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German Pages 320 Year 2015
Kien Nghi Ha Unrein und vermischt
POSTCOLONIAL STUDIES | Band 6
2010-04-15 11-55-36 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02e8239113889122|(S.
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Kien Nghi Ha (Dr. phil.) ist Kultur- und Politikwissenschaftler. Er war Visiting Scholar am Asian/Pacific/American-Institute der New York University und danach Research Fellow am Graduate Programme for Transcultural Studies der Universität Heidelberg. Gegenwärtig kuratiert er am Hebbel am Ufer Theater (Berlin) ein diskursives Programm zur vietnamesisch-deutschen Diaspora im Herbst 2010 und arbeitet als Ko-Kurator der Asien-Pazifik-Wochen 2011 im Haus der Kulturen der Welt (Berlin). Seine Forschungsschwerpunkte sind postkoloniale Kritik, Rassismus, Migration und Asian Diasporic Studies. Zahlreiche Beiträge zu Fragen kultureller Hybridität, Identitätspolitik und kolonialer Präsenzen mit Fokus auf den deutschen Kontext.
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Kien Nghi Ha
Unrein und vermischt Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen »Rassenbastarde«
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Die Dissertation wurde durch ein Promotionsstipendium der Heinrich Böll Stiftung gefördert. Gedruckt mit Hilfe der FAZIT-Stiftung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Zugl. Diss. Univ. Bremen, 2009 Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Dr. Klaus-Peter Veit, Berlin Satz: Kien Nghi Ha Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1331-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
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für noa
Inhalt
Danksagung............................................................................................. 9 Einleitung .............................................................................................. 13 Fragestellungen und Diskursverständnis................................................ 17 Forschungsstand und Quellenlage.......................................................... 30 Vorgehensweise und Aufbau der Studie................................................38 Postkoloniale Kritik und Hybridität................................................... 43 Selektive Rezeptionstendenzen kultureller Hybridität in der BRD........ 65 Ein Fallbeispiel: Das Erlanger Transdifferenz-Konzept ........................ 95 Konjunkturen und Leerstellen: Etymologische und philosophische Bedeutungskontexte................ 109 „Bastarde“ und „Barbaren“: Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise .................................................... 112 Neuzeitliche Diskursüberschneidungen: „hybrid“ >< „Bastard“......... 120 Hybridität als „Rassenvermischung“ im kolonialen Wissenschaftsdiskurs ................................................. 129 Hybridität im historischen Kontext „aufklärerischer“ Rassendiskurse der westlichen Moderne.............................................. 130 Die heimliche Unheimlichkeit des „Bastards“ ..................................... 139 Rassistische Differenzierungsprobleme: „Bastarde“ als Phänomen der Pathologisierung und Dämonisierung ............................................ 148 „Bastarde“ als Kategorie der Eugenik und „Rassenhygiene“ im 20. Jahrhundert ................................................................................ 159 Wissenschaftliche Kontinuitätslinien der deutschen „Rassenhygiene“ nach 1945.......................................... 178
Hype um Hybridität in der Spätmoderne ........................................ 195 Hybride Revolution – Das postmoderne Versprechen einer unentdeckten Terra Nova .......... 196 Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus...................................................... 211 Umkämpfte Hybridisierungen: Zwischen Konsumkultur und postkolonialem Signifying .............. 229 Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness .................................................... 229 „Germany 12 Points!“ – Hybridität als nationale Modernisierung und kulturelle Fremdaneignung............................................................ 247 Postkoloniales Signifying – Der „Kanake“ als anti-rassistische Allegorie?................................................................... 259 Bibliographie....................................................................................... 281
Danksagung Die in diesem Buch zusammengetragene Studie ist das Ergebnis einer Forschungsarbeit, die vom ersten Einfall bis zur endgültigen Ausarbeitung viele Veränderungen und auch einige Umwege erfahren hat. Dass dieses Vorhaben im Laufe der Zeit keinen geradlinigen Verlauf genommen hat und nicht wie programmiert ablief, hatte vielfältige Gründe. Neben der Möglichkeit an unterschiedlichen interdisziplinären Projekten und benachbarten Themen zu arbeiten, die ich als wissenschaftlich befruchtend und horizonterweiternd empfinde, hat nicht zuletzt das wirkliche Leben mit seinen privaten Umbrüchen bleibende Auswirkungen gezeitigt. Obwohl die schnelle Bewältigung der Qualifikationsarbeit meist als vorteilhaft angesehen wird, bin ich dankbar, dass ich auch einige Seitenpfade kennengelernt habe und mir die Welt jenseits der textuellen Begrenzungen nicht verschlossen geblieben ist. Das vorliegende Werk stellt eine überarbeite Fassung meiner Dissertationsschrift dar, die unter dem Titel „In the Mix. Postkoloniale Streifzüge durch die Kulturgeschichte der Hybridität“ am Fachbereich Kulturwissenschaft an der Universität Bremen eingereicht und im Juni 2009 verteidigt wurde. Für die stets gewährte professionelle Unterstützung und gewissenhafte Betreuung habe ich meinen Doktormüttern Prof. Dr. Sabine Broeck (Universität Bremen) und Prof. Dr. Sara Lennox (University of Massachusetts) sehr zu danken, die mir nicht nur mit ihrer kritischen Kompetenz und Erfahrung, sondern auch mit Rat und Tat gerade in der schwierigen Abschlussphase hilfreich zur Seite standen. Ferner gilt mein Dank Prof. Dr. Hajo Funke (Freie Universität Berlin), der die erste Phase meines Arbeitsprozesses betreute. Das mehrjährige Promotionsstipendium der Heinrich Böll Stiftung hat mich von einigen Bürden dieser brotlosen Forschungsarbeit entlastet, ebenso wie die finanzielle Unterstützung der FAZIT-Stiftung eine Drucklegung erleichtert hat.
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Dem transcript Verlag, der bereits Auszüge aus dieser Studie in Form einer wesentlich kürzeren Vorabfassung in „Hype um Hybridität“ (2005) als aktuellen Diskussionsbeitrag zur laufenden kulturwissenschaftlichen Debatte publiziert hat, bin ich dankbar, dass mir nun die Möglichkeit eröffnet wird, mit diesem Buch die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes vollständig und systematischer angelegt zu präsentieren. Da die Kurzfassung demnächst vergriffen sein dürfte, ist die stark erweiterte Neuausgabe auch zur Sicherung eines längerfristigen Zugriffs sinnvoll. Neben Kordula Röckenhaus, Johanna Tönsing, Kai Reinhardt und Gero Wierichs vom transcript Verlag hat vor allem auch Peter Veit als Lektor Anteil am Zustandekommen dieses Buches. Allen Beteiligten danke ich herzlich für ihre professionelle Unterstützung und die gute Zusammenarbeit. Nichtsdestotrotz bin ich als Autor für alle Fehler und Irrtümer allein verantwortlich. Ich hatte während der Arbeit an der Dissertation das Glück und Privileg, viele kluge Kollegen/-innen und reflektierte Mitstreiter/-innen kennenzulernen, die durch gemeinsame Diskussionen und Fragestellungen mich davor retteten, im akademischen Elfenbeinturm intellektuell zu verarmen. Für diese und andere Erfahrungen danke ich insbesondere Mariam Popal und Markus Schmitz, die auch einen Teil der Dissertationsschrift kommentierten und korrigierten. Obwohl keine Aufzählung vollständig sein kann, möchte ich den Versuch unternehmen, einigen Personen meinen Dank für Einladungen und gemeinsame Kooperationen auszusprechen, wodurch die Arbeit während der Promotionszeit um neue Diskursräume bereichert wurde: AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften, Lars Allolio-Näcke, Jain Anil, Susan Arndt, Sven Arnold, Christopher Balme, Mita Banerjee, Ruedi Baur, Franziska Becker, Jörg Becker, Jana Binder, Willi Bischof, Manuela Boatcă, Manuela Bojadžijev, Ljubomir Bratic, Anne Broden, Claudia Brunner, Halil Can, Laura Chen-Schultz, Hae-Lin Choi, Sera Choi, SunJu Choi, Nevim Cil, Stephan Cohrs, Sebastian Conrad, Sérgio Costa, Ilse Costas, Uwe Danker, Jennifer Davy, Gabriele Dietze, Hauke Dorsch, Dorle Dracklé, Olga Drossou, Tippawan Duscha, Philippa Ebéné, Maisha Eggers, Fatima El-Tayeb, Empowerment Initiative Frankfurt, Amy Evans, Margrit Fröhlich, Sønke Gau, Deniz Göktürk, Nadine Golly, Susi Graf, Hakan Gürses, Encarnación GutiérrezRodríguez, Nataly Jung-Hwa Han, Rebekka Habermas, Sabine Hess, Heimat & Identität Nürnberg, Jutta Helm, Maria Herrera, Farida Heuck, Gabi Hinderberger, Peter Holzer, Young-sun Hong, Christian Horn, Karl H. Hörning, Antje Hornscheidt, Sabine Hueck, John Hutnyk, Christiane Hutson, IFADE, Margarete und Siegfried Jäger, Alice Ming Wai Jim, Carsten Junker, Britta Kalscheuer, Miliann Kang, Sibel Kara, Serhat
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Karakayali, Margrit E. Kaufmann, Therese Kaufmann, Erdal Kaynar, Ana Keita, Grada Kilomba, Jee-Un Kim, Eva Kimminich, Stefanie-Vera Kockot, Cornelia Kogoj, Daniela Koweindl, Christian Kravagna, Stefanie Kron, Merle Kröger, Cheong Kwon, Nicola Lauré al-Samarai, Cuong Nguyen Le, You Jae Lee, Claudia Lohrenscheit, Yixu Lu, Margarethe Makovec, Rebekka von Mallinckrodt, Daniel Mang, Ruth Mayer, Paul Mecheril, Mekonnen Mesghena, Astrid Messerschmidt, metanationale, Johannes Moser, Ursula Moser, Mona Motakef, Sheila Mysorekar, Maya Nadig, Adibeli Nduka-Agwu, Mona Neubaur, Toan Nguyen, Thu-Huong Nguyen-vo, Sabine Nuss, Rainer Ohliger, Marion von Osten, Anne von Oswald, Eri Park, Peggy Piesche, Astrid PolzWatzenig, Abbas Poya, Ella Pugliese, ReachOut Berlin, Robert Reithofer, Tamara Ritter, Julia Reuter, Sukhdev Sandhu, Irina Schmitt, Katharina Schramm, Burkhard Schröder, Martin Schüring, Apichai Shipper, Ulla Siebert, Maik Söhler, Marina Sorbello, Ramazan Soytetir, Susanne Stemmler, Hito Steyerl, Kate Sturge, Makoto Takeda, John Kuo Wei Tchen, Mark Terkessidis, Ming Tiampo, Bülent Ucar, Uta Uchegbu, Paula-Irene Villa, Nicole Vrenegor, Gerhard Wagner, Alexander G. Weheliye, Antje Weitzel, Dorothee Wenner, Edith Wenzel, Rainer Winter, Michaela Wolf, Eske Wollrad, Sau-Ling Wong, Michaela Wünsch, Nuran Yigit, Jae-Hyun Yoo, Vina Yun und vielen anderen. Ohne die jahrelange familiäre Unterstützung, die zu umfangreich und großzügig ist, um sie genau beziffern zu können, hätte ich dieses Projekt nicht verwirklichen können. Dafür danke ich Hilda und Klaus sowie Vy, Chau und Tay aus vollem Herzen. Meinen Söhnen Lou King und Cai Long bin ich zutiefst dankbar, weil sie mir eine neue Welt eröffnet haben und uns so reichlich mit Freude beschenken. Obwohl beide zu meinem Erstaunen gegenwärtig mit großer Wahrscheinlichkeit jedes Bilderbuch dieser Abhandlung vorziehen würden, möchte ich euch bitten, großmütig zu sein. Ihr werdet es mir hoffentlich verzeihen, dass meine euch wenig spannend erscheinende Schreibtischarbeit mehr als einmal familiäre Unternehmungen torpediert hat. Meiner Frau Noa gebührt der Verdienst, dass sie trotz ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit mit viel Energie und oftmals auch größerem Erfolg sich stark um das zeitintensive Familienmanagement kümmert und mir dadurch vieles ermöglicht. Dank allein wird das nicht ausgleichen können.
Berlin, im Januar 2010 Kien Nghi Ha
Einleitung „Von Soma betäubt,1 erschöpft von einem langen Anfall tobender Sinnlichkeit, lag der Wilde im Heidekraut und schlief. [...] Dann erinnerte er sich plötzlich – an alles“ (Huxley 1932: 312).
Der „Wilde“ in Huxleys dystopischer Zukunftsvision „Brave New World“ (1932) ist der in New Mexico in einem Reservat für „primitive Ureinwohner/-innen“ lebende Sohn des Direktors einer Menschenfabrik. Als nicht anerkannter Nachkomme aus einer verbotenen und soziale „Rassengrenzen“ überschreitenden Sexualbeziehung, der durch seine natürliche Zeugung in dieser Welt gleichsam zum „Bastard“ erklärt wird, ist er ein gesellschaftlicher Außenseiter in der „zivilisierten“ wie „unzivilisierten“ Welt. Vor diesem Hintergrund setzt der Autor sich mit ins Literarische übersetzten Motiven und gesellschaftlichen Thematiken auseinander, die im Kontext der Fragestellung meiner Studie erstaunlich 1
Der aus dem Sanskrit stammende Begriff „Soma“, der hier als unaufhörlich wirksame Quelle des oberflächlichen Vergnügens und der Ablenkung beschrieben wird, bezieht sich auf ein mythisches Getränk, das Unsterblichkeit versprach und eigentlich für die Götter bestimmt war. Seine berauschenden und sinnerweiternden Wirkungen sind in altindischen Veden und persischen Überlieferungen (Haoma) beschrieben worden. Jedoch sei das Wissen für die aus pflanzlichen Extrakten bestehende Rezeptur im Laufe der Zeit verlorengegangen, so dass die Suche nach dem Ursprung und der Authentizität des präkolonialen Soma/Haoma-Kultes in den letzten Jahren verstärkt wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Das postkoloniale Interesse an außereuropäischen Wissensprodukten und kulturellen Praktiken wird in diesem Fall durch die widersprüchlichen Verbindungen des Soma/Haoma-Kultes zum Arier-Mythos verkompliziert (Jay 1999).
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aktuell wirken und eine eigene Forschungsarbeit wert wären. Sein Werk erschien im Deutschen im gleichen Jahr erstmalig unter dem Titel „Welt – wohin? Ein Roman der Zukunft“, dann als „Wackere neue Welt“ (1950) und schließlich als „Schöne neue Welt. Utopischer Roman“ (1978). Die schöne neue und einheitlich durch die Prinzipien des FordKonzerns regierte Weltgesellschaft fußt – wie in der wiederkehrenden Idee der eugenischen Menschenzüchtung bei Platon, Tommaso Campanella bis hin zu Friedrich Nietzsche – auf ein determiniertes System der bio-technischen Kontrolle, die eine der „Rassenpyramide“ vergleichbare Form der hierarchischen Kastengesellschaft reproduziert. Sozio-kulturelle Kohärenz wird durch permanente Stereotypisierung und Massenkonditionierung hergestellt, wodurch immaterielle Bedürfnisse und kulturelles Verlangen durch gesellschaftliche Normierung auf den ständigen Konsum von abwechselnden Sexualpartner/-innen und der aphrodisierenden Glücksdroge Soma reduziert werden. Die Flucht ins Virtuelle mit ihrer transgressiven Überlappung von Schein und Sein trägt das Moment einer liminalen Hybridisierung sozio-kultureller Grenzen in sich, die jedoch als stabilisierender Effekt der Kontrolle und Integration bereits systemimmanent ist. Die Techniken des Selbst müssen nun nicht mehr wie im Zeitalter Foucaults mühsam erlernt werden, sondern sind durch pränatale Impfung fest mit dem Körper verwachsen, so dass Gesundheit, Leistungsfähigkeit und jugendliches Aussehen bis ins Sterbealter zur neuen Norm werden. An die Stelle der altehrwürdigen metaphysischen Religion tritt die Hybris der fordistischen Anbetung des „Modell T“ als revolutionäre Ikone des futuristischen Industriezeitalters. Da Kapitalisten wie „Oh, Ford“ („Our Ford“) und kulturelle Entdecker wie „Oh, Freud“ („Our Freud“) als weltliche Hohepriester des materiellen und sexuellen Verlangens Gott ersetzt haben, geht diese Entwickelung mit Enthistorisierung und Geschichtsvergessenheit getreu dem Motto „Geschichte ist Mumpitz“2 (Huxley 1932: 44) einher. Das Glücksversprechen und der Glauben an die irreduzible Unendlichkeit der Gegenwart dienen als Herrschaftstechnik der Sozialdisziplinierung sowie der Konsumstimulierung. Wie Platons „Philosophenkönige“ sind die Intellektuellen in der Zukunftsgesellschaft zu Technokrat/-innen mutiert, die in ihren zum Diktat geronnenen Diskursen Ideen und Vorstellungen des guten Lebens für alle anderen definieren. Wie „wir“, und 2
Diese Idee hat Henry Ford tatsächlich formuliert. Im einem Interview am 25.5.1916 mit Charles N. Wheeler von der Chicago Tribune behauptete Ford: „History is more or less bunk. It’s tradition. We don’t want tradition. We want to live in the present, and the only history that is worth a tinker’s damn is the history that we make today.“
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damit meine ich die imaginäre Gemeinschaft der Lesenden, später noch sehen werden, tauchen die soeben illustrierten Probleme auf einer anderen Ebene und in einem anderen Kontext im Laufe dieser Untersuchung immer wieder auf und werden noch ausführlicher verhandelt. Ein Mensch, der heute nach einem Jahrzehnt aus dem Komazustand erwacht und beginnt, die entgangenen Zeitungsartikel blitzlichtartig Revue passieren zu lassen, würde sich über die verlockenden Rufe nach einer schönen hybriden Welt wundern. Denn dieser Mensch hätte sehr bald den unwillkürlichen Eindruck, eine überaus bedeutsame und wichtige Entwicklung in den letzten Jahren buchstäblich verschlafen zu haben. Sicherlich würde sie oder er zunächst vor allem mit Schlagzeilen konfrontiert, die auf weltpolitische Ereignisse und global ausstrahlende Tragödien hinweisen: Kriege, Flüchtlingsdramen, Terrorangriffe, wirtschaftliche Krisen sowie andere Unwägbarkeiten, die auf menschliches Handeln und Naturkatastrophen zurückzuführen sind. Der interessierten Leserin und dem aufmerksamen Beobachter würde es jedoch auch auffallen, wie der Begriff „hybrid“ in relativ kurzer Zeit mehr und mehr ins Rampenlicht des populären Sprachgebrauchs rückt und immer größere Kreise zieht. Beide dürften sich fragen, was es mit dem Begriff des Hybriden auf sich hat, der anscheinend schlagartig in den Bildungssprachschatz vieler meinungsbildender Öffentlichkeitsarbeiter/-innen eingeflossen ist und mittlerweile in vielen unterschiedlichen Kontexten im Zentrum öffentlicher Diskussionen steht. Eine weltweite Internetrecherche für „hybrid*“ via Google ergab am 8.5.2005 eine Anzahl von 23.700.000 Treffern. Diese unüberschaubare Anzahl ist seitdem weiter extrem angestiegen. Am 9.2.2009 meldete die gleiche Recherche bereits 382.000.000 Fundstellen und stieg am 7.1.2010 auf 628.000.000 – was auf einen sehr dynamischen Diskurs schließen lässt. In den letzten Jahren hat dieses vielseitig verwendbare Wort seinen generellen Durchbruch gefeiert, da es über eine Reihe technischer Neuerungen auf dem Massenmarkt – etwa im Auto- und Computerbereich – auch im allgemeinen Sprachgebrauch einen festen Platz erhalten hat. Kaum ein Begriff hat in jüngster Zeit in der intellektuell-akademischen Öffentlichkeit wie in der Tagespresse für so viel Furore gesorgt und dabei so viel Unklarheit hinterlassen. Besonders in Form des scheinbar universell „andockbaren“ Adjektivs „hybrid“ referiert er in diversen Themenfeldern auf sehr unterschiedliche Formen der Hybridisierung, Vermischung und (Re-)Kombinierung. In unserer Nachrichtenwelt, im Feuilleton, im Wissenschaftsdiskurs wie auch im Alltag ist „hybrid“ zu einem modischen Reiz- und Schlagwort der Innovation geworden: Zum Beispiel wird der Automarkt neuerdings von Fahrzeugen
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mit einem Hybridantrieb revolutioniert; Outdoor-Fans sind von der überlegenen Funktionalität von Hybridmaterialien in ihren Textilien und Ausrüstungsgegenständen begeistert; 2007 wurde in der Computerwelt die fortschrittlichere Hybrid-Festplatten-Technologie eingeführt; in der Hoffnung, sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten für das therapeutische Klonen zu finden, wird in den geheimen Biotechnik-Labors unentwegt mit genetischen Hybridisierungen experimentiert, um die Erbanlagen von unterschiedlichen Lebewesen miteinander zu kombinieren – die Chimären lassen bisher eher zweifelhafte bis obskure Ergebnisse befürchten; Soziologinnen wie Politikwissenschafter rätseln derweil über die „hybride Wählerin“ und den „hybriden Konsumenten“, der inzwischen zwischen seinen politischen Entscheidungen und sonstigen Gewohnheiten so radikal „switcht“, dass das wechselhafte bis scheinbar widersprüchliche Verhalten zur einzigen von außen erkennbaren Regelhaftigkeit wird. „Hybrid“ hat heutzutage keine festgelegte Bedeutung. Vielmehr wird dieses Wort in verschiedenen Kontexten sehr unterschiedlich und schwammig benutzt. Es referiert meist auf Vermischungen oder Kombinationen von zwei oder mehreren Elementen zu etwas neuem. Hybrid als Adjektiv und Präfix funktioniert vor allem als universell einsetzbares und modisch klingendes Schlagwort, wodurch dieser Bedeutungsträger als Trendsetter zum Inbegriff von Innovation, Flexibilität und Zukunftsorientierung geworden ist. Natürlich ist die Zentralität des Begriffs nicht spurlos an den Kulturwissenschaften vorübergegangen, wo theoretische Ansätze über hybride Kulturen – gemessen an anderen Wissenstransferprozessen – praktisch über Nacht zum neuen Paradigma avancierten. Im Jahre 2000 ist schließlich die internationale wissenschaftliche Zeitschrift Hybridity: Journal of Cultures, Texts and Identities an der National University of Singapore gegründet worden.3 „Hybridität ist das Wort der Stunde in der Kulturtheorie“ (Misik 2005: 16), weiß dann auch die tageszeitung in einer Kolumne über den aktuellen Stand der Dinge in Theorie und Technik zu berichten. Und Bice Curriger, die Kuratorin der Ausstellung über die jüngste Schweizer Kunst im Kunsthaus Zürich, gab schon vor mehr als zehn Jahren die neue Marschrichtung vor, als sie die Parole
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Die inzwischen eingestellte Zeitschrift erklärt ihr Programm wie folgt: „Hybridity is a multidisciplinary and internationally-refereed journal housed in the Department of English Language and Literature of the National University of Singapore, and published by Oxford University Press Singapore. Hybridity focuses on multi-disciplinary analyses of conditions and sites of cultural hybridity, split, tension, anxiety, and their negotiation in a variety of social discourses and signs“ (http://courses.us.edu.sg/course /ellgohbh/hybridity.html, 10.2.2009).
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ausrief: „Hybrid sein heißt die Losung“ (Kipphoff 1998: 41). Wie ein Echo auf diese Direktive wirkt die Überschrift im Online-Forum „Unter Druck“ des Magazins Der Spiegel, der mit seinen Leser/-innen über das Zeitungssterben debattierte und diese Allzweckempfehlung als Fazit für ein erfolgreiches Geschäftsmodell zog: „Werden Sie hybrid!“4
Fragestellungen und Diskursverständnis Bereits dieser stichwortartige Einblick in die aktuelle Diskussion verdeutlicht, dass Hybridität als Schlagwort inzwischen auf eine rasante Begriffskarriere im gesellschaftlichen Diskurs zurückblickt. Ihre Laufbahn als aufgehender Stern am kulturellen Firmament ähnelt dem eines kulturindustriell protegierten Popstars. Die Frage ist nur, ob sie als Sternschnuppe verglühen wird oder tatsächlich im Begriff ist, ihr Innovationsversprechen einzulösen und die jetzige Welt nachhaltig zu postmodernisieren. Wie ich später detaillierter darstellen werde, sind die technischen und kulturellen Innovationspotentiale durch effiziente und attraktive Hybridisierungstechniken überaus beträchtlich. Selbst wenn sich nicht alle Verheißungen erfüllen sollten, ist mit einem fundamentalen Gesellschaftswandel zu rechnen. Auch wenn das gesamte Ausmaß schwer abzuschätzen ist, ist doch wahrscheinlich, dass die Veränderungen weitreichend und vielfältig ausfallen werden. Damit stellt sich auch die Frage, ob wir uns nach der industriellen und mikroelektronischen nun am Anfang einer hybriden Revolution befinden. Kann diese Umwälzung als eine eigenständige Zeitepoche des postmodernen Spätkapitalismus analysiert werden, die auch mit der Ausbildung von entsprechend heterogenen, „unreinen“ bzw. bunt gemischten Kulturformen einhergeht? Ermöglicht der postmoderne Hype um Hybridität auch eine fortschreitende Kommodifizierung kultureller Identitäten und Alteritäten, die als konsumierbarer Warenfetisch nicht nur unbekannte Arten der ästhetischen Differenzproduktion generieren, sondern auch tradierte Machtverhältnisse und Arbeitsverteilungssysteme in der Gesellschaft erneuern bzw. modifizieren? In den letzten drei Jahrzehnten hat das Thema der komplex zusammengesetzten Kulturen, die sich mit ihren ambivalenten Überschneidungen von Geschichte, Identität und Macht jenseits organischer oder linearer Konzeptionen bewegen, verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Folg-
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http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,351289,00.html (10.2.2009). Grund der Leserreaktionen waren zwei Artikel über die Medienkrise im April 2005 auf SPIEGEL-ONLINE.
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lich hatte gerade dieser Theoriemarkt viele Neuerungen wie diskursive und institutionelle Wachstumsprozesse zu verzeichnen. Inzwischen ist dieser Forschungsbereich durch ein kaum noch zu überschauendes Angebot an konkurrierenden und alternativen Terminologien geprägt, die Prozesse der kulturellen Überlagerungen und Grenzüberschreitungen thematisieren. Das vor allem durch die Schriften von Homi Bhabha (2000)5 stark popularisierte Konzept der Hybridität, das auch als postmodern-spätkapitalistischer Lifestyle und modisches Begriffsaccessoire in vielerlei Hinsicht sehr erfolgreich ist, dürfte mittlerweile nicht nur dem akademischen Mainstream bekannt sein. Wie erfolgreich diese Begriffskarriere verlief, wird deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Integration von Hybridität in den wissenschaftlichen Kanon längst eingesetzt hat – obwohl gerade das Hinterfragen jeglicher Kanonbildung einen zentralen Ausgangspunkt poststrukturalistischer wie postkolonialer Kritik bildet. Analog zur Hybridität werden auch postkolonial gewendete Begriffe und Metaphern wie créolité, Kreolisierung,6 Bastardisierung,7 méstissage bzw. mestizaje8 verwendet. Daneben gehören je nach Diskurslage und lokaler Färbung auch bricolage,9 pastiche und patchwork,10 Interkulturalität bzw. interkulturelle Kommunikation,11 Transkulturalität,12 Kosmopolitismus,13 Melange,14 Nomadentum und Rhizom,15 Liminalität,16 Mimikry und third space,17 Black Atlantic,18 Kulturkontaktzone und Transkulturation,19 Figurationen des Dritten,20 Entwurzelung, Ver5
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Die englische Originalausgabe dieser Anthologie erschien 1994 unter dem Titel „The Location of Culture“. Einige der dort versammelten Aufsätze wurden bereits Anfang der 1980er Jahre erstmalig publiziert. Vgl. Édouard Glissant (1986 [1981]); Hannerz 1987; Jean Bernabé/Patrick Chamoiseau/Raphaël Confiant (1989). Vgl. Salman Rushdie 1992. Vgl. Guillermo Bonfil 1996 [1987]; Gloria Anzaldúa 1987. Vgl. Claude Lévi-Strauss 1968 [1962]. Vgl. Jean-François Lyotard 1986 [1979]. Vgl. u.a. Geert Hofstede 1980; Edward T. und Mildred Reed Hall 1990, Auernheimer 2003. Vgl. u.a. Fernando Ortiz 1995 [1940]; Wolfgang Welsch 1991. Siehe u.a. Timothy Brennan 1997, Ulrich Beck 2004; Kwame Anthony Appiah 2006. Vgl. Jan Nederveen Pieterse 1998; 2004. Siehe Gilles Deleuze und Félix Guattari 1977. Siehe Arnold van Gennep 2005 [1909], Victor Turner 2005 [1969], Homi Bhabha 2000 [1994]. Vgl. Homi Bhabha 2000 [1994]. Siehe Paul Gilroy 1993. Vgl. etwa Mary Louise Pratt 1991; 1992. Siehe Claudia Breger/Tobias Döring 1998.
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mischung, Synkretismus, aber auch so „exotische“ Kreationen wie Gaetano Velosos musikalische Idee des tropicalism oder die karibische Douglarisation21 zu den zirkulierenden Denkfiguren. Auf das Konzept der Transdifferenz der Erlanger Amerikanisten Helmbrecht Breinig und Klaus Lösch (2004) werde ich gesondert eingehen, um meine Kritik an der deutschsprachigen Übernahme des Hybriditätskonzepts exemplarisch auszuführen. Trotz der Vielzahl an Bezeichnungen ist diese unsystematische und letztlich rein zufällige Aufzählung weit davon entfernt, alle Synonyme oder verwandten Begriffe aufzulisten. Das avancierte wie auch überbordende Vokabular zur Theoretisierung kultureller Überschreitungen erstreckt sich heute von ursprünglich kolonialen bis hin zu postmodernistischen Terminologien. Diese reflektieren auch die vielfältigen Deutungen und umstrittenen Bedeutungen kultureller Entgrenzungen und Vermischungen im Rahmen ihrer kulturund weltgeschichtlichen Entwicklung. Das „Denken an der Grenze“ (Hall 1997a) ist in hohem Maße selbst uneindeutig und tendiert in Diskursen der kulturellen Vermischung dazu, sich selbst zu hybridisieren und seinen Gegenstandsbereich immer weiter aufzuspalten. Theorien der Hybridisierung versuchen die Arbeitsweise und Entstehung von Kulturpraktiken sowie ihre Überlappungen und möglichen Reibungsflächen im Prozess der kulturellen Differenzierung zu verstehen. Daneben besteht auch ein großes Interesse, die endlosen Kombinations- und Rekombinationsmöglichkeiten kultureller Elemente und Praktiken als „triumphalist hybridism“ (Spivak 1999: 320) oder als „postcolonial exotic“ (Huggan 2001) positiv hervorzuheben. Kulturelle Vermischung wird häufig in der bekannten Metapher von Bhabha als „third space“, als unerforschter „dritter Raum“ gedacht, in der hybride Existenzweisen fruchtbare Ressourcen, Kreativität und andere Formen der kulturellen Bereicherung hervorbringen. Einige Ansätze erwecken den Eindruck, dass die wissenschaftliche Aufgabe sich dann darin erschöpft, kulturelle Zwischenräume zu vermessen und zu erschließen. Tatsächlich reproduziert eine solche Perspektive eine Expansions- und Bereicherungslogik, die ein wesentlicher Antriebsmotor für die europäische Kolonialisierung der Welt gewesen ist, wenn die gewaltvollen Erfahrungen des Kolonialismus, die Bhabhas Hybriditätsbegriff kennzeichnen, nicht in der wissenschaftlichen Praxis reflektiert werden. Angesichts dieser verlockenden Aussichten ist das Interesse an der Anziehungskraft von hybriden Kulturen und Produktformen allzu verständlich. Es ist aber gerade deswegen auch zu hinterfragen, weil Hybridität zunehmend als wachstumsfördernder Konsum21 Vgl. Eve Stoddard/Grant Cornwell 1999.
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tiv- und Produktivfaktor industriell und politisch verwertet wird. Hybridität ist daher nicht nur als kulturelle Logik oder neue Technik zu verstehen, sondern auch als eine Warenform, deren Kommodifikation voranschreitet. Dieses konventionelle Produktivitätsverständnis hat Zelebrierungen im Namen der Vermischung hervorgebracht, die sich in einem spannungsgeladenen Kontrast zur bisherigen Begriffs- und Ideengeschichte des Hybriden befinden. Augenscheinlich ist der Umschlag von einem negativen Sinnbild zu einem faszinierenden „catch word“ mit einem produktiven Image, das seine unheimliche Seite scheinbar vergessen hat, erst in jüngster Zeit zu beobachten.22 Problematisch ist das Lob der kulturellen Melange, weil es nicht zuletzt in einem unaufgearbeiteten Widerspruch zur verdrängten europäischen23 Kulturgeschichte der kolonialen Hybridität steht und dadurch ahistorisch und merkwürdig deplatziert wirkt. Wer sich der Mühe unterzieht, ihre Begriffsgeschichte zurückzuverfolgen, wird „Hybridität als Signatur der Zeit“ (Schneider 2000) bzw. genauer gesagt als gesellschaftliche Signatur ihrer jeweiligen Zeit begreifen. Vor dem Hintergrund der soeben geschilderten Entwicklung erscheinen mir zwei Schlussfolgerungen von Stuart Hall in seinem inzwischen klassischen Aufsatz Wann war der „Postkolonialismus“? Denken an der Grenze zu weitreichend zu sein. Hall, der ein eminenter Theoretiker und verehrungswürdiger Wegbereiter der britischen Cultural Studies ist, verwirft nach einer für ihn ungewöhnlich polemisch geführten Diskussion von Arif Dirliks The Postcolonial Aura: Third World Criticism in the Age of Global Capitalism (1997)24 und Robert Youngs Colonial Desire. Hybridity in Theory, Culture and Race (1995) beide Arbeiten: „Dirliks Conclusio [...] schließt mit dem Gedanken, daß ‚im Postkolonialismus die Probleme widerhallen, die vom globalen Kapitalismus aufgeworfen wer-
22 Für Diskussionen des so genannten „hybridity-talk“ siehe Hutnyk 1997; Friedman 1997, Nederveen Pieterse 2001, Hutnyk 2005. 23 Begriffe wie „Okzident“, „Abendland“, „Europa“, der „Westen“ etc., aber auch ihre analogen Pendants wie „Orient“, „Afrika“, „Asien“, „Dritte Welt“, das „Andere“ usw., stellen im Rahmen meiner Begriffsverwendung keine abgeschotteten und unveränderlichen geographischen und kulturellen Entitäten dar. Vielmehr sind solche Bezeichnungen als Markierung eines komplexen und veränderlichen epistemologischen Prozesses zu begreifen, der überhaupt spezifische Vorstellungen über Kulturregionen und Kontinente generierte. 24 Hall bezieht sich hier auf den gleichnamigen Aufsatz, der zunächst im Critical Inquiry (Winter 1992) erschien und dessen Grundthesen später zu einem Buch erweitert wurden.
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den‘, daß er auf dessen Themen ‚eingestimmt‘ sei und daher seinen kulturellen Erfordernissen diene. Die postkolonialen Denker seien im Grunde die unwissentlich (sic!) Wortführer dieser neuen globalen kapitalistischen Ordnung. Diese Schlußfolgerung einer langen und detaillierten Argumentation ist so überwältigend (und man muss sagen: banal) reduktionistisch, und sie bedient sich eines Fundamentalismus [...] Sie [Dirliks These] ist um so beunruhigender, als sich eine ähnliche Art der Argumentation bei einer diametral entgegengesetzten Position wiederfindet – in Robert Youngs Colonial Desire, das den postkolonialen Denkern auf unbeschreiblich simplifizierende Weise vorwirft, sie seien ‚Komplizen‘ der viktorianischen Rassentheorie, weil beide Schriftstellergruppen den gleichen Ausdruck – Hybridität – in ihrem Diskurs verwenden!“ (Hall 1997a: 246, Hervorh. im Original).
Es wäre spannend in Erfahrung zu bringen, ob Hall diese Position angesichts der immer deutlicher zur Tage tretenden Versuche der hegemonialen Vereinnahmung, die ich in diesem Buch später ausführlicher untersuche, inzwischen modifiziert hat. Leider sind mir diesbezügliche Veröffentlichungen nicht bekannt. Es ist aber fraglich, ob Hall in seiner damaligen abschließenden Beurteilung von Dirliks und Youngs kritischen Analysen ihre politischen Motivationen und theoretischen Konsequenzen adäquat eingeschätzt hat. Offensichtlich hat Hall damals diese Kontextualisierungen und Problematisierungen als provokante Angriffe mit kontraproduktiven Folgen für den sich gerade entfaltenden postkolonialen Diskurs angesehen und strategisch interveniert. Inwieweit Halls „starke“ Lesart berechtigt ist, scheint mir zweifelhaft zu sein. Denn auf strukturelle Rahmenbedingungen und historische Bewegungen hinzuweisen, um eine theoretisch selbst-reflexive und kritisch informierte Position einnehmen zu können, ist nicht dasselbe wie postkolonialen Kritiker/-innen eine ideologische „Komplizenschaft“ mit unterdrückenden Kräften vorzuwerfen. Wäre Halls, für meinen Geschmack, zu eindeutige Lesart zutreffend, dann könnte er möglicherweise mit der gleichen Berechtigung seine Reflexionen über seine eigene politischwissenschaftliche Biographie mit ihren Hinweisen auf die ihn umgebenden wie auf ihn einwirkenden kulturellen wie historischen Verhältnisse ebenfalls als Form der „Komplizenschaft“ auslegen. Sicherlich würde Stuart Hall zustimmen, dass eine solche Interpretation in jeder rationalen Diskussion absolut unangemessen wäre. Hall hat in verschiedenen Aufsätzen und Interviews darauf hingewiesen, dass „I’ve lived, in Jamaica, in a lower-middle-class family that was trying to be a middle-class Jamaican family trying to be an upper-middle-class Jamaican family trying to be an English Victorian family“ (Hall 1996: 116).
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Hall hat diese Konstellation berechtigterweise als „notion of displacement as a place of ‚identity‘“ (ebd.) und nicht unterkomplex als Beispiel kolonialer „Komplizenschaft“ Schwarzer Subjekte analysiert. Ebenso wenig kann seine kindliche Identifizierung mit NS-Offizieren während des Zweiten Weltkriegs in einem unter britischer Kolonialherrschaft stehenden Land umstandslos als proto-„faschistisch“ angesehen werden.25 Und wie Hall an anderer Stelle überzeugend darlegt, hat seine Entscheidung im elitären „Oxbridge“ zu studieren und dort später innerhalb von Institutionen zu arbeiten (Hall 1995: 26-27), die im Laufe ihrer Geschichte durchaus einen Anteil am kolonialen Projekt hatten, trotz aller dabei erfahrenen kulturellen Entfremdung, zweifellos Räume für kritische Interventionen geschaffen (Hall 1992: 24-25; Lindner 2000: 47). Seine enorme Leistung, die weit über die lokalen Grenzen der Akademie Widerhall finden, – und für diese Aussage bedarf es keiner besonderen hellseherischen Kräfte – wird sich über die Gegenwart hinaus in einem progressiven Sinne weiter auf machtkritische Projekte auswirken. Auch ohne seine Erklärung wird durch die Faktizität der Ereignisse klar, dass es nicht möglich ist, bestimmte Formen der Inkorporation mit ihren ambivalenten Auswirkungen einfach als Integration „in the belly of the beast“ (Hall 1998: 223) abzutun, wie er rückschauend sein Leben in der Schwarzen Diaspora in England metaphorisch beschrieben hat. Indem ich Stuart Halls Position zu Arif Dirliks und Robert Youngs Analysen mit seinen eigenen, sehr beeindruckenden Reflektionen gegenlese, die sich mit komplexen Prozessen der ambivalenten Identifikation und der Marginalisierung durch Integration befassen, möchte ich darauf hinweisen, dass das kritische Hinterfragen notwendig ist, um weiterführende Denkräume und neue Perspektiven zu eröffnen. Nur so ist es möglich, Ansätze zu formulieren, die es uns erlauben, Projekte wie die postkoloniale Theorie produktiv fortzusetzen. Wenn Dirlik auf
25 „[Frage:] Ähnliches erzählt der Kolonialismusforscher Edward Said aus seiner Kindheit ... [Hall] Edwards Familie unterscheidet sich sehr von meiner. Trotzdem gibt es Ähnlichkeiten, denn unsere Biografien haben mit einer tiefen Erfahrung kolonialer Kindheit zu tun: der Unmöglichkeit, sich zu identifizieren. Ich kann niemals britisch sein oder westlich, ich kann nie europäisch sein, auch wenn ich mein Leben im Schatten von alldem gelebt habe. [Frage] Ähnlich wie Said haben Sie sich als Kind während des Zweiten Weltkriegs auch mit dem Gegenüber des British Empire identifiziert. [Hall] Das stimmt. In unseren Kriegsspielen habe ich immer die Rolle des Nazi-Generals gespielt. Ich wusste zwar nicht, worüber ich redete, aber ich konnte mir nicht einmal in meiner kindlichen Fantasie vorstellen, in der Position des schneidigen Soldaten der britischen Armee zu sein. Ich habe es vorgezogen, auf der anderen Seite zu stehen“ (Hall 2001: 17).
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problematische Rahmenbedingungen und dominante Dynamiken hinweist, die die postkoloniale Kritik vereinnahmen können, oder Young auf historische Diskurse referiert, die den Begriff der Hybridität in einem kolonial-rassistischen Sinne ideologisch vorgeprägt haben, dann können diese Hinweise sich m.E. nach durchaus positiv auf eine kontextsensible und selbst-reflexive Diskussion auswirken.26 Kritische Beiträge in die Debatte einzubringen, bedeutet keineswegs die politischtheoretische Ausrichtung eines Diskurses zu diskreditieren oder zu verwerfen. Ganz in diesem Sinne möchte ich mit der vorliegenden Untersuchung historische, theoretische und kulturpolitische Aspekte in den Vordergrund stellen, die in der Diskussion um Hybridität meist unterrepräsentiert sind. Dieses Anliegen zielt nicht darauf ab, die konstruktiven und kritischen Impulse in Frage zu stellen, die durch die postkoloniale Konzeption kultureller Hybridität einen Ort gefunden haben. Wenn ich mich wie Dirlik und Young stärker auf problematisierende Kontexte fokussiere, dann ist diese Schwerpunktsetzung in erster Linie der Eingrenzung der Thematik sowie der erkenntnisleitenden Fragestellung dieser Studie geschuldet. Die für mich entscheidende Problemstellung, und diese Untersuchung stellt einen Versuch der Antwortsuche dar, ist die Frage, welche Konsequenzen folgen, wenn Young feststellt: „It has often been suggested that there are intrinsic links between racism and sexuality. What has not been emphasized is that the debates about theories of race in the nineteenth century, by settling on the question of hybridity, focused explicitly on sexuality and the issue of unions between whites and blacks. Theories of race were also covert theories of desire. Today, in reinvoking the concept of hybridity, we are re-utilizing the exact vocabulary of Victorian racialism“ (Young 1995: Cover).27
26 Hutnyks kommentiert diese Debatte wie folgt: „It is absolutely imperative that the uses and usefulness of hybridity as descriptive term, as political diagnostic and as strategy, be evaluated without recourse to petty common room squabbles. That the use of a term can be condemned because of one sort of association or another remains problematic unless the consequences of that association can be demonstrated to have unacceptable consequences. As hybridity appears in several guises, it is important to look at what it achieves what contexts its use might obscure, and what it leaves aside“ (Hutnyk 2005: 83). 27 Im Buch folgt der letzte Satz nicht direkt im Anschluss auf Seite 9, sondern auf der nächsten Seite in veränderter Form: „Today, therefore, in reinvoking this concept, we are utilizing the vocabulary of the Victorian extreme right as much as the notion of an organic process of the grafting of diversity into singularity.“(Young 1995: 10)
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Es wäre eine offensichtliche Unterforderung von Youngs intellektuellen Fähigkeiten, wenn wir aus seiner Studie den Schluss zögen, dass die heutigen postkolonialen Ansätze die Arbeit der eurozentristischen Rassenfanatiker/-innen mit ihren Annahmen, Perspektiven, Wertungen und Schlussfolgerungen ungebrochen übernehmen oder fortsetzen würden. Ganz ohne Zweifel sprechen postkoloniale Ansätze von einer anderen Position aus, und die Bedeutungsmöglichkeiten der Hybridisierung haben sich seit dem 19. Jahrhundert immens vervielfältigt. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Hybridisierung konzeptionell durch ihre vielgestaltigen Möglichkeiten sowohl die Basis für den kulturell-technologischen Umbau spätkapitalistischer Erlebnisgesellschaften wie auch Möglichkeiten für Aufwertung und Repräsentation des Nicht-Repräsentierten bzw. marginalisierten Anderen bieten kann. Es bestehen viele Anzeichen, die auf komplexe Verschiebungen in den vielschichtigen Verflechtungen bestehender Machtverhältnisse, aber weniger auf ihre Aufhebung hindeuten. Eine entscheidende Frage für ein kritisches Verständnis ist daher, ob Hybridität eher als Bruch mit den Metaerzählungen der Moderne oder eher als ihre Modernisierung zu analysieren ist. Inwieweit ist Hybridität als kritisches Konzept zur Dekonstruktion kultureller Essentialismen zu verstehen, oder ist sie doch eher ein Zeichen einer postmodernen Ästhetik und Konzeption von Kultur und Gesellschaft? Kann der Prozess der Hybridisierung durch die positiv besetzte kulturelle Verfügbarmachung des Anderen sogar die Form einer kolonialisierenden Aneignung annehmen? Ist kulturelle Hybridisierung sogar als ideologischer Ausdruck der spätkapitalistischen Verwertungslogik zu verstehen, die neben Effizienz, Faszination, Innovation und Aneignung auch neue Formen von Geschmackshierarchien und Ausgrenzungen produziert? Greift Hybridität innerhalb des umkämpften historischen Prozesses jene Machtkategorien an, welche die „Dritte Welt“ entlang der eurozentrierten Grenzen als einheitlich und unveränderlich zugleich konstruieren und die Metropolen im Gegensatz dazu als Hort des universellen Fortschritts festschreiben? Oder ist dieser Ansatz eher als eine Bewegung anzusehen, die eine Erneuerung des Bestehenden ermöglicht? Statt der Bewahrung einer angenommenen Kontinuität und Reinheit ist vielfach die positive Anerkennung von Differenz und Vermischung zur Leitmaxime des Zeitgeistes aufgestiegen. Aber weist diese Entwicklung wirklich auf transgressiv-emanzipatorische Momente hin, die an die Stelle ausgrenzender Ideologien treten? Oder sind Hybridisierungen nicht viel mehr Modernisierungseffekte eines sich neu konfigurierenden Machtdiskurses, der inzwischen gelernt hat, sich in bestimmten Kontexten die ökonomischen wie kulturpolitischen Vorteile von Diversität und porösen Grenzsetzungen zu sichern?
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Trägt der Hybriditätsdiskurs nicht zu einer weiteren Privilegierung „softer“ Fragen über kulturelle Formen und Oberflächen bei, während „harte“ Interessenskonflikte, die sich mit materiellen Zugangsfragen und politischer Entscheidungsmacht auseinandersetzen, nicht zur Sprache kommen? Kann der Trend zur interkulturellen Event- und Erlebniskultur als eine ästhetische Übersteigerung struktureller Ressourcenentzüge und normalisierter Gewalt in den globalen wie lokalen Zusammenhängen verstanden werden, die durch den modischen Diskurs über kulturelle Hybridität einen idyllisch-harmonischen Anstrich erhalten? Ist die Entdeckung des Hybriden nur ein kurzlebiger Hype, wie einige Kritiker/ -innen vermuten, oder verbirgt sich dahinter eine kulturelle Wende, die Teil eines langfristigen gesellschaftlichen Transformationsprozesses ist? Und inwieweit ist diese Transformation wiederum als Teil eines umfassenderen Projektes des global vernetzten postmodernen Kapitalismus zu verstehen? Von diesen Fragen ausgehend rekonstruiere ich im Folgenden die sich wandelnden kulturhistorischen Vorstellungen über das Hybride. Der damit verbundene Sinngebungsprozess erstreckt sich über einen Zeitrahmen, der von der europäischen Genese des Hybridverständnisses in der griechischen Antike bis zu den heutigen Diskursen über das produktive Potential und die Zukunftsfähigkeit von Hybridität reicht. Im historischen Längsschnitt werden nicht nur der dramatische Wertewandel, sondern auch die disparaten Bedeutungsaufladungen, Konjunkturen und Leerstellen in den unterschiedlichen Phasen des Denkens über Hybridisierung in der europäischen Kulturgeschichte sichtbar. Wie nachfolgend analysiert, ist beim Hybriddiskurs nicht von einer linearen, sondern von einer weitverzweigten Entwicklung mit Latenzphasen und Sinnübertragungen auf andere Begriffsgeschichten und Diskurse auszugehen (vgl. Foucault 1991: 34-38; Jäger 1999: 169). Vor allem lassen sich Diskurse als Repräsentationen einer Ideengeschichte lesen, die über die Gedankenwelten und vorherrschenden Vorstellungen einer Gesellschaft zu einer bestimmten Epoche Auskunft gibt. Der Hybriditätsdiskurs ist im gesamten Untersuchungszeitraum maßgeblich durch unterschiedlich konnotierte phantasmagorische Dimensionen aufgeladen und als kulturelles Phänomen in gesamtgesellschaftliche Kontexte eingebunden. Als Diskursformation sind solche Aussagen daher nicht nur im Sinne individueller Psychogramme ihrer Urheber/-innen zu betrachten, sondern können aufgrund ihres interpersonellen Charakters auch als Zeitdiagnosen studiert werden, die gesellschaftlich relevante Ängste, Hoffnungen und Begierden offen legen. Hybridität als Allegorie der sozialen Grenzüberschreitung und kulturellen – seit der kolonialen Neuzeit oftmals
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auch „rassischen“ – Vermischung war immer mit obsessiven Phantasien besetzt, die die gesellschaftliche Machtsignatur ihrer Zeit in sich bergen. Mein Verständnis von Bedeutungsgebung und -wandlung im Diskurs um Hybridität lässt sich weder auf eine linguistische Problemstellung noch auf eine deskriptive Nachzeichnung reduzieren. Der Erkenntnisgewinn würde gering ausfallen, wenn die Begriffsentwicklung lediglich als abstrakte Ideengeschichte beschrieben wird, ohne die gesellschaftlichen Kontexte zu berücksichtigen. In Anlehnung an Michel Foucaults Verständnis von Diskurs und Macht/Wissen, das er in seinen historisch orientierten Wissensarchäologien, u.a. in „Wahnsinn und Gesellschaft“ (1969) und „Die Ordnung der Dinge“ (1971), dargelegt hat, lese ich in diesem Buch die eurozentrierte Kulturgeschichte der Hybridität als eine mehrschichtige, dynamisch geprägte Diskursformation.28 Darunter ist eine ideelle Verdichtung im Prozess der Bedeutungskonstitution zu verstehen, wodurch eine Thematik wie Hybridität als Objekt der Wissensproduktion paradigmatisch kommuniziert werden kann: „Repeated motifs or clusters of ideas, practices and forms of knowledge across a range of sites of activity constitute a discursive formation.“ (Barker 2004: 54) Die Art und Weise wie Diskurse sich organisieren, welche Bedeutungen sie generieren, welche Perspektiven und Subjektpositionen sie zulassen oder ausschließen, erfolgt nicht zufällig, sondern unterliegt den Bedingungen für die Konstitution von Machtverhältnissen in und zwischen Gesellschaften (Foucault 1991: 41-42). In seiner berühmten Antrittsvorlesung am Collège de France vom 2.12.1970, in dem er die zukünftigen Forschungsschwerpunkte seiner Professur zur „Ge28 Ich habe leider im Rahmen dieser Analyse nicht die Möglichkeit, Michel Foucaults Konzept der Gouvernementalität und der Biomacht im Bezug auf Konstitution und Reproduktion des modernen Rassismus im kolonialen Kontext vorzustellen. Entgegen der geläufigen Annahme, dass Foucault in seinem kritischen Werk ausgerechnet die kaum zu überschauende koloniale Dimension der Moderne gänzlich unbeachtet gelassen hätte, weisen inzwischen eine Reihe neuerer Studien nach, dass diese Lesart mehr irreführend ist, als zur Klärung beiträgt. Eine ausführliche Diskussion bieten Ann Laura Stoler (1995; 2002: 40-161) und auf Deutsch Angelika Magiros (1995) sowie ein knapper Überblick bei Bettina Beer (2002: 297-318) und Hito Steyerl (2003). Es ist kein Geheimnis, dass viele prominente postkoloniale Theoretiker/-innen wie etwa Edward Said in „Orientalism“ (1978) sich methodisch auf Foucaults Diskurs- und Machttheorie beziehen, was dann nicht selten als „widersprüchlich“ angesehen wurde. Inzwischen ist eine ausführliche Studie von Markus Schmitz zu Edward Saids Versuch einer Dekolonisation der Kulturkritik erschienen. Darin wird auch direkt in Foucaults Werk, vor allem am Beispiel seiner „Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft“ (1960), nach Anschlussstellen für eine postkoloniale Lesart seiner eigenen Schriften gefahndet (Schmitz 2008: 160-172).
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schichte der Denksysteme“ erläutert, skizziert er seine Vorstellung von der Struktur des Diskurses: „Ich setze voraus, daß in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen.“ (Foucault 1991: 10f.)
Dabei treten interdependente Prozesse zwischen Diskurs und Gesellschaft auf, in der gesellschaftlich relevante Diskurse materielle Folgen zeitigen können, während historisch wirksame soziale, ökonomische, politische und kulturelle Bedingungen, die selbst wiederum dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen, diskursive Effekte hervorbringen. In diesem Sinne kann auch die diskursive Formierung und soziale Durchsetzung des Rassenparadigmas zu einem gesellschaftlichen und globalen Ordnungsmodell verstanden werden, das mit der Zeit „Rasse“ durch die Machteffekte der Rassifizierung (racialization) wirksam und real machte. Obwohl keine biologisch unterscheidbaren „Rassen“ existieren und die Bildung von Wir-Gruppen immer Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse ist, ist es doch sinnvoll, von kollektiven Identitätsprozessen auszugehen und diese als unterschiedlich zu markieren. Dadurch kann eine Aussage über die fortwährende Präsenz jener historischen Machtverhältnisse getroffen werden, die über sozio-ökonomische Ausschlüsse und Praktiken kultureller Stereotypisierung rassifizierte Körper und Identitäten wahr machten. Die Vorstellung, dass Wahrheit nicht einfach oder naturwüchsig erkannt werden kann, sondern sich oftmals mittels Machtpraktiken gesellschaftlich durchsetzt, stammt von Foucault: „Truth isn’t outside of power. [...] Truth is a thing of this world; it is produce only by virtue of multiple forms of constraint. And it induces regulatory effects of power. Each society has its regime of truth, its ‚general policy‘ of truth; that is, the types of discourse which it accepts and makes function as true, the mechanisms and instances which enable one to distinguish true and false statement“(Foucault 1980: 131).
„Schwarze“ und „Weiße“ bezeichnen daher entgegen dem landläufigen Verständnis keine natürlichen Unterschiede zwischen Gruppen oder physiognomischen Eigenschaften, sondern benennen ebenso wie die
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Begriffe des „Anderen“ oder „People of Color“29 moderne Machtkonfigurationen, die vor allem durch die Überschneidungen sozialer, ethnisierender, geschlechtsbildender und sexueller Kategorien bestimmt werden. Um diese Machteinschreibung sichtbar zu machen, werden sie wie die „Anderen“ groß geschrieben. In eben diesem Sinne werden hier auch eindeutig kontextualisierte Begriffe wie „Rasse“, „Mischling“ und „Bastard“ verwendet. Da solche Begriffe erst durch dominante Diskurse und Wahrheitsregime realitätsmächtig wurden, sind sie als soziale Machtkonstrukte zu hinterfragen. „Schwarz“ und „Weiß“ stellen nicht nur Identitätskonstruktionen dar, sondern sind auch als politische Kategorien zu verstehen. Daher werden sie nur bei erstmaliger Verwendung in Anführungszeichen gesetzt, da eine durchgängige Kennzeichnung den Lesefluss zu stark behindern würde. Bei eindeutig kontextualisierten Begriffen wie „Mischling“, „Bastard“, „Mulatten“ oder „Rassenhygiene“ muss hingegen diese Einschränkung in Kauf genommen werden. Immer dann, wenn eine mehrere Geschlechter einbeziehende Sprache zu einer differenzierteren historischen und theoretischen Betrachtung beiträgt, habe ich diese Möglichkeit genutzt. Je nach Kontext ist dieses Ziel jedoch mit einer geschlechtsspezifischen Benennung für die Akteure verbunden. So habe ich im Kapitel „Hybridität als ‚Rassenvermischung‘ im kolonialen Wissenschaftsdiskurs“ meist ausschließlich die männliche Form verwendet. Angesichts der geschlechtsspezifischen Barrieren zur formalen Bildung und anderen sozio-kulturellen Ressourcen spielten Weiße Frauen bei der Verwissenschaftlichung von Rassentheorien und Eugenik keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Sie waren in diesen Weißen, männlich und in der Regel auch bürgerlich geprägten Diskursen und Institutionen weniger als handelnde Subjekte, sondern vor allem als Anschauungsobjekte und Normierungssubjekte präsent. Abweichungen von einer mehrere Geschlechter einbeziehenden Begriffsverwendung werden in diesem Text von mir bewusst eingesetzt, um geschlechtsspezifische Akteure oder Akteurinnen benennen zu können. Bei Diskurszitaten, die keine spezifische Autorenschaft aufweisen, habe ich auf eine Feminisierung verzichtet, um den Zitatcharakter zu erhalten. Der Diskurs um Hybridität findet zu keinem Zeitpunkt in einem machtfreien Raum statt. Vielmehr werden die gesellschaftlichen Dominanzverhältnisse, die sich ihrerseits durch Institutionen, sozio-kulturelle Praktiken und Beziehungen ausdifferenzieren, mit Brechungen auf sprachlich-symbolischer Ebene widergespiegelt. Obwohl die materielle
29 Vgl. zur Begriffsgeschichte und politisch-theoretischen Diskussion im deutschen Kontext Ha (2007).
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Welt ebenso wie menschliche Bindungen auch außerhalb des diskursiven Bereichs existieren, werden ihre Bedeutungen erst durch diskursiv vermittelte sozio-kulturelle Praktiken, wie den Gebrauch von Sprache und Bildern, hergestellt und transportiert. Der kulturelle Prozess, der allgemein anerkanntes Wissen mit seinen arbiträren Bedeutungen und Wertungen generiert und im Laufe der Zeit abwandelt, ist daher sozial konstruiert und von gesellschaftlichen Restriktionen durchzogen. Den Hybriditätsdiskurs in diesem Sinne kulturgeschichtlich zu analysieren, schließt das Bestreben ein, diskursiv zirkulierende Bilder und Bedeutungen, die gleichzeitig spezifische Interessen, Wünsche und Phantasien ihrer Zeit artikulieren, als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse zu untersuchen und darin nach Anschlussstellen zu historisch kontingenten Machtkonstellationen zu fahnden. „Foucault’s approach to representation is not easy to summarize. He is concerned with the production of knowledge and meaning through discourse. [...] he is more inclined to analyze the whole discourse formation to which a text or a practice belongs. His concerns is with knowledge provided by the human and social sciences, which organizes conduct; understanding, practice and belief, the regulation of bodies as well as whole populations“ (Hall 1997b: 51).
Obwohl der Hybriditätsdiskurs von Machtbeziehungen durchdrungen ist und selbst als Machtform fungiert, wäre es verfehlt, ihn als eindimensionale und ausschließlich repressive Herrschaftstechnik vorzustellen. Gerade Foucault hat in seinem Spätwerk einen relationalen, auf Konsens und produktivem Überschuss basierenden Machtansatz in seiner Analyse der europäischen Moderne als wichtige Innovation und transformierende Kraft herausgestellt (Foucault 1980: 96-120). Anknüpfend an Antonio Gramsci lässt sich analog dazu die Struktur des Diskurses als Austragungsort im andauernden Kampf um kulturelle Hegemonie kennzeichnen.30 Sicherlich können diskursive Formationen in Wechselwirkung mit anderen Machtrelationen symbolische und gesellschaftliche Ordnungen generieren, die direkt oder indirekt durch rechtliche Vorschriften, sozio-kulturelle Konventionen oder die Logik der politischen Ökonomie reguliert und stabilisiert werden. Allerdings ist die in einem Diskurs eingeschriebene dominante Machtsprache immer umstritten, da ihre Autorität niemals über absolute Geltung verfügt und durch abweichende Praktiken wie widerständige Artikulationen in Frage gestellt wird. Innerhalb uneinheitlicher gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse 30 Vgl. Hall 1997c: 260f. Als Einführung in Antonio Gramscis Verständnis von praktischer Philosophie und Kulturpolitik siehe die Beiträge in Hirschfeld/Rügemer (1990) und Holz/Prestipino (1992).
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generieren Diskurse Bedeutungen, deren Formen und Inhalte sich verfestigen und institutionalisiert werden, aber brüchig und veränderbar bleiben. In diesem Sinne begreife ich den Diskurs über Hybridität einerseits als Ausdruck der zu einer gegebenen Zeit wirksamen Macht- und Wissensproduktion, andererseits als umkämpften Raum für potenziellen Widerstand, der abweichende Diskurse und umkodierende Praktiken zulässt (vgl. Jäger 1999: 120-171, Barker 2004: 8, 54).
Forschungsstand und Quellenlage Meine diskursanalytisch, kulturhistorisch und kulturtheoretisch angelegte Fragestellung erfordert ein Forschungsdesign, das einen großen Zeitraum überblickt und mit Hilfe einer interdisziplinären Arbeitsweise verschiedene, zum Teil weit auseinander liegende Themenfelder miteinander in Beziehung setzt. Bisher ist meines Wissens nach noch kein Versuch unternommen worden, eine Kulturgeschichte der Hybridität seit der Antike zu schreiben und mit einer kritischen Analyse der gegenwärtigen Obsession um kulturelle Hybridität als revolutionäres Technologiemodell, kulturindustrielle Massenkonsumware und Phänomen des postkolonialen Signifyings mit ihren potentiellen Widerstandsmöglichkeiten zu verbinden. Eine Aufgabenstellung, die die Entwicklung des Hybriditätsdiskurses als Widerspiegelung gesellschaftlicher Kontexte im historischen Längsschnitt betrachtet, kann gerade aufgrund des breitangelegten Erkenntnisinteresses für das Verständnis von Hybridität in der europäischen Ideengeschichte einen wertvollen Beitrag leisten. Das geschichtliche Hintergrundwissen selbst ist zudem wichtig, um bisher wenig beachtete thematische Kontexte wie etwa die diskursiven Verbindungen zwischen den Ideologien der kolonialen „Rassenvermischung“ und der wissenschaftlichen „Rassenhygiene“ bis zur spätkapitalistischen Vermischungsmode in die Diskussion um Hybridität hineinzutragen. Die Thematik der kulturellen Hybridisierung stellt eine relativ junge akademische Diskussion dar, in der ein Großteil der Publikationen sich auf die gegenwärtige Bedeutung von kultureller Hybridisierung im Zusammenhang mit Globalisierung, Migration, Identität und Urbanität sowie auf Fragen ihrer Theoretisierung konzentriert.31 Eine frühe Aus31 Aufgrund der Materialfülle ist es an dieser Stelle unmöglich alle relevanten wissenschaftliche Werke und Projekte zu erwähnen, die mit dem Ansatz der kulturellen Hybridität gearbeitet haben. Neben Homi Bhabha (2000) und Michail Bakhtin (1979) haben u.a. auch Robert Young (1990; 1995), Néstor García Canclini (1995), Smadar Lavie/Ted Swedenburg (1996), Pnina Werbner/Tariq Modood (1997), Avtar Brah/Annie Coombs
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nahme stellt Robert Youngs Buch „Colonial Desire. Hybridity in Theory, Culture and Race“ (1995) dar, das die rassistisch aufgeladenen Bedeutungen von Hybridität in der Kolonialzeit hauptsächlich im anglophonen Diskursraum rekonstruiert und innerhalb der postkolonialen Kritik problematisiert hat. Indem unterschiedliche Aspekte und Bedeutungen von Hybridität in ihren jeweiligen zeitlichen und räumlichen Kontexten wahrgenommen werden, ergibt sich gleichzeitig die Chance, eine differenziertere Debatte über den rapiden epistemologischen Bedeutungswandel wie die vielschichtigen Signifikationen von kultureller Hybridität zu führen. Wie im ersten Kapitel „Postkoloniale Kritik und Hybridität“ einführend erläutert, ist diese Forschungsarbeit im postkolonialen Diskurs situiert und wäre ohne diese grundlegenden theoretischen Vorarbeiten mit ihren weitreichenden politischen, geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Implikationen nicht denkbar. Von diesen Inspirationen ausgehend unternimmt diese Arbeit zunächst den Versuch, das postkoloniale Erkenntnisinteresse an der Freilegung von eurozentristischen Machtstrukturen, etwa in der Wissensproduktion am Beispiel der Kulturgeschichte des Hybriden, anzuwenden. Im nächsten Schritt werden globale Trends in der kulturellen und technologischen Kommodifizierung im Sinne eines praktizierten Hybriditätsansatzes im Zusammenhang mit lokalen Phänomenen der kulturell diversifizierten nationalen Repräsentation wie der migrantischen Kulturpraxis der Kanakisierung als politische Strategie des Signifyings diskutiert, um die Sicht auf die Ambivalenz des Hybriditätsbegriffs in der postkolonialen Theoriebildung zu schärfen. Da diese Studie sowohl durch die Wahl ihres Untersuchungsgegenstands als auch aufgrund der Art und Weise, wie sie ihre Fragestellung zu beantworten sucht, in einigen Bereichen die gut beschilderten Pfade des temporär abgesicherten Wissens verlässt, muss sie eigene Grundlagen für die Orientierung finden. Gerade im Rahmen der exemplarischen Diskursrekonstruktionen von der Antike bis zu den Werken der Aufklärung betritt dieses Projekt ein bislang kaum erforschtes Gebiet. Meine Suche nach fundierten wissenschaftlichen Vorarbeiten blieb ohne positiven Befund. Eigenständige Recherchen waren daher unab-
(2000), Jan Nederveen Pieterse (2004), Virinder S. Kalra/Raminder Kaur/John Hutnyk (2005), Marwan Kraidy (2005) und Joeal Kuortti/Jopi Nyman wichtige Beiträge geliefert. Im deutschen Kontext sind u.a. Elisabeth Bronfen et al. (1997), Monika Fludernik (1998), Christof Hamann (2002), Paul Mecheril (2003), Kien Nghi Ha (2005) und Ceren Türkmen (2008) zu erwähnen.
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dingbar, um anhand von Beispielen historisch belegte Aussagen über die allgemeine Begriffsentwicklung treffen zu können. Um den Bedeutungswandlungsprozess im Denken über das Hybride anhand schriftlicher Quellen im deutschsprachigen Kontext nachzuverfolgen, erschien es mir in einem ersten Arbeitsschritt zunächst sinnvoll, seine überlieferten Spuren zu lokalisieren und seine jeweiligen Verständniskontexte exemplarisch herauszuarbeiten. Um eine möglichst breite Datengrundlage auswerten zu können, wurden neben zeitgenössischen auch historische Standardwörterbücher, Lexika aus dem deutschwie englischsprachigen Sprachraum, etymologische Nachschlagewerke, philosophische Handwörterbücher sowie themenzentrierte Fachliteratur konsultiert. Hinzu kommen Recherchen in der „Digitalen Bibliothek“, deren umfassende Volltextsammlungen auf CD-ROM wie die „Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos“ (Lehmstedt 2000), „Philosophie von Platon bis Nietzsche“ (Hansen 1998), „Die Bibliothek der Weltliteratur“ (Finkbeiner/Hafki 2003) oder die „Studienbibliothek der deutschen Literatur von Lessing bis Kafka“ (Bertram 2000) den Anspruch erheben, eine repräsentative Auswahl der europäischen bzw. deutschen Geistesgeschichte abzubilden. Außerdem recherchierte ich in elektronischen Datenbanken wie „The Philosopher’s Index“ und „Biological Abstracts“. Sicherlich können selbst breit angelegte digitale Datenbanken als lückenhafte Rekonstruktionen grundsätzlich nur einen selektiven und zum Teil zufälligen Ausschnitt aus der tatsächlichen Historie darstellen. Nichtsdestotrotz bieten sie unübersehbare Vorteile: Aufgrund ihres vielfach anerkannten, aber ebenso hinterfragbaren qualitativen Anspruchs,32 ihrer quantitativen Datenfülle und ihrer präzisen Recherchemöglichkeiten lassen solche Datendanken bei aller Vorsicht empirisch belegbare Aussagen zu. Gerade bei sehr selten verwendeten Begriffen wie „hybrid“ können digitalisierte Archive die Möglichkeiten eines analogen Abgleichs, etwa durch stichprobenartige Zugriffe eines Einzelforschers, weit übertreffen. Obwohl der Anspruch auf kanonische Re32 So wirbt „Die Bibliothek der Weltliteratur“ mit folgender Selbstbeschreibung für sich: Sie „versammelt auf der Basis solcher Kanonlisten oder – in schlichteren Worten – Lektüreempfehlungen die bedeutendsten Romane, Erzählungen, Dramen und Gedichte von den altindischen Veden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Ausgabe umfasst auf über 85.000 Bildschirmseiten jeweils ein bis drei Hauptwerke von 122 Autoren“ (Finkbeiner/Hafki 2003: 3). Allerdings wird das Resultat nur sehr bedingt, wenn überhaupt, dem selbstgestellten Anspruch auf eine umfassende und wohl begründete Repräsentation der Weltliteratur gerecht: „Im Ergebnis ist eine Auswahl zustande gekommen, die vornehmlich europäische Autoren umfasst“ (ebd.: 6).
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präsentativität ebenso wie der eurozentrierte Fokus kritisch zu hinterfragen ist, sind diese Datenbanken in diesem Fall gerade aufgrund ihres einseitigen Zuschnitts geeignet, vorherrschende Vorstellungen des Hybriden in der europäischen und insbesondere in der deutschen Schriftkultur anzuzeigen. Die in der Digitalen Bibliothek zur Verfügung stehenden historischen Quellen beziehen sich meist auf ins Deutsche übersetzte „Klassiker“ im Bereich der europäischen Hochkultur und decken den Zeitraum von der Antike bis zur Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts ab. Als solche stellen sie gesellschaftlich anerkannte Repräsentationen in der westlichen Ideengeschichte dar, die zur ihrer Zeit bzw. im Nachgang aufgrund ihres kulturellen Einflusses häufig weite Verbreitung sowie vielfältige Formen der Rezeption und Übersetzung gefunden haben. Dies war vor allem dann der Fall, wenn diese Schriften von den dominierenden sozio-kulturellen Klassen in der Nachwelt als wichtige Werke mit bleibendem Wert angesehen wurden. Klassiker verfügen aufgrund ihres bedeutsamen intellektuellen Einflusses über eine historische Langzeit- und Breitenwirkung, die sich mit Unterbrechungen und Ruhephasen über Jahrhunderte auf viele Generationen von Leser/-innen über Sprach- und Staatsgrenzen hinweg erstrecken kann. Ebenso wie der Zugang zum Hybriddiskurs im Rahmen dieser Aufarbeitung durch die zur Verfügung stehende Quellenlage limitiert ist, ist auch der zeitliche Bezug dadurch eingegrenzt. Den Anfang eines ideengeschichtlichen Prozesses zu bestimmen beinhaltet darüber hinaus einen willkürlichen Akt der Setzung. Dass der Ursprung eines Diskurses in den seltensten Fällen exakt identifiziert werden kann, liegt nicht nur in der Tatsache begründet, dass im Verlauf der Geschichte Dokumente und Zeugnisse verloren gehen. Selbst im Idealfall, dass sämtliche historische Quellen archiviert wurden und in einer erschöpfenden Studie detailgetreu verarbeitet werden, lässt sich das prinzipielle Problem der Willkür in der rekonstruktiven Setzung nur minimieren, aber nicht auflösen. Aufgrund der diskursiven Verkettung in der menschlichen Wissensproduktion ist die Ausgangssituation einer Idee oder eines Begriffs bereits durch andere Diskurse bestimmt, die wiederum von ihren Vorgängern abhängig sind. Wenn der absolute diskursive Anfangspunkt nicht bestimmbar ist, bleibt nur die pragmatische Möglichkeit, einen möglichst gut vertretbaren Zugriff bei der Aufarbeitung zu finden und irgendwo im historischen Kontinuum anzusetzen. Die im dritten Kapitel diskutierte Frage der „Rassenvermischung“ im kolonialen Wissenschaftsdiskurs ist im deutschsprachigen Raum insgesamt gesehen bisher nur sehr unzureichend systematisch erforscht worden. Bei meinem Literaturstudium wurde ich vor allem im Bereich der erst seit Mitte der 1980er Jahre einsetzenden wissenschaftsgeschicht-
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lichen Erforschung der deutschen „Rassenanthropologie und -hygiene“ fündig.33 Ihre besondere Bedeutung liegt nicht zuletzt darin begründet, dass in Deutschland viele akademische Disziplinen spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945 und in einigen Bereichen teilweise noch darüber hinaus eine offen rassistische Wissenschaftskultur pflegten. Insbesondere die Geschichte der Anthropologie, Ethnologie, Soziologie, Medizin und Psychologie wurde stark durch eugenische und „rassenhygienische“ Vorstellungen geprägt, die sich exzessiv mit der Figur des „Rassenbastards“ beschäftigten. Angesichts seiner diskursiven Omnipräsenz ist die Auseinandersetzung mit dieser Figur im Sinne einer seriösen Aufarbeitung kaum vermeidbar. Das Thema der „Rassenvermischung“ wird in der bisherigen Forschung meist lediglich im Rahmen von Werkanalysen, Biographien, Institutions- und Organisationsgeschichten behandelt. Da die Auseinandersetzung mit der Frage der Rassenkonstruktion bisher im Vordergrund steht, gerät die Thematik der „Rassenvermischung“ oftmals ins Hintertreffen. Bisher haben wir letzteres nicht als selbständiges Themenfeld von zentraler Bedeutung angesehen. Vielleicht ist die noch fehlende erste deutschsprachige Monographie, die sich kritisch mit „mixed race“ befasst, ein Indiz dafür, wie randständig diese Thematik bisher behandelt wird. Auch in der historischen Rassismusforschung34 in der BRD stellt diese Fragestellung meist kaum mehr als eine Marginalie dar, so dass sich häufig nur versprengte Bemerkungen und kurze Einlassungen finden. Im Vordergrund stehen stattdessen kultur- und sozialgeschichtliche Darstellungen des Rassismus in unterschiedlichen Regionen und zu verschiedenen Zeiträumen sowie die theoretische Auseinandersetzung mit historischen Rassenideologien seit der europäischen Aufklärung. Im Rahmen von ideen- wie auch sozialgeschichtlichen Studien ist der Fokus in erster Linie auf die „soziale Konstruktion natürlicher Ungleichheit“ (Hund 1999) durch Prozesse der Rassifizierung und ihre Übersetzung in gesellschaftliche Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse gerichtet. Die Fixierung auf Rassenkonstruktionen als binäre Oppositionen hat 33 Siehe etwa Müller-Hill 1984, Weindling 1989, Pollack 1990, Weingart/ Kroll/Bayertz 1992, Schwartz 1995, Kühl 1997, Lüddecke 2000, Matz 2002, Rickmann 2002. 34 Diese Forschungsrichtung verfolgt häufig anhand von Werkanalysen in der Philosophie, Literatur und anderen Formen der Wissensgenerierung und kulturellen Repräsentation die diskursive Genealogie der Rassenkonstruktion. Ebenso wichtig sind sozialgeschichtliche Aufarbeitungen rassistischer Macht-, Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen in lokalen wie auch in globalen Zusammenhängen. Siehe für den deutschsprachigen Raum etwa Poliakov et al. 1979, Kohl 1986, Geiss 1988, Schütz 1994, Danckwortt et al. 1995, Hund 1999, Priester 2003, Delacampagne 2005.
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allerdings sozio-kulturelle Grenz- und Übergangszonen durch Hybridisierungsprozesse vernachlässigt. Gleiches gilt auch für die erst seit etwa Ende der 1980er Jahre in der BRD aufgekommenen Rassismusanalysen.35 Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf gegenwärtige Problemstellungen und thematisieren dabei häufig Rassismus im Zusammenhang mit rechtsextremer Gewalt und Jugendkultur, institutionalisierten Grenz-, Migrations- und Integrationsregimen sowie Vorurteilsstrukturen und interkulturelle Pädagogik. Zum Teil sind diese Arbeiten grundsätzlicher angelegt und analysieren die ideologischen und strukturellen Beziehungen zwischen rassistischer Ausgrenzung, Kapitalismus, Gender und Moderne. Erst mit den seit wenigen Jahren im anglophonen Sprachraum eingeführten interdisziplinären Mixed Race Studies steht das Thema als eigenständiges Forschungsfeld im Fokus der wissenschaftlichen Analyse.36 35 Im Unterschied zur historischen Rassismusforschung stehen in der stärker theoretisch-ideologiekritisch ausgerichteten Rassismusanalyse aktuelle Fragestellungen und Entwicklungen sowie die Wechselwirkungen mit Migrationsbewegungen im Zentrum. In den kritisch intendierten Ansätzen wird Rassismus im Zusammenhang mit anderen Machtverhältnissen wie Gender, sozialer Ausgrenzung, kapitalistischer Produktionsweise und der Konstitution nationaler Identitäten analysiert. Siehe für die BRD aus der umfangreichen Literatur etwa Autrata et al. 1989, Kalpaka/Räthzel 1990, van Dijk 1991, Miles 1991, Jäger 1992, Foitzik et al. 1992, Institut für Migrations- und Rassismusforschung 1992, Burgmer 1999, Demirovic/ Bojadžijev 2002, Terkessidis 2004, Hund 2007, Bojadžijev 2008 und Karakayali 2008. 36 Die jahrhundertealten Obsessionen haben lange Zeit eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Thematik jenseits rassistischer Annahmen verhindert. In den USA erschienen die ersten kritisch reflektierenden wissenschaftlichen Studien wie etwa Paul Spickard (1989), Maria Root (1992; 1996) und Naomi Zack (1993; 1995) vor mehr als zwei Jahrzehnten. Inzwischen gilt: „Mixed race studies is one of the fastest growing, as well as one of the most important and controversial areas in the field of race and ethnic relations“, wie Jayne Ifekwunigwe (2004, Cover) anlässlich der Edition des ersten Sammelbandes mit Grundlagentexten beobachtet hat. Mit der zunehmenden Popularisierung hat auch eine starke thematische und regionale Ausdifferenzierung eingesetzt: Vgl. etwa Beltran/Fojas (2008) Studie über „Mixed Race Hollywood“, kulturhistorische Repräsentationen in Shuffelton (1993) oder die umfangreiche quantitative Sozialstudie von Fryer et al. (2008). Daneben werden künstlerische (Fulbeck 2006), autobiographische (Gaskins 1999), literarische (Prasad 2006) und bewegungspolitische (Spencer/Vander Ross 1997) Aspekte thematisiert. Zur Situation in England siehe Parker/Song (2002) und Perkins (2007) für Australien. Neben „Mixed Race Studies“ hat sich sich im zeitgenössischen Kontext als Synonym auch der Begriff „Multiracial Studies“ (vgl. Root 1996, Dalmage 2004, Brunsma 2005, Williams 2006) zur Bezeichnung dieses Forschungsfeldes eingebürgert. Vgl. auch etwa das 1997 gegrün-
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Diese Entwicklung trägt einem Phänomen Rechnung, das aufgrund seiner vielfältigen Dimensionen u.a. mit soziologischen, historischen, kultur-, sprach- und literaturwissenschaftlichen, philosophischen, aber auch demographischen, wirtschaftlichen und urbanistischen Fragestellungen verbunden ist. In einer Welt der Globalisierung und Migrationen, die seit Jahrhunderten sowohl durch gewaltvolle Prozesse der kulturellen Durchdringung und sozialen Öffnung als auch durch zunehmende gesellschaftliche Ausgrenzung widersprüchlicher wird, ist es in jedem Fall notwendig, „mixed race“-Identitäten von ihrem kolonial-rassistischen Ballast zu befreien und Raum für nicht-diskriminatorische Subjektpositionen zu entwerfen. Jayne Ifekwunigwe hat für diese Aufgabe ein passendes Bild gefunden: „Cracking the Coconut: Resisting popular folk discourses on ‚race‘, ‚mixed race‘ and social hierarchies“ (Ifekwunigwe 1999: 1-24). Das Thema des „Hype um Hybridität in der Spätmoderne“ im vierten Kapitel wird in Form der kulturellen Vermischung seit mehr als einem Jahrzehnt in praktisch allen geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereichen rund um den Globus diskutiert. Unzählige Konferenzen, Forschungsprojekte, Ausstellungen, Seminare und verschiedenste Publikationen, die mittlerweile ganze Bibliotheken füllen dürften, sind seit dem Erscheinen von Homi Bhabhas außerordentlich einflussreichem Essayband „The Location of Culture“ (1994) zu verzeichnen. Angesichts des kaum zu überblickenden Umfangs dieser anhaltenden interdisziplinären Debatte, aber auch weil mein Interesse sich auf eine gegenläufige Entwicklung im lokalen Raum richtet, ist es an dieser Stelle nicht sinnvoll und möglich, einen umfassenden Literaturüberblick zu geben. Statt dessen habe ich in der Einführung symptomatische Andockversuche prominenter Wissenschaftler/-innen in der deutschsprachigen Rezeption des anglophonen Hybriditätsdiskurses aufgegriffen und am Fallbeispiel des deutschen Transdifferenz-Konzepts genauer
dete Online-Journal und Internet-Projekt The Multiracial Activist (www. multiracial.com). Die im angloamerikanischen Raum verfügbare Literatur ist inzwischen so umfangreich, dass nur bibliographische Studien einen Überblick ermöglichen können. Einige der wenigen deutschsprachigen Publikationen zu diesem Themenbereich sind in Frieben-Blum/Jacobs/ Weißmeier (2000) zum 25-jährigen Jubiläum des „Verbandes für binationale Familien und Partnerschaften“ (IAF) zu finden. Wie stark historische und kulturelle Hemmschwellen aus der jüngsten deutschen Geschichte einen kritischen Zugang erschweren, zeigte sich in diesem Band etwa daran, dass die in der BRD arbeitenden Wissenschaftler/-innen sich meist im „bikulturellen“ Themenrahmen aufhielten, während die Beiträger/-innen aus den USA sich mit Fragen der „gemischtrassigen“ Identität auseinandersetzten.
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analysiert. Während Hybridität meist als sozio-kulturelle Entgrenzung jenseits ethnisch-nationaler oder sonstiger Formen vermeintlich festgefügter und in sich abgeschlossener Identitäten verstanden und oftmals emphatisch als innovativ bejubelt wird, setze ich mich in diesem Kapitel mit Fragen der Verwertung von technologischer und kultureller Hybridisierung in der Spätmoderne auseinander. Für diese weit vom akademischen Mainstream entfernte Lesart, die den gegenwärtigen Hype um Hybridität hinsichtlich seiner politischen Ökonomie und kulturellen Verwertbarkeit hinterfragt, lieferten die Arbeiten von John Hutnyk (1997; 2000; 2005) und Graham Huggan (2001) wichtige Impulse. Um Einblicke in die technologische Dimension des Hybriditätsdiskurses zu erhalten, war das Internet als aktuelles und dynamisches Informationsnetzwerk unentbehrlich. Bei der Frage der kulturellen Kommodifizierung durch postmoderne Ästhetisierungstechniken wie Stilmix, Pastiche und Rekombination im Spätkapitalismus habe ich vor allem neomarxistische Studien aus den Cultural Studies, namentlich Fredric Jameson (1991) und John Featherstone (1991) zu Rate gezogen. Im Anschluss an die theoretische Auseinandersetzung leite ich abschließend zu gegensätzlichen politischen Ausformungen kultureller Hybridität im deutschen Kontext über, wobei ich mich auf unterschiedliche popkulturelle Phänomene beziehe. Meine Untersuchung versteht sich in ihrer Gesamtheit als erste Annäherung an ein neues Themenfeld und kann daher keine lückenlose oder abgeschlossene Aufarbeitung leisten. Dazu ist nicht nur der zu überblickende Zeitraum zu umfangreich. Ebenso sind die feingliedrigen Diskursstränge zu komplex und zu stark ineinander verschachtelt, um sie im Rahmen dieser Studie vollständig freilegen zu können. Diese Aufgabe bleibt thematisch, räumlich und zeitlich stärker spezialisierten Studien vorbehalten, die hoffentlich entstehen werden.
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Vorgehensweise und Aufbau der Studie Um den Prozess des Bedeutungswandels von Hybridität in der europäischen Kulturgeschichte zu rekonstruieren, seine unterschiedlichen Diskursphasen zu differenzieren und die Ursachen dieser Entwicklung zu diskutieren, ist die Analyse in fünf Abschnitte unterteilt: 1. Postkoloniale Kritik und Hybridität 2. Konjunkturen und Leerstellen: Etymologische und philosophische Bedeutungskontexte 3. Hybridität als „Rassenvermischung“ im kolonialen Wissenschaftsdiskurs 4. Hype um Hybridität in der Spätmoderne 5. Umkämpfte Hybridisierungen: Zwischen Konsumkultur und postkolonialem Signifying
Postkoloniale Kritik und Hybridität Meine Untersuchung der Kulturgeschichte der Hybridität ist innerhalb der postkolonialen Kritik verortet. Da dieser Diskurs den Ausgangspunkt dieser Studie bildet, werde ich zur Einführung die theoretischen und historischen Hintergründe dieses Feldes zunächst kurz skizzieren, um Homi Bhabhas Begriff der Hybridität darin einzubetten. Sein vielschichtiger Hybriditätsbegriff verfügt über unterschiedliche Bedeutungsdimensionen, in denen Hybridität als Zeichen kolonialer Ambivalenzen, aber auch als offenes Kulturmodell jenseits binärer Zuordnungen theoretisiert wird. Im Zuge der deutschsprachigen Rezeption des Begriffs der kulturellen Hybridität findet jedoch häufig eine problematische Bedeutungsreduktion statt. So zeigt sich, dass sich mit der begrifflichen Popularisierung und Assimilation im sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskurs ein Verständnis eingebürgert hat, in dem Hybridität aufgrund einer verkürzten und instrumentalisierenden Rezeptionsweise oftmals als postmoderne Theorie der Vermischung der Kulturen angesehen wird, die mit zweifelhaften Implikationen einhergeht. Wie meine Diskussion des Erlanger Transdifferenzansatzes zeigt, wird auf diese Weise jedoch das kritische Potential und die politische Interventionskraft des postkolonialen Diskurses durch kulturalisierte und zum Teil auch essentialisierende Übersetzungs- und Aneignungsprozesse im deutschsprachigen Raum erheblich neutralisiert. Der gegenwärtige Hype um Hybridität veranlasst mich zu postkolonialen Streifzügen durch ihre Kulturgeschichte, um vor dem Hintergrund ihrer historischen Bedeutungskontexte eine analytische
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Einordnung der gegenwärtigen Konjunktur hybrider Theorie-, Kulturund Technologieansätze abgeben zu können.
Konjunkturen und Leerstellen: Etymologische und philosophische Bedeutungskontexte Im ersten Teil meiner kulturgeschichtlichen Rekonstruktion werde ich daher die etymologischen Ursprünge des Hybridbegriffs seit der griechischen Antike diskutieren. Im Verlauf der historischen Entwicklung Europas diente gerade die antike Zeitepoche vielfach als sich tradierende geistige Inspirationsquelle. Als philosophische Vorlage für die Wissensproduktion und das ästhetische Denken in der europäischen Moderne spielten hellenistische Überlieferungen eine unschätzbare Rolle, wovon etwa die breitgefächerten Diskurse und Formensprachen der Renaissance und des Neoklassizismus eindrucksvoll Zeugnis ablegen. Einsetzend mit dem antiken Verständnis von „hýbris“, die den etymologischen Wortstamm des heutigen Begriffs „hybrid“ bildet, wurden fortschreitend negativ besetzte Sinnbezüge hergestellt. Die „hýbris“ symbolisierte in der griechischen Mythologie die menschliche Grenzüberschreitung metaphysischer Ordnungen, die Unheil und göttliche Bestrafung heraufbeschwor. Ebenso wurden bereits in diesem Zeitalter die assoziativen Bilder und Bedeutungen von „hybrid“ und „Bastard“ durch die Vermischungsmetapher miteinander verbunden. Neben der Furcht vor vermeintlichen Negativwirkungen von sozio-kulturellen Grenzauflösungen fanden sich sowohl in der antiken Geschichtsschreibung wie auch in der Philosophie Platons Beispiele für „rassisch“ konnotierte Fremdzuschreibungen des „Bastards“.
Hybridität als „Rassenvermischung“ im kolonialen Wissenschaftsdiskurs Während der Diskurs um Hybridität mit dem Ende der Antike praktisch zum Erliegen kam, sollte gerade die begriffliche und gedankliche Verbindung zwischen „Rasse“ und „Bastard“ nach dem Mittelalter eine wichtige Rolle in der Kolonialideologie spielen. Die Einführung von „Rassenkategorien“ in der kolonialen Welt, die fest an hierarchisierten Gesellschaftspositionen gekoppelt waren, schuf ein neues bevölkerungspolitisches Paradigma von epochaler Tragweite, das eine entsprechende Biopolitik ermöglichte. Durch die Erfindung biologischer „Rassen“ entstand unter kolonialer Herrschaft, nicht zuletzt durch massenhafte Vergewaltigungen Schwarzer und indigener Frauen forciert, das Phänomen der „Rassenvermischung“.
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Vor diesem geschichtlichen Hintergrund erscheint es mir zunächst notwendig, die Konstruktion kultureller Hybridität als abzulehnende „Rassenvermischung“ in der Kolonialgeschichte in groben Zügen aufzuarbeiten. Im zweiten Schritt werde ich dann die deutschen Beiträge zur kolonialwissenschaftlichen Konstruktion des „Rassenbastards“ ins Verhältnis setzen. An der sozialen Erfindung von „Rasse“ und „Rassenvermischung“ hatten führende europäische „Masterminds“, die sich selbst als humanistische Anhänger des Rationalismus und der Aufklärung begriffen, einen beachtlichen Anteil. Kolonial-rassistische Ansätze, angefangen bei berühmten Werken der westlichen Aufklärung über die Eugenik und den Sozialdarwinismus im 19. Jahrhundert bis zur nazistischen „Rassenhygiene“, fokussierten sich obsessiv auf den „Rassenbastard“ als eine sozialpathologische Figur, die als besonders minderwertig, degeneriert und gefährlich konstruiert wurde. Die uneingestandene ideologische Komplizenschaft begünstigte Forschungsdisziplinen, die sich aufgrund ihrer politischen Wirkungsmacht gerade in Deutschland als fatal erwiesen. Die Geburt der modernen Wissenschaften aus dem Geist des Kolonialismus stellt bis heute eine schwere Hypothek dar und verweist auf die Notwendigkeit zur selbst-reflexiven und herrschaftskritischen Wissenschaftspraxis.
Hype um Hybridität in der Spätmoderne Die Zeit der Jahrhundertwende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert stellt eine wichtige ideengeschichtliche Schnittstelle dar, die durch das Werk Friedrich Nietzsches symbolisiert wird. Einige seiner philosophischen Schriften belegen, dass er einerseits als Zeitzeuge und Kommentator in den zeitgenössischen Debatten des kolonialen Rassismus involviert war. Andererseits gilt er aufgrund seines fragmentarischen Denkens und seiner grundsätzlichen philosophischen Skepsis gegenüber den Werten der Moderne als ein wichtiger Wegbereiter des poststrukturalistischen Denkens. In seinen Schriften deutet sich eine Entwicklung an, die seit den 1960er Jahren unter dem Stichwort der globalen Postmoderne diskutiert wird. Gegenwärtig findet in der Diskussion über die Chancen und Potentiale der kulturellen Globalisierung eine epistemologische Umdeutung statt, in der Hybridität eine positive Wertschätzung und Anerkennung erfährt. Dieser radikale Wertewandel macht eine Analyse unumgänglich, in der Fragen nach kulturindustriellen Verwertungsinteressen in der spätkapitalistischen Produktionsweise und ihr Bedürfnis nach permanenten Innovationen, konsumptiven Differenzen und uneingrenzbarer
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Vielfalt als Motor für technische Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt in den Vordergrund gestellt werden.
Umkämpfte Hybridisierungen: Zwischen Konsumkultur und postkolonialem Signifying Die Hoffnung, durch nicht festlegbare in-between-Kategorien hegemoniale Konzepte und gesellschaftliche Machtverhältnisse zu hinterfragen und zu destabilisieren, erweist sich in ihrer gesellschaftlichen Modernisierungswirkung als durchaus inkorporierbar. Nicht zuletzt können die transformativen Effekte der Hybridisierung affirmativ im Rahmen des Bestehenden verbleiben und müssen nicht notwendigerweise die Grenzen zwischen dominanten und marginalisierten Kräften überschreiten. Diese These werde ich am Beispiel des Berliner „Karnevals der Kulturen der Welt“ und der Repräsentation des Anderen im Rahmen der nationalen „Germany 12 Points!“-Vorausscheidung zum „Eurovision Song Contest 2004“ ausführen. Allerdings deuten andere populärkulturelle Phänomene wie der „Kanaken“-Diskurs darauf hin, dass die politischen Effekte kultureller Hybridisierung sich insgesamt doch ambivalenter auswirken. Seitdem Feridun Zaimoğlu in „Kanak Sprak“ (1995) diese Figur durch die rhetorische Übernahme und Abwandlung einer neorassistischen Chiffre allmählich gesellschafts- und diskursfähig machte, kann ihr Image sowohl als popkulturelle Ware verwertet wie als antirassistische Allegorie postkolonialen Signifyings genutzt werden.
Postkoloniale Kritik und Hybridität Die Überzeugung, dass Wanderungsprozesse so alt wie die Menschheit selbst seien, hat in Zeiten der Globalisierung Konjunktur. Statt als bedrohliche Irregularität stellt diese Sichtweise die menschliche Überschreitung von geographischen, politischen oder sozio-kulturellen Grenzen als historischen Normalfall in den Vordergrund der Betrachtung. So richtig diese Behauptung auf der einen Seite ist, so undifferenziert ist sie auf der anderen. Sie übersieht, dass die heutigen Migrationen aus der südlichen Peripherie in die westlichen Metropolengesellschaften vor allem Folge der postkolonialen Konstellation sind. Die aktuellen Entwicklungen auf der politischen Weltbühne zeigen dramatisch auf, dass imperiale Autoritäten sich offen revitalisieren und Fragen nach kolonialen Diskursen und Praktiken in globalen wie lokalen Kontexten sich keinesfalls historisiert haben. Koloniale Diskurse, Praktiken und Institutionen haben in den letzten 500 Jahren ein globales, interdependentes und zutiefst eurozentristisches System der Ausbeutung und Unterdrückung von People of Color hinterlassen.1 Auch die ungleichgewichtige Globalisierung in der Gegenwart mit ihren sozialen Konflikten ist ohne Kenntnis der kolonialen Expansionen, der geopolitischen Dominanz „des Westens“ und der kapitalistischen Ungleichheitsstrukturen der Weltökonomie nicht zu begreifen. Das weitverzweigte und bis in die Gegenwart hineinreichende Machtsystem des Kolonialismus und die mit ihm verbundenen sozialen Hierarchien, diskursiven Räume, psychologischen Beziehungen, kultu1
Vgl. als Überblicksdarstellung etwa Osterhammel (2006), der die unterschiedlichen Formen des Kolonialismus und Folgen auch konzeptuell diskutiert, und Conrad/Shalini (2002) für eine Diskussion transnationaler Historiographien jenseits europäischer Standardsetzungen.
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rellen Zeugnisse, polit-ökonomischen Verhältnisse und historischen Entwicklungen werden im Postkolonialismus herrschaftskritisch analysiert, um neue Geschichtsbilder und emanzipatorische Alternativen für die Weltgesellschaft zu entwickeln.
