Ueber die Anlegung und Einrichtung von Irren-Heilanstalten mit ausführlicher Darstellung der Irren-Heilanstalt zu Siegburg [Reprint 2020 ed.] 9783111687469, 9783111300139


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Ueber die Anlegung und Einrichtung von Irren-Heilanstalten mit ausführlicher Darstellung der Irren-Heilanstalt zu Siegburg [Reprint 2020 ed.]
 9783111687469, 9783111300139

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Ueber die

Anlegung und Einrichtung von

Irren-Heilanstalten mit ausführlicher

Darstellung der Irren-Heilanstalt

zu Siegburg von

Dr. Maximilian Jacobi.

Mit 15 lithographirten Tafeln. —iagoim

ii

Berlin. Verlag von G. 1 8 3 4.

Reimer.

Seiner Excellenz Herrn Freyherr»

Stein von Altenstein, Königlich-Preußischem wirklichem geheimen Staats- und Minister der geistlichen-, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten, Ritter des rothen Adler-Ordens erster Classe u. s. w. u. s. w.

untertbä rngst gewidmet

vom Verfasser

Hoch- und Hochwohlgeborner Herr Freyherr,

Hochgebietender Herr Staatömimfter!

(Jiv. Excellenz persönlichem gnädigen Vertrauen ver? dankte ich vor vierzehn Jahren die huldreiche Gewährung

meiner Bitte um die Versetzung in eine Thätigkeitssphäre,

in der ich mich überzeugt hielt meine Lebensbestimmung erfüllt zu sehen. Hochdiesclben geruhten mich mit der Einrichtung der für die Rheinprovinzen zu errichtenden

Jrrenheilanstalt zu beauftragen, und mir sodann die Lei­ tung derselben anzuvertrauen. Nur der dem das gleiche Loos geworden, sich durch

die edelste, in das Innere des Lebensganges eindringen­

de Theilnahme eines durch feine Verhältnisse hoch über ihn gestellten Mannes, auf einmal, nach langem und

mühevollem Ringen, an das Ziel seines Strebens ge­ stellt zu sehen, wird ganz die Empfindungen würdigen können, von denen ich gegen Ew. Excellenz durchdrungen

blieb.

Meinen Dank und meine Verehrung auch öffent­

lich gegen- Hochdieselben aussprechen zu dürfen, war mein längst gehegter Wunsch, und so schien sich mir der würdigste Anlaß dazu darzubieten, als Ew. Excellenz mir gnädigst vergönnten Ihnen, dem Gründer der Sieg­ burger Heilanstalt, die von mir verfaßte Beschreibung

ihrer Einrichtung zu widmen, die ich Hochdenselben hier mit der Bitte um eine nachsichtsvolle und huldreiche Auf­

nahme gehorsamst überreiche.

Ew. Excellenz

unterthänigster

@d)oit feit langer Zeit fand ich mich von vielen Seiten

her aufgefordert, eine genaue Beschreibung von der Einrich« tung der hiesigen Jrrenheilanstalt heranszugeben.

Indem ich

mich aber auschicken wollte dieser Aufforderung zu entsprechen,

erkannte ich bald daß ich, um den billigen Erwartungen von

einer solchen Schrift und mir selbst zn genügen, meinem Un­

ternehmen eine weit größere Ausdehnung geben müßte, als ein einfacher Bericht über das hier Bestehende bedingte.

Denn

nothwendig mußten die Motive, welche bey der angenommenen

Einrichtung der hiesigen Anstalt als die leitenden angesehen werden dürfen, näher entwickelt und gerechtfertigt, es mußte

das was anderwärts in dieser Gattung Ausgezeichnetes oder Gepriesenes besteht, wenigstens in den wichtigsten Beziehungen

dagegen gehalten werddn, und endlich mußte das eine wie das andere nach dem Ergebniß einer fünfzehnjährigen ernstlichen

Beschäftigung mit diesem Gegenstände und neunjährige Lei­ tung der nach meinen Anträgen eingerichteten Anstalt geprüft und geschätzt werden.



Da ferner die bey der Einrichtung

VIII der hiesigen Anstalt zum Grunde liegenden Ideen,- in Bezug auf die Lokalitäten nur mit wesentlichen Einschränkungen rea-

lisirt werden konnten, weil die Anstalt nicht in einer dafür ge­

wählten Lage neuerbaut werden durfte, sondern schon vorhan­ dene sehr eigenthümlich gelegene Gebäude für das zu gründende

Institut benutzt werden mußten, so daß von jenen leitenden

Ideen im Grunde nur dasjenige in einer gewissen Reinheit zur Ausführung kam, was zu den Lokalitätsverhältnissen in

keiner nothwendigen Beziehung stand, so wurden auch hierdurch mannigfaltige Auseinandersetzungen nothwendig.

Indem ich nun den sich mir darbietenden Stoff genauer inS

Auge faßte, schien es mir am rathsamsten, die Schrift in zwey

Hauptabschnitte zu theilen, und in dem ersten zuvörderst die Ideen zu entwickeln welche bey der Gründung der Siegburger

Anstalt obwalteten und solche zugleich durch die Vorlegung des Planes einer Anstalt welche mit neuerrichteten Gebäuden auf einem gewählten Terrain nach diesen Grundsätzen einge­

richtet wäre, anschaulicher zu machen; in dem zweyten Ab­ schnitte aber die Beschreibung der hiesigen Anstalt mit dem ganzen Detail aller besonderen Vorschriften für die Verpfle­

gung und Behandlung der Kranken, für die Leistungen der Beamten und die ganze Verwaltung deS Instituts, folgen zu lassen.

Aus diesem Plane ergicbt sich von selbst- daß der Haupt­

gegenstand der vorliegenden Schrift die Darstellung der Sieg­ burger Heilanstalt ist, und daß

sämmtliche Erörterungen,

die sich in derselben auf die Einrichtung von Irrenanstalten

im Allgemeinen beziehen, zunächst nur in der Absicht einge-

lcitct worden sind, um die in diesem besondern Falle befolg­ ten Grundsätze in ein heller^ Licht zu stellen und zu rechtfer­

tigen, sy daß alles, was sich über dieses hinausgebend an jene

IX Erörterungen angeschlossen hat, als gelegentliche Zugabe be­ trachtet werden muß ; — eine Erklärung, welche ich den Le­

ser bitten muß bey der Beurtheilung dieses Buches stets im

Auge

zu behalten.

Denn hätte ich ein allgemeines, umfas­

sendes Werk über die Einrichtung von Irrenanstalten geben

wollen, so hätte dieses eine noch weit mehr ins Einzelne gehen­

de und durchaus erschöpfende Berücksichtigung

alles

bisher

für diesen Zweck Geleisteten und aller darauf Bezug habenden

Verhandlungen erfordert, wie sie zu meinem jetzigen Zweck nicht gehörte, wonach diese Arbeit sich hauptsächlich nur mit der

Darlegung meiner Ansichten darüber befassen sollte, wie sich

den Forderungen an eine gute Jrrenheilanstalt genügen ließe und in dem gegebenen Falle bey der Einrichtung der Siegburger Heilanstalt, so weit es die Umstände erlaubten, zu genügen versucht worden ist, wobey die Frage: in wie weit eine solche

Aufgabe auch nach von dm meinigen abweichenden Ansichten über das Wesen des Jrreseyns und bey andern äußern Ver­ hältnissen lösen lassen möchte, nur als Nebensache behandelt,

auch manche Gegenstände von geringerem Belange oder solche

die

als

indifferent betrachtet

werden konnten, übergangen

oder doch nur kurz berührt werden durften. Indessen bleibt ein solches größeres umfassendes Werk,

welches es sich zur Aufgabe stellt, die mannigfaltigen Ansich­

ten, der kundigsten Männer über die Erfordernisse zur Ein­

richtung von Irrenanstalten und die Mittel und Weisen die bisher angewendet oder vorgeschlagen worden sind diesen Er, sordernissen in einem umfassenden Sinne zu genügen, einer

gründlichen Kritik zu unterwerfen und mit sicherer Hand das Zweckmäßige und Bewährte hervorzuheben und lichtvoll zusam­

men zp ordnen, ein sehr fühlbares und immer noch nicht be­

friedigtes Bedürfniß. Denn wenn auch Rollers sehr werth-

X volle Schrift: die Irrenanstalt in allen ihren Be­

ziehungen,— die einzige mir bekannte die hier genannt wer­ den kann, — dankbare Anerkennung verdient, so wird man sie

doch immer gern nur als eine Vorläuferin» mehrgewahrender

Leistungen ansehen mögen, wie wir sie von dem Herrn Ver­

fasser, nach der Sammlung reicherer Materialien und bey ei­ ner mehr gereiften Erfahrung, zu erwarten berechtigt sind. Möge die gegenwärtige Schrift bis dahin, als die Herausgabe

eines solchen größeren Werkes erleichternd und überhaupt den

in ihr behandelten wichtigen Gegenstand fördernd, betrachtet

werden dürfen, zumal aber das Streben derselben Eingang finden, die Einrichtung der Irrenanstalten auf einfachere Grund­

sätze zurückzuführen, das was solchen Instituten auszeichuend angehört in ein helleres Licht zu setzen und solchergestalt den Charakter den dieselben in der Reihe der übrigen Kranken­

anstalten behaupten sollen, fest zu stellen.

Inhalt.

Seite

Erster Abschnitt. 1. Kap-

Ueber die Frage yb öffentliche Irrenheilanstalten über­

haupt nothwendig sind, oder ob die Behandlung in den Prü vatwohnungen oder in Privatinstituten den Vorzug verdienen, wobey die Nothwendigkeit und Vorzüglichkeit öffentlicher An­

stalten böhauptet wird................................................................3 2. Kap.

Leitende Grundsätze, die bey der Einrichtung öffentlicher

Irrenheilanstalten zu befolgen sind. Was ihren Unterschied von andern Krankenanstalten bezeichnet. Nothwendigkeit der Fernhaltung fremdartiger und störender Elemente hinsichtlich der denselben zu übergebenden Individuen. Wie die unheilbar an Irreseyn leidenden Kranken in dieser Beziehung zu be­ trachten sind und welche Kranke man als zu dieser Kathegorie gehörend anzusehen hat. Ueber die Größe solcher Institute in Bezug auf die Zahl der auszunehmenden Kranken. Ob solche Anstalten Kranken aus beiden Geschlechtern gemein­ schaftlich bestimmt werden dürfen................................................ 3. Kap. Welche Rücksichten man bey der Wahl der Lage von

Irrenanstalten zu nehmen habe. Ueber die denselben zu ge­ bende Gestalt. Vortheile und Nachtheile gewisser Hauptfor­ men für die Gebäude und die dazu gehörigen Räume, wie sie sich tn mehreren neü errichteten Anstalten darbieten.

1.

Eine Zusammensetzung mehrerer Quadrate; die Irrenanstalt zu Rouen. 2. Die H Form; die Anstalt zu Wakefield. 3. Die Lrenienform: das neue Bedlam zu London; die Anstalt Sachsenberg bey Schwerin.

4- Die Sternform: die Irren-

15

XII Seite anstatt zu Glasgow.

5. Andere Formen.

statt zu Vanves bey Paris.

Die Privatan­

Die Anstalt zu Hanwell bey

London. . ................................................................. 27 4. Kap. Hauptbestimmungen, welche man bey der innern Ein­

richtung und Raumelntheilung von Irrenanstalten,

welche

Form man auch wählen mag, zu berücksichtigen hat. — Ueber die angemessenste Classification der Kranken und welche Ab­ theilungen in baulicher Hinsicht hienach nöthig werden. Ob eine besondere Abtheilung für Reconvalescenten nothwendig oder zweckmäßig sey ? wovon das Gegentheil behauptet wird. 5. Kap. Beschreibung einer mit Beobachtung der aufgestellten

47

Grundsätze eingerichteten Anstalt, von mehreren Quadraten,,

nach ihren einzelnen Theilen-

Beschreibung der Lokalitäten,

welche den drey untern Krankenabtheilungen bestimmt sind. Erörterung über die zweckmäßigste Fensterveripahrung in dem

selben. ................................................................................... 6 Kap. Beschreibung der vierten Abtheilung. Fensterverwah­

rung.

Thürschlösser.

Ueber die Färbung der Zimmer. Zim-

mergeräthe; eiserne Bettstellen. 7. Kap.

61

......

Beschreibung der fünften Abtheilung.

81

Vorschläge zur

Fensterverwahrung. Ueber den Bau der Treppen. Einrich­ tung der gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafzimmer für tue untern Stände. Einwendungen gegen die Zulässigkeit größe­ rer Schlafsäle beseitigt. Pensionairö.

Einrichtung

den neuen franz Anstalten. Gärten. liche Leibesübungen.

8. Kap.

der Zimmer für die

Hofräume; über die Einrichtung derselben in Keller.

Halle für gemeinschaft­

...... 93

Beschreibung deS der Verwaltung gewidmeten Gebäu­

des. Das Waschhaus. Die Badeanstalt. Schluß des innern Bezirks der Anstalt.. Oekynomiegebäude. Wohnung des Di­ rektors. Die zur Anstalt gehörigen Ländereyen; ihre Be,

Nutzung.................................................................................................. 11,6 9. Kap. Vorrichtungen zur Heitzung uUd Beleuchtung. Ein­ richtungen zur Erhaltung der Reinlichkeit, Wasserbedarf, Am tage der Abtritte; water Closets. Sicherheitsvorkehrungen. . 133 10. Kap. Bedarf an Utensilien. Bettfurnituren, Bekleidungs­ gegenstände, Eßgeschirr.......................................................................149

XIII Sette 11. Ka p. Einrichtungen und Apparate und Mittel aller Art die zur ärztlichen Behandlung der Kranken dienen. . . . 161 12. Kap. Aerztliche Mittel im engeren Sinne. — BeschränkungS- und Nöthigungsapparate, welche Sicherheit, Reinlich­ keit und Folgsamkeit bezwecken................................................. 176 13. Kap. Beköstigung der Kranken. Allgemeine Grundsätze. Ueber Verpachtung derselben. ........................................... 190 14. Ka p. Bestimmungen hinsichtlich der aufzunehmenden Kranken. Aerztliches Wirken. Einfluß der Geistlichen. Ueber den Wär­ terdienst. Hausordnung. Haus- und Oekonomieverwaltung. Rechnungswesen. Oberste Verwaltungsbehörde. . » . 195

Zweyter Abschnitt. 1 Kap. Gründung der Irrenanstalt zu Siegburg. Ihre Lage. Die vorgefundenen Gebäude und die damit vereinigten Grundstücke............................................... 213 2 Kap. Beschreibung der vier unteren Abtheilungen • • 220 3. Kap. Beschreibung der fünften Abtheilung ... 230 4. Kap. Lokale die eine gemeinschaftliche Bestimmung für sämmt­ liche Kranke haben........................................................ 246 5. Ka p. Wohnungen der Beamten; die zur Verwaltung und Oekonomie gehörigen Lokale................................................... 252 6. Kap. Ueber das Inventar der Heilanstalt an Utensilien . 269 7. Kap. Personalverpflegung. Beköstigung des Hausstandes. Kostenberechnung. Vorschriften für Beamte und Dienstleute. 292 8. Kap. Verpflegung in Bezug auf Bettung, Heitzung, Erleuch­ tung, Reinlichkeit. . . . . . . 303 9. Aerztliche Verpflegung. Nähere Bestimmungen über die Auf­ nahme der Kranken. Fragebogen ...... 305 10. Kap. Aerztliche Verpflegung. Fortsetzung . . . . 324 11. Kap. Aerztliche Verpflegung. Fortsetzung. Wartung und Beaufsichtigung der Kranken................................................... 335 12. Kap. Arzneyverpflegung und verwandte Gegenstände . . 353 13. Kap. Seelsorge. Gottesdienst.......................................... 356 14. Kap. Hausverwaltung. Die Hausordnung .... 364 15. Kap. Hausverwaltung. Fortsetzung. Dienstanweisung für den Verwalter................................................ 379



XIV

— Seite

Kap. Dienstanweisung für den Oekonomen . . . 389 Kap. Kaffen« und Rechnungswesen...................................... 394 Kap. Direktion der Anstalt......................................... 440 Kap. Die obere Verwaltungsbehörde. 'Regulativ über die Leitung und Verwaltung der Anstalt.................................... 444 20. Kap. Tabellarische Uebersicht über die Aufnahmen, Entlassun­ gen u. s. w. von Kranken, während der ersten neun Jahre des Bestehens der Anstalt, nebst einigen vorläufigen Bemer­ kungen ........... 449 16. 17. 18. 19.

Erster Abschnitt.

E r st e s

Kapitel.

Ueber die Frage ob öffentliche Jrrenheilanstalten überhaupt nothwendig sind, oder ob die Behandlung in den Privatwohnungen oder in Privat­ instituten den Vorzug verdienen, wobey die Nothwendigkeit und Vor­ züglichkeit öffentlicher Anstalten behauptet wird.

Bevor ich, der ausgesprochenen Absicht gemäß, meine Ansichten über eine zweckmäßige Einrichtung von öffentlichen

Irren-Heilanstalten darlege, glaube ich die, auch schon von andern erörterte Frage berühren zu müssen: ob die ärztliche Behandlung von Irren in größer«, diesem Zweck ausschließ­ lich gewidmeten Anstalten überhaupt rathsam, oder ob etwa die mehr vereinzelte Behandlung solcher Kranken in Privat­ wohnungen oder in kleineren, nur für wenige Irren eingerich­

teten Privatinstltuten vorzuziehen sey? In so fern die gemeinschaftliche Behandlung von Irren und deren Zusammenleben in einer dafür eingerichteten grö-

ßcrn Krankenanstalt für die wenigsten derselben einen we­

sentlichen, dadurch allein erreichbaren Vortheil gewähren

dürfte, für die Mehrzahl hingegen eine Umgebung von Per­ sonen die sämmtlich des Dernunstgebrauchs fähig sind, unter übrigens gleich günstigen Verhältnissen, ohne Zweifel sehr

wünschcnswerth seyn würde, während zugleich die Berührung

mit andern Irren, wenigstens für einzelne dieser Kranken von manchen unangenehmen Eindrücken und Kränkungen des Ge­

fühls nicht frey seyn wird, so könnte man wohl nicht umhin, die gesonderte ärztliche Behandlung derselben in Privatwvh-

4 nungen als vorzüglicher anzuschcn, wenn nicht eine nähere

Betrachtung des Gegenstandes und zugleich die Erfahrung in Bezug auf die große Mehrzahl der Irren hierüber so sehr

entschieden ein Anderes lehrte. Erwägt man nämlich ernstlich und mit hinlänglicher Sach­ kunde, wie schwierig es ist, in einer Privatwohnung die man­ nigfaltigen Bedingungen

zu einer erfolgreichen Bcbandlung

von Irren: Sicherstellung, Absonderung, Aufsicht, Wartung, Beschränkung, Nöthigung, Kurmittcl aller Art, gehörigen ärztlichen Beistand u. s. w. zu vereinigen, so wird man sich bald überzeugen, wie selten das vorgesetzte Ziel hier erreicht

werden kann. Und so ergiebt es sich denn auch, dass diese Unglücklichen in Privathäusern und zumal in ihren eigenen Wohnungen , mit wenigen Ausnahmen, am schlimmsten auf­

gehoben sind.

Denn vielfältig ist der arme Irre gerade hier

den schrecklichsten Mißhandlungen und den peinigendsten Ent­ behrungen und Vernachlässigungen am meisten ausgesetzt, in­ dem die Umgebungen des Kranken, bey dem Mangel an den zweckmäßigen Mitteln und an dem erforderlichen Geschick ihn zu lenken und zu handhaben, so wie Nöthigung und Beschrän­

kung in dem erforderlichen Maaße, in dem günstigsten Augen­ blick und ans die gelindeste Weise zu bewerkstelligen, unter

dem Drange von schreckenden und Gefahr drohenden Umstän­ den , sich nur zu bald behufs ihrer eignen Sicherstellung Und einer hinreichenden Bändigung des Irren, zu den äußersten

Maaßregeln zu schreiten und dabey alle Menschlichkeit und Schonung bey Seite zu setzen, veranlaßt finden.

Fällen hingegen wird der Kranke

In aiidern

in solchen Verhältnissen

wiederum deshalb unheilbar und geht zu Grunde, weil man, um ihn nur ruhig zu halten, durchaus seinem unbändigen Willen, seiner Laune, seinen wahnsinnigen Ideen fröhnt, wäh­

rend der Irre nicht nur mit Ungestüm alle Ansprüche auf seine Hausgenossen geltend macht, die er als Gesunder besaß,

sonder» nun mit ganz regellosem und unbeschränktem Eifer

Alleö de.« Geboten seines Wahnes unterwürfig zu sehen 6c#

gehrt.

Daher stimmen denn auch alle bewährtesten Irren­

ärzte dahin überein, daß dergleichen Kranke am schwersten

und seltensten in ihren eigenen Wohnungen und unter tbrn

Ihrigen genesen, und daß ihre Jsolirung und ihre Entfernung a»S allen ihren gewohnten Verhältnissen fast immer die erste

und unerläßlichste Bedingung zu ihrer Wiederherstellung ist.

Noch ein wichtiger Umstand aber, der sich dem Gelin­

gen der Kuren von Irren

in den Privatwohuungen hin­

derlich erweist, ist dieser, daß bey weitem die meisten der hinzugernfcnen Aerzte, bey der Seltenheit des Vorkommens dieser Falle, eine solche Unsicherheit und Verlcgenheir in ihren, ganzen Verfahren beurkunden, die einen günstigen Er­ folg fast unmöglich macht, während man auch bey- solchen,

die cntschicdncr eingrrifen, selbst jetzt noch, wo doch die Lehre von den Seelenstärnngen und ihrer Behandlung auf allen ho#

hen Schulen regelmäßig vorgctragen wird, nur zu oft zu der Bemerkung Gelegenheit findet, wie sie-, nachdem eine gewisse Reihe von Mitteln vergeblich durchversucht worden, nicht mehr wissen, was sie mit dem Kranken, bey dem vielleicht 6—8—10 Monate und länger ein mit Erwägung aller Umstände ent­

worfener Heilplan stetig durchgeführt werden müßte, anfangen

sollen und ihn deshalb nach kurzer Frist ebenfalls lediglich der Anwendung äußerlicher Bcschränkungsmittel anheim ge­

be« und so gut es gehen mag von aller ferneren Berührung mit ihm loszukoinincn suchen.

Doch soll hiemkt nicht nur

nicht geläugnet werden, daß, auch abgesehen davon, daß gar manche Irre ohne alle ärztliche Hülfe- genesen, eine zweck­ mäßige und erfolgreiche Behandlung einiger Gattungen von

Jrreseyn, unter gewissen glücklichen Verhältnissen, ebenfalls in einer Privatwohnung statt finden kann, sondern überdies zu­

gegeben werden, daß manche harmlose, schwermüthige oder hypochondrische Irre in einem einfachen ländlichen Haushalte

und Familienkreise, unter der Leitung eines dazu geeigneten

6 Mannes, ihre Gesundheit leichter als irgend sonst m wieder erhalten, indem diese Verhältnisse selbst die passendsten Kur­

mittel für die einzelnen Falle dieser Art sind.

Vollkommen

zweckmäßig werden daher dergleichen Irre bey gebildeten Land­

wirthen und noch besser bey Landgcistlichen untergebracht, welche nebst Einsicht und Talent, Lust und Liebe für die Lei­

tung solcher Kranken besitzen und deren äußere Lage zugleich die Aufnahme und Beaufsichtigung von Unglücklichen dieser

Art begünstigt. Sehr aber würde man sich nach meiner Ueber­

zeugung gewiß täuschen, wenn man glaubte, daß die Zahl solcher Kranken, so wie die sich darbietenden Gelegenheiten sie zweckmäßig unterzubringen, von irgend einem Belang sey.

Denn nach meinem Urtheile wird die Zahl der Kranken, die

hier in Betracht kommen könnte, solcher nämlich, die noch als genesungsfähig anzusehen sind *), während sie sich zugleich für freyere Verhältnisse dieser Art eigenen und der unmittelbaren

fortgesetzten ärztlichen Einwirkung entbehren können, sich un­ ter Seclengestörten wie sie den Irrenhäusern zugcführt wer­

den , kaum auf vier oder fünf vom Hundert belaufen , die Zahl der Gelegenheiten aber, sie auf die hier in Frage ste­

hende Weise unterzubringen, sogar schwerlich noch dem da­ durch gegebenen Bedürfnisse entsprechen. Wenigstens wüßte ich unter der nicht geringen Anzahl trefflicher, einsichtsvoller,

talentreicher Geistlicher, die ich kenne, kaum ein Paar zu nen­ nen , bey denen sich für die Leitung solcher Kranken gleich das Geschick, die Muße und die Erfordernisse der äußern Lage in Bezug auf häusliche Einrichtung, Familien­

verhältnisse u. s. w. vereinigt fänden: ein Geständniß, welches bey genauer Prüfung, denke ich, auch andere Aerzte zu machen genöthigt seyn würden; so daß also hiernach eine

*) Do» ter Verpflegung von ursprünglich Blödsinnigen und andern Unheilbaren, kann hier nicht die Rede seyn.

7 zum Ganzen gar nicht in Betracht kommende Zahl von Irren auf die Weise wird behandelt werden können «nd man eS

immer noch als ein guteS Geschick wird anfehen dürfen, wenn sich jedesmal solche einzeln« Gelegenheiten für die sich bslfty eignenden wenigen Fälle darbieten.

Um aber nm so mehr

darauf aufmerksam zu machen, wie leicht man sich über der­ gleichen Verhältnisse täuscht, will ich noch Folgendes bemer­

ke«.

Man stellt sich unter andern gerne vor, daß schwermü-

thige oder

hypochondrische Kranke bey einem solchen länd­

lichen Aufenthalt, durch die Hinzuziehung zu den Feld - «nd Gartenarbeiten oft am ehesten genesen würden und täuscht

sich hierin auch nicht, indem es allerdings geschieht, daß ein Kranker dieser Art, sich in seinem stillen Asyle beruhigt und zufrieden fühlend, allmählig selbst an den ländlichen Arbeite«

Geschmack gewinnt, und mit liebevoller Einsicht angeleitet, in

diesen Beschäftigungen seine Wiedcrgenesung findet. Sind aber unter diesen Hypochondrischen und Schwermüthigen häufig solche, die sich zu dergleichen Beschäftigungen, wenn sie ihnen

nützlich erachtet werden, so leicht bestimmen lassen?

Grade

das Gegentheil findet statt, wie man es in den Irrenanstalten

nur zu oft zu sehen Gelegenheit hat, obgleich die Macht deS Beyspieles so vieler mitarbeitender Genossen, die Einwirkung erfahrner Wärter, das Gefühl der gänzlichen Abhängigkeit, die leichte Anwendung mancher indirekter Nöthigungsmittel, hier den Versuch so sehr unterstützen und ihn in der Regel

auch bald gelingen machen.

Wer soll aber in jenem freyen

Verhältnisse den widerspenstigen Kranken bestimmen?

Landwirth oder der Geistliche selbst?

Der

Wer soll ihn zu solchen

Arbeiten anleiten? Auch diese? Vielleicht versuchen sie es zwey oder drey Mal auf eine Stunde, aber schwerlich öfter.

Und wer übernimmt dann dieses Geschäft?

Der Hausknecht!

und wie, mit welchen Ueberredungs- und Jncitations-Mkttrln ausgerüstet?

Genug die Absicht wird in alle« schwie­

rigen Fällen gar nicht erreicht, oder der Irre bestellt das

8 Land unter Peitschenhieben, wie bey dem bekannten schottischen

Psychiater. Je entscheidender die bisherigen Betrachtungen für die

beinahe allgemeine Benutzung größerer, ausschließlich der Be­

handlung solcher Kranken bestimmter und mit allen Erfordere lu'sscn dafür ausgestatteter Anstalten auffordcrn, um so mehr ist eS zu beklagen, daß derselben noch immer so manche, we­ nig begründete und zum Theil ganz leere, Vorurtheile und Bedenken von Seiten der Angehörigen und selbst mitunter von Seiten der Aerzte entgegen stehen.

Die hauptsächlichsten

dieser Bedenken sind aber folgende: Erstlich fürchtet man für den Kranken die Eindrücke, die sein Verhältniß in der An­

stalt , wie er solches etwa empfinden könnte, seine Einsper­

rung, die Umgebung von andern Wahnsinnigen und alles waS die Freiheit Beschränkendes, Zwingendes, von der Behandlung in einem solchen Institute unzertrennlich ist, auf ihn zu ma­ che« im Stande seyen. Zweitens aber besorgt man, daß

bey seiner Wiedergenesung, der Ruf daß der Kranke in einer solchen Anstalt gewesen sey, seinen bürgerlichen Verhältnissen nachtheilig werden und er selbst seinen Angehörigen alSdann

wegen dieses Schrittes zürnen, oder daß er sich wenigstens sehr darüber betrüben werde, und opfert diesen Besorgnissen die noch vorhandene Möglichkeit einer Wiederherstellung auf.

Auf jeden Fall pflegt man das Gewicht dieser Bedenklich­ keiten viel zu hoch anzuschlagen. Denn was die erste Art der­

selben betrifft, so kann ich mit der strengsten Wahrheits­ treue versichern, daß mir unter den nun mehr als sechshun­

dert Fällen, die ich in der hiesigen Anstalt genau zu beob­ achten Gelegenheit hatte,

noch kein einziger vorgekommen

ist, in welchem einem Kranken die Anwesenheit in der An­ stalt, als einer Irrenanstalt, oder der Einfluß den andere

Kranke auf ihn ausgeübt, jemals irgend einen wesentlichen Nachtheil gebracht hätte, und daß ich völlig überzeugt bin, daß nicht nur von Layen, sondern auch von vielen Aerz-

9 teil *) in dieser Hinsicht die irrigsten Vorstellungen gehegt

werden, daß aber, in so ferne sie Wahrheit haben, sie allein

♦) ES läßt sich dieses ganz vorzüglich auch von einem neuern engli­ schen Schriftsteller John Conolly sagen, fcefisen Inquiry concerning the inclications of insanity with suggestions for the Letter protection of the insane. London i83o, besonders dadurch eine größere Bedeutsamkeit haben, weil darin zuerst die dem Irre­ seyn verwandten aber nicht damit zu vermengenden Zustände, von gestörter Seelenthatigkeit als solche, einer eigenen Betrach­ tung unterworfen worden sind- In ^dieser Schrift bevorwortet Conolly mit Gründen, die größtentheilS auf Mißbräuchen bey der Unterbringung von Irren in die Irrenanstalten und auf einer verwerflichen Einrichtung dieser letzteren beruhen, — wie sie beide bisher in England nur zu oft vorkamen, — auf eine viel zu unbe­ dingte Weise und durchaus ohne hinlängliche Würdigung der da­ wider sprechenden Bedenken, die Behandlung der Irren in den eignen Wohnungen, und würde nach meiner Ueberzeugung der Sache dieser Unglücklichen einen sehr schlechten Dienst erweisen, wenn er es dahin bringen könnte, daß nur diejenigen in die Irrenanstalten ausgenommen würden, die e r dafür geeignet oder wie man in Deutschland sagt reif erachtet, ein Ausdruck der gar oft auch von Aerzten in Bezug auf Irre gebraucht wird, deren Krankheit, sey es durch was immer für Ursachen, häufig genug aber durch ihre unkundige Behandlung, zu jeder glücklichen Rei­ fung , das heißt zu einer günstigen Entwicklung untüchtig gewor­ den ist. — Auch Hill kämpft in seinem Essay OH the prevention and eure of insanity hart gegen die ausgedehntere Benutzung der öffentlichen Irren-Anstalten an und räth die Kranken wenigstens sofort wieder aus denselben zu entfernen, sobald sich nur eine Spur der Wiederkehr ihrer normalen GeisteSthätigkeit zeigte, ein Rath, der nicht minder thöricht ist, als wenn man in irgend einer andern Krankheit den Fortgang der Heilbestrebungen durch un­ bedachtsames Eingreifen gewaltsam unterbricht und der zugleich von der sehr irrigen Ansicht zeugt, wonach man wähnt,, daß mit dem ersten Weichen des Jrreseyns auch nothwendig schon ein ent­ schiedener Schritt für die Heilung der hier zu bekämpfenden

10 von solchen Erfahrungen hergenommen

sind,

zweckwidrig eingerichtete Anstalten darboten.

welche ihnen

Denn wenn es

auch nicht zu läugnen ist, daß ein zur Tobsucht geneigter oder sich in einem hohen Grade von wahnsinniger Aufregung

befindender Kranker, durch den Anblick und den Lärm von

wirklich Tobsüchtigen heftig ergriffen und daß dadurch bey

einem in so hohem Grade disponirten Subjecte vielleicht so­ gar ein ähnlicher Anfall zum Ausbruch kommen kann, so wie auch daß der nahe Verkehr mit kranken Individuen, welche das Gepräge von gewissen hohen Graden von Schwermuth

und Lebensüberdruß, oder von Narrheit und Blödsinn an sich tragen, auf manche zarte Kranke, wenn man sie einem sol­

chen Verkehr aussetzt, einen unangenehmen und mitunter selbst

nachthciligen Eindruck machen werden, so wird in einer wohl­ eingerichteten Anstalt, durch zweckmäßige Scheidung der Kran­ ken, dafür gesorgt seyn, daß alle solche, denen Eindrücke die­ ser Art nachthcilig werden könnten, sorgfältig davor geschützt werden.

Indessen darf man zugleich als zuverläßig anneh-

mcn, daß in der Regel nur die Einwirkung von wirklich Tob­

süchtigen oder von solchen Kranken die zugleich an gewissen

heftigen Nervcnaffcctioncn leiden, bey andern, und dann zwar immer nur bey schon dazu disponirten Subjecten, zu dem

Hervortreten ähnlicher oder anderweitig bedeutender Krank-

heitserschcinungen Veranlassung geben wird.

Die Mehrzahl

der Irren ist viel zu sehr in dem eigenen Leiden befangen und

durch den vorhandenen Krankhcitsznstand vor der gleichzeiti­ gen Entwicklung einer neuen, von jener wesentlich verschiedc-

Krankheit geschehen sey, während die Erfahrung doch hinlänglich lehrt, wie häufig, unter wiederholtem Schwinden des Zrreseyns, die dasselbe bedingende Krankheit fortdauert und es keinen Zwei­

fel leidet, daß ersteres gerade dadurch permanent gemacht werden kann, wenn letztere in ihrem Verlaufe nicht gehörig geleitet oder

durch unkundiges Eingreifen gestört wird-

11



nen, Krankhcitsform geschützt, um so leicht in die Kreise eine», fremden Leidens bincingezogen werden zu können; und dem, der in Betreff dieses Gegenstandes eine andere Ueberzeugung hegt, fehlt es zuverläßig an hinlänglich tiefer und umfassender

Beobachtung dieser Zustände.

Ja selbst wenn bey eintretcn-

der Besserung dieser Zustand von Isolation, der in mancher Beziehung an die Erscheinungen beym Somnambulismus erin­

nert, schwindet, sieht man solche Reconvalescirende sehr selten durch die Gegenwart ihrer bisherigen Genossen, wenn solche nicht etwa zu der oben erwähnten Klasse gehören, oder un­

reinlich, boshaft u. s. w. sind, auf eine unangenehme Weise

asficirt.

Mehrcn.'heils selbst nur langsam aus ihrem bishe­

rigen Traumzustande erwachend, leben sie,

sich ihrer eigenen

Besserung und der Aussicht auf eine baldige Wiedervereini­ gung mit den Ihrigen sich freuend, mit ihren seitherigen Krank­ heitsgenoffen, deren Seelenstörung ihnen keineswegs etwas

Neues ist, da sic dieselbe sogar mehrentheils während ihrer eigenen schlimmeren Zustände erkannt hatten, unbedenklich fort,

schließen sich an die ihnen mehr zusagenden an, und interessiren sich für diese ihre Unglücksgefährten, so wie für das In­

stitut überhaupt, gerade in dieser späteren Periode zuweilen in einem solchen Grade, daß sie sich bey ihrer Entlassung nur mit Schmerz davon zu trennen vermögen; wie dieses sich auch hier schon mehrmals, und zwar gerade bey den feinfüh­

lendsten Reconvalescenten gezeigt hat. Während daher, nach dem bisher gesagten, fast jedes einigermaaßen erhebliche Bedenken, welches man der Behand­ lung der Irren in öffentlichen Anstalten entgegen setzen kann,

schwindet, so tritt zugleich ihre Vorzüglichkeit vor der Be­ handlung in Privatwohnungcn, bey den vorhin erwähnten

Nachtheilen, die von dieser unzertrennlich ist, um so stärker her­ vor, und es sollte ihr deshalb dieser Vorzug auch, wenn

gleich mit Berücksichtigung der wenigen Ausnahmen, welche oben näher bezeichnet wurden, bereitwillig zugcstanden werden.

12 Nicht minder gebührt den öffentlichen Irrenanstalten aber

auch ein vcrhältnißmäßi'ger Vorzug vor allen kleinern Privat-

Irrenanstalten, indem man nothwendig hier mehr oder weni­ ger in Bezug auf eine den verschiedenen Bedürfnissen entspre­ chende vollständige Einrichtung mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen hat, wie in den eignen Wohnungen der Kranken,

und die Kosten, welche die Besiegung dieser Schwierigkeiten er­ heischt, viel zu groß sind, als daß sie anders, als in der Hoff­

nung sie für eine bedeutendere Anzahl von Kranken benutzt zu sehen, füglich aufgewendet werden können. Eine größere

Privat-Irrenanstalt ist aber (mit Ausnahme des mehrentheilS anzunehmenden höheren Standes und der größeren Wohlha­ benheit der Aufzunehmenden) 'durchaus mit den öffentlichen Irrenanstalten in eine Klaffe zu stellen, doch ebenfalls kein Grund vorhanden, weshalb man den ersteren vor den letzteren einen Vorzug einräumen, oder weshalb jene bey dem Publi­

kum einer größeren Gunst genießen sollten.

Denn dürften

solche Privatanstalten etwa darum mehr gelten, weil sie nicht

so unmittelbar unter der Gewährleistung des Staates

ste-

dcn, sondern ein Privatmann sich ein lukratives Gewerbe daraus macht,

solche zur

ausschließlichen Aufnahme

von

Vornehmen und Reichen *) zu unterhalten? — Sind die Kranken darin weniger den unangenehmen Eindrücken aus­ gesetzt , welche durch die Berührung mit andern Irren ent­ stehen können; — oder wird man sic hier weniger für Irre anseheu als dort, oder' werden sie in der Welt mehr gel­

ten, wenn sie als genesen aus einer Privatanstalt entlassen

werden, als wenn aus einer öffentlichen Anstalt? Was ins­ besondere dies letzte betrifft, so habe ich selbst schon zu manche

*) Denn die Aermeren, für welche die Pensionen nicht bezahlt wer­ den können, bleiben ausgeschlossen und müssen also in die öffent­ lichen Irrenanstalten wandern.

13 auffallende Beyspiele des Gegentheils erlebt, um dieses glau­

ben zu können, und habe auch zugleich die gewisseste Ueber­ zeugung erlangt, daß jedes auS unserer Anstalt entlassene Individuum in der Welt immer wieder ganz nach demselben Maaßstabe geschätzt wird, wie vor seiner Krankheit, näm­ lich nach dem was es vermöge seines Charakters, seiner Kennt­

nisse und Fähigkeiten werth ist.

Ein vor der Krankheit hoch­

geachteter Mann, erhält, wenn man nach der Wiedergenesung den Vorigen in ihm wieder erblickt — und vielleicht einen noch besseren durch den höheren Ernst, den ihm die Fügung der er unterlegen eingeprägt, — alsbald auch das ganze Ver­ trauen seiner Mitbürger wieder, und früher verwaltete wich­ tige Stellen werden ihm unbedenklich wieder anvertraut. Sol­

che hingegen, die man vor der Krankheit schon als leichtfer­ tige, thörichte, ausschweifende Menschen kannte, werden aus der Irrenanstalt keine neuen Makel mitnchmen,

aber aller­

dings in so ferne noch mehr zu thun haben um den früheren zu tilgen, als man annehmen darf, daß ihr voriger Lebens­

wandel zur Entstehung der Seelenstörung Anlaß gegeben; — und hiefür wird es keinen Unterschied bringen, ob das Indi­ viduum sich in einer Privat- oder in einer öffentlichen Anstalt aufgehalten hat— Herrscht aber in den Privatanstalten etwa mehr Menschlichkeit, Milde, Reinlichkeit, Ordnung, genauere

Aufsicht, werden die Kranken darin aufmerksamer, mit mehr

Jndividualisirung behandelt, genießen sie in denselben eines höheren Grades von Freiheit, sind die Resultate der Behand­ lung günstiger u. s. w.?

Ueber alles dieses mögen zunächst

die im Ganzen nichts weniger als löblichen Nachrichten über die Privat-Jrrenanstalten in England — da diese zur öffent­

lichen amtlichen Kiuide gekommen sind, wie es in Deutsch­

land, Frankreich u. s. w. bis jetzt nicht der Fall war, — die Antwort ertheilen; — und ebenso mag, nach der Beschaffen­

heit der menschlichen Natur überhaupt, auch darüber eine Ant­ wort auf die Frage ertheilt werden, ob bit oben erwähnten

14 Vorzüge wahrscheinlicher in Anstalten gefunden werden dürf«

ten, in welchen die Motive dcS Eigennutzes einen sehr freyen

Spielraum haben, oder da, wo die Wirksamkeit dieser Motive Welcher

so viel wie möglich eingeschränkt und controllirt ist.

innere Grund aber obwalten könnte, weshalb eine gut organisirte öffentliche Anstalt sich nicht alle Vorzüge und Annehm­

lichkeiten, womit eine Privatanstalt geschmückt seyn mag, eben­

falls aneignen können sollte, und zwar, nach Verhältniß ihrer ausgedehnteren Mittel, in noch höherem Maaße, möchte sich schwerlich angeben lassen, so wie denn auch alle besseren neuen öffentlichen Irrenanstalten durch ihre Einrichtung und Lei­ stungen eine dahin zielends Behauptung genugsam widerlegen

würden.

Fragt man aber, ob denn nicht auch wohleingerich­

tete Privatanstalten, unter der Leitung einsichtsvoller, wohl­ gesinnter, uneigennütziger Aerzte bestehen können und bestehen, welche das volle Vertrauen des Publikums verdienen, so wer­ de ich dieses gewiß nicht bestreiten, sondern nur behaupten,

daß auch solche Anstalten keinerley nothwendigen Vorzug vor

öffentlichen Irrenanstalten besitzen, ja daß im Ganzen die letz­ teren, als der öffentlichen und Staatsaufsicht mehr unterwor­ fen , auf das höhere Zutrauen Anspruch machen dürfen, und

daß daher ein dieser Thatsache entgegenstehendes Vorurtheil,

so wie jedes andere, welches die unbedenkliche Benutzung der öffentlichen Irrenanstalten im Publikum zu beschränken droht, ernstlich bekämpft werden sollte, da ein solches nicht ohne

wesentlichen Schaden für viele Unglückliche unterhalten wer­ den kann.

Zweytes

Kapitel.

Leitende Grundsätze, die bey der Einrichtung öffentlicher Irren Heil­ anstalten zu befolgen sind. Wa- ihren Unterschied von andern Kran­ kenanstalten bezeichnet. Nothwendigkeit der Fernhaltung fremdartiger und störender Elemente hinsichtlich der denselben zu übergebenden Individuen. Wie die unheilbar an Irreseyn leidenden Kranken in dieser Beziehung zu betrachten sind und welche Kranke man al» zu dieser Kathegori« gehörend anzusehen hat. Ueber die Größe solcher Institute in Bezug auf die Zahl der aufzunehmenden Kranken- Ob solche Anstalten Kranken au- beiden Geschlechtern gemeinschaftlich be­ stimmt werden dürfen. Nachdem wir durch die vorhergehende Untersuchung die Ueberzeugung nicht nur von der Nützlichkeit, sondern auch von der Unentbehrlichkeit öffentlicher Irren-Heilanstalten und von den Vorzügen, welche die Behandlung der Irren in denselben mit wenigen Ausnahmen vor der Behandlung in Privatwoh­

besitzt, hinreichend be­ gründet zu haben glauben, werde« wir jetzt von der zweckmäßi­ nungen und kleinern Prkvatanstalten

ge» Einrichtung dieser Anstalten reden.

Hiebey liegt es unS

aber zunächst ob, die leitenden Grundsätze anzugeben, die nach

unsern Ansichten bey einer solchen Einrichtung befolgt werden sollten, indem eine Verschiedenheit der Grundsätze hier von

dem wesentlichsten Einfluß auf die Beschaffenheit der ganzen Anstalt seyn muß.

Denn offenbar muß eine Irrenanstalt ei­

nen ganz andern Charakter an sich tragen, wenn sie den psy­ chiatrischen Ideen eines Willis, Pinel und Esquirol oder de­

nen eines Langermann und Neil, oder denen eines Heinroth oder Horn genügen, und wieder einen andern, wenn sie den

Ansichten eineS GrooS oder Grohmann, eines Jdeler oder

16 eines methodistischen Eiferers entsprechen soll.

Doch können

wir uns aus nahe liegenden Gründen nicht auf das weitläuf-

tige Geschäft einer Würdigung dieser verschiedenartigen Ein­ richtungen, als jene psychiatrischen Ideen abspiegelnd ausge­ führt gedacht, einlassen, sondern müssen uns darauf beschrän­

ken, nach unserer eigenen Ueberzeugung die Erfordernisse auSzusprechcn, welchen eine solche Anstalt genügen soll, und hienach glauben wir sagen zu müssen: eine Irren-Heilanstalt sey eine Kranken-Anstalt, eingerichtet zur ausschließlichen Behand­ lung der mit Seelenstörungen verbundenen Krankheiten deS

Organismus, mit vorzugsweiser Berücksichtigung der die ver­ schiedenen Formen der Seelenstörungen constituirenden anor­ malen psychischen Erscheinungen, wonach sich das auszeichnende

der Einrichtung solcher Anstalten auf folgende Punkte bezie­ hen wird: Erstlich auf die Sicherstellung des Kranken, in so ferne er in Folge seiner Seelenstörung veranlaßt seyn kann,

sich selbst zu verletzen oder sich auf was immer für eine Weise durch seine Handlungen zu schaden.

Zweyt ens auf die Sicherstellung der zu seiner Behand­ lung oder sonst zu seiner Umgebung gehörigen Personen, so

wie der Wohnung, des Hausraths, der Kleider u. f. w. Drittens auf die Mittel zur Nöthigung des Kranken, den ärztlichen Anordnungen, auch gegen seine anomalen An­

sichten und gegen seine krankhafte Willensrichtung, Folge zu leisten. Viertens auf die Mittel theils zur Scheidung, theils

zur Zusammenschichtung der Kranken in solcher Weise, daß

diejenigen, die auf andere durch die psychischen Aeußerungen ihrer Krankheit schädlich einwirken können, von diesen getrennt

bleiben, solche hingegen, die vorthcilhaft auf einander einwir­ ken können oder die sich gegenseitig unschädlich sind, zusammengesellt werden. Fünftens auf die möglichst vollständige Vereinigung

17 von den Mitteln zur ärztlichen Behandlung jener (größtentheils

chronischen) Krankheiten, die wir mit dem Jrreseyn vereinigt finden, mit ganz specieller Berücksichtigung derjenigen Hülfs­ mittel, deren entschiedenen Einfluß auf die Beförderung, Be­

seitigung oder Abänderung bestimmter Seelenthätigkeiten, See­

lenerregungen und Seelenaffectionen anerkannt ist, wohin also einschließ­

neben dem eigentlich pharmaceutischen Apparat,

lich von Badern aller Art, Electricität, Galvanismus u. s. w.,

die ganze Masse der ebensowohl in die psychische als somati­ sche Diätätik einschlägigen Mittel gehört, als z. B. nächst den Nahrungsstoffen, gesunder Luft, passender Temperatur, die Mittel zur körperlichen Bewegung und Beschäftigung in den mannichfaltigsten Formen und Weisen; die Mittel zur vielar­ tigsten Stimmung des Gemeingefühls, zur Erregung oder Be­

seitigung von Sinneseindrücken, zur Hervorrufung und Be­ schwichtigung von Gefühlen, Affecten und Leidenschaften, zur

Beschäftigung

des

Verstandes

in den verschiedensten Arten

und Graden, an welche sich dann die Mittel zur Bestim­ mung der Willensrichtung und Willensthätigkeit, sowohl, in der höheren als in der niedrigen Sphäre des Seelenlebens, und endlich auch die höchsten, die sich auf daS religiöse Gefühl beziehen, knüpfen.

Die vorzugsweise Berücksichtigung der eben erwähnten Punkte bey der Einrichtung einer Krankenanstalt, giebt ihr den eigenthümlichen Charakter einer Irren-Heilanstalt, indem sie alles übrige, was zu ihrer innern Einrichtung gehört, mit

andern öffentlichen Krankenanstalten, abgesehen von den Ei­

genthümlichkeiten die auch bey diesen aus ihrer speciellen Be­ stimmung zur Behandlung besonderer Krankheitsgattungen hervorgehen, gemein hat. Je vollständiger und zweckmäßiger

nun die oben erwähnte Berücksichtigung, gleichzeitig mit der Berücksichtigung der allgemeinett Erfordernisse jeder Kranken­ anstalt, stattfindet, je vortheilhafter zugleich die Lage der An­

stalt ist, und je strenger alle fremdartigen Elemente von ihr

-

18

ausgeschlossen bleiben, um so mehr wird sich darin das Bild einer guten Irren« Heilanstalt verwirklicht finden und um so

gewisser wird sie ihren Zweck erfüllen.

Unter den fremdarti­

gen Elementen aber, die ausgeschlossen bleiben müssen, sind

diejenigen verstanden, welche dadurch entstehen, daß man das Institut zugleich für andere Zwecke benutzen will, wohin theils gehört, wenn man, wie es noch vor nicht vielen Jahren fast allgemein üblich war, und wie es leider selbst jetzt noch ost

genug vorkommt, die Irren mit Gefangenen und Züchtlingen

in demselben Gebäude und in denselben Gemächern vereinigt, — ein Verfahren, dessen Verwerflichkeit kaum stark genug be­

zeichnet werden kann, — theils aber, wenn man in dergleichen Instituten zugleich solche unheilbare Irre läßt oder aufnimmt, welche an Krankheiten leiden, wodurch sie den noch als heil­

bar betrachteten in einem höheren Grade lästig oder nachthciwenn man diese Institute

tig werden ckönnen; oder auch,

gleichzeitig der Behandlung von Krankheiten bestimmt, die entweder gar nicht mit Jrreseyn verbunden sind, oder denen

sich das Jrreseyn nur in den letzten Stadien, wenn auch sie unheilbar geworden, als eines der schlimmsten Symptome zu­ gesellt. Ueber beide letzteren Arten fremder Elemente, welche von den Irren-Heilanstalten ausgeschlossen bleiben sollten, ist noch Folgendes zu bemerken. Sehr schwer scheint es über Heilbarkeit oder Unheilbar­ keit bey den an Jrreseyn leidenden Kranken zuverläßig zu ent­ scheiden, so daß man in jedem gegebenen Falle bestimmen könnte, ob einem Irren der Aufenthalt in einer Jrren-Heil-

änstalt, als einem vielleicht noch heilbaren, zu bewilligen, oder ob er ihm als einem schon unheilbaren zu versagen sey. Im Allgemeinen gilt freilich wohl der von mir auch schon früher ausgesprochene Grundsatz, daß die Heilbarkeit des Jrreseyns sich wie die Möglichkeit perhalte, dasjenige anomale Verhält­ niß im Organismus, durch welchen das Jrreseyn in dem ge­ gebenen Fall organisch bedingt ist, aufzuhcben. Bey dem

19 jetzigen Maaße ärztlicher Erkenntniß ist aber unsere Einsicht

in diese Zustände noch viel zu enge begrenzt, als daß wir

selbst nur in der Mehrzahl der Fälle mit einiger Zuverläßigkcit im Allgemeinsten bestimmen könnten, auf welchen organi­ schen Verhältnissen die vorhandene Seelenstörung beruht und

daher auch, in wie ferne von der innern eignen Thätigkeit des

Organismus oder von der Kunst die Aufhebung derselben er­ wartet werden dürfe oder nicht. Doch ist uns durch vielfäl­ tige Beobachtung eine gewisse, wenn gleich sehr beschränkte, Reihe von krankhaften Zuständen und Erscheinungen, theils in der somatischen, theils in der psychischen Sphäre bekannt ge­

worden, bey deren Vorhandenseyn wir mit ziemlicher und oft mit völliger Zuverläßigkeit die Unmöglichkeit der Entwicklung oder der Rückkehr eines normalen psychischen Zustandes an­ nehmen können. Diese sind, außer verschiedenen bekannten

angcbornen Mißbildungen und außer gewissen schweren Ver­ letzungen des Schädels und der darunter gelegenen Organe durch äußere Gewalt, eine, wenn gleich äußerlich oft nicht zu

erkennende, aber, nach dem Ergebniß häufiger anatomischer Untersuchungen, darum nicht mit geringerer Zuverläßigkeit

anzunchmende mangelhafte Entwicklung des Gehirnes, des Ner­ vensystems und anderer Theile des Organismus, welche ent­ weder angeboren ist, oder in Folge von Krankheit (Hirnent­ zündung u. s. w.) in der frühen Kindheit stattfindet, und in deren Folge der sogenannte angeborne Blödsinn oder dieje­ nige Unfähigkeit zur Entwicklung der psychischen Vermögen

-entstanden ist, die bis zur normalen Periode der vollständigen Körprrausbildung (bis zu den Pubertätsjahren) keine Kunst Und kein äußeres Verhältniß, in welches das Individuum ver­

setzt werden kann, zu heben vermag. Außer diesem aber ge­ hören hauptsächlich.und in näherer Beziehung auf die hier zu erörternde Frage, folgende Zustände hierher: Blödsinn oder Narrheit, welche sich entwickelt und län­

gere Zeit angedauert haben, nachdem mehrere Jahre lang hcf-

20 ti'ge Anfälle von Tobsucht oder andauernder Wahnsinn vor,

hergegangen ist; Auf die oben genannten Formen des Jrreseyns (Tob­ sucht, Wahnsinn u. s. w.) nach langem Bestehen folgende, und

sich zuletzt mit Blödsinn verbindende, Epilepsie; Tobsucht oder Blödsinn, die nach mehrjähriger Epilepsie anftreten; Blödsinn und Verwirrtheit, die in Folge apoplectischer oder hemiplectischer Anfälle erscheinen, wobey zugleich die übri­

gen Folgen des Schlagfluffes andauern; Blödsinn, Narrheit und Verwirrtheit, die nach einer acuten oder chronischen Hirnentzündung'und den hienach sich weiter ent­ wickelnden krankhaften Veränderungen des Gehirns eintrcten; Die gleichen anomalen psychischen Erscheinungen, wenn Ite sich in Folge von Altersschwäche, (sie sey dem wirklichen Älter entsprechend oder prämatur) oder in Folge von vicl-

iähriger Ueberreizung des Gehirns n. s. w. offenbaren. Nur diese oder solche andere ihnen verwandte krankhafte Zustände, bey welchen die psychische Anomalie offenbar als

Reflex eines nach der bisherigen Erfahrung unheilbaren so­ matischen Leidens erscheint, können nach meiner Ueberzeugung dermalen den Arzt zu dem Ausspruch berechtigen, daß ein In­ dividuum unheilbar an Jrreseyn leide. Bey allen und jeden Formen von Jrreseyn hingegen, die nicht unter solchen Bedin, gungen erscheine« und bey denen überhaupt nicht ein als un­ heilbar anerkannter krankhafter Zustand des Organismus das

Jrreseyn offenbar bedingt, Ausspruch wagen.

darf der Arzt nie einen solchen

Ja er darf sich auch durch die noch so

vicljährige Dauer einer Seelenstörung zu einem solchen nicht bestimmen lassen, indem schon eine Anzahl unzweifelhafter Be­ obachtungen den Beweis gegeben haben, daß wo keine der

oben erwähnten sinistern Combinationen vorwalteten, selbst

solche Formen von Jrreseyn, die als die schlimmsten in Be­ zug auf Heilbarkeit angesehen werden, unter der Einwirkung

21 gewisser erkannter oder nicht erkannter somatischer oder psy­ chischer Einflüsse, sogar nach einer Dauer von jwanzig und mehr Jahren noch gewichen sind.

