dem Wort Gottes'". Es darf nicht nach dem Gelegensein der Verkündigung gefragt werden, nach motivierenden oder behindernden Rahmenbedingungen in Raum und Zeit {2.Tim. 4,2), sondern die Kirche hat als hörende, als creatura verbi, als vom „Dominus dixit" herkommende das Wort weiterzugeben". Wie der Tod weniger ein natürliches als ein theologisch begründetes Phänomen ist, so fuhrt die Konfrontation mit dem Tod eines anderen weniger nur die eigene Kreatürlichkeit und Vergänglichkeit als das Sündersein, die Verantwortung vor Gott als dem Richter, den Konnex von Sünde, Tod und Gericht vor Augen. Todeserfahrung und Verkündigung befinden sich nicht in einem konsekutiven, korrelativen Verhältnis, sondern die Begegnung des Menschen mit dem Tod wird bereits in Gottes nicht nur schöpferisches, sondern erlösendes Wirken hineingenommen. Es geht nicht so sehr um die Abfolge von menschlichem Suchen und göttlicher Antwort, von Schöpfung und Erlösung als um den dialektischen Überschritt vom Gesetz zum Evangelium, vom Gericht zur Rettung innerhalb des erlösenden Wirkens Gottes. Die Angst, deren Reduktion sich der hermeneutische Ansatz zum Ziel gesetzt hat, ist nicht nur in einem durch den Verlust eines geliebten Menschen bedingten Defizit gegenüber der emotionalen Sollbestimmung begründet, sondern auch in dem „Memento mori" der Todesnachricht. Sie ist Kennzeichen des durch den ' So dezidiert Ahuis, Kasualgottesdienst, 70f. (im Anschluß an W. Trillhaas); kritisch: Wölfle, Auftrag, 55f.66f. ' So Mezger, Amtshandlungen, 39: „... die Amtshandlungen ... [sind] nicht mehr, aber auch nicht weniger als die homiletische, liturgische und pastorale Applikation des Evangeliums"; unter stärkerer Einbeziehung des Kasus: Dehn, Amtshandlungen, 13; kritisch dazu: Ahuis, Kasualgottesdienst, 58 ' R. Bohren, Kasualpraxis, 5f.l5.16.17, ruft die Pfarrer zum Streik auf und negiert den Charakter der Beerdigung als einer missionarischen Gelegenheit. Der Pfarrer werde zumeist zu einem Zeremonienmeister im Dienst privater Wünsche gemacht, die Kirche zu einem Dienstleistungsbetrieb. Vgl. Wölfle, Auftrag, 38f.; Jordahn, Begräbnis, 9 " Vgl. Wölfle, Auftrag, 75-77; Josuttis, Praxis, 196; Seitz/(Breit), Beerdigung, 39
Begründung der Kasualie Bestattung
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überfuhrenden Anspruch Gottes zutiefst erschrockenen Gewissens (conscientia perterrefacta). Nicht das immanente "Wohl, sondern das Heil vor und durch Gott muß das Ziel kirchlichen Handelns sein. Die situativen, kasuellen Faktoren übernehmen daher weniger eine aktive, dominierende als eine rezeptive Rolle als ganz und gar von der Verkündigung bzw. vom Handeln Gottes gesetztes, bestimmtes, ausgefülltes Rahmengefuge. Die Wendepunkte des Lebens allgemein sind besondere Stationen desselben insofern, als hier der von der Transzendenz und Ewigkeit bestimmte, theologisch-relational aufgeladene Kairos auf den Chronos der Biographie auftriflft'^. Das bedeutet aber, daß nicht die Biographie als solche, nicht die Ängste bestimmend wirken und zu thematisieren wären, sondern der Ort und Gegenstand der Verkündigung bei der Bestattung sind. Der erfolgte Einschnitt in den Ablauf des Lebens gibt zwar das Thema, nicht aber den Inhalt des kirchlichen Tuns und Redens vor, insofern dieses nicht bei dem Todesereignis stehen bleiben darf Der Rekurs auf den allen an der Bestattungsfeier Beteiligten vor Augen stehenden Tod erlaubt es, die allgemeine Botschaft des Evangeliums zu konkretisieren als Nachricht und Zueignung der Überwindung des Todes durch Christus. Die Bestattung wird dann zur Proklamation der Auferstehung, des Sieges und des Siegers über den Tod'^. Die Auferstehungsbotschaft, wie sie im Zentrum der Bestattung stehen sollte, qualifiziert die Todes- und Trauersituation insofern neu'^, als entgegen der auf die zwischenmenschlichen Beziehungen fixierten Trauer die Gottesbeziehung eröffnet, d. h. der Blick nach außen auf das Tun Gottes in Christus aufgetan wird". Mit der Verkündigung der Auferstehung ist nicht ein Urteil über Heil oder Unheil des Toten gefällt, weil es auch eine Auferstehung im Sinne eines ewigen Sterbens geben kann. Über die Existenz und Intensität des Glaubens des Verstorbenen kann nichts Letztgültiges gesagt werden. Als fixierbare Grunddaten der Gottesbeziehung und zureichende Kriterien für die Übernahme oder Ablehnung der Bestattung kommen nur die Taufe oder ein möglicher
Vgl. Seitz, Kasualpraxis, 44f. Wölfle, Auftrag, 101.109f.l 12, definiert die Bestattung als einen Stationsgottesdienst, dessen Verkündigung in die besondere, konkrete Situation hinein erfolgt; zudem weist er zur Begründung der Bestattung darauf hin, daß trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Befehls zur Bestattung von einer solchen häufig in der Schrift wie selbstverständlich berichtet wird bzw. Jesus als ein gegen den Tod Angehender dargestellt wird (z. B. Lk. 7,11-17) Zu diesem Anliegen vgl. Ρ ¡Crusche, Begräbnis, 181 '' Die Phasen des Umgangs mit dem Ereignis des Verlustes eines einem nahestehenden Menschen erhalten von daher eine theologisch-relationale Zentrierung und Vertiefijng. Nicht die Gefiihlssituation als solche, sondern das Ringen mit Gott steht im Vordergrund: der verborgene Gott wird zum Gegner, zur Anfechtung, zum unbekannten Gott; schließlich gelingt der Uberschritt zur Sinngebung des Todesfaktums von der Verkündigung, vom Sich-OfFenbarmachen Gottes her. So bei Seitz, Theologie, 135-137; vgl. ders./(Breit), Beerdigung, 20.30
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Praktisch-theologische Konsequenzen
Kirchenaustritt in Frage'®. Aus dem Gehandelthaben Gottes in der Taufe erwächst die Gewißheit über sein Weiterhandelnwerden. Der Namensnennung bei der Taufe korrespondiert diejenige bei der Bestattung'^.