Zur politischen Situierung postkolonialer Kritik Die Facetten der disharmonischen Globalisierung, die wir als ambivalenten Raum sozio-ökonomischer Ungleichheiten und kultureller Überlagerungen erfahren, spiegeln sich auch in der Situierung postkolonialer Kritik in den Metropolen wider. Postkoloniale Kritik kann als diskursiver Ausdruck eines globalen Widerspruchs gelesen werden, der die Bedingungen seiner eigenen Ausgangslage als Möglichkeit der Reflexion begreift. Ebenso wichtig, wie den Blick für weltweite Gesamtzusammenhänge nicht zu verlieren, ist es auch, mikropolitische Prozesse wie die Frage nach der Subjektkonstituierung als Voraussetzung kritischen Denkens zu beachten. Postkoloniale Analysen gehen daher von einem relationalen, dynamischen und kontextuellen Verständnis von Ungleichheit, Macht und Dominanz aus, die permanent neu „ausgehandelt“ werden müssen. Die Unabgeschlossenheit von gesellschaftlichen Machtverhältnissen sowie die unvermeidliche Involvierung der Subjekte darin fordern dazu auf, die eigene Position im Diskurs wie in der Gesellschaft zu lokalisieren und zu hinterfragen (Gandhi 1998: 81-101). Eine solche reflexive Selbstverortung und Selbstüberprüfung, die die Ausgangsbedingungen jedes Sprechens und jeder Sprechposition beachtet, schließt eine Praxis mit ein, die sich von der Konstruktion eines scheinbar neutralen, überzeitlichen und objektivierbaren Wissen(schafts)begriffs emanzipiert. Stattdessen zeigt eine dekonstruktive Sichtweise auf, wie in der herrschenden Definition von Normalität, Unparteilichkeit und Universalität jeweils partikuläre klassen- und geschlechtsspezifische Interessen sowie euro- und heterozentristische Vorstellungen eingeschrieben sind (Harding 1998). Jedes Wissen ist gesellschaftlich und historisch situiert und hat seine blinden Flecken. Ebenso sind normierende Standardsetzungen bei der Konstruktion von kollektiven Identitäten aktiv. In diesem Prozess werden durch die Herstellung von Nationalkulturen sowie Geschlechter-, Ethnizitäts- und Klassenkategorien bestimmte Differenzen und Identitäten als Ordnungskategorien durchgesetzt. Solche sozialen Ordnungen werden durch machtförmige und gewalttätige Normierungsprozesse produziert, die den Ausschluss und die Nicht-Beachtung des Anderen zugleich voraussetzen wie zur Folge haben. Erst durch die positiv besetzte Normalisierung und Normierung des Weißen Selbst durch die „Dispositive der
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Macht“ (Foucault 1977) wird das „Abweichende“ als negativer Gegensatz konstituiert sowie als krankhaft, minderwertig und unterentwickelt markiert. Statt auf den Mainstream fokussieren sich postkoloniale Kritiker/ -innen auf die unterrepräsentierten und kodierten Äußerungen marginalisierter Subjekte. Sie sind bestrebt, gerade jene Perspektiven und Themen aufzuwerten, die innerhalb der bestehenden Ordnung keinen Platz beanspruchen dürfen. Dadurch unterstützen sie das Deplatzierte und Verdrängte bei seinem Kampf, der Vielfalt seiner uneinheitlichen Stimmen und unsichtbar gemachten Geschichten Geltung zu verschaffen. Daher ist es kein Zufall, dass Gayatri Spivaks grundlegende Frage „Can the subaltern speak?“2 zu einem der am stärksten diskutierten Themen des postkolonialen Diskurses zählt. Postkoloniale Kritik lässt sich von ihrem Selbstverständnis her als ein politisches Projekt charakterisieren, das sich unterdrückten Subjektivitäten verpflichtet fühlt. Sie nimmt die wechselseitige Durchdringung und historische Verstrickung von unterschiedlichen Machtverhältnissen zum Ausgangspunkt von politischen Interventionen (Young 2000). Obwohl keine allgemeingültige Definition postkolonialer Kritik existiert und dieser heterogene Diskurs sich jeder Vereinheitlichung widersetzt, lassen sich doch gemeinsame Ausgangspunkte herauskristallisieren: • kritische Herausarbeitung von Konstruktionen des rassifizierten und vergeschlechtlichten hegemonialen Eigenen (Whiteness) und abgewerteten Anderen (Blackness, People of Color, Jüdinnen und Juden, Muslim/-innen, postkoloniale Migrant/-innen etc.) als binäre Oppositionen in einem historischen Prozess, der durch wechselseitige Konstitution und strukturelle Ungleichheit geprägt ist; • Fokus auf Machtrelationen, Ausbeutung, Hierarchien, In- und Exklusionen, die mittels kultureller Repräsentation und politischer Kontrolle stabilisiert werden; • Kolonialisierung als gewaltsamer Prozess der Subjektkonstitution, die den domestizierten und verobjektivierten Anderen durch pädagogische und performative Praktiken erschafft; • Strategien und Methoden der Kontrolle durch Wissensproduktion und kulturelle Missrepräsentationen, die mittels Definitionsmacht und Etablierung eurozentristischer Wahrheitsregimes durchgesetzt werden;
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Die deutsche Übersetzung erschien 2008 „Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation“ mit einer Einleitung von Hito Steyerl.
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Untersuchung akademischer Disziplinen und kultureller Produktionen (z.B. Literatur, Images, Sprache), die nicht zuletzt als Ausdruck und Effekt von Machtartikulationen und Fremdkonstruktionen verstanden werden; Ambivalenz zwischen humanistischen Idealen der Aufklärung und der kolonialen Moderne; Aufdeckung des „westlichen“ Überlegenheitsanspruches als koloniales Ordnungsmodell, welches eine gesellschaftliche Entwicklungspyramide impliziert und den Prozess der Kolonialisierung legitimiert (vgl. Loomba 1998: 1-133).
Postkoloniale Diskurse sind daher ebenso an der Sichtbarmachung von Dominanzverhältnissen wie an der Anerkennung, den Konstruktionsweisen und den Durchsetzungsprozessen von Differenzen interessiert. Sie versuchen durch eine kontextsensible Bestimmung von Differenzen und Gemeinsamkeiten die Gleichzeitigkeit von Exklusion und Verbundenheit zu untersuchen. In diesem Prozess geht Begehren immer mit Abwertung einher, während Fremdzuschreibungen mit Versuchen der Selbstbestimmung und Gleichberechtigung konkurrieren. Eine Betrachtungsweise, die die umkämpfte und uneindeutige Komplexität gesellschaftlicher Ordnungskategorien aufzeigt, eröffnet neue Möglichkeiten, kulturelle Räume, historische Erfahrungsgemeinschaften und politische Identitäten zu denken. Statt diese Kategorien wie zuvor als homogen, statisch und geschlossen zu verstehen, werden Offenheit und Diversität als konstitutive Elemente kultureller Identitäten anerkannt. Sie befinden sich in einem unaufhörlichen Veränderungsprozess und werden nicht nur über äußere, sondern ebenso durch innere Differenzierungen definiert. Ein solcher Perspektivenwechsel ist unweigerlich mit Destabilisierungen und Verunsicherungen verbunden, da diese das bestehende Kultur- und Identitätsverständnis radikal konterkarieren. Das Ziel solcher Infragestellungen ist es, die Präsenz des Nicht-Repräsentierten und außerhalb des Rahmen Stehenden zur Geltung zu bringen (Spivak 1988; Loomba 1998: 215-245; Ha 2004: 163-202). Diese Ausrichtung des postkolonialen Blicks ist nicht zuletzt eine Auswirkung der kulturellen Selbstrepräsentation. In diesem Feld arbeiten viele Intellektuelle und Kulturschaffende, die selbst über Migrationshintergründe verfügen, auf unterschiedliche Weise mit der Dritten Welt3 verbunden sind oder aufgrund ihrer kulturellen Identität margina3
Obwohl der Begriff „Dritte Welt“ als abwertend problematisiert wird, ist es wichtig, andere Bedeutungsebenen nicht zu vergessen. Ich verwende diese Bezeichnung, weil sie erstens auf eine globale Machthierarchie verweist, zweitens im Sinne der anglophonen Redeweise „Third World Wo-
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lisiert werden. Wer deshalb „authentische“ Stimmen subalterner Subjekte erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden – schon deshalb, weil jede Authentizitätsform selbst auf einen imaginären Ursprung verweist. Obwohl kulturtätige People of Color in westlichen Dominanzgesellschaften meist randständig sind, sind sie im Verhältnis zu ihren Kollegen/-innen in der Dritten Welt nur bedingt privilegiert, da diese nicht selten den einheimischen kulturellen, sozialen oder politischen Eliten entstammen oder ihnen angehören.
Postkoloniale Diskurse So divergierend und widersprüchlich die lokalen, kulturellen und sozialen Verortungen der „Postcolonials“ sind, so unvollendet und unbefriedigend ist auch jeder Versuch, den postkolonialen Diskurs vollständig zu überblicken – geschweige denn trennscharf zu definieren. Die Identität dieses Diskurses zu klären, wirft eine Reihe grundsätzlicher Probleme auf. So ist es nicht leicht zu bestimmen, wer diesem Diskurs angehört, da die Distanzierung von fixierten Zugehörigkeiten und fortwährende Grenzüberschreitungen zum guten Ton gehören. Ebenso taucht hier die ambivalente Dialektik von Selbst- und Fremdzuschreibungen auf. Zu den produktiven und außergewöhnlichen Eigenheiten dieses Diskurses gehört ferner der Umstand, dass die schärfsten Kritiker/-innen postkolonialer Kritik, wie Aijaz Ahmad und Arif Dirlik, oftmals selbst postkoloniale Intellektuelle sind. Eine allgemeine Beschreibung dieses Diskurses ist auch deshalb so schwierig, weil er zu jedem Zeitpunkt seiner Entwicklung eine offene wie umstrittene Arena unterschiedlicher Positionierungen und oft gegensätzlicher Stimmen darstellt. Daher ist es wichtig, immer die Grenzen des Sagbaren zu hinterfragen und differenzierende Relativierungen sowie weniger beachtete Strömungen auch innerhalb des postkolonialen Diskurses selbst mitzudenken. Ein gutes Beispiel, wie detailliert und lehrreich eine solche Begriffsdiskussion ausfallen kann, stellt Anne McClintock in The Angel of Progress: Pitfalls of the Term „Postcolonialism“ (1994) vor. Sie kritisiert, dass die Unterscheidung zwischen kolonialen und postkolonialen Epochen die damit
men“ postkoloniale Gegenbewegungen und grenzüberschreitende Perspektiven eröffnet und drittens in Anlehnung an Homi Bhabhas „Third Space“ die Suche nach alternativen Räumen anspricht. „Despite differences and contradictions among and within Third World countries, the term ‚Third World‘ contains a common project of (linked) resistances to neo/colonialisms. Within the North American context, more specifically, it has becomes a term of empowerment for inter-communal project of various peoples of color“ (Shohat 1996: 332).
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einhergehende Zeitlichkeit so stark privilegiert, dass die großen europäischen Meistererzählungen wieder Eingang finden könnten. Zudem differenziert der Begriff nur sehr unzureichend zwischen unterschiedlichen Kolonialgeschichten und Folgewirkungen, so dass Länder wie die USA und Australien gemeinsam mit Brasilien, Mozambique und Vietnam in einem Atemzug als postkolonial bezeichnet werden, obwohl sie von Fall zu Fall unterschiedlich viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede zueinander aufweisen (ebd.: 255-260): „My misgivings, therefore, are not about the theoretical substance of ‚postcolonial theory‘, much of which I greatly admire. Rather, I wish to question the orientation of the emerging discipline and its concomitant theories and curricula changes, around a singular, monolithic term, used ahistorically, and haunted to be the very image of linear ‚progress‘ that much of that same work challenges theoretically.“ (ebd.: 257)
Wie grundsätzlich die von ihr beschriebene postkoloniale Uneinheitlichkeit und Diversität selbst im theoretischen Diskurs präsent ist, kann beispielhaft an den Diskussionen zum Begriff „postkolonial“ nachvollzogen werden. Diese Debatte betrifft unzweifelhaft auch das eigene Selbstverständnis. Wie bei anderen Post-ismen, löst das vermeintlich eindeutige Präfix „post“ eine Reihe von Spannungen und Verwirrungen aus.4 Tatsächlich kann in bestimmten Kontexten postkolonial mit „nachkolonial“ übersetzt werden. Der Begriff „postkolonial“ wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die tagespolitische und zeitgeschichtliche Diskussion eingeführt. In diesen Bedeutungszusammenhängen bezeichnet postkolonial als Epochenbegriff die formale politische Unabhängigkeit ehemals kolonialisierter Gesellschaften nach Erlangung der völkerrechtlichen Souveränität (vgl. Hall 1997a: 224-244). Zu Konfusionen und Kontroversen lädt aber auch das Präfix „post-“ ein, das häufig eine Lesart provoziert, die eine „nachkoloniale“ oder „nicht-koloniale“ Zeitepoche ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt (vgl. McLeod 2000: 4-7). An diesem formalen politischen Verständnis bzw. Missverständnis postkolonialer Kritik hat sich viel Kritik entzündet: „The term ‚post-colonial‘ carries with it the implication that colonialism is now a matter of the past, undermining colonialism’s economic, political, and cultural deformative-traces in the present. The ‚post-colonial‘ inadvertently
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Vgl. für eine eingehende Diskussion der Bedeutung des Präfix Shohat 1996 und McLeod 2000: 238-258. Kwame A. Appiahs (1996) Diskussion ist eher enttäuschend, da er vom Thema abgleitet.
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glosses over the fact that global hegemony, even in the post-cold war era, persists in form other than overt colonial rule“ (Shohat 1996: 326).
Inwieweit diese Gesellschaften durch diesen Prozess tatsächlich dekolonialisiert wurden, ist eines der zentralen Arbeitsfelder postkolonialer Forschung. Um die Ambivalenz und Überlagerung unterschiedlicher Machtkonfigurationen und Zeitdimensionen auszudrücken, werden Schreibweisen wie „post-kolonial“, „(post-)kolonial“ oder auch „post/ -kolonial“ verwandt. Um die chronologische Bedeutungsdimension zu brechen, die eine klare Abgrenzung von linear verlaufenden und aufeinander nachfolgenden Zeitepochen suggeriert, betonen diese Schreibformen statt dessen nicht-lineare und ineinander verlaufende Zeitlichkeiten. Damit soll eine Perspektive und Konstellation benannt werden, die von der Auseinandersetzung mit historischen Verstrickungen sowie der Gleichzeitigkeit kolonialer Dominanz und nachkolonialer Abhängigkeit geprägt ist. Diese Betrachtungsweise ermöglicht eine Perspektive, die koloniale Verhältnisse nicht ausschließlich als abgeschlossene Historie versteht, sondern ihren dynamischen und transformativen Charakter unterstreicht (vgl. Ha 2004: 95f.). Auch ist zu beachten, dass der Begriff des Postkolonialismus durchaus umstritten und missverständlich ist, weil das Suffix „-ismus“ eine einheitliche ideologische Perspektive bzw. einen festgelegten theoretischen Ansatz suggeriert. Diese Annahmen treffen jedoch nicht zu. Seit Ende der 1970er Jahre wurde der Begriff verstärkt in einer von der 68er-Kulturrevolte politisch beeinflussten akademischen Strömung der (vergleichenden) angloamerikanischen Literaturwissenschaft und -kritik aufgegriffen, um kulturelle Phänomene und Beziehungen zu analysieren, die mit kolonialen Diskursen und Praktiken sowie ihrer Fortwirkung im Zusammenhang stehen. Obwohl viele heute führende postkoloniale Theoretiker/-innen wie z.B. Gayatri Spivak und Homi Bhabha mit ihren frühen Arbeiten zur Colonial Discourse Theory (oft auch Analysis) in den Anfängen der 1980er Jahre die Grundsteine der postkolonialen Kritik legten, haben beide Autor/-innen den Begriff „postkolonial“ erst mit der Popularisierung in den 1990er Jahren in ihren theoretischen Vokabular aufgenommen. Besonders bei Spivak ist dieser Begriff prominent in den Buchtiteln von The Postcolonial Critic (1990), einer Aufsatzsammlung zuvor bereits publizierter Artikel, und A Critique of Postcolonial Reason (1999) vertreten (Ashcroft/Griffiths/Tiffin 2000: 186-188). Gegenwärtig entsteht im Rahmen der Globalisierung eine neue Bedeutungsdimension, in der der Begriff „postkolonial“ eine Form der
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kulturellen Glokalisierung ausdrückt.5 Solche globalisierten Lokalitäten der sozio-ökonomischen und media-informationstechnologischen Durchdringung kennzeichnen zunehmend die transkulturellen Lebensbedingungen im Alltag urbaner Zentren. In ihnen werden durch transkontinentale Migrationsbewegungen und kulturelle Zirkulationen transnationale Räume und hybride Kulturen erschaffen, die die ethnisierten und nationalkulturellen Grenzen überschreiten. Neben deskriptiven Verwendungsweisen wird das Adjektiv „postkolonial“ auch normativ bzw. politisch benutzt. Je nach politischem Standpunkt entstehen dabei gegensätzliche Wahrnehmungen. Während viele Kritiker/-innen postkoloniale, d.h. dekolonialisierte Gesellschaften als unerreichtes politisches Projekt einfordern, sehen zumeist konservative Kritiker/-innen diese Utopie bereits im Ist-Zustand verwirklicht. Innerhalb des kritischen Diskurses wird „postkolonial“ meist im Sinne von spät- oder neokolonial als kritisch-analytische Kategorie verwendet. Hinzu kommen lokale Bedeutungstransformationen, die bei der Rezeption und weiteren Verzweigung postkolonialer Kritik entstehen. Falls postkoloniale Kritik hauptsächlich als Modeerscheinung und intellektuelles Konsumgut entdeckt und rezipiert wird, dann wird ihre kritisch-analytische Bedeutung durch die dominante Perspektive neutralisiert (Wollrad 2002). Zur formalen Unterscheidung wird der postkoloniale Diskurs gemeinhin in zwei große Teilbereiche unterteilt. Im Schatten der geographisch, stilistisch und thematisch extrem breit gestreuten postkolonialen Literaturen, die vormals unter Labels wie „Commonwealth Literature“ und „Weltliteratur“ zusammengefasst wurden und eine lange Liste so bedeutender Autor/-innen wie Toni Morrison, Arundhati Roy, Alice Walker, Bharati Mukherjee, May Ayim, Wole Soyinka, Derek Walcott, Salman Rushdie, Hanif Kureishi und viele andere umfassen,6 steht die postkoloniale Kritik, deren geisteswissenschaftliche, oftmals literaturwissenschaftliche Ausrichtung ihren universitären Hintergrund verrät. Während Erstere häufig bewegende Geschichten über koloniale Unterdrückungen und postkoloniale Migrationserfahrungen in dramatischen Bildern erzählen, beklagen Interessierte bei Letzterer – etwa bei den einflussreichen Texten von Homi Bhabha und Gayatri Spivak – ihre als unzugänglich empfundene Terminologie und abschreckend wirkende 5
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Vgl. hierzu die zahlreichen Aufsätze in Schwarz/Ray (2000). Unter der Rubrik „The Local and the Global“ werden regionale und urbane Dimensionen auf der postkolonialen Kartographie vermessen. Vgl. neben den neueren Darstellungen bei Boehmer 2005; Poddar/Johnson 2005, Wisker 2006, Döring 2008 auch Ashcroft/Griffiths/Tiffin (1989), Glage/Michel (1993) und Boehmer (1995).
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Theorielastigkeit.7 Entsprechend des kulturellen Umfeldes, der verwendeten Sprache, der angewandten Arbeitsweise und textuellen Funktion ist die Attraktivität der unterschiedlichen postkolonialen Diskurse in der Leser/-innengunst sehr ungleich verteilt. Inwieweit diese Aufteilung Sinn macht, ist fraglich, da literarische Zeugnisse natürlich auch eine Kritikform darstellen können. Ebenso wie der postkoloniale Diskurs ist die postkoloniale Literatur mit dem Vorwurf der kulturellen Warenwerdung und kommerziellen Konsumvermarktung konfrontiert, deren herausragende Vertreter/-innen dem Verdacht ausgesetzt sind, als Mitspieler/-innen im kulturindustriellen Starsystem zu fungieren. Graham Huggan hat für diese Problematik neben den doppeldeutigen Begriff des „postcolonial exotic“ auch die Formel „marketing the margins“ geprägt. In seiner gleichnamigen Studie versucht der in England arbeitende postkoloniale Literaturwissenschaftler herauszuarbeiten, wie durch Prozesse der anthropologischen Exotisierung afrikanischer Literatur (2001: 34-57), imaginäre Phänomene des „consuming India“ (2001: 58-82) und kulturindustrielle Mechanismen (wie den kommerziellen Interessen verpflichteten Booker Literaturpreis) die postkoloniale „Weltliteratur“ zu einer global verfüg- und übersetzbaren Ware mit materiell quantifizierbarem Wert geworden sei. Daneben kritisiert der Autor aber auch performative Selbstinszenierungen der „staged marginalities“ (ebd. 83-104) in den Werken von Starautoren wie Salman Rushdie, V.S. Naipaul oder Hanif Kureishi. Ebenso würden in Genres wie Autobiographien und ethnographischen Reisebeschreibungen die Bedürfnisse und Interesse westlicher Leserschaften bedient: „Migrant literature, she [Elleke Boehmer] points out, tend to win readers, because on the one hand it bears all the attractions of the exotic, the magical, and the Other, while on the other hand it is still easy accessible“ (Schmidt-Haberkamp 2000: 302). Huggan weist außerdem daraufhin, dass postkoloniale Literatur selbst im verzweifelten Versuch einer kritischen Wendung noch eurozentristische Erwartungen erfüllen und stereotype Images verfestigen würde, da sowohl Kritik als auch Affirmation prinzipiell konsumierbar seien (Huggan 2001: 77-81). Die Frage der Verwertung, des Konsums und des Widerstands wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit kontinuierlich behandelt. Mit dieser Proble7
Eine wenig schmeichelhafte Formulierung: „Bhabha’s language – a mishmash of somewhat garbled sociological and political theory“ (Huggan 2000: 284). Praktisch alle postkoloniale Theoretiker/-innen sind mit dem Vorwurf der intensiven Imagepflege durch eine introvertierte, langweilige und ausschließende Jargonsprache konfrontiert, so dass diese Kritik manchmal auch nur als billige Ausrede dient, um sich der Diskussion nicht stellen zu müssen.
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matisierung möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass diese Prozesse nicht ausschließlich als Folge einer verfehlten Rezeption oder Anwendung begriffen werden können, sondern möglicherweise bereits in den Produktionsbedingungen postkolonialer Kritik angelegt sind. Lange Zeit bestand im postkolonialen Diskurs eine Fixierung auf Textualität, weil diese im Rahmen des „linguistic turn“ als Grundlage der Wissensproduktion angesehen wurde, die Machteffekte und soziale Realitäten generiert (Loomba 1998: 43-103; Gandhi 1998: 42-63). Die Konzentration auf Texte und Prozesse der Textproduktion ist inzwischen durch das Erscheinen der postkolonialen Visual Arts aufgebrochen worden. Die Aufarbeitung postkolonialer Thematiken mittels Bildanalysen und visueller Kulturpraktiken wird immer wichtiger und erweitert den postkolonialen Diskurs um neue Ausdrucksweisen. Das Repertoire reicht von der Malerei und Objektkunst sowie Graffiti über die breit gefächerten Möglichkeiten der darstellenden Künste bis hin zu zeitgenössischen Video- und Filmarbeiten (vgl. Weibel 1997). Diese Foren bilden für viele postkoloniale Künstler/-innen wichtige Diskurs- und Arbeitsräume. Im deutschsprachigen Raum sind beispielsweise neben den Filmessays von Ursula Biemann (Performing the border, 1999) insbesondere die Videoarbeiten von Hito Steyerl (Die leere Mitte, 1998 und Euroscapes, 2004) hervorzuheben. Diese Künstlerinnen untersuchen mit filmischen Mitteln die historischen, kulturellen und politischen Verwobenheiten von Migrations- und Grenzräumen. Aber auch die unüberschaubaren, sich ständig neu erschaffenden Musikkulturen, die oftmals mit visuellen Darstellungen kombiniert werden, sind inzwischen ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil postkolonialer Artikulationen. Angesichts der Vielzahl der verwendeten Medien und der damit einhergehenden Vielfalt an Darstellungs- und Thematisierungsmöglichkeiten ist es nahezu unmöglich, alle Bereiche postkolonialer Diskussionen auch nur aufzuzählen. Bereits die postkoloniale Kritik ist ein hochgradig ausdifferenzierter akademischer Diskurs. Sie setzt sich unter anderem mit folgenden Themenkomplexen bzw. den Zusammenhängen zwischen diesen Thematiken auseinander: Kolonialismus, Rassismus, Nationalismus, Ethnizität, Migration, kulturelle Identitäten, Körper und Performativität, Feminismus, Sexualität und Geschlechterverhältnisse, textuelle Repräsentationen, Diskursanalyse, Stereotypisierung und sozio-kulturelle Konstruktionen, Widerstand, Universalität und Differenz, postmoderne Kultur, Globalisierung, Sprache, Pädagogik, Geschichte, Räumlichkeit, Produktion und Konsum etc.8
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Der 1995 erstmals publizierte „The Post-Colonial Studies Reader“ von Ashcroft/Griffiths/Tiffin ist 2006 in revidierter Form neu erschienen und
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Die große Spannbreite postkolonialer Diskurse zeigt sich augenfällig in dem Nachschlagwerk „Post-colonial Studies – The Key Concepts“ (Ashcroft/Griffiths/Tiffin 2000), wo auf der Basis von 100 Grundbegrifflichkeiten dieses komplexe Feld präsentiert wird. Solch schnelle und einfache Zugriffe rufen bei Kritiker/-innen den Verdacht des „instant postcolonialism“ (Graham Huggan) hervor. Trotzdem haben diese Glossare ihre Berechtigung, da sie als Wörterbücher, die Interessierten den Weg in einen unübersichtlichen und hoch komplexen Diskurs erleichtern, nützlich sind, um Wissen zu demokratisieren. Eine Vielzahl von Problemlagen und Begrifflichkeiten bilden dort den Zugang zu einem sehr breit und global angelegten Diskurs. Auf diese Weise wird deutlich, dass postkoloniale Kritik sich immer mehr zu einem Sammelbegriff oder einer übergeordneten Kategorie entwickelt, die nahezu alle kritischen Ansätze und Themenfelder miteinander verbindet und sich dabei gleichzeitig ausdifferenziert. Aufgrund der unüberschaubaren Diversität der behandelten Thematiken, der Vielzahl der beteiligten akademischen Fachrichtungen, der uneinheitlichen Methodologien und ausdifferenzierten theoretischen Ausgangspunkte, der unterschiedlichen Sprechpositionen, involvierten Akteur/-innen und Institutionen samt ihren politischen Leitlinien und Arbeitsschwerpunkte, der globalen, regionalen, lokalen wie transnationalen Untersuchungsräume mit ihren divergierenden Geschichten und kulturellen Zusammensetzungen sprechen viele Autor/-innen von einem transdisziplinären Diskursfeld der postkolonialen Kritik. Dieses äußerst vielfältige Feld ist weder klar abgegrenzt, in seiner Entwicklung abgeschlossen noch in sich homogen. Aus dieser Heterogenität, die zugleich einengenden diskursiven Strukturen und akademischen Hierarchien entgegen arbeitet, lässt sich eine grundlegende Stärke der postkolonialen Kritik ableiten, die eine Vielzahl dissonanter Stimmen und Positionen ermöglicht. Ihre Polyphonie widersetzt sich damit dem modernen Zwang zur Einheitlichkeit und Normierung, die jede Abweichung sanktioniert und ausgrenzt. Je nach Sprachraum, der jeweils dort bis dato vorherrschenden eurozentrierten Orientierung sowie regionaler und nationaler Kolonialgeschichte haben die anglo-, franko- und iberophonen Diskurse, die wiederum in sich stark differenziert sind, andere Formen, Schwerpunkte und Merkmale der postkolonialen Kritik entwickelt. Diese unabschließbare Offenheit ist als eine transdisziplinäre
bietet in 19 thematischen Sektionen 121 Aufsätze zu fast jedem denkbaren Arbeitsfeld postkolonialer Kritik an. Fast ebenso umfangreich ist auch der Sammelband „Postcolonial Discourse“ von Gregory Castle (2001), der jedoch regional angeordnet ist.
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Zugangsweise zu verstehen, die sich bewusst den üblichen akademischen Grenzziehungen und klaren Definitionsversuchen widersetzt. Das Schreiben einer skizzenhaften Einführung in diesem unübersichtlichen Diskursfeld ist eine undankbare Aufgabe, da Auslassungen und Verkürzungen unvermeidlich sind. Ebenso ist dieser Text – wie jeder einführender Text – von einem grundsätzlichen Problem betroffen. Hier hilft nur die bewusste Offenlegung dieser Problematik: Einführungen sind wie alle Texte begrenzt und basieren daher auf subjektiven Präferenzen, auf Selektion, Reduktion, Hervorhebung und Ausschluss. Einführungen beanspruchen die Grenzen und Bedeutsamkeit einer Thematik zu umreißen und das Wichtige vom vermeintlich Unwichtigen zu unterscheiden. Diese Arbeitsweise ist aber mit dem Anliegen postkolonialer Kritik kaum vereinbar, die sich ja gerade von Kanonisierung, ideologischen Festschreibungen und hegemonialer Wissensproduktion verabschieden will. Henry Schwarz nannte sein Versuch der Kurzeinführung dann auch ehrlich „Mission Impossible: Introducing Postcolonial Studies in the US Academy“ (2000). Dieses Problem verschärft sich, je weniger Raum zur Differenzierung zur Verfügung steht und wir durch unvermeidliche Auslassungen und Generalisierungen eine hierarchische Struktur in der Wissensproduktion reproduzieren, die den postkolonialen Kanon und die „big names“ privilegiert. Dass diese Struktur eine sich selbst verstärkende Dynamik hat, lässt sich auch daran ablesen, dass selbst kritisch intendierte Einführungen – wie das lesenswerte Buch von Castro Varela/Dhawan (2005) – sich ausschließlich an den neuen großen postkolonialen Erzählungen der zuweilen spöttisch „Holy Trinity“ (Young 1995: 163) oder sogar „three masters of postcoloniality“ (Ahmad 1996: 282) genannten Referenzautor/-innen Gayatri Spivak, Homi Bhabha und Edward Said abarbeiten. Unintendiert kann sich dadurch eine dominante Form der Wissensproduktion in einem nichthegemonialen Diskurs verfestigen.
Intellektuelle Referenzen Obwohl die postkoloniale Kritik sowohl auf der theoretischen wie auf der politischen Ebene das Ursprungsdenken als Form der Metanarration dekonstruiert hat, wird in nahezu allen Einführungen zur Entstehung der Postcolonial Studies eine Genealogie angeboten, die sich der Gefahr aussetzt, Gründungs- und Abstammungsmythen mit vermeintlich linearen Entwicklungswegen zu konstruieren. Auf der anderen Seite ist es notwendig anzuerkennen, dass der heutige postkoloniale Diskurs sich direkt wie indirekt auf eine lange Geschichte anti-kolonialer Kultur bezieht. Schließlich ist die Kultur des anti-kolonialen Widerstandes und
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der kritischen Gegendiskurse durch die kolonialisierten Subjekte so alt wie die historische Materialität ihrer Verobjektivierung durch koloniale Praktiken selbst. „That the colonised were never successfully pacified is well known to the postcolonial study of colonialism and the long and discontinuous process of decolonisation“ (Parry 1994: 72). Ohne diese kulturpolitischen Vorgeschichten und die darin auffindbare Vielfalt an intellektuellen Tradierungen hätte die heutige postkoloniale Kritik mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit andere Formen angenommen und wäre andere Wege gegangen. Neben der politischen Öffentlichkeit interessierter Menschen, die in den Geschichtsbüchern keine namentliche Erwähnung finden, spielen Schriftsteller/ -innen, Künstler/-innen, aber natürlich auch Theoretiker/-innen und Aktivist/-innen der Tat und des Wortes eine entscheidende Rolle. Viele waren Zeit ihres Lebens Revolutionär/-innen wie Amilcar Cabral, Frantz Fanon, C.L.R. James, George Padmore, Tiemoko Garan Kouyaté, Nnamdi Azikiwe, Malcolm X und Manabendra Nath Roy. Andere wurden nach dem revolutionären Umbruch politische Staatsmänner wie Mahatma Gandhi, Ho Chi Minh, Mao Zedong, Fidel Castro, Che Guevara und Kwame Nkrumah.9 Obwohl sie meist in nationalen und sozialistisch orientierten Befreiungsbewegungen engagiert waren, hatten fast alle eine ausgeprägte internationalistische Perspektive. Oft waren diese anti-kolonialen Ikonen in den weitverzweigten politisch-ideologischen Netzwerke der zersplitterten Internationalen und später mehr oder weniger in der 1966 in Havanna gegründeten Trikontinentalen Bewegung10 eingebunden, die die Peripherie mit den kolonialen Metropolen ebenso wie die Dritte Welt untereinander verband (Young 2001). Auch wurde der postkoloniale Diskurs in seiner Entstehung wie in seiner weiteren Entwicklung durch andere politische und akademische 9
Bereits diese Repräsentation zeigt, dass der postkoloniale Diskurs sowohl in seiner Geschichte als auch in seinen Narrationen genderspezifische Einschränkungen kennt und Geschlechter- ebenso wie Klassenverhältnisse sich in den postkolonialen Diskurs einschreiben. 10 Dieser Begriff bezeichnet – unter der problematischen Aussparung von Australien und Ozeanien – die drei Kontinente Asien, Afrika und Amerika, die in ihrer Geschichte und Gegenwart maßgeblich durch die „gemeinsame“ Erfahrung der Kolonialisierung geprägt worden sind. Auf dem Höhepunkt anti-kolonialer Befreiungsbewegungen wurde 1966 die geschichtsträchtige Trikontinentale Konferenz in Havanna mit Delegationen aus 82 Staaten abgehalten und militanter Widerstand als Mittel der Dekolonialisierung proklamiert. Ein Jahr später erschien die berühmte „Botschaft an die Trikontinentale Konferenz“ von Che Guevara in der Zeitschrift Tricontinental, die bis heute von der „Organization of Solidarity with the People of Asia, Africa and Latin America“ (OSPAAAL) herausgegeben wird.
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Strömungen beeinflusst, wobei die diskursiven Arbeitsfelder sich oftmals überschnitten und der theoretische Austausch wechselseitig verlief. Maßgebliche Impulse zur Kritik von rassistischen, sexistischen und kapitalistischen Herrschafts- und Ausbeutungsformen stammten nicht nur aus den kolonialisierten Gebieten selbst. Auch in den westlichen Metropolen bildete sich über Jahrzehnte – und besonders in Nordamerika durch die Jahrhunderte hindurch – ein reiches politisches Reservoir aus jenen marginalisierten sozio-kulturellen und historischen Erfahrungshintergründen, die seit den radikalen 1960er Jahren zur hart erkämpften Formierung der African American Studies, der Asian American Studies, der Chicano/a Studies, Native American Studies und Critical Race Theory in den Bildungs- und Kulturinstitutionen im angloamerikanischen Raum führten.11 Diese politischen und wissenschaftlichen Neuorientierungen wurden in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder von den keineswegs einheitlichen Positionen des Black Feminism/Womanism und Third World Feminism konstruktiv hinterfragt und in kritischer Solidarität weiterentwickelt. Zu den besonders eindrucksvollen Kritikerinnen der ersten Stunde zählen Autorinnen wie Angela Y. Davis (1971; 1981), Audre Lorde (1970; 1984), Alice Walker (1973), Maxine Hong Kingston (1976) und das Combahee River Collective (1974-1980). In 1980er Jahren kamen Beiträge von Women of Color wie bell hooks (1981; 1990), Gloria Anzaldúa/Cherrie Moraga (1981), Hazel Carby (1982), Pratibha Parmar (1982), Chandra Talpade Mohanty (1986; 1991), Gayatri Spivak (1988; 1990), Trinh T. Minh-ha (1989; 1991), Patricia Hill Collins (1990) und vielen anderen hinzu. All diese unterdrückten Bewegungen an den sozio-kulturellen Rändern der Gesellschaft bedingten einander und kulminierten gemeinsam zu einer politisch-intellektuellen Situation, in der postkoloniale Kritik sich auf überkreuzenden Wegen mal parallel und mal mit anderen politischen Bewegungen zusammen entwickeln konnte. Nicht zuletzt haben all diese Bewegungen durch ihre differenzierte Machtkritik und grenzüberschreitenden Visionen wertvolle Impulse geliefert, um ein Vokabular für eine historisch-theoretisch durchdachte Weltsicht verfügbar zu machen, in der ein Projekt wie die postkoloniale Kritik denkbar und für informierte Kreise verständlich wurde. Ein geschichtlich bedeutsames Beispiel für die gegenseitige Verbundenheit und Überlagerung der unterschiedlichen Kämpfe um Befreiung stellt die Entstehung der Black Power-Bewegung in den späten 1960er 11 Vgl. hierzu Kobena Mercers (1992) Reflektion über die Formierung und Öffnung von identitätspolitischen Bewegungen wie die Black Panthers in den USA und die Entstehung von Black British-Identitäten im Zuge der gesellschaftlichen Infragestellung durch die Ereignisse von „1968“.
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Jahren in den USA dar. In dieser Periode bestand in den westlichen Metropolen eine ausgeprägte internationalistische Solidarität gegen imperialistische Aggressionen und koloniale Besatzungen. Die gegenwärtige Bedeutung von People of Color als anti-rassistische Selbstbezeichnung entwickelte sich in diesem historischen Kontext zum politischen Kampfbegriff, der rassistisch marginalisierte Communities und ihre Mitglieder über die Grenzen ihrer „eigenen“ ethnischen, nationalen, kulturellen und religiösen Gruppenzugehörigkeiten mobilisiert und miteinander verbindet. Diese Bezüge kamen auch im 10-Punkte-Programm der 1966 gegründeten Black Panther Party for Self-Defense offen zum Ausdruck. Sie erklärten: „We will not fight and kill other people of color in the world who, like black people, are being victimized by the white racist government of America. [...] We want an immediate end to police brutality and murder of black people, other people of color, all oppressed people inside the United States.“12
Neben anderen Einflüssen wurde der Schritt zu einer radikalen SelbstOrganisation auch durch anti-koloniale Kämpfe und Schriften postkolonialer Denker wie etwa Frantz Fanon, trikontinentaler Revolutionäre wie Che Guevara oder auch durch die berühmten „Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung“ (die so genannte Mao-Bibel von 1966) mit inspiriert. Die Black Panthers entfalteten durch ihren politischen Erfolg in den Anfangsjahren ihrerseits einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die gesellschaftlichen und gegen-kulturellen Emanzipationsbestrebungen von Asian Americans (Asian Power und Red Guards), Native Americans (American Indian Movement), Chicanos/as und anderen spanischsprachigen Minderheiten, die sich etwa als Brown Berets und Young Lords formierten. Trotz aller Unterschiede sahen und sehen sich diese Widerstandsbewegungen mit einer rassistischen Unterdrückung durch die „White power structure“ konfrontiert, die ein solidarisches Vorgehen (intercommunalism) nahe legt. Phasenweise entstanden politische Allianzen und interkommunale Projekte wie die 1969 in Chicago initiierte Rainbow Coalition und die vor allem in New York operierende Health Revolutionary Unity Movement. Die Ausrichtung auf gesamtgesellschaftliche und internationale Entwicklungen führte dazu, dass sich viele People of Color-Aktivist/-innen unter der Losung „All Power to the People“ für eine weltweite Demokratisierung einsetzten und sich in der Bürgerrechts-, Frauen- und der Anti-Vietnamkriegbewegung engagier12 Black Panther Party for Self-Defense: 10 Point Program and Platform, October 1966. http://www.lib.berkeley.edu/MRC/panthers10pt.html, 11.2. 2009.
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ten. Diese Ansätze haben wichtige identitätspolitische Anstöße für die nachfolgenden anti-rassistischen Kämpfe in den anglophonen Metropolengesellschaften geliefert. Die Black Panthers bezogen sich in ihrer ideologischen Orientierung auf postkoloniale und sozialistische Befreiungsbewegungen, so dass sie sich dadurch in einem globalen transnationalen Rahmen zwischen westlichen Metropolen und ehemals kolonialisierten Gesellschaften verorteten. So spannend die Black Panthers als historisches Beispiel für eine radikale self-empowerment-Bewegung auch sind, die Schwarze feministische Kritik hat deutlich aufgezeigt, dass Sexismus, Homophobie und militanter Männerkult als heterosexistische Aufwertung rassistisch unterdrückter Schwarzer Männer der Selbstermächtigung der ganzen Community entgegenstehen. Das Beispiel der Black Panthers weist auch darauf hin, dass der postkoloniale Diskurs von Anbeginn eine transnationale und interkulturelle Dimension hatte, die einen wichtigen Bestandteil seiner historischen, kulturellen und politischen Voraussetzungen bildet. Im engeren Sinne gelten insbesondere die Theoretiker der Négritude als intellektuelle und politische Vorläufer des heutigen postkolonialen Diskurses. Bereits in den Arbeiten von Aimé Césaire und Léopold Senghor werden Kolonialismus und Rassismus aus einer Schwarzen Perspektive analysiert. Schwarz und Weiß wurden in diesem Rahmen jedoch zu wenig als politische Kategorien und wirkungsmächtige Konstrukte herausgestellt, die keine biologischen oder physiologischen Eigenschaften beschreiben. Benita Parry, eine marxistische antikoloniale Feministin, hat in ihrem wichtigen Aufsatz „Resistance Theory/Theorising Resistance or Two Cheers for Nativism“ die prinzipiellen Probleme essentialistischer Umkehrungen kolonialer Politik genau aufgeschlüsselt: „But proposals on how resistance is to be theorised display fault-lines within the discussion that rehearse questions about subjectivity, identity, agency and the status of the reverse-discourse as an oppositional practice, posing problems about the appropriate models for contemporary counter-hegemonic work. An agenda which disdains the objective of restoring the colonised as subject of its own history does so on the grounds that a simple inversion perpetuates the coloniser/colonised opposition within the terms defined by colonial discourse, remaining complicit with its assumptions by retaining undifferentiated identity categories, and failing to contest the conventions of that system of knowledge it supposedly challenges. Instead the project of a postcolonial critique is designated as deconstructing and displacing the Eurocentric premises of a discursive apparatus which constructed the Third World not only for the west but also for the cultures so represented.“ (Parry 1994: 172)
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Im Gegensatz zur eurozentrierten Historiographie, die die koloniale Verdinglichung des Anderen nicht in Frage stellt, sondern oftmals fortsetzt, räumen antikoloniale Theoretiker/-innen den Kolonisierten Subjektstatus und eine eigenständige Geschichte unabhängig vom Weißen Blick ein. Besonders nachhaltige Impulse gehen bis heute von Frantz Fanons Werken wie Schwarze Haut, Weiße Masken (1952) und Die Verdammten dieser Erde (1961) aus.13 Er inspirierte als Theoretiker und politischer Aktivist nicht nur anti-koloniale Befreiungsbewegungen im Trikont, sondern auch die Black Panther Party in den USA. In seinem originellen Denken flossen genaue Beobachtungen der kolonialen Kondition mit marxistischen und psychologischen Analysen zusammen. Fanon erkannte, dass die Kolonialisierung ein wechselseitiger Prozess war, auch wenn ihre Vor- und Nachteile sehr ungleich verteilt blieben. In dem Maße, in dem Weiße Mächte andere unterwarfen und ausbeuteten, wurden auch europäische Gesellschaften zu Kolonialgesellschaften, die eine koloniale Kultur und Denkweise ausbildeten (Broeck 2006). Dieser besondere Fokus auf die wechselseitige wie nachhaltige Durchdringung kolonial-rassistischer Beziehungen und ihre Einschreibungen in die politische Kultur bis in die Gegenwart kennzeichnet den postkolonialen Blick. Obwohl die Betonung eines singulären Ereignisses eher zu Gründungsmythen beiträgt, wird der eigentliche Ausgangspunkt der heutigen postkolonialen Kritik oft mit dem Erscheinen von Edward Saids grundlegender Arbeit Orientalism (1978) gleichgesetzt. Orientalism kann aber auch als eine kreative Zusammenführung und Weiterentwicklung von unterschiedlichen intellektuellen Bewegungen gelesen werden, die das kulturelle und politische Leben der letzten Jahrzehnte entscheidend stimulierten. Said wendet literaturwissenschaftliche, poststrukturalistische und diskursanalytische Arbeitsweisen an, um den imaginären „Orient“ als europäische Chiffre des „absolut Anderen“ sichtbar zu machen (Gandhi 1998: 64-80; Castro Varela/Dhawan 2005: 29-54).14 Wie Said nahm auch der postkoloniale Diskurs in individuell unterschiedlichen Dosierungen und Ausformulierungen Einflüsse des „linguistic turn“ in den Kulturwissenschaften sowie des „postmodern turn“ in der Philosophie und den Geisteswissenschaften auf und lieferte grundlegende Impulse für den gegenwärtigen „cultural turn“ in den Sozialwissenschaften 13 Neben unzähligen Aufsätzen sind eine Reihe von Monographien zu Fanons Leben und seinem Werk entstanden: Sekyi-Otu 1996; Gibson 2003; Wideman 2008 und auf Deutsch Wolter 2001. 14 Vgl. als Einführung in das intellektuelle, politische und akademische Werk Saids die detaillierte Studie von Markus Schmitz (2008), die sowohl westliche als auch arabische Lesarten vorstellt.
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(vgl. Horak 2002). Trotz der grundsätzlichen Ablehnung durch westliche Orientalist/-innen auf der einen Seite und konstruktiven Detailkritiken auf der anderen liegt der unbestreitbare Verdienst von Saids Orientalismus-Studie darin, dass sie die Colonial Discourse Analysis als akademische Disziplin begründete und etablierte. Zumindest im anglophonen Raum wurden dadurch institutionalisierte Arbeitsbereiche geöffnet und diskursive Anknüpfungsmöglichkeiten geschaffen, von denen viele andere Arbeiten und Projekte profitierten. In der weiteren Entwicklung postkolonialer Kritik nahm die Anzahl der daran beteiligten Stimmen weiter zu. Auch das Arbeitsfeld breitete sich weiter aus und wurde immer umfangreicher. Die unterschiedlichen Arbeitsfelder der Postcolonial Studies werden durch eine übergreifende politische Perspektive verbunden, die sich für die Aufarbeitung vergangener und gegenwärtiger Kolonialpraktiken einsetzt. Bhabhas erstaunlich konkrete Beschreibung eines Feldes, das sich dem eigenen Anspruch nach einer starren Festschreibung entziehen will, ist an dieser Stelle hilfreich: „Die postkoloniale Theorie zeugt von den ungleichen und ungleichmäßigen Kräften kultureller Repräsentation, die innerhalb der modernen Weltordnung am Kampf um politische und soziale Autorität beteiligt sind. Postkoloniale Perspektiven entstehen aus den kolonialen Zeugnissen von Ländern der Dritten Welt und den Diskursen von ‚Minoritäten‘ innerhalb der geopolitischen Aufteilungen von Ost und West, Nord und Süd. Sie intervenieren in jene ideologischen Diskursen der Moderne, die versuchen, der ungleichmäßigen Entwicklung und differierenden, oft von Benachteiligung gekennzeichneten Geschichten von Nationen, Ethnien, Gemeinschaften und Völkern eine hegemoniale ‚Normalität‘ zu verleihen. Sie formulieren ihre kritischen Revisionen im Umkreis von Fragen der kulturellen Differenz, der sozialen Autorität und der politischen Diskriminierungen, um die antagonistischen und ambivalenten Momente innerhalb der ‚Rationalisierungen‘ der Moderne bloßzulegen.“ (Bhabha 2000: 255)
Da die postkoloniale Kritik sich als parteiliche und eingreifende Wissenschaftspraxis versteht, wird die Suche nach Ansätzen zur umfassenden Befreiung von jeder Form von Hegemonie als Aufgabe herrschaftskritischer Wissensproduktion herausgestellt. Dabei ist der theoretische Hintergrund dieser Studien nicht einheitlich, sondern divergiert nach individueller Autor/-innenschaft, zeitlichen Entwicklungsphasen, lokalen Besonderheiten und gesellschaftlichen Subjektpositionen. Meist bewegen sich postkoloniale Ansätze undogmatisch in einem Theorierahmen, der in verschiedenen Akzentuierungen auf anti-imperialistische, feministische, neo- und post-marxistische, post-strukturalistische und psy-
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choanalytische Positionen sowie literatur- und kulturwissenschaftliche Methoden zurückgreift. Trotz argwöhnischer Absetzung vom und Kritik am Eurozentrismus sind insbesondere die Diskurs- und Machtanalysen von Michel Foucault, die Lacansche Lesart von Freud, die Differenzphilosophie von Jacques Derrida und das nomadische Denken bei Gilles Deleuze/Félix Guattari unverkennbare Ausgangspunkte postkolonialer Kritik (Quayson 2000: 93-96; Schmitz 2008: 91-108; 160-172).
Anglophone und hiesige Rezeptionen Aufgrund des machtkritischen Erkenntnisinteresses, des politischen Aktivismus und der theoretischen Prämissen bestehen sowohl personelle als auch inhaltliche Überschneidungen zu den verwandten Cultural Studies (vgl. etwa Hörning/Winter 1999). Das Projekt der Cultural Studies wurde in England als Projekt der „New Left“ initiiert. Diese Strömung wurde hauptsächlich durch die neo-marxistischen Arbeiten von Raymond Williams, Richard Hoggart, E.P. Thompson und Stuart Hall vertreten. Sie etablierte sich in den 1960er Jahren erstmals am Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) in Birmingham. Das Zentrum brachte bis zu seiner überraschenden Schließung 2002 so herausragende Wissenschaftler/-innen wie Hazel Carby, Angela McRobbie, Pratibha Parmar, Paul Gilroy, Paul Willis and Dick Hebdige hervor. Im Unterschied zu den Postcolonial Studies bildete die Auseinandersetzung mit populären Kulturpraktiken sozial marginalisierter Gruppen vor dem Hintergrund der sich verändernden englischen Klassenverhältnisse in der Nachkriegszeit den historischen Ausgangspunkt der Genese von Cultural Studies. Nachdem Stuart Hall als Direktor die Arbeit des CCCS leitete, weitete sich in den 1970er Jahren auch das Forschungsinteresse der Cultural Studies nachhaltig aus (vgl. Hall 2000; Lindner 2000). Nun rückten neben alltagskulturellen Praktiken in Bezug auf Mode, Zeitschriften und Konsumfragen auch Schwarze Jugendsubkulturen, staatliche Machtapparate wie die Polizei und die Analyse populärer Massenmedien stärker in den Fokus. Einerseits wurden diese Kulturpraktiken und Diskurse auf politische und ideologische Effekte, andererseits auch auf Möglichkeiten eines oppositionellen Gebrauchs hin untersucht. Gleichzeitig wurden neben Klasse und Nation auch Ethnizität und Geschlecht als gesellschaftliche und analytische Grundkategorien der sozialen Identitätsformierung und politischen Machtmatrix in die Forschungsarbeit einbezogen. In den 1980er Jahren gewannen zudem Fragen postmoderner Fragmentierung und differenztheoretische Perspektiven an Gewicht. Inzwischen wird die Unterscheidung zwischen Cultural und Postcolonial Studies aufgrund der methodischen, theoretischen,
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thematischen, personellen und institutionellen Überschneidungen immer schwieriger. Obwohl diese Diskurse sich in vielen Arbeitsgebieten annähern, wie die unterschiedlichen Feminismen und Queer Studies Formen von Gegen-Diskursen annehmen und alternative Erzählungen anbieten, bleiben ihre unterschiedlichen historischen Kontexte, politischen Herkünfte und Subjektorientierungen nicht nur geschichtlich bedeutsam. Ein hervorragendes Beispiel für Postcolonial Cultural Studies15 lieferten Ella Shohat und Robert Stam mit „Unthinking Eurocentrism: Multiculturalism and the Media“ (1994), indem sie race und gender in ihrer Lesart der Media und Visual Studies mit postkolonialer Analyse verbanden. In Deutschland sind postkoloniale Perspektiven erst relativ spät im Verlauf der 1990er Jahre auf der akademischen Ebene sowie im Kulturbetrieb angekommen. Verglichen mit der Erfolgswelle und der Empfangsbereitschaft für die Cultural Studies ist die postkoloniale Kritik im akademischen Bereich nach wie vor stark unterrepräsentiert und verfügt kaum über institutionalisierte Räume. Es verwundert daher nicht, dass praktische Umsetzungsversuche außerhalb der Seminarräume und Kunstbühnen sehr rar sind. Aufgrund der nachzuholenden Entwicklung werden gegenwärtig meist theoretische und methodologische Ansätze postkolonialer Kritik aus dem anglo-amerikanischen Raum importiert. Um die Grundlagen der Rezeption zu klären, werden vor allem Einführungen in den Kanon postkolonialer Kritik nachgefragt, die sich neben Saids Orientalismustheorie vor allem Homi Bhabhas Hybriditätsbegriff und Gayatri Spivaks Vorstellung von Subalternalität widmen.16 Die Gefahr dadurch Unsichtbarkeit, Ausschlüsse und Hierarchien zu reproduzieren, ist evident. Postkoloniale Ansätze sind in Deutschland besonders von jüngeren Wissenschaftler/-innen of Color aufgegriffen worden, die aus Schwarz-deutschen, feministischen und migrantischen Perspektiven nach lokalen Übertragungsmöglichkeiten suchen.17 Die Fortführungen und Adaptionen postkolonialer Kritik in den deutschen Kontext werden sicherlich weitergehen. Die spannende Frage ist, welche Formen der Rezeption und Übertragung sich unter dem Banner postkolonialer Kritik diskursiv und institutionell durchsetzen werden. Mit diesem Pro-
15 Der Tagungsband „Common Ground? Crossovers between Cultural Studies and Postcolonial Studies“ von Klein/Kramer (2001) diskutiert aus einer anglistischen Perspektive diese Frage. 16 Siehe etwa die Einführung von Castro Varela/Dhawan 2005. Eine zweite erweiterte und überarbeitete Auflage ist für 2010 angekündigt. 17 Siehe vor allem Gutiérrez Rodríguez 1999, Ha 1999/2004, El-Tayeb 2001, Gutiérrez Rodríguez/Steyerl 2003 sowie Eggers/Kilomba/Piesche/Arndt 2005 sowie Ha/Lauré al-Samarai/Mysorekar 2007.
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zess ist auch die Frage verbunden, welche Fragestellungen und Perspektiven gefördert werden und welche unberücksichtigt bleiben.
Postkoloniale Kritik im deutschen Kontext Postkoloniale Kritikansätze betten Migrationsfragen strukturell in einen Rahmen ein, der mit komplexen historischen, globalen, sozio-ökonomischen, ethnisch-nationalen, kulturell-religiösen und geschlechtsspezifischen Macht- und Ungleichheitsverhältnissen verknüpft ist. Diese Verhältnisse bringen widersprüchliche Formen der Ausschließung und Überlagerung hervor. Die heutigen postkolonialen Migrationen von People of Color sind deshalb nur dann in ihrer vollen Tragweite zu erfassen, wenn wir sie in einen geschichtlichen Prozess einordnen. Weltumspannende Massenmigrationen sind – als spezifische Erscheinungen der Moderne – vielfältig mit kolonialen Erfahrungen verbunden. In ihnen nehmen die machtbesetzten Kontroll-, Verteilungs- und Verwertungsinteressen durch Vertreibung, Eroberung, Besiedlung und Versklavung eine kolonialisierende Form an. Erst in der Moderne wird der ökonomisch und machtpolitisch motivierte Transfer von Soldaten, Versklavten, Siedler/-innen, Kolonialbeamten, Missionaren und Kaufleuten etc. rassifiziert und zur Macht/Wissensgrundlage eines globalen Herrschaftssystems systematisiert. Die Instrumentalisierung von Migrationsund Biopolitik wird so zur Voraussetzung wie zur Folge der weltweiten Ausbreitung europäischer Macht und ihrer kapitalistischen Produktionsweise. Während die Expansion sich zunächst durch Formen der äußeren Kolonisierung ausdrückte, traten seit dem 19. Jahrhundert vermehrt Prozesse der Internalisierung und Einverleibung des kolonialisierten Anderen hinzu. So wird seither Arbeitsmigrationspolitik im inneren Ausland nationalstaatlich organisiert und als Mittel der Wert(ab)schöpfung konzipiert, um im Wettkampf global konkurrierender Nationalökonomien Standortvorteile zu gewinnen (Ha 2003a). Kolonialisierung ist ein wechselseitiger Prozess, der sowohl auf die kolonialisierten als auch auf die kolonialisierenden Länder mit unterschiedlichen Konsequenzen einwirkt. Inwieweit die Selbst-Kolonialisierung der westlichen Gesellschaften in ihren gemeinschaftlich getragenen und geteilten Institutionen nachwirkt und welche Effekte dieses historische Erbe etwa in der deutschen Kulturlandschaft und ihren Denkmustern hinterlässt, ist aufgrund fehlender Problemwahrnehmung kaum erforscht.18
18 Einen Anfang machen Arbeiten, die die im anglophonen Raum entstandenen Critical Whiteness Studies auf die BRD beziehen. Vgl. etwa Eggers/ Kilomba/Piesche/Arndt 2005 und Wollrad 2005.
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Vor diesem Hintergrund erleben wir gegenwärtig eine zwiespältige, sich funktionell überaus ergänzende Diskussion über Zuwanderung, die die aktuellen Auswahlkriterien widerspiegelt: Einerseits werden Grenzregimes durch den Ausbau staatlicher und transnationaler Überwachungstechniken zur Verhinderung unerwünschter Einreisen militärisch perfektioniert. Das Spektrum der unwillkommenen Zielgruppen reicht dabei von heraufbeschworenen Terrorsympathisanten bis hin zu minderjährigen Kriegs- und Armutsflüchtlingen. Andererseits sind alle westlichen Industrieländer durch postimperiale Migrant/-innen und euphemistisch genannte „Gastarbeiter“ bereits seit Jahrzehnten interkulturelle Einwanderungsgesellschaften. Im migrationspolitischen Entwicklungsland BRD wird dieses Faktum offiziell erst seit 1998 nicht mehr durch die Bundesregierung geleugnet. Allerdings sind Dominanzforderungen nach einer deutschen „Leitkultur“ und völkische „Überfremdungsängste“ weiterhin mehrheitsfähig (Ha/Schmitz 2006). Rassistische Überzeugungen sind daher nicht nur als Alltagshandlungen, sondern auch als politisches Konzept in der Mitte der Gesellschaft zu verorten. In dieser politischen Gemengelage gehen Abschottungsstrategien mit Fragen nach einer gleichberechtigten Vergesellschaftung im politischen und sozialen Bereich sowie einer Anerkennung kultureller Differenzen einher. Ebenso unzweifelhaft ist, dass durch den weiteren Zuzug staatlich geförderter VIP-Migrant/-innen wie auch illegalisierter Menschen Fragen gesellschaftlicher Marginalisierung beim Umbau zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft immer dringlicher werden (Ha 2003a). Obwohl Verobjektivierungen von People of Color etwa als „nützliches Humankapital“ oder als abzuwehrende Bedrohung ein wichtiger Aspekt postkolonialer Migrationen sind, wirken diese Einwanderungen auch als kulturelles Rewriting auf die Zielgesellschaft ein. Sie kehren die koloniale Einbahnstraße um und schreiben sich in den sozialen und kulturellen Alltag der Metropolen ein. Dieses Zurückschreiben sowie die Verbreitung postkolonialer Diskurse haben dazu beigetragen, dass der Stellenwert migrantischer Kulturen sich verschoben hat. Früher wurden migrantische Kulturpraktiken fast ausschließlich auf die folkloristische Repräsentation ihrer nationalen Herkunftskultur festgelegt oder als pädagogisches Mittel der Sozialarbeit zur Bewältigung angeblicher Kulturkonflikte und Sozialisationsdefizite angesehen. In den letzten Jahren haben im anerkannten Kulturbetrieb wie in der Massenpopulärkultur Inszenierungen kultureller Vermischungen an Konjunktur und Überzeugungskraft gewonnen. Obwohl ethnisch-nationale und kulturelle Grenzen immer noch identitätsbildend sind, gewannen Prozesse der Grenzüberschreitung in unterschiedlichen Bereichen an Bedeutung.
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Ein besonderes Interesse ist auf die kulturelle Hybridisierung gerichtet. Durch eine verkürzte Rezeption wird Hybridität allerdings allzu oft als harmoniestiftendes Zauberwort gehandelt und geht mit problematischen Funktionalisierungen und dem Ausblenden von Machtverhältnissen einher. Hybridisierung wird meist als dynamische und unaufhörliche Vermischung von Kulturen verstanden, die neue produktive Mischkulturen entstehen lässt. Entsprechend werden Migrationskulturen nicht als nationalisierte oder assimilierte Kulturen, sondern als Kulturen in Bewegung wahrgenommen. Migration führt zur Entwicklung von lokalen Diasporakulturen, die transnationale Räume eröffnen. Diese postnationalen Diskurse sind an Öffnung und Innovation interessiert. Dadurch sollen neue kulturelle Sprachen und Formen ermöglicht werden, die sich jenseits binärer Konstruktionen ethnischer Nationalkulturen und Ausschließlichkeitsprinzipien bewegen. Allerdings ist die Gefahr, dass Vermischungsdiskurse vielfach wieder auf essentielle Ursprünge von Kultur und Identität verweisen, ebenso gegeben wie die nationalökonomische Instrumentalisierung und spätkapitalistische Verwertung von kulturellem Differenzkonsum.
Selektive Rezeptionstendenzen kultureller Hybridität in der BRD Wie rasant der Aufstieg des Hybridbegriffs verlaufen ist, lässt sich gut an der Entwicklung seiner wissenschaftlichen Begriffskarriere vergegenwärtigen. Seit Ende der 1990er Jahre sind Cultural und Postcolonial Studies vornehmlich in ihrer anglo-amerikanischen Ausformung im deutschsprachigen Raum auch über die „angestammten“ Fachgrenzen bekannt und im Zuge dessen verstärkt aufgegriffen worden. Dieser Aufschwung ist umso eindruckvoller, wenn wir uns vor Augen halten, dass Hybridität noch am Anfang derselben Dekade als Fachterminus in den Sozial- und Geisteswissenschaften nicht nur absolut ungebräuchlich, sondern auch nahezu unbekannt war. Heute ist dagegen die Vorstellung, dass wir in einer hybriden Kulturlandschaft der Überlappungen und Vermischungen leben, deren instabile Grenzziehungen kreuz und quer zu geschlechtlich, national, ethnisch, religiös wie sozial konstruierten Differenzierungen verlaufen, ein Ansatz, der infolge wachsender Zustimmung und inflationärer Wiederholungen fast schon ein akademischer Gemeinplatz ist. Nach einer rasanten Popularisierungsphase sind zentrale Termini aus den Cultural und Postcolonial Studies im heutigen akademischen Diskursfeld über Migration, Globalisierung, interkulturelle Kommunikation, Ethnizität und kulturelle Identität kaum mehr
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wegzudenken (vgl. Huggan 2001: 228-243). Vor allem die Idee der Hybridität ist im Rahmen des Trends zur Neuausrichtung der Geistesund Sozialwissenschaften, dem „cultural turn“, auch im deutschsprachigen Raum zum neuen Schlüssel- und Modebegriff avanciert. „Innerhalb philosophischer, soziologischer, medien- und auch kunstwissenschaftlicher Diskurse wird zunehmend von Prozessen der Hybridisierung gesprochen. Hybridisierung kann sich dabei auf Materialien und Medien, Symbolsysteme und Codes, Lebensstile und Wertsysteme beziehen. Auffallend ist: Nicht trennscharfe Distinktionen und Definitionen sind derzeit entscheidend, sondern Vermischungen [, die die] Hybridisierung als Signatur der Zeit [erscheinen lässt ]“ (Schneider 2000: 175).
Auch auf der alltagsweltlichen Ebene hat ein universalisiertes Verständnis von Hybridität eine bemerkenswerte Begriffskarriere ermöglicht: Während der Begriff „hybrid“ – der außerhalb der Biologie bis dato extrem ungebräuchlich war – heute als Schlagwort im Feuilleton fungiert, bedient sich die Marketingsprache seiner, um Produkte wie das zukunftsfähige Hybridauto, grenzenlose Crossover-Musik, genetische Hybridisierung etc. mit einem kulturellen Mehrwert und innovativen Image aufzuladen: „Hybrid meint: ein Produkt ist effizienter, schneller und multifunktionaler verwendbar. Hybrid referiert auf ökonomische Sachverhalte, codiert Marktchancen“ (ebd.). Analoge Tendenzen sind auch in der sozialwissenschaftlichen Rezeption von Hybridität im deutschsprachigen Raum feststellbar. Ausgehend von der Beobachtung, dass Hybridität nicht selten ohne ihre grundlegenden historischen und politischen Kontexte als Modell „kultureller Vermischung“ vorgestellt und euphorisch als neuartiger Vergesellschaftungsmodus zelebriert wird, wird hier die These vertreten, dass diese Konzeption von Hybridität den zugrundeliegenden Problemstellungen und Intentionen des postkolonialen Diskurses zuwiderläuft. Bei dieser Bedeutungsverschiebung postkolonialer Terminologien handelt es sich weniger um ein Phänomen des „lost in translation“, das immer dann auftreten kann, wenn ein Diskurs in einen anderen übersetzt wird. Vielmehr ist von einer (wissenschafts-)politischen Missrepräsentation bei dieser Form der Aneignung postkolonialer Kritik auszugehen. Durch die diskursive Einverleibung des Anderen drohen historische Kontexte und politische Positionierungen verlorenzugehen, die für das kritische Potential des postkolonialen Diskurses wesentlich sind. Nicht zuletzt verweist die einseitige Rezeptionsweise auch auf bestehende Machtverhältnisse und Zugangsbeschränkungen für Marginalisierte, deren Perspektiven in den dominanten Diskursen wie in der Gesellschaft
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wenig Geltung besitzen. Angesichts dieser konstatierten Situation erscheint es sinnvoll, den Hybriditätsbegriff kritisch zu durchleuchten und lokale Übertragungen im Hinblick auf problematische Verkürzungen, Auslassungen und Funktionalisierungen zu diskutieren.
Hybridität als Strategie kultureller Subversion bei Homi Bhabha Im internationalen wie im deutschen Kontext ist der Begriff der Hybridität vor allem durch die Arbeiten von Homi Bhabha (2000) in die Kultur- und Sozialwissenschaften eingeführt worden. Ohne behaupten zu wollen, dass sein Hybriditätskonzept im postkolonialen Kontext unbestritten ist,19 möchte ich dieser Stelle, da es für meine Fragestellung nicht erforderlich ist, keine alles umfassende Diskussion seines Ansatzes führen. Mir geht es zunächst darum aufzuzeigen, dass Bhabha seinen Ansatz aus der Colonial Discourse Analysis heraus entwickelt und bestimmte gesellschaftspolitische Implikationen mit seiner Perspektive verknüpft. Bei Bhabha finden sich zwei Bedeutungsebenen dieses Begriffes wieder: 1. Hybridität als eine Praxis der kulturellen Subversion im kolonialen Diskurs; 2. Hybridität als Bestandteil einer postkolonialen Kulturtheorie. In „Die Verortung der Kultur“ (Bhabha 2000) wird der historisch-politische Bedeutungskontext in Aufsätzen wie „Die Frage des Anderen: Stereotyp, Diskriminierung und der Diskurs des Kolonialismus“ und „Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses“ erörtert, während Arbeiten „Wie das Neue in die Welt kommt: Postmoderner Raum, postkoloniale Zeiten und die Prozesse kultureller Übersetzung“ stärker kulturtheoretisch orientiert sind. Bei der Analyse kolonialer Diskurse sind zwei Annahmen für Bhabha entscheidend: erstens geht er von einer grundsätzlichen Ambivalenz kolonialer Diskurse aus; zweitens behauptet Bhabha, dass der Kolonialismus keine totale Machtasymmetrie durchsetzen konnte (vgl. Ha 2004: 19 Tatsächlich ist Bhabhas Hybriditätstheorie nicht nur viel umjubelt – die US-Zeitschrift Newsweek vom 21.4.1997 nahm ihn in die Liste der „100 people for the new century“ auf, und auf Bhabhas offizieller UniversitätsHomepage wird stolz verkündet, dass er bereits zum zweiten Mal als „Faculty Advisor to the DAVOS World Economic Forum“ eingeladen wurde. Berühmte Kritiken stammen von Aijaz Ahmad (1996) und Arif Dirlik (1997). Eine kurze deutsche Zusammenfassung findet sich unter der dramatischen Überschrift „Bhabha im Kreuzfeuer der Kritik“ (Castro Varela/Dhawan 2005: 100-109). Polemische Angriffe aller Art gab es auch, so 1998, als er von der Zeitschrift „Philosophy and Literature“ hinter Judith Butler den zweiten Preis im Wettbewerb für „the most stylistically lamentable passages found in scholarly books“ zugesprochen bekam.
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139-152). Die Ambivalenz kolonialer Autorität produziert vielmehr eine kulturelle Hybridität, in der das Doppel aus Abspaltung und Identifikation auf beiden Seiten der undefinierbaren und instabilen Grenzlinie eingeschrieben ist. Das paradoxe Ergebnis ist, dass der koloniale Diskurs sich selbst in Frage stellt, indem er „unreine Vermischungen“ erschafft, die zwar nicht mit der Kolonialmacht identisch, aber ihr zum Verwechseln ähnlich sind (vgl. Bhabha 2000: 159-171). „Wenn wir ein derartiges ‚Überschreiten‘ aufzeigen, so geschieht dies nicht nur, um die fröhliche Macht des Signifikanten zu feiern. Hybridität ist das Zeichen der Produktivität der kolonialen Macht, ihrer flottierenden Kräfte und Fixpunkte [...] Hybridität ist die Umwertung des Ausgangspunktes kolonialer Identitätsstiftung durch Wiederholung der diskriminatorischen Identitätseffekte [...] Sie entthront die mimetischen oder narzißtischen Forderungen der kolonialen Macht, führt ihre Identifikationen aber in Strategien der Subversion wieder ein, die den Blick des Diskriminierten zurück auf das Auge der Macht richten“ (ebd.: 165).
Diskursive Ähnlichkeit entsteht durch Verschiebung, Dezentrierung, Umkehrung oder auch nur unpassenden Gebrauch dominanter Symbole und Repräsentationen im Diskurs der Marginalisierten. In dieser Wiederholung und gleichzeitigen Entstellung dominanter Diskurse entsteht eine subversive Differenz, in der hegemoniale Zeichen und Bedeutungen umgedeutet, verunreinigt, hybridisiert werden. Die grundlegende historische Kontextualisierung des Hybridbegriffs ist nicht nur bei Bhabha selbstverständlich. „The stress in hybridity theory on the colonial encounter as the source of reflexivity and double consciousness“ (Werbner 2001: 133) ist im postkolonialen Diskus weitestgehend evident. Auch wenn andere postkoloniale Autor/-innen wie Pratt (1992) nicht primär mit dem Hybriditätsansatz arbeiten, sind auch ihre Konzepte der „transculturation“ und der kulturellen „contact zones“ für das koloniale Aufeinandertreffen mehrdimensional und grenzüberschreitend angelegt. Bhabhas historisches Beispiel für widerspenstige Vereinnahmungen und Missbrauch dominanter Diskurse durch kolonialisierte Akteur/ -innen bezieht sich etwa auf christliche Missionierungspraktiken in Indien, die lokal durchaus unerwünschte und unvorhersehbare Folgen für die koloniale Autorität hatten. Ein Problem war, dass die lokale Bevölkerung koloniale Zeichen indigenisierte und der europäischen Kultur entwendete. Strategien der Entstellung dominanter Symbole und Bilder erhalten ihre subversive Kraft, indem sie koloniale Diskurse in marginalisierte Kontexte übersetzen und dabei verfremden. Hybridisierung wird bei Bhabha nicht als harmonische und ästhetische Form kultu-
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reller Vermischung gedacht, sondern bezeichnet eine Möglichkeit, das kulturelle Feld gegen hegemoniale Kräfte für Marginalisierte zu instrumentalisieren, wodurch der koloniale Rahmen überschritten und neue Assoziationen und Bedeutungen geschaffen werden, die Eindeutigkeit in Zwiespalt verwandeln. Ein klassisches Beispiel ist Shakespeares „Der Sturm“ (1611). Prospero als Kolonialherr und Caliban als kolonialisierter Knecht tragen hier stellvertretend den kolonialen Diskurs aus. Caliban sagt, genauer Shakespeare als personifizierte Kolonialkultur lässt den Kolonialisierten sagen: „Ihr lehrtet Sprache mir, und mein Gewinn ist, daß ich weiß zu fluchen. Hol’ die Pest Euch fürs Lehren Eurer Sprache!“ (Shakespeare 1975: 611). Diese Beschreibung der kolonialen Situation hat wie keine andere Meistererzählung zu unzähligen Adaptionen und postkolonialen Gegen-Narrationen inspiriert. Hybridität ist nach Bhabha ein Prozess, der dualistische wie statische Unterscheidungen wie das Eigene/das Andere, innen/außen, hoch/niedrig etc. unterläuft und ihre Konstrukthaftigkeit bloßlegt. „Meine Auffassung, wie ich sie in meinen Schriften zum postkolonialen Diskurs an Begriffen wie Nachahmung, Hybridität und falsche Höflichkeit dargelegt habe, ist, daß dieser Schwellen-Moment der Identifikation eine subversive Strategie subalternen Handlungsspielraums hervorbringt, der seine Autorität schafft, durch wiederholtes ‚Auftrennen‘ und aufrührerisches Neuverknüpfen“ (Bhabha 1996a: 353).
Die Existenz eines subalternen Handlungsraums, der nicht als authentisch begriffen wird, setzt bei Bhabha die Unmöglichkeit totaler Herrschaft voraus. Selbst im Kolonialismus mit seiner offenen und brutalen Unterdrückung konnte der Kolonisierende den Kolonisierten nie gänzlich besitzen, beherrschen oder zum Schweigen bringen. Es gab immer Momente von Eigensinn und Widerstand kolonisierter Subjekte, die sich artikulierten und nicht durch die dominante Macht gebrochen werden konnten. Folgt man dem Ansatz einer kulturellen Selbstermächtigungspraxis, ergibt sich eine zusätzliche Lesart für Frantz Fanons berühmte Allegorie „Schwarze Haut, weiße Masken“. Dieses koloniale Phänomen ist ein hybrides Zeichen, das nicht mehr zwangsläufig als internalisierter Rassismus interpretiert werden muss. Hybride „Kultur als Überlebensstrategie“ (Bhabha 1996a: 346) öffnet neue Räume und Möglichkeiten der Aneignung, in denen Camouflage und Mimikry als kultureller Widerstand für Unterlegene verfügbar sind. „Wenn wir die Wirkung der kolonialen Macht in der Produktion von Hybridisierung sehen statt in der lautstarken Ausübung der kolonialistischen Autorität
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oder der stillschweigenden Unterdrückung einheimischer Traditionen, so hat das eine wichtige Veränderung der Perspektive zur Folge. Die Ambivalenz am Ursprung der traditionellen Diskurse über Autorität ermöglicht eine Form der Subversion, die auf der Unentscheidbarkeit beruht, die die diskursiven Bedingungen der Beherrschung in die Ausgangsbasis der Intervention verwandelt“ (Bhabha 2000: 166).
Für Bhabha ist Widerstand nicht notwendigerweise ein Akt, der sich außerhalb kolonialer Diskurse abspielt. Widerstand kann auch daraus entstehen, dass die koloniale Autorität durch ihren Überschuss, der in eine unheimliche Ähnlichkeit des Kolonisierten mit dem Kolonisierenden einmündet, erschüttert wird. In diesem Sinne ist kulturelle Hybridität bei Bhabha ein diskursiver Machteffekt, bei dem das Minoritäre erst durch die Anwesenheit des Dominanten erzeugt wird. Bhabha konzipiert kulturelle Hybridität als Modus politischer Artikulation, deren verstörende Effekte durch koloniale Ambivalenz hervorgebracht werden. „In my own work I have developed the concept of hybridity to describe the construction of cultural authority within conditions of political antagonism or inequity. Strategies of hybridization reveal an estranging movement in the ‚authoritative‘, even authoritarian inscriptions of the cultural sign. At the point at which the precept attempts to objectify itself as a generalized knowledge or a normalizing, hegemonic practice, the hybrid strategy or discourse opens up a space of negotiation where power is unequal but its articulation may be equivocal“ (Bhabha 1996b: 58).
Hybridität als jene unheimliche Ähnlichkeit, die im kolonialen Diskurs als Überlagerungsphänomen kultureller Differenzen entsteht, konfrontiert den dominanten Diskurs mit seiner Gegenstimme, die nicht mit eindeutiger Sicherheit als die authentische Stimme des fremden, unterlegenen Anderen identifiziert werden kann. Diese Uneindeutigkeit verweist auf die grundlegende Arbeitsweise von Kultur, die jede Vorstellung von Homogenität, Authentizität und Essentialismus als unmöglich zurückweist. Der Nimbus kultureller Abgeschlossenheit und Überlegenheit hat daher außer der ideologischen keine weiteren Grundlagen.
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Deutschland als Kolonialgesellschaft Kolonialismus ist in Deutschland – sobald er als kritische Analysekategorie und nicht wie gewohnt als ideologischer Gewaltapparat gebraucht wird – ein unnahbarer, geradezu un-heimlicher Begriff. Seine Untiefen erscheinen in ihrer unbehaglichen Abgründigkeit so un-wirklich, dass dieses Unwort sorgsam ver- und gemieden wurde. Wie die Rassismuskritik löst die Erinnerung an koloniale Unterdrückungen bei Weißen das Bedürfnis nach augenblicklicher Distanzierung aus. Meist schlagen sich solche Entlastungsstrategien in der Sehnsucht nach einem endgültigen Schlussstrich nieder. Die Weigerung der deutschen Dominanzgesellschaft, sich mit den kolonialen Grundlagen ihrer eigenen Kulturgeschichte und politischen Identität auseinander zu setzen, hat weitreichende Folgen. Sie reflektiert einen Prozess, in dem weder die Unterwerfung des Anderen noch die Frage nach der kolonialen Konstruktion der deutschen Nation zur Sprache kommt. Entsprechend steht auch das Fortwirken dieses Machtfeldes auf die gegenwärtige Verfassung der deutschen Gesellschaft nicht im Fokus der Debatte. Diese Frage wird um so gefährlicher und unzulässiger, je stärker der Blick auf das gebrochene, aber uneindeutige Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart, auf den Zusammenhang von äußeren und inneren Zwängen, kurz auf die ungeklärte Aktualität deutscher Kolonialkultur gelenkt wird. Bisher hat das gesellschaftliche Schweigen, das Verschweigen, das Totschweigen, das Feld des notwendig Sagbaren weitgehend verdrängt. Das Schweigen ist eine bewusste Amnesie, und die Amnesie ist eine politische Ausdrucksform des kollektiven Gedächtnisses. Daher ist das konsensuale Schweigen eine dominante Machtartikulation, die sich der Aufarbeitung und Sichtbarmachung imperialer Praktiken und Bilder durch Entinnerung aktiv widersetzt und nur durch Gegen-Erzählungen aufgebrochen werden kann. In ihren totalisierenden Dimensionen kann sich die Macht des Entinnerten zu einer sekundären Kolonialisierung verdichten. Die sekundäre Kolonialisierung bezeichnet keine Leerstelle, sondern eine gesellschaftliche Dynamik, die immer wieder durch ein Set von Machtpraktiken hergestellt wird. In ihr werden nicht nur die Kontinuitäten, Übergänge und Brüche, sondern auch die realgeschichtliche Kolonialisierung selbst immer wieder neu mit einem Weißen Schleier des Schweigens überzogen. Auf der anderen Seite werden die Schwarzen Subjekte, die oftmals auch als Opfer widerständig gehandelt haben, durch die Täterverehrung in den hegemonialen Diskursen erneut viktimisiert. Indem die diskursiven Mittel zur Bezeichnung kolonial eingefärbter Realitäten tabuisiert werden, bleibt die gesellschaftliche Macht- und Infrastruktur jener kolonialen Präsenzen verborgen. Durch
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diese erinnerungspolitische und geschichtsmächtige Weißwaschung der Geschichte wurde eine komfortable Scheinwelt für Weiße Metropolenbewohner/-innen aufgebaut und stabilisiert. Obwohl koloniale Einschreibungen nicht nur die Wirklichkeit der europäische Moderne prägen, sondern auch für die Ausbildung deutscher Kultur- und Identitätsvorstellungen bis in die Gegenwart hinein fundamental sind, werden sie in der Regel entthematisiert. Aus den eben genannten Gründen erscheint es mir sinnvoll, an dieser Stelle die koloniale Grundierung der deutschen Gesellschaft herauszuarbeiten und in einem späteren Schritt die Rezeptionstendenzen des Bhabhaschen Hybriditätsbegriffs vor diesem Hintergrund zu diskutieren. Zunächst möchte ich auf die widersprüchlichen Überlagerungen von Raum – Traum – Trauma als Ausgangsbedingungen kolonialer Politik eingehen und dabei vor allem skizzieren, wie der Kolonialisierungsprozess sich auf die politische Kultur Deutschlands auswirkte. Dabei entstanden vielfältige kulturelle Artefakte und Praktiken, deren Bedeutungen sich in den imaginären Weiten der deutschen Kultur-, Erinnerungs- und Wissenschaftslandschaft eingeschrieben haben. So sind koloniale Spuren etwa im Berliner Stadtraum und der politischen Topographie Deutschlands weiterhin greifbar nahe.20 Der lange Schatten der inneren Kolonialisierung hat sich keinesfalls nur als kolonialer Blick auf Schwarze Menschen und tradierte Afrikaklischees am Leben erhalten (Melber 1992). Noch immer sind wir mit einer historischen Situation konfrontiert, die durch diskriminierende Praktiken und eine fehlende Erfahrung der inneren Dekolonialisierung gekennzeichnet ist. Auch ist anzuerkennen, dass das heutige Ausmaß und die spezifische Ausrichtung rassistischer Gewaltverhältnisse nicht von der kolonialen Erfahrung abgetrennt werden können. Sicherlich hat die begeistert aufgenommene Kolonialpolitik zu einer strukturellen, kulturellen und nicht zuletzt auch administrativen Verankerung von Aggressionspotentialen gegen People of Color beigetragen. Nicht zuletzt deshalb müssen wir uns nach wie vor mit Trägern eines kolonialen Rassismus auseinandersetzen, die nicht an den gesellschaftlichen Rändern sitzen, sondern wie selbstverständlich
20 Siehe die Beiträge in „Kolonialmetropole Berlin“ (Heyden/Zeller 2002). Trotz der intendierten kritischen Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte vertreten die dort versammelten Beiträge mit einer einzigen Ausnahme Weiße Perspektiven. Diese Marginalisierung spiegelt sich auch in der Tatsache, dass grundlegende Vorarbeiten aus der Schwarzen deutschen Community ignoriert wurden. So taucht „Farbe bekennen“ von Opitz [Ayim]/Oguntoye/Schultz (1986) in diesem Sammelband nicht einmal in den Fußnoten auf.
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aus der Mitte des staatstragenden Establishments heraus agieren (vgl. Jäger et al. 1998; Ha 2004: 23-35). Der deutsche Beitrag zur globalen Kolonialisierung spielt sich im Rahmen eines über mehrere Jahrhunderte anhaltenden weltpolitischen Destruktions- und Transformationsprozesses ab. Mich interessiert, wie durch die Kolonialisierung in den Metropolen selbst koloniale Räume und Praktiken entstanden, die im Rahmen eines Kolonialismus ohne Kolonien bis in die heutige Zeit tradiert wurden. Die Kolonialisierung wirkte sich nicht nur verheerend auf die Menschen und Gesellschaften in den neu geschaffenen Kolonien aus. Sie veränderte nachhaltig auch die deutsche Gesellschaft, deren Lebenswelten und Institutionen sich in umfassender Weise an den modernen Erfordernissen eines kolonialisierenden Staates angepassten. Die Kolonien wurden nicht nur als Rohstofflieferanten, Siedlungsräume, Absatz- und Kapitalmärkte, sondern auch als Laboratorien der Moderne und Schule der Nation genutzt. Entsprechend waren die Auswirkungen der Selbstkolonialisierung auf die militärische, politische, kulturelle, ideologische, ökonomische, wissenschaftliche, technische und städtebauliche Sphäre der Wilhelminischen Gesellschaft unübersehbar und tiefgreifend. Die Anatomie der deutschen Kolonialgesellschaft kann ich an dieser Stelle nur kurz skizzieren. Infolge der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben- und Arbeitsteilung wurden viele Gesellschaftsbereiche Bestandteil einer kolonialen Infrastruktur. Das koloniale Moment trat damit als gesellschaftlich organisierende Kraft in Bewegung. Es entstand eine zusammenhängende Kette von kolonialen Orten und Produktionsstätten in Deutschland, die nach imperialistischen Interessen organisiert und ausgerichtet wurden. Der Aufstieg zu einer global agierenden Imperialmacht ging notwendigerweise mit der Ausbildung eines kolonialen Apparates einher. Gerade in Berlin, dass als Reichshauptstadt des Imperial Germany fungierte, entstand ein neues Machtzentrum. Dieser Ort wurde zum Ausgangspunkt eines kolonialen Weltreiches, das mittels verschiedener staatlicher Organe wie dem Reichstag, dem Reichskolonialamt oder dem Oberkommando der Kolonialtruppen über die außereuropäischen Gebiete und ihre Bewohner/-innen zu herrschen versuchte. Die Opposition gegen die Kolonialpolitik war in der deutschen Gesellschaft wie im Reichstag denkbar gering: Nicht einmal die sozialdemokratische Fraktion war sich in ihrer Ablehnung einig. Ein nicht unwesentlicher Teil der Sozialdemokratie betrachtete die Schaffung von Kolonien zuweilen als notwendige zivilisatorische „Kulturtat“.21 In den bürgerlichen Kreisen und in den
21 Vgl. hierzu etwa Schwarz 1999. Leider empfiehlt sich diese Arbeit aufgrund ihrer unkritischen Analyse vor allem als Quellensammlung.
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Eliten war die Kolonialbegeisterung nahezu einmütig. Man berauschte sich an der Vorstellung von einer deutschen Weltmacht und gefiel sich in der Rolle als „Herrenmenschen“. Die Kolonialbewegung sammelte sich in Massenorganisationen wie der einflussreichen „Deutschen Kolonialgesellschaft“ und dem „Alldeutschen Verband“ (vgl. Chickering 1984). Neben ausgiebiger Lobbyarbeit und Propaganda versuchten diese Organisationen die Germanisierung der okkupierten Überseegebiete durch Siedlungsmigration zu befördern. Auf der anderen Seite brachte die koloniale Zwangsverbindung auch eine Verstärkung Schwarzer Präsenzen in den deutschen Städten mit sich. Die Anwesenheit Schwarzer Menschen erregte mit der Zeit zunehmend migrations- und biopolitische Debatten über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit von Akkulturation und Niederlassung (Grosse 2000; El-Tayeb 2001). Besonders bei Fragen der „interethnischen“ Sexualität und ehelichen Bindung nahmen diese Wortgefechte einen unversöhnlichen Ton an. Neben der Kolonialmigration wanderten auch im Import- und Exportgeschäft materielle Kultur und Konsumprodukte verschiedenster Art über transkontinentale Handelsrouten nach Deutschland. Die ökonomischen Verflechtungen zwischen Peripherie und Zentrum ließen einen weitverzweigten Wirtschaftskreislauf und eine Infrastruktur für Kolonialwaren aller Art entstehen. Die Schauplätze dieser Kolonialwirtschaft, ihre Fabriken, Handelshäuser und Ausstellungsräume wurden Teil des städtischen Raums und der deutschen Alltagswelt. Ökonomische Interessen begünstigten auch die Entwicklung einer deutschen Kolonialkultur und Kulturindustrie, die das Konsuminteresse nach exotischer Fremdheit und rassistischen Stereotypisierungen bediente.22 Durch Reiseromane, Zeitungsberichte, Fotografien, später auch Filme, Werbeplakate, Völkerschauen und anderen Medien der Populärkultur wurden koloniale Phantasien massenhaft erfahrbar gemacht. In diesen Praktiken der Fremdrepräsentation wurde die koloniale Begegnung zu einer alltäglichen Ware und gleichzeitig zu einem Raum der hierarchischen Inszenierung. Diese Repräsentationsräume verbanden die symbolische mit der realen Welt zu imaginären Projektionsflächen, die durch den Blick des Weißen Subjekts bestimmt wurden und kolonialpädagogisch aufgeladen waren. Zweifellos hat die koloniale Erfahrung mit ihren weiterhin hierzulande zirkulierenden Bildern die Konstruktion von Weißsein und Andersheit wesentlich geprägt. Durch koloniale Zuschreibungen und rassistische Prozesse der Machtungleichheit wurden die Möglichkeiten der offenen
22 Siehe den reich bebilderten Aufsatz von Ciarlo (2003), der einen umfangreichen Eindruck vom Ausmaß kolonialer Tropen in der deutschen Alltagskultur vermittelt.
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Begegnung faktisch negiert. Unter diesen Bedingungen wurden die Selbst- und Fremdbilder rassistisch formatiert und in ein starres Verhältnis von Zugehörigkeit und Fremdheit, von Über- und Unterordnung gebracht. Solche deformierten Weltbilder haben sozialdarwinistische Menschenbilder und Überlegenheitsgefühle, aber auch missionarischem wie kolonialpädagogischem Eifer Vorschub geleistet. In diesem Prozess hat die wissenschaftliche Wissensproduktion weder eine aufklärerische noch emanzipatorische Rolle gespielt. Statt als kritisches Korrektiv fungierten akademische Disziplinen wie Botanik, Tropenmedizin, Geographie, Anthropologie und Sprachwissenschaften nahezu ausnahmslos als willige Kolonialtechniken.23
Zwischen Nostalgie, Revisionismus, virtuellen Kolonien und Größenwahn Am Ende des selbst entfachten Ersten Weltkrieges waren die imperialistischen Expansionspläne Deutschlands zunächst gescheitert. Das Land musste seine Kolonialterritorien in den Friedensverhandlungen von Versailles unwillig abtreten. Mit dieser formalen Schlussakte schien die Kolonialzeit in Deutschland besiegelt zu sein. Tatsächlich wurde die deutsche Kolonialpolitik lediglich in eine neue, nun revisionistisch inspirierte Phase überführt. Dieser Kolonialismus ohne Kolonien erfüllte sich in einem Feld der virtuellen Realität. Indem die nostalgisch verklärten Kolonialerinnerungen die Zukunftspläne für die Wiedererlangung außereuropäischer Räume vorbereiteten, drohte die Phantasie immer real zu werden. Die Reminiszenzen an die „gute alte Zeit“ verstärkten den Wunsch diesen Zustand möglichst bald wiederherzustellen, um die deutsche Nation zur alten Stärke zurückzuführen. Bereits im Mai 1919 wurde in der offiziellen Stellungnahme zum Versailler Vertrag der Verlust der Kolonialgebiete abgelehnt: „Als ein großes Kulturvolk hat das deutsche Volk das Recht und die Pflicht, an der wissenschaftlichen Erforschung der Welt und an der Erziehung unterentwickelter Rassen als einer gemeinsamen Aufgabe der zivilisierten Menschheit mitzuarbeiten […] Die deutsche Verwaltung hat dem Land Frieden und Ordnung gebracht […] Die Erschließung des Landes durch Straßen und Eisenbahnen für den Weltverkehr und seinen Handel und die Förderung vorhandener und die Einführung neuer Kulturen hat das wirtschaftliche Leben der Eingeborenen auf eine höhere Stufe gehoben.“ (zit. nach Laak 2003: 74)
23 Ein Überblick bieten die Beiträge zum Thema „kolonialdeutsche Wissenschaften“ in Heyden/Zeller 2002: 97-134.
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Der Verlust der „Schutzgebiete“ wurde allgemein als eine schmerzhafte Amputation empfunden. Er traf das nationale Selbstverständnis als Weltmacht ins Mark und verunsicherte die deutsche Sehnsucht nach Weltgeltung. Kolonialrevisionistische Diskurse rekurrierten auf eine weitverbreitete politische Einstellung in der Bevölkerung: Neben Massenkundgebungen in vielen Städten beteiligten sich 1919 auch mehr als 3,8 Millionen Deutsche an einer Unterschriftenaktion, um gegen den „Raub der Kolonien“ zu protestieren (Rogowski 2003: 244f.). Die Abwehr der „kolonialen Schuldlüge“ spielt bis in die heutige Zeit eine wichtige Rolle. „Viele Deutschen erschien es, als sei der Unwillen, die Ergebnisse des Krieges anzuerkennen, nirgendwo so berechtigt wie in der Frage der Kolonien […] Nichts traf die Deutschen nach 1919 so empfindlich ins Gemüt wie die Behauptung der Alliierten, dass sie sich kolonisatorisch als unfähig erwiesen hatten.“ (Laak 2003: 71, 74)
Zur Verarbeitung des deutschen Kolonialtraum(a)s erscheinen bis heute Publikationen, die die vermeintlichen Segnungen der deutschen Kolonialisierung proklamieren und das Bild von dankbaren Kolonialuntertanen zeichnen, die voller Bewunderung zu den Errungenschaften der deutschen Zivilisation aufblicken.. Ein beliebter Topos der Kolonialromantik versteifte sich darauf, deutsche Pioniere und Techniker unbeirrt als wagemutige und erfolgreiche Helden zu feiern (Timm 1991: 67f.; Laak 2003), welche die „Wildnis“ kultivieren. Gerade in der eigenen zivilisatorischen Überhöhung wird Whiteness fortlaufend mit politischer Bedeutung aufgeladen, wodurch eine globale wie innergesellschaftliche Hierarchie etabliert und reproduziert wird. Es gab aber auch andere Wege das deutsche Kolonialtrauma zu kompensieren. Noch während der Kolonialzeit begann man damit der deutschen Kolonialwelt auf der Berliner Straßenlandkarte ein Denkmal im kollektiven Gedächtnis zu setzen. Das Zentrum dieser symbolhaften geopolitischen Aneignung in Wedding besteht hauptsächlich aus dem „Afrikanischen Viertel“, dass durch pazifische und chinesische Destinationen komplettiert wird. Einen wichtigen Impuls für das zwischen 1899 und 1958 entstandene Kolonialviertel gab der berüchtigte Hamburger Kaufmann Carl Hagenbeck, der mit Tierhandel und Menschenzoos ein florierendes Geschäft betrieb. Wie die Kolonialausstellung 1896 im großen Maßstab bewies, konnten die so genannten „Völkerschauen“ Zuschauermassen anlocken (vgl. Heyden 2003). Aufgrund des regen Interesses plante Hagenbeck, im angrenzenden Volkspark Rehberge eine Dauerausstellung mit wilden Tieren und exotisierten Menschen zu in-
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stallieren (Honold 2003). Der Entstehungshintergrund dieser Straßentopographie legt es nahe, diesen Stadtraum in einem Konzept einzuordnen, in dem dieses Viertel Teil einer konsumierbaren Koloniallandschaft werden sollte. Letztlich ist dieser Traum von einem Vergnügungs- und Erlebnispark mit kolonialen Attraktionen virtuell geblieben. Trotzdem hat diese Geschichte nicht nur Spuren hinterlassen, sondern auch einen überaus realen und sichtbaren Raum mit kolonialen Artefakten geschaffen. Dieses Ineinandergreifen unterschiedlicher Zeit- und Wirklichkeitsebenen scheint mir für die koloniale/postkoloniale Konstellation in Deutschland charakteristisch zu sein. Da die Pläne für die Errichtung einer dauerhaften Kolonialkulisse städtebaulich nicht realisiert werden konnten, wurde die Idee einer inneren Kolonie mit anderen Mitteln verwirklicht. Neben Museen und Ausstellungen boten vor allem die neuen Medien der Kulturindustrie den Raum an, um einen Kolonialismus ohne Kolonien in Szene zu setzen. Für die monumentale Verfilmung des Romans „Die Herrin der Welt“ von Karl Figdor wurde 1919 ein großzügiges Areal zwischen Woltersdorf, Kalkberge und Rüdersdorf mit einer abwechslungsreichen Naturlandschaft künstlich geschaffen. Mehrere hundert Schwarze Statist/ -innen, die hinter Stacheldraht in Baracken gehalten wurden, verzierten im Film den afrikanischen Kral, das imaginierte „Negerdorf“, den Baaltempel, den Krokodilteich, den Tempelberg, das Sklavenrad und viele andere Monumentalbauten, die Afrika in der deutschen Populärkultur symbolisierten. Daneben wurden auch 73 Chinesen/-innen aus dem europäischen Ausland importiert, um die koloniale Szenerie zu beleben. Nachdem die Kolonien verloren waren, wurde mit diesem Projekt ein immenser Aufwand getrieben, um die Kolonialwelt auf deutschem Boden wiedererstehen zu lassen (Struck 2003: 270). Durch filmische Mittel wurde diese Realität sowohl inszeniert als auch auf Zelluloid verewigt. Dabei kam es zu einer Grenzüberschreitung zwischen dem Fiktiven und dem Realen, da nicht nur die Imaginationen selbst, sondern auch die Produktionsbedingungen dieser Imaginationen koloniale Vorstellungsund Lebenswelten rekonstruierten. In diesem Kontext stellen filmische wie szenische Repräsentationen kolonialer Settings Reinszenierungen dar, die den nicht überwundenen Verlust imperialer Größe emotional und ideologisch kompensieren. Das Bedürfnis nach Kolonialbesitz war nicht nur in der Populärkultur sichtbar, sondern drückte sich auch in der politischen Kultur der Weimarer Republik aus. Nur die Kommunistische Partei distanzierte sich von diesem nationalen Konsens. In einem Akt, in dem der Wunschtraum die Realität trotzig ersetzte, wurde das Reichskolonialamt 1919 zunächst in ein Reichskolonialministerium umgewandelt und ein Jahr
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später dem Reichsministerium für Wiederaufbau zugeordnet (vgl. Rüger 1991). Deutschland hielt sich in der Folgezeit bereit, durch die Weiterentwicklung der Tropenmedizin und der Kolonialtechnik weiterhin weltweit agieren zu können. In kolonialpolitischen Richtlinien und in wirtschaftlichen Mobilmachungsplänen wurde die entwicklungspolitische Durchdringung der ehemaligen Kolonien mit Ärzten, Pionieren und Ingenieuren angeregt. Deutschland strebte immer noch nach einem „Platz an der Sonne“. So entstanden Phantasien die Sahara zu begrünen und agrarwirtschaftlich zu nutzen. Übertroffen wurde diese koloniale Utopie nur noch durch das beispiellose Atlantropa-Projekt. Aus dem Wunsch nach afrikanischen Besitzungen wurde die Idee geboren, das Mittelmeer trockenzulegen und zu einem großdeutschen Kontinent namens „Eurafrika“ zu vereinen (vgl. Gall 1998; Voigt 1998).