Indessen soll durch das Gesagte nicht in Abrede gestellt werden, daß in dem Maaße wie wir mit dem Fortschreiten der Wissenschaft eine vollständigere Einsicht in die mit Jrreseyn

verbundenen Krankheitszustände erlangen, auch noch andere Krankheits-Combinationen werden erkannt werden, die keine

Aufhebung des Jrreseyns gestatten; so wie denn jetzt schon mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß Seelenstörungen, die aus der Combination von gewissen organischen Herzleiden,

z. B. einem hohen Grad von Hypertrophie oder von Erweite­ rung der Ventrikel, von Aneurysmen der aufsteigenden Aorta u. s. w., mit solchen krankhaften Zuständen des Gehirnö, die eine

Störung seiner Functionen durch jene Leiden begünstigt, sich in der Regel als unheilbar erweisen werden, und daß daher, sobald eine mehr geförderte Diagnostik gestatten wird diese Krankheits­

Combinationen mit der erforderlichen Sicherheit zu constatiren, dieselben mit in die Reihe der oben erwähnten werden gesetzt werden können. Auf der andern Seite darf aber aus dem bisher Gesagten eben so wenig ein Grund gegen die für

Irren-Heilanstalten als nothwendig anerkannte Anordnung her­ genommen werden. Kranke, die, nachdem sie längere Zeit mit Sorgfalt behandelt worden sind, keine Besserung oder sogar

eine fortschreitende Verschlimmerung ihres Zustandes zeigen, wieder aus der Anstalt zu entfernen, indem eine nicht minder

zuverläßige Beobachtung wie die oben erwähnte lehrt, daß auch diejenigen an Jrreseyn leidenden Kranken, bey denen keine derjenigen Combinationen zu erkennen sind, welche nach dem Obigen die Unheilbarkeit beurkunden,

bey dem jetzigen

Stande der Wissenschaft, wenn das Uebel einmal mehrere Jahre ohne Anzeigen der Besserung angedauert und allen Versuchen der Kunst hartnäckig widerstanden hat, in einem so

sehr geringen Verhältnisse genesen, daß wenn solchen auf un-

22 beschränkte Zeit der Aufenthalt in den Irren-Heilanstalten 6c* willigt werden sollte, diese sich nothwendig allmählig in bloße Aufbewahrungsanstalten verwandeln und für ihre Bestimmung verloren gehen würden. Nur dann also, wenn hinlänglicher

Raum vorhanden und solche Individuen sich den übrigen, noch in der Behandlung befindlichen Kranken, nicht als schädlich

oder belästigend erweisen, mögen sie bis zur weiteren Ent­ wicklung des KrankheitSverlaufes in der Heilanstalt verwei­

len, wie denn unter gleicher Bedingung selbst manchen der als entschieden unheilbar zu betrachtenden, eine gleiche Begünsti­

gung zu Theil werden darf. Alle solche hingegen, die diesen Bedingungen nicht entsprechen, mögen sie nun als höchst wahrscheinlich oder als entschieden unheilbar anzusehen seyn, müssen als unpassende und schädliche Elemente mit strenger

Sorgfalt aus der Heilanstalt entfernt und den Aufbcwahrungsanstalten übergeben werden; und es ist nicht zu tadeln, wenn man für solche im Allgemeinen als äußerste Frist einen zweyjährigen Aufenthalt in der Anstalt anberaumt, in so ferne

man sich dabey nur die Freiheit Vorbehalt, diese Bestimmung fit den einzelnen Fällen nach Maaßgabe der Umstände zu

modificiren. Wie sollten aber nun nicht ebenfalls als solche fremdar­ tige und schädliche Elemente alle an Lähmungen, Catalepsie, Veitstanz, Epilepsie und an manchen verwandten Krankheits­

formen Leidende angesehen werden, die durch die charakterischen Zufälle ihrer Krankheit auf andere so erschütternde und in das Leben des Nervensystems so tief eingreifende Eindrücke zu veranlassen vermögen und die zugleich für ihre Pflege und

Behandlung so ganz eigenthümliche Vorkehrungen erfordern,

die man aber dem ohncrachtet in manchen Gegenden noch bis zu den jüngsten Zeiten hinab in dieselben Anstalten mit den Irren zusammen zu sperren pflegte.

23 Eine bei» eben abgehandelten Gegenstände sich anschlie­ ßende Frage ist die: wie aprorimativ das Minimum oder Marimum von Kranken zu bestimmen sey, wofür eine öffent­

liche Irren-Heilanstalt eingerichtet seyn soll, und ob eine und dieselbe Anstalt der Aufnahme von Kranken beider Geschlech­ ter zugleich bestimmt seyn dürfe. Es leuchtet bald ein, daß kleinere Anstalten, während sie

den Dortheil geben in ihren einzelnen Beziehungen leichter übersehen und controllirt werden zu können, doch auf der andern Seite, weil sie dieselben Abtheilungen, dieselben Ein­ richtungen für Behandlung, Aufsicht und Verpflegung, und da­

bey verhältnißmäßig ein größeres Beamten« und Dienstperso­ nal erheischen, mit Rücksicht auf die Zahl der Verpflegten un­ gleich kostspieliger seyn müssen, als Institute die für eine bedeutendere Krankenmenge bestimmt sind; daher auch auf je­ den Fall kleinere Staaten und Körperschaften vollkommener

eingerichtete Anstalten dieser Art entbehren müssen, ynd immer

wohl thun werden, sich für ihr Bedürfniß in dieser Hinsicht als Theilnehmer an die Institute größerer Nachbarstaaten an# -»schließen. Höchst nachtheilig und verderblich ist aber gewiß nicht min­ der eilte übermäßige Größe solcher Anstalten, und wenn manche Schriftsteller geglaubt haben, daß man die^Zahl der Kranken,

die in einer Heilanstalt vereinigt werden könnten, auf vier ja auf sechs Hundert und noch mehr anschlagen dürfe *), so muß

ich diesem, nach demjenigen was meine eigene Erfahrung mich

gelehrt hat, durchaus widersprechen, indem ich hiernach über-

•) Die neue, erst im Jahre 1832 beendigte Anstalt zu Honwell bey London, die mit einem Kostenaufwande von 150000 Pfund für

die mittellosen Irren der Grafschaft Middelser erbaut wurde, ist

für 700 Kranke eingerichtet, und in Brussel ward sogar im Jahre 1824 ein Preis ausgesetzt und zuerkannt: für den besten Plan zu einer Irrenanstalt von tausend Kranken.

24 zeugt bin, daß eine Masse von zweyhundert Kranken die höchste Zahl ist, für die eine Irren - Heilanstalt eingerichtet

seyn sollte.

Doch dieses nicht in Bezug auf die Oeconomie-

Verwaltung und auf die Krankenverpflegung, die allerdings vielleicht so organiflrt seyn könnten, daß sie selbst bey der obenerwähnten höchsten Zahl wenig zu wünschen übrig ließen;

sondern in Bezug auf die höhere Leitung des Instituts und auf die Behandlung der Kranken, alS solcher im ausgedehnte­

sten Sinne, welche nothwendig in einem Manne, dem Direk­ tor der Anstalt, vereinigt seyn muß. Denn wenn man er­ wägt, wie dieser, nebst dem, daß ihm die Controllkrung des ganzen Derwaltungs- und Verpflegungswescns, so wie des ge-

sammten Beamten - und Dienstpersonals obliegt, den amtli­ chen Schreibereyen, Correspondenzen und Gutachten eine Men­

ge Zeit widmen, auch zugleich als erster Arzt mit der ganzen Persönlichkeit und dem Krankheitszustande jedes seiner Pflegebefohlnen vertraut seyn und sowohl im Allgemeinen als im

Besondern täglich und stündlich bestimmen muß, was für die Gesammtheit so wie für den Einzelnen zu leisten ist, und der nebst allem diesen noch dafür zu sorgen hat, daß die Resultate der Lrzlichen Beobachtung in der ihm anvertrauten Anstalt

für die Wissenschaft nicht verloren gehen, so wie nicht min­

der, daß er selbst in sich das höhere menschliche und wissen­ schaftliche Leben fortwährend so viel möglich bereichere und steigere, so wird man gerne zugeben, daß das angegebene Ma­ ximum von zweyhundert Kranken für ein Institut dieser Art gewiß nicht überschritten werden darf. Ja es würde sich selbst

ein ungewöhnlich begabter Mann in einer Anstalt von zweyhun­ dert Kranken jener Aufgabe schwerlich gewachsen finden, wenn er

sich nicht zugleich durch ein solches Hilfspersonal, wie eS unten näher angegeben werden wird, unterstützt sähe und wenn sich

nicht auf der andern Seite immer unter einer solchen Masse von Kranken eine große Anzahl befände, die den Arzt nicht anhaltend oder doch nur in einem geringeren Maaße beschäftigt.

25

Außer dem bisher erwähnten kommt aber auch noch alS Rücksicht bey der Bestimmung der Größe einer Irrenanstalt

in Betracht, daß der District, für welchen sie bestimmt ist,

nicht zu ausgedehnt seyn darf, indem sonst unfehlbar die Zu­ führung der Kranken, zumal der weiblichen, in einem großen Maaße erschwert und beschränkt wird, auS welchem letzten

Grunde es auch immer wünschenswerth seyn wird, daß eine solche Anstalt so viel möglich in dem Mittelpunkte eiueS ge­

wissen Bezirkes liege und der Weg zu derselben von keiner

Seite her mehr als 12—16 Meilen betrage, so daß sie von allen Punkten ihres Rayons her in einem bis höchstens zwey Tagen erreicht werden könne. In Bezug auf die Frage, ob die Anstalt zugleich für

Kranke beider Geschlechter bestimmt seyn sollte, bin ich, ob­ wohl in den meisten Fällen ökonomische Rücksichten zu einer

solchen Vereinigung führen und sie sogar gebieten, sehr ent­ schieden der Meinung, daß überall, wo die Umstände es nur erlauben, die Vereinigung vermieden werden sollte.

Denn

einmal wird die Schwierigkeit einer der Absicht entsprechen­ den Einrichtung und Benutzung der Räume, durch die

Rücksichten die auf die Trennung der Geschlechter zu nehmen sind, überhaupt, zumal aber in Bezug auf die Abtheilun­ gen, welche den Tobsüchtigen und andern schlimmern, eine

strenge Trennung von den übrigen erfordernden Kranken an­ gewiesen werden müssen, außerordentlich vermehrt.

Denn da

die zweckmäßige Unterbringung dieser Kranken in irgend einer

Gegend der Anstalt, in solcher Art daß die andern Kranken nicht dadurch beeinträchtigt werden, immer schon eine sehr schwer zu lösende Aufgabe ist, so wird diese Lösung natürlich noch ungleich schwieriger, wenn sie Behufs der Trennung der

Geschlechter zweymal in ein und demselben Gebäudeverband

gefordert wird. — Aehnliche Schwierigkeiten zeigen sich denn auch noch hinsichtlich aller Attribute die eine allgemeine Be­ stimmung haben, indem diese entweder nur unter großen Be-

26 schränkungen von beyden Geschlechtern benutzt werden können,

oder doppelt vorhanden seyn müssen, z. B. Bäder und sonstige Heilapparate, Gärten, Höfe, Spaziergänge u. s. w. hinsicht­

lich deren sich kaum irgend eine Einrichtung treffen läßt, die nicht mit bedeutenden Jnconvenienzen und Kosten *), überdies aber mit einer weit größeren Beschränkung der Freyheit als

sonst nöthig, verbunden wäre, unerachtet welcher der, im

Allgemeinen gewiß so viel wie möglich zu vermeidende Ver­ kehr der männlichen und weiblichen Kranken unter einander nie ganz zu beseitigen seyn wird. Und zu allem diesem kommt

dann endlich noch der große Ucbelstand eines so zahlreichen,

aus beiden Geschlechtern bestehenden, Wärtcrpersonals, zwischen welchem die Intriguen aller Art nie aufhören, wovon die Nach­ theile für die Anstalt gewiß weit größer sind als man solche, ohne durch eigene Erfahrung hierüber belehrt zu sey», anzu­

schlagen geneigt seyn dürfte.

•) In Bezug auf den Kostenpunkt, welcher hier vorzüglich in Be­

tracht kommt, kann daher auch bey einer gehörigen Berückstchtigung aller Erfordernisse, bey der ersten Einrichtung einer Anstalt für beyde Geschlechter wenig gespart werden, {so bedeutend auch da«

Ersparniß an den allgemeinen Verwaltung«- und Verpflegungs­ kosten au-fallen muß.

Drittes

Kapitel.

Welche Rücksichten man bey der Wahl der Lage von Irrenanstalten zu

nehmen habe. Ueber die denselben zu gebende Gestalt. Vortheile und Nachtheile gewisser Hauptformen für die Gebäude und die dazu gehö­

rigen Räume, wie sie sich in mehreren neu errichteten Anstalten dar­ bieten. 1. Eine Zusammensetzung mehrerer Quadrate; die Irrenan­ stalt zu Rouen. 2- Die H Form; die Anstalt zu Wakefield. 3. Die

Linkenform, daS neue Bedlam zu London;

die Anstalt Sachsenberg

4. Die Sternform; die Irrenanstalt zu Glasgow. 5. Andere Formen. Die Prkvatanstalt zu BanveS bey Paris. Die

bey Schwerin.

Anstalt zu Hanwell bey London.

Unserm Ziele jetzt schon näher rückend/ forschen wir, wel­ ches die wünschenswertheste Lage für eine Irren»Heilanstalt

sey. Ohne alle Frage nun dürfen wir das, was der geisteSgesunde, von kränklicher Stimmung freye Mensch in dieser Beziehung als wohlthätig auf sein Seelenleben einwirkenb er­

kennt , in der Regel auch als zur Wiederherstellung deS Gei­

steskranken förderlich annehmen.

Es liege die Anstalt unter

einem milden Himmel, in einer anmuthigen, fruchtbaren, hin­ länglich trockenen Gegend, in welcher Berg und Thal, Wiese, Wald und Feld eine freundliche Umgebung bilden, geeignet

das Gemüth zu erheitern und zum Betrachten und Wander«

einladend.

Daneben gebreche es nicht au gutem Quellwasser

zum Trinken, an eiuem stets wasserreichen Bach, an einer leichten Verbindung mit nahe gelegenen größeren Städten, welche die nöthige Bequemlichkeit für die Anschaffung aller Lebensbedürfnisse und für den gesellschaftlichen uud wissen­ schaftlichen Verkehr darbietcn. Soweit im Allgemeinen! Mehr

aber ins Einzelne gehend kann man darüber in Zweifel ste-

28



hen, ob die Gebäude einer Anstalt, wenn die Wahl dazu ge­

lassen wäre, zweckmäßiger in einer Ebene oder auf einer An­ höhe, besser ganz tsolirt oder sich an eine größere Ortschaft anschließend, zu errichten wären; und gewiß verdient die-

einige Erwägung. Die Lage auf einer mäßigen, leicht zugänglichen Höhe von

höchsten- 150—250 Fuß über dem Wasserspiegel des nächsten Flusses, mit der Aussicht auf eine sich weit ausdehnende freund­ liche Umgebung, und mit dem Genusse eines unbeschränkten Tag- und Nachthimmels, hat in einem milden Klima et#

was ungemein Erheiterndes und Belebendes.

Ueberdies ge­

wahrt eine solche Lage, neben dem Vortheil einer trocknen ge­ sunden Atmosphäre, auch noch den, daß man über die das

Gebiet deS Instituts umschließenden Mauern und Gehege, da solche an den Fuß der Anstalt gerückt werden können, hin­ weg sieht, und sonach der Kranke dadurch nicht so leicht jeden Augenblick an seine Einsperrung und dadurch an sein übriges

Elend erinnert wird. — Indem aber eine in der Ebene gele­ gene Anstalt dieser Vortheile entbehrt und dadurch in der Re­ gel auf kranke wie auf gesunde Gemüther einen minder wohl­

thätigen Eindruck machen wird,

genießt sie anderer

höchst

wichtiger Vorzüge, die jener abgehen, und zwar hauptsächlich in dem Wasserreichthum, den ihr, wie vorausgesetzt werden muß, ein voller Bach für Wäsche, Bäder, Reinigung jeder Art und zumal auch für die zweckmäßigste Anlage von Abtritten

gewährt; dann in der größeren Leichtigkeit ihren baulichen An­ lagen eine beliebige Ausdehnung zu geben, in dem größeren

Schutze gegen die Einflüsse der Winde und der stärkeren Zug­

luft, waS zugleich auch einen bedeutenden Einfluß auf die Brandconsumtion und auf die leichtere Heizbarkeit der bewohn­ ten Räume im Winter hat, in der größeren Leichtigkeit der

Herbeischaffung aller Consumtibilien, so wie endlich auch noch darin, daß die Kranken den Blicken der Neugierigen weni­

ger ausgesetzt sind als an einer diesen Blicken von allen Sei-

29 ten offenliegenden Anhöhe; — welche Vorzüge durchgehends

Nachtheilen entsprechen, die bey der Anlage einer Irrenanstalt auf einer Anhöhe nie ganz zu beseitigen sind und'zum Theil nur mit großem Kostenaufwande gemindert werden können.

Ebenso stehen Vortheile und Nachtheile einander bey einer

mehr isolirten Lage der Anstalt und einer Lage in der nächsten Nähe einer nicht ganz kleinen Ortschaft, ziemlich gleichgewichtig

gegenüber. Die Nahe eines nahrhaften Städtchens oder Markt­ fleckens gewährt ohne Zweifel durch die Hülfe, welche die darin zu findenden Handwerker und Gewerbsleute in ökonomischer

Hinsicht darbieten, so wie durch den mit den Einwohnern in anderer Beziehung zu eröffnenden Verkehr, mancherley Bequem­ lichkeiten und Annehmlichkeiten. In gleichem oder noch grö­ ßerem Maaße aber ist die Nähe einer solchen nicht ganz länd­

lichen, sondern schon aus mehreren Ständen gemischten Be­

völkerung, durch die auf die Kranken geheftete forschende Auf­ merksamkeit und Neugier, durch die stete Beobachtung, wel­

cher dieselben bey jedem Schritte und Tritte den sie im Freyen thun, unterworfen sind, durch die Erschwerung der für viele Kranke so heilsamen gänzlichen Hinausversetzung aus dem ge­ wöhnlichen gesellschaftlichen Getreide und Getümmel und durch

den so sehr erleichterten unerlaubten Verkehr des Wärterpersouals und zum Theil auch wohl der Kranken mit der Einwoh­ nerschaft, in einem solchen Grade lästig und nachtheilig, daß ich aus diesem Grunde immer eine etwas isolirte Lage vor­ ziehen, am liebsten aber eine solche wählen würde, wo die

Anstalt etwa eine halbe Stunde weit von einem Orte dieser Art entfernt läge, wobey man sich alle Vortheile, die er dar­

böte, noch aneignen könnte, ohne den oben erwähnten nachthekligen Einflüssen weiter unterworfen zu seyn.



30

Endlich nun kommen wir auf den so viel verhandelten Punkt: die zweckmäßigste Beschaffenheit und Form der für eine

Irrenanstalt erforderlichen Lokalitäten. Um hierüber zu bestimmen, haben wir vor allen Dingen

die Hauptgegenstände inS Auge zu fassen, die bey jeder solchen Anlage unumgänglich berücksichtigt werden müssen. Diese aber sind, wie es mir scheint, folgende: a) Eine zulängliche Scheidung der männlichen von den weiblichen Kranken. b) Eine so viel möglich große Entfernung der Tobenden, Schreienden, Unreinlichen und in einem hohen Grade Blöd­

sinnigen von den übrigen Kranken, ohne daß solche jedoch

dadurch dem Auge der Verwaltung mehr entzo­ gen werden, weil grade diese und ihre Wärter die genauste Beaüfsichtigung -erheischen. c) Die möglich größte

Sicherstellung der Kranken vor

Gefahr, soweit solche durch bauliche Einrichtungen zu erzie­

len ist. d) Die Gewährung der möglich größten Genauigkeit,

Schnelligkeit, so wie der zuverläßi'gsten Beaufsichtigung des Dienstes,

in Bezug auf Verpflegung und Behandlung der

Kranken. e) Die Erzielung der möglich größten Heiterkeit und Be­

quemlichkeit für die Bewohner in allen Theilen des Instituts,

ohne daß von den vorher erwähnten

Erfordernissen

etwa-

aufgeopfert wird, wozu denn auch die Rücksichten auf heitere Aussichten, auf leichte Zugänglichkeit der Höfe und Gärten «. dergl. m. gehört. Die am meisten angcrathenen Formen für die Gebäude

sind folgende: a) Mehrere in einen gewissen Verband gebrachte einzelne Vierecke, welche Hofräume umschließen; — nach meiner Ansicht die zweckmäßigste Form, wenn man bey der Anlage

auf die unten näher anzugebende Weise

verfährt, wonach

31

ritt Paar zweystöckige*) Quadrate für ruhigere «nd weniger tief Erkrankte, so wie für die Rekonvalescenten beyder Geschlech­ ter bestimmt, durch ein dazwischen befindliches, der Verwal­

tung gewidmetes, zweystöcki'ges Gebäude verbunden werde«, hinter welchem noch zwey einstöckige Quadrate für die schlim­ meren Kranken beyder Geschlechter liegen, während die zur Öekonomie gehörigen Gebäude nach außen zu angebracht find,

wobey auch Hofräume, Gärten u. s. w. eine sehr zweckmäßi­ ge Lage erhalten können, wie später näher gezeigt wird. Siehe den Grundriß Tab. I.

Unter den Anstalten,

welche in neuerer Zeit in dieser

Form aufgeführt sind, erwähne ich vorzüglich derer zu Jvry,

des Frauenhauscs zu Charenton und der großen Irrenanstalt zu Rouen, welche sämmtlich nach den Grundsätzen des trcfflb-

chen Esquirol erbaut wurden, wobey ich mich aber darauf beschränken will nur der letzteren, als der bedeutendsten, et­

was umständlicher zu erwähnen, und zwar theils nach deu Notizen, die mir mein Freund Dr. Zeller, Director an der neuen Irrenanstalt zu Winnenthal, im Königreich Würtcm-

berg, darüber mitzutheilen die Güte hatte, theils nach der Beschreibung des Herrn Dr. Kramer, in Horns Archiv

f. mcd. Erfahr. Jahrgang 1825 p. 117. Die Anstalt ist für dreyhundert Kranke und zwar eben

*) Einstöckig und zweystöckig, nicht drey oder gar vierstöckig müssen die Gebäude seyn, theils weil Dienst und Aufsicht mit der grö­ ßeren Höhe unverhältnißmäßig erschwert wird, theils weil mit der steigenden Höhe der Gebäude und Vermehrung der Treppen, auch die Gefahr des Herabstürzens oder Fallens für die Kranken wächst. Aber auch nicht weniger als zweystöckig dürfen die Ge­ bäude, mit Ausnahme der nur einstöckigen Abtheilungen für die schlimmeren Kranken seyn, weil sie sich sonst über eine zu große Fläche ausdehnen müssen, welches ebenfalls mit leicht einzusehenden Nachtheilen verbunden ist.

32 sowohl für Unheilbare als für Heilbare bestimmt. —

Dor

den älteren Gebäuden, die schon lange als Irrenanstalt dien­

ten, sind fünf ansehnliche Vierecke aufgeführt worden, näm­

lich einstöckige, die Wohnungen der Kranken enthaltende, Ge­ bäude, die mit einer im Innern umherlaufenden bedeckten, von

Säulen getragenen Halle,

einen ziemlich geräumigen, durch

eine mittlere Halle in zwey gleiche Theile geschiedenen Hof­

raum im Viereck umschließen, doch so, daß die vierte oder vordere Seite des Quadrates nur durch ein sehr starkes und hohes.Gitter auS gegossenem Eisen, durch welche- man auf ein Stück Feld innerhalb der Ringmauer der Anstalt blickt,

gebildet wird. Die einzelnen Quadrate, von welchen das mittlere überdies ziemlich weit hinter den übrigen vieren zu­

rückliegt, stehen in nicht unbeträchtlicher Entfernung von ein­ ander ; zwey derselben auf feder Seite sind den verschiedenen Geschlechtern bestimmt und jedes enthält vierzig Zellen, der­

gestalt, daß im Ganzen achtzig Zellen auf jedes Geschlecht treffen. Man scheidet die schwerer Erkrankten, die diese Qua­

drate bewohnen, in Furiose, Maniakolische, Melancholische und Blödsinnige, von denen jede Klasse mittelst der erwähnten

Theilung der einzelnen Quadrate durch eine Zwischenhalle ih­

ren besondern Hofraum hat.

Die Reihen der nur eilf Fuß

tiefen und acht Fuß breiten Logen liegen alle zwischen zwey

Corridoren, einem innern, der zwar bedeckt ist, aber sich durch Säulen auf den innern gartenmäßig angelegten Hof öffnet,

und einen äußern, welcher ganz geschlossen, nur durch ver­ gitterte Fenster erleuchtet wird, die nach dem Haupthofe hin­

ausgehen. Die einzelnen Logen, von denen in der Regel jede nur von einem Kranken bewohnt ist und die überhaupt viel zu wünsche« übrig lassen, werden durch diese Einrichtung nothwendig düster, zumal da ihre Fenster nach dem dun­

keln Corridor, die Thüren nach der Säulenhalle hin gerichtet sind. Nur einige etwas größere derselben sind heitzbar, ob­ wohl Fußboden und Wände von Stein sind.

Doch hat auch

33

jede Abtheilung ein heitzbares gemeinschaftliches

Wohnzim­

mer, welches jedoch den schlimmsten auf ihre Zellen beschränk­

ten Kranken nicht zu Gute kommt. In dem mittleren, weiter zurückgclegenen Quadrate, dem sogenannten Hospitalgcbäude, welches groß und schön ist, wohnen mit strenger Sonderung der Geschlechter, in gewöhn­

lichen Familienzimmern, die Wohlhabenderen, wenn sie gene­

sen oder doch ruhig und für die Annehmlichkeiten des Lebens mehr empfänglich sind, in einem oberen Stockwerk, während

in den untern sich die Wirthschaftslokale der Anstalt, Küchen u. s. w. nebst den Arbeitssälen für die Kranken befinden. — Dor diesem Qnadrate, in der gleichen Reihe mit den vier übrigen, und die für die männlichen und weiblichen Kranken

bestimmten Quadrate gewissermaßen scheidend, steht noch ein kleineres Gebäude, welches die artige Badeanstalt enthält und welches mit den nächsten Quadraten auf beyden Seilen, so wie mit dem Hospitalgebäude durch bedeckte Säulengänge in Verbindung gebracht ist. Endlich liegt noch weiter rückwärts in dem großen Haupt­

hofe zur Rechten, ein langes zweystöckiges Gebäude,

wovon

der untere Stock (das Erdgeschoß) der Arzt bewohnt, wäh­ rend die Zimmer des oberen Stockes für Privat-Geisteskranke

bestimmt sind. Die Anstalt gewährt im Ganzen, zumal von der Seite an welcher die neuen Gebäude ihre Fronte darbicten, einen sehr freundlichen Anblick, wozu die herumlaufendeu Vorhallen,

die mit einem' schönen Eisengitter geschlossene offene Seite der einzelnen Quadrate, mit den in und vor denselben gelegenen

Gärten am meisten beytragen. Einen Grundriß von ihren Ge­ bäuden hoffe ich noch zu erhalten und mittheilen zu können. Die

auf Tab. II. gegebene Ansicht des neuen Gebäudes für die weibli­ chen Kranken zu Charenton gewährt indessen ein Bild der ein­ zelnen Quadrate, nur mit dem Unterschiede, daß, wie gesagt, die Gebäude zn Rouen bey vier Quadraten einstöckig sind. Ohne

3

34 Zweifel würde jede nöthige Scheidung der verschiedenen Klassen von Kranken sich in dieser Anstalt sehr zweckmäßig bewirke» las­ sen, wenn dieselbe nicht durch ihre gleichzeitige Bestimmung für

Heilbare und Unheilbare unmöglich

gemacht würde.

Außer­

dem aber ist in ihr, abgesehen von der fehlerhaften Einrich­ tung der großen Mehrzahl der Krankenwohnungen, durch die

Trennung und Entfernung ihrer einzelnen Theile von einander,

Dienst, Aufsicht und Behandlung in einem hohen Grade er­ schwert und compromittirt, so daß hieraus nothwendig große

Nachtheile hervorgehen müssen. b) Die H Form, wo die der Verwaltung und mehrere

der zu gemeinschaftlichem Gebrauch für die Kranken beider Geschlechter bestimmten Räume das Mittelgebänve einnehmen,

während die beiden »ordern Flügel den männlichen, die bei­ den Hintern den weiblichen Kranken, oder auch umgekehrt an­

gewiesen werden. — Aber auch hier sind, obgleich dies wenig

beachtet zu werden scheint, außer den Gebäuden für die Oekonomie, noch besondere Gebäude für die schlimmeren Kranken

erforderlich, da diese sonst zu viel Störung in die verschiede­ nen Theile des Hauptgebäudes bringen.

Ucberdies ergiebt

es sich von selbst, theils, daß die vier Flügel, bey einer An­ stalt von der Bevölkerung wie wir sie hier annehmen, falls

sie nicht drey« oder vierstöckig sind, oder zwey Zimmerreihen

sich zu den Seiten eines dann nothwendig dunkeln Corridors hinziehen, eine sehr.unverhältnißmäßige Länge erhalten müs­

sen, theils, daß während die nicht geschlossenen mittlern Höfe dem Gebäude ein heiteres Ansehen gewähren, solche der Be­ nutzung für die Kranken größtenthcils verloren gehen,

und

zwar um so mehr, da wenigstens der eine hauptsächlich den

Zwecken der Verwaltung gewidmet seyn muß und den öffent­ lichen Zugang bildet; während doch luftige geschlossene Höfe

für Anstalten dieser Art immer von großem Werthe sind, da

sie für die Kranken eine so nahe und sichere, jeden Augenblick auch ohne genauere Aufsicht zu benutzende Gelegenheit zum

35



Genusse der freyen Luft darbieten.

Doch kann dem letzteren

Nachtheile dadurch begegnet werden, daß man die Höfe an die beiden äußern Seiten des Gebäudes verlegt, wobey nur

die Zutheilung bequem Krankenabtheilungen

gelegener Gärten für die einzelnen

wieder um so schwieriger wird.

Eine

der vorzüglichsten englischen Anstalten, die zu Wakefield, ist übrigens in dieser Form erbaut worden und besitzt alle Vor­

züge die sich mit derselben vereinigen lassen vielleicht im höch­ sten Maaße, so wie denn überhaupt die Einrichtung dieser

trefflichen Anstalt für jeden der sich mit diesem Gegenstände beschäftigt, die aufmerksamste Beachtung verdient. Doch mußte man auch hier dem Gebäude, selbst für eine Masse von nicht

mehr als 150 Kranken, drey Stockwerke geben, und obwohl noch mehrere kleine Seitengebäude hinzugefügt wurden, blie­ ben die Tobsüchtigen und übrigen schlimmern Kranken in dem

Hauptgebäude und selbst in allen drey Stockwerken desselben »ertheilt.

Man sehe den Grundriß von der Wakefieldschen

Anstalt Tab. III. und die dazu gehörige Bezeichnung ihrer

Lokalitäten *). c) Die Linienform, wo sämmtliche Gebäude aneinan­ der hängend auf einer Linie liegen.

Hier befindet sich als­

dann am zweckmäßigsten das Departement der Verwaltung u. s. w. ebenfalls in der Mitte und auf beiden Seiten fol­

gen, rechts und links, die einzelnen Abtheilungen für jedes Geschlecht gesondert, und zwar so, daß die NeconvaleSccnten und die am wenigsten leidenden Kranken ihre Wohnung dem

Mittelgebäude zunächst erhalten, und hieran aufeinanderfol­ gend die Abtheilungen für die schlimmeren und immer schlim-

*) Ich verweise außerdem auf da- von Watson und P r i t ch e t t herausgegebene Werk über diese Anstalt: Plan», elevation and description of the pauper lunatic asyluni lately erected at Wa­ kefield. York 181g.

36 Nieren Kranken sich ««schließen, wonach also die Tobsüchte gen die beiden äußersten Flügel einnchmen u- f. w-

Hier

kann hinter jeder Abtheilung rin Hofraum, hinter diesem ein

Garten liegen und bey keiner Einrichtung sind die besseren

Kranken von den schlimmere« mehr getrennt und daher durch dieselben weniger belästigt als bey dieser; während zugleich,

indem die CorridorS nach den Höfen und Gärte» ins Innere, die Wohnzimmer aber gegen den übrigen Theil des Anstalts­ gebietes und die Umgegend gerichtet sind, der Blick der Irren von den letzteren aus, niemals mit ihren Krankheitsgenoffen

oder mit dem Verkehr der Außenwelt in einer schädlichen Nähe

beschäftigt ist.

Allerdings aber wird ein solches Gebäude eine

sehr lange Strecke einnchmen, die bey einer Anstalt für zweyhundert Kranke, insofern dasselbe für die schlimmeren Kran­ ken durchgehends einstöckig, für die besseren Kranken aber

nur zweystöckig wäre, vielleicht über 1500 Fuß, ohne die Oekonomiegebäude, betragen möchte, was sowohl für den Dienst

des Hauses als für mancherley andere Zwecke, zumal für alle einer gemeinschaftliche« Benutzung bestimmte Einrichtungen,

als Badeanstalten u. f. w. nicht anders als nachtheilig sey« könnte. In dieser Beziehung muß also der Anlage einer An­

stalt in solchen ander« Formen, wobei die entfernteren Theile

vom Mittelpuncte auS schneller erreicht werden können, und Aufsicht und Psiege verhältnißmäßig erleichtert wird, der Vorzug eingeräumt werden, und der Nachtheil, welchem t« dieser Hinsicht die Linienform unterliegt, ist so bedeutend, daß dadurch die Vortheile, die sie für die Scheidung der Kranke«

und die Zutheilung getrennter Höfe und G'rten darbieten,

ausgenommen für kleinere Anstalten, welche höchstens 60 bis 80 Kranken bestimmt sind, wofür diese Form sehr zu empfeh­

len ist *), jedesmal mehr als ausgewogen werden dürfte».

*) So liegen unter andern bey dem sogenannten Royal Asylum »u

37 Indessen ist dennoch diese Form auch für größere Anstalten gewählt worden, wobey man sich aber gezwungen sah, um

dem Nachtheil der zu großen Ausdehnung zu entgehen, den Gebäuden um so mehr Stockwerke zu geben, wodurch denn

die Hauptvortheile welche die Linienform gewähren kann, mehr oder weniger aufgcopfert wurden.

So hat man unter

andedn dem, mit so ungeheuren Kosten und so großer äuße­ rer Pracht erbauten neuen Bedlam in London, obwohl die

Fronte des Gebäudes beinahe 600 Fuß hat, bey einer Tiefe,

die in seinen verschiedenen Theilen von 40 zu 60 Fuß beträgt, vier Stockwerke geben müssen, wobey sich dennoch in jedem

Stockwerk, bey dieser außerordentlichen Ausdehnung, nur ei­ nige wenige den Irren bestimmte größere Raume befinden,

während alles Uebrige, abgesehen von der der Verwaltung, der Ockonomie u. s. w. bestimmten Gemächern, nur aus einer Masse kleiner Zellen von Hörstens 10 Fuß Tiefe auf acht Fuß

Breite besteht, die sich auf gemeinschaftliche Corridors öffnen.

Dey dieser ganz verfehlten Anlage mußten daher auch die Tobsüchtigen, sammt allen übrigen schlimmeren Kranken, in

das Innere des Hauptgebäudes ausgenommen werden, da die

einzigen beiden vorhandenen Nebengebäude wahnsinnigen Ver­

brechern bestimmt sind, und eben so ward, ohnerachtet der beabsichtigten großen Bevölkerung deS HauseS (die Anstalt

Perth, welche als eine der besten Anstalten in Großbritannien

angesehen werde» kann, jedoch nur für 80 Kranke eingerichtet ist, alle Wohnungen der Kranken auf einer Flucht. Die Deam-

tenwvhnungen, so wie die Wasch- und Kvchkuche liegen in der Mitte und letztere hat nach der männlichen und weiblichen Seite CommunikatronSfenster, so daß die Wärter die Küche selbst nie betreten und die Trennung des männlichen und weiblichen Dienst­ personals hiedurch, so wie durch die übrige Einrichtung der An­ stalt, ans eure vollkommenere Weise erreicht wird, als man vielleicht

sonst irgendwo findet.

38 ist für 220 Kranke eingerichtet, und eine Erweiterung, wonach 400 ausgenommen werden konnten, war beabsichtigt),

Höfe

und Gärten, denen man zusammen kaum vier Morgen wid­

mete und sogar daran wohl noch zu viel zu thun glaubte, indem man ein disponible bleibendes Grundstück von drey Morgen zu vermiethcn gedachte, nur sehr kümmerlich gesorgt.

Auch die vor wenigen Jahren in derselben Grundform neuerbaute mecklenburg-schwerinische Irrenanstalt Sachsenberg ist, bey allen großen Vorzügen die sie schmücken und die sie zu einer so höchst erfreulichen Erscheinung auf dem Bodey

unseres Vaterlandes machen, von Gebrechen, die man der ge­ wählten Linicnform zum Opfer brachte, indem man doch die zu große Ausdehnung der Gebäude fürchtete, nicht frey. Auch hier ist ein Theil der Gebäude vierstöckig und der Rest

dreystöckig (einschließlich der ganz zu Tage liegenden Souter­ rains) und die Tobsüchtigen,

lärmenden und unreinlichen

Kranken, sind an beiden Seiten in dem Erdgeschosse solcher vierstöckiger Gebäude untergebracht, wo eS nicht zu vermeiden ist, daß sie die über ihnen und ihnen zur Seite wohnenden übrigen Kranken aufs höchste belästigen und denselben auch in ihren Höfen und Gärten, von den Fenstern der oberen Stockwerke auS, stets im Gesicht bleiben. — Auch die Umgebung an Gär­

ten und Ländereyen ist für eine Anstalt, die dazu bestimmt ist, erforderlichen Falles 200 Irre aufzunehmen, viel zu be­ schränkt, welches bey zunehmender Krankenzahl mit jedem Jahre fühlbarer werden wird *).

d) Die Sternform.

Diese Form hat manche Lobred­

ner gefunden und die berühmte Irrenanstalt zu Glasgow in Schottland ist in derselben erbaut. In dem Mittelgebäude, dessen Centrum eine mittelst einer Glaskuppel erhellte bequeme

Treppe bildet, liegen die Wohnzimmer des Verwalters und

der sonstigen Oberaufscher, so wie die Gesellschaftszimmer der

*) Die Irrenanstalt Sachsenberg

Schwerin 1833.

39 Kranken

anciuanderstoßcnd im Kreise umher, und von den

erstem aus können sowohl die letzteren als die Corridors der

Flügel ihrer ganzen Länge nach überschaut werden, daher man auch diese Form die panoptische genannt hat.

Auch ergiebt

sich leicht, daß hier für eine ziemliche Anzahl von Abtheilun­ gen zur Scheidung ber verschiedenen Klassen von Kranken, so wie für leichte Beaufsichtigung und Schnelligkeit des Dien­

stes zweckmäßig gesorgt ist.

Zugleich aber ist nicht zu über­

sehen, daß sobald man eine bedeutende Krankenzahl in einem solchen Gebäude unterbringeu will, ohne überall die Corri­

dors zwischen zwey Zimmcrreihen zu legen, man entweder viele Stockwerke aufcinandersetzen oder den Flügeln eine un« verhältnißmäßige Länge geben oder auch die Zahl der Flügel

bis ans sechs oder sieben vermehren muß, welches letztere man aber nicht thun kann, ohne daß zugleich das Mittelgcbäude,

an welches die Flügel sich immer nur in einer solchen Ent­ fernung voneinander anschließen dürfen, daß dazwischen ein hinlänglicher Raum für die Fenster bleibt, die es zu seiner Erhellung bedarf, einen Umfang und eine Tiefe erhält, die

seiner Bestimmung und den Erfordernissen einer zweckmäßigen Einrichtung

des Ganzen durchaus

nicht mehr entsprechen.

Aus dem mitgetheiltcn Grundriß des Erdgeschosses dcS für die GlasgowerAnstalt entworfenen ursprünglichen Planes*), ist schon ersichtlich, daß in den einzelnen Stockwerken auf jeden Flü­

gel im Durchschnitt nur zehn bis eilf ziemlich kleine Zimmer tref­ fen. Diese Anstalt war anfangs für die Aufnahme von höch­ stens hundert Kranken berechnet, und schon für die Unter­

bringung dieser geringern Zahl

mußte man dem Gebäude

drey Stockwerke geben und sah sich hiebei noch genöthigt die

Tobsüchtigen und unreinlichen Kranken in dem Innern des­ selben unterzubringcn. Nach einigm Jahren aber erkannte

man, .baß man, selbst für diese beschränkte Anzahl von Irren,

*) Siche Tafel IV.

40

noch mehrerer und zumal noch einige größerer Räume bedürfe. Anfangs war eS als ein Vortheil des gewählten Bauplanes

gerühmt worden, daß man zu jeder Zeit, wenn eine Vermeh­ rung der Krankcnzahl oder andere Umstände eine Erweite­

rung der Anstalt wünschenswerth machen sollte, man diese durch eine Verlängerung an den einzelnen Flügeln würde bewir­

ken können, ohne die angenommenen Verhältnisse wesentlich zu stören oder einen der bey dieser Form beabsichtigten Vortheile aufzuopfern. Nun aber ergab sich's, daß dieses, theils der übrigen innern Einrichtung, theils der gemachten Garten­ anlagen wegen, die in einem bestimmten Verhältniß zu allen

Theilen der Anstalt stander*, nur an einer Seite möglich war, und so sah man sich also genöthigt allein den einen der vier

Flügel zu verlängern, wodurch aber die ganze Symetrie deS Gebäudes vernichtet ward. Außer den bis jetzt erwähnten Formen von Irrenanstal­ ten giebt es noch mancherley andere, die theils in Vorschlag gebracht, theils in Ausführung dargcstellt worden sind.

Von

den ersteren ist mir keine bekannt, welche nach meiner Ansicht

die Erfordernisse einer guten Anstalt in einem solchen Maaße in sich vereinigte, daß sie bey künftigen Anlagen dieser Art

vorzugsweise in»Betracht gezogen zu werden verdiente, wenn man auch Einzelnes auf eine löbliche Weise berücksichtigt findet, während die meisten Vorschläge dieser Art nur davon zeugen,

wie wenig die Urheber derselben über den Gegenstand mit welchem sie sich beschäftigten ins Klare gekommen waren.

Denn waS soll man z. B. anderes sagen von einem Plane wie der von Guislam a. a. O. Theil 2. vorgelegte, zu einer Anstalt, wo ein größeres Oval zwey kleinere Ovale, eines für die Männer, das andere für die Frauen aufnimmt, von

welchen letzteren Ovalen jedes acht Höfe in sich schließt, die alle, von Gebäuden umgeben sind, in welchen sich die Zellen

für die Irren befinden, wovon keine über 10 Fuß Tiefe und

der größte Theil nur 8 Fuß oder noch weniger Breite hat,

41 indem ein Hauptbcstreben bey diesem Plane dahingrrichtet gewesen zn seyn scheint, jedem der 300 Kranken, für welche

die Anstalt bestimmt ist, eine besondere Zelle

anweisen zu

können. Von den in andern Formen wirklich errichteten Anstalten will ich unter der größeren Anzahl nur zweyer der wichtig­

sten gedenken, welche erst in den letzten Jahren erbaut wur­ den, nämlich der Privatanstalt zu Vanves, die unter der Leitung der Dr. Dr. Falret und Voisin steht, und der Anstalt für die wahnsinnigen Armen der Grafschaft Middleser zu Hanwell.

Die erstere für hundert Kranke berechnet hat

ungefähr folgende Gestalt:





In dem mittleren Theile befinden sich im unterm Stock

die Wohnungen der Aerzte, die Badeanstalt,

die Küche und

die Speisezimmer. Die Zimmer der Kranken liegen in den von dem Mittelgcbäude zu beiden Seiten ausgehenden zwey

einstöckigen Flügeln, von welchen dis zur rechten für die Frauen, die zur linken für die Männer bestimmt sind. Zunächst an das Mittelgebäude stoßen die Coversationszimmer, die von oben her erleuchtet sind, und in die man von den Arbeitszim­

mern der Aerzte scheu kann.

Dann folgen die einfach aber

hübsch eingerichteten Wohnungen für die Kranken, die man nach folgenden merkwürdigen Abtheilungen in den beyden Flü­

geln zu jeder Seite geschichtet hat:

1) violens, 2) agiles,

42

3) mechants, 4) mclaticoliques, 5) melancaliqties disposes au suicide, 6) ddmens.

Diese vielfache Scheidung wird theils da­

durch bewirkt, daß das Seitengebäude in mehrere getrennt ste­ hende kleinere Gebäude, zwischen welchen sich niedliche Höfe, alle mit laufenden Brunnen versehen, befinden, theils da­

durch, daß viele Zimmer isolirt werden können, durch das Abschlüßen der gewöhnlichen und das Eröffnen anderer dazu

bestimmter Thüren, so daß das einzelne Zimmer dem Kranken

wie ein besonderes Haus erscheinen muß.

Die Zimmer der

Tobenden und der zum Selbstmorde geneigten Kranken sind mit großer Sorgfalt eingerichtet, die Kanten aller Meubel ab­

gerundet, die Wände mit Brettern ausgcschlagcn, zum Theil wattirt, Fensterladen und Fenster mit Schrauben verschlos­

sen. — In dem obern Stock des Mittelgebäudes befinden sich

die Wohnungen der Rekonvalescenten, auf das reichste ver­ ziert , und mit allen erdenklichen Bequemlichkeiten versehen. Uebcrdies findet man in dem äußerst großen, nur mit Rück­

sicht auf die Erweckung angenehmer Empfindungen angelegten Park, der wieder von ausgedehnten Ländereien umgeben ist, die

eben so wie der Park von hohen Mauern umschlossen

sind und welche mit diesem zusammen mehr als sechszig Mor­ gen halten, einzelne Pavillons für die Aufnahme von Familien erbaut, um, wenn die Umstände es gestatten, den Kranken in

dem Schooße derselben zu lassen. — Alles dieses entspricht dem LuruS einer ausschließlich für Wohlhabende errichteten Privatanstalt, so wie die ganze Einrichtung auch nur für eine

solche und für eine geringere Krankenzahl passend ist,

wenn es gleich auch schon für eine solche als nachtheilig zu

betrachten ist, daß die verschiedenen Abtheilungen einander so nahe und im Auge liegen und daß die störenden Elemente die­

ser Gesellschaft von dem übrigen Theile nicht genugsam ge­ trennt sind; während auch Dienst und Aufsicht, da die durch­ aus einstöckigen Flügel einen wenigstens verhältnißmäßig zu großen Raum ciunchmcn, nothwendig bedeutend erschwert ist.

43 Doch wird dieses in einer Privatanstalt für reiche Kranke, für

die eine Menge gut bezahlter Wärter und Oberaufseher un­

terhalten werden kann, weniger gefühlt und, alles zusammen

genommen, wird diese Anstalt, in ihrer vornehmen Sphäre, immer für eine der vorzüglichsten gelten dürfen, wenn es auch sehr zu bezweifeln ist, ob diese raffinirte Bedachtnahme auf alles was einer verwöhnten Und verweichlichten Sinn­

lichkeit durch angenehme Eindrücke schmeichlen kann, selbst bey

den Kranken aus den höchsten Ständen, in allen Fällen heil« sam und ärztlich zu billigen ist.

Die Anstalt zu Hanwell*),

unfern London, die, wie

schon oben erwähnt worden, für etwa 700 Kranke eingerich­ tet worden, ist so erbaut, daß sich an ein sehr langes und breites Mittelgebäude, in einem rechten Winkel zwey große Flügel anschließen. Das Gebäude ist dreystöckig und hat ein

herrliches imposantes Ansehen, welches durch den pompösen Eingang in das

Gebiet der Anstalt und durch ihre heitere

Lage in einer großen Wiesenebene unweit der Themse, von welcher ein Kanal bis an das Hauptgebäude reicht, mit ei­ ner reizenden Aussicht nach allen Seiten hin, noch erhöht wird. Die Heitzung der Anstalt wird durch erwärmte Luft, btt

nächtliche Beleuchtung

durch Gas bewirkt.

Auf der Mitte

deS Daches von dem Mittelgebäude und von beyden Flügeln

steht eine hohe beglaste Kuppel,

welche den unter ihnen an­

gebrachten Treppen, auf denen man auf jedem Stockwerk die

Aussicht auf die Corridors zu beyden Seiten hat, ein volleLicht von oben giebt.

Die Hofräume befinden sich hinter dem

Centrum und hinter den beiden Flügeln. Die Oekonomiegebäude schließen sich an die Flügel des Hauptgebäudes an und

so die Waschanstalt, eine der schönsten vielleicht, die es gibt, an die der Frauenabtheilung. Diesen großen Vorzügen, die sich

*) Auch hier folge ich den mir von Herrn Dr. Zeller mitgetheilten Notizen.

44 dem

Auge zunächst darbieten, entspricht indessen keineswegs

die übrige innere Einrichtung, die vielmehr mit dem königli­

chen Aeußeren in einem auffallenden Widerspruch steht. Schon die Hauptscheidung der beiden Geschlechter, wovon daS männ­ liche die linke Seite des Mittelgebäudes und den linken Flü­

gel, daS weibliche dieselben Theile auf der rechten Seite inne hat, konnte, bey der für die Anstalt gewählten Form, nicht gehörig bewirkt werden, da ihre Wohnungen, in der Mitte aneinander grenzen und auf den beiden Seiten nur durch die

lange Flucht der Gebäude mehr von einander getrennt sind, ohne daß doch der gegenseitige Blick auf dieselben, so wie die Möglichkeit anderweitiger Gemeinschaft durch sonst etwas hin­

reichend gehemmt ist.

Auch findet sich keine Einrichtung zu

einer gehörigen Sonderung der verschiedene« Gattungen von

Kranken nach einer zweckmäßigen Classifikation vor; sonder«

es ist die Gesammtheit derselben nur, und dieses nicht strenge, in Ruhige, Tobende und Bettlägerige getheilt. Die Schlaf­ zellen für die einzelnen Irren find sehr klein, fast enge, ob­ wohl auch größere Schlafsäle dazwischen liegen.

Corridors sind verhältnismäßig viel zu schmal.