IL Theozentrische Doxologie, nicht nekrologische oder ethische Reduktion auf die Immanenz - der Vollzug der Bestattung
1. Handeln fiir den Toten? Die Frage nach dem Ausgangspunkt, nach dem primär tätigen Subjekt und entsprechendem Objekt, danach, ob Gott handelt oder ihm gegenüber gehandelt wird oder ob er überhaupt vorkommt, entscheidet über die Weichenstellungen auch im Vollzug der Bestattung. Dem substanzontoiogischen Seelenverständnis, das die Seele gegenüber dem aktuell-simultanen Handeln Gottes isoliert, und der Annahme des Zwischenzustandes korrespondiert die römisch-katholische Praxis eines Handelns für den Toten. Dies geschieht im stellvertretenden Erwerb von Verdiensten durch den Vollzug des Meßopfers zugunsten des Verstorbenen. Den im Fegefeuer befindlichen Seelen kann durch fürbittendes Gebet und die Erlangung und Zueignung von Ablässen geholfen werden'®. Die ältere Begräbnis- und Sterbeliturgie kennt die direkte Anrede an die Seele, die Aufforderung an die Engel zu deren Geleit und Aufnahme, die Übergabe (commendatio) der Seele an Christus als den Seelenhirten. Die Seele des Verstorbenen durchschreitet als ontisches Kontinuum die geöffneten Tore des oberen Jerusalem". Die neuere Liturgie vermeidet zwar den Seelenbegriff, aber betont weiterhin das meritorische Wirken der noch Lebenden für den Verstorbenen^". Das Problem dieser Auffassung besteht darin, daß die Möglichkeit zur Veränderung und Beeinflussung des Standes vor Gott über die Todesgrenze hinaus ausgedehnt wird und Gott nur eine reagierende, nicht aber primär agierende Rolle zugedacht wird^'. Von der Reformation wird das furbittende Gebet für die Toten entweder ganz oder zumindest in seinem meritorischen Charakter abgelehnt^^. '' Vgl. Wöifle, Auftrag, 12.135; Jordahn, Begräbnis, 31. Dies schließt nicht aus, daß den Angehörigen gegenüber gerade das „sola fide" neben dem „sola gratia" betont wird, wie W. Krusche, Beerdigungspredigt, 413.415f.426, es zu Recht einfordert. " Vgl. Seitz/(Breit), Beerdigung, 37f.; Wöifle, Auftrag, 129; Dirschauer, Tod, 164 DS 1304.1398.856; dazu Merz, Gebet, 338; Maser, Bestattung, 3 - 5 " Vgl. Schneider, Begräbnis, 54f.59.60.62f.; Martens/Heuschen, Sterbeliturgie, 63. 66f. ^^ Messbuch, 1 1 6 1 : „wir feiern das Opfer der Versöhnung fiir deinen Bruder ... N.. den ... wir heute bestatten"; ebd.: „Reinige ihn (sie) durch die Kraft dieses Opfers, befreie ihn (sie) von der Last seiner (ihrer) Sünden und laß ihn (sie) auferstehen zur ewigen Freude"; ebd., 1166: „sieh gnädig auf die Gaben, die wir fiir deinen Diener ... N. darbringen" Vgl. dazu Merz, Gebet, 337 ^^ Merz, Gebet, 3 3 8 f Ein Beispiel fiir ein Gebet für den Toten, das Gott als Subjekt heraus-
Vollzug der Kasualie Bestattung
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In eine ähnliche Richtung wie die römisch-katholische Handlung fiür die Toten zielt der hochkirchliche evangelische Ansatz Helmut Echternachs, der ausgehend vom alttestamentlichen Terminus „Entschlafen mit den Vätern" das Bleiben der Bezugsgröße „Väter" aufgrund der Kontinuität des Segens über den nachfolgenden Generationen aufeeigt^^ Der Segen drängt zum Leibhaftigen, haftet dem Leib des Toten an und ist der Garant der Auferstehung, weil er als einmal über den Toten ausgesprochener nicht aufhören kann, sich aber bleibend an die leibliche Basis bindet". Der Segen bleibt, auch wenn der Mensch in Staub zerfällt und wird ihn einst wieder beleben, wie der Regen die Saat zum Leben erweckt^^ Es handelt sich um eine quasi ontische bzw. naturhafte, nicht um eine unverftigbar bleibende und je neu worthaft-aktual gesetzte Wirkmacht und -kraft. Ein positiv qualifiziertes ewiges Leben ist ohne die zuvor eingeströmten Lebenskräfte des Sakramentes und des Segens nicht möglich^^. Wenn der Segen den Heiligen Geist austeilt und auf diesen seinen eigenen Charakter überträgt^^, dann wird der Geist von einer akthaften in eine naturhafte Größe überführt. Die verbum-fides-Korrelation, wie sie fiir das Geisteswirken konstitutiv ist, ist gegenüber den Toten nicht möglich. Die Kontinuität des pneumatischen Wirkens Gottes, wie sie den Überschritt zur Auferstehung ermöglicht, verliert ihren aktuell-koinzidenten Modus. Der Segen wird nicht ständig erneuert und in dem je neu ausgesprochenen Verheißungswort manifest, sondern bleibt als ein einmal ausgesprochener bestehen"^'. Dem entspricht es, wenn Echternach eine Segnung sei es des Grabes oder des Leichnams als eine dedikative Übergabe an Gott mit der Unwiderrufbarkeit eines „Charakter indelebilis" auffaßt und den Gesegneten als „Schaltstelle für übernatürliche Kräfte" bezeichnet^'.