Koloniale Diskurse in der BRD Zu den größten Bewunderern dieser manischen Großprojekte zählten die Anhänger der Kolonialbewegung. Da ihr Wirkungskreis weit über die eigenen Mitglieder hinausreichte, blieb die Kolonialbewegung ein wichtiger politischer Faktor in der Weimarer Republik. Ein Großteil dieser Kolonialgesellschaften schloss sich 1922 zur „Kolonialen Reichsarbeitsgemeinschaft“ zusammen. Einer ihrer Vizepräsidenten war Konrad Adenauer (Laak 2003: 73; Rogowski 2003: 244f.). In der Nachkriegszeit gehörte Adenauer zu den Mitbegründern der CDU, war von 1949 bis 1963 erster Bundeskanzler der BRD und stand von 1951 bis 1955 auch dem Außenministerium vor. Am 12. Dezember 1974 verabschiedete der Bundestag dann ein „Gesetz über die Auflösung, Abwicklung und Löschung von Kolonialgesellschaften“. Zu diesem Zeitpunkt bestanden in der BRD noch rund 20 Kolonialgesellschaften, die sich die „Entwicklung der deutschen Schutzgebiete“ zum Ziel gesetzt hatten. Wie es in der gesetzlichen Initiative zur Begründung hieß, wurde diese Gesetzesvorlage aufgrund der zunehmenden revisionistischen Bestrebungen notwendig. „In den letzten Jahren [bestehen] erkennbare Tendenzen ruhende Kolonialgesellschaften wieder zu aktivieren“ (Entwicklungspolitische Korrespondenz 1991: Rückcover). Auch nach dem Ende der nazistischen Ära sind koloniale Argumentations- und Denkmuster in der BRD trotz aller gesellschaftlichen Umbrüche virulent geblieben. So soll der frühere Bundespräsident Heinrich Lübke bei einem Staatsbesuch in Afrika seine Gäste in „sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“ eingeteilt haben. Obwohl inzwischen fraglich erscheint, dass dieser Ausspruch tatsächlich von Lübke stammt,
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ist es erstaunlich, dass eine Kultur entstehen konnte, die von einem Bundespräsidenten solche Redeweisen erwartet.24 Der sich in einer solchen politischen Kultur wiederfindende koloniale Habitus, den viele Weiße Deutsche lediglich als lustige Anekdote abtun, mag der Sozialisation seiner Generation in der Kolonialzeit geschuldet sein. Die Hierarchisierung und konstruierte „Rassenpyramide“, die solche Diskurse erst ermöglichen, stehen zudem symptomatisch für das problematische deutsche Verhältnis zu seinen früheren Siedlungskolonien. Die in der BRD publizistisch und politisch geäußerten Sorgen über die jüngsten Landreformpläne in Namibia zuungunsten der deutschstämmigen Großgrundbesitzer erwecken den Eindruck einer „Schutzmacht“, die sich für ihre deutsche Kolonie einsetzt. Wir erinnern uns, dass es zu Südafrika in der Apartheidzeit nicht nur eine Franz-Josef-Strauß-Connection gab, sondern auch Bestrebungen, sich für die Interessen der 120.000 deutschstämmigen Siedler/-innen einzusetzen. Koloniales Erbe und völkisches Denken sind auch innenpolitisch aktuell. Die Resistenz sich der eigenen Kolonialisierung zu stellen, findet nicht zuletzt in fortgesetzten Kolonialdiskursen ihren rassistischen Ausdruck – so etwa wenn der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Norbert Geis noch im Jahre 2002 im Fernsehen die Warnung des damaligen bayerischen Ministerpräsident und späteren Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber vor einer „durchrassten Gesellschaft“ (1988) unbekümmert bekräftigt (Feddersen 2002: 13). Darüber hinaus verweist Lübkes paternalistischer Ton auf weiterreichende Kontroversen, die heutzutage mit Schlagwörtern wie „Modernisierungstheorie“, „Entwicklungspolitik“ und „Neue Weltordnung“ verknüpft sind und früher unter der Rubrik „koloniale Schuldlüge“ ausgefochten wurden. In diesem Kampf geht es um die Definitionsmacht über Geschichtsbilder. Je nach dem, wer welche Geschichtserzählungen perspektivisch durchsetzen kann, werden gegensätzliche Konsequenzen für die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland, seiner Rolle in der Welt und die Gestaltung seiner Außenpolitik daraus abgeleitet. Die Beurteilung der Auswirkungen der deutschen Kolonialgeschichte und der Legitimität kolonialer Praktiken ist in der BRD ein durchaus umstrittenes Feld. Rudolf von Albertini, der zu den renom-
24 „Jeder kennt das Zitat, die meisten hätten es Lübke auch zugetraut, es wird sogar genau datiert auf einen Staatsbesuch in Liberia im Jahr 1962 – aber es gibt keinen Beleg dafür!“ (Drösser 2002). Dagegen ist belegt, dass Lübke bei einem Staatsbesuch in Madagaskar den Einheimischen paternalistisch riet: „Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden“ (ebd.).
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miertesten deutschen Fachhistorikern zu diesem Themengebiet zählt, schrieb beispielsweise noch 1982: „Trotz des Risikos, als Apologet des Imperialismus zu erscheinen, halte ich daran fest, daß die Kolonialzeit für die Kolonialisierten eine Phase der Modernisierung bedeutet hat. Die Befriedung, d.h. die Verhinderung intertribaler Kriege […] die Bildung größerer territorialer Einheiten, moderne Verwaltung, Kommunikationssystem und wirtschaftliche Mise en valeur gehören ebenso dazu wie Schulwesen und Sanitätsdienste“.25
Eine andere Strategie, sich der „Bürde des weißen Mannes“ zu entledigen, besteht darin, ihre Bedeutungslosigkeit zu suggerieren und den Kolonialterror zur Tugend umzudichten. So bezeichnet der Potsdamer Geschichtsprofessor Manfred Görtemaker „den Umfang und die Bedeutung des deutschen Kolonialbesitzes als bescheiden“. Sein Fazit lautet: „Bei Licht gesehen, war alles hübsch bescheiden. Nirgendwo ein Indien, ein Indochina oder ein Kongo. Und keine Reichtümer, keine Schätze. Nur ein bißchen Kupfer und ein paar Diamanten in Südwestafrika. Nichts, was der deutschen Wirtschaft zu Hause neue Impulse hätte geben können, wenn sie es gebraucht hätte. Was blieb, waren große Worte.“ (Görtemaker 1989: 355)
Noch unseriöser wird die Darstellung, wenn Görtemaker in seinem wohlwollenden Kurzportrait Carl Peters durchgängig als „Afrikaforscher“ aufwertet und Paul von Lettow-Vorbeck als kolonialen Weltkriegsheld inszeniert. Die Kolonisierten sind hingegen weder als handelnde Subjekte noch als Opfer der Erwähnung wert. Selbst der Genozid an den Herero und Nama wird verschwiegen. Nichtsdestotrotz wurde dieses Buch von der „Bundeszentrale für politische Bildung“ durch Sonderauflagen großzügig gefördert und erreichte 1995 die fünfte Auflage. Solche Geschichtsbilder rufen anscheinend keinen Widerspruch hervor, sondern wurden bzw. werden von der offiziellen Kultur umarmt. Letztlich geht es darum zu suggerieren, dass deutsche Kolonialpraktiken einer abgeschlossenen Periode angehören, auch schon damals kaum gesellschaftliche Relevanz entwickelten und „richtig“ angewendet durchaus sinnvoll sind. Als geistige Produkte des bundesrepublikanischen Kultur- und Wissenschaftslebens sagen solche Perspektiven viel über die ideologischen Hinterlassenschaften und den Zustand dieser Gesellschaft aus. Sie sagen uns, dass die Frage nach der Kontinuität kolonialer Blicke aktuell ist. 25 Albertini 1982: 601 zit. nach Börries 1987: 158.
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Welche Form die unbewältigte deutsche Kolonialkultur annimmt, möchte ich bei Heinz-Dietrich Ortlieb exemplarisch verdeutlichen. Herr Ortlieb war bis zu seiner Emeritierung als Professor der Volkswirtschaft an der Universität Hamburg und bis 1978 auch als Direktor des renommierten Hamburger Instituts für Wirtschaftsforschung tätig. Im gesicherten Ruhestand konnte er seine Einstellungen in einer einschlägigen Publikation nunmehr ohne Rücksicht auf offizielle Ämter offenbaren. Bereits der Titel der Festschrift „Hundert Jahre Afrika und die Deutschen“ (Höpker 1984) suggeriert, dass Afrika erst mit der heroischen Tat der Kolonialisierung in die Weltgeschichte eingetreten sei und erschien 1984 anlässlich der 100-Jahrfeier der „Deutschen Afrika Stiftung“. Ortlieb schreibt darin: „Ausbeutung, Unterdrückung und sonstige Untaten, bei denen heutige Kritiker gern besonders nachhaltig und genüsslich verweilen, sind selbst in den extremsten Fällen nicht schlimmer gewesen als das, was schwarze Stämme sich selbst immer wieder angetan haben. Das eigentliche Problem der europäischen Kolonialherrschaft liegt viel eher gerade in ihren positiven, aber unvollkommen Leistungen […] Das eigentliche Versagen der Kolonisatoren [besteht darin] Völker fremder Kulturen aus dem ökologischen Gleichgewicht ihrer eigenen Lebensformen herauszureißen, um sie sich dann selbst zu überlassen“.26
In seinem Beitrag, der unbeirrt die zivilisatorischen Errungenschaften der Kolonisation verteidigt, sind die sozialdarwinistischen Argumentationsmuster und Bilder aus dem 19. Jahrhundert lebendig geblieben. Wir finden eine bizarre Mischung aus völkischem Biologismus und blankem Kolonialrassismus, der mit Images minderwertiger, primitiver wie grausamer Naturvölker in Afrika operiert, die nicht über den Entwicklungsstand unselbständiger Kinder hinaus gekommen seien. Angesichts des Genozids an den Herero und Nama sowie der brutalen Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands in „Deutsch-Ostafrika“, die von 1905 bis 1907 bis zu 300.000 Afrikaner/-innen das Leben kosteten, wirkt die Beschwörung der unvollkommen Leistungen westlicher Kolonialherrschaft schlicht menschenverachtend. Ortliebs Konzept für die Gestaltung der internationalen Beziehungen lautet: „Um eine realistische Welt- und Entwicklungspolitik treiben zu können, wozu auch immer Machtpolitik gehören muß“, sollte sich der Westen von der „egalitären Weltideologie“ verabschieden und in Afrika einen „Mentalitätwandel“ herbeiführen,27 um Arbeitsdisziplin zu ermöglichen. 26 Ortlieb 1984: 51 zit. nach Nestvogel/Tetzlaff 1987b: 9. 27 Ortlieb 1984: 49 zit. nach Nestvogel/Tetzlaff 1987b: 10-11.
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Wenn nicht alles täuscht, sind mit den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ von 1992 und 2003, die eine weltweite Sicherung nationaler Interessen vorsehen, die militärischen und machtpolitischen Komponenten in der deutschen Außenpolitik revitalisiert worden.28 Inzwischen ist die Armee als Global Player nach Aussage ihres damaligen sozialdemokratischen Ministers Struck vom 5.12.2002 auch bereit, „die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch [zu] verteidigen“. Nach derzeitiger Planung wird zukünftig vor allem Afrika als Zielgebiet deutscher Kriegseinsätze angesehen, die offiziell als „friedenserzwingende Missionen an jedem Ort der Welt“29 euphemisiert werden. Mit der Durchsetzung westlicher Militärgewalt steigt die Gefahr, dass durch geopolitische Interventionen eine Weltordnung (re-)etabliert wird, die einen Kreislauf von Herrschaft und Viktimisierung revitalisiert, in der die aufeinander weisenden Kategorien von Raum – Traum – Trauma erneut als Glieder einer kolonialen Produktionskette miteinander verbunden werden.
Enthistorisierung und postmoderne Rekonfiguration postkolonialer Diskurse Die Aufarbeitung der eigenen Kolonialgeschichte wurde über lange Zeit in der BRD stark vernachlässigt.30 Erstaunlicherweise fing die westdeutsche Geschichtswissenschaft erst Ende der 1960er Jahre in einem umfangreicheren Maß damit an, sich mit dieser Epoche auseinander zu setzen. Ebenso bezeichnend war, dass trotz der sich aus dieser Vergangenheit ergebenden gesellschaftlichen Verantwortung bereits Mitte der 1970er Jahre das Forschungsinteresse wieder erlahmte (Smith 1996: 431f.). Die neueren Anstöße für eine wissenschaftliche Aufarbeitung des 28 In der Pressemitteilung der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigten KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vom 21.5.2003 urteilt ihr Bundessprecher Jürgen Grässlin: „Die Verteidigungspolitischen Richtlinien, die Minister Struck heute vorgestellt hat, stellen das aggressivste deutsche Militärprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg dar“. 29 Diese Vorstöße stellte Struck anlässlich der Feierlichkeiten zum 50jährigen Gründungsjubiläum der Bundeswehr auf. Vgl. Berliner Morgenpost, 6.6.2005, S. 3. 30 Obwohl die Sozialwissenschaften der DDR in westlichen Institutionen allgemein als ideologisch verblendet galten, griffen ostdeutsche Historiker/-innen diese verdrängten Themenbereiche zwei Jahrzehnte früher auf. Die DDR-Geschichtswissenschaft produzierte trotz politischer Instrumentalisierung „eine Vielzahl origineller Untersuchungen“ (Schmidt 1985: 132), die wie einige Aufsätze in Helmuth Stoeckers „Drang nach Afrika“ (1977) auch bei US-Kollegen als „exzellent“ gelten (Smith 1996: 453; Chickering 1996: 501).
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deutschen Imperialismus kamen daher zunächst auch nicht aus den hiesigen Universitäten, sondern von den Schwarzen (deutschen) Gelehrten und Aktivist/-innen der transatlantischen Black Diaspora Studies, der anglo-amerikanischen German Studies und der transnational ausgerichteten postkolonialen Kritik.31 Zwar hat auch in der BRD die Zahl der wissenschaftlichen und publizistischen Arbeiten zu diesem Themenbereich in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Allerdings erfolgt diese diskursive Konjunktur als nachholende Bewegung vor einem Hintergrund, der die langanhaltende akademische Marginalisierung und gesellschaftliche Unerwünschtheit kritischer Interventionen dokumentiert. Aufgrund dieser Konstellation hat sich ein erheblicher Bedarf an inhaltlicher Defizitdeckung in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft angestaut sowie eine enorme zeitliche Verspätung der Grundlagenforschung ergeben. Zwei weitere Beschränkungen haben sich zudem innerhalb dieser historiographischen Wissensproduktion als strukturbildend und trendsetzend herausgestellt. So beschäftigt sich das Gros der kolonialhistorischen Forschung mit der Kolonialisierung außereuropäischer Gebiete, wodurch der wechselseitige und dialektische Prozess von äußerer Fremd- und innerer Selbst-Kolonialisierung aufgespalten wird und die Produktion entgrenzter Räume im Prozess der Kolonialisierung unterbelichtet bleibt.32 Zwar existiert eine zunehmende Anzahl von Publikationen, die neben den Kolonien auch die Auswirkungen der imperialistischen Expansion auf das deutsche Kernland im Wilhelminischen Zeitalter untersuchen.33 Aber diese Ansätze verbleiben innerhalb eines historischen Untersuchungs- und Deutungsrahmens, der meist von 1884 bis 1918 und in selteneren Fällen bis 1945 reicht. Studien, die die Kontinuität und Transformation kolonialer Denkweisen, Bilder und Strukturen bis in die gegenwärtige Bundesrepublik hinein analysieren, sind immer noch recht selten und finden sich am ehesten im Bereich der Kultur- und Medienanalyse (Melber 1992). Ein bahnbrechendes Konzept für die Forschung der Postcolonial German Studies legten Sara Friedrichsmeyer, Sara Lennox und Susanne Zantop mit „The Imperialist Imagination. German Colonialism and Its Legacy“ (1998) vor, die den
31 Vgl. etwa Oguntoye/Opitz [Ayim]/Schultz 1992; Noyes 1992; Berman 1996; Zantop 1997; Friedrichsmeyer/Lennox/Zantop 1998; Grosse 2000; El-Tayeb 2001; Conrad/Randeria 2002. 32 Zu den zahlreich erschienenen neueren Darstellungen gehören etwa Gründer 2004; Diedrich/Gründer/Graichen 2005 und Speitkamp 2005. 33 Siehe etwa Kundrus 2003; Bechhaus-Gerst/Klein-Arendt 2003; Conrad/ Osterhammel 2004; Dreesbach 2005.
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Weg für andere Arbeiten ebneten.34 Im Unterschied zur üblichen Historiographie oder reinen sozial- und kulturgeschichtlichen Ansätzen wird die Kolonialgeschichte nun als Ausgangspunkt für weitreichendere Entwicklung gesehen, die weder zeitlich abgeschlossen ist noch den Kolonialismus als vom europäischem „Mutterland“ ausgehende Einbahnstrasse denkt. Obwohl Bhabha in seinem einflussreichen Buch „The Location of Culture“ (1994) seine Theorie der Hybridität im Rahmen (post-)kolonialer Diskurse und Praktiken situiert, wird dieser vielschichtig angelegte Hybriditätsbegriff in einem beachtenswerten Teil der deutschsprachigen Rezeption mit Vorliebe zu einem postmodernen third spaceAnsatz verkürzt. Bereits zum Auftakt wurde diese Richtung in der Einleitung des weitverbreiteten Sammelbandes „Hybride Kulturen“ eingeschlagen, der laut Rückcover „erstmals Texte der maßgeblichen angloamerikanischen Theoretiker in deutscher Sprache“ vorlegte und daher einen besonderen Status genießt. Anstatt postkoloniale Kritik als Anstoß für die Revision kolonialer Geschichtsbilder zunehmen, die sich nicht zuletzt der Mitteln der Verharmlosung und Relativierung bedienen,35 bestätigen die Herausgeber/-innen dominante Geschichtsrituale durch die Behauptung: „Eine koloniale Vergangenheit im großen Stil hatte Deutschland nicht gehabt“ (Bronfen/Marius 1997: 8). Obwohl diese enthistorisierende Perspektive die Irrelevanz kolonialer Verhältnisse in Form einer Tatsachenbeschreibung attestiert, ist sie doch strategisch motiviert, um den postkolonialen Blick auf die hierzulande wirklich interessierenden Themenfelder umzulenken: „Erst in dieser Rekonfiguration wird die Debatte für den deutschen Sprachraum wirklich interessant, weil sie nun die genannten realgeschichtlichen Phänomene der postmodernen Welt – Massenmigration, globale Zirkulation von Waren, Dienstleistungen, Zeichen und Informationen – soziologisch und kulturtheoretisch untersucht“ (ebd.: 9).
Die damit verbundene Privilegierung der postmodernen Kondition und die Entthematisierung kolonialer Beziehungen entspricht dabei durchaus den gesellschaftlich dominanten Koordinaten. Durch diese entproblematisierende Geschichtsnarration wird „die eigene koloniale Geschichte mit einem Satz fortgewischt“ (Terkessidis 1997: 55). Diese Adaption muss um so mehr überraschen, als darin eine Negation zum Ausdruck
34 Vgl. etwa Heyden/Zeller 2002; Laak 2005; Heyden/Zeller 2008. 35 Vgl. exemplarisch für eine eurozentristische und bagatellisierende Histographie deutscher Kolonialgeschichte Görtemaker 1989: 345-358.
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kommt, die die Beweggründe des postkolonialen Projektes in einem entscheidenden Punkt umkehren. Denn der Begriff „‚Post‘kolonial bezieht sich weder auf eine vergangene historische Periode, noch beinhaltet der Begriff eine regionale ‚Dritte-Welt‘-Beschränkung; vielmehr wird zum Ausgangspunkt von Kritik eine historische Erfahrung – die des Kolonialismus –, deren Fortwirken sich in der Auseinandersetzung um westlich geprägte sozio-kulturelle Hegemonie und Interpretationsmuster niederschlägt“ (Küster 1998: 179; vgl. auch Ha 2004: 95f.).
Solange das Beachten der Überlagerung ineinanderlaufender Zeit- und Gesellschaftssedimente nicht selbstverständlich ist und die wissenschaftliche Aufarbeitung oftmals historisierend verbleibt, solange können die Einflüsse kolonialer Effekte auf die rassistischen Konditionen der deutschen Gegenwartsgesellschaft nicht voll in den Blick genommen werden. Geschichte nicht als offenes und dynamisches Feld zu begreifen, bedeutet die Aktualität kolonialer Präsenzen als Fragestellung nicht anzuerkennen oder zuzulassen. Bisher werden auch in der kritisch intendierten deutschen Rassismusforschung die kolonialen Ursprünge und Elemente rassistischer Herrschafts- und Gewaltformen nur unzureichend beachtet und in den Analyserahmen einbezogen. Die historische Materialität und Verschränktheit kolonial-rassistischer Macht- und Ausbeutungspraktiken zu übersehen, trägt dazu bei die Chancen für ein vertiefendes Verständnis heutiger Konfliktlagen nicht zu nutzen. Gerade aus der Verschränkung unterschiedlicher Zeitlichkeiten und der Überlappung räumlicher Interaktionsprozesse ergeben sich jedoch neue Einsichten und politische Ansatzpunkte der gesellschaftlichen Intervention. Ein Vorschlag für eine exemplarische Analyse kolonialer Strukturen und Affinitäten, die vom Wilhelminischen Kolonialreich bis in aktuelle Debatten reicht, habe ich in meinen Beitrag „Die kolonialen Muster deutscher Arbeitsmigrationspolitik“ (Ha 2003) vorgelegt. Um den Schritt von der historischen Aufarbeitung zur Analyse kolonialer Präsenzen zu vollziehen, wäre es nötig, letzteres als eine gesellschaftliche Praxis zu verstehen, die bis heute mit kolonialen Logiken und Annahmen operiert. Ebenso ist es problematisch, die Bedeutung kolonialer Dominanz wie üblich anhand von scheinbar objektiven ökonomischen, demographischen und geopolitischen Kennziffern zu messen. Solche Vorgehensweisen lassen die Wirkungsmächtigkeit und die Nachhaltigkeit kolonialer Denkweisen im ideologischen und kulturellen Bereich außer Acht. Wenn wir etwa der Auffassung von Hans-Ulrich Wehler (1985) folgen, der die Idee der Kolonialisierung als „ideologischen Konsensus“ (ebd.:
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112-155) in der deutschen Gesellschaft beschreibt und den „Kolonialrausch“ (ebd.: 464-485) als massenwirksame Sozialpathologie klassifiziert, dann ergeben sich ganz andere Geschichtszugänge. Zudem reproduziert der quantitative Reduktionismus eine Machtstruktur, die auf den Ausschluss subalterner Subjekte und ihrer Perspektiven aus der Wissensproduktion hinausläuft. Dass der deutsche Kolonialismus in der BRD als unbedeutende Randfrage behandelt wird, während er etwa für die Herero eine axiomatische Erfahrung war, liegt nicht in der Ereignisgeschichte begründet. So hat sich beispielsweise Gesine Krüger mit ihrer Doktorarbeit „Kriegsbewältigung und Geschichtsbewußtsein“ (1999) besondere Verdienste erworben, da sie darin die Kolonialerfahrungen aus der Perspektive der ehemals Kolonialisierten als zentrales Thema anerkennt. Sie leitet damit methodisch den Wandel von der eurozentristischen Objekt- zur postkolonialen Subjektperspektive ein und nimmt Subalterne als geschichtlich Handelnde wahr.36 Diskursformationen spiegeln die Durchsetzungsmöglichkeiten unterschiedlicher Betroffenheiten und Interessen und das heißt auch immer Machtfragen wieder, die nicht über den Dingen stehen, sondern im sozialen und historischen Prozess verortet sind. Wie stark dominanzkulturelle Positionierungen in der lokalen Kontextualisierung postkolonialer Kritik eingeschrieben sind, lässt sich exemplarisch im Werbetext auf dem Buchrücken von „Hybride Kulturen“ (Bronfen/Marius/Steffen 1997) ablesen: „Deutschland hatte kaum Kolonien, die heute das öffentliche Klima mitbeeinflussen und beleben könnten.“ In dieser Formulierung klingt zum einen so etwas wie ein Bedauern an, dass koloniale Ressourcen nicht zur gesellschaftlichen Belebung zur Verfügung stehen; zum anderen wird im Werbetext auch der Wunsch artikuliert, Kolonien als Quelle von Produktivität und „die Fremden“ als „Chance“ nutzen zu wollen. Auch als kulturelles „Missverständnis“ sind solche Formulierungen signifikant und keineswegs beliebig. Ob „die Fremden“ sich als Fremde begreifen und als Chance für die deutsche Gesellschaft instrumentalisiert werden wollen, bleibt zudem dahingestellt. Eine andere eurozentrierte Perspektive findet sich bei Claus Leggewie, der den „Grund für die Überzeugungskraft des amerikanischen Traums [… in seiner] hybride[n] Mischung aus allen möglichen Kulturen der Welt“ sieht:
36 Durch ihre Mitarbeit, die sich den autochthonen Gesellschaften der Herero und Nama in der vorkolonialen Zeit widmete, trug sie dazu bei, dass der Sammelband anlässlich des 100. Jahrestag des Genozids an den Herero und Nama in Zeller/Zimmerer (2003) auch aus einer afrikanischen Perspektive erzählt wird. Vgl. auch Gronemeyer 1991.
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„Faktisch zeichnete eher Kreolisierung, verstanden als kulturelle Überlappung und Vermischung, die Amerikanisierung aus, und eben diese spezifische Genese der ‚ersten neuen Nation‘ (Seymour M. Lipset) erklärt die stupende weltweite Anschlußfähigkeit […] in anderen Gesellschaften, die historisch gesehen allesamt Herkunftsnationen der Vereinigten Staaten von Amerika sind“ (Leggewie 2000: 886).
Dieses Bild funktioniert allerdings nur, wenn man das prä-europäische Amerika als „menschenleeres Land“ konstruiert sowie die Genozide, die Zwangsmigrationen und die rassistische Ausschließung asiatischer Einwanderer/-innen als nicht wesentlich einschätzt. Die von Bronfen und Marius gewählte Rezeptionsstrategie der Rekonfiguration ist kein Einzelfall. Obwohl der postkoloniale Diskurs sich grundlegend auf koloniale Verhältnisse bezieht und koloniale Präsenzen in der Gegenwart untersucht, wird diese Fragestellung zum Teil vollständig ausgeblendet. Dieses zentrale Machtaxiom der Moderne ist beispielsweise auch beim Leiter des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft kein Thema. Zwar interessiert sich Bernd Wagner (2001) in seinem Text über Globalisierung und Hybridisierung für Kreolisierungsprozesse in der Karibik, verliert aber in seiner betont kulturalistischen und ästhetisierenden Deutung, die politische und ökonomische Machtverhältnisse weitgehend ausblendet, kein Wort über ihre Kolonialgeschichte. Der immanente Kontext von Deportation, Ausbeutung und Gewalt gegen Schwarze und indigene Menschen, die der Kreolisierung vorausgingen und sie prägten, bleibt verborgen. Infolge der Enthistorisierung und Postmodernisierung des Hybriditätskonzeptes werden zentrale Begrifflichkeiten wie „Kreolisierung“ oder „Bastardisierung“ viel zu selten im Rahmen kolonialer Prozesse und rassentheoretischer Diskurse aufgearbeitet. Ella Shohat wies schon zu einem frühen Zeitpunkt auf diese Problematik hin: „A celebration of syncreticism and hybridity per se, if not articulated in conjunction with questions of hegemony and neo-colonial power relations, runs the risk of appearing to sanctify the fait accompli of colonial violence“ (Shohat 1996: 330, Hervorh. im Original). Dieses Defizit wiegt umso schwerer, als die Hybridisierung ihrem historischen Ausgangspunkt nach zunächst als „rassische Bastardisierung“ in Erscheinung trat.37 Gerade in Deutschland
37 Da das Hybride in kolonialen Diskursen als „Rassenvermischung“ vorgestellt wurde, ist es fragwürdig, ausgerechnet das Kriterium der „‚Mischehen‘ jeder Art [... zur] Gretchenfrage des Multikulturalismus“ (Leggewie 2000: 888) zu erheben – zumal diese Thematik auch mit globalen Ungleichheiten, mit Verfügungsmöglichkeiten über weibliche Sexualität aus Trikontgesellschaften und exotisierendem Differenzkonsum verbunden ist.
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konnten die sozialdarwinistischen Rassenhygieniker mit ihren Pathologisierungsdiskursen gegen „Rassenmischlinge und -bastarde“ insbesondere während des Nazismus eine bisher unerreichte Gestaltungsmacht erlangen. Da diese Kontexte wenig interessieren, wird Kreolisierung oft als harmonische kulturelle Begegnung konstruiert, die als „Metapher für Mischung afrikanischer und europäischer Sprache, Abstammung und kultureller Gebräuche“ (Wagner 2001: 18) steht. Entsprechend fällt seine Definition aus: „Hybridisierung meint die Vermischung verschiedener kultureller Stile, Formen und Traditionen, aus der etwas Neues entsteht, eine ‚globale Melange‘“ (ebd.: 17). Angesichts der historischen Kontexte wäre es aber sinnvoller, Hybridität nicht als normativen, sondern als kritisch-analytischen Begriff zu verwenden. Der kolonialrassistische Kontext setzt jeder normativen Begriffsverwendung enge Grenzen, die meines Erachtens nur um den Preis der Verdrängung der rassistischen Begriffsgeschichte aufgehoben werden könnten.
Postmodernisierter Multikulturalismus und versteckte Essentialisierungen Da Hybridität im Anschluss an Bhabhas einflussreiche third spaceMetapher primär als Raum zwischen den Kulturen rezipiert wird, wird der offene und dialogische Kulturaustausch sowie seine Dynamik in der globalisierten Weltgesellschaft betont. Kulturentwicklung scheint in eine postmoderne Konstellation eingetreten zu sein, in der das herrschaftslose Crossover zum Strukturprinzip gehört. Begriffe wie transnationale Grenzüberschreitung, kulturelle Grenz- und Zwischenräume, Deterritorialisierung, Synkretismus, multiple Identitäten, Inter- und Transkulturalität bilden in diesem Kontext nur die geläufigsten Stichwörter bzw. Denkmodelle, die mittlerweile auch im deutschsprachigen Wissenschaftsdiskurs Einzug gehalten haben. Im Kontrast zur fortgeschrittenen Terminologie wirken konkrete Beschreibungen von Hybridkulturen zuweilen recht banal. Zu den üblichen Verdächtigen gehört Salman Rushdie, der für viele den „hybriden, postkolonialen Künstler zwischen verschiedenen Kulturen“ (ebd.: 21) verkörpert und dessen Romane oft als grenzüberschreitende Visionen gelesen werden (Wicker 2000: 206f., 213). Sein „Liebeslied für Bastarde“ (Rushdie 1992: 459) gehört zu den am häufigsten zitierten Beschreibungen kultureller Hybridität. Es ist signifikant, dass Wagner ausgerechnet jene Passagen aus Rushdies Roman „Der Boden unter den Füßen“ (1999) als kulturelle Hybridisierung vorstellt, die eher an eine Aneinanderreihung multikultureller Stereotypen erinnern. Hybridisierung entsteht anscheinend, wenn „ethnischnationale Eigenschaften“ sich eklektisch verbinden, wenn in Rushdies
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Worten „die Trommeln Afrikas […] Die polnischen Tänze, die italienischen Hochzeiten, die Sorbas-zithernden Griechen. Die trunkenen Rhythmen der Salsa-Heiligen. […] die Sexyneß der kubanischen Blechbläser, die faszinierenden Rhythmen der brasilianischen Trommeln“ (zit. nach Wagner 2001: 21) miteinander verschmelzen. In anderen Diskursen wurden Rushdie und weitere postkoloniale Metropolen-Intellektuelle mit dem Vorwurf konfrontiert, die Bedürfnisse eines ethnographischen Tourismus zu bedienen (Schmidt-Haberkamp 2000: 301-311). Wenn solche Klischees als Grundlage für die neuen hybriden Vermischungen genommen werden, dann wirken sie nicht hybrid, sondern allenfalls ethnisierend und exotisierend. Offensichtlich greifen solche Wahrnehmungen, der modernisierten Terminologie zum Trotz, immer noch auf ein Denken zurück, in der multikulturelle Pluralität als ethnischkulturelles Abgrenzungsmodell funktioniert. Denn die Vermischung setzt – wie nicht nur Wagner meint38 – die „Betonung des Eigenen und Originären“ (Wagner 2001: 23) voraus. Eine solche Wahrnehmungsweise kann binäre Kultur- und Identitätsschemata verfestigen, da die Kategorien des „Eigenen“ und des „Anderen“ nicht hinterfragt werden. In einem solchen Modell wird kulturelle Differenz nicht im Selbst lokalisiert, sondern als äußerliche Differenz angesehen, die sich an ethnischen, nationalen und religiösen Grenzziehungen orientiert. Die Betonung von Authentizität und ethnisch-national aufgeladenen Kultureigenheiten als Voraussetzung für Hybridisierung führt zu einem modernisierten Multikulturalismus. Der Fokus ist dann nicht mehr auf das Nebeneinander, sondern auf die gegenseitige Befruchtung homogener Kultureinheiten gerichtet. Diese Sichtweise setzt allerdings statische und abgrenzbare Kulturen voraus. So glaubt Peter Stachel von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Hybridität folgendermaßen charakterisieren zu können: „Positiv besetzt sei in Zusammenhang mit der postkolonialen Theorie hingegen der Schlüsselbegriff der Hybridität. Nicht Abgrenzung, nicht Assimilation, sondern eine wechselseitige Durchdringung unterschiedlicher Kulturen sei damit angesprochen, vorausgesetzt sei allerdings die Existenz mehr oder weniger stabiler Kulturen“ (zit. nach Ernst 2001: 2).
Wenn Hybridität als reine Vermischungen ganzer Kulturen gedacht wird, dann missdeutet man Bhabha gründlich, der sich des öfteren vehement gegen essentialistische Modelle kultureller Diversität und multi38 Vgl. zur Konzeption von Hybridität als Bikulturalität etwa Robertson 2000: 370f. Tradierte Kulturmodelle sind auch im Diskurs über Interkulturalität häufig präsent: etwa Schoen (1999).
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kulturellen Exotismus ausgesprochen hat. Sein third space thematisiert eine Perspektive, die „den Weg zur Konzeptualisierung einer internationalen Kultur weisen könnte, die nicht auf der Exotik des Multikulturalismus oder der Diversität der Kulturen, sondern auf der Einschreibung und Artikulation der Hybridität von Kultur beruht. Dabei sollten wir immer daran denken, daß es das ‚inter‘ – das Entscheidende am Übersetzen und Verhandeln, am Raum da-zwischen – ist, das den Hauptteil kultureller Bedeutung in sich trägt. Dadurch wird es uns möglich, Schritt für Schritt nationale, anti-nationale Geschichten des ‚Volkes‘ ins Auge zu fassen. Und indem wir diesen Dritten Raum erkunden, können wir der Politik der Polarität entkommen und zu den anderen unserer selbst werden.“ (Bhabha 2000: 58)
Kulturkonsum, Missrepräsentation und Vereinnahmung des Anderen Nichtsdestotrotz ist im deutschen Kontext ein Hybriditätsverständnis populär, das das Lob der kulturellen Vermischung in den Mittelpunkt stellt. Dabei kommt es zu einer Entthematisierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse, die durch die Betonung der ästhetischen und konsumtiven Aspekte kultureller Hybridisierung ersetzt werden (vgl. kritisch Terkessidis 1999, Steyerl 2000). So wird im gesamten Text von Wagner nur einmal im Nebensatz die Ausgrenzung und Diskriminierung von Migrant/-innen angedeutet, obwohl diese Erfahrungen für die Betroffenen elementar sind. Stattdessen konzentriert sich sein Interesse auf den Spaßfaktor migrantischer HipHop-Subkulturen, die als die „heutigen Zentren der Hybridisierung“ (Wagner 2001: 19) angesehen werden. „Die Volkskultur der Vorstädte holt sich aus der Massenkultur, was ihr gefällt, setzt diese Elemente anders zusammen und gibt sie in Gestalt von trickreichen Kombinationen und witzigen Einfällen an die riesige Maschine unserer gemeinsamen populären Kultur zurück“ (Heinz Bude zit. nach Wagner 2001: 19). Die Inszenierung von Hybridität im Bild eines bunten Völkerfestes und lustigen Kulturkonsumbetriebs, in dem sich jeder frei und kreativ im Rahmen seiner ethnisch-kulturellen Ressourcen, Grenzen und Kompetenzen einbringt, erinnert an jene grenzenlose Party, die einer „Utopie in Metaphern des Feierns Ausdruck verleihen [soll ...] ich würde hier nicht so sehr an das Modell ‚Multikulti-Gartenfest‘ denken, auf dem Folklore dargeboten wird und in der das politische Subjekt durch den Anderen seine Korrektheit genießen kann, sondern eher an eine Club-Nacht, in der nationale
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und (sub-)kulturelle Differenzen […] produktiv eingesetzt werden“ (Bronfen/ Marius 1997: 12).
Wir lernen, dass Hybridität uns zwar bereichert und anregt, aber uns nicht in unserer Substanz bedroht. Das Interesse an den neuen Migrationskulturen beruht auf einem klassischen Missverständnis, denn es unterstellt, dass die junge Migrant/-innen und Anderen Deutsche „Rückhalt in einer Herkunft und Spaß am Konsum“ (Heinz Bude zit. nach Wagner 2001: 19) suchen, obwohl gerade migrantische Kulturschaffende der zweiten und dritten Generation sich explizit gegen ethnisierende Zuschreibungen wehren und durchaus politische Ansprüche erheben (vgl. etwa Ayata 1999; Güngör/Loh 2002). Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage, warum die Perspektiven der Betroffenen ignoriert und sie zu unterhaltsamen Exoten reduziert werden. Offensichtlich wird Hybridität zunehmend als eine begehrenswerte Ressource konstruiert, die nicht den Marginalisierten alleine überlassen werden kann. Rekurrierend auf Rushdies „Mischmasch, ein bißchen von diesem und ein bißchen von jenem“ (Rushdie 1992: 458) wird Hybridität gern als „Auflösung und Zerstörung von Tradition beschrieben, die permanente Mischung und Verbindung, die kreative Praxis von Fusion und Collage, und in Operationen wie diesen überträgt sich die einst ganz marginale Erfahrung von Migranten in eine universale Standarderfahrung“ (Leggewie 2000: 885). Diese Universalisierung hat Helga Bilden, die sich selbst als feministische Sozialwissenschaftlerin versteht, folgendermaßen am eigenen Beispiel lokalisiert: „Vielleicht gefällt mir das Konzept der Hybridität so gut, weil es meine eigene bürgerlich-kleinbäuerlich gemischte Herkunft und meine gemischte Geschlechtsidentität positiv aufnimmt? Heute […] fühle ich mich nicht ‚identitätsgestört‘, sondern ‚richtig‘, in meiner Nichtübereinstimmung bekräftigt, theoretisch legitimiert – und schadenfreudig. Es geht mir wie Stuart Hall, dem schwarzen britischen Soziologen karibischer Herkunft“ (Bilden 1999: 9).
Hybridität scheint somit für Weiße auch ein Mittel zu sein, die eigenen Herkünfte aufzuwerten und sich selbst in Schwarze Positionen zu verorten, um durch aneigbare Differenzen die Möglichkeiten und Grenzen der Selbstdefinition zu erweitern. Der Wunsch, sich selbst als hybrid zu entdecken und in hybriden Kulturen zu leben, geht mit einem Verständnis beliebiger Differenzen und positiven Selbstinszenierungen einher, in der die Gefahren der Überidentifikation und Vereinnahmung des Anderen immanent sind. Im Gegensatz zur Position von rassistisch Marginalisierten stellen universale Hybriditätsformen einen wähl- wie abwählba-
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ren Lebensstil dar, der auf der Entscheidungsfreiheit basiert, die Differenz oder die Identität zur Dominanzkultur (Rommelspacher 1995) zu betonen. Karnevaleske Identitätsspiele beruhen auf einer Rhetorik maskenhafter Blackness, die nicht die realen Folgen Schwarzer Gesellschaftspositionen zu ertragen braucht. Für Mitglieder der Dominanzgesellschaft hat die Entdeckung der eigenen Hybridität neben spielerischen auch entlastende Funktionen. Der Verweis auf die eigene Hybridität hat den angenehmen Effekt sich als authentisches Subjekt des Zeitgeists zu erfahren und die gesellschaftlich zugeschriebene Whiteness (Frankenberg 1993) zu verleugnen, die auch ungewollt Privilegien ermöglicht. Wenn wir heute alle so hybrid sind, wer ist dann noch Weiß, wer Schwarz, wer rassistisch unterdrückt und wer nicht? Daher kommt es darauf an, den Blick auf jene Subjekte zu richten, „die als ‚Mischlinge‘ stigmatisiert und zu den Clubnächten und Hybriditätsfeiern gar nicht erst eingeladen werden, weil ihre Erzählungen den unbekümmert metaphorisierenden Gebrauch des Begriffs ‚Mischling‘ unterbrechen, indem sie auf seine Gewalttätigkeit und die Gewaltstrukturen hinweisen, innerhalb derer er erschaffen wurde“ (Wollrad 2002: 22).
Eine Umgangsweise, die eher den gesellschaftlichen Prioritäten gerecht wird, hat Wolfgang Riedel vorgeschlagen: Statt Hybriditätsdiskurse zu entwerfen, sollten Mitglieder der Dominanzgesellschaft sich vorrangig mit institutionalisierten Diskriminierungen auseinandersetzen (Riedel 2002: 249). In der kulturalistischen Perspektive werden individualistische Handlungsräume stark betont und positiv konnotiert. Anscheinend lösen Hybriditätskonzepte, die mit grenzenlosen Identitätsspielräume für das Individuum und offene Kulturentwicklung für die Gesellschaft assoziiert werden, eine große Faszination aus. Selbst eine ansonsten kritische Sozialwissenschaftlerin wie Helga Bilden greift die Idee der Identitätsdiffussion nahezu obsessiv auf. In einem einzigen Absatz betont sie die Vision, statische Identitäten aufzulösen, insgesamt 19mal mit den Adjektiven „lustvoll“, „spielerisch“ und „kreativ“ (Bilden 1999: 6f.). Identitätsprozesse per se zu einem postmodernen Gesamtkunstwerk zu erklären, macht misstrauisch, wenn Macht, Marginalisierung und Dominanz nicht länger als präsent oder beschränkend erachtet werden. Merkwürdig ausgeblendet bleibt bei dieser Euphorie die Frage, wer überhaupt die Möglichkeit für anerkannte Identitätsinszenierungen hat und welche Bedeutungen und Kontexte sie für die jeweiligen Akteur/-innen haben. Während Identitätsspiele für Mitglieder der Dominanzgesellschaft eher den Charakter lustgewinnender Experimente annehmen, werden sie von
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Marginalisierten erheblich ambivalenter und riskanter erlebt. Hybridisierung kann wie jede kulturelle Identitätsentwicklung auch eine schmerzliche Erfahrung sein, die aus der Notwendigkeit entstanden ist, in deklassierten Gesellschaftspositionen zu überleben und Strategien im Umgang mit Ausgrenzungen zu entwickeln. Ob hybride Identitäten eher in ihren zwanghaften und/oder befreienden Momenten erlebt werden, hängt wesentlich von der Subjektposition in den Gesellschaftsstrukturen ab, deren Zugänge und Ausschließungen durch die Überschneidungen von Gender, Ethnizität und Klasse permanent neu konstituiert werden (Bromley 2000: 194-197).
Postkoloniale Differenzen: Kosmopolitismus und Marginalität Sicherlich hängen die Rezeptionsprobleme in Deutschland nicht nur mit lokalen Bedingungen zusammen. Zwar ist es kein Zufall, dass im hiesigen Kontext ein Trend existiert, der bevorzugt jene Aspekte der Hybridität betont, die innerhalb des postkolonialen Diskurses Gegenstand der Kritik sind.39 Aber auch im postkolonialen Diskurs wird der Hybriditätsbegriff teilweise in einer „affirmativen und unkritischen Weise verwendet“ (Bromley 2000: 194), in der sich die Differenz zwischen marginalisierten Subjekten und postkolonialen Metropolen-Intellektuellen reproduziert. So fühlten sich viele nicht repräsentiert, als der leider verstorbene Edward Said sich von seiner Position aus für einen fröhlichen Identitätswechsel aussprach: „Die Funktion von Menschen wie mir, die tatsächlich vielen Kulturen angehören, muß sein, immer wieder zu betonen, daß es keine Notwendigkeit gibt, sich für die eine oder andere Kultur zu entscheiden. Ich bezeichne mich weder als Araber oder Orientalen, noch als Westler oder Amerikaner. Anstelle des ‚oder‘ setze ich das ‚und‘ […] wir müssen eine neue Art Begeisterung erzeugen, die einen Identitätswechsel zur Sehnsucht und nicht zu einer dramatischen Erfahrung macht“ (Said 1999: 40f.).
Postkoloniale Kritiker/-innen des postkolonialen Diskurses problematisieren solche Positionen als elitären Kosmopolitismus, der aus einer privilegierten Position heraus die Notwendigkeit von Empowerment durch Identitätspolitik negiert. Sie weisen darauf hin, dass bestimmte soziale und kulturelle Voraussetzungen vorliegen müssen, um Identität nicht als letztes Mittel zur Verteidigung der persönlichen Integrität nut39 Vgl. etwa die kritischen Beiträge in Werbner/Modood (1997) und Brah/ Coombs (2000).
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zen zu müssen. Obwohl Said Bindestrich-Identitäten befürwortet, was eine harmonisierende und essentialistische Position sein kann, haben Migrierte – je stärker sie rassistisch marginalisiert werden – nicht die Möglichkeit sich mit Dominanzkulturen zu identifizieren. Statt Fragen der kulturellen Zugehörigkeit, fordern marxistische Kritiker wie Aijaz Ahmad (1994) und Arif Dirlik (1997) die drängenden materiellen Probleme generell stärker zu berücksichtigen. Im Unterschied zu Beobachtern, die den mangelhaften „gesellschaftskritischen Impetus“ und die „difference sells“-Haltung beim Theorieimport der Cultural Studies monieren (Löchel 1999), wäre es sicherlich irreführend, die hier diskutierte Rezeptionstendenz von Hybridität als entpolitisierend zu bezeichnen. Zum einen ist auch die vermeintliche „Entpolitisierung“ höchst politisch, zum anderen enthalten die vorgestellten Rezeptionsansätze explizit oder implizit politische Zielvorstellungen. Nur unterscheiden sich diese von den zentralen Forderungen postkolonialer Kritik. Vielleicht erinnerte Robert Young gerade deshalb auf dem deutschen Anglistentag eindringlich an die politischen Verpflichtungen postkolonialer Diskurse. Young, der als Referenzautor und Herausgeber des „Oxford Literary Review“ und der „Interventions“ nicht ohne weiteres ignoriert werden kann, sprach in einer für den deutschen Wissenschaftsdiskurs ungewohnten Deutlichkeit: „Postcolonial critique is therefore a form of activist writing that looks back to the political commitment of the anti-colonial liberation movements and draws it inspiration from them whilst recognizing that they often operated under conditions very different from those that exist in the present. Its orientation will change according to the political priorities of the moment, but its source in the revolutionary activism of the past gives it a constant basis and inspiration: it too is dedicated to changing those who were formerly the object of history into history’s new subjects. Postcolonial critique focuses on forces of oppression and coercive domination that operate in the contemporary world: the politics of anti-colonialism and neo-colonialism, race, gender, nationalisms, class and ethnicities define its terrain“ (Young 2000: 241).
Auch wenn anti-koloniale Bewegungen und gegen-hegemoniale Aktivitäten hinsichtlich ihrer Fehler und repressiven Auswirkungen selbstkritisch zu hinterfragen sind, bleibt festzuhalten, dass der postkoloniale Diskurs ein politisches Projekt ist, der nicht ohne die selbstreflexive Auseinandersetzung mit den multiplen Facetten gegenwärtiger Machtdimensionen gedacht werden kann. Auch können kulturelle Hybridisierungen je nach gesellschaftlichem Kontext sehr unterschiedliche Ausdrucksformen und repräsentative Funktionen annehmen. Die weitverbreitete Sichtweise, dass Hybridität als selbstreflexive Kulturform die
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Entgrenzungen des alltäglichen (Er-)Lebens in glokalisierten Einwanderungsgesellschaften von „unten“ artikuliert und sie dadurch per se progressiv und „authentisch“ ist, hält einer genaueren Betrachtung nicht unbedingt stand. Vielmehr ist ein Trend erkennbar, in der Hybridität als Technik zur Inszenierung kultureller Vielfalt in unterschiedlichen diskursiven Kontexten und gegenläufigen politischen Projekten in Szene gesetzt wird. Da sie als kulturelle Form von unterschiedlichen Akteur/ -innen bemächtigt wird, kann sie gegensätzliche Botschaften und Inhalte transportieren. Als uneindeutiges, umstrittenes Terrain der Bedeutungskonstitution steht sie sowohl der Deutungsmacht dominanter Diskurse als auch subversiven Praktiken offen. Nachdem ich den Trend zur theoretischen Bedeutungsumwandlung und thematischen Neukontextualisierung von Bhabhas postkolonialem Hybriditätsbegriff in der deutschensprachigen Rezeption bereits anhand einiger prominenter Positionen veranschaulicht habe, möchte ich am Beispiel des Erlanger Transdifferenzkonzepts nun detaillierter auf einen anderen Prozess eingehen. Hier steht die Frage der wissenschaftlichen, materiellen und institutionellen Verwertung im Zusammenhang mit einer behaupteten theoretischen Eigenständigkeit und konzeptionellen Überlegenheit gegenüber postkolonialen Konzeptionen kultureller Hybridisierung – explizit gegenüber Bhabhas Hybriditätsansatz. In diesem Fall verknüpft sich die unzureichende Anerkennung und zum Teil auch verheimlichte Offenlegung der ideellen Förderung durch kritische Diskurse aus dem anglophonen Raum mit einem Bestreben durch eine theoretische Hybridisierung bestehender wissenschaftlicher Ansätze kulturelles Kapital zu erwirtschaften.
Ein Fallbeispiel: Das Erlanger Transdifferenz-Konzept Mit dem von dem Erlanger Graduiertenkolleg seit 2001 eruierten kulturhermeneutischen Ansatz der Transdifferenz ist eine weitere Äußerungsform der Hybridisierung in das diskursive Spiel der Signifikanten eingetreten. Durch die Einführung des deutschen Transdifferenzbegriffs in die Kultur- und Geisteswissenschaften wird die laufende transnationale Debatte über die prozesshafte Vervielfältigung und Entgrenzung von Identitäten und kulturellen Dynamiken um eine weitere Denkfigur bereichert. Bisher sind von den Mitgliedern des Erlanger Graduiertenkollegs eine Reihe von Bemühungen gestartet worden, um ausgehend von dem Transdifferenzansatz breit gestreute Diskussionsprozesse auch über die
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Grenzen des deutschsprachigen Raumes hinaus in einem transdisziplinären Rahmen zu initiieren.40 Allem Anschein nach geht von der Auseinandersetzung mit der Komplexität kultureller Dynamiken eine besonders hohe Innovationsfreude aus, deren Offenheit und Erfindungsgeist sich auch in der Prägung von kreativen Neologismen niederschlägt. Angesichts der anhaltenden Konjunktur und wachsenden Attraktivität dieses Forschungsfeldes ist das Aufscheinen des Transdifferenzbegriffs zunächst als eine lokale Chiffre für die zunehmende akademische Produktivität einer neuen kulturwissenschaftlichen Ausrichtung zu deuten, die mittlerweile auch in Deutschland im Rahmen des cultural turn der Sozial- und Geisteswissenschaften angekommen ist (vgl. Horak 2002). Wie andere Beispiele zeigen, folgen auch weitere Forschungsprojekte diesem aktuellen Trend, indem sie ihre Aufmerksamkeit den lange unbeachtet gebliebenen Zwischenräumen und -positionen widmen. Dazu gehört etwa das gleichnamige Graduiertenkolleg an der Universität Konstanz,41 das mit der Figur des Dritten (Breger/Döring 1998) als Ausgangspunkt seiner zumeist literaturwissenschaftlichen Aufarbeitung operiert. Es ist damit zu rechnen, dass im Zuge der zunehmenden Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Globalisierungs- und Migrationsdynamiken auch das Nachdenken über die unabschließbare Transformation von Kultur in ihren unterschiedlichen Produktions- und Repräsentationsformen in bestimmten Domänen des deutschen Wissenschaftsbetriebs einen neuen Stellenwert erhält und dieser Trend sich in der Zukunft fortsetzen wird. Auch die bis 2009 angesetzte Weiterförderung des Erlanger Graduiertenkollegs durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist ein weiteres Indiz für diese Entwicklung.42 40 Neben zahlreichen Vorträgen in diversen akademischen Kontexten im Inund Ausland zählen auch die Herausgabe von Sammelbänden (etwa Allolio-Näcke/Kalscheuer/Manzeschke 2005a und Kalscheuer/Allolio-Näcke 2008) sowie die Edition von Themenschwerpunktheften in mehreren wissenschaftlichen Zeitschriften wie dem Journal for the Study of British Cultures sowie Psychologie & Gesellschaftskritik zu diesen Aktivitäten. 41 Vgl. http://www.uni-konstanz.de/ figur3/ (6.6.2006). 42 Die Förderung drückt nicht zuletzt das Interesse der Geldgeber an der institutionellen Verfestigung einer bestimmten Lesart der Cultural Studies im deutschsprachigen Raum aus. Es wäre interessant zu erfahren, welche wissenschaftspolitischen Gründe und strategischen Motive für die institutionelle Förderung dieses Projektes entscheidend waren. Neben dem erwarteten hohen wissenschaftlichen Ertrag und dem erhofften theoretischen Innovationspotential könnten auch standortpolitische Überlegungen eine Rolle spielen. Bisher ist das internationale kulturwissenschaftliche Umfeld vor allem durch anglophone und zu einem deutlich geringeren Anteil durch französisch- und spanischsprachige Diskurse geprägt.
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Sicherlich befördert diese produktive Begriffsvielfalt das fröhliche Neben- und Durcheinander von Interpretationsspielräumen in einem unabgeschlossenen und unabschließbaren Signifikationsprozess, der die unendliche Varianz eines poststrukturalistischen und nicht-essentialistischen Kulturbegriffs auch auf der sprachlichen Ebene reflektiert. Der Preis für dieses Konglomerat, das sich jeder Form der Vereinheitlichung zu entziehen scheint, liegt jedoch in der Unmöglichkeit für die Hybridisierung von Kultur einen präzisen Begriff zu extrahieren – was sicherlich auch als Chance und nicht nur als operativer Nachteil zu begreifen ist. Ebenso sicher birgt die terminologische Vervielfältigung und der damit einhergehende Verzicht auf konsensuale oder interdiskursive Verständigungen auch die Gefahr, dem Phänomen der Begriffsverwirrung Vorschub zu leisten, indem die uneinheitliche und häufig auch unklare Begriffsverwendung ein nicht zu vernachlässigendes Problem im wissenschaftlichen Diskurs darstellt. Je nach Kontext, zeitlichem Bezug und Autorenschaft werden diese Begriffe mal synonym und mal abgrenzend voneinander verwendet, sodass aufgrund der nicht festgelegten Bedeutungen wie den sich daraus ergebenden Spielräumen oftmals nebulös bleibt, ob diese Begriffe sich auf unterschiedliche oder gleichartige Aspekte in der Arbeitsweise kultureller Konstruktionen beziehen. Die Heterogenität und Fragmentierung dieses kulturtheoretischen Diskursfeldes wird durch den neuen Transdifferenzbegriff nochmals gesteigert. Es liegt nahe zu vermuten, dass diese Unübersichtlichkeit durch die Einführung des Transdifferenzbegriffs in die akademische Diskussion nicht gelöst, sondern eher verschärft wird. Um die Sinnhaftigkeit dieses neuen wissenschaftlichen Theorems in dieser Situation einschätzen zu können, stellt sich für den Transdifferenzansatz die grundlegende Frage nach der Erklärungsreichweite, seiner Stringenz und Eigenständigkeit in besonderer Weise. Also wozu ist der Begriff der Transdifferenz nötig, und was ist an diesem Theorieansatz überhaupt neu? Welche neue Bedeutungen, Konstruktions- oder Realitätsebenen werden durch die Benennung der Transdifferenz wahrnehmbar? Bietet das Transdifferenzkonzept gegenüber anderen Theorien kultureller Hybridisierung analytische Vorteile, die ein differenzierteres Verständnis historischer wie gegenwärtiger Kulturdynamiken ermöglichen? Oder ist die Transdifferenz doch nur ein schnelllebiges Modephänomen, das als poststrukturalistisch dekoriertes Synonym den kulturwissenschaftlichen Sprachschatz zur Deutung kultureller Hybridisierungen um eine weitere Spielart bereichert? Eine kritische Diskussion des Transdifferenzprojektes ist gegenwärtig mit dem Problem konfrontiert, dass dieses Projekt sich explizit als ein work in progress begreift. Als ein sich in der
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Ausarbeitung und Entwicklung befindliches Konzept kann es das Recht beanspruchen, Lücken, Inkonsistenzen, Irrtümer, Unklarheiten und andere Defizite aufweisen zu dürfen. Vor diesem Hintergrund ist jede Kritik nur als eine Momentaufnahme zu betrachten, die relativ ist und nicht mit dem Anspruch auftritt, endgültig zu sein. In diesem Sinne ist die konstruktivste Kritik jene, die sich nicht bewahrheitet und statt dessen Auseinandersetzungen und Öffnungen provoziert, die sich in der weiteren Entwicklung dieses Projektes produktiv auswirken.
Transdifferenz – Eine Differenz in der Differenz Wie einer der Mitinitiatoren des Transdifferenzprojekts rekapituliert, ist der „von Helmbrecht Breinig geprägte und im Rahmen des Erlanger Graduiertenkollegs […] entwickelte Begriff der Transdifferenz [...] vor dem Hintergrund der neueren kulturtheoretischen Beschäftigung mit den Phänomenen kultureller Überlagerung, Mischung, Kreolisierung und Hybridisierung“ (Lösch 2005: 26) entstanden.43 Als Amerikanisten mit literaturwissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkten sind die Begründer dieses Diskurses (Breinig/Lösch 2002) qua ihrer disziplinären Affiliation unmittelbar mit den angloamerikanischen Cultural und Postcolonial Studies verbunden. Vor dem Hintergrund dieses Entstehungskontextes ist es nicht weiter überraschend, dass die Herleitung wie die Elemente des Transdifferenzbegriffs unübersehbar durch Ideen und theoretische Elemente aus eben diesen Diskursen inspiriert und beeinflusst wurden. Beim Design des Transdifferenzbegriffs bediente man sich reichlich aus der Ideen- und „Werkzeugkiste der Cultural Studies“ (Göttlich et al. 2002). Wie die anderen neueren kulturwissenschaftlichen Konzepte auch geht der Transdifferenzansatz beispielsweise von der Hinterfragung festgelegter kultureller Grenzen und der Zurückweisung von Vorstellungen homogener und in sich ruhender Kulturentitäten aus. Auch plädiert der Ansatz der Transdifferenz für eine „Abkehr von essentialistischen Identitätsmodellen“ (Lösch 2005: 37), welche die Gültigkeit binärer Ordnungsschemata etwa in Form der kategorisch unüberbrückbaren Differenzsetzung zwischen dem Eigenen und dem Fremden anzweifeln. Statt dessen geht das Transdifferenzkonzept – wie andere Alternativmodelle auch – grundlegend davon aus, „dass Kulturen fuzzy systems sind, die sich in einem permanenten Austausch- und Wandlungsvorgang 43 Ich werde mich in meiner Diskussion der Transdifferenztheorie hauptsächlich auf die grundlegende Einführung von Klaus Lösch beziehen, da dieser Text „einiges an neuen Aspekten und Präzisierungen“ (Lösch 2005: 26) zusammenfasst, die zwischenzeitlich durch gemeinsame Diskussionen im Graduiertenkolleg erarbeitet wurden.
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befinden, und nicht etwa geschlossene und in kristallinen Strukturen erstarrte Systeme“ (ebd.: 43). Solche theoretischen Prämissen und Implikationen sind jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der Transdifferenz, sondern werden in den angloamerikanischen Cultural Studies seit mehr als drei Jahrzehnten diskutiert. Diese augenfälligen Parallelen und Analogien der Transdifferenz zu benachbarten Konzeptionen machen „die schwierige Entwicklung und Abgrenzung deutlich“ (Allolio-Näcke/ Kalscheuer/Manzeschke 2005b: 10). Da diese Problematik den Vertreter/-innen dieses Ansatzes als absehbare Rückfrage offensichtlich bewusst ist, widmet Klaus Lösch am Ende seiner begrifflichen Einführung der Frage nach der „Abgrenzung des Transdifferenzkonzepts von benachbarten Konzepten“ (Lösch 2005: 42) ein eigenes Unterkapitel. Als Ausgangsproblem der zur Klärung anstehenden Frage wird eine mögliche Ununterscheidbarkeit der Transdifferenz angenommen, die nicht nur das spezifische Profil, sondern auch die Innovationskraft des favorisierten Deskriptions- und Analyseinstruments erheblich schwächen würde: „Man mag sich fragen, ob man die geschilderten Sachverhalte (vor allem die auf der intersystemischen Ebene lokalisierten) nicht ebenso gut mit Begriffen wie Melange, Hybridität oder Transkulturalität beschreiben und analysieren könnte“ (ebd.: 42). Um dieser Verwechselungsgefahr zu entgehen, ist es das Ziel seiner Ausführungen zu ermitteln, „worin die spezifische Differenz des Transdifferenzkonzepts zu den genannten Konzepten liegt, und worin der spezifische Erkenntniswert des Transdifferenzkonzepts begründet ist“ (ebd.). Es ist schwer zu bestreiten, dass die aufgeworfenen Fragen überzeugend beantwortet werden müssen, um die Eigenständigkeit und Originalität des Transdifferenzskonzepts zu wahren. Ansonsten wären aufgrund der unklaren Gemengelage bei der theoretischen Abgrenzung durchaus nachteilige Konsequenzen zu befürchten. So könnten angesichts der inhaltlichen Reproduktionen kritische Beobachter/-innen womöglich den Eindruck erhalten, dass das Transdifferenzprojekt vor allem als geschickt lanciertes, innovativ klingendes, aber theoretisch unausgereiftes Vermarktungslabel einzuordnen sei. In dieser wenig sympathischen Auslegung würde die Transdifferenz vor allem durch eine Differenzsetzung definiert, welche die Impulse der Interferenz und Wiederholung durch lokale Akzente beim theoretischen Remix ergänzt. Um solche Kritik von vornherein zu entkräften, legt Lösch folgende Alleinstellungsmerkmale der Transdifferenz dar: „Das Transdifferenzkonzept […] unterscheidet sich jedoch von Konzepten der Entdifferenzierung im Sinne von kreolisierender Mischung einerseits und Differenzen dekonstruierender Hybridität andererseits durch das gleichzeitige
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Fortbestehen der (eingeschriebenen) Differenz und von Konzepten eines Dritten jenseits dichotomer Differenzmarkierungen durch heterotope Offenheit, Transitorik und die Unhintergehbarkeit kognitiver Dissonanz. Das Konzept bezeichnet somit weder Synthese noch tendenziell radikale Dekonstruktion von Differenz. Es trägt einen starken temporalen Index, da es sich auf Momente bezieht, in denen Differenz vorübergehend instabil wird, ohne sich jedoch aufzulösen. Dies ist weit entfernt von den verschiedenen Formen kultureller Synthese einerseits, auf die sich Begriffe wie mestizaje, Transkulturation, Transkulturalität und Kreolisierung beziehen, und von einer fortlaufenden Dekonstruktion von Differenzen andererseits, die das Konzept der Hybridität in seiner starken Variante impliziert“ (ebd.: 43, Hervorheb. im Original).44
Zunächst fällt auf, dass diese Erklärung einige Unklarheiten aufweist. So wird wohl den wenigsten Leser/-innen verständlich sein, was mit „heterotope Offenheit, Transitorik und die Unhintergehbarkeit kognitiver Dissonanz“ als spezifische Merkmale der Transdifferenz genau gemeint ist. Ist mit dieser Formulierung aber die unabschließbare Wandelbarkeit und Unsicherheit kultureller Verortungen schlechthin angesprochen, dann erfüllen eine Reihe von Konzepten des Dritten einschließlich Bhabhas Ausarbeitung von Hybridität und third space diese Kriterien. Zwar hat Lösch im Rekurs auf Leon Festinger kognitive Dissonanz „als Erfahrung psychologischer und rationaler Verunsicherung“ (ebd.: 28) beschrieben, die mit „Ungewissheit, Zweifel und Unentscheidbarkeit“ (ebd.: 28) einhergehe. Folglich zielt der Transdifferenzansatz „auf die Untersuchung von Momenten der Ungewissheit, der Unentscheidbarkeit und des Widerspruchs, die in Differenzkonstruktionen auf der Basis binärer Ordnungslogik ausgeblendet werden“ (ebd.: 27). Spätestens an dieser Stelle wird jedoch deutlich, dass auch in der so genannten starken Variante bei Bhabha genau dieselben Attribute zur Charakterisierung kultureller Hybridität fundamental sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Auseinandersetzung mit Fragen der Ambivalenz und Unsicherheit beständig Bhabhas Analyse kolonialer Diskurse und Autoritäten sowie seine Suche nach diskursiven Subversionsstrategien in seinem Buch Die Verortung der Kultur (2000) durchziehen und in zwei Kapitelüberschriften45 explizit zum Ausdruck kommen. Hybridität als eine 44 Für eine einvernehmlichere Diskussion der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Transdifferenz und Hybridität, wie sie sich aus der Darlegung von Lösch ergibt, siehe auch Solveig Mill (2005), die aus der Position eines Mitglieds des Erlanger Graduiertenkollegs argumentiert. 45 Siehe vor allem „Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses“ (Bhabha 2000: 125-136) und „Zeichen als Wunder: Fragen der Ambivalenz und der Autorität unter einem Baum bei Delhi im Mai 1817“ (ebd.: 151-180).
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durch verfremdende Wiederholung und Ähnlichkeit aufgespaltete Differenz, die durch Effekte der Mimikry und Entstellung als „beinahe dasselbe, aber nicht ganz“ (Bhabha 2000: 127) erscheint, offenbart einen spannungsreichen, aber produktiven Raum zur Aushandlung von Identitäten und Kulturen, welche niemals mit sich selbst identisch sein können. Nach Bhabha werden kulturelle Artefakte und Zeichen durch vieldeutige diskursive Praktiken erzeugt, die durch eine grundsätzliche Ungewissheit (uncertainty) und Unentscheidbarkeit (undecidability) gekennzeichnet sind (ebd.: 79f., 127, 166ff., 187f., 191; vgl. auch Schirilla 2001: 42f.) und daher fortwährend für Übersetzungen und Verunreinigungen offen stehen. „Die Ambivalenz am Ursprung der traditionellen Diskurse über Autorität ermöglicht eine Form der Subversion, die auf der Unentscheidbarkeit beruht, die die diskursiven Bedingungen der Beherrschung in die Ausgangsbasis der Intervention verwandelt“ (Bhabha 2000: 166). Hybridität als ein solcher unterminierender Machteffekt beruht auf der Unsicherheit uneindeutiger Repräsentationen im Prozess kultureller Bedeutungszuweisungen, die immer erst im Moment ihrer temporären Aushandlung entstehen können. Aus diesem Grunde halte ich im Unterschied zu Lösch den temporalen Index mit seiner flüchtigen Destabilisierung fester Differenzmarkierung46 auch nicht für ein spezifisches Abgrenzungsmerkmal von Transdifferenz gegenüber den Modellen der radikalen Dekonstruktion von Differenz. Zumindest im Hinblick auf Bhabhas dichte Beschreibung des hybriden dritten Raumes fällt es schwer diese theoretische Unterscheidung nachzuvollziehen. Wie Bhabha an vielen Stellen anmerkt – besonders ausführlich in dem Aufsatz „Wie das Neue in die Welt kommt. Postmoderner Raum, postkoloniale Zeiten und die Prozesse kultureller Übersetzung“ (Bhabha 2000: 317-352) – sind die kulturellen Erscheinungen der third spaces durch ein Ineinanderfallen nicht-linearer Zeitlichkeiten geprägt, wodurch die einstmals für undurchlässig erklärten Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kategorisch für andere temporale Narrationen geöffnet werden. „Die nichtsynchrone Zeitlichkeit globaler und nationaler Kulturen eröffnet einen
46 Zur zeitlichen Ordnung der Transdifferenz führt Kalscheuer mit Bezug auf Breinig/Lösch (2002) aus: „In diesem Zusammenhang ist die Flüchtigkeit des Transdifferenten sehr bedeutend, denn sie stellt die Bedingung dafür dar, dass die (kulturelle) Ordnung einer permanenten Produktion bedarf, sofern sie auf Dauer gestellt werden soll. Da jedoch die Temporalität der Differenz die Kehrseite der Flüchtigkeit von Transdifferenz ist, muss eine solche Arbeit an der Ordnung stets damit rechnen, dass Transdifferenz jederzeit wieder ans Tageslicht kommen und in diesem Fall die Gültigkeit der Ordnung suspendieren kann“ (Kalscheuer 2005a: 79).
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kulturellen Raum – einen dritten Raum –, in dem die Verhandlung inkommensurabler Differenzen eine Spannung schafft, wie sie für Existenz(weis)en an der Grenze typisch ist“ (Bhabha 2000: 326). Dieser liminale Zwischenraum wird als verschiebbare, temporär entstehende, stets umkämpfte Grenze unterschiedlicher Repräsentationen kultureller Identität und Differenz angesehen, die keine stabile Definitionsmacht und in sich ruhenden Bedeutungsmuster ermöglichen. Was als Alleinstellungsmerkmal des Transdifferenzkonzepts letztlich bleibt, ist der freiwillige Verzicht auf die fortlaufende Dekonstruktion von Differenzen. „Der Begriff der Transdifferenz stellt die Gültigkeit binärer Differenzkonstrukte in Frage, bedeutet jedoch nicht die Aufhebung von Differenz. Das heißt, dass Differenz gleichzeitig eingeklammert und als Referenzpunkt beibehalten wird: Es gibt keine Transdifferenz ohne Differenz. Transdifferenz ist nicht als Überwindung von Differenz, als Entdifferenzierung oder als höhere Synthese misszuverstehen“ (Lösch 2005: 27).
Die transdifferenzierende Position erhält damit eine immanente Ambivalenz, die mir in ihrer Widersprüchlichkeit kaum auflösbar erscheint, da sie permanent zwischen der Infragestellung und der Erhaltung von Differenz als Referenzmarkierung changieren muss. Diese erstaunliche Situation gleicht, wenn man eine Metapher bemühen will, einer angespannten artistischen Spagatstellung, die jeden Moment in eine Verrenkung oder ins Bodenlose abzustürzen droht. In diesem Kontext drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt denkbar erscheint, das dualistische Dilemma in der Kulturtheorie abzustellen, in dem man sich entscheidet zur gleichen Zeit gegensätzliche Positionen einzunehmen. Diese doppelte und in sich aufgespaltene Position der Transdifferenz, die zugleich sowohl dekonstruierend als auch differenzorientiert sein will, mag sympathisch erscheinen, trägt jedoch in ihrer an Beliebigkeit grenzenden Perspektive wenig zur Klarstellung einer operationalisierbaren Theorie bei. Wenn nicht alles täuscht, hat Lösch diese analytisch unhaltbare Pattsituation im weiteren Fortgang seines Textes doch zugunsten eines Bekenntnisses zur Bewahrung von nur vorübergehend angezweifelten Differenzmarkierungen aufgegeben: Transdifferenz bezeichnet letztlich „Situationen, in denen die überkommenen Differenzkonstruktionen auf der Basis einer binären Ordnungslogik gleichsam ins Schwimmen geraten und in ihrer Gültigkeit temporär suspendiert werden, ohne dass sie damit endgültig dekonstruiert würden. Transdifferenz bezeichnet damit nicht die Überwindung beziehungsweise Aufhebung von Differenz“ (Lösch 2005: 27).
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Machtindifferent und hierarchisch? Auf eine fortlaufende oder radikale Dekonstruktion von Differenzsetzungen analytisch zu verzichten oder gar aufzeigen zu wollen, dass es „kein Entrinnen aus dem Denken in Differenzen gibt“ (Mill 2005: 441), wirft weitreichende Probleme auf. So erklären die Herausgeber/-innen in ihrer Einleitung zur ersten deutschen Anthologie zum Transdifferenzbegriff, dass Differenz in der neueren, vornehmlich durch die Cultural und Postcolonial Studies beeinflussten Forschung in erster Linie im Rahmen von Machtanalysen beziehungsweise als Ansatzpunkt für potentielle Widerstandsstrategien diskutiert werde. Die Ausgangsidee der Transdifferenz sei jedoch anders motiviert: „Im Gegensatz hierzu wird mit dem Konzept der Transdifferenz versucht, Differenzen anders zu denken, so dass die Orientierung, die mit der Differenz gewonnen wird, in ihrer Qualität erhalten bleibt, jedoch durch Momente der Transdifferenz komplementiert wird“ (Allolio-Näcke/Kalscheuer/Manzeschke 2005b: 10). Wie Identität ist auch die Kategorie der Differenz in ihrer historischen Funktion als gesellschaftsstrukturierendes Moment nicht ohne die bisweilen gewaltförmige Austragung sozio-kultureller Ein- und Ausschließungen – vermittelt über subjektivierende wie kollektivierende Statuszuweisungen etwa in Form von Klasse, Geschlecht, Nationalität und Rassenkonstruktion – zu denken. Differenz dagegen als „notwendige Orientierungshilfe (für Identität und Biografie) zu erhalten“47, birgt die Gefahr, soziale Konstruktionen, die oftmals mit machtbesetzten Praktiken, Identifikationen und Hierarchien verbunden sind und sich erst darüber realisieren können, als scheinbar selbstevidente Zustände zu normalisieren. Für eine Analyse transdifferenter beziehungsweise hybrider Positionalitäten in fragmentierten kulturellen Zwischenräumen ist es zudem überhaupt nicht nötig, auf eine radikale Kritik homogener, essentialistischer oder exklusiver Kollektividentitäten zu verzichten. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass erst die fundamentale Dekonstruktion der großen Meisternarrationen (Lyotard 1986) den Blick für die kleinen verborgenen Geschichten von nicht festgelegten Subjekten freigibt, deren Selbsterzählungen und soziale Netzwerke quer zu den metaphysischen Gemeinschaftsideologien liegen. Eine solche Perspektive auf die Transdifferenz, die jenseits aller spekulativen Tradierungen von Kultur und Kollektiv anzusiedeln wäre, würde ohne jene Fixierung auf Machtpraktiken im Gewand kategorialer Unterscheidungen auskommen, in der die Transdifferenz lediglich als „vernachlässigtes Supplement der Differenz gedacht“ (Allolio-Näcke/Kalscheuer 2005a: 17) wird. 47 Kalscheuer/Allolio-Näcke 2007; zit. aus dem Call for Paper 10/2005.
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Die bisherige Vernachlässigung von Machtfragen im Transdifferenzkonzept führt insbesondere im postkolonialen Kontext zu einer Verschärfung analytischer und politisch relevanter Defizite. Wenn Differenz als gesellschaftliche Ordnungskategorie nicht mehr im Fokus einer machtkritischen Analyse steht, dann werden die historischen wie aktuellen kulturellen Geographien, politischen Praktiken, ökonomischen Bedingungen, juristischen Prozeduren und sozialen Einteilungen von einem wichtigen Element ihrer eigenen Entstehung und Formierung entkoppelt und die Untersuchung ihrer differenzierenden Auswirkungen auf unterschiedliche Subjektpositionen behindert. In solchen Kontexten die Dekonstruktion der Differenz zu suspendieren, würde im Kern auf eine Zurücknahme der notwendigen Ideologiekritik hinauslaufen, die aber für eine der gesellschaftlichen Aufklärung und Selbstreflexion verpflichteten wissenschaftlichen Praxis unabdingbar bleibt.48 „In der Nachfolge des Kolonialismus sind wir mit einer Situation konfrontiert, in der das Setzen von Differenz zugleich das Behaupten von Unterlegenheit und Überlegenheit bedeutetet. Ohne Bezugnahme auf diese grundlegende Herrschaftsstruktur bleiben alle Studien über kulturelle Vielfalt im herrschenden Diskurs befangen“ (Schirilla 2001: 44).
Es wäre bedauerlich, wenn beim theoretischen Design der Transdifferenz ein lokaler Adaptions- und Aneignungsprozess eingeleitet wird, der das politische Engagement und die grundlegenden Problemstellungen der anglophonen Cultural und Postcolonial Studies soweit entkernt, dass nur noch die poststrukturalistische Sprache als Hülle in der kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung verbleibt. Fairerweise ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Arbeiten an dem Ansatz der Transdifferenz als transdisziplinäres Projekt des work in progress nicht abgeschlossen sind und sich auf der Suche nach einem geeigneten Arbeitsrahmen im stetigen Wandel befinden. Wie neuere Entwicklungen im Diskussionsprozess zeigen, ist die hermeneutische Herangehensweise an Machtformationen in ihren verschiedenen 48 Zuweilen versteht sich der Transdifferenzansatz selbst als strikt apolitisches Projekt, wobei die widersprüchliche Politik der Entpolitisierung im Zeichen empirischer Neutralität sicherlich besonders intransparent und unbewusst wirkt. Transdifferenz, so wird behauptet, hätte „per definitionem keine politische Ausrichtung, sondern operiert auf der Ebene der Erklärung von Wirklichkeit durch Modellbildung“ (Mill 2005: 441). Dann ist es allerdings wiederum erklärungsbedürftig, warum ausgerechnet „in der Analyse kolonialer oder postkolonialer Texte […] mit der Markierung Transdifferenz auf die Realität neo-kolonialer Unterdrückungsmechanismen hingewiesen werden“ (ebd.: 441) könne.
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Artikulationsformen und Effekten nach wie vor nicht abschließend geklärt und erfordert weitere Präzisierungen wie mögliche Korrekturen (vgl. Allolio-Näcke/Kalscheuer 2005a: 20). Wie die Herausgeber in ihrem Resümee herausarbeiten, besteht die Anforderung bei der weiteren Arbeit an einer selbstreflexiven „Kulturtheorie der Transdifferenz [sich] der Wechselwirkung von Machtphänomenen bewusst [zu] werden“ (Allolio-Näcke/Kalscheuer 2005b: 445). Wie in jeder Wissensproduktion, die zugleich auch immer eine Form der sozialen Praxis darstellt, gilt es auch in diesem Fall die eigene Involvierung in Prozesse der Machtartikulation theoretisch zu erkennen und praktisch zu berücksichtigen. Dazu ist es notwendig neben den produktiven auch die gewaltvollen Anteile von Macht und Dominanz in den Blick zu nehmen und zur Sprache zu bringen. Als Ausdruck des Interesses, die miteinander verflochtenen Prozesse von Unterdrückung, Herrschaft und Widerstand stärker in den Blick zu nehmen, kann auch die von Stipendiat/-innen des Erlanger Graduiertenkolleg organisierte Konferenz „Die Arbeit (an) der Macht. Zur Verflechtung von Kultur, Kommunikation und Macht – Prozesse, Materialisierungen, Theorien“ (2005) gewertet werden.49 Ein anderes grundsätzliches Problem bei der Erarbeitung des Transdifferenzkonzepts ist dagegen inzwischen revidiert worden. Anfänglich wurde die Transdifferenz von den Begründern etwas überambitioniert als so genanntes „umbrella concept“ angelegt, das „als übergeordnete Kategorie für all jene Konzepte verstanden [wurde], die sich mit Modellen des ‚Dritten‘, der Vermischung und Unreinheit beschäftigen“ (Allolio-Näcke/Kalscheuer 2005a: 17). Es zeigte sich jedoch sehr bald, dass dieser Anspruch auf die eigene Vorrangstellung nicht aufrecht zu halten war. Inzwischen gibt man sich bescheidener und wäre zufrieden, wenn die Transdifferenz ihre Stellung als eines unter vielen gleichberechtigten Kulturtheoriemodellen weiter profilieren könnte. 49 Wie heterogen die Haltungen innerhalb des Transdifferenz-Projekts sind, zeigt diese Episode aus einem frühen Workshop mit Mitgliedern des Graduiertenkollegs in Wien. Der Versuch „die Funktionalität von Transdifferenz zu verorten, ihre Sinnhaftigkeit für den wissenschaftlichen Betrieb unter die Lupe zu nehmen […] erfolgte zunächst – mit durchaus kritischen Untertönen versehen – im Vortrag von Henning Schäfer: Transdifferenz und Postkolonialismus – Einige Gedanken zu Hybridität, Synkretismus, Artikulation und ‚Responsible Criticism‘, in dem er Genanntes vor der Folie der Transdifferenz als möglicher Überbegriff für Konzepte der kulturellen Vermischung, Überlagerung und Interdependenz genauer untersuchte. […] die anschließende Diskussion gestaltete sich dementsprechend polarisiert und lief an der Stelle [auseinander], an dem sie dann doch aus Gründen des Zeitmangels abgebrochen wurde, […] wo es um die Frage ging, ob Wissenschaft und politisches Engagement, wie es die Postcolonial Studies fordern, vereinbar seien oder nicht“ (Gruber 2002).
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In einer anderen Frage hat sich dagegen der Anspruch auf universelle und vorrangige Gültigkeit der eigenen Perspektive gehalten. Im Gegensatz zu den Theorien postkolonialer Hybridität, die an die spezifische Geschichte und politischen Bedingungen des Postkolonialismus rückgebunden und „daher in einem strikten Sinne nicht universalistisch“ (Lösch 2005: 44) seien, könne die Transdifferenz bei entsprechend dichter Kontextualisierung und Historisierung Allgemeingültigkeit für sich reklamieren. Diese Argumentationsweise scheint die globale Geschichte des europäischen Kolonialismus als einen Spezialfall der Historie aufzufassen, die nur begrenzten Einfluss auf die heutige moderne Welt habe. Demgegenüber hat die postkoloniale Kritik auf die Konstituierung der Moderne mittels kolonialer Techniken und Prozesse aufmerksam gemacht. Die Moderne ist eben nicht ohne ihre koloniale Geschichte zu denken, die auch heute noch in unterschiedlichen Formen und Präsenzen nachwirkt. Obwohl das Transdifferenzkonzept erheblich von den primären Ideen postkolonialer Theoretiker/-innen profitiert hat und – überspitzt formuliert – als lokales Neben- und Abspaltungsprodukt einer avancierten transnationalen Diskussion ohne diese Vorarbeiten möglicherweise gar nicht erst entstanden wäre, wird heutzutage eine befremdliche Hierarchisierung angestrebt, welche die eigene Überlegenheit in Form einer theoretisch übergeordneten Position behauptet. Diese Form der wissenschaftlichen An- und Enteignung ist überaus irritierend und bedarf einer eingehenden Revision. Wie die bisherige Diskussion des Transdifferenzkonzepts gezeigt hat, warten eine Reihe offener Fragen und ungelöster Probleme auf ihre Weiterbearbeitung. So stellt Britta Kalscheuer jüngst fest, dass dieser „Begriff (?) […] ein hohes Maß an Rätselhaftigkeit und Geheimnisvollem in sich trägt“ (Kalscheuer 2005b: 76), um die theoretischen Schwierigkeiten bei der Arbeit mit diesem Konzept zu beschreiben. Ebenso ungeklärt ist die Frage nach dem kategorialen Status von Transdifferenz, die ihrerseits wiederum gemischte Antworten und Gegenfragen hervorruft: „Ist sie ein heuristisches Konzept, ein Phänomen oder ein Begriff? Oder ist Transdifferenz all dies zugleich […]? Diese Frage ist bis heute noch nicht abschließend geklärt“ (Allolio-Näcke/Kalscheuer 2005a: 18). Auch andere Kollegmitglieder wie Benjamin Vauteck, der dieses Konzept am Fallbeispiel kanadischer Indigener anwandte, resümiert etwas enttäuschend, dass „der Begriff der Transdifferenz aber noch erheblich geschärft werden“ müsste (Vauteck 2005: 129), um als dritter Weg zwischen Differenz und Dekonstruktion fungieren zu können. „Unterbleibt dies, verbleibt der Begriff weiter im Beliebigen und der Kontakt zu relevanten und interessanten Szenarien geht verloren“ (ebd.). Jedoch haben einige angesichts der Abstraktheit der Transdifferenzkonstruktion
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Zweifel angemeldet, ob ihr Klärungspotential weiter präzisiert werden kann, da dieses schwer zu benennende Potential auch „massiv die Frage nach Möglichkeiten seiner Konkretisierung auf[wirft]“ (Döbert 2005: 140). So gesehen ist ein sehr bescheidenes vorläufiges Fazit zu ziehen. Bestenfalls kann, wie eine Teilnehmerin eines Erlanger Workshops zum Thema ‚Transdifferenz‘ festhielt, behauptet werden: „Weder Schaden noch Nutzen wurde in der Conclusio, von mir hier vereinfacht dargelegt, der Transdifferenz-Idee zugesprochen“ (Gruber 2002). Dieser ernüchternde Ertrag wäre angesichts der investierten Ressourcen, der nicht offiziell zugestandenen theoretischen Anleihen und den zweifelhaften politischen Effekten dieses Ansatzes gewiss zu wenig. Fazit: Die Idee der Hybridität ist im Rahmen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Neuausrichtung des cultural turn zu einem Schlüsselbegriff geworden. Allerdings hat diese Entwicklung zu einer akademischen Lesart geführt – und das Transdifferenzkonzept ist nur ein explizites Beispiel –, in der der postkoloniale Referenzrahmen, politische Kontexte sowie letztlich das kritische Potential erhebliche Bedeutungsverluste erlitten haben. Angesichts der gegenwärtigen, stark an oberflächlicher Aneignung und schneller Verwertung interessierten Rezeption ist es besonders wichtig, den Hybriditätsbegriff kulturgeschichtlich und analytisch zu untersuchen. Dabei stellt sich zunächst die Frage, welche etymologischen und historischen Bedeutungskontexte mit ihren Konjunkturen und Leerstellen von der Antike bis zur Neuzeit sich in der europäischen Geistesgeschichte rekonstruieren lassen und mit welchen Macht- und Exklusionsformen die Vorstellung des Hybriden verknüpft war.
Konjunkturen und Leerstellen: Etymologische und philosophische Bedeutungskontexte Die derzeitige Popularität sowie die Auf- und Umwertung von Hybridität ist ein Vorgang, der in einem eigentümlichen Gegensatz zu ihrer bisherigen Kulturgeschichte steht. Bevor der Begriff „hybrid“ Mitte des 19. Jahrhunderts in die moderne Fachterminologie einer sich als aufgeklärt und naturwissenschaftlich definierenden Biologie aufgenommen wurde, war er bis auf seltene Reminiszenzen scheinbar aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden. Dabei ist das Wort „hybrid“ keine sprachliche Neuschöpfung der Moderne, sondern weist eine etymologische Verwandtschaft zur griechischen „hýbris“ auf. Die Hybris bezeichnet Frevel, Verblendung bzw. Schändung und bedeutete wörtlich „frevelhafte Vermessenheit gegenüber den Göttern“ (Kluge 1989: 322f.). Im Gegensatz zu den äußeren Gefahren der Natur symbolisiert sie als Sinnbild die selbstverschuldete Gefährdung des Menschen durch seine innere Natur, die sich selbst existentiell bedroht, indem sie metaphysische Ordnungen in Frage stellt. Als Ursünde, die „alle weiteren Sünden erzeugt und so ins unvermeidliche Verderben führt“ (Walton 1956-1965: 498), war die Idee der Hybris ein zentrales Thema in der kulturellen Auseinandersetzung der griechischen Zivilisation mit ihrem eigenen Selbstbild und den Grenzen des Menschseins.1 Diese ursprüngliche Bedeutung hat 1
In der griechischen Lyrik sprach etwa Pindar (522 oder 518-446 v.u.Z.), der „als der bedeutendste griechische Chorlyriker“ (Lehmstedt 2000: 9115) gilt, in einem seiner olympischen Siegeslieder zu Ehren von „Thrasydaios dem thebanischen Knaben – dem Wettläufer“ von der Gefahr der Hybris: „Wer, der den Gipfel gewann und ihn in Ruhe behauptete, ist ihrer
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sich in der bildungsbürgerlichen Sprache bis in die Gegenwart hinein erhalten, in der die Hybris gleichbedeutend mit „Hochmut“ und „Vermessenheit“ ist. Seit der Antike repräsentiert die Hybris die anmaßende Selbstüberschätzung des Menschen, dessen Strafvergehen im „Überschreiten der von den Göttern den Menschen gesetzten Grenzen“ (Lexikographisches Institut München 1995: 4487) liegt. Wer sich gegen die göttliche Bestimmung oder gegen eine höhere Macht stellte, beschwor das Desaster seines eigenen Untergangs herauf. Entsprechend dieser Überzeugung prägte Aristoteles die Hybris als Kennzeichen des überheblichen und tragischen Helden, dessen übersteigerter Stolz dem sprichwörtlichen Fall vorausgeht. Der schicksalhafte Sturz des Prinzen Bellerophon von Korinth, der beflügelt von seinen Heldentaten auf dem Rücken von Pegasus den göttlichen Olymp zu erstürmen versucht, ist nur eine besonders illustrative Warnung vor Grenzaufhebung und Selbstüberschätzung. Auf diesem Motiv basieren zahlreiche klassische Tragödien der Antike wie „König Ödipus“ (430 v.u.Z.) von Sophokles, in der die Hybris mit Demütigung und Untergang des Helden einhergeht. In einer anderen Version dieses Sujets verwandte Aischylos die Hybris des Xerxes in seiner Tragödie „Die Perser“ (472 v.u.Z.) als Zeichen der nahenden Katastrophe, die sein blinder Stolz nicht zu erkennen vermag (vgl. The American Peoples Encyclopedia 1968: 84; Irmscher 1990: 21; Becher 1990a: 257; Becher 1990b: 552; Kraus 1993). Da die Hybris eine Form der Regel- und Grenzüberschreitung beschreibt, welche die bestehende Ordnung transzendiert, werden Halbgötter und Mischlingswesen als Hybride vorgestellt. Entsprechend leitet sich die lateinische Bezeichnung „hybrida“ („Mischling“, von zweierlei Herkunft) aus der griechischen „hýbris“ ab (vgl. Deutsches Universalwörterbuch 2001: 810f.; Schaeder 2000: 282). Sowohl die Hybris, verstanden als religiöses Delikt (Beleidigung der Götter), das durch die Nemesis (gerechter Unwille) bestraft wird (Walton 1956-1965: 498), als auch der „Mischling“, der oft in Form von Missgestalten (Sphinx, Chimären, Gorgonen) auftritt, sind in ihren Bedeutungen oft mit Angst und schrecklichen Hybris entgangen? Zu schöner Grenze des schwarzen Todes würde der schreiten und seinem liebsten Geschlecht das beste Erbe, den Segen eines guten Namens, bringen“ (ebd.: 9233). Auch Bakchylides (505-450 v. Chr.), sein schärfster Rivale in der Chordichtung, spielte im Lied „Antenor und seine Söhne“ auf ihre unheilvollen Bedeutung an: „Die Hybris jedoch, die in flinker Gewinnsucht und maßloser Torheit sich aufbläht und keinerlei Rücksichten kennt und Scheu, die Reichtum und Macht, das Besitztum anderer, rasch an neue Besitzer vergibt, dann freilich auch diese wieder in tiefste Abgründe stürzt, sie hat sogar die trotzigen Söhne der Erde vernichtend geschlagen, die Giganten.“ (ebd.: 2780).
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Bedrohung konnotiert. In der antiken griechischen Mythologie und Literatur wie der „Odyssee“ von Homer treten Mischwesen oft als furchterregende Dämonen und menschenähnliche Kreaturen auf, die wie die wilden Zentauren mit menschlichem Oberkörper und Pferderumpf Schrecken verbreiteten, als betörende Sirenen (Musen mit Fischschwänzen) ihre Opfer ins Verderben locken oder als hässliche Harpyien (Raubvögel mit Mädchengesichtern) göttliche Strafen überbringen (Vollmer 2000: 127, 229, 425). Waren Chimären in der Antike noch diskursive Gestalten, werden heute mit zunehmendem Erfolg durch genetische Hybridisierungen immer mehr Mischwesen im Reagenzglas kreiert. Die kulturgeschichtliche Aufarbeitung offenbart in diesen Fällen Aktualitätsbezüge, die auf den ersten Blick eher an Science-Fiction erinnern, aber nichtsdestotrotz auf reale Entwicklungen in der Gegenwartsgesellschaft hinweisen. Neben diesen Bedeutungen bezeichnete die antike Hybris auch ungezügelte und maßlose Verhaltensweisen, die mit schwersten kriminellen Handlungen wie Raub, Gewalt und sexuellen Verfehlungen wie Vergewaltigung konnotiert waren. Sie galt besonders für Handlungen, die darauf abzielten durch die Verletzung der körperlichen oder sexuellen Integrität des Opfers dem Angreifenden Lust und Befriedigung zu verschaffen. Als strafrechtliche Kategorie wurde die Hybris als besonders schweres Fehlverhalten interpretiert, das sich zunächst auf Fälle der Leichenschändung oder des Missbrauchs von Schutzbefohlenen und Gefangenen bezog. Später ächtete das Gesetz gegen die Hybris vor allem unterschiedliche Formen von Gewalt- und Sexualverbrechen, die meist von gesellschaftlich höher gestellten Täter/-innen mit Macht und Reichtum begangen wurden (vgl. Cohen 1991a). All diese unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Hybrisbegriffs wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt und mit neuen, sich fortspinnenden Diskursen und sozialen Prozessen verknüpft, die Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen ihrer Zeit suchten.
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„Bastarde“ und „Barbaren“: Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise Als einer der philosophischen Gründungsväter, die die europäische Neuzeit zu ihrem eigenen imaginären Ursprung auserkoren hat, gilt Platon (427-348/7 v.u.Z.). Bereits bei ihm manifestierte sich eine Weltanschauung, in der der hybride „Bastard“ als abgewerteter „Mischling“ den Gegensatz zum Streben nach dem Schönen, Guten und Wahren repräsentiert.2 In seinem ideengeschichtlich überaus bedeutenden Hauptwerk „Der Staat“ beklagte er in einem kulturpessimistisch angelegten Verfallsszenario die Degression der reinen Wissenschaft durch soziale und kulturelle Entgrenzung, die sich gegen die natürliche Ordnung der hier-
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In der CD-Datenbank „Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos“ (Lehmstedt 2000) sind etwa 240 Werke von 85 Autoren enthalten. Sie enthält damit den überwiegenden Teil der antiken Dichtung von ihren Anfängen im 8. Jahrhundert v.u.Z. bis zum 5. Jahrhundert n.u.Z. Während sich zum Begriff „hybrid*“ kein Eintrag findet, ergibt die Volltextsuche nach „Bastard*“ 40 Fundstellen aus den Werken von 14 Autoren. In allen Fällen ist der Begriff in vielfacher Hinsicht moralisch, rechtlich, soziokulturell wie körperlich negativ konnotiert und mit xenophoben Konstruktionen verbunden. Da diese Bilder und Wertungen historisch weiter transportiert wurden, gebe ich an dieser Stelle einen kurzen Überblick: In Aristophanes’ Komödie „Die Vögel“ ist Herakles als Sohn „eines fremden Weibes“ dem Gesetz nach „von der Erbfolg’ ausgeschlossen, wenn eheliche Kinder da sind!“ (ebd.: 1758). Eine Reihe von Autoren betonten, dass der „Bastard“ unecht sei. Phaedrus bezeichnet in den „Äsopischen Fabeln“ „Bastarde“ als Resultat des Ehebruchs der Frau (ebd.: 14009). In dem Stück „Andromache“ bedient Euripides das gleiche Stereotyp: „Sohn eines fremden Vaters und dazu noch Bastard. Bedeckt mit diesem Schandfleck, ohne Macht und Ruhm“. Die unterstellte moralische Verfehlung würde Abwertung und Vernichtungswillen hervorrufen: „Ich wollte sie und ihren Sohn, den Bastard, morden!“ (ebd.: 3085). In einer anderen Version sind „Bastarde“ die Leibesfrucht von Vergewaltigungen, denn ihre Mütter „wurden verunehrt, es ward die Bastardsippe gezüchtet. Ehelos irrten die Mädchen, es irrten die Mütter und Witwen“ (Apollonius von Rhodos „Die Argonauten“ zit. nach ebd.: 926). In Menanders „Die Samierin“ ebenso wie in Sophokles’ „Aias“ ist der „Bastard“ ein niedriges und verruchtes Wesen, das dem Besitz- und Gewaltverhältnis zwischen Herrn und Sklavin entstammt: „ich, Bastard nur von einem kriegsgefangnen Weib, ich hätte feige und erbärmlich dich verraten“ (ebd.: 9459). Ultimativ wurde seine Ausgrenzung und Inferiorisierung durch die Zuschreibung seiner Hybridisierung zu einem animalischen Mischwesen. Der Römer Martial führt die Selbstbezeichnung „Nenne mich Bastardschwein“ (ebd.: 11968) ein, und beim römischen Komödienschreiber Plautus heißt es: „Leibhafter Unflat, Bauernkerl, Bock, Schweinestall, Bastard von Hund und Ziegenbock!“ (ebd.: 14988).