Auch die

In dem Erd­

geschoß befinden sich die Arbeitszimmer für die Kranken und die Wohnungen der Beamten; — an den Enden beider Flü­

gel die sehr einfachen Badeanstalten. — Noch ist zu bemerken, daß die Fenster nicht mit eisernen oder hölzernen Stäben ver­ wahrt, sondern so eingerichtet sind, daß sie entweder auS ei­ nem sehr kleinen Oberflügel, der allein geöffnet werden kann und dann nicht Raum zum Hinausspringen gewährt, und

aus einem großen feststehenden Untcrflügcl bestehen, dessen Rahmen, eben so wie der des Obcrflügels von Eisen und mit kleinen Scheibenöffnungen versehen ist; — oder aus zwey

runden Hälften, bey denen immer einzelne Scheiben fehlen,

welche Hälften hintereinander stehen und, da sie genau auf­ einander passen, so gedreht werden können, daß die nicht be-

glasetcn Stellen einander decken oder nicht.

45

e) Endlich ist es sehr empfohlen worden, eine gewisse Anzahl von einander getrennter einstöckiger Pavillons zu errichten, die auf einem großen- parkartig angelegten Raume vertheilt ständen,

und von den einzelnen Krankenabthcilungen und Kranken be, wohnt würden. Man überzeugt sich aber bald, daß diese Idee

höchstens nur für eine kleine Privatanstalt von 25 — 30 Kran­ ken zu realisiern wäre, und daß sie auch für diese einen mil­ deren Himmel fordern würde, als unser deutscher ist, um sich nicht als etwas wirklich Ungereimtes darzustellen. Eine An­

stalt von zweyhundert Kranken würde sich aber vollends bey einer solchen Einrichtung auf ihrem eignen Boden so zer­ streuen, daß an keine regelmäßige Beaufsichtigung,

ärztliche

Behandlung und Verpflegung mehr zu denken wäre, letzteres

selbst bey

schweige

der günstigsten Jahreszeit und denn bey Herbst«

Witterung,

und Wintersturm,

ge­

bey Regen,

Schnee und Eis *).

*) Die bauliche Einrichtung so vieler älteren, wenn auch größeren,

Anstalten, übergehe ich hier mit Stillschweigen, da, so weit sie mir bekannt sind, keine derselben in irgend einer der wichtigsten Beziehungen den Forderungen entspricht, die man gegenwärtig an

dergleichen Institute zu machen berechtigt ist; wie denn in diesem Sinne beyspielSweise die berühmte Anstalt zu Aversa genannt werden kann, die man so lange in gleicher Weise -roie die zu Sa­

ragossa nach Hörensagen gepriesen und immer wieder gepriesen hat, bis endlich genauere Nachrichten uns belehrten, wie wenig dort

besteht, waS so großes Lobes werth ist, so wie denn auch der von

Dr. Dominico Gualandi in seinem Osservazioni sopra il celebre

Stabiliamento d’Aversa, Bologna 182Z. mitgetheilte Grundriß der Anstalt uns eine Einrichtung vergegenwärtigt,

ihren Theilen mangelhaft und verwerflich

die fast in allen

ist. — Außer diesen

älteren Anstalten bestehen aber auch in Deutschland einige neue, für welche man gleich wie für die zu Siegburg schon vorhandene Gebäude benutzte, unter welchen die zu LeibuS i» Schlesien, die



46



zu Hildesheim im Königreich Hannover und die zu Winnenthal im Königreich Würtemberg vorzüglich genannt zu werden verdie­ nen. Wenn aber auch, nach vorläufigen Nachrichten, die gegebe­ nen Lokalitäten hier überall auf eine sehr zweckmäßige Weise benutzt worden und diese Anstalten alle mit auSzeichnenden Vor­ zügen geschmückt sind, so könnte doch für den Zweck dieser Schrift, eine Beschreibung ihrer baulichen Einrichtung nicht dienen, falls mir solche selbst bekannter wäre, als eS hinsichtlich der beyden ersteren wenigsten- der Fall ist.

Viertes

Kapitel.

Hauptbestimmungen, welche man bey der innern Einrichtung und Raum­ eintheilung von Irrenanstalten, welche Form man auch wählen mag, zu berücksichtigen hat. — Ueber die angemessenste Classification der Kranken und welche Abtheilungen in baulicher Hinsicht hienach nöthig werden. Ob eine besondere Abtheilung für Reconvalescenten noth­ wendig oder- zweckmäßig sey? wovon daS Gegentheil behauptet wird. Welche Form für die Anstalt man

aber auch wählen

möge, so sind hinsichtlich der Bauart, innern Einrichtung und Raumvcrtheilung gewisse Grundsätze im Auge zu behalten, die

ich folgendcrmaaßen glaube bestimmen zu dürfen: 1) Die Gesammtheit der Gebäude muß den Charakter

der Solidität, Einfachheit und so viel möglich der Heiterkeit

an sich tragen; man soll dadurch weder an ein Schloß, noch an ein Kloster, noch an eine Fabrikanstalt,

und am wenig­

sten an eine Zwangsarbeitsanstalt erinnert werden, sondern die Bauart soll durchaus der eines anständigen bürgerlichen Wohnhauses gleichen, und diesem muß daher auch die Höhe

der Stockwerke, die auch in dem obern Stockwerk nicht unter eilf Fuß seyn darf, die Höhe und Breite der Fenster, in so

weit nicht in Bezug auf Sicherheit, bey einzelnen Theilen deS Gebäudes eigenthümliche Formen erheischt werden, die Gestalt

der Thüren, und so alles übrige entsprechen.

Das Ganze

gleiche einem großen Kurhause, -an einem Brunnenorte, das nicht durch Pracht des

leidenden Zustandes seiner Bewohner

zu spotten scheint, während doch dessen einfache Anmathigkeit,

Heiterkeit und Gemächlichkeit überall davon zeugen, wie mau

darauf bedacht gewesen ist, dem unglücklichen Kranken die Zeit, während deren er sich getrennt von den Seinigen, einer lang­

wierigen Kur unterwerfen muß, so viel möglich zit erleichtern.

48

2) Sämmtliche Kranke beyder Geschlechter müssen nach Maaßgabe des mehreren oder minderen Einflusses der Krank­ heit auf ihr sittliches Verhalten und nach dem hiedurch gege­ benen Grade ihrer Fähigkeit oder Unfähigkeit Ruhe,

Rein­

lichkeit, Anstand, Ordnung zu beobachten, gegebenen Vor­

schriften nachzuleben, sich zweckmäßig zu beschäftigen u. dergl. m.,

so wie nach der durch diese Verschiedenheit bedingten Art der ärztlichen Behandlung, strenge auseinander geschieden, in ge­

wisse Hauptklassen getheilt und die hiernach Zusammengehöri­

gen in besonderen Abtheilungen der Gebäude untcrgebracht werden. — Außerdem müssen in denjenigen dieser Abtheilungen, die den ruhigern und

sittsamern Irren bestimmt sind, noch

Untcrabtheilungen eingerichtet seyn, damit die Kranken auS den untern Ständen von den Kranken aus den gebildeten Ständen geschieden werden können, und auch hier muß noch eine Zwischenstufe für wohlhabendere Gcwerbsleute u. s. w. bestehen. 3) Nach Maaßgabe wie die einzelnen Abtheilungen schwe­

rer oder leichter leidenden Kranken bestimmt sind, ist ihre innere Einrichtung auf größere Sonderung der einzelnen Kran­

ken oder auf ein mehr gesellschaftliches Zusammenleben be­

rechnet. 4) Die Wohnzimmer sind durchgehends von den Schlaf­ zimmern getrennt, so daß für alle Kranke, die nicht bettlä­

gerig sind, die Schlafzimmer nur zu Schlafenszeit geöffnet werden. In wie fern die den schlimmsten Kranken bestimmten Gemächer eine Ausnahme hievon machen dürfen, wird sich

unten näher ergeben. 5) Die Wärter wohnen und schlafen mit den Kranken in denselben Räumen, mit Ausnahme der für die schlimmsten

Kranken

bestimmten

Abtheilungen,

wo die Wärter eigene

Schlafzimmer erhalten oder in den Corridors vor den Kran­ kenzimmern schlafen. '6) Dor den den Kranken bestimmten Zimmerreihen, erstrecken



49

sich hinlänglich breite, Helle Corridors, in denen sie auf und abgehen können. Wo die Gebäude der Anstalt mehrere Quadrate bilden, welche Hvfräume einschließen, sind die Corridors gegen die Hofseite, die Zimmer gegen die äußere Seite

gerichtet.

Nirgends befinden sich doppelte, einander gegen­

über liegende, Zimmerreihen, mit dazwischen hinlaufenden,

nur durch geborgtes Licht, erhellten Corridors.

7) Durchgehends muß die Einrichtung so getroffen seyn, daß unruhige, lärmende Kranke, solche nämlich, die darum noch nicht in die Abtheilung der Tobsüchtigen gehören, nicht unter oder über solchen wohnen, die sie durch ihren Lärm be­

lästigen könnten.

8) Alle einzelne Krankenabtheilungen müssen so von ein­ ander geschieden seyn, daß keine Art von Verkehr zwischen den Bewohnern derselben statt finden kann. Zugleich aber muß für das Beamtenpersonal der Uebergang von einer

Abtheilung in die andere möglichst leicht und ungehemmt seyn. — Eine hinreichende Anzahl Treppen führen zum zwey­ ten Stockwerke hinauf. Diese sind bequem, von sanfter Stei­

gung, mit Ruheplätzen an ihren Wendungen, von hinlängli­ cher Breite für das Führen der Kranken, wo solches nö­

thig ist, und für den Transport von allerley Utensilien, gegen die Möglichkeit des Ucberstürzens über die Seitenlehnen ge­ sichert und gut erhellt. — Die Wohnungen der Obcrwärter und Oberwärterinnen müssen sich in der Mitte der männli­

chen und weiblichen Krankenabtheilungen und' an solchen Stel­ len befinden, die für die von ihnen zu führende Aussicht am gelegensten sind. 9) Alle zu gemeinschaftlichem Gebrauch' bestimmte Lokale und Institute, die sich auf Behandlung und Verpflegung be­ ziehen, müssen so viel möglich so gelegen seyn, daß sie von

allen Krankenabthcilungen gleich leicht erreicht werden kön­

nen ; so z. B. Kirche, Bäder, Leichenkanrmer, Sectionoziinmer, Koch- und Waschküche, Magazine, Vorrathskammern

50

u. s. n>.



Ebenso müssen die Wohnungen des Verwalters, daS

Verwaltungöbürcau, die Wohnung deS zweyten Arzteö und

des ärztlichen Assistenten gelegen seyn. 10) Dagegen müssen die der Oekonomie bestimmten Lo­ kale, die Wohnung des OekonomS, so wie des zur Oekonomie

gehörigen Personals, die Ställe für Kühe und Pferde, die

Remisen,

Scheune, die Schreiner- und Schneiderwerkstätte

v. s. w. mehr nach Außen gelegen seyn; gleich wie auch die

Wohnung des Directors eine freyere, ruhigere, abgeschiedenere Lage erhalten muß.

Nach VorauSschickung dieser allgemeinen Bestimmungen ist eS erforderlich, daß mit etwas größerer Ausführlichkeit der Bertheilung der Räume für die verschiedenen Zwecke der

Anstalt gedacht werde, zumal in Bezug auf eine solche Sonde­ rung der Kranken in verschiedene Klassen, wie ihr jedesmali­

ger Zustand sie nothwendig macht, indem in der zweckmäßigen

Einrichtung einer Irrenanstalt in dieser Beziehung, nämlich in Beziehung auf die Bestimmung der Krankenabtheilungcn, gemäß dem, Behufs der Behandlung, ermittelten Bedürf,

ittfse, auf das richtig getroffene räumliche Verhältniß dieser ein-

zelnen Abtheilungen und auf deren vortheilhaft bestimmte ge­ genseitige Lage zu einander, einer ihrer allerwicheigsten und. über ihren Werth in großem Maaße entschiedensten Vorzüge

besteht, so daß man daher bey der Gründung neuer Institute dieser Art hierin gewiß nicht zu umsichtig zu Werke gehen kann^

Der leitende Grundsatz, nach welchem bey der Eintheilung der Kranken in einer Irrenanstalt im Allgemeinen verfahren werden muß, ist oben schon ausgesprochen worden, und ich, muß hier nur noch hinzufügcn, daß das Wichtigste bey diesen Bestimmungen die gehörige Ausscheidung, Trennung uno Schichtung der schlimmeren Kranken nach Maaßgabe ihrer psychischen Krankheitsäußerungen in Bezug auf äußeres Ver­

halten ist, insoferne sie nämlich andern gefährlich, nachtheilig oder lästig zu werden drohen, während noch so große ander-

51

-

wellige Verschiedenheiten in der Form deS Jrreseyns, wenn

diese nur mit einem übrigens harmlosen und anständigen Ver­

halten gepaart ist,

keinen Grund zu einer besondern Schei­

dung geben darf, indem durch die Gemeinschaft solcher Kran« ken miteinander weder das Heilverfahren noch die Hausord­

nung jemals irgend eine wesentliche Störung erleiden wird.

Bey jener Scheidung von Kranken aber, deren Jrrescyn M durch einen, wenigstens objectiv, schlimmeren Character üuszeichnet, geht unsere Absicht eines Theils dahin, zu verhü­ ten, daß solche sich selbst oder andere Kranke oder ihre Wär­ ter mißhandeln und verletzen, daß der Reinliche durch den Unreinlichen, der Ruhige durch den Unruhigen, der Harm­ lose durch den Boshaften belästigt und gekränkt werde. Fast noch wichtiger ist jedoch für uns dabey die Beschränkung der

Verbreitung von tobsüchtiger Aufregung, von ausgearteten Leidenschaften und Affekten und unsittlichen Neigungen und Gewohnheiten, denen diese Unglücklichen so häufig unterwor­ fen sind, auf andere Kranke, indem eine in den meisten Ir­

renanstalten nur zu häufige Erfahrung lehrt, wie verderblich dergleichen Individuen mittelst Uebertragnng der Anregung durch

den Eindruck auf die Sinne, durch Beyspiel u. s. w. auf viele

ihrer Genossen, die durch eigene verwandte krankhafte Stim­ mung schon die höchste Empfänglichkeit dafür nähren, einzuwir­ ken pflegen. Da nun hinsichtlich des höchst schädlichen Ein­ flusses, den solche Kranke gegenseitig aufeinander auszuüben vermögen, so wie hinsichtlich der Nothwendigkeit einer mög­

lichst wirksamen Verhütung desselben, kein Zweifel obwalten kann und eben so wenig darüber, daß solche schädliche Ein­ wirkungen durch kein anderes Mittel als durch eine gehörige Trennung der also krankhaft Disponirtcn, von denen, welche einen solchen Einfluß auf sie ausüben können, zu erzielen seyn wird, so ergeben sich als nothwendig gewisse Eiilthetluugen, die

durch die Verschiedenheit der Krankhcitsäußcruugen des einen Theils und durch die Verschiedenheit der Empfänglichkeit des

52 alliiern Theils bestimmt werden.

Doch wird man bey diesen

Scheidungen und Einthcilungen immer nur einige HauptmoVisitationen tm Auge behalten und, um nicht eine allzugroße

Complication in den Organismus der Anstalt zu bringen, die

Abgrenzung so bestimmen müssen, daß der Zweck im Wesent­ lichen erreicht werde, ohne daß durch eine zu genaue Berück­ sichtigung von weniger erheblichen Momenten die Sache un­ ausführbar gemacht werde.

Hiernach nun glaube ich, daß

folgende Hauptabthcilungen für jedes der beiden Geschlechter

zu bestimmen seyn dürften. Erstlich eine Abtheilung für die an Manie leidenden oder sonst zerstörungssüchtigen und zu plötzlichen und gefähr­ lichen Angriffen auf andere disponlrte Kranke. In so ferne aber bey weitem nicht alle solche Kranke lärmend sind, die übrigen Irren jedoch am meisten durch die, oft viele Tage

und Nächte hintereinander, schreienden, brüllenden und krei­ schenden Kranken belästigt und nach Umständen aufgeregt wer­

den, so wird für diese Mvdification von Irren zweitens eine Abtheilung erfordert, welche die Schrei­

süchtigen aufnimmt, eines der wichtigsten Requisite der Anstalt, wobey es erforderlich ist, daß dieselbe so gelegen und gebaut sey, daß der Schall sich von derselben aus so wenig wie mög­ lich über die andern Theile des Instituts zu verbreiten vermöge.

Drittens eine Abtheilung für die vorübergehend an hohen Graden von Blödsinn leidenden Kranken, (denn an angcbornem oder in Folge vorhergegangener Krankheit chronisch

und sir gewordenem Blödsinne leidende Kranke gehören nicht in eine Heilanstalt). Diese Abtheilung kann sich ohne Scha­ den für die Kranken, denen sie bestimmt ist, bey übrigens strenger Scheidung, zunächst an die erste Abtheilung anschlie­ ßen und es können mit diesen Blödsinnigen auch diejenigen

unreinlichen Kranken vereinigt werden, die nicht in die erste und zweyte Abtheilung gehören.

Viertens muß eine besondere Abtheilung bestehen, für

53 die zwar nicht in die drei vorhergehenden Abtheilungen gebörigen, aber doch noch tiefer erkrankten Irren; nämlich theils für die noch in einem höheren Grade wahnsinnig aufgeregten,

die ihren Zustand auf eine für andere vorzüglich belästigende Weife kund geben, z.B. durch gewisse unabläßig wiederholte Ge­

stikulationen oder Worte, durch anhaltendes Schwätzen, Teclamiren. Singen, Umhergehen u. s. w., wozu auch alle entschieden widerspenstige, tückische, boshafte, sittenlose, unzüchtige Kranke

gehören; theils für die tief Schwermüthigen oder Melancho­

lischen , die durch ihr Verhalten einen nachtheiligen Eindruck auf andere, zu einer ähnlichen Verstimmung disponirte. Kranke

zu machen im Stande sind, oder die wegen ihrer Neigung zum Selbstmord eine sorgfältigere Bewachung erheischen. Füglich werden solche Schwermüthige auch in dieser Abthei­

lung noch, um der ihnen zu widmenden strengeren Aufsicht willen, einige ihnen besonders gewidmete aneinanderstvkeude Zimmer angewiesen erhalten, obwohl.sie übrigens um so mehr ntit den oben erwähnten aufgeregten Kranken in eine Haupt­

abtheilung zusammen gebracht werden können, da sie in ihrer

Concentration auf sich selbst, weder Schaden noch Belästigung

von denselben in irgend einem bedeutenden Grade zu erfah­ ren im Stande sind. Doch versteht es sich von selbst, daß hier nicht von den an geringeren Graden von Schwermuth

leidenden Irren die Rede ist,

da diese schon in die nächste

höchste Abtheilung gehören. Nachdem nun solchergestalt für die Unterbringung aller bisher erwähnten Modificationen von Irren in vier verschie­ dene Abtheilungen gesorgt ist, vereinigt fünftens eine letzte Abtheilung

sämmtliche übrige der Anstalt zur Behandlung

übergebene Individuen in sich, und zwar mögen solche an was immer für einer Art von Jrreseyn leiden, mögen sie erst vor Kurzem oder schon lange erkrankt seyn, mögen sie der Reconvalescenz nahe stehen oder selbst bereits als geheilt be­

trachtet werden, oder mögen sie noch sehr ferne von diesem

54 — Ziele und vielleicht sogar

schon

als

unheilbar

anzusehen

seyn, immer gehören sie dieser Abtheilung an, wenn sie nur fähig sind sich friedlich und anständig zu betragen, die Gesetze des Hauses zu beobachten, sich vorschriftsmäßig zu beschäftigen

und zugleich von krankhaften Eigenheiten solcher Art frey sind, durch welche die andern Bewohner dieses Theiles der An­ stalt wesentlich belästigt werden könnten.

Nothwendig aber muß auch dafür gesorgt seyn", daß die Kranken aus den hohem und gebildeter« Ständen, welche sich in den untern Abtheilungen mit den Kranken aus den untern Ständen mehr oder weniger vereinigt befinden, indem

bey der Beschaffenheit ihres Leidens eine strenge Scheidung dort weder möglich noch erforderlich ist und die daher selbst noch in der vierten Abtheilung nur den Vorzug von etwas

besser eingerichteten Zimmern, einer bessern Kost und einer specielleren Wartung genießen, in dieser fünften Abtheilung ein besonderes Revier angewiesen erhalten, in welchem sie ver­

einigt leben und wo die gewohnten Annehmlichkeiten des Le­ bens in Wohnung, Geräthe, Kleidung, Unterhaltungsmitteln m. s. w., wenn auch mit Mäßigkeit gewährt, ihnen wieder zu

Theil werden, indem der Zustand solcher Kranken durchaus erheischt, daß der Sitte und dem persönlichen Gefühl in die­ ser Beziehung Genüge geleistet werde. Zugleich muß mau dahin sehen, daß die mehr zusammen paffenden Kranken f» wie die Rekonvalescenten so viel möglich Stubengenossen oder doch Stubennachbaren werden und hat diese Rücksicht auch

bey den schon in größeren Räumen vereinigten Bewohner» dieser Abtheilung aus den untern Ständen im Auge zu be­ halten , ohne daß man sich doch hier so genau wie dort an diese Regel zu binden braucht, da eine Vernachlässigung der­

selben bey den auf einer niedrigern Bildungsstufe stehenden Kranken insgemein weniger beachtet wird.

Nicht unwahrscheinlich wird hier die Frage aufgeworfen werden, ob denn für die Trennung der Rekonvalescenten gar

55 nicht zu sorgen sey und ob nicht gerade diese, vor allen übri­

gen, in eine besondere strenge geschiedene Abtheilung vereinigt werden sollten. Denn bekanntlich ist vorzüglich auf diese Scheidung in den Irrenhäusern von manchen Seiten mit gioßem Eifer gedrungen worden, indem man es nicht nur als etwas Unerträgliches schilderte, daß Wiedergenesende ferner mit Wahnsinnigen zusammen leben sollten, sondern von einem

solchen Zusammenleben entstehende Rückfälle als etwas we­ nigstens sehr zu Befürchtendes wenn nicht Unvermeidliches an­ sah, so daß, wie ich schott oben angeführt, selbst manche Ir­ renärzte der Meinung waren, daß, wenn es auch gebieterische

Umstände fordern sollten, einen Kranken in eine Irrenanstalt zu bringen, man doch bey dem ersten Anscheine der Besserung

nicht genug eilen könne, ihn wieder hinauszunehmen. Diese Vorstellungen nun, finde ich mich veranlaßt, nach den Ergebnissen unzweifelhafter Beobachtung, ausdrücklich für ein bloßes Hirngespinst der psychiatrischen Theoretiker zu erklä­

ren, dessen Nichtigkeit durch die tägliche Erfahrung in allen Irrenanstalten auf das Ueberzeugendste dargethan wird. Diese

Erfahrung lehrt nämlich, daß sogar die Scheidung der Re­ konvalescenten und der diesen mehr oder weniger nahe stehen­ den Kranken, voll solchen Irren die noch auf eine Art leiden,

wodurch ihre Ruhe und ihr Wohlbehagen durch die nähere Ge­ meinschaft mit jenen wesentlich gestört und ihr Gefühl auf man­ nigfaltige Weise ergriffen und verletzt werden kann, — daß die Scheidung der Recottvalescenten von diesen schlimmeren Kran­

ken, sage ich, durchaus mehr eine Maaßregel der Menschlichkeit als der Nothwendigkeit, behufs der Abwendung einer etwa ihrer Gesundheit drohenden Gefahr oder eines NückfalleS ist. Denn

wo einmal die Reconvalesccnz unzweifelhaft begonnen hat und bis zu einem gewissen Grade gefördert ist, wird diese durch solche Einflüsse in der Regel nicht mehr gestört und es

erreichen dergleichen Reconvalescenten die vollständige Gene­

sung selbst in der ausschließlichen Umgebung von den schlimm-

sten Kranken aller Art,

56

und nie habe ich durch solche Ein«

flüffe wirklich Schaden oder gar einen Rückfall entstehen sehen. Oesters habe ich dagegen, wie ich bereits früher zu bemerken

Anlaß fand, beobachtet, daß auch die zartesten Organisatio­ nen und Gemüther, aus Mitleid und Interesse für ihre seithe­

rigen Krankheitsgenossen, wenn sie selbst genesend in die oberste Abtheilung versetzt wurden, ohne allen Nachtheil täglich mit jenen in ihren früheren Wohnungen verkehrten und sich zum Theil ein Geschäft daraus machten Trost und Erheiterung in dieselben zu bringen, so daß man nicht verkennen kann, wie

das Zusammen- und Fortleben mit Irren während des Be­ ginnens und der Zunahme der eigenen Recovalescenz, durch die Umstände und die Gewohnheit auf eine Weise unschädlich gemacht wird, wie solche, denen eigene oder vorurtheilsfreye

Beobachtung fehlt, es schwer zu glauben vermögen und daß

die Gefahren und Nachtheile, welche diese hier theoretisirend voraussctzen, durchaus nicht bestehen. Ja ich bin selbst nach mehreren mir vorgckommene» Beyspielen überzeugt, daß wenn

ein anscheinender Rekonvalescent, die Nothwendigkeit sich fort­ während noch unter Irren aufzuhalten allzulebhaft beklagt, und in dieser Beziehung eine zu große Reizbarkeit an den

Lag legt, seine Rekonvalescenz noch als höchst zweydeutig zu betrachten ist. Don der Zuläßigkeit eine- fortgesetzten Aufent­

haltes von Rekonvalescenten unter Kranken, die sich die­ sem Zustande ebenfalls nähern oder deren Jrreseyn sich auf eine für andere wenig störende Weise äußert, kann daher nach meinem Dafürhalten nicht die Frage seyn.

ich bin selbst entschieden der Meinung,

Doch noch mehr:

daß wo in einer Ir­

renanstalt die Abtheilung für die schon gebesserten und sitt­ sameren Kranken gehörig geschieden und eingerichtet ist, eine eigene ausschließlich den Rekonvalescenten gewidmete Abthei­ lung, nicht mir als etwas Ueberflüssiges, sondern in man­

chem Betracht sogar als etwas Zweckwidriges betrachtet wer­ den darf.

57 Erstlich nämlich, und dies ist wohl daS wichtigste Mo­ ment, ist es für das Ganze durchaus nicht angemessen und heilsam, sondern vielmehr höchst ungeeignet und nachtheilig, wenn fortwährend die Gebesserten und Vernünftigern aus

der Masse der Uebrigen, auf dem Wege der Besserung befind­

lichen, Kranken, auf die fie grade jetzt den günstigsten Ein­

fluß ausüben können, — einen Einfluß welchen auch fie in der Regel gerne und mit eigenem Wohlgefühle geltend ma­

chen, — ausgcschieden werden, um fie zu isoliren.

Denn

grade durch diese RcconvaleScenten wird wenigstens in einem gewissen Maaße dasjenige gewährt, was für eine Irrenan­ stalt eben so wünschenswerth

als

schwer zu erreichen ist,

nämlich die Irren mit einer größer» Anzahl geistesgesunder

Individuen zu umgeben, — und wahrlich ziemt es uns nicht,

diesen großen Vortheil einer unbegründeten Meynung aufzu­ opfern, selbst nicht wenn man es geltend machen will, daß auf diese Weise die Reconvalescentcn als Mittel für fremde Zwecke benutzt würden, da ja jeder Kranke in seinem Fort­ schreiten zur Genesung dieselbe Wohlthat erfährt. Zweytens wird die Zahl der entschiedenen Rekonvales­

centen auS jedem einzelnen Geschlechte, und aus je­ dem Stande in Irrenanstalten, die nicht mehr als zwey-

hundert oder noch weniger Kranke zählen, jedesmal nur sehr unbedeutend seyn, und es kann daher eineJsolirung dieser we­ nigen Individuen, unter denen die Scheidung nach Geschlecht und Stand doch fortbestehen muß, nur auf eine für die mei­ sten drückende und betrübende Weise bewirkt werden, während

es zugleich nothwendig wird hier für Beschäftignngs - und Unterhaltungsmittel doppelt zu sorgen, wenn die Reconvales-

centen wirklich von ihren vorigen Krankheitsgenoffen völlig geschieden bleiben sollen*).

♦) Man nehme z. SB- daS Verhältniß in dem sogenannten Gene-

83 Drittens endlich ist eine solche Trennung, wenn ffe auf eine dem vorgesetzten Zwecke entsprechende Weise bewerk­

stelligt werden soll, schwerlich anders als in einem von dem

Mittelpunkte der Anstalt hinlänglich entfernten besondern Ge­ bäude möglich, wobey aber nothwendig die Reconvalescenten zugleich von dem Mittelpunkte der Aufsicht uud Verpflegung

entfernt werden, in welchem Betracht also wieder nene Maaß­ regeln erforderlich sind, wobey kaum mancherley wesentliche Nachtheile zu vermeiden seyn werden. Dieser Schwierigkeit

hat man auf dem Sonnenstein dadurch zu begegnen gesucht, daß man dem Geistlichen der Anstalt die Aufsicht über dieses ReconvaleScentenhaus, in welchem er auch seine Wohnung hat, übertrug, welches aber ohne Zweifel in so ferne wieder nachtheilig ist, als die Wirksamkeit des Geistlichen dadurch zum größten' Theil der Hauptmasse der Kranken entzogen

wird, eine Rücksicht, die wenigstens bey der großen und wich­

tigen Thätigkeit, welche die Geistlichen

auf der Siegburger

Anstalt zu entwickeln bestimmt sind, hier nicht anders als ent­ scheidend gegen ein solches Auskunftsmittel angesehen werden könnte.

Wenn nun die Vcrtheilung sämmtlicher Kranken jedes

Geschlechtes in fünf Abtheilungen nach dem Obigen als ge­

rechtfertigt erscheinen dürfte, so bleibt uns noch übrig die Zahl der Kranken fcstzusctzen, die im Durchschnitt als ans

jede Abtheilung treffend angenommen werden darf, indem sungShause, welches in neuerer Zeit auf dem Sonnenstein in Sach­ sen errichtet worden, wo sich am Schluffe der Jahre 1827 und

1828 jedes Mal

13 Kranke im Genesungshause befanden, wo­

von im letzten Jahre 8 männliche und 5 weibliche.

Gehörten

nun z. B- von diesen letztern eine Reconvalescentin zu der vor­ nehmen Klaffe (und für eine ist nur die Einrichtung getroffen),

eine andere dem Mittelstände und drey der unteren Klaffe an, so läßt sich leicht ermessen, wie wenig diese armen Geschöpfe sich

einer solchen wohlgemeinten Sequestrirung erfreuen konnten.

59 hiernach das diesen Abtheilungen zu bestimmende Raumver» hältniß bemessen werden muß. Indem ich diese Zahlen nach der bisherigen Erfahrung der Siegburger Anstalt aunährend

anzugeben versuche, muß ich' vorläufig daran erinnern, wie nothwendiger Weise dafür gesorgt werden muß, daß in sammt*

lichen Abtheilungen, zumal aber in den vier untern, stets eine

Anzahl von Räumen mehr disponibel sey, als sich nach der Durch­ schnittsberechnung ergiebt, indem häufig der Fall eintritt, daff eine ungewöhnliche Zahl von Kranken, wenn auch nur vor­ übergehend, von solchen Zufällen ergriffen wird, welche die Berlegung in

eine dieser Abtheilungen für den Augenblick

nöthig macht und eine solche Nothwendigkeit niemals irgend

Ueberhaupt tritt in die­ sen Anstalten täglich und stündlich daß Bedürfniß solcher Hin-

eine Verlegenheit herbeyführen darf.

und Herverlcgungen aus den oberen Abtheilungen in die un­ teren, und umgekehrt ein und es ist ein Haupterforderniß für die ärztliche Behandlung, daß diese immer schnell und leicht bewirkt werden könne. In einer Anstalt, welche zwcyhundert Kranke aufnehmeu

soll, würde man hienach annehmen dürfen:

1) für die erste Abtheilung zehn bis zwölf Kranke 'S) für die zweite Abtheilung zehn bis zwölf Kranke

12 12

3) für die dritte Abtheilung zehn bis zwölf Kranke 4) für die vierte Abtheilung vier und vierzig bis

12

vier und fünfzig Kranke.......................................... 54 5) für die fünfte Abtheilung hundert und zehn Kranke.

................................................................... HO* Summa . 200 *).

♦) Auch in der fünften Abtheilung muß übrigen» noch Raum für die Aufnahme von wenigsten» zehn bis fünfzehn Kranken mehr als die angegebene Zahl seyn, so daß also die Anstalt im Ganzen für 215 Kranke Raum hat, da theil» auch diese Abtheilung immer im Stande seyn muß, eine zufällig größere Zahl au» den untern

60 Bey dieser Feststellung sind männliche und weibliche Kranke

zusammengerechnet worden, weil das Verhältniß derselben zu eine­ ander in verschiedenen Gegenden zu sehr von einander abweicht, als daß in dieser Beziehung füglich etwas Allgemeingültiges

festgesetzt werden konnte. Nach dem Ergebniß der tabellarischen Aufnahmen sämmtlicher Irren in den Rheinprovinzcn im Jahre

1824 ist für die hiesige Anstalt das Verhältniß von 3/$ männ­ licher Kranken zu 2/s weiblicher angenommen und diese An­

nahme allen getroffenen Einrichtungen zum Grunde gelegt wor­ den. Nach den Aufnahmen in den ersten sechs Jahren, schien es, als ob selbst hiemit das Verhältniß der männlichen Kran­

ken zu den weiblichen noch zu niedrig angenommen wäre, in­ dem die Zahl der weiblichen

Kranken kaum mehr als ein

Drittheil der Gesammtzahl ausmachte; nach dem Ergebniß der letzten Jahre näherte sich aber dennoch daS Verhältniß

allmählig etwas mehr der ursprünglichen Annahme.

Abtheilungen aufzunehmen, theilt die Frequenz der Anstalt un» möglich in so engen Grenzen beschränkt gehalten werden kann, daß solche die Normalzahl nicht zuweilen um mehrere Individuen überschritte.

Beschreibung einer mit Beobachtung der aufgestellten Grundsätze eingerichteten Anstalt, von mehreren Quadraten, nach ihren einzel­ nen Theilen. Beschreibung der Lokalitäten, welche den drey untern Krankenabtheilungen bestimmt sind. Erörterung über die zweckmäßig«

ste Fensterverwahrung in denselben.

Wir gehen jetzt zn den Erfordernissen der baulichen so­ wohl als der übrigen innern Einrichtung jeder einzelnen

der fünf Abtheilungen der Anstalt über, die nach den obigen Erörterungen zur Unterbringung der Kranken nach Maaßgabe

ihres verschiedenen Zustandes bestehen sollen und wollen ver­ suchen durch eine genaue Beschreibung dieser Einrichtung, mit gleichzeitiger fortschreitender Hinweisung auf den Taf. I. ge­

gebenen skitzirten Grundriß einer nach den aufgestellten Grund­

sätzen projectirten Anstalt dem Leser unsere Idee möglichst an­ schaulich zu machen. Einrichtung der ersten Abtheilung, welche den Kran­

ken bestimmt ist, die an Tobsucht und dieser verwandten Zu­

stände leiden und die dabey durch anhaltendes Schreyen, Ru­ fen und sonstigen Lärm lästig werden. Hiebey sind die im Auge zu behaltenden Hauptrückstchten

folgende: 1) Die Sicherstellung des Kranken vor Selbstverletzung. 2) Die Sicherstellung der übrigen Kranken dieser Abthei­

lung und der Wärter in denselben, vor den gewaltthätigen und boshaften Handlungen des Kranken. 3) Die Beschränkung des nachtheiligen Einflusses,

den

die kranken Bewohner dieser Abtheilung gegenseitig durch man­

nigfaltige Einwirkung auf einander auszuüben vermögen.

62



4) Die Zerstörungssucht der Kranken an den Gemächern und dem Geräthe in denselben unwirksam zu machen.

5) Die Erhaltung der Reinlichkeit und die

leichte und

schnelle Wegräumbarkeit alles hier fortwährend so vielfältig

erzeugten Schmutzes und Unflathes. 6) Die Gewährung von stets reiner Luft, mäßiger Wär­

me, hinlänglichem Lichte und von einem solchen Grade von Heiterkeit der Wohnung, wie unter den gegebenen Bedingun­ gen nur immer erreichbar ist. 7) Die Möglichkeit, jedem Kranken in seines ruhigern Stunden und Tagen außer seinem Zimmer so viel Raum zu freyer Bewegung und so viel Gemüthserheiterung zu gewäh­

ren, wie mit seinem Zustande verträglich ist. 8) Die stete Beaufsichtigung und Beobachtung jedes ein­

zelnen Kranken. Die hier aüfgestellten Bedingungen werden durch folgende Einrichtung erreicht:

Wie schon früher bemerkt, sind die diesen unteren Klassen bestimmten Gebäude nur einstöckig; daher liegen die Zimmer*)

der Kranken durchgängig zur ebenen Erde und öffnen sich alle auf einen gemeinschaftlichen breiten Corridor oder Dor­

saal.

Erste Taf. A. und B. I. II. IIL

Jeder Kranke hat sein eigenes Zimmer, welches ihm zu­ gleich zum Wohn-

und Schlafzimmer dient.

Ebendaselbst

d. cl. d. Diese Zimmer sind eilf Fuß tiefe, zehn Fuß breite und und dreyzehn Fuß hohe Räume, deren Wände bis auf die

*) Wie groß die Zahl der Zimmer in dieser Abtheilung für jedes Geschlecht insbesondere seyn muß, ergiebt sich, wie schon gesagt , auS dem Verhältniß der in jedem Lande oder jeder Provinz zu erwartenden Zahl männlicher oder weiblicher Kranken, welche die Anstalt aufnehmen soll-

63 Hohe von sechs Fuß von dem Fußboden aufwärts mit Traß bekleidet, fleißig abgeglättet und dann bis zu dieser Höhe mit

einem marmorirten Anstreich von Oelfarbe bekleidet,

damit

fle eines Theils durch ihre große Harte gewaltsamen Derlezzungen Widerstand leisten, und andern Theils bey statt fin-

dender Beschmutzung sogleich wieder abgewaschen und auf diese Weise gereinigt werden können. Der obere Theil der Wände erhält, so wie die Decke des Zimmers, einen weiße« Anstrich. Die Scheidewände der Zimmer sind anderthalb Fuß dick.

Der Fußboden ist mit zwey Zoll dicken und sechs Zoll breite« «neinandergefugten Eichenbohlen gedielt, die zuvor mit kochen­ dem Leinöl getränkt und dann mit brauner Oelfarbe ange­

strichen sind, und hat gegen die Seite nach dem Corridor zu eine Senkung, die im Ganzen drey Zoll betragt, damit daS zu dem Reinigen der Zimmer gebrauchte Wasser durch die in

den Corridor sich öffnende Thüre einen leichten und schnelle« Abfluß finde und der Fußboden, der ohnehin wegen des An­ striches kein Wasier einläßt, nach dem jedesmaligen Abwasche« um so schneller wieder trockne. Das untere Ende der Wände ist mit einer zehn Zoll ho­ hen eichenen Fußleiste bekleidet, damit sie beym Schäuern der

Zimmer nicht beschmutzt werden und um so weniger das Was­ ser bey häufiger Benetzung in sie dringe. Die Thüre, auS vorzüglich starken Meyzölligen Eichendielen gezimmert und i«

einem Geschränke von eichenen Balken mittelst in diesen ein­

gesenkten ,

nicht vorspringenden Charnierbändern

eingehängt

und ganz glatt, öffnet sich von dem. Corridor einwärts nach dem Zimmer zu und hat ein an der äußern Seite angebrach­ tes und nur von Außen mittelst eines Schlüssels zu öffnendes

und zu schließendes deutsches Schloß,

so daß dieselbe, indem

sie zugleich gegen die Zimmerseite ohne allen Vorsprung i« das Geschränke eingefugt ist, dem Kranken eine völlig ebene Flä­ che darbietet, an der er daher keine Handhabe findet und

64 gegen die er,

eben weil die Thüre sich nach Innen öffnet,

er mag dagegen anstürmen wie er will, nichts vermag*).

Der Thüre gegenüber ist in einer für den Kranken un­ erreichbaren Höhe von beynahe neun Fuß über dem Fußbo­ den und einem Fuß unter der Decke das Fenster angebracht,

welches dem Zimmer das Licht giebt. Der Rahmen desselben hat zwey Fuß Höhe und fünf Fuß Breite und ist genau att

dem obern Drittheil seiner Höhe mittelst eiserner Charniere und dadurch gehende starke Wurfbolzen also in der Fen­ steröffnung aufgehängt, daß es vermittelst einer S nur, die in der Mitte der obern Leiste des Fensterrahmens befestigt und über mehrere Rollen an der obern Zimmerdecke hinlau­

fend durch eine Oeffnung in der gegenüber stehenden Wand in den Corridor

geführt,

von diesem aus,

wo sie bey

ihrem Austritt aus der Wand noch einmal über eine Rolle

läuft, geöffnet werden kann, indem es sich einigermaaßen horizontal stellt und in stigen der in einer

dieser Stellung durch

Schleife endigenden

das Befe­

Schnur an einen

hochstehenden Hacken erhalten wird, sobald man die Schnur aber losläßt , von selbst wieder zufällt. Die Vortheile welche

diese Einrichtung gewährt,

erhellen leicht,

da durch die­

selbe für Licht und für die Möglichkeit der Lufterneuerung

ohne daß der Kranke das Fenster zu erreichen vermag und ohne daß der Wärter, um

vollkommen hinreichend gesorgt ist,

*) Warum Roller a. a. O. p. 103 ausdrücklich verlangt, daß in den Abtheilungen für die schlimmeren Kranken die Thüren sich nach dem Corridor öffnen sollen, vermag ich nicht einzusehen, indem mir vielmehr die größere Zweckmäßigkeit der entgegengesetz^ten Einrichtung nicht zu bezweifeln scheint, zumal da der Kranke, weil alles Geräth in seinem Zimmer unverrückbar ist, nichts be­ sitzt, um die Thüre zu verbarrikadixen als allenfalls feine eigene gegen dieselbe gestemmte Person, die aber jedesmal durch ein paar andere starke Personen leicht wegzuschleben ist.

65 das Fenster zu öffnen, das Zimmer deS Kranken zu betreten

und sich den Angriffen desselben während dieses Geschäftes auszusetzen braucht. Nur muß derselbe genau dahin sehen, daß der Theil der zum Aufziehen der Fenster dienenden Schnur,

der in den Corridor reicht, nie so tief hinabhänge, daß ein

im Corridor befindlicher Kranker solche fassen und mißbrau­ chen könne, daher der Wärter auch zur Anheftung der Schleife mit einer leichten in der Geräthekammer (c) aufbewahrten Leiter versehen seyn muß, deren er, wie wir sehen werden,

auch noch zu andern Zwecken bedarf. Ein großer Vortheil den die hochstehenden Fenster in diesen Krankenabtheilungen gewähren, wenn sie, wie hier an­ genommen , im Erdgeschosse liegen und die Fenster sich gegen

einen geschlossenen, mit hinlänglich hohen Mauern umfange­

nen Hof offnen, ist auch noch der, daß man dabey keinen

weitern Schutz von eisernen Gittern oder bergt, m. bedarf, da der Kranke ohne außerordentliche Mittel, die ihm in sei­ nem Zimmer, worin er nur in einer hinlänglichen Entfernung von dem Fenster unverrückbar befestigtes Geräthe hat, fehlen,

dieses nicht erreichen kann, und wenn er es einmal, bey sich ihm zufällig darbieteuden Mitteln, während es offen sicht, er­

reichen sollte, doch bey einem versuchten Hinausspringen sich kaum bedeutend verletzen, noch weiter als in den geschlossenen

Hofraum entkommen kann.

Dagegen kann man da, wo die

Fenster niedrig stehen, wie z. B. in der Anstatt zu Rouen, der stärksten Verwabrungsmittel nicht entbehren, die man auch in der Privatanstatt zu DanveS findet, wo sie von aus­

sen in einer starken Pcrsienne, von innen in

zernen Laden

bestehen,

in dessen Dicke Riegel

einem höl­

angebracht

sind, die, nachdem man sie zngeschoben hat, noch vermittelst

eines sehr massiven Schlüssels so tief hineingeschobcn werden, daß sie der Kranke nicht fassen kann, bey welcher Vorrichtung

indessen, wie man sicht, der Irre entweder im Dunkeln sitzen muß oder das Fenster völlig nnverwahrt bleibt.

66 UebrigcnS ist noch zu erinnern, erstlich, daß die gegen das Zimmer gekehrte Seite des Fensters mittelst eines starken,

doch nicht zu dichten, Drabtgcflechtes

Hegen Zertrümmerung

der Scheiben durch Wurf, wozu schon eine Kruste Brod hin­

reichen würde, wozu der Kranke aber auch

sein Eß- und

Trinkgeschirr oder seine Schuhe benutzen könnte, gesichert ist;

zweytens,

daß an dem Fensterrahmen nach

innen

zu, oben, unten und zur Seite, einige starke eiserne Wirbel

angebracht sind, um mittelst derselben einen das ganze Fenster

bedeckenden vollen hölzernen Laden

befestigen und auf diese

Weise das Zimmer verdunkeln zu können, wenn der Zustand

deS Kranken es erheischt, und der an der Aussenseite befind­ liche und von außen zu verschließende Fensterladen, welcher

durch die Witterungseinflüsse so leicht rißig und undicht wird,

dazu nicht hinreicht *);

drittens,

daß sich die Mauer unterhalb dem untern

Rande der Fensteröffnung auf zwey Schuhe abwärts allmäh­

lich abgcflacht verläuft, damit das Licht desto freyer einströ­ men kann, so jedoch, daß, wo die Abnahme der Mauer auf­

hört, keine scharfe Ecke bleibt, die dem Kranken zum Anhalt dienen könnte, um an das Fenster hinaufzuklettern. Auch hier sehe ich mich genöthigt gegen Roller (a. a.O.

S. 101) zu bemerken, daß die hochstehenden, unter der Decke angebrachten Fenster, wenn sie die von mir angebrachte Höhe

und Breite haben, und dadurch in einem richtigen Verhält­ nisse zu den zu erleuchtenden Räumen stehen, diese keineswegs,

*) Zn der Anstalt Sachsenberg, wo die derselben Gattung Son Kran­ ken bestimmten Zimmer eben so wie die in Siegburg eingerichtet worden sind, wird, wie e» in der oben angeführten Beschreibung dieser Anstalt heißt, die Verdunkelung durch einen leichten, au» Blechtafeln ronstrnirten, hinaufzuschiebenden und wieder herabzu­ lassenden Fensterladen bedeckt, worüber, falls diese Art der Ver­ dunkelung leichter zu bewerkstelligen ist als auf die oben angege­ bene Weise, eine genauere Angabe zu wünschen gewesen wäre.

67 wie behauptet wird, düster und unfreundlich machen, son­

dern daß solche dabey alle Helligkeit, die man ihnen wün­

schen kann und, auch in dieser Beziehung, die erforderliche Heiterkeit behalten.

Dieses beweisen die Räume in der Sieg­

burger Anstalt, so wie auch die Irrigkeit der Behauptung

(ebendaselbst S. 100), daß die Drathgeflechte an der innern

Seite der Fenster die Räume dunkel machten und dennoch den beabsichtigten Schutz nicht gewährten.

Zwar verhindert das Drahtgeflecht die Zertrümmerung der Scheiben nicht gänz­

lich; daß eS aber genug leiste, wird jeder zugeben, wenn ich versichern kann, daß während der neun Jahre deS Beste­ hens der Siegburger Anstalt in den Räumen, wovon hier

die Rede ist, keine zwölf Scheiben durch die Irren gewaltsam zertrümmert worden sind. — Dagegen zeigt sich der von Rol­ ler gemachte Vorschlag, die der Helligkeit und Heiter­ keit wegen niedriger gestellten und nicht mitDrathgeflechte«

versehenen Fenster durch hölzerne ganze Fensterladen zu ver­ wahren , wodurch die Räume nun ganzester werden, schon dadurch als ungeeignet,

„daß man, wie gesagt wird, die

„Kranken nun, mit Ausnahme der seltnen Fälle und kurzen

„Zeiträume, wo man es für zuträglich erachte, sie im Dunkeln „zu halten, bey Tage in angrenzende Säle und Höfe oder „in «in Authenricthsches - Zimmer bringe» oder sie auf einen

„Zwangstuhl setzen soll," indem daraus hervorgeht,

Räume durch

daß die

die vorgeschlagene Fenstereinrichtung gradezn

für ihren Zweck unbrauchbar werden. — Doch hat man auch,

und namentlich Esquirol, die nicdrigstchenden, tiefherab­ reichenden Fenster darum empfohlen, weil sie das Mittel dar-

bö^n, sich rasender Irren, wenn es nöthig würde, in ihre« Zellen leichter zu bemächtigen, indem dann, während einige

Wärter des Kranken Aufmerksamkeit an der Thürseite zu be­ schäftigen suchten, einige andere, ihm unbemerkt, von hinten

durch daS Fenster in seine Zelle eindringen und ihn ohne Ge­

fahr fassen könnten. — Wenn man aber erwägt, wie selbst

68 in größeren Irrenanstalten kaum im Verlauf mehrerer Jahre einmal ein Kranker vorzukommen pflegt, wegen dessen nöthig werdender gewaltsamer Ergreifung man in eine dringendere

Verlegenheit gerath, und wie dann in der Regel ein Paar

handfeste und gewandte Wärter, indem sie den günstigen Au­ genblick abwarten, mit offner Gewalt in wenigen Augenblicken den Zweck aufls vollkommenste zu erreichen vermögen, so weiß

man wahrlich nicht, was man zu einer nur auf so höchst "seihte Fälle berechneten und in jedem andern Betracht so be­

denklichen Maaßregel sagen soll.

Sie erinnert aber an die,

wie ich glaube ebenfalls zuerst in Frankreich angepriesenen,

halbmondförmigen Fangeisen, die an langen Stangen befestigt sind, und womit die Wärter gegen dergleichen Kranken, wenn sie ausgebrochen oder im Freyen unversehends in Raserey

verfallen sind, ausziehen sollen, um sie damit gegen eine Wand zu drängen und wehrlos zu machen. Es muß aber um das Personal der Wärter einer großen Anstalt wahrlich schlecht

stehen, wenn nicht immer mehrere darunter sind, die sich, im kühnen Vertrauen auf ihre Gewandtheit und Kraft, der An­ wendung solcher ungeschickter Mittel, wobey der Kranke so

leicht gefährlich verletzt werden kann, nicht schämen. Dem Fenster gegenüber ist, über der sich in den Vorsaal öffnenden Thüre, ein kleineres von etwa vierzehn Zoll inS Gevierte angebracht, welches ebenfalls gegen das Zimmer zu durch ein Drathgeflecht geschützt ist, und unter dessen unterem

Rande die Mauer, gleich wie bey den größeren Fenstern, in einer Strecke von anderthalb Fuß schräge ablaufend ist, um

dadurch das Zimmer vom Corridor aus nach allen Seiten überschaubar zu machen, so daß der Wärter, wenn er von der Seite des Corridors auf seiner Leiter an das Fenster

hinansteigt, den Kranken durch dasselbe ungestört und unbe­ merkt beobachten kann*). Vorzüglich aber dient dieses Fen-

*) Das einfachste und bequemste Mittel zur Beobachtung solcher

69 fier, eines Theils, wen» man eS öffnet, wobey es sich gegen

den Corridor zu anfschlägt, zur Beförderung eines stärkeren Luftzuges durch das

Zimmer, andern Theils aber auch zur

Erhellung desselben bey Abend, wenn man diese beabsichtigt,

indem man alsdann hinter dasselbe eine Lampe aufhängt, durch deren Licht der Kranke nicht belästigt werden kann, während er sie auch nicht zu erreichen vermag. Rechter Seits neben der Thüre, ist in der Wand deS

Zimmers eine sechs Fuß hohe Nische, in welcher sich achtzehn Zoll über dem Fußboden ein Abtritt, mit konisch sich verengen,

dem und mit Zinn ausgekleidetem Schlote befindet, dessen un­ tere Oeffnung in einen acht Zoll hohen und zwölf Zoll breiten

gemauerten Raum mündet, der gegen den Corridor zu durch eine verschließbare kleine Thüre gesperrt ist, zu welcher der Wärter den Schlüssel hat- In diesen Raum wird ein den­

selben ausfüllendes Geschirr von verzinntem Eisenblech ge­ stellt, um den Koth und Urin solcher Kranken aufzunehmen, welche die Reinlichkeit noch so weit beobachten, daß sie sich dieses Abtritts bedienen, und das durch den Wärter dann, so oft es nöthig ist, ungehindert auSgeleert werden kann, während

der Kranke durch die konische Gestalt des Schlotes, dessen untere Mündung nicht über drey Zoll im Durchmesser haben

Kranken gewähren ein Paar, mittelst eines Handbohrers in der Mitte oder an beiden Seiten der Thüre in der Höhe des Schlos­ ses gemachte, kleine, gegen die Zimmerseite sich um ein Geringes konisch erweiternde Locher, welche man, sobald man will, mittelst em wenig sogenannter Stockfarbe wieder verschließen kann. Diese kleinen Oeffnungen werden vomKranken nicht bemerkt und gewah­ ren, indem man denselben das Auge nähert, dieselben Vortheile, wie in der Thüre angebrachte Fenster, oder hölzerne Schieber der Art, wie sie noch hin nnd wieder vorgefunden werden, die aber mit Recht schon langst als in jeder Hinsicht verwerflich 6e» zeichnet worden sind.