2. Immanent-reduktionistische Konsequenzen fiir die Lebenden Während Echternach in seinem Handeln für den Toten die Transzendenz im Blick hat, aber mit sich zu sehr an die Immanenz bindenden Mitteln - allerdings unter Vermeidung meritorischen Denkens - dorthin vermitteln will, verbleiben andere Ansätze völlig im immanenten Raum. Hier ist zum einen
stellt und die Annahme vorgängiger Verdienste vermeidet, bietet das Kirchenbuch/Württemberg (1908), 198f.: „Der Herr, unser Gott, verleihe unsrem ... in Christo entschlafenen Mitchristen ... eine sanfte Ruhe ... Er schenke ihm ... am jüngsten Tage eine selige Auferstehung" " Echternach, Kirche, 226 " Vgl. Echternach, ЮгсЬе, 235 " Ebd., 237 Ebd., 236.237 " Vgl. ebd., 238 ^ Zum Konnex des Segens mit dem Evangelium von der Vergebung vgl. Mann, Wunder, 41.43 " Echternach, ЮгсЬе, 239.51.57
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Praktisch-theologische Konsequenzen
die ethisierende Reaktion a u f den Tod des anderen zu n e n n e n . D e r Tod w i r d n u r in seinen A u s w i r k u n g e n a u f der i m m a n e n t e n Ebene o h n e alle t h e o l o gisch-vertikalen Bezüge betrachtet'". D i e praktischen K o n s e q u e n z e n f u r die A n g e h ö r i g e n u n d Lebenden sind nicht dergestalt, d a ß eine V o r b e r e i t u n g a u f das G e r i c h t G o t t e s angesagt wäre; v i e l m e h r geriert das aus der Perspektive der L u s t m a x i m i e r u n g als v e r p f u s c h t erscheinende Leben des Verstorbenen als ein Negativexempel u n d G e g e n b i l d des gewünschten Lebensvollzugs''. A n die Stelle eines Bekenntnisses zur U n v e r f ü g b a r k e i t des Lebens u n d des D a n k e s f ü r die G a b e desselben tritt ein P r o g r a m m zur Realisierung des Lustprinzips, zur Erlangung eines H ö c h s t m a ß e s an a n g e n e h m e n R a h m e n b e d i n g u n g e n u n d inhaltlichen F ü l l u n g e n des Lebensverlaufs, die i m Rückblick als befriedigendes Trostmittel angesichts der N o t w e n d i g k e i t des Sterbens erscheinen. Letztlich k o m m t es zu e i n e m Rückfall in die zumindest teilweise v o r h a n d e n e Fixier u n g des A l t e n Testaments a u f i m m a n e n t e Güter, n u r d a ß diese n i c h t als G a b e n G o t t e s d a n k b a r e m p f a n g e n , sondern als ein d e m M e n s c h e n mögliches u n d o f t s c h u l d h a f t vernachlässigtes P r o g r a m m hingestellt werden'^. D i e A u f erstehung w i r d so n u r m e h r zur C h i f f r e f u r die V e r ä n d e r u n g der M o d a l i t ä t e n des hiesigen Lebens''.
Marti, leichenreden, 51: „wir müssen platz machen/hat er gesagt/... und jetzt/hat er platz gemacht"; ebd., 49: „sterblich zu sein/ ist bitter genug/am bittersten aber/daß selbst der tod zur gnade uns wird"; ebd., 33: „... es war eine gute ehe/jetzt ist das gefängnis gesprengt" " Marti, leichenreden, 31: „betrauern wir diesen mann/nicht weil er gestorben ist/betrauern wir diesen mann/der nichts war als arbeit und pflicht/betrauern wir diesen mann/weil er immer getan hat/was man von ihm verlangte/... betrauern wir diesen mann/nicht weil er gestorben ist/betrauern wir diesen mann/weil er war wie auch wir sind - /betrauern wir uns" " Marti, leichenreden, 23: „dem herrn unserem gott/hat es ganz und gar nicht gefallen/daß gustav e. lips/durch einen verkehrsunfall starb ... [Aufiählung von Gründen, v.a. seiner Bedeutung für andere Menschen]/dem herrn unserem gott/hat es ganz und gar nicht gefellen/daß einige von euch dachten/es habe ihm solches gefallen/im namen dessen der tote erweckte/im namen des toten der auferstand/wir protestieren gegen den tod von gustav e.lips"; ebd., 35: „... liebe gemeinde/wir befehlen zu viel/wir gehorchen zu viel/wir leben zu wenig"; ebd., 41: „welche wohltat/in einer weit/die vor tüchtigkeiten/aus den fugen gerät:/ein mann der sich gute tage/zu machen wußte/ehe nach einigen bösen/jetzt/der letzte tag fur ihn kam"; ebd., 43: „er aber wich/seinen vielen ratern und rettern/geflissentlich aus/und wählte/meistens/den schlechteren weg-/oder was wir/den schlechteren nennen/bleibt uns die fr.^e:/ob vielleicht/der schlechtere weg/ftir ihn/der bessere war?" (alle Hervorhebungen vom Verfasser) " Ebd., 25: „ihr fragt/wie ist/die auferstehung der toten?/ich weiß/nur/wozu Er uns ruft:/ zur auferstehung heute und jetzt": ebd., 63: „aber es kommt eine auferstehung/die anders ganz anders wird als wir dachten/es kommt eine auferstehung die ist/der aufstand gottes gegen die hgrren/und gegen den herrn aller herren: den tod" (Hervorhebungen vom Verfasser). Auch bei Milchner, Beerdigung, 135, wird nur auf den Modus des Sterbens abgehoben: „Gott, verschone uns vor dem bösen, schnellen Tod". Der Begriff des „Verlorengehens" wird seiner soteriologischen Bedeutung entkleidet und auf den Lebensvollzug ausgedeutet: ebd., 140: „Herr, laß uns nicht verloren gehen, heute nicht, wo wir weinen, und nicht in der Stunde unseres eigenen Todes, sondern leuchte uns mit deinem Licht von vorne her auf den Weg unseres Lebens, damit wir sicher schreiten voller Vertrauen, voller Liebe und mit Hoffnung"
Vollzug der Kasualie Bestattung