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archisch gegliederten Gesellschaftsstände richten würde. Diese unheilvolle Vermischung der Sphären trat für ihn am augenfälligsten im Eintritt von Angehörigen der unteren Gesellschaftsschichten in die Akademie zu Tage. In diesem Kontext setzte Platon wiederholt die rhetorische Figur des „Bastards“ als Signifikant der kulturellen und biologischen Minderwertigkeit ein. Die hohe Kunst der Wissenschaft sei durch ungebildete Alltagsberufler gefährdet, die von der Gier nach ehrenhaften Titeln und sozialem Ansehen angetrieben „wie die Zuchthäusler in die heiligen Freistätten entlaufen […] obgleich sie erstlich schon von Natur unvollkommene Anlagen haben und dann auch unter dem Drucke ihrer Berufe und Handwerke infolge der Stubenhockereien ebenso hinsichtlich ihrer Seelen zusammengeschrumpft und ausgemergelt sind, wie sie auch schon am Körper die Zeichen der Verkrüppelung tragen“ (Platon 1940: 223).3
Um den kulturellen Niedergang des Hochstehenden durch die Vereinigung mit dem Niedrigstehenden zu illustrieren, konstruierte Platon den Fall eines freigelassenen Sklaven, der als wohlhabender Mann die verarmte Tochter seines ehemaligen Herrn zur Frau nahm. Eine Konstellation, die auf der Umkehrung der bestehenden Gesellschaftsverhältnisse und der Verletzung der sozialen Normen beruhte, konnte bei Platon nur als Zeichen einer tiefgreifenden Gesellschaftskrise interpretiert werden. Für Platon fand der konstatierte Kultur- und Werteverfall auch eine biologische Entsprechung, die er in der sexuellen Vereinigung ungleich Geborener sah. Ihre Nachkommen würden als „Mischlinge“ an Unterentwicklung und intellektueller Minderbegabung leiden: „Was für Geburten müssen nun solche Leute hervorbringen? Nicht bastardartiges und schlechtes Zeug? Ganz notwendig. Nun hiervon die Anwendung: 3
Angesichts der nazistischen Herrschaft wurde die Berliner Platon-Ausgabe von dem jüdischen Gelehrten Erich Loewenthal († 1943 in Auschwitz) 1940 unter konspirativen Bedingungen anonym herausgegeben. Die darin enthaltene „Politeia“ (Der Staat) folgt der klassischen Übersetzung von Wilhelm Siegmund Teuffel (Buch I-V) und Wilhelm Wiegand (Buch VIX) aus dem Jahre 1855/56 und wurde von Loewenthal behutsam modernisiert. In der Nachkriegszeit wurde diese Arbeit von Heidelberg aus weiter verlegt und ist in wissenschaftlichen Bibliotheken weit verbreitet. Unter den insgesamt zehn deutschsprachigen Gesamtausgaben gilt die Berliner Edition nach wie vor als „die vollständigste Platon-Ausgabe in deutscher Sprache“ (Verlagswerbung) und wurde 1998 in der Digitalen Bibliothek Band 2 „Philosophie von Platon bis Nietzsche“ neu herausgegeben. Keinesfalls ist sie mit der „Blut-und-Boden-Übersetzung“ von August Horneffer (1973) aus den 1920er Jahren zu verwechseln. Vgl. Pannier (2007).
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Wenn Leute, die für eine höhere Bildung gar keine Fähigkeiten haben, ohne die gehörige Ebenbürtigkeit sich mit dieser verehelichen, – was für Hirngeburten und Ansichten müssen diese dann erzeugen? Nicht wohl solche, die in Wahrheit den Namen Sophistereien verdienen, und was gar keine Spur eines edlen Ursprungs und auch nicht den Wert eines gründlichen Nachdenkens an sich trägt?“ (ebd.: 224f.).
Dazu würden sich moralisch-seelische und sexuell-körperliche Deformationen gesellen, die nicht nur über das private Schicksal des Einzelnen entschieden, sondern aufgrund ihres öffentlichen Gefahrenpotentials eine Aufgabe staatlicher Politik seien. Denn „der jetzige Verfall, fuhr ich fort, und die jetzige Unehre, worin wahre Wissenschaft geraten ist, ja gewiß, sie rühren von keinen andern Ursachen als davon, weil sie […] nicht mit den gehörigen Eigenschaften ausgerüstet sich mit ihr befassen: denn nicht Bastardseelen dürfen sich mit ihr befassen, sondern nur echte, edelgeborene […] Auch in bezug auf besonnene Mäßigung der Begierden, fuhr ich fort, mannhafte Tapferkeit, Hochherzigkeit und überhaupt in allen Teilen der Tugend ist vorzüglich darauf zu achten, was eine Bastardseele und was eine edelgeborene ist: Denn wenn einer, sei es ein einzelner Mann oder ein Staat, für solche Eigenschaften keinen Blick hat, so hat er dann an ihnen Krüppel und Bastarde“ (ebd.: 281).
Platons Abwertungen konnten sich auf der einen Seite auf xenophob aufgeladene Fremdprojektionen gegenüber feindlichen „Barbaren“ beziehen und legitimierten auf der anderen Seite diese diskriminatorische Weltanschauung gleichzeitig (Delacampagne 2005). Indem Platon den pathologisierten „Bastard“ zum Gegenbild des tugendhaften „Edelgeborenen“ erklärte, wurden soziale mit kulturellen und moralischen Grenzziehungen verknüpft und durch die Projektion auf den fremden wie primitiven „Barbaren“ verstärkt.4 In der europäischen Kulturgeschichte ist der „Bastard“ eine antike Figur, die sich schon in frühster Zeit sowohl auf die unehelichen Kinder eines Adligen mit einer nicht-standesgemäßen Frau als auch auf kultu-
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Vgl. Hund (1999: 110-118) zum philosophischen Rassismus bei Aristoteles und Platon: „Soweit es sich [...] um Sklaven handelt, gilt ihr barbarischer Charakter nur als gleichsam gezähmt. Doch auch sie bleiben, wie die außerhalb der Gesellschaft stehenden Barbaren, geborene Feinde. Feindliche Fremdheit und sklavenhafte Minderwertigkeit werden zu einem rassistischen Argument verschmolzen, bei dem die Ausgrenzung nach außen Kohäsion nach innen vermitteln soll. Diese ideologische Operation ist nicht minder effektiv als banal und Platon deswegen offenbar auch ein wenig peinlich“ (ebd. 115).
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rell niedrigerstehende „Barbaren“ bezog. Bereits die antiken Athener gaben dem Perserkönig Dareios II. den Beinamen „Nothos“ (griechisch für „Bastard“). Den (griechischen) Geschichtsannalen nach soll er von 423-404 v.u.Z. das persische Großreich durch rücksichtslose Herrschaft bis an die Grenze des moralischen und kulturellen Untergangs geführt haben. Damit spielten die Griechen nicht nur darauf an, dass er als unehelicher Sohn Artaxerxes’ I. von so zweifelhafter Abstammung war, dass selbst sein Geburtsdatum im Dunkeln lag.5 Auch galt er als „geborener Verräter“ und unrechtmäßiger Emporkömmling, der einen Platz beanspruchte, der ihm nicht zustand. Dareios II. erschien als ein unfähiger wie skrupelloser Tyrann, der die ihm übertragene Position des Satrapen (Statthalter) der persischen Provinz Hyrkanien am Kaspischen Meer nicht mit Dankbarkeit, sondern mit Machtgier und Mord zurückzahlte: Um die Krone zu ergreifen, soll Dareios II. seinen Halbbruder Sogdianos kurze Zeit nach dessen Thronbesteigung ermordet haben, der wiederum kurz zuvor den eigenen Bruder und rechtmäßigen Thronnachfolger Xerxes II. tötete (vgl. Bengtson 1998: 177). Solche Beispiele zeigen, dass die antike Figur des sozial und kulturell minderwertigen „Bastards“ bereits lange vor dem modernen Kolonialismus eine Metapher des bösartigen Anderen war. Diese Traditionslinie hat sich gerade dadurch tief in das europäische Selbst- und Fremdbild eingeschrieben, weil die Antike und insbesondere das athenische Zivilisationsmodell ausgerechnet in der Moderne – wie als Zeichen ihrer Ambivalenz – als Geburtsstätte Europas und seiner Kultur auserkoren wurde. Die Wiedergeburt der Antike im Geist der Renaissance mit ihren weitreichenden Auswirkung auf Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft sind genauso hinlänglich bekannt wie ihre ästhetische Verehrung im Klassizismus und anderen kunstgeschichtlichen Strömungen.6 Bekanntlich beruhte die athenische Demokratie auf dem Ausschluss von Frauen, Sklaven/-innen und Migrant/-innen einerseits, die für die interne Reproduktion zu sorgen hatten, und auf der Abgrenzung zu fremden „Barbaren“ andererseits, die als äußere Feinde angesehen wurden. Wenig überraschend ist, dass Dareios II. trotz seiner Position als Herrscher einer regionalen „Weltmacht“ für die Athener ein persischer Bösewicht blieb: Dareios II. trat auf Seiten der verfeindeten Spartaner als Sieger aus dem Peloponnesischen Krieg (431-404 v.u.Z.) hervor, während Athen als großer Verlierer in diesem epochalen Konflikt das Nachsehen hatte. Eher wäre es verwunderlich, wenn die athenische Perspektive nicht über
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Vgl. Art. „Dareios II.“, Microsoft Encarta ’99 CD-ROM Enzyklopädie. Siehe die klassische Studie von Weiss „The Renaissance Discovery of Classical Antiquity“ (1969).
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die andauernde Rezeption ihrer Historiker und Philosophen – Sokrates und Platon etwa waren athenische Zeitgenossen dieses Krieges – Eingang in die europäische Ideengeschichte gefunden hätte. Die Geschichte über das Ende des legitimen und authentischen Herrscherhauses Persiens durch eine rechtswidrige wie „missratene“ Nebenlinie liest sich wie eine politische Parabel. In ihr wird vor dem Sieg des „auswuchernden Bastards“ gewarnt und zu gemeinsamer Achtsamkeit und Einigkeit gegenüber einer weiteren Ausbreitung des „Bastards“ aufgerufen. Der „Bastard“ gleicht metaphorisch einem nimmersatten Krebsgeschwür, das aus dem Inneren mutiert ist. Als das personifizierte unreine Böse markiert es nicht nur den äußeren Feind Athens, sondern auch den inneren Feind Persiens. Wie in modernen Zeiten wurde auch der antike „Bastard“ als Zeichen und Ursache moralischen und kulturellen Verfalls gedeutet und politisch instrumentalisiert. Daher wird Dareios II. nicht nur wie gewöhnlich als kulturell Anderer, also einfach als „Barbar“ gesehen. Vielmehr wird er als pathologischer Despot mit der Figur des machtbesessenen „Bastards“ konnotiert und als Bedrohung der athenischen Kultur und demokratischen Lebensweise ausgegeben. Dadurch erscheint der Erhalt der eigenen überlegenen Zivilisation nur umso dringlicher und erstrebenswerter, weil jede Alternative zur undenkbaren Zumutung verkommt. Die heraufbeschworene Katastrophe, die letztlich nicht als Sein oder Nicht-Sein eintrat, ist ein szenisches Hilfsmittel, um nach innen zu mobilisieren und eine widerspruchslose Einheit durch eine äußere Existenzbedrohung zu erschaffen. Da die Gemeinschaft sich kollektiv einem überlebensnotwendigen Ziel unterzuordnen hat, fällt es leicht, ihr alle Kosten und Opfer aufzubürden. Ebenso ist es nun möglich zur Abwehr der absoluten Gefahr alle Mittel unbeschränkt einzusetzen. Letztlich ist es auffallend, wie diese Grundzüge bei der Konstruktion des „Bastards“ in kolonial-rassistischen Diskursen und in der nazistischen Rassenpolitik aufgegriffen wurden.
Kulturelle Anschlüsse in der Gegenwart Selbst in den heutigen kulturellen Inszenierungen werden solche antiken Weltbilder weiter zelebriert, wie das mit großem Aufwand von Zack Snyder inszenierte Hollywood-Heldenepos „300“ um die legendäre Schlacht bei den Thermopylen (480 v.u.Z.) verdeutlicht. Seine Weltpremiere feierte dieses auf brutale Gewaltdarstellungen und krude Stereotypisierungen setzende Machwerk Februar 2007 erstaunlicherweise in einer Institution der deutschen und internationalen Hochkultur: Auf der Berlinale, die zu den wichtigsten Filmfestspielen weltweit zählt und von sich behauptet, die gesellschaftliche Verantwortung des Films för-
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dern zu wollen, setzte unter stehenden Ovationen des geladenen Festivalpublikums7 ein globaler Siegeszug auf den populärkulturellen Massenmärkten ein. Bisher hat dieser Film weltweit mehr als 456 Millionen US-Dollar eingespielt und avancierte zu einem der kommerziell erfolgreichsten Medienprodukten des Jahres.8 Allerdings gab es auch massive Kritik, die sich auch in den außergewöhnlich disparaten Filmkritiken widerspiegelt.9 Außerdem protestierte die iranische Regierung, die diesen Film als „psychologische Kriegsführung“10 und als Verunglimpfung des persischen Kulturerbes verurteilte. Neben der Ausstrahlung auf ein globales Publikum sind vor allem die westlichen Imaginationen von Relevanz, die in diesem bewusst als Fantasy-Action-Drama angelegten Streifen mit historischen Anleihen so unverblümt zum Vorschein kommen. Auf der Grundlage einer ComicVorlage von Frank Miller wurde eine surreale Verfilmung gedreht, die im Wesentlichen – wie von einigen Kritikern positiv angemerkt – von der erdrückenden Wirkung ihres mit digitalen Trickeffekten durchsetzten visuellen Gewaltrausches und entsprechender auditiver Untermalung lebt. Gerade diese augenscheinliche Vermischung von vermeintlicher Historizität und Authentizität mit Elementen des Phantasiefilms lässt unter dem Verweis auf die künstlerische Freiheit sowie unter der strikten Beachtung einer möglichst spektakulären und somit vermarktungsträchtigen Inszenierung eine höchst bizarre wie bipolare Welt entstehen. In dieser Welt ist die klare und unversöhnliche Grenze, die zwischen den westlich-europäischen Griechen und den asiatisch-persischen „Horden“ gezogen wird, identisch mit der Unterscheidung zwischen Gut und
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Siehe „300 World Premiere Gets Standing Ovation“ (15.2.2007), http:// www.superherohype.com/news.php?id=5221, 8.2.2009. Dagegen war die Presseaufführung durch eine sehr schlechte Resonanz geprägt. Siehe Erik Davis: „Berlinale Update: 300 Screens To Chorus Of Boos In Berlin“ (14.2.2007), http://2fwww.cinematical.com/2007/02/14/berlinaleupdate-300-screens-to-chorus-of-boos-in-berlin, 8.2.2009. 8 Vgl. http://www.boxofficemojo.com/movies/?id=300.htm, 8.2.2009. 9 Einen Überblick für US-Medien bietet Metacritic (http://www.meta critic.com/film/titles/300, 8.2.2009). Von den 35 ausgewerteten Filmbesprechungen sind 16 eher positiv, während 6 Kritiken sehr negativ ausfallen So behauptet Pete Vonder Haar von „Film Threat“: „300 is a feast for the senses (well, two of them anyway) and an impressive technical achievement. More than that, it’s a hell of a lot of fun.“ Dagegen fällt Nathan Lee (Village Voice) dieses Verdikt: „It’s a ponderous, plodding, visually dull picture“. 10 Vgl. BBC: „Iran condemns Hollywood war epic“. http://news.bbc.co.uk/2/ hi/entertainment/6446183.stm, 8.2.2009. Vgl. exemplarisch auch den Kommentar von Gary Leupp, Historiker an der Tufts University, „A Racist and Insulting Film. 300 vs. Iran (and Herodotus)“ (Leupp 2007).
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Böse. Im Zentrum des mit fragwürdigem Pathos voll beladenen Films stehen die im sympathischen Licht dargestellten Helden Spartas und ihrer Verbündete, die todesmutig Freiheit, Demokratie11 und Vaterland bis zum letzten muskelbepackten Mann gegen die bedrohlichen Mächte der Finsternis verteidigen würden. Die Spartaner sollten erst durch einen korrupten und machtgierigen Verräter, der im Film ganz in Sinne Platons als entstellter „Krüppel“ portraitiert wird,12 nach gnadenlosem wie bombastischem „Endkampf“ besiegt werden. Im krassen Gegensatz zur uniformen Erhabenheit der griechischen Helden, die durch individuellen Charakter und Freundschaft verbunden seien, wird im gesamten Film das asiatische Heer mit den „100 Nationen“ des persischen Großreichs mit ihrem multikulturellen Charakter mit Vorliebe in düsteren Farben vorgestellt. Auf diese Art wird auf der Leinwand in auffälliger Parallelität zur aktuellen Anti-Terror-Kriegsrhetorik und zum Kampf der Kulturen-Diskurs à la Samuel Huntington (1996) eine westliche Werte- und wehrhafte Selbstverteidigungsgemeinschaft beschworen. „Die Handlung, frei nach den historischen Ereignissen der Thermopylenschlacht um 480 vor Christus und minutiös nach Comickünstler Frank Millers Bearbeitung derselben: Die Perser, ein dekadenter Haufen an abenteuerlich gepiercten Afrikanern und Asiaten mit Weltherrschaftsfantasien, fallen in Griechenland ein. Aber Leonidas, König des faschistoiden Militärstaates Sparta, will sich nicht unterwerfen und stellt gegen den Willen von Priestern und Politikern eine Kleinarmee von dreihundert Mann auf, um die freie Welt zu verteidigen.“ (Schätz 2007).
Dagegen werden die schwarz gekleideten und zum Teil schwarz maskierten Perser im Licht der rassistisch codierten Farbsymbolik und Visualisierung ausschließlich als scheinbar seelenlose Todesdämonen oder als barbarische Horden repräsentiert. Sie erscheinen lediglich als Automaten, die auf Befehl eines bösartigen Tyrannen hoffnungslos gegen haushoch überlegene griechische Krieger anrennen und massenhaft 11 Im Gegensatz zur filmischen Darstellung war Sparta im Unterschied zu Athen ein streng militaristisch-hierarchisch organisierter Stadtstaat, der zwischen politisch vollwertigen Spartanern, politisch rechtlosen Periöken und unfreien Heloten unterschied (vgl. Zimmermann 1990: 553). 12 Der Historiker Ephraim Lytle (University of Toronto) urteilt: „Ephialtes, who betrays the Greeks, is likewise changed from a local Malian of sound body into a Spartan outcast, a grotesquely disfigured troll who by Spartan custom should have been left exposed as an infant to die. Leonidas points out that his hunched back means Ephialtes cannot lift his shield high enough to fight in the phalanx. This is a transparent defence of Spartan eugenics, and laughably convenient given that infanticide could as easily have been precipitated by an ill-omened birthmark.“ (Lytle 2007).
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abgeschlachtet werden. Statt individuelle menschliche Züge haben die persischen Untertanen animalisch-teuflische Eigenschaften und ein Aussehen, das auch optisch bis ins Monströse überzeichnet ist. Die moralische Verdorbenheit und politische Verruchtheit des persischen Großkönigs Xerxes wird durch eine zwischen Androgynität und Feminisierung pendelnde Diva-Figur visualisiert. Diese Rollenfestlegung wird außerdem mit dekadenten Verhaltensweisen und schwulen Stereotypen unterstrichen. „300’s Persians are ahistorical monsters and freaks. Xerxes is eight feet tall, clad chiefly in body piercings and garishly made up, but not disfigured. No need – it is strongly implied Xerxes is homosexual which, in the moral universe of 300, qualifies him for special freakhood.“ (Lytle 2007)
Dagegen werden die Krieger aus Sparta, die mit ihrem athletischen Äußeren alle durchweg Arno Brekers faschistoidem Körperideal entsprechen, auch ethisch über alle Maßen idealisiert. Neben der offen rassistischen und eurozentristischen Bildsprache wird in diesem Film in extremer Weise auch der militaristische Männerkult überhöht. In plumper propagandistischer Manier ruft der Film zur Verteidigung von patriarchalischen Familienwerten und Patriotismus auf und bedient sich dabei einer faschistoiden Ästhetik des Weißen Männerkörpers im Existenzkampf. Auf diese Weise wird der gewalttätige Kampf gegen das „rassisch“ markierte Böse zum Mittel und Ziel menschlicher Zivilisation schlechthin stilisiert. „Outside the current political parallels, some critics have raised more general questions about the film's ideological orientation. The New York Post’s Kyle Smith writes that the film would have pleased ‚Adolf’s boys,‘ and Slate’s Dana Stevens compares the film to The Eternal Jew, ‚as a textbook example of how race-baiting fantasy and nationalist myth can serve as an incitement to total war.‘ Roger Moore, a critic for the Orlando Sentinel, relates 300 to Susan Sontag’s definition of ‚fascist art.‘“13
13 „300 (film)“. Wikipedia English: http://en.wikipedia.org/wiki/300_ (film), 10.2.2009.
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Neuzeitliche Diskursüberschneidungen: „hybrid“ >< „Bastard“ Obwohl der antike Hybrisdiskurs und seine Vermischungs- bzw. Mischlingsmetapher „hybrid“ für die diesbezüglichen Vorstellungen in der europäischen Neuzeit einen wichtigen Bedeutungs- und Referenzrahmen bilden, lässt sich nach meiner Datenbanksuche14 zunächst feststellen, dass diese Begriffe selbst nur äußerst selten Eingang in die kanonische Schriftkultur und intellektuelle Textproduktion fanden. Wie meine eigenen Recherchen ergeben, sind diese Begriffe sowohl im Textkanon der europäischen Philosophie als auch in den als klassisch geltenden Texten der deutschen Literatur bis Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend absent.15 Ebenso wenig sind diese Begriffe in den frühen deutschen Wör-
14 Meine Recherche in den Volltextdatenbanken der „Digitalen Bibliothek“ wie der umfangreichen „Studienbibliothek der deutschen Literatur von Lessing bis Kafka“ (Bertram 2000), die ihrem Anspruch nach eine repräsentative Auswahl von 108 deutschsprachigen Autor/-innen auf ca. 170.000 Seiten darstellt, ergibt lediglich vier Fundstellen für „hybrid*“ und sechs für „Hybris“. Außer Hugo von Hofmannsthal mit jeweils vier Treffern, der ein Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts war, ist nur noch in den „Apokryphen“ (1811/1869) von Johann Gottfried Seume warnend von „Schurken und Hybristen“ die Rede. Wie im Literaturdiskurs bestätigt auch das Suchergebnis für die Volltextsammlung „Philosophie von Platon bis Nietzsche“ (Hansen 1998), die eine „digitale Sammlung philosophischer Schlüsselwerke aus 2.500 Jahren europäischer Geistesgeschichte“ darstellt, mit sechs Fundstellen für „Hybris“ seine geringe Verbreitung in der überlieferten Schriftkultur. Vier der sechs Fundstellen beziehen sich auf Friedrich Nietzsches Werk „Zur Genealogie der Moral“ (1887) und eins auf Paul Natorps „Platons Ideenlehre“ (1903). Der Hybridbegriff ist mit 16 Fundstellen stärker vertreten, wobei acht Treffer sich auf Charles Darwins „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein“ (1859) beziehen. Insgesamt sieben Fundstellen verweisen auf Kant und zwei auf Nietzsche. Die mit 62 Autorinnen auf 78.000 Bildschirmseiten abgelegte Bibliothek „Deutsche Literatur von Frauen“ ist kleiner. Die Suche nach „Hybris*“ ergibt keine Übereinstimmung. „Hybrid*“ verweist insgesamt auf zwei antifeministische Zitate von Laura Marholm in Hedwig Dohms (1902) feministischer Streitschrift. 15 Ähnliches gilt auch für die europäisch geprägte „Bibliothek der Weltliteratur“. Zu „hybrid*“ findet sich kein Eintrag, während die tradierten Bedeutungen der „Hybris“ nach der Antike nur in August Johan Strindbergs (1849-1912) Roman „Inferno“ aus dem Tagebuch seines Ich-Erzählers ablesbar sind: „Ich hatte durch Hochmut gesündigt, durch Hybris, das einzige Laster, welches die Götter nicht verzeihen“ (Finkbeiner/Hafki 2003: 67307). Unisono an anderer Stelle: „Mein Hochmut, mein Eigendünkel, meine Hybris wurde von meinem Vater und Meister bestraft. Und ich befand mich in der Hölle!“ (ebd.: 67345).
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terbüchern als eigenständige Schlagwörter bekannt.16 Lediglich an einigen verstreut liegenden Fundstellen wie der Abhandlung „Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren“ (1762) von Immanuel Kant wird der „vermengte Vernunftschluß“ als „ratiocinium hybridum“ angegeben (Kant 1977a: 602-605). In ähnlicher Weise stellt Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) sein Latein als Zeichen seiner Gelehrsamkeit zur Schau, wenn er den „gemischten Schluß“ als „hybrida conclusio“ bezeichnet (Leibniz 1904: 46). Angesichts ihres Seltenheitswertes gelten diese Termini nicht nur als bildungs-, sondern auch als „sondersprachlich“ (Kluge 1989: 322).17 Im Unterschied zur Antike, in der die nachhaltige Auseinandersetzung mit der Denkfigur der Hybris als Grundübel der menschlichen Existenz kulturbildend war, ist ein weitgehender Bedeutungsverlust dieses Wortstamms im weiteren Geschichtsverlauf zumindest in der schriftlich fixierten Hochkultur Europas mehr als wahrscheinlich – obgleich die mit ihr einhergehenden assoziativen Bedeutungen bis zur ihrer Wiederkehr im Fin de siècle18 weiter tradiert wurden. An die Stelle von hýbris und hybrid (lateinisch hybrida) trat im okzidentalen Mittelalter zunächst der Begriff des „Bastards“, der soziale Grenzüberschreitungen als Folge zwischenmenschlicher Vermischungen benennt. Zu seiner Etymologie gibt es unterschiedliche Deutungen, wobei die heutigen Wörterbücher übereinstimmend von einer französischen Herkunft ausgehen. Während das erste bedeutende Deutschwörterbuch von Johann Christoph Adelung (1793-1801) die „erste Hälfte dieses Wortes unstreitig [auf] das Französische bas“19 für niedrig
16 Als Stichwörter sind „Hybris“ und „hybrid“ weder im ersten bedeutenden Deutschwörterbuch (1793-1801) von Johann Christoph Adelung noch im sechszehnbändigem „Deutschen Wörterbuch“ (1852ff.) der Gebrüder Grimm indexiert. 17 Eine Negativprobe im „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ (Küpper 1997) unterstützt dieses Ergebnis. 18 Wie die wörtliche Übersetzung „Ende des Jahrhunderts“ es vermuten lässt, bezeichnet dieser Begriff eine Übergangsepoche zwischen 1890 und 1914. Fin de siècle wird in diesem Sinne als eine prägnante Kurzformel für eine komplexe Kulturdiagnose verwendet, um das vermeintlich bestimmende Lebensgefühl dieser Ära auf einen Nenner zu bringen: „Diese Zeit ist geprägt von einem Schwanken zwischen Aufbruchsstimmung, Zukunftseuphorie, diffuser Zukunftsangst (siehe Degeneration) und Regression, Endzeitstimmung, Lebensüberdruss, Weltschmerz, Faszination von Tod und Vergänglichkeit, Leichtlebigkeit, Frivolität und Dekadenz“ (Artikel „Fin de siècle“, Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Fin_de_siècle, 13.11. 2007). 19 Adelung 2001: Bd. 1, 745f. Der Hinweis auf den französischen Begriff „bas“ findet sich auch bei Jacob und Wilhelm Grimm 1854: Bd. 1, 1150.
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und untergeordnet zurückführt, bietet der Brockhaus als Wortstamm das altfranzösische „bast“ für Packsattel an (Der Große Brockhaus 1929: Bd. 2, 359), der auf den fremden oder unbekannten adligen Erzeuger deuten könnte. Im ersten deutschsprachigen Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft (1928-1932) wird hingegen auf das mittellateinische „bastum“ für Packesel hingewiesen, „also der auf dem Sattel, d. i. außer der gesetzmäßigen Ehe Erzeugte“ (Bilder-Lexikon der Erotik 1999: Bd. 1, 120). Wie die Kolonialgeschichte offenbart, sollten diese Bedeutungskontexte im Verlauf der europäischen Expansions- und Eroberungsgeschichte eine wichtige Rolle spielen. In seiner frühsten Bedeutung in der deutschen Umgangssprache – laut einer Lexikonquelle ab dem 14. Jahrhundert (Küpper 1997: 411) – bezog der „Bastard“ sich ursprünglich auf den anerkannten, aus einer ehelichen Verbindung stammenden Nachwuchs eines Adligen mit einer sozial niedrigerstehenden Frau. Erst in der späteren Sprachentwicklung bezeichnete dieser Begriff unstandesgemäße Kinder, die aus einer unehelichen Verbindung kamen und deswegen abgewertet wurden (Adelung 2001: Bd. 1, 745f.). Obwohl das Misstrauen gegenüber „Bastarden“ im Mittelalter und darüber hinaus anhielt, konnten europäische Herrscher im Gegensatz zu Dareios II. Verehrung finden, wenn sie es vermochten, ihre eigene Siegergeschichte durchzusetzen und es verstanden sich darin als positive Heldenfiguren zu inszenieren. So wurde Wilhelm I. (1027-1087), bevor er nach der Schlacht von Hastings (1066) als „Wilhelm der Eroberer“ und als erster normannischer König von England in die europäische Histographie einging, nur „Wilhelm der Bastard“ genannt (Dhondt 1998: 186, 224).20 Gerade diese Wendung im Schicksal Wilhelms zeigt, welche Anstrengungen und Leistungen so genannte „Bastarde“ vollbringen mussten, um soziale und politische Anerkennung zu erlangen. Erst eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte und ein entscheidender Zuwachs an absoluter Macht konnten sein Menetekel überdecken, das er als unehelicher Sohn des Herzogs Robert I. von der Normandie bereits bei seiner Geburt auf sich gezogen hatte. Wie groß die gesellschaftliche Ablehnung gegen Menschen mit einer scheinbar „illegitimen“ Herkunft selbst bzw. gerade bei Hochgeborenen war, dokumentierte sich im Umstand, dass Robert I. sich vor seinem Tod (1035) genötigt sah, seine Lehnsmänner auf Wilhelm I. als seinen Nachfolger schwören zu lassen. 20 Auf dem berühmten Teppich von Bayeux (1077-82 in Kent hergestellt), der die Eroberung Englands durch die Truppen Wilhelm I. darstellt, ist auch ein Maultier abgebildet (Dhondt 1998: 272). Das Maultier sollte später im kolonial-rassistischen Kontext stellvertretend den menschlichen „Rassenmischling“ symbolisieren.
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An den königlichen „Bastarden“ lässt sich auch ablesen, dass die Geschichte nahezu durchgängig als Historiographie herrschender Männer darstellt wird. In den historischen Quellen wie in den darauf aufbauenden wissenschaftlichen Schilderungen sind Frauen in der Regel nur in ihrer Abwesenheit präsent. Ihre Existenz wird oft selbst dann negiert, wenn sie die Mütter und Frauen bedeutender Männer waren. Gerade in der Auslassung wird ihr gesellschaftlicher Stellenwert wiedergegeben. Die Anerkennung des „Bastards“ war in der Regel äußerst begrenzt und ging oft mit Misstrauen und Herabsetzung einher. Durch die Institutionalisierung des so genannten Bastardfadens, dessen diagonaler Verlauf wie eine Trennungslinie durch das Wappenbild lief, wurde ein visuelles Zeichen etabliert, das die Differenz des adligen „Bastards“ kennzeichnete. Seine Exklusion steigerte sich mit einer Wahrnehmung, in der er zunehmend eine unzulässige soziale Grenzüberschreitung verkörperte, bis er als illegitimer „sohn, dem erbe und stand des vaters entzogen werden“, stigmatisiert wurde und „zur bezeichnung des schlechten, unechten diente“ (Grimm/Grimm 1854: Bd. 1, 1151). Indem die vermischte Herkunft sowohl den absolutistischen Glauben an die göttlich gegebene Überlegenheit der zum Herrschen Geborenen als unhinterfragbare Machtlegitimation diskreditierte, als auch die Ideologie der Blutreinheit des Adels kontaminierte, wurde der „Bastard“ zunehmend zum Gegenstand der Ausgrenzung. Dass die Idee der Blutreinheit des Adels als Mittel sozialer Schließung zum geschichtlichen Ausgangspunkt moderner Rassenkonzepte wurde (vgl. Guillaumin 1992: 81f.), verdeutlicht umso nachdrücklicher, wie eng die Kategorien „Bastard“ und „Rasse“ bereits bei der Genese des Rassismus verwoben waren. Bestimmte Ikonographien und Denkbilder, die dieses Verhältnis symbolisierten, waren schon in dieser frühen Phase vorhanden und wurden im weiteren Verlauf der europäischen Ideengeschichte tradiert. Da die außereheliche Zeugung des „Bastards“ auch gegen die christliche Sexualmoral verstieß, personifizierte er die Untugenden der Schande und Sünde. Die Ablehnung wuchs umso stärker, je mehr die äußeren Begleitumstände seiner Zeugung in sein Inneres verlagert und zu persönlichen Merkmalen erklärt wurden. Auch die Aufklärung distanzierte sich nicht von diesem traditionellen Sittengemälde. Der Moralkodex des aufkommenden Bürgertums wie der christlichen Kirche setzte die Ehebindung als sozialen Kern einer stabilen Gesellschaft voraus. Uneheliche Nachkommen wurden nicht nur als moralische Verfehlung, sondern auch als gesellschaftlich dysfunktional und gefährlich angesehen. Mit der Bedeutungsausweitung, die nun jede uneheliche Nachkommenschaft unabhängig von der sozialen Herkunft der Eltern zum
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„Bastard“ erklärte, wurde die gesellschaftliche und juristische Diskriminierung verallgemeinert. Die „Bastardisierung“ verfestigte sich zu einem Prinzip der sozialen Differenzierung, die den „Bastard“ in die Reihe der unerwünschten Vexierbilder an die Seite von „Hexen“ und „Krüppeln“ stellte. Der „Bastard“ ist bis heute ein pejoratives Sinnbild geblieben, das als Projektion des „minderwertigen“ und „nichtswürdigen“ (Wahrig 1981: Bd. 1., 526; Großes Wörterbuch Fremdwörter 1991: 68) Menschen negative Affekte wie Misstrauen und Abneigung auf sich zieht. Im Repertoire der deutschen Literaturgeschichte und Alltagssprache findet sich eine lange Liste von Hasstiraden und Anfeindungen, die mit dem Topos der bösen Minderwertigkeit und Illegitimität operieren.21 Außerhalb der deutschen Hochkultur fand der Begriff des „Bastard“ sich gehäuft etwa in Henry Fieldings (1707-1754) „Tom Jones oder die Geschichte eines Findelkindes“ und Victor Hugos (1802-1885) „Der 21 In der Datenbank „Deutsche Literatur von Frauen“ ergeben sich 29 Referenzen auf den Suchbegriff „bastard*“, die auf neun Autorinnen verweisen. 14 Stellen beziehen sich auf das Buch der konservativen Frauenrechtlerin Fanny Lewald (1811-1889) „Von Geschlecht zu Geschlecht“ und sechs Hits auf Henriette von Paalzows (1788-1849) Roman „Ste. Roche“ im Adelsmilieu (Lehmstedt 2001). In der doppelt so umfangreichen „Studienbibliothek der deutschen Literatur von Lessing bis Kafka“, die auch Weiße Frauen als kleine Minderheit repräsentiert, finden sich zum gleichen Suchbegriff 123 Hinweise. Besonders viele Bezugnahmen stammen aus den Dramen „Maria Stuart“ (1800) und „Die Jungfrau von Orleans“ (1801) von Friedrich Schiller. Im Traktat „Laokoon“ (1766) vergleicht Gotthold Ephraim Lessing das Vexierspiel der Bastardfiguren in „König Richard III“ (1592) und „König Lear“ (1604/5) von William Shakespeare, die – obwohl sie allesamt „häßliche Bösewichte“ seien – sowohl in Gestalt des Teufels als auch als Engel auftreten könnten (Bertram 2000). Symptomatisch für die Abwertung in der intellektuellen Produktion ist die Institutionalisierung des „Bastardtitels“ als Synonym für den Begriff „Schmutztitel“ (Deckblatt) beim Buchdruck. Selbst in der philosophischen Auseinandersetzung war die Bastardbeschimpfung als Mittel der emotionalen Ansprache wirksam. Eugen Dühring, der für seinen Antisemitismus berüchtigt war, setzte eine interessante Assoziationskette ein, um Karl Marx zu diffamieren: „Unförmlichkeit der Gedanken und des Stils, würdelose Allüren der Sprache [...] englisierte Eitelkeit [...] Düpierung [...] wüste Konzeptionen, die in der Tat nur Bastarde historischer und logischer Phantastik sind [...] trügerische Wendung [...] persönliche Eitelkeit [...] schnöde Manierchen [...] schnoddrig [...] schöngeistige Plätzchen und Mätzchen [...] Chinesengelehrsamkeit [...] philosophische und wissenschaftliche Rückständigkeit“ (Engels 1956: 30). Wie ungeheuerlich Dührings Bastard-Vorwurf empfunden wurde, lässt sich nach verfolgen, da Friedrich Engels in seiner Verteidigungsschrift „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“ (1878) an nicht weniger als sieben Stellen diese Polemik scharf kritisierte (ebd.: 187, 191, 193, 194, 196, 204, 265).
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Glöckner von Notre Dame“. Eine besondere Stellung nahm dieser Begriff in den Königsdramen von William Shakespeare (1564-1616) ein, der vor allem in „König Johann“, „König Lear“, „König Heinrich VI“ und „Das Wintermärchen“ immer wieder diese Thematik ins Spiel brachte. Auch in antiken Stücken wie „Troilus und Cressida“ oder „Timon von Athen“ griff Shakespeare auf die negativen Bedeutungen des „Bastards“ zurück.22 Dieses Stereotyp schlug sich als begriffsbildendes Denkschema auch in der Philosophie nieder. Kant erkannte etwa im „Bastard“ die figurative Repräsentation einer heimtückischen Gefahr, die sich aus dem Verwechslungsspiel von Sein und Schein ergeben würde: „Wider diese Nachlässigkeit oder gar niedrige Denkungsart […] kann man auch nicht zu viel und zu oft Warnungen ergehen lassen, indem die menschliche Vernunft in ihrer Ermüdung gern auf diesem Polster ausruht, und in dem Träume süßer Vorspiegelungen […] der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz verschiedener Abstammung zusammengeflickten Bastard unterschiebt, der allem ähnlich sieht, was man daran sehen will, nur der Tugend nicht, für den, der sie einmal in ihrer wahren Gestalt erblickt hat“ (Kant 1977b: 57).
Folglich wurde der „Bastard“ immer stärker als personelle wie symbolische Kulmination sozialer und kultureller Vermischungen verachtet. Während „Bastarde“ als unsittliche Vermischungen abgelehnt wurden, symbolisierte Reinheit das Gute und Unschuldige, aber auch die Sehnsucht nach Schönheit und Erhabenheit. Im Zuge dieser Abwertung und Dämonisierung erweiterte sich das Verständnis des lateinischen „hybrida“, das nicht nur gleichbedeutend mit „Mischling“, sondern auch mit „Bastard“ wurde. Auf diese Sinn- und Wertungszusammenhänge verweisend, prägte Kant in einer späteren Abhandlung über die Sittlichkeit 22 Von den 87 Fundstellen in der „Bibliothek der Weltliteratur“ (Finkbeiner/ Hafki 2003) beziehen sich 13 Hinweise auf Shakespeare, davon zwölf auf „König Lear“ und einer auf „Hamlet“. Bei der Auswertung des Gesamtwerks von Shakespeare (2002) kommt die Zählung auf 159 Referenzen für den Begriff „Bastard“, während der Autor keinen Gebrauch von „hubris*“, „hybris*“ oder „hybrid*“ macht. Im Vergleich dazu finden sich im Gesamtwerk von Karl May (1842-1912) insgesamt 13 Hinweise auf „Bastard*“, davon zwei auf „Bastardarten“. In seinem Aufsatz „Im Dunkel der Vorzeit“ referierte May gängige Rassentheorien seiner Zeit, so dass in seinen Schriften die Begriffe „Mischlinge“ (26 Fundstellen), „Mischvolk“ (2) und Mischehe“ (1) einen Platz einnehmen. Die Wörter „Hybris*“ und „hybrid*“ sind dagegen nicht nachweisbar (Wiedenroth 2003). Dieses Ergebnis gilt auch für die „Erzählungen aus 1001 Nacht“ in zwölf Bänden (2003). Im Unterschied zu Shakespeare und May spielt der „Bastard“ als Begriff mit drei Fundstellen kaum eine Rolle.
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seine Formel für das Unwahre und (Be-)Trügerische und nannte sie die „Bastarderklärung (definitio hybrida), welche den Begriff im falschen Lichte darstellt“ (Kant 1977c: 333). Die Synonymik dieser Begriffsbeziehung findet sich heute sowohl in den unterschiedlichen Dudenausgaben als auch in medizinischen Lexika wie dem Pschyrembel (1998) wieder. Das Misstrauen, welches Kant den Hybridformen entgegenbrachte, knüpfte an einer kulturellen Sitten- und Verfallsgeschichte des „Bastards“ an, die bereits in der Antike ausgeprägt war. Spätestens Kant fügte diesem Diskurs explizit eine rassenkonstruktivistische Dimension hinzu, die sich phantasmagorisch an der Erfindung der „Rassenvermischung“ abarbeitete. In seinem handschriftlichen Nachlass findet sich eine heute kaum beachtete Schrift über den „Charakter der Rasse“, worin Kant seine Gedanken über das, was er die „Vermischungsgrade“ des „Bastart“, „Halbschlag“ und „Muli“23 nennt, zusammenfasst: „This much we can judge with probability: that a mixture of races (by extensive conquests), which gradually extinguishes their characters, is not beneficial to the human race – all so-called philanthropy notwithstanding.“24
Kant führt also nicht nur die gedankliche Verbindung zwischen dem hybriden „Mischling“ und dem rassifizierten „Bastard“ in eine zusammenhängende begriffliche Form über. Seine scheinbar moralphilosophisch unterfütterte Ablehnung der als universell schädlich erachteten „Rassenvermischung“ knüpfte auch an Platons Furcht vor der Verbindung zwischen sozial ungleichen und kulturell „ungleichwertigen“ Partner/-innen an. Dadurch reaktualisierte er diese diskursiven Argumentationsstränge für die europäische Neuzeit. Mit der europäischen Expansion in die koloniale „Neue Welt“ wurde ein Prozess der Wissensproduktion und gesellschaftlichen Hierarchisierung mit grundlegenden Auswirkungen auf sozio-ökonomische, politische, juristische, kulturelle sowie alle anderen Sphären des menschlichen Lebens in einem globalen Maßstab eingeleitet. Die Ideologie der „Rassenkonstruktion“ und die obsessive Auseinandersetzung mit der 23 Diesen Hinweis verdanke ich Annette Seidel-Arpaci (2003: 2007). Sie bezieht sich in ihrem Text auf Kant, Immanuel (1913): „‚Der Charakter der Rasse‘/Die anthropologische Charakteristik“. Reflexionen zur Anthropologie. Kants handschriftlicher Nachlaß. In: Kants gesammelte Schriften, Band XV, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin: Georg Reimer, S. 600-602. 24 Kant, Immanuel (1974): „‚On the Character of Nations‘/Anthropological Characterization“. In: Anthropology from a Pragmatic Point of View, translated, with an Introduction and Notes by Mary J. Gregor, The Hague: Martinus Nijhoff, S. 182 zit. nach Seidel-Arpaci 2002: 8.
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damit unvermeidlich zusammenhängenden Produktion von „mixedrace“-Positionalitäten waren für die moderne rassistische Dimension eines weltweit agierenden Kolonialismus in seinen jeweiligen imperialen, nationalen, regionalen und lokalen Ausformungen zentrale Problemfelder biopolitischer Macht. Laura Ann Stoler hat unter Hinweis auf ihre Interpretation Foucaults auf den Zusammenhang zwischen den aufeinander verweisenden wie aufeinander einwirkenden rassifizierten Sexualitätspolitiken und sexualisierten „Rassenpolitiken“ in Kolonien und Metropolen hingewiesen. Sie betont, dass nicht nur die bourgeoise Elite in den Kolonien, sondern ebenso die dominanten Weißen Kräfte und ihre Intellektuellen in den kolonialen „Mutterländern“ die diskursiven Spielregeln und gesellschaftlichen Grenzen im kolonialisierten Raum bestimmten. „My second contention is that racial obsessions and refractions of imperial discourse on sexuality have not been restricted to bourgeois culture in the colonies alone. By bringing the discursive anxieties and practical struggles over citizenship and national identities in the nineteenth century back more squarely within Foucault’s frame, bourgeois identities in both metropole and colony emerge tacitly and emphatically coded by race.“ (Stoler 1995: 7)
Ich werde im nächsten Kapitel mich ganz dieser Thematik zuwenden, um die gesellschaftspolitische Bedeutung der hysterisch-paranoid herauf beschworenen „Rassenvermischung“ als zeitgeistiges Leitmotiv der kolonialen Epoche und deren Ausläufer am Beispiel der deutschsprachigen Debatte herauszuarbeiten. Gerade ihre irrationalen Dimensionen, die die „Rassenanthropologie und -hygiene“ bereits im präfaschistischen Deutschland und anderen westlichen Demokratien als allgemein anerkannte Wissenschaftsdisziplinen und mächtige Instrumente der wissensbasierten Sozialdisziplinierung entstehen ließen und deren Strukturen in modifizierter Form teilweise sogar 1945 überdauerten, zeigen, dass das eurozentristische Fortschrittsdenken und die koloniale Moderne nicht als Widerspruch zu den Versprechungen der Aufklärung, sondern als Ausdruck ihrer bis heute gültigen immanenten Ambivalenz zu denken sind.
Hybridität als „Rassenvermischung“ im kolonialen Wissenschaftsdiskurs Auch wenn Hybridität im zeitgenössischen Diskurs häufig nur allzu gern als grenzenlose Transkultur der Postmoderne gefeiert wird, hat sie eine moderne Geschichte, die unter dem Schlagwort „Bastardisierung“ bis in die Zeit der europäischen Kolonial- und Sklavengesellschaften in der „Neuen Welt“ zurückreicht. Hybridität ist weder eine neue Entdeckung noch ahistorisch zu verstehen und kann daher nicht auf die heutige Konstellation als Kulturphänomen der Spätmoderne begrenzt werden. Angesichts dieser Problemlage ist es notwendig, die Konstruktion von Hybridität als „rassische Vermischung“ historisch im Rahmen kolonialer Praktiken und rassentheoretischer Diskurse zu verorten und die zentrale Rolle der westlich-modern geprägten Natur- und Geisteswissenschaften in diesen Prozess der Rassifizierung bzw. Rassenkonstruktion einzubetten (Miles 1991). Vor diesem geschichtlichen Hintergrund ergeben sich weitreichende Verbindungslinien von den „rassenkundlichen“ Kontroversen zwischen Vertretern der Mono- und Polygenese, dem politökonomischen Zwang zur Legitimierung der Sklavenhaltung über die Vererbungslehre des Botanikers Gregor Mendel bis hin zur Eugenik und den nazistischen Menschheitsverbrechen im 20. Jahrhundert. Im Gegensatz zur vorherrschenden Wahrnehmung stellt „rassische“ Hybridität keinen biologischontologischen Prozess dar, sondern bildet im kolonial-rassistischen Kontext eine narrative Figur. Die Figur des „Mischlings“ bzw. des „Bastards“ erlaubt es, gesellschaftliche Entwicklungen vor der Folie sozio-biologistischer Konstrukte zu interpretieren, die auf der Vorstellung von „Rassen“- wie auch Kulturvermischung als ganzheitlichen Kategorien basieren. Dadurch kann ein Weltbild stabilisiert werden, das
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von ursprünglichen wie homogenen Essentialismen ausgeht, in denen der Rassenbegriff die menschliche Natur und der Kulturbegriff die soziale Welt zu organischen und statischen Gemeinschaften erklärt. Als vermeintlich krankhafte Ausnahmeerscheinung soll der hybride „Bastard“ die scheinbar gesunde Norm einheitlicher „Rassen“ und Kulturen umso mehr bestätigen.
Hybridität im historischen Kontext „aufklärerischer“ Rassendiskurse der westlichen Moderne Wenn wir den Begriff des Hybriden heute innerhalb wissenschaftlicher Diskurse verorten, fällt zunächst auf, dass er weniger in sozial- und kulturwissenschaftlichen, sondern vielmehr in den unterschiedlichsten Disziplinen der naturwissenschaftlichen Forschung verbreitet ist. Es ist daher kein Zufall, dass gerade das Hybridsaatgut – im Gegensatz zu anderen Forschungssträngen – nicht nur den Experten des eigenen Fachgebiets bekannt ist, sondern zum normalen Alltagswissen gehört. Schließlich sind heute fast alle kultivierten Nutzpflanzen hybrid. Zu den bekannten Pflanzenhybriden zählen nahezu alle heute angebauten Getreide- und Tomatensorten, die deutlich höhere Erträge abwerfen als ihre Urformen. Aber auch Weizen-, Reis-, Bananen- und Zuckerrübenhybride tragen wesentlich zur Lebensmittelproduktion bei. Der Trend, die Höchstertragssorten der Agrarindustrie zunehmend gezielt durch genetische Manipulation herzustellen, ist jedoch unübersehbar. Durch die unabsehbaren Potentiale der Gentechnik werden in Zukunft biologische Hybridisierungsprozesse prinzipiell möglich, deren Ausgang offen ist. Bereits heute sind Forschungen im Gange, die Gensequenzen unterschiedlicher Tierarten, aber auch unterschiedlicher Lebensformen wie Tiere und Pflanzen miteinander kombinieren. In diesem tradierten Wissen spiegelt sich nicht zuletzt die Begriffsgeschichte des Hybriden in der europäischen Moderne wider, wo es innerhalb der Wissenschaften seinen neuzeitlichen Ursprung in der Biologie unter den Stichwörtern „Bastardbildung“ bzw. „Rassenvermischung“ findet. In den modernen Wissenschaften wurde Hybridisierung spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst auf dem Gebiet der Botanik, dann aber auch in der Genetik in unterschiedlichen Kontexten zur Beschreibung von nicht „reinrassigen“ Lebewesen verwendet. Die Bildung von Hybriden systematisch auf naturwissenschaftlicher Basis durch Kreuzung verwandter, aber nicht identischer Pflanzenarten zu erforschen, geht auf den Botaniker und Augustinermönch Johann Gregor
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Mendel (1822-1884) zurück. Mendels Analyse der „Bastardbildung“ wurde maßgeblich durch die Arbeiten des schwedischen Naturforschers und Mediziners Carl von Linné (1707-1778) angeregt (Mocek 1999: 488-489), der 1735 in seinem Hauptwerk „Systema naturae“ die noch heute gültige Ordnungssystematik der Lebewesen nach Stämmen, Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen, Arten und Rassen einführte. Obwohl Hybridität zunächst als Phänomen der Botanik und Zoologie behandelt wurde und scheinbar wenig mit gesellschaftlichen Entwicklungen und sozialen Machtverhältnissen gemein hat, lassen sich interessante Bezüge zur aufkommenden „Rassenlehre“ finden. Dieser Zusammenhang ist nicht zuletzt deshalb von aktueller Bedeutung, weil die so genannte „Rassenkunde“ sich bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als etablierte Wissenschaftsdisziplin behaupten konnte. In breiten Bevölkerungsschichten wirken bis heute Bilder und Vorurteile des biologistischen Rassismus gegen als „Bimbos, Kanaken und Schlitzaugen“ bezeichnete Menschen nach, der solche Chimären überhaupt erst konstituierte. Realpolitisch konnten Rassentheorien als extrem wirkungsmächtiges Ideologieelement im Kolonialismus, Rassismus, Imperialismus und Antisemitismus weitreichenden Einfluss auf den globalen Geschichtsverlauf in der Moderne nehmen. In diesem miteinander verknüpften Diskurs-Kultur-Politik-Feld war Linné zwar nicht der Erste, und ihm sollten noch andere wissenschaftliche Koryphäen wie Immanuel Kant, Auguste Comte, Gustave Le Bon u.v.a. folgen, die vorgaben, Menschen aufgrund natürlicher Unterschiede in „Rassen“ klassifizieren zu können.1 Diese Diskurse gingen nicht erst später durch repressive Praktiken in rassistische über, sondern waren konzeptionell durch ihre Klassifizierungen und Hierarchisierungen von Beginn an latent rassistisch und explizit eurozentristisch. Historisch hat es nie einen wertfreien Rassenbegriff gegeben. Die immanente Gewalt der Verobjektivierung und Fremdkategorisierung erhielt spätestens durch Linnés Rassensystematik des Menschen auch eine äußere Form. Denn Linné war derjenige, der eine epochale Geistestradition begründete, indem er erstmals „den Weißen positive, den Schwarzen negative Werte moralischer Art zuordnete“ (Geiss 1988: 149). Mit Linné teilten
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Eine Aufstellung von historischen Rassenkonzepten findet sich bei Imanuel Geiss (1988: 142ff.). Wulf D. Hund (1999: 110-126) zeichnet Kants rassenideologisches Weltbild nach, während Marco Schütz (1994: 105146) sich mit Gustave Le Bons „Rassenpsychologie“ befasst. Eine profunde Darstellung von Exotisierungsphantasien und ethnographischen Projektionen bedeutender Vertreter der europäischen Geistesgeschichte der Neuzeit bietet Karl-Heinz Kohl „Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden“ (1986).
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vermeintlich „aufgeklärte“ Geistesgrößen wie Voltaire, Hume und Rousseau, die für die europäischen Verhältnisse ihrer Zeit als fortschrittlich galten, die sich vertiefende Abneigung gegen „Schwarze“, die als von Natur aus einfältig und unterlegen angesehen wurden (vgl. Hund 1999: 33ff). Eines von Linnés weiteren Leistungen bestand darin, Menschengruppen in unterschiedlich bewertete Farbkategorien einzuteilen, die er mit stereotypen Eigenschaften verband. An der Spitze der Entwicklungshierarchie stand der „Europaeus albus“ (Weiße), gefolgt vom „Americanus rubesceus“ (Rote) und „Asiaticus luridus“ (Gelbe), während der „Afer niger“ (Schwarze) weit abgeschlagen das Schlusslicht bildete (vgl. Geiss, 1988: 149f.). Im Kapitel „Die Farbe der Schwarzen“ resümiert Hund (1999: 15-38) die wechselvolle Geschichte der Rassenkonstruktion durch ihre widersprüchliche Zuordnung an Farbskalen, an dessen Ende und nicht an dessen Anfang die Festlegung der Hautfarbe als bestimmendes „Rassenmerkmal“ stand. Während Weiße Linnés Vorstellung nach einfallsreich, erfinderisch und rational, „Rote“ leicht zu befriedigen, freiheitsliebend, aber auch jähzornig, „Gelbe“ habsüchtig und melancholisch wären, beschrieb er Schwarze als verschlagen, faul und nachlässig (vgl. Poliakov et al. 1979: 79). Eben diese Erfindung von unterscheidbaren „Rassen“ und ihre Hierarchisierung anhand biologischpsychologischer Eigenschaftsmuster sollte für die Geschichtsmächtigkeit des Rassismus, aber auch für die Gesellschaftsstruktur der Kolonialgesellschaften von grundlegender Bedeutung werden. Sie gaben der Idee der „Rassenmischung“ erst eine Ausgangsbasis und boten sich als Maßskala für die abgestuften Wertigkeiten der verschiedenen „Bastardtypen“ an. Letztlich wurde dadurch „rassische“ Differenz in eine festgelegte soziale Ordnung übersetzt. Das biologistische Verständnis von Hybridisierung als „Rassenvermischung“ ist durch rassenkonstruktivistische Konzepte vornehmlich Weißer bürgerlicher Männer in die Welt gesetzt worden. Wie die spätere Denkfigur des Mutanten wurde auch der hybride „Bastard“ als Abweichung von der natürlichen Ordnung interpretiert, weil er angenommene biologische Grenzen übersprang und verwischte. Wie stark das moderne Verständnis von Hybridisierung als biologische Kreuzung von Anfang an von einer „widernatürlichen Degenerationserscheinung“ ausging und ihre philosophisch-naturwissenschaftlichen Diskurse durch die Verquickung von Biologismus, Dämonisierungsängsten und antiken Mythologien geprägt wurde, lässt sich etwa im ideengeschichtlich überaus einflussreichen Hauptwerk von Johann Gottfried Herder (1744-1803) in Erfahrung bringen:
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„Im wilden Zustande paaret sich kein Tier mit einer fremden Gattung, und wenn die zwingende Kunst der Menschen oder der üppige Müßiggang, an dem die gemästeten Tiere teilnehmen, auch ihren sonst sichern Trieb verwildern, so läßt doch in ihren unwandelbaren Gesetzen die Natur von der üppigen Kunst sich nicht überwinden. Entweder ist die Vermischung ohne Frucht, oder die erzwungene Bastardart pflanzt sich nur unter den nächsten Gattungen weiter. Ja bei diesen Bastardarten selbst sehen wir die Abweichung nirgends als an den äußersten Enden des Reichs der Bildung, genau wie wir sie bei der Verartung des Menschengeschlechts beschrieben haben; hätte der innere, wesentliche Typus der Bildung Mißgestalt bekommen müssen, so wäre kein lebendiges Geschöpf subsistent worden. Weder ein Centaur also noch ein Satyr, weder die Scylla noch die Meduse kann nach den innern Gesetzen der schaffenden Natur und des genetischen wesentlichen Typus jeder Gattung sich erzeugen“ (Herder 1965: 274f.).
Herders Überzeugung entsprach einer zeitgenössischen Evidenz, die ihre Wissensproduktion und Autorität durch interessensgeleitete Definitionsmacht im Zuge der Kolonialisierung erlangte. Nach der Zerstörung indigener Gesellschaften und der Eroberung außereuropäischer Kolonialreiche begann vor allem auf dem amerikanischen Kontinent durch den transatlantischen Sklavenhandel ein millionenfacher Bevölkerungstransfer. Dieser setzte ein anhaltend gewalttätiges und traumatisches Dreiecksverhältnis zwischen Europa, Afrika und Amerika in Gang, in der nicht zuletzt durch sexuelle Gewalt und koloniale Herrschaft hybridisierte Bevölkerungsgruppen entstanden. Die Traumata und Geschändeten der „Neuen Welt“ wurden im europäischen Kultur- und Rassendiskurs in einer dramatischen Umkehrung der historischen Ereignisse und des tatsächlichen Täter-Opfer-Verhältnisses zu einer zivilisatorischen Bedrohung umgedichtet. In diesem Negativierungsprozess, in der die Vermischung als Niedergang interpretiert wurde, spielte die Reanimierung antiker Vorstellungen über das Hybride eine bedeutsame Rolle. Hybridisierung wurde demzufolge als biologischer Vorgang der seinsmäßigen Vermischung zwischen unterschiedlichen, aber verwandten Wesensarten aufgefasst. Dieses biologische Verständnis wurde nicht nur auf Pflanzen und Tiere, sondern infolge des sich durchsetzenden naturwissenschaftlichen Welt- und Menschenbildes grundsätzlich auch auf den Menschen angewandt. Aufgrund dieses Paradigmawechsels galt der Mensch nicht mehr als Gottesgeschöpf, sondern wurde zu einem Spezialfall der Evolutionsbiologie in der Unterabteilung Anthropologie unter der Rubrik homo sapiens sapiens. Statt „rassische“ Hybridisierung als biologisch gegeben anzunehmen, kann sie auch als Teil eines paradoxen Mythos der Moderne begriffen werden, in der durch naturwissenschaftliche Aufklärungsversuche rassenkonstruktivistische Diskurse
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konstituiert wurden. Denn die Idee der „Rassenvermischung“ setzt zwingend die Existenz von unterschiedlichen „Rassen“ voraus, die zu diesem Zweck mit scheinbar „wissenschaftlichen“ Methoden erfunden werden mussten. Auch heute fungiert das Hybride als moderne Chiffre eines tief verwurzelten Rassenfetischismus, der einer exotischsexualisierten Faszination entspringt, in der „rassische“ nun zu ethnischkulturellen Differenzen transformiert werden, um weiterhin als surreales Konsum- und Projektionsspiel mit hyperrealistischen Machteffekten realisiert zu werden. Von herausragender Bedeutung für das lange Zeit vorherrschende Verständnis der „Bastardbildung“ war der rassentheoretische Streit zwischen Vertretern der Monogenese und Polygenese, der seit dem 16. Jahrhundert im vollen Gange war. Bald nach der „Entdeckung“ Amerikas entspann sich in ganz Europa ein Disput, in der bekannte Intellektuelle wie Paracelsus (1493-1541), Giordano Bruno (1548-1600) und Christopher Marlowe (1564-93) die Zugehörigkeit der „Indios“ zur Menschheit mit dem Argument anzweifelten, dass sie nicht vom biblischen Adam abstammten. Zwar konnte Bartholomé de Las Casas in den berühmten Streitgesprächen mit Juan Quevedo, Bischof von Kolumbien (1519), und dem Franziskaner Juan Ginés de Selpúveda (1550) sowohl die spanische Krone als auch die Mehrheit der katholischen Kirche von der Menschlichkeit der Indigenas überzeugen. Dieses Zugeständnis fiel um so leichter, da es kaum praktische Konsequenzen auf die koloniale Ausbeutungspolitik hatte. Dessen ungeachtet hielt sich das Wunschdenken an die Polygenese hartnäckig (vgl. Geiss 1988: 145). Insbesondere hatten die heute kaum noch bekannten Bücher von Isaac de La Peyrère (1596-1676) und François Bernier (1620-1688) mit ihren polygenesischen Thesen „im 17. Jahrhundert einen ungeheuren Einfluss“ (vgl. Poliakov et al. 1979: 71).2 Bei dieser eurozentristischen Diskussion ging es zum einen um die Definition der Menschheit und zum anderen um die jeweilige Verortung der neu erfundenen „Rassen“ inner- oder 2
Neben der religiös motivierten Polygenese, die auf die prä-adamitische Hypothese in „Men Before Adam“ (1656) von Isaac La Peyrère zurückgeht, wurde der Glauben, dass die menschlichen „Rassen“ unterschiedlichen Ursprungs seien, im 19. Jahrhundert vor allem durch auch heute noch hochangesehene Naturwissenschaftler wie Samuel George Morton (1799-1851) und Louis Agassiz (1807-1873), die sich offen zum Rassismus und zur Sklavenhaltung bekannten, popularisiert (Young 1995: 128135). Extreme Vertreter/-innen der Polygenese behaupteten sogar, dass die unterschiedlichen „Menschenrassen“ verschiedene biologische Arten angehören würden. Indem die biologische Einheit der Menschheit negiert wurde, sollte die rassistische Unterdrückung von People of Color naturalisiert und moralisch legitimiert werden.
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außerhalb der menschlichen Gattung. Während die Monogenese von der wesensmäßigen Einheit der Menschheit ausging, vertraten ihre Widersacher die Position, dass die Menschheit sich zumindest in mehrere Arten, wenn nicht gar in Menschen und Menschenähnliche aufspaltete (vgl. ebd: 65-72). Nun wäre es sicherlich eine problematische Übervereinfachung, diese historische Debatte als eine Auseinandersetzung zwischen Rassisten und ihren Gegnern zu interpretieren. Wie die wenigsten Kontroversen war auch diese keine rein wissenschaftliche, da Rassifizierungspraktiken immer maßgeblich mit ideologischen, politischen und ökonomischen Interessen verkettet sind. Dieser Streit betraf direkt das Weiße Selbstverständnis als höherwertige und zum Herrschen geborene „Rasse“ bzw. Menschenart. Die Begründungen, die die Mono- und Polygenese für den globalen Machtanspruch Europas fanden, waren jeweils andere, aber beide Positionen gingen wie selbstverständlich von der eigenen Überlegenheit aus. Der wirkliche Unterschied lag darin, dass nach der Monogenese biologische Differenzen zwischen menschlichen Großpopulationen keine Unterschiede zwischen verschiedenen Arten, sondern „Rassenunterschiede“ innerhalb einer Art begründeten. Damit blieb die (biologische) Einheit der Menschheit zwar formal gewahrt. Aber die Monogenese besagte weder die grundsätzliche Gleichheit noch die soziale und kulturelle Gleichwertigkeit aller Menschen. Als Prinzip der „rassischen“ Differenzierung legte sie gerade im zeitgenössischen Kontext des sich entfaltenden Kolonialzeitalters eine rassistische Hierarchisierung nahe. Zu diesem Zweck wurden physische und kulturelle Unterschiede zunächst vielfach überbetont, verallgemeinert, z. T. aber auch schlicht erfunden, dann als kollektiv imaginiert und anschließend als weitgehend unveränderlich nach „rassischen“, ethnischen und später nationalen Kategorien festgeschrieben, um sie letztlich nach eurozentrischen Maßstäben zu bewerten. Durch das selbst geschaffene „Recht des rassisch Stärkeren und Edleren“ konnten wiederum rassistische Praktiken legitimiert werden, die die gewaltsame Durchsetzung entsprechender Gesellschaftsordnungen, Machtverhältnisse und Arbeitsteilungen nach sich zogen. Diese historische Entwicklung korrespondierte mit jener klassischen Denkweise, die sich als biologischer Rassismus über mehrere Jahrhunderte hinweg in westlichen Gesellschaften als offizielle Politikdoktrin durchgesetzt hatte. Im Vergleich mit dem polygenesischen Denken stellte die Monogenese eine modernere Fassung dar, da sie nicht mehr auf die Beibehaltung von Sklavengesellschaften fixiert blieb, sondern die unterschiedlichen Praktiken rassistischer Diskriminierungen mit einer globalen Entwicklung synchronisierte, die die Herausbildung von kapitalistischen Produktions-
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und Austauschverhältnissen innerhalb wie zwischen nationalstaatlich organisierten Kolonialmächten dynamisierte. Obwohl die Unterscheidung zwischen Mensch/Tier versus Mensch/ minderwertiger Mensch streng genommen eine kategorische ist, waren die daraus abgeleiteten Konsequenzen eher graduell. In der Praxis der kolonialen Sklaverei erwiesen sich die postulierten Gegensätze zwischen Mono- und Polygenese als weit weniger konträr. Sie gingen vielmehr oft ineinander über, so dass es sich mehr um verschiedene Formen des biologistischen Rassismus handelte. Nicht zuletzt bestand eine Kompromissformel, in der die imaginierten Anderen als menschenähnliche Tiere oder animalische Menschen verhandelt wurden. In Bezug auf die überseeische Kolonialpolitik stützten beide Rassentheorien den universalen Machtanspruch Europas ab, indem sie das Humane entweder als ausschließliches Qualitätsmerkmal der Weißen „Rasse“ monopolisierten oder eine Rangordnung menschlicher Existenzen herstellten. Hinter beiden Normsetzungen verbarg sich die Idee, dass die eigentliche bzw. wahre Menschheit nur durch „Europäer“ repräsentiert werden könnte, während die Anderen – gewöhnlich abhängig von ihrer Hautfarbe – in unterschiedlicher Weise als minderwertig ausgegrenzt wurden. Besonders abgewertet wurden in diesen biologistischen Diskursen Afrikaner/ -innen, denen keine menschliche Würde zugestanden wurde und die immer wieder aus der Menschheit ausgeschlossen wurden. Auch Frantz Fanon hebt den Aspekt der Vertierung des Kolonisierten bei seiner Analyse des Kolonialdiskurses hervor: „Tatsächlich ist die Sprache des Kolonialherrn, wenn er vom Kolonisierten spricht, eine zoologische Sprache. Man macht Anspielungen auf die kriegerischen Bewegungen des Gelben, auf die Ausdünstungen der Eingeborenenstadt, auf die Horden, auf den Gestank, auf das Gewucher und Gewimmer, auf das Gestikulieren. Wenn der Kolonialherr genau beschreiben und das richtige Wort finden will, bezieht er sich ständig auf das Tierreich“ (Fanon 1981/1961: 35).
In ihrem Kern war die Polygenese eine zutiefst rassistische Allmachtsphantasie, die auf einer exklusiven Herrenrasse-Ideologie gründete und People of Color bestenfalls den Status von „Untermenschen“ zugestand. Ihr elitäres Weltbild lief auf eine weltbeherrschende Stellung der Weißen hinaus, obwohl oder gerade weil diese im globalen Verhältnis nur eine kleine Minderheit bildeten. Als Triebfeder der Polygenese spielte das fundamentale Interesse an der Fortführung der profitträchtigen Sklavenökonomie auch im anbrechenden Industriezeitalter eine nicht zu unterschätzende Rolle. Für eine Diskussion der Rentabilitätsfrage der
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kolonialen Sklavenwirtschaft in der Phase ihrer Industrialisierung siehe Piet Emmer (1992: 74ff.), der unter Verweis auf neuere Studien den von liberalen Theoretikern wie Adam Smith unterstellten ökonomischen Zwang zur Umstellung auf Lohnarbeit aus Rentabilitäts- und Wettbewerbsgründen verneint. Trotz aller Widerstände und Überwachungskosten waren die Profitraten für die Sklavenhalter/-innen so hoch, „dass die Abschaffung der Sklaverei in ökonomischer Hinsicht kein Vorteil war“ (ebd: 76). Ältere Arbeiten wie die von Gustavo Beyhaut (1998/ 1965: 90-95) vertraten eine gegensätzliche Sichtweise. In einer Zeit, in der die Idee der Menschenrechte als universelles, angeborenes und unveräußerliches Naturrecht zu einer relevanten politischen Kraft wurde, versuchten Profiteur/-innen der Zwangsarbeit die Sklavenhaltung als Teil der natürlichen Arbeitsteilung zu verewigen. In ihrer Haltung fühlten sich die Versklavungsbefürworter/-innen durch viele philosophische Aufklärer bestätigt, die zwar als Vorkämpfer/-innen der bürgerlichen Demokratie und Menschenrechte in Europa hervortraten, diese Prinzipien jedoch problemlos mit Rassismus und Sklavenhaltung kombinierten. Indem sie Schwarze nicht als freie Menschen, sondern einfach als geborene Sklaven/-innen definierten, wurde die westliche Moderne Befürworter und Gegner des Rassismus zugleich. Voltaire, der besonders drastisch die Ambivalenz des humanistischen Zeitgeistes seiner Epoche verkörperte, ist für diese Haltung ein gutes Beispiel. Als überzeugter Vertreter der Polygenese behauptete Voltaire daher: „Es gibt in jeder Menschenrasse wie bei den Pflanzen ein Prinzip, das sie differenziert. Diesem Prinzip hat die Natur die verschiedenen Grade von Intelligenz und Charakter untergeordnet, die sich so selten ändern. Deshalb sind die Neger Sklaven der anderen Menschen.“3 (zit. nach Poliakov et al. 1979: 77)
Bereits Bartholomé de Las Casas (1474-1566) stellte unter Beweis, wie leicht europäischer Rationalismus mit selektiver Humanität und rassistischer Hierarchisierung in Einklang zu bringen war. Um die „guten Wilden“ Lateinamerikas, die er als seine unschuldigen und schwachen „Missionskinder“ in Obhut nahm, zu schützen, unterstützte er die Forderung, afrikanische Sklaven/-innen als Ersatzarbeitskräfte in den Plantagen und Bergwerken auszubeuten (Konetzke 1998: 75f.). Auch die Antwort auf die Frage, warum Thomas Jefferson (1743-1826) sowohl an 3
Anders als von Voltaire intendiert, war der Begriff „Neger“ tatsächlich das Produkt der Versklavung: „The word Negro was manufactured during the Atlantic Slave Trade […] No free Africans were called Negroes; they got that name only after being enslaved.“ (Robinson 2001: 332)
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die Ideale der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die er selbst verfasste, als auch an die von ihm praktizierte Sklavenwirtschaft glauben konnte, „scheint einfach: Die Neger waren keine Menschen – zumindest im Sinne der bürgerlichen Menschenrechtserklärungen! Ihre ‚Entmenschlichung‘ erfolgte mit Hilfe der Wissenschaft, in diesem Falle der entstehenden Ethnologie und Anthropologie“ (Ruf 1989: 67).4
Edward Long, der die Polygenese vertrat und als Sklavenbesitzer die kolonialen Sklavengesellschaften der Karibik verteidigte, publizierte 1774 in drei Bänden seine einflussreiche Version der „History of Jamaica“, deren rassistische Grundthesen Jefferson vermutlich kannte. Dieses Buch „wirkte epochemachend“ (Geiss 1988: 159), da es mittels biologischer Konstrukte über das vermeintliche „Wesen der Schwarzen“ ihre inferiorisierte Stellung in ein unveränderliches und von Gott gewolltes Naturverhältnis umwandelte. Gesellschaftliche Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse und ihnen zugrunde liegende Weiße Imaginationen des Schwarzen erschienen so durch höhere Metainstanzen wie Gott, Natur oder Schicksal unabänderlich wie gerechtfertigt zugleich. Schwarze waren für Long keine Menschen, daher stellte er das Kapitel „Negroes“ mitten in den landeskundlichen Teil, wo er die Flora und Fauna Jamaikas beschrieb. In seinem aufgespaltenen Menschenbild bildeten Schwarze ein Zwischenstadium zwischen Mensch und Menschenaffen, so dass Schwarze als geborene Sklaven/-innen prädestiniert erschienen, Arbeitstiere zu sein. Das Kapitel „Negroes“ wurde 1788 in der US-Zeitschrift „Columbia Magazine“ nachgedruckt. Da entsprechende Ressentiments bereits existierten, fanden Longs Ansichten über „animalische Schwarze“ weite Verbreitung und große Zustimmung. Gerade im Süden der USA, wo Ökonomie und Gesellschaftsordnung wie in Jamaika auf Versklavung aufbauten, prägten sie nachhaltig die spezifisch biologistische Form des anti-schwarzen Südstaaten-Rassismus (vgl. Geiss 1988: 159-160; Young 1995: 7-8, 150-151).
4
Wie die Französische und besonders offensichtlich die Amerikanische Revolution zeigten, galten die Menschenrechte zunächst nur für Weiße bürgerliche Männer. Erst durch die Kämpfe der Ausgeschlossenen wurde ihr Geltungsbereich allmählich ausgeweitet. Zwar entfalteten die Menschenrechte als Idee eine ungeheure politische Dynamik, die sich über ihre unmittelbaren Resultate hinaus auswirkte. Ihre historische Wirkungsmächtigkeit lag aber weniger in der Idee selbst, als in der Art und Weise, wie Unterdrückte sich auf die Menschenrechte beriefen, um sie allmählich als unhintergehbare Rechtsnorm für alle zu etablieren.
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Die heimliche Unheimlichkeit des „Bastards“ Die Ideengeschichte des Rassismus wurde auch immer von einer soziokulturellen Entwicklungsgeschichte begleitet, in der das Hybride vor allem als „Rassenmischling“ oder „Bastard“ in Erscheinung trat. In kolonialen Sklavengesellschaften wurde der hybride „Bastard“ als nicht anerkanntes „Mischlingskind“ oft unter Zwang durch Vergewaltigungen erzeugt. „In der Conquista waren Raub und Vergewaltigung indianischer Frauen häufig […] Nicht wenige Frauen und Mädchen wurden nach Kriegsrecht als Beute den spanischen Soldaten zugeteilt oder durch Kauf als Sklavinnen erworben […] Solche Indianerinnen unterstanden völlig der Verfügungsgewalt ihrer weißen Herren“ (Konetzke 1998: 89).
Schwarzen Frauen erging es in dieser Hinsicht sehr ähnlich, da sie durch ihren Sklavinnenstatus prinzipiell nicht als Menschen, sondern durch ihren Objektstatus als zu benutzende Werkzeuge galten. „Die schwarze Sklavin hatte ihrem Herrn auch in sexueller Hinsicht gefügig zu sein. Die Casa grande, das Herrenhaus der Plantagenbesitzer, war die Stätte vieler Rassenmischungen“ (ebd.: 94).5 Leider sind die Ausführungen und Schlussfolgerungen von Konetzke an anderen Stellen haarsträubend und rassistisch durchsetzt. Das wiegt bei einem wissenschaftlichen Standardwerk besonders schwer, wie diese Beispiele zeigen: „Auf dem Andenhochland ist das Negerelement im Laufe der Zeit weitgehend eliminiert worden […] Die geflüchteten Neger bedeuteten eine stete Gefahr für Leben und Eigentum der Reisenden […] und verübten verschiedene Mordtaten. Auf der Landenge von Panama […] waren die geflohenen Sklaven zu einer besonders schlimmen Plage geworden […] Die Bewohner der Hafenstadt Nombre de Dios mussten bei Tag und Nacht Wachen gegen die Neger aufstellen [… und ließen einen] Feldzug gegen diese Negerbanden durchführen“ (ebd.: 82).
Der Autor dieser Zeilen ist kein geringerer als Richard Konetzke (geb. 1897), der langjährig als Professor für Iberische und Lateinamerika5
Eine literaturwissenschaftliche Studie über Selbstzeugnisse versklavter Frauen im Süden der USA berichtet: „Virtually every known nineteenthcentury female slave narrative contains a reference to, at some juncture, the ever-present threat and reality of rape“ (Darlene Clark Hine (1992): „Rape and the Inner Lives of Southern Black Women“. In: V. Bernhard/B. Brandon/E. Fox-Genovese/T. Perdue (Hg.): Southern Women. Columbia: Missouri UP zit. nach Robinson 2001: 350.
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nische Geschichte an der Universität Köln bis Ende der 1960er Jahre wirkte. Zu seiner Zeit galt er als einer der renommiertesten Gelehrten seiner Zunft. Unter anderem als Autor von „Süd- und Mittelamerika I“ in der viel beachteten Reihe „Fischer Weltgeschichte“ und Verfasser des entsprechenden Kapitels in der weitverbreiteten „Propyläen-Weltgeschichte“ (Konetzke 1960-1964) dürfte er das Lateinamerikabild des deutschen Bildungsbürgertums in den letzten Jahrzehnten wesentlich mitgeprägt haben. Seine Ausführungen verraten an dieser Stelle nicht nur seine eurozentristische Perspektive, sondern sind elementar kolonialrassistisch. Zum einen werden Schwarze Menschen, die sich selbst aus der Sklaverei befreit hatten, mit einer animalischen Bedrohung gleichgesetzt; zum anderen versucht er die mörderische Gewalt Weißer Bürgermilizen in einer extrem ausbeuterischen Kolonialgesellschaft zu rechtfertigen, in dem Schwarze Widerstandspraktiken dekontextualisiert als „Mordtaten“ gebrandmarkt werden. Auf diese Weise werden freie Schwarze umstandslos als gefährliche „Negerbanden“ kriminalisiert. Dass er in diesem Zusammenhang ausgerechnet die Redeweise von der Eliminierung des „Negerelements“ verwendet, kann durchaus als eine Weiße Vernichtungsphantasie interpretiert werden, die fatalerweise an anti-semitische und anti-kommunistische Rhetoriken zur Auslöschung „jüdisch-bolschewistischer Elemente“ im Dritten Reich erinnern. Allerdings wäre es verfehlt Konetzkes Sichtweise und Sprachduktus zu seiner Zeit als außergewöhnlich zu betrachten. Sie entsprach vielmehr der damaligen wissenschaftlichen Norm. Auch die in 10 Bänden erschienene „Propyläen-Weltgeschichte“ (1960-1964), die bis heute als herausragende Geistesleistung einen sicheren Platz im Pantheon der deutschen Nationalkultur beanspruchen darf, operierte trotz ihres kosmopolitischen Anspruchs, der in seiner eurozentristischen Universalität eher neokoloniale Züge trug, in einem offen eurozentristisch-rassistischen Diskursfeld. Bezugnehmend auf den „große[n] Max Weber [...] der [den Gedanken] die Schlacht von Marathon und eine Prügelei zwischen zwei Kaffern- oder Indianerstämmen gleich werte[n zu wollen], [... als] ‚eben kindlich‘ [abtat]“ (Mann 1960-1964: Bd. 8, 26), nahm der Herausgeber Golo Mann die Auslassung der Geschichte Afrikas als grundsätzlichen Widerspruch billigend in Kauf: „Unbestreitbar bedeutet diese Methode einen Rückfall in die alte Europazentrik, von der wir uns befreien wollten“ (ebd.). Die Aufnahme der Geschichte Afrikas in diesem Band wäre seiner Meinung nach wissenschaftlich nicht notwendig, sondern erklärt sich daraus, dass „auch ein künstlerischer Gesichtspunkt im Spiele war. Es erschien wünschbar, in die Einheit unseres fast ausschließlich mit der modernen europäisch-amerikanischen Welt sich befassenden Bandes eine ganz andere Farbe zu bringen, das Exotische,
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Primitive noch einmal aufleuchten zu lassen, ehe es von den auflösenden Kräften der Zivilisation erfaßt wird“ (ebd.: 27). In dieser Reihe wurde auch der frühere NS-Rassenhygieniker und damalige Göttinger Professor für Anthropologie Gerhard Heberer (19601964) eingeladen, sein Menschenbild auszubreiten. Sein Text fügt sich harmonisch in ein ideologisches Gerüst ein, das auch in anderen Beiträgen von einem oftmals gänzlich unhinterfragten biologischen Rassendiskurs ausgeht. Neben der nahezu durchgängigen Verwendung des kolonialen „Neger“-Begriffs in dieser Reihe fallen Beiträge, etwa die eines Sorbonne-Professors für deutsche Literatur, der eigentlich auf Hölderlin spezialisiert ist und durch seine Laufbahn als Kolonialbeamter zu einem „Kenner und Liebhaber Afrikas“ (Mann 1960-1964: Bd. 8, 27) geworden sei, besonders unangenehm auf. Unter der Überschrift „Der geschichtslose Kontinent“ bemüht sich Pierre Bertaux das koloniale Stereotyp zu wiederholen, welches Afrika kulturell und geschichtlich als unterentwickelt ansieht. Seine klassisch kolonialistische These lautete, dass Afrika erst durch Europa in die Geschichte eingetreten wäre und darin eine Stellung hätte: „Bis zum Kommen der Europäer ist die Geschichte Afrikas in Wirklichkeit eine Vorgeschichte, etwa wie die Vorgeschichte Europas vor Beginn der Hochkulturen oder abseits von ihnen. [...] und man kann sagen, daß die zur Geschichte erwachenden Aschanti ungefähr auf der gleichen Stufe wie die in das Römische Reich einbrechenden Goten oder Franken stehen. [...] Erst die Berührung mit Europa hat Afrika langsam in die Geschichte eingefügt“ (Bertaux 1960-1964: Bd. 8, 656-7).
Die Geschichte der Konstruktion Afrikas als „dunkler“ und „geschichtsloser“ Kontinent geht auf die kolonialistischen Urteile jener bürgerlichen Aufklärer zurück, die den Terror einer gespaltenen Vernunft, den Ausschluss des Anderen aus der Vernunft zur Schattenseite eines eurozentrischen Universalismus erhoben. Diese historische Verkettung im Zeitalter der anbrechenden „Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära“ (Marx) hatte im Glauben an die eigene Rationalität Europa zum einziggültigen Ziel eines evolutionären Zivilisationsprozesses erklärt. Das ideologische Terrain des kolonialistischen Expansionismus wurde maßgeblich durch eine fortschrittsergebene Aufklärung vorbereitet. Während Hume, Voltaire, Kant, Hegel und andere „Masterminds“ den Weltenlauf im Takt des Eurozentrismus im Geiste kultivierten, setzte der Kolonialismus als praktische Fortsetzung dessen die „zivilisatorische Mission im Dienste der Menschheit“, die Erziehung zur (Zwangs-)Arbeit, in die Tat um. Zur Geschichte der europäischen Aufklärung gehören auch ihre
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Verbrechen insbesondere gegenüber Afrikaner/-innen, die wie selbstverständlich als minderwertig und geschichtslos gebrandmarkt wurden. In der Hegelschen Diktion wurde dieser Rufmord laut: „Jenes eigentliche Afrika ist, soweit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das jenseits des Tages der selbstbewußten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist“ (Hegel 1970: 120 zit. nach Melber 1989: 33).6
Angesichts solch umfassender Epistemologien der Hierarchisierungen standen am Anfang hybrider Existenzen die traumatischen Erfahrungen der transkontinentalen Verschleppung afrikanischer und die Entrechtung indigener Gemeinschaften, die auf lokaler Ebene mit den persönlichen Folgen sexueller Gewalt und Missachtung gegenüber Schwarzen und indigenen Frauen einhergingen. Wie Sabine Broeck im Anschluss an Robert Youngs Lesart von Hybridität als „colonial desire“ (1995)7 eindringlich hinweist, ist bei erzwungenen Formen der ethnisch-kulturellen „Vermischung“ die existentielle Frage nach Grenzverletzung in einem sehr elementaren und konkreten Sinne nämlich als Verfügungs- und Definitionsgewalt zu beachten: „As Young so articulately argues, hybridity is a concept whose genealogy we cannot afford to forget; its name cannot be metaphorically transferred into other cultural realms unproblematically. Even if, as Young also concedes, the term might be used in all good (and progressive) faith, the referential grounds of the metaphor remain laid out in (enforced) breeding, or mis-breeding, precisely in miscegenation and, more often than not, in a dispossession of generations.“ (Broeck 2007: 48)
Ohne die Berücksichtigung dieser geschichtlichen Perspektive ist kein kritischer Hybriditätsdiskurs möglich, da die historischen Stimmen der Opfer ansonsten erneut abgewertet werden. Ihre übergangenen Lebensgeschichten zu bedenken, ihre Leiden, aber auch eine Würdigung ihres Widerstandes gegen koloniale Autoritäten – all das findet sich in der deutschen Rezeption des postkolonialen Diskurses über Hybridität nur 6
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Siehe auch die Arbeiten von Brantlinger (1985) und Pratt (1985), die dem Mythos des „dunklen Kontinents“ in der europäischen Wahrnehmung Afrikas nachgehen. Vgl. zu einer Archäologie des afrikanischen Wissens auch Masolo (1992) und Oluwole (1992), die beide die Geschichte und Modernität afrikanischer Philosophie herausstellen. Vgl. hierzu auch Anne McClintocks grundlegende Arbeit „Imperial Leather: Race, Gender, and Sexuality in the Colonial Contest“ (1995).
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selten. Dabei ist die Macht, Leben zwangsweise zu zeugen, den Körper des Anderen zu öffnen und notfalls mit brutaler Gewalt über seine/ihre Reproduktionskraft zu verfügen, dem Hybriditätsphänomen immanent. Hybridität war und ist auch immer mit den unterschiedlichen Formen von Herrschaft und Ausbeutung verbunden. Gerade die Metaphern der Verschmelzung und Grenzüberschreitung im Hybriditätsdiskurs können nicht ohne diese Machtdimensionen gedacht werden. Während „hýbris“ und „hybrida“ in der Antike noch Teil einer göttlichen Ordnung waren, wurde mit der zunehmenden Säkularisierung, Rationalisierung und Verwissenschaftlichung der Welt diese zu einer natürlichen bzw. biologischen Ordnung transformiert, deren festgefügte Asymmetrien und Ordnungskategorien nicht überbrückt werden sollten. Im Gegensatz zur Antike, wo noch das ungleiche Verhältnis zwischen Menschen und Göttern den Ausgangspunkt bildete, stilisierten sich die europäischen Eliten nach 1492 in den Kolonialreichen bis Mitte des 20. Jahrhunderts immer ungenierter als moderne Götter in Weiß.8 Währenddessen wurden die außereuropäischen Anderen spiegelbildlich zur Globalisierung Europas als Unterlegene angesehen, die allenfalls als „gute Wilde“ tragische Helden sein durften. Die in der Antike und im Mittelalter gepflegten Ängste vor Inferiorität und Dysfunktionalität, aber auch der vermutete Verlust von Authentizität und Wahrhaftigkeit, Anstand und Sitte erfuhren im Bild des rassifizierten „Bastards“, der durch die einsetzenden kolonialen Rassendiskurse von europäischen Intellektuellen ab dem 16. Jahrhundert als narrative Figur kreiert wurde, eine epistemologische Aktualisierung und Verschärfung (vgl. Young 1995: 90-158). Nun tauchte die kulturellreligiös und sozial codierte „Bastardisierung“ in Form des abgewerteten und gleichzeitig so begehrenswerten „rassisch“ Anderen aus der Versenkung des kollektiven Kulturgedächtnisses Europas im Zuge seiner kolonialen Globalisierung wieder auf. Mit der Erfindung von Rassenkategorien für Menschen unterschiedlicher Hautschattierungen und geographischer wie kultureller Herkünfte wurde die biologische „Rassenvermischung“ als regressiver „Bastardisierungsprozess“ begriffen. 8
Die Kolonialisierung weist deutliche Formen der Hybris auf. Durch die Überzeugung, dass der europäischen Zivilisationsform die globale Machtdominanz aufgrund ihrer beispiellosen Qualität legitimerweise zusteht und durch ihre göttliche Zivilisierungsmission der gesamten Menschheit dient, wurde der unübersehbare Kolonialterror zu einer pädagogischen Tugend uminterpretiert. Erst die Erziehung zur Arbeit im europäisch-modernen Sinne, die als Grundlage jeglicher Kulturleistung und zivilisatorischen Lebens ideologisiert wurde, würde die außereuropäischen „Wilden“ und „Heiden“ als gottesfürchtige Geschöpfe und damit überhaupt als Menschen erschaffen (vgl. etwa Gronemeyer 1991).
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Der „Mischling“, seine unreine Hybridität, die sich dem kategorischen Imperativ der „Rassengrenze“ zu entziehen droht, sie als strukturierendes Machtelement gleichzeitig unterhöhlt und überschreitet, wird daher zur Allegorie des Bösen (vgl. Stoler 2002: 79-111). „Métissage was first a name and then made a thing. It was so heavily politicized because it was understood to destabilize both national identity and the Manichaean categories of ruler and ruled. The cultural density of class, gender, and national issues that it invoked converged in a grid of transgressions that touched the nerves of both metropolitan and colonial politics.“ (Stoler 2002: 110)
Im Gegensatz zur Erscheinung des ungebändigten Antichristen, der im Kolonialdiskurs seine Auferstehung erlebt, um ihn durch kirchliche Missionierung und notfalls gewaltsame Zivilisierung zu retten, war der hybride „Rassenmischling“ ein innerer Intimfeind, der nicht in äußerlicher Opposition zum Kolonialherrn und seiner Kultur gedacht werden kann. Paradoxerweise ist es daher nicht – wie sonst im Rassismus üblich – die Andersartigkeit, sondern die kulturelle und physische Ähnlichkeit des Hybriden, die zu seiner Pathologisierung im Kolonialdiskurs führt. Genau diese Verwechselbarkeit des Kolonialisierten mit dem Kolonialisierenden, die in der afroamerikanischen Literaturtheorie als passing bezeichnet wird (vgl. Wald 2000; Ahmed 1999), ist für die abgründige Gefährlichkeit des „Mischlings“ verantwortlich. Obwohl die rassistische Doppelmoral die „Rassenvermischung“ bis zur jüngsten Vergangenheit als eine „Schandtat“ gegen die vermeintliche menschliche Natur betrachtet, in der das „Niederträchtige“ die Grenze zum göttlich oder natürlich „Erhabenen“ überschreitet, war die gewalttätige Lust an der sexuellen Verfügbarkeit von Women of Color im Kolonialkontext immer präsent. Diese Ökonomie des Begehrens vereinigte sich mit der Angst, Weiße Interessen zu unterminieren. Die Furcht vor einer Zersetzung christlicher Symbole, kolonialer Kulturpraktiken und Weißer Machtinsignien mit lokalen indigenen Elementen löste sozial-pathologische Ängste vor Identitätsverlust und Phantasien über Verfälschung und Verschmutzung der europäischen „Mutterkultur“ aus, die in ihrer Überlegenheit als bedroht angesehen wurde (Bhabha 2000: 125136). Die Befürchtungen beruhten auf dem Grundsatz, dass die Stärke und Güte der europäischen Kultur und der „weißen Rasse“ von ihrer Reinheit abhinge. Im Zuge der historischen Entwicklung der kolonialen Moderne wurde diese essentialistische Annahme immer mehr zu einem unhintergehbaren Dogma, das sich spätestens im langen 19. Jahrhundert durch das Aufkommen nationalistischer Ideologien und einer rassistisch
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ausgerichteten Anthropologie zu einem politischen und wissenschaftlichen Paradigma verfestigte. Der hybride Mensch wurde in kolonial-rassistischen Gesellschaften als „Rassenmischling“ aus der Neuen Welt vorgestellt. Er repräsentiert in diesem Kontext eine paradoxe Figur, in dem sehr unterschiedliche Bilder sich in ihm verbinden, die gegensätzliche Bedürfnisse befriedigen (vgl. Stoler 1995 und Stoler 2002). Je nach Gebrauchswert, Funktionalität oder zugeschriebener Ästhetisierung, die sich im Laufe der Zeit abhängig von den vorherrschenden Gesellschafts- und Produktionsverhältnissen in den lokalen Kontexten immer wieder veränderten, war Hybridisierung meist doppeldeutig codiert. In Abwandlung rassistischer Stereotype hat etwa der brasilianische Soziologe Gilberto Freyre, der der Militärdiktatur und Oligarchie nahestand, die „Rassenvermischung“ als Segnung der Kolonialisierung glorifiziert. In „Herrenhaus und Sklavenhütte“ (1933/1964) mystifiziert er die „Mulatten“ als herausragenden Bestandteil der Nationalidentität Brasiliens. Sie wären ein überlegener Menschentypus, weil sie aus der „Vereinigung der Rassen und Kulturen“ hervorgegangen seien (vgl. Soentgen 2000: 21-23; Nunez 1994: 118-120). Patricia Mohammed berichtet in ihrem Artikel „But most of all mi love me browning“, dass der ursprünglich abwertende Begriff „mulatto“ sich zum Teil neutralisiert hätte (Mohammed 2000: 25) und die kulturelle Repräsentation der „mixed-race woman“ im Laufe der historischen Entwicklung auf Jamaika sich vom Bild der „tragic mulatta“9 inzwischen zu einem neuen Schönheitsideal gewandelt hätte: „The original nomenclatures such as sambo, musteephino, mulatto, creole, etc. have been replaced at present to include terms like brown skin, mulatto, clear skin, light skin, red-nigger, dougla and browning. The title of the article comes from a contemporary dancehall song in Jamaica in which the black singer, Buju Banton, unwittingly echoes an unspoken yet shared notion of female desirability in the Caribbean: a preference for ‚brown‘ as opposed to black women or unmixed women.“ (Mohammed 2000: 22)
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Der „tragic mulatto“ bzw. die „tragic mulatta“ ist eine stereotypische Figur in der US-amerikanischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Wahrscheinlich wurde das Bild der durch gesellschaftliche Schranken zum Scheitern verurteilten und oftmals suizidgefährdeten „mixed-race“Protagonist/-innen erstmals in der Erzählung „The Quadroons“ (1842) von Lydia Marie Child geprägt. In der Folgezeit entstand ein Genre, in der die uneindeutige „rassische“ Identität, die für andere nicht notwendigerweise sichtbar war, als existenzbedrohendes Stigma mit schicksalhafter Bedeutung für die Betroffenen gedeutet wurde. Vgl. etwa Raimon (2004).
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Historisch betrachtet, war eines der eigentümlichsten Merkmale des „Bastards“, dass er immer heimlich und unheimlich zugleich ist. Als unehelicher „Bastard“ wurde er regelmäßig verleugnet, und doch war er in seiner Zwischenposition vergleichsweise „privilegiert“, da er in Relation zu den gewöhnlichen Sklaven/-innen oft besser behandelt wurde, oft Haus- statt schwere Feldarbeit verrichten durfte und am ehesten noch die Chance zur formalen Bildung besaß. Im Gegensatz zu den „rein“ Schwarzen Sklaven/-innen lebten „Mischlinge“ eher mit der Aussicht, nach dem Ableben des Sklavenherrn mehr Freiheit zu erlangen. Viele Sklavenhalter zeigten auf diese Art ihre väterlichen Gefühle, die sie ansonsten zeitlebens verbargen. In der Frühphase der kolonialen Sklavenzeit gab es auch Perioden, in denen „Rassenmischlinge“ generell als freie Menschen geboren wurden. Ihre bloße Existenz wie auch ihre wachsende Zahl drohte jedoch die dichotomische Aufteilung in Weiße Herrschaften und Schwarze Diener/-innen in Frage zu stellen. Um die versklavten Bevölkerungsgruppen stabil zu halten, wurde um 1660 in den britischen Kolonien Nordamerikas das Abstammungsrecht vom Weißen Herrn auf die Schwarze Sklavin umgestellt, so dass auch „Mischlinge“ legal als versklavte Menschen geboren wurden. In Lateinamerika, wo es prozentual gesehen weniger Schwarze Sklaven/-innen gab und „Mischlinge“ hauptsächlich als freie Mestizen/-innen mit europäisch-indigenen Herkünften geboren wurden, war die Angst der Europäer/-innen vor einer Schwarzen Unterwanderung der Kolonialgesellschaft weniger präsent (vgl. Geiss 1988: 126-131). Hybridität spiegelt auch immer die doppelte Moral des Rassismus wider, der einerseits „bi-rassische“ Ehen und Lebensgemeinschaften im Sinne einer strikten „Rassentrennungspolitik“ ablehnt, diese andererseits doch inoffiziell duldet.10 Die so genannte „Zweitfamilie“ fand ihren Platz nicht im repräsentativen Herrenhaus, sondern in der Sklavenhütte, wo sie als „Brutstätte“ einer ominösen Schattengesellschaft langfristig die „rassischen“ Grundfesten der kolonialen Sklavengesellschaft zu unterhöhlen drohte. Auch in Kolonialgesellschaften, wo Ehen zwischen Weißen (Männern) und Einheimischen (Frauen) legal waren, wurden sie 10 Vgl. Peter Hulmes Aufsatz „The Locked Heart: The Creole Family of Wide Sargasso Sea“ (1994). Er liest Jean Rhys 1966 erschienene Vorgeschichte zu Charlotte Brontës berühmten Viktorianischen Frauenroman „Jane Eyre“ (1847) als postkoloniale Antwort und analysiert die familiären Beziehungen. Rhys, die weniger als eine karibische denn als eine postmoderne feministische Autorin mit mixed-race Hintergrund gilt, erzählt in ihrer Geschichte die Verwandlung und Vernichtung der kreolischen Antoinette Cosway. Am Ende ihres Lebens wird aus ihr Bertha Mason, die in „Jane Eyre“ als gefürchtete „madwoman in the attic“ gefangen gehalten wird und am Schluss in Thornfield Hall verbrennt.