70 darf, außer Stand gesetzt ist den einmal in dem Geschirr be­ findlichen Koch wieder mit den Händen zu erreichen, ein Umstand worauf bekanntlich bey manchen dieser Unglücklichen

sehr geachtet werden muß. Das Gerüche in diesen Zimmern besteht auf der linken

Sekte in einem Tisch von zwey Fuß im Quadrat und einer davor befindlichen anderthalb Fuß langen und einen Fuß breiten Bank, beide aus dem festesten zweyzölligen Eichenbort gezimmert, mit überall abgerundeten Rändern, und an der gegen die Mauer zugekehrten Seite mittelst doppelter, in das Holz eingelassener, sechszehn Zoll langer eiserner Stäbe, die

überdies an ihren Enden mit zwey Zoll langen starken Widerha­ ken versehen find, in die Mauer befestigt, während die mas-

fiven Füße des Tisches und

das Fußbrett der Bank durch

Schrauben in den Fußboden befestigt und dadurch unverrück­ bar gemacht find. — Auf der rechten Sekte steht an der Wand, drey Fuß von der Fensterwand entfernt, eine Bettstelle, wo möglich aus noch stärkeren eichenen Brettern wie die Thüre und das übrige Holzwerk in diesen Zimmern verfertigt.

Die

Seitenbretter find an das Kopf und Fußbrett, so wie an den Bettpfosten in jeder Ecke durch vier sehr starke eiserne Schrau­ ben, die ganz in dem Holze versteckt find, befestigt, und eben so find die masfiven Füße in eiserne starke Stifte eingesenkt die

tief bis in die Balken des Fußbodens eingeschraubt find; wäh­ rend eine zweyte horizontal liegende eiserne Schraube das Her­

ausheben der Bettstelle verhindert. — Alle Ränder der Bret­ ter find auch hier sorgfältig abgerundet, um zufällige oder

abfichtliche Verletzungen an denselben so viel möglich zu ver­ hüten. — Der Boden des BctteS besteht aus lVz Zoll starken

Brettern, wovon die letzten drey am Kopfende fich allmählich um zwölf Zoll über die übrigen erheben und alle zwischen zwey Leisten an dem untern Rande der Seitenbrettcr, eines

nach dem andern eingeschoben werden.

Dann wird daS letzte

und oberste Brett mittelst eines Schlosses, welches fich an dem

71 untern Rande des KopfbretteS befindet, während die den Rie-

gel des Schlosses ausnehmende Schlicßkappe an dem äußern Rande deS letzten Brettes angebracht ist, geschlossen, so daß der Kranke die Bretter nicht herausnehmen und sie als Waffe oder zu andern Absichten misbrauchcn kann,

während diesel­

ben doch allemal durch den Wärter, der den Schlüssel zu dem Schlosse bey sich führt, mit Leichtigkeit herausgenommen wer­ den können, um sie zu säubern. — Hicbey muß noch bemerkt

werden, daß die drei mittlern Bretter jedes drei, einen Zoll breite und anderthalb Fuß-lange, Durchschnitte haben, damit

bey unreinlichen Kranken der Urin hier einen Abfluß finde und

nicht in der Bettstelle stehen bleibe.

Auch hat jedes Seiten­

brett an dem obern Rande in der Mitte und einen Fuß vor

dem oberen und unteren Ende, so wie das Fuß- und Kopf­

brett ebenfalls an dem oberen Rande in der Mitte, eine zwey

Zoll lange und drei Linien breite Oeffnung zum Durchlässen von Riemen, wenn unruhige Kranke während der Nacht auf ihr Lager befestigt werden sollen *). — Endlich muß noch bemerkt werden, daß nicht nur das Kopf- und das Fußende

des Bettes gleich hoch sind, sondern daß auch die Scitenbretter keinen Ausschnitt haben, so daß das Bettgestell einen vier­

eckigen an allen Seiten 2 Fuß hohen Kasten darstcllt, wel­ cher nun mit einem hölzernen Deckel von der gleichen Stärke

wie die übrigen Theile des Kastens und dessen obern Ecken ebenfalls abgerundet sind, geschloffen werden kann und welchen der Wärter, der ihm während der Nacht in der Geschirrkam

mer aufbcwahrt, jeden Morgen aüflcgt, damit der Kranke sich während des Tages nicht in sein Bett legen oder daS Bettzeug zerstören und verunreinigen kann.

Um aber zu bewirken, daß

*) Gui-lain schlägt a a. O- T. II. p. 232 vor, die Bettstellen für die Tobsüchtigen aus Back- oder noch besser aus Bruch­ steinen verfertigen r» lassen!.'

72

der Deckel nicht durch den Kranken abgehoben werden könne, ragt er nicht nur an keiner Seite über die Ränder des Bett­

kastens hinaus, sondern hat auch an jeder Ecke ein rundes Loch von vier Linien im Durchmesser, welches mit einem eiser­ nen Schraubengang ausgefüttert ist, der einem ähnlichen Schrau­

bengang an dem obern Ende jedes Bettpfostens entspricht und in welchen der Wärter, nachdem der Deckel aufgepaßt ist, eine eiserne Schraube mittelst eines dazu vorhandenen Schlüssels

so tief einschraubt, daß der Kranke das obere Ende desselben

nicht fassen kann. In derselben Reihe mit den Zimmern für die Kranken befindet sich an dem äußersten Ende der Abtheilung ein vier

Fuß breiter Gang (a) mit einem am Ende desselben angebrach­ ten Abtritt. Dieser Gang wird durch eine Thüre von dersel­

ben Construction wie an den Krankenzimmern geschlossen, nur

daß solche fich nach dem Corridor zu aufschlägt. Der Wär­ ter führt den Schlüssel dazu bey sich und öffnet sie in der Regel nur, um die Geschirre der Zimmerabtritte in diesen Abtritt auszuleeren, oder um die Kranken, wenn sie sich in den Corridors befinde», bey eintretendem Bedürfnisse, dahin zu führen.

Auch das Fenster an diesem Abtritt ist von der­

selben Construction wie in den Krankenzimmern, doch, der Größe des Raumes entsprechend, nur halb so breit.

Anstoßend an diesen Gang befindet sich das Wärterzim­ mer (b), welches zwölf Fuß breit, also um zwey Fuß breiter

ist als die Krankenzimmer, um Raum zur Stellung eines gro­

ßen Schrankes mit zwey Thüren zur Aufbewahrung der Klei­ der der Kranken, der nöthigen Wäsche, der Zwangsapparate,

der Arzneyen u. s. w. zu geben. Fußboden, Fenster und Thüre sind wie in den Krankenzimmern, nur daß letztere auch

hier sich von Innen nach Außen öffnet, damit nicht allenfalls in dem Corridor befindliche Kranke solche bey sich darbieten­ der Gelegenheit offen sprengen können.

In der Mitte der Reihe der Krankenzimmer, deren Zahl

73 hier in jeder Abtheilung, für jedes Geschlecht, zu sechs ange­ nommen ist *), befindet sich die für diese Gemächer bestimmte

Heitzung (c). In einem Raume, der einem Krankenzimmer an Größe gleich kommt, steht einer der unten noch näher zu be­

schreibenden zur Heitzung mittelst erwärmter Luft bestimmten Oefen, von dessen Mantel zur Rechten und zur Linken ein

Wärmekanal in der die Zimmer von dem Corridor trennenden Wand einen Fuß hoch über das Fenster über der Thüre hin­ läuft und in jedes Krankenzimmer sich durch eine Röhre öff­

net, die mit einer Klappe versehen ist, welche von dem Cor­ ridor aus mittelst einer Schnur, die neben der oben erwähn­ ten Fensterschnur befestigt ist, geöffnet und geschlossen werden kann, um nach Bedürfniß das Einströmen der gewärmten Luft

in jedes Zimmer zu vermitteln oder abzuschließen.

Der Raum, in welchem der Ofen steht, dient zugleich zur Aufbewahrung des täglich erforderlichen Brandmaterials, der Leiter, der Eimer, Besen und anderer dem Wärter nöthigen

Geräthschaften.

Außerdem befindet sich in diesem Raume aber

auch ein Wafferstein von zwey Fuß ins Gevierte, über wel­ chem eine Wafferröhre mit einem Kranen angebracht ist, wel­ cher das für diese Abtheilung erforderliche Wasser stets in hinreichendem Maaße hergiebt, und an der linken Seitenwand, nämlich derjenigen gegenüber, an welcher der Ofen steht, ein hölzernes Gerüste mit

sechs übcreinanderliegenden Schichten

von Latten, zum Trocknen des durch die unreinlichen Kranken verunreinigten und wieder gesäuberten Bettzeuges.

Der Fuß­

boden dieses Raumes ist mit Fließen oder Backsteinen ausge­ legt; das Fenster wie die übrigen dieser Abtheilungen; — die

Thüre wie die an dem Wärterzimmer.

*) Die Aufeinanderfolge der Räume in jeder Abtheilung ist also diese.

Der Abtritt, das Wärterzimmer, drey Krankenzimmer, das

Heitzungslokal, und wieder drey Krankenzimmer, ipje solche» auch

auf dem Grundrisse ersichtlich ist.

— 74 — Dieser Reihe von Gemächern gegenüber nun erstreckt sich

der Corridor (e), ihr an Länge entsprechend und von zwanzig Fuß Breite*), eine Breite die ihm gegeben werden mußte, um den Kranken, wovon gewöhnlich die wenigsten immer in

ihre Zimmer eingesperrt zu seyn brauchen, Gelegenheit zu ge­ ben, sich, wenn auch zum Theil -tnit beschränktem Gebrauch der Hände und Füße, in einem größeren Raume zu bewegen.

Er ist durch sechs Fenster von gleicher Größe, Stellung und Construction wie die in den Zimmern versehen und daher hin­ länglich erhellt. — Der Fußboden ist ebenfalls auf gleiche

Weise gedielt wie in den Zimmern und senkt sich in gleichem

Verhältniß wie in jenen der Länge des Raumes nach, um

dem Wasser, welches zu seiner und der Zimmer Reinigung verwendet wird, einen Abfluß zu verschaffen, daher auch an dem Ende des Corridors ein mit einem eisernen -Gitter verse­ henes Loch angebracht ist, durch welches das Wasser mittelst einer Röhre unter dem Fußboden nach Außen weggeführt wird. Der Corridor hat zwey Thüren, welche die Verbindung mit den zunächst anstoßenden Abtheilungen vermitteln. Beyde

sind zweyfach, mit einem Zwischenräume.wie die achtzehn Zoll

betragende Dicke der Mauer sie bedingt, und von gleicher Stärke wie die Thüren an den Krankenzimmern; zweyfach

aber um die Mittheilung des Lärms zu beschränken, zur wei­ teren Beförderung welcher Absicht auch noch diese Thüren an

der gegen den Zwischenraum zugekehrten Seite mit einer sechs

Zoll dicken Heumatratze bekleidet sind. An der Scheidewand, welche diese Abtheilung von der nächsten trennt, befindet sich

*) Au- der Zeichnung wirb sich noch deutlicher al- au- der Beschrei­ tung ergeben, wie jede Zimmerreihe und jeder Corridor bey einer Länge von 85 Fuß um die Breite eines Corridor» und die Tiefe eines Zimmers, zusammen um 35 Fuß kürzer ist al» eine ganze Seite dieser Quadrate, die 120 Fuß Länge hat.

75 zur Seite der obenerwähnten Thüre, wodurch sie mit dieser

Abtheilung in Verbindung steht, noch eine Heitzung (e) welche zugleich für die Erwärmung dieses und des nächsten CorridorS bestimmt ist und zu welcher eine besondere von dem Wärter unter Schluß gehaltene eiserne Thüre führt, wie solches unten noch näher angegeben werden wird.

Da indessen die Wände,

welche hier den Mantel des Ofens bilden und zur Heitzung deS Corridors dienen, sehr warm werden, so müssen solche auf

beyden Seiten durch einen Wehre von 4 Zoll dicken 4 Fuß hohen und zwey Zoll von einander abstehenden hölzernen

’/

Sparren, die nach unten zu 2 j Fuß von der Mantelwand entfernt sind und hier in einen in den Fußboden eingescnkten

Balken befestigt sind, nach oben zu aber sich schräg aufsteigend an die Mantelwand anschließen und durch ein starkes eiser­

nes Band untereinander in Verbindung erhalten werden, ge­ schützt seyn, um die Kranken zu hindern die heißen Wände anzugreifen oder sich daran zu lehnen, während es ihnen die schräge Richtung der Sparren unmöglich macht, daran hknaufzusteigen, um die oberen Theile des Ofenmantels zu erreichen. Schließlich bemerke ich noch, daß die Wände des Dor­

saales oder Corridors in einer gleichen Höhe wie die in den Krankenzimmern mit Traß überkleidet und dann mks Oelfarbe überstrichen sind, und daß alles Holzwerk der Fenster, Thü­

ren, Fußleisten und Ofenvergitterung einen Anstrich von grauer Oelfarbe hat. — Das Geräthe in diesem Vorsaale besteht aber lediglich in einem acht Fuß langen und dritte­ halb Fuß breiten eichenen Tisch von ungewöhnlicher Massivi­ tät und Schwere und aus zwey Bänken, ebenfalls höchst stark

und fest aus Eichenholz gezimmert, acht Fuß lang und andert­ halb Fuß breit, welche an den langen Seiten des Tisches ste­

hen und gleich diesem mittelst in den Fußboden eingeschraub­ ter eiserner Zapfen, welche sechs Zoll weit in die Füße des Tisches und dcrBänke hrnciurcichen und mittelst quer durch die­

selben hindurch gehender Schrauben unverrückbar gemacht sind.

76 Die bis jetzt beschriebene erste Abtheilung nimmt so­

wie in dem weiblichen Viereck die nördliche Seite ein, als die entlegenste von den übri­ wohl in dem männlichen

so daß diese

gen Theilen der Anstalt,

dem

Schreyen

und

dieser

Rufen

am wenigsten von

Kranken

beeinträchtigt

werden. Die zweyte Abtheilung liegt in dem männlichen Vier­

eck auf der Ost-, in dem

weiblichen auf der Westseite und

ist den nicht schreyenden Tobsüchtigen und andern an hoher

wahnstnniger Aufregung leidenden und dadurch oder durch Bosheit u. s. w. gefährlichen Kranken bestimmt.

Die Größe

und ganze Einrichtung dieser Abtheilung stimmt mit der ersten überein und unterscheidet sich nur dadurch von ihr, daß sie an ihrem nördlichen Ende ebenfalls eine zwcyfache Thüre (x)

hat, die auf den bald näher zu erwähnenden freyen Platz (N) führt. Die dritte Abtheilung, welche den in einem Zustande

von Blödsinn sich befindenden und den in einem höheren Grade unreinlichen Kranken bestimmt ist, nimmt die Südseite des

Vierecks ein und stimmt in ihrer Einrichtung mit der ersten und zweyten Abtheilung überein; nur daß sie auch eine dritte zweyfache. Thüre hat, die sich in der Mitt? der Fenstcrrcihc

befindet und in den Hofraum (K) führt.

Auf der vierten Sekte deS Quadrates hat, da wo die­ selbe an die erste Abtheilung

angrenzt, in dem männlichen Revier der Diceoberwärter, in dem weiblichen die Dkceober-

wärterinn ihre Wohnung f. f. und an dieselbe schließt sich

hier die Badeanstalt (g) für die weiblichen, dort die Badean­ stalt für die männlichen Kranken an, welche unten näher be­ schrieben. werden wird.

Diese Lokale aber öffnen sich beide

in einen Vorplatz e. c., aus welchem man zugleich in das Waschhaus G nnd in den Verbindungsgang mit dem Verwal­

tungsgebäude F gelangt und in welchen auch eine Thüre (l) aus der dritten Abtheilung sich öffnet, mittelst deren alle drey

unteren Abtheilungen ihre regelmäßige Verbindung mit den übrigen Theilen der Anstalt haben. Zu diesen Abtheilungen, bey deren Beschreibung ich ab­ sichtlich mit solcher Genauigkeit verfahren bin, weil eine den

Erfordernissen genügende Einrichtung der den schlimmern Kran­

ken bestimmten Reviere für jede Anstalt dieser Art ein Gegen­ stand der ersten Wichtigkeit ist, gehört nun auch noch erstlich der Hofraum (K),beit das Quadrat umschließt, und der Rasen­

platz (N) an der Nord feite dieses Quadrats.

Da nämlich die

Reihe der Gemächer in diesen Quadraten auf allen Sei­ ten nach Außen zu liegen kommen mußte und den nach der

Hofseite gelegenen Corridvrs die angegebene ansehnliche Breite verliehen werden sollte, so ergab ■ sich daraus von selbst die Nothwendigkeit, daß die Hofräume K K nur den sehr mäßi­

gen Umfang von sechszig Fuß ins Gevierte erhalten konnten,

so daß sie allein nicht hinreichten, um den Kranken der hier untergebrachten drey Abtheilungen zur Leibesbcwegung in der freyen Luft die nöthige Gelegenheit zu geben. Dieser innere

Hofraum ward daher nur den Blödsinnigen aus der dritten Abtheilung bestimmt; den Tobsüchtigen aus der ersten und

zweyten Abtheilung aber der freye Platz (N)

gewidmet, wel­

cher sich, hundert und zwanzig Fuß ins Gevierte groß, an

der Nordseite dieser Quadrate befindet.

Aus diesem Raume,

von zehn Fuß hohen glatten Mauern umgeben, können die Kranken weder entweichen, noch können sic von Außen beob­ achtet werden,

so wie ihr Rufen und Lärmen von hier aus

auch am wenigsten zu den andern Krankenabthcilungen hinüber zu dringen vermag.

Uebrigens stellt sich dieser Raum als ein

Rasenplatz dar, mit einigen hochstämmigen Bäumen bepflanzt, die durch eine Umgitterung gegen die Beschädigung ihrer Rin­ den geschützt sind, um welchen sich ein acht Fnß breiter, in der Mitte etwas gewölbter Weg zieht, der eine feste Decke von Kies oder Grand hat, damit er zu jeder Jahreszeit trok-

ken bleibe.

An verschiedenen Stellen dieses Platzes sind zum

78 Ausruhen sehr massive und unverrückbar befestigte Danke an­ gebracht,

und an dem östlichen Ende des Rasenplatzes steht

ein, von einer Seite offenes, gemauertes, und mit einem

Dache versehenes Sommerhaus, an dessen innern Wänden ebenfalls Bänke angebracht itn’; befestigt sind. Sonst befinden sich in dem ganzen Hofe keine Gegenstände tzumal auch keine Steine u. dgl.), welche die Kranken in ihrem Zcrstörungstriebe oder Unsinne mißbrauchen könnten.

Nach der eben gegebenen Beschreibung von der Einrich­ tung der Räume, die den schlimmeren, zumal zu Gewaltthätig­

keiten geneigten Kranken bestimmt sind, dürfte man billig wohl die Frage nicht mehr erwarten, ob die Anstalt keine s. g. Autenricthsche Kammern besitze.

Da mir indessen diese Frage

selbst von Aerzten, nachdem sie die hiesige Anstalt mit mir durchwandclt hatten, vorgelegt worden ist, und man auch noch in manchen Schriften über Irrenanstalten die Autenriethsche

Palisadenkackmer

als einen wesentlichen Theil jeder zweck­

mäßig eingerichteten Irrenanstalt erwähnt findet, so dürfte es dennoch nicht überflüssig seyn daran zu erinnern, daß derglei­

chen Kammern immer nur als ein Nothbehclf anzufehen sind,

welcher lediglich da in Anwendung kommen darf, wo die Um­ stände eine zweckmäßigere Einrichtung nicht gestatten. Dieß ist unter andern in solchen Häusern der Fall, die ohne dazu

ursprünglich bestimmt noch sonst dazu geeignet zu seyn, Tob­ süchtige für eine längere Dauer oder vorübergehend aufneh-

mcn sollen, wie in manchen den Irren gewidmeten älteren Gebäuden, oder auch, wo auf dem Lande tobsüchtige Indivi­

duen einstweilen aufbewahrt werden sollen, bis über ihre wei­ tere Bestimmung entschieden ist.

Denn da fast jedes beliebige

Zimmer zur Einrichtung einer Palisaden-Kammer benutzt wer­ den kann, so gewährt solche in dergleichen Fallen eine treff­

liche Aushülfe, die es oft unmöglich seyn würde auf andere

79



Weise mit gleicher Berücksichtigung dessen, was daS Wohl des Kranken und die Sicherheit seiner Umgebung erheischt, zu er­

halten. Dagegen könnte es wohl nicht anders als widersin­ nig betrachtet werden, wenn man in einer neu einzurichtcnde« Anstalt schon vorhandene Zimmer nach der Autenriethschen Vorschrift der Aufnahme

von Tobsüchtigen anpassen wollte,

statt denselben gleich ursprünglich eine Einrichtung zu geben, die diese für Nothfälle erfundenen Derwahrungsmittel über­ flüssig macht und mit der sich noch viele andere Vortheile ver­ einigen lassen, welche die Palisadenzimmer nicht besitzen, bey welchen überdies die Menge deS dazu verwendeten Holzes als

ein besonderer Nachtheil anzusehen ist, da dieses so vorzugs­

weise geeignet ist den Geruch des Unrathes und der Ausdün­ stungen anzunehmen,

welcher hier durch die Beschaffenheit

des Nachtstuhles doppelt lästig wird.

Wie sehr aber eine z»

reichliche Verwendung von Holz an den Jrrenwohnungen dazu

beiträgt, in denselben eine unvertilgbare Mephitis zu erzeu­ gen, davon kann man sich vielleicht nirgendwo so sehr als in der Aufbewahrungsanstalt zu Zwiefalten überzeugen, wo die­ ses Material in einem so großen Uebermaaß verschwendet ist

und wo daher auch der vermeintliche specifische Jrrengeruch fast wie in sonst keiner Anstalt auffallend wird. Aus diesem Grunde ist nicht minder eine andere Einrich­ tung verwerflich, die man an verschiedenen Orten, zumal in französischen Irrenanstalten vorfindet und die erst neuerlich wie­ der durch Roller (a. a. O. S. 105) empfohlen worden ist, wo nämlich die Mauern der Zellen für die Tobsüchtigen, zur Ver­ meidung des üblen Geruchs und der Verbreitung des Schal­

les mit gutgcfugten Brettern von Eichenholz überkleidet und

dann mit Gyps oder Oelfarbe überzogen werden, indem beide

Nachtheile die hier beseitigt werden sollen, auf diese Weise grade am meisten begünstigt werden, sowohl weil der Geruch von den Ausdünstungen and dem Unrath, mit welchem letztem mehr und weniger alle Theile deS Gemachs besudelt werden.

80 sich unvertklgbar in die hölzernen Wände einnistet, als weil

der Kranke an diesen ein immer bereites Mittel findet, durch Klopfen und Treten einen unmäßigen Lärm zu machen, der sich eben so wie sein Schreien und Rufen aus diesem Reso­ nanzkasten möglichst weit verbreitet.

Eben so zweckwidrig in Bezug auf die Erhaltung der Reinlichkeit ist der anderwärts öfters geschehene und als höchst menschlich und zweckmäßig betrachtete Vorschlag, den

Fußboden und die Wände der den Tobsüchtigen bestimmten Zellen mit Matratzen auszupolstern.

Denn welche Mephitis

muß nicht bey solchen unreinlichen Kranken entstehen, wenn diese

Auspolsterung

nicht wenigstens

wöchentlich

erneuert

wird, und wie ist dies in einer öffentlichen Anstalt und über­

haupt anders als allenfalls für einen einzelnen fürstlichen Kranken (wie bey Georg dem Dritten von England) möglich? Indessen find dergleichen Vorrichtungen auch unnöthig, da für die seltenen Fälle (nach der hiesigen Beobachtung unter

mehr als 600 Irren in neun Jahren höchstens drey), wo Tob­

süchtige sich den Kopf an der Wand zu zerschmettern suchen, zweckmäßiger

andere Maaßregeln getroffen werden, indem

man den Gebrauch der Glieder des Kranken durch die Zwangs­ weste u.s. w. beschränkt, den Kopf durch einen Fallhut schützt oder den Kranken auf den Zwangstuhl setzt und zwischendurch umherführt, ihn bey Nacht aber auf eine leidliche Weise auf

seinem Lager befestigt.

Sechstes

Kapitel.

Beschreibung der vierten Abtheilung.

ser-

Ueber die Färbung der Zimmer.

Fensterverwahrung. Thürschlös­ Zimmergeräthe; eiserne Bett­

stellen.

Wir gehen jetzt zur Beschreibung der Einrichtung der vierten Abtheilung über.

Hier nun ist den gefahrdrohenden und lärmenden Aeuße­ rungen der Tobsucht nicht mehr zu begegnen, gegen die rück­

sichtslose Unflätigkeit

und Unreinlichkeit keine Anstalt mehr

zu treffen, der Blödsinn in seinen höchsten Graden nicht mehr zu gängeln und den Blicken der Menge zu entziehen.

Es be­

darf also hier nicht mehr der Vorkehrungen, welche die Ein­ richtung der drey ersten Abtheilungen hauptsächlich charakteriflren.

Wohl aber haben wir es noch mit Kranken hier zu

thun, deren Seelenstörung sich in mannigfaltigen Formen auf eine andere höchst belästigende Weise kund giebt, welche diese Aeußerungen ihres Jrrcseyns noch nicht zu beschränken ver­

mögen und dadurch unfähig sind eines höheren Grades von

Freiheit und der Gemeinschaft mit Mehreren zu genießen, ja

die im Gegentheil noch einer großen Beschränkung und einer fortgesetzten sorgfältigen Bewachung ihrer Handlungen zu ih­

rer eigenen Sicherstellung, zur Verhütung ihres nachtheiligcn

Einflusses auf Andere und zur Aufrechthaltung der Ordnung

des Hauses erfordern. Diesem, zwischen den unbeschränkten Aeußerungen

der

höchsten Grade von Scelenstörung und einem noch vorhan­ denen oder schon wiederkchrendcn höheren Grade von Selbst­ bewußtseyn und Selbstbeherrschung in der Mitte stehenden Zu­ stande, entspricht auch die Einrichtung der vierten Abtheilung. 6

82 Einen Haupttheil des untern Stockwerks dcS Hauptgebäudes

sowohl auf der den männlichen als der den weiblichen Kran­

ken bestimmten Seite einnehmend, erfordert sie für jedes Ge­ schlecht, je nachdem das eine oder das andere in der Anstalt überwiegt, einen Raum für 20—25 bis 30 Kranke und für

vier bis sieben Wärter *).

Nur etwa

ein Viertheil dieser

Kranken bedarf gesonderter Wohn- und Schlafzimmer, theils

ihres Krankheitszustandes, theils ihres Standes wegen.

Die

übrigen schlafen und wohnen in gemeinschaftlichen Räumen zu drey bis vier, unter dcrAufsicht eines Wärters oder einer Wär­

terinn zusammen.

Die Höhe der Zimmer beträgt 11 Fuß; die

Tiefe durchgehends 16 Fuß, die Breite derselben für die mit

einem Wärter einzeln wohnenden Kranken für die Schlaf- so wie für die Wohnzimmer, die in dieser wie in der fünften Abtheilung durchaus von einander getrennt sind, 10—11 Fuß und für die in Gesellschaft wohnenden und schlafenden nach

Verhältniß ihrer Zahl' 14 bis 16 Fuß. In diesen gemeinschaftlichen Gemächern werden die ein­

ander am wenigsten störenden, nnd am wenigsten einen nach­ theiligen Einfluß aufeinander ausübenden Kranken (also keineswegs immer die Gleichartigen in Bezug auf die Form

deS Jrrcseyns) zusammen vereinigt, so jedoch, daß bey den tief schwermüthkgen dahin gesehen wird, daß sie so viel mög­

lich einen etwas gesonderten Theil dieses Revieres einnehmen, wo sie am sichersten verwahrt und am wenigsten den Unarten der andern ausgesetzt sind. Die Fenster in den Zimmern wie in den Corridors sind bey einer Breite von 4 Fuß und einer

Höhe von 4'A Fuß nicht so hoch gestellt, wie in den ersten drey Abtheilungen; doch beträgt die Höhe der Fensterbrüstung

auch hier reichlich 6 Fuß, sowohl damit den Kranken der fünf#

•) Hiebey ist auf die Pensionaire, welche eigene Wärter habe», mit­ gerechnet-

83 ten Abtheilung der Einblick in diese Räume von den Fenstern

ihrer Zimmer und Eorridors, so wie von ihrem Hofraum aus verwehrt sey, als damit die Kranken der vierten Abtheilung

selbst nicht durch den Anblick dessen, was draußen vorgcht, in steter Aufregung erhalten werden, während die Annäherung an diese Fenster auch noch dadurch gehindert wird, daß die Wand unter denselben gleich von dem untern Rande des Fen-

stcrgestmses abwärts bis auf die Fußleiste am Boden, eine schräge Richtung hat, dergestalt, daß der Kranke, auch wenn

er einen Stuhl oder Tisch dicht an die Fußleiste rückt und hinaufstcigt, doch noch beynahe nm so viel als die ganze Dicke der Mauer vor dem Fenstergesimse nach Innen zu beträgt, (in Siegburg über 2 Fuß) von dem Fenster entfernt bleibt und

in dieser Stellung wenig gcgey dasselbe auszurichten vermag.— Ucbrigcns sind diese Fenster von derselben Construction, wie die

Fenster in den drey ersten Abtheilungen. Da es indessen hier nicht nöthig ist, daß das Oeffncn und Schließen der Fenster auf

gleiche Weise bewirkt werde wie dort und die gleiche Vorrich­ tung im Gegentheil hier nachtheilig seyn würde, indem die Kranken bey dem nicht befestigten Zimmergcräthe, ihnen in dieser Abtheilung zu Gebote steht,

welches

sich häufig der

Fcnsterschnur bemächtigen und damit mancherley Unfug trei­

ben würden, so ist hier folgende Vorrichtung getroffen: Eine an dem untern Rande des Fensterrahmens befestigte, mit dem

freyen Ende nach Innen gerichtete und auf dem Fcnstcrgesimse, mit dessen Breite von zwey Fuß ihre Länge überein­ stimmt, ruhende, einen Zoll breite und ein Achtthcil Zoll dicke

eiserne Stange, die an ihrem freyen Ende einen Zahn hat,

wird mittelst eines runden dünnen eisernen Stäbchens, wel­

ches der Wärter in Verwahr halt, hinauögcschoben und das Fenster auf diese Weise in einer Weite von zwey Fuß geöffnet,

dann aber in dieser Stellung erhalten, indem der Zahn am

freyen Ende der platten Stange tit eine demselben entspre­ chende Vertiefung an dem äußeren Rande des FenstcrgcsimscS

84 eingesenkt wird, so wie daS Zufällen dadurch bewirkt wird, daß der Wärter mittelst seines Stabes den Zahn am Ende der eisernen Stütze wieder aus der Vertiefung, in welcher der,

selbe ruht, hcraushebt. Diese Fenster sind ebenfalls nach innen zu

durch ein

Drathgitter geschützt, welches aber nicht wie in den drey er#

flctt Abtheilungen an dem Fensterrahmen selbst befestigt, son­ dern in einem eigenen sehr festen und durch eiserne Querstäbe noch haltbarer gemachten Rahmen aufgespannt ist, der in der

Seitenwaud der Fensteröffnung gegen das Zimmer zu mittelst tief in das Mauerwerk eingelassener Klammern also schräg

befestigt ist, daß seine Entfernung von dem oberen Rande des Fensters anderthalb Fuß beträgt, während er sich mit seinem unteren Rande an den untern Rand des Fenstergesimses an­

schließt, so daß er also nach oben zu die entgegengesetzte Rich­ tung hat, wie die Fensterbrüstung nach oben zu, welches nöthig war, um bey dem Oeffnen des Fensters dessen Stellung in einer

fast horizontalen Richtung zu verstatten. Irgend eine solche Ver­ wahrung der Fenster schien aber durchaus nöthig. Denn da

dieselben in dieser Abtheilung niedriger stehen, so müssen die' Drathgitter nicht allein dazu dienen die Fensterscheiben vor muthwilliger Verletzung zu schützen, sondern müssen zugleich

auch das Herallssteigen der Kranken durch die Fenster verhin­ dern. Es versteht sich, daß der zu diesem Geflechte verwen­ dete Drath von gehöriger Stärke, das Geflechte aber nicht so

enge seyn muß, um die Zimmerräume sehr merklich zu verdun­ keln. Bey einer vorsichtigen Verfertigung und Einsetzung ent­ sprechen dann aber diese Nahmen, wie eine neunjährige Er­

fahrung in der Siegburger Anstalt lehrt, für diese Abtheilung,

wo man es nicht mehr mit Tobsüchtigen zu thun hat, hinrei­ chend ihrem Zweck. Denn obwohl in den ersten Jahren einige Fälle vorkamen, wo Kranke mit Zerstörung des Drathgitters oder Losreißen der Nahmen auszubrechen versuchten und

«'n Paar wirklich, doch ohne sich bey der geringen Höhe der

85 Fenster zu schaden, hinaussprangcn, so hat sich dieses doch in den letzten Jahren, nach einer stärkeren Befestigung der Rah­ men und nach Anbringung der eisernen Querstäbe, nicht mehr

ereignet *). Die Thüren sind gleichfalls von derselben Stärke und

sonstigen Beschaffenheit wie in den ersten drey Abtheilungen,

nur mit dem Unterschiede,

daß neben dem zur Absperrung

jedes Raumes von außen angebrachten deutschen Schlosse noch

ein zweytes, mittelst eines Schiebers, an dem sich ein Knopf

befindet, bewegtes sogenanntes Schnappschloß vorhanden ist, welches letztere in der Regel an allen Thüren solcher Räume angebracht ist, in denen mehrere Kranke zusammen wohnen,

denen man einen freyen Ein- und Ausgang verstatten darf, während das andere zum völligen Abschließen da dient, wo die Kranken eingesperrt gehalten werden sollen, so wie auch die

Schlafzimmer zur Tageszeit dadurch abgcsperrt werden. Statt der Schieber dient bey mehreren dieser Schlösser

aber auch zum Oeffuen eine eigene Art kurzer Schlüssel, die einem Stimmhammer ähneln mit einer dreyeckigen oder vier­ eckigen Mündung des Rohres **), welche unmittelbar dem Stift des Schlosses ergreift, der ebenfalls drey- oder viereckig

ist. Gleiche Schlüssel dienen zum Oeffuen aller nicht in der Regel mittelst des Hauptschloffes abgesperrter Thüren der Cor-

*) Von einer andern Einrichtung der Fenster, die vielleicht auch für diese Abtheilung noch zweckmäßiger ist, wird bey der Beschreibung der fünften Abtheilung die Rede seyn. — Von der hier beschrie­ benen Art ist eine Abbildung beygesügt. **) Viereckig in der den männlichen, dreyeckig in der den weiblichen

Kranken bestimmten Abtheilung der Anstalt, damit die Dienst­ leute beyder Abtheilungen diese Schlüssel, die gewissermaßen für die dazu bestimmten Thüren die Stelle eines Dietrichs vertreten, nicht mißbrauchen können, um Corridors und Zimmerräume zu

öffnen, die zu der Abtheilung des anderen Geschlechte- gehören.

86 ridors, und alle Dienstleute dieser Abtheiluützcn sind, eben so

wie alle Beamten, mit solchen Schlüsseln versehen, um die auf diese leichtere Weise geschlossenen Räume und Corridors

damit schnell und ohne Unterschied öffnen zu können.

Auch die Fußböden und Fußleisten sind von gleicher Be­ schaffenheit wie in den Zimmern der drey ersten Abtheilungen; nur daß der Fußboden, bey der seltneren Nothwendigkeit des SchäuernS,

eine geringe

Senkung

von

kaum anderthalb

Zoll gegen die Thüre und den Corridor zu hat. — Die Wände

und Decken sind hier nur auf die gewöhnliche Weise mit Mör-> tcl bekleidet und nach oben zu weiß gekalkt, nach unten zu aber in allen Wohnzimmern bis zur Höhe von fünf Fuß von

dem Fußboden aufwärts mit einem weiß und schwarz in hell­ grau marmorirten Anstrich versehen, welcher das Beschmutzen und Beschreiben und Bemalen der Wände minder sichtbar und letzteres,

für solche Kranke die dazu vorzüglich geneigt sind,

auch minder anziehend macht. — In den den Pensionairs be­ stimmten Zimmern haben die Wände über der Stnhlleiste, bis an welche sie marmorirt sind, einen gefälligen, nicht grellen,

einfarbigen Anstrich. Diesen Zimmern einen Anstrich zu ge­ ben, ^der überall nach dem Charakter des Jrreseyns verschieden wäre, wie z.B. auch zu Rouen (nach Kramer a.a. O. Seite

122) jede Loge nach der angenommenen Classifikation der Ir­ ren, mit einer dem allgemeinen Charakter der Kranken ange­ messenen Farbe ausgemalt seyn soll, wobey es jedoch dunkel

bleibt, was hier unter „Charakter" und was unter „angemes­ sen" verstanden ist, zähle ich, eben so wie das vorgeschlagcne Ansmalen gewisser Zimmer mit

dem schreiendsten Roth und

Gelb auf Schwarz, in den Blitz nachahmendem Zickzack, zur Erregung von Schrecken uud Staunen, jenen Spielereien psychiatrischer Theoretiker bey, an welchen die ersten beyden

Dcccnnien dieses Jahrhunderts so reich waren, die aber größtenthcils eben so uuanwcudbar als unnütz sind, indem es z.B. in einer großen Heilanstalt, bey der Menge und Vielartigkeit

87 der Kranken, die «ach ihren wechselnde» Zuständen bald in diese bald in jene Abtheilung versetzt werden müssen, die Irren

häufig Zimmer angewiesen erhalten müssen, deren Anstrich den Absichten des Theoretikers durchaus widerspricht und wo also

die größten Nachtheile -zu besorgen wären, wenn daS Gemüth des Kranken auf eine so entschiedene Weise von diesen Färbun­ gen afficirt würde, wie es hiernach anzunchmcn wäre.

Die Behcitznng der Räume wird hier ebenfalls im Win­ ter durch erwärmte Luft bewirkt, worüber das Nähere in

dem von diesem Gegenstände besonders handelnden Abschnitte vorkommt. Die in den Corridor sich öffnenden Kaminräume, in welchen die Oefen stehen, sind übrigens sämmtlich mit ei­ sernen Thüren verwahrt, welche in der Regel verschlossen sind

und nur geöffnet werden, wenn den Wärter sein Geschäft für den Augenblick dazu nöthigt. Auch ist hier noch zu bemerken,

daß in einem der Kamiyräume dieser

Abtheilung eine Vor­

richtung zum Kochen und Wärmen von Wasser zu Thee und Fußbädern, zur Bereitung von Breiumschlägen u. bergt, m. angebracht ist. Der

den Zimmern entlang sich erstreckende Corridor hat

eine Breite von 16 Fuß und wird durch eine Reihe von Fenstern erhellt, die an Zahl und Beschaffenheit der in den Zimmern entspricht. Der Fußboden ist mit breiten Fließen von dem dazu ge­ wöhnlich verwendeten grauen Marmor geplattet, indem ein

hölzerner Fußboden hier unzuläßig seyn würde.

wegen der eben erwähnten Heizung

An dem Eingänge in diesen Corridor befindet sich eine zwcyfache Thüre (I) wie in den ersten Abtheilungen, die bey einer

verhälinißmäßigen Höhe breit genug ist um zwey oder drey Per­ sonen zugleich den Ein- und Austritt zu gewähren, indem cs öfters in diesen Abtheilungen nöthig wird, widerspenstige Kran­

ke durch mehrere Wärter mit Gewalt hinein oder hcrauüschaffen zu lassen, wobey zu enge Thüren sehr hinderlich sind, so

88 wie eine gehörige Breite dieser Thüre auch für das Hindurch­ tragen von Betten, Badewannen und anderem Geräthe erfor­

derlich ist. Dieser Thüre gegenüber,

an dem

Ende des Corrk-

dors, so wie auch der Thüre (m) gegenüber, welche in die

fünfte Abtheilung führt, ist ein Waschtisch x x für die Kran­

ken angebracht, der die ganze Breite des Corridors einnimmt und in das Mauerwerk sowohl der Hintern Wand als der beiden Seitenwände so tief eingelassen und befestigt ist, daß er nicht von der Stelle gerückt werden kann.

Um seinen oberen

Rand läuft eine starke drey Zoll hohe Leiste und in der Mitte

desselben gewährt ein, mit

einem

siebartig

durchbrochenen

Blech verschlossenes Loch, welches die Mündung einer abwärts gerichteten drey Zoll im Lichten haltenden Röhre ist, die nach

Außen führt, dem zum Waschen gebrauchten Wasser den Ab­ lauf, während ein über dem Waschtisch aus der Wand her­

vorspringende,

mit einem durch einen Schlüssel verschließba­

ren Kranen versehene Röhre, der Abtheilung sowohl das zum Waschen als zu dem Reinigen der Zimmer und CorridorS erforderliche Wasser zuführt.

Ehe man an den Waschtisch gelaugt, führt auf der Zimeine Thüre in das Lokal, in welchem sich der Ab­

mcrseite

tritt befindet und

wo auch die Wärter in einem besondern

Verschlage Besen, Eimer und andere zu ihrem Dienst erfor­

derliche Utensilien aufbewahren. — Neben diesem Lokal ist ein Gang (n), der zn der Thüre führt, durch welche die Kran­

ken dieser Abtheilung

in den ihnen bestimmten Hofraum O

gelangen, der im Ganzen eine gleiche Einrichtung hat wie die Hofräume N N für die zwey ersten Abtheilungen und nur größer ist.

Am Ende dieser Abtheilung, da wo sie sich am die fünfte

anschlicßt,

befindet sich ebenfalls eine zweyfache Thüre, (m)

die aber in der Regel blos dem Derwaltungspersonal und den Aerzten zuiit Durchgänge dient und sonst stets gcschlos«

89

feit gehalten wird. Zur Verhütung der Verbreitung des Schals­

les sind auch hier die inneren Seiten beyder Thüren mit Heu­ matratzen bekleidet. Die zuerst erwähnte Hauptthüre (1) führt nach außen zu zunächst auf den Corridor (i) und durch diesen in das Verwal­

tungsgebäude, zu den Küchen, den Bädern u. s. w. Was endlich das für die

Zimmer dieser Abtheilungen,

bestimmte Mobilar betrifft, so unterscheidet es sich von dem-

in den drey ersten Abtheilungen theils dadurch, daß es nicht an der ihm angewiesenen Stelle befestigt, sondern verrückbar ist, theils durch die übrige Beschaffenheit desselben. — In den

Schlafzimmern sind die Bettstellen aus Stäben von geschlage-.

nem Eisen verfertigt, von der Eonstruction wie sie aus einerbeygefügten Zeichnung näher zu ersehen ist, wobey hauptsächlich darauf Bedacht genommen ist, den Kopf des Kranken, auch abgesehen von den Kopfküssen, eine etwas höhere Lage zu geben und zu verhindern daß das Bettzeug an den Seiten nicht so leicht herausfallen könne, wie man dieses so häufig an den eisernen Bettstellen findet.

Immer aber bleibt es doch

auch so noch ein Mängel an denselben, daß der Kranke nicht so angenehm geschlossen und warm darin liegt, wie in einer hölzernen Bettstelle, so wie auch, daß längere Personen leicht

mit den Füßen zwischen die eisernen Stäbe am Fußende hin­

durchfahren, welches man dann durch ein hier vorgelegteö Brett verhüten muß. Im Ganzen haben sich jedoch diese eisernen Bettstellen in der hiesigen Anstalt als sehr zweckmäßig bewährt, und wenn hie und da die Besorgniß geäußert worden ist, daß die Gurten, die den Boden derselben bilden, zum Einnisten von Wanzen Gelegenheit geben möchten, so hat sich diese bis jetzt

ungegründet erwiesen, indem das hiesige Institut noch nie von

dieser Plage etwas zu leiden hatte*). — In den meisten

*) Doch können sehr füglich auch Querbänder von Eisenblech die

90 öffentliche« Anstalten, wo eiserne Bettstellen eingcführt sind,

hat man sie ungleich schwerer (in Rouen 125 Pfund schwer) und zum Theil aus gegoßenem Eisen verfertigen lassen, wo­ von das erstere sie, ausgenommen in den den Tobsüchtigen be­

stimmten Zimmern, unnützer Weise, sehr schwerfällig und zugleich viel theurer macht, das letztere aber ganz zu verwerfen ist, weil sie dann noch

leichter wie hölzerne zertrümmert Und, einmal

beschädigt, nicht mehr reparirt werden können. — In der Anstalt zu Wakefield sind in die eisernen Bettstellen hölzerne Tröge oder Laden gestellt, um die Matratzen aufzünehmcn, bey

welcher Einrichtung aber die Vortheile, die man bey der Wahl

von eisernen Bettstellen bezweckt, offenbar wieder größtenthcils verloren gehen. Die Bettstellen sind in diesen kleineren Schlafzimmern, wo höchstens vier auf einen Raum -treffen, mehrcnthcils den

Wanden entlang aufgestellt und, auf jeden Fall so, daß ein Zwischenraum von wenigstens drey Fuß zwischen jedem Bette bleibt. — DaS Bett des Wärters befindet sich in einem ver­

gitterten Raume, in welchen man indessen nach Umständen

auch einen etwa tückischen oder aus andern Gründen genauer jit. verwahrenden Kranken legen kann,

während

dann das

Bett des Wärters zwischen denen der übrigen Kranken steht. Diese Vergitterung ist aus neun Fuß hohen und drey Zoll

im Durchmesser haltenden eichenen Sparren verfertigt, welche zwey Zoll von einander entfernt stehen und unter sich unfern

der beyden Enden durch breitere eichene, horizontal laufende,

Sparren, verbunden sind, durch welche sic mittelst angebrach­ ter Oeffnungcn hindurchgchcn. Jede solche Vergitterung hat zwey Seiten, eine kürzere, die ticr schmalen und eine längere.

Stessen der Gurten vertreten und haben vor diesen den Vortheil der größeren Haltbarkeit.

Daß aber, wie man gesagt hat, ganz

aus Eisen (t>. h. ohne Gurten) verfertigte Bettstellen das Einnisteu der Wanzen begünstigen sollten, scheint bollends unglaublich.

91 die der langen Sekte des Bettes entspricht; beyde sind in tu ncn rechten Winkel mit einander Verbundes und bilden, in ei­ ner Entfernung von zwey Fuß von den itjnth entsprechenden

Wänden des Bettes aufgerichtct, zusammen mit den beyden

Seiten der Zimmcrecke in welcher das Bette steht und an welche die Enden der Gitterwände mittelst starker eiserner Klammern befestigt sind, einen geschlossenen Raum, kn den eine auf ähnliche Weise wie der Rest deS Gitters verfertigte verschließbare Thüre führt, so daß der hier schlafende Wärter

sich darin abspcrren kann und ßblchergcstalt gegen die Tücke oder allerley Belästigung von Seiten der Kranken ernigcr-

maaßen sicher gestellt ist. Zur Aufbewahrung der Kleidungsstücke der Kranken und des Wärters, so wie anderer den Kränken zugehöriger oder für sie in Gebrauch kommender Gegenstände, sind überall, wo es sich füglich thun läßt, hinlänglich geräumige Wandschränke ange­ bracht; wo aber die Gelegenheit dazu fehlt, oder sie nicht hinreichen, erhält jeder Kranke und Wärter einen kleinen 2 % Fuß hohen 2'/r Fuß breiten uNd 1% Fuß tiefen Schrank

aüs Tannenholz mit einem bretternen horizontalen Durchschlag, welcher den Schrank in zwey Fächer theilt, und einer ver­ schließbaren Thüre, wozu der Wärter den Schlüssel hat. Don Außen haben diese Schränke einen braunen Anstrich von Oel-

farbe und dienen in den Schlafzimmern zugleich als Tische, auf welche die Waschgefäße, Trinkbecher, Wasserkrügc stehen

und die Handtücher ausgcbrcitct sind. — Tie Schränke haben ihren Platz zwischen den Betten an der Wand; vor jedem

Bett aber steht ein Tabouret oder Stuhl ohne Lehne, aus

Tannenholz sehr haltbar verfertigt und ebenfalls mit brauner

Oelfarbe angestrichen. — Unter jedem Bette steht ein Nacht­ geschirr aus verzinntem Eisen, und in einer Ecke dieser wie

aller übrigen Zimmer und Corridors, ein mit weißem Sande gefüllter hölzerner Spcikasten aus Eichenholz. An den Fen­ stern hängen Gardinen aus grün gefärbter grober starker

92 Leinwand herab, an einer eisernen Stange über dem Fenster

befestigt,

welche in starken,

nach

hinten

Haken ruhen, so daß die Gardinen

zu gekrümmten

nicht, indem man sie

unten anfaßt, herab geschleudert werden können.

Das Gerüche in den Wohnzimmern dieser Abtheilung, in welchen sich mehrere Kranke d. h. drey bis fünf mit dem Wärter aufhalten, haben einen fünf Fuß langen und drey Fuß breiten Tisch aus zweyzölligen Eichenborten, auf verhältnißmäßig starken Füßen ruhend, deren Festigkeit durch ein

unter der Tischplatte hinlaufcndes Verbindungsbrett (Schwin­ ge) vermehrt ist.

An beiden langen Seiten des Tisches ste­

hen, dieser Länge entsprechende Bänke mit achtzehn Zoll brei­ ten Sitzbrcttern aus Eichenholz von gleicher Stärke wie der Tisch.

Außerdem befindet

sich in jedem Wohnzimmer

ein

Schrank von derselben Art wie in den Schlafzimmern, in wel­

chem das Tischtuch und Tischgeräthe, die Trinkbecher so wie

die zu den Handarbeiten dienenden Gegenstände, die den Kran­

ken anvertrauten Bücher u. bergt, m.

aufbewahrt werden.

Auch in diesen Zimmern sind Gardinen von gleicher Beschaf­ fenheit und auf gleiche Art an den Fenstern aufgehängt, wie in den Schlafzimmern. Ueber die Beleuchtung der Zimmer wie der Corridors findet sich das Nähere weiter unten angegeben.

Siebentes Beschreibung der fünften Abtheilung. rung.

Ueber den Dau der Treppen.

Kapitel. Vorschläge zur FenstcrverwahEinrichtung der gemeinschaftli­

chen Wohn - und Schlafzimmer für die untern Stände.

Einwendun­

gen gegen die Zulässigkeit größerer Schlafsäle beseitigt.

Einrichtung

der Zimmer für die PensionairS. Hofräume; über die Einrichtung derselben in den neuen franz. Anstalten. Gärten. Halle für gemein­

schaftliche Leibesübungen.

Keller.

Nachdem sämmtliche Kranke, die einer strengeren Ver­

wahrung und Aussicht bedürfen, in den vier bisher beschriebe­ nen Abtheilungen untergebracht sind, nimmt die fünfte Abtheilung alle diejenigen auf, denen der Genuß eines höheren Grades von Freiheit gewährt wer­

den kann, und diesem entspricht in jeder Beziehung die innere

Einrichtung derselben. Die zu ihr gehörigen Räume nehmen nebst demjenigen

Theile des Erdgeschosses, welcher nicht für die vierte Abthei­ lung verwendet ward, das ganze zweyte Stockwerk ein. Im

unteren Stockwerk ist

die Fenstcrbrüstung

3'//

hoch und die Fenster haben eine Breite von 4', eine Höhe von 7'.

Die Fensterscheiben sind 8" breit und 12" hoch und

eine besondere Verwahrung der Fenster findet hier nicht statt.

Im oberen Stockwerk aber, wo die Fenster übrigens von glei­ cher Beschaffenheit sind, mit Ausnahme ihrer um 6" gerin­

geren Höhe, sind solche bis auf die Höhe von 3 '/i' durch ein von Außen in dem Mauerwerk befestigtes Gitter von %"

breiten und 6" dicken eisernen Stäben verwahrt, dessen Ocffnungen der Größe der Scheiben genau entsprechen, so daß

94 die hölzerne Scheibeneinfassung die eisernen Stäbe deckt und

solche bey geschlossenem Fenster nicht bemerken läßt; —

ein

Schutzmittel, das blos darauf berechnet ist, einem durch Un­ vorsichtigkeit leicht möglichen Unglücke vorzubeugen, wenn et­

wa bcdachtlosere Kranke sich auf die Fenstcrbrüstungen setzen

ober sich zu weit hinauslehnen

sollten , wo man denn ohne

einen solchen Schutz in steter Sorge seyn würde.

Daß sol­

ches übrigens nicht als Derwahrungsmittel gegen das absicht­ liche sich Hinausstürzcn von Kranken berechnet ist, ergiebt sich schon aus der Weite der Oeffnungen , welche denselben allen­

falls ein Hindurchkriechen gestatten würde. Verwahrungsmittel ist auch

Aber ein solches

bey den hier sich

aufhaltenden

Kranken überflüssig, da keine solche in dieser Abtheilung woh­

nen sollen, von welchen man dergleichen Handlungen fürchten dürfte, und solche, hinsichtlich deren dahinziclcnde Besorgnisse

genährt werden könnten, alsbald wieder in eine der vier un­ teren Abtheilungen

versetzt werden müssen.

Um jedoch in

zweifelhaften Fällen hinlänglich sicher gestellt zu seyn, besteht die Einrichtung/ daß in jedem Zimmer von zwey Fenstern je­ desmal eins, vor welchem sich dann auch kein eiscrues Gitter befindet, nicht geöffnet werden kann, indem es nur scheinbar

auö zwey Flügeln besteht,

aber wirklich mit dem Fensterrah­

men ein Ganzes ausmacht. — An dem Riegel deS zu öffnen­

den Fensters aber ist unten ein Schloß Angebracht, mittelst dessen derselbe, wenn das Fenster geschlossen ist, durch den

Wärter, der den Schlüssel dazn besitzt, festgcstellt werden kann, so daß die Kranken alsdann das Fenster nicht nach Wisikühr

öffnen können und man es immer in seiner Gewalt hat, sol­ che Irre, denen man zu mißtrauen einige Ursache findet, ohne daß sie sich doch bestimmt für eine andere Abtheilung eignen, sowohl bey Tage als auch bey Nacht genauer zu verwahren.