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Eine zweite Möglichkeit einer vollständigen Einebnung des kirchlichen Handelns auf die Immanenz liegt dort vor, wo die Angehörigen über die grenzenlose Laudatio des Verstorbenen sich ihrer eigenen Bedeutung versichern lassen wollen. Die Beerdigungspredigt verkommt zu einer Affirmation positiver biographischer Leistungen und zur Projektion des Idealbildes und -programms, dem die Familie des Verstorbenen entsprechen möchte. Wenn nicht der Nekrolog zum alles dominierenden Konstitutivum und die Rechtfertigung als aufgrund moralischer Integrität und beruflich-familiärer Korrektheit geschehend ausgewiesen werden solP"*, muß die Biographie weniger in ihrer horizontalen Linearität als vertikal-relational bewirkten Punktualität gesehen werden. Nicht das Lob des Toten ist das Ziel, sondern der Dank an Gott als dem Geber und Subjekt des aus theologischer Sicht Guten, des durch den Verstorbenen zu seinen Lebzeiten für, vor - und durch - Gott Getanen^^ Die Verkündigung kann nicht auf biographische Bezugnahmen verzichten, wird diese aber auf solche Punkte beschränken, die ihrem Inhalt nach Teil der Verkündigung sind. So schrumpft für Luther das Leben des verstorbenen Kurfürsten auf das eine Ereignis seines Bekenntnisses zu Tod und Auferstehung Christi auf dem Reichstag in Augsburg zusammen^''. In der Anfechtungserfahrung ist ein tröstender Schatz allein im Christusgeschehen und im gläubigen Anschluß an dieses zu finden^^. Tröstend wirkt nur die Gewißheit der Sündenvergebung um Christi willen, der Vollzug der Gottesbeziehung. In die Verzweiflung fuhrt hingegen das Disputieren über die positiven und negativen Werke und Leistungen im Lebensverlauf, zu dem der Teufel die Menschen verfuhrt^'. Daher bietet es sich an, der Bestattungspredigt weniger zum individuellen Charakter passende als solche Schriftstellen zugrundezulegen, die an früheren - geisdichen - Lebenseinschnitten bedeutsam waren (Taufe, Konfirmation, Trauung) oder allgemein den Rekurs auf das objektive Handeln Gottes für uns manifest werden lassen^'. Der Blick auf Christus, der stellvertretend den Tod in seiner ganzen Härte als Gerichtsvollzug getragen hat, läßt
^ Dazu Wölfle, Auftrag, 105; zur These Bohrens von der weithin praktizierten Verleugnung der iustificatio per fidem: Seitz/(Breit), Beerdigung, 16; vgl. W. Krusche, Beerdigungspredigt, 415.420f Vgl. Sein/(Breit), Beerdigung, 32; Maser, Bestattung, 52 ^ WA 36, 246, 26f.: „Darumb sind alle andere sunden nichts gegen diesem einigen stueck, das man Christus tod und aufferstehung nicht verleugnet, sondern öffentlich bekennet". Dazu Zahrnt, Predigt, 112 ' ' Vgl. Luther, WA 36,252,14-16 Luther, WA 36,252, 20-22: „Ob ich schon gesuendigt habe, das schadet mir nicht. Ich wil nicht mit dir da von disputiren, was ich boeses odder gutes gethan habe"; 36,252,25-27: „Es gilt itzt nicht disputirens, sondern troestens mit den Worten, Das Jhesus Christus ftier mich gestorben und aufFerstanden ist"; 36, 253, 16-18: „Hie ist nu des teufifels rechte kunst..., das er uns von dem trost hinweg reisset und fiieret uns die weil jnn ein disputatio, wie from wir sein" Vgl. Luther, WA 36, 253, 28f.: „Des zu einem warzeichen habe ich seine liebe TaufF, sein Euangelium, sein wort und Sacrament"; auch: Maser, Bestattung, 48
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Praktisch-theologische K o n s e q u e n z e n
unseren Tod wegen der Gewißheit des Überschrittes zur Auferstehung und der bleibenden Verbundenheit mit Christus nurmehr einen Schlaf sein^°. Das, was Gott im Leben des Verstorbenen gewirkt hat, ist das Bleibende, nicht aber die von der Welt gerühmten und bald wieder vergessenen irdischen Werke^'. Der Verlust auf der zwischenmenschlichen Ebene kann nicht durch das Gedenken an die gemeinsam mit dem Verstorbenen verbrachte Zeit kompensiert werden^^. Vielmehr bleibt die Beziehung zum Verstorbenen in ekklesiologischer Modifizierung und theozentrischer Vermittlung erhalten. Man darf hoffen, daß der Tote auferstanden ist bzw. auferstehen wird und eingegliedert wird in die Himmel und Erde, Transzendenz und Immanenz, Ewigkeit und Zeit umspannende Kirche als der Gemeinschaft der um Christus versammelten und ihm angehörenden Heiligen''^.
3. Soteriologische Konsequenzen fiir die Lebenden Wenn die Reformation die Bestattung vor allem als Verkündigung an die Lebenden, als Büß- und Umkehrruf an die Angehörigen versteht'*'', so ist das in einer Umkehrung der Bewegungsrichtung und der Ausgangspunkte begründet. Dies wird in der Warum-Frage virulent, wie sie sich in der Erfahrung von Leid und Schicksalsschlägen stets einzustellen pflegt. Die römisch-katholische Tradition integriert das Leid positiv als Chance der Bewährung und Möglichkeit zum Erwerb von Verdiensten, die ihrerseits einen Anspruch auf entsprechende Belohnung gegenüber Gott begründen. Im marxistischen Denken stellt der Mensch Ansprüche nicht gegenüber Gott als einem im personalen Gegenüberstand stehenden Wesen, sondern an sich selbst als eine mit quasigöttlichen Würden ausgestattete Größe bzw. an die Gesellschaft, die dem Menschen adäquate Möglichkeiten zur Entfaltung zu bieten hat. „Gott" wird zur Wesens- und Zielbestimmung des Menschen, zum Handlungsprogramm. Das „Warum" kehrt sich um in einen an den Menschen gerichteten Imperativ, die Defizite seiner Lebensbedingungen zu beseitigen.