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wie in Lateinamerika von der spanischen und portugiesischen Elite häufig selbst dann als „sozial herabwürdigend“ und als „Schande“ abgelehnt, wenn die Frau dem indigenen Adel angehörte. Die Ehe mit diesen Frauen war eher für rangniedrige Kolonisten interessant, die sich den sozialen Aufstieg davon erhofften. De facto wurden die meisten Mestizen/-innen unehelich geboren, da sie – wenn überhaupt – legal der „barraganía“ entstammten. Die barraganía war eine vertragliche Form des Konkubinats, das auch „freie bzw. wilde Ehe“ oder „Liebschaft“ genannt wurde. Noch weniger akzeptiert waren Ehen zwischen Weißen und Schwarzen. Obwohl es keine „sexuelle Rassenabstoßung“ gab und Europäer „sich von der Reizen der Negerin angezogen fühlten“, waren die sexuell definierten Beziehungen zu Weißen Männern, die aus allen Gesellschaftsschichten kamen, oft „temporär und irregulär“ (Konetzke 1998: 90-95). Die „Bastardisierung“ ist der in sich gebrochene Ausdruck einer komplexen Ambivalenz, in der eine widersprüchliche Ökonomie des sexuellen Begehrens, aber auch der Lustangst vor Tabubrüchen gleichzeitig wirksam ist. So ist der Reiz der heimlichen Grenzüberschreitung auch immer mit der unheimlichen Angst davor verbunden. Ebenso wie die Verachtung und Ausgrenzung Schwarzer und Indigener durch soziale und sexuelle Bemächtigungspraktiken geradezu zwanghaft in Vereinigung mündete, brachte sie auch jene „Bastarde“ hervor, die von der Weißen Gesellschaft verdammt wurden.11 Der „Bastard“ verkörpert die unersättliche Sehnsucht nach exotischen Eroberungen ebenso wie er die alptraumhaften Befürchtungen, die eigene Weiße Identität zu verschmutzen und die eigene überlegene Kultur zu verlieren, hervorruft. Das Hybride hinterfragt in seiner Ambivalenz als heimlich unheimlicher „Bastard“ sicher geglaubte „Rassenschranken“ und bedroht dadurch europäische Rassenkonstruktionen, aber auch das Weiße Selbstverständnis als Krone der Menschheitsentwicklung. Mimetische Effekte der uneindeutigen Verdoppelung kultureller Symbole unterhöhlten in bestimmten Kontexten durch Bedeutungsverschiebungen dominante Imaginationen und Repräsentationen. Als inakzeptable Form der politischen und soziokulturellen Grenzüberschreitung wurde das Hybride im Kolonialdiskurs stets pathologisiert. Im Hybriden verbinden sich daher die Geschichten kolonialer Verbrechen, rassistischer Exotisierungsphantasien und Verunreinigungsängste mit den widerständigen Praktiken kolonisierter Subjekte. Im Prozess der Hybridisierung, die selbst auch eine Form der Machtäußerung ist, sind Unterdrückungsprozesse wirksam, die
11 Die Frage der Ambivalenz kolonialer Diskurse wurde ausführlicher in Ha (1999: 130f.) diskutiert.
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aus sich selbst heraus widerständige Momente produzieren.12 So ist in der Hybridisierung eine destabilisierende Ambivalenz eingeschrieben, die gegensätzliche Momente enthält: Die gewalttätige Lust der Täter, in abenteuerlichen Vermischungsexperimenten Allmacht und Freiheit zu suchen, die temporär die selbst auferlegten Grenzen transzendiert, ist darin ebenso präsent wie existentielle Entfremdungs- und Verunreinigungsängste. Aus der Perspektive der Unterdrückten beschreibt kulturelle Hybridisierung dagegen eine Möglichkeit, die starre „Rassengrenze“ zu überschreiten, um mehr Freiheit zu erlangen. Hybridisierung repräsentiert einen Ansatz, exklusive Privilegien und Identitäten durch eine Konfrontation mit dem verdrängten und zum Schweigen gebrachten Anderen aufzulösen und die Konstrukthaftigkeit des Eigenen sichtbar zu machen. In der Uneingrenzbarkeit der kulturellen Globalisierungsdynamik sind diese disjunktiven Momente zu einer komplexen wie widersprüchlichen Konfiguration verwoben. Angesichts der z.T. gewaltvollen und schmerzlichen historischen Kontexte ist Hybridität weniger ein normativer, sondern eher ein kritisch-analytischer Begriff. Letztlich waren die abschreckenden Zuschreibungen im Bild der „Bastardisierung“ geschichtsmächtiger als die anziehenden. Die „Bastardbildung“ mobilisierte vielfältige Furcht vor einer Kreatur, deren krankhafte, hässliche wie bedrohliche Züge mythisch heraufbeschworen wurden. Kann das Hybride oberflächlich betrachtet als neutrale Metapher für die Vereinigung von Nicht-Identischem gedacht werden, lag die Betonung beim menschlichen „Bastard“ von Anfang an auf seine negativen Eigenschaften.
Rassistische Differenzierungsprobleme: „Bastarde“ als Phänomen der Pathologisierung und Dämonisierung Der „Bastard“ repräsentierte zunächst eine Form der sozialen Grenzüberschreitung, die im Verlauf der Zeit umso stärker diskreditiert wurde, je mehr seine Bedeutung „rassisch“ überfrachtet wurde. Da der „Bastard“ als Inbegriff des unehelichen, namenlosen und rechtlosen Kindes mit negativen Charaktereigenschaften galt, dessen skandalöse Herkunft ein „dunkles“ Geheimnis umwitterte, bot er sich als Sinnbild für rassistische Degradierungen des „Rassenmischlings“ an. Im Zuge dieser Ent-
12 Vgl. zu Hybridität als Widerstandspraxis grundlegend Homi K. Bhabhas Aufsatz „Zeichen als Wunder: Fragen der Ambivalenz und Autorität unter einem Baum bei Delhi im Mai 1817“ (Bhabha 2000: 151-180).
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wicklung wurde der abgewertete „Rassenbastard“ nicht nur infantilisiert, sondern auch zum Prototyp des kriminellen und pathologischen Asozialen stilisiert. Er wurde mit dem Bild einer Missgeburt konnotiert, das vor allem im kolonial-rassistischen Kontext ins Monströse übersteigert wurde. Bereits Linné hatte in seiner Rassensystematik für Menschen, die für ihn weder „Wilde“ noch europäischer Herkunft waren, die Kategorie „homo monstruosus“ erschaffen (vgl. Poliakov et al. 1979: 78). Lange bevor „Rassenhygiene“ und Eugenik Ende des 19. Jahrhundert zu einflussreichen Wissenschaftsdisziplinen wurden, existierte bereits eine weit verbreitete Glaubensansicht, dass People of Color, behinderte Menschen und Inter- wie Transsexuelle böse „Ausgeburten“ seien. Solche Denkfiguren vereinten sich im „rassischen Bastard“, der als kumulative Erscheinungsform der krankhaften Minderwertigkeit galt. Eine besonders dezidierte Position vertrat Christoph Meiners (1747-1810), der als einer der ersten westlichen Wissenschaftler den Lauf der Weltgeschichte durch einen „rassischen“ Antagonismus bestimmt sah. Als Göttinger Philosophieprofessor setzte er die akademische Diskussion über „Entartung“ durch Vermischung mit „unedlen Rassen“ in Gang (vgl. Geiss 1988: 161). Für ihn war die Verbindung zwischen Schwarzen und amerikanischen Indigenen die schlimmstmögliche Kombination. Er schrieb 1790 einen Aufsatz mit dem Titel „Von den Varietäten und Abarten der Neger“ und führte darin aus: „Den Negern gleichen die Zambi durch ihre Falschheit, verrätherische Arglist, Rachgier und Schamlosigkeit, den Americanern hingegen sind sie durch ihre Feigheit, und thierische Stummheit, oder Verschwiegenheit ähnlich“ (zit. nach Römer 1985: 27). Da solche „Ausgeburten“ von Unheil, Sünde und Bösem zeugen würden, war die Idee der „Ausmerzung“ als Strafe und Therapie bereits am Anfang der Neuzeit angelegt. „Auch für Paracelsus waren Missbildungen Zeichen des Bösen [...] Missbildungen zeigten also Charaktereigenschaften ihrer Träger an, verrieten deren moralische Defekte. Insofern waren die Stigmen der Missbildung zugleich Signaturen des Bösen. So charakterisierte der französische Wundarzt Ambroise Paré (1510-1590) die Monstren als Zeichen der Strafe für die Unzucht, Ausschweifung und Maßlosigkeit“ (Schott 1992: 13).
Im Laufe der Kolonialgeschichte wurden „Mischlinge“ umso stärker dämonisiert, je mehr sie die sichtbare Rassenschranke zu unterlaufen drohten. Das Problem war, dass viele rein äußerlich nicht mehr von Weißen zu unterscheiden waren und sie so eine Omnipräsenz entwickelten, die überall und nirgends zu verorten war. Besonders leicht wurden Mestizen/-innen mit Weißen verwechselt. Aber auch hellhäutige
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Schwarze und „Mulatten“ gingen als Weiße durch.13 Einige Gruppen wurden sogar von Weißen für besonders „rassenreine“ Weiße gehalten, wie sie selbst unter Spanier/-innen selten anzutreffen seien (vgl. Konetzke 1998: 92f.). In rassistischen Kolonialgesellschaften musste die Infragestellung der biologischen „Rassengrenze“ beunruhigend wirken, da die Physiognomie – und hier insbesondere die Hautfarbe – noch uneingeschränkter als heute als Zeichen der Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse fungierte. Nur am Anfang der Kolonialisierung – als die rassistische Kolonialgesellschaft noch am Entstehen war und die Konquistadoren indigene Frauen aus der Führungsschicht ehelichten, um sich Landansprüche und traditionelle Machtstrukturen zu sichern – hatten indigene „Mischlinge“ noch eine höhere Gesellschaftsstellung. Später galt nur noch, dass Mestizen/-innen das „minderwertigere Blut“ der Indigenen „veredelten“ und daher gesellschaftlich zwischen Spanier/-innen bzw. Kreolen/-innen und freien, aber armen Indigenas situiert wurden.14 Wie die europäische Wahrnehmung eine „Rassenpyramide“ konstruierte, so hatten Weiße auch die Macht, „Mischlingsgruppen“ anhand zugesprochener Wertigkeiten und Qualitäten zu hierarchisieren. Während Mestizen/-innen noch am ehesten geduldet wurden, galten „Mulatten“ als Folge von „Ehebruch oder unerlaubtem und strafbarem Beischlaf“. Da sie von vornherein als „hässlichste Vermischung“15 angesehen wurden, versuchte die spanische Kolonialregierung, die versklavten Schwarzen als „Rassenkaste“ von den Weißen wie indigenen Bevölkerungsgruppen zu isolieren. Um die biologische Reproduktion der versklavten Bevölke13 In der afroamerikanischen Literatur findet sich eine langandauernde Beschäftigung mit dem Phänomen des „Passings“ (vgl. Wald 2000). Siehe Sara Ahmed (1999) für eine exzellente Diskussion von „race“, Hybridität und instabilen Geschlechterverhältnisse durch Travestie, Geschlechtsumwandlung, Intersexualität, performative Akte etc., wodurch dualistische und eindeutige Konstruktionen von Identität und Gruppenzugehörigkeit unsicher erscheinen. 14 Diese Einschätzung galt nicht in Nordamerika, wo die britischen Kolonisator/-innen gerade zu Beginn des Eroberungszuges „die Wilden“ häufig eher als Tiere denn als Menschen wahrnahmen. Etwas anders sah die Situation in Kanada aus, wo die französischen Kräfte im Kampf gegen die englische Konkurrenz Indigene aus strategischen Gründen eher als Verbündete akzeptierten. Rassismus als Produkt sozialer Verhältnisse reagierte schon immer auf gesellschaftliche Veränderungen: Während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775-1783) wurden etwa 100.000 Schwarze von der britischen Administration aus der Sklaverei entlassen, um im Gegenzug Waffendienst in den „Ethiopia Corps“ oder den „Black Pioneers“ zu leisten (Robinson 2001: 342). 15 Diese Wahrnehmungen stammen von Oidors Solórzano, in: Juan de Solórzano (1930): Politica Indiana, Bd. 1, Madrid: 445 zit. nach Konetzke 1998: 94.
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rung sicherzustellen, sollte die Hälfte der eingeführten Sklaven/-innen weiblich sein. Diese Politik ließ sich aber nicht durchsetzen, denn bis zum formellen Ende der Kolonialzeit um 1820 waren in Südamerika etwa ein Drittel und in Mittelamerika einschließlich der Karibik etwa ein Viertel der Bevölkerung „rassisch unrein“ (vgl. Konetzke 1998: 95). Besonders benachteiligt wurden die Nachkommen Schwarzer „Mischlinge“, die ein ähnliches Schicksal wie Schwarze Albinos erlitten. Die besondere Verachtung der Schwarzen rührte neben den bioästhetischen Zuschreibungen auch aus ihrer sozialen Lage in der kolonialen Gesellschaftshierarchie her. Im Gegensatz zu Indigenen wurden Schwarze dem vererbbaren Sklavenstatus unterworfen, so dass man ihnen ihre subordinierte Sozialposition an der Hautfarbe ansah. Das Sklavendasein wurde internalisiert, indem die Kolonisatoren ihnen ihre untergeordnete Position in ihre Körper einschrieben. Die Furcht vor einer Übertragung dieser sozialen Abwertung machte Schwarze „Mischlinge“ nicht nur bei Weißen Kreolen/-innen und Spanier/-innen zu besonders unerwünschten Gruppen. Hinzu kam, dass der „afrikanische Einschlag“ im Phänotyp Schwarzer „Mischlinge“ oft als dominierend empfunden wurde, was dem europäischen Überlegenheitsgefühl widersprach. In der Zeit vor der Mendelschen Lehre musste zudem die plötzliche Wiederkehr „negrider“ Körpermerkmale nach einer Generation hellhäutiger Nachkommen wie ein Fluch unheimlich und magisch wirken. Dieser „Rückfall“ schien eindrucksvoll die Übermacht des Niedrigstehenden und seine unglaubliche Resistenz zu demonstrieren. Während Mestizen/-innen aufgrund der angeblich schwachen indigenen „Rasseneigenschaften“ – die rasch von denen der Weißen verdrängt und absorbiert würden – bereits nach drei Generationen der „Entbastardisierung“ wieder als Weiß galten, dauerte es bei „Mulatten“ sechs Generationen. Nachkommen eines Weißen mit einer Mestizin hießen „castizo“ (alternativ auch „albino“ oder „cuarterón“). Aus der Verbindung zwischen einer „castiza“ und einem Weißen wurde dieser Logik nach wieder ein Weißer Kreole oder Weiße Kreolin bzw. Spanier/-in (Konetzke 1998: 93). In der englischsprachigen Karibik hießen die Kinder von „Mulatten“ und Weißen „Ouadroons“. Hatten diese Nachwuchs mit Weißen, wurden sie „Okteroons“ oder „Mustees“ genannt. Gebaren „Mustees“ mit Weißen Kinder, hießen diese „Mustefino“. Wenn „Mustefinos“ mit Weißen eine Verbindung eingingen, galt ihr Nachwuchs legal wieder als Weiße (Kattmann 1973: 115). Die WeißWerdung, wenn auch weniger in biologischer Form als durch Aneignung kultureller Praktiken und Symbole, ist auch heute noch in vielen Gesellschaften das Mittel zum sozialen Aufstieg und zur kulturellen Aufwertung. Problematisch wird diese performative Whiteness spätestens dann,
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wenn sie die Auslöschung des Anderen als eine Form des Selbsthasses impliziert, der als unterentwickelt und unterlegen gedacht wird. Entgegen der üblichen Ästhetik der rassistischen Farblehre, die hellhäutige Schwarze weniger verachtete, wurden Schwarze Albinos nicht aufgewertet, da sie den Weißen gefährlich ähnelten. Wenn Schwarze zu Weiß werden, wird von einem bestimmten Punkt an die Auflösung der sichtbaren „color bar“ fanatisch bekämpft, da sie die rassistische Struktur der Gesellschaft und die Position der Weißen darin zu bedrohen scheinen. „Von Buffon über Maupertuis bis zu Voltaire beschäftigten sich die Autoren des 18. Jahrhunderts übrigens sehr eingehend mit dem Fall der weißen Neger oder Albinos. Im allgemeinen schloss man sie sowohl von der weißen wie von der schwarzen Rasse aus und machte sie zu Prototypen einer Zwischenstufe zwischen Tier und Mensch“ (Poliakov et al. 1979: 80f).
Voltaire notierte im „Essai sur les moeurs“ folgendes Urteil über Schwarze Albinos: „Sie stehen unterhalb der Neger, was Körperkräfte und Verstand betrifft, und die Natur hat sie vielleicht hinter den Negern und Hottentotten, aber vor den Affen platziert“ (zit. nach ebd.: 81). Gerade die Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr für Weiße steigerte die vehemente rassistische Abwertung des „Bastards“, der nun nicht nur wie der „Neger“ als dumm, hässlich und minderwertig, sondern zusätzlich auch als unfruchtbar und degeneriert galt. Diese irrationale Wahrnehmung drückte einen ideologischen Wunschglauben aus, der sich besonders am Mythos der Unfruchtbarkeit festhielt und dessen kultischer Status sich ungeachtet der realen Erfahrungen behauptete. So leitete sich in Lateinamerika die Kolonialbezeichnung „Mulatte“ für Menschen mit afrikanisch-europäischen Elternteilen aus dem Begriff für Maultier ab. Im Laufe des sich formierenden Rassendiskurses entstanden zunächst Begriffe wie „Rasse“ (Ende des 15. Jahrhunderts) und „Neger“ (1516), dann „Mulatte“ (1604) und „Mestize“ (1615) (Poliakov et al. 1979: 75). Der Begriff „mulato“, der im spanischen wie portugiesischen Wortschatz eingegangen ist, leitet sich vom „mulus“ (lat.) bzw. „mulo“ (span.) ab. Wie das „mule“ im Englischen steht „mulo“ für die Doppelbedeutung von „Maultier“/„Maulesel“ und „Bastard“ (Poliakov et al. 1979: 65-90; Geiss 1988: 121-127). Neben der Tiermetapher spielte diese abwertende Benennungspraxis auch auf die Fortpflanzungsunfähigkeit und Funktion des Maultiers als dummes wie störrisches Last- und Arbeitstier an, das oft nur auf gewaltsame Befehle reagiert. Aus der Sichtweise der europäischen Kolonisatoren gab die Kreuzung zwischen dem „edlen“ Pferd und dem „dummen“ Esel die passende
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Vergleichsgrundlage für das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen ab.16 Dieses Bild war zutiefst in eine Kultur eingebunden, in der die Furcht vor einer kontaminierten „Rassereinheit“ mit dem Verlust von Weißer Schönheit und Überlegenheit gleichgesetzt wurde. Angesichts dieser Verhältnisse spielte die Ideologie der „Blutreinheit“ (limpieza de sangre), die vom spanischen „Mutterland“ in die lateinamerikanische Peripherie übertragen wurde, eine entscheidende Rolle, um die koloniale Ordnung als „Rassen-Kasten-Gesellschaft“ (Geiss) aufrechtzuerhalten. Ähnlich wie in Europa, wo die „Blutreinheit“ die herrschaftlichen Adelsgeschlechter schützen und das Judentum, religiös Konvertierte ebenso wie arabische Muslime aus der Gesellschaft ausgrenzen sollte, wurde sie auch in den Kolonien eingesetzt, um den Zugang zu öffentlichen Ämtern auf Weiße und „reinblütige“ Kreolen zu beschränken. Aber gerade die Kreolisierung ist ein Beispiel dafür, wie auf koloniale Autorität und „rassische“ Authentizität bestehende Identitätsmodelle durch soziokulturelle Hybridisierung verfremdet und vervielfältigt werden. Anstatt Kreolisierung wie üblich als kulturelle Vermischung zu verstehen, ist es angebrachter sie als einen machtbesetzten Prozess zu analysieren, der durch Praktiken kulturellen Mimikrys Uneindeutigkeit und Ähnlichkeit erzeugt (vgl. Bhabha 2000: 125-136). Als Folge treten soziokulturelle Überlagerungsphänomene auf, die durch die Aneignung und Verschiebung kultureller Codes und sozialer Praktiken operieren. Ihre politischen Effekte sind dabei höchst ambivalent. Je nach soziohistorischem Kontext können sie sowohl neue Widerstandsformen der kulturellen Subversion kolonialer Werte als auch die Schaffung neuer Herrschaftsverhältnisse durch die Übernahme kolonialer Praktiken und Feindbilder ermöglichen. Während ersteres häufig die Form von Parodie, Maskerade und Tarnung annimmt, äußert sich letzteres durch Internalisierung von Selbstentfremdung, Selbsthass und kolonial-rassistischen Projektionen. Innere Kolonialisierung mündet oft in kulturelle Verehrung und Identifikation mit den europäischen Dominanzmächten. Für diese vieldeutige und sehr ambivalente Konstellation hat Frantz Fanon die Formel „Schwarze Haut, weiße Masken“ geprägt. Fraglich ist, ob durch solche widersprüchlichen Identifikationsprozesse, die Ver16 Oft wird verkürzend behauptet, dass gekreuzte Tiere und hier insbesondere Maultiere steril seien. Richtig ist vielmehr, dass weibliche Maultiere, die von einer Pferdestute und einem Eselhengst gezeugt wurden, gemeinsam mit Pferde- oder Eselhengsten Nachkommenschaft haben können. Dagegen sind Maulesel, die von einem Pferdehengst und einer Eselstute abstammen, fast immer zeugungsunfähig. Vgl. Art. „Hybride“, Microsoft Encarta ’99 CD-ROM Enzyklopädie.
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wechslungsgefahr und performative Praktiken der Grenzauflösung signalisieren, festgelegte Identitätspositionen dezentriert werden. Dabei könnte das koloniale Subjekt mit seinem verdrängten Anderen konfrontiert werden, das von Anfang an die Bedingung für die Konstituierung der eigenen kulturellen Identität angibt. Zumindest lässt sich behaupten, dass kulturelle Identitäten durch Differenz nicht nur vielschichtiger werden, sondern sich auch mit ungewissem Ausgang vervielfältigen. Obwohl in Südamerika Kreolen/-innen (spanisch „Criollo“ und portugiesisch „Crioulo“) als Nachkommen von europäischen Konquistadoren besonders stolz auf ihre Weiße Herkunft sind und besitzergreifend über diesen Elitestatus wachen, können sie es nicht verhindern, dass in der Karibik und den daran angrenzenden Regionen wie Surinam, Belize und Französisch-Guyana Kreolen/-innen als Nachfahren von Europäer/ -innen und Schwarzen gelten. Ein ähnliches, ebenfalls nicht-exklusives Verständnis von Kreolisierung hat sich auch in den ehemals kolonialen Inselgesellschaften des Indischen Ozeans, wie auf Mauritius, Réunion, den Komoren und Seychellen, durchgesetzt. In Brasilien werden dagegen Schwarze, die ausschließlich afrikanische Vorfahren haben, Kreolen/-innen genannt. In einigen westafrikanischen Staaten nannten sich aus Amerika repatriierte Ex-Versklavte, die sich ab 1787 vor allem in Sierra Leone als neue Oligarchie niederließen, selbst „Creoles“ bzw. „Krios“. Diese Eigenbezeichnungen drückten den Wunsch nach Gleichheit mit den europäischen Kolonisator/-innen und Sklavenhalter/-innen aus, deren Achtung die „Krios“ durch Nachahmung und Aufnahme europäischer Dominanzkulturen zu gewinnen versuchten. Indem sie einen bürgerlichen bis aristokratischen Lebensstil pflegten, europäische Bildungsinhalte verinnerlichten und die frühkapitalistischen Werte der sozio-ökonomischen Modernisierung verfolgten, versuchten sie sich den Europäer/-innen innerlich wie äußerlich durch kulturelle Praktiken und Schönheitsvorstellungen anzunähern. Um die Identifikation mit Europa und die eigene Machtstellung abzusichern, übernahm die kreolische Oligarchie die rassistischen Einstellungen der Europäer/-innen, so dass sie vehement einheimische Afrikaner/-innen als „primitiv“ und „wild“ ablehnte (Geiss 1988: 198f). Eine ähnlich ambivalente Entwicklung herrschte auch in der benachbarten Republik Liberia, die 1847 mit Hilfe abolitionistischer US-Organisationen wie der „American Colonization Society“ von freigelassenen Ex-Sklaven/-innen gegründet wurde. Bald darauf begannen die Remigrierten sich an die Stelle ihrer früheren Weißen Herr/-innen zu setzen, indem sie die einheimische Bevölkerung als „unzivilisiert“ abwerteten, auf den Plantagen neue Zwangsarbeitsverhältnisse einführten und bis 1920 Zwangsarbeiter/-innen ins benachbarte Ausland verkauften. Die
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hauptsächlich aus „Mischlingen“ bestehende Elite der Americo-Liberianer/-innen verweigerte den einheimischen Schwarzen bis in die 1940er Jahre hinein bürgerliche und politische Rechte. Erst ein Putsch konnte 1980 ihre Vorherrschaft über Staat und Gesellschaft aufbrechen. Wie bei den spanischen „Criollos“ war der herausragende Bezugspunkt amerikanisch-liberianischer Identität der europäische Ursprung, der durch den Weißen Ahn in der Familiengeschichte personifiziert wurde. Um sich von der afrikanischen Bevölkerung abzugrenzen, wurde z. B. großer Wert auf den europäischen Familiennamen gelegt, der oftmals auf den Weißen Vater und/oder die Sklavenhalter/-innen verweist. Bei Schwarzen Autochthonen trugen dagegen die Tauftätigkeiten der christlichen Missionare ebenso wie die Identifikation mit kolonialen Machtsymbolen wie dem Namen des Gouverneurs zur Verbreitung europäischer Namen bei (vgl. Geiss 1988: 220-226; Unsere Welt heute 1998: 260ff., 288ff., 998ff.; Dorsch 2000: 69-80.). Die spanisch-portugiesischen Kolonien in Lateinamerika kannten neben einer „rassischen“ und geschlechtsspezifischen auch eine soziale Schichtung, die häufig, aber nicht immer deckungsgleich war. Neben der grundlegenden Unterscheidung zwischen Freien und Versklavten, woran sich die Differenzierung nach arm und reich anschloss, wurde der Status eines Menschen abhängig von Geschlecht und Hautfarbe nach dem Prinzip „je heller und schöner, desto höher angesehen“ aufgeschlüsselt. Da Schwarze meist versklavt waren, standen sie gesellschaftlich unterhalb der Indigenas, die formal als frei galten, aber trotzdem Zwangsarbeit, Ausbeutung und Ungerechtigkeiten zu erdulden hatten. Entsprechend wurden Schwarze schlechter als indigene „Mischlinge“ gestellt. Da „rassische“ Festlegungen mit einer vordefinierten sozialen Gesellschaftsstellung verkoppelt waren, wurden mit der Zeit aus ursprünglich rassentheoretischen Bezeichnungen wie „Cholos“ oder Mestizen/-innen Kategorien, die gleichfalls soziale Schichten benannten (vgl. Konetzke 1998: 95). In diesem komplizierten Kastensystem hing der Wert eines Menschen nicht zuletzt von der Präsenz seiner indigenen, Schwarzen, Weißen und später auch asiatischen Vorfahren in ihrem jeweiligen „Rassenanteil“ ab. Wie die Schwarzen Sklaven/-innen wurden auch die asiatischen Kontraktarbeiter, die aufgrund ihrer deklassierten Gesellschaftsstellung als entrechtete Arbeiter auch „Kulis“ genannt wurden, oftmals durch erzwungene Formen der Arbeitsmigration in die südamerikanischen Ökonomien eingebunden. Ihr Leben wurde wesentlich durch die nachwirkenden Folgen kolonialer Strukturen bestimmt. Denn das weltweit betriebene Arbeitssystem der „indentured labourer“ bzw. „indentured servants“ ist ein elementarer Bestandteil der kolonialen Ökonomie
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und wurde nach der Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien eingeführt, um Arbeitskräfte für Plantagen, Minen oder Eisenbahn- und Kanalbauten zu rekrutieren. Im Unterschied zur Sklaverei wurde die Pflicht zur Arbeit im System der „indentured servants“ vertraglich festgelegt und entsprechend brutal erzwungen. Obwohl der Begriff „Vertragsarbeiter“ Assoziationen mit legalen und freiwilligen Verhältnissen weckt, ist die Realität dieser Arbeiter/-innen in der Regel durch extreme Ausbeutung und kriminelle Methoden gekennzeichnet. Vor allem indische und chinesische „Kulis“ werden oftmals bis zu ihrem Tod in die Schuldknechtschaft gepresst. Besonders intensiv warben Arbeitsagenturen und Handelskompanien zumeist junge, schlecht ausgebildete und verarmte Chines/-innen an und verpflichten diese als „Vertragsarbeiter/-innen“ für die Kuli-Ökonomie in ihren Kolonialbesitzungen (vgl. Pan 1990; Northrup 1995). Die Grundkategorien der Hybriden waren Mestizen/-innen (regional auch „Cholos“, „Caboclos“, in Brasilien „Mamelucos“ und in Zentralamerika „Landino“ genannt), „Mulatten“ und „Zambos“ (alternativ auch als „Zambaigos“, „Karifs“, „Schwarze Kariben“, in Brasilien auch als „Cafusos“ bezeichnet), die aus Schwarz-indigenen Verbindungen hervorgingen. Diesen „Halb-“ folgten „Viertel-“ („cuartareno“) und „Achtelmischlinge“ („octareno“) in allen denkbaren Varianten, wobei diese Einteilung in vereinfachter Form auch in Europa im Antisemitismus und Antiziganismus praktiziert wurde (vgl. Geiss 1988: 126; Konetzke 1998: 89ff.). Die koloniale Struktur Lateinamerikas ließ eine „rassisch“ fixierte Kastengesellschaft entstehen, die für jeden beliebigen Mischungsgrad zwischen Weißen, Indigenen und Schwarzen eigene Namen und einen entsprechenden gesellschaftlichen Rang kannte (vgl. Geiss 1988: 118ff.). Auf diese Weise entstanden in Lateinamerika über 120 Typen von „Rassenmischlingen“. Nachkommen von „Mulatten“ und Spanier/ -innen (in der Kolonialzeit waren es meist Männer) wurden etwa als „Moriscos“ (zuvor wurden Muslime in Spanien auch zum Christentum Konvertierte „Mauren“ so genannt), von „Mulatten“ und Indigenen als „Chinos“, von „Mulatten“ und Schwarzen als „Grifos“ und von „Mulatten“ und Mestizen/-innen als „Campamulato“ bezeichnet. Das System der „Rassenvermischung“ wurde auch in anderen europäischen Kolonien mit dem Unterschied praktiziert, dass es sich auf die Nachkommenschaft von Autochthonen und Europäer/-innen beschränkte. So werden „Mischlinge“ im französischsprachigen Kanada „Métis“ genannt, und in der früheren niederländischen Kolonie Indonesien werden Nachkommen von malaiischen Einheimischen und Weißen ebenfalls als Mestizen/-innen bezeichnet. Laura Ann Stoler gibt in ihrer sehr lesenswerten Studie „Carnal Knowledge and Imperial Power“ (2002) am
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Fallbeispiel Indonesien einen detaillierten Einblick in die sexuelle Ökonomie des Kolonialismus und seiner komplexen Beziehungen (vgl. auch Knight 2001). Infolge der sich verschärfenden Ablehnung jeglicher „Rassenvermischung“, die mit der fortschreitenden Verwissenschaftlichung des Rassismus und der daraus abgeleiteten Erzwingung fiktiver „Rassenreinheit“ zusammenhing, institutionalisierte sich diese Denkweise zu einem strukturellen Rassismus. Eine Konsequenz war, dass „Rassenvermischung“ nun nicht nur sozial geächtet, sondern neben anderen Mitteln auch mit rigoros durchgesetzten gesetzlichen Verboten belegt wurde, um die drohende „Bastardisierung“ zu verhindern. In den neuzeitlichen Sklaven-, aber auch in den Apartheidsgesellschaften des 20. Jahrhunderts beruhte staatlicher Rassismus wie in den USA und Südafrika nicht zuletzt auf Techniken der Sozialdisziplinierung und juristischen Normsetzungen, die weder Sexualkontakte zwischen Weißen und People of Color noch eheliche Verbindungen erlaubten. Diesen Normen lag eine irrationale Angst vor organischer Infiltration und Verunreinigung des völkischen „Rassenkörpers“ zugrunde. Wie weitreichend die ideologische Macht der „Rassenreinheit“ und wie sehr das „rassistische Wissen“ (Terkessidis 2004: 98-120) die Leidtragenden des Rassismus selbst indoktriniert, verdeutlicht das Beispiel der „Nation of Islam“ (NOI). In ihrer komparativen Habilitationsstudie über „Körperkonzepte und interethnische Beziehungen“ kommt die Autorin bei der Frage nach dem „Status von Mischlingen“ zu folgendem Schluss: „Werden mit den Eltern aus der NOI ausgeschlossen, bzw. als Minderwertig (sic!) angesehen“ (Beer 2002: 174-204, hier 246). Wie panisch diese Furcht vor dem unheimlichen „Bastard“ war, spiegelte sich in den USA etwa in der Ideologie, dass bereits „ein Tropfen Negerblut“ einen (Weißen) Menschen „farbig“, d.h. unrein und minderwertig machen würde. Der dahinterstehende Rassismus war so stark, dass er die ansonsten geltende patrilineare Regel außer Kraft setzte. Denn das Ziel, die Weiße „Rasse sauber und rein“ zu halten, genoss in diesem Zusammenhang eine größere Priorität. Selbst das amtliche „United States Bureau of the Census“ erstellte seine Statistiken lange Zeit auf der Basis dieser Definition: „Eine Person, die weißes und Negerblut hat, wird als Neger betrachtet, ganz gleich, wie gering der Prozentsatz des Negerblutes ist. Schwarze und Mulatten sind ohne Unterschied als Neger zu betrachten […] Mischungen unter nicht weißen Rassen werden nach der Rasse des Vaters beurteilt, außer wenn es Mischungen mit Negern sind, die durchweg als Neger betrachtet werden müssen“ (zit. nach Kattmann 1973: 117).
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Nichtsdestotrotz legt die vorherrschende Sexualmoral, die nach wie vor patriarchalisch auf die Bedürfnisse Weißer Männer zugeschnitten ist, diesen Grundsatz in ihrer doppeldeutigen Moral geschlechtsspezifisch aus. Während Weiße Männer mit Anerkennung und Unterstützung rechnen können, wenn sie sich mit „farbigen Perlen“ schmücken, erfahren Weiße Frauen, die mit einem Schwarzen Partner zusammenleben, immer wieder soziale Ächtung und Demütigungen, die sich bis zu körperlichen Angriffen gegen die gesamte Familie steigern können. Solche Gewaltformen implizieren den Wunsch nach Existenzvernichtung, die sich im Extremfall gegen Weiße Frauen als „Verräterin an der eigenen Rasse“ und „Hure“, Männer of Color als „minderwertigen, kriminellen Geschlechtskonkurrenten“ und Kinder als „Ausgeburt der Rassenschande“ richten. Die abweichende Wertung hängt nicht zuletzt mit einer sexistisch-rassistischen Wahrnehmung zusammen, in der Weiße Männer „interrassische“ Beziehungen auch als Kampf um Machteinfluss, Besitzrechte und sexuelle Jagdtrophäen betrachten. Nur vor dem Hintergrund dieses rassistischen Sexismus verstiegen sich Black-Power-Aktivisten wie LeRoi Jones und Eldridge Cleaver zu der Forderung „Vergewaltigt die weißen Mädchen!“ (Kattmann 1973: 121-126). Obwohl sie mit dieser wahnwitzigen Idee der sexistischrassistischen Logik folgten, glaubten sie dadurch Widerstand gegen rassistische Gesetze und Weiße Werte leisten zu können. Bei dieser Einschätzung spielten sicherlich die historischen Erfahrungen der Black community eine wichtige Rolle. Da „Rassenvermischung“ als so genannte „Vernegerung“ und „Degeneration“, d.h. als Verseuchung der herrschenden „Rasse“ mit niedrigstehenden Elementen angesehen wurde, wurde über soziale Abwertung, staatliche Sanktionen bis hin zum Lynchmord vor jedem Versuch der „Rassenüberschreitung“ abgeschreckt. Angesichts dieser tradierten und nach wie vor weit verbreiteten Einstellungen kann es nicht wirklich überraschen, dass in einigen Südstaaten der USA die gesetzlichen Verbote von Mischehen erst im Jahre 2000 abgeschafft wurden. Bei der Volksabstimmung in Alabama, die parallel zur US-Präsidentschaftswahl stattfand, stimmten immer noch rund 40%, d.h. 544.000 vermutlich vorwiegend Weiße Wähler/-innen für die Beibehaltung des Apartheids-Gesetzes aus dem Jahre 1901 (vgl. Hahn 2000). Bis heute liegt dagegen der amtlichen Definition der USBevölkerung eine fragwürdige Rassenarithmetik zugrunde, die Individuen in „rassische“ Gruppen einteilt. Als bevölkerungspolitisches Axiom greifen „rassische“ Denkkategorien nahezu in alle Politikfelder vom Arbeitsmarkt über Einwanderung, Familie, Bildung und Städteplanung bis zum Quartiermanagement ein.
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„Bastarde“ als Kategorie der Eugenik und „Rassenhygiene“ im 20. Jahrhundert Anders als der Fortschrittsglauben es nahe legt, wurde mit der Verwissenschaftlichung die angstbesetzte Negativbedeutung des Hybriden in religiösen und „rassischen“ Kontexten nicht korrigiert, sondern verstärkt auf wissenschaftliche und kulturelle Diskurse übertragen. Diese Abwertung wurde in dem Maße vertieft, wie die Vorstellung einer negativen biologischen Hybridisierung von „Menschenrassen“ und Kulturen gesellschaftlich dominant blieb. Gerade die melancholische Untergangsstimmung des Fin de Siècle war empfänglich für Hybridisierungsszenarien, die an das antike Verständnis anknüpften und diese mit den Bastardisierungsdiskursen der modernen Biowissenschaften verbanden.
Hybrid-Revival und Degenerationsängste im Fin de Siècle Eine kulturpessimistische Strömung vertrat Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), der neben seiner schriftstellerischen Arbeit auch kulturpolitische Ämter in Österreich bekleidete. Als Intellektueller im zeitweiligen Dunstkreis der „konservativen Revolution“ hielt er 1927 an der Universität München eine vielbeachtete Rede über „das Schrifttum als geistige[n] Raum der Nation“ (Koch 1988: 427-431). Darin warnte er vor dem altbekannten Schreckbild der „gefährlichen hybriden Natur“, die aus der Ambivalenz der Vermischung hervorginge.17 Wie Leibniz und Kant zuvor setzte auch er die „reine Leidenschaft des Verstehens“ von den „zweideutigen Elementen eines geheimnisvollen hybriden Organs“ (Hofmannsthal 1979a: 33) ab. Die Ablehnung des Unreinen, des als minderwertig Gedachten, bezog sich offenbar auch auf Fragen der kulturellen und „rassischen“ Vermischung, die als Zerfallserscheinung imaginiert wurde. „Sie haben das unverwesliche Wort Humanismus auf Ihrem Banner, während rings in Europa und in jenem hybriden Neu-Europa jenseits des Ozeans der vollständigste, tiefstgreifende Prozeß der Deshumanisation, der je geträumt werden konnte, im Gange ist“ (Hofmannsthal 1979b: 14). 17 In dieser Rede beschrieb Hugo von Hofmannsthal den „Prophet als Dichter, vielleicht ist er ein erotischer Träumer – er ist eine gefährliche hybride Natur, Liebender und Hassender und Lehrer und Verführer zugleich“ (Hofmannsthal 1979c: 32). In scheinbarer Vorahnung der kommenden Jahre charakterisierte er diesen „mit dem Anspruch auf Lehrerschaft und Führerschaft“ ausgestatteten Propheten „als einen wahren Deutschen“, „der nun für seinen Kriegszug Gefährten wirbt“ und daher „mit dem Stigma des Usurpators“ belegt sei (ebd.).
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Gegen die ungewissen Bedrohungen und Auflösungserscheinungen aus den amerikanischen Welten wurde als geistiges Bollwerk ein glorifiziertes Bild der Antike gesetzt, welche die Unverfälschtheit des europäischen Kulturerbes begründen sollte. Wie Hofmannsthal, der viele große griechische Dramen adaptierte, besaß auch Friedrich Nietzsche (1844-1900) als Dozent für klassische Philologie einschlägige Kenntnisse. In seinen Schriften gebraucht er den Begriff „hybrid“ als wiederkehrende Metapher für dunkle und unheilvolle Vermischungsformen. Analog zu Hofmannsthal wird sie bei ihm als bedrohliche Verfallserscheinung begriffen, die dem aufklärerischen Idealbild des Verstandes entgegengesetzt wird – also jener vernunftsbegabten Lichtgestalt, die in der Konstruktion der europäischen Geistesgeschichte die Zivilisationsgrenze zur Barbarei und Unterentwicklung bildet. In Nietzsches Sprache spiegelten sich offensichtlich die mythischen Bilderwelten der Antike wieder. Entsprechend war das Hybride für ihn die Folge einer unsäglichen Tragödie, die im Katastrophalen enden würde und zum Untergang verurteilt sei. Voller Abscheu sprach Nietzsche vom „Hohn und Haß gegen so hybride Begriffs-Ungeheuer“ (Nietzsche 1999a: 69) und den „widerlichsten Ausgeburten des antiken Hybridismus“ (1954a: Aphor. 239, 640). Ebenso lehnte er das „hybride Verfalls-Gebilde aus Null, Begriff und Widerspruch, in dem alle décadence-Instinkte, alle Feigheiten und Müdigkeiten der Seele ihre Sanktion haben“ (1999d: Aphor. 19, 186), ab. Die rettende Vision sah Nietzsche im vollkommenen Übermenschen, der – vom lebensdurstigen „Willen zur Macht“ getrieben – die gesetzten Grenzen durch eine höhere „Herrenmoral“ überwinden würde. Im Sinne einer ungezügelten Entfaltung der Lebenskraft begrüßte Nietzsche die biologistische Herrschaft des Schönen und Vornehmen über die Niedrigen und Degenerierten, die als Sklavinnen und Sklaven dienen sollten oder ausgelöscht gehörten.18 Seine Verachtung der Schwachen und Kranken korrelierte mit einer Bewunderung für geniale „Raubmenschen“ wie Cesare Borgia und Napoleon, die er als „Synthesis von Unmensch und Übermensch“ (Nietzsche 1999c: Aphor. 16, 115) glorifizierte. In solchen überragenden Individuen sah er die Keime einer überlegenen „Rasse“. Beide Formen des Übermenschen scheinen sich für Nietzsche – der sich gänzlich als Europäer verstand – im Bild der „blonden Bestie“ zu vereinen, die den wahren Daseinsgrund oder die gesunde menschliche Natur darstellen würde. In einer akzentuierten Beschrei-
18 „Die Schwachen und Mißratenen sollen zugrunde gehn: erster Satz unsrer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen“ (Nietzsche 1999d: Aphor. 2, 179).
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bung des kollektiven Übermenschen verherrlichte Nietzsche ihn als „eine Rasse mit eigener Lebenssphäre, mit einem Überschuß von Kraft für Schönheit, Tapferkeit, Kultur, Manier bis ins Geistigste“ (Nietzsche 1954a: Aphor. 898, 522; vgl. Hirschberger 1980: Bd. 2, 506-518). So eindeutig diese rassenfixierten Vorstellungen in die virulenten sozialdarwinistischen und eugenischen Diskurse seiner Zeit eingebunden waren, so unzweifelhaft ist es auch, dass Nietzsches vielfach gebrochenes Weltbild zerstreuter ist, als diese Auszüge es vermuten lassen. „Nietzsche’s thoughts on colonialism cannot be separated from tenets that he developed elsewhere in his works. It is essential that we consider the will to power, biologism, and the transvaluation of values, as well as Nietzsche’s heavy reliance on antinationalist, antistatic, antidemocratic thought, if we are to understand his fragmentary and sporadic comments on colonies and global politics.“ (Holub 1998: 49)
Nietzsche hatte neben Platon und Charles Darwin u.a. auch Francis Galton, Arthur Gobineau, Ernst Häckel, Paul de Lagarde und Eugen Dühring gelesen, die ihm wichtige rassentheoretische Impulse lieferten (vgl. Janz 1993: 404-441). Allerdings war Nietzsche in seiner facettenreichen Widersprüchlichkeit nicht durchgängig der fanatische Präfaschist, zu dem er erst durch Werkmanipulationen und nazistische Vereinnahmung posthum wurde. Das Eigentümliche an ihm war vielmehr sein wandlungsfähiger Binnenpluralismus, seine postmoderne Vielgestaltigkeit, die es ihm ermöglichte, ein Spektrum von konträren, aber miteinander verbundenen Positionen einzunehmen, die bis zur Vorstellung einer „arischen Eroberer- und Herren-Rasse“ reichten (Nietzsche 1999c: Aphor. 5, 101). Allen Wandlungen und Diskontinuitäten zum Trotz scheint diese Ausformulierung eines essentialistischen Postmodernismus bei Nietzsche als ideengeschichtlicher Zusammenhang auch in heutigen Diskussionen über Hybridisierung und ethnischkulturellen Fetischismus eine Rolle zu spielen. Da eine umfassende Werkexegese unseren Rahmen sprengen würde, möchte ich die nietzscheanische Zwiespältigkeit nur in Bezug auf Vermischungslogik und postmoderne Kultur aufzeigen. Für den hier diskutierten Kontext ist es bedeutsam, dass Nietzsche einerseits die Tradition der Dämonisierung des Hybriden fortsetzte und geläufige Binäroppositionen der europäischen Philosophie verfestigte, andererseits eben diese Zusammenhänge in anderen Momenten durch die antipodische „Umwertung aller Werte“ zu untergraben gedachte. Indem die Metaphysik zum Ausgangspunkt ihrer eigenen „Verwindung“ (Heidegger) wurde, wurde eine multiple Denkweise ermöglicht, die die ambivalenten Über-
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schneidungen von Vielfalt zulässt. In Nietzsches Betrachtungen zur Kunst wurde bereits eine postmoderne Kondition antizipiert, wie sie sich gegenwärtig in der Entwicklung vom statischen Multikulturalismus zu einer hybriden Kulturdynamik abzeichnet. Unter dem programmatischen Titel „Die Revolution in der Poesie“ beschrieb er zunächst eine nutzbringende Öffnung, die sich an der exotischen Authentizität kultureller Differenzen erfreut: „Zwar genießen wir durch jene Entfesselung eine Zeitlang die Poesien aller Völker, alles an verborgenen Stellen Aufgewachsene, Urwüchsige, Wildblühende, Wunderlich-Schöne und Riesenhaft-Unregelmäßige, vom Volksliede an bis zum ‚großen Barbaren‘ Shakespeare hinauf; wir schmecken die Freuden der Lokalfarbe und des Zeitkostüms, die allen künstlerischen Völkern bisher fremd waren; wir benutzen reichlich die ‚barbarischen Avantagen‘ unserer Zeit“ (Nietzsche 1999b: 74).19
Diese Situation wird jedoch nur als ein vorübergehender Zustand angesehen, der durch eine Entwicklung aufgehoben wird, die wir heute als Globalisierung bezeichnen. Sie forciert eine Tendenz in der Moderne, die sich im dekonstruktiven Spiel mit historischen Dekorationen und kulturellen Zitaten ausdrückt: „Die hereinbrechende Flut von Poesien aller Stile aller Völker muß ja allmählich das Erdreich hinwegschwemmen, auf dem ein stilles verborgenes Wachstum noch möglich gewesen wäre; alle Dichter müssen ja experi-
19 An anderen Stellen deutet Nietzsche an, dass man auch als ironischer Kulturdekonstruktivist einer karnevalesken Hybridität (post-)modern, eklektisch, selbstverliebt und eurozentriert zugleich sein kann. „Den europäischen Mischmensch“ (Nietzsche 1954b: Aphor. 223, 686), der im „Prozeß des werdenden Europäers“ (ebd.: Aphor. 242, 708) entsteht, beschreibt er wie folgt: „Nenne man es nun ‚Zivilisation‘ oder ‚Vermenschlichung‘ oder ‚Fortschritt‘, worin jetzt die Auszeichnung der Europäer gesucht wird; nenne man es einfach, ohne zu loben und zu tadeln, mit einer politischen Formel die demokratische Bewegung Europas: hinter all den moralischen und politischen Vordergründen, auf welche mit solchen Formeln hingewiesen wird, vollzieht sich ein ungeheurer physiologischer Prozeß, der immer mehr in Fluß gerät – der Prozeß einer Anähnlichung der Europäer, ihre wachsende Loslösung von den Bedingungen, unter denen klimatisch und ständisch gebundene Rassen entstehen, ihre zunehmende Unabhängigkeit von jedem bestimmten Milieu, das jahrhundertelang sich mit gleichen Forderungen in Seele und Leib einschreiben möchte – also die langsame Heraufkunft einer wesentlich übernationalen und nomadischen Art Mensch, welche, physiologisch geredet, ein Maximum von Anpassungskunst und -kraft als ihre typische Auszeichnung besitzt“ (ebd.: 707f.).
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mentierende Nachahmer, waghalsige Kopisten werden, mag ihre Kraft von Anbeginn noch so groß sein“ (ebd.: Aphor. 221, 74f.).
Trotz der universalen Rhetorik hatte Nietzsche, dem koloniale Phantasien alles andere als fremd waren (Holub 1998), wie die meisten der ihm nachfolgenden Theoretiker der Postmoderne, vornehmlich europäische Kulturen und Künstler im Blick. Angefangen vom immer wieder vorgebrachten Nihilismus-Vorwurf, über die Auflösung von historischen Logiken wie Wahrheit, Subjekt und Totalität, zur Unmöglichkeit gesellschaftlicher Teleologie und Homogenität bis hin zur Aufwertung von Differenz, Pluralität und Unreinheit sind die genealogischen Verbindungen zwischen Nietzsche und postmodernen bzw. poststrukturalistischen Theorien so innig, dass seine Nachfolger ihn als Gründungsgroßvater adoptiert haben. Ein stattliche Reihe „postmoderner“ Philosophen wie Gilles Deleuze, Jacques Derrida, Jean-François Lyotard, Richard Rorty und Gianni Vattimo gelten als „Nietzsches Erben“, und Foucault geht sogar als sein „Doppelgänger“ durch (vgl. Zima 1997: 114-145).20 Wie ich zu zeigen versucht habe, ist bei Nietzsche, der als Grenzgänger an der ambivalenten Schnittstelle zwischen europäischer Tradition und philosophischer Postmoderne pendelt, die Frage der Vermischung zweifach beantwortet worden: kultur-dekonstruktivistisch und biologistisch/essentialistisch. Während sich dieser Konnex bei Nietzsche noch offen abbildete, tritt er in der aktuellen Diskussion postmoderner Hybriditätskonzepte meist in Form verdeckter Blindstellen und verleugneter Präsenzen auf. Das Verschwiegene kehrt in der heutigen Konstruktion kultureller Hybridisierungen als unausgesprochene Essenz der Moderne wieder ins Spiel der Signifikanten zurück. Sie setzt sich fort und übersetzt sich dabei durch die Anrufung von Authentizität, Ethnisierung und Identität in eine profitable Ökonomie der Exotisierung, Verführung und Sinnlichkeit, die die populären Kulturcodes der spätkapitalistischen Postmoderne darstellen – wie ich im nächsten Kapitel ausführlicher problematisieren werde. Nur wenn wir auch diese Grundlagen der Hybridität in den Blick nehmen, können wir Hinweise auf ihre strukturellen Defizite und ideologischen Querverbindungen erhalten. Spätestens vor diesem ideengeschichtlichen Hintergrund gewinnt die Auseinandersetzung mit Nietzsches langem Atem an Aktualität. Kongruent zur Rezeption Nietzsches, die im Gleichklang mit der Zeitgeschichte vom Faschismus zur Postmoderne schreitet, verlagert sich auch die Diskussion über Vermischungsfragen vom Biologismus
20 Aus der umfangreichen Literatur siehe auch Gedo (1990) und Koelb (1990).
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zum Kulturkonstruktivismus. Parallel zu Nietzsches übermenschlicher Präsenz in der Gegenwartsphilosophie dehnt sich auch der lange Schatten des 19. Jahrhundert weit über seine zeitliche Begrenzung hinaus aus. Entsprechend wurden bis zu den kulturellen Anfängen der Postmoderne Mitte des 20. Jahrhunderts Hybridisierungsdiskurse uneingeschränkt von sozio-biologistischen Ideologemen beherrscht. Nietzsche selbst sah in den Ideen der Menschenzüchtung und „Rassenvermischung“ einen gangbaren Weg, um zum Idealbild des Übermenschen zu gelangen.21 Diese Überzeugung folgt der kulturgeschichtlichen Idee des Übermenschen, dessen Konzept offensichtlich transgressiv angelegt ist.22 Die Idee der Menschenzüchtung ist nicht so neu und radikal, wie man meinen könnte, sondern wurde – wenn auch ohne den modernen rassistischen Überbau, allerdings mit starken xenophobischen Anklängen – bereits von Platon in „Der Staat“ (Fünftes Buch) durchdacht. Platons Schriften hatten weitreichenden Einfluss auf die europäische Geistesgeschichte, weil sie anscheinend einige der für die europäische Entwicklung wesentlichen Wünsche und Ängste artikulierten. So fand seine berühmte Staatskonzeption u.a. auch bei frühen Sozialutopisten wie Thomas Morus (1478-1535) und Tommaso Campanella (1568-1639) Eingang. Letzterer griff auch Platons Vorschlag für eine gesetzliche Auswahl der menschlichen Bio-Reproduktion auf, um die Bevölkerung durch zielgerichtete Züchtung zu optimieren.23 21 In einer Vision, die sich zuweilen an gängigen Stereotypen orientierte, glaubte Nietzsche eine „heitere Deutschtümelei“ erschaffen zu können, wenn sich dem „adligen Offizier aus der Mark“ mit seiner „erblichen Kunst des Befehlens und Gehorchens“ noch das jüdische „Genie des Geldes und der Geduld (und vor allem etwas Geistigkeit) [...] hinzuzüchten ließe“ (Nietzsche 1954b: Aphor. 251, 718). 22 Vor Nietzsche fand sich die zutiefst menschliche Idee des gottgleichen Übermenschen bereits bei Herder und Goethe („Prometheus“, „Faust“). Sie wurden durch Lessings Übertragung des Ausdrucks „more than human“ ins Deutsche inspiriert, der in der englischen Literatursprache den dichterischen Genius umschrieb (vgl. Eisler 1912: Bd. 2, 540; Mauthner 1923: 144f.). Grenzüberschreitung als schöpferisches Streben nach Einzigartigkeit und Produktivität spielt bis heute für die Faszination von Hybridität eine entscheidende Rolle. 23 Im Unterschied zu „Utopia“ (1516) von Thomas Morus, der im Kapitel „Vom gegenseitigen Verkehre“ die expansive Bevölkerungsdynamik durch Koloniebildung kanalisieren will, ordnet Tommaso Campanella die biologische Reproduktion als selektiver Vorgang den Staatsdiensten unter. Durch ein „Gesetz der Zuchtauswahl“ soll die menschliche Zeugung zur Wahrung des Imperativs der „Rassenverbesserung“ öffentlicher Kontrolle unterliegen: „Große und schöne Frauen werden nur mit großen, wohlgebauten Männern gepaart; die beleibten Frauen mit mageren Männern; umgekehrt werden schlanke Frauen für starkleibige Männer aufbewahrt,
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Bei Platon wie bei Nietzsche ist das Wertvolle am Menschen durch eine klassisch anmutende Ästhetisierung überlegener Männlichkeit und Weisheit gekennzeichnet, die kultisch überhöht werden. Wie der nietzscheanische Übermensch baut Platons elitäre Konzeption auf eine Herrschaft der Besten. Dem „Bastard“ diametral entgegengesetzt steht im platonischen Denken das Idealbild der Philosophenkönige. Diese personifizieren eine organisch-intellektuelle Perfektion, die die Einheit von athletischem Körper und erhabenem Geist propagiert, welche aus der Symbiose des Kriegers mit dem Philosophen, des Naturwissenschaftlers mit dem Künstler geboren wird (Hirschberger 1980: Bd. 1, 131-134). Daher forderte Platon eine Bevölkerungspolitik, die sich auf Elemente der „positiven“ und negativen Eugenik stützt: „Es müssen [...] die besten Männer den besten Weibern möglichst oft beiwohnen, und die schlechtesten Männer den schlechtesten Weibern möglichst selten, und die Kinder der einen muß man aufziehen, die der andern aber nicht, wenn die Herde möglichst vorzüglich sein soll“ (Platon 1940: Bd. 2, 175).
Was als gesellschaftlicher Wertediskurs und „ästhetische“ Frage anfing, fand schließlich als eugenische Selektionspolitik eine Konsequenz, die konkret auch die Vernichtung des „unwerten Lebens“ mit einschloss:24 „Mißgestaltete Kinder sind auszusetzen. Der seelisch Unheilbare und von Natur aus Schlechte, das heißt sittlich total Verdorbene, ist zu töten“ (Hirschberger 1980: Bd. 1, 132). Platons Ansicht, dass Vermischung und Unreinheit zwangsläufig zur kultureller und biologischer Herabsetzung des Hochstehenden führt, und sein radikaler „Lösungsansatz“ sollten in der Neuzeit durch das Zusammenwirken vom modernen Rassismus und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert eine ungeheuere Reaktualisierung erfahren.
damit aus der Mischung ihrer Temperamente eine vortrefflich geartete Rasse hervorgehe“ (Campanella 1900: 25). 24 Zu Lebzeiten Platons wurde in seiner Athener Polis unter Perikles 457 v.u.Z. ein so genanntes „Bastardgesetz“ erlassen, das die Eheschließung zwischen athenischen Bürgern und fremden Frauen verbot und Kinder aus solchen Beziehungskonstellationen nicht anerkannte (Heuß 19601964: 278). Von Athens großem innergriechischen Stadtrivalen Sparta ist dagegen eine eugenische Tötungspraxis überliefert. Neugeborene, die als offensichtlich zu schwach für den späteren Militärdienst oder aufgrund körperlicher Abweichungen als Belastung für die Gemeinschaft angesehen wurden, wurden vom Taygetos-Gebirge hinabgeworfen.
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Die Formierung der Eugenik und „Rassenhygiene“ Durch die spätestens mit Charles Darwin einsetzende naturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen der biologischen Vermischung erfuhr der Hybriddiskurs einen starken Popularisierungsschub, der ihn über die Fachgrenze der Botanik und Zoologie hinaus bekannt machte.25 Darwin fand dieses Thema so wichtig, dass er in seinem internationalen Bestseller „Über die Entstehung der Arten“ (1859) eigens ein Kapitel der „Bastardbildung“ widmete und darin immer wieder das Thema der Unfruchtbarkeit aufgriff (Darwin 1899: 319-356). Nachdem der hybride „Bastard“ spätestens im rassenhierarchischen Kontext eine negative Aufladung erhielt, wurde seine Verurteilung durch die Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze noch erweitert und verstärkt.26 Obwohl die Ergebnisse der jahrelangen Experimente Mendels mit Bohnen und Erbsen 1866 in der Schrift „Versuche über Pflanzenhybride“ veröffentlicht wurden, fanden sie unter den zeitgenössischen Fachgelehrten zunächst keine Beachtung. Die damalige Negierung seiner Forschungsergebnisse basierte sicherlich nicht nur auf wissenschaftlichen Erwägungen. Als wissenschaftlicher Außenseiter wurde Mendels Arbeit zu seinen Lebzeiten nur von Carl Wilhelm von Nägeli, einem von 30 kontaktierten Gutachtern, ernst genommen. Zum Leidwesen von Mendel führten ausgerechnet die Anregungen Nägelis, das Habichtskraut zu untersuchen, Mendels Arbeit in eine Sackgasse, die selbst ihn an der Richtigkeit seiner Forschungsergebnisse zweifeln ließen. Foucault nahm die Zurückweisung des Mendelschen Paradigmawechsels in seiner Generation als Beispiel für die ausschließende Eigendynamik des Diskurses, der jenseits rationaler Maßstäbe seinen eigenen 25 Schon bevor die Biologie sich der „Bastardierung“ annahm, bestand in der Praxis bereits diese Konvention: „Das Geringere, Schlechtere, Untaugliche in seiner Art, so nennen die Gärtner oft alle Auswüchse und untaugliche Sprößlinge, Bastarde“ (Adelung 2001: Bd. 1, 746). Als wichtigster Vorläufer von Mendel und Darwin im Bereich der biologischen Hybridisierung gilt der Botaniker Joseph Gottlieb Koelreuter (1733-1806), der seit 1759 wiederholt Bastardisierungsexperimente unternahm, um die Sexualität der Pflanzen nachzuweisen (Bäumer 1988: 424f.). 26 In der Nachfolge von Darwin wurden auch in einflussreichen Beiträgen zur deutschen Philosophie etwa in Friedrich Albert Langes „Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart“ (1974/1866: Bd. 2, 686f.) und in Eduard von Hartmanns „Philosophie des Unbewußten“ (1869: 229-232) über die Bedeutung von „Bastarden“ spekuliert. In geisteswissenschaftlichen Wörterbüchern gingen sowohl die philosophischen Bedeutungskontexte bei Immanuel Kant als auch die biologischen bei Charles Darwin ein: „Hybride Begriffe: leere, unfruchtbare Begriffe, Scheinbegriffe“ (Eisler 1904: Bd. 1, 440).
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Gesetzesmäßigkeiten folgt: „Mendel sagte die Wahrheit, aber er war nicht ‚im Wahren‘ des biologischen Diskurses“ (Foucault 1991: 25). Wie der Zufall es wollte, wurde der Mendelsche Ansatz zur Ausbildung dominanter und rezessiver Vererbungsmerkmale erst um 1900 durch verschiedene Vertreter der Vererbungslehre, darunter der für seine Mutationstheorie berühmte Hugo Marie De Vries (1848-1935), wissenschaftlich anerkannt, die unabhängig voneinander Mendels Arbeit wiederentdeckten (vgl. Mocek, 1999: 488f.). Nachdem die so genannten Mendelschen Gesetze als neues wissenschaftliches Paradigma inthronisiert wurden, fungierte die Hybridisierung als zentraler Begriff im biologischen Sprachgebrauch und wurde als Kreuzung bzw. „Bastardierung“ von Lebewesen mit unterschiedlichen Herkünften definiert. Als Beleg für die Verwissenschaftlichung, weitgehende Verzahnung und Gleichsetzung der Begriffe „hybrid“ und „Bastard“ kann etwa auf die große Anzahl von Pflanzenarten hingewiesen werden, deren Variationen mit Namen wie Bastardklee (Trifolium hybridum) oder Bastardmohn (Papaver hybridum) bedacht wurden. Was wie ein Glücksfall der Wissenschaftsgeschichte anmutet, hatte im weiteren Verlauf weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen, da ein Entwicklungsstrang direkt zur eugenischen „Rassenlehre“ führte, die am Siedepunkt des imperialistischen und sozialdarwinistischen Zeitalters nahezu uneingeschränkt konsensfähig war. In der expandierenden rassistischen Bewegung, die sich sehr um eine wissenschaftliche Legitimierung bemühte, wurden Mendels Ideen dankbar als Bestätigung und Anregung aufgenommen. Ihre akademischen Vertreter, die hauptsächlich aus den unterschiedlichen Bereichen der Anthropologie, Ethnologie, Biologie, Genetik, Philosophie, Linguistik, Soziologie, Psychologie und Nationalökonomie kamen, versuchten um die Jahrhundertwende auf dieser ideologischen Basis Handlungsanweisungen für die praktische Politik zu gewinnen. In Deutschland sind in diesem Zusammenhang unter anderem der Zoologe Ernst Haeckel (1834-1919),27 der Sprachwissenschaftler Friedrich Müller (1834-1898),28 der Philosoph und Nationalökonom Eugen Dühring (1833-1921),29 der Rassenhygieniker Otto Schlaginhaufen (1880-1973),30 der NS-Völkerpsychologe Erich Jaensch (1883-1940),31 der NS-Erb- und Rassenforscher Karl Astel (1898-1945),32 der NS27 28 29 30 31 32
Vgl. Römer 1985: 127ff. Vgl. ebd.: 125-129. Vgl. Jakubowski 1995: 84ff.. Vgl. Keller 1995. Vgl. Pinn 1987: 212-241. Vgl. Jensen 1995: 160ff.
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Philologe Hans Friedrich Karl Günther (1891-1968),33 die Riege der NSRassenbiologen um Eugen Fischer, Fritz Lenz, Otto Reche, Ernst Rüdin, Robert Ritter, Otmar von Verschuer, Egon von Eickstedt und Ilse Schwidetzky34 zu nennen. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts organisierten sich mit tatkräftiger Unterstützung vieler Wissenschaftler zuerst in Deutschland, England und den USA eugenische Gesellschaften. Angeregt durch den Genetiker und kolonialen Afrikareisenden Francis Galton versuchten sie, Charles Darwins These vom „Kampf ums Dasein“ und Herbert Spencers Diktum vom „Überleben der Fähigsten“ politisch umzusetzen. Durch repressive Selektionsmaßnahmen und aktive Eingriffe in die individuellen Reproduktionsrechte sollte der Genpool der Bevölkerung nach rassistischen und „sozialhygienischen“ Kriterien „aufgewertet“ werden. Dazu wurden in hoher Dosis „Rassenkunde“ und Sozialdarwinismus mit technokratischem Optimierungswahn vermengt. Im Zusammenspiel mit vielen gesellschaftlich relevanten Machtgruppen wurde dieser internationale wie transdisziplinäre Diskurs zu einer weit verzweigten und handlungsfähigen Ideologiemaschine. 1905 gründete der deutsche Arzt Alfred Ploetz die weltweit erste „Gesellschaft für Rassenhygiene“. Da ihr Hauptziel in der „Aufartung“, d.h. Reinhaltung und Dominanzsicherung der Weißen „Rasse“ lag, expandierte sie bereits nach zwei Jahren zur „Internationalen Gesellschaft für Rassenhygiene“. Ihre deutsche Sektion zählte 1914 bereits über 350 Mitglieder, hauptsächlich Hochschullehrer aus unterschiedlichen Fachbereichen (vgl. Vasold 1997: 236). Der ebenfalls 1907 in England gegründeten „Eugenics Education Society“ gelang es 1912 in London mit Unterstützung hochrangiger Förderer – darunter Winston Churchill, der Lordbischof von Oxford, Sir Thomas Burlow (Präsident des Royal College of Physicians) und der Schweizer Psychiater Auguste Forel – erstmals einen internationalen eugenischen Kongress mit über 700 Teilnehmenden zu veranstalten. Er führte ein sehr breites Bündnis von Wissenschaftlern aus den Bereichen Medizin, Biologie, Psychiatrie, Statistik, Soziologie und Anthropologie mit Politikern, Militärs, kirchlichen Würdenträgern, Frauenrechtlerinnen und Sozialreformern zusammen, die trotz ihrer Heterogenität erstaunlich viele gemeinsame Ziele feststellten (Kühl 1997: 22ff.; Schwartz 1995). Diese funktionelle Zusammensetzung der beteiligten Eliteakteure unter Einbeziehung vereinzelter Akteurinnen sollte auch für den weiteren Verlauf der eugenischen Bewegung charakteristisch bleiben und wesentlich zum rasanten Aufstieg der Eugenik vom wissenschaftlichen Ideo-
33 Vgl. Breitling 1971: 53ff. und Römer 1985: 33f. 34 Vgl. zusammenfassend Lüddecke 2000: 25-50.
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logieprodukt zur gesellschaftlich relevanten Machtkonstellation beitragen. Wissenschaftler nahmen innerhalb der eugenischen Bewegung eine zentrale Rolle ein, zumal die Eugeniker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Außenseiter in der scientific community waren. Eugeniker waren hauptsächlich Weiße Männer, die wie Ruggles Gates, Herman Lundborg, Charles Davenport, Ronald A. Fisher, Herman Nilsson-Ehle, Harry Federly, Auguste Forel, Ernst Rüdin, August Wimmer, Torsten Sjörgren, Eugen Fischer oder Otto Schlaginhaufen auf ihrem Fachgebiet als international führend galten (Kühl 1997: 78). In Deutschland wurde die Eugenik als Wissenschaftsform vor allem von Anthropologen, Psychiatern und Humangenetikern vertreten. Diese Fachrichtungen trugen an den NS-Verbrechen auf Seiten der Wissenschaften auch eine wesentliche Verantwortung, zumal die „rassische“ Anthropologie schon vor 1933 dominant war und im Nazismus sich ausschließlich als „Rassenbiologie und -hygiene“ definierte (Pollack 1990: 27-49; Rickmann 2002: 22-46). Die Eugenik versuchte mit der Mendelschen Lehre zu beweisen, dass es notwendig sei, die „Qualität des Erbmaterials“ einer „rassisch“ oder völkisch-national definierten Bevölkerung zu sichern und zu verbessern. Maßnahmen zur Wahrung der „Rassenhygiene“ erschienen in diesem Zusammenhang nicht nur legitim, sondern auch unumgänglich. Meist wurde ein Katastrophismus prognostiziert, der die absehbaren Folgen der um sich greifenden „Rassenmischung“ in den düstersten Farben als „kollektive Degeneration, Kulturverfall, Niederlage, Rassentod, Apokalypse“ etc. inszenierte. „Die biologistische Begründung stützte sich auf die Rassenbiologie. Die Erbkranken bzw. die Angehörigen ‚minderwertiger‘ Rassen schienen das gesunde Erbgut zu verderben und einen allgemeinen biologischen Untergang heraufzubeschwören. Die Angst vor der biologischen Degeneration der Gesellschaft, die Untergangsangst, gehörte zum bestimmenden Lebensgefühl seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.“ (Schott 1992: 10; vgl. auch Mann 1985)
Die heraufbeschworenen Existenzgefährdungen waren einerseits taktisch motivierte Kunstgriffe, die das Ziel verfolgten, die eigene Massenbasis zu erweitern und zu mobilisieren, aber auch um die eigene Handlungsweise zu legitimieren. Anderseits deuten die kaum an Brutalität zu überbietenden Maßnahmen im deutschen Nazismus auf eine real verspürte Angst hin, auch wenn sie keine reale Grundlage in der Wirklichkeit hatte. Diese phantasmagorische Angst wurde umso panischer, je mehr die Rassist/-innen an ihre eigene Einzigartigkeit und biologischzivilisatorische Überlegenheit glaubten und je stärker Weiße davon
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ausgingen, dass die „unerwünschten Vererbungsmerkmale“ von jüdischen, Schwarzen oder auch behinderten Menschen dominant seien. Imaginäre Bedrohungsphantasmen katalysierten den unbedingten Entschluss, diese „Gefahren“ bei Drohung des eigenen Untergangs rücksichtslos zu vernichten. Im 1925 gegründeten Dachverband „International Federation of Eugenic Organizations“ (IFEO), der im Wesentlichen von Wissenschaftlern aus Deutschland, England und den USA angeführt wurde und uneingeschränkt von der kulturellen und intellektuellen Höherwertigkeit der „europiden Rasse“ ausging, war die Erforschung der „Bastardisierung“ von Anfang an ein Schwerpunktthema. Die „Rassenmischung“ wurde grundsätzlich als ein zu vermeidendes Problem gesehen, das infolge der Internationalisierung von Migrationsbewegungen zu einer lebenswichtigen Bedrohung der Menschheit (gemeint ist in erster Linie die „weiße Rasse“) geworden sei. Der Humangenetiker Charles Davenport, der der IFEO von 1927 bis 1932 vorstand, glaubte seine vermeintliche Beobachtung aus der Hühnerzucht auf den Menschen übertragen zu können und behauptete, dass „Mischlinge“ an einem schlecht proportionierten Körperbau (lange Beine, kurze Arme), Blutzirkulationsproblemen und psychischen Störungen leiden würden. Zusammen mit Morris Steggerda untersuchte er von 1926 bis 1929 auf Jamaika das Phänomen der „Bastardisierung“ und konkretisierte im Ergebnis seine Grundannahmen. Demnach wären die „geistigen Disharmonien […] aus der Mischung des Ehrgeizes, der Arbeitslust und Machtbesessenheit der Weißen mit der Faulheit, Instabilität, Dummheit und mangelnden Selbstkontrolle der Schwarzen entstanden“ (zit. nach Kühl 1997: 78).
Auch die anderen Mitglieder der „Commission on Race Crossing“ der IFEO lehnten auf der Grundlage ihrer streng biologistischen, sozialdarwinistischen und rassistischen Weltanschauung die „Rassenkreuzung“ ab und sprachen sich für die Segregation aus, da sie menschliche Hybride als „defekte und krankhafte Exemplare“ ansahen, die zu Unmoral und niedriger Intelligenz neigten und gehäuft Prostitution, Arbeitsunwilligkeit und Asozialität ausprägen würden (vgl. ebd.: 80f.). Entgegen der wahrnehmbaren Erfahrung blieb auch der koloniale Mythos des sterilen und pathologischen „Rassenbastards“ bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein Thema wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontroversen (El-Tayeb 2001: 50-59).35 Zu den oft rekurrierenden Un35 So wurde in den antifeministischen Diskursen, deren Stimmen nicht eindeutig entlang biologischer Geschlechtergrenzen bestimmt werden kön-
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terstellungen zählte neben der Sterilität, welche die unnatürliche Dysfunktionalität und Überlebensunfähigkeit des „Mischlings“ suggerieren sollte, auch der angebliche Hang zu körperlicher Anfälligkeit, verminderter Intelligenz, kriminellem Verhalten, psychischen Defekten und charakterlichen Schwächen. In diesen Diskursen wurde der „Rassenmischling“ als Träger von Kulturverfall und Amoralität bezeichnet.36 Eugen Fischer, der trotz seiner Position als herausragender akademischer Funktionär im Nazismus nicht nur seinerzeit und auch nicht nur innerhalb Deutschlands einen hervorragenden wissenschaftlichen Ruf genoss, verstand sich ebenfalls als Experte der „Bastardforschung“ (vgl. El-Tayeb 2001: 83-92).37 Bereits 1908 leitete er eine wissenschaftliche Feldexpedition in die damals zum Wilhelminischen Kaiserreich gehörende Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“. Sein Ziel war es, rund 300 „Mischlinge“ in Rehoboth, die Nachfahren burischer Kolonisatoren und einheimischer Frauen der Khoin-Khoin und San38 waren, nicht nur nach den altbekannten Mustern anthropologischer Körper- und Schädelmessungen zu untersuchen. Insbesondere versuchte er an ihnen die Übertragbarkeit der Mendelschen Erbregeln von der Botanik auf die Anthropologie zu exemplifizieren (Fischer 1913). Die 1652 offiziell in der Kapregion einsetzende Kolonisierung des Südlichen Afrikas erreichte um 1775 das heutige Namibia, wo europäi-
nen, das sexistische Feindbild des Hermaphroditen durch die Übertragung kolonial-rassistischer Stereotypen verstärkt: „Das beste Weibmaterial hat den unheimlichen Drang nach Halbmannhaftigkeit, einen Trieb zu hybrider Sterilität“ (Laura Marholm zit. nach Dohm 1902: 93). 36 Die Willkürlichkeit dieser Diagnosen offenbarte sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in der „Rassenanthropologie“, als sie die Effekte der Heterosis („Bastardwüchsigkeit“) anerkannte. Obwohl die Heterosis produktive Potentiale verspricht und in der Agrarzüchtung positiv konnotiert ist, wurden diese Effekte wiederum zunächst gegen die „Mischlinge“ gewendet. Nun wurde ihnen nicht wie ehemals ein Mangel, sondern ein Exzess in Form abnormalen Wachstums, körperlicher Disproportionen und übersteigerter Sexualität vorgeworfen. 37 Mit Ausnahme von Fischers Studie über die „Rehobother Bastards“ – da sie einen hohen Stellenwert für die Entwicklung der deutschen „Rassenhygiene“ hatte – werde ich mich in diesem Beitrag thematisch auf die „rassenpolitischen“ Entwicklungen in Deutschland beschränken. Siehe zu den gesetzlichen Maßnahmen bezüglich „Mischehen“ und „Rassenmischung“ in den deutschen Kolonien Pascal Grosse (1999: 149-192) und Fatima El-Tayeb (2001: 92-131). 38 Dass in Deutschland diese Menschengruppen bis in die Gegenwart fast nur unter den abwertenden Kolonialbezeichnungen „Hottentotten“ und „Buschmänner“ bekannt sind, zeigt, wie wenig die deutsche Kolonialgeschichte gesellschaftlich reflektiert und kolonial-rassistische Stereotypen bearbeitet wurden.
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sche Händler, Soldaten und Siedler sich zunächst Afrikanerinnen als Sexualobjekte und zur biologischen Reproduktion nahmen. Als Mitte des 19. Jahrhunderts medizinische Fortschritte den Mangel an Weißen Frauen in den Kolonien behoben, die bis dato angeblich an geschlechtsspezifischer Tropenuntauglichkeit litten, wurden gemischte Beziehungsformen sukzessiv durch Weiße Familien abgelöst. Im Gegensatz zu den „Mischlingen“ in Südafrika, die zunehmend gesellschaftlich isoliert und degradiert wurden (vgl. Geiss 1988: 196f.), konnten sich „Mischlinge“ in Südwestafrika länger in der Führungsschicht halten. So war Herman van Wyk, der als Regierungschef dieses Gebiet 1884 dem Deutschen Reich als koloniales „Schutzgebiet“ übergab, selbst ein „Halbblut“, der verschiedentlich auch als „Bastard-Kapitän“ tituliert wurde. Auch wurde überliefert, dass diese „Mischlinge“ sich selbst mit Stolz „Bastarde“ nannten, um sich sozial, kulturell wie sexuell gegenüber den Schwarzen Autochthonen abzugrenzen und ihre Verbundenheit mit den Weißen Kolonisatoren zu bekräftigen. Diese Perspektive nahm auch Fischer ein, der 1913 seine Untersuchungsergebnisse über „Die Rehobother Bastards und das Bastardisierungsproblem beim Menschen“ publizierte. Im Unterschied zu den damals üblichen Annahmen konnte er keine körperlichen und psychischen Degenerationserscheinungen feststellen, sondern musste überrascht positive Eigenschaften konstatieren. Seine rassistischen Überzeugungen ließen ihn aber glauben, dass die guten Eigenschaften europäischen Ursprungs seien, die sich wohltuend von den negativen und unästhetischen „Rasseneigenschaften der Eingeborenen“ abheben würden (vgl. Kattmann 1973: 47f). Obwohl seine eigenen Untersuchungen andere Schlüsse nahe legten, lehnte Fischer die „Bastardisierung“ aus ideologischen Gründen kategorisch ab, da sie die erbbiologische „Reinheit der Rassen“ untergraben würden.39 Vielmehr hoffte er darauf, dass „Bastarde“ durch „Entmischung“ wieder aus der Welt zu schaffen seien. Dort, wo „Bastarde“ nicht verhindert werden könnten, sollten sie unter keinen Umständen als Mitglieder der Weißen „Rasse“ anerkannt werden. Als „Vertreter des Kolonialrassismus“ (Lüddecke 2000: 35) war es ihm noch unheimlicher, als die für ihn bedrohlich wirkenden „Rassenauflösungserscheinungen“ auch das deutsche Kernland zu erreichen schienen.
39 Vgl. auch Lösch 1997. „Er [Fischer] wandte sich aber gegen die Mischung von deutschen Siedlern und afrikanischen Einwohnern. Dies führe zum Niedergang der weißen Bevölkerung, die natürlich kulturschaffend und höherstehend als die schwarze sei. Deswegen müssten beide Bevölkerungsgruppen auch streng voneinander getrennt werden“ (Marsch 1998).
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„Rassenhygienische“ Maßnahmen im Nazismus Fischers diesbezügliche Befürchtungen betrafen die knapp 100 Schwarzen, die nach der Berliner Kolonialausstellung (1896) in Deutschland blieben. Ebenso nahm er die etwa 1000 afrodeutschen „Rheinlandbastarde“ ins Visier, die in der Zeit von 1919 bis 1927 aus Beziehungen zwischen deutschen Frauen und Schwarzen Soldaten, vor allem aus der französischen Besatzungsarmee, hervorgingen.40 Hitler fasste die nicht nur in Deutschland gängige Volks- und Lehrmeinung durchaus treffend zusammen, als er 1928 in „Mein Kampf“ schrieb: „Juden waren und sind es, die den Neger an den Rhein bringen immer mit dem gleichen Hintergedanken und klaren Ziele, durch die dadurch zwangsläufig eintretende Bastardisierung die ihnen verhasste weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe zu stürzen und selber zu ihren Herren aufzusteigen“ (zit. nach Opitz [Ayim] 1992: 53).
Wie die NS-Ideologie betrachtete auch Fischer „Mischlingskinder“ als eine infektiöse Erbkrankheit mit zerstörerischen Folgen für die „Volksgesundheit“ und die „arische Rasse“. Da „Bastarde“ nicht heilbar seien, sollten sie isoliert, sterilisiert und, wo immer möglich, abgetrieben werden, um ihre weitere Ausbreitung wirksam zu verhindern. In einer Studie von 1933 über 27 Wiesbadener Kinder mit deutsch-afrikanischem und deutsch-asiatischem Familienhintergrund, die der „Rassenhygieniker“ Wolfgang Abel „Marokkaner- und Annamitenbastarde“ nannte, glaubte dieser, genetisch bedingte Psychosen und eine unterdurchschnittliche Intelligenz aufgrund des minderwertigen Erbmaterials festgestellt zu haben (El-Tayeb 2001: 184f.). Diese „Forschungsergebnisse“ wurden auch nach 1945 weiter verwandt, so dass Untersuchungen selbst aus den 1950er Jahren noch auf Abel rekurrierten (Opitz [Ayim] 1992: 58 und Anmerkung 29: 64). Zusammen mit anderen „Rassenhygienikern“ wie Fritz Lenz, Hans F. K. Günther und Wolfgang Abel konzipierte und führte Fischer auch die Begutachtung des biologischen Erbmaterials Schwarzer Kinder durch, die von 1934 an zu ihrer Zwangssterilisation führte. Bis 1937 sind rund 400 dokumentierte Fälle bekannt, in denen Afrodeutsche ohne gesetzliche Grundlage zwangssterilisiert
40 Vgl. El-Tayeb 2001: 158-171, Kühl 1997: 79. Allgemeiner dazu Opitz [Ayim] 1992: 45ff und Lusane 2002: 69-93. Siehe zur Konstruktion der so genannten „Rheinlandbastarde“ in der Weimarer Zeit und den Kindheitserinnerungen Schwarzer Menschen im Nazismus auch Tina Campt (2004: 25-167).
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wurden,41 wobei es sicherlich eine nicht zu vernachlässigende „Dunkelquote“ gab. Im Gegensatz zu Positionen, die den „jungen“ Fischer und damit den „guten“ Teil der deutschen Rassenanthropologie zu retten versuchen, ist darauf hinzuweisen, dass Fischer sich nicht von den Nazis korrumpieren ließ, sondern seine wissenschaftliche Ausrichtung von Anfang an rassistisch geprägt war. Statt einen ideologischen Gegensatz herzustellen, ist es angemessener davon auszugehen, dass seine 1921 mit Fritz Lenz und Erwin Baur ausgearbeitete „Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ als das deutsche Standardwerk schlechthin wesentlich zur NS-Rassenideologie beigetragen hat. Der von den neuen NS-Machthabern hofierte Fischer bedankte sich am 29.7.1933 bei seiner Antrittsrede als Rektor der Berliner Universität entsprechend hocherfreut über den Machtwechsel, den er als „wissenschaftlich notwendige ‚Erb- und Rassenpflege des Staates‘“ (zit. nach Lüddecke 2000: 43f.) bezeichnete. Was darunter zu verstehen sei, konkretisierte Fischer beispielsweise am 20.6.1939, als er in einer Stellungnahme das „Ausmerzen“ der jüdischen Bevölkerung forderte, obwohl das Judentum insgesamt nicht so „minderwertig sei, wie etwa Neger“ (zit. nach ebd.). Da die Eugenik sich weniger mit Individuen als mit „rassisch“ konstruierten Populationen befasste, sah sie in der „Rassenmischung“ eine weltweite Gefahr, die angeblich zum geistigen Kulturverfall, zur Minderung der Leistungsfähigkeit und zur Auflösung der höherstehenden Weißen „Rasse“ und ihrer europäischen Zivilisation führen würde. In ihren Augen würde die „Bastardisierung“, selbst wenn sie individuell nicht mit unmittelbaren körperlichen und psychischen Pathologien einherginge, immer noch eine „rassische“ Nivellierung der Population auf niedrigerem Niveau zur Folge haben. Da die eugenische Zielvorstellung eine Anhebung der „rassischen Qualität“ der Weißen verfolgte, waren diese Prognosen für Eugeniker völlig inakzeptabel und unerwünscht. Um die „Rassenmischung“ zu verhindern, forderten sie strikte politische Maßnahmen, die auf internationale Migrationskontrolle, Apartheid und Sterilisationen nach „rassenhygienischem“ Muster hinausliefen, um die allgemeine Vorherrschaft und Reinerhaltung der Weißen „Rasse“ durchzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser Überzeugungen gab es in der internationalen orthodoxen eugenischen Bewegung fast einhellige Sympathie, Unterstützung und sogar uneingeschränkte Bewunderung für die nazistische Rassen- und Bevölkerungspolitik. Schließlich bekannten sich nicht nur deutsche „Rassenhygieniker“, sondern auch viele Eugeniker
41 Opitz [Ayim] 1992: 58; Campt 2004: 63-80, hier 73 und Clarence Lusane 2002: 129-143, der die NS-Politik gegenüber Schwarzen Menschen in „Hitler’s Black Victims“ allgemeiner aufarbeitet.
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wie etwa der Brite George Pitt-Rivers offen zum Faschismus (vgl. Kühl 1997: 125ff). Diese Wissenschaftler wünschten sich eine weitreichende und systematisch organisierte Eugenik durch den Staat und empfanden daher die sich ergänzende Verbindung von „wissenschaftlicher Rassenlehre“ und rassistischer Politik im NS-Staat als ideal. Da das Blut in der „Rassenlehre“ als Träger vermeintlicher „Rasseneigenschaften“ galt, wurde es mythisch verehrt und sollte durch die Erfindung einer zu vermeidenden „Rassenschande“ (auch „Blutschande oder -sünde“ genannt) gesichert werden. Entsprechend sollte der „arische Volkskörper“ u.a. durch das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (1935) gegen das Eindringen „fremdrassischer“ Elemente „verteidigt“ werden. Neben dem „Blutschutzgesetz“ wurde auf dem Nürnberger Parteitag der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ (NSDAP) auch das „Reichsbürgergesetz“ verabschiedet, das jüdische Deutsche in ihren Grundrechten beschnitt. Schon zuvor wurde ab 1933 eine Reihe von eugenischen Gesetzen erlassen, darunter Gesetze gegen „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“, das „Erbhofgesetz“ und das „Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ (vgl. Dreßen 1993a: 167f.). Ein Teil dieser Gesetze war jedoch nicht originär nazistisch, sondern wurde wie das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bereits in der Zeit der Weimarer Republik vorbereitet.42 Die Präambel zum „Blutschutzgesetz“ bestand darauf, dass „die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des deutschen Volkes ist“. Ziel war es, „die deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern“ (zit. nach Kammer/Bartsch 1992: 39). In den Ausführungsverordnungen wurde die „Rassenschande“, die sich im Gesetz noch auf sexuelle Beziehungen zwischen „arischen“ und jüdischen Deutschen bezog, auch auf Schwarze, osteuropäische Zwangsarbeiter/ -innen („Slawen“) sowie Sinti und Roma ausgeweitet. Bei Paaren, die der „Rassenschande“ bezichtigt wurden, konnte gegen den Mann als vermeintlich treibende Kraft eine Gefängnis- oder Zuchthausstrafe von bis zu 15 Jahren verhängt werden (vgl. Dreßen 1993b: 168-170). Während Juden mit der vollen Härte der NS-Justiz auch über das gesetzlich mögliche Maß hinaus rechnen mussten, wurden „arische und artverwandte“ Männer als Opfer der „Verführungskünste und Geschlechtsgier jüdischer Frauen“ angesehen und erhielten eine vergleichsweise milde Strafe. Obwohl das Gesetz für Frauen keine Bestrafung vorsah, kam es
42 Pollak 1990: 18. Vgl. zur Rassenhygiene in der Weimarer Zeit Weindling 1989: 399-487; Weingart et al. 1992: 188-366; Schwartz 1995: 154-327; El-Tayeb 2001: 171-178, Rickmann 2002: 22-46.
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immer wieder vor, dass sie Strafverfahren auf sich nehmen mussten, als „Rassenschänderin“ durch die Straßen getrieben oder ins Konzentrationslager (KZ) deportiert wurden (ebd.). Nach Strafverbüßung verordnete die Geheime Staatspolizei für jüdische Männer meist die „Schutzhaft“, die in den Konzentrations- und Vernichtungslagern in der Regel tödlich endete. In Verbindung mit der Anklage als „Volksschädling“ konnte als Ultima Ratio aber auch von vornherein die Todesstrafe angewendet werden (vgl. Ley 1997: 29, 69). Die Fixierung auf angebliche oder tatsächliche „Rassenvermischung“ löste Zwangsvorstellungen aus, die mit fanatischer Angst und negativen Obsessionen einhergingen. Ebenso wie Sinti und Roma im manischen Antiziganismus bis zum „Achtelzigeuner“ unterschieden wurden, versuchte der NS-Antisemitismus Jüdinnen und Juden in „Juden 1. und 2. Grades“ bzw. in „Voll-, Halb-, Viertel- und Achteljuden“ einzuteilen (ebd.: 10-14, 76-80). Da jüdische Menschen trotz höchster Anstrengungen ergebener Rassenanthropologen weder als fremde noch als eigenständige „Rasse“, sondern nur als religiöse Glaubensgemeinschaft identifiziert werden konnten, „rechtfertigten die Propagandatexte die Unterdrückung der Juden mit deren Charakter als ‚Bastarde‘“ (Pollack 1990: 22). Da weder Jüdinnen bzw. Juden noch jüdische „Mischlinge“ widerspruchsfrei definiert, geschweige exakt ermittelt werden konnten (Ley 1997: 77ff.), schwankte die Zahl jüdischer „Mischlinge“ in den amtlichen Schätzungen zwischen 150.000 und 750.000 Personen (Lilienthal 1992: 68). Nicht nur in der Ideologie, auch in der nazistischen Aburteilungspraxis offenbarte sich die Konstruktion einer irrationalen Bedrohung durch alles Jüdische und „Fremdrassische“. „Auf dieser Basis entschieden die Gerichte, der Tatbestand [der ‚Rassenschande‘] sei auch ohne Geschlechtsverkehr erfüllt: Es genügte, wenn eine der Personen durch die Anwesenheit der anderen sexuelle Lust empfand. Berührungen oder nur Blicke konnten ausreichen“ (Hilberg 1992: 88).
Die imaginierte Unsichtbarkeit und Allgegenwärtigkeit alles Jüdischen hatte für die Nazis den paradoxen Vorteil, dass ihre „alles infiltrierende Andersartigkeit und zersetzende Minderwertigkeit“ umso gefährlicher erschien und die „Ausrottung“ jüdischer Menschen daher umso gnadenloser zu vollziehen war. Dass „Mischlinge“ jeder Couleur als Feindbilder genommen wurden, war kein Zufall, da das NS-Weltbild schon lange die weit verbreitete Hassangst gegen „Bastarde“ internalisiert hatte. Wenig verwunderlich war es daher, dass Alfred Rosenberg, einer der ideologischen Vordenker des Nazismus, in seinem einflussreichen Buch „Der Mythus des
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20. Jahrhunderts“ (1930) gegen die „aufgewühlten Schlammfluten der Mischlinge Asiens, Afrikas, des ganzen Mittelmeerbeckens“ (zit. nach Kammer/Bartsch 1992: 160) agitierte. Auch Adolf Hitler war ein extremer Verfechter der „Blutreinheit“. Er sah in der „Blutvermischung und das dadurch bedingte Senken des Rassenniveaus […] die alleinige Ursache des Absterbens aller Kulturen. [In der rücksichtslosen Bekämpfung der „Rassenmischung“ sah Hitler ein geeignetes Mittel, um das deutsche Volk, das aufgrund der] blutsmäßigen Vergiftungen […] leider nicht mehr auf einem einheitlichen rassischen Kern“ (zit. nach ebd.) beruhe, zu erneuern. In diesem Zusammenhang spielte die Phobie vor den dominanten Vererbungsmerkmalen „minderwertiger Rassen“ und deren „unausrottbarer“ Resistenz eine große Rolle. Daraus resultierte eine aberwitzige Furcht vor Verunreinigung, Auflösung und Verwechslung, da die scharfen Konturen der rassischen Körperkonstrukte sich allmählich zu verflüssigen drohten. Die rassenpolitisch motivierten Massenmorde sowie entsprechende Euthanasieprogramme in den Konzentrationslagern setzten die paranoide Furcht vor „Entartung“ bis zur äußersten Konsequenz um. In der Auslöschung des Anderen wurde die sicherste, weil endgültige Kontaktvermeidungs- und „Rassenerhaltungsstrategie“ gesehen. Obwohl die klaren Grenzen und eindeutigen Unterscheidungsmöglichkeiten von „Rassen“ immer nur imaginiert sein können, erkennt der Rassismus in der Hybridisierung eine Gefahr, die offensichtlich an der Wirksamkeit und Stabilität von Rassenkonstrukten zweifeln lässt und selbst deren körperliche Existenz in Frage stellt. Dabei macht die Hybridisierung nur Unterschiede augenfällig, die bereits in jeder wie auch immer definierten „Rasse“ angelegt sind, bringt sie aber nicht tatsächlich hervor. Auch „reformorientierte“ Eugeniker problematisierten zuweilen weniger die propagierten Ziele der NS-Eugenik als die Wahl der Mittel, die sie für übertrieben hielten. In einer auch von den damaligen sozialdemokratischen und liberalen Strömungen geteilten Perspektive sahen „sozialhygienische Reformeugeniker“ in einer „kalten“ Modernisierung durch technisch-rationalistische Effizienzsteigerung aller gesellschaftlichen Vorgänge die Voraussetzung für einen Wohlfahrtsstaat. Sie waren daher wie der nazistische Staat prinzipiell darum bemüht, mögliche „Störfaktoren auszuschalten“. Der Akzent lag bei „Sozialeugenikern“ weniger auf erzwungene Selektion und Vernichtung („negative Eugenik“) als auf Isolierung von unerwünschten Menschengruppen, „freiwillliger“ Selektion durch Etablierung entsprechender Gesellschaftsnormen und aktiver Förderung von erwünschten Bevölkerungsgruppen („positive Eugenik“). Auch wenn das weltweit erste Sterilisationsgesetz im USBundesstaat Indiana bereits 1907 verabschiedet wurde, sollte der eigent-
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liche Höhepunkt der Durchsetzung der staatlich gelenkten Eugenik in den 1930er Jahren liegen. In dieser Zeit erließen neben Nazi-Deutschland auch Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Estland und Island entsprechende eugenische Gesetze. Wie international wirkungsmächtig rassistische und „sozialhygienische“ Denkmuster waren, zeigte sich besonders an den Zwangssterilisationen in den als liberal geltenden Ländern Skandinaviens. Allein im überwiegend sozialdemokratisch regierten Schweden wurden ca. 60.000 Menschen bis zur Abschaffung des Gesetzes 1976 zwangssterilisiert.43 Die eugenischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren zu einer der Leitideen dieser unweit zurückliegenden Epoche avanciert und ließen sich nicht auf faschistische Systeme einschränken. Die Prinzipien der Eugenik blieben auch nach dem Kriegsende bis weit in die 1960er Jahre hinein relevant. In der BRD überdauerten zum Beispiel gerade in der humangenetischen Beratung, die auch Erbberatung genannt wurde, personelle und ideologische Kontinuitäten (vgl. Kühl 1997: 191-198, 233-238, hier 236).
Wissenschaftliche Kontinuitätslinien der deutschen „Rassenhygiene“ nach 1945 Wie viele andere NS-Beamte und Funktionsträger konnten auch viele Wissenschaftler trotz ihrer Verstrickungen mit dem NS-System ihre akademische Karriere in der BRD fortsetzen.44 Im damaligen historischen Kontext war die Reintegration der NS-Eugeniker in die zum Teil „recycelte“ Elite der BRD an sich nichts Ungewöhnliches. Diese Konsequenzlosigkeit entsprach einer politischen Nachkriegsrealität, in der die Weigerung, Verantwortung zu tragen, in allen Gesellschaftsschichten vorhanden war und sich bei funktionalen Verantwortungsträgern besonders kritikwürdig gestaltete. Wenn wir jedoch bedenken, dass die „Rassenhygiene“ eine außergewöhnlich machtvolle Institution im NS-System war, die nicht nur die Opfer, sondern auch die NS-Elite selektierte,45 43 Wolff 1997: 9. Neben Kühl (1997), der das internationale Netzwerk untersucht, ist hier die Studie von Michael Schwartz (1995) über die Grundlagen der sozialistischen Eugenik beachtenswert. 44 Ich beschränke mich in den folgenden Ausführungen auf die BRD. Inwieweit Strukturen der „Rassenhygieniker“ in der DDR fortbestanden, ist mir gegenwärtig nicht bekannt. 45 Für eine gewöhnliche Verbeamtung war der Nachweis „arischer“ Herkunft über zwei Generationen obligatorisch. Leitende Parteifunktionäre mussten bis 1800 und SS-Mitglieder mussten ihre „rassische Reinheit“ sogar bis 1750 im „Abstammungsgutachten“ ihres „Ahnenpasses“ belegen (vgl. Pollack 1990: 21; Rickmann 2002: 187-202).