Der obere Theil der Fenster ist durchgängig nicht zum Oeff-

ncn eingerichtet, der Rahmen aber hinlänglich nmssiv aus Eichenholz verfertigt, die Scheiben aus starkem weißem Glase

95 und an einer her Fensteröffnungen in der oberen Reihe (in

den Zimmern wo mehrere Fenster sind, an den nicht zu öff­ nenden Fenstern) ei» Ventil angebracht. Bei dicscip Anlasse muß ich deS hin und wieder gemach­ ten und auch ausgcführten Vorschlages gedenken, zu den Fen­ sterrahmen in den Irrenanstalten statt des Holzes Eisen zu verwenden, wobey man hauptsächlich, eines Theils die größere

Haltbarkeit und Kraft des Widerstandes gegen gewaltsame Angriffe, andern Theils aber den Vortheil in Anschlag brachte,

daß solche Fenster zugleich statt Gitter dienen könnten, ohne

daß sie doch als solche dem Hause ein gefängnißartiges Anse­

hen gäben. Indessen wird man finden, daß bey der von mir beschriebenen Einrichtung, die Nothwendigkeit und Nützlichkeit von eisernen Fenstern, sofern die eben angeführten Gründe da­

für sprechen sollen, wegfällt,

da in den drey ersten Abthei­

lungen die Fenster durch ihre hohe Stellung, in der vier­ ten durch die nach Innen vor denselben angebrachte Ver­

wahrung, hinreichend sicher gestellt sind, in der fünften Ab­ theilung aber sich in der Regel keine Kranken befinden, deren Zustand zu dergleichen Vorkehrungen auffordert, und für die seltenen zweifelhaften Fälle die angegebenen Vorsichtömaaßre-

gelfl gewiß ausreichen werden. Auf der andern Seite haben die eisernen Fenster manche

Unbequemlichkeiten, die bei ihrer Anwendung sehr in Betracht kommen müssen, während sie zugleich den beabsichtigten Schutz durchaus nicht in dem gerühmten Maaße gewähren. Denn erstlich sind sie, weil sie insgemein des Preises wegen aus

Gußeisen verfertigt werden, rung nicht minder

einer gewaltsamen Zertrümme­

unterworfen

als

Fenster aus starkem

Eichenholz, während im Winter bey Frostwetter die, in den ihre Dimension verändernden eisernen Rahmen eingelassenen, Scheiben leicht gesprengt werden. — Zweytens ist es auS dem­ selben Grunde fast unmöglich die Fensterflügel so dicht in die Fensterrahmen einschließend zu erhalten, daß an den Ein-



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fugungen nicht stctö Raum für das Eindringen dcö Zugwinde-

und Regens bleiben sollte.

Drittens ist das Eisen, auch wenn

die Fenster mit einem guten Anstrich von Oclfarbe oder Firniß überzogen worden, an den Stellen wo die Farbe oder der

Firniß sich leicht abreibt oder abspringt, d. h. an allen Rändern wo die Fensterflügel sich in den Fensterrahmen eknlegen, einer Auflösung des Eisens durch die eindringende Nässe und dem­ zufolge einem sehr lästigen und übelausschendem Herabfließen

des Rostwaffers ausgesetzt, welches zugleich ein festes Zufrie­

ren dieser Fenster im Winter veranlaßt.

Viertens werden

die Zimmcrräume bey den nothwendig kleinen Scheibenöffnun­

gen, die höchstens 8 Zoll ins Gevierte betragen dürfen, bedeu­ tend verdunkelt. Fünftens endlich ergiebt sich von selbst, daß

diese Fenster, wenn sie die Stelle von Gittern vertreten sol­ len , auf eine ähnliche Weise mit Schlössern versehen und ge­ schlossen werden müssen, wie auch die hölzernen und daß, sobald man sie öffnet auch kein Gitter mehr besteht, wo denn

offenbar

weniger Schutz vorhanden ist als bey der von mir

angegebenen Einrichtung, wonach sich ein von den Einfassun­ gen der Fensterscheiben gedecktes Gitter vor dem Fenster be­ findet. Allerdings sind die zweyten und die zuletzt hier erwähnten

Nachtheile zum Theil bey den in Großbritannien gebräuchlichen horizontalstchcnden Schiebfenstern

in geringerem Grade vor­

handen als bey den in Deutschland gewöhnlichen scnkrechtste-

hcndcn, indem bey diesen die Fugen durch die überspringen­

den Theile des Fensterrahmens etwas mehr gedeckt sind und die Fenster so eingerichtet werden können, daß sie sich nur etwa acht bis zehn Zoll hoch hinauf oder hinabschicben lassen,

so daß der Kranke sich nicht, hindurch drängen kann. Hicbcy ist aber auch keine genügende Lüftung der Räume möglich und die übrigen Bedenken bestehen auch bey dieser Gattung von Fenstern ungeschwächt. Doch

verstattet auch eine hinlängliche Lüftung diejenige

97 Einrichtung dieser horizontalstchendeu Fenster, die erst wäh­

rend der letzten Jahre in England in Gebrauch gekommen ist, wo zwey Fensterrahmen von ganz gleicher Form und Größe dicht voreinander stehen, wovon der innere, von Holz und mit Scheiben versehen, seinem oberen Drittheil nach be­ weglich ist und kn seiner Breite hinabgeschoben werden kann, so daß ein Drittheil deS Fensters geöffnet wird, während der äußere Rahmen von Eisen, unbeweglich und ohne Schei­

ben, immer noch die Form des Fensters darstellt, und zu­ gleich als Gitter dient, indem die Scheibenöffnungen nur sechs Zoll Breite und zehn Zoll Höhe haben. — Diese Gat­

tung von Fenster wäre zumal für die vierte Abtheilung der hier beschriebenen Anstalt anwendbar, wenn zugleich die in­ nere Seite der Glasfenster einen

Schutz von Drathgeflecht

erhielt. Die Thüren in dieser Abtheilung sind zwar von ansehn­ licher Stärke, weichen aber in der Form von gewöhnlichen

Zimmcrthüren nicht ab und eben so wenig haben die eingcstemmtcn französischen Schlösser, die von Außen und Innen mittelst eines gewöhnlichen messingenen Drückers geöffnet und mittelst eines zweytourigey Riegels abgeschlossen werden, et­ was Auszeichncndes; nur daß sich an der innern Seite nicht

wie gewöhnlich ein Nachtschloß befindet, weil dieses von den

Kranken zum Abschließen des Zimmers leicht mißbraucht wer­ den kann, welches bey den Riegeln nicht zu besorgen ist, in­ dem die Schlüssel dazu stets in den Händen der Wärter blei­ ben *).

*) Auch über die Thürschlösser an den Krankenzimmern in den Irren­

häusern ist manche- llnnöthige und Unpassende gesagt worden, indem man sie zugleich stark haben und doch die Stärke verstecken wollte, damit der Irre «»..dieser Vorrichtung zu seiner Ein­ sperrung keinen Anstoß nehmen möchte. Zn Anstalten aber wo die

Irren nach ihren

verschiedenen Zuständen gehörig von einander 7

98 Die Treppen,

die auS dem untern Stockwerk in das

zweyte führen, sind gut beleuchtet, sechs Fuß breit, von gelin­

der. Steigung, mit einem Ruheplatz bey jeder Wendung und

hinlänglich hohen Lehnen.

Die Treppenhäuser der Treppen,

die ans dem zweyten Stock auf den Speicher führen, sind

durch verriegelte Thüren abgesperrt. — In den neuen englischen

Irrenhäusern hat man größtentheils ziemlich breite Wendel­ treppen, die von oben mittelst einer verglasten Kuppel ihr Licht erhalten und von denen man auf den Ruheplätzen den Ueber-

blick über alle nach der Treppe sich hinziehende Corridors und manche andere Theile des Gebäudes, ja selbst über einen Theil

der Hofräume hat, und legt viel Gewicht auf den Nutzen, den dieser Ueberblick behufs der Beaufsichtigung der Kranken

und Wärter gewähre.

Es muß aber erinnert werden,

daß

diese Einrichtung nur in solchen Anstalten den erwähnten Vor­ theil verschafft, die des größeren, einer gehörigen Scheidung

der Kranken in solche Klassen, wie ihr verschiedener Zustand

sie gebietet, und einer dieser entsprechenden Eintheilung der ganzen Anstalt in mehrere geschloffene Reviere, entbehren, in­

dem mit der letzteren Anordnung ein solches Offenstehen aller

geschieden sind, thut eS gar nichts wenn der tobsüchtige oder sonst

daß die Thüre die er zu sprengen droht durch ein tüchtiges, aber von

zu gewaltsamen Handlungen geneigte Kranke wahrnimmt,

Außen angebrachtes Schloß gehörig geschützt ist,

während in den

Abtheilungen, wo die auf einer mittleren Stufe stehenden Kran­ ken sich aufhalten, diese um so weniger ein Aergerniß mehr an

solchen Vorrichtungen zur strengeren Absperrung nehmen, die nur bey außerordentlichen Anlässen in Anwendung kommen, da in

der Regel die beschriebenen leichten Nebenschlösser zu dem ihnen überlassenen Oeffnen und Schließen der Thüren dienen; — und in den höheren Abtheilungen

endlich ist durchaus kein Grund vor­

handen andere als die gewöhnlichen s. g

englischen Schlösser, doch ohne Nacht schloß, in Gebrauch zu ziehen.

99 Theile der Anstalt zum Ueberblick, so wie die allgemeine Zu­

gänglichkeit der Treppen unverträglich ist.

Ueberdies aber ist

die von mir angcrathene einfache, hinlänglich breite Treppe, die mit ein oder zwey Ruheplätzen und rechtwinkligen Wen­

dungen , gemächlich und wohlbeleuchtet hchaufsteigt, für eine Irrenanstalt angemessener als eine Wendeltreppe, wenn solche

nicht von ganz ungewöhnlicher Breite und daher auch Kost­ barkeit ist. Daneben ist an den neuen englischen Irrenhäu­ sern auch die geringe Zahl der Treppen zu tadeln, indem z. B.

die große Anstalt zu Wakefield für jede der beiden Hauptab­ theilungen der Gebäude nur eine und so auch die für 700 Kranke eingerichtete Anstalt zu Hanwell in jedem der drey

Haupttheile, in welche daS ungeheure Gebäude zerfällt, eben­ falls nur eine Treppe befitzt, welches von mancherley großen

Unbequemlichkeiten und Nachtheilen unzertrennlich, und eben­ falls nur mit dem Mangel einer gehörigen Scheidung der

Kranken vereinbar ist.. Die Corridors find von der gleichen Breite wie in der

vierten Abtheilung,

die des unteren Stockes mit Fließen ge­

plattet, die des oberen mit einer Bedielung von starkem Ei­

chenholz, welches eben so mit heißem Oele getränkt und dann

mit Oclfarbe angestrichen ist wie in den Zimmern der früher beschriebenen Abtheilungen.

An den Enden derselben befinden

sich ähnliche Waschplätze, wie sie .bey der Beschreibung der vierten Abtheilung angegeben worden / wobey zu bemerken ist,

daß der Fußboden unter den Waschtischen und auch noch in einer Strecke von acht Fuß vor denselben, um die sonst an diesen Stellen so leicht statt findende Fäulung des Holzes zu

vermeiden, mit Zinn oder starkem Eisenblech belegt und daun ebenfalls mit Oelfarbe angestrichen seyn muß.

Wo die vierte und fünfte Abtheilung aneinanderstoßen,

so wie an dem gegenüberstehenden Ende des Vierecks, öffnen sich auf derZimmcrscite, im oberen wie im unteren Stockwerk,

die Thüren, die zu den Gemächern (d. d,) führen, in welchen

100 die Abtritte angebracht sind und wo tit einem besondern abge­

theilten Raume auch die zur Reinigung der Zimmer, Corridors, Fenster, Kleider, Schuhe u. s. w. gehörigen Utensilien

und andere Gegenstände der Art, welche die Wärter zu ihrem

Dienste gebrauchen, aufbewahrt werden. Was die Wohn- und Schlafräume betrifft, so liegen die

Wohnzimmer für die Kranken aus den untern Ständen durch­ gehends im unteren Stockwerk der Südseite e, e, e, e, indem

sie sich hier am nächsten bey dem ihnen bestimmten großen Hofraum befinden und zugleich vermieden wird, daß diese große Masse so oft die Treppen auf- und abzusteigen braucht. Ucbrigetts sind diese Zimmer von solcher Größe, daß sie je zehn, fünfzehn und zwanzig Personen hinlänglichen Raum

zu ihren Beschäftigungen, Mahlzeiten, so wie zu einer freye­ ren Bewegung darbietcn und zugleich eine größere Luftverderbniß, zumal während der kalte» Jahreszeit, vermieden wird. Nach Maaßgabe der eben genannten Zabl der Bewohner, hat daher jedes solches Zimmer bey einer Tiefe von sechs und zwan­

zig Fuß eine Breite von achtzehn Fuß. Der Fußboden hat eine eichene Bedielung wie die Zimmer in der vierten Abthei­

lung und eben so läuft eine Fußleiste an den Wänden umher,

so wie denn die gleiche Art der Bedielung in sämmtlichen Wohn- und Schlafzimmern dieser Abtheilung statt findet. Die Wände sind von der Decke herab bis auf eine Höhe von bei­

nahe fünf Fuß vom Fußboden weiß gekälkt, haben aber von

da an bis zur Fußleiste einen marmorirten Anstrich, um den Ucbelstand des Beschmutzens der Wände von dem immer statt findenden Anlehnen der Kranken an dieselben zu vermeiden, während hiedurch zugleich diesen Wohnzimmern mit geringen Kosten ein ungleich besseres Ansehen gegeben wird. — Das

Holzwerk der Fenster, Thüren und Fußleisten hat, wie in den

übrigen Theilen der Anstalt, einen Anstrich von hellgrauer

Oelfarbe.

An den Seiten der Fenster hängen Gardinen von

gleicher Beschaffenheit und auf gleiche Art befestigt herab, wie

101 in der vierten Abtheilung.

Das Stubengeräthe besteht auch

hier auö eichenen Tischen und Bänken,

ben worden.

wie sie oben beschrie­

Ihre Zahl entspricht der Zahl der Bewohner

des Zimmers, in dessen Mitte sie stehen, so daß zu beiden Seiten hinlänglich Raum zum Auf- und Abgehen bleibt. An

der oberen und unteren Wand aber sieht man zwey Oder drey von den ebenfalls schon beschriebenen Kommodenschränken oder

Spinden, wo nicht Wandschränke angebracht werden konnten, die deren Stelle vertreten.

Don diesen für die nnbemittelten Kranken bestimmten Wohnzimmern sind für» jedes Geschlecht vier erforderlich, wo­

von eins der minder geräumigen den reconvalescirenden und

vorzüglich ruhigen und sittsamen Kranken, ein anderes solchen Individuen bestimmt ist, die zwar ihrer Mittellosigkeit wegen die Verpflegung dieser Klaffe genießen, die sich aber ihrer Bildung und ihren früheren Verhältnissen nach durch eine rück­

sichtslose Vermischung mit den Kranken aus den untersten Ständen verletzt fühlen würden. Die beyden übrigen Zimmer sind dem Reste dieser Kranke« bestimmt. Die Schlafräuine für diese Kranken aus den untern Stän­

den befinde« sich in dem zweyten Stock der Nordseite auf einem dazu ausschließlich bestimmten Flur nebencinanderliegcnd e. e. e.

Sie bestehen aus Sälen von sechs und zwanzig Fuß Tiefe und achtzehn Fuß Breite mit zwey Fenstern, in welche jedes­

mal eilf Kranke und ein Wärter zusammen schlafen.

Die

Bettstellen aus Eisen von der schon angegebenen Art, stehen in zwey Reihen einander gegenüber, mit dem Kopfende an

der Wand und mit dem Fußende gegen die Mitte des Zim­ mers gerichtet, wo dann noch ein freyer Gang von sechs Fuß Breite zwischen den beiden Bettrcihen übrig bleibt, wäh­

rend die Betten in der Reihe drey Fuß von einander entfernt

ausgestellt sind. Zwischen zwey Betten steht an dem dazwischen befindli­

chen Raume der Wand ein Kommodenschrank von der mehr-

102

erwähnten Art, für jeden Kranken einer, in welchem die ihm gehörigen Kleidungsstücke und andere ihm zum Gebrauch ge­ lassene Gegenstände aufbewahrt werden, und auf demselben hat das ihm bestimmte Handtuch so wie auf einigen derselben

auch ein Waschbecken von verzinntem Eisenblech zu gemein­ schaftlichem Gebrauch, seinen Platz, um am Morgen zu den

Waschtischen gebracht zu werden. — An der einen langen Seite

jedes Bettes steht ein Sitzschcmmel von der oben beschriebenen Art und unter jedem Bett ein Nachtgeschirr, letzteres ebenfalls

von verzinntem Eisenblech. Solcher Schlafsäle sind sechs für jedes Geschlecht erfor­ derlich.

Einer davon ist auf jeder Seite heitzbar und bestimmt

zugleich die etwa bettlägerigen Kranken aufzunehmen *), falls

der Zustand einzelner nicht ihre Verlegung in ein besonderes Zimmer erfordert. Ucbrigens aber wird so viel möglich da­

hin getrachtet, dieselben Rücksichten bey der Vereinigung dieser Kranken in den Schlafzimmern zu beobachten, wie in den Wohnzimmern. Bey Roller a. a O. p. 108. findet man den Vorschlag, daß die gemeinschaftlichen SchlafsLle in dem obern Stockwer­ ke mit ihrer Länge die ganze Tiefe des Hauses einnehmen soll­

ten, damit die Betten um so mehr an den mittleren Wänden

der Zimmer und nicht zwischen den Fenstern aufgestellt zu

*) In einer gut organisirten und verwalteten Irrenheilanstalt ist die

Zahl der bettlägerigen Kranken in der Regel verhaltnißmaßig nur unbedeutend, es sey denn daß epidemische Krankheiten, Wechsel­ fieber, Rühren u. dgl. herrschend werden, daher es auch »»nöthig ist, der Unterbringung solcher Kranker so viele besondere Räume zu widmen wie es jüngst in neu angelegten Anstalten öfters ge­ schehen ist.

In diesem Augenblick befinden sich unter 200 Kran­

ken in der Siegburger Anstalt fünf bettlägerige, und daß zehn zu

gleicher Zeit bettlägerig sind, kommt sehr selten vor-

103 werden

brauchten

zwischen den

und zugleich

Fenster« der

beiden Seiten ein freyer Luftzug unterhalten werden könne.

Dies ist aber weder rathsam noch, um der genannten Zwecke Rathsam nicht, weit durch eine solche Ein­

willen, nöthig.

richtung die Nothwendigkeit gegeben ist, sowohl daß man, um auf dem Flügel und Stockwerk wo die Schlafzimmer lie­

gen zu verkehren, immer den Durchgang durch die Schlafsäle

nehmen muß, die also eben darum, zum großen Nachtheil der

allgemeinen Ordnung, bey Tage nicht geschlossen werden kön­ nen, als auch, daß die Kranken die in

den Hintern Sälen

ihre Schlafstellen haben, um zu oder aus diesen zu gelange«,

immer durch

alle vorliegende Schlafsäle durchgehen müssen,

so wie dieser Uebelstand auch hinsichtlich des Reinigens der

Schlafsäle, des Austragens von Ercrementen und des Hinund Hertragens anderer Gegenstände sehr in Betracht kommt.

Nöthig ist diese Einrichtung aber der angegebenen Grün­ de wegen eben so wenig, erstlich,

weil ein Schlafsaal von

solcher Tiefe, wie sie von mir bestimmt ward, vollkommen hinreicht zwölf Betten den mittleren Wänden entlang aufzu­

stellen, es aber wohl selten rathsam seyn dürfte mehr als

zehn bis eilf Kranke mit einem Wärter in einen Saal zusam« ne« zn legen, zweytens aber,

weil bey den, wie hier ange­

nommen, in der zweyten Etage gelegenen Schlafsälen ein

vollkommen zur Reinigung der Luft hinreichender Luftzug er­ halten werden kann, indem an dem der Fensterseite gegenü­ ber stehenden Ende des Saales in der Decke eine mit dem

Speicher in Verbindung stehende Oeffnung von einem Fuß ins Gevierte angebracht wird, welche mit einer Klappe versehen

ist, die mittelst eines über Rollen gehenden Zuges geöffnet und

geschlossen

werden

kann,

welche Einrichtung in der

hiesigen Anstalt in allen Schlafsälen wo es nöthig schien ge­ troffen

ward, und hier der Absicht vollkommen

entsprochen

hat. Indessen ist von andern Setten und namentlich in der

104

Beschreibung der Sonnensteiner Anstalt ♦) Thl. I. p. 67. be­ hauptet worden, daß die gemeinschaftlichen Schlafsäle für eine größere Anzahl Irren verwerflich sey,

wogegen eine solche

Einrichtung, wobey je nur zwey bis vier ruhige Kranke ein gemeinschaftliches Schlaf- und Wohnzimmer hätten, als weit vorzüglicher gepriesen wird, indem es ein familienartiges Zu­

sammenleben der Kranken begünstige. Wenn man aber er­ wägt, daß die Behauptung von dem Nachtheile, welcher mit der Bereinigung größerer Genossenschaften von acht bis zehn

oder eilf Irren in einen Schlafsaal verbunden sey, durch keinen andern Grund unterstützt wird, als durch das Dorgeben von den dabey statt findenden häufigen nächtlichen Störungen, welches

aber durch die Erfahrung in der diesigen Anstalt, übereinstim­ mend mit der in mehreren andern Anstalten, wo in der Regel ruhige Irre in größerer Anzahl zusammenschlafen , widerlegt wird, sowie denn auch Roller diese Behauptung a. a.O. p. 108 unterstützt, mit der oben gerühmten Sonnensteiner Einrich­

tung aber der nicht hoch genug anzuschlagende Nachtheil unver­ meidlich verknüpft ist, daß der größte Theil der Irren sowohl bey Nacht als während eines Theils des Tages sich ohne Aufsicht von Wärtern befinden, da diese nicht für den dritten Theil der

Schlafzimmer hinreichen, während bey der in Siegburg und

anderwärts statt findenden Einrichtung auch bey Nacht alle Kranke unter Aufsicht bleiben können, so wird sich leicht erge­

ben welcher Anordnung der Vorzug gebührt. — Indessen lie­

ßen wohl die auf dem Sonnensteine gegebenen baulichen Verhältnisse, die obnerachtet der ungemeinen Vorzüge der Lage und des äußeren Ansehens deS Schlosses gegen die Stadt

Pirna zu, für eine solche Anstalt kaum unzweckmäßiger gefun­

den werden konuten, wie solches zumal auch durch die dem obcn-

*) Beschreibung der Ä. Sacks Heil- und Verpflegungsanstalt Son-

nenstem von Nostttz und Zankendorf. Dresden 1829.



105

angeführten Werke ««gehängten Baurisse bestätigt wird, keine

andere Einrichtung als die gewählte zu, und es ist sehr leicht zu begreifen, wie der edle Verfasser der erwähnten Beschrei­

bung, der mit so rastlosem Eifer dahin gewirkt hat, jene Nach­ theile so viel möglich zu besiegen, weniger als andere für eine

bessere, auf dem Sonnenstein vielleicht unmögliche Einrichtung,

Sinn zeigt. — Uebrigens handelt es sich hier, wie schon be­ merkt, allein von Kranken aus den untern Ständen, und zwar von solchen denen man ein ruhiges und anständiges Verhalten zutrauen darf, da bey den Pensionairen aus den höher« Stän­

den, so wie bey allen Kranken die zufolge der Art ihres psy­ chischen Leidens den unteren Abtheilungen angehören, eine Dertheilung in mehrere einzelne Räume, bey Nacht wie bey Tage, schon als Norm angenommen ist, wobey es dann aber

zufolge der hier empfohlenen Einrichtung möglich ist, für alle diese Räume besondere Wärter zur Aufsicht zu gewinnen.

Da wo die Reihe der gemeinschaftlichen Schlafsäle endet, beginnt das durch eine Scheidewand und Thüre davon geson­ derte Revier, welches solchen bemittelten Kranken aus den hö­ her« und gebildeter« Ständen, die sich für diese fünfte Ab­

theilung eigenen, so wie den sich unter denselben befindlichen Reconvalescentcn gewidmet ist.

Die Ausdehnung

desselben

durch die muthmaßlich anzunehmende Frequenz von Kranken aus diesen Ständen bestimmt. Nach der seitherigen

wird

Erfahrung der hiesigen Anstalt würde man annehmen dürfen,

daß sich unter zweyhundert Kranken etwa vierzig Pcnsionairs aus den höheren Ständen, aus dem Kaufmanns- GelehrtenBeamtcnstande, dem Adel u. s. w. befinden. Indem diese nun theils Zimmer ganz allein bewohnen, theils solche nur noch mit einem oder zwey Genossen theilen, so ergiebt sich hieraus, daß diese Wohnungen, zumal da auch noch für gesonderte Schlafgcmächer gesorgt seyn'muß, ver-

hältnißmäßig weit mehr Raum einnchmen als dio Wohnungen für die Kranken der unteren Stände, indem man für die Wohu-

106 zimmer von vierzig solcher Kranken beider Geschlechter allein wenigstens auch gegen fünf und zwanzig bis vierzig Fenster, für die Schlafzimmer aber vier und dreißig Fenster zählen

muß, wozu denn noch acht Fcnstel für die Gesellschaftszimmer kommen. Hienach nehmen diese sämmtlichen Räume (h. h. h.)

im oberen Stock zwey ganze Seiten des Vierecks ein, wovon die eine vorzugsweise den schon mehr geförderten und die an­ dere den noch in einem weniger guten Zustande befindlichen Kranken bestimmt und auf der beyde Seiten verbindenden Ecke

das gemeinschaftliche Gesellschaftszimmer (!) liegt. Man hat in mehreren neuen Anstalten gewissermaßen ge,

wetteifert, diesen für die Pensionairs bestimmten Zimmern eine außerordentliche Eleganz zu geben, und sie mit schönen Tapeten, kostbaren Meubeln, Sophas, Fortepianos, großen

Spiegeln, Schreibtischen, Fußteppichen u. s. w. auszustatten,

und hat glaube ich hierin etwas zu viel gethan.

billig es auch scheint,

Denn so

daß die Bewohner dieser Abtheilung

gewisse Annehmlichkeiten und Gemächlichkeiten in ihrer Woh­ nung und Beköstigung genießen, die sie schmerzlich entbehren wür­

den , so ist es doch ohne Zweifel dem Zweck der Anstalt ange­ messen, daß Hiebey dem Lurus und der Weichlichkeit nicht zu viel Raum gegeben werde *), sondern die ganze Einrichtung auch hier den Charakter einer gewissen Einfachheit und Mä­

ßigkeit trage, während doch mit Aufmerksamkeit für alles wirk­ lich Nöthige und daneben für solche Annehmlichkeiten gesorgt ist, die mehr dem verfeinerten Gefühle für Heiterkeit, Anmuth, und Nettigkeit,

als einem durch Wohlleben verzärtelten Ge­

schmack entsprechen. Es reichen demnach Wohnzimmer von 16 Fuß Tiefe und

*) So wie Kramer in dem oben angeführten Aufsatze rühmt, daß die Zimmer in dem ersten Stockwerk der Anstalt -u Vanves eine so prächtige Einrichtung hätten, daß sie jedem großen Pallast zur Zierde gereichen könnten.

107 einer gleichen Breite hin, deren Wände entweder mit einer

sehr einfachen Tapete behangen sind, oder einen heiteren far­ bigen Anstrich, mit einer gefälligen Bordüre an der Decke, ha­ ben. Zum Schutz gegen die Stuhllehnen läuft eine farbige

canelirte starke hölzerne Leiste, drey Fuß vom Boden an. den Wänden umher und zwischen derselben und der Fußleiste er#

hält die Wand eine marmorirte Färbung, die zu der Farbe der Tapete oder des Zimmeranstrichs paßt. Die Fenstervorhänge sind von weißem Nessel, nach frü­ herer Sitte an ihrem obern Ende in der Mitte zusammenstoß­

end und zu beiden Seiten des Fensters in messingene Arme ausgenommen, damit sie wirklich zum Schutz gegen die Sonne oder gegen das lästigwerdende, eindringende Licht dienen kön­ nen.

Zwischen den Fenstern steht eine Kommode aus Nuß­

baumholz, gut gearbeitet, mit drey Schiebladen, zum Aufneh­ men der Wäsche u. s. w. des Kranken, und darüber hängt ein Spiegel von mäßiger Größe.

An jeder der beiden Sei­ tenwände steht ein Tisch von Nußbaumholz mit einer breiten Schieblade für Bücher, Schreibzeug u. dgl. m. und ein halb Dutzend Stühle von gefälliger Form aus Kirschbaumholz, mit Sitzen aus Binsen oder Rohr geflochten; nur für Gebrechliche

ein gut gepolsterter Armstuhl. Don dek Decke des Zimmers hängt

eine Astrallampe herab, unter welche am Abend der Tisch gerückt wird. Die Wände sind mit einigen Kupferstichen, hauptsächlich

Landschaften und heiteren historischen Stücken verziert; über dem Spiegel hängt in einem einfachen Rahmen ein mit großen Lettern gedruckter kurzer Bibelspruch, trostreichen, ermuthigenden, hoff«

nungerweckenden, oder zur Eintracht, zum Dank, zur Milde u. s. w. auffordernden Inhalts, dem Bedürfniß der Einwoh­ ner angepaßt und von Zeit zu Zeit mit einem andern verwech­ selt. — Außer diesen größeren giebt es noch einige kleinere

Wohnzimmer mit einem Fenster, für minder wohlhabende Pen­ sionairs , denen man doch aus besonderen Rücksichten eigene Zimmer geben will.

10S Die Schlafzimmer sind kleiner oder größer, mit einem Fenster oder zweyen, je nachdem sie für einen Kranken oder für zwey

oder drey bestimmt

sind.

Sie sind weiß oder

haben einen farbigen, nicht zu Hellen Anstrich, mit einer

Einfassung von einer schwarzen oder braunen Leiste an der Decke. — Das Ameublement besteht aus Bettstellen von Nuß­ baum oder gefirnißtem Eichenholz von gewöhnlicher Form, so

viele als Kranke in

dem Gemache

schlafen,

einer eisernen

Bettstelle für den Wärter, eineür braun angestrichenen Wasch­

tische, einem Nachttische aus Kirschbaumholz für jeden Kran­

ken, Stühlen nach Bedürfniß,, einem Kleiderschrank aus gefir­ nißtem Eichenholz, einem kleinen Spiegel, Waschgeschirren

und Nachtgeschirren aus Fayence, Karaffen und Trinkgläsern und was sonst noch zu den kleineren Bedürfnissen zur Erhal­

tung der Reinlichkeit gehört.

Die Fenster haben Gardinen

von grünem Bombasin oder starkem grün gefärbtem Nessel­ zeuge. — Die Fenster aller Zimmer sind von innen mit Fen­ sterladen versehen, die sich zusammengeschlagen an die Fenster­ wand anlegen. Das im Mittelpunkte dieses Revieres befindliche Gesell­

schaftszimmer (i) ist auf der weiblichen wie auf der männ­ lichen Seite von ansehnlicher Größe, zumal aber auf der letzteren, da nebst mehreren größeren und kleineren Tischen aus Nußbaumholz, anderthalb Dutzend Stühlen von der obge­

dachten Art, einem Fortepiano, den Schränken für die Bücher­

sammlung, Musikalicn, mehreren BlaS- und Saiteninstrumen­ ten, Sammlungen von Conchilien, Mineralien, Schmetterlin­ gen u. s. w., auch ein Billard *) von hinlänglicher Größe

darauf stehen, und es überdies reichlichen Raum zur freyen Bewegung für eine größere Gesellschaft darbietcn muß. Die Wände haben einen heiteren Anstrich mit einer gefälligen Ein-

*) Statt dessen auf der weiblichen Seite ein Stoßkegelspiel.

109



fassung, und sind überdies mit guten Landcharten, gefirnißt nnd in Rahmen gefaßt, so wie mit einer Anzahl ansprechender Kupfer­

stiche, Landschaften oder passende historische Gegenstände dar­ stellend, bekleidet. —An der mittelsten Zwischenwand der Fen­

ster hängt ein größerer Spiegel.

Die Gardinen an den Fen­

stern wie in den Wohnzimmern. Auf den Tischen stehen Schach- und Damenbretter u. dgl. m. Auch der Corridor dieses Reviers ist durch mehrere Ge­ mälde, Frucht-, Blumen- und Thierstücke, Landschaften u. s. w.

belebt und von Strecke zu Strecke hangen Käfige mit Kanarien- und andern Singvögeln von der Decke herab und hier und da rollt sich über den Thüren ein Eichhörnchen in seinem

Häuschen oder es spricht ein Papagay den Vorübergehenden

an, alles um theils dem Eindrücke von trauriger Oede und todter Einförmigkeit zu wehren, von welchem das Gemüth in solchen Wohnungen des Unglücks nur zu leicht ergriffen wird, theils der Einbildungskraft ansprechende und zugleich unschäd­ liche, nicht zu sehr aufregende Gegenstände zur Beschäftigung

in müßigen Augenblicken darzubieten. — An den beiden äu­ ßersten Enden befinden sich Abtritte und, anschließend, Räume zur Aufbewahrung des Rcinigungsgcräthcs für die Wärter. Die Hofräume und Gärten dieser bisher beschriebenen fünften Abtheilung auf der männlichen und weiblichen Seite, stimmen mit den sonstigen Einrichtungen überein. — Die Hof­

räume liegen in der Mitte der Vierecke und haben, bey der

so mäßigen Höhe der sie umschließenden Gebäude und deren bedeutenden Ausdehnung, hinlängliches Licht und eine ansehn­

liche Größe.

Um einen kleinen runden Rasenplatz in ihrer

Mitte erhebt sich ein Kreis von Pappeln, zwischen welchen hölzerne Bäncke stehen. An den Seiten wo sich die höher ste­ henden Fenster des CorridorS der vierten Abtheilung befinden, sind Ställe für mancherley Federvieh, so wie für Kaninchen angebracht, welche den Hof beleben.

Es ist oben schon der Hofräume in den nach E s quiro ls



110

Angaben erbauten neuen französischen Anstalten gedacht wor­ den, rote nämlich hier ein Säulengang rundumherläust und die eine der vier Seiten des Hofraumes nur durch ein schönes

eisernes Gitter versperrt ist, welches die Aussicht auf die Umgegend verstattet, während die Decke des Säulenganges den Bewohnern des zweyten Stockwerks ebenfalls eine nahe

Gelegenheit zum Genusse der freyen Luft, zugleich mit der Aussicht auf die Umgebungen an Gärten und Fluren darbie­

tet, eine Einrichtung die diesen Gebäuden ein ungemein heiteres Ansehen giebt und den Kranken große Annehmlichkeiten ver­ schafft. Doch ist sie von wichtigen Bedenken ebenfalls «icht frey, da ein von allen Seiten geschlossener, dem Eindringen der Winde nicht ausgesetzter Hofraum, zumal in den Jahreszeiten und Witterungszuständen, wo die Gärten nicht benutzt werden

können und die Höfe am meisten besucht werden, von großem

Werth ist und, da wo die Kranken übrigens viel im Freyen le­ ben, die Gesperrtheit, dieser Höfe ihnen für die Stunden die sie darin zubringen kaum unangenehm erscheinen kann. — Dann sind die Säulengänge zwar für die darunter wandeln­

den höchst angenehm und nützlich, machen aber die dahinter

gelegenen Räume nothwendig dunkel und dies um so mehr wenn, wie es in den genannten Anstalten der Fall ist, ein ähnlicher Säulengang das Gebäude auch von Außen umgiebt, daher ich dieses gar nicht für nachahmenswerth und es dagegen für viel vorzüglicher halte, wenn nur ein zwiefacher Säulen­ gang mit einer Scheidemauer in der Mitte, den Hof grade

durchschneidet; zu welcher Einrichtung man sich auch in Bezug auf dasjenige was die Bewohner der zweyten Etage dabey verlieren, wohl um so eher entschließen dürfte, da die Benuz-

zung der Gänge über den Arkaden immer mit Gefahr von Unglücksfällen verknüpft ist und wenigstens allemal nur Ein­

zelnen in Begleitung eines Wärters gestattet werden darf, so

daß also diese Benutzung ebenfalls sehr beschränkt ist. Der vorzüglichen Einrichtung der Hofräume, welche die

111 Gebäude der Anstalt zu Wakefield umgeben, ist ebenfalls

bey den über diese Anstalt gegebenen Nachrichten gedacht wor­ den. Sie paßt aber nur da wo die Hofräume nicht von Ge­

bäuden umschlossen, sondern nur von einer Seite an dieselben

anstoßend sind. Der Garten dieser Abtheilung umgiebt auf der männli­ chen Seite den östlichen und südlichen, auf der weiblichen den

südlichen und westlichen Flügel und hat seinen Haupteingang von dem Hause, aus einem der Wohnzimmer in dem Erd­ geschoß des südlichen Flügels. Jeder dieser Gärten hat einen Flächenraum von etwa 350 Quadratruthen und ihre Anlage

entspricht mehr dem Zwecke der Erheiterung als dem des öko­

nomischen Vortheils, da diesem andere Grundstücke in hin­ länglichem Maaße gewidmet sind. In ihnen wechseln daher Rasenplätze mit schattigen Gängen und Blumenstücken auf eine anmuthige Weise; verschiedenartige Lauben, mit Tischen und Bänken versehen, gewähren einladende Ruheplätze, ein

acht bis zehn Fuß hoher Springbrunnen, dessen Wasser in ein niedriges Becken zurückfällt, ergötzt Auge und Ohr und die den Garten^umfangenden Mauern sind mit Spalier-Obst-

bäumen aller Art bekleidet. — Zugleich aber ist bey der Anla­ ge dieser Gärten ein Hauptaugenmerk dahin gerichtet, daß sie von zwey bis drey Standpunkten ans schnell und ganz über­ schaut werden können, so daß wenige Wärter hinreichen um

alle Kranke von diesen Punkten aus genau zu beobachten und keiner der letzter» sich unbemerkt entfernen, verstecken oder sonst etwas Ungehöriges beginnen kann.

Da bey der Lage

der Anstalt die Kranken in diesen Gärten von Außen nicht beobachtet werden können, so stehen die sie einschließenden Mauern in einer Senkung des Erdreichs von zehn Fuß Tiefe, so daß sie sogenannte Aha's darstcllcn und man über dieselben

hinwegsehen kann, wobey denn die Vorstellung-einer gezwun­ genen Zurückhaltung um so weniger der Seele des Kranken gegenwärtig bleibt.

112 Es ist jetzt noch übrig die Benutzung der vierten Seite von den Vierecken anzugeben, welche zugleich die Seiten des großen Hofes bilden, welcher vor dem der Verwaltung gewidmeten Mit­ telgebäude liegt. Indem die Nord- und Südseite des Vierecks die beiden langen Seiten bilden, zu welchen die Ost- und Westseite

sich als die Ergänzungen verhalten, welche daher an beiden Enden gerade um die Tiefe einer Seite kürzer sind, so haben

diese nur eine Länge von hundert Fuß auf eine Breite von vier und dreißig im Lichten, wovon zwölf auf den längs dem Hofe .hinlaufenden Corridor und auf die denselben nach In­ nen begrenzende Zwischenwand treffen. Dann steigen an bei­ den Seiten dieser Seite die Treppen (g. g.) hinauf, die auf

der einen Seite für die Bewohner des obern Stockwerks der Südseite, auf der andern für die Bewohner des obern Stock­ werks der Nordseite und zugleich für die derjenigen Seite die jetzt

beschrieben wird bestimmt sind. Den dazwischen gelegenen Raum aber füllt in dem den männlichen Kranken bestimmten Viereck,

erstlich ein sechszig Fuß langer und zwanzig Fuß breiter Ar­ beitssaal (k) aus, der bey übeler Witterung oder im Winter theils zu mannichfaltigcn Beschäftigungen dient, die dort ver­ richtet werden können, wie z. B. Brennholz und Brettcrsägen,

Seilerarbeiten, Mattcnflechten u. s. w., theils als Belusti­

gungsort zu Ballschlagen, Kegelspiel u. s. w. benutzt wird,

daher auch für diese letzte Bestimmung durch die Anlage einer Kegelbahn, durch ein Doltigirpferd u. dgl.

m. gesorgt ist.

Acht Fenster erhellen diesen Raum, stehen gleich hoch wie in der vierten Abtheilung, theils um deren Beschädigung bey den in demselben vorgenommencn Arbeiten und Spielen, theils

um das Hinausschauen auf den Derwaltungshof und das ge­ genüberstehende Gebäude, theils das Hineinschauen von dem Hofe aus zu verhüten.

Die nothdürftige Erwärmung dessel­

ben im Winter wird durch eine Hcitzung an jedem Ende des SaaleS erzielt. Eine zweyflügclige Thüre öffnet sich aus demselben auf den vorbcyführenden Corridov, in welchem die

113 Fenster, um der Erhaltung der Symetrie mit dem entgegen

gesetzten Flügel willen, gleich hoch wie im Saale stehen. Dieser Corridor gewährt überdies die innere Verbindung zwischen der fünften Abtheilung und dem Verwaltungsgebäude, so wie ebenfalls durch denselben die Kranken dieser Abtheilung von den untern Ständen die Treppe erreichen, auf der sie zu den ihnen bestimmten Schlafsälen in dem oberen Stockwerk des Nord­ flügels gelangen, während eben dieser Corridor sich mit die­ sem seinen nördlichen Ende an den früher erwähnten Corri­

dor anfchlicßt, der aus der vierten Abtheilung in das Ver­ waltungsgebäude führt. An den

oben gedachten großen Beschäftigungssaal stößt

noch ein Raum (b) von gleicher Breite und zwölf Fuß Tiefe, der zum Badezimmer für solche Kranke bestimmt ist, die man nicht

in der allgemeinen Badeanstalt ihre

lassen will.

Bäder nehmen Der Eingang in dieses Badezimmer ist in der

nördlichen Wand von dem Corridor, der nach dem Verwal­ tungsgebäude führt, und es hat dasselbe i:n Kleinen dieselbe Einrichtung wie die im nächsten Kapitel zu beschreibende grö­

ßere Badeanstalt, doch abgesehen von den Vorrichtungen zu

den Douche- und Fumigationsbädern. In dem obern Stockwerke dieses Flügels, auf der den männlichen Kranken bestimmten Seite, hat der Oberwärtcr

sein Wohn- und Schlafzimmer (1. 1.), und an diese Zimmer

anstoßend ist das Magazin (m), in welchem die dem Ober­ wärtcr zum Wechsel der Wäsche, Kleidungsstücke, des Bettzeu­ ges und Gerätheö aller Art anvertrautcn Vorräthe für die jedesmal anwesende Krankenzahl, in dem Maaße wie die Dor­

schriften hierüber es bestimmen, aufbewa^rt werden. Hierauf folgt in der Reihe die Wohnung für den ärztlichen Assisten­ ten, ebenfalls aus einem Wohn- und Schlafzimmer (k. k.) be­ stehend und zuletzt zwey ähnliche Wohnungen, theils für solche

Individuen, die an krankhaften Seelcnzuständcn leiden, über die man noch zweifelhaft ist ob sie als Jrrcseyn zu bctrach-

114 feit sind, thcilS und hauptsächlich für solche, die sich selbst in der Oportunität zum Jrreseyn zu befinden glauben und sich deshalb aus eigenem Antriebe der ärztlichen Behandlung in der Irrenanstalt anzuvertrauen, jedoch von den Irren getrennt

zu wohnen wünschen, Fälle die nach der in Siegburg gemach­

ten Erfahrung, (jedoch mit einer Ausnahme bis jetzt nur bey männlichen Individuen, die ja auch eigentlich nur in sol­

cher Art über sich verfügen können),

oft genug vorkommen,

um es als nothwendig erscheinen zu lassen,

ihrethalben die

nöthige Vorsorge bey der Einrichtung einer Heilanstalt zu treffen. Das Ameublement allere dieser 'Wohnräume ist mit dem in den Wohn - und Schlafzimmern der Kranken der fünften

Abtheilung übereinstimmend und auch die Einrichtung im Uebrigcn die nämliche, nur daß an den Fenstern >der Beamtcnwoh-

nungcn die Schlösser, so wie vor denselben die Gitter, weg­ fallen.

Das den weiblichen Kranken bestimmte Viereck (D) kommt

in seiner ganzen Einrichtung im Wesentlichen mit dem eben

beschriebenen für die männlichen Kranken überein, ausgenom­ men daß hier,

wie sich ohne Weiteres ergicbt, die Westseite

der Ostscite, die Ostseitc aber der Westseite in dem

letztge­

nannten Viereck entspricht und in dem untern Stockwerke der

Ostseite (Ni), in dem Raum der auf der männlichen Seite den großen Arbeitssaal einnimmt, sich hier Magazine für alles Lcinenzeug und die Bcttfurnituren befinden (k. k. k), während in dem

obern Stockwerke (D 2) der Raum der auf der männli­

chen Seite der Wohnung des Assistenten und der freiwillig

eintretenden Kranken gewidmet ist, zweyten Arztes bildet (k. k. k. k).

hier die Wohnung des

— Unmittelbar an diese

Räume stößt dann der Magazinraum der Oberwärterin (m), und die derselben bestimmte Wohnung (1.1.), alles eben so ein­

gerichtet wie ans der männlichen Seite. Diese beiden zuletzt beschriebenen Seiten des Vierecks ha­

ben ihrer ganzen Länge nach zehn Fuß hohe Kellergewölbe,

115 mit zwey Fuß hohen Fenstern, in gleicher Zahl Und Breite wie

die Fenster der darüber gelegenen Stockwerke und mit einem geschlossenen Eingänge in der Mitte des Flügels, nebst einer in den Keller hinabführenden breiten Treppe. Der zum Viereck

der männlichen Kranken gehörige Keller dient zur Aufbewal^ rung der Wintervorräthe von Kartoffeln, Wurzeln, Rüben,

so wie auch der Aepfel u. dgl., während in der zum Viereck der weiblichen Kranken gehörige Keller diejenigen Gemüse für

den Verbrauch wahrend des Winters geborgen werden, die man mit der Wurzel in Erde oder Sand einzuschlagen pflegt. Endlich ist noch zu bemerken, daß die Speicher deS den

männlichen Kranken bestimmten Vierecks zu Magazinen fitt mancherley Gegenstände eingerichtet sind, während die Speicher

des gegenüber liegenden Vierecks hauptsächlich zu Trockenbö« den für die Wäsche während der wärmeren Jahreszeit dienen, wenn regnichte Witterung das Trocknen derselben im Freye» hindert.

Achtes

Kapitel.

Beschreibung de- der Verwaltung gewidmeten Gebäudes. Das Wasch­ haus- Die Badeanstalt. Schluß des innern Bezirks der Anstalt." Oekonomiegebäude.

Wohnüng deS Direktors.

Die zur Anstalt gehörigen

Ländereyen; ihre Benutzung.

Zwischen den beiden zuletzt beschriebenen Vierecken liegt

das Verwaltungsgebäude (E), welches dieselben auf der Nord­ seite mit einander verbindet. Es hat eine Länge von 140

Fuß auf 50 Fuß Tiefe und in der Fronte zu beiden Seiten der zweyflügeligen Hauptthüre acht Fensterstöcke. Es ruht in seinem ganzen Umfange auf Kellcrgewölben, die bey einer

Höhe von zehn Fuß, vier Fuß über den Niveau des Hofes

hervorragen und sowohl an der Hintern als an der vorder« Seite Fenster, in gleicher Zahl und Breite wie die am unteren Stockwerke des Gebäudes und von drei Fuß Höhe haben, so

daß die Kellerräume durchgehends hell und luftig sind. An der Frontseite, rechts und links vom Eingänge, erstreckt sich im In­

nern der Corridor und steht an beiden Enden durch in der Regel geschlossene Thüren (h. h.) mit den anstoßenden Vor­ plätzen der großen Vierecke in Verbindung, an welchen beiden

Enden sich noch die breiten Treppen (b. b.) befinden, die zu dem oberen Stockwerke dieses Gebäudes führen. Der Hauptthüre entsprechend befindet sich der ebenfalls zweyflügelige Eingang zu dem Beetsaale (d) der Anstalt, der bestimmt ist eine Versammlung von 120—130 Personen zu fassen und wegen dessen Einrichtung ich mich auf die weiter

117 unten zu gebende Beschreibung des diesem Zwecke dienenden Lokals tit der Siegburger Anstalt beziehe. Auf jeder Seite des Beetsaales hat der Corridor zwey zehn Fuß breite Verlängerungen, welche zu den Thüren (g. g.)

führen, die sich in die Gänge (F. F.) öffnen, durch die man zu den den drei untern Krankenabtheilungen bestimmten Vierecken (A u. B) und zugleich zu dem Waschhause und den Bädern gelangt. Außerdem befinden sich in diesem unteren Stockwerke des Verwaltungsgebäudes das Verwaltungsbüreau und die

Registratur (e. e.), die Speisezimmer für die männlichen und weiblichen Dienstleute (f. f.) und ein Ansprachzimmer. An den beiden äußersten Enden aber führen die schon erwähnten

Treppen theils zu dem oberen Stockwerk hinauf, theils in die Souterrains hinab. Die sämmtlichen genannten Räume des unteren Stockwer­

kes nebst dem Corridor, sind gewölbt, da die in dem oberen Stockwerk von dem unteren durchaus abweichende Eintheilung der Gemächer solches erheischt. Ohne hier auf eine nähere

Beschreibung dieser Eintheilung in dem oberen Stockwerk ein# zngehen, da solche für unseren Zweck nicht erforderlich ist,

bemerken wir nur, daß sich auf der westlichen Seite die hin­ länglich geräumige Familienwohnung für den Verwalter, dann

ein Conferenzzimmer für die Gerichts - und Revisions-Commis­ sionen, auf der östlichen Seite aber die Wohnung für den

katholischen und den evangelischen Geistlichen, letztere alö Fa­ milienwohnung eingerichtet, und ein Zimmer für den zugleich zur Bedienung der Geistlichen bestimmten Küster, anderes für den DerwaltungSsekrctair befindet.

so wie ein

Die Treppen

die auf beiden Seiten zu diesen verschiedenen Wohnungen und Räumen führen, setzen sich bis zu dem Speicher fort, der

theils in den Mansarden die Schlafzimmer für das weibliche Dienstpersonal der Küche und Waschküche enthält, theils zur Benutzung für die Familien des Verwalters und deS evange­

lischen Geistlichen bestimmt ist.

118



Auf der an der Ostseite in die Souterrains herabführenden Treppe erreicht man zunächst die große Küche der Anstalt, die sich dreißig Fuß breit durch die ganze Tiefe des Gebäudes

erstreckt, sehr geräumig, hell, mit hinreichendem Wasser ver­ sehen und in jedem Betracht vollständig und bequem eingerich­ tet ist. Dann folgen gesondert die sämmtlichen Magazine

sowohl für Dictualien aller Art als für das Reinigungs- Beleuchtungs- and Brandmaterial. Sie nehmen den ganzen übri­

gen Raum der Souterrains ein, stehn unter einander durch Thüren in Verbindung und öffnen sich «ach außen mit breiten Treppen und Thüren an beiden Enden des Verwaltungsge­

bäudes auf den großen vor demselben gelegenen Hof R. Die vorhin erwähnten Gänge (F. F.) die das Verwal­ tungsgebäude mit den beyden kleineren Vierecken (A und B)

und dem Waschhause in Verbindung setzen, sind aus Mauerstei­ nen mit nur nothdürftkger Dicke der Wände aufgeführt, ha­ ben eine Lä6ge von 150 Fuß auf eine Breite und Höhe von

zehn Fuß und an der freyen Sekte, in Zwischenräumen von zwölf Fuß, unter der Decke angebrachte Fenster von glei­ cher Höhe und Breite wie in den vier untern Abtheilungen; der Fußboden ist mit grauen Marmorfließen geplattet. Ein kleiner Vorplatz (e), der schon zu den Vierecke« für die drey

untern Abtheilungen gehört, enthält außer der Eingangsthüre

von dem Gange aus, die Thüren zu der Badeanstalt, dem

Waschhause und zu der anstoßenden dritten Krankenabtheilung, Das Waschhaus (G.), welches zwischen die beiden Carres hkneingeschoben ist, ist ein einstöckiges Gebäude, dessen vierzig

Fuß breiter und vierzig Fuß tiefer innerer Raum durch eine denselben von Süden nach Norden durchschneidende Wand in zwey Theile geschieden ist, wovon der eine ein Drittheil der andere zwey Drittheil des Ganzen einnimmt und die durch eine Thüre miteinander in Verbindung stehen. An der Süd- wie an der Nordseite deS Gebäudes sind sechs Fenster die zur

gewöhnlichen Tiefe hinabreichen und wovon an jeder Seite

119 zwey auf den kleineren, vier auf den größeren Raum treffen» Der Fußboden beider Räume ist ebenfalls mit grauen Mar-

morflicßcn geplattet, mit einer hinlänglichen Senkung gegen die nördliche Seite, damit das aus den Waschbütten ausgelas­ sene oder zum Schauern u. s. w. verbrauchte Wasser sich dort­

hin senke, wo ds dann durch eine in die Mauer angebrachte Oeffnung abfließt und mittelst einer Röhrenleitung dann seinen Lauf nach dem unfern vorüberströmendcn Bache nimmt.