WA 36, 241, 12f.l7f.: „sehet hie den an, der ist recht tod, gegen welchen alle anderen todten nichts sind, die sind nicht gestorben, sondern er ist gestorben"; „das er so krefiftig ist, das er alle andere todten getauflft hat, das sie sollen nicht todten, sondern Schleifer heissen" Vgl. Kirchenbuch/Württemberg, 225: „ D u hast, о getreuer Gott, den Entschlafenen ... von K n d h e i t auf mit väterlicher Liebe geleitet und ihm ... auch in seinem ... kurzen Laufe an Leib und Seele viel Gutes getan"; Agende III, 161: „wir danken dir für alles, was du in väterlicher Liebe an ihm ... getan hast... Wir danken dir auch fiir alles Gute, das du durch ihn ... den Seinen ... gegeben hast" In diese Richtung zielen die auf jeden Gottesbezug verzichtenden Ausfährungen bei F. K. Barth, Agende, 85.87 („Wir fangen an zu verstehen, was wir an N . N . gehabt haben").88 („Wir denken an N . N . : was sein/ihr Leben erföllt hat, ist nicht spurlos an uns vorübergegangen" Vgl. Echternach, Kirche, 229; Dirschauer, Tod, 163; Jordahn, Begräbnis, 11 Vgl. Maser, Bestattung, 48.3f. (im Anschluß an G. Dehn)
Vollzug der Kasualie Bestattung
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Demgegenüber hat nach reformatorischer Lehre der Mensch ab Sünder keinerlei Ansprüche zu stellen, ja das Anspruchsdenken als Manifestation des Hochmuts ist das Wesen der Sünde. Gott erhebt Anspruch auf uns, fragt uns und überfuhrt uns unserer Schuld. Was dem Menschen nottut, ist der adäquate Vollzug des Gottesverhältnisses durch Bekenntnis der eigenen Sünde und Lobpreis Gottes als des Überwinders der Sünde. Nicht angesichts des Todes, sondern der noch gewährten Gnadenfrist und Erhaltung stellt sich die Frage, wie man das verdient hat. Der Tod ist nicht auf die Modalitäten des Sterbens zu reduzieren und nicht durch ein innerweldich-menschliches Handlungsprogramm aus der Welt zu schaffen, weil die Sünde nicht durch den Menschen, sondern nur durch Gott überwunden werden kann. Alle Problematisierung der Gerechtigkeit Gottes zerbricht im Blick auf das Kreuz, in dem das unverdiente Entgegenkommen und Sichopfern Gottes manifest wird und zugleich der Heilswille Gottes und nicht das Leid als das letzte Wort Gottes vor Augen geführt wird'". Für die Lebenden gilt es daher, angesichts des Todes nicht Gott oder die Gesellschaft anzuklagen, sondern sich in Buße und Glaubenstreue auf den Tod vorzubereiten"*®. Der Blick nach oben und außen impliziert die Akzentuierung der generellen Unverfügbarkeit und Gratuität des Lebens etwa im Sterbefall eines Kindes·*^. Der Indikativ des Handelns Gottes als dessen, der in Leben und Tod die Mitte und der Herr bleibt (Rom. 14,7-9), und die doxologische Prädikation Gottes als des Allmächtigen sollte Inhalt der Bestattungspredigt sein"*®. Trost ist nicht etwas vom Menschen Machbares, sondern Gegenstand des Gebetes, etwas durch das Wort Gottes Zuzusprechendes und von oben her zu Empfangendes'*'. Der dialektische Überschritt vom Sichtbaren des Leichnams, der Ohnmacht, des Verlustes zum Unsichtbaren und doch in Gott Realen des Sieges über den Tod, des neuen Lebens, der Allmacht Gottes ist personal fun-
Vgl. Seia/(Breit), Beerdigung, llOf.; raaus/Winkler, Homiletik, 131 ^ Vgl. Kirchenbuch/Württemberg, 195: „so wollen wir anhören die Worte des Apostels von der zukünftigen Herrlichkeit..., damit hiedurch götdichen Trost empfangen in unsrer Betrübnis, zu einem frommen Leben kräftig ermuntert und durch einen lebendigen Glauben auf die Stunde unsres Abscheidens wohl vorbereitet werden"; ebd., 208: „Lehre uns bedenken, daß es ein Ende mit uns haben m u ß und wir davon müssen, daß wir uns täglich mit einem bußfertigen Leben zum Tode bereiten"; ebd., 2 0 8 : „mittlerzeit erhalte uns in wahrem Glauben und gottseligem Leben, bis wir heimfahren aus diesem Elende"; vgl. ebd., 2 0 3 . 2 0 4 . 2 2 5 Vgl. Breit/Seitz, Beerdigung, 51.53 Im Kirchenbuch/Württemberg, 207, wird den Gebeten das doxologische Bekenntnis zur Überwindung des Todes durch Christus vorgeschaltet: vgl. Breit/Seitz, Beerdigung, 6 5 « Vgl. Kirchenbuch/Württemberg, 2 0 3 . 2 1 8 ; Agende III, 161: „Wir bitten dich für alle, die durch seinen Tod gebeugt und betrübt sind: tröste sie durch dein heiliges Wort. Gib, daß sie ihre H o f f n u n g ganz auf dich setzen"; ebd., 213: „Lasset uns beten fur alle, die durch den Tod unseres Bruders ... betrübt sind, daß Gott sie tröste durch die Kraft der Auferstehung Jesu Christi"
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Praktisch-theologische Konsequenzen
diert im auferstandenen Christus als dem Gegenwort Gottes gegen den Tod^°. Gott ist das Kontinuum und der Wendepunkt über Tod und Auferstehung, über irdischem und ewigem Leben. Die Transzendierung des Empirisch-Gegenwärtigen durch das logisch vorgängige, je aktuelle, setzende, worthafte Wirken Gottes, der von Gott her aufrechterhaltene Vollzug der Gottesrelation des Menschen, das personal-komm_ nikative Verhältnis von Gott und Mensch ist Kennzeichen des Seeleseins. Dies wird in der Situation der Bestattung und der Notwendigkeit der Bestattungspredigt besonders akut. Der Begriff „Seele" sollte nur verwendet werden, wenn durch den Kontext von Liturgie und Predigt die strukturellen Kennzeichen des relationsontologischen Seelenverständnisses herausgestellt werden und auf die Auferstehung abgehoben wird". Man sollte den Seelen- nicht neben und gegen den Leibbegriff stellen oder wenn doch, dann das jeweils von Seele und Leib Ausgesagte zusätzlich auf die angeredete, namentlich genannte Person des Verstorbenen übertragen, um dem Totalaspekt der Anthropologie und Gottesrelation Rechung zu tragen'^.