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dann zeigt sich schnell, dass dieser ungeheure Vorgang alles andere als normal war. Schließlich war und ist die „Rassenhygiene“ keine normale Wissenschaft. Wer in diesem zentralen und hoch sensiblen Bereich nach 1935 verblieb, für den war eine „aktive Teilnahme an allen im Namen der Rassenpolitik begangenen Verbrechen“ (Pollack 1990: 46) unausweichlich. Um die Umsetzung der Kriegs-, Ausbeutungs- und Vernichtungsziele zu gewährleisten, wurden nach der NS-Machtübernahme die „rassenhygienischen“ Kapazitäten an den Universitäten und Forschungsinstituten verdoppelt, da die „Produktivität“ dieses kriegswichtigen Bereiches erhebliche Bedeutung besaß (vgl. Müller-Hill 1984 und Weingart/Kroll/Bayertz 1992: 367-561). Vor diesem Hintergrund ist es doch erstaunlich, dass selbst die Vertreter aus einem so offensichtlich belasteten Bereich wie der NS-Rassenkunde nahezu geschlossen weiterlehren durften – bis auf Ausnahmen wie Hans F.K. Günther oder Wolfgang Abel. Sofern sie nicht wie der Nestor der deutschen „Rassenhygiene“ Eugen Fischer schon zuvor aus Altersgründen emeritiert wurden oder wie Ernst Rüdin kurz nach Kriegsende starben, besetzten die „Rassenhygieniker“ erneut universitäre Lehrstühle für Anthropologie und restaurierten ihre alten Netzwerke.46 Da sie ihre Wissenschaft personell und vielfach auch inhaltlich nahezu bruchlos fortsetzten, konnten sie auch die Grundzüge der Anthropologie im Nachkriegsdeutschland weitgehend bestimmen. Fast ausnahmslos taten die deutschen „Rassenhygieniker“ so, als ob von 1933 bis 1945 und auch in der Zeit davor nichts Wesentliches geschehen wäre. Gleichzeitig negierten sie ihre moralische, politische wie wissenschaftliche Mitverantwortung und aktive Beteiligung an den NSVerbrechen.47 Wo die Verleugnung und Verdrängung des praktizierten Rassismus nicht durchzuhalten war, erklärten sie ihre Unschuld und gaben an, dass ihre Forschungsergebnisse durch den NS-Staat „missbraucht“ worden wären. Manche verwiesen wie Ernst Rüdin, einer der führenden NS-Autoritäten auf dem Gebiet der „Rassenhygiene“, mit Genugtuung auf „die internationale Zustimmung für die eugenische Politik der Nationalsozialisten […], die auf einer international angesehenen rassenhygienischen Gesetzgebung in Deutschland“ (Kühl 1997: 179)48 beruhte. Karl Saller, der 1935 nach diversen Anfeindungen der NS-konformen Fachkollegen mit einem Berufsverbot belegt wurde, 46 Vgl. auch die Beiträge in Frei 2001. 47 Es ist für die frühere deutsche scientific community kennzeichnend, dass die erste ausführliche Aufarbeitung „Tödliche Wissenschaft“ (1984) von Benno Müller-Hill erst nach jahrzehnterlanger Verspätung erschien. 48 Vgl. auch das Kapitel „Die internationale eugenische Bewegung im Dienste des Nationalsozialismus“ bei Kühl 1997: 125-44.
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hoffte nach 1945 vergeblich darauf, dass „vielleicht doch einer der Anthropologen des Dritten Reiches, die in wachsender Zahl in ihre Ämter zurückkehrten, den Weg zu einem Bekenntnis und zu einer Berichtigung in die Öffentlichkeit finden würde“ (zit. nach Kattmann 1973: 244). Allerdings wäre es falsch anzunehmen, dass Saller anti-rassistische Motive oder Ziele vertrat. Vielmehr waren fachinterne Querelen der Ausgangspunkt dieses Konflikts, da auch Saller sich wie allen anderen Rassenanthropologen „zum Nationalsozialismus bekannte und [sich] auf Hitler berief“ (Matz 2002: 396). Ein zu dieser Ausgangslage passendes Bild gab die neu gegründete Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz ab, die bereits 1946 eine Professur für Anthropologie für Egon von Eickstedt (1892-1965) einrichtete und seine einschlägig bekannte Assistentin Ilse Schwidetzky 1960 zur Nachfolgerin berief. Im Rahmen der durch die nazistische Eroberungspolitik geförderten „Ostforschung“ hatte Schwidetzky unter anderem Arbeiten über „Rassenforschung in Polen“ (1935) und „Rassenkunde der Altslawen“ (1938) erstellt, die als Grundlagenforschung für bevölkerungspolitische Maßnahmen wie Selektion, Konzentration, Deportation, Ermordung, aber auch Vertreibung und Kolonialisierung bedeutsam waren (vgl. Lüddecke 2000: 44, 73). Ihr Mentor von Eickstedt war nicht nur einer der einflussreichsten Rassenanthropologen im Dritten Reich. Darüber hinaus hat er auch in der BRD das „Wissen“ über menschliche „Rassen“ geprägt und wird in vielen Lexika als Referenzautor genannt. Auf Eickstedts „Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit“ von 1934 wird im dtv-Taschenlexikon (1974), Brockhaus (1979, 1991), in Meyers großem Taschenlexikon (1981, 1990) und in der Fischer-Enzyklopädie verwiesen. Das Meyer-Lexikon (1976) und das Duden-Lexikon (1962) führen hingegen seine Schülerin Schwidetzky auf (vgl. Lüddecke 2000: 46, 74). Ihre biologistische „Grundlagen der Rassensystematik“ gab das renommierte Bibliographische Institut Mannheim (Dudenverlag) 1974 als wissenschaftliches Lehrwerk heraus, obwohl sie darin weiterhin unkritisch auf nazistische Literatur zurückgriff und sich nicht einmal andeutungsweise mit Rassismus auseinandersetzte. Selbst in Arbeiten, die sich kritisch mit Rassismus befassen,49 werden Eickstedts Person und Werk als politisch unbedenklich und wissenschaftlich eingeordnet. Diese Einschätzung ist aber schwer nachvollziehbar, da Eickstedt nicht nur die Existenz biologischer „Rassen“ propagierte, sondern aus konstruierten physischen Gruppenunterschieden auch verschiedenwertige „Rassenseelen“ ableitete. Einige kleinwüchsige 49 Siehe etwa Kattmann 1973: 9, 243 und Pollock 1990: 36.
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„Naturvölker“ betrachtete er als infantil, und da er zur Polygenesis tendierte, klassifizierte er die San („Pygmäen“) als eigene Art. In seinem mehrbändigen Hauptwerk „Die Forschung am Menschen“ (1937ff.) wurden Sinti und Roma als „Fremd- und Gastvölker“ in Deutschland bezeichnet, die von „nomadisierenden kriminellen Stämmen Nordindiens“ abstammen sollten. Bei Menschen jüdischen Glaubens nahm sein Antisemitismus „händlerische Rücksichtslosigkeit, zersetzende Geistigkeit und Andersartigkeit“ (zit. nach Römer 1985: 25) wahr. Wegen hetzerischen Zuschreibungen steht sein Machwerk „Die rassischen Grundlagen des deutschen Volkes“ (1934) heute wegen „Aufstachelung zum Rassenhass“ (§ 131 StGB) auf dem Verbotsindex: Während „Europide“ mit „Energie“, „Tatkraft“, „Zielstrebigkeit“ und „Idealismus“ ausgestattet wären, seien „Mongolide“ ambivalent durch „Ausdauer“, „Zähigkeit“, „Geduld und sittliches Denken“, aber auch durch „Hinterhältigkeit“ und „grausame Kälte“ geprägt. Bei Schwarzen konstruierte Eickstedt dagegen das Bild der dummen, aber glücklichen „Neger“, die er als „gutmütige, sorglose und heitere Wesen“ beschrieb. Ihnen würde es weitgehend an „abstraktem und technischem Denken fehlen“. Doch ist ihre „Offenherzigkeit“, Musikalität und „Schwatzhaftigkeit“ an eine leichte Erregbarkeit gekoppelt, die sie jederzeit „ohne Voraussicht und Selbstbeherrschung“ reagieren lässt. Dann wären Schwarze „geschlechtlich, eitel, erregbar, in der Erregung auch wild und blutdürstig“ (zit. nach Lüddecke 2000: 74). „Eickstedt stellt die ‚abstammungsgeschichtliche Wertigkeit‘ verschiedener Rassen fest; diese können biologisch ‚primitiv (oder inferior)‘ oder ‚progressiv‘ sein. Australier könne man etwas übertrieben als ‚Affen ohne Schwanz‘ bezeichnen. Diesen gegenüber zeigte Eickstedt jedoch nicht die progressistische Vernichtungsmentalität eines Karl Pearson, sondern eher die eines Forschungsreisenden, der um den Fortbestand seiner Schauobjekte fürchtet: Im Zuge der drohenden ‚Weltbastardisierung‘ würden auch ‚die altertümlichsten Völker der Erde überhaupt‘ ausgerottet, die Naturvölker, durch ‚ein jeder Beschreibung spottendes Wüten einer europäischen Afterzivilisation.‘“ (Matz 2002: 399)
Obwohl diese Positionen, ebenso wie Eickstedts Huldigungen des „Führers“ und anderer NS-Ideologen wie seine Befürwortung der Nürnberger Rassengesetze von 1935 seiner engen Mitarbeiterin Schwidetzky, nicht unbekannt sein konnten, widmete sie ihm zu seinem 70. Geburtstag ein Buch mit dem in diesem Kontext ironisch anmutenden Titel „Die neue Rassenkunde“ (1962). Ihre akademische Nachkriegskarriere brachte Schwidetzky in einflussreiche Positionen von Berufsverbänden und
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wissenschaftspolitischen Organisationen: Neben zahlreichen Ehrungen durch verschiedene „Anthropologische Gesellschaften“ in Europa, die auf seinerzeit funktionierende Netzwerke der „rassistischen Internationale“ (Billig 1981) und fehlende Selbstkritik hindeuten, war sie auch langjährige Gutachterin der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Alexander von Humboldt-Stiftung. Bis zu ihrer Emeritierung 1976 konnte Schwidetzky, die letztlich in Eickstedts geistigem Fahrwasser blieb, einige wissenschaftliche Nachfolger wie Wolfram Bernhard, der ihren Mainzer Lehrstuhl beerbte, und Rainer Knußmann50 ausbilden. Letzterer versammelte als Leiter des Humanbiologischen Instituts der Hamburger Universität wiederum Kollegen/-innen um sich, die biologistische Menschenbilder und „rassische Anthropologie“ noch heute in Forschung und Lehre vertreten.51 Unter den Mainzer Kooperationspartnern von Schwidetzky ist der Ethnologe und Rassenpsychologe Wilhelm Emil Mühlmann noch besonders erwähnenswert. Er publizierte 1936 das bekannte NS-Lehrwerk „Rassen- und Völkerkunde: Lebensprobleme der Rassen, Gesellschaften und Völker“. Diese und ähnliche Arbeiten, die ihn als „überzeugten Verfechter der Überlegenheit der ‚nordischen Rasse‘ […] und als Befürworter der Rassentrennung“ (Lüddecke 2000: 168) präsentierten, qualifizierten ihn 1950 zu einem außerordentlichen Professor. Neben Mainz entwickelte sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch die Georg-August-Universität in Göttingen zum Sammelplatz für bekannte Rassenanthropologen und NS-Wissenschaftler. Dort fand unter anderem der „völkisch-großdeutsch ausgerichtete Ostforscher“ (Lüddecke 2000: 45) Hermann Aubin, ein früherer Kollege von Eickstedt aus gemeinsamen Tagen an der Universität Breslau, eine neue Wirkungsstätte. Während der ehemalige SS-Hauptsturmführer Gerhard Heberer die Leitung der Anthropologischen Forschungsstelle übernehmen durfte, wurde Karl Saller 1946 in Göttingen abgelehnt. Die Leitung der medizinischen Fakultät sah in Fritz Lenz den geeigneteren Lehrstuhlinhaber, obwohl dieser einer der „exponiertesten Vertreter der deutsch-faschistischen Rassenhygiene“ (Lüddecke 2000: 94) war und in den 1930er Jahren sich selbst als den „eigentlichen Begründer der NS-Weltanschauung“52 verstand. Wie die meisten Fachkollegen, darunter Eugen Fischer, Robert Ritter und Otmar von Verschuer, machte auch er „konkrete Vorschläge […], welche direkt in die Vernichtungsmaßnahmen einflossen“ (Lüddecke 2000: 86).
50 Zum universitären Wirken von Knußmann vgl. Lüddecke 2000: 237-296. 51 Vgl. Lüddecke 2000: 49. Siehe auch AG gegen Rassenkunde 1998. 52 Lenz zit. nach Lüddecke 2000: 46.
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An dieser Stelle ist es nur möglich, wenige Fälle aus der Vielzahl eugenischer Verbrechen zu benennen:53 Ritter wurde ab 1936 mit der Untersuchung „Asoziale und die Biologie der Bastarde (Zigeuner, Juden)“ beauftragt und entwarf auf der Suche nach Massenmordmethoden, Pläne zur Ertränkung der 30.000 deutschen Sinti und Roma im Meer. Im März 1942 konnte Ritter „15.000 abschließend bearbeitete Zigeunerfälle“ melden (vgl. Lüddecke 2000: 43-45). „Ziel war es, diese ca. 30.000 Menschen umfassende Bevölkerungsgruppe in Arbeitslagern zu isolieren und durch Sterilisation zum Aussterben zu bringen. Die pseudowissenschaftlichen Gutachten der [von Ritter geleiteten] rassenhygienischen und bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt wiesen über 90% der Sinti und Roma als ‚Zigeunermischlinge‘ aus, denen besonders gefährliche, vererbbare Eigenschaften zugeordnet wurden“ (Kreuter 1997: 658).
Verschuer war dagegen derjenige, der seinen Mitarbeiter Josef Mengele als Lagerarzt ins KZ Auschwitz vermittelte, um die dort durchgeführten Experimente für seine eigene „Zwillingsforschung“ zu verwenden. Ab 1937 unterbreitete er dem NS-Funktionär Rosenberg im Sinne angewandter Wissenschaft „nützliche“ Methoden zur „praktischen Erfassung von Juden und Judenmischlingen“. Diese Vorstufe ermöglichte die spätere Ghettoisierung, Deportierung und Vernichtung (Pollack 1990: 40, 49). Verschuer wurde 1951 Ordinarius an der Universität Münster und ging fünf Jahre später als Direktor des Instituts für Humangenetik und Anthropologie in den Ruhestand. 1952 wurde Verschuer Eickstedts Nachfolger als Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für Anthropologie“, die außer der kosmetischen Umbenennung ohne wesentliche inhaltliche Modifikationen aus der „Deutschen Gesellschaft für Rassenforschung“ hervorging. Neben den bekannten Namen in der nazistischen „Rassenforschung“ findet sich auch eine lange Liste von nachgeordneten Wissenschaftlern, die durch ideologische und konzeptionelle Mitwirkung konkret in die bürokratische NS-Mordmaschinerie verstrickt waren. Dazu gehörte nicht nur die pseudo-wissenschaftliche Legitimationsbeschaffung für die NSRassenpolitik, sondern auch die Erstellung von individuellen „Abstam53 Eine Zusammenfassung der NS-Rassenpolitik 1939-1945, die die „Rassenhygiene in Gesetzgebung und Praxis“ darstellt, liefert Rickmann 2002: 187-307. Neben der „rassenhygienischen Praxis“ wie der Erstellung von „Abstammungsgutachten“ befasst sich die Autorin auch mit der Verfolgung der „Asozialen“, der „Volkstumspolitik“ in eroberten Gebieten, der NS-Euthanasie zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ und schließlich der Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums.
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mungsgutachten“, die auf der Ebene der Mikrophysik der Macht über Leben und Tod entschieden (vgl. Lilienthal 1992). Dessen ungeachtet durften u.a. Heinrich Schade (Münster/Düsseldorf), Hans Weinert (Kiel), Lothar Loeffler (Hannover), Siegfried Koller (Mainz), Karl Valentin Müller (Nürnberg), Horst Geyer (Oldenburg), Hans Grebe (Marburg), Gerhard Koch (Erlangen), Peter Emil Becker (Göttingen) und Wolfgang Lehman (Kiel) in der BRD als Professoren lehren, als Direktoren Forschungsinstitute führen oder als leitende Verwaltungsbeamte Politik umsetzen (vgl. Kühl 1997: 177ff.). Wie durchlässig der wissenschaftliche Diskurs in der Nachkriegszeit für rassenhygienische Tradierungen war, zeigt sich besonders deutlich am Beispiel von Otto Reche. Als der „fanatischste Nazi unter den deutschen Rassenhygienikern“ (Lüddecke 2000: 86) fiel er durch seine Doppelfunktion als Professor für Anthropologie in Leipzig und als Sprecher des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP auf. Reche entwickelte 1926 das „Abstammungsgutachten“ – im Volksmund auch „Ariernachweis“ genannt – das durch die NS-Rassengesetze Standardanwendung wurde (Rickmann 2002: 187-202). Er tat sich immer wieder mit Vorschlägen für eine konsequente Umsetzung der NS-Bevölkerungspolitik hervor: 1935 forderte er die Errichtung eines „Reichsamts für Volksaufartung“ und 1941 die Einführung des neuen Straftatbestandes „Sippenschande“, um die Fortpflanzung der Bevölkerung im eugenischen Sinne zu steuern (Lüddecke 2000: 43f.). Trotz dieser offenkundigen Diskreditierung durfte er Dank der funktionierenden Netzwerke auch in den neuen Standardwerken der Biologie und Anthropologie seine unverändert rassistischen Standpunkte verbreiten. In der voluminösen Edition „Die Evolution der Organismen“, die 1959 von dem SS-erprobten Gerhard Heberer herausgegeben wurde, zeichneten Reche zusammen mit Lehmann für das Kapitel „Die Genetik der Rassenentstehung beim Menschen“ (S. 1143-1191) als Autoren verantwortlich. Darin versuchten beide alte Mythen durch neue Vorurteile gegen „Bastarde“ auszutauschen. „Rassenmischlinge“ erscheinen bei Reche aufgrund der nun zugestandenen Heterosis („Bastardwüchsigkeit“) zwar nicht mehr wie ehemals regressiv und unfruchtbar. Doch blieben weiterhin körperliche und triebhafte „Disharmonien“ bei „Mischlingen“ bestehen, da Reche ihnen unterstellt, dass sie nun an „abnormalem Größenwachstum und starker Sexualität“ leiden würden. Das Bild des hypersexuellen Monstrums suggeriert, dass „Mischlinge“ deformiert, amoralisch, instinktgesteuert, aber auch hemmungslos und animalisch wären und dadurch für sich und andere eine Gefahr darstellen würden. Diesen triebhaft-animalischen Eindruck versucht Reche noch zu verstärken, indem er auf die weitervererbte „Wulstigkeit der Negerlippe“ hinweist, die dem „sinnlichen und geschlechts-
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lüsternen Neger“ eigen wären. Selbst seine polygenetische These aus dem Jahre 1937, wonach die San nicht mehr zur „normalen“ Menschheit zählen, sondern eine eigene spezielle Art bilden würden, wird in diesem Artikel reaktiviert (vgl. Kattmann 1973: 244), um die Szenarien sexueller Perversion und die Angst vor Missbildungen noch dramatischer erscheinen zu lassen. Reches Eskapaden waren weit davon entfernt ein einmaliger Ausrutscher zu sein. Denn sie waren in einer gesellschaftlichen Normalität eingebettet, die nicht nur gleichgültig auf solche rassistischen Expertisen reagierte. Vielmehr herrschte in der BRD eine gesellschaftliche Atmosphäre, die durch die wohlwollende Unterstützung fast aller NS-bewährten Gutachter mit hochrangigen Posten und staatlichen Ressourcen die „wissenschaftliche“ Legitimation kolonialrassistischer Denk- und Wertstrukturen ermöglichten und förderten. Wie unumstritten Reches Äußerungen waren und wie sicher er sich im geistigen Klima dieser Jahre fühlen durfte, ist auch an der Tatsache abzulesen, dass die inkriminierten Passagen in die zweite Auflage (1967) übernommen wurden. Otto Reche war jedoch nicht der einzige Rassenhygieniker, der seine kolonial-rassistischen Ansichten in den neuen wissenschaftlichen Lehrund Referenzwerken unbehindert äußern durfte. In der Nachkriegszeit setzten auch andere Wissenschaftler mit einer ähnlichen Vergangenheit in der BRD ihre Arbeit an der Stelle fort, wo sie 1945 aufgehört hatten. Hans Weinert, der ein ehemaliger Assistent von Eugen Fischer war, trat in dem international beachteten Standardwerk „Handbuch der Biologie“ (1957) weiterhin ungeschminkt für die kulturelle Überlegenheit der Weißen „Herrenrasse“ ein, deren koloniale Unterdrückungspolitik kurzerhand zur zivilisatorischen Beglückung der gesamten Menschheit umdefiniert wurde. Ganz in alter Kolonialtradition stehend, stellte Weinert mit der unbekümmerten Selbst- und Siegesgewissheit eines Menschen, der die Welt unter seinen Füßen wähnt, einfach „objektiv“ fest, dass Intelligenz, Technikentwicklung und Fortschritt nun einmal europäische Befähigungen seien. Für ihn „trifft es aber weiterhin zu, dass hier in Europa eine Hauptrasse der Menschheit entstand, die in Bezug auf geistige und technische Leistungsfähigkeit alle anderen weit übertrifft. Wir müssen einmal bedenken, wie die Menschheit der Erde heute leben würde, wenn nicht europäisches Erbgut überall eingedrungen wäre … [Es folgen Beispiele aus der Kriegstechnik, Astronomie, Atomphysik, aber auch aus der letzten Eiszeit, die belegen sollen, dass] Europa weiter fortgeschritten war mit seinen Errungenschaften als gleichzeitige Menschen in
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anderen Erdteilen. Das sind nun einmal Tatsachen, die wir feststellen müssen und die mit Rassendünkel gar nichts zu tun haben.“54
Die politischen und ideologischen Positionierungen der deutschen „Rassenhygieniker“ und ihrer eugenischen Verbündeten blieben nach 1945 nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Rahmen einflussreich. Bereits die Auseinandersetzungen um das „Statement on Race“, das 1949 nach dem antisemitischen und rassistischen Genozid von der UNESCO initiiert wurde, zeigte, wie wenig die deutsche Rassenanthropologie gewillt war, überkommene Positionen trotz ihrer katastrophalen Auswirkungen aufzugeben. Die UNESCO-Kampagne wurde mit dem Ziel gestartet, der Wissenschaft dabei zu helfen, ihrer politischen Verantwortung endlich gerecht zu werden. Dazu wollte sie vorangegangene Fehler nachhaltig korrigieren, die dem Rassismus lange Zeit eine quasi-wissenschaftliche Grundlage verschafft hatten. 1950 veröffentlichte die UNESCO eine Erklärung, die acht Sozialwissenschaftler – darunter Claude Lévi-Strauss und Ashley Montagu – ausgearbeitet hatten und die durch Anmerkungen bekannter Genetiker wie Gunnar Dahlberg, Theodosius Dobzhansky und Julian Huxley ergänzt wurde. Darin wurde eine inkonsequente Position bezogen, die einerseits „Rasse“ als biologisches Phänomen festschrieb, andererseits sich gegen ihre ideologische Mystifizierung durch politische Fiktionen wandte.55 Wissenschaftlich könne man allenfalls von „ethnischen Gruppen“ sprechen. Die Erklärung wandte sich auch gegen die tradierte Ansicht, dass es angeborene Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen gäbe, die zu einer asymmetrischen oder einseitigen Verteilung von sozialen wie kulturellen Fähigkeiten führen würden. Vielmehr wurde darauf hingewiesen, dass Unterschiede zwischen Menschengruppen weniger biologisch als sozial und kulturell bedingt sind. Angesichts der tiefsitzenden Vorurteile gegen „bi-rassische“ Beziehungen wurden gesetzliche Regelungen kritisiert, die solche Ehen und ihre Nachkommenschaft diskriminieren oder kriminalisieren. Bezeichnend ist auch, dass die UNESCOErklärung es für nötig hielt, darüber aufzuklären, dass „Rassenmischungen“ weder nachteilige Auswirkungen auf Nachwuchs noch Gesellschaft haben und dass die häufig befürchteten körperlichen Ano-
54 Hans Weinert (1957): „Die heutigen Rassen der Menschheit“. In: L. von Bertalanffy/F. Gessner (Hg.): Handbuch der Biologie, Bd. IX, Frankfurt a.M.: Athenaion, S. 125-244, hier 226f. zit. nach Kattmann 1973: 246f. 55 Dazu heißt es: „The biological fact of race and the myth of ‚race‘ should be distinguished. For all practical social purposes ‚race‘ is not so much a biological phenomenon as a social myth. The myth ‚race‘ has created an enormous amount of human and social damage“ (UNESCO 1950: 101).
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malien und geistigen Regressionserscheinungen keine wissenschaftlich fundierte Grundlage besitzen. Eine einflussreiche Gruppe britischer Wissenschaftler, die dem „Royal Anthropological Institute“ nahe standen, konnte mit der einmütigen Unterstützung der deutschen Anthropologie letztlich eine Überarbeitung erzwingen. Zwar konnte auch die zweite Version von 1951 nicht an der Gleichwertigkeit aller Menschen zweifeln. Ebenso befand sie die „Rassenreinheit“ als ein ideologisches Ziel, das keine wissenschaftliche Begründung hat. Im Unterschied zur ersten Fassung wurde nun explizit am Rassenbegriff festgehalten, womit sich die Anhänger einer typologischen „Rassenlehre“ durchsetzen konnten. Der großen Mehrheit der deutschen Rassenanthropologen ging die erreichte Revision nicht weit genug, da sie die politische, das heißt anti-rassistische Festlegung der UNESCO nicht teilten und dagegen die neu entdeckte „Wertfreiheit der Wissenschaft“ in Stellung brachten. Eugen Fischer verglich die UNESCO-Erklärung sogar mit der NS-Politik, da sie keine anders lautenden Meinungen dulden würde. Weinert polemisierte wie gewohnt gegen die kulturelle und intellektuelle Gleichwertigkeit aller Menschen, da die Wissenschaft als höchste Erkenntnisform eine Kunst der Weißen „Rasse“ sei. Er gab ferner zu bedenken, dass auch die Anhänger der UNESCO wohl kaum ihre Kinder mit einem „Buschmann“ oder einem „Australier“ (Aborigines) verheiraten würden. Lenz griff diesen Punkt auf, indem er die Einheit der Menschheit anzweifelte, da, wie er sagte, „Eskimos“, „Neger“ und Weiße zuwenig gemein hätten, um eine Spezies zu bilden. Was ihn etwas beruhigte, war die Überzeugung, dass diese Gruppen sich aufgrund ihres „Rasseninstinktes“ nicht freiwillig „kreuzen“ würden. Seine Humanität versuchte er nachzuweisen, indem er zugab, dass er für aussterbende „Naturvölker“ ebenso Mitleid aufbringen würde wie für bedrohte Schimpansen und Gorillas. Für Lenz war es immer noch wichtig, durch eugenische Selektion den angeblichen Niedergang der Zivilisation aufzuhalten. In diesem Sinne bestand er auch nach dem Holocaust darauf, die „Rassenfrage der Juden sachlich zu behandeln“. Auch Hans Nachtsheim, Karl Saller und Walter Scheidt, die als Anthropologen politisch weniger belastet galten – auch wenn letzterer ein notorischer Antisemit war –, kritisierten die UNESCO. Sie hielten phänotypische und genetische Unterschiede zwischen rassisch definierten Bevölkerungsgruppen weiterhin für gegeben (vgl. Kühl 1997: 182-9). Angesichts des desolaten Zustandes der (Rassen-)Anthropologie in Nachkriegsdeutschland, die stark durch belastete Universitätsprofessoren und offen kolonial-rassistische Lehrmeinungen repräsentiert wurde, konnte es kaum überraschen, dass auch viele Nachwuchswissen-
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schaftler/-innen bei ihrer Beschäftigung mit den ca. 4.000 Schwarzen „Besatzungskindern“ (Stand: 1955) infolge ihrer untragbaren Grundannahmen zu zweifelhaften Resultaten kamen. Exemplarisch ist hier die anthropologische Dissertation von Walter Kirchner über „Mulattenkinder“56 aus dem Jahre 1952 zu nennen, die sich, wie der Autor angibt, „in eugenischer Absicht mit den Europäer-Negermischlingen in Berlin, hauptsächlich Kinder deutscher Frauen mit amerikanischen Negern [beschäftigt ...] Es geht natürlich nicht an, dass eine Gruppe von Menschen als minderwertig angesehen wird, weil sie auf Grund ihrer rassischen Veranlagung bestimmten körperlichen oder geistigen Anforderungen nicht gewachsen ist. Dennoch hat es seinen guten Sinn, auf die Verschiedenartigkeit der Rassen und die dadurch entstehenden Folgen bei Rassenmischung, an denen der Mischling selbst am schwersten zu tragen hat, hinzuweisen. Das ist die Aufgabe der Eugenik oder angewandten Anthropologie.“ (Zit. nach Oguntoye/Opitz [Ayim]/Schultz 1992: 91)
Obwohl Kirchner „Rassen“ oberflächlich betrachtet nicht mehr per willkürlicher Normsetzung in höher- und minderwertig einteilt, werden sie durch funktionale Differenzierungen ihrer biologisch determinierten „Rasseneigenschaften“ scheinbar „objektiv“ bewertet und hierarchisiert. Entsprechend definiert Kirchner – der zeitgenössischen Mehrheitsmeinung folgend – „Mischlinge“ grundsätzlich als ein zu vermeidendes Problem, die aufgrund ihres „negriden Rassenmerkmals“ bei „mäßiger intellektueller Leistungsfähigkeit“ unter einer „starken Triebhaftigkeit“ leiden würden (vgl. ebd.: 92). Wie wirksam diese pathologisierende Wahrnehmungsweise ist, zeigen jüngere Darstellungen bundesrepublikanischer Anthropologen. Ein Beispiel ist der Humanbiologe Georg Kenntner, der von 1979 bis 1999 auch das Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe leitete. Während andere Vertreter der Nachkriegs-Rassenanthropologie die Labels „geographische Varianz“ und „geographische Anthropologie“ bevorzugten, versuchte Kenntner den belasteten Rassenbegriff durch die kosmetische Umbenennung in „Ökotypen“ terminologisch zu modernisieren, ohne jedoch die zugrunde liegende Idee biologisch unterscheidbarer Menschengruppen grundsätzlich aufzugeben. Diese Sichtweise zeigte sich auch in der Titelgebung seines Buches „Rassen aus Erbe und Umwelt“ von 1975 im Safari Verlag. Darin referiert er unter dem Verzicht einer kritischen Hinterfragung vermeintlich 56 Der vollständige Titel lautete „Eine anthropologische Studie an Mulattenkindern in Berlin unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Verhältnisse“.
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wertfrei ideologische Kernelemente der so genannten „neuzeitlichen Rassenkunde“ und affimiert dabei gleichzeitig unbekümmert koloniale Bezeichnungen. Unter Verweis auf zugeschriebene medizinische Inkompatibilitäten wurde die „Reinerhaltung der Menschenrassen“ durch das „Problem der Rassenvermischung in neuester Zeit“ (Kenntner 1975: 257) als bedroht angesehen: „In der Rassenvermischung sehen manche Genetiker eines der ‚größten Übel‘. Neben physischen Schäden sollen vor allem psychisch minderwertige Verhaltensweisen auftreten. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass bei Rassenvermischungen die Anlagen der niedrigeren Rasse oder die schlechten Eigenschaften beider Rassen durchschlagen würden. Vor allem bei Vermischungen zwischen Negern und Weißen glauben verschiedene Genetiker Kurzsichtigkeit, Zahnkaries, Gebärschwierigkeiten, verminderte Fruchtbarkeit sowie mangelnde Widerstandskraft gegen bestimmte Krankheiten beobachtet zu haben. Daneben werden bei Mestizen und Mulatten schlechte charakterliche Eigenschaften erwähnt.“ (ebd.: 258)57
Demgegenüber betont die moderne Zuchtforschung die positiven Auswirkungen der so genannten Heterosis: „Die Kreuzung zwischen den Angehörigen verschiedener Tier- und Pflanzenarten oder -rassen bringt oftmals Individuen hervor, die größer sind, sich besser fortpflanzen und gegen Krankheiten oder ungünstige Bedingungen eine erhöhte Widerstandsfähigkeit besitzen“ (Straaß 1982: 141). Andere Quellen vermerken auch einen schnelleren Wuchs, höhere Erträge sowie größere Blüten bei Zierpflanzen.58 Allerdings ist Skepsis gegenüber der unreflektierten Übertragung solcher Heterosis-Effekte auf den Menschen angebracht, da diese vermeintlichen Kollektiveigenschaften ebenfalls auf fragwürdigen Verallgemeinerungen basieren und lediglich die zuvor negativ eingeordneten Zuschreibungen umkehren. Beispielsweise beruht die positive Wertung der besseren Fortpflanzungsfähigkeit von „Mischlingen“ auf der Akzeptanz eines Stereotyps, das im Kolonialdiskurs noch als krankhafte, weil abnormal übersteigerte Sexualität Schwarzer Menschen diagnostiziert wurde. Auch ist das Vermischungsparadigma insgesamt zu hinterfragen, da er neue Kollektiveigenschaften festschreibt und damit die Idee von „Rassenmerkmalen“ revitalisiert sowie voneinander abgesetzte Gruppen bzw. „Rassen“ voraussetzt. In Deutschland wurde eine nicht-rassistische Menschenkunde erst Mitte der 1960er Jahre denkbar, als die „Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik“ neu gegründet wurde, um sich von den sozialdarwi57 Vgl. auch Kattmann 1973: 52f. 58 Vgl. Art. „Hybride“, Microsoft Encarta ’99 CD-ROM Enzyklopädie.
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nistischen und rassistischen Wissenschaftstraditionen zu distanzieren. Nichtsdestotrotz gibt es auch heute noch Wissenschaftler/-innen in Deutschland wie im internationalen Kontext, die vor allem in der Humanbiologie, Bevölkerungswissenschaft, Migrations- und Kriminalsoziologie, Sexual- und Intelligenzforschung rassistische Thesen vertreten.59 Die Kontroverse um den internationalen Bestseller The Bell Curve, der 1994 von dem Psychologie-Professor Richard J. Herrnstein von der Harvard Universität und dem Politologen Charles Murray vom neokonservativen American Enterprise Institute veröffentlicht wurde, verdeutlicht exemplarisch die weitreichende Aktualität dieser Problematik im wissenschaftlichen Mainstream. In diesem Buch legen die Autoren nahe, dass aufgrund der vermeintlich genetischen Veranlagung kognitiver Fähigkeiten zwischen Intelligenz und „race“ ein enger Zusammenhang bestünde und Schwarze Menschen deshalb im Durchschnitt einen um 15 Punkte niedrigeren Intelligenzquotienten als Weiße hätten. Nachdem dieses Buch nach Erscheinen in einer Reihe von Fernsehshows und positiven Buchbesprechungen in landesweiten Massenmedien scheinbar als wissenschaftliche Legitimation weitverbreiteter Überzeugungen regelrecht hofiert wurde, entbrannte eine wissenschaftliche wie kulturkämpferische Debatte über die Tragfähigkeit und gesellschaftliche Konsequenz biologistischer Thesen und Forschungen. Im Zuge dieser Kontroverse kristallisierte sich bald heraus, dass Herrnstein und Murray weder gesellschaftlich noch wissenschaftlich mit ihrer Position isoliert waren. So wurde etwa von Linda Gottfredson (University of Delaware) die Verteidigungsschrift „Mainstream Science on Intelligence“ am 13.12.1994 im Wall Street Journal publiziert, die von mehr als 52 Wissenschaftler/-innen mit Universitätsstatus unterzeichnet wurde. Unter den Unterstützer/-innen waren auch die als weltberühmt geltenden Psychologen Hans Eysenck (University of London) und Arthur R. Jensen (University of California, Berkeley), die in ihren umstrittenen Arbeiten Intelligenz als abhängiges Produkt von genetischer Vererbung sehen und in der Intelligenzverteilung „rassische“ Unterschiede ausmachen wollen (vgl. Naureckas 1995). Auch wenn im wissenschaftlichen Diskurs offen rassistische Äußerungen mittlerweile seltener zu hören sind, finden sie sich doch in subtilen Randbemerkungen und stereotypen Unterstellungen wieder. Ebenso wirken „rassenhygienische“ Vorstellungen in gesellschaftspolitischen Diskursen bis zum heutigen Tag nach. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass Egon von Eickstedts „Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit“ (1934) in gängigen Lexika wie dem Brockhaus von 59 Vgl. AG gegen Rassenkunde 1998 und Cernovsky 1997.
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1991 als Referenztitel zum Stichwort „Menschenrassen“ genannt werden. Bezeichnend ist ferner, dass das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ bis heute von keinem einzigen deutschen Gericht für ungültig erklärt wurde (vgl. Ley 1997: 18). Klagen wurden nicht nur formaljuristisch abgewiesen. Zum Teil wurde das Delikt der „Rassenschande“ in der BRD von staatlichen Stellen weiterhin gerechtfertigt – wie diese Entscheidung der Hamburger Entschädigungsbehörde von 1950 zeigte: „Deutsche Staatsangehörige deutschen Blutes, die wegen Rassenschande eine Freiheitsstrafe erlitten haben, können nicht schon wegen dieser Tatsache an sich Haftentschädigung begehren, sondern nur dann, wenn sie eindeutig darlegen, dass sie wegen einer politischen Überzeugung oder Weltanschauung wegen Rassenschande verurteilt worden sind“ (ebd.: 176).
Auch in der BRD sind aufgeheizte Kontroversen um vermeintliche „Rassenvermischungen“ als bio- und identitätspolitische Bedrohung einer „reinrassisch“ definierten deutschen Nation im politischen Tagesgeschäft latent virulent. So warnte der damalige Bayerische Innenminister Edmund Stoiber am 03.11.1988 das deutsche Volk vor einer kollektiven Bedrohung, denn Oskar Lafontaine wolle eine „multinationale Gesellschaft auf deutschem Boden, durchmischt und durchrasst“60 (Hillenbrand 1988: 4). Seitdem ist die „durchrasste Gesellschaft“ zu einem geflügelten Wort geworden. Bei der Wahl der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Unwort des Jahres“ 1991 wurde Stoiber explizit als geistiger Urheber identifiziert. Seine Wortschöpfung landete hinter dem Begriff „ausländerfrei“, das während des rassistischen Pogroms in Hoyerswerda erfunden wurde, auf einem respektablen zweiten Platz.61 Wie salonfähig völkisch-rassistische Denkweisen immer noch sind, zeigte der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Norbert Geis vor wenigen Jahren im Interview mit Michel Friedman, in dem er explizit Stoibers Warnruf vor einer „durchrassten“ Gesellschaft verteidigte. Mit der rhetorischen Frage: „Warum lasst ihr nicht 60 Im Jahre 2002 bezweifelte ausgerechnet die Süddeutsche Zeitung in einer Glosse im Lokalteil die Herkunft dieses Zitats (Stiller 2002). Wie eine Gegendarstellung aufzeigt, erscheint diese vermeintliche Aufklärung jedoch nicht besonders glaubwürdig, da ein SZ-Redakteur als Augenzeuge 1988 selbst über das berüchtigte Zitat aus erster Hand berichtet hat und die SZ in unzähligen Berichten und Kommentaren die Richtigkeit ihrer Darstellung bekräftigt hat – zuletzt anlässlich der Entgleisung von Geis (Gockel 2002). 61 Vgl. http://www.gfds.de/woerter2.html; http://www.unwortdesjahres.org/ unwort_ g.html, gesehen am 27.7.2005.
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Deutschland den Deutschen?“62, übernahm er zudem eine ethnopluralistische Forderung der Neuen Rechten wortwörtlich, die die deutsche Öffentlichkeit in dieser Form bisher nur bei rechtsextremen Skinheads wahrnimmt. Geis’ Forderung ist im etablierten politischen Diskurs an sich nicht neu, sondern wurde früher von Stoiber nur anders formuliert: „Wir wollen nicht, dass sich hier Lebensformen etablieren, die nicht deutsch sind“ (Stern, 2/1999). Solche latent rassistisch-ethnozentrischen Politikangebote haben weder der steilen Karriere des Edmund Stoiber noch seiner national gesinnten Hardliner-Kollegen wie Alfred Dregger, Friedrich Zimmermann, Manfred Kanther und Günther Beckstein geschadet, sondern sie eher beflügelt. So wurde Stoiber nicht nur Ministerpräsident Bayerns und Parteivorsitzender der Christlich Sozialen Union (CSU), sondern auch der Kanzlerkandidat der Konservativen. Für diesen Politikertypus erwies sich die Positionierung am rechtsextremen Rand der gesellschaftlichen Mitte eher als Konkurrenzvorteil im politischen Geschäft. Schließlich verfügen laut einer aktuellen Studie der FriedrichEbert-Stiftung etwa ein Viertel der Weißen Deutschen über offen rechtsextreme und rassistische Einstellungen (Decker/Brähler/Geißler 2006). Stoibers Sorge über die grassierende „Durchrassung“ Deutschlands ist nur vor dem Hintergrund der spezifischen Wissenschafts- und Ideengeschichte des deutschen Rassenwahns zu verstehen. Obwohl sein Appell an einen völkisch-biologischen Rassismus in Form eines damals relativ unbekannten Kampfbegriffs geschah und die intendierte Sinngebung dadurch nicht eindeutig codiert war, konnte er sich breiten Gesellschaftskreisen doch spontan verständlich machen, die durch die Alltäglichkeit nationalistisch-rassistischer Diskurse und ihrer Tradierung über ein diskriminatorisches Wissen verfügten (vgl. Jäger et al. 1998). Entscheidend war dabei die Anrufung des bedrohten „deutschen Volkes“, die in ihrem Kernbestand durch die Inszenierung von Zersetzung und Überfremdung als gefährdet empfunden wurde. Dieses historische Konstrukt ist wiederum aber eindeutig rassistisch konnotiert und konnte deshalb latente „Abwehr-“ und Ausgrenzungsmechanismen ansprechen und reaktivieren. In Gesellschaften ohne eine lange und tiefgreifende Tradition rassenbiologistischer Diskurse hätte die Öffentlichkeit Stoibers Feindkonstruktionen einfach nicht verstanden. Stoibers Einlassungen sind nicht ohne politische Auswirkungen geblieben, sondern werden im rechtsextremistischen Diskurs gern für rassistische und antisemitische Propaganda verwendet. Wie eine solche Zuspitzung oder Offenlegung der Stoiberschen These aussehen kann,
62 Norbert Geis in der Fernsehsendung „Vorsicht Friedmann“ (Hessischer Rundfunk, 5.2.2002). Siehe auch Feddersen 2002: 13 und Arning 2002.
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zeigt Horst Mahler, der in den 1970er Jahren als prominenter Anwalt Mitglieder der linksradikalen „Roten Armee Fraktion“ verteidigt hat und in späteren Jahren auch als zentrales Sprachrohr der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) politisch aktiv war: „Das, was zu Beginn des Weltkrieges die beiden US-Liberalen Morgenthau und Kaufman, beide Volksgenossen von Ignatz Bubis, mit Deutschland nach dessen Niederwerfung vorhatten, nämlich die Liquidierung des deutschen Volkes durch Massenverschleppungen, Aushungern, Ausmordungen, Sterilisation der verbliebenen Männer und Masseneinwanderung raumfremder Ausländer mit dem Ziel der ‚Durchrassung‘ des deutschen Restvolkes, wird heute im Zeitalter der ‚Menschenrechte‘ von interessierter Seite erfolgreich mit etwas ‚humaneren‘ Mitteln umgesetzt.“63
Diese Beispiele zeigen, dass es in vielen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen der BRD trotz aller historischen Verwerfungen Kontinuitäten gibt, die es ratsam erscheinen lassen, rassenbiologistisch konnotierte Kolonialbegriffe wie „Bastardisierung“, „Kreolisierung“ und „Hybridisierung“ auch in der Rezeption von Cultural Studies und postkolonialen Ansätzen nicht unkritisch zu verwenden. Vor diesem Hintergrund ist, trotz der guten Absicht, gerade in Deutschland die Gefahr groß, durch eine sorglose und unreflektierte Begriffsverwendung in rassistische Diskurse zurückzufallen und neue zu evozieren. Angesichts dieser Geschichte ist der Begriff der Hybridität alles andere als unproblematisch, sondern angefüllt mit kolonialen Verbrechen und geschichtlichem Terror. Dennoch wird Hybridität im postkolonialen Diskurs positiv besetzt, um hegemoniale Werte und die Vorstellungen rassischer und kultureller Reinheit umzukehren. Infolge der Rezeption postkolonialer Diskurse ist Hybridität als „intellectual version of bastard chique“ (Broeck 2007: 53) inzwischen ein Leit- und Modebegriff im Diskurs über Migration, Globalisierung, Identität, Kultur, Nation, Ethnizität usw. geworden. Oft entsteht der Eindruck, dass Hybridität als Statuszeichen verwendet wird: man signalisiert, dieser Text ist up to date und steigert dadurch seine Verwertbarkeit. Eine kritische Perspektive lässt sich dagegen nur dann aufrechterhalten, wenn wir das Verhältnis von Hybridität und kolonialem Rassismus als konstitutiv beachten. Die Bremer Amerikanistin Sabine Broeck, die sich durch ihre langjährige Auseinandersetzung mit den AfricanAmerican Studies eine eher ungewöhnliche Position im deutschen Kon63 Deutsche Stimme, 1/1999: 2 zit. nach der Anklageschrift der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht „Verfassungswidrigkeit der NPD – Begründung des Antrags“, Nov. 2000, www.bmi.bund.de.
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text erarbeitet hat, betont daher die Notwendigkeit einer machtkritischen Rezeption: „Bhabha’s dream of ‚the possibilities of a cultural hybridity that entertains difference without an assumed or imposed hierarchy‘ could only be envisioned if the power relations at work in the production of hybridity are unveiled“ (Broeck 2007: 53).
Hype um Hybridität in der Spätmoderne Betrachten wir heutige Hybriditätsdiskurse, dann lassen sich nicht nur im Journalismus, sondern auch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich Tendenzen beobachten, die zwischen Geschichtsvergessenheit und Geschichtsrevisionismus changieren. Statt historischer Kontextualisierungen, Problematisierungen oder Fragen nach emanzipativen Gehalten herrscht häufig eine Orientierung vor, die sehr stark auf Zukunftspotentiale, Fortschritt und Produktivität ausgerichtet ist. Ikonographisch wird diese Entwicklung etwa auf dem Titelcover der symbolträchtigen Millenniumsausgabe des Duden-Fremdwörterbuchs (2000) abgebildet. Von anderen Novitäten wie „Incentive“ und zirkulierenden Modewörtern wie „Migration“ hebt sich der Begriff „hybrid“ darin visuell durch eine überdimensionale Präsentation und eine bildbeherrschende Stellung in der Bildmitte ab, wodurch er zur Hauptattraktion stilisiert wird. Allem Anschein nach schlägt die in allen sprachlichen Zweifelsfällen maßgebliche Duden-Redaktion, die sich in den letzten Jahren besonders um aktuelle Trends bemüht, Hybridität als herausragenden Schlüsselterminus für das angehende Jahrtausend vor. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum Hybridität als das Novum schlechthin verkauft wird, obwohl sie ganz offensichtlich über eine lange, wenn auch verschüttete Kulturgeschichte verfügt? Und warum ist ausgerechnet dieser Begriff gegenwärtig so dominant und sexy geworden, obwohl er bis vor wenigen Jahren nur ein angestaubter Fachterminus in der Biologie war? Obwohl das Hybride in seiner Kulturgeschichte ausschließlich negativ assoziiert wurde, wird es in Gegenwartsdiskursen einhellig positiv wahrgenommen. Um diesen diametralen Wertewandel und epistemologischen Bruch nachzuvollziehen, ist es unerlässlich, Hybridität auch als technischen Terminus zu untersuchen. Die generelle Bedingtheit von Kultur und Technik, deren Gebiete mit-
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einander verwoben sind und sich gegenseitig konstituieren, zeigt sich hier explizit. Durch das Einbeziehen naturwissenschaftlicher Diskurse können interdiskursive Interferenzen und wechselseitige Verschränkungen zwischen Technik und Kultur sowie Weltanschauung und Gesellschaft verfolgt werden.1 Dabei geht es mir nicht darum, die Potentiale von Hybridtechnologien auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht vielmehr die Frage, welche Art von Diskurs ein postmodern aufgeladener Hybridbegriff entfaltet und fördert. Anschließend wird thematisiert, ob das dadurch produzierte Image von Hybridität als kulturalistisches Überbauphänomen bzw. als Idiom spätkapitalistischer Produktions- und Verwertungszusammenhänge den Stellenwert einer postmodernen Meta-Narration einnimmt.
Hybride Revolution – Das postmoderne Versprechen einer unentdeckten Terra Nova Als technisch-naturwissenschaftlicher Terminus bezeichnet „hybrid“ meist Prinzipien oder Modelle, in denen mindestens zwei verschiedene, vormals voneinander getrennte Systeme, Organismen, Bereiche oder Entitäten miteinander kombiniert oder gemischt werden, die dann ein neues, in sich differenziertes Ganzes ergeben. Durch diese Vorgehensweise können dynamische Strukturen und nicht festgelegte Formen des Uneinheitlichen konstruiert werden, die sich aus unterschiedlichen Anteilen zusammensetzen und immer wieder neu rekonfiguriert werden können. Angesichts der immensen Nachfrage nach Hybridmodellen und -technologien, die auf einen expandierenden Metadiskurs deuten, kann angenommen werden, dass die gegenwärtigen Erscheinungen weniger die Amplitude als die Vorboten einer extensiven Hybridkultur darstellen. Es scheint, dass Hybridisierung zu einem allgemeinen Entwicklungstrend wird, der zunehmend weitere Bereiche erfasst und sich universalisiert. In diesen Kontexten wird Hybridisierung zum Code erfolgversprechender Modelle und Technologien stilisiert und als Hoffnungsträger des technisch-zivilisatorischen Fortschritts gehandelt. Solche Diskurse vermitteln den Eindruck, dass nicht nur Menschen und Kulturen, sondern vor allem auch Technologien – oder allgemeiner ausgedrückt: dass umfassende Bereiche der Welt und des gesellschaftlichen Lebens – sich unaufhaltsam mit zunehmender Geschwindigkeit hybridi-
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Überblick in Böhme/Matussek/Müller 2000: 104-202.
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sieren. Die Hybridisierung selbst wird zum Synonym für das Bahnbrechende und Revolutionäre. Auch wenn in den Geisteswissenschaften Hybridität seit kurzem als neues grenzenloses Kulturmodell einen ungebremsten Aufstieg feiert, ist ihr historischer Ausgangspunkt in der Moderne doch in den Naturwissenschaften und ihren Anwendungsgebieten zu verorten. Entsprechend dieser Begriffsgeschichte und den daraus erwachsenden Tradierungen haben Diskurse über Hybridbildungen und -formen in den unterschiedlichen naturwissenschaftlichen, vor allem biowissenschaftlichen Disziplinen bisher einen weitaus höheren Verbreitungsgrad erreicht.2 Ausgangspunkt war zunächst die klassische Biologie, dann folgten Chemie und Biochemie, und mit entsprechendem technischem Knowhow setzte dann verstärkt die Hybridforschung in der Mikrobiologie sowie in der Molekular- und Gentechnologie ein. Obwohl die interdiskursiven Bezüge in sozialwissenschaftlichen, medienwissenschaftlichen und kulturtheoretischen Erörterungen meist ausgeklammert bleiben, spielen die naturwissenschaftlichen Wahrnehmungen subtil oder offenkundig eine bedeutungsbildende Rolle für den Gesamtdiskurs. Die Fundamente des geltenden Weltbildes werden in dem Maße durch naturwissenschaftliche Befunde geformt, wie es ihr gelingt, gesellschaftlich anerkanntes Wissen zu konstituieren. Durch diese naturwissenschaftliche Brille lernt die Gesellschaft den abstrakten Begriff „hybrid“ als ahistorisches Gebilde mit technologischen Sinnbezügen kennen. Mittels der vermittelten Inhalte und Bilder werden positive Assoziationsketten aufgebaut, die dem Hybridbegriff ein bestimmtes Bedeutungsprofil oder Image verleihen. Diese boomende Hybridwelt lädt zu einem skizzenhaften Streifzug ein, der schon aufgrund seines exkursiven Charakters nicht systematisch und vollständig sein kann, aber interdiskursive Zusammenhänge freilegen will, um Ausmaß und Spektrum des diskutierten
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Um einen quantitativen Eindruck von den Relationen zu vermitteln: Während die elektronische Datenbank „The Philosopher’s Index“ für den Zeitraum von 1940 bis Juni 2002 insgesamt 172 Einträge mit den Suchbegriff „hybrid*“ anzeigt, führt die gleiche Suche in den „Biological Abstracts“ allein für das erste Halbjahr 2002 zu 5509 Hits. Betrachtet man außerdem die zeitliche Verteilung, so deutet alles – selbst wenn wir die erleichterte Informationserfassung durch elektronische Datenverarbeitungssysteme berücksichtigen – auf einen explosionsartigen Anstieg von Hybriddiskursen in der letzten Dekade hin. So wurden rund ¾ der erfassten philosophischen Arbeiten seit 1990 publiziert, obwohl diese Periode nur einen Bruchteil des Gesamtzeitraums umfasst. Trotz des hohen Ausgangsniveaus weist ein Vergleich der „Biological Abstracts“ mit ihrer CDROM-Ausgabe für das erste Halbjahr 1993 mit 4519 Treffern eine beträchtliche Zunahme von ca. 20% auf.
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Gegenstandes zu kennzeichnen. Einblicke in unterschiedliche Forschungssegmente der Bio-, Computer-, Energie- und Mobilitätstechnologien, die allesamt als gesellschaftliche Schlüsselindustrien mit hohem Zukunfts- und Transformationspotential gelten, verdeutlichen den Stellenwert von Hybridität als universell verwertbares Innovationskonzept in Gegenwartsdiskursen. Das älteste in der modernen Wissenschaft verwandte Konzept der Hybridisierung ist biologischer Natur. Spätestens mit der nachträglichen Anerkennung der Mendelschen „Versuche über Pflanzenhybride“ (1866) wurde ein bis heute gültiges Wissenschaftsparadigma begründet, das als Gründungsurkunde der Genetik und Molekularbiologie die Arbeitsgrundlage der Biotechnologien bildet. Auch heute stehen die meisten lexikalischen Begriffe wie Hybridenfleisch, Hybridenwein, Hybridhuhn, Hybridmais, Hybridschwein, Hybridzüchtung etc. (Wahrig 1981: Bd. 3, 682f.) mit biologischen Themen in Verbindung: Aufgrund dieser disziplinären Verortung in der Wissenschaftsgeschichte kann es nicht überraschen, wenn heute in gentechnischen, biochemischen und biologischen Diskursen der Begriff „hybrid“ mit Abstand am häufigsten fällt. Die gesellschaftliche Bedeutung der Bio- und Lebenswissenschaften kann kaum überschätzt werden. Ihre Erfolgsgeschichte in der praktischen Anwendung begann um 1920, als die Hybridzüchtung sich in der Botanik und im Agrarbereich gegen die klassische Auslesezüchtung durchsetzte. Da „die Hybridisierung sich weltweit zum Paradigma der agrarwissenschaftlichen Forschung entwickelte“ (Berlan/Lewontin 1998: 1), sind die meisten heute kultivierten Nutzpflanzen und -tiere durch künstliche Kreuzung homozygoter (reinerbiger) Eltern entstanden.3 Die Vorteile des Heterosis-Effektes sollen den Hybriden ein ertragreicheres und widerstandsfähigeres, aber auch ein schnelleres Wachstum ermöglichen. Fortgeschrittene Produkte wie das Hochleistungshybridsaatgut und ihre tierischen Pendants behaupten die betriebswirtschaftliche und nationalökonomische Rentabilität erheblich zu verbessern. Obwohl die Segnungen der seit den 1960er Jahren prophezeiten „Grünen Revolution“ weitgehend ausgeblieben sind, halten Saatgut-
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Weil das Hybride im industriellen Sinne seine funktionelle und ästhetische Überlegenheit gegenüber den Ursprungsformen behauptet, hat diese Substitution den seltsamen Effekt, dass das Artifizielle von vielen als natürlich erlebt wird. Von diesem Paradox lebt etwa der Handel mit Orchideen, die fast ausschließlich in ihren Hybridformen auf den Markt kommen. In den letzten 150 Jahren sind an die 150.000 Hybridformen gezüchtet worden, wobei nur ein kleiner Teil kommerziell vertrieben wird. Vgl. http:// de.wikipedia.org/wiki/Orchidee, gesehen am 12.2.2009.
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industrie, kooperierende Wissenschaftler/-innen und interessierte Regierungen nach wie vor die weitverbreitete Hoffnung aufrecht, Hunger und andere soziale Armutskrankheiten – auch ohne strukturelle Reformen der existierenden Weltwirtschaftsordnung und globale Umverteilung des Zugangs zu Ressourcen – einfach durch noch leistungsfähigere Zuchtsorten in Verbindung mit anderen technischen Maßnahmen wirksam bekämpfen zu können. Obwohl diese Entwicklung oft wenig zur Lösung beiträgt, aber bestehende Konflikte intensivieren und neue Probleme hervorbringen kann,4 hat der von den „Helden der Wissenschaft“ (Berlan/Lewontin 1998) geförderte Glaube, diese Geißeln der Menschheitsgeschichte mit einer technologischen „Wunderwaffe“ besiegen zu können,5 durch neuere Hybridisationsmöglichkeiten des „bio-genetic engineering“ an Zulauf gewonnen. Im Gegensatz zur Hybridzüchtung ermöglichen unterschiedliche Verfahren der Gentechnologie Hybridbildung auch über biologische Stammes-, Klassen- oder Ordnungsgrenzen hinweg, indem sie Manipulationen in der Keimbahn vornehmen und andere grenzenlose Vorteile versprechen.6 Als Erfolgsbeispiel der Gentechnik wird oft die Produktion menschlichen Insulins durch manipulierte Mikroorganismen angeführt. Andere Projekte wie die „Tomoffel“, die durch Genfusion von Tomaten und Kartoffeln kreiert wurde, sind dagegen noch nicht marktreif (Bick/Schug 1992: 36ff.). Aufgrund ihrer unabsehbaren Auswirkungen auf das Ökosystem und den menschlichen Organismus ist insbesondere die unkontrollierte Genübertragung Gegenstand öffentlicher Sorgen. Ein bekanntes Beispiel für ein nicht beherrschbares Feldexperiment war die Freisetzung von 30.000 gentech-
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Durch das sterile, patentrechtlich geschützte und nur von wenigen internationalen Konzernen kommerziell vertriebene Hybridsaatgut entstehen neue Abhängigkeiten und Zugangsbeschränkungen. Darauf beruhende Ungleichheiten und Machtverhältnisse im Nord-Süd-Gefälle wie auch im Verhältnis zwischen Saatgutherstellern, Bäuerinnen, Bauern und Konsument/-innen werden durch Fragen des Schutzes vor Genmanipulation und der Bewahrung der natürlichen Biodiversität weiter verschärft. Vgl. Lipton/Longhurst (1989), Shiva (2002) und BUKO Kampagne gegen Biopiraterie (2005). Welche symbiotische Beziehung soziale Utopien und technischer Fortschrittsglauben eingehen können, illustrierte 1970 die Verleihung des Friedensnobelpreis an den Saatgutzüchter Norman Borlaug für die Erfindung des „mexikanischen Wunderweizens“ (Zurek 1992: 62). Die zuständige Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages definiert die Gentechnologie als „die Gesamtheit der Methoden zur Charakterisierung und Isolierung von genetischem Material, zur Bildung neuer Kombinationen genetischen Materials sowie zur Wiedereinführung und Vermehrung des neukombinierten Erbmaterials in anderer biologischer Umgebung“ (Catenhusen/Neumeister 1990: 7).
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nisch veränderten Petunien in Köln, die sich nicht wie vorhergesagt entwickelten (die tageszeitung 13.8.1990: 6). Neben der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie werden vor allem in der Medizin enorme Erwartungen in die genetische Hybridisation gesetzt, so z.B. in die Hybridomtechnik, die geeignet erscheint, lebende Hybridzellen (Hybridome) zu erzeugen. Den Molekular- und Genbiologen Georges Köhler, Niels Kaj Jerne und Cesar Milstein gelang es 1975 erstmals, monoklonale Antikörper herzustellen, die außerhalb des menschlichen Körpers überleben konnten. Indem sie Milz- und Krebszellen zu einer neuen organischen Einheit verschmolzen, die die unaufhörlichen Zellteilungs- und Wachstumseigenschaften der Tumorzellen (Myelom) mit der Fähigkeit der Milzzellen (Lymphozyten) zur Reaktion mit Antigenen verband, konnten sie aus den so gezeugten HybridzellenKlonen im großen Maßstab lebensfähige Antikörper produzieren. Da die Bedeutung dieser Leistung für die Biologie mit der bahnbrechenden Entdeckung der Spaltbarkeit von Atomen in der Physik verglichen wird,7 erhielten die Forscher bereits 1984 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Die Hybridomtechnik spielt heute u.a. bei der Krebsdiagnose, in der Immunisierungsforschung, bei Organtransplantationen und als Medikamententräger mit zielgenauer Wirksamkeit eine wichtige Rolle. Es ist davon auszugehen, dass diese Anwendungsgebiete nur den Anfang einer Entwicklung markieren, in der diese Biotechnik vermehrt Bedeutung erlangen wird. In der Molekulargenetik wird der dem Hybridom zugrundeliegende Gentransfer als Hybridisierung bezeichnet, bei der fremde Gene in ein Chromosom übertragen werden, wodurch transgene Hybridzellen entstehen. Die Relevanz dieses Themas ist schon lange anerkannt und wurde 1980 durch einen Nobelpreis an den US-amerikanischen Molekularchemiker Paul Berg für grundlegende Forschungen an der Hybrid-DNS bestärkt. Da der Diskurs über Möglichkeiten, Grenzen und Folgen gentechnologischer Anwendungen als Reproduktionstechnologie, Diagnosemittel und therapeutisches Klonen ausufernd ist, beschränke ich mich auf folgenden Hinweis: Hybridisierung als ein Kernverfahren der Gentechnik hat zu sozialtechnischen Allmachtsphantasien angeregt. In ihren populistischen Formen wird der Gentechniker als Schöpfer von neuen Lebensformen in eine Position versetzt, die bisher ausschließlich der Natur oder göttlichen Wesen vorbehalten war und als Genesis 2.0 be7
Art. „Köhler, Georges J.F.“. In: Das große Data Becker Lexikon 2001 (CD-ROM). „Köhler revolutionierte die theoretische und angewandte Immunforschung mit den von ihm erstmals hergestellten monoklonalen Antikörpern“ (Art. „Köhler, Georges“. Brockhaus multimedial 2000 (CDROM), Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999).
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zeichnet wurde (vgl. Rifkin 1986). Über die zukünftigen Chancen und Risiken von Hybridisierungsmethoden in den Life Sciences, die unter den Bezeichnungen „Gentherapien“ und „genetische Eingriffe“ geläufig sind, wird bekanntermaßen eine erbitterte Kontroverse geführt.8 Nicht nur angesichts anhaltender Berichte, wonach Geningenieur/-innen an einem Eintritt ins posthumane Zeitalter arbeiten,9 sind viele Menschen über die gewaltige gesellschaftliche Sprengkraft genetischer Hybridisierungstechniken tief besorgt. Ob ihre Bedenken gegen die Macht des „genetisch-industriellen Komplexes“ (Berlan/Lewontin 1998) ankommen, bleibt fraglich. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass sich mit dem Fortschreiten der technischen Möglichkeiten auch die Grenzen des gesellschaftlich Erlaubten und Erwünschten (Handelns) verschieben. Was heute im Bereich der Gentechnik bereits Realität geworden ist, war vor wenigen Jahren noch undenkbar. Diese sozialtechnische Dynamik macht genetische Hybridisierung, in welcher Form auch immer, zu einem langfristigen Zukunftstrend.
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Neben den Diskussionen um das Embryonenschutzgesetz und unzähligen Neuerscheinungen wie Lemke (2004) war auch die Sloterdijk-HabermasKontroverse (1999) über die „Regeln für den Menschenpark“ (Nennen 2003) medienwirksam. Inzwischen sind gentechnische Experimente an Menschen-Affen-Chimären bekannt geworden. Unter der Schlagzeile „Forscher wollen Mischwesen aus Mensch und Tier züchten“ (Berliner Morgenpost 1.5.2005: 1) wurde über Versuche am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie berichtet, bei der – trotz scharfer Proteste des deutschen Ethikrates – menschliche Embryonalzellen in das Gehirn von Affen gespritzt wurden. Begründet wurden diese Experimente mit dem Forschungsinteresse, Therapien gegen Alzheimer und Parkinsonsche Krankheit zu entwickeln. Auch andere Forschungsinstitute haben bereits ihr Interesse an ähnlich gelagerten Experimenten bekundet. Diese Praktiken setzen damit eine Forschungsreihe fort, die bereits über eine längere Geschichte verfügt. Schon vor Jahren wurde berichtet, dass Forscher von Stena Cell Sciences im australischen Melbourne „Gene aus fötalen Menschenzellen in entkernte Zellen von Schweinen [injiziert hätten]. Prompt wuchs, was scheinbar nicht zusammengehört, zusammen: zu ChimärenEmbryonen aus Schwein und Mensch“ (Blech et al. 2001: 214). In die gleiche Richtung experimentierte zuvor Jose Gibelli von der USamerikanischen Firma Advanced Cell Technology, der im Selbstversuch eine eigene Schleimhautzelle mit einer Kuh-Eizelle zum einem „KuhMensch-Hybrid“ (ebd., vgl. auch die Meldung die tageszeitung 13.11. 1998: 9) verschmolz, das sich daraufhin fünfmal teilte, bevor es abstarb. Die Pionierarbeit leisteten laut einer dpa-Meldung japanische Wissenschaftler, als es ihnen gelang, komplette Chromosomen des Menschen in embryonale Mäusezellen zu übertragen, was „von US-Experten als Meilenstein der Genforschung beurteilt [wurde]“ (die tageszeitung 2.6.1997: 13).
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So wie der genetische Code des Lebens als vermischbar angesehen wird, so entwickelte ein anderer Nobelpreisträger, nämlich Linus C. Pauling,10 einen chemischen Hybridisierungsansatz für die kleinsten Bestandteile der Materie, der einen quantenmechanischen Vorgang im Atomkern beschreibt. Dabei ergeben sich durch Umstellung der Elektronenlaufbahn Hybridorbitale, die eine günstigere räumliche Ausrichtung der Atombindungen ermöglichen.11 Darüber hinaus kann die Chemie selbst als ein Forschungsgebiet ansehen werden, das die Hybridisierung von Molekülen erforscht. Moleküle haben je nach Umweltbedingungen durch Abspaltung, Auflösung und Neuverbindung die Fähigkeit ihre Struktur, ihre stoffliche Identität und ihre Eigenschaften vorübergehend oder dauerhaft zu verändern. Diese Modifikationen sind dynamische, nie abgeschlossene Prozesse des Übergangs, in der durch Rekombinationen und Umstellungen von Atomkonstellationen neue Verbindungen und Entitäten entstehen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich an der Schnittstelle biologischer und chemischer Disziplinen aufstrebende Grenzgebiete herausgebildet haben. Neben der Gentechnik werden auch in der Mikrobiologie und Biochemie durch vielfältige Forschungen an Hybridformen neues Wissen und neue Technologien produziert. In anwendungsorientierten Forschungsbereichen werden neu entwickelte High-Tech-Materialien oft mit dem Eigenschafts- und Qualitätsmerkmal „hybrid“ versehen. Als hybrid gelten diese Stoffe, weil sie sich aus unterschiedlichen Materialverbindungen bzw. -schichten zusammensetzen oder gegensätzliche bzw. nach den jeweils geltenden Bedingungen wechselnde Eigenschaften besitzen. Solchen Hybridmaterialien werden neben möglichen Kosten- und Produktionsvorteilen, neu- bzw. einzigartigen oft auch überlegene Eigenschaften zugesprochen, die nicht nur in technischer Hinsicht revolutionär wirken. „Recent technological breakthroughs and the desire for new functions generate an enormous demand for novel materials. Many of the well-established materials, such as metals, ceramics or plastics cannot fulfill all technological desires for various new applications. Scientists and engineers realized early on that 10 Pauling erhielt für Forschungen zur Molekülstruktur von Proteinen 1954 den Nobelpreis für Chemie. Durch den Friedensnobelpreis 1962 wurde sein Engagement für atomare Abrüstung rehabilitiert. Während der McCarthy-Ära wurde er für diesen Einsatz in den USA noch wegen „kommunistischer Umtriebe“ verfolgt. In den 1970er Jahren erregte er nochmals mit der noch heute umstrittenen These, Vitamin C wäre in der Krebstherapie wirksam, großes Aufsehen. 11 Zur Bedeutung von Paulings Hybridmodell siehe die Beiträge in Maksic (1988).
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mixtures of materials can show superior properties compared with their pure counterparts.“ (Kickelbick 2007: 1)
Solche Materialien stehen daher im Ruf das Nonplusultra wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit zu repräsentieren. Hybridmaterialien erscheinen nicht selten paradox, da sie bis dato unbekannte Merkmale haben oder mit Eigenschaften ausgestattet sind, die bislang als miteinander unvereinbar gelten. Schon deshalb strahlen Hybridtechnologien eine Faszination aus, die ohne viel Phantasie zu Spekulationen über ihre ungeahnten Möglichkeiten einlädt. Ihre tatsächlichen gesellschaftlichen und kulturellen Folgen sind aber in ihrer vollen Tragweite zur Zeit kaum absehbar. Gerade weil das Feld offen und undefiniert erscheint, ist das Spiel mit den phänomenalen Potentialen der Hybridität ein wiederkehrendes Strukturelement dieses Diskurses. Exemplarisch kann eine Meldung der Forschungsgruppe um Ulrich Wiesner von der Cornell Universität herausgegriffen werden, der im März 2002 bekannt gab: „US-Forschern ist es mit Hilfe der Nanochemie gelungen, eine Keramik mit gummiähnlichen Eigenschaften zu entwickeln. Das neuartige Material ist transparent, flexibel und gleichzeitig sehr belastbar und nicht zerbrechlich. Seine Eigenschaften verdankt das neue Material einer Mischung aus Polymeren und keramischen Substanzen. [...] Dadurch verspricht es eine Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten: als flexibles Trägermaterial ebenso wie als hocheffiziente Batterie-Elektrolyten, als Trennsystem für Proteine und andere Makromoleküle, oder für die Mikroelektronik. ‚Das Material hat Eigenschaften, die nicht einfach die Summe von Polymer plus Keramik sind, sondern vielleicht etwas sehr Neues‘, so Ulrich Wiesner“.12
Da das Hybridkonzept vom Prinzip her unbegrenzte Kombinationen und Mischungsverhältnisse zulässt, die unendlich variiert werden können, ist es ein offener Ansatz, der vermeintlich keinen Ausschluss, kein Außen, keine Grenzen kennt. Im Gegensatz zum Reinheitsgebot soll im Hybridkonzept die universelle Vermischung einen entscheidenden Fortschritt ermöglichen, der gerade aus der Verbindung struktureller Unterschiede großen Nutzen ziehen will. Konträr zur vorherrschenden Auffassung wird im Hybriddiskurs die Vereinigung von Gegensätzen und Differenzen nicht negiert oder nur als theoretische Option erachtet, sondern 12 Dörte Saße „Gummi-Keramik: flexibel und hart zugleich“ (26.03.2002), http://www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=150166, 12.2.2009. Entsprechend seines Innovationspotentials sind in den letzten Jahren viele Forschungsarbeiten entstanden, die sich mit der Entwicklung und Anwendung neuer Hybridmaterialien beschäftigen (Kickelbick 2007).
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experimentell erprobt und normativ fundiert. Während das Ideal der harmonisierenden Fusion in politökonomischen und soziokulturellen Sphären bestenfalls utopisch wirkt, strahlen technologische Hybridlösungen inzwischen Realitätsnähe aus. Disparates kann etwa auf biochemischer Basis durch die Vereinigung von organischen und anorganischen Materialien bereits zu einem unbekannten Dritten, zu einer neuen Kategorie von Materialität generiert werden. Zweifellos erhofft man durch Hybridisierungskonzepte bahnbrechende Werkstoffe und handfeste Vorteile zu erhalten: „Hybrid materials lie at the interface of the organic and inorganic realms. These materials offer exceptional opportunities to not only combine the important properties from both worlds, but to create entirely new compositions with truly unique properties.“13 Obwohl die Innovationsfähigkeit der Raum- und Luftfahrt von der Entwicklung neuartiger Werksmaterialien abhängt, spielen zukunftsorientierte Technikkonzepte eine ebenso wichtige Rolle. Einige Hybridtechnologien sind in diesem Bereich bereits etabliert: So verwendet der Hybridraketenantrieb einen Treibstoff aus flüssigen und festen Komponenten, während Hybridflügelkonstruktionen bei militärischen HighEnd-Jets die Vorteile eines schwach gepfeilten Flügels im Unterschallund die Vorzüge von Deltaflügeln im Überschallbereich nutzen. Noch im Forschungsstadium befinden sich dagegen Projekte zur Entwicklung von Hybridflugzeugen. Diese vereinen die Tragflächentechnik konventioneller Flugzeuge mit Elementen des Luftschiffes, indem sie z.B. eine mit Helium gefüllte Innenraumkammer einsetzen. Zur Start und Landung werden wie beim Helikopter Rotoren einsetzt, die auf Flughöhe die Funktion von Propellern übernehmen. Solche Flugzeuge sollen eine weit höhere Ladung als Hubschrauber transportieren können und eine erheblich günstigere Öko-Bilanz als heutige Düsenjets aufweisen, da ihr Treibstoffverbrauch relativ gering ist und eine kostenintensive Infrastruktur mit raumgreifenden Start- und Landebahnen entfällt.14
13 http://www.chem.uci.edu/~kjshea/res_file/Hybrid1.html (12.2.2009). Mit „Ormocer“ hat die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung (München) bereits ein organisch-anorganisches Produkt entwickelt, das markenrechtlich geschützt ist und über vielversprechende Hybrideigenschaften verfügen soll. Vgl. http://www.ormocer.de. 14 Neben dem beschriebenen Konstruktionsprinzip werden auch andere Modelle mit anderen Eigenschaften als Hybridflugzeuge bezeichnet. Während die US-Luftwaffe an militärischen Versionen wie der V-22 Osprey forscht, glauben Firmen wie Advanced Hybrid Aircraft und Aerocat mit dieser Technik den zivilen Lufttransport des 21. Jahrhunderts nachhaltig bereichern zu können. Angeblich stelle das Hybridflugzeug Aerocat „the first major transportation revolution in more than 40 years“ (http:// www.aerocat.us, 27.7.2005) dar.
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Wie in der Luft- und Raumfahrt- wird auch in der Automobilindustrie intensiv nach hybriden Material- und Konstruktionskonzepten geforscht. Rover und British Steel finanzieren beispielsweise das Projekt „Structural Analysis of Hybrid Material Concepts for Lightweight Vehicles“ an der Universität Warwick. Das Ziel lautet: „The next generation of vehicles will be radically different from their predecessors. Lighter, more energy-efficient, environmentally-friendly vehicles will use new construction methods and material combinations.“15 Eine Möglichkeit stellt die Kunststoff-Metall-Hybridtechnik dar, an der auch die Zulieferer von Ford arbeiten: „Die Entwicklung tragender, multifunktionaler Kunststoff-Metall-Hybridstrukturen eröffnet dem Leichtbau neue konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten […] Während sich Metalle und Kunststoffe in der traditionellen Konstruktionspraxis häufig in einer Wettbewerbssituation befinden, kombiniert die Hybridtechnik die Vorteile beider Werkstoffe mit der zugehörigen Ver- und Bearbeitungstechnik […] So ermöglichen Hybridstrukturen durch Synergieeffekte ein besseres Leichtbaupotential als es jeder Werkstoff für sich alleine ermöglichen würde. Kunststoff-Metall-Hybridteile bieten gegenüber gleich starken, reinen Metallkonstruktionen deutliche Kosten- und Gewichtsvorteile. Diese Vorteile fallen umso größer aus, je höher der Grad der Integration von zusätzlichen Funktionen in das Hybrid-Bauteil ist“.16
Eine andere Möglichkeit ist Hybrid-Gewebe z.B. aus Aramid-Kohlenstoff-Fasern.17 Solche Technologien werden zur Zeit nur bei extrem kostspieligen Automobilen wie dem 135.000 Euro teueren Corvette Callaway eingesetzt, dessen Karosserie aus einem Kevlar-Hybrid besteht.18
15 www.foresightvehicle.org.uk/dispproj1.asp?wg_id=1026 (7.1.2010). 16 http://www.nmfgmbh.de/deutsch/projekte/kmh.htm (7.1.2010). 17 „Je nach Verwendung ist die Zusammensetzung der beiden Faseranteile unterschiedlich. Kohlefaser ist superleicht, hochzugfest und besitzt eine hohe Steifigkeit, hat aber eine geringe Bruchdehnung und ist spröde. Dieses Manko fängt des Aramidgewebe auf, es ist schlagzäh und schleiffest. Bauteile aus Hybrid-Gewebe sind paßgenau und stabil. Durch die hochwertigen Eigenschaften des Materials sind weniger Lagen erforderlich“ (http://www.winni-scheibe.de/hr_technik/kunststk.htm, 5.1.2010). 18 Die extremem Eigenschaften dieses Hybridgewebes werden bei Körperkarosserien dagegen bereits häufiger in Serie gefertigt. Auch in der nicht auf schusssichere Westen spezialisierten Textilindustrie setzt man auf die prinzipiellen Vorteile, die neuartige Hybridtechnologien durch unterschiedlich zusammengesetzte Hochleistungsmaterialien wie CoolMax, eVent oder das relativ bekannte Gore-Tex im stark wachsenden Outdoorbereich bieten.
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Im Motorbereich scheint dagegen der große Durchbruch von Hybridtechnologien auf dem Massenmarkt bereits eingetreten zu sein. Das Hybridauto verspricht ökologische Belastungen zu reduzieren und Ressourcen zu schonen, indem es sparsam verschiedene Energiequellen und -formen miteinander kombiniert und, an die jeweilige Verkehrssituation angepasst, simultan oder einzeln verarbeitet. Die Integration einer Hybridmaschine in das Herz des „Lieblingskindes“ der Industriegesellschaft kann auf eine breite Zielgruppe hoffen.19 Schließlich symbolisiert ein zukunftsverträgliches Auto wie kein anderes identitätsstiftendes Massenprodukt die Sicherung von Individualität und Mobilität für das 21. Jahrhundert. Zwar befindet sich die Prüfung der Alltagstauglichkeit des Hybridantriebs im Privatautomobil noch in der fortgeschrittenen Erprobungsphase; doch die Serienproduktion ist bei den meisten Autoproduzenten für die nächsten Jahre fest eingeplant bzw. bei einigen japanischen Herstellern bereits angelaufen.20 Trotz bisher fehlender Langzeiterfahrungen wird das Hybridauto in den Massenmedien unisono als „revolutionäre Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektroantrieb“ und „neue Schlüsseltechnik“ präsentiert (Wüst 2001: 19 Laut einer Marketingstudie von J.D. Power and Associates (März 2002) für den US-Automarkt ist das Interesse von potentiellen Käufern hoch. In Erwartung eines rapide wachsenden Marktes wird bereits für 2005 ein jährlicher Absatz von mehr als einer halben Million Hybridautos prognostiziert (http://www.jdpa.com/studies_jdpower/pressrelease.asp?Study ID=611, 22.5.2005). Aufgrund positiver Marktaussichten und verschärften Emissionsgesetzen – etwa in Kalifornien – haben inzwischen außer Honda und Toyota auch namhafte US-Hersteller wie Chrysler und Ford Automodelle mit Hybridantrieb entwickelt. Auch auf staatlicher Seite wird diese aufkommende Technik durch ein Hybrid Electric Vehicle Program des US-Energieministeriums gefördert (http://www.nrel.gov/vehiclesandfuels /hev/, 22.5.2005). Inzwischen ist aber Ernüchterung eingetreten und J.D. Power dämpft die Absatzerwartungen bis 2015 aufgrund der relativ hohen Kosten für ein Hybridauto in seiner neusten Marktanalyse (April 2008) stark ab. 20 Toyota nennt sein Antriebssystem „Hybrid Synergy Drive“, und Honda wirbt für den Civic Hybrid mit dem Spruch „Entdecken Sie die Zukunft!“ (2006). Das Toyota Luxusmodell Lexus RX 400h behauptet ganz ähnlich: „Hybrid ist Zukunft, die heute fährt“ (2005). Deutsche Produzenten fahren bisher hinterher und beginnen erst 2010 mit der Markteinführung. Der Hybridantrieb ist jedoch vom Hybridmotor zu unterscheiden, der bislang einen Verbrennungsmotor bezeichnet, der sowohl über Merkmale des Otto- als auch des Dieselmotors verfügt. Diese Technik konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Als Idee stellt der Hybridantrieb keine Innovation dar, sondern ist etwa im Lokomotivbereich seit langem bekannt. Um z.B. Strecken ohne funktionierende Stromversorgung befahren zu können, sind Hybrid- bzw. Zweikraftlokomotiven zusätzlich mit Akkumulatoren oder Dieselmotoren ausgestattet.
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210). Angesichts der optimistischen Leistungsdaten und Zukunftsprognosen erhalten euphorische Erwartungen weiteren Auftrieb.21 Es verwundert nicht, dass das Hybridkonzept auch in den Zukunftsentwürfen für eine dezentrale Energieversorgung großen Anklang findet. Wie in anderen Schlüsseltechnologien werden dabei unterschiedliche Methoden der Energieerzeugung zu einer neuen, aufeinander abgestimmten Einheit integriert und an die lokalen Voraussetzungen adaptiert. Auf der Insel Pellworm wurde Europas größte regenerative Hybridanlage realisiert, die aus Windkraft und Sonnenlicht Strom gewinnt.22 Durch die sich ergänzenden Elemente können systemische Nachteile einer Energieerzeugungsart durch die Vorteile einer anderen ersetzt werden. Neben der Diversifizierung der Energieproduktion durch parallele Systeme erlaubt die Hybridisierung auch hochintegrierte Anlagen, deren Komponenten aufeinander aufbauen. Im optimalen Fall wird ein ineinandergreifender Energiekreislauf mit mehreren Verwertungszyklen ermöglicht, wodurch die Subsysteme gegenseitig voneinander profitieren. Solche hybriden Synergie-Effekte sollen die Störanfälligkeit und Abhängigkeit des Gesamtsystems reduzieren und seine Flexibilität und Funktionalität erhöhen, die zu einer wesentlich verbesserten Leistungsfähigkeit beitragen. So wie in der menschlichen Geschichte der Einsatz von bestimmten Energieformen (etwa Feuer, Kohle und Erdöl) und die Neuentwicklung von Schlüsseltechniken Gesellschaftsformen prägten oder sogar zu einer neuen Entwicklungsstufe führten, so scheint auch das Hybridkonzept als allgemeines Sinnbild in der postmodernisierten Moderne für das Herannahen einer neuen Epoche zu stehen. Ohne Zweifel sind Biotechnologie, Mobilität, Energie und Ökologie existentielle Politikfelder, die das Aussehen und die Struktur zukünftiger Gesellschaftsformen in ihren globalen Dimensionen maßgeblich beeinflussen. Neben den genannten Schlüsselsektoren gilt auch die Mikroelektronik als Zukunftstechnologie für Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus verfügt sie über erhebliche geopolitische und kulturelle Bedeutungen. Besonders in den Ingenieurwissenschaften, im Maschinenbau, in der Kybernetik und Informatik, aber auch in der alltäglichen Lebenswelt 21 Auf der Tokio Motor Show 2001 wurde der Honda Civic Hybrid mit einem Verbrauch von 3,4 Liter auf 100 km als weltweit sparsamster Fünfsitzer vorgestellt. Mittlerweile wurde der auf Hybridtechnik basierende Toyota Prius zum „Auto des Jahres 2005“ gewählt. Auf der Chicago Auto Show und dem Genfer Autosalon 2005 standen die Hybrid-Fahrzeuge führender Autoproduzenten so sehr im Rampenlicht, dass der damalige Chrysler-Präsident Dieter Zetsche von einer regelrechten „HybridHysterie“ in der breiten Öffentlichkeit sprach. 22 Die auf regenerierbare Energien spezialisierte Firma Soldec Rondo nennt ihren Ansatz „Solare Hybrid Technologie“ (2008).
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tritt der Hybriddiskurs immer häufiger als innovative Technologieform in Erscheinung. So sorgte die Fuzzy-Logic bereits Anfang der 1990er Jahre für Furore. Viele Konsument/-innen kamen in ihrem Alltag – oft ohne es zu wissen – dadurch mit einer Technik in Berührung, die auf einer hybriden Arbeitsweise beruht. Fuzzy-Logic bleibt im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden nicht mehr auf binäre Systeme mit der einzigen Unterscheidungsmöglichkeit zwischen „0“ oder „1“, „wahr“ oder „unwahr“ bzw. „an“ oder „aus“ beschränkt. Viel mehr operiert sie innerhalb nicht absolut gesetzter Zustände. So wie andere Ansätze, Fragen der Unbestimmtheit und Unabgeschlossenheit als hermeneutische Ausgangspunkte nehmen, geht auch die Fuzzy Logic auf einen Intellektuellen zurück, der selbst vom Rand kommend eine „Theorie der unscharfen Mengen [entwarf], die Randexistenzen zulassen“ (Lessmöllmann 2000: 36). In den 1960er Jahren entwickelte der in Aserbaidschan geborenen Lofti Zadeh an der Universität Berkeley eine Steuerungsmethode, die Fuzzy Logic genannt wurde, was im Englischen soviel wie „unscharf“ oder „verschwommen“ bedeutet. Damit wird die Haupteigenschaft dieses Verfahrens, mit Zwischenständen und nicht eindeutig definierten Werten zu operieren, beschrieben. Auch wenn es auf den ersten Blick paradox klingt, wurde diese Regulierungstechnik auf dem Massenkonsummarkt zuerst für die Autofokusfunktion bei Fotoapparaten und Video-Camcordern eingesetzt. Die Euphorie war so groß, dass „fuzzy“ 1991 in Japan zum Wort des Jahres gekürt wurde und auch in der BRD ein breites Interesse einsetzte (vgl. Kosko 1993; Spies 1993). Überall dort, wo Technik mit unvorhersehbaren und dynamischen Situationen konfrontiert ist, – so auch bei der Unwucht- und Schaumkontrolle in Waschmaschinen – gilt Fuzzy-Logic gegenüber konventionellen Kalkulationsmethoden, die mit endlichen Zahlen rechnen, als überlegen. Gerade weil diese mit eindeutigen Zuständen operieren, können sie sich mit ihrer scheinbar objektiven Methode der unbegrenzten Komplexität der Realität nur unzureichend annähern. Dagegen funktioniert Fuzzy-Logic stufenlos und verzichtet auf exakte Regulierungsschritte, die auf vordefinierte Einstellungen rekurrieren. Durch „softe“ Algorithmen, die sich auf undefinierte Situationen einstellen und sich dadurch selbständig weiterentwickeln können, wird Fuzzy-Logic besonders in der Künstlichen Intelligenz und der Biometrie (z.B. für Handschriften- und Gesichtserkennung) als zukunftsträchtig erachtet (vgl. Scharl 1999, Neagu et al. 2005; Melin/ Castillo 2005). In ähnlicher Weise profitiert auch die Hybrid-CD-ROM von ihren grenzüberschreitenden Eigenschaften, da sie als systemübergreifender Aufzeichnungsstandard im Bereich der digitalen Speichermedien zwi-
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schen konfligierenden Standardkonfigurationen vermittelt. Als Intermedium stellt die Hybrid-CD zwischen den einander sich ausschließenden Betriebsystemen von Microsoft und Apple Kompatibilität her, in dem sie einen Datenaustausch ermöglicht und als Wechselmedium die systemimmanenten Grenzen überbrückt. Hybrid-CDs bilden ein Interface zwischen konkurrierenden Computerstandards, wodurch die kooperative Nutzung von gemeinsamen Ressourcen ermöglicht wird. Fragen der Interkonnektivität sind im Internet-Zeitalter unausweichlich und spielen gerade bei der Architektur von computerbasierten Netzwerken eine grundlegende Rolle für die globale Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Auch in diesem Rahmen sind Hybridkonzepte präsent, indem sie je nach Anforderungsprofil und Einsatzzweck Bus-, Stern- und Ringanlagen, die die Grundmuster lokaler Netzwerktopologien bilden, miteinander kombinieren. Wie bei anderen Mischformen sollen durch variable Anordnung die Stärken spezialisierter Strukturen für die Erfordernisse der jeweiligen Teilbereiche genutzt werden. Die Addition der Einzelteile verspricht für die Gesamtanlage ein an den gegebenen Bedingungen optimal angepasstes System mit größtmöglicher Performance und Zuverlässigkeit. Im Computerbereich galten früher Systeme als hybrid, die z.B. die Arbeitsweisen analoger Elektronenröhren- und digitaler Transistorentechnik miteinander verbanden. Solche wissenschaftlichen Hybridrechner sind inzwischen weitgehend verdrängt worden und werden nur noch zur Berechnung spezifischer mathematischer Aufgaben (z.B. partielle Differenzialgleichungen) oder zur Simulation komplexer dynamischer Systeme (z.B. Gas- und Stromnetze) verwendet. Doch das Prinzip unterschiedliche Technologien und Logiken zusammenzuführen, um Synergien auszunutzen, ist aktuell geblieben. In diesem Zusammenhang erhält auch die lexikalische Bedeutung des Begriffs „Hybridrechner“ ein Update. Er bezeichnet zunehmend eine noch zu realisierende Recheneinheit, die Digital- mit Quantentechnik kombiniert. Letzteres befindet sich jedoch noch in der Phase ihrer theoretischen Exploration. Die angestrebte Miniaturisierung und erwartete Leistungssteigerung wird bereits als dritte technische Revolution vorgestellt, die die Computertechnik bis zur subatomaren Ebene vorantreiben soll (Löhr 1998: 8).23 Ein Ausdruck 23 Wie hoch die Erwartungen an Hybridtechnologien sogar bei herkömmlichen Computerprozessoren sind, zeigt etwa die NASA-Studie „Hybrid Technology Multi-Threaded Architecture“, die im Rahmen des High Performance Computing and Communications Program entstanden ist: „The hybrid technology approach exploits critical opportunities enabled by key emerging devices. Specifically, computational performance can be dramatically improved through recent advances in Superconducting Rapid
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dieses technologischen Aufschwungs findet sich in der seit 1998 jährlich an internationalen Spitzenuniversitäten wie Berkeley, Stanford und zuletzt im März 2005 an der ETH Zürich durchgeführten Symposienreihe „Hybrid Systems: Computation and Control“, die nicht zuletzt die Kooperation zwischen akademischer Forschung und industriellen Anwendungen intensivieren will (Morari/Thiele 2005). Ähnliche Ziele verfolgt das Konzept hybrider Mikrosysteme, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diese hochintegrierte Technologie setzt sich aus mikroelektronischen, mikrooptischen, mikromechanischen oder mikrofluiden Einzelkomponenten zusammen und soll multiple Funktionen übernehmen. Die Kostenvorteile der Miniaturisierung besonders im Massenfertigungsverfahren, die sich u.a. aus Materialeinsparung, Volumen- und Gewichtsreduktion, geringerer thermischer Trägheit sowie verbesserter Transportfähigkeit ergeben, sollen enorm sein. Sie können durch funktionelle Hybridisierung sogar um eine erhöhte Einsatzflexibilität ergänzt werden. Solche Fähigkeiten sind z.B. in der Sensor- und Messtechnik zur Überwachung von Parametern wie Temperatur, Druck, Feuchtigkeit etc. vom großem Vorteil. Wegen ihren universellen Einsatzmöglichkeiten gelten hybride Mikrosystemtechniken als eine der zukunftsträchtigsten Basistechnologien (Klose 1994; Savkin/Evans 2002). Wie diese kurze Revue durch wichtige Schlüsselindustrien zeigt, erlebt Hybridität als funktionales Kernprinzip in diversen Bereichen der Hochtechnologie eine bemerkenswerte Konjunktur, da sie sich als äußerst vielseitiges Anwendungskonzept erweist. Dieser Effekt wird durch die definitorische Offenheit bzw. unscharfen Bedeutungen des Hybridbegriffs verstärkt, der so frei schwebend, multikontextual und unbestimmt wirkt, dass er im Zweifelsfall immer passt. Des Weiteren wird die universelle Verwendbarkeit dieses Begriffs durch seine charismatische Ausstrahlung potenziert, die ihn – einer Popkultur-Ikone gleich – schillernden Glanz und Anziehungskraft verleiht. Kurz gesagt: Hybridität ist gut verkäuflich, weil sexy und vice versa. Der erstaunlichen Breite und Dynamik von technologischen Hybriddiskursen nach zu urteilen, deren Erweiterungsmöglichkeiten bisher unbegrenzt erscheinen, befinden wir uns am Anfang einer Ökonomie, die auf der Industrialisierung von Hybridmodellen basiert. Ihr angestrebtes revolutionäres Potential beruht auf einer Arbeitsweise, die die Überwindung struktureller Grenzen und Barrieren für sich reklamiert, um durch Innovation und verbesSingle Flux Quantum logic which will make 100 GHz clock rates feasible in the next two years“ (http://www.hq.nasa.gov/hpcc/petaflops/paws.96/ htmt/htmt.html, 12.2.2009). Im Vergleich dazu sind die gegenwärtig gehandelten Prozessoren gewöhnlich zwischen zwei und drei GHz getaktet.
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serte Anpassung gesteigerte funktionale Effizienz und/oder ästhetische Gewinne zu erzielen. Als Methode erscheint diese kreative, auf Offenheit und Transgression ausgerichtete Arbeitsweise für die Erfindung von Zukunftstechnologien und zur Generierung von Neuem prädestiniert. Daraus wird ein faszinierendes Image des Hybriden gewonnen, das immer mehr Bereiche der Gesellschaft und Kultur in seinen Bann zieht und sich für die industrielle und kommerzielle Verwertung als äußerst attraktiv darstellt. In äußerster Verkürzung kann gesagt werden, dass Hybridität dann besteht, wenn es nicht mit sich selbst identisch ist und sich immer neu erfindet. Um es plastischer auszudrücken: Eben diese extreme Wandlungsfähigkeit macht Madonna zu einem hybriden und dadurch auch in der Langzeitperspektive äußerst erfolgreichen Popstar. Sie ist so gesehen die popkulturelle Verkörperung eines hybriden Feminismus. Diese „definitive“ Aufwertung von Differenz ist eine gute Grundlage, um nun das Verhältnis von subversiver Politik zu einem spielerischen wie verwertungstechnisch höchst effizienten Umgang mit kulturellen Produktionen zu diskutieren.
Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus Wir leben in Gesellschaften, in der die kulturelle Sphäre eine besondere Bedeutung hat. Diese Entwicklung drückt sich nicht zuletzt im „linguistic turn“ der Geisteswissenschaften und im „cultural turn“ der Sozialwissenschaften aus. Beide wissenschaftlichen Wendungen verbindet das Plädoyer für einen dynamischen, interaktiven, pluralen, stets wandelbaren Kulturbegriff. Zusammenfassend lässt sich dieser kulturwissenschaftliche Paradigmen- und Perspektivenwechsel auch als „postmodern turn“ bezeichnen, der nicht zuletzt die Suche nach hybriden Ausdrucksweisen der Intermedialität und Transkulturalität popularisiert hat (Best/Kellner 1991: 25-28). Als grobe Orientierung bietet sich diese Arbeitsdefinition von kultureller Hybridität in der Postmoderne an: „Hybridisierung soll Entwicklungen bezeichnen, in denen sich Formen kombinieren, die sich in unterschiedlichen Zeitdimensionen entwickelt haben“ (Schneider 1997: 14). Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass der Prozess der kulturellen Hybridisierung als solcher kein neues Phänomen darstellt, sondern nur ihre heutigen Ausformungen. Obwohl Crossover, Patchwork und organische Hybridisierung immanenter Bestandteil jeder Kulturentwicklung
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sind (Bakhtin 1979),24 ist die normative Aufwertung, die die Hybridisierung gegenwärtig genießt, eine einzigartige Erfahrung in der europäischen Moderne. Hinter der Wertschätzung von Hybridkonzepten verbirgt sich eine weitreichende, keine zwangsläufig nur instrumentelle Neuorientierung westlicher Kognitions- und Wahrnehmungsmuster. Galt die binäre Logik des Entweder-oder in der Moderne unangefochten, entsteht mit dem hybriden Prinzip des Sowohl-als-auch eine nachmoderne Weltsicht, die längerfristig andere Formen der (Wissens-)Produktion hervorbringen und somit auch neue Arten des Wissens freisetzen könnte.25 Ein solcher Ansatz, der das Homogenitätsstreben in der Moderne unterbricht, könnte ein anderes Verhältnis zur Differenz entwickeln. Hybridisierung verweist auf ein Weltbild, das auf „unreines Denken“ und indefinitiven Mischkategorien beruht. Dabei fungiert Hybridisierung als vielschichtiges Denkgebäude für ein postmodernes Bedeutungsensemble. Alternativ zu den tradierten Ideen der europäisch geprägten Moderne baut Hybridisierung nicht auf ausschließlichen Prinzipien wie Singularität und Totalität auf, sondern geht von einer irreduziblen Differenz und Uneinheitlichkeit aus. Statt mit ausschließenden Gegensatzpaaren und binären Mustern zu operieren, werden liminale Konzepte der Grenzauflösung und third spaces favorisiert. Mit dem Wandel der Wahrnehmungsweise ist eine Neuorientierung verbunden, die statt von der fiktiven Bewahrung imaginärer Einheit und Authentizität nun von der Dynamik der Vermischung ausgeht. Dieses veränderte Verhältnis zur Differenz, das den Anderen nicht mehr per se außerhalb des Selbst verortet und ausgrenzt, könnte weitreichende wie widersprüchliche Folgewirkungen auslösen. Es ist eine entscheidende Frage, inwieweit diese kulturphilosophische Neuorientierung die epistemologischen Grundlagen der westlichen Moderne tangiert, ob sie als Bruch oder als Modernisierung zu analysieren ist. Anzeichen, die auf komplexe Verschiebungen in den vielschichtigen Verflechtungen bestehender Machtverhältnisse, aber weniger auf ihre Aufhebung hindeuten, sprechen für die Modernisierungsthese. Bislang ist die Geschichte der Wissensproduktion auch immer eine 24 „Organic hybridity: unintentional unconscious hybridization is one of the most important modes in the historical life and evolution of languages. We may even say that language and languages change historically primarily by means of hybridization, by means of mixing various ‚languages‘“ (Bakhtin 1981: 358 zit. nach Werbner 2001: 135). 25 Infolge dieses Wertewandels besteht auch die Gefahr, dass Hybridität zur neuen Norm erstarrt, die aufgrund ihrer Festlegung selbst nicht weniger autoritär und ausschließlich als frühere Modelle wirkt. Sollte diese paradoxe Entwicklung eintreten, könnten wir den Hybriddiskurs als eine Selbstparodie betrachten, die sich letzten Endes selbst ad absurdum führt.