Der

größere auf der Ostseite gelegene Raum, dient zur Waschkü­ che und grenzt an die Badeanstalt für die männlichen Kran­

ken, daher auch der Dampfkessel, der dazu dient das Wasser für daS Waschgeschäft zu erwärmen und zum Kochen zn brin­ gen, indem er an der Scheidewand anfgemauert ist, welche die Waschküche von der Badeanstalt trennt, das Gleiche für

die letztere leistet, und zwar mittelst einer durchgehenden Dampf­ röhre, die den Dampf in die große Bütte führt in welcher das Badewasser gekocht wird. In der Waschküche erstrecken sich ebenfalls. Dampfröhren aus dem Dampfkessel zur Rcchteg und zur Linken in die beiden großen Bütten aus Eichenholz, in wel­ chen die Wäsche in der Lauge gekocht wird. Mehr in der Mitte der Küche steht die ovale noch größere Bütte, die zum Bauchen der Wäsche dient. — Zugleich ist durch Röhrenlei-

tungen

für einen hinreichenden Zufluß von reinem Wasser-

so wie durch eine andere für die Wcgschaffung dcö verbrauch­ ten Wassers gesorgt.

An den Wänden

erstrecken sich rechts

und linkS zwey Fuß breite Bänke, auf welchen auf der einen Seite die schmutzige auf der andern dis .schon gereinigte Wä­

sche aufgcschichtct wird. In dem neben der Waschküche gelegenen Raume wird die

Wäsche gesteift, gebügelt, gerollt und bis zu ihrer Ablieferung

aufbewahrt. ES befinden sich daher hier außer den Bügelti­ schen und einer Rolle, an den Wänden breite Lagerbretter

zum Anfschichtcn der Wäsche. An dem mittleren Theile der Wand aber, die diesen Raum von dem anstoßenden Badesaale

120



trennt, ist ein großer Ofen eingemauert, der hier zum Glü­ hendmachen der Bolzen für das Bügelgeschäft dient, zugleich

und hauptsächlich aber den Dampfkessel heitzt, mittelst dessen

das Wasser in den großen Bütten der anstoßenden Badeanstalt zum Kochen gebracht wird. Der Speicher über dem Erdgeschoß des Waschhauses, auf

welchem eine Treppe in der nordwestlichen Ecke der Waschkü­

che führt, ist zum Trocknen der Wäsche im Winter bestimmt. Er hat deshalb ein sogenanntes englisches oder gebrochenes Dach, dessen Queerbalken nur acht Fuß über der Zimmerdecke liegen und ebenfalls eine Decke tragen um den ganzen Raum, der auch an den Seiten ringsum mit Wänden aus Fachwerk

versehen ist, dicht zu schließen, damit in demselben die Wärme fcstgehalten werde, welche ihm mittelst Röhren aus den Heitz-

ungen der Waschküche zugcführt wird. Zu beiden Seiten des Waschhauses liegen, wie schon

früher angegeben worden, die großen Badesäle (g. g.), zur Rechten der für die männlichen, zur Linken der für die weib­

lichen Kranken, jeder vierzig Fuß lang und dreißig Fuß breit, mit einer Thüre an dem südlichen Ende, die auf den schon erwähnten kleinen Vorplatz führt, und mit zwey Thüren an dem nördlichen Ende, wovon die eine sich in die Kammer (h.i wo die Fumigationsbäder gegeben werden, die andere in das Zimmer (i.) wo die Ruhebetten stehen öffnet, aus welchem

letztern man in das Zimmer (£) des Viceoberwärters (ober der Diccoberwärtcrin) gelangt. Die Fenster sind gegen den

Hofraum des Dierckö gerichtet und eben so hoch stehend und auch sonst von derselben Beschaffenheit wie die übrigen Fen­ ster dieser Gebändeabthcilung. — Die Einrichtung ist sich in

beiden Badeanstalten ganz gleich, so das demzufolge mit der

fetzt zu gebenden Beschreibung der einen, und zwar der auf der Ostscitc gelegenen, auch die der andern gegeben ist, nur

daß was sich hier auf der linken Seite besindet, dort zur Rechten rji lu.'o uu-gelchu.

121

An der Wand welche den Badesaal von der Küche trennt, steht eine 2'/r Fuß hohe und 6 Fuß im Durchmesser haltende Lütte, aus den stärksten eichenen Dauben und Brettern ver­

fertigt, mit einem Deckel aus gleich starkem Holze, der sich in drei Flügel theilt, welche durch massive Charniere gleich Thüren beweglich und aufzuschlagen sind.

In dem mittleren

Theile dieses Deckels befinden sich zwey Oeffnungen, die eine für die bleierne Röhre durch welche das kalte Wasser in die Bütte geleitet wird, die andere für eine ähnliche Röhre, mit#

tllst welcher der Wasserdampf aus dem in der Waschküche 6c# südlichen Dampfapparate in das zu erwärmende Badewasser

zelangt, beide Röhren mit messingenen Krahnen versehen, um >e nach Bedürfniß zu

schließen und zu öffnen.

Das kalte

Wasser wird dieser Bütte durch die Röhrenleitung wodurch,

wie unten noch näher angegeben werden wird, auch alle übri­

gen Theile der Anstalt versorgt werden, zugeführt. Neben der die Bütte speisenden Röhre läuft eine zweyte, die sich neben jener herabsteigend und unter dem Fußboden weglaufend und

sich dort verzweigend, in diesen verschiedenen Theilungen nach den Badewannen hinbegiebt, die sich auf der entgegen gesetz­ ten Seite des Lokals befinden, so wie denn auch aus dem unteren Theile der großen Bütte in welcher das Badewasser

zum Kochen gebracht wird, eine Röhre ausgeht, die herab­

steigend, unter dem Fußboden neben der das kalte Wasser füh­ renden Röhre hinläuft und sich eben so wie jene verzweigt um die Badewannen zu versorgen. Beide Röhren haben eben­

falls oberhalb der Stelle wo sie unter den Fußboden treten einen Krahnen, um nach Bedürfniß den Wasscrzufluß nach

den Badewannen zulassen un) absperren zu können.

Die Ba­

dewannen selbst, vier an der Zahl in jedem Baderaum, sind aus hinlänglich starken Messngplatten verfertigt 5Fuß lang 2 Fuß breit 1 Fuß 5 Zoll hoch*), nach oben mit einem einen

♦) Richt höher, da hohe Badewannen für den Gebrauch bey Irren,

122 Zoll breiten abgerundeten Rande, inwendig mit hellgrauer, aus« wendig mit schwarzer Oelfarbe angestrichcn.

Das Kopfende

derselben steht dicht an der Mauer, das Fußende der gegen» über befindlichen Wand zugckehrt und an den letzteren treten

durch zwey Oeffnungen die Röhren ein, die das kalte und

warme Wasser jeder Badewanne zuführen und sind vor ihrem Eintritte ebenfalls mit messingenen Krahnen versehen.

Von

einer, durch ein Ventil verschlossenen, Oeffnung in dem Boden

am Fußende jeder Badewanne, geht eine andere bleierne Röhre aus, welche bestimmt ist das gebrauchte Badewasscr

unter dem Fußboden des Lokales, indem sich die Röhren der

vier Badewannen vereinigen und so eine gemeinschaftliche Ab­

leitungsröhre, mit sich allmählich hcrabsenkender Richtung bil­ den, nach Außen abzuleiten, wo sie in den Kanal tritt der Has gebrauchte Wasser aus der Waschküche dem Bache zu­ führt. In derselben Reihe und Richtung mit diesen vier Bade« wannen steht eine fünfte, die für das Wasserdampfbad be­

stimmt ist und wegen bereit Construction ich mich auf die un­

vorzüglich solchen die einigermaaßen schwierig zu handhaben sind-, sich, zumal bey dem Herein- undHerausbringen der Kranken, als äußerst unbequem erweisen. Doch ist eS noch fast schlimmer wenn

die Dadebehälter unter dem Niveau des Fußbodens liegen, da die Wärter alsdann, wenn eS nöthig wird den Kranken im Bade zu

halten, auf dem Boden liegen müssen, und in dieser Stellung ge­ hindert sind ihre volle Kraft und Behendigkeit geltend zu machen. — Dagegen sind die so häufig für Irre angerathenen Deckel auf den Badewannen ganz unnöthlg, außer allenfalls da, wo in der Wanne zugleich kalte Uebergießungen des KopfeS statt finden sol­ len, wo dann aber daS Loch aus nelchem der Kopf hervorragt gut

auSgepolstert seyn muß, damit der Kranke der an dem Hin - und

Herbewege» desselben gehindert werden soll, sich nicht am Halse

verletze. — 2" der Siegburger Anstalt haben die gewöhnlichen Badewannen keine Deckel und sie ßnd noch me vermißt worden.

123 feit angegebene Schrift *) von Horn beziehe. Zwischen sämmt­ lichen Badewannen, so wie an den beiden Enden der Reihe,

befinden sich 5' hohe gemauerte Wände von 5" Dicke, die ei­ nen Fuß weit über das Fußende jeder Badewanne hiuausreichen, während zwischen der Badewanne unk der Scheidemauer

an jeder Seite noch ein Raum von zwey Fuß bleibt. An der vorderen Seite der also geschiedenen Räume hängt au einer eiftrnen Stange, die von einer Scheidemauer zur andern reicht,

eine Gardine von grüner Leinwand, dergestalt daß jede Ba­

dewanne in einem von allen vier Seiten rundum geschlossenen Behältnisse steht, in welchem Raum genug zum Aus- und Ankleiden, so wie für die bey dem Bade gegenwärtigen Wär­ ter ist, welche übrigens dafür zu sorgen haben, daß jedesmal

trockene Strohmatten bereit liegen, auf welche der Kranke

bey dem Hcrausstcigen aus dem Bade treten und bey dem Abtrocknen nnd Wicdcrankleiden seine Füße setzen kann. An der letzten der eben erwähnten Scheidewände, die gc*

gen die Fensterseite gerichtet ist, sind innerhalb des Baderanq meS mehrere Tritte angebracht, um für den Wärter eine hohe

Stellung zu erhalten, wenn Sturzbäder gegeben werden sol­

len , in welchem Falle dann der Kranke, dem das Sturzbad, verordnet ist, an der äußeren Seite der Scheidewand auf ei­ nem Zwangsstuhle befestigt sitzt, während dem auf der höch­

sten der eben erwähnten Stufen stehenden Wärter durch zwey

Gehülfen rasch das Wasser in ledernen Eimern aus der zu

diesem Behuf mit kaltem Wasser gefüllten Badewanne gereiche wird, so daß in schneller Folge und mit einer durch die Höh«

des Falles verstärkten Kraft die bestimmte Zahl von Eimermaasicn dem Kranken auf den Kopf gestürzt werden kann. In derselben Gegend des Badesaales, wo die Sturzbäder

gegeben werden, befindet sich auch die Vorrichtung für die

*) Horn öffentlich. Rechenschaft u s. w Berlin 1818 pag i25.

124

Strahl- und die Tropfdouche, die beide von so einfacher und bekannter Construction sind, daß man eine nähere Beschrei­

bung derselben hier nicht erwarten wird, und ich mich daher nur auf die Beschreibung des auf der entgegengesetzten Seite des Saales befindlichen Regendoucheapparates beschränke. Dieser besteht aus einem großen 190 Quart haltenden messingenen keffelförmigen Gefäße,

am obern Rande 2' 4"

im Durchmesser haltend und im Ganzen 2' 2" hoch, mit dop­

peltem Boden. Der obere Boden ist von dem unteren nur 4'/i" entfernt und bildet eine horizontale Fläche, die in der Mitte ein genau schließendes Ventil mit einem Ringe hat, an welchem eine Schnur befestigt ist, durch welche dieses Ventil

aufgehoben werden kann, während es, sobald der Zug nach­ läßt sich alsbald wieder schließt. Der untere Boden, der nach

Außen gewölbt ist und 1' 7" im Durchmesser hat, ist mit ei­ ner Menge Löcher von ’/$ Linie im Lichten durchbohrt.

Dieser

Kessel ruht an seinen Seiten auf einem Balkengerüste oder

sogenannten Viergespann, unter der Decke des Saales.

Das

Wasser aber wird mittelst einer portatilen Feuerspritze, von

bekannter Construction, an deren äußeren Mündung ein drey Zoll im Durchmesser haltender Schlauch von solcher Länge be­

festigt ist, daß sein oberes Ende bis in den Kessel reicht, tu

den letzter» nach Maaßgabe des jedesmaligen Bedürfnisses hinaufgetricben. Ist dann alles bereit und hat der Kranke die erforderliche Stellung unter dem Kessel eingenommen, so

wird daS Ventil,/ mittelst Anziehung der Schnur gehoben, wo­ rauf das Wasser mit großer Gewalt regenartig herabströmt, wobey man es aber immer in seiner Gewalt hat den Strom so oft man will durch das Sinkenlaffen des Ventils zu un­ terbrechen, welches nicht selten nöthig wird, indem durch den

so dicht herabstürzenden Regen der Zutritt der Luft zu dem Kranken großcntheils gehemmt wird und man ibm daher zu­ weilen Gelegenheit schöpfen.

geben muß wieder vollständig Athem zu

125



Die eben erwähnte portatile Feuerspritze dient zugleich dazu um die Spritzdouchen zu geben, zu welchem Ende an die äußere Mündung kürzere Schläuche von 2—3 Fuß Länge ge­

schraubt werden, an welche eine acht Zoll lange Röhre von 2—3 Linien Durchmesser, oder auch, statt derselben, eine ähn­

liche Röhre mit einem runden, zwey Zoll im Durchmesser hal­

tenden, flachen Kopfe, der mit vielen kleinen Löchern durch­

bohrt ist, befestigt wird. Bey dem Gebrauch wird der Kranke in einer Entfernung von 4—6—8—10 Fuß gebracht und der Wasserstrahl der in Thätigkeit gesetzten Spritze auf die beab­

sichtigten Theile gerichtet, wobey aber mit einer gewissen Vor­

sicht verfahren werden und dahin grsehen werden muß, daß zumal zartere Theile des Körpers nicht zu stark und zu lange von dem Wasserstrahls getroffen werden, indem sonst leicht

Sugillationen und selbst Ercoriationen mit Blutungen verbun­ den, an solchen Stellen entstehen können.

Außer diesen Spritzen sind mehrere Gieskanncn Behufs der kalten Ucbergießungen vorhanden, die öfter bey den im Bade sitzenden Kranken angewendet werden; ferner ein hal­ bes Dutzend lederne Eimer zum Gebrauch bey den Sturzbä­ dern und zum Füllen des Küvens der portatilen Spritze.

Auch steht eine hölzerne Badewanne von der Größe und Form

der messingenen bereit, mit Rollen unter dem Boden, für die

Fälle, wenn der Kranke die Strahldouche, die Sturz- oder die Regendouche, im warmen Bade sitzend, erhalten soll, wo­ bey sie dann, wie der Zweck es fordert, nach den verschiede­ nen Theilen des Badelokals hingerollt wird.

Endlich gedenke ich noch: erstlich des Ofens, der neben der Eingangsthüre gegen der Mitte der südlichen Wand steht und hinlänglich groß ist, um auch bey einer sehr niedrigen äußeren Temperatur den Badcsaal hinlänglich erwärmen zu können; z w e y t e n ö der hinter dem Badcsaale gelegenen klei­

nen Kammer (i) mit zwey Betten, denjenigen Kranken be­

stimmt, die gleich nach dem Bade eine Zeit lang im Bette

126 zubringen sollen, und drittens endlich deö an diese Kam­

mer anstoßenden Gemaches (h), welches den Fumigationsba-

dern gewidmet ist, und in welchem sich der Galls de Car­

rösche Apparat zu denselben befindet, von dem ich voranssetzen darf, daß er bekannt ist. Die auf beiden Seiten zwischen den Vierecken für die untern drey Abtheilungen, den Derbindungsgängen und den Hofplätzen für die vierte Abtheilung gelegenen Räume (P. P.) dienen zu Bleichplätzcn, während die Räume (T. T.), die sich

zwischen den Verbindungsgängen und auf der entgegengesetz­ ten Seite hinter dem Waschhause befinden, zu Trockenplätzen

Im Westen und Osten aber der Bleichplätze und der eben erwähnten Vierecke erstrecken sich die für die Wäsche bestimmt sind. —

Gärten für den Verwalter und den Oekonom. Sämmtliche im Rücken des Verwaltungsgebäudes und der daran stoßenden gro­

ßen Vierecke, so wie der zu diesen gehörigen Gärten gelegenen Räume, umgiebt eine Mauer, die sich an die Einschließungsmauer der Gärten der fünften Abtheilung anschließt, eben so hoch ist

wie diese und ebenfalls wie diese in einer Vertiefung steht die ihrer Höhe gleich kommt, mit Ausnahme deS Theils der den, den Kranken der drey unteren Abtheilungen bestimmten Rasen­ platz (N. N.) umgiebt, da es für diese erforderlich ist, daß sie

in diesem Raume eben so wenig von andern beobachtet werden können, als daß ihnen selbst nicht durch den freyen Blick auf die belebte Umgebung ein beständiger Anlaß zur Aufregung ge­ geben werde. An der äußeren Seite dieser ganzen ausgedehnten Mau­ erumgebung erstreckt sich eine doppelte Reihe von Linden, wel­

che, indem sie ihres Theils dazu beiträgt dieser Einfriedigung einen noch milderen Charakter zu verleihen,,zugleich den Be­ wohnern der Anstalt den nächsten schattigen Spatziergang außer­ halb der Ringmauer darbietet.

Es geht übrigens aus der ge­

gebenen Beschreibung von selbst hervor, daß diese Mauer in ihren verschiedenen Abtheilungen sämmtliche zum Innern der

127 Anstalt gehörigen Gebäude, Gärten und Hofräume umgiebt, so

wie denn auch ihre Bestimmung, derselben einen sicheren und hinreichenden Schluß sowohl gegen das Ausbrechen und jeden verbotenen Vermehr von Innen, als gegen das Eindringen

von Außen zu gewähren solches erfordert.

Auch hat sie aus

demselben Grunde in ihrem ganzen weiten Umfange nur zwey Aus- oder Eingänge; einen nämlich an der Nordseite, der hin­

teren Seite des Waschhauses gegenüber, und den zweyten, wie

wir gleich sehen werden, auf der Südseite. Dort nämlich wo die Mauern, welche die Gärten der fünf­ ten männlichen und weiblichen Abtheilung umfangen, sich auf der Südseite mit ihren Enden einander nähren, liegen vor den­

selben auf beiden Seiten die zur Oekonomie gehörigen Gebäu­ de, zwischen welchen sich der Hanptekngang in den innern oder

geschlossenen Theil der Anstalt und zunächst in den mit einer doppelten Reihe von Linden umgebenen Hofraum (R.) befindet. Diesen Eingang bildet ein breites hohes zweyflügeligeS

Thor (y), welches zur Einfahrt für Karren und Wagen dient, mit einer Thüre zur Linken, zum Ein- und Auslassen der Fußgänger, beide in der Regel strenge geschlossen und jedes­ mal nur für das augenblickliche Bedürfniß geöffnet. Zur Seite der Einlaßthüre neben dem Hauptthore steht

noch innerhalb des Hofraumes, die kleine nur zwölf Fuß im Quadrat große Pförtnerloge (L.) mit einer Glasthüre gegen Westen und zwey Fenster, wovon das eine gegen die Anstalts­

gebäude,

das andere gegen die äußere Straße hin gerichtet

ist, beide mit eisernen Gittern wohl verwahrt, durch welche der Pförtner alles was kommt oder geht beobachten, die Ein­

und Auslaßkarten, so wie jede Bestellung u. s. w. annchmcn kann, während er zugleich in den Stand gesetzt ist, durch ei­ nen Drathzug und Drücker die Thüre für die Fußgänger zu

öffnen ohne seine Loge zu verlassen, die geöffnete Thüre aber von selbst wieder zufällt. Außerhalb der Einschlicßungsmaucr,

zur Rechten

vom

128 Thore, befindet sich die zweystöckige Wohnung für den Ockonomen (H), und dessen Familie, an welche sich in derselben

Flucht eine geräumige Remise

für

Wagen,

Karren und

Schubkarren, dann eine Scheune und zuletzt ein Stall für acht Pferde mit einer Kammer für die Pferdeknechte (1.1. K.

1. K.3.) anschließt, welche letztere, so wie die Speicher der

Remise und des Pferdestalles, zur Bergung des größten Theils

des Bedarfs der Anstalt an Stroh, Hafer und Getreide dient. Auf der linken Seite des Thores steht zunächst ein ebenfalls zwepstöckiges Gebäude (H. 2.), dessen unterer Theil zur Linken

mit einer gewölbten Decke, der Bäckerey, zur Rechten der

Schreincrey bestimmt ist, letztere so geräumig, daß wenigsten-

vier Hobelbänke darin Platz haben, indem Her immer zugleich

mehrere Kranke beschäftigt werden. In dem obern Stockwerk be­ findet sich außer den Kammern für die Hauskncchfe, den Tisch­ ler, den Bäcker und Nachtwächter eine Schneiderstube, wo die

Reparatur der männlichen Kleidungsstücke bewerkstelligt wird, und die Wohnung für den (unverheiratheten) Gärtner nebst einer Saamenkammer. — An dieses Gebäude schließt sich sodann, erst ein anderes einstöckiges (1.2.), in drey Abtheilungen getheiltes,

deren jede ihren besondern Eingang hat, und wovon die er­ stere zur Bergung des Nutzholzes für Tischler und Zimmer­ arbeit, die zweyte zur Aufbewahrung alles Garten- und Feld-

geräthes,

die dritte zur Aufbewahrung der Brandsprktzen und

des übrigen

Löschapparates dient; dann folgt wieder eine

Scheune (K. 2.), in welcher zugleich eine Vorrichtung zumBrettcrsägcn getroffen ist, und hierauf endlich noch ein Stall (K. 3.) für zwölf Kühe,

nebst einer Kammer für die Viehmagd,

und einer kleinen Küche mit einem Heerde und Kessel zum

Kochen der Futterkräuter u. s. w., so wie mit einem unter diesen Raumen gelegenen Milchkcllcr. Speicher der zuletzt genannten Gebäude,

Ucbrigcns dienen die eben so wie die auf

der andern Seite gelegenen, zur Aufnahme von Heu, Stroh

und andern dgl. Vorräthen.

129

Dem Haupteingangsthore und dm sich zunächst an dasselbe

anschließenden Gebäuden gegenüber, liegt, fünfzig Schritte davon entfernt, die Wohnung des Directors (M), zweystöckig, fünfzig Fuß lang und sechs und dreißig Fuß tief, durchaus mit

Kcllergewölben versehen,

in denen sich auch die Kochküche

und Speisekammer befinden, freundlich und anständig, doch ohne Luxus, mit einem Nebengebäude für Holzgelaß, Kuhund Hühnerstall, welche die eine Seite des mit hohen Gat­

terwerk umgebenen vor dem Hause befindlichen Hofraumes (W)

einnchmen. Hinter dem Hause dehnt sich der anderthalb Morgen große Garten aus, theils zum Nutzen., theils zum Vergnügen ange­ legt und von lebendigen Hecken eingeschlossen.

Haus und

Garten sind hinreichend mit Wasser versorgt, so wie solches

auch von den Oekonomiegebäuden gilt. Die bisher beschriebenen Theile der Anstalt bilden gewisser# Maaßen den Kern derselben. Dieser ist aber von einem Rayon von Ländereyen umgeben, welche gegen fünfzig Magdeburger Morgen betragen und auf mannigfaltige Weise angebaut sind.

Der größte Theil ist zur Gemüsezucht bestimmt, indem die Anstalt ihren ganzen Gemüse-Bedarf für 260—270 Menschen selbst zieht. Auf einem anderen Theile werden die Futter­ kräuter für Pferde und Milchvieh erzielt, so wie auch meh­

rere große Grasplätze diesem Zwecke dienen. Nur etwa ein Fünftheil wird zum Getreidebau, Hafer oder Waizen, ver­ wendet, und dieses lediglich um des Vortheils willen, den die in einem gewissen Wechsel auf einander folgende Bestel­

lung derselben Grundstücke darbietet. Indem aber nicht bloß ökonomische Rücksichten bey der

Benutzung dieser die Anstalt umgebenden Ländereyen obwalten dürfen, sondern der Hauptzweck des Instituts immer dabey vorzugsweise tut Auge behalten werden muß, so ist dafür ge­

sorgt, daß das Ganze das Bild einer großen Gartenanlage gewähre.

Sechs Fuß breite feste Kieswege ziehen sich bald in 9

130 graben, bald iit gewundenen Linien zunächst an den äußern Grenzen des Gebietes umher, während andere ähnliche Wege

sich begegnend, nach verschiedenen Punkten hinführen und Ge­

legenheit zu einem Wechsel von Spatziergängen geben.

Diese

Wege sind bald an beyden Seiten, bald nur an einer Seite, theils mit Fruchtbäumen aller Art, dem edelsten Stein- und Kernobst, zahmen Kastanien und Wallnüffen, theils mit Ahorn

und Linden bepflanzt, und mitunter ziehen sich auch Reihen

von Fruchtbäumen zwischen den Feldern hin.

In einzelnen

Gruppen aber erheben sich hie und da, an geeigneten Stel­

len, einige hochstämmige Buchen, Platanen, Eschen und un­

bieten sich gemächliche Bänke oder Nasensitze

ter denselben

zum Ausruhcn dar. An andern Stellen sind BosquctS an­ gepflanzt und in diesen die schön blühenden Staudcnarten,

Nägelchen, Jasmin, Dichte

Lauben

Rosen u. s. w. im größten Ueberflusse.

gewähren

bey

den verschiedenen Richtun­

gen der Sonne, in größeren und kleineren Entfernungen von einander, Schatten und gemächliche Sitze, und einige gemau­ erte und oben mit Schiefer gedeckte, aber nach einer Seite of­

fene, Hütten von gefälliger Form bieten auch bey unerwartet eintrctendem Regen oder Gewitter den in größerer Entfernung' von den Anstaltsgcbäuden überraschten Spatziergängern und den mit Garten- oder Feldarbeit Beschäftigten, einstweiligen

Schutz dar.

Der Bach, welcher der Anstalt den Wasserbedarf

zuführet, ist so geleitet, daß er, von den Wegen sich abwen­ dend, mehr durch die Felder und Wiesen fließt und dabey überall dem Auge einen freundlichen Blick gewährt. An einer mehr abgelegenen Stelle aber verschwindet er eine Strecke von etwa dreißig Schritten lang hinter dichtem Strauchwerke, wo

auch eine Hütte mit mehreren Bänken an seinem Ufer stehen, indem diese Stelle bey angemessener Witterung für die Kran­ ken zum Baden im Freyen unter Aufsicht der Wärter benutzt wird. Eine der vorerwähnten Wiesen, auf welcher mehrere

schöne Kastanien- und Wallnußbäume stehen und auf welcher

131



sich auch eine größere Hütte und mehrere Bänke befinden, ist

hauptsächlich zum fröhlichen Tummelplatz für die Bewohner der Anstalt bestinimt, und hier sieht man auch eine Dogelstange zum Vogelschießen mit Armbrüsten, eine Kegelbahn, ein Carousscll und zwischen hohen Bäumen mehrere Schaukeln mit

Lehnsesseln. Das ganze Gebiet ist mit einer sechs Fuß hohen, dichten lebendigen Hecke von Weißdorn umgeben, um welche jedoch nach Außen zu noch ein Fahrweg für das Fuhrwerk der Anstalt läuft, für welches auch in der Hecke an verschie­ denen Stellen Oeffnungen gelassen sind, die durch starke Gat­ terthore, welche mit der Hecke gleiche Höhe haben gesperrt

und in der Regel durch Riegel mit Vorhangschlöffcrn geschlos­ sen find, aber auch den Kranken bey ihren Spatziergängen außerhalb dem Gebiete der Anstalt zum Durchgänge dienen; daher die Oberwärter mit Schlüsseln zu denselben versehen

sind. — Außer diesen drey Eingängen in das Gebiet der An­ stalt giebt es noch einen vierten Haupteingang, der mit der Landstraße die zunächst zu der Anstalt führt, in Verbindung

steht und den regelmäßigen Zugang zu dem Institut gewährt. Das hier befindliche Thor ist höher und stärker als die eben erwähnten und hat zum Gebrauch für die Fußgänger zur Sei­ te noch

eine besondere Thüre.

An eben dieser Seite steht

eine kleine Wohnung für einen Gartenknecht und dessen Fa­

milie, welchem für den Genuß dieser Wohnung der Dienst obliegt das Thor für das ein- und ausgehende Fuhrwerk

zu öffnen und zugleich darüber zu wachen, daß keine Bett­ ler oder sonstiges verdächtiges Gesindel, so wie auch keine Kinder oder andere vorwitzige Menschen sich eindrängcn, die­

jenigen aber die wegen Geschäften oder aus

andern un­

verdächtig scheinenden Gründen zngelassen zu werden begeh­

ren, mit einer Marke zu versehen, die sie entweder, je nach der Beschaffenheit ihres Gewerbes, an dem oberen Pfört­ nerhause oder bey dem Director vorzuwcisen und zurückzulasscn oder nach Umständen gegen eine Erlaubnißkarte zum Be->

132 such des Innern der Anstalt oder eines Kranken, umzuwechfein haben. Der Fahrweg, der von dieser äußern Pforte zu den Ge­ bäuden der Anstalt führt, ist zwanzig Fuß breit, kunstmäßig

angelegt und stets gnt unterhalten, mit Pappeln zu beiden Seiten und einem fünf Fuß breiten festen Kieswege für die Fußgänger an der äußern Seite. Die Pappclreihe zur Rech­ ten erstreckt sich bis an den Platz (V) der zwischen den Ocko-

nomicgcbauden und der Wohnung des Directors liegt, der mit mehren Reihen von Lindcu und zahmen Kastanien auf eine gefällige Weise besetzt ist.

Sollte es vielleicht jemand scheinen daß ich mich zu lange

und umständlich bey diesem letzten Gegenstände verweilt hätte,

so wolle er mich damit entschuldigen, daß ich denselben für ei­ nen der bey weitem wichtigeren bey der Anlage einer Irren­ anstalt halte und daß ich mich um so mehr gedrungen fühlte ihn sorgfältiger zu behandeln, da in der Regel, auch selbst dann wenn man auf die Gebäude einer Anstalt große Aufmerk­ samkeit und Kosten wendet, wo es auf die Umgebungen an­ kommt, welche den Gebäuden erst ihren vollen Werth geben können, Kargheit und Achtlosigkeit zeigt und schon genug gethan zu haben glaubt, wenn man für ein Paar mäßige Hofräume

und einem Gemüse-Garten von ein oder zwey Morgen gesorgt hat. — Ich habe schon bemerkt, wie selbst die schöne Anstalt Sachsenberg mit Ländereyen zu spärlich ausgestattct ist, ob­

wohl die sinnvolle Art wie das gegebene Terrain benutzt wor­

den ist den angenehmsten Eindruck macht und, wie so vieles Andere dieser Anstalt, musterhaft genannt werden kann. — Die im Verhältniß zur Krankcnzahl vielleicht ausgedehnteste und in ihren Anlagen recherchirteste Garten- und Parkumgebuug hat vielleicht die Privatanstalt zu Vanves, wo man aber auch hiebcy einer zu großen Ueppigkeit und Verzärtelung des Gefühles gehuldigt zu haben scheint.

Neuntes Kapitel. Vorrichtungen zur Heitzung und Beleuchtung. Einrichtungen zur Er­ haltung der Reinlichkeit, Wasserbedarf, Anlage der Abtritte; water Clorcts. Sicherheitsvorkehrungen.

Wir wenden uns nun noch zu einigen Gegenständen die

zu der innern Einrichtung gehören.

und den Attributen

der Anstalt

Heitzungsvorrichtunge».

Es ist schon wiederholt erwähnt worden, daß die Hcitz-

ung der Raume der Anstalt mittelst gewärmter Luft bewirkt

wird.

Indem ich im Allgemeinen die Art dieser Heitzung

als bekannt voraussetze, bemerke ich nur, daß, weil die Er­ fahrung gezeigt hat, daß die Leitung der Wärme durch Röh­

ren in horizontaler Richtnng in einer längeren Strecke nicht nur mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist, sondern sogar

ost ganz mißlingt, zumal aber da nicht zweckmäßig ist, wo eine fortgcheude Reihe von Räumen nur mit großen Unter­ brechungen (wie solche in der vierten und fünften Abtheilung der hier beschriebenen Anstalt durch die Schlafsale und Schlaf­ zimmer bedingt wird) gehektzt werde» soll, so findet eine sol­ che Leitung der Wärme mittelst horizontal laufender oder doch nur in geringem Maaße aufwärts steigenden Röhren, allein

in de» drey untern Abtheilungen statt, wo die zu heitzendc» Gemächer aneinander stoßen und wo der Ösen um die Lange

der Wärmeleitung so viel möglich abzulürzen, jedes Mal in

134 die Mitte einer solchen Zimmerrcihe angebracht ist, so daß

sich die Wärmeleitung nach beiden Seiten hin erstreckt und die Länge derselben dadurch getheilt und höchstens nur ans drey bis vier Räume auf jeder Seite beschränkt wird. der vierten und fünften Abtheilung

In

aber stehen die Oefen

so, daß allemal nur zwey Wohnzimmer im unteren Stockwerk

und eben so zwey im oberen Stockwerk dadurch gcheitzt wer­ den, die Schlafzimmer aber, nach der deshalb getroffenen

Eintheilung der Räume, in der Regel ungeheitzt bleiben. Es sind hiernach für diese Abtheilungen, sowohl auf der männli­ chen als auf der weiblichen Seite, die Arbeits- und Badesäle

mit ekngeschlossen, zehn, im Ganzen also zwanzig solcher Oefen erforderlich. Um aber dem Zweck einer stets zureichenden Heitzung und

zugleich dem einer möglichst sparsamen Verwendung von Brand­ material zu genügen, wird man folgende Einrichtung als eine

der bewährtesten ansehen können. Der Ofen mit seinem Mantel von Backsteinen, muß so weit vorgerückt werden, daß er voll­ ständig innerhalb der beiden im unteren Stockwerk zu heißen­

den Räume steht. Derselbe hat nach Maaßgabe der Größe der zu heißenden Zimmer nur eine Höhe von 4' 6" auf 13/M Durchmesser bey einer Dicke von 9'".

Ebenso hat der Man­

tel nur die Dicke von 8" und seine drey Seiten die in die

Zimmer hkneinragen und an deren vordere die Mauer sich

anschließt welche die beyden Zimmer scheidet, haben jede eine Breite von vier Fuß und erstrecken sich nach oben über die innere Wölbung des Mantels, der in seinem Innern 2' breit

und 8' hoch ist, hinauf bis an die Decke des Zimmers im Erdgeschoß.

Durch die geringere Dicke des Ofens und der

Mantelwände, sd wie durch ihr weites Vorragen in den Zim­ merraum , erhält man nämlich den Vortheil, daß dieser durch

die leicht von der Hitze durchdrungenen Mantclwände allein gewärmt werden kann, und es nur in seltenen Fällen erfor­ derlich ist, die Klappen der in diese Zimmer sich öffnenden

135



Mündungen des WärmebehältcrS zu öffnen, so daß also in

der Regel alle Wärme durch den auS der Decke deö Mantels emporstcigenden Wärmckanal den

beiden im zweyten Stock

zu heißenden Räumen ungetheilt zuströmcy kann.

Um aber

die Masse der hinaufsteigendcn Wärme noch zu vermehre»,

wird auch die Rauchrohre des Ofens durch diesen Wärmcka­ nal hinaufgelcitet.

Insgemein reicht dann die also erhaltene

WärMemaffe hin, um, indem man sie durch zwey Ausmnn« dungsröhren in die oberen beyden Räume einströmcn läßt, solche hinlänglich zu heitzen.

Wird dieses aber nicht vollkom­

men erreicht, so leitet man dem einen dieser Zimmer de« größ­ ten Theil der Mantckwärme zu und setzt in das andere, wel­

ches weniger erhält, eine sogenannte Trommel aus Eisenblech, durch die man die durch den Wärmekanal hinaufgcführte

Rauchrohre mit verschiedenen Wendungen ihren Weg nehmen und sie da wo sie aus dem Deckel der Trommel, welche we­ nigstens eine Höhe von 6 Fuß, bey einem Durchmesser von 2'/, Fuß hat, hervortritt, bis an die Decke des ZimmerS stei­ gen läßt, wo sie sich dann mit einem Winkel dem Kamine

zuwendet. Als ein Hauptvortheil bey dieser ganzen Hektzuugsart er-

gicbt sich noch, daß sich durchaus keine Fcuruugen im zwey­ ten Stockwerk befinden und daß also, da die Oefen sämmtlich

von den untern mit Fließen geplatteten Corridors aus geheitzt werden, die Zugänge aber überdies noch durch eiserne Thü­

ren verschlossen sind, die Gefahr eines durch die Kranke» zu erregenden Brandes fast nicht denkbar ist. Dabey ist der Raum zwischen den eisernen Thüren und den so weit in die

Zimmer vorgerückten Oefen so groß, daß der Trog, welcher das Feurungsmaterial enthält, sammt dem eisernen Ofengeräthe, gemächlich darin Platz hat und also weder die Reinlich­

keit dcS CorridorS durch das Feurungsmaterial oder die Asche, für welche unter dem Ofen ein hinlänglich tiefes Behältniß Luögemauert ist,

in welches sie hincinfällt z

beeinträchtigt.

136 itorf, durch die Kranken etwas davon verschleppt werden kann. In dem Verwaltungsgebäude

so wie in den zur Orkonoinie

gehörigen Wohnungen und der Wohnung des Directors, fin­ det die Heitzung mittelst gewöhnlicher Ocfen statt.

Beleuchtung.

Die Beleuchtung der Dorsäle der ersten drey Abtheilun­

gen, die statt der Wohnzimmer dienen, so wie sämmtlicher

Corridors in allen Abtheilungen der Anstalt, wird durch Ar-

gantsche-Lampen mit Reverberes erzielt, die an den schicklichsten Stellen der Wände derselben so hoch aufgehängt sind, daß sie von den Kranken nicht erreicht werden können.

Will man

aber einzelne Krankenzimmer der unteren drey Abtheilungen erleuchten, so werden, wie schon früher angegeben worden, Lampen gewöhnlicher Art in den Raum vor dem kleinen Fen­ ster über der Thüre gestellt.

Alle Räume in den höhern Abtheilungen wo die Kran­

ken am Abend mit Handarbeit, Schreiben, Lesen oder Spielen u. s. w. beschäftigt sind, werden durch von der Decke des Zim­

mers herab hängende Astrallampen erleuchtet, deren Größe sich

nach dem Umfange des zu erhellenden Lokals richtet.

In den

Gesellschaftszimmern dient dazu eine doppelte Lampe dieser Art mit zwey Reverberes, während überdies noch mehrere ähnli­ che Lampen mit blechernen Reveberes an den Wänden hän­

gen, so wie dergleichen ebenfalls in den größeren Wohnzim­ mern der Kranken der unteren Stände

in der vierten und

fünften Abtheilung, wie nicht minder in allen Corridors ange­ bracht sind. Auch die Abtritte sind mit solchen Lampen, die in sichernder Höhe anfgehängt sind, versehen und in der Nacht

muß jeder Corridor wenigstens durch eine solche ReverbcreLampe erhellt bleiben.

In den Schlafräumen selbst brennen

aber keine Lampen, mit Ausnahme derjenigen Schlafzimmer

der vierten Abtheilung, in denen sich boshafte, melancholische

137 oder auch solche Kranke befinden die man wegen Selbstbefieckung in Verdacht hat, wo denn der Wärter eine Nacht­ lampe in dem vergitterten Raume in welchem er schläft bren­

nend erhält.

Indessen kann sich dieselbe Nothwendigkeit aus

gleichen Gründen oder wegen eintrctcnden besondern Unwohl« scyns einzelner Kranken, auch in den Schlafzimmern der fünften Abtheilung ergeben und es müssen daher die Wärter überall mit Nachtlampen versehen seyn, die sie im Fall des

Bedarfs anzünden können. Um den Dampf*) von diesen Lampen abzuleitcn, der leicht den Lungen beschwerlich fällt, und überdies die benachbarten

Wände und die Zimmerdecken schnell schwärzt, ist die Ein­ richtung getroffen, daß sich wenigstens über allen an den

Wänden angebracht» argantschcn Reverbere-Lampen, einen Fuß

weite blechene Trichter befinden, deren obere anderthalb Zoll weite Mündung in gleich weite blecherne Röhren übergehen, die, wo es thunlich ist, in den nächsten Rauchfang, sonst

aber durch ein Maueröffnung ins Freye geführt sind. —Auch in den Zimmern, wo sich Astral - Lampen befinden, ist, wo die Umstände cs gestatte», für eine ähnliche Ableitung des Del#

Kampfes gesorgt. Da leicht vermuthet werden dürfte, daß auch in der vier­ ten und fünften Abtheilung die Lampen häufig durch die Kran­ ken beschädigt, wenigstens übermäßig viele Gläser zertrüm­

mert und dgl. m. Unfug angerichtet werde, so kann ich nach einer nun neunjährigen Erfahrung in der hiesigen Anstalt ver­ sichern, daß eine solche Bcforgniß ungegründct ist und daß bey der stattfindenden Aufsicht sehr selten der Fall vorkoinmt, wo ein Kranker in diesen Abtheilungen irgend eine Storung

oder Unannehmlichkeit der Art veranlaßt.

— Die großen

*) Auch bey der Verwendung des gelauterten RuböleS, wie es im Handel gewöhnlich vorkommt, bleibt das Dampfen und der Absatz von Nuß an die Wände sehr bedeutend.

138 Höfe, die zu beit verschiedenen Krankenabtheklungen gehören, werden durch auf hohen hölzernen Säulen stehende, in große

Laternen eingeschlossene, vierfache Lampen mit vier Reverberes versehen, erhellt. Die Zahl der Lampen in den Corridors und in den Bor­

sälen der drey unteren Abtheilungen richtet sich nach der Länge

derselben.

Hat der Corridor eine Länge von 50 Fuß oder

mehr, so brennt an beiden einander entgegengesetzten Enden eine Lampe, bey kürzeren wird der ganze Raum durch eine Lampe hinlänglich erhellt. Ueberhaupt aber muß bemerkt

werden, daß in einer Irrenanstalt an der Beleuchtung der Räume, in welchen am Abende die Kranken verkehren, nie ge­ kargt werden darf, indem es ein wesentliches Erforderniß ist,

daß die Handlungen der Irren immer genau beobachtet wer­ den können und ihrer Beaufsichtigung durch die Wärter kein

Hinderniß in den Weg trete.

Daher es auch bey der Anlage

einer Irrenanstalt von so großer Wichtigkeit ist, daß alle Räu­ me leicht zu übersehen sind und keine dunkle Winkel oder ab­

gelegene Gemächer und Gänge vorkommen, die den Kran­

ken zum Versteck dienen können. Vielleicht würde eilte allgemeine und reichliche Beleuch­

tung der Anstalt, so wie zumal auch die ihrer Umgebung,

noch weit vollständiger und zweckmäßiger durch die Einfüh­ rung der Gasbeleuchtung zu erhalten und hierauf also bey dem Bau einer neuen Anstalt Rücksicht zu nehmen seyn. Zn der Siegburger Anstalt schienen der Einführung der Gasbe­

leuchtung, bey der Art der gegebenen Lokalitäten, zu bedeutende Schwierigkeiten entgegen zu stehen und ich habe auch sonst keine Gelegenheit gehabt mich von den Vortheilen und allen-

fallsigen Nachtheilen die sie für eine Anstalt dieser Art haben

könnte so genau zu unterrichten, um eine bestimmte Mei­

nung darüber äußern zu können.

139 Erfordernisse zur Erhaltung der Reinlichkeit.

Es bedarf keiner weiteren Ausführung, wie sehr zur Er­ haltung der Reinlichkeit allein schon die Bauart einer Anstalt

dient, wo überall Helle Zimmer und Corridors sich anein­ ander reihen, die Stockwerke durch breite, guterleuchtete Treppen miteinander verbunden sind und keine dunkele Win­ kel und Gänge den Schmutz verbergen können, während zu­ gleich dafür gesorgt ist, daß -ie durch Heitzung und Beleuch­

tung

verursachte Unsauberkeit

so viel

möglich beschränkt,

die Reinigung der Wohn- und Schlafzimmer aber durch den

dem Boden gegebenen Oelanstrich, der sich in den unteren drey Abtheilungen auch auf die Zimmerwände bis zu einer gewissen Höhe erstreckt, erleichtert werde, wozu denn auch noch für die Reinigung der Füße die vor allen Corridorsthüren angebrachten Kratzeisen, Fußbürsten ü. s. w. gehören.— Der Vorrichtungen für die Reinigung des Körpers und der Wä­

sche ist schon Erwähnung geschehen, so daß jetzt nur noch zwey hierhergehörige Gegenstände, nämlich die Beschaffung des erforderlichen Wasserbedarfs und die Anlage der Abtritte anzugeben übrig bleiben. Aller Wasserbedarf für Küche, Wäsche, Bäder, Zimmer­ reinigung u. s. w. wird der Anstalt von dem durch ihr Ge­ biet fließenden Bache zugcleitet, indem das

Wasser an der

Stelle wo der Bach den Gebäuden sich am nächsten befindet,

hier an der Nord- und Ostseite, wo er unfern der Mauer hin­ fließt von welcher der Hofraum der vierten und der Garten der fünften männlichen Abtheilung eingeschlosseu ist, durch ei« stets in Thätigkeit erhaltenes Druck- und Hebewerk in der

erforderlichen Masse bis auf eine solche Höhe gehoben wird, daß eS mittelst der Röhren durch die drey Fuß vom Fußbo­ den befindlichen mitKrahnen verschenenMündungcn derselben,

sowohl in die verschiedenen Abtheilungen der Anstalt, als in die Badeanstalten, Küchen u. s. w. gelangt.

Daß dasselbe

140 auch in das zweyte Stockwerk geleitet werde, ist nicht erfor­ derlich , da das blos zum Waschen und zur Zimmerreinigung hier benöthigte Wasser leicht aus den untern Revieren jeden Morgen hinaufgebracht und in den an den Waschtischen u. s.w.

stehenden gedeckten tonnenartigen großen Gefäßen für den Be­ darf jedes Tages aufbewahrt werden kann.

Daß aber über­

all der Wasserbedarf hinreichend und in dem vollsten Maaße für das Bedürfniß gewährt sey und daß der Zufluß desselben

nie stocke, ist für jede Anstalt dieser Art von einer solchen Wichtigkeit, daß auf die zweckmäßige Einrichtung und die Unterhaltung der dazu dienenden Vorrichtungen, die größte

Aufmerksamkeit gewendet werden muß.

Auch ist dieses mit

wenigen Schwierigkeiten verbunden, wo, wie hier angenom­ men ist, ein zu jeder Jahreszeit hinlänglich vollströmender Bach für nichts

weiter zu sorgen übrig läßt, als für ein

wenig complicirtes Druck- und Hebewerk und für eine sehr einfache wenn auch ausgedehnte Röhrenlcitung. — Anders aber ist eS wo sich die Anstalt auf einer bedeutenden Höhe be­

findet, und der ganze Wasserbedarf bis auf den, für das

Ganze immer doch nicht sehr in Anschlag kommenden, Beitrag den die Regenwassercisternen gewähren, aus einer der Höhe dcS Berges glcichkommendcn Tiefe heraufgehoben werden muß; und damit bey ähnlichen Anlagen die hiebei zu überwindende Schwierigkeit hinlänglich gewürdigt werden möge, finde ich

mich veranlaßt eine Berechnung des Wasserbedarfs für eine Anstalt von zweyhundert Kranken, nach einem jüngst • für die Siegburger Anstalt angcfertigtcn ohngefähren Ueberschlage mit»

jutheilcn, wobey ich noch erinnern muß, daß das für die Bä­ der angenommene Quantum, für den Fall daß der dirigirende

Arzt eine ausgedehntere Anwendung von Sturzbädern machen sollte, als es bisher in Siegburg der Fall war, sich ohne Zwei­

fel noch als nicht ganz zureichend erweisen würde; so wie eben­ falls ein ungleich größeres Wafferquantum erforderlich seyn würde, wenn die Anstalt ihren Bedarf an Bier selbst braute.

141

Angenommener Wasserbedarf für die Siegburger Anstalt. Ohm. Ort.

A.

Kochküche.

Den großen Kessel täglich dreimal voll ä 30 Ohm per Kessel........................... . — Zur Suppe rc. zum Waschen der Gemüse rc. —

— —

Znm Spülen des Geschirres

— —

Zum Schäuern der Küche.............................. — Im Ganzen

B.

1

— —

19





15

10

94

3

Bäckerei

im Durchschnitt täglich ................................... —

15

Im Ganzen

C.

9 — 6 —

Wäscherei

zum Kochen der Wäsche, durchschnittlich 1 Kessel per Tag k ....... Die größte Bütte wöchentlich einmal voll ä

3



16 Ohm, mithin per Tag .... 2 Ferner wöchentlich 2 Bütten zum Kochen der

34

Wäsche, zusammen 10 '/, Ohm, mithin per Tag ......................................................1 Zum Spülen der Wäsche circa .... 4

60 —

Im Ganzen

D. Reinigung des Hauses. 45 Wärter und Wärterinnen bedürfen 30 Quart im Durchschnitt

..... 13

I. Abtheilung für Männer ......

4





I. Abtheilung für Frauen .......................... 3 — Für diese Abtheilungen des Sonnabends zum

Scheuern, zus. 14 Ohm, daher per Tag.........

...2 Seite



29 109

142 Ohm. Ort.

Uebertrag 22 Zum Schäuern der übrigen Abtheilungen des Hauses, Sonnabends 28 Ohm, mithin im Durchschnitt täglich . . .

4





Im Ganzen

E.

Kuhstall und

29 109

26



Oekonomie-

Küche. Für 10 Kühe per Kuh 40 Quart

...

3

40



4 Pferde L 30 Quart........................... 1 —



6 Esel ä 20 Quart..................................1 —

Zum Schäuern und Reinigen der Geschirre

ic. durchschnittlich...................................—

40

Zum Schauern und Reinigen der Ställe am Sonnabend, per Tag gerechnet circa . —

30

Sm Ganzen

5 HO

F. Badeanstalt. Den Dampfkessel täglich l'/rMal voll, zum

Kochen des Badewasscrs.......................... 4 Zu 20 gewöhnlichenBädern ..... 39

60 80

Zu Sturzbädern..............................................21 Zu 2 Regenbädern.......................................... 2

30 66

Im Ganzen

G.

67 116

Für die Beamten

durchschnittlich per Tag................................ —

Summa des ganzen täglichen Wasserbedarfs ....



4



133

95

oder. 16,055 Qrt. In Bezug auf den Wasserbedarf bleibt indessen für die

hier beschriebene Anstalt noch ein Gegenstand zu erwähnen übrig, der bey der obigen Berechnung.nicht mit in Anschlag kommen konnte und der in allen großen Anstalten und Ge-

143 bäuden in welchen viele Menschen zusammen wohnen, für die Erhaltung der Reinlichkeit einer der wichtigsten ist, ich meine

die Abtritte.

Die Einrichtung derselben ist nämlich hier, als nach einer in vielen englischen Hospitälern schon lange, in Deutsch­

land aber so viel ich weiß zuerst in dem neuen Krankenhause zu Hamburg in Anwendung gebrachten-Weise durchgeführt ge­

dacht, wonach in den messingenen mit Oelfarbe angestrichenen Eimer der in jedem Abtrittsschlote unter der Brille befindlich ist, durch einen gewissen Mechanismus, indem derjenige der seine Nothdurft eben verrichtet hat die Abtrittsthüre öffnet

um sich zu entfernen, horizontal stellt und zugleich ein starker Wasserstrahl aus einer zur Seite befindlichen Röhre dringt, der ihn vollkommen ausspült,

worauf der Eimer,

indem

die Thüre sich schließt, seine vorige senkrechte Stellung wie­ der annimmt.

Der Koth aber stürzt mit dem Wasser durch

den Schlot in einen schräg abwärts laufenden Kanal hinab, und wird, indem dieser Kanal sich, in einer bestimmten Rich­ tung mit den übrigen ähnlichen Kanälen zu einem Hauptkanale vereinigt, endlich von dem vorüberfließenden Bach aus­ genommen , nachdem dieser den Wasserbedarf für die Anstalt

schon abgegeben hat. Um dem Leser ein vollständigeres Bild dieser Einrichtung vor die Anschauung zu bringen, habe ich solche, wie sie mit

wesentlichen Verbesserungen in dem Krankenhause von Derby,

shire und dann in mehreren Krankenanstalten in England eingeführt ward, auf der Tafel V. abbildcn lassen und die

Beschreibung beygcfügt. Sachkundige werden hienach leicht beurtheilen, welche große Vorzüge diese Einrichtung vor jeder andern bisher bekannten besitzt und so zumal auch vor dem

Fauche-Borellschen Apparate, der, nach den glaubwürdigsten Nachrichten, überall wo er in Anwendung kam, einen durch­ dringenden Abtrittsgcruch nicht ausschloß und nebstdem mit

der großen Unannehmlichkeit verbunden ist, daß man immer

144 noch wieder für die Wcgschaffung

des Urins und Kotbes,

wenn auch des letzten in einer etwas andern Gestalt, zu sor­

gen hat.