Vgl. K i r c h e n b u c h / W ü r t t e m b e r g , 190f.: „durch ihn ist d e r T o d der Seinigen verschlungen in den Sieg, u n d d u r c h d e n Glauben an i h n n i m m t das Volk Gottes Anteil an der seligen Verheiß u n g " ; z u m G e g e n ü b e r der Deskription der negativen Ausgangssituation u n d der antithetischen Ü b e r b i e t u n g d u r c h W o r t u n d Tat G o t t e s Predigtbeispiele: Breit/Seitz, Beerdigung, 53.59.80f.84; Klaus/Winkler, Homiletik, 124.126; Luther, W A 36, 244, 23f.: ,ΛΙίο ftieret er j m m e r unser hertz ... von d e m , das die äugen sehen, j n n das, das G o t t redet"; dazu Z a h r n t , Predigt, 108 " D u r c h die Vorschaltung eines doxologischen Satzes („Unsrem G o t t , der allein Unsterblichkeit hat, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! A m e n " ) wird im K i r c h e n b u c h / W ü r t t e m b e r g , 188, vermieden, d a ß m i t der separaten N e n n u n g von Leib u n d Seele als anthropologischen G r u n d k o n s t i t u e n t i e n ein meritorisch-asketischer Heilsweg assoziiert wird; ebd., 193 („legen wir d e n Leib in G o t t e s Acker ... D e n Geist aber befehlen wir in die G n a d e u n d Barmherzigkeit Gottes") " Interessant ist die in Agende III, 166(.157) gewählte Lösung. Die Ganztodlehre geht nicht so weit, d a ß statt von der Beerdigung des Leibes von der des Menschen N . die Rede wäre. D e r „Leib" wird „in Gottes Acker" gelegt, der „Bruder" „in Gottes H a n d " . D a d u r c h wird die Integration der Leiblichkeit in die postmortale Fortexistenz - u n d zwar von vorneherein gewährleistet u n d der exklusive M o d u s der Unsterblichkeit als Auferstehung herausgestellt. W e n n dieser Sachverhalt klargestellt ist, k a n n m a n unter U m s t ä n d e n bei derselben Bestattung d a n e b e n - nicht ausschließlich - die alten, ursprünglich dualistischen, jetzt aber n e u zu d e u t e n d e n Formulierungen gebrauchen (Agende/Bayern (1917), 3 4 8 f : „in Deine H a n d befehlen wir die Seele dieses (r) Entschlafenen"; „ N i m m n u n die abgeschiedene Seele in Deine H ä n d e " ) u n d so zur Verbreitung u n d z u m Verständnis des relational verstandenen Seelenbegriffes beitragen.
Sterbebegleitung und Todesanzeigen
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III. Handeln Gottes an den Menschen im Leben und im Sterben - Sterbebegleitung und Todesanzeigen Es liegt in der Konsequenz des zuvor Gesagten, daß in der Sterbebegleitung erstens auf die Affirmation des Gottesverhältnisses des Sterbenden und nicht auf die hermeneutische Akzeptanz des Sterbenmüssens abgehoben wird und daß zweitens dieses Gottesverhältnis worthaft-aktuell und nicht ontisch-habituell manifest wird. Nicht die Tragfähigkeit der auf Erden erworbenen Verdienste, sondern die Sündenvergebung, nicht eine im Todesaugenblick zur Anreicherung des habituellen Kxaftreservoirs in den Mund des Sterbenden geschobene Hostie, sondern das setzende Handeln Gottes garantiert den Übergang in die positiv qualifizierte Ewigkeit". Der etwa in dem Umfassen einer Kerze sich dokumentierende Rekurs auf die Taufe und die Teilgabe an dem Chrisma des göttlichen Pneuma wird in der römisch-katholischen Tradition als auf dem Sterbebett in vollständiger Weise erfolgende Verwirklichung dessen verstanden, was als Same des Ewigen durch die Taufe in uns hineingelegt wurde'"*. Die Taufe sollte hingegen in biblisch-reformatorischer Fundierung nicht in der Weise eines keimhaften Beginns einer linearen Fortentwicklung in der Sterbestunde präsent sein, sondern als ein hinsichtlich der Liebe Gottes gewißmachendes Datum des Gottesverhältnisses. Im Rückgang zur Taufe wird die effektive Zusage der Sündenvergebung dem Sterbenden erneut zugesprochen und vom Sterbenden im Glauben ergriffen". Die Kirche hat den Sterbenden mit dem zusprechenden Wort der Schrift, dem gewißmachenden Gebet, der befreienden Beichte bzw. mit dem Abendmahl und doxologisch Christus als Sieger über den Tod herausstellenden Liedstrophen zu begleiten'^ In den Formulierungen der Todesanzeigen tritt in konzentrierter Form die sub specie mortis besonders virulent werdende Frage der Sinngebung des Lebens zutage. Häufig werden bestimmte Lebensleistungen und positive Eigenschaften genannt oder eine Zusammenfassung des Lebensverlaufs nach quantitativen Kriterien betrieben. Dies wird zumeist verbunden mit der Aussage der Unsterblichkeit durch das Gedenken der Hinterbliebenen und Freunde bzw. durch das Bleiben und Nachwirken der Leistungen". Oft wird nur der " Vgl. zur römisch-katholischen Sterbebegleitung: M a r t e n s / H e u s c h e n , Sterbeliturgie, 18f.34.117; Bürki, Liturgie, 74 Vgl. Martens/Heuschen, Sterbeliturgie, 64f.; Schneider, Begräbnis, 57f. " Vgl. A C X X / B S L K 3 1 4 , 5 2 - 5 5 : „Denn wer wollt ihm doch nicht wünschen an seinem letzten Ende, daß er im Bekenntnis des Artikels sterben möcht, daß wir Vergebung der Sunde durch den Glauben, ohn unser Verdienst und Werk durch das Blut Christi erlangen?"; vgl. B S L K 3 1 4 , 5 7 - 3 1 5 , 8 . Dazu Bürki, Liturgie, 52.54.56f. Dazu auch Seitz, Tod, 141 " Z . B. S Z 2 1 . 9 . 1 9 9 5 , S. 36: „Wer so geschafft hat wie D u im Leben,/Wer so erfüllte seine Pflicht,/Wer stets sein Bestes hat gegeben./Vergißt man auch im Tode nicht"; S Z 15.9.1995, S.