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Geschichte von Machtbeziehungen und ihren sich verändernden Kräfteverhältnissen. Zwar ist es richtig anzunehmen, dass ein epistemologischer Wandel in der Konstruktion des Anderen nicht ohne Auswirkungen auf die bisher dominante Art zu denken und die Welt aufzuteilen bleibt. Aber eine realistische Betrachtungsweise muss ebenso davon ausgehen, dass Hybridität in ihren kulturindustriellen Versionen – ohne einschneidende Interventionen und Umcodierungen – moderne Machtformen lediglich neu konfiguriert, aber wenig dazu beiträgt sie zu schwächen. Vergessen wir nicht, „das Hybride bildet nicht den Gegenbegriff zum Hierarchischen und Hegemonialen, sondern zum Binären und Dichotomischen“ (Schneider 1997: 43). Grundsätzlich kann Hybridisierung durch seine vielgestaltigen Optionen sowohl die Basis für den kulturell-technologischen Umbau spätkapitalistischer Erlebnisgesellschaften stellen als auch die kulturpolitische Repräsentation des Nicht-Repräsentierten ermöglichen.26 „The forms of hybrid culture and identities described by postmodern cultural studies correspond to a globalized capitalism with an intense flow of products, culture, people and identities with new configurations of the global and the local and new forms of struggle and resistance“ (Kellner 1997: 23).
Angesichts der geläufigen Lobpreisungen auf die Segnungen der Hybridität (kritisch: Steyerl 2004b) werden in der folgenden Analyse zunächst nicht ihre befreienden oder widerständigen Potentiale herausgestellt. Der strategische Fokus konzentriert sich stattdessen auf die häufig übergangenen Probleme kultureller Vermischungskonzeptionen im Spätkapitalismus. Die instrumentellen Funktionalisierungen von Hybridität sind dabei keinesfalls nur technischer Natur. Vielmehr zeigen sie einen ernstzunehmenden Wertewandel der Kultur in der westlichen Moderne an. Anstatt diesen Wandel lediglich als überfälligen Bruch mit der europäischen Metaphysik der Moderne zu begrüßen, kann auch die Frage aufgeworfen werden, inwieweit Hybridität als Zeichen einer postmodernen Ästhetik und Konzeption von Kultur und Gesellschaft mit einer spätkapitalistischen Verwertungslogik verbunden ist, die neben Effizienz, Faszination, Innovation und Aneignung auch neue Formen von Geschmackshierarchien und Ausgrenzungen produziert. Es ist zwar davon auszugehen, dass Hybridität innerhalb des umkämpften historischen Prozesses jene Machtkategorien neu konfiguriert, welche die Welt bisher als einheitlich und unveränderlich zugleich konstruieren. Daher stellt
26 Diskussion subversiver Potentiale von Hybridisierung ausführlich in Ha 1999: 118-168.
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sie eine Bewegung dar, die eher eine Erneuerung als die Überwindung des Bestehenden ermöglicht. In Anlehnung als Ulrich Becks Begriffstriade können die spezifischen Konditionen der kulturindustriellen Produktionsweise des postmodernen Globalismus als Hybridismus bezeichnet werden. Im Unterschied zur Globalisierung, welche die Welt durch transnationale und suprastaatliche Prozesse miteinander verbindet, und Globalität, welche die soziale Entität der Weltgesellschaft bezeichnet, ist der Globalismus durch folgende Merkmale gekennzeichnet: „Mit Globalismus bezeichne ich die Auffassung, dass der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt, das heißt die Ideologie der Weltmarktherrschaft, die Ideologie des Neoliberalismus. Sie verfährt monokausal, ökonomistisch, verkürzt die Vieldimensionalität der Globalisierung auf eine, die wirtschaftliche Dimension, die auch noch linear gedacht wird, und bringt alle anderen Dimensionen – ökologische, kulturelle, politische, zivilgesellschaftliche Globalisierung – wenn überhaupt, nur in der Dominanz des Weltmarktsystems zur Sprache“ (Beck 1997: 26).
Auch wenn der ökonomistisch geprägte Globalismus nicht eindimensional gedacht werden kann und seine Dominanz nicht uneingeschränkt ist, zeigt diese analytische Perspektive doch bedeutsame Entwicklungstendenzen auf, die es zu berücksichtigen gilt. In einer globalen Ökonomie, in der auf innovatives Design spezialisierte Global Players wie Apple („think different“, 1997) und Braun („Designed to make a difference“, 2003) mit „difference-sells-slogans“27 die jung-dynamischen, höher 27 Die Liste der kostspieligen Imagekampagnen, die auf die Überzeugungsund Verführungskraft von Unterschieden setzen, gibt einen Vorgeschmack auf eine Ökonomie des Begehrens, die auf der Aneignung von Differenz beruht: Mobil 1 (Energie): Feel the difference (1998), CAB (Getränke): Refreshing different (2002), DuPont Lycra (Textilien): Enjoy the difference (2002), Olympus (Photo): The visible difference und Rado (Schmuck): A different world. Wie die neusten Werbekampagnen zeigen, ist die Vermarktung von Differenz wichtiger denn je – oder um es mit dem Slogan der Marketingagentur Dorland zu sagen: „Selling the difference“ (2004). Weitere Beispiele sind Loewe (Elektronik): Be different (2003), Oregon (Touristik): Things look different here (2003), Alfex (Schmuck): Dare to be different (2004), Arai (Verkehrsmittel): There is a difference (2004), Betty Barclay Woman (Kosmetik): The beauty of difference (2004), Kinoton (Medien): See the difference (2004), Kuoni (Touristik): A world of difference (2004), Oehlbach (Elektronik): The pure difference (2004), Pulsar (Schmuck): The difference is in the detail (2004), ViewSonic (Computer): See the difference (2004), Cassiopeia (Computer): Empowering people to make the difference (2004), Geldermann (Getränke): Vive la différence (2004), Australia (Touristik): A different light (2004), DGB-
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gebildeten und besser verdienenden „Leistungsträger“ der Gesellschaft mobilisieren, wird Differenz nun nicht mehr – wie seine Geschichte es nahelegt – als Hort von Marginalität und Ausschließung betrachtet. Statt dessen wird Differenz als Produktivitätsressource und durchdesigntes Lifestyle- und Konsummodell auf dem Markt der (Un-)Möglichkeiten angeboten (Featherstone 1991). Die gleichermaßen einfache wie überzeugende Botschaft lautet: Anders-Sein lohnt sich, weil es erstens die heutige Signatur für Kreativität darstellt und zweitens das Potential zur sozialen (vertikalen) und kulturellen (horizontalen) Mobilität hat. Funktionierende Werbebotschaften beeinflussen als kommerzielle Propaganda zur Konsumentenerziehung einerseits den gegenwärtigen Zeitgeist im Mainstream. Als Trendscouts müssen sie andererseits auch ein feines Gespür für jene zukünftigen Entwicklungen haben, die bereits heute in Minderheitenkulturen ihren Ausgang nehmen. Superbrands Ltd. – eine Firma, die nach 10-jähriger Existenz heute in mehr als 82 Länder operiert – hat sich auf das strategische Marketing von Markennamen spezialisiert. Mit Hilfe von ganz unterschiedlichen Promotionsmitteln wie etwa Zeitungsbeilagen, Büchern, Plakataktionen und Werbespots versucht sie das kulturelle Kapital von Marken zu steigern, indem sie kommerziell verwertbares Begehren artifiziell produziert. Statt als klassische Werbeagentur präsentiert sich Superbrands als eine vermeintlich unabhängige Prüfinstitution, die in Zusammenarbeit mit Prominenten aus dem Showbiz und der Lifestyle-Industrie durch Rating den Coolness-Grad von Produkten und Marken herstellt. In der nationalen Zeitungsbeilage „CoolBrands. An insight into some of Britain’s coolest brands 2007/08“, die international bekannte Marken werbewirksam inszeniert, wird die grundlegende Geschäftsidee von Stephen Cheliotis, Vorsitzender von Superbrands UK, wie folgt definiert: „CoolBrands should be 1. Stylish 2. Innovative 3. Original 4. Authentic 5. Desirable 6. Unique“ (Cheliotis 2007: 2). Im Magazin werden dann so genannte „Top Brands“ wie Aston Martin, iPod, Bang & Olufsen, Ducati und Rolex mit Stars und Sternchen aus der Popkulturindustrie in Verbindung gesetzt, die ihre Präferenzen für „coole“ Produkte preisen. Im Fall von CoolBrands ist der dafür zuständige Prominentenbeirat im Unterschied zum Superbrands Council für den konservativen Businessbereich stark mit Persönlichkeiten besetzt, die wie Ekow Eshun (Artistic Director, Institute for Contemporary Art), Niku Banaie (Managing Partner, Naked Communications), Trevor Nelson (DJ), Vaishaly Patel Jugend (Politik): Think different (2004), Think! (Bekleidung): Walk different! (2004), Viatel (Kommunikation): Simply different (2005), Fanta (Getränke): Drink different (2005). Vgl. slogans.de – Die Datenbank der Werbung (www.slogans.de).
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(Kosmetikerin) oder June Sarpong (Fernsehmoderatorin) über einen People of Color-Hintergrund verfügen. Kulturelle Differenz und Hybridität ermöglichen der kapitalistischen Ökonomie, die meist die privilegierte Weiße Mittelschicht als Zielgruppe nimmt, durch die Form ihrer Präsentation in einem Corporate Business-Rahmen ein Labeling, das als kommerzielles Branding (Markenprofilmanagement) verstanden werden kann und stark mit Hippness, Coolness und state-of-the-art assoziiert ist.28 Um heute am Puls der Zeit zu sein, müsste der programmatische Slogan just be hybrid lauten, um die Zukunftserwartung radikal auf ihr Kernversprechen zu reduzieren. Zu diesem Schluss müssen zumindest die Leser/-innen des Buches von Pascal Zachary kommen, der als Redakteur des Wall Street Journal die wirtschaftlichen Nutzeffekte von „rassischer Bastardisierung“ und kultureller Vermischung propagiert. Silicon Valley und die offene Unternehmenskultur im „multiethnischen“ Kalifornien würden zeigen, dass Migration und Hybridisierung „natürlicherweise“ zu kultureller Überlegenheit und ökonomischen Konkurrenzvorteilen führen würden. In seiner kulturalistischen Rassenvermischungstheorie geht Zachary davon aus, dass gesellschaftliche Kreativität und Innovation sich durch ethnische und kulturelle Vermischung steigern ließen (Zachary 2000).29 So wird die gestrige Forderung nach der Bewahrung von (absoluten) Differenzen im Multikulturalismus durch ein re-integrierendes Gesellschaftsmodell abgelöst, das die Vorstellung von Hybridität als Politik der Entdifferenzierung und Transkulturalität in den Mittelpunkt stellt. Anstatt das differente Andere wie früher als abzulehnende Konkurrenz oder fremdartige Bedrohung anzusehen, ermöglicht Differenz nun das neue Ideal der endlosen Pluralisierung und Grenzüberschreitung kultureller Sphären. Ethnische und kulturelle Durchmischungen sollen unerwartete und begehrenswerte Resultate produzieren und Möglichkeiten zur Erweiterung des dominanten Selbst durch die Aneignung des marginalisierten Anderen schaffen. Die „Entdeckung“ von produktiven Differenzen wird in der gegenwärtigen Aufbruchsstimmung als Eintrittsportal zu einer aufregenden Welt der Hybridität betrachtet, die es zu kultivieren und nutzbar zu machen gelte. In einer Zeit, in der Multifunktionsgeräte (etwa Drucker-FaxModem-Scanner-Kombis) im Alltag neue Begehrlichkeiten erzeugen und multiple Identitätsmodelle und kulturelle Kreolisierung im Kultur-
28 Vgl. weitere Beispiele in Howes 1996; Hutnyk 1997: 107-115; Mayer 1998; Gillespie 1998; Huggan 2001; Crang/Dwyer 2002: 410-430; Giardina 2003: 65-82; Jain 2004: 11-20. 29 Vgl. Marwan 2005 für eine ausführliche Kritik von Zacharys These.
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betrieb30 immer häufiger präsentiert werden, scheint Hybridisierung der Trend zu sein, der den Zusammenhang zwischen solch scheinbar fernliegenden Ereignissen benennt. Sowohl die Massenkonsum- als auch die gehobenen Kulturmärkte teilen die Faszination für eine gebrochene Gleichzeitigkeit, die aus der Auflösung und Vereinigung von Differenzen entlang brüchiger Genregrenzen entstehen. Ihre liminale Durchlässigkeit führt oft zur einer Synthese oder Rekonfiguration ambivalenter Differenzen, die durch Integration oder Amalgamierung überbrückt werden und dadurch veränderte Formen und Bedeutungen annehmen. Während gegen-autoritäre Bedeutungsverschiebungen in Formen der Parodie, Mimikry und Karnevalisierung destabilisierend wirken können (Bhabha 2000: 97-207), führt die Tendenz, Hybridität als catch-allword, als eine Spielform des postmodernen anything goes zu gebrauchen, dazu, dass sie als eine technologische all-in-one-solution31 zum Inbegriff unbegrenzter Flexibilität, Innovations- und Wandlungsfähigkeit stilisiert wird. In der Postmoderne wird Hybridität so zum Leit- und Strukturprinzip urbaner Industriegesellschaften in der Ära der Globalisierung erhoben, in der die etablierten Grenzziehungen sich als porös oder unhaltbar erweisen. „Global culture is often seen as postmodern: 30 Ein- und Überblicke zum künstlerischen Zugang zu den Themenfeldern Migration und Hybridkultur geben Peter Weibel (1997) und Irmela Schneider/Christian W. Thomsen (1997). 31 Das Paradebeispiel für eine universelle Hybridmaschine ist das Personal Handy, das zukünftig nicht nur als mobiles Kommunikations- und Entertainmentzentrale dient (Drösser 1999: 39; Mattern 2002). Ob das Handy zugleich als unveräußerliches Identitätszertifikat wie als Transmitter frei flottierender Zahlungsmittel funktionieren wird, ist weniger eine Frage der technischen Machbarkeit als eine der politischen Durchsetzbarkeit. Wenn das Personal Handy die Identität und gesellschaftliche Existenz des Menschen repräsentiert und seinen Körper biotechnisch und sozial erweitert, dann findet durch die Umstellung von einem analogen zu einem digitalen Identitätsmedium auch eine weitere Verdichtung von Mensch und Technik statt. Bilder von biotechnischen Cyborgs mögen sich in naher Zukunft nicht erfüllen, aber das Handy als Vorläufermedium digitaler Identitätszertifikate, die zentraler Kontrolle ausgesetzt sind, lässt die Pflicht zur Implementierung eines Handy-Chips ebenso wenig undenkbar erscheinen wie ein bereits eingeführter Impfzwang, der dem Individuum zugunsten vermeintlich vorrangiger Interessen der Gemeinschaft (z.B. kollektive Gefahrenabwehr) keine Wahlfreiheit lässt. Angesichts des forcierten Abbaus individueller Grund- und Freiheitsrechte im Rahmen der so genannten Terrorbekämpfung, die nach der Maxime „mehr Kontrolle gleich mehr Sicherheit“ verfährt, hat der Auf- und Ausbau biometrischer und elektronischer Überwachungsmöglichkeiten Priorität. Auf diesem Wege könnte die Mensch-Maschinen-Verkoppelung vorangetrieben werden, wodurch die öffentliche Existenz des Individuums durch seine digitale Repräsentation autorisiert wird.
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fastchanging, fragmented, pluralist, hybrid and syncretic“ (Nash 2000: 71). Je mehr Hybridität wesentliche Modernisierungsfunktionen für die Gesellschaft übernimmt, desto stärker wird die Hybrideigenschaft zum populären Synonym für eine universelle Lösungsformel. Ihr Image, disparate Probleme und Dysfunktionalitäten der Gegenwart auflösen zu können, gleicht einem postmodernen Gegenmythos, der selbst in seiner normativen Umkehrung des kolonialen Klischees vom „pathologischen Rassenhybrid“ ideologisch fixiert bleibt. Gerade indem ihre historischen Konnotationen getilgt, ihre Negativität klinisch gesäubert und sie als harmlos-spielerische Kondition der Postmoderne eine positive Umdeutung erfährt, wird sie als kulturelle Konfiguration für unterhaltsame Identifikationen und konsumtive Erheiterungen interessant. In der kulturindustriellen Domestizierung und Konservierung von Hybridität vollzieht sich ein entscheidender Umschlag: Das ehemals ungesicherte Diskursumfeld, das noch Spontanes, Unpassendes, Unkontrollierbares, Störendes und auch Monströses bereit hielt, wird nach seiner Desinfektion weitgehend in eine affirmative Akzeleration des Bestehenden transformiert. Diese Domestizierung raubt der hybriden Transgressivität ihre unberechenbaren, d.h. lebendigen und gefährlichen Momente, die erst einen – oftmals nur temporären – Ausbruch aus den bestehenden Ordnungsvorstellungen ermöglicht. Wie beim Begriff der Postmoderne wurde die normative Umpolung des Hybriden durch seine Enthistorisierung und gleichzeitige Universalisierung ermöglicht.32 „The enormous seductiveness of the postmodern hybridite’s discourse lies [...] in its invitation to join the power of global capitalism by flattening out past injustices in a way that accepts the extant relations of power and where ‚the recitation of past injustices seems tedious and unnecessary‘“ (Chow 1998: 156 zit. nach Hutnyk 2005: 96).
So wird das Hybride nach seiner Umwertung zu einer Chiffre, die ihrem state-of-the-art-image nach den bestimmenden Zukunftstrend symbolisiert. Als formelhafter Topos der Grenzüberschreitung verspricht Hybridisierung vorherige Beschränkungen durch die Eröffnung ungeahnter 32 Vgl. zur Genese und Deutungsverlauf des Postmoderne-Begriffs Zima 1997: 1-18 und Welsch 1991: 9-85. So wie die Anfänge der Postmoderne nach Lyotard bis zu Aristoteles zurückreichen sollen (ebd.: 10), so ist es inzwischen üblich unter Verweis auf Bakhtins Begriff der „organischen Hybridisierung“ zu betonen, dass Kulturen nie rein und ursprünglich sein konnten, weil ihre Arbeitsweise nicht ohne Internalisierung und Adaption externer Einflüsse auskommt. Zum Revival und zur heutigen Bedeutung von Bakhtins Arbeiten siehe Evans (1998) und Nikulin (1998).
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Horizonte zu überwinden. Durch ihre immanente Expansions- und Bereicherungslogik reproduziert sie eine Perspektive, die ein wesentlicher Antriebsmotor für die europäische Kolonialisierung der Welt war. Es verwundert daher nicht, wenn die Orientierung auf Hybrides mit einer Erwartung einhergeht, in der die gelungene Vermischung von Differenzen Räume entstehen lässt und Optionen zugänglich macht, die erhebliche ökonomische, kulturelle und ästhetische Anreize darstellen. Nicht zuletzt können auf diese Weise neue Anwendungs- und Wachstumsmöglichkeiten erschlossen werden. Die gegenwärtige Euphorie um Hybridität ist also keine ausschließliche Folge wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts oder eines kritisch-grenzüberschreitenden Bewusstseins, sondern wird zunehmend von handfesten Vorteilsannahmen und Verwertungsinteressen geleitet. Inzwischen werden neben elektronischen Systemen und kulturellen Waren auch bestimmte Managementund Wirtschaftsmodelle als hybrid bezeichnet, da sie einen „Dritten Weg“ jenseits rein kapitalistischer und sozialistischer Doktrinen, d.h. eine Mischökonomie mit wirtschaftsliberalen und wohlfahrtsstaatlichen Elementen vorschlagen. Ein einflussreicher Vertreter ist Anthony Giddens, der in Büchern wie „Jenseits von Links und Rechts“ (1997) einen „Dritten Weg“ (1999) zur hybriden „New Economy“ (Elsner 2003) vorschlägt. Das am Institut für Wirtschaftsinformatik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angegliederte und erst im Jahre 2004 gegründete Kompetenzzentrum Internetökonomie und Hybridität Münster erklärt seine Aufgabe wie folgt: „Hybridität thematisiert Probleme und Chancen des Neben- und Miteinanders dialektischer Systeme, wie z. B. Old versus New Economy oder private Selbstregulierung versus staatliche Regulierung. Hybride Systeme zeichnen sich durch Flexibilität bei gleichzeitiger Stabilität aus. Angesichts rascher Entwicklungen in der Internetökonomie kommt ihnen eine wachsende Bedeutung zu. Zielsetzung des Kompetenzzentrums ist es daher, vertiefte Erkenntnisse über die Nutzung und Gestaltung hybrider Strukturen zu gewinnen und diese Entscheidungsträgern in der Wirtschaft und in der Politik zur Verfügung zu stellen“.33
33 http://hybride-systeme.uni-muenster.de (22.5.2005). Dieses Forschungsprojekt versteht sich als „hybride Wissensplattform“, die zwischen „technisch-organisatorischen Hybridformen“, „privaten Hybridformen“ und „öffentlich-privaten Hybridformen“ vermittelt und produktive Ergebnisse in den Teilbereichen „Modellierung hybrider Informationssysteme“, „Web-Evaluation und Netzwerke“, „Marken und Markenrecht“, „hybride Bankleistungen“, „Wettbewerbsrecht und -politik“ sowie „Konvergenz der Medien“ anbietet.
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Statt eines einheitlichen Lenkungs- und Verteilungsprinzips setzen hybride Modelle in den verschiedenen ökonomischen Sphären auf unterschiedliche Steuerungsmechanismen, die je nach Erfordernis parallel zueinander arbeiten oder als Anreiz- und Ausgleichsfaktoren auch miteinander kombiniert werden können. Gegensätzliche, früher als unvereinbar gedachte Prinzipien sollen einander ergänzen und ihre jeweiligen Defizite kompensieren, um mehr Effektivität zu erreichen. Kurz gefasst lautet die strukturelle Frage daher: „Is capitalism hybrid now?“ (Hutnyk 1997: 128). In Empire wird diese Frage eindeutig beantwortet: „Hybridisierung wird zum zentralen Merkmal und zur Bedingung für den Kreislauf von Produktion und Zirkulation“ (Hardt/Negri 2002: 328), wobei die ökonomische Hybridisierung nur Bestandteil eines umfassenderen gesellschaftlichen Prozesses ist. Wenn Hybridisierung vielfältige gesellschaftliche Umwälzungen auslöst, dann kann sie als eine technisch-kulturelle Revolution theoretisiert werden. Hybridität kann über ihre diskursive Funktion als modisches Schlagwort hinaus als verallgemeinbares Konstruktions- und Verwertungskonzept im Spätkapitalismus analysiert werden. Als Effekt dominanter Bewegungskräfte „ist Technologie nicht prima causa, sondern selbst Resultat von Kapitalentwicklung“ (Jameson 1986: 78).34 In der Fortführung neo-marxistischer Ansätze hat Fredric Jameson ein Periodisierungsmodell zur Analyse kapitalistischer Kulturdynamiken vorgeschlagen, in der das kulturelle Feld nicht statisch oder holistisch begriffen wird.35 Entscheidend an einem solchen Analysemodell ist die Frage nach der Einbettung von technischen und kulturellen Phänomenen in globalgesellschaftliche Gesamtzusammenhänge. Dieser Ansatz hinterfragt gängige Annahmen und Prognosen zur Globalisierung: „As it is understood in the sociological literature on global culture, which is itself part of the ‘postmodern turn’, the problematization of liberal humanism, the flourishing of diaspora and hybrid identities, and the ‚glocalization‘ of consumer culture all signal the postmodern ‚end of meta-narratives‘“ (Nash 2000: 48).
34 Ausführlicher hat Jameson diese Analyse in „Postmodernism, or, The Cultural Logic of Late Capitalism“ (1991) ausgeführt. 35 Jamesons neo-marxistische Perspektive wurde maßgeblich durch Ernest Mandels Buch „Spätkapitalismus“ (1972) beeinflusst. Während Mandel den unterschiedlichen kapitalistischen Entwicklungsstadien prägende technische Erfindungen zuordnet, erweitert Jameson diesen Ansatz um die kulturelle Dimension. Danach stellen Realismus, Moderne und die gegenwärtige Postmoderne die kulturelle Entsprechung zu den jeweiligen kapitalistischen Stadien dar (Jameson 1986: 78f.).
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Abgesehen von der nicht unwichtigen Tatsache, dass die großen imperialen Meta-Erzählungen wie die Pax Americana, der Eurozentrismus oder auch der militante Glauben an die Segnungen des Kapitalismus eine dramatische Vitalisierung erfahren haben und z.T. durch strukturelle Machtverhältnisse in globalen Institutionen (GATS, IWF, MAI, WTO, UN etc.) zementiert werden, sind auch Ideologien wie Nationalismus, Rassismus und die Ethnisierung des Sozialen nach wie vor als gesellschaftliche Praktiken weltweit wirksam. Selbst wenn diese Machtverhältnisse durch Migration und transnationale Bewegungen fragmentiert werden könnten, bleibt doch eine Aporie der Postmoderne bestehen: Der Tod alter Paradigmen hat die Geburt einer neuen Meta-Narration im Namen der Unreinheit und Vermischung zur Folge. Als Gegenentwurf zu den Hegemonien in der realen Welt ist die Postmoderne ihrem Selbstbild nach hybrid strukturiert: „Wenn es um Analysen der postmodernen Gesellschaft geht, dann gehört das Hybride zu den charakterisierenden Merkmalen“ (Schneider 1997: 13). Falls wie Jameson behauptet, auch eine genealogische Beziehung zwischen Spätkapitalismus und Postmoderne besteht, dann kann Hybridität als die bisher fortgeschrittenste Ausformulierung der postmodernen Kondition unter den Bedingungen der Globalisierung analysiert werden. Nicht zufällig fällt Hybridisierung als universelle Kulturerscheinung mit einer global agierenden Verwertungslogik zusammen, die Jameson als „multinationaler oder Konsumkapitalismus“ bezeichnet. Zusammengefasst ist zu fragen, wie kulturalistische Hybriditätsdiskurse eine kulturelle Dominante erzeugen, welche die „konstitutiven Merkmale der Postmoderne aufgreifen: eine neue Oberflächlichkeit (nach dem Verlust der ‚Tiefendimension‘), die sich sowohl auf die zeitgenössische Theorie als auch auf die gesamte neue Kultur des Bildes oder des Simulakrums erstreckt; der daraus resultierende Verlust von Historizität […] (seine ‚schizophrene‘ Struktur gibt […] neue Muster syntaktischer und syntagmatischer Beziehungen in den vornehmlich temporal operierenden Künsten vor); weiterhin: eine völlig neue, emotionale Grundstimmung […]; eine fundamentale Abhängigkeit der genannten Phänomene von einer völlig neuen Technologie, die ihrerseits für ein neues Weltwirtschaftssystem steht“ (Jameson 1986: 50).
Angesichts der verfügbaren Literatur erscheint es in diesem Zusammenhang überflüssig, die deskriptiven Kennzeichen von Postmoderne und Globalisierung zu rekapitulieren. Hingegen ist es sinnvoll, Spätkapitalismus als eine profitabhängige Produktions- und Distributionsweise zu charakterisieren, die unter den transnationalen Markt- und Machtbedin-
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gungen grenzüberschreitender Technologien und Bewegungen operiert. War die Kolonisierung der Lebenswelt durch die Ausbeutung der Natur und die Eroberung geographischer Räume für das Wachstum früherer Formen des Kapitalismus entscheidend, wird nun die Warenwerdung kultureller Expressionen immer wichtiger. In der symbolischen Ökonomie virtueller Zeichen und Ressourcen hat sich der Warencharakter selbst verändert. Die Ware ist nicht mehr nur über ihre ehemalige Primärfunktion als materieller Gebrauchsgegenstand zugänglich, sondern wird immer stärker als Träger von Bedeutungen gebraucht und benutzt. Zumindest in diesem Punkt stimmen Kritische Theorie, neo-marxistische Ansätze à la Jameson, aber auch postmodernistische Perspektiven von Baudrillard bis Lyotard bei unterschiedlichen Akzentsetzungen und Bewertungen in ihren Diagnosen überein (Hoppmann 2000: 20-23). Pointierter ausgedrückt: Spätkapitalistische Massenkultur geht in ihrer konsumtiven Verobjektivierung auf. Sie wird zur totalen Ware: „Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils sind nicht länger auch Waren, sondern sind es durch und durch. Diese quantitative Verschiebung ist so groß, daß sie ganz neue Phänomene zeitigt“ (Adorno 2003: 338f.). Dabei ist die „Transformation des ‚Realen‘ in eine Vielzahl von Pseudoereignissen“ (Jameson 1986: 93) – wie die Medialisierung und Digitalisierung zeigen – als Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses zu begreifen, in der alles zur „Kultur“ geworden ist. Genauer gesagt: Jedes soziale Verhältnis lässt sich in einen kulturellen Ausdruck übersetzen. Angesichts der Entgrenzung des Kulturellen muss die moderne Überzeugung von der relativen Autonomie der Kultur überdacht werden. Globalisierte Kulturprozesse sind nicht im klassisch marxistischen Sinne eingleisig als reine Überbauphänomene der ökonomischen Basis zu fassen. Der radikale Funktionswandel von Globalkultur im Spätkapitalismus übersteigt in seiner Komplexität und Ambiguität jede dualistische Analyse, da die reziproken Abhängigkeiten und Kräfteverhältnisse zwischen den überlappenden ökonomischen, technologischen, ethnisierten, ideologischen und medialen Netzwerklandschaften (scapes) sich ständig verschieben (Appadurai 1990: 295-310). Tatsächlich ist der globalisierte cultural flow trotz kulturimperialistischer Einflüsse auch wesentlich ambivalenter, d.h. unberechenbarer und situativer zu denken, als die Kulturindustrie es planen kann und Adorno dachte. Die Ambivalenz und Vieldeutigkeit kultureller Praktiken ist dabei ein wichtiges Moment, weil sie immer Ausdruck von dissidenten und hegemonialen Artikulationen zugleich sein können. Ebenso wie unterschiedliche Lesarten entfalten auch interne Verschiebungen innerhalb kultureller Zeichensysteme durchaus unerwartete Wirkungen. In solchen Situation haben wir es mit umkämpften Hybridisierungen zu tun. Wer die subversiven Potenti-
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ale kultureller Praktiken betont, geht implizit davon aus, dass Entwicklungen wie der Bedeutungszuwachs weltweiter Kommunikations- und Mediennetzwerke, die Ausweitung kulturalistischer Werbe- und Bewusstseinsindustrien oder die Beschleunigung zirkulierender Kapitalund Warenströme prägende Merkmale des Spätkapitalismus geworden sind. „Late capitalism extends commodification dynamics to virtually all realms of social and personal life, penetrating all spheres of knowledge, information, and the unconscious itself“ (Best/Kellner 1991: 185). Hybridität als spätmodernes Update des Postmodernismus, der das unvollendete Projekt der Moderne entgegen seiner (uneinheitlichen) theoretischen Prämissen in vielen Bereichen nicht frei-, sondern ambitionierter fortsetzt (Welsch 1988a: 1-43; Welsch 1991), re-aktualisiert die Haupteigenschaften der Postmoderne in Zeiten der kulturellen Globalisierung. Statt als Wiederkehr des Alten im frischen Gewand ist dieser Prozess der kulturellen Erneuerung adäquater in seiner Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität zu verstehen. Das heißt, je weniger die Postmoderne einen Bruch der Moderne darstellt, desto mehr kann Hybridität als spätmoderne Logik angesehen werden, die die flexible Postmodernisierung des Kapitalismus durch Raum-Zeit-Verdichtungen antreibt (Harvey 1989: 39-349). Die enge figurative Verzahnung von Hybridität und Postmoderne spiegelt sich nicht zuletzt in einer sehr ähnlichen Diskursstruktur und -historie wieder. Trotz einer Ausgangskonstellation, in der der Begriff „postmodern“ – wie der heutige Schlüsselterminus „hybrid“ – zunächst negativ besetzt war, konnte er in den USA in den turbulenten 1960er Jahren (Huyssen 1986a: 13-22) erst nach einer normativen Wende als „potentially avantgardist cultural configuration“ (Smart 1993: 19) zum weltweiten Siegeszug durch das Kulturleben starten. Obwohl die Postmoderne eine Fragmentierung von meta-narrativen Kulturemblemen anstrebt, stimmen die meisten Analysen hinsichtlich ihrer Kernmerkmale mit Charakterisierungen wie dieser überein: „(i) future oriented, innovative temporal imagination; (ii) iconoclastic attack on the institution, organisation and ideology of art; (iii) technological optimism, bordering at times on euphoria; and (iv) promotion of ‚popular culture‘ as a challenge to ‚high art‘“ (ebd.; vgl. auch Huyssen 1986a: 18-22).
Postmoderne wie Hybridität propagieren Fortschrittsoptimismus, Technikbegeisterung, Wertewandel und eine grenzenlose Populärkultur (vgl. auch Schneider 1997: 18f., 42-47, 56-58), die sich mit einer Attitüde gegen das Etablierte und Statische verbindet. Ato Quayson kommt am
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Ende seiner Diskussion zum gleichen Ergebnis: „I would like to conclude polemically by suggesting that postmodernism can never fully explain the state of the contemporary world without first becoming postcolonial and vice versa“ (Quayson 2000: 106). In der bekannten Metapher „after the great divide“ (Huyssen 1986b: VIII) kumuliert diese Positionierung zu einer revolutionären Geste der Überwindung, deren epochaler Anspruch sich durchaus auch in der Namensgebung ablesen lässt. Entgegen anders lautenden Einschätzungen wie etwa bei Wolfgang Welsch, der sich allerdings auf einen „präzisen Postmodernismus“ (Welsch 1991: 2) bezieht und sich strikt von der „feuilletonistischen Postmoderne“ (ebd.: 3) abgrenzt, ist der diffuse Diskurs um Postmoderne von Anfang an eng mit Diagnosen, Prognosen und Hoffnungen auf das Anbrechen einer „neuen Zeit“ verzahnt. Bereits Lyotard eröffnete die Diskussion in „Das postmoderne Wissen“ (1979) mit einer Perspektive, die im kulturellen Bereich von einem postmodernen Zeitalter ausging (Smart 1993: 32f.). Während die Moderne in ihrem obsessiven Streben nach totaler Homogenität und Ganzheit durch eine „anxiety of contamination“ (Huyssen 1986b: IX) geprägt ist, versucht die Postmodernität der „Sehnsucht nach dem Unmöglichen, [… der] Suche nach neuen Darstellungen“ (Lyotard 1988: 202) Geltung zu verschaffen, die in einem Verlangen nach der unaufhörlichen „Erzeugung von Vielheit“ (Rademacher 1997: 143) einmündet. In kritischen Versionen wird der utopisch-emanzipatorische Gehalt dieser Forderung in seiner Funktion als mahnende Erinnerung an die Präsenz des Abwesenden oder Ausgeschlossenen artikuliert. Statt tagespolitischer Instrumentalisierung oder kultureller Funktionalisierung versucht Lyotard im Rückgriff auf die avantgardistische Moderne „das Gefühl dafür zu schärfen, daß es ein Undarstellbares gibt“ (Lyotard 1988: 202). Die Notwendigkeit zur Klarstellung von „Missverständnissen“ und Okkupationen bezeugt auf der anderen Seite den Hang postmoderner Diskurse zum unkritischen Mischmasch (Welsch 1988a: 3032). Besonders Lyotard intervenierte gegen einen „zynischen Eklektizismus“ der Kulturindustrie, in der Kultur sich der Logik des Kapitals sowohl freiwillig unterwirft als auch unfreiwillig unterworfen wird. Nach der Niederlage aufklärerischen Denkens ist das Neue als Verkleidung des Immergleichen nur noch instrumentelles Stil- und Produktionsmittel, um die Eintönigkeit industrialisierter Kultur zumindest an ihren Fassaden durch kaleidoskopische Vielfalt aufzuheitern. „Was an der Kulturindustrie als Fortschritt auftritt, das unablässig Neue, das sie offeriert, bleibt die Umkleidung eines Immergleichen; überall verhüllt die
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Abwechslung ein Skelett, an dem so wenig sich änderte wie am Profitmotiv selber, seit es über Kultur die Vorherrschaft gewann.“ (Adorno 1986: 339).
Im postmodernen Diskurs sind kritische Stimmen gegen solche kolonialisierenden Formen der instrumentellen Vernunft eher in der Minderheit. Zu den wenigen zählt Lyotard, der den neuen Mischungen misstraut, weil sie im marktschreierischen Gewand der Innovation auftreten. Seiner Ansicht nach „fügt sich [das Innovative] nahtlos in die kapitalistische Reproduktionsordnung ein, bedient die Sucht des Marktes nach immer Neuem, kurzlebig Konsumierbaren. Die Innovation ist das Profitvehikel der kapitalistischen Marktreproduktion“ (Lyotard 1987: 267 zit. nach Rademacher 1997: 145). Konditionierte Kulturbetriebe und kalkulierte Inszenierungen können kaum als Spielräume angesehen werden, die Widerstreit, Inkommensurabilität oder andere ästhetische Befreiungsverheißungen der Postmoderne zulassen. Seit ihren Anfängen ist die Postmoderne von der hybriden Idee der sozialen Grenzüberschreitungen und kulturellen Genrevermischungen fasziniert (Docker 1994: 82-165). Ein aufdringliches Beispiel für die Suche nach neuen Spielmöglichkeiten und popkulturellen Kombinationen ist Leslie Fiedlers Aufsatz „Cross the Border – Close the Gap“ (Fiedler 1988), der als theoretischer Gründungstext der literarischen Postmoderne erstmals 1969 im Playboy erschien. Ausgehend von solchen Kontexten wurde nicht zuletzt der Boden für heutige Diskurse über Kulturmischungen mental vorbereitet. In keiner anderen Disziplin ist die Postmoderne so unübersehbar wie in der Architektur, die ich aufgrund ihrer herausragenden gesellschaftlichen Relevanz herausgreife. Als eine visuelle Machtsprache und angewandte Massenkunst, die sowohl ganze Stadtquartiere einebnen als auch urbane Landschaften generieren kann, nimmt sie schon allein aufgrund ihrer omnipräsenten Wirkungen eine Sonderstellung ein. Der Architektur als Kunst der Raumgestaltung und -kontrolle kann sich keine menschliche Existenzweise in einer bebauten Welt entziehen. Sie strukturiert die soziokulturellen Räume unserer Alltagserfahrungen, und wie keine andere Kunstform wird ihre Realisierung durch Funktionalität und Kapitalabhängigkeit definiert (Jameson 1986: 49; Welsch 1988a: 22). Trotz dieses Zugriffs definiert sich die Architektur auf der anderen Seite als eine hybride Kunst-Wissenschaft. Sie verfügt über eine unverzichtbare transdisziplinäre Ausrichtung, die einerseits offen für vielfältige Einflüsse aus allen Kunst- und Wissenschaftsbereichen ist und andererseits als Brückenkopf zwischen Kultur-, Human- und Naturwissenschaften fungiert. Diese Bedingungen waren wichtige Ausgangspunkte
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für die Etablierung „historizistischer“ Pastichetechniken in der postmodernen Architektur.36 Infolge dieser Überlagerungen tritt die Semantik postmoderner Konstruktionen oft als spektakuläres Simulakrum auf, das eine „Kopie von etwas [darstellt], dessen Original nie existiert hat“ (Jameson 1986: 63). Durch den Einsatz von beliebigen Oberflächenmixturen werden Vervielfältigungseffekte erzielt, die mit symbolischen Zitatelementen, Nachbildungen und Dekorationen aus unterschiedlichen Zeitepochen, Kultursprachen und Stilen angereichert werden (Welsch 1991: 14-25).37 Die kompositorischen Verdichtungen solch zusammengewürfelter Querverbindungen kreieren artifizielle Kulturzeichen und -räume, deren Codes und Texturen sich zu Landschaften postmoderner Urbanität materialisieren. Der Hang zur Beliebigkeit und Oberflächlichkeit, die Strukturfragen unberührt lassen, spiegelt sich nicht zuletzt im „(selbst)gefälligen Eklektizismus der postmodernen Architektur, die willkürlich und prinzipienlos, aber mit Gusto die architektonischen Stilrichtungen der Vergangenheit ausschlachtet und sie zu überstimulierten Formkompositionen zusammenfügt“ (Jameson 1986: 64). Selbst bekennende Sympathisanten der Postmoderne sehen in solchen Konstellationen eine „omnipräsente Gefahr [… des] oberflächliche[n] Eklektizismus. Potpourri und Disneyland sind die naheliegenden Verfehlungen der angestrebten Vielfältigkeit“ (Welsch 1991: 23). Es ist symptomatisch, dass in sozial befriedeten Freizeitparks wie dem postmodernen Casino-El Dorado Las Vegas38 durch hybride Repräsentationen an der architektonischen Fassade ein Denkmal des GlamourKapitalismus erschaffen wurde, der die Illusionen des amerikanischen Traums gerade in den Augen der Ausgeschlossenen glorifiziert und überhöht. Zu diesem Kollektivtraum(a), der keine gesellschaftliche Entsprechung findet, gehört die trügerische Vorstellung von Offenheit, Unbegrenztheit und Leistungsfähigkeit. Es bleibt zu fragen, inwieweit die Privilegierung von Oberflächen und Ornamenten gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse stabilisiert, indem sie zur Verdrängung von Strukturfragen nach Zugänge, Bewegungsfreiheit und Kontrolle bei36 „Mit dem Begriff ‚Pastiche‘ wird in der Postmoderne die Weiterentwicklung von Differenzierung und Entdifferenzierung in Formen von Hybridkreuzungen, Reintegrationen und Rekombinationen bezeichnet“ (Hoppmann 2000: 29). 37 Vgl. auch die Beiträge von Robert Venturi, Charles Jencks, Heinrich Klotz und Jürgen Habermas in Welsch 1988: 79-120. 38 So wenig es ein Zufall ist, dass die sozio-ökonomische Funktion sich in der postmodernen Architektur von Las Vegas widerspiegelt, so wenig ist es Zufall, dass die Ära des urbanen Postmodernismus mit dem Manifest „Learning from Las Vegas“ (1972) von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour eingeleitet wurde (Docker 1994: 82-89).
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tragen. Postmoderne Gebäudeensembles, die überdimensionierte Ausdrücke populärer Vorstellungen von Hybridkulturen als beliebiger Kulturenmix und Pastiche darstellen, dürften einen nicht zu unterschätzenden Langzeiteinfluss auf unsere Wahrnehmungsweise der sozialen Welt haben. Schließlich gehört die Architektur wie das Kino zu jenem Bereich der Bildproduktion, deren Images in der globalisierten Medienwelt nicht nur zur sekundären Realität geworden sind, sondern als Simulakrum die gelebte Welt immer mehr zu überblenden droht.
Umkämpfte Hybridisierungen: Zwischen Konsumkultur und postkolonialem Signifying Viele gegenwärtig kursierende Kulturvermischungsmodelle, die unter den unterschiedlichsten Labels um Marktanteile konkurrieren, greifen hybride Tendenzen der Postmoderne auf und erweitern ihr buntes Angebotsrepertoire durch die Einbindung migrantischer und außereuropäischer Kulturen. Während die erschöpfte Postmoderne sich auf die Synthese soziokultureller Klassengrenzen innerhalb Weißer Gesellschaften beschränkte und letztlich eurozentriert blieb (Docker 1994: Kap. 2; Huyssen 1986a), ist die spätkapitalistische Kulturindustrie heute zur verschärften Integration von Blackness und anderen konstruierten Formen ethnisierter Andersheit (Othering) in die transnationale Ökonomie übergegangen. Dabei besteht die Gefahr, dass die Bedeutung von Kultur zu einer manipulativen „bricolage of artificially designed capitalist consumer objects – a feature of late capitalism“ (Werbner 1997: 4) reduziert wird. Solche Tendenzen haben sich durch die Globalisierungsschübe in den letzten Jahrzehnten sichtbar verstärkt (Nederveen Pieterse 1998).
Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness Exemplarisch können diese Verschiebungen auf der Ebene der filmischen Science-Fiction-Epen visualisiert werden, die in der kommerziellen Populärkultur den Status von Meta-Narrationen haben. Als phantastisches Genre bringen ihre Szenarien Ängste und Sehnsüchte der westlichen Gegenwartskultur als Zukunftsprojektionen zum Ausdruck. Einer
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der prägendsten Kinomythen wurde durch George Lucas religiös ausgeschmückte Star Wars-Serie (ab 1977) geschaffen, deren Skript Ende der 1960er Jahre in den Anfängen der literarischen Postmoderne entstand. Nicht nur vom Format und Design her repräsentiert diese Filmserie ein postmodernes Weltraum-Rittermärchen „mit Stilelementen des Western, des Abenteuerfilms und der Komödie [... das] populäre Erzählmuster der Trivialkultur und des Comic Strips mit revolutionärer Trickfilmtechnik [verbindet]“.1 Ebenso typisch für den Mainstream in der postmodernen Kultur ist auch die Thematisierung von mannigfachen Grenzüberschreitungen bei Beibehaltung einer eurozentrierten Perspektive. Wie so oft erscheinen nur Weiße als Subjekte, während People of Color in der Zukunft entbehrlich zu sein scheinen, da ihre gesellschaftlichen Funktionen und kulturelle Stereotypisierung auf Roboter und Außerirdische übertragen werden.2 Im Vergleich dazu sind die heutigen Erfolgskonzepte mit ihrem kalkulierten Mix aus mythischen, multireligiösen und transkulturellen Bezügen so weit optimiert, um als Globalseller ein heterogenes Publikum anzusprechen. Der „Postmoderne-Fetisch der achtziger Jahre“ (Huyssen 1986a: 13) ist anscheinend durch eine „current fascination with cultural hybridity“ (Werbner 1997: 1) abgelöst worden. Das weitgehend digital generierte Matrix-Universum ist ein Beispiel dafür. Die Matrix ist ein verwobenes Macht- und Versorgungsnetz. Wie ihr Name besagt, ist sie einerseits ein errechnetes Ordnungsmodell, andererseits definiert sie sich 1 2
Lexikon des internationalen Films 2000/2001 (CD-ROM), Art. „Krieg der Sterne“. Mit Ausnahme des Schwarzen „Darth Vader“ (Dark Invader), der das absolute Böse personifiziert, werden in Star Wars People of Color nur indirekt über stereotypische Rollen repräsentiert. So stehen außerirdische Charaktere wie der Orang-Utan ähnliche Chewbacca für den primitivaggressiven Schwarzen, der unfähig ist sich zu verständigen. Der Zwerg Yoda verkörpert dagegen den todkranken Tao-Meister, dessen Stärke und Macht der Vergangenheit angehören und dessen Schicksal sich erfüllt, sobald er sein Wissen an den Weißen Nachfolger übergeben hat. Die Roboter übernehmen indessen die typischen Rollen von komischen oder untergebenen Schwarzen in Hollywood-Filmen. Während C-3PO im Stil von Eddie Murphy oder Chris Tucker den gerissenen, linkischen, zuweilen auch feigen Dauerredner mimt, tritt R2D2 als loyaler und aufopferungsvoller Sklave ohne Ich-Bewusstsein auf, dessen Lebensziel sich darin erschöpft Master Luke zu dienen. Respektable Figuren wie Obi-Wan Kenobi oder Qui-Gon Jinn sind zwar japanisch bzw. chinesisch assoziiert, werden aber mit Weißen Schauspielern besetzt. Der fernöstliche Flair verleiht der dem Yin-Yang-Prinzip entlehnten Machtphilosophie der Jedi-Ritter Mystik und Authentizität und erinnert daran, dass Star Wars nur ein Remake von Akira Kurosawas Klassiker „Die verborgene Festung“ (1958) ist. Siehe auch Porter 2003.
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aber auch als ein Hybridmodell, das eine „Grundsubstanz [darstellt], in die ein anderer Stoff eingebettet ist“ (Bertelsmann 1996: 636f.). Sie scheint in mehrfacher Hinsicht eine Metapher für eine spätkapitalistische Hybridität zu sein. Die Matrix (1999) wurde von ihren Schöpfern Andy und Larry Wachowski so überreichlich mit multikulturellen Staffagen und Randfiguren ausgestattet, dass dieses Film-Setting einer Zitatensammlung aus dem Kulturschatz der Weltgeschichte gleichkommt. Solche Konglomerate haben museale Vorläufer, die meist in kolonialen Raubzügen erbeutet oder durch Kapitaltransfer in berauschenden Einkaufsorgien akkumuliert wurden. Das transkulturelle Portfolio von Matrix Reloaded (2003) soll über 400 Verweise enthalten. In dieser Zitatenkaskade zählen neben britischen, US-amerikanischen, postmodernen, popkulturellen und futuristischen vor allem alt-orientalische, alt-ägyptische, antike, christliche, jüdische, buddhistische und afroamerikanische Figurationen zu den auffälligsten Anspielungen (Lawrence 2004: 85-101). Durch die Akquisition fernöstlicher Kampfchoreographien und die bildästhetische Integration japanischer Anime-Elemente konnten die technischen Filminnovationen des Digitalkinos noch effektvoller umgesetzt werden.3 Als ansprechendes High-Tech-Hochglanzprodukt kann es unerreichte technische Maßstäbe mit ästhetischen Akzenten kombinieren, die spektakuläre Bilder in Szene setzen. Zugleich wird eine gesellschaftskritische Attitüde mit einem komplexen ScienceFiction-Design verwoben, dessen Schnittmenge einen Mehrwert ergibt, der weltweit sowohl intellektuell Interessierte als auch das Actionpublikum unter den Zahlungskräftigen anspricht. Diese unterschiedlichen Mischungen haben Matrix zu einem der kommerziell erfolgreichsten Unterhaltungsshows in der Geschichte Hollywoods gemacht. Aufgrund des intermedialen und transkulturellen Produktdesigns wurden sowohl die bisherigen Dimensionen in der internationalen Zusammenarbeit erweitert, als auch unerprobte Wege beim parallelen CrossMarketing und Produkt-Placement beschritten. Auch wenn das dritte Sequel Matrix Revolution nicht wie ursprünglich geplant bereits nach vier Wochen, sondern „erst“ sechs Monate nach dem Start des zweiten Teils anlief, ist diese serielle Verdichtung der Produktionszyklen in der kommerziellen Kinogeschichte bisher beispiellos. 3
Ein anderes „Filmgenie“ des postmodernen Kinos ist Quentin Tarantino, dessen Obsessionen für Gangsterfilme aus Hong Kong und das SamuraiGenre sich unübersehbar in Filmen wie „Pulp Fiction“ (1994) und „Kill Bill“-Reihe (2003/2004) wiederfinden. Wie George Lucas „Star Wars“Serie und die „Matrix“-Triologie der Wachowski-Brüder lässt sich auch Tarantino von den Ideen und Erzähltechniken des asiatischen Kinos inspirieren (vgl. Smith 2005).
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Trotz des Anscheins kultureller Dezentrierungen und der gleichberechtigten Einbeziehung des Anderen – symbolisiert durch ein „rassisch“ uneinheitliches Führungsduo (Laurence Fishburne als Schwarzer Morpheus und Keanu Reeves als Erlöser Neo) – findet tatsächlich eine zweifache Selbstaufwertung des gesellschaftlich Dominanten statt. Zum einen wertet die Integration von multikulturellen Attributen und Hintergründen das damit beworbene Produkt als tolerant, progressiv und kulturell diversifiziert auf. Zum anderen privilegiert Matrix in einer Kontinuität zu Serien wie Stars Wars, Star Trek, Perry Rhodan und Kampfstern Galactica letztlich die Identität Weißer Männer. Sie werden einmal mehr als sympathische und selbstlose Helden mit überlegenen Fähigkeiten präsentiert, die die Welt befreien oder retten. In einer geschichtsklitternden Perspektive wird suggeriert, dass Weiße Männer als „Auserwählte“ das historische und moralische Recht hätten, sich die Geheimnisse außereuropäischer Kulturen anzueignen, da ihr Vorteil der Vorteil aller Menschen sei. Wie in Star Trek wird auch in Matrix die männliche Dominanz der Weißen Präsenz durch multikulturelle Beigaben angereichert. Interessant ist jedoch, dass Thomas Anderson/Neo von vielen Zuschauer/-innen als Weiß identifiziert wird, obwohl Keanu Reeves über einen „gemischten“ Background verfügt.4 Seine uneindeutige Otherness geht anscheinend als Whiteness mit einer anregenden, d.h. tolerablen Nuance von Otherness durch, so dass seine kulturelle Diversität letztlich dazu dient, die Weiße Repräsentation der Zentralfigur aufzuwerten. Daher können weder Laurence Fishburne (zu Schwarz) noch Anthony Wong (zu asiatisch) Neo, den Erlöser repräsentieren. Verglichen mit dieser ausgeklügelten Filmphilosophie wirken Konzepte, die wie Men in Black (Will Smith/Tommy Lee Jones) oder Rush Hour (Jackie Chan/Chris Tucker) lediglich „rassisch“ gemischte Heldenduos präsentieren, altbacken und unterkomplex. Nichtsdestotrotz sind auch diese Modifikationen erfolgreich, um durch diversifizierte Identifikationsmöglichkeiten unterschiedliche Publikumspräferenzen in gespaltenen Märkten besser auszuschöpfen. Oft wird diese Multiethnizität gerade durch ethnische Stereotypisierungen und geschlechtsspezifische Rollenklischees erreicht, da von dieser tradierten Basis aus „Witze“ und Wiedererkennungseffekte als orientierende Parameter der Unterhaltung leichter hervorgerufen werden können (Raeithel 1996). Künstlerisch interessanter sind die Experimente der HollywoodIndustrie etwa mit Ang Lee, der sich zunächst durch Spartenfilme über
4
Er wurde als Sohn einer Weißen Engländerin und eines US-Amerikaners mit hawaiianisch-chinesischen Herkünften in Beirut geboren und wuchs später in New York und Toronto auf.
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chinesisch-amerikanische Migrant/-innen wie Pushing Hands (1991) oder Das Hochzeitsbankett (1992) auszeichnete. Neben seinen künstlerischen Fähigkeiten und handwerklichen Kompetenzen ist es auch der unübliche, befremdende wie spannende Blick des Migranten, der zu den Erfolgen seiner Hollywood-Produktionen beiträgt, die bis dato als heilige Domäne Weißer Filmemacher galten. So gelungen Filme wie Der Eissturm (1997) über die Krise der westlichen Mittelstandsfamilie oder die Verfilmung des viktorianischen Jane Austen-Romans Sinn und Sinnlichkeit (1995) auch sind, über Auftragsvergabe und Erfolg entscheiden letztlich immer noch Produktionsfirmen, Verleiher und ein Publikum, wo vorwiegend einflussreiche Weiße Männer eine dominierende Stellung einnehmen. Die Ungleichzeitigkeiten und Widersprüche im Spätkapitalismus generieren durch Ungleichheiten und Ausschlüsse privilegierte Räume, in denen produktive Zugänge zur postmodernen Konsumkultur eröffnet werden. Dabei ist es „wichtig, ‚Postmoderne‘ nicht als Stilrichtung, sondern als kulturelle Dominante zu begreifen: eine Konzeption, die es ermöglicht, die Präsenz und Koexistenz eines Spektrums ganz verschiedener, jedoch einer bestimmten Dominanz untergeordneter Elemente zu erfassen“ (Jameson 1986: 48). Während Dominanz in der Moderne von allem in Form repressiver Machtartikulationen erfahrbar war, betonen Machtverhältnisse in der Postmoderne – besonders wenn sie künstlerisch oder kulturell argumentieren – die kreativen Aspekte der Produktivität und Unabschließbarkeit (Foucault 1997), die durch die Anerkennung des Anderen und polysynthetische Melange ermöglicht werden. Eben diese postmoderne Form der Dominanz charakterisiert das kontemporäre Hybrid-Mainstreaming, in der Kreolisierung vermischt mit Exotisierung längst als Formensprache der Pop- und Konsumkultur in den Zentren angekommen ist (vgl. die Beiträge in Mayer/Terkessidis 1998). Der Übergang dieser Entwicklung zu einer Re-Kolonialisierung der gesellschaftlichen Ränder ist als Gefahr evident, da die ethnisierte Marginalität auch nach ihrer ästhetischen Aufwertung oftmals nur als migrantische Ressource, als Rohstofflager und Impulsgeber dient. Das imposante Absorptionspotential der transglobalen Kulturökonomie zur Flexibilisierung tradierter Dominanzverhältnisse zeigt sich besonders eindringlich im Musikgeschäft. Seit Jahrzehnten ist ein anhaltender, in den letzen Jahren kaum überschaubarer Trend zur Hybridisierung von Musikerzeugnissen in allen Sparten der populären als auch der „ernsthaften“ Unterhaltung zu verzeichnen. Durch Mixing, Remix, Sampling, Blending, Scratching sowie vielen anderen Verfremdungs- und Überlagerungstechniken werden heute die verschiedensten
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auditiven Stilmischungen aus den unterschiedlichsten kulturellen Räumen und Zusammenhängen zusammengeführt. Nicht nur subkulturelle Strömungen und Club-Szenen, auch die Trends der Mainstream- und Popkultur werden heute wesentlich durch HipHop, Black Music, Reggae, Weltmusik, Ethnopop, Crossover und vielen sich saisonal abwechselnden Modeerscheinungen wie Son, Calypso, Bhangra-Sounds oder Oriental-House beeinflusst, die sich allesamt aus unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen zusammensetzen (Hutnyk 2000). Wenn es ein postmodernes anything goes gibt, dann trifft es am ehesten auf die Grenzenlosigkeit musikalischer Elaborate zu. In keiner anderen Industrie ist die Hybridisierung von Sounds und Rhythmen so sehr zur kulturellen Dominante mutiert, dass sie als Standardverfahren paradoxerweise zu einer normierten Diversifizierung zu werden droht. Die moderne Reinheit des Erhabenen, das früher als authentischer Ausdruck des einsamen Genies galt, könnte dann vom Zwang zur interkulturellen Mischung abgelöst werden. Diese industrialisierte Pluralität ist gezwungenermaßen begrenzt, da sie andere Formen außerhalb des dann zulässigen Spektrums ausgrenzt. Wie Paul Gilroy in seiner Exploration der musikalischen Welt des „Black Atlantic“ feststellt, gehen mit der Hybridisierung Schwarzer Sounds essentialisierende Aufladungen keineswegs verloren, da der Wert kultureller Elaborationen nach wie vor auf Rassifizierung basiert: „hybridity which is formally intrinsic to hip hop has not been able to prevent that style from being used as an especially potent sign and symbol of racial authenticity“ (Gilroy 1993: 107). Gerade bei der kulturellen Repräsentation von People of Color, wie etwa in der Weltmusik, spielt die Frage des Genuinen nach wie vor eine wichtige Rolle, wobei der hybridisierte Kulturausdruck dann als das Ursprüngliche und Unverfälschte gedacht und markiert wird, um für den Massenmarkt attraktiv zu sein: „Authenticity enhances the appeal of selected cultural commodities and has become an important element in the mechanism of the mode of racialisation necessary to making non-European and non-American musics acceptable items in an expanded pop market“ (ebd.: 99).
Ähnliches ist auch im HipHop zu beobachten. Um vor allem in den Augen des marktentscheidenden Weißen Publikums aus der Mittelschicht als echte Schwarze Rapper/-innen „credible“ zu sein, müssen auch Schwarze Musiker/-innen mit einem gutbürgerlichen Hintergrund und akademischer Ausbildung stereotype Ghetto-Stories und eine kriminelle Vergangenheit in ihre Biographie vortäuschen. Wie Ice Cube, einer der Megastars der 1990er Jahre im Subgenre des West Coast Gangsta
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Rap, in „Gangsta, Gangsta“ auf dem berühmt gewordenen Niggaz Wit Attitudes (N.W.A)-Longplayer „Straight Outta Compton“ (1998) kategorisch proklamierte, bedeute „life ain’t nothin’ but bitches and money“. Dieser LP folgte eine Flut von Platten, die das coole Image des bewaffneten Homeboys pflegten, dessen ghetto-zentrisches Leben mit seinen „Boyz’N the Hood“ anscheinend nur aus Drogengeschäften, Drive-byShooting-Events und last but not least aus (sexueller) Gewalt gegen Frauen zu bestehen schien. Kritiker/-innen warfen Gangsta-Rapper vor, eine rassistische Marketingstrategie zu bedienen: denn je „härter“ die Texte, desto „authentischer“ und verkäuflicher die Musik und das eigene Image. Tatsächlich würden ihre proletenhaft wirkenden MachoPrahlereien rassistisch unterfütterte Stereotype des „gefährlichen, hyperpotenten und animalischen Schwarzen“ befriedigen (vgl. Loza 1994; Kelley 1996; Forman 2000; Ha 2002). Allerdings beruht Populärkultur auf dem dynamischen Wechselspiel von Trend- und Gegendtrend, von Retrostyle und wirklichen Innovationen. Die Gegen- und Alternativbewegung zur Suche nach imaginärer Authentizität ist das Spiel mit ungewohnten Kulturkombinationen, die mit Kreativität, Bildung, Weltoffenheit und sozialer Aufwärtsmobilität assoziiert ist. Bei der Suche nach neuen Perspektiven und Innovationen im globalisierten Kapitalismus wird der Hybridfaktor zunehmend als vielversprechendes Schlüsselelement zur Herstellung und Veredelung von kulturellen Konsumprodukten entdeckt. Geschmacksverfeinerung ist eine wirksame Möglichkeit bestehende Märkte auszuweiten und neue zu generieren (Crook et al. 1992: 52-55). Durch Hybridisierung kann die Sättigungsgrenze von Märkten immer vom neuem durchbrochen werden. Der fein dosierte Einsatz flexibler Mischungsverhältnisse kreiert neue Warenarten und Medien, deren Produktattraktionen und Marktnischen neue Produktions- und Konsumtionszyklen in immer schnellerer Abfolge stimulieren (Nash 2000: 60; Harvey 1989: Kap 3.). Für die Kulturindustrie könnte Hybridität durchaus ein geeignetes Mittel sein, um sich dem ultimativen Ziel einer endlos profitablen Verwertungsmaschine anzunähern. Im Kontext einer Postmoderne, in der die kulturelle Produktion virtueller Güter im Verhältnis zur Herstellung materieller Waren erheblich an Bedeutung gewinnt, stellt Hybridisierung ein wichtiges Mittel der Produktdiversifizierung und Marktausweitung dar. Obwohl Skepsis gegenüber Adornos überzogene Vorstellung von der scheinbaren Allmacht der Kulturindustrie berechtigt ist, wäre es unangebracht, das fetischisierte, aber letztlich nicht erfüllbare und daher notwendigerweise zu substituierende Verlangen nach Neuem und Einzigartigem in der kapitalistischen Ökonomie zu ignorieren.
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„Immergleichheit regelt auch das Verhältnis zum Vergangenen. Das Neue der massenkulturellen Phase gegenüber der spätliberalen ist der Ausschluß des Neuen. Die Maschine rotiert auf der gleichen Stelle. Während sie schon den Konsum bestimmt, scheidet sie das Unerprobte als Risiko aus. [...] Darum gerade ist immerzu von idea, novelty und surprise die Rede, dem, was zugleich allvertraut wäre und nie dagewesen. Ihm dient Tempo und Dynamik. Nichts darf beim Alten bleiben, alles muß unablässig laufen, in Bewegung sein“ (Adorno 2003: 156).
Gerade die „rebellische“ Popkultur ist ein Paradebeispiel für einen spätkapitalistischen Marktzyklus und eine Produktionsweise, deren sich beständig verkürzenden Produktions- und Konsumtionsschleifen zu einer beschleunigten Akkumulation von Verwertungsprozessen führten. Die popkulturelle Ökonomie gleicht dabei einem sich fortlaufend neu erschaffenden und sich dabei permanent reproduzierenden Perpetuum mobile, das sich in seinem Geschwindigkeitsrausch heißgelaufen hat und mit wachsender Rotation steigende Verkaufsrekorde erzielt. Auch wenn kulturelle Hybridisierung als Verwertungstechnik an der Hoffnung auf einen nimmermüden Goldesel scheitern sollte, ist seine Innovationskraft für die kulturindustrielle Warenwerdung nicht zu unterschätzen. In der Musikproduktion nutzen Techniken des Sampling, Cut’n’Mix und des Remix altes Archivmaterial als Grundlage für Abwandlung und Vermischung.5 Solche Produktionsverfahren und Mehrfachverwertun5
Hybridmusik kann im Pop sehr viele unterschiedlichen Zutaten, Ausrichtungen und Arbeitstechniken beinhalten – wie diese exemplarische Zugänge verdeutlichen. Zu den Trendsettern im Pop-Diskurs zählten in den letzten Jahren Acts wie die kalifornische Crossover-Band „Linkin Park“, die bei ihrer Gründung noch „Hybrid Theory“ hießen. Um Rechtstreitigkeiten und Verwechselungen mit einer gleichnamigen Band zu vermeiden, benannten sie sich um und tauften stattdessen ihr 14 millionenfach verkauftes Debütalbum programmatisch auf den Namen der abgelegten Gruppenidentität. Nach „Hybrid Theory“ (2000) folgte „Meteora“ (2003), dass den „Grenzgang zwischen Metal, HipHop und Elektronika eine Spur weiter [führt] – mit wuchtigen Stakkato-Gitarren, hypnotischen Beats und stimmungsvoller Schwarzmalerei. Ein Bastard aus Härte und Melodie, zügelloser Power und atmosphärischer Pop Noir“ (World of Music Journal 4/2003: 17). Eine andere Vorstellung musikalischer Hybridisierung verwirklichte Manu Chao auf dem Album „Clandestino“ (1998), der als Sänger der Formation „Mano Negra“ bekannt wurde. Im CD-Booklet wird sein Musikstil beschrieben als „a hybrid mixture of the Spanish, English and French languages that contains refreshing and infectious rhythms“. Zum Konzept des Hybridpop heißt es dort weiter: „It is a record in transit and also much more. Clandestino‘s pop sensibilities combined with a distinct political flavor create a sharp, subversive musical landscape that will leave the listener discovering more with each play“. In dieser Vorstellung ist nicht nur die Verschiebung und Neuzusammensetzung linguistischer
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gen senken die Produktionskosten und erhöhen die Gewinnpotentiale erheblich. Indem neue Techniken neue ästhetische Vorstellungen und Stile hervorbringen, werden gleichzeitig neue Begehrlichkeiten und Konsummöglichkeiten produziert. John Hutnyk analysiert den Modus des „new cultural surplus“ (Hutnyk 2005: 98) durch Hybridisierung als „incorporation of the mobile-phoned youth into ‚host‘ society, the culture industry, and more generally into a hybridized mode of capitalism. What is significant here is that the hybrid creativity of black style is affirmed (and it is affirmed also by the market, by the entrepreneurs who want to cash in), and expressions of enthusiasm for this creative change are obvious.“ (ebd.: 92).
Wie Scott Lash und John Urry in „Economies of Signs und Spaces“ (1994) betonen, hat der postmoderne Kapitalismus die Ökonomie längst kulturalisiert. Ihr Fokus „leads them to place culture and symbolic value at the center of their analysis. In their view, economy is now based primarily on the circulation of signs: the cognitive signs that are informational goods and the aestheticized signs of what they call postmodern goods such as media producers, leisure services, and designer products“ (Nash 2000: 62).
Aus dieser Perspektive kann Hybridisierung nicht nur als postmodernes Sinnbild der „gelungenen“ Integration von Differenz, sondern auch als fortgeschrittenes Instrument der Warenwerdung kultureller Differenzen begriffen werden. Der symbolische Wert von Hybridität bemisst sich an seiner Fähigkeit, Vermischungseffekte positiv aufzuladen und als wirksame Werbebotschaft einzusetzen, so dass sein Image von einer Aura des Phantastischen umhüllt wird. Für die kommerzielle Vermarktung ist ein innovatives Image äußerst wertvoll, so das dieses positive Label bei der Markteinführung von kapitalintensiven Produkten nochmals gesteigert wird. In der um Aufmerksamkeit ringenden Sprache der Marketing-
und musikalischer Kompositionen jenseits abgeschlossener Sprach- und Kulturräume hybrid, sondern auch das Aufbrechen der gewohnten Trennung zwischen Konsum und Politik. Daneben hat sich im Bereich der elektronischen Musik mit „Hybrid“ ein Netzwerk von Remixern und DJs etabliert. Ihr Kult-Status ermöglicht es ihnen mit so bekannten Musiker/ -innen wie Moby und Alanis Morissette zusammenzuarbeiten, um durch Recycling neue Klangcollagen zu erzeugen. Ein weiterer Trend bei der Hybridisierung der Popmusik ist der so genannte Bastard-Pop, bei dem Fragmente aus unterschiedlichen Liedern, die oft vollkommen verschiedenen Musikrichtungen angehören, durch Techniken der Überlagerung, des Loopings und des Cut’n’Mix zu einem neuen Stück arrangiert werden.
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und Werbestrategen wird dazu auf ein Pool von Superlativen rekurriert, um Hybridmerkmale zur Geltung zu bringen. Die Beschwörung der visionären Innovationskraft des Hybriden, das noch nie Dagewesenes repräsentiert, trägt durchaus die quasi-religiösen Züge des naturwissenschaftlichen Fortschrittsglaubens und der Heiligenverehrung in sich. Diese kulturellen Aufladungen maximieren sowohl den Tauschwert als auch den Fetischcharakter der Ware. „The metaphysical significance of the commodity lies in the fact that it externalizes the products of human labour from the labourer […] As they [the commodities] become objects external so the self, commodities receive a significance previously given only to religious objects […] Modern culture is […] afflicted by commodity fetishism“ (Crook et al. 1992: 8).
Der Fetischcharakter intensiviert sich im transnationalen Kapitalismus, da Hybridkulturwaren nicht nur Produkte der materiellen, sondern auch der kulturellen Fremdaneignung symbolisieren. In dem Maße, in dem Hybridität die Aneignungsmöglichkeiten des Kapitals und des dominanten Mainstreams vom materiellen Feld des Gebrauchswerts auf das imaginative Feld des Tauschwerts überträgt und die Möglichkeiten des symbolischen Konsums ausweitet, wird sie zu einem magischen Codewort stilisiert. Sie wird zur Metapher des Allmachbaren, zur halluzinatorischen Soma der Postmoderne erhoben, in der die bisherigen Beschränkungen durch einen Vorstoß in neue unentdeckte Dimensionen aufgebrochen werden. Hybridität stellt ein postmodernes Versprechen dar, das den imperialen Glauben an eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten auf eine paradoxe Art reanimiert. Ein Blick auf die eurozentrierte Geschichte der USA zeigt, dass ihr Aufstieg von einer englischen Kolonialprovinz zum vermeintlichen Weltzentrum menschlichen Fortschritts schwerlich ohne die Ideologie des amerikanischen Traums als kapitalistischer Urmythos und multikultureller Transmissionsriemen zur ungehemmten Entfaltung aller Produktivkräfte möglich gewesen wäre (Leggewie 2000: 886).6 Expansives Wachstum gilt nach wie vor als beste Krisenvorsorge für die kapitalistische Weltwirtschaft unter westlicher Führung. In diesem Rahmen kann Hybridisierung durchaus einen bedeutsamen Beitrag leisten, um die Grenzen des Wachstums weltanschaulich und produktionstechnisch durch ungebremsten Fortschritts6
Diesen Sachverhalt schien die inzwischen verstorbene Susan Sontag bei ihrer Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels anzusprechen: „Es gehört zum Genius der Vereinigten Staaten, […] dass sie eine Form von konservativem Denken entwickelt haben, die das Neue und nicht etwa das Alte feiert“ (zit. nach Jähner 2003: 11).
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optimismus und grenzenlose Aneignung kultureller Differenzen zu kompensieren. „Ästhetische Produktion ist integraler Bestandteil der allgemeinen Warenproduktion geworden. Der ungeheure ökonomische Druck, immer neue Schübe neuer Waren […] mit steigenden Absatzraten zu produzieren, weist den ästhetischen Innovationen eine immer wichtiger werdende ‚strukturelle‘ Aufgabe und Funktion zu“ (Jameson 1986: 48f.).
In diesem Zusammenhang können hybride Kulturprodukte als ökonomischer Reflex auf die fortschreitende Transnationalisierung und Flexibilisierung eines glokalisierten Kapitalismus gesehen werden, der aus dem Zusammentreffen von lokalen und globalen Kontexten Neues generiert. Neben den bedeutenden Vermarktungsvorteilen und Innovationspotentialen kann die Entdeckung und Aneignung des hybriden Anderen auch als Marktreaktion auf einen populistischen Multikulturalismus gewertet werden, der eine exotisierende Konsumkultur propagiert. Im Gegensatz zu den Jahrzehnten, in denen die kulturellen Einflüsse von 1968 noch nachwirkten, laden die Anreize kultureller Hybridwelten heute zum erstrebenswerten Konsum ein. Konsum wird mittlerweile durchgängig mit Genuss und Inklusion gleichgesetzt und ist nicht mehr mit dem Makel der bornierten Abstumpfung und Spießigkeit behaftet. Durch Konsumtion zeigen Individuen an, dass sie dazugehören und auch zeitgemäß, jung, aktiv und kosmopolitisch leben. Hybridkonzepte werden zunehmend als integraler Bestandteil postmoderner Lebensräume entworfen, in der die moderne Wertigkeit, die in der klassischen Trennung zwischen seriöser Hoch- und unterhaltsamer Massenkultur lag, aufgehoben ist (Featherstone 1991: 84-94). Ob in Form aufregender Mixkulturen und lustgewinnender Lebensstile oder schicker Produkte, zur Hybridität verschmolzene Differenz tritt heutzutage als verkäufliches Kulturprodukt und aneigbare Lifestyletechnik in eine transkulturelle Konsumwelt auf, in der sie als ebenso fortschrittlich wie als exotisch bereichernd empfunden wird (vgl. die Beiträge in Howes 1996). Dies trifft nicht nur auf kulturelle Repräsentationen, sondern auf alle Produkte zu, die Imaginationen verkaufen. Das Repertoire kann von Fernreisen, gastronomischen Erlebnissen, sexuellen Dienstleistungen, Parfüm, Kleidung, Genussmitteln bis zu so banalen Dingen wie Schokoriegeln reichen. Dadurch wird exotisierte Hybridität im Alltag in erster Linie als ästhetisierende Kulturtechnik zur Erweiterung jenes Selbst eingesetzt, der seine dominante Position durch eine selektive und kontrollierte Aneignung des Anderen aufwerten kann. John Hutnyk, der weder antiquiert noch ein Freund der „tranquillising hybridization“
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(Canclini 2000: 48) ist, spart daher auch nicht mit Kritik, wenn er die durch kulturellen Differenzkonsum markierten urbanen Räume Londons mit ihrer ungleichen ethnischen Arbeitsteilung beschreibt: „The racist cartography of urbanization is clear and can then be mapped on to the class position of advocates of hybridity-talk. Of course then the East end lads’ image becomes passé as hybridity is recruited to remake London as the multicultural capital, dining out on its mixed cuisine (expensive venues, underpaid and undocumented service staff) and its multiracial vibe (hints of danger, licentious scenes) [...] with excellent services and shopping malls galore and an indulgent inner urban ghetto-exotica, where fantasy cosmopolitanism can risk a dark inner city evening out. Of course, any political assessment that might carve up the surplus in a more equitable way, locally or globally, is left unconsidered“ (Hutnyk 2005: 95).
Durch ökonomische Integration und kulturellen Anschluss migrantischer Ressourcen erhalten dominante Identitätsformen mehr Verfügungsoptionen und Spielräume, wodurch sie sich – kollektiv wie individuell – um so leichter als offenes Gesamtkunstwerk imaginieren können.7 In einem Cocktailmix aus fröhlichem Hedonismus und ästhetischer Produktivität rufen hybride Kulturformen in seltener Einmütigkeit sowohl bei gesellschaftlichen Eliten als auch beim Massenpublikum meist wohlwollendes Interesse bis begeisterte Reaktionen hervor. Für den „hybriden Konsumenten“, der sich über ein größeres Angebot freut, wie für die daran beteiligten Industrien bedeuten diese Novitäten kulturelle Bereicherung und Steigerung des eigenen Hipnessfaktors gepaart mit ökonomischer und symbolischer Profitabilität. Florierende Schlagwörter wie Ethno-Look, ethnisches Marketing oder interkulturelles Management zeigen in den letzten Jahren eine wachsende Ökonomie der Ethnisierung an. Das Interesse am ethnisch Anderen hat ausgehend von alternativen Minderheiten längst den gesellschaftlichen Mainstream erreicht. Kulturell-religiöse Zeichen und eth-
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Vgl. Frei (2003) zur Frage der Missrepräsentation des Anderen beim Berliner Karneval der Kulturen. Die Ungleichzeitigkeit zwischen In- und Exklusion besteht auch in der 2002 gestarteten Public RelationsKampagne „Marke Deutschland“, die vom Goethe-Institut in Kooperation mit mehreren Werbeagenturen initiiert wurde, um ein modernes, offenes, vor allem global konkurrenzfähiges Deutschland zu promoten. Zusammen mit der Medienaktion „Deutschland packt’s an!“, die vom Fernsehsender n-tv gemeinsam mit Roman Herzog, Lothar Späth und Sabine Christiansen gestartet wurde, sollte Deutschland als zeitgemäßes „Trademark“ aufgewertet werden. Das alte „Made in Germany“ sollte durch den Marketingansatz „Branding Nations“ ein Facelift erhalten.
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nisch-nationale Symbole werden immer stärker als bedeutungsvolle Kategorien erachtet, die über wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Lange wurden Migrant/-innen, entsprechend ihrer sozialen Stellung, nicht beachtet. Inzwischen wird ihr Wirtschaftspotential anerkannt, und einige Telekommunikations- wie Pharmaunternehmen versuchen sie als Zielgruppen in spezialisierten Märkten anzusprechen. Noch wichtiger ist es aber Produkte für den Weißen Mainstream mit einem kulturellen Mehrwert auszustatten. Die dadurch ermöglichte Konsumbefriedigung geht über funktionale Aspekte hinaus und umfasst auch die imaginativen und emotionalen Bedeutungsaufladungen des gewünschten Produkts, das die Verfügbarkeit von Vergnügen und die Erfahrbarkeit von Verlangen verspricht (Featherstone 1991: 13-16). Mit diesem Trend verstärkt sich die Aufwertung der symbolischen Konsumption von Bedeutungen, die mit dem begehrten Produkt verbunden ist, während der materielle Gebrauchswert nur noch sekundär ist. So ermöglicht die kulturelle, soziale und affektive Signifikation eines als teuer deklarierten Weines einen Konsum, der nicht zuletzt auf Exklusivität und gesellschaftliche Stratifikation abzielt.8 Die soziale Selektion und kulturelle Distinktion, die ein Produkt zu einem Luxusgut für die gesellschaftliche Elite macht, verleiht ihm symbolisch-immatrielle Konsummöglichkeiten. Er schmeckt nicht nur denjenigen besser, die bereits Teil der Elite sind, sondern auch all jenen, die zumindest für einen gefühlten und damit auch gelebten Moment des Konsums ihre Existenz mit Luxus und sozialer Privilegierung assoziieren möchten. Der imaginative Mehrwert des Konsums ermöglicht Identifizierung, Distinktionsgewinne und die Illusion vom sozialen Aufstiegs und ist in dieser Beziehung dem Kino als Traummaschine nicht unähnlich. 8
Ein kulinarisches Beispiel zur Veranschaulichung: Im 18. Jahrhundert galt der damals auf den britischen Inseln wie in Nordeuropa scheinbar im unendlichen Überfluss verfügbare Lachs im Gegensatz zum Wild, das nur vom Adel gejagt werden durfte, noch als typische Arme-Leute-Speise. Die Überfischung und zunehmende Zerstörung seiner natürlichen Lebensräume im Zuge der industriellen Revolution führte zu einer drastischen Reduzierung der Fangmenge Anfang des 20. Jahrhunderts. Je seltener der Lachs wurde, desto stärker stieg sein soziales Prestige infolge des zunehmenden Marktwerts, so dass er nun als Delikatesse für die Wohlhabenden entdeckt wurde. Mit der Massenzucht, die über den moderaten Preis eine Demokratisierung des Konsums erlaubt, sinkt sein sozio-kultureller Distinktionswert wieder. Eine ähnliche Kulturgeschichte ist auch bei Hummer und Austern zu finden: „Es ist bemerkenswert, daß Armut und Austern immer zusammengehören. Hier gibt es auf jedes halbes Dutzend Häuser eine Austernbude. Und ich meine, bei Gott, wenn jemand sehr arm ist, dann geht er aus dem Haus und ißt Austern in echter Verzweifelung“ (Charles Dickens zit. nach Paczensky/Dünnebier 1999: 30-48, hier 44).
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Transglobale Hybridkulturen, die urbane Multikulti-Mischungen im zugänglichen Lokalkolorit servieren, werden dann als chic und erregend erlebt, wenn sie erheiternde „multirassische“ Ethno-Kömödien à la „Erkan & Stefan“ bzw. Kaya Yanar oder bunte Partyshows mit Musik- und Tanzeinlagen etwa im Stil der diversen Popstars-Castingserien darbieten. Diese Instrumentalisierung des Anderen reduziert es zu einem Bedeutungsträger, der die Geschmacksnoten funky-fresh oder exotischerotisch bedienen muss, um im Geschäft zu bleiben. Der Vermischungsdiskurs kann ethnische Stereotypen verstärken, die an der kulturellen Konsumtion der zugeschriebenen Authentizität des Anderen gebunden sind. Skeptische Positionen verweisen darauf, dass ethnisch-kulturelle Festschreibungen und Fetischisierungen durch den Hybriditätsdiskurs nicht unterlaufen oder abgeschwächt werden (Friedman 1997: 78f.). Im Zentrum der Popkultur stehen ein Begehren nach „Fun“, „wilder Kreativität“, „radical chic“, „geheimnisvoller Exotik“ (Hutnyk 1997: 117-120) und das ambivalente Ideal der „gemischt rassischen Schönheit“ (Holert 1998). Solche Imagewerte und Wünsche sind nicht überraschend. Schließlich bildet die Konstruktion von nationalen Kulturen und Ethnien die Voraussetzung für einen Diskurs der grenzauflösenden Fusionen. Während Negativbilder der diskursiven Abgrenzung dienen, werden positive Kulturbezüge als Quelle für die bereichernde Harmonisierung kultureller Differenzen benötigt. Wie Marie Gillespie in ihrer Studie über Mode- und „Geschmackshierarchien“ bei Asian British Jugendlichen schreibt, ist die kulturelle Ökonomie mit einer utopischen Vision verbunden, die ebenfalls Konsumbedürfnisse befriedigt. „Durch moderne Marketingstrategien und ihre Konsumanreize werden Heranwachsende zunehmend in einen globalen Markt für ihre Altersgruppe gelockt. Dessen transnationaler Fundus jugendlicher Images, Stile, Popstars, Charaktere und Geschichten bietet ungeheure Möglichkeiten der Identifikation mit der eigenen Generation. Gemeinsam ist diesen populären Teenagertexten ihre utopistische Sensibilität (Freiheit und Spaß) [...] Dieser Bezugrahmen läßt Schranken zwischen Klassen und ‚Rassen‘ transzendierbar erscheinen oder eröffnet zumindest die Utopie einer imaginären Welt, in der diese Unterschiede nicht mehr problematisch sind oder trennend wirken“ (Gillespie 1998: 120).
Mit der Konstruktion einer nicht nur im musealen Sinne begehrenswerten Repräsentation asiatischer Images und gelebter Asianness im westlichen Populärdiskurs erweitern und verschieben sich auch die vorherrschenden Parameter zur Definition kultureller Attraktivität. Die Grenzen der alten Doppelmoral mit der „kolonialen Unterscheidung zwischen den guten und den bösen Eingeborenen bis hin zu der Grenze,
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die die zeitgenössische Jugendkultur zwischen afrokaribischen Jugendlichen, die funky und cool sind, und den asiatischen, die das nicht sind, zieht“ (Cohen 1991b: 327), haben sich bisher nicht gänzlich aufgelöst. Sie sind aber im Laufe der 1990er Jahre, wobei die Aufwertung sicherlich bereits zwei Jahrzehnte zuvor einsetzte,9 an einigen Stellen poröser geworden und haben sich in anderen Zonen mit der ansteigenden Konjunktur der Islamphobie mit ihrer Reaktualisierung tradierte Feindbilder auch verstärkt (vgl. etwa Attia 2007). Mit der damit einhergehenden Ethnisierung und Exotisierung steigt das Bedürfnis nach authentischen Repräsentant/-innen der Hybridisierung. Dieser Effekt hat zur neuen Sichtbarkeit von Migrant/-innen beigetragen, da dadurch gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigt wurden. Migrantische Akteur/-innen können zwar ihre Ideen, Perspektiven und Erfahrungen limitiert in den hochselektiven Diskurs- und Produktionsprozess einbringen. Aber sie sind nicht diejenigen, die die Entscheidungsmacht über Zugang, Auswahl oder die Definition von Qualitätskriterien haben. Ihre bereichernde Präsenz auf der massenmedialen Repräsentationsebene beschränkt sich vornehmlich auf die Darstellung von Formenvielfalt, trifft aber nur im begrenzten Maße auf die Festlegung und Vermittlung von Inhalten und Perspektiven zu. Noch seltener führt die Repräsentation des Anderen in solchen Kontexten zur Sichtbarmachung von Macht- und Verteilungsfragen. Erschwert wird dieses Problem dadurch, dass Einfallsreichtum und Kreativität im massenmedialen Kulturbetrieb nicht selten als instrumentelle Freiheit zur Erzeugung von ästhetischen Genüssen verstanden wird. Ein solches künstlerisches Selbstverständnis bedient zwar die Interessen der Kulturindustrie nach Erzeugung von Gefälligem. Kritische Perspektiven können in einem System, das von verwertbarer Unterhaltung abhängt, oft nur als Alibi-Nischenprodukte überleben – oder sie werden durch marktförmige Anpassung und Vermarktung von revolutionären Gesten pazifiziert.10 Dieses strukturelle Problem findet sich in unterschiedlichen Ausformungen in allen Bereichen der Kulturindustrie wieder. Marginalisierte Kulturarbeiter/-innen sind unter den ungleichen Verhandlungsbedingungen oft dazu gezwungen ihre Begabungen und ihr intellektuelles Kapital billig zu verkaufen, haben aber – von irregulären Ausnahme9
Phänomene wie die anhaltende Popularität des Discolieds „Kung Fu Fighting“ (1974), das von dem Schwarzen jamaikanisch-britischen Soulsänger Carl Douglas geschrieben und performt wurde, veranschaulichen beispielhaft diese Entwicklung. 10 Siehe etwa die sinnentleerte Ikonisierung von Malcolm X und Che Guevara als Popstars, den umsatzsteigernden Revolutionspathos bei Nike oder die Kollektion Ulrike Meinhof beim Modehaus Prada als Marketingevent.
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fällen abgesehen – keine institutionalisierte Entscheidungsmacht, um selbst über Zugänge zu relevanten Produktionsmitteln, Marketingstrukturen und Medien zu bestimmen. In diesen Sphären verfügen sie nicht einmal eine Kontrolle über jene medialen Images, die sie selbst produziert haben. Solange die Produktionsbedingungen strukturell unverändert bleiben, können selbst Verschiebungen auf der Ebene der kulturellen Repräsentationen nicht zu Übersetzungsprozessen beitragen, die politische und ökonomische Strukturen tangieren. In den öffentlichen Programmen staatlicher Institutionen und multinationaler Konzerne werden vermehrt die interkulturellen Segnungen der „global villages“ gepriesen. Diese Einbindung entwickelt eine Eigendynamik zur legitimatorischen Selbstaufwertung. Sie führt dazu, dass migrantische wie nicht-migrantische Kulturarbeiter/-innen und Intellektuelle in der Reproduktion hegemonialer Integrationsdiskurse ein Ticket zur sozialen und kulturellen Aufwärtsmobilität sehen. Während erstere unter Umständen die Fremderwartungen der Dominanzgesellschaft erfüllen, indem sie ihre eigene authentische Hybridität konstruieren und promoten, versuchen Mehrheitsangehörige ihre Partizipation zu sichern, indem sie Hybridität als universelle Eigenschaft definieren und sich als Fürsprecher einer hoffnungsvollen Vision kultureller Vergesellschaftung ins Spiel bringen. Durch die Ästhetisierung von Marginalität und Diskriminierung wird ein Kunst-Raum eröffnet, den transnationale Kosmopoliten und Advokaten des interkulturellen Dialogs nutzen können, um öffentliche Förderung und Anerkennung zu erhalten.11
11 Vgl. auch Jonathan Friedmans Kritik an führenden postkolonialen Intellektuellen wie Gloria Anzaldúa, Homi Bhabha, Paul Gilroy und Stuart Hall. Er unterstellt, dass postkoloniale Intellektuelle ihre theoretischen Positionierungen lediglich als eine selbstermächtigende (spricht: sich selbst privilegierende) Politik benutzen, in der sich vor allem die eigene metropolitane Subjektivität abbilden würde. Die Reduktion auf persönliche Interessen läuft Gefahr durch Personalisierung theoretische Ansätze zu diskreditieren, anstatt die inhaltliche Auseinandersetzung zu suchen und geht zudem implizit davon aus, dass tradierte (spricht: Weiße) Wissenschaftsformen interessensfrei wären. Auch ist es nicht unproblematisch aus der Position eines Weißen Europäers heraus, sich zum mitfühlenden Fürsprecher der realen Alltagsprobleme rassistisch Unterdrückter zu stilisieren. So berechtigt die Problematisierung metropolitaner Subjektivität bei migrantischen Repräsentant/-innen ist, so schwierig ist die Trennung dieser Kritik von einem Abwehrreflex, der die Dezentrierung Weißer Dominanz durch die Aufwertung migrantischer Stimmen mit Unbehagen und Sorge vor eigenem Einflussverlust verfolgt.
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„Cosmopolitans […] are multilingual gourmet tasters who travel among global cultures, savouring cultural differences as they flit with consummate ease between social worlds“ (Werbner 1997: 11f.).
Diese Polemik ist insoweit überlegenswert, als sie auf eine bedeutungsvolle Differenz zwischen transnationalen Eliten und unterprivilegierten Migrant/-innen aufmerksam macht, die es zu berücksichtigen gilt. Denn die neue Sichtbarkeit des etablierten Anderen ist mit einer Unsichtbarmachung marginalisierter Otherness verknüpft, die nicht in das Image der schönen Welt der hippen Vermischungen hineinpassen und weiterhin unrepräsentierbar bleiben. Gayatri Spivak hat darauf hingewiesen, dass die Zelebrierung von Hybridität zu einem Verschweigen von rassistischer Gewalt und Ausgrenzung führen kann (Hutnyk 1997: 121f.). Eine weitergehende Kritik sieht im kulturalistischen Faible für Hybridität und im Vorzug textueller Dekonstruktion einen Rückzug der inzwischen gesättigten und etablierten Stimmen aus den Niederungen anti-rassistischer und anti-kolonialer Kämpfe und wirft ihnen politische Ignoranz vor: „Theorising hybridity becomes, in some case, an excuse for ignoring sharp organisational questions, enabling a passive and comfortable – if linguistically sophisticated – intellectual quietism“ (ebd.: 122).12
Auch Diskurse wie die postkoloniale Kritik, die die Dekonstruktion kolonialer Hegemonie und die Aufdeckung von eurozentrierten Blindstellen zu ihren Ausgangspunkten bestimmt hat, können kapitalistischer Funktionalisierung und entfremdender Missrepräsentationen anheimfallen. Die Folgen wären Kulturpraxen, deren Ausstellung die verobjektivierte und fremdbestimmte Präsenz des Anderen forciert. Wie die Geschichte des einstmals als unkonsumierbar geltenden Punks lehrt, ist es vielleicht unmöglich eine kulturelle Ausdrucksform zu finden, die der kulturindustriellen Vereinnahmung und Ausbeutung dauerhaft widersteht. Vor diesem Hintergrund besteht für marginalisierte Kulturproduzent/-innen die Notwendigkeit ein politisches Bewusstsein zur Sicherstellung einer fortwährenden Kritikfähigkeit ihrer Artikulationen zu ent-
12 „Bhabha celebrates a hybridity that seems to miss all essential political points“ (Friedman 1997: 79). Obwohl Bhabhas Hybriditätsansatz zweifellos kritisch beleuchtet werden kann, gewinnt er sein Hybriditätsbegriff aus der Analyse kolonialer Diskurse und verknüpft ihn mit politischen Strategien der kulturellen Subversion. Wie mir scheint, ist die an Bhabha gerichtete Kritik verfehlt, weil sie viel stärker den Rezeptionsprozess betrifft, den ich eingangs analysiert habe.
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wickeln. Kulturvermischung wie die statische Anerkennung von Differenz bieten als politische Konzepte keine ausreichende Gewähr, um einen epistemologischen Überschuss, der sich in einer permanenten Brechung seiner gesellschaftlichen Angepasstheit und Befried(ig)ung zeigt, einzufordern. Wie kritische Stimmen in postkolonialen Diskursen einfordern, können die Grundlagen von Kritikfähigkeit erneuert werden, wenn sozioökonomische Fragen, soziale Klassenkategorien und die Auseinandersetzung mit kultureller Verwertung einen höheren Stellenwert erhalten (Ahmad 1994; Dirlik 1997). Im Hinblick auf die Theoretisierung und Einordnung von Hybridität wäre es wichtig dabei innerhalb einer Dialektik der Ambivalenz zu denken. „In einer der bekanntesten Passagen spricht Marx von der Notwendigkeit, das Unmögliche zu tun, nämlich diese Entwicklung positiv und negativ zu denken, zu einem Denken zu gelangen, das gleichzeitig die nachweisbar unheilvollen Elemente des Kapitalismus und seine außerordentliche und befreiende Dynamik erfaßt“ (Jameson 1986: 92).
In diesem Sinne versteht sich meine Analyse als ein Beitrag, der den modischen Hybriditätskult um eine – gerade im lokalen Kontext – häufig verleugnete Perspektive erweitern will. Der erste Schritt zur Rückgewinnung von Kritikfähigkeit und Differenzierung besteht darin, die harmonisierenden und integrativen Aspekte einer ästhetischen Hybridisierung zu hinterfragen und ihre hegemonialen Beziehungen zur kulturindustriellen Logik der Fetischisierung und Authentifizierung als neue Formen der Aneignung und Autorisierung des Anderen offen zu legen.13 Darüber hinaus kann Hybridität auch eine repressive Identitätspolitik der Selbstethnisierung sein.14 Diese Widersprüche legen es nahe, die selbstverständlich angenommene Verbindung zwischen Hybridität und kulturelle Öffnung kritischer zu bewerten und die unterstellten Potentiale für 13 Vgl. hierzu auch Umut Erel (1999), Hito Steyerl (2000, 2004b), Ceren Türkmen (2008) und Ha (1999/2004, 2005). 14 In lateinamerikanischen Gesellschaften werten kreolische Mittelstandsschichten und Mestizen/-innen ihren unreinen Ursprung auf, um diese Ressource als Fortschrittsideologie und als Machtmittel gegen marginalisierte Indigene zu instrumentalisieren. Indigene Positionen werden dadurch delegitimiert und entwertet, weil sie „nur“ das Rückständige und Reine repräsentieren würden. (Friedman 1997: 81f.). Ähnliche Konflikte prägen seit der Repatriierung freigelassener Sklavinnen und Sklaven aus den USA auch Liberia und Sierra Leone. Dabei artikuliert sich koloniale Hybridisierung als eine internalisierte Machtsprache des Rassismus, in der Schwarze die koloniale Identität ihrer ehemaligen Herrschaften annehmen und gegen andere Schwarze anwenden.
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kulturelle Subversion und politische Emanzipation zu überprüfen. In den letzten beiden Abschnitten diskutiere ich daher die Frage der politischen Verortung von umkämpften Hybridisierungen.