Andere hierher gehörige Vorrichtungen näher anzu­

geben*) halte ich für überflüssig,

da keine der oben beschrie­

benen an die Seite gesetzt zu werden verdient, welches auch von dem,

sonst zu den vorzüglicheren gehörigen, Häberlschen

gilt, die zugleich sehr

complicirt ist und doch selbst in dem

Münchner neuen Krankenhause, wo sie unter Häberl'S Au­

gen eingerichtet ward, lange das nicht leistet, was sie lei­

sten sollte **). In Bezug auf die hier beschriebene Anstalt bemerke ich

noch, wie in den beyden Quadraten, welche den drey untern Krankenabtheilungen bestimmt sind, wo die Zahl der Bewohner

geringer ist und diese zum Theil die Abtritte nicht besuchen, für jede Seite der Vierecke nur ein einfacher Abtritt der erwähnten

Art angebracht ist. In den beiden Vierecken für die vierte und fünfte Abtheilung aber befinden sich auf jeder Seite, der grö­

ßeren Kranken und Wärtcrzahl in

denselben

entsprechend,

zwey solcher Abtritte nebeneinander, durch Mauern auö Fach­ werk geschieden und jeder mit einer besondern Thüre geschlos­ sen,

und dieses sowohl im obern als im unteren Stockwerk,

dergestalt, daß niemals leicht durch die Zahl der Personen,

*) Esquirol (s. dessen allgem. u. spec. Pathos-u- Therap. d. See­ lenstor. frei bearbeitet von Hille) sagt die allgemeinen Abtritte

müßten von dem eigentlichen Gebäude getrennt seyn und die Ge­ störten zu diesen

nen.

durch

bedeckte aber offne Gänge gelangen kön­

In diesen offnen Gängen sind die Kranken aber nothwen­

dig allen Witterungseuissüssen bey Sturm, Regen,

Schnee und

Frost zu sehr ausgesetzt und auf den Abtritten selbst, wo eine ge­

naue Beobachtung sehr nöthig ist, zu sehr isolirt, da es eine nicht zu

erfüllende Vorschrift seyn würde, daß die Wärter die zahlrei­

chen Kranken stets bey diesen Abtrittsbesuchen begleiten sollten-

**) Häberl. Fr. K, über öffentliche Armen- und Krankenpflege i>. 266 ff. und 337 ff-

145 welche die Abtritte zu gleicher Zeit besuchen wollen eine Verlegenheit entstehen kann. Ucbrigens ist schon erwähnt wor­ den, daß sich diese Abtritte überall in einem ihnen bestimmten Raume, der seinen Eingang neben -den Waschplätzen hat, be­ finden. — Auch das Verwaltungsgebäude besitzt im oberen

unh unteren Stockwerk an der Seite der beiden Treppen einen

zweyfachen Abtritt von dieser Art. Unter die Vorrichtungen zur Erhaltung der Reinlichkeit gehören auch noch diejenigen, welche die Reinheit der Luft in

den Zimmern zum Zweck haben. Es versteht sich ohne Wei­ teres von selbst, daß das hinlänglich häufige und lange Lüf­ ten der Räume durch das Ocffnen der Fenster und Thüren,

hier wie überall das vorzüglichste und wirksamste Mittel ist. Als hinzukommend dienen für die Zeit, wo das Oeffnen der Fenster und Thüren nicht statt finden kann oder zu viel leisten

würde, die an den Fenstern in einer Scheibenöffnung an­ gebrachten schon erwähnten Ventile oder auch die hinlänglich bekannten Windräder.

Indem.ich nun noch insbesondere der baulichen Einrich­

tungen für die Sicherheit der Anstalt und der Kranken ge­ denke, erinnere ich im Allgemeinen an alles dasjenige was

hierüber bey der Beschreibung der

einzelnen Abtheilungen,

der Höfe und Gärten, vorgekommen ist, welches also hier nicht wiederholend angeführt werden darf, finde mich aber

doch noch zu einigen hiehergehörigen Bemerkungen veranlaßt, und zwar: Zuvörderst in Beziehung auf die den innern Bezirk der

Anstalt umschließenden Mauern. Entsprechend dem Grund­ sätze nämlich, Alles so viel wie möglich zu vermeiden, was

den Kranken an eine gcfängnißartige Einsperrung erinnern kann, möchte man gerne auch die Entfernung dieser Mauern erzielen können, und hat aus solcher wohlmeinenden Absicht

146 unter andern in der mehrmals erwähnten Anstalt Sachsenberg

diesen

innern Bezirk statt mit Mauern nur mit lebendigen

Hecken umgeben, was zu dem ansprechenden Acußern dieser Anstalt sehr viel beiträgt.

Indessen kann ich dieses keines­

wegs für zweckmäßig und nachahmenswerth halten, da nicht

nur die Sicherheit der Kranken, bey ihren sfr oft verkommen­ den Versuchen zu entweichen, welche ihrem Unvermögen das Nothwendige und Rechtmäßige ihres gezwungenen Aufenthal­ tes in der Anstalt cinzusehen, entspricht, eine solche Sperrung des innern Bezirks erheischt, die zugleich der Sorge überhebt, je­

den Augenblick einen grade nicht vor Augen befindlichen Kranken für entwichen oder verunglückt zu halten, und dadurch selbst gestattet denselben im Innern mehr Freiheit zu geben, sondern

da auch bey einem so großen Dienstpersonal die Handhabung der

nöthigen Hauspolizey ohne eine solche Sperrung durchaus -un­ möglich ist. Es ist solche daher auch in allen neueren französischen und englischen Anstalten für Unerläßlich gehalten und bey den meisten derselben sogar der äußere Bezirk der zu ihnen gehö­

rigen Ländereyen und Parks mit Mauern umgeben worden, und ich bin gewiß, daß die Erfahrung auch den einsichtsvollen Vorsteher der Anstalt Sachsenberg bald zu einer ähnlichen Ueberzengung führen wird.

Wie übrigens durch die Art der

Anlage dieser Mauerumgebung auf die Schonung des Gefüh­ les der Kranken so viel möglich Bedacht zu nehmen sey, ist schon an seiner Stelle gesagt worden.

Demnächst will ich daran erinnern, wie zwar mit der

größten Aufmerksamkeit dahin getrachtet werden muß, den Kranken durch die Art der baulichen Einrichtung so viel mög­ lich alle Mittel zu nehmen, wodurch sie sich verletzen, zumal

aber wodurch sie einem Triebe züm Selbstmorde genügen könn­ ten, daß dieses immer aber nur in einem beschränkten Maa­ ße ausführbar ist, da sich keine Einrichtung denken läßt, wo­ durch dem Kranken

jede Möglichkeit benommen würde sich,

in einem Augenblicke wo er nicht bewacht ist, ein Leid znzufügen.

147 es sey denn, daß man ihn anhaltend in den Zellen der Tob­

süchtigen eingesperrt halten wollte, welches doch bey Schwerwüthigen und bey solchen bey denen sich bis dahin kein Trieb zur Selbstverletzung kund gegeben hat, nicht angcht.

Alsdann

aber kann der Kranke in jeden zwey oder drey Minuten wo

er sich allein sieht, die Fensterscheiben einschlagen, kann das Glas zerkauen, verschlucken oder sich damit die Speicherarte­ rie durchschneiden, kann sein Schnupftuch und seine Halsbin­ de zusammen knüpfen und sich an eben die eisernen Fenster­

sprossen aufhängen, die ihn hindern sich aus dem Fenster zu stürzen, kann auch diesen Strick über den oberen Winkel der

Stubenthüre werfen, der ihn, wenn das Holz nur etwas rauh ist, für die gehegte Absicht genugsam hält, oder er kann auch, nachdem er sich zuvor die Nasenlöcher mit Papier ver­ stopft hat, sein zusammengeballtes Schnupftuch soweit in den Rachen hinabschieben, daß er in wenigen Augenblicken erstickt.

— Es giebt daher glaube ich bey Kranken, in denen der Trieb

zum Selbstmorde mit einer gewissen Entschiedenheit obwaltet, kein anderes vollständig sicherndes Mittel als die unausgesetzte

Aufsicht aufmerksamer uud gewissenhafter Wärter, und es kam mir erst neuerlich ein Fall dieser Art vor, wo ich die Erhal­ tung" deö Lebens des Kranken nur dadurch erzielen zu können

glaubte, daß ich während der Dauer des ParorismuS zwey Wärter bestellte, welche auch bey Nacht beide bey dem Kran­

ken bleiben mußten, und zwar so, daß der eine stets die Au­

gen über den Kranken offen hielt, während der andere in dem­ selben Zimmer schlief, um dem Wachenden in jedem Augenblick, wo es nöthig seyn könnte, beyzuspringen. Als Schutzmittel für die Gebäude der Anstalt erwähne

ich endlich noch erstlich der Blitzableiter, die auf den verschiedenen Vier­ ecken so wie auf den Oeconomiegcbäuden und auf der Woh­ nung des Dircctors in denjenigen Entfernungen voneinander

und mit denjenigen Zwischen- und Ableitungsketten angebracht

148 sind, wie es nach den Beobachtungen, auf welche dieser Theil der wissenschaftlichen Technik sich stützt, für die Sicherstellung

der Gebäude gegen die Wirkung des Blitzes erforderlich ist; zweytens die Vorrichtungen zur Vermeidung der Feuers­

gefahr und zur Bekämpfung eines ausgcbrochnen Brandes.

Die hinsichtlich derAnlage der Heitzungen getroffenen Vorsichts­ maaßregeln sind schon angeführt. Außerdem ist aber auch

noch dadurch für die Sicherheit der Gebäude gegen Brandge­ fahr gesorgt, daß alle Seiten jedes Vierecks durch sehr starke Brandmauern bis in die Spitze des Daches voneinander ge­ schieden sind, durch welche auf den Speichern die Verbindung nur mittelst mit dickem Eisenblech bekleideter Thüren besteht. Zur Bekämpfung der Feuersgefahr sind außer einer großen Brandspritze zwey kleinere tragbare Spritzen, die bedürfenden Falles in die innern Höfe und selbst auf die Speicher gebracht werden können, vorhanden und werden nebst fünfzig ledernen

Brandeimern, den Feuerhaken u. s. w. in dem dazu bestimm­ ten schon ftüher erwähnten Lokale aufbcwahrt, während die

großen und kleinern Brandleitern in der Nähe desselben an der äußern Seite der Viehställe aufgehängt sind.

Zehntes Bedarf an Utensilien.

Kapitel.

Bettfurnituren. Bekleidung-gegenstände,

Eßgeschirr.

Eines Theiles der Utensilien deren die Anstalt bedarf, nämlich des Zimmer-, Bade- und Waschgcräthes, ist schon bey der Beschreibung der einzelnen Abtheilungen der Anstalt ge­

dacht worden, so daß jetzt tutr noch

a) die Bettfurnituren, b) die Bekleidungsgegenstände, c) das Speisegcschirr, d) die Gegenstände die zur ärztlichen Behandlung dienen,

einschließlich der Zwangs- und Bändigungsapparate, näher zu erwähnen übrig bleiben. Bettfurnituren.

Die Beschaffenheit der Vettfurnituren richtet sich nach der

Art und den Erfordernissen des gegebenen Krankheitsznstandcs, nach der frühern Gewohnheit des Kranken und nach der Vcrpflcgungsklasse in welche er zufolge feiner ökonomischen Lage

eingercihet ist. Bey den Kranken der drey untern Abtheilungen, bey de­ nen so häufig rücksichtslose Zerstörungssucht und Unreinlichkeit

als Folge des Jrreseyns obwaltet, muß hierauf bey der Be­ stimmung der Art des Bettzeuges Rücksicht genommen werden, und zumal können Matratzen von Pferdehaar oder dergl., die so leicht gänzlich zerstört und wenn durchnäßt oder vcrunrei, nigt, so schwer wieder getrocknet und gereinigt werden können.

150 so wie dergleichen Kopfpolster, vielen dieser Kranken nicht

gewahrt werden und es muß ihr Lager nur anS einem guten Strohsack und Strohpfühl, mit zwey Leintüchern, aus sehr star­

kem Zeuge verfertigt und, nach dem Erforderniß der Jahres­ zeit, aus einer oder mehreren wollenen Decken bestehen. Weiter aber braucht die Beschränkung nicht zu gehen und darf eS daher auch nicht. Wenigstens ist in den neu« Jahren des Beste­

hens der Siegburger Anstalt noch kein Fall vorgckommen, in welchem man sich genöthigt gefunden hätte, zu der in vielen andern Irrenanstalten so oft beobachteten Crtremität zu schrei­ ten, einem wüthenden oder sonst sinnlosen Kranken blos ein Bund Stroh hinzuwerfen und ihn sich auf dasselbe halb oder ganz

nackend betten oder ihn vielmehr auf demselben und zugleich in seinem Unrathe umherwühlen zu lassen; und wirklich kann

ein solches Verfahren nur die Folge einer fehlerhaften Ein­ richtung und falscher Ansichten seyn. Denn gewiß ist es viel zweckmäßiger und der Ausübung wie der Erhaltung der Hu­

manität

entsprechender, einem Kranken dieser Art das Zer­

stören des Bettzeuges und der Kleidung und sein übriges sinn­ loses Beginnen, durch irgend eine angemessene Beschränkung

im Gebrauch seiner Glieder, ja selbst durch eine solche Befe­ stigung desselben auf seinem Lager, wobey er die Freiheit be­ hält seine Lage von einer Seite auf die andere zu wechseln,

unmöglich zu machen, als ihm zu gestatten in der fortwäh­ renden Hingabe an die Aeußerung seiner krankhaften Triebe

und Gewöhnung an dieselben, immer mehr auszuartcn ♦).

*) Die Verunreinigung de- Bettzeuge» mit Kotb und Urin wirb allerdings auch bey diesem Verfahren nicht verhindert. Aber der Kranke kehrt dabey doch viel leichter zur Beobachtung der Rein« . lichkeit zurück, indem zugleich die Wärter ihn stets von neuem daran erinnern und ihn dazu anzuhalten bemüht sind; und soll­ ten diese Bemühungen sich auch fruchtlos erweise«, so erheischt e« dennoch der Charakter der Menschlichkeit, daß der, wenn auch

151 Kranke die zur Beobachtung der Reinlichkeit zurückkehren und die früher an ein besseres Lager gewöhnr waren, erhal­

ten, selbst wenn ihr Zustand im Uebrigen noch ihr Verweilen in einer der unteren Abtheilungen erheischt, bey dem Eintritte dieses,

sey es auch nur sehr ungewissen und vielleicht bald

wieder vorübergehenden Bcsscrbefindens, pfcrdehaarne Matrazzen und Kopfpsilhle. In der vierten und fünften Abtheilung findet ein Unter­ schied in der Beschaffenheit des Bettzeuges lediglich nach Maaß­ gabe der früheren Gewohnheit und des Standes der Kran­

ken, so wie nach der Verschiedenheit der Derpflegungsklasse in die sie sich eingereiht befinden, statt. — Ganz mittellose Kranke und Leute aus den untern Ständen, die nie ein wei­ ches Lager kosteten, finden ein solches wie es oben als das

normalmäßige für die Kranken der ersten Abtheilungen ange­ geben war, ausnehmend gut und reichlich ausgestattet, und gewiß würde es sehr unrecht gehandelt seyn, solche in der

Anstalt an ein besseres Lager zu gewöhnen als sie es, wenn

augenblicklich alles bessern Gefühles und alles Bewußtseyns er­ mangelnde, Kranke, so behandelt werde, als ob dieser Zustand ein ganz vorübergehender wäre, ebenso wie bey einer Phrenitis oder bey einem Typhus. — Wieviel aber an Ausdauer und Vor­

kehrungen aller Art dazu erforderlich ist, um dieses in Ausführung zu bringen, mag man daraus entnehmen, daß, als stch noch ohnlängst einmal in der Abtheilung für die Tobsüchtigen der hiestgen

Anstalt zu gleicher Zert sechs im höchsten Grade unreinliche Kranke

befanden, von welchen drey an anhaltenden Durchfällen litten, während deren Zustand zugleich erforderte, daß ste beständig zu Bette liegen mußten, in dieser Abtheilung allein eine Zeit lang in jeder Woche im Durchschnitt 36 Hemden, 36 drillichne Bein­ kleider, 20 Paar Strümpfe, 40 Leintücher und 42 Strohsäcke er-

forderlrch waren, ohnerachtet die einzelnen Stücke wo e» anging noch häufig wieder getrocknet wurden.

152 sie wieder genesen, bey ihrer Rückkehr in ihre früheren Verhältnisse erhalten können.

Die Strohsäcke aber sind immer

reichlich mit gutem Stroh gefüllt, welches, wenn keine außer­ ordentliche Verunreinigung statt findet, etwa alle vier Wochen mit frischem verwechselt wird; und gerne werden auch statt eines Strohsackes zwey gegeben, weil zwey mäßig gefüllte Strohsäcke ein besseres Lager gewähren als ein sehr stark aus-

gestovfter, auch das Aufrühren des Strohes bey ersteren leich­ ter bewerkstelligt wird. Nach Maaßgabe der Wärme der Witterung und des individuellen Bedürfnisses werden eine,

zwey oder drey Decken gereicht und diese befinden sich in ei­ nem Ueberzüge von starker blau und weiß gewürfelter Lein­ wand ; und einen ähnlichen Ucberzug hat auch das Kopfkissen.

.Erstere werden so oft sie unrein werden, letztere wenig­ stens jeden Monat gegen reingcwaschene vertauscht, die Lein­ tücher aber alle vierzehn Tage gewechselt. Alle an ein weicheres Lager gewöhnte Kranke, aus der

unteren Verpflegungsklasse, erhalten außer dem Strohsacke und Strohpfühl eine Matratze von Pferdchaar und ein ähnliches Kopfpolster.

Die übrigen Theile des Bettzeuges sind die schon

angegebenen und so auch bey denen zu den höheren Verpfle­

gungsklassen gehörenden Kranken, nur daß diese überdies noch Kopfpfühle mit Federn gefüllt, feinere Leintücher und feine weiße Ueberzüge für die Kopfkissen erhalten, während auch die Dek«

feit statt der bunten Ueberzüge, weiße haben.

Unterbetten von Federn werden nur älteren oder schon

sehr verzärtelten Personen und Uebcrbctten mit Federn allein den daran früher stets gewöhnt gewesenen in der kalten Jah­ reszeit bewilligt. Das Wärterpcrsonal, so wie die übrigen Dienstleute des

Hauses, erhalten ein gleiches Bettzeug wie die Kranken der unteren Derpflegungsklasse, doch jederzeit mit einer Matratze und einem Pfühl von Pferdehaar. Die Oberwärter und

Oberwärterinnen werden den Pcnsionairs in dieser Beziehung

153 gleich gehalten und um so mehr auch der Assistent und die

Geistlichen. — Daß nur die Pensionairs hölzerne Bettstellen, die übrigen Kranken aber, mit Ausnahme der in den drey unteren Abtheilungen, wo sich die eichenen festgeschraubten Bett­ stellen von eigenthümlicher Construction befinden, durchgehends eiserne Bettstellen erhalten, ist schon erinnert worden.

Bekleidung der Kranken. Als die leitenden Grundsätze bey der Bekleidung bezeich­

ne ich folgende: 1) Die Kleidung sey der Jahreszeit, der Witterung, dem Geschlecht- und dem Gesundheitszustände jedes Kranken an­

gemessen. 2) Sie sey einfach doch ohne auffallend und in der Form von der gemeinen Sitte abweichend zu seyn, gemächlich, der

Größe und Stärke jedes Individuums entsprechend. 3) Sie sey aus dauerhaften, farbehaltigen Stoffen ver­

fertigt.

4) Es herrsche eine gewisse Mannigfaltigkeit in Farbe und Dessin, um den Anschein einer Uniformirung möglichst

zu vermeiden.

Das Düstere und das Grelle bleibe gleich

fern. 5) Die Sonntagskleidung zeichne sich vor der Werktags­

kleidung der Sitte entsprechend, doch

mit Behauptung der

Einfachheit, aus. 6) Alle Kleidungsgegenstände seyen in dem Maaße vor­

handen wie die Erhaltung der Reinlichkeit und deS Anstan­

des es erheischt.

Kleidung der Männer. Die Sommerklcidung besteht aus langen Beinkleidern mit

tiefsitzenden Seitentaschen, wie sie an den Schifferhosen zu

seyn pflegen und aus einer tiefherabreichenden Jacke, die eben-

154 falls mit Taschen versehen ist, aus dem stärksten, breiter und

schmaler gestreiften, Drillich von dunkeler und hellerer Farbennuaucirung, mit grauer Leinwand gefüttert und mit Knöpfen auS Horn oder Metall. Da für den Drillich keine andere Verschiedenheit im Mu­ ster besteht alS breitere oder schmalere, dunklere und hellere

blaue Streifen auf weißem Grunde, fd kann auch hierin al­

lein eine Mannigfaltigkeit gesucht werden.

Es wäre aber für den hier stattfindenden Gebrauch sehr zu wünschen, daß dieS Zeug auch in andern Mustern und in andern Farben

verfertigt würde, um so mehr da das Blau bey dem öfteren

Waschen so bald verbleicht und zum Theil mit dem Wasser in ein schmutziges falbes Gelb übergeht, worauf denn daS Ganze ein wirklich widerliches Ansehen gewinnt, auch daS

Aufsetzen von Flicken so gut wie unthunlich wird, weil diese

allzusehr abstcchen. Zu der Sommerkleidung gehören auch leinene Strümpfe von sehr starkem vierfädigcm blau und weiß zusammengedreh­

tem Garn, die unter den Knieen mit einem an dem obere» Ende des Strumpfes angenähten Strumpfbande befestigt werden.

Hiezu kommt dann noch, als der Sommer- und Winter­ kleidung gemeinschaftlich angehörig, ein bunteS baumwollneS

Halstuch, ein Paar Hosenträger von zweyfachcm Drillich, ein Paar Schuhe von Rinds- oder Hirschleder mit sehr starken Sohlen, die überdies in nebeneinander stehenden Reihen mit Sohleynägeln beschlagen sind und mit einem Riemen zuge­

bunden werden, wie nicht minder eine tuchene Kappe von

üblicher Form mit einem steifen glatten ledernen Schirm *).

•) Zn der Siegburger Anstalt war Anfang- eine Art Kappen mit runder, oben dicht aufliegender Kuppe und kurzem Schirm in

Gebrauch, wie sie in England zur Zagdlleidung gehört und wie sie für einige Zeit auch in Deutschland ziemlich allgemein getra»

155 Endlich gehört zu der Kleidung jedes Kranken auch ein bun­ tes leinenes Schnupftuch. Zum Gebrauch bey feuchter und etwas rauherer Witte­ rung, während deren die Beschäftigungen im Freyen dennoch fortgesetzt werden, erhält überdies jeder an diesen Arbeiten

Theil nehmende Kranke einen weiten drillichnen Kittel, der

aber nicht zur gewöhnlichen Kleidung gezählt wird.

Die Winterkleidung für die Männer ist der Sommerklei­ dung im Zuschnitt gleich; der dazu verwendete Stoff aber ist ein derbes grobes Tuch, von verschiedenartiger Farbe, blau,

dunkelgrün, schwarz in weiß oder blau in weiß melirr u. s. w. und statt der obenerwähnten Kittel werden Kaputröcke von grobem Biber, ebenfalls von verschiedenen Farben, bey de«

Arbeiten im Freyen gereicht. — Ueberdies aber erhalten die Kranken wahrend dieser Jahreszeit die schon mehr abgetrage­

nen oder unscheinbar gewordenen drillichnen Jacken, um sie als Unterjacken unter den Tuchjacken und bey Nacht als Nacht­ jacken zu tragen, womit denn, indem noch wollne Strümpfe

und für jeden Mann ein Paar dicke wollne Fausthandschuhe hinzukommen, für hinlängliches Warmhalten auch bey stren­ ger Kälte gesorgt ist. Am Sonntag fällt die tuchene Jacke weg und statt dersel­

ben erhält jeder Kranke einen runden bis an den Kragen

zugeknöpften Rock von ähnlichem Tuche als aus welchem die Jacken und Beinkleider verfertigt sind, und nebst reinem Hem­

de, Schnupftuch und einem Paar Strümpfe,

ein sauberes

Halstuch.

gen ward. Da man diese Form aber anderwärts bald nicht mehr sah, so ward sie an den Bewohnern der Anstalt auffallend und den Kranken selbst verhaßt, indem sie sie Narrenkappen schalten, so daß man genöthigt war andere anzuschaffen und die noch vorräthigcn nur von den sinnloseren Kranken, die auf die Form nicht achteten, tragen zu lassen.

156 Kleidung fjtr die weiblichen Kranken. Die Kleidung für die weiblichen Kranken besteht außer

dem Hemde und den Strümpfen (im Sommer leinenen, im Winter wollenen)

aus einem Mieder von Drillich,

einem

Unterrock von grober graner Leinwand, und aus Jacke und

Rock, die entweder getrennt* getragen oder zu einem sogenann­ ten Ueberrock, der vorne zugemacht wird, aneinander gesetzt sind. Diese letzteren Stücke sind für die Winterkleidung aus

Tuch wie bey den Männern, für den Sommer theils aus

Drillich, theils aus Siamvis von verschiedenen Mustern und

Farben verfertigt.

Hierzu wird dann noch ein buntes baum­

wollenes Halstuch, ein buntes leinenes Schnupftuch, eine katunene mit Leinwand gefütterte Haube*), nach landesüblicher

Art, ein Paar Schuhe entweder von Rindsleder mit starken übernagelten Sohlen oder von Kalbsleber mit dicken Sohlen ohne Nägel, je nach der Beschaffenheit der Arbeiten welche

die Kranken verrichten, gegeben. Bey der Sonntagskleidnng besteht Ueberrock, oder Leibchen und Rock, ans banmwollenen Zeugen von gefälligen Mustern

und mannigfaltigen passenden Farben, aus einem etwas fei­

nern baumwollenen Halstuch und einer reinen Hanbe. — Un­ ter diese ziehen die mehrstcn weiblichen Kranken an den käl­ teren Wintertagen, die wollene Werktagskleidung, — andere

nicht, so wie denn auch manche an den Werktagen im Win­ ter nur die tuchenen Röcke tragen und übrigens die Sommer­ kleidung beybehalten, wenn dieses ihrer früheren Angewöh­

nung entspricht. Statt der eben erwähnten Oberkleidung erhalten die un­

reinlicheren weiblichen Kranken und solche die den Trieb ha­ ben sich

stets zu entkleiden, drillichene Kittel,

welche auf

*) Statt dieser zum Theil auch weiße von Nesseln mit einer Be­ setzung.

157 dem

Rücken

zugcbundcn

oder

mittelst Krampen

geheftet

werden. UcbrigenS wird strenge darauf gehalten, daß alle Kranke, auch die tobsüchtigsten und unreinlichsten, stets vor­ schriftsmäßig gekleidet bleiben und nie geduldet, daß ein Ir­

rer dieser Art ganz o.der halb nackend bleibe, und zwar audensclben Gründen die oben dafür geltend gemacht wurden, daß dergleichen Kranke die Nächte auf einem

ordentlichen

Lager zubringen; — zur Erreichung welcher Absicht denn

hier ebenfalls von den passenden, weiter unten näher zu er­ wähnenden Beschränkungsmitteln, überall wo es die Umstän­ de erheischen, Gebrauch gemacht wird*). Was die wohlhabender» Kranken betrifft, die sich in einem Zustande befinden, in welchem sie hinsichtlich ihrer Klei­ dung die erforderliche Ordnung und Reinlichkeit zu beobachten

im Stande sind, so gestattet man diesen ihre eigenen Kleider zu tragen und sieht dabey nur auf Einfachheit und Zweckmä­

ßigkeit, so wie auf Vermeidung alles Phantastischen und Bi­ zarren. Nur wenn sie zu entspringen versuchen, giebt man auch solchen Kranken wenigstens für eine Zeitlang die Haus­ kleidung, theils weil sie darin kenntlicher sind und durch die Bewohner der Umgegend leichter zurückgcführt werden, theils um sie für die Zukunft dadurch von ähnlichen Versuchen zu-

rückzuhalten, da die meisten sich durch eine solche Maaßregel gekränkt fühlen und einen ähnlichen Versuch später nicht so leicht erneuern. *) Ein die Siegburger-Anstalt besuchender Arzt, den ich in derselben umherführte, fand e- sehr bequem, daß in diese Anstalt keine Rasenden, wie er fle häufig anderwärts gesehen,

die alles zer­

trümmerten und zerrissen und deßwegen nackt in ihren Gemä­ chern eingesperrt bleiben müßten, ausgenommen würden, gn der That aber war er an nicht wenigen solcher Kranken vorubergegangen, die, ohne Anwendung von Beschränkungsmitteln und Aufficht, sich selbst überlassen, ihm ein gleiches Bild dargeboten haben würden, wie er es an andern Orten gesehen.

158 Die Zahl der einzelnen Kleidungsstücke die für jeden Kran­

ken und für die ganze Masse der in der Anstalt befindliche« Kranken erforderlich ist, ergiebt sich aus der bey der Beschrei­ bung der Siegburger Anstalt zu gebenden Ueberficht. Eßgeschirr.

Die Haupteigenschaften welche da- Eßgeschirr für die

große Masse der Kranken in einer Irrenanstalt besitzen muß, find ohne Zweifel die, daß es nicht leicht zertrümmert oder verbogen werden könne, von einer zweckmäßigen Form und

leicht zu reinigen sey und daß es keine der Gesundheit schäd­ liche Bestandtheile enthalte, die fich leicht auflösen und mit den Speisen in den Körper gelangen können. — Töpfergeschirr

ist zu zerbrechlich, hölzernes Geschirr den Erfordernissen der

Reinlichkeit nicht genugsam entsprechend, zinnernes zu leicht biegbar; eisernes aber mit einem Ueberzuge von gutem Zinn zugleich haltbar, nicht zu verbiegen, leicht zu reinigen, nicht allzukostbar und würde in allem Betracht genügen, wenn nicht

durch ein rohes unverständiges Verfahren bey dem Reinigen

desselben der Zinnüberzug so leicht abgerieben würde und daher wenigstens alle zwey Jahre wieder eine Erneuerung forderte, welches nicht allein die Unbequemlichkeit mit fich führt, daß es oft wieder in die Fabrik zurückgcschickt werden muß, sondern eS auch vcrtheuert und die Anschaffung einer größeren Masse

nöthig macht, damit kein Mangel fühlbar werde.

Demohn-

erachtet hat fich in der Siegburger Anstalt, wo es eingeführt worden, die Ueberzeugung behauptet, daß es jedem andern

vorzuziehen sey. Es sind daher daraus große Suppenkumpe« und Schüsseln, tiefe und flacheTellcr, eine Art kleinerer Sup­ pennäpfe,

welche stark s/» Quart halten und in welchen alle

Kranken von der unteren Verpflegungsklasse ihre Suppe erhal­ ten, während ihnen das Gemüse und Fleisch auf einem flachen Teller gereicht wird, und endlich auch die Löffel und Gabeln

verfertigt, letztere etwas breit und in der Art gebogen wie man

159

es gewöhnlich an den silbernen Gabeln sicht, aber am End« in vier, nur etwa vier Linien lange und ganze stumpft, Zinken

ausgehend, mittelst deren irgend eine bedeutende Verletzung so

gut wie unmöglich ist.

Die Messer sind, Griff und Klinge,

ganz aus gestähltem Eisen verfertigt, letztere oben rund verlaufend und nur in der Mitte etwa drey Zoll lang schnei­ dend, während der Rest der Klinge oben und unten auch att der sogenannten Schneide so stumpf ist, daß sie sogar eine

Fläche von etwa ’/s Linie darbietet, und dieses ebenfalls, da­ mit mittelst derselben niemals eine gefährliche Verletzung bey­

gebracht werden könne. Daß dieser Zweck durch die angege­ bene Form der Messer und Gabeln würklich erreicht werde, wird jeder zugeben der sie einer aufmerksamen Betrachtung

würdigt. Roller behauptet dagegen a. a. O. S. 168, daß das nicht der Fall sey, und bevorwortet die Verabreichung ge­ wöhnlicher Gabeln und Messer, anführend daß solche in den Anstalten zu Heidelberg und Pirna noch kein Unglück veranlaßt

hätten und daß eine der ersterwähnten ähnliche Gabel einmal als etwas Lächerliches von einem 3Irrat zu Heidelberg zurück­

gewiesen worden sey.

Letzteres war in Siegburg noch nie der

Fall und kann nicht von Bedeutung seyn, wenn es einmal vorkommt. Auf der andern Seite aber möchte es schwer zu

erklären seyn, warum gerade bey den gefährlichsten Werkzeu­ gen, die man den Irren in die Hände giebt, keine Gefahr der Verletzung obwalten solle und schwer zu rechtfertigen, wenn

man gerade hier die Gesetze der Vorsicht außer Acht läßt, die man sonst überall so strenge angewendet wissen will.

Die wohlhabenden Pensionairs haben Eßgeschirr aus Fa­

yence, Kaffe- und Theegeschirr von lakirtem Blech mit porccl-

lanenen Taffen, so wie auch gewöhnliche Gläser und Ka­ raffen für ihr übriges Getränke, während den Kranken aus den unteren Derpflegungsklassen ihr Getränk in Bechern aus

verzinntem Eisen gereicht wird, die etwas mehr als ein halbes Quart halten- Die Messer und Gabeln für die wohlhabenden



160



Kranken sind den oben beschriebenen, hinsichtlich der dabey beobachteten Dorsichtsmaaßregeln ähnlich, haben aber Griffe aus Burbaum. Die Eß- und Kaffeelöffel bestehen aus einer dem Silber ähnelnden Mctallcompvsition. — Alle Kranke, mit Ausmahme der schlimmsten in den drey unteren Abthei­ lungen, speisen an stets reinlich gedeckten Tischen, und bey den Wohlhabendern besteht nur der Unterschied, daß das Tischzeug feiner ist und daß sie auch Servietten erhalten.

Eilftes

Kapitel.

Einrichtungen und Apparate und Mittel aller Art die zur ärztlichen

Behandlung der Kranken dienen.

Im weiteren Verstände würden hierzu allerdings alle eilt# gellten Theile der ganzen Anstalt zu zählen seyn, indem diesel­

ben sämmtlich dem Zwecke der ärztlichen Behandlung der Ir­

ren entsprechen müssen.

Im engeren Sinne aber verstehen

wir unter denselben: Erstlich die Mittel und Einrichtungen die, abgesehen von Medikamenten und Nahrungsmitteln, diätLtisch in Anwendung

kommen; vornehmlich also die Mittel zur Uebung körperlicher Thätigkeiten und Kräfte, die Mittel zur Uebung mannigfalti­ ger mechanischer und Kunstfertigkeiten, die Mittel zur Anre­ gung, Uebung, Beschwichtigung der verschiedenen Seelenkräfte

und Thätigkeiten in der größten Mannigfaltigkeit. Zweytens diejenigen Mittel die als Medikamente in An­

wendung kommen. Drittens die Einrichtungen und Apparate die dazu dienen nöthigen Falles den Kranken zur Befolgung der ärztlichen Vor­

schriften zu zwingen.

Viertens die Nahrungsmittel in so fern sie Gegenstand ärztlicher Vorschrift sind. In diesem Kapitel wird nur von der ersten Klasse von Mitteln die Rede seyn, und es werden nur die hauptsächlichsten

angedeutet werden können, da sie ihrer Natur nach unendlich mannigfaltig sind. Die Gelegenheit welche die Anstalt in ihren Gärten und

11

162 auf ihrem weiten Gebiete zur Erheiterung wie zu körperlicher

Bewegung, vom einfachen Lustwandeln und von der Blumen­ zucht an, bis zur Beschäftigung mit den mühsamsten Garten, und Feldarbeiten darbietet, ist ohne allen Vergleich als das erste und wichtigste diätätische Hülfsmittel für die ärztliche

Behandlung zu betrachten.

Nichts ist für diese, zum großen

Theil an einer fehlerhaften Blut-Bereitung und Dertheilung, an unregelmäßiger Thätigkeit der Unterleibsorgane, an einem

auf mannigfaltige Weise krankhaften Leben des Hautorgans,

an einer bald mehr verbreiteten, bald mehr partiellen Steige­

rung oder Herabsetzung des normalen Grades der Reizbarkeit und Sensibilität leidenden Kranken, so allgemein zuträglich alS die Beschäftigung mit den verschiedenen Gattungen von

Garten- und Feldarbeit, indem man einem jeden davon zuniißt waö für seinen Zustand paßt. Denn unter allen den er­ wähnten Krankheitszuständen ist, falls sie nicht mit schon weit vorgeschrittenen Leiden einzelner wichtiger Organe, z. B. des

HerzcnS, der Lunge u. s. w. complicirt oder falls nicht Er­

nährung und Kräfte schon zu tief gesunken sind, keiner wel­ cher sich nicht mit irgend einer Art von Garten- oder Feld­ arbeit vertrüge, und vielleicht selbst kaum einer wobey eine solche nicht zuträglich wäre, während sie bey der bey wei­ tem größten Zahl als ein ausnehmend wichtiges Heilmittel theils für sich allein, theils in Verbindung mit dem übrigen

Heilverfahren angesehen werden kann, wobey, wie sich von selbst versteht, die zugleich auf den Organismus einwir­ kenden atmosphärischen Einflüsse in einem gewiß sehr hoch anzuschlagenden Grade mit in Betracht kommen. Daneben giebt es keine andere Art der Beschäftigung die den Ser# stgnd auf eine einfachere Weise zur Thätigkeit auffordert,

die daS Gemüth dieser Kranken so zweckmäßig, ohne Er­ regung

von Leidenschaft, anspricht,

während es eben so

keine giebt zu der sich die Kranken aller Stände, indem man

dem einen diese dem andern jene Art von Arbeit zutheilt.

163 so allgemein vereinigen lassen.

Wirklich findet man nur sehr

wenige Irre die so sinnlos sind, daß sie nicht wenigstens da­ zu gebraucht werden können mit einem Wärter oder mit einem schon verständigeren Kranken gemeinschaftlich Körbe mit Grund Steinen, Früchten, Gemüsen u. f« w. zu tragen, Geschäfte die fortwährend bey einem so großen Garten« und Hauswe­ sen vorkommen; und eben' so giebt es auch nur wenige die

nicht dazu zu bringen wären in einer Reihe mit andern den Schiebkarren zu schieben; während andere, denen man Instru­

mente anvertrauen darf, das Land mit dem Spaten oder der Hacke bestellen, oder die noch mühvollcre Arbeit des Rayolens eines Feldes übernehmen, während wieder andere die

weitläuftigen Wege reinigen und, wo es nöthig ist, mit neu­

em Grande befahren, die vielfältigen Geschäfte des SäenS,

Pflanzens, Behackens, Erndtens u. s. w. auf den ausgedehn­ ten Gemüsefeldern besorgen, die Früchte von den Bäumen abnehmen, sich den mit den Jahreszeiten wechselnden Arbeiten im Weingarten unterziehen, neue Anlagen ausführen helfen, der Blumenzucht obliegen, daß Begießen so oft es erforderlich

wird besorgen, dem Vieh die frischen Futterkräuter zuführen u. s. w. — Bey dieser Mannigfaltigkeit der Geschäfte be­ nimmt die Gemeinschaftlichkeit der Theilnahme aller die dazu

fähig sind, denselben daS Ansehen des Zwanges, und solche denen die eigene Anschauung fehlt, dürften eS kaum glauben, wie leicht diese Theilnahne auch bey den gebildeten Ständen erzielt wird. Für diese letzteren findet sich indessen im Win­ ter freilich seltner Gelegenheit für passende Beschäftigungen

dieser Art, während dergleichen noch immer, mit Ausnahme

vielleicht einiger Wochen, für einen Theil der Kranken aus

den untern Ständen geschafft zu werden vermag, indem stets noch

zwanzig

oder dreißig

davon während einiger Stun­

den auch über den gefrornen Boden und Schnee theils Mist, theils Asche, die absichtlich in den dazu bestimmten großen ge­

mauerten Behältnissen aufgesammlt wird, auf die Felder füh-

164 reit können, was ihnen ohne Zweifel unendlich heilsamer ist, alS wenn man sie anhaltend in ihren Gemächern sitzen ließe.

Solche außerordentliche, durch nichts anderes zu ersetzen­ de, Vortheile-, gewährt also jeder Anstalt dieser Art für die Behandlung der Kranken eine Umgebung von großen Gärten

und Feldern, die sie selbst cultivirt, Vortheile die aber in noth­

wendiger Verbindung mit der für eigene Rechnung geführten Verpflegung der Hansgenossenschaft stehen, von der wir spä­ ter sehen werden, wie sie an und für sich auch am meisten dem Wohle der Kranken und den ökonomischen Vortheilen der

Anstalt entspricht. Eine andere Quelle für Körperbewegung und nützlicher

einfacher Thätigkeit sind die mannigfaltigen häuslichen Arbei­ ten, wie sie theils die Sorge für die Ordnung und Reinlich­ keit in allen Theilen der Anstalt, theils die Geschäfte der Küche

und Waschküche, des Heitzens u. s. w. erheischen. Etwas Umständlicheres hierüber zu sagen ist «»nöthig und es soll daher hier nur die Bemerkung Platz finden, daß unter den

dem männlichen Theile der Kranken zuzuweisenden häuslichen Geschäften doch allein das Holzsägen von einigem Belang ist, indem im Durchschnitt das ganze Jahr hindurch sechs bis acht

Kranke täglich drey oder vier Stunden lang hierzu verwendet werden können, während diese Arbeit zugleich deshalb um so

willkommner ist, weil sie im Winter auch einem Theile der Kranken aus den höheren Ständen ein passendes Mittel zu körperlicher Bewegung, selbst bey dem schlechtesten Wetter, wo sie nicht spazieren gehen können, darbietet. Die übrigen hier­

her zu zählenden Arbeiten, die den männlichen Kranken über­ tragen werden können, kommen als Beschäftigungsmittel viel

weniger in Betracht, indem schon drey oder vier Individuen für alle insgesammt genügen; und es ergiebt sich daher auch leicht von welchem Gewichte es ist, wenn man, wie es wohl geschieht, bey Anstalten die keine anderweitige Beschäftigungs­ mittel haben, auf diese Hausarbeiten als etwas Erhebliches

165 hinwcist, da sie eigentlich für eine nur eini'gcrmaaßen bedeu­

tende Krankenzahl kaum der Erwähnung verdient, so wie auf der andern Seite auch hieraus wieder hervorgeht, wie höchst

wichtig es bey der Anlage von neuen Anstalten dieser Art ist, daß für die beste und allgemein paffende Beschäftigung, durch Feld- und Gartenbau,-auf eine zureichende Weise gesorgt

werde *). Hinsichtlich

der häuslichen Arbeiten für das

weibliche

-Geschlecht findet ein ganz entgegengesetztes Verhältniß wie bey

-dem männlichen statt, indem mit der Reinigung des Hauses, mit den Küchenarbeiten, dem Putzen des Gemüses, Reinigen des Eßgeschirrs u. s. w., mit der Besorgung der Wäsche, dem

Bleichen, Steifen, Bügeln, Mangeln, mit der Ausbesserung des

Leincnzcugcs', der' Strümpfe und Kleidungsstücke aller Art, mit der Näharbeit zur Neuanfertigung des Abganges von

allem Gebild, Leinen, Baumwollen- und Drillichzeug u. s. w. eine solche große Anzahl von Händen täglich beschäftigt wer­ den kann, daß es nie an Arbeit für dieselben gebricht und sehr

oft daS Gegentheil statt findet. Zu bedauern ist nur, daß der größte Theil dieser Beschäftigungen wenig Gelegenheit zu stär-

♦) Es giebt noch einige häusliche Arbeiten die sitzend verrichtet wer­

den können und zu denen die Kranken im Winter, wenn die

Witterung sie auf das Hau- beschränkt, verwendet werden kön­ nen. Eine der hauptsächlichsten ist da- Anfrnpfen der Pferde­ haare au- den Matratzen, welches, wenn auch nur die Hälfte von 260 Matratzen und von 260 Kopfpolstern jährlich neu gestopft wird,

immer eine große Anzahl von Händen- ein Paar Monate

lang beschäftigt.

Andere solche Arbeiten sind da- Auseinander­

sondern verschiedener Sorten von Eämereyen

u- s. «., wobey

ich des Vorschlages gedenke, dergleichen Eämereyen z. B. Doh­

nen und Erbsen absichtlich zu mischen und die Irren solche wie­ der sondern zu lassen, wa» indessen höchsten- für ganz Schwach­ sinnige paßt, da andere Irre, wenn sie ein solche« Verfahren be­

merken, dadurch empört werden.



166

(ercr körperlicher Bewegung, zumal im Freyen, darbictet und

daß man sich in dieser Beziehung fast allein auf einige Arbei­ ten in dem den weiblichen Kranken bestimmten Garten und auf etwas Holzsägen oder dergl. beschränkt findet. Was die Uebung mechanischer Kunstfertigkeiten betrifft,

so fällt diese wieder allein dem männlichen Geschlechte an­ heim, und die angemessensten Beschäftigungen dieser Art sind ohne Zweifel die mit Tischlerey, mit Drechseln, mit Matten«

nnd Korbflechten, mit Deckenwirken aus Tuchleisten und dergl. Die beyden erstgenannten Beschäftigungsarten verdienen in­

dessen obenan gestellt zu werden, da sie vorzüglich geeignet sind die Körper« und die Seelenthätigkeit auf eine, für viele Kranke gleich wohlthätige Weise in Anspruch zu nehmen, wen»,

gleich der Natur der Sache nach auch hieran, nach Maaß­ gabe der nöthigen Arbeiten und des Geschicks so wie der Nei­ gung der vorhandenen Individuen, immer nur wenige Kranke Theil nehmen können und man sich daher auS diesem Grunde dennoch größtentheils auf die Uebung der zuletzt erwähnten oder ähnlicher Kunstfertigkeiten hingewiesen findet. Doch auch

diese letzteren vermögen den vorgesetzten Zweck ebenfalls, nur bey einer verhältnißmäßig geringen Zahl von Irren in einer

Heilanstalt zu erfüllen. Denn weil dabey wenige Handlanger­ dienste zu verrichten sind, wozu die große, zu etwas anderem unfähige, Masse gebraucht werden kann, die wenigen fähige­

ren aber, welche die gehörige Uebung in der Verfertigung fe­

uer Arbeiten erlangen, in der Regel die Reconvalescenten sind, welche die Anstalt nach kurzer Zeit wieder verlassen, so haben diese Arbeiten in solchen Instituten nie ein rechte- Ge­

deihen, sondern werden immer nur kümmerlich gefördert, wie

denn in dem Gesagten auch der Grund liegt, daß überhaupt fabrikmäßige Arbeiten in einer Heilanstalt für Irren niemals einen guten Fortgang haben können, während sie in einer et­ was größeren Aufbcwahrungsanstalt, wo die einmal ange­

lernten Individuen eine längere Zeit hindurch verbleiben- und

167 solche Fabnkationsgegcustände gewählt werden können, wobey

auch ein großer Theil der schon sinnloseren Irren in Thätig­ keit erhalten werden kann, sich viel leichter zu einem gewissen Grade von Vollkommenheit bringen lassen.

Indessen würde

man dieses mit Unrecht als ein sehr zu bedauerndes Gebre­

chen der Heilanstalten anschcn, da es keincswegcS dem Heil­ zweck bey den meisten Kranken entsprechen kann, sie anhal­ tend zu ein und derselben Fabrikarbeit im Hause zu verweüdcn, sondern die hier einschlägigen Beschäftigungen immer nur die Arbeitsstunden einiger Monate im Winter und bey sonst ungünstiger Witterung oder am Abend ausfüllcn solle», diese Absicht aber durchgehends, wenn auch mitunter etwas uothdürftig, durch die obenerwähnten Mittel erreicht werden

wird. — Und hier ist denn auch der Ort noch mit wenigen Worten einen verwandten Gegenstand zn berühre». Man hat es nämlich verschiedentlich alS einen Vorzug einiger neu eingerichteter Irren-Anstalten *) gerühmt, daß in denselben dafür gesorgt sey, daß jeder Kranke aus der arbei­

tenden Volksklasse darin mit dem Gewerbe beschäftigt werde, welchem er in seinem gesunden Zustande obgelegen, und hat es zumal als etwas Treffliches gerühmt, daß in solchen An­

stalten die Schuster den ganzen Bedarf an Schuhen, die Schnei-

•) Auch schon einer ältere», nämlich der zu Saragossa, deren Ueberschrift über den Eingang: Urins et Orbis man nur zu oft von Schriftstellern angeführt und zugleich die Anstalt,

Inschrift trägt, hoch

welche diese

gepriesen findet, ohne daß sich, wie eS

scheint, irgend jemand darum gekümmert hat, ob wirklich etwas des Preisens Werthes dort besteht oder je bestanden hat. Wirklich

aber bin ich neuerlich auf eine glaubwürdige Weise versichert wor­

den, daß diese Anstalt zu den schlechtesten gehöre, die es giebt; auf jeden Fall aber ist es mir gewiß, daß ihre Vorzüge, wenn sie deren als Jrren-Keilanstalt besitzt, nicht in dem bestehen können was die Lobpreise! der erwähnten Ucberschrift als solche genom­ men haben



168 —

der den Bedarf an Schneiderarbekt, die Spinner das Garn, die Weber Tuch und Strümpfe lieferten u. s. w>, so daß die

Anstalt ihre Bewohner größtentheils durch deren eigene Be­ triebsamkeit gekleidet und gebettet sä he, während solche Kranke die ihr Leben den Wissenschaften und Künsten, dem Handel

und öffentlichen Geschäften gewidmet haben,

hier ebenfalls

die Mittel zu einer Thätigkeit finden sollen, die ihrer frühe­ ren Wirksamkeit entspricht. Ich aber kann es nicht läugnen, daß ich eine solche Einrichtung als höchst tadelnswerth und

zweckwidrig betrachte, indem nach meiner Meinung kaum et­ was widersinniger seyn kann als den Schuster, den Schnei­ der, den Spinner, den Weber, den Färber, und so auch den Gelehrten, den Geschäftsmann, den Künstler u. f. w. statt sie den Gewerben und Beschäftigungen zu entreißen, deren Be­

trieb allein so häufig den Grund zu den Krankheiten legte,

die sie in die Heilanstalt sührten, hier von neuem an diesel­

ben zu fesseln. Oeconomische und Corrections-Rücksichten aber, wie sie in Zucht - und Zwangsarbeitshäusern bey ähnlichen Einrichtungen geltend gemacht werden, dürfen in den IrrenHeilanstalten, wo dem Zweck der Wiederherstellung des Kran­ ken, alles, und daher auch seine Beschäftigung, entsprechen

Um. so mehr aber em­ pfiehlt sich auch in dieser Beziehung die Beschäftigung der muß, nicht Raum gegeben werden.

Irren mit Feld- und Gartenarbeit, da diese ebenfalls der An­ stalt Vortheil gewährt, wenn gleich dieser nicht als Zweck ge­

sucht wird und mit solchen Arbeiten auch die gemäß ihres Standes derselben früher obgelegen habenden Kranken ohne Schaden in der Anstalt beschäftigt werden können, da dieselbe wohl an und für sich selbst (die Einflüsse ungünstiger Witte­

rung abgerechnet denen die Landleute dabey öfter ausgesetzt sind) seltner als irgend ein anderes Geschäft zur Entstehung

von Seelenstörungen Anlaß geben werden. An die Mittel zur diätätischen Beschäftigung der Kranken mit mehr körperlichen und mechanischen Arbeiten, reihen sich

169 die Mittel zur Ergötzung oder Aufheiterung, wobey freye kör« pcrliche Bewegung mit einer angenehmen Beschäftigung der Sinnesthäligkeit verbunden, die Hauptsache ist. Hierher ge­ hören hauptsächlich die Gelegenheiten welche die Umgegend

selbst zu Spatziergängen für kleinere und größere Gesellschaf­ ten darbietet und daneben die Unterhaltung einiger Reitpfer­ de und Esel, erstere für männliche, letztere für weibliche

Kranke, — ein offener Korb- und ein geschlossener Wagen zu

Spatzierfahrten; ferner die schon erwähnten Kegelbahnen und

die Räume zum Ballspiel, die Belustigungsplätze im Freyen

mit den Carousscls und der Einrichtung zum Vogelschießen u. s. w., die Hofplätze durch mannigfaltiges Federvieh, Kanin­

chen u. s. w. belebt, das Billard für die Männer und das Stoßkegelspiel für die Frauenzimmer und manches andere. Jetzt auch noch ein Wort von den mehr. unmittelbar psychisch einwirkenden Mitteln, welche diätätisch bey der Behand­

lung der Irren in Anwendung kommen; — aber auch nur ein Wort, indem, wie sich von selbst versteht, die Absicht, dem

Zweck dieser Schrift entsprechend, hier nur seyn kann im All­ gemeinen solcher Hülfsmittel zn gedenken, welche der Anstalt hauptsächlich zu Gebote stehen müssen, keineswegs aber um­

ständlich alles dasjenige aufzuzählen, was in dieser Hinsicht ärztlich gelegentlich angeordnet werden kann oder muß, in­ dem eine solche Aufzählung theils gar nicht hierher gehört, theils eine grenzenlose Aufgabe seyn würde.

Unter den Mitteln das Gedächtniß, die Aufmerksamkeit, die Urtheilskraft auf verschiedenen Stufen und in verschiede­ ner Ausdehnung anzuregen, zu üben, zu kräftigen, nennen

wir die Mittel zn Lese-, Schreib- und Rechenübungcn nach den bekannten einfachsten Methoden, mit Kranken deren Dcrstandeskräfte von jeher wenig geübt worden oder bey denen

sie in Folge der Krankheit tief gesunken sind oder hinsichtlich

deren andere ärztliche Motive obwalten die hier einschlägi­ gen

einzelnen

Seclenkrafte

vorzugsweise

in Thattgkeit zu

170 setzen; wobey eS aber neben den Materialien zum Unterricht hauptsächlich darauf ankommt, daß die Anstalt einige Indi­ viduen besitzt die einen solchen Unterricht nach den ärztlichen

Vorschriften zu leiten im Stande sind; — ferner für solche

Kranke die in Bezug auf die hier in Anspruch zu nehmenden

Psychischen Vermögen schon höher stehen: die Mittel zur Be­ schäftigung mit Geometrie, Mathematik, Physik, Erdbeschrei­ bung, Naturkunde und deren einzelnen Zweigen, — mit Oekonomie und Landwirthschaft wissenschaftlich aufgefaßt, — mit

älteren und neueren fremden Sprachen und mit dem Ueber# setzen aus denselben; — bey welchen Beschäftigungen es je­ doch , außer den nöthigen Büchern, Instrumenten, Charten,

Zeichnungen u. s. w. ebenfalls nicht an zureichender Anleitung und Aufsicht fehlen darf, wenn sie gedeihliche Resultate gewäh­

ren sollen und wobey denn das ärztliche wie das geistliche

Personal der Anstalt seinen Beistand gewähren muß.