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Praktisch-theologische Konsequenzen
zwischenmenschliche Verlust thematisiert, der durch die Kontinuität der Liebe zwischen den n o c h Lebenden u n d d e m Verstorbenen - ohne theozentrische Vermittlung - kompensiert werden solF®. Daneben treten vage, u n k o n krete, d. h. Gottesbezug u n d Auferstehungshofifnung nicht explizit n e n n e n d e Formulierungen der Erwartung einer postmortalen Existenz auP'. D e r Terminus „Erlösung/erlösen" w i r d seines theologischen Gehalts entkleidet u n d n u r auf die Befreiung v o n langem Leiden u n d großen Schmerzen bezogen^". Richtig, weil d e m theologischen Seelen- u n d Lebensverständnis entsprechend, ist erstens der D a n k an G o t t for das v o m Verstorbenen her Empfangene^', zweitens die Herausstellung Gottes als dessen, der i m Tod das Subjekt u n d d a r u m auch der "Wender der Todesnot ist^^. G u t wäre drittens der Bezug zur A u f e r s t e h u n g als d e m Z e n t r u m des eschatologischen Ausblicks^'.
43: ,Л11е5 kann man mit nehmen, nur das nicht, was ich gegeben habe"; SZ 13.9.1995, S. 17: „Ein wunderbarer Mensch ist von uns gegangen"; SZ 16./17.9.1995, S. 36: „Wer in Gedanken seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, sondern nur fern"; ebd.: „Ein wirkungsreiches Leben geprägt von Unternehmerinitiative und sozialer Veranrwortung ist beendet"; vgl. SZ 18.9.1995, S. 46; SZ 19.9.1995, S. 42 SZ 20.9.1995, S. 26: „Traurig, aber dankbar - denn die Liebe bleibt"; SZ 19.9.1995, S. 43: „Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe - das einzige Bleibende, der einzige Sinn"; SZ 18.9.1995, S. 46: „Ich sterbe, aber meine Liebe fur euch stirbt nicht. Ich werde Euch vom Himmel aus lieben, wie ich es auf Erden getan" (vgL SZ 16./17.9. 1995, S. 37); SZ 13.9.1995; S. 17: „Wir haben unser Liebes verloren ... Wer sie kannte, weiß was wir verloren haben"; SZ 16./17.9. 1995, S. 36: „amor vincit omnia"; SZ 21.9.1995, S. 36: „Unser lieber Vater und Schwiegervater N.N. hat uns fur immer verlassen" " SZ 21.9.1995, S. 36: „Hope springs eternal in the human breast (Alexander Pope)"; SZ 16./17.9.1995, S. 37: „Unsere liebe Kollegin N.N. ist in den ewigen Frieden heimgegangen"; SZ 18.9.1995, S. 46: „Was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tode Sinn (Antoine de Saint-Exupery)"; SZ 19.9.1995, S. 43: „N.N. hat seinen Frieden gefimden"; SZ 20.9.1995, S. 26: „Voll Trauer nehmen wir Abschied von N.N., die am ... im Alter von ... überraschend aus ihrem aktiven Leben geschieden ist" (Hervorhebung vom Verfasser); man kann auch auf die versteckte Richtungsangabe des Begriffs „fwiSchlafen" hinweisen; dazu Dirschauer, Tod, 174 SZ 13.9.1995, S. 17: „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist es kein Sterben, sondern Erlösung"; SZ 16./17.9.1995, S. 37: „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist die Erlösung eine Gnade" SZ 16./17.9.1995, S. 37: „Wir danken dem lieben Gott, daß sie solange bei uns bleiben durfte". Dem entspricht die Akzentuierung der geisdichen Lebensdimension des Verstorbenen: SZ 8.9.1995, S. 36: „Nach einem erfüllten Leben, voll gläubigem Vertrauen auf Gott und Liebe zu uns verstarb N.N." SZ 16./17.9.1995, S. 37: „Gott, der Herr, rief heute ... N.N. zu sich in die Ewigkeit"; vgl. SZ 14.9.1995, S. 38: „... zu sich genommen"; gut ist die Zitation von Rom. 8,2 (Konnex Sünde/Tod und Befreiung daraus durch das pneumarische Wirken Gottes; SZ 11.9.1995, S. 46); Jes. 43,1 und „Nach großem Leiden ging unsere über alles geliebte Frau und Mutter zur Herrlichkeit Gottes" (SZ 12.9.1995, S. 30). " Dies sollte allerdings nicht im Nebeneinander zu ausgesprochen dualistischen Formulierungen geschehen; z. B. „Die Welt" 11.1.1995, S. 7: Lk. 20,37f („Nach kurzer, schwerer Krankheit entließ die Seele den Leib, um ihren Weg zu gehen"). Eine Sammlung verschiedener Formulierungen in Todesanzeigen bietet Dirschauer, Tod, 173fF.180fF.