„Germany 12 Points!“ – Hybridität als nationale Modernisierung und kulturelle Fremdaneignung Seit dem Machtwechsel 1998 ist die rot-grüne Regierungsführung mit wechselndem Erfolg bemüht, die Potentiale einer wünschenswerten Zuwanderung auf die politische Agenda zu setzen. Dieses migrationspolitische Agenda-Setting hat seitdem eine Reihe von gesellschaftlich bedeutsamen Kontroversen etwa um die doppelte Staatsbürgerschaft, um die Green-Card-Regelung für die Informationstechnik oder auch um das Konzept der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“ (2000) unter dem Vorsitz von Rita Süssmuth ausgelöst. Letzter manifester Ausdruck im parlamentarischen Prozess der politischen Willensbildung ist das seit Januar 2005 in Kraft getretene „Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern“ (Zuwanderungsgesetz). Die Offenheit und Durchlässigkeit der hierzulande zur Diskussion stehenden Migrationspolitik ist sowohl durch die sicherheitspolitischen Prioritäten bei der Überwachung der EU-Außengrenzen gegen unerwünschte Migrations- und Flüchtlingsbewegungen als auch durch den sozioökonomischen Verwertungsdruck auf Einwanderungswillige eng begrenzt. Um die erwarteten Migrationsbewegungen effektiv kontrollieren und selektiv auswerten zu können, wird das bestehende Grenzregime technisch wie institutionell weiter ausgebaut.15 Im Zentrum der Zuwanderungssteuerung stehen die wohlverstandenen deutschen Eigeninteressen. Sie strukturieren eine restriktive Politik, die auf eine flexible und zielgruppenorientierte Politik der Abweisung und Zulassung basiert. Allen Anschein nach stellt die Gleichzeitigkeit des Ein- und Ausschlusses die entscheidende Weichenstellung im nationalstaatlich, aber zunehmend auch EU-weit regulierten Zuwanderungskonzept dar. Im Verlauf der Debatten über die Notwendigkeit oder Vermeidbarkeit von Einwanderung sind in den vergangenen Jahren vielfach ideologisch motivierte Abwehrbewegungen mit völkisch-rassistischen Verkrustungen zu Tage getreten. So verdeutlicht die Forderung nach einer
15 Vgl. etwa Milborn 2006, Transit Migration Forschungsgruppe 2007 und Pieper 2008.
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„deutschen Leitkultur“, dass Deutschland eine in Einwanderungsfragen bislang stark strukturkonservative Gesellschaft ist (Ha/Schmitz 2006). Seit dem Zuwanderungsstopp im Jahre 1973 ist das prekäre Thema „Arbeitsmigration“ in der deutschen Mehrheitsgesellschaft von einer einseitigen Problemwahrnehmung geprägt und wird oft als gesellschaftliche Belastung abgelehnt. Auf diese weitverbreiteten „Ängste“ wird im Rahmen des neuen Zuwanderungsdiskurses mit einer Perspektive geantwortet, in der die Chancen und Risiken von Einwanderung für die Deutschland AG modernisierungsbewusst sondiert und sie als bereicherndes Instrument zur langfristigen Erhaltung der eigenen nationalen Zukunftsfähigkeit schmackhaft gemacht werden. Neben dem Interesse nach nationalökonomischer Verwertung wird in den deutschen Migrationsdebatten auch die Verjüngung der gesellschaftlichen Alterspyramide durch die bedarfsabhängige Zuführung „hochwertiger Humanressourcen“ aus der Peripherie als wiederkehrendes Motiv kommuniziert. Durch Vergesellschaftlichung junger und möglichst hochqualifizierter Produktivkräfte aus Osteuropa und dem südlichen Trikont soll die intergenerative Sozialsicherung in einer von Überalterung und ökonomischem Niedergang bedrohten Nation in den nächsten Jahrzehnten aufrechterhalten werden. Langfristig sehen sich viele westliche Metropolengesellschaften angesichts ihrer negativen Bevölkerungsentwicklung gezwungen, ihre demographische Produktionsbasis durch ein auch biopolitisch motiviertes Zulassungsverfahren im Einwanderungsrecht soweit zu modernisieren, dass die daraus resultierenden Standortvorteile genügen, um in den globalen Konkurrenzkämpfen der Zukunft zu bestehen (Ha 2003a). Neben der sozio-ökonomischen Funktionalität hochqualifizierter Einwanderer/-innen spielt in der gegenwärtigen Diskussion der Aspekt der kulturellen Bereicherung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Obwohl die staatliche Migrationspolitik durch die Imperative der flexiblen Begrenzung und Abschottung bestimmt ist, geht sie auch mit einem lustvollen Verlangen einher, postkoloniale VIP-Migrant/-innen und ihre hybriden Diasporakulturen zu akkumulieren. Paradoxerweise wird innerhalb des dominanten Migrationsregimes die Kontrolle und Begrenzung des Anderen als notwendige Voraussetzung für die genussvolle Aneignung gesehen. Innerhalb einer globalisierten Ökonomie, in der die kulturelle Produktion deutlich an wirtschaftlicher und symbolpolitischer Relevanz gewonnen hat und der nationalökonomische Standortwettbewerb mit zunehmender Schärfe zu einem Wettkampf zwischen den urbanen Metropolen führt, repräsentieren begehrenswerte migrantische Ressourcen nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein kulturelles „Humankapital“. Migrationspolitik fungiert in diesem Kontext als natio-
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nalstaatliches Instrument zur Akquirierung von ökonomisch und kulturell attraktiven Quellen, die der gesellschaftlichen Selbstaufwertung dienen. Als Bereicherungsaspekt ist die Frage der kulturellen Diversität in den deutschen Vorstellungen zur multikulturellen Gesellschaft bereits häufig formuliert worden. So sind die ethnischen Infrastrukturen der migrantischen Communities immer dann willkommen, wenn sie mit ihren kulinarischen und kulturellen Angeboten als bunte Farbtupfer die Tristesse deutscher Innenstädte beleben. Die Zuweisung solcher Dienstleistungen läuft Gefahr, dass diese Funktionalisierung exotisierende Fremdzuschreibungen bestärkt. Das offensichtlichste Beispiel für eine exotistische Arbeitsteilung innerhalb eines Kulturraums, in dem sowohl Vorstellungen von Kulturdiffusion („Schmelztiegel der Kulturen“) als auch ethnisierende Stereotype („Samba-Tänzer, Voodoo-Priester und Feuerdrachen“, Berliner Morgenpost 13.5.2005: 13) gefeiert werden, kann vielleicht im Berliner Karneval der Kulturen der Welt gesehen werden (Frei 2003). Dieses multikulturelle Massenspektakel ist mit einer urbanen Eventökonomie und medialen Repräsentation verwoben, in der die Anderen verobjektiviert und mit Vorliebe auf eine Aneinanderreihung ethnisch-nationaler Stereotype reduziert werden: „Vorgeführt wird ein Maximum an Buntheit und Exotik“ (Knecht 2005: 23). Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass neben Folklore und Volkstrachten vor allem leichtbekleidete brasilianische Sambatänzerinnen in etlichen Massenmedien das beliebteste Motiv des journalistischen Voyeurismus darstellen.16 Im Fokus der Begehrlichkeiten stehen Spaß- und Partyeffekte für die deutsche Bevölkerung sowie der touristische Imagegewinn für Berlin (Knecht/Soysal 2005: 19). Im Gegensatz zu den Verpflichtungen eines anti-rassistischen Engagements ist der Karneval in erster Linie eine einträgliche Werbe- und lustige Konsumplattform, da er als fröhlicher Markt der Möglichkeiten gerade für das deutsche Publikum voraussetzungslos erscheint und das offizielle Selbstbild des toleranten und kosmopolitischen Berlins bedient. Außer sozio-ökonomischen Nutzeffekten wird durch die Einbindung von Migrant/-innen und People of Color auch eine kulturelle Repräsentation ermöglicht, die den Stadtraum theatralisiert und zu einer unwirklichen Welt des interkulturellen Happenings umwandelt. Seinen Reiz bezieht der Karneval durch seine Exotisierung und Festivalisierung, die die deutsche Hauptstadt als Weltbühne bejubelt und durch die Inszenierung migrantischer Vielfalt als eine temporäre Zone der Kulturvermischung aufwertet.
16 Vgl. zum Beispiel die Reihe von Vorankündigungen und Berichte der Berliner Morgenpost vom 11. bis 17. Mai 2005.
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Neben der theatralischen Performierung hybrider Stadträume profitieren auch populäre Formen der nationalen Repräsentation von der Integration migrantischer Präsenzen. Angespornt durch die kulturelle Produktivität und den weltweiten Erfolg bekennender Einwanderungsgesellschaften scheint auch Deutschland seine nationale Modernisierung und Erneuerung in der Sichtbarmachung kultureller Pluralität zu suchen. Als im Kampf der Fußball-Großmächte und Nationalkonzepte die kulturell gemischte und republikanisch organisierte „Multi-Kulti-Truppe“ Frankreichs 1998 bei der Weltmeisterschaft siegte und das völkische Reinheitsgebot der DFB-Auswahl eine blamable Niederlage erlitt, entdeckten deutsche Massenmedien in der Stunde des patriotischen Notstands die „Integration“ des Anderen als Potenzmittel für die schwächelnde Nation. Ähnliche Reaktionen riefen die Erfolge der in Deutschland geborenen oder aufgewachsenen Alamanci in der türkischen Nationalmannschaft bei der WM 2002 in Japan und Südkorea hervor. Erst nachdem die Kosten dysfunktionaler Ausschlüsse einen nicht mehr verdrängbaren Problemdruck erzeugte, werden Andere Deutsche zögerlich zugelassen. Bisher werden nur wenige Spieler wie Gerald Asamoah oder Kevin Kuranyi mit einem nicht mehrheitsdeutschen Hintergrund mehr oder weniger sporadisch einbezogen. Etwas besser erging es Steffi Jones, die sich im Frauenbereich einen Stammplatz erkämpfen konnte. Die Definition der Nationalelf spielt sich auf einen sensiblem Feld der kollektiven Identifikationssymbole ab und ist mit rassistischen Dynamiken verknüpft, die zwischen irrationaler Ablehnung und instrumenteller Funktionalisierung changiert. Obwohl Deutschland bisher vor allem durch seine chronische Unfähigkeit aufgefallen ist, die seit Jahrzehnten bestehende gesellschaftliche Transformation zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft ideologisch und emotional zu verarbeiten, sind einige Bereiche bereits von einer Obsession zur transkulturellen Öffnung ergriffen. So wie diversity management in wachstumsorientierten Wirtschaftsunternehmen zu einem Leitmotiv für Innovation und Zukunftsfähigkeit geworden ist, so fungiert zugeschriebene Fremdheit und Authentizität im kulturellen Feld als exotisierende „Differenzkonsummaschine“ (Terkessidis 2002). Um unverbrauchte Vitalitätsreserven und neues Kreativpotential unter dem Vorzeichen nationaler Zielsetzungen zu erschließen, werden migrantische Newcomer inzwischen vermehrt in ganz spezifischen Kontexten zugelassen. In diesen Kontexten kann Integration als Missrepräsentation und diskursive Einverleibung von People of Color und Eingewanderten in nationalen Medieninszenierungen enden. Im Vergleich zur vorherrschenden Desintegration in den politischen und ökonomischen Sphären sind die Vereinnahmungsbemühungen im deutschen Kulturbetrieb rela-
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tiv fortgeschritten (Steyerl 2004b). Im deutschen Feuilleton ist der Triumph des Filmemachers Fatih Akin bei der Berlinale 2004 nicht selten deutsch eingerahmt und in den Dienst der Nationalkultur gestellt worden. Statt wie bei anderen Preisträgern die individuellen Leistungen zu betonen, entwickelt sich ein merkwürdiger Diskurs, der die kulturelle Zwischenstellung der Filme von Fatih Akin nicht zuletzt als Nachweis für die Leistungsfähigkeit und internationale Konkurrenzfähigkeit des „deutschen Kinos“ und der deutschen Förderungspolitik anführt. Zu den wiederkehrenden Bildern in der medialen Inszenierung junger, moderner und erfolgreicher Migrant/-innen gehört der individuelle Aufstieg, der oftmals auch als Teil der nationalen Erfolgsgeschichte Deutschlands erzählt wird. Unter diesen Umständen schlägt die frühere Abwertung in eine selektive Integration in die Nation um, die sich die hybriden Potentiale des Anderen einverleibt. Dieser Trend ist auch bei der nationalen Vorauswahl für den deutschen Beitrag im europäischen Schlagerwettbewerb Grand Prix Eurovision 2004 deutlich geworden. Die massenmedial mit großer Spannung erwartete Sendung wurde am 19. März unter dem unmissverständlichen Motto „Germany 12 Points!“ bundesweit ausgestrahlt. Sie ist ein augenfälliges Fallbeispiel dafür, wie die populärkulturellen Ressourcen der Andersheit für nationale Zwecke nutzbar gemacht werden. Offensichtlich ist die Beteiligung von Migrierten und Anderen Deutschen immer dann willkommen, wenn sie dazu beitragen den Spitzenplatz für Deutschland zu sichern. Nach einer selektiven Prozedur werden bestimmte People of Color, die in die vorgeschriebenen Definitionen von Schönheit und Attraktivität passen, als repräsentativ, begehrenswert und unterhaltsam zugelassen. Noch stärker als in den letzten Jahren wurden bei dieser nationalen Vorausscheidung überdurchschnittlich viele Performer/-innen mit Migrationshintergrund präsentiert. Betrachten wir die offizielle NDR-Website zur ARD-Sendung,17 dann fällt zunächst das numerische Verhältnis auf. Unter den acht Acts befinden sich nicht weniger als vier, die ausschließlich oder wenigstens zur Hälfte migrantisch bzw. Schwarz besetzt sind. Bis auf das deutsch-afroamerikanische Techno-Duo Westbam/Afrika Islam, die ihre Performance mit einem Hauch von Underground versehen und darin das Verhältnis von Subkultur und Polizeigewalt ansprechen, beschränkt sich die Präsenz des Anderen darauf, emotionale Leerstellen und nationale Sehnsüchte des deutschen Publikums auszufüllen. Wie immigrant mainstreaming oder diversity management im Popdiskurs aussehen kann und mit welchen
17 Alle Zitate habe ich der offiziellen Website zur Sendung entnommen: http://www.ndrtv.de/grandprix/teilnehmer/national/ (22.5.2005).
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Funktionalisierungen es verbunden ist, zeigt die Vorstellung der drei Top-Acts mit „farbigen“ Stimmen. Fangen wir mit Laith Al-Deen an. Er wird einerseits als feminisierter Überbringer „melancholischer Songs über Sehnsucht, Liebe und Begierde“ orientalisiert und andererseits als „Samt-Stimme aus Mannheim“ mit vertrauenserweckenden Lokalkolorit versehen. Seine Version der gelungenen Integrationsgeschichte lautet: „Ich singe deutsch, ich schreibe deutsch, ich empfinde deutsch. Eigentlich bin ich Volksmusiker im Bereich Pop, aber diese Kategorie ist in Deutschland ja schon besetzt.“ Obwohl Laith Al-Deen durch und durch assimiliert ist, wird auch er durch eine grundsätzliche, letztlich biologistisch bzw. ethnisch determinierte Nicht-Zugehörigkeit als „Halb-Iraker“ markiert. Neben der Konstruktion ethnischer Differenzen und der damit einhergehenden emotionalen Mobilmachung dient das Othering in diesem Fall auch dazu, um mit der Stimme des Anderen die deutsch-konservative „Abneigung gegen amerikanische Musikkategorien“ in Stellung zu bringen. Indem man sich seiner unverdächtigen Zwischenposition bedient, kann umso unverblümter nationalistisch interveniert werden. Wenn sogar ein „HalbIraker“ die Diskriminierung deutscher Gruppen in den Medien beklagt und sich als leidenschaftlicher Liebhaber der kulturbildenden deutschen „Muttersprache“ für die Kategorie der „National Acts“ im Musikbusiness einsetzt, ist es dann nicht vollkommen legitim, „Kämpfer für die deutsche Popmusik“ zu sein? Bei Sabrina Setlur werden dagegen vor allem die Vorzüge ihres femininen und verletzlich wirkenden Körpers betont. Als Blickfang präsentiert die NDR-Online-Redaktion eine erotisierende Nahaufnahme, in der alle abgebildeten Körperpartien unverhüllt sind. Mit dieser Darstellungsweise wird der Betrachter, der von oben auf sie hinabschaut, angeregt, das unvollständig erscheinende Bild imaginär weiterzudenken. Durch diesen wohl kalkulierten Bildausschnitt werden Voyeurismus und Verfügungsphantasien beflügelt. Die Bemächtigung ihrer Persönlichkeit und Intimität wird durch den redaktionellen Begleittext noch weiter verstärkt. Vor dem Hintergrund ihres aufsehenerregenden Privatlebens, das aus der „kurzen Beziehung mit Boris Becker, der Wahl zur erotischsten Frau Deutschlands, dem Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer und einem Rechtsstreit um eine in der Zeitschrift ‚Max‘ abgedruckten Fotostrecke“ zu bestehen scheint, werden „schonungslose Worte einer schönen Sängerin“ angekündigt. Wie der Erklärungszwang der Eingewanderten im Asyl- und Integrationsdiskurs18 werden auch
18 Neben der Herkunftsfrage „Woher kommst du?“ wird vor allem der Einreisegrund mit der Frage „Warum bist du hier?“ überprüft.
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ihre Texte als persönliche Offenlegung interpretiert, die als Chance zur Heilung der pathologisierten Existenz kontextualisiert werden. „Das Schreiben ist mein Ventil, mich zu therapieren. Andere Menschen töpfern, ich schreibe. Und je ehrlicher ich bin, desto besser und freier fühle ich mich anschließend auch“, erzählt sie. Da die Wut des „Riot Girl der deutschen Musikszene“ vor allem zur emotionalen Teilhabe einlädt, wird die unverfälschte Gefühlsechtheit ihrer Songtexte betont, denn „es gab so viele Gefühle in mir, die raus mussten“. Entsprechend heißt ihr harmoniebedürftiges Lied „Liebe“. Mit „Overground – Herzensbrecher vor dem Herrn“ trat auch eine „multirassische“ Boy-Group an, die für Teennies kreiert wurde. Neben der richtigen Mischung sei vor allem „gutes Aussehen, rhythmische Tanzeinlagen und mehrstimmiger Gesang“ für ihren Erfolg entscheidend. Welche Marktdimensionen und Konsumbedürfnisse dieses Gruppenimage zu befriedigen vermag, zeigt ihre Single „I Wanna Sex You Up“, die sich in kurzer Zeit über eine Million Mal verkaufte. Overground wurde aus 10.861 Mitbewerbern in einer TV-Castingshow fabriziert, die von einem der großen Unterhaltungskonzerne gesponsert wurde. Gemeinsam mit anderen Retortenbands wie Become One oder die Girl-Group Preluders wurden sie November 2003 ins Leben gerufen. Diese Gruppen stellen musikindustrielle Weiterentwicklungen einer extrem erfolgreichen Produktlinie dar, die mit den No Angels (2000) und Bro‘Sis (2001) begann. Alle diese industriell komponierten Bands teilen in unterschiedlichen Farbschattierungen ein Bestreben multiethnisch und sexy auszusehen. Die Preluders, deren Name offensichtlich von Assoziationen mit sexueller Verfügbarkeit und Stimulation handelt, setzen diese Strategie besonders konsequent um: Sie repräsentieren eine weibliche Mixtur mit albanisch-deutsch-italienisch-südafrikanisch-vietnamesischen „Ausstattungsmerkmalen“. Diese Form der Zurschaustellung hybrider Andersheit in kulturindustriell definierten Modellrollen ist reduktiv und verstärkt sexistische wie rassistische Stereotypen. Obwohl meine Darstellung nur exemplarisch sein kann, verweist sie auf einen gesellschaftlichen Trend, in der die inszenierte Einbeziehung kultureller Diversität problematische Effekte aufwirft. Die Forderung „Germany 12 Points!“ kann als eine Allegorie gelesen werden. In diesen Kontext dient die Repräsentation von Künstler/-innen mit Migrationshintergrund vornehmlich dem Zweck, die deutsche Nation inmitten einer bunten Andersheit zu platzieren, um das dominante Selbst innerhalb der globalen Ökonomie und einer durch metropolitane Konkurrenz dominierten Medienkulturlandschaft aufzuwerten. Während sich die Weiße Mehrheitsgesellschaft die Anderen als Objekte des eigenen Begehrens aneignet, werden sie gleichzeitig auf einen Fetisch reduziert.
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Damit vollzieht sich ein wichtiger kultureller Wandel in Zeiten der Globalisierung: Wurden die kulturellen Ressourcen insbesondere von außereuropäischen Gemeinschaften früher regelmäßig abgewertet und abgelehnt, werden heute ausgewählte Elemente migrantischer Diasporakulturen in offiziellen Repräsentationen als produktive Zutaten und exotische Ornamente begehrt. Diese instrumentelle Integration von Andersheit wird gerade bei massenwirksamen Events zunehmend zur Zelebrierung der kosmopolitischen und leistungsfähigen Nationalkultur eingesetzt. Indem diese Aneignungspolitik nur bestimmte Versionen der Andersheit wertschätzt, kreiert sie neue Formen der kulturellen Unsichtbarkeit und Hierarchie. Insbesondere schließt sie diejenigen aus, die nicht als hip und dynamisch gelten, sondern als „traditionell“ orientiert gebrandmarkt werden.
Kulturelle Widerstandsbewegungen Allerdings ist die Bemächtigung kultureller Hybridität im Namen einer nationalen Agenda im politischen Raum nicht unumstritten und alternativlos. Die Versuche Hybridisierungsstrategien politisch subversiv einzusetzen, möchte ich zunächst anhand eines Beispiel aus dem globalisierungskritischen Kontext entwickeln, um anschließend zur deutschen Migrationssituation zurückzukommen. Vor dem Hintergrund einer spätkapitalistischen Aufwertung und Vereinnahmung des Kulturellen gewinnen kulturpolitische Bewegungen, Online-Aktivismus und entstellende Ironisierungen durch semantische wie semiotische De- und Rekodierungen von Adbusters und Culture Jammers auf der Sprach- und Bildebene verstärkt an Bedeutung.19 In einer kulturalisierten Ökonomie, in der „das Image alles ist“ (Canon),20 sind Namensrechte, Copyright und Firmenimage als kulturelles Kapital 19 Siehe auch Klein 2002: 289-319 und Lasn 2005. Gegenwärtig werden unter http://www.adbusters.org politische Strategien zum massenhaften Konsumboykott diskutiert und Erfahrungen mit flächendeckenden Techniken zum Ausschalten der allgegenwärtigen Fernsehwelten ausgetauscht. 20 Unter dem vieldeutigen Motto „Image is everything“ startete der japanische Produzent für Fotooptik 1992 mit dem schillernden Tennisprofi Andre Agassi eine interessante Werbekampagne. Während in den 1970er Jahren Punkästhetik noch als anti-bürgerlich und unkonsumierbar galt, werden keine 20 Jahre später gerade die vermeintlich rebellischen Ausläufer der Jugend- und Popkultur auf der telegenen Repräsentationsebene für ein breites Publikum kultiviert. Nicht trotz, sondern aufgrund seines Rufes als „Tennispunk des weißen Sports“ erscheint Agassi nun attraktiv, um als familienfreundlicher Sympathieträger zu fungieren. Die innovative Vereinnahmung und Verwertung von kulturellen Widersprüchen ist längst zu einem Motor der Werbeindustrie geworden.
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besonders für weltweit agierende Unternehmen substanziell.21 Die grundlegende Aufwertung immaterieller Besitztümer im Spätkapitalismus schränkt nicht nur die Bedeutung materiell gebundener Besitzrechte an traditionellen Produktionsmitteln wie Fabriken und Boden ein. Sie ermöglicht auch neue Felder der politischen Auseinandersetzung. So setzen nicht zuletzt die offensiven Kampagnen sozialkritischer Bewegungen gegen die neoliberale Wendung der Globalisierung den milliardenschweren Globetrotter Nike unter Druck, indem sie auf der strategisch-symbolischen Ebene intervenieren.22 Nike gehört zu den Vorreitern, die durch Outsourcing versuchen, sich ihrer sozialen Verantwortung für die Produktionsbedingungen in den Sweatshops zu entledigen. Um dieses Problem zu thematisieren, konfrontieren Culture Jammer das in langjährigen und kostenintensiven Public-Relations-Kampagnen mühsam aufgebaute Firmenimage mit den tatsächlichen Auswirkungen der eigenen Unternehmenspolitik. Statt wie in der Just-do-it-Werbung das Versprechen nach Freiheit und Selbstverwirklichung umzusetzen,23 enthüllt eine kritische Bestandsaufnahme der profitablen OutsourcingPolitik von Nike, dass dieser Konzern wie andere Global Player seine Produkte vielfach mit Hilfe von Subunternehmen in Ländern der Dritten Welt unter sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen herstellen lässt, die auf die Einhaltung internationaler Mindeststandards wenig Rücksicht nehmen. Dazu gehören Kinderarbeit, Hungerlöhne und die Unterdrückung von Gewerkschaften. In ihrem Bertelsmann-Bestseller 21 Vgl. die Superbrands Homepage: http://www.superbrands.uk.co 22 Allerdings sind globale Player wie Nike solchen Unterwanderungsversuchen keinesfalls hilflos ausgeliefert. Als kreative think tankFabriken, kulturelle Produzenten und politisch handelnde Akteure mit millionenschwerem Werbeetat sind sie in der Lage, sich der zeichen- und raumpolitischen Subversionstaktiken ihrer Gegner zu bemächtigen, um sie wiederum etwa als selbstironisierende Marketing- und Camouflagestrategien in ihrem Sinne einzusetzen. Wie dieser „Corporate Situationism“ funktioniert, lässt sich anschaulich am Fallbeispiel „Niketown Berlin“ aufzeigen, wo Nike seit Mitte der 1990er Jahre „coole“ Szeneclubs, Kunsthappenings, Sportevents, Brachflächen, Konsumtempel etc. bespielt und durch solche z.T. nur temporäre Inszenierungen dem urbanen Raum sein Markenzeichen aufstempelt. Mittels Branding schreibt Nike sich in die Stadt ein und eignet sie sich an. Die Stadt als konzerneigener Showroom wird so zur Beute (Borries 2005). 23 Die „Just do it“-Devise birgt aus der Perspektive von entrechteten Arbeiter/-innen, die im Just-in-Time-Modus für einen Hungerlohn NikeProdukte herstellen, eine weit bedrohlichere Bedeutung als Arbeitsbefehl. Da die offiziellen Lesarten nicht notwendigerweise wahr sind, besteht die kritische Aufgabe darin, ihre Dominanz durch alternative Erzählungen bzw. marginalisierte Realitäten zu hinterfragen und zu destabilisieren. „Just“ bedeutet schließlich auch gerecht.
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„No Logo!“ legt Naomi Klein nicht nur die soziale Folgen der Unternehmenspolitik von Nike dar. Sie sieht Nike vor allem als ein Trendsetter an, der mit seiner hochprofitablen New Economy sich darauf konzentriert mittels finanz- und medienintensiver Marketing- und Brandingtechniken einen kulturellen Mehrwert im Bewusstsein der Käufer/innen zu erzeugen. Kaufentscheidend ist dann weniger die Funktionalität oder der Gebrauchswert eines Produkts, sondern sein Imagewert.24 Konzerne, die wie Nike letztlich Lifestyle verkaufen, sind jedoch in besonderer Weise auf ein positives, lebensbejahendes Image angewiesen. Sie reagieren empfindlich, wenn die eigenen Konsumprodukte nicht mit Erfolg oder cooler Hipness, sondern nachhaltig mit missbräuchlicher Kinderarbeit und frühkapitalistischen Ausbeutungsbedingungen assoziiert werden. Solche Arbeitsformen werden nicht nur in linksliberalen Kreisen, sondern auch in der breiten Bevölkerung als menschenunwürdig empfunden, so dass ihre Thematisierung von den betreffenden Unternehmen als geschäftsschädigend angesehen wird. Vor diesem Hintergrund bietet es sich für Adbusters und Aktivst/-innen der Kommunikationsguerilla an, diesen Widerspruch zwischen Schein und Sein etwa durch visuelle Eingriffe auf der Symbolebene zu bearbeiten. Durch solche Störungen versuchen sie einerseits das Verborgene in den dominanten Zeichen und Botschaften sichtbar zu machen. Andererseits greifen solche subversiven Kommunikationsformen auf jene kommerziellen Ressourcen zurück, die das dominante Zeichen überhaupt erst als Emblem mit weltweiter Bedeutung konstituiert haben, um sie gegen die ursprünglichen Intentionen des Urhebers oder Investors einzusetzen. Indem Adbusters das weltberühmte Swoosh-Firmenlogo von Nike in Form einer geschwungenen Sichel aus seinem bisherigen Bedeutungszusammenhang entführen und unter dem verstörenden Slogan „SlaVery“ neu kontextualisieren, tragen solche Ironisierungen dezidiert politische Botschaften. Die Technik bedeutungsmächtige Zeichen zu verfremden, läuft auf eine Form der kulturellen Hybridisierung hinaus, bei der die dominanten Symbole durch ihre verdrehte Wiederholung im minoritären Diskurs nur fast mit sich identisch sein können. Die SlaVery-Kritik greift nicht nur den Sportgiganten Nike, der nach der antiken griechischen Göttin des Sieges benannt ist,25 frontal an. Sie erinnert mit dieser Anspielung auch an die andere Seite der eurozentrierten Entwicklung, deren Geschichte in den letzten 500 Jahren nicht ohne koloniale Ausbeutung und rassistische Unterdrückung gedacht werden kann.
24 Vgl. Klein 2002: 205-208, 239-241, 490-494. 25 Nikes Swoosh ähnelt einem „V“ und kann daher auch als Akronym für „victory“ gelesen werden.
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Neben der Bildung sozialer Bewegungen im virtuellen Raum haben auch die Aneignung und politische Rekonfiguration öffentlicher Orte an Bedeutung gewonnen. In Anlehnung an die Ideen der Situationistischen Internationale und Guy Debords (1978) theoretischen Ansatz, der in den 1960er Jahren entwickelt wurde, finden verstärkt Versuche statt, Gegenöffentlichkeiten im urbanen Raum als globales Ereignis zu inszenieren. Es nutzt die Effekte einer massenmedial vernetzten Kultur zur Artikulation politischer Alternativbotschaften. Es ist sicherlich kein Zufall, dass attac als einer der medial erfolgsreichsten Massenorganisationen im globalisierungskritischen Kontext nicht nur in Deutschland, sondern weltweit mit der permanenten Wiederholung der fundamentalen Werbebotschaft arbeitet: „Eine andere Welt ist möglich“. In den letzten Jahren fanden rund um den Globus spektakulär aufgemachte Aktionen statt, deren kulturelle Attraktivität auch politisch massenwirksam geworden ist. Der People’s Global Action Day am 1. Mai und in einem noch größeren Maße veranschaulichten der weltweite Aktionstag am 15. Februar 2003 gegen den jüngsten Irakkrieg in diesem Zusammenhang die politischen Potentiale einer weltweiten Vernetzung zivilgesellschaftlicher Akteure. Vor allem globalisierungskritische Zusammenhänge, die das Weltsozialforum und seine Regionaltreffen als gemeinsame Plattform nutzen, haben seit Ende der 1990er Jahre zur Entwicklung von neuen kreativen Aktionsformen beigetragen. Von den USA und England ausgehend sind karnevaleske Umzüge, Reclaim The Streets-Parties, Lachparaden, Street Art-Aktionen mit Straßentheater, Graffiti, Großpuppen, Radical Cheerleading, Samba-Gruppen, Demo-Marschkapellen, Critical Mass-Fahrradtouren etc. inzwischen auch in Deutschland als politische Artikulationsformen nicht mehr unbekannt (Aman 2005). Solche Ansätze bezeichnen Hardt/Negri (2002) als „Autonomie der Multitude“, in der sich die lebendige und schöpferische Vielheit der Massen ausdrückt. Kulturelle Zeichen und Symbole sind Träger von Bedeutungszuweisungen, deren Inhalte im Kampf um kulturelle Hegemonie und Deutungsmacht umstritten sind. Um Situationen herzustellen, in denen der gewohnte Deutungsrahmen überschritten wird, machen politisch Aktive sich die irritierenden Effekte der subversiven Verfremdung kultureller Icons, kapitalistischer Geschäftsmodelle und politischer Regime zunutze. Der Entstehungskontext wie das Arbeitskonzept der Kampagne Kein Mensch ist illegal – Netzwerk gegen Abschiebung und Ausgrenzung (KMII) können als exemplarisch für einen solchen kulturalistischen Politikansatz gelten. Am Anfang ihrer politischen Arbeit stand die künstlerische wie alltagspraktische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „cross the border“. Entstanden ist diese Kampagne im Sommer 1997 aus einem zunächst internet-basierten „Hybrid WorkSpa-
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ce“ der Documenta X, in der ein lose und dezentral organisiertes Netzwerk von politisch und künstlerisch Aktiven mit Hilfe audio-visueller Medien und Online-Kommunikationsmitteln das namensgebende Manifest erarbeitete.26 „die telefone sind mobil, die computer tragbar und die datenströme schnell und unsichtbar. doch je müheloser die geld- und warenströme die nationalstaatlichen territorien durchqueren, desto mehr schotten sich die reichen metropolen gegen die weltweiten migrationsbewegungen ab. ‚wir nehmen euch alles, aber euch nehmen wir nicht‘ – so muß das postkoloniale ausbeutungsverhältnis umschrieben werden. menschen, die versuchen, sich in sicherheit zu bringen – sei es auf der flucht vor verfolgung oder einfach auf der suche nach glück – haben heute kaum eine möglichkeit mehr, legal in ein land westeuropas oder nordamerikas einzureisen. eine der zentralen politischen herausforderungen der nächsten zeit ist es, das herrschende grenz- und migrationsregime praktisch und politisch anzugreifen und flüchtlingen mit und ohne papiere zu unterstützen in den kämpfen um das recht zu leben, wo sie wollen und wie sie wollen. denn: kein mensch ist illegal“.27
Während der Documenta X wurde das virtuelle Forum dann als reales Kunstprojekt in eine gesellschaftliche Laborsituation überführt und durch ein umfangreiches „100 Tage – 100 Gäste“-Begleitprogramm ergänzt. Nach der Documenta X verselbständigte sich diese Aktionsplattform aufgrund des großen Unterstützung zu einem bundesweiten Netzwerk mit Arbeitsgruppen in mehr als 40 Städten und ist weltweit mit anderen Organisationen vernetzt. Neben vielen anderen Projekten unterstützt KMII auch die Selbsthilfeorganisation Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen. In diesem Fall fand die kulturelle Hybridisierung eine Entsprechung in der Hybridisierung der Multitude, die sich auch in den praktischen Kämpfen um die Freiheit der Migration auswirkt. Um gegen die Errichtung von Grenzregimen zu protestieren, wurde der Passagierstatus deportation class im deutschen Fluggeschäft eingeführt, um erzwungene Formen der Ausreise zu benennen. Mit ihren oftmals im Grenzbereich zwischen künstlerischen und politischen Praxen situierten Operationen versucht KMII den Zusammenhang zwischen staatlicher Abschiebepolitik und ihrer willfährigen Durchführung durch Airlines wie Lufthansa zu kritisieren. Mittels viel26 Dass hybride Arbeitsräume gerade für alternative Medienprojekte und Organisationen attraktiv sind, zeigt sich auch an diesem Beispiel: „hybrid video tracks ist ein Zusammenschluss Berliner Medienaktivist/-innen und -künstler/-innen. hybrid video tracks produziert Ausstellungen, Videos, Texte, Installationen“ (http://www.hybridvideotracks.org, 22.5.2005). 27 http://www.jungdemokraten.de/aktuell/aktion/kmii05.htm (12.2.2009).
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fältiger, oftmals auch kreativen Aktionsformen, die von OnlineDemonstrationen über öffentlichkeitswirksame Culture-Jamming-Plakatwettbewerbe mit abgewandelten Lufthansa-Hybridsymbolen bis zu praktischer Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit im Flughafenterminal reichen,28 konnte der Rückzug von Lufthansa aus dem Abschiebungsgeschäft durchgesetzt werden. Ausschlaggebend war letztlich der hohe Imageschaden, dem kein adäquater wirtschaftlicher Gewinn entgegenstand. Die Folge ist allerdings, dass die Abschiebungspolitik nun vorwiegend von ausländischen und weniger renommierten Airlines abgewickelt wird. Neben der Problemverschiebung hat hier auch ein dynamischer Lernprozess stattgefunden, indem die kritisierten Praktiken zunehmend von Unternehmen ausgeführt werden, die kaum noch durch negative Imagepolitik angegriffen werden können, so dass auf der Seite der Aktivist/-innen neue politische Konzepte notwendig werden, um institutionelle Resistenzbildungen herauszufordern.
Postkoloniales Signifying – Der „Kanake“ als anti-rassistische Allegorie? Die Geschichte der Migration in Deutschland ist nicht ohne die Geschichte rassistischer Diskurse in Politik, Medien sowie im Alltagsleben zu denken. Zu sehr sind die deutschen Migrationserfahrungen auf beiden Seiten der innergesellschaftlichen Demarkationslinie, die zwischen Eingewanderten und (Volks)Deutschen unterscheidet, durch abwertende und ausgrenzende Meinungsmache in den letzten Jahrzehnten geprägt worden. Durch diskursive Praktiken wurde eine diskriminierende Politik unterstützt, die gesellschaftliche Hierarchien und soziokulturelle Ausschlüsse verfestigte. Paradoxerweise ist entgegen der rassistischen Logik dieses Diskurses auch noch etwas anderes, weniger vorhersagbares eingetreten: Durch Auseinandersetzungen mit den aufgezwungenen Rassismuserfahrungen und den dahinterstehenden Gesellschaftsverhältnissen, bei denen die Objekte der Weißen Diskurse sich zu Subjekten ihrer eigenen Geschichte erhoben, wurde eine Möglichkeit zur Reflexion und politischen Selbst-Ermächtigung gefunden. Der migrantische „Kanaken“-Diskurs, der durch Schriftsteller wie Osman Engin und Feridun Zaimoğlu in den 1990er Jahren zur populärkulturellen Ikone erhoben wurde, ist ein Beispiel für die Umkehrung dominant
28 Hintergrundinformationen und Anschauungsmaterial zu der politischen Arbeit von Kein Mensch ist illegal unter http://www.kmii-koeln.de/ pre2005/frame/dc.htm abrufbar (12.2.2009).
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erscheinender kolonial-rassistischer Bilder durch Signifying Practices (Praktiken der Bedeutungsgebung) im Diskurs der Minderheiten. Gerade im literarischen Feld sind die Anfeindungen der Dominanzgesellschaft nicht ohne Widerrufe der Marginalisierten geblieben. Da die Migrationsliteratur und die dort vertretenen Stimmen kein homogenes Gebilde darstellen, ermöglichen sie in ihrer Vielfalt und gebrochenen Wahrnehmungen andere Perspektiven auf migrantische Zwischenwelten jenseits der vorherrschenden Klischees. Dabei verweist die selbstbewusste Aneignung der Figur des „Kanaken“ als positiv gewendetes Selbstbild auf eine weit zurückreichende Geschichte der kolonial-rassistischen Missrepräsentation und auf Strategien postkolonialen Signifyings.
Wiederkehr kolonialer Phantasmagorien im Migrationsdiskurs Spätestens seit dem durch eine tiefgehende Strukturkrise der deutschen Nationalökonomie veranlassten Anwerbestopp für so genannte „Gastarbeiter“ wurden Anfang der 1970er Jahre die zuvor noch als nützlich erachteten Arbeitsmigrant/-innen zur sozio-kulturellen Problemgruppe erklärt und mit abwertenden Zuschreibungen bedacht. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Beispiel verweisen, das ich mir von Homi Bhabha geliehen habe, der in „DissemiNation“ in verdichteter Weise auf eine von John Berger zu dieser Zeit literarisch beschriebene Konstellation im Alltag eines türkischen Arbeiters in Westdeutschland hingewiesen hat: „Seine Migration ist wie ein Ereignis in einem Traum, den ein anderer träumt. Die Intentionalität des Migranten ist durchdrungen von historischen Notwendigkeiten, deren sich weder er noch irgend jemand, den er trifft, bewußt ist. [...] Er verhielt sich zu den Lauten der unbekannten Sprache, als wären sie Schweigen. Als wären sie gesagt, um sein Schweigen zu brechen. Er lernte zwanzig Wörter der neuen Sprache. Aber zu seinem anfänglichen Erstaunen änderte sich ihre Bedeutung, wenn er sie sagte. Er bestellte Kaffee. Für den Barkeeper bedeuteten diese Worte, daß er in einer Bar Kaffee bestellte, in der er keinen Kaffee bestellen sollte. Er lernte ‚Mädchen‘. Als er das Wort gebrauchte, bedeutete es, daß er ein geiler Bock war. Ist es möglich, die Undurchsichtigkeit der Wörter zu durchschauen?“ (Berger 1975 zit. nach Bhabha 1997: 187)
Um auf diese Frage näher einzugehen, ist es unverzichtbar den historischen und gesellschaftlichen Kontext herauszuarbeiten. Denn die mit dem Anwerbestopp einhergehende Verschärfung des negativen gesellschaftlichen Stimmungsbildes gegenüber migrantischen, besonders
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türkischsprachigen Communities spiegelte sich beispielhaft in einer großangelegten, von der gesamten Redaktion ausgearbeiteten Titel-Story eines deutschen Leitmediums wider. DER SPIEGEL, der bereits schon damals oft zu Unrecht den Ruf als linksliberales Flagschiff der deutschen Medienlandschaft genoss, verbreitete am 30.7.1973 unter dem unmissverständlichen Aufmacher „Die Türken kommen – rette sich wer kann“ eine Ansammlung von fiktiven Untergangsbildern und türkischen Negativstereotypen. Das Blatt bemühte sich sichtlich vor der „Überfremdung der deutschen Gesellschaft“ durch angeblich gefährliche „Ausländer“ zu warnen, die als „soziale Zeitbomben“ beschrieben wurden: „Der Andrang vom Bosporus verschärft eine Krise, die in den von Ausländern überlaufenen Ballungszentren schon lange schwelte. Städte wie Berlin, München oder Frankfurt können die Invasion kaum noch bewältigen: Es entstehen Ghettos, und schon prophezeien Soziologen Städteverfall, Kriminalität und soziale Verelendung wie in Harlem.“ (zit. nach Pagenstecher 1994: 46)
Als Elemente des rassistischen Diskurses haben diffamierende Bilder und unrealistische Katastrophenszenarien, welche die militärischen und ‚fremdethnischen‘ Bedrohungsaspekte betonen,29 die Perspektive der deutschen Ausländer-Debatte wesentlich mitbestimmt. Die inszenierte Politik- und Medienhysterie zur Abschaffung des Asyl-Grundrechts rekurrierte zwei Jahrzehnte später auf frappierend ähnliche Stilelemente und griff zudem auf alarmierende Bilder aus der deutschen Kolonialzeit zurück. Damals wurde in praktisch allen Medien vor der „Invasion der Armen. Asylanten und illegale Einwanderer“ (Werner 1990)30 oder dem vermeintlich anstehenden „Sturm auf Europa: Asylanten und Armuts29 Unter der Schlagzeile „Gefährlich fremd“ zeigte der Aufmacher auf dem Cover der Zeitschrift DER SPIEGEL vom 14.4.1997 eine wütende junge türkisch aussehende Frau mit türkischer Flagge, um „das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft“ zu illustrieren. Diese Bildinszenierung ist umso perfider, da der Entstehungskontext während einer Demonstration gegen den rassistischen Brandanschlag auf die Familie Genc 1993 in Solingen unerwähnt bleibt. Im Heft folgte ein kollektiver Beitrag DER SPIEGEL-Redaktion unter dem Titel „Zeitbomben in den Vorstädten“. 30 Anlässlich der Publikation eines Auszugs aus diesem Buch in den „Informationen zur politischen Bildung“ (4/1992) der Bundeszentrale für politische Bildung kam es zu einer Anfrage im Bundestag: „Bei dem Autor dieses Buches handelt es sich um Dr. Hans Werner Müller, der sein Buch unter einem Pseudonym herausgegeben hat. Dr. Hans Werner Müller war früher Leiter der innenpolitischen Abteilung im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Seit 1991 ist Dr. Hans Werner Müller stellvertretender Landesvorsitzender der „Republikaner“ in Berlin“ (Jelpke 1994).
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flüchtlinge. Droht eine neue Völkerwanderung?“ (Ritter 1991)31 gewarnt. Die bildhaften Analogie- und Kontinuitätselemente im Überfremdungsdiskurs sind erstaunlich beständig. Seit der imperialen Kaiserzeit werden gleichlautende Bedrohungsmetaphern und Forderungen wiederholt. Schon vor dem Ersten Weltkrieg sind rassistisch stigmatisierte Migrant/-innen regelmäßig als Quelle der „Überfremdung“ und „Überschwemmung“ sowie als „Ströme“ und „Fluten“ identifiziert worden, und schon damals forderte man „Deutschland den Deutschen“. Seitdem die Bundesregierung sich wieder für eine streng regulierte und ausschließlich an deutschen Interessen ausgerichtete Zuwanderungspolitik offen zeigt, wird medial und politisch ungeniert über Strategien des „head-hunting“ im „Kampf um die besten Köpfe“ für die Deutschland AG gesprochen, um vom kannibalistisch anmutenden „brain-drain“ (wörtlich: „Gehirnabfluss“) zu profitieren. Zusätzliche Brisanz erfährt diese Konstellation, weil Deutschland wie alle anderen westlichen Einwanderungsgesellschaften zukünftig zunehmend Arbeitsmigrant/-innen aus ehemals kolonialisierten Ländern anwirbt. Die Wiederkehr kolonialer Metaphern und Bilder im Weißen Diskurs der deutschen Dominanzgesellschaft zeigt auf, dass weder die koloniale Geschichte Deutschlands ausreichend aufgearbeitet wurde, noch koloniale Denkmuster und die damit verbundenen Machtverhältnisse überwunden sind (Ha 2003a: 8695).
Geschichten aus Kanakistan Im Rahmen dieser diskursiven Entwicklung ist die seit den 1970er Jahren weitverbreitete Verwendung des Begriffs „Kanake“ als beleidigende Adressierung von Immigrierten, vor allem jenen mit türkischer Herkunft, in der Alltagswelt und der Jugendkultur zu situieren. Die Bezeichnung „Kanake“ entstand vermutlich im Laufe des 19. Jahrhunderts, als der in Deutschland tiefverwurzelte Anti-Slawismus gegenüber „Kosaken“, „Hannaken“ und „Polacken“ sich mit dem seit der deutschen Kolonialexpansion in den pazifischen Raum gepflegten Mythos des „Kannnibalen“ zu einem kolonial-rassistischen Neologismus verband (Gerhard/Link 1991: 147).32 In diesem Sinne fungiert dieser Terminus 31 Manfred Ritter war zu dieser Zeit Landesanwalt von Bayern am Verwaltungsgericht Ansbach und in dieser Funktion für den Schutz der Landesverfassung zuständig. 32 Laut dem „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ wurde der Begriff „Kanaker“ ab 1974 als abfällige Bezeichnung für „Gastarbeiter“ in der BRD populär. Allerdings ist dieses Wort bereits in den 1930 Jahren als
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bis heute als volkstümliche Chiffre für den biologisch und zivilisatorisch minderwertigen Anderen. Im neorassistischen Alltagsdeutsch verfügen auch andere erniedrigende Bezeichnungen wie „Bimbo“, „Neger“ und „Fidschi“ über eine ähnliche kolonial-rassistische Aufladung. Als Feridun Zaimoğlus „Kanak Sprak. 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft“ 1995 im kleinen Rotbuch Verlag erschien, wurde es zunächst kaum wahrgenommen. Nicht nur die literarische Sprachform war für die deutsche Kulturlandschaft zunächst zu neuartig und gewöhnungsbedürftig, ebenso waren die Perspektiven und Lebenswelten der Zweiten Generation der Eingewanderten bis dato kein Thema, das Anerkennung und Relevanz in diesen Sphären beanspruchen konnte. Neben anfänglichem Desinteresse schreckte der deutsche Medien- und Kulturbetrieb auch vor zwei grundlegenden Prämissen in „Kanak Sprak“ zurück: 1. Die „‚Gastarbeiterkinder‘ der zweiten und vor allem der dritten Generation [bezeichnen sich selbst] mit stolzem Trotz“ (Zaimoğlu 1995: 9) wahlweise als „Kanake, Kanaksta oder Kanakgangsta“. 2. In diesem Buch hat „allein der Kanake das Wort“ (ebd.: 18), der in Unterschied zum „sozial verträglichen“ (ebd.) akademischen Gelehrten mit kosmopolitischem Flair eine Form des Straßenkampf-erprobten Intellektuellen markiert. Diese kulturpolitische Selbststilisierung und Positionierung, die sich ausdrücklich von der „weinerliche[n], sich anbiedernde[n] und öffentlich geförderte[n] Gastarbeiterliteratur“ (ebd.: 11) abwandte, passte nicht so recht in den Bildungshorizont des deutschen Bürgertums. Mit dem Rückzug der Alt-68er, von denen etliche mit zunehmender gesellschaftlicher Etablierung sich ideologisch nach rechts wendeten, war Antonio Gramscis Ideal des politisch engagierten organischen Intellektuellen, der für die Unterdrückten und Ausgebeuteten agitiert (Said 1998: 9-50), im deutschen Kultur- und Universitätsleben zudem eine selten anzutreffende Spezies. Inhaltlich schwamm das Buch gegen den konservativen Mainstream und machte sich auch unter Linksliberalen nicht viele Freunde. In den polemischen Erzählungen von „Kanak Sprak“ wurde nicht nur die überSchimpfwort bekannt geworden. „Kanaker“ ist wohl als Derivat der älteren Form „Kanake“ anzusehen, das um 1850 in Anlehnung an den Ausdruck „Hannake“ gebildet wurde. „Kanaker“ würde „ungebildeter, ungesitteter Mensch. Eigentlich der Eingeborene der Sandwichinseln [früherer Name der pazifischen Inselgruppe Hawaii]“ (Küpper 1997: 392) bedeuten. Die Vokabel „Hannake“, die um 1750 sprachlich ausgeprägt wurde, meint soviel wie „grober, plumper Mensch; niederträchtiger Mann. Eigentlich ein Angehöriger der in Mähren angesiedelten Slawonen [...] Mindergeltung wegen des schwelenden Abwehrkampfes der deutschsprechenden Böhmen gegen die Minderheiten der tschechischen Volksstämme“ (ebd.: 323f.).
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kommene Ausländerpolitik und der dahinterstehende institutionelle Rassismus attackiert; ebenso wurde Multikulturalismus als exotisierend gebrandmarkt und der „Assimilkümmel“ als unterwürfiger „LiebAlilein“ in der „teutonischen“ Integrationmaschinerie verspottet (vgl. Cheesman 2002: 180ff.). „Kanak Sprak“ war zudem mit einer Verschiebung der diskursiven Macht- und Sprachverhältnisse verbunden. Nicht nur wurde Weißen Deutschen selbstbewusst das angestammte Vorrecht abgesprochen, sich als maßgebliche Migrationsexpert/-innen und „Neckermann-Volkskundler im multikulturellen Ethnien-Zoo“ aufzuspielen. Noch schlimmer wog wohl die Neudefinition der deutschen Sprache, die damit einhergehende Neuinterpretation deutscher Identität und die wenig schmeichelhafte Analyse Deutschlands insgesamt. Das wurde anfänglich vielfach als grotesker bzw. verleumderischer Angriff auf das ureigene deutsche Revier empfunden, der vielen Deutschen in ihrer ersten Schockreaktion zunächst schwer erträglich erschien. Welche Dimension das Leiden an der politischen Korrektheit, der eigenen Selbstzensur wie der verlustigen Definitionsmacht über migrantische Minderheiten annehmen kann, offenbarte die damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein Heide Simonis in der Fernseh-Talkshow „III nach neun“ (Radio Bremen) vom 8. Mai 1998. Im Verlauf eines erregten Disputs über die literarischen Qualitäten der „Alemannenbeschimpfungen“ in „Kanak Sprak“ kam es bei der Frage, wer sich die Phrase „Kanake“ aneignen darf und wer nicht, zur völligen Entgleisung der Diskussion. Als Zaimoğlu trotz der aufgebrachten Anschuldigungen auch noch gelassen auf das exklusive Recht der deutsch-türkischen bzw. türkisch-deutschen Generation zur Selbstdefinition bestand, fiel die vom deutschen Publikum stürmisch beklatschte persönliche Beleidigung Zaimoğlus als „Schnapsnase“.33 Diese Äußerung war zwar sachlich unpassend, veranschaulicht aber dafür exemplarisch die Unfähigkeit der Gesellschaft und ihrer Eliten, angemessen auf Migrations- und Rassismuserfahrungen einzugehen. Entgegen der Vermarktung von „Kanak Sprak“ als „wilde und radikal-authentische Bekenntnisse junger Männer türkischer Abstammung“ (Cover) stellt dieses sprachlich innovative Werk eine höchst stilisierte und literarisch kunstvoll komponierte Anthologie mittels „Übersetzung“ und „Nachdichtung“ (Zaimoğlu 1995: 18) dar. Die verdichteten und dramaturgisch überarbeiteten Texte basierten auf Interviews mit unterschiedlichen männlichen Mitgliedern der Zweiten Generation: von Rap-
33 Außerdem waren an diesem Disput auch Norbert Blüm und Wolf Biermann beteiligt. Für eine Dokumentation und Analyse dieser FernsehTalkshow siehe Cheesman (2004) und Ha (2003b).
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pern, Fundamentalisten, Soziologen über KFZ-Mechaniker bis zum Zuhälter, Stricher und Transsexuellen. Als Reportagen „aus dem Kosmos von Kanakistan, einem unbekannten Landstrich am Rande der deutschen Gesellschaft“ (Cover), sollen sie der Leserschaft Einblicke in „ihr Dasein und ihre Lebensphilosophie“ (innerer Schutzumschlag) gewähren. In diesem Sinne lässt sich dieses Buch als eine literarische Version einer fiktionalisierten urbanen Sozio-Ethnografie in der ersten Person Singular lesen, die im Gegensatz zur wissenschaftlichen Arbeit kreative Freiheiten in Anspruch nehmen darf. Nach der Publikation des „Kanakster“-Romans „Abschaum. Die wahre Geschichte von Ertan Ongun“ (1997), der 2000 als „Kanak Attack“ von Lars Becker für ein Massenpublikum verfilmt wurde, erschien Zaimoğlus „Koppstoff. Kanaka Sprak vom Rande der Gesellschaft“ (1998). Vermittelt durch seinen männlichen Blick und literarischen Duktus wurden mit mehrjähriger Verspätung weibliche Positionen im subkulturell-politischen „Kanaksta“-Diskurs für einen größeren Publikumskreis zugänglich gemacht. Im Unterschied zu den Geschichten in „Kanak Sprak“, die trotz ihres starken Fokus auf Street-Gangstarism und maskuline Identitätskonstruktionen vor allem bemüht waren, gängige Abziehbilder auf den Kopf zu stellen, waren die Gesprächspartnerinnen in „Koppstoff“ häufig mit einem akademischen Hintergrund und in bürgerlichen Berufen tätig. Daneben kamen auch junge Arbeiterinnen und linke politische Aktivistinnen zu Wort, die sich als Street-Fighterin und Anarchistin repräsentierten. Durch die sozio-kulturelle Verortung der Protagonistinnen war „Koppstoff“ sprachlich und stilistisch weitaus variabler geworden. Es vermag dadurch andere migrantische Subjekte sowie andere Denk- und Lebenswelten zu beschreiben. Neben migrantischen Selbst-, Community- und Deutschland-Bildern sowie sozioökonomischen Problemen setzten sich diese Frauen in einer selbstermächtigenden Weise mit Geschlechter- und Sexualbeziehungen sowie immer wieder mit Rassismus und rechtsextremer Gewalt in unterschiedlichen Facetten auseinander. Allerdings fehlten in dieser Anthologie die Stimmen der jungen, selbstbewussten und oftmals auch akademisch gebildeten Frauen, die selbstbestimmt das Kopftuch innovativ in Myriaden Varianten tragen und diese mit ganz eigenen Bedeutungen versehen. Diese Rückgewinnung des eigenen Körpers und Willens wird etwa durch eigensinnige Symbole ausgedrückt, die das vermeintlich Traditionelle ganz unkonventionell mit aktuellen Modestilen mischen (vgl. Popal 2007; Kimminich 2003).
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„Der direkte Draht zum schwarzen Mann“ Zweifellos ist die subkulturelle Umkehrung der ursprünglich rassistisch kontextualisierten Redewendung „Kanake“ Teil der deutsch-türkischen Migrationserfahrung. Gerade in der migrantischen HipHop-Kultur sind auf allen Ebenen jedoch vielfältige Verbindungen zum Schwarzen Amerika unübersehbar. Die Anleihen gerade in den Anfängen sind so massiv, dass Ali, ein Rapper von Da Crime Posse, sein kulturelles Kapital als „direkten Draht zum schwarzen Mann“ (Zaimoğlu 1995: 27) bezeichnet.34 Sein Vorbild sind die afroamerikanischen Hardcore-Polit-Rapper von Public Enemy, die Rap als „Black CNN“ ansehen. In seiner Einleitung zu „Kanak Sprak“ zieht Zaimoğlu folgende Verbindung: „Sie alle eint das Gefühl, ‚in der liga der verdammten zu spielen‘, gegen kulturhegemoniale Ansprüche bestehen zu müssen. Noch ist das tragende Element dieser Community ein negatives Selbstbewußtsein, wie es in der scheinbaren Selbstbezichtigung seinen oberflächlichen Ausdruck findet: Kanake! Dieses verunglimpfende Hetzwort wird zum identitässtiftenden Kennwort, zur verbindenden Klammer dieser ‚Lumpenethnier‘. Analog zur Black-Consciousness-Bewegung in den USA werden sich die einzelnen Kanak-Subidentitäten zunehmender übergreifender Zusammenhänge und Inhalte bewußt“ (ebd.: 17).
Es ist tatsächlich naheliegend, die Umdeutung des „Kanaken“ äquivalent zur Aneignung des kolonial-rassistischen „Niggers“ im afroamerikanischen Rap und der Schwarzen Alltagssprache zu sehen. Schwarze Kultur- und Musikkritiker/-innen haben anhand von Rap-Lyrik, Rhythmus und Präsentationsformen aufgezeigt, wie sie die Existenz von Autorenschaft anzweifeln und damit Authentizität und Essentialismus in Frage stellen. Rap versucht mehrdeutige Bedeutungen zu schaffen und damit Homogenität und Eindeutigkeit zu konterkarieren. Rapper/-innen machen sich gerne über den Vorwurf des geistigen Diebstahls durch Sampling lustig und nutzen teilweise das Medium der Musikvideos statt als Werbung oder Ware auch für politische Agitationen und kritische Geschichtsaufarbeitungen.35
34 Zaimoğlu verstand zu dieser Zeit „Kanak Sprak“ als „Untergrund-Kodex [...] eine Art Creol oder Rotwelsch mit geheimen Codes und Zeichen. Ihr Reden ist dem Free-Style-Sermon im Rap verwandt“ (ebd.: 13). Vgl. auch Caglar 1998, Ayata 1999, Güngör/Loh 2002 und Schmitt 2005. 35 Vgl. Tate 1993a: 51ff. Für ein „close reading“ ausgesuchter Lyrics siehe Salaam (1996a).
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Diese Phänomene stehen für das Signifying des schwindelnden, sinnverstellenden und realitätsverzerrenden Tricksters, der die Wörter soweit zum Tanzen bringt, dass sie aus der Reihe springen. Mit dem afroamerikanischen Trickster ist in diesem Fall eine Redefigur gemeint, die sich auf den Signifying Monkey bezieht, der zunächst in der YorubaMythologie in Nigeria entstanden ist und sich in verschiedenen Varianten in den Schwarzen Kulturen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent wiederfindet. „Er ist die ironische Umkehrung der uralten, rassistischen, westlichen Vorstellung vom Schwarzen als Affen. Der Signifying Monkey lebt in den Zwischenbereichen der Diskurse, verdreht die Wörter und spielt mit ihnen, er bildet Wortfiguren und zeigt die Ambiguitäten der Sprache auf, indem er ihr ihre Eigentümlichkeit nimmt. Der Signifying Monkey ist also unsere Trope der Wiederholung und Umkehrung, im Grunde die Trope des Chiasmus selbst, weil er in ein und demselben Akt geschickt wiederholt und zugleich umkehrt“ (Gates 1993: 178).
Eines der populärsten Beispiele für eine solche doppelbödige Umkehrung und Wiederholung ist sicherlich in der Verwandlung des rassistischen „Niggers“ zum „Nigga“ zu sehen, womit Schwarze nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Freund/-innen, aber ebenso ihre Feind/-innen bezeichnen. Der Trick bei der ganzen Sache ist, das die Grenzen aufgelöst werden, denn das Schwarze „Nigga“ kann je nach Kontext auch Weiße und alle anderen meinen. Ice-T, einer der bekanntesten und einflussreichsten Rapper der 1990er Jahren, erklärt seinen Gebrauch dieses inzwischen so vieldeutigen Begriffs im „Black English“: „We have very different definitions of words. For example, I don’t have a problem with the word ‚nigger‘. Early on, it was used as a derogatory term for a black person. You had the ‚house niggers‘ and the ‚field niggers‘. The house nigger would be the one who was inside making beds, cooking the food, kissing ass. The field nigger was in the field fuckin’ shit up. They couldn’t conform. They were the real niggers. I wear that term like a badge of honor. If some square Tom politician is not a nigger, then I am a nigger, you understand? I am not what you want me to be. I’m the worst side of it. The field niggers are my niggers. In ghetto dialect, we’ll call white people niggers. It doesn’t mean color. In my song ‚Straight Up Nigga‘, I went through a lot of uses for the word“.36
36 Ice-T zit. nach Zips 1996: 51f. Der Begriff „square Tom“ bezieht sich auf den als spießig-unterwürfig aufgefassten „Onkel Tom“ (1852) im Harriet Beecher Stowes Antisklaverei-Roman.
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Letztlich, auch wenn es oft nicht erkannt wird, geht es weniger um eine Umkehrung als vielmehr um die Befreiung von Begriffen. Der Trickster versucht durch die Gleichzeitigkeit von Ambivalenzen, durch die sprachliche Verwandlung eines feststehenden Topos in einem sich widersprechenden Oxymoron und einem nicht denkbaren Paradoxon Freiräume für offenstehende, ungesicherte und vielsagende Bedeutungen zu erzeugen. Statt wie bisher Wörter und Begriffe erobern, besetzen und verteidigen zu wollen, geht es beim Signifying um die Auflösung der dualen Schemata von gut und böse, Schwarz und Weiß, real und fiktiv. Die Verdrehung der Wörter in diesem linguistischen Wettstreit führt zu einer Verunreinigung des rassistischen Reinheitsgebots und einer Verunsicherung des dazugehörigen Besitzstandsdenkens. Sie löst die festgefahrenen Bedeutungen auf, übersetzt sie in eigene Kontexte und zeigt eine Verdoppelung auf, die keine einfache Wahrheit mehr zulässt. Durch die Forcierung ihrer in sich eingeschriebenen Ambivalenz soll die herrschende Sprache in die Sinnlosigkeit und den wahnhaften Zusammenbruch getrieben werden, um ihr ihre eigenen Widersprüche vor Augen zu führen. Signifying heißt die eingefahrenen Gleise verlassen, ein Versteckspiel aufziehen, das Gegenteil von dem sagen, was gemeint ist oder auch nur bewusst-unbewusstes „shit talkin“. Theoretisch basiert der Kampf um Repräsentation auf der Einsicht, dass Bedeutungen nicht fixiert und festlegbar sind, sondern immer wieder im dahin rauschenden Fluss der Diskurse und in den Praktiken der Subjekte neue Formen und Signifikate erhalten. Stuart Hall beschreibt in seinem Buch „Cultural Representations and Signifying Practices“ den Prozess des trans-coding, der neue instabile und gegensätzliche Bedeutungen zu den bestehenden Möglichkeiten der Sinngebung offeriert: „Ultimately, meaning begins to slip and slide; it begins to drift, or be wrenched, or inflected into new directions. New meanings are grafted on to old ones. Words and images carry connotations over which no one has complete control, and these marginal or submerged meanings come to the surface, allowing different meanings to be constructed, different things to be shown and said“ (Hall 1997c: 270).
Allerdings ist die Resignifizierung rassistischer bzw. sexistischer Bezeichnungen – wie etwa „bitch“ im Black English – in Schwarzen und People of Color-Communities keinesfalls unumstritten, sondern stellt nur eine mögliche Wahrnehmungsweise und Widerstandslogik dar. Weder die Trope des „Niggers“ noch des „Kanaken“ kann in den jeweiligen anti-rassistischen Diskussionen als unumstritten gelten, sondern rufen teilweise heftigen Widerspruch hervor. Ein klassischer Fall sind
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die vielfach als „obszön“ empfundenen Texte der 2Live Crew auf ihrer LP „As Nasty As They Wanna Be“ aus dem Jahre 1989 (Glowania/Heil 1996: 103-109). Wie schwierig diese Frage zwischen politischer Zensur und Meinungsfreiheit, Kunst und kommerzieller Ausbeutung weiblicher Sexualität (Pornographie) zu entscheiden ist, zeigen auch die gegensätzlichen Ansichten der führenden Meinungsmacher/-innen in den AfricanAmerican Studies zu diesem Fall. Während Henry Louis Gates in seinem Gutachten zugunsten der Angeklagten vor Gericht auf die orale Schwarze Kultur des Signifying Monkeys hinwies, der als gerissener Gauner andere „reinlegt“, sich nicht zu erkennen gibt und andere parodiert (Gates 1993), sieht Houston A. Baker den Vorwurf der Obszönität als bewiesen an (Baker 1993). Auch bell hooks teilt diese Vorwürfe und verbreitet eine Meinung weiter, die hinter der Verteidigung der Meinungsfreiheit vor allem patriarchale Komplizenschaft vermutet (hooks 1994: 64). Vor Gericht wurde der Angeklagte Luther Campbell, der sich von Anfang an auf seine Redefreiheit berief, allerdings freigesprochen. Diese Diskussion zeigt, dass bei der Resignifizierung kulturelle und politische Grenzen beachtet werden müssen und gerade andere Schwarze Perspektiven uneingeschränkt und unabhängig von den eigenen Einschätzungen anzuerkennen sind. So betont die Psychologin Grada Kilomba in ihrer Analyse die traumatischen Effekte und inneren Verletzungen, die die koloniale Wiederaufführung des Begriffs „Neger“ bei Schwarzen Menschen wachrufen kann. „In dem Moment, wo Kathleen als ‚Negerin‘ bezeichnet wird, platziert man sie plötzlich in eine koloniale Szene, da dieser Begriff die Beziehung zwischen Weißen und Schwarzen beschreibt, welche seine Wurzeln in einer Herr und Knecht (Meister-Sklave) Dichotomie hat. Jene, die ‚Negerin‘ rufen, wiederholen in diesem Moment eine Sicherstellung ihrer Macht (als Weiße Herrscher), und sie erinnern Kathleen an den Ort, den sie betreten darf – den Platz des ‚Negers‘, d.h. den Ort der Unterlegenheit.“ (Ferreira [Kilomba] 2004; vgl. auch Dies. 2003: 153-157)
Grada Kilomba spricht damit einen Punkt an, der meiner Meinung nach blinde Flecke und eingebaute Gefahren in der Konzeption des Signifying Monkey aufzeigt. Wenn wir den Prozess der Neubesetzung und Rekonfiguration der herrschenden Sprache als politisches Projekt ernst nehmen wollen, dann müssen wir uns die wichtige Frage nach den Konsequenzen eines tabubrechenden Sprachspiels stellen. In diesem Zusammenhang muss selbstverständlich auch nach politischer Verantwortung und ethischen Grenzen gefragt werden, an der das Produktive und Herausfordernde dieses Ansatzes in Fremdbestimmung und Reak-
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tion umschlägt. Misogynie und Selbstverachtung zeigen die Risiken dieser „gefährlichen“ Diskurspolitik auf, die immer eine Gratwanderung darstellt. Um darauf eine Antwort zu finden, ist es notwendig eine – wenn auch nicht leicht zu beantwortende – Frage aufzuwerfen: Wer darf für wen mit welchem Ziel wann wie mit was signifizieren? (vgl. auch Broeck 2007: 53). Die multiplen und voneinander abhängigen Variablen dieser Frage deuten an, wie komplex das diskursive Geflecht ist, das jede einfache Antwort oder kontextfreie Strategie als unmöglich zurückweist. Beim Austarieren dieser Gratwanderung zwischen der Beachtung struktureller Rahmenbedingungen und dem Kampf um die Freiheit für individuelle und kollektive Selbstentwürfe ist es allerdings ebenfalls regressiv den politischen Spielraum zu unterschätzen. Strategisch ist es ein Fehler die Möglichkeiten im Kampf um kulturelle Repräsentationen und Bedeutungen zu früh oder gar anstandslos aufzugeben. Theoretisch gesprochen, und an diese Stelle habe ich Markus Schmitz für seinen kenntnisreichen Hinweis zu danken, ist es wichtig, zwischen einem archäologischen (kritischen) und einem genealogischen Wissens- und Diskurszugang zu unterscheiden, obwohl beides einander bedingt und ineinander übergeht. „Zwischen dem kritischen und dem genealogischen Unternehmen liegt der Unterschied nicht so sehr im Gegenstand und im Untersuchungsbereich, sondern im Ansatzpunkt, in der Perspektive, in der Abgrenzung“ (Foucault 1991: 42). Der kritische Zugang analysiert Fragen der Regulierung, also die „Instanzen der diskursiven Kontrolle [... und] die Prozesse der Verknappung, aber auch der Umgruppierung und Vereinheitlichung der Diskurse; die Genealogie untersucht ihre Entstehung, die zugleich zerstreut, diskontinuierlich und geregt ist. Diese Aufgaben sind nie ganz zu trennen; es gibt nicht auf der einen Seite die Verwerfung, die Ausschließung, die Umgruppierung, die Zuteilung und auf der anderen Seite, auf der tieferen Ebene, das spontane Auftauchen der Diskurse, die sich dann vor oder nach ihrer Manifestation der Selektion und der Kontrolle unterworfen sehen“ (ebd.: 41f.).
Die genealogische Perspektive auf die Formierung von Diskursen muss, wie Foucault an gleicher Stelle betont, die Grenzen des Diskurses wie die Möglichkeiten der symbolisch-sprachlichen Intervention beachten. Da die kontrollierenden Momente und genealogischen Prozesse im Diskurs miteinander zusammenhängen, gibt es Effekte der Übersetzung wie der Integration, so dass die kritische Intervention sich in einem anderem Kontext als repressiv erweist oder zu einem anderen Zeitpunkt sich zu einer regulativen Praxis verwandelt. Mit der genealogischen Öffnung der Diskursanalyse schafft Foucault eine theoretische Verbin-
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dung zu afroamerikanischen und postkolonialen Ansätzen des Signifyings und der Hybridisierung, die im Sinne Bakhtins organische wie auch intentionale Effekte der Aufwertung des Unterdrückten wie die Unterminierung autoritärer Repräsentationen im umkämpfen Diskursraum berücksichtigen. Stuart Hall beurteilt diesen „critical shift in Foucault’s work from an archaeological to a genealogical method does many things to render [...] the powerful ways in which power, which was missing in the more formal account of discourse, is now centrally introduced and the exciting possibilities opened up by Foucault’s discussion of the double-sided character of subjection/subjectification“ (Hall 1996b: 10).
Die politische Logik der kulturellen Praxis der Verschiebung und Neuaneignung ist theoretisch nur dann verständlich, wenn wir sie in einem transnationalen und postkolonialen Rahmen situieren. Auch andere antirassistischen Ansätze operieren mit einer hybridisierten Identitätspolitik der Selbst-Kanakisierung, die über historische Vorläufer verfügt. So weist eine Reihe historischer Entwicklungen darauf hin, dass das umkämpfte Terrain der Identität nicht nur das Ziel, sondern auch die gemeinsame Ausgangsbasis für politischen Aktivismus von People of Color darstellt. Durch anti-rassistische und anti-koloniale Entwicklungen wie die Civil Rights-Bewegung und die Black Power Movement konnte in den USA der 1960er Jahre erstmals massenhaft ein positiver Bezug zur Schwarzen Identität gebildet werden.37 Angetrieben durch Slogans wie „Black is beautiful“ und „I’m black and I’m proud“ diente die Identitätsmarkierung Schwarz-Sein (Blackness) durch die selbstbewusste Brechung der inferiorisierten Subjekte nicht mehr länger wie in der bis dahin vorherrschenden kulturellen Tradition des Rassismus als negatives Symbol. Dieser politische Bewusstwerdungsprozess wurde durch ein populärkulturelles Umfeld verstärkt, das sich aktiv an der Umund Aufwertung von Blackness beteiligte. Die identitätspolitische Selbstaneignung wurde als gesellschaftlich transformierende Kraft sowohl für die Schwarze Diaspora in Europa als auch für andere kolonialisierte Communities von People of Color bedeutsam. Es war wohl kein Zufall, dass die indigenen Bewohner/-innen der französischen Überseekolonie Neukaledonien ausgerechnet in den rebellischen 1970er Jahren begannen, die historisch abwertende Kolonialbezeichnung „Kanak“ im Rahmen einer kulturellen Strategie des SelfEmpowerment zu übernehmen. Stand diese Identitätsposition bis zu 37 Vgl. die Einführung von Albert Scharenberg (1998) sowie die Überblicksdarstellungen von Clayborne Carson (2004), Oliver Demny (2004) und Jeffrey Ogbar (2004).
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diesem Zeitpunkt für ein durch Weiße „Blackbirders“ (europäische Menschenjäger) und Kolonialadministration aufgezwungenes Trauma der Deportation und Zwangsarbeit, so verkehrten sich mit ihrer aktivistischen Neusetzung auch ihre politischen und gesellschaftlichen Funktionen. Aus kolonialen Objekten wurden durch Prozesse der Selbstaneignung postkoloniale Subjekte, die selbstbewusst für die unabhängige Entwicklung ihrer Gesellschaft jenseits des Eurozentrismus kämpften und auf diese Weise versuchten, ihre Geschichte neu zu schreiben (Valjavec 1995: 38, 62). In der Geschichte kanakischer Identitätskonstruktionen vermischt sich die Globalisierungsgeschichte der Kolonialisierung mit den Geschichten widerständiger Selbstinszenierungen. Es ist diese uneindeutige Doppelbewegung in der historischen Dynamik von identitätspolitischen Fremd- und Selbstzuschreibungen, wodurch Benennungen sowohl als Praktiken der kolonial-rassistischen Herrschaft als auch der SelbstErmächtigung fungieren können. Wie Homi Bhabha in seiner Analyse des Kolonialdiskurses herausgestellt hat, machen sich Mimikry und Hybridisierung – oder stark vereinfacht ausgedrückt kulturelle Nachahmung und Vermischung – als Widerstandsstrategien die Ambivalenz kolonialer Diskurse zunutze. Obwohl kolonial-rassistische Autoritäten durch territoriale Aufteilungen, gesellschaftliche Herrschaftsanordnungen und Rassenerfindungen faktisch neue soziale, kulturelle und biopolitische Grenzen etablierten, wirkten sich viele dieser Praktiken auf der anderen Seite als Entgrenzung von Räumen und Identitäten auch zwiespältig aus. So entstand mit der Durchsetzung kolonialer Beziehungen ein voneinander abhängiges Referenzsystem von Bedeutungszuweisungen und gesellschaftlichen Hierarchien, in dem die aufeinander verweisenden Fremd- und Selbstbilder eine ungleiche Beziehung eingingen: Europa und „seine“ Anderen, Whiteness und Blackness, Zentrum und Peripherie, nationale Dominanzkultur und „Minderheiten“, Deutsche und „Ausländer“. In diesen Identitätsbildern und Privilegienverteilungen kommt eine gesellschaftliche Konfiguration zum Ausdruck, die sich einerseits durch Machtartikulation und polare Setzung formiert; andererseits auch von einer unvermeidlichen Einbeziehung des Anderen abhängt. Erst durch die Konstruktion des unterlegenen Anderen war es überhaupt möglich, dominante und marginale Positionen gesellschaftlich zu produzieren. In der rassistischen Identitätspolitik kommt daher die europäische Definitionsmacht zur Sprache, die durch Weiße Phantasmagorien und Bedürfnisse ins Leben gerufen wurde. Für den Rassismus ist es konstitutiv, dass er in einem gegensätzlichen Verhältnis von Abspaltung und Identifikation zum Anderen steht. Daher gehen gewalttätige Diskurse der
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Vernichtung und Eindämmung immer mit Vereinigungswünschen und Projektionen Hand in Hand – etwa über den „guten Wilden“ oder die „arme Migrantin“, die man retten muss. Aus dieser widersprüchlichen Funktionsweise des Rassismus ergibt sich, dass die kolonial-rassistische Ausgrenzung wie die damit einhergehende Kontrollmacht niemals total sein können. Das bedeutet auch, dass marginalisierte Subjekte handlungsmächtig sind und die Möglichkeit haben dominante Narrationen diskursiv zu unterbrechen. Dadurch ist in der gewaltvollen Dynamik der kolonialen Moderne ein Prozess in Gang gekommen, der als hybride Praxis der Grenzüberschreitung in Erscheinung tritt. Diese vieldeutige Praxis ist mit einer Verdoppelung und Fragmentierung von Identitäten verbunden, in der die koloniale Autorität mit ihrem unterdrückten Doppelgänger auf der anderen Seite der Geschichte konfrontiert wird. Diese umkämpfte und niemals eindeutige Identität können wir mit dem afroamerikanischen Soziologen W.E.B. DuBois (2003) als eine Form des double consciousness bezeichnen. Kanakische Identität speist sich aus diesem grenzwertigen Bewusstsein, weil es einerseits um die kolonialisierende Wirkung seiner Benennungen weiß und andererseits gerade aus dieser intimen Einsicht heraus die Notwendigkeit erkennt, kolonial-rassistische Modelle durch Mimikry und Hybridisierung zu verunreinigen und zu verunsichern (Ha 2004: 128-152). Kanakische Identitätspolitik als Widerstandsperspektive versucht sich der Macht der Kolonialsprache zu entziehen, indem die Kolonialisierten in Sprechakten sich selbst definieren und damit diskursiv aus ihrem Objektstatus heraustreten. „Den Kanaken schiebt man Sitten und Riten zu wie einen Schwarzen Peter. Von außen betrachtet kommen sie nur als amorphe Masse von Lumpenproletariern vor [...] die Kanaken suchen keine kulturelle Verankerung. Sie möchten sich weder im Supermarkt der Identitäten bedienen, noch in einer Herde von Heimatvertriebenen aufgehen. Sie haben eine innere Prägung und ganz klare Vorstellung von Selbstbestimmung.“ (Zaimoğlu 1995: 12)
Widerstand wird nicht erst dann praktiziert, wenn explizit Gegenmodelle vertreten werden. Je nach dem wie die gesellschaftlichen Kräftekonstellationen aussehen, welche strategischen Optionen wirkungsvoll erscheinen und welche kulturellen Praktiken zur Verfügung stehen, können Kolonialisierte sich auch tarnen und die koloniale Anrufung durch Praktiken der Selbstbenennung umkehren. Solche hybriden identitätspolitischen Interventionen reflektieren und überschreiten zugleich die kolonialen Einschreibungen in Geschichte und Gegenwart. Die asia-
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tisch-britische Sozialanthropologin Pnina Werbner bezeichnet solche Praktiken als „intentional hybridity, as an aesthetic [which] is inherently political, a clash of languages which questions an existing social order“ (Werbner 2001: 137). Auf Eindeutigkeit basierende rassistische Identitätsmodelle können durch verwirrende Störungen, Bedeutungsverschiebungen und Überschreibungen in Zweifel gezogen, evtl. sogar dekolonialisiert werden. Indem diese subalternen Subjekte die Mittel ihrer Unterdrückung und Abwertung der kolonialen Autorität entwenden, verwandeln sich diese herrschaftlichen Zeichen europäischer Definitionsmacht in identitätspolitische Instrumente des Selbst-Empowerments. Aus dienenden werden revoltierende Subjekte. Das ist zumindest eine theoretische Perspektive im postkolonialen Diskurs.
Kanakische Kulturindustrie: Zwischen Anpassung und Vereinnahmung sowie Konsum und Merchandising In der bundesrepublikanischen Realität ist die anti-rassistische Sozialrevolte bisher ausgeblieben. Dafür hat „Kanak Sprak“ unintendiert zum Ausbruch der Kanak Chic-Mode beigetragen (vgl. Steyerl 2001), dass kulturindustriell eingehegt und ausgeschlachtet wurde. Nach anfänglicher Skepsis auf beiden Seiten hat sich Feridun Zaimoğlu bei seinem Marsch durch die bürgerlichen Kulturinstitutionen inzwischen auch in der elitären deutschen Hochkultur etabliert. Gemessen an seinen eigenen früheren Kriterien ist er möglicherweise zu einem sozial befriedeten Schriftsteller geworden, der nach seinem Coming-Out in Rahmen der Essayreihe „Schwarz – Rot – Gold“ sich seiner „Liebe zu Deutschland nicht mehr schämt“ (Zaimoğlu 2006) und sich manchmal als gelehriger Schüler zeigt. So geläutert, konsultierte ihn der Deutschlandfunk gern erneut zur Frage „Denk ich an Deutschland“38. Zaimoğlus im Sinne der heutigen Integrationskurse (vgl. Ha/Schmitz 2006) höchst vorbildliche Antwort lautete übrigens: klassische Musik von Mozart (Deutschlandfunk, 24.2.2008). Vor einem Jahrzehnt hätte er vermutlich noch an Solingen und Mölln, wahrscheinlich auch an Hoyerswerda und RostockLichtenhagen gedacht.
38 Der Deutschlandfunk versuchte mit dieser Reihe den national(kritisch)en Diskurs in Heinrich Heines Ausspruch „Denk ich an Deutschland in der Nacht, werd ich um den Schlaf gebracht“ im Lichte des heiteren und vermeintlich von historischen Altlasten befreiten Nationalgefühls für eine Neuauslegung anzueignen. Als Aufhänger für die angestrebte „Normalisierung“ des deutschen Patriotismus dienten selektive Erinnerungen etwa an die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in der BRD, die als kollektives Fest der Nationen beschworen wurde.
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Sein künstlerischer Werdegang sowie gesellschaftlicher Aufstieg lässt sich sicherlich als gelungene Integration lesen. Als Autor, der durch die „Kanaken“-Stories bekannt wurde, personalisiert er für Deutsche wie Migrant/-innen die Mainstream-Utopie zur Integration des „Kanaken“. Er symbolisiert und schreibt auf diese Weise die anerkannte Seite des wahr gewordenen kanakischen Traums mit seiner eigenen intellektuellen Biografie fort. Das Buchcover von „Kopf und Kragen. Kanak-KulturKompendium“ (2001) zeigte noch eine andere, eher populärkulturelle Version kanakischer Glücksvorstellung: ein neureicher „Kanakgangsta“ in schwarzen Nadelstreifen, der mit seinen goldenen Accessoires eher einem wandelnden Juwelierladen ähnelte und dem Comic-Heft oder einem schlechten HipHop-Musikvideo entstammt. Zaimoğlu hat sich vom kanakischen Outsider zum ernstzunehmenden Insider der deutschen Gesellschaft gewandelt, der die großen deutschen Theater mit seinen Stücken bespielt, ab und an die Feuilletons der großen deutschen Tageszeitungen mit seiner Stimme bereichert und fast jedes Jahr uns mit neuen Werken mehr oder weniger beglückt. Diese Vorgänge sind so normal, dass man sich fragt, warum es eigentlich so lange dauerte, bis solche Lebensläufe und Zugänge möglich wurden, und warum Zaimoğlu in mehrerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung im Kulturbetrieb darstellt. Zur neuen deutschen Realität gerade im Kultur- und Medienbetrieb zählt immer noch die Tatsache, dass vielen Menschen mit migrantischem Hintergrund trotz ihres unbestreitbaren Talents und harter Arbeit der Durchbruch bisher versperrt geblieben ist. Zaimoğlus Arbeiten heizten wesentlich den Hype um den „Kanaken“ als aufsehenerregende Popfigur an. Bei der kulturindustriellen Übersetzung wurde darauf geachtet, dass diese Figur als kulturelle Projektions- und Identifikationsfläche von Weißen Deutschen leicht konsumiert werden konnte. Um die Imagekontrolle zu sichern, wurde die kanakische Coolness gebrochen inszeniert: Sie drohte immer ins Peinliche abzustürzen und ermöglichte in dieser nicht zu bedrohlichen Ambivalenz sowohl Begehren als auch Überlegenheitsgefühle. Einige Jahre lang konnte diese Produktidee eine erstaunliche Serie an kulturindustriellen Erzeugnissen hervorbringen. Zu den bekanntesten Vertretern des inzwischen wieder abgeebbten Interesses am Ethno-Comedy-Genre zählten das getürkte deutsch-deutsche Duo „Erkan & Stefan“, die einige Kinofilme, CDs und eine eigene Fernsehserie vertrieben. Das Interesse an dieser Modeerscheinung war so gewaltig, dass sogar mehrbändige Sprachkurse und Lifestyle-Ratgeber von Michael Freidank (2001) in
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großer Auflage hastig auf den Markt geworfen wurden.39 Das Bedürfnis der Nicht-Eingeweihten, die tatsächlichen oder vermeintlichen kanakischen Codes zu erforschen, zu kopieren oder sich darüber lustig zu machen, bediente das kontextsensible Interesse der „Nicht-Kanaken“ nach Zugehörigkeit wie auch nach Abgrenzung. Kollege Kaya Yanar war mit seiner so genannten Kult-Serie „Was guckst Du?“ sicherlich nicht weniger erfolgreich. Angesichts des anhaltenden Erfolgs wurden mehrere Staffeln produziert, die mehrfach vom Privatsender Sat.1 ausgestrahlt wurden. Auch er wurde auf allen multimedialen Verkaufskanälen inklusive ausgedehnter Promotiontours vermarktet. Im Unterschied zu „Erkan & Stefan“, die sich als Proll- und Kleinganoven-„Kanaken“ gaben, präsentierte sich Yanar als Verwandlungskünstler. Zunächst füllte er hauptsächlich deutsch-türkische Klischeerollen vom Türsteher- und DealerKanaksta bis hin zum Gemüsehändler und Pascha aus. Mit der Zeit parodierte er auch unterschiedliche türkische, arabische, italienische, indische, lateinamerikanische, osteuropäische und auch deutschdeutsche Stereotypen mit und ohne Migrationshintergrund. Charakteristisch für diese Sendungen war, dass sie von deutschen Firmen primär aus einem kommerziellen Interesse hergestellt wurden, um in erster Linie ein mehrheitsdeutsches Massenpublikum zu unterhalten. Dies spiegelte sich auch in der kulturellen Zusammensetzung des Saalpublikums wieder. Obwohl die Sendung als Kaya Yanars One-ManShow präsentiert wurde, führte er als Schauspieler in der Regel nur die Gag- und Storyideen eines mehrheitsdeutschen Drehbuchteams aus. Die Sendung beruhte auf dem vermeintlich egalitären Motto, dass jede der dort vertretenen Gruppen über ihren Repräsentanten unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Machtposition zur Witzfigur erklärt und alle angeblich gleichermaßen verspottet würden. Auf dem Wege der negati39 Dem ersten Büchlein „Kanakisch – Deutsch. Dem krassesten Sprakbuch ubernhaupt“ folgte im selben Jahr ein „Grund- und Aufbauwortschatz Kanakisch“. Die Cover beider Bücher sind in unterschiedlichen Variationen jeweils in den deutschen Nationalfarben schwarz-rot-gold gehalten. Sie waren zwar ähnlich aufgebaut, aber unterschieden sich in ihrer Aussagekraft durch ihre Abbildungen. In ersten Fall wurde der Leser, der von oben herab auf einen freundlichen, fast schon dienerhaft lächelnden, „orientalisch“ aussehenden jungen Mann schaute, von diesem wie ein Insider mit einem kumpelhaften „Alder, was geht?“ in Form einer comichaften Sprechblase begrüßt. Das zweite Cover zeigt einen aggressiv wirkenden blonden jungen Mann in Frontalansicht, der mit dem konfrontativen „Kanaken“-Spruch „Was guckstu? Bin isch Kino, oder was?!“ und zusammengekniffenen Augen vor (s)einer BMW Limousine steht. Die Aneignung kanakischer Codes wurde der Weißen männlichen Zielgruppe offensichtlich als straßenerprobte Möglichkeit zur Machterweiterung und Selbstaufwertung durch Respektgewinn und maskulines Drohpotential verkauft.
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ven Gleichbehandlung und Stereotypisierung sollte vermieden werden, dass eine Gruppe tatsächlich diskriminiert wird. Ob dieser Vorsatz tatsächlich umgesetzt wurde, ist angesichts der großen Überzahl von deutsch-türkischen Charakteren in Kaya Yanars Figurenkabinett eher zweifelhaft. Unabhängig von dieser Frage ist jedoch zu betonen, dass eine Arbeitsweise, die machtblind agiert und sich an den Interessen der dominanten Gruppe orientiert, keine aufklärenden oder gar emanzipativen Effekte hervorbringen kann. Statt eines befreienden Auflachens bei den Marginalisierten besteht die Gefahr, dass gesellschaftliche Randgruppen hier ebenso wie in den nachmittäglichen Talkshows lediglich als abweichende Existenzformen, als Minderbemittelte, TestosteronGeschädigte oder Freaks zur Erheiterung der Weißen Normalgesellschaft vorgeführt werden (vgl. Schorb 2003: 15-33). Kaya Yanar hat sich auch eindeutig positioniert: „Mein Comedy-Programm ist eine Danksagung an die Deutschen“40. Um die scheinbare Legitimität ihres Produkts zu steigern und die vermeintliche Akzeptanz hervorzuheben, haben die Programmverantwortlichen missrepräsentative Manipulationstechniken entwickelt. Bei Kaya Yanar schwenkt die Bildregie nach fast jeder eingespielten Humorvorlage in Form einer vorproduzierten Videoepisode bei der Kamerafahrt durch das klatschende Publikum zielsicher auf einige der wenigen nicht-deutsch aussehenden Studiogäste, die dann optisch in Großaufnahme serviert werden. Die Inszenierung suggeriert zum einen, dass der Sketch nicht nur legitim, sondern auch qualitativ gut sei. Zum anderen werden People of Color auf diese Weise als Animateure des mehrheitsdeutschen Publikums eingesetzt. Es kann nun mit gutem Gewissen in dieser vermeintlich völkerverbindenden Show ethnisierte Minderheiten ungehemmt (aus-)lachen. Trotz eines allgemeinen kulturwissenschaftlichen Interesses an der Repräsentation von Migrant/-innen im deutschen Fernsehen habe ich diese Show irgendwann nicht länger ertragen und leichten Herzens den Fernseher ausgeschaltet.
Anti-rassistische Popkultur und Politik Dass Satire mit dem „Kanaken“-Label durchaus unterhaltsam und gesellschaftskritisch sein kann, zeigte Osman Engin in seinem Roman „Kanaken-Gandhi“ (1998) und in der Kurzgeschichtensammlung „Oberkanakengeil. Deutsche Geschichten“ (2001) im linken Espresso-Verlag. Letzteres erzählt in selbst-ironischer und quasi-autobiographischer Ma-
40 Kaya Yanar im Interview mit SPIEGEL-ONLINE vom 22.03.2008, http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,542524,00.html, 12.2.2009.
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nier unglaubliche Verwicklungen aus dem turbulenten deutsch-türkischen Alltags- und Familienleben seines gleichnamigen Alter Ego. Im Unterschied zum Autor, der Sozialpädagogik studierte und seither als Journalist tätig ist, arbeitet unser Ich-Erzähler im Buch als Malocher, der in der Halle 4 unter der Oberaufsicht des Meisters Viehtreiber steht. Die Geschichten lassen kaum ein Thema aus und drehen sich um Familienfeste, Türkei-Familienurlaub, nationale Grenzen, Übersetzungsprobleme, Brautschauen, Einschulung, den Ford Transit, Fußball, Essen, homosexuelles Coming-Out, Medienkonsum, Politik, Einbürgerung und immer wieder rassistische Gewalt. Engin ist ein mitfühlender Meister der Übertreibung, der seine sympathischen Protagonisten liebevoll in ihrer Menschlichkeit mit allen individuellen Schwächen und Stärken zeichnet. Sie werden im Unterschied zu Kaya Yanar nicht als Zielscheiben dem billigen Spott des Publikums ausgeliefert, das sich durch die Abwertung des Anderen bestätigt und erhaben fühlen kann. In „Kanaken-Gandhi“ bildet die von seinem Sohn Mehmet, dem „ewigen Studenten und Betonkommunisten“, eingefädelte Identitätsverwechslung eines indischen Asylsuchenden mit dem Alter Ego des Autors den Ausgangspunkt einer torturreichen Odyssee durch deutsche Krankenhäuser, Ausländerämter und andere Verwahrungsanstalten. Am Ende wird Osman Engin gemeinsam mit seinem indischen Doppelgänger – der deutschen Bürokratenlogik nach – sicherheitshalber nach Indien abgeschoben. Obwohl die Figuren bei Osman Engin holzschnittartig wirken und der Roman stilistisch konventionell ausfällt, gelingt es dem Autor in seinen Erzählungen, durch überraschende Einfälle die Absurdität des Rassismus in seiner individuellen wie staatlichen Ausprägung aufzuzeigen. Diese Geschichte hinterfragt zudem gängige Vorstellungen einer nationalstaatlich oder völkisch festgelegten kulturellen Identität des Individuums. Sie zeigt stattdessen transkulturelle und alltagsweltliche Möglichkeiten der Solidarisierung zwischen Migrant/ -innen, Flüchtlingen und People of Color auf. Damit nähert sich der Roman einer Perspektive, in der alltagsweltliche Erfahrungen und Identitätskonstruktionen durch Prozesse der kulturellen Hybridisierung und Vermischung in einer globalisierten Welt, aber ebenso durch soziale Hierarchisierung und komplexe Geschlechterverhältnisse geprägt werden. Explizit politisch wurde die Leitidee der Kanakisierung Ende der 1990er Jahre vom anti-rassistischen Netzwerk „Kanak Attak“ aufgegriffen, dem anfänglich auch Zaimoğlu angehörte. Im Unterschied zu Zaimoğlus „Kanak-Büchern“ definierte sich Kanak Attak in seinem 1999 publizierten Manifest als offene Plattform „über die Grenzen zugeschriebener, quasi mit in die Wiege gelegter ‚Identitäten‘ hinweg“, die
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„nicht nach dem Pass oder der Herkunft“ fragt. Trotz einiger Abgänge und der Aufgabe des anfänglich anvisierten Ziels, eine umfassende soziale Bewegung zu initiieren und anzuführen, konnte Kanak Attak durch wirkungsvoll platzierte theoretische Inputs wie politische Interventionen etwa zur Archäologie der „Kämpfe der Migration“ oder zur „Autonomie der Migration“ eine bundesweit herausgehobene Stellung im Bereich des aktivistischen Anti-Rassismus erlangen. Da dieses Feld allenfalls stagniert, wenn sich nicht eher regressiv entwickelt, hat Kanak Attak seit geraumer Zeit vor allem die Funktion eines Think Tanks übernommen. Allerdings versucht Kanak Attak etwa im Rahmen der Mitarbeit an der „Gesellschaft für Legalisierung“ sich auf der Ebene der Bündnispolitik mit anderen Kräften zu bewegen. Darüber hinaus konnte sich Kanak Attak wirkungsvoll durch eine Reihe von popkulturellen Events wie dem Release der Rap-Single „Dieser Song gehört uns“41 oder der „Kanak History Revue“ (2001) in der Berliner Volksbühne in Szene setzen. Trotz einiger Versuche sozial marginalisierte Migrantenjugendliche durch Veranstaltungen in lokalen Kiezläden anzusprechen, erwies sich der Spagat zwischen einer akademisch-theoretisch orientierten Diskurspolitik und dem auch nicht voraussetzungslosen popkulturellen Zugang als nicht ausreichend, um die sozio-kulturelle Basis innerhalb des Netzwerks zu verbreitern und sich für marginalisierte Jugendliche ohne universitären Hintergrund zu öffnen. Da das Netzwerk nicht zuletzt durch seinen linken anti-rassistischen Stallgeruch innerhalb des institutionellen Mainstreams marginalisiert ist und nicht über eigene materielle Mittel verfügt, sucht ein Teil der Gründergeneration – mitbedingt durch ihre berufliche und akademische Professionalisierung – gegenwärtig einen abgesicherten universitären Anschluss. Infolge der internen Umstrukturierung hört man seit einiger Zeit von Kanak Attak ungewöhnlich wenig. Es bleibt zu hoffen, dass der Generationswechsel bei Kanak Attak gelingt und die erste Generation sich mit der Zeit wieder stärker einbringt. Fazit: Ob der „Kanake“ als anti-rassistische Allegorie wirken kann, hängt vor allem von seinem Innovationsgehalt, dem Rezeptionskontext und den dabei wirksamen Strukturen, von den gesellschaftlichen Subjektpositionen in der Zielgruppe und nicht zuletzt von den Produktionsbedingungen ab. Die Chancen zur politischen Entfaltung der destabilisierenden Momente dieser vieldeutigen Metapher stehen im subkulturellen Bereich am besten, weil er am wenigsten durch dominante
41 Vgl. Güngör/Loh 2002: 19-40 für eine ausführlichere Diskussion über die politische und diskursive Verwendung des Begriffs „Kanake“ und seiner Derivate im migrantischen HipHop und im Netzwerk Kanak Attak.
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Instanzen kontrolliert wird. Demgegenüber sind die Vereinnahmungsund Verwertungsinteressen sowie die Absorptions- und Selektionsmechanismen in der Hochkultur und in der Kulturindustrie so stark ausgeprägt, dass eine subversive Wirkung kaum zu erwarten ist. Die Halbwertzeit der kanakischen Provokation in einer nahezu schockresistenten Gesellschaft, in der jeder ideelle Protest sich scheinbar totläuft, ist knapp bemessen. Der „Kanake“ wurde längst kurz und schmerzlos „abserviert“. Obwohl die fundamentalen Machtverhältnisse ungleich verteilt sind, bleibt das Rennen um eine alternative Zukunft weiterhin grundsätzlich offen. „An diesem imperialen Nicht-Ort, im hybriden Raum, den der Konstitutionsprozess geschaffen hat, sind die Bewegungen der Subjekte immer schon präsent, kontinuierlich und ununterdrückbar“ (Hardt/Negri 2002: 329).
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Postcolonial Studies Julia Reuter, Paula-Irene Villa (Hg.) Postkoloniale Soziologie Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Intervention 2009, 338 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-89942-906-0
Markus Schmitz Kulturkritik ohne Zentrum Edward W. Said und die Kontrapunkte kritischer Dekolonisation 2008, 434 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-89942-975-6
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