An

diese Beschäftigungen schließt sich sodann das Lesen wissen­ schaftlicher Werke aus verschiedenen Fächern oder mehr auf

angenehme Unterhaltung berechneter Schriften an, wobey die Wahl für die einzelnen Kranken stets nach ärztlichen Rücksich­ ten und nach der Verschiedenheit der Bildung des Individu­

ums und der Eigenthümlichkeit des gegebenen KrankhcitfallcS getroffen wird,

während die Büchersammlung der Anstalt

dem jedesmaligen Erforderniß Genüge leistet. Doch bedarf es außerdem noch, daß auch die Mittel ge­ geben seyen, das Gemüth, die Phantasie und den Kunstsinn

durch Poesie, Musik, Zeichenkunst, Malerey anzuregen und zu beschäftigen, wobey es keiner näheren Erörterung bedarf, wie sehr hier nach Maaßgabe des vorhandenen Krankheitsfalles, der Empfänglichkeit und des Talentes, individualisirt werden muß

und wie hier überhaupt nur einzelne Kranke oder kleine Genosi-

senschaftcn derselben, zu solchen Uebungen zugelassen werden kön­

nen und wie wenig es daher angemessen seyn kann, solche, wie

es

hie und da geschehen, massenweise veranstalten zu wollen.

171 Doch muß ich hier, zumal in Bezug auf die Tonkunst, wenn dasselbe gleich auch für andere Künste gilt, erinnern, daß die erwähnte Beschränkung der Theilnahme nur auf die Ausübung selbst bezogen werden kann, rüdem ja die Empfäng­

lichkeit für. die Musik weit ausgebreiteter ist als das musika­ lische Talent, und gerade in Irrenanstalten die Musik, wegen der tiefen und mannigfaltigen Wirkung die sie auf das GS>

müth hervorzubringen vermag, als ein großes, bisher durch­ aus viel zu wenig beachtetes Mittel in der Behandlung der Seelenstörungen erscheint, welchem jeder beystimmen wird, der zu beobachten Gelegenheit hatte, wie erheiternd und belebend

oft nur ein Gesangstück oder ein Tanz, auf einer Violine oder

Flöte vorgetragen, auf eine größere Gesellschaft solcher Kran­ ken wirkt, daher leicht zu ermessen ist, welche Wirkung in be­ stimmten Fällen gewählte Stücke auf gewählten Instrumenten

vorgetragen, auf bestimmte kranke Individualitäten hervor­ bringen muß. Die gewöhnlichen Saiten und Blaseinstrumente müssen daher in hinreichender Zahl sowohl für die Musikübungcn Einzelner als für die gemeinschaftlichen Uebungen vor­

handen seyn, und auch an einer Harmonika darf cs darunter nicht fehlen. Eines der zweckmäßigsten Instrumente für die Einwirkung auf eine größere Zahl von Kranken ist aber eine

Drehorgel mit einer Anzahl zu wechselnder Walzen, worauf eine Reihe gewählter Musikstücke von den besten Componisten r Ouvertüren, Märsche, Tänze, Volkslieder, Choräle «. s. w.

aufgetragen sind. Denn man ist dadurch in den Stand gesetzt, durch jeden Wärter, im Zimmer wie im Freyen, zu jeder passenden Stunde, mancherley für die Zeit und die Gesell­ schaft geeignete gute Musikstücke fehlerlos erecutiren zu lassen,

und zwar auf einem Instrumente welches fast allen Indivi­ duen, zumal aus den unteren Ständen angenehm und zugleich

selbst in großen Räumen hinlänglich wirksam ist, wenn man ihm auch wohl etwas weichere, rundere, minder scharfe Töne wünschen möchte.

172 Zur Musik gesellt sich dann

auch gelegentlich gern der

Tanz, wenn jene dazu zur passenden Stunde veranlaßt, und

wahrlich hat es etwas Ergreifendes, wenn man sich am Abend

in einen der größeren Säle einer solchen Anstalt tretend, von dem fröhlichen Gewühl der Tanzenden, wenn auch nur unter

der Begleitung einer Violine oder eines Clarinetts umgeben

sieht *)♦

•) In so ferne man vielleicht erwartete auch hier deS Theaters ge­ dacht zu sehen, welches ja nicht nur als UnterhaltungS-, sondern auch alS Kurmittel in manchen Irrenanstalten, namentlich zu Aversa, Charenton und wie man mich versichert hat, neuerlich auch auf dem Sonnenstein, eingeführt worden ist, so muß ich be­ kennen , daß ich diese Einführung deS Schauspiels in die Irren­ häuser stets alS etwas Ungeeignetes angesehen habe und mich nicht davon habe überzeugen können, daß sie nicht vielmehr nach­ theilig als Vortheilhaft auf die Kranken wirken sollte. Bezweckt Dran nämlich dadurch, indem gewisse Leidenschaften, Thorheiten, Verkehrtheiten, Narrheiten in den aufgeführten Stücken personisicirt werden, auf solche Irren zu wirken, die durch ihre Krank­ heit getrieben, das Bild solcher Leidenschaften, Thorheiten u. s. w. darstellen, und hofft diese dahin zu bringen, daß sie ihre Seelen­ störung in den erwähnten Beziehungen, als solche, gewahr wer­ den und anerkennen, so vergißt man offenbar daß man Kranke vor sich hat, und verfährt nicht anders als wenn man das Irre­ seyn durch vernünftige Vorstellungen entfernen will, welches nach allgemeiner Erfahrung ein fruchtloses Beginnen ist. — Beabsich­ tigt man dabey aber eine Ergötzung, so bieten sich hiefür in ih­ rer Wirkung minder unsichere, zugleich auch die Eitelkeit, den Neid u. s. w. weniger anregende, reinere Mittel dar, diesen Zweck zu erreichen. Und eben dieses läßt sich sagen, wenn man dabey die Uebung 'oder Anregung gewisser Seelenkräfte, der Aufmerk­ samkeit, des Gedächtnisses u. s. w. oder auch ein momentanes Ab­ ziehen von firen Wahnvorstellungen bey den mitspielenden Irren im Auge hat, da dieses ja auf manche andere Werse vollkommen so gut erzrelt werden kann als auf diese. Ueberhaupt aber kann

173 Zuletzt erwähne ich noch, als eines Hauptmittels für die

Stimmung der Seele in ihrer höheren Sphäre, des Gottes­

dienstes. Wie derselbe in Bezug auf die Irrenanstalten zu würdigen sey, ist eine Frage die theils danach zu entscheiden ist, was überhaupt ein christlicher Gottesdienst, (denn von die­ sem kann hier nur die Rede seyn), auf die Theilhaber an dem­

selben zu wirken im Stande ist, theils aber danach, welchen Eingang derselbe bey Irren finden und welchen Einfluß er

auf dieselbe äußern könne. Da hier auf keinen Fall der Ort für eine weitläuftige Erörterung dieser Frage ist, so beschränkte

ich mich darauf, indem ich meiner eigenen Erfahrung und

derjenigen mehrerer anderer sowohl

deutscher als englischer

Irrenarzte folge, zu behaupten**): daß man keine Befugnißl

die ganze Idee im Grunde nur Anwendung finden, theils in

Ländern wo die Gabe der Repräsentation und Mimik, so wie

daS Interesse dafür, so allgemein verbreitet ist, wie in Italien und Frankreich, in welchen Ländern ja die meisten Irren fort­ während selbst ihr Irreseyn in einem gewissen Maaße theatralisch darstellen, theils in Anstalten in welchen sich eine größere Anzahl

von Irren aus den gebildeten Ständen vereinigt findet, wie ez. B. in Charenton der Fall ist. In deutschen Anstalten aber, und zumal solchen in welchen die meisten Kranken den unteren Ständen angehören, wird schwerlich ein Unternehmen dieser Art Fortgang finden und allenfalls nur in Pensionsanstatten für rei­

chere Irren hie und da Liebhabertheater einzurichten seyn, wel­ chen sie dann auch überlassen bleiben mögen! *) ES versteht sich daß die Stimme solcher Aerzte denen aller Gottes­ dienst nichts gilt oder die solchen nur als eine Art Popanz anse­ hen, der sich unter Umständen wohl eigene den Schwachen am Geist zu schrecken, mit dem man aber auch schaden könne wenn

man das Spiel zu weit treibe, hier nicht mitsprechen können. — UebrigenS verweise ich auf daS Kapitel über die Religionsübungen der Irren in der mehrmals erwähnten Schrift von Roller p.

260 u. s. w., wo die Meynungen mehrerer Schriftsteller über die­ sen Gegenstand angeführt sind.

174 habe einem großen Theile der Irren den Sinn für Religion und das Bedürfniß der Beschäftigung mit Gegenständen der­

selben und ihrer Uebung abzusprechcn; daß es von Wichtig­ keit und von unzweifelhaft wohlthätigem Einflüsse ist, die Re­

gungen wahrer Religiösität in diesen Kranken nicht unterge-

hxn zu lassen und im Gegentheil, die, wenn auch nur schwa­ chen Spuren derselben so viel möglich als Hebel für ihre Be­ handlung zu benutzen; daß sich zumal bey vielen Rcconvalescenten die Einwirkung auf ihr religiöses Bewußtseyn als ein wichtiges Mittel erweist, sie bey ihrem Wiedereintritt in ihre

früheren Verhältnisse vor den Abwegen zu bewahren, welche mittelbar der Seelcnstörung zugeführt haben; — daß die

mit Weisheit für diesen Zweck angewendeten Mittel der Pre­ digt, des gemeinschaftlichen Gebetes,

des Singens geistlicher

Lieder, in Begleitung der Orgel, der Communion, und der Seelsorge, durch einsichtsvolle Männer geübt, bey gehöri­

ger Ausscheidung der zur Theilnahme entschieden unfähigen

und ungeeigneten Individuen durchaus keinen Nachtheil dro­ hen, noch nach der bisherigen Erfahrung einen solchen ha­ ben beobachten lassen, während man im Gegentheil über­ all wo in den Irrenanstalten ein regelmäßiger Gottesdienst

eingcführt worden ist,

wahrgenommen hat,

daß er selbst

auf die für religiöse Einwirkung wenig mehr empfänglicher

Kranken', sey es auch bey vielen allein durch die Erwekkung dunkeler Anklänge aus früheren Lebensstimmungen oder

durch die schwache Erinnerung an vormals in fröhlicher Feyer zugebrachte Tage, einen beruhigenden und erheiternden Ein-, fluß auszuüben pflegt, während die kirchlichen Festtage in den­ jenigen Irrenanstalten, wo sie blos dem Müssiggänge bey reichlicher Kost gewidmet sind, durchgehends von nachtheiligen

Einwirkungen nicht frey bleiben. Diesen Ansichten gemäß ist also auch unsere Irrenanstalt mit allem ausgestattet was zur Belebung, Unterhaltung und Förderung des religiösen Sinnes und zum RcligionscultuS



175



gehört, also mit einem geräumigen, zweckmäßig eingerichteten Beetsaale, mit allen Mitteln zum Kirchcngesange, mit einer hinlänglichen Anzahl von Eremplaren der heiligen Schrift und mehreren sorgfältig gewählten Erbauungsschriften, zumal aber mit Seelsorgern, die, selbst von dem Geiste des Christens thumes beseelt, auch die Gabe besitzen die schlummernden Fun­ ken des religiösen Gefühle- sogar unter so schwierigen Umstän­ den wie sie sich hier darbieten, zu wecken und zu nähren-

Zwölftes Kapitel. Aerztliche Mittel im engeren Sinne. — Beschränkung- - und Nöthi-

gungsapparate,

welche Sicherheit, Reinlichkeit und Folgsamkeit be­ zwecken.

Die ärztlichen Mittel im beschränkter» Sinne für welche

die Anstalt Sorge zu tragen hat, sind folgende:

Erstlich: Pharmaceutische Mittel. Hinsichtlich dieser kann die Frage aufgeworfen werden, ob die Anstalt eine ei­ gene Apotheke, eine sogenannte Hausapotheke, haben und das

Dispensiren selbst ^übernehmen oder ob sie wegen der Liefe­ rung der nöthigen Medikamente etwa mit einer in der Nähe

befindlichen Apotheke contrahiren soll? — Aerzte, welche sich damit befassen, die in den Irrenanstalten vorkommenden Krank­ heiten allein auf angeblich psychischem Wege zu heilen, oder die welche die sogenannten psychischen Krankheiten für solch-

artkge specifische Leiden halten, die zu ihrer Bekämpfung nur gewisse specifische Mittel erheischten und von diesen vielleicht ein oder zwey Dutzend in Borrath halten zu müssen glauben, oder endlich auch solche, die sich zwischen diesen beiden in der Mitte befinden und alles der Zeit, der Naturwirksamkeit und

dem Zufall anheim gebend, nur gelegentlich ein laxans oder ein emeticum reichen, werden leicht für eine Hausapotheke stimmen. — Solche Aerzte hingegen, die es erkannt zu haben glauben, wie die Seelenstörungen als Begleiter und Erzeug­ nisse einer fast unabsehbaren Reihe somatischer, zumal chro­ nischer, Krankheiten auftreten, welche zu ihrer und des Jrre-

seyns Beseitigung in ihrer Verschiedenartigkeit alle als wirk­ sam erprobten pharmaceutischen Mittel welche die Kunst dar-

-

177



bietet in Anspruch nehmen, wird sich nicht beruhigen,

wenn

ihn nicht eine vollständig eingerichtete Apotheke für sein Be­ dürfniß in allen vorkommenden Fällen sicher stellt. Hiebey

ergiebt sich jedoch leicht, wie schwierig und kostbar es seyn müß, eine so vollständig versehene Hausapotheke nebst einem

Pharmaceuten für eine verhaltnißmäßig doch geringe Kranken­

zahl zu nnterhalten und wie viel vortheilhaster es ist, wenn sich die Gelegenheit darbietet, wegen der Arzneilieferung mit einer in der Nähe befindlichen Apotheke überein zu kommen. Doch darf die Entfernung einer solchen Apotheke von der An­ stalt, aus leicht emzusehenden Gründen, nicht mehr als eine Viertel oder höchstens eine kleine halbe Stunde betragen, wi­

drigenfalls dennoch auf die Einrichtung einer vollständig ver­

sehenen Hausapotheke wird Bedacht genommen werden müssen. — Die Siegburger Anstalt contrahirt wegen der jährlichen Lie­ ferung ihres Bedarfs mit einer der in der Stadt Siegburg vorhandenen Apotheken, und aus dem weiter unten mitzuthei-

lenden Contracte zwischen der Apotheke und der Anstalt, wie er jetzt besteht, wird sich ergeben, wie durch die Bestimmungen desselben auf die Sicherstellung der in Anspruch genommenen Leistungen einer Seits so wie des ökonomischen Vortheils der Anstalt anderer Seits Bedacht genommen worden. Zweytens: Bäder verschiedener Art. Die gemeinen lauen und kalten Bäder gehören zwar zugleich zu den diätä-

tischen Mitteln und kommen als solche in der Heilanstalt täg­ lich in Anwendung; hier müssen dieselben aber auch als. Kurmittel noch einmal erwähnt werden, nachdem die Beschrei­

bung ihrer Einrichtung schon an einer andern Stelle gegeben

worden. Drittens:

Eine Electrisirmaschine von hinlänglicher

Wirksamkeit für den medicinischen Gebrauch und mit allem

Zubehör für diesen Zweck versehen, so wie auch ein vollstän­ diger Apparat zum Galvanisiren. Viertens: Ein Drehstuhl, und zwar der von Hal-

12

178 laran*) beschriebene, mit der wesentlichen Verbesserung, daß

statt des von ihm angegebenen sehr unzweckmäßigen Sitzes, ein gut ausgcpolstcrtcr Zwangstuhl auf einer dicht über dem

Fußboden sich umschwingenden starken hölzernen Scheibe be­ festigt ist, auf welchen die Kranken bey der Anwendung ange­ schnallt werden. Die Notation kann nach Umständen langsa­ mer und schneller statt finden, und wenn es beabsichtigt ist,

können 100 Umschwingungen innerhalb einer Minute erzielt werden, wohl das maximum was erforderlich seyn dürfte. DcrZwangscsscl ist aber ohne Zweifel hier nicht nur zweckmä­ ßiger wie der von H allaran angegebene Sitz, sondern auch, der unangenehmen Beziehungen wegen, als der anderwärts

vorgcschlagene Drillstuhl. Einen Apparat für die Umschwingungcn in horizontaler Lage besitzt die Anstalt nicht, wegen der Gefahr mit der des­

sen Anwendung verbunden ist, obgleich dessen größere Wirksam­ keit nicht zu läugnen seyn dürfte, während die Wirksamkeit

der Rotation in sitzender Stellung, wie sie durch den Hallaranschen. Apparat erzielt wird, bey der Mehrzahl der' In­

dividuen viel geringer ist als ein der Sache nicht kundiger sich solches vorzustellcn pflegt, indem es wenige Kranke giebt, die, auch bey einer zwey oder drcyhundcrtmaligen schnell auf­ einander folgenden Umschwingung, nach Vollendung der Ope­

ration einige Minuten nachher noch in einem höheren Grade davon angegriffen sind und da, wenn auch für einen Augen­

blick Ucbligkeit entsteht, doch selten Brechen erfolgt, so wie

ich auch noch in keinem Falle als Folge der Rotation habe Schlaf eintreten sehen.

*) Hallara n, practical observations on the cause and eure of in»anity, Cork 1818 pag. 88—89. Eine Abbildung deS Hallaranschen Drehstuhls so wie der meisten in Vorschlag und Anwen­ dung gekommenen Zwangsapparate, findet man auch in dem schon angeführten Tratte de Talienation mentale von Guislain.

179 Ebru so wenig wie das Drehbett bedarf die Anstalt das hohle Nad, da cs, wenn auch in seiner Anwendung itnge# sahrlich, doch nur in wenigen Fällen entschiedeneu Bortheil bringen dürfte, während es gewiß sehr zu wünschen ist, daß

die Aerzte bey der Behandlung der mit Jrreseyn verbunde­

nen Krankheiten, so viel immer möglich von dergleichen, bey der Behandlung anderer Kranken

ungewöhnlichen, und zu­

gleich bizarren Hülfsapparaten abstrahircn, deren so manche

wahrend der letzten Dccennien den Theorien und Einfällen der Aerzte ihre Entstehung verdankt haben, die aber bey dem, zufolge der jüngst gewonnenen richtigeren Ansichten immer mehr üblich werdenden Heilverfahren bey den Scclenstörungcn, zu-

sammt m>'t jenen unrichtige« theoretischen Ansichten, der Ver­ gessenheit übergeben werden sollten*). Am Schlüsse dieses Abschnittes gedenken wir nun noch der Apparate die dazu erforderlich sind, theils den Kranken in dem Gebrauch seiner Glieder und Kräfte so zu beschränken,

daß er sich und andere nicht zu verletzen vermag, theils wo es nöthig ist seine Widerspenstigkeit oder sein Widerstreben

*) Zu diesen zähle ich auch das sogenannte bain de surprise, so wie

die Vorrichtung wodurch die Kranken auf einem Stuhle befestigt bis an die Decke eines sehr hohen Raumes, z. B. einer Kirche

hinangezogen werden.

Denn obgleich es zuverläßig Fälle giebt,

wo das genannte Bad, wenn der Kranke bis zur wirklichen Ge­ fahr des Ertrinkens unter dem Wasser gehalten wird, oder das Schwebenlassen unter einem hohen Gewölbe, wenn man den Un­ glücklichen dadurch längere Zeit in Verzweistung und Todesangst

erhält, nicht ebne eine bedeutende und vielleicht zuweilen heilsame Einwirkung auf den Irren bleibt, so wird doch, abgesehen auch von der Erausainkeit eines solchen Versabrens, jeder bey dem

Gedanken

der so nahe liegenden Möglichkeit

zurückschaudern,

daß in dem einen Falle der Kranke würklich ertrinken, in dem

andern derselbe durch irgend ein Versehen von der Höhe hinab-

sturzen und zerschmettert werden könnte-

180 zu besiegen, wenn es darauf ankommt ihn zur Befolgung der

ärztlichen Vorschriften oder der Gesetze des Hauses zu bewe­

gen. Aller in einer Irrenanstalt anzuwendende Zwang kann nur den cbcngenannten Zweck haben und dieser soll auf eine für den Kranken unschädliche und ihn so wenig wie möglich

peinigende Weise,

doch so

daß die

Erreichung

der Absicht

vollständig gesichert ist, bewirkt werden. Um einen tobsüchtigen, boshaften, sinnlosen oder den Eingebungen seines Wahnes auf eine verderbliche Weise fröh-

nenden Kranken, bey dem die Einsperrung in einem der Zim­ mer der unteren Abtheilungen allein nicht genügt, wehrlos

und sich selbst wie andern unschädlich zu machen, dienen ver­ schiedenartige Apparate. Unter denen durch welche der Kranke auf eine mechanische Weise in dem Gebrauch seiner Glieder beschränkt wird, wäh­ rend er doch die Freiheit behält, sich von einer Stelle zur an« Dem zu bewegen, ist eine der vorzüglichsten die bekannte soge­

nannte englische Zwangsjacke. Eine nähere Beschreibung der­ selben ist unnöthig, und ich bemerke nur, daß immer ein Dutz­

end *) dergleichen von verschiedener Größe, für männliche und weibliche Irren vorräthig seyn muß, indem es ein wesentliches Erforderniß ist, daß dieselben für den Körper des Kranken

passend sind, d. h. nicht zu enge, damit sie keine zu große und unnöthige Unbequemlichkeit verursachen, eben so wenig aber zu weit, zumal in den Schultern, da es sonst unmöglich wird die beabsichtigte Fesselung gehörig zu bewirken. Gewöhnlich sind diese Jacken auf eine mittlere Körpergröße berechnet, wobey

man denn, zumal bey jungen und kleinen weiblichen Indivi­ duen, die oft eine unglaubliche Gelenkigkeit besitzen, in die größte Verlegenheit geräth, indem sie ihre Schultern so zusam­

menzulegen und sich dadurch so schmal zu machen wissen, daß

*) Diese größere Zahl auch Behuf« des nöthigen Wechsels, der Reinlichkeit und des schnellen Schteißcns wegen.

181 sie fast aus jeder Zwangsjacke wieder hinauSschlüpfen, wäh­ rend diese doch, bey einer natürlichen Haltung, vollkommen dicht

anliegt, so daß keine festere Einschnürung statthaft scheint, bey dem cbenerwähntcn Manöver aber augenblicklich zu weit wird und dem Kranken seine Absicht zu erreichen erlaubt;

daher

auch die Zwangsjacke sich am meisten für nicht mehr ganz junge, etwas stämmige, Individuen eignet, da ihre Stärke übrigens selbst den größten Anstrengungen der Tobsucht Trotz zu bieten vermag und sie nur bey einer gewissen Gracilität

und Geschmeidigkeit des Körpers ihrem Zwecke nicht in glei­ chem Maaße entspricht.

Unter den in der Anstalt vorräthigen Zwangs-acken befinden sich auch mehrere nach der Art verfertigt, wie man sie häufig in den französischen Irrenanstalten findet. An diesen sind näm­ lich die Acrmcl an der innern Seite an dem Rumpf der Jacke fcstgenäht, mit Bändern in Schauben von Strecke zu Strecke, um ein genaueres Anschließen zu bewirken, und sind nicht län­ ger als dazu erforderlich ist, daß die Arme in denselben zur Seite des Körpers in gewöhnlicher Weise herabhängeu, wel­ ches zugleich für die Länge dieser Zwangsjacken das Maaß giebt, die überhaupt immer um so sicherer anliegen je tiefer

sie hinabreichen.

Uebrigens ersieht man leicht, daß die letzt­

erwähnte Art von Zwangsjacken die Bewegung der Arme noch mehr beschränkt als die sogenannten englischen, wobey noch immer ein gewisses Auf- und Abbewegen derselben über der

Brust statt finden kann; zugleich aber werden sie dadurch bey einer längeren Dauer der Anwendung für den Kran­

ken noch lästiger als jene, was also nicht unberücksichtigt

bleiben darf.

Doch sind mit dem Gebrauch dieser Apparate,

so nützlich sie sind,

von welchen

zum

auch noch andere Nachtheile verbunden, Theil noch weiter unten die Rede seyn

wird, wovon ich hier aber den schon von mehrern Schrift­

stellern

bemerkten anführen will,

keit des Stoffes

daß durch die Dichtig­

der engeanschließenden

Jacken,

die AuS-

182 dünstung unterdrückt und daher zumal bey solchen Kranken,

bey welchen daS Hautorgan sehr thätig ist, eine große Erhitz­ ung entsteht und ihre Unruhe dadurch nur noch vermehrt wird, während manche andere wiederum, bey den lebhaften Bewegungen die sie machen, in einen übermäßigen Schweiß

gerathen, so daß nicht nur die darunter liegende Kleidung,

sondern die Zwangsjacke selbst ganz davon durchnäßt wird, was denn wieder in anderer Weise nachtheilig werden kann. Um diesen und andern Ucbelständen zu begegnen und die Fesselung, wenn cs die Umstände erlauben, auf eine den Kran­

ken weniger lästige und auch für die Wärter minder mühsame

Weise zu erreichen,

bedient man sich mit Vortheil eines von

Hallaran angegebenen

Apparates

aus Leder,

wodurch

die Arme an einen breiten Leibgürtel befestigt werden und den man ebenfalls bey Guislain a. a. O. abgebildet findet. Ein anderer guter Apparat, wodurch eine gleiche Beschrän­ kung bezweckt wird, sind dievonKnight beschriebenen Stülp­

ärmel/ die, aus dem stärksten Rindsleder verfertigt, von den Schultern bis zu den Fingerspitzen hinab reichen, durch zwey über die Brust und die Schultern und durch zwey andere über das Kreuz und den Unterleib laufende Querriemen oben zusammenhängen , an den unteren Enden aber ein Paar Rie­

men haben, durch welche sie,

wenn der Kranke die Aermel

angelegt hat, mittelst Schnallen an ein Paar zwey Zoll breite lederne Bänder befestigt werden, welche ebenfalls mittelst klei­ nerer Riemen und Schnallen um die unteren Theile des Schen­ kels, als bis wohin die Hände kn natürlicher Stellung hinab­

reichen, gelegt werden.

Ein noch leichterer Sicherungsapparat sind die ebenfalls

von Knight angegebenen Fausthandschuhe, die mittelst einer Art Charniere und englischer Schranbschlosser um die Knöchel unverrückbar anliegen, und der lederne Muff, die beide an einen sechs Zoll breiten Gurt befestigt werden, welcher die Lenden­

gegend umgiebt und dessen Enden auf dem Rücken zusammen-

183 geschnallt werden.

Abbildungen dieser letzteren Apparate fin­

det man in Knight's Beobachtungen, welche Engelken ins Deutsche übersetzt hat *).

Bey allen diesen Leder - Apparaten ist sehr zu empfehle»,

daß das Leder selbst und die Näharbeit von der vorzüglichsten Güte und Starke sey. Zugleich rathe ich dahin zu sehen, daß

die über die Schultern gehenden Lederstücke breiter genommen werden als cs gewöhnlich geschieht, um die darunter liegen­ den Kleidungsstücke zu schützen, da es eine Unart vieler Irren

ist, wenn sie ihrer Fesselung wegen anders nichts erreichen können, die Achselstücke ihrer Jacken und Hemden, die sie oft

mit unglaublicher Behendigkeit fassen, zu zerbeißen, ein Uebel­

stand der znmal bey den so leicht verschiebbaren Zwangsjakkcn vorkomint, wahrend eine eiserne Platte nach hinten zu

die Ränder vereinigt. Manche solcher Kranken zerfetzen auch die Kleidungsstücke

anderer Kranken, wenn sie sie erreichen können, mit den Zäh­

nen, wogegen dann ernstliche Maaßregeln ergriffen werden müssen. Das Wirksamste unter diesen Umständen ist eine Maske, in etwa ähnlich denen die bey den Fechtübungen ge­ braucht werden, die aus sehr starkem Drath geflochten, den ganzen vorderen und oberen Theil des Kopfs umfaßt, und ein HalSstück von einem weich gepolsterten und mit Leder über­

zogenen eisernen Bande, dessen durch Charniere bewegliche Enden übcreknandergrcifcn und mit Löchern versehen sind, eines

kleinen

Hängschloffcs im

Nacken

mittelst

zusamincngcschlvssen

wird **).

*) Beobachtungen über die Ursachen, Symptome und Behandlung

de» Zrreseyns von P. S. Knight,

übersetzt von Fnedr. En-

gelten. Cöln bey Schmitz. ") Eine Kranke mit sehr scharfen Vorderzähnen, welche jene Nei­ gung hatte aller zu zerbeißen,

durchlöcherte auf

diese Weise

184 Mit diesen Zwangsapparaten nun reicht man bey solchen

Kranken, von denen man Gewaltthätigkeiten zu fürchten hat,

denen man aber doch noch ein, wenn auch beschränktes. Um« hergehen gestatten will, aus, und sie bewähren sich in vielen Fällen als zweckmäßig.

Dennoch ist bey ihnen zu erwägen,

daß sie den Kranken, auch abgesehen von der beabsichtigten Beschränkung und von der bey der Anwendung der Zwangs­ jacken schon erwähnten Erhitzung, auch noch dadurch sehr lä­

stig werden, daß sie sich weder kratzen und scheuern können, wenn sie es bedürfen, noch auch sich zu schncutzen oder sich

bey dem Uriniren und wenn sie zu Stuhle gehen müssen selbst zu helfen im Stande, sind.

Gut ist es dabey noch, wenn sie

nur den Wärter von ihren Bedürfnissen dieser Art unterrich­

ten und ihn auffordern ihnen dabey behülflich zu seyn.

Un­

terlassen sie dieses aber ihres psychischen Leidens wegen und

verläugnen sie bey ihren Ausleerungen alle Reinlichkeit, tote dieses bey

so vielen

derjenigen

bey

denen die

erwähnten

Zwangsmittel in Anwendung kommen der Fall ist, so müssen andere Maaßregeln getroffen werden, indem es unthunlich ist bey einer größeren Zahl solcher Kranken anhaltend eine hin­

längliche Anzahl Kleidungsstücke und Hände in Bereitschaft zu

haben, um sie stets reinlich und trocken zu erhalten,

solches

auch bey den Tobsüchtigen wegen ihrer Widerspenstigkeit und

Gewaltthätigkeit häufig zu mühsam und sogar zu gefährlich wird, während zugleich selbst die emsigsten Wärter darob er­ müden, wenn sie, eine Reihe solcher Kranke zu besorgen haben,

und sie bey jedem. derselben sechs,

acht oder zehn Mal im

zwey Mal nach und nach die Kleider sämmtlicher Kranken die sich mit ihr in dem nämlichen Raume befanden, während die ander­ weitig beschäftigte Wärterinn nicht auf sie achtete. x Auch giebt e« Tobsüchtige die auf eine höchst gefährliche Weise um sich beißen, und auch bey diesen ist die DrathmaSke ein sehr paffendes SchutzmUtel.

185 Tage in die Nchwendigkcit versetzt sind, Hemde, Hosen, Rock,

Strümpfe und Schuhe zu wechseln *).

Hier gieb es nun kein besseres Mittel als den Zwang­ stuhl **) , au welchem befestigt die Kranken zugleich wehrlos sind und reinich gehalten werden können. Da diese Stühle

hinlänglich bkannt und oft genug abgebildet sind, so bedarf es keiner uätren Beschreibung derselben und ich mache nur auf folgende Punkte aufmerksam: a) daß dr Stuhl auf das festeste gezimmert sey, indem

eS unglaublic ist mit welcher Gewalt sich manche Tobsüchtige

darauf beween, so daß die Fugen desselben einen ausseror­ dentlichen Wderstand zu leisten im Stande seyn müssen. b) daß le Rücken- und Armlehnen und der Sitz vorsich­ tig und stark genug ausgcpolstert seyn müssen um Druck und

Stoß so viclmöglich zu mindern. c) daß ds Sitzbrett so hoch vom Fußboden abstehen muß, daß der Kram denselben durchaus nicht mit den Füßen erreichen

kann, inden er sonst zu viel Gewalt erhält um den Stuhl

hin und herzu bewegen und bey diesen Bemühungen zugleich

*) Es versteh sich, daß bey jeder Fesselungsvorrichtung von der bis­ her beschrebenen Art dahin gesehen werden muß, daß der Kranke nicht im Stande sey die Fesselung selbst zu lösen; — zugleich aber habe» die Wärter auch dahin ihre Aufmerksamkeit zu rich­

ten, daß vo mehrere dergleichen Kranken sich in dem nämlichen Raume lefinden, solche welche Mund und Hände frey haben,

nicht ihr« Gefährten entfesseln, welches sie sehr geneigt sind zu

thun unl wodurch dann nach Umständen großes Unheil veranlaßt werden bin. **) Nämliq ein Zwangstuhl

mit einer mehr langen als breiten

Brille imSitzbrett und einem nach der Rückseite mit einer Thüre verschlossen» Kasten darunter,

in welchem sich ein hinlänglich

weites unl tiefes Gefäß befindet, welches den Unrath ausnimmt,

der immer gleich wieder entfernt werden muß, nachdem der Kranke

seine Notdurft verrichtet hat.

186 die Beine an de» Stellen wo sie an den uttcrit Theil des Stuhles befestigt sind in kurzer Zeit wund reit, worauf nur zu leicht stärkere Entzündungen und bösartigeGefchwüre fol­

gen.

Hiebey muß aber zugleich entweder einTritt an dem

Stuhle angebracht seyn auf welchem des Krankn Füße ruhen während die Beine zur Seite über den Knöchclnmit gut aus­ gefütterten,

breiten Riemen befestigt sind, vdr der Kranke

muß die Beine auf einer Art Taburet liegen hben, welches vor dem Sitze des Stuhles befestigt ist, und oelches zumal in solchen Fällen nützlich ist, wo die Beine nd Füße eine

Geneigtheit zeigen ödematös zu werden. — Duch diese, mit­ telst starker eiserner Krampen an den Stuhl biestigte Taburets und Fußschemel, wovon auch die letzter» eben so breit wie der Stuhl seyn müssen, erhält der Stuhl ine so ausge­

dehnte Grundfläche, daß der Kranke nicht mehrim Stande ist ihn auch durch die stärksten Bewegungen viel vn der Stelle zu rücken, geschweige denn ihn umzuwcrfcn. —Ucbrigens ist

es leicht thunlich und bey manchen wohlhabenden Kranken, die mehr ihrer Unrcinlichkcit und einer sinnloscnZerstörungs-

sucht wegen, als wegen Tobsucht lange auf einem slchen Stuhle sitzen müssen, auch nicht unzweckmäßig, demselbn eine edlere Form zu geben, ihn aus Kirschbaum oder Malagoni verfer­ tigen und ihn über der Polsterung mit schönem Juchtenleder überziehen zu lassen. Immer.aber können Kra ke auf einem

jeden zweckmäßig eingerichteten Zwangstuhle Wroen und Mo­ nate lang ohne Schaden den größten Theil des Lagcs zubrin-

gen, wenn man nur die Vorsicht braucht sie uehrere Male täglich eine halbe oder ganze Stunde lang umherglführcn und immer genau danach zu scheu, ob irgendwo drrh Druck Röthung oder gar Ercoriation entsteht und hiegegn dann gleich

die nöthigen Vorkehrungen trifft. Die Kranken bey welcher dergleichen Be'qränkungsmit« tcl anzuwenden sind bedürfen derselben aber gößten TbeilS

nicht nur bey Tage sondern auch bey Nacht, also auf u-rcm

187 Lager.— Die Hauptaufgabe dabey ist, daß ste, bey hinlänglicher

Befestigung auf ihren Betten gehindert werden diese und ihre Kleidung zu zerstören und doch dabey so viel Freyheit dev Bewegung behalten, sich auf die rechte und linke Seite zu wen­ den, ihren Körper etwas mehr hinauf und hinab zu schieben,

genug ihre Lage wenigstens nvthdürftig eben so wechseln zu können, wie es auch Gesunden Bedürfniß ist, ohne daß sie

doch aufzustehen und ihr Bett zu verlassen vermögen.

Einer

der besten Apparate wodurch dieses erreicht wird ist der von Tuke*) angegebene.

Sehr einfach wird aber auch dieser

Zweck erreicht, indem an beiden Seiten der Zwangsjacke oder

des sonstigen Apparates wodurch der Kranke bey Tage gefes­ selt ist, einschließlich von ein Paar ledernen weichgepolsterten

Fußringen, (doch

diese ohne Zwischenband)

starke lederne

Ströpfe befestigt sind, so daß der Kranke, wenn man ihn zu Bette legt, mittelst lederner Riemen, an deren Enden sich Schnallen befinden und die man durch die Ströpfe und zu­

gleich durch die in den Seitenbrettcrn der Bettstelle befind­

liche Ocffnungen zieht und zusammciischnallt in dem Maaße wie es nach dem jedesmaligen Bedürfnisse der Fesselung nöthig ist, an die Bettstelle befestigt wird. — Bey manchen mehr sinnlosen als tobsüchtigen Kranken, reicht es oft auch schon

hin, einen Riemen über die Gegend der Brust, einen über die Lendcngegend und einen dritten über

die Füße

zu ziehen,

ohne daß die Riemen an die Kleidungsstücke oder an andere

Feßlungsapparate befestigt werden. Leider ist es bey allen diesen Apparaten eine unvermeid­ liche Nothwendigkeit, daß der Kranke,

wenn er nicht mehr

selbst auf feine Reinlichkeit Bedacht zu ncbmeu vermag ober zu nehmen Willens ist, und -während der Nacht den Urin

läßt oder Stuhlgang hat, bis zum Morgen in seiner Unreinig­ keit liegen bleibt, und es hilft bey der dadurch entstehenden

•) Man sehe meine Sanimlungen Pd I

188 Unannehmlichkeit

wenig

oder nichts, wenn das Bett, die

Matratze oder der Strohsack, in der Gegend wo etwa der Hintere deS Kranken zu liegen kommt eine trichterartige Oeffnung hat, da, weil der Kranke sich hin und her schiebt, we­

nig von dem Urin oder Unrath dorthin seinen Abfluß nimmt*) Die Hauptsache bleibt daher daß der Kranke am Morgen jedesmal sorgfältig gewaschen oder gebadet und das Bettzeug theils getrocknet, theils durch anderes ersetzt werde. Zum Glück sind indessen die Falle wo eine solche Fesselung auf das

Lager nöthig wird nicht so zahlreich**), wenn gleich diejeni*) Esquirol schlägt (in der oben angeführten Bearbeitung seiner

Pathol. u. s. w. von Hille S. 176) für unreinliche Zrre Bett­ stellen mit doppeltem Boden vor. Der unterste Boden müsse stark von Holz und mit Blei belegt und von dem Kopfende nach dem Fußende geneigt seyn und an dem abhängigsten Punkte ein

Loch haben, durch welches der Urin sich in ein darunter stehendeGefäß ansammeln könnte; der zweyte, von den untersten zwey

Zoll entfernte Boden muffe gegittert seyn, oder aus einem Rah­

men mit darunter aufgespannten Gurten bestehen, und das Stroh und die übrigen zum Bette nöthigen Dinge tragen. — Es darf

aber der Name des mit so vielem Rechte hochgepriesenen E s-

quirol nicht zur Befolgung dieses Vorschlages verleiten. Denn wer sieht nicht, daß diese complicirte Bettstelle nach ihrer ganzen Zusammenziehung nothwendig ein Behältniß unaustilgba­ rer Unreinlichkeit und eine Quelle der unerträglichsten Luftver-

derbniß werden muß, da der Urin und Koth sich überall in die

Zwischenräume zwischen dem ohnehin von dem Urin so leicht incrustirt werdenden Bley und dem Holz des ersten und in die Gitter und Gurten des zweyten Bodens festsetzen und erstere

immer nur dem geringsten Theile nach seinen Weg durch das run­ de Loch in das darunter stehende Gefäß finden wird. **) Zn der Siegburger Anstalt befanden sich Ende November d. I. un­ ter 202 Kranken nur fünfe, welche des Nachts und mehrentheilS

nur leicht an ihr Lager befestigt werden mußten. Bey den näm­ lichen und noch bey sieben andern war eS nöthig den Gebrauch

der Arme und Beine bey Tage durch Zwangsapparate zu beschrän­ ken und drey unter diesen mußten auf dem Zwangstuhle sitzen. —

189 gen wo die Kranken während der Nacht ihr Lager,

zumal

durch Urin verunreinigen viel häufiger vorkommen.

Die traurigsten und in Bezug auf die Wartung lästigsten Fälle sind aber die, wo solche unreinliche

tobsüchtige oder

sinnlose Kranke durch gewisse Krankheitszustände, Schwäche, Lähmung, Wunden u. s. w- anhaltend bettlägerig werden; und der höchste Grad des Elendes tritt ein,

wenn bey der­

gleichen Individuen zuletzt an mehren Stellen Intertrigo, dann Brand und brandige Geschwüre entstehen,

der

Unglückliche

ohne Vermehrung seines Ungemachs weder liegen noch sitzen kann, dabey noch fortwährend tobt und alles thut um die thä­

tigste Pflege zu vereiteln^ während der Toh viele Wochen lang

zögert und am Ende erst eintritt, nachdem auch der letzte Fun­ ken von Lebenskraft im langsamsten Schwinden erschöpft ist.

Oft ist hier nur ein Anstreben zur Minderung solches unaus­ sprechlichen Jammers möglich, ohne daß auch mit der höchsten Mühe und Sorgfalt wesentlich viel gewonnen wird.

Schließlich gedenke ich noch als eines sehr nützlichen und

wirksamen Apparates, zumal bey widerspenstigen Kranken, des Zwangkorbes, in welchen die Kranke«, auf einem schmalen

Strohsacke und Kopfpolster liegend, enge eingcschnürt werden. Zu derselben Zeit waren unter der genannten Zahl achtzehn die ihre Kleider und Betten durch Urin verunreinigten und unter diesen sieben, welche dieselbe Unreinlichkeit bey den Darmausleerungen bewiesen. Unter diesen achtzehn Kranken befanden sich aber eilf entschieden unheilbare, mißbräuchlich nur zur Verpflegung in der Anstalt sich aufhaltende, so daß angenommen werden darf, daß die Zahl der Unreinlichen sich vielleicht nur auf sieben oder acht-belau­ fen haben würde, wenn die Anstalt blos solche Kranke enthalten hätte, die ihr als Heilanstalt zukommen. Doch kann die Zahl der Unreinlichen nur durch eine zweckmäßige Einrichtung und große Aufmerksamkeit so verhältnißmäßig geringe erhalten werden. Wollte man die Aufsicht vernachlässigen und die Kranken sich selbst über­ lassen , so würde die Menge der Unreinlichen in kurzer Zeit ge­ wiß nicht nur doppelt, sondern dreifach so groß seyn.

Dreizehntes Kapitel. Beköstigung der Kranken.

Allgemeine Grundsätze. tung derselbe».

Ehe wir weiter gehen,

-Ueber Verpach­

feil hier noch dasjenige was

über die Beköstigung der Kranken zu sagen ist seine Stelle

erhalten.

Dieses muß sich indessen auf einige, mehr allge­

meine, das Ganze umfassende, Bestimmungen beschränken, da

das Speciellere überall in einem großen Maaße von der Lage jeder Anstalt so wie von Landcsart und Sitte abhangt und daher was solches Speciellere betrifft, hier füglicher auf die Kostbestimmungcn der Siegburger Anstalt, worüber weiter un­

ten alles ausführlich, einschließlich der Kostenberechnung und

der ganzen für die letztere erforderliche Manipulation mitge­ theilt werden wird. ' AIS die zur Richtschnur zu nehmenden allgemeinen Bestim­

mungen führe ich folgende an:

Die Beköstigung muß der

Rücksicht entsprechen die darauf zu nehmen ist, daß der größte

Theil der Theilhaber an derselben an mannigfaltigen chroni­

schen KraNkhcitszuständcn leidet, bey welchen vorzüglich jede Veranlassung zu Blut-Congcstionen nach Brust und Kopf mög­

lichst vermieden und der Unterleib von Ucbcrfüllung mit zu großen Spcisenmassen und von Kothanhäufungcn frey gehal­ ten werden soll.

Zugleich ist darauf zu achten, daß ein großer

Theil der Beköstigten mehr oder weniger anhaltend verschie­ denartige Arzneyen gebraucht und die Kost nicht die Wirkung der Arzney beeinträchtigen darf. Sic muß durchgehends ein­ fach, leicht verdaulich, hinlänglich nahrhaft, aber nicht zu mas­

siv, nicht zu reichlich, nicht erhitzend, doch auch nicht den Ma-

191 gen crkätcnd und nicht blähend seyn; daher theils aus Sup­ pen von Gerstcngraupcn,

Gries,

Reis, Mehl mit Wasser

oder Mich, Bicrmilch, aus gekochtem Obst, leicht verdauli­ chen Geimscn und Mehlspeisen bestehen, Fleisch aber den Kran­ ken aus )tu »ntcrn Ständen nicht mehr als drey Mal wö­

chentlich ;ereicht werden.

Diesen Bestimmungen muß auch die

Art und Quantität des verabreichten Brodes entsprechen und daher grEcntheils Waizenbrod seyn; und

eben so unterliegt

das Gctrmke denselben Rücksichten, daher alle spirituvsen Ge­ tränke in der Regel ausgeschlossen

sind oder

doch höchstens

nur den dran gewöhnten Kranken oder solchen deren Zustand

es durchas erfordert, etwas

Wein bewilligt werden darf.

Ebenso m ß das Bier, welches gereicht wird, wie auch der

Kaffe, wnn ihn die Landessitte nicht auszuschließen und am

Morgen tue passende Suppe oder dergl. an seine Stelle zu setzen gestatct, nur schwächer verabreicht werden. Bey tr Kost müssen ferner die früheren Lebensverhält­

nisse und de darauf Bezug habenden Gewohnheiten des Kran­

ken in demMaaße berücksichtigt werden, wie der Kurzwcck es theils crhcicht, theils gestattet; so wie auch Alter, Geschlecht,

Kräftczustaw u. s. w. nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Für die Kracken aus den untern Ständen kann und muß die Kost daher:infacher und etwas gröber seyn, während bey den höheren Ständen auf Leichtverdaulichkcit und Mannigfal­ tigkeit schon nehr gesehen und der Gewohnheit des täglichen

Fleischgenusss die nöthige Rücksicht

geschenkt werden muß.

Zugleich abergewährt dieser für die Vornehmeren auS gewähl­ teren und verchicdenartigern Speisen bestehende Tisch, wobey jedoch ebenfall, eine gewisse Mäßigung und Einfachheit nicht

überschritten »erden darf, den Vortheil, daß auch Kranke

aus den unter» Ständen, deren Krankheitszustand eine beson­ dere Berücksichtigung in dieser Beziehung erheischt, um so mehr

gelegentlich mit davon gespeist werden können, da sich unter

den Theilhaberei des ersten Tisches immer mehrere befinden

192 deren Zustand eine Beschränkung

in der Zahl der Schüsseln

oder in den Portionen erfordert, so wie denn überhaupt die von den verschiedenen Speisen zu reichende Quantität nach

gewissen allgemeinen Normen festgesetzt ist und diese dann durch

die ärztlichen Vorschriften für jeden einzelnen Kranken nach Bedürfniß modificirt wird. — Die Mahlzeiten werden zu den durch die Hausordnung anberaumtcn Stunden gehalten, bey

deren Bestimmung das Krankhcitsvcrhältniß, der Arzeneygebrauch, Stand und Gewohnheit zur Richtschnur genommen ist. Eine Hauptbestimmung ist nun noch die, daß die Bekö­

stigung, gleich der ganzen übrigen Verpflegung der Kranken, von der Verwaltung der Anstalt selbst für deren eigene Rechnung

geleistet wird und also nicht in Pacht gegeben ist. Es ist be­ kannt wie viel über den Punkt verhandelt worden ist, ob das

erstere oder das letztere für öffentliche Anstalten zweckmäßiger sey, und wie häufig der letzteren Verfahrungsweise der Vor­ zug gegeben wird. Auch läßt sich nicht läugnen, daß dieselbe für die Kaffen solcher Anstaltey gewöhnlich mit einer bedeu­

tenden Minderausgabe verbunden ist, indem es wirklich oft kaum glaublich scheint, wenn man sieht, für welche verhältuißmäßig sehr geringe Summen solche Beköstigungen an die

Mindestbietenden verdungen werden, wobey doch die gegebe­ nen Vorschriften und übernommenen Verpflichtungen Betrug oder Untcrschleif als fast unmöglich

erscheinen lassen, und

die zur Beaufsichtigung bestellten Beamten auch selten nach­ weisbare Vertragsverletzungen oder Veruntreuungen zu rü­ gen Gelegenheit haben. Wenn man aber erwägt, aus wel­

chen Gründen ein Speisewirth die Beköstigung zu einem ge­ ringeren Preise sollte gewähren können als die Verwaltung einer solchen Anstalt, der für die Anschaffung aller Ingredien­

zien so wie für die Feuerung dieselben Mittel und Vortheile

sich darbieten und der hinsichtlich der so höchst bedeutenden und eine Menge Hände in Anspruch nehmenden Arbeiten für die Küche, unentgeltliche Hülfsmittel zu Gebote stehen, die sich

193 der Spciscwirth mit einem großen Kvstenaufwande verschaffen

muß, der letztere aber überdies noch mit seiner Familie von dem Dortheile dm ihm das Unternehmen gewährt leben will,

so ist schon daraus ersichtlich, daß er blos auf Kosten der Güte der Speisung bestehen kann und daß der Vortheil den die Kasse der Anstalt bey einem solchen Vertrage genießt, eine Prämie ist

die der Habsucht zur Beeinträchtigung der Verpflegten bezahlt wird. — Auch

vermag die beste Controlle unter solchen Um­

ständen sehr wenig zu leisten, da eine.bestimmte Speise sehr weit davon entfernt seyn kann von der Güte zu seyn wie sie nach dem Vertrag seyn sollte und könnte, ohne daß man

darzuthun vermag daß sie verwerflich ist.

Denn wer wird

es ermitteln können ob, wo, wie in der hier in Rede stehen­

den Heilanstalt, einschließlich des Dienstperfonalcs gegen 270

Personen gespeist werden, täglich vier oder fünf Pfund But­ ter, 20 oder 25 Pfund Fleisch und so nach Verhältniß von den

übrigen Ingredienzien, weniger aufgewendet werden als con-

tractmäßig aufgewendet werden sollten; und doch sind es nur solche und ähnliche Mittel, welche die anscheinende größere Wohlfeilheit bedingen können. — Wenn aber das Verhältniß

sich schon also stellt, wo Anstalten dieser Art sich in größeren Städten befinden, wo ihnen keine eigene Landwirthschaft zu

Gebote steht, wie sollte der Vortheil der eigenen Oekonvmie

uicht noch um so viel entschiedener da hervortreten,

wo die

Anstalt ein so bedeutendes Grundeigenthum besitzt, daß sie auf

demselben alle Gemüse, alles Obst, alle Futterkräuter für ei­

nen bedeutenden Viehstand und überdies noch einen Theil ih­ res Kornbedarfs selbst ziehen, ihr Land aus ihren eigenen

Ställen düngen und den größten Theil der Bearbeitung des Bo­ dens, eben so wie die meisten Küchenarbeiten, mit den Händen

ihres Hausstandes

bestreiten kann.

Und so

verhält es sich

denn auch in der That, wie solches sich ans den weiter unten vorzulegenden Berechnungen -über die Speisungskostcn u. s. w.

der Siegburger Anstalt noch näher ergebe» wird.

13

Wie dürfte

194 also, wenn so offenbar die durch die Verpachtung der Dekö« stl'gung zu erzielende Minderausgabc nur

auf eine für die

Kranken, deren Wohl überall das zuerst zu Berücksichtigende bleiben muß, nachtheilige Weise erzielt werden kann, eine ge­ wissenhafte höhere Derwaltungübebörde dieser Verfahrungs-

wcise den Vorzug geben?

Doch wird sich eine solche davon

noch um so mehr abgeschreckt finden, wenn sie erwägt,

wie

nachtheilig und tausenderlcy Unterschleif befördernd die täg­

liche Zulassung eines fremden, von ihr nicht besoldeten Perso­ nals der Anstalt werden, wie viel schwieriger die Aufrechthal­ tung der Hausordnung, wie mühsam und unzugänglich jede

Controlle sich erweisen muß.

Und wie sollte nicht auch noch

hicbey der Nachtheil in Betracht kommen, der den Verpflegten

durch die Minderung der Lust beym Genuß der Speisen wer­

den muß, indem sie dieselben nicht nur minder gut zubereitet, sondern auch auf eine während dem Transport, zumal im Wiuter, unangenehme Weise abgckühlt erhalten, wie es un­ vermeidlich ist, wenn die Wohnung des Speisewirthes nicht ganz in der Nähe der zu speisenden Anstalt liegt, welches

insonderheit bey Irrenanstalten, für welche in der Regel ja absichtlich eine abgesonderte Lage gewählt wird, wohl höchst

selten der Fall seyn dürfte,

so wie denn auch diese Rücksicht