Rückblick
Man erhält einen zusammenfassenden Zugang zu den theologischen Weichenstellungen in der Diskussion der Todesthematik, wenn man auf die Propagierung und Art und Weise der Abwehr eines Monismus achtet. Ein Monismus kann sich erstens aus der Ablehnung eines inneranthropologischen Dualismus' und einer sich daraus ergebenden Zweipoligkeit von Unsterblichkeit und Auferstehung, von Natur und Gnade ergeben. So richtig das Unbehagen an einer rein sukzessiven Abfolge von erstem und zweitem bzw. drittem Artikel ist - auch was deren ethische Konsequenzen in radikal asketischem Tugendstreben angeht - , so tendiert diese Gestalt eines Monismus' zu einer Reduktion aller theologischen Aussagen auf den ersten Artikel und vermag der soteriologischen Zuspitzung zumal der neutestamentlichen Aussagen nicht gerecht zu werden. Auf der anderen Seite begegnet ein Monismus, der in scharfer Antithese gegen den eben genannten den ersten Artikel in den zweiten aufhebt und wie eine positiv soteriologisch qualifizierte Sicht der Welt allgemein, so auch einen ausschließlich positiv festgelegten Endausblick anstrebt. Hier wird verkannt, daß die Abwehr eines tendenziell dualistischen Ansatzes auch durch die Erkenntnis einer mehrfachen Dialektik des Tuns Gottes betrieben werden kann. Schlüssel und Ausgangspunkt für alle weitere Analyse und Einordnung der menschlichen Existenz ist das Gericht Gottes. Aus einem dualistischen Ansatz erwächst ein quantifizierendes Denken, das letztlich das Gericht Gottes in einen Prozeß auflöst (Purgatorium/Reinkarnation) und so die Zeit in die Ewigkeit einträgt. Steht dagegen nicht das menschliche Tun, sondern das Reden und Wirken Gottes am Anfang, so ist die Ewigkeit in der Zeit präsent in der Gestalt des Anspruches, des Gebotes Gottes und der kontingenten Heilszueignung durch Gott. Die Akzentuierung der forensischen, setzenden Dimension des quasi-schöpferischen Redens Gottes ermöglicht Seins- und Kontinuitätsaussagen, ohne in ein quantifizierendes und tendenziell habituell-synergistisches Denken hineinzugeraten. Der Mensch in seiner Ganzheit ist Gegenstand des richtenden und rettenden Handelns Gottes. Damit wird sowohl der Totalaspekt der Anthropologie gewahrt als auch die dialektische Doppelheit des möglichen und tatsächlichen Tuns Gottes. Zwar kann - auf der protologischen Ebene verbleibend - ein positiv qualifiziertes Tun Gottes auch an den Gottlosen in der Gestalt des Segens (Gen. 1,28!) angenommen werden, aber dieses kann den Tod nicht überwinden, weil vom Tod vollgültig nur in soteriologischer Perspektive gesprochen werden kann. Eine bleibende
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Rückblick
Größe ist der Mensch allgemein nur als Gegenstand des universalen Anspruches Gottes, der ihn als Sünder herausstellt und mit sich konfrontiert, und kontingent — als durch Gottes Heilszuspruch Gerechtfertigter. Die Antizipation der Ewigkeit in der Zeit geschieht nicht als ein Unterwegssein des Menschen dorthin mit Hilfe sich durchhaltender habitueller Strukturen, sondern als Schuldigsein vor Gott aufgrund des Wissens um den Willen Gottes und faktischen Nichttuns desselben sowie in der Taufe als Rettung aus dem kommenden Gericht. Insofern geht auch die dritte Gestalt des Monismus fehl, die vom personalen Gegenüberstand zu Gott und von der Notwendigkeit eines Geschehens zwischen Zeit und Ewigkeit absieht und die Realität auf Bewegungen und quantitative Neustrukturierungen im menschlichen Bevraßtsein, auf den Lebensvollzug abhebt. „Monismus" heißt dann, daß der Mensch seine Möglichkeiten, den Rahmen seines Erlebens und Sich-Verstehens zum einzig Realen erhebt und „Gott" und „Auferstehung" zu verbalen Chiffren reduziert und in das Bewußtsein hinein horizontalisierend einebnet.
Literaturverzeichnis
Die in den voranstehenden Ausführungen verwendete Literatur wird in den Fußnoten mit Kurztiteln zitiert, die in diesem Verzeichnis durch Unterstreichung angedeutet werden. Die Opera insbesondere der Reformatoren werden hier nur summierend als Werkgesamtausgabe angeführt, erscheinen in den Fußnoten jedoch auch mit ihrem Titel oder dessen Kürzel, sofern sie mehrmals zitiert werden. Die Abkürzungen der Zeitschriften- oder Buchreihen werden den Verzeichnissen in RGG, 3. Auflage, und TRE entnommen. Ackrill, ]. L., ,Aristodes Definitions of psuchê", Jon. Barnes u.a. (Hrsg.), Articles on Aristotle, Bd. 4: Psychology and Aesthetics, London 1979, 65-75 Adler, Gerhard, Entdeckung der Seele: Von Sigmund Freud und Alfred Adler zu C. G. Jung, Leipzig/Stuttgart 1934 Arende ίϋΐ die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern. 1. Teil: Die öfFendichen Gottesdienste, Ansbach 1917 Avende fur evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden, Bd.JlI: Die Amtshandlungen, Ausgabe Bayern, Berlin/Freiburg 1964 Ahlbrecht, Ansgar, Tod und Unsterblichkeit in der evangelischen Theologie der Gegenwart, Paderborn 1964 Ahuis, Ferdinand, Der Kasualgottesdienst: Zwischen Übergangsritus und Amtshandlung, CTKM 12, Stuttgart 1985 Albrecht, Christian, Schleiermachers Theorie der Frömmigkeit: Ihr wissenschaftlicher Ort und ihr systematischer Gehalt in den Reden, in der Glaubenslehre und in der Dialektik, SchlAr 15, Berlin/New York 1994 Althaus, Paul, „Rezension zu Stange, Carl, ,Zum Verständnis des Christentums: Sechs Vorträge über Gegenwartsfragen des christlichen Glaubens', Gütersloh 1920", ThLBl 43, Leipzig 1922, Sp. 57-59 Ders., Die letzten Dinge: Entwurf einer christlichen Eschatologie, Studien des apologetischen Seminars, Heft 9, 2. Aufl.: Gütersloh 1924 fLD, 2. A.]; 3. Aufl.: Gütersloh 1926 fLD, 3. A.1: 4. Aufl.: Gütersloh 1933 ILD. 4. Α.: unveränderter N D der 4. A. bis zur 10. Aufl. 1970] Ders., ",Die Auferstehung der Toten': Zur Auseinandersetzung mit ICarl Barth über die theologische Exegese", Ders., Theologische Aufsätze, Bd. 1, Gütersloh 1929, 119-139 Ders., Unsterblichkeit und ewiges Sterben bei Luther: Zur Auseinandersetzung mit Carl Stange, Studien des apologetischen Seminars 30, Gütersloh 1930 Ders., „Luthers Gedanken über die letzten Dinge", LuJ 23 (1941), Gütersloh 1942, 9-34 Ders., „Der Mensch und sein Tod: Zu Helmut Thielickes ,Tod und Leben'", Universitas 3, Stuttgart 1948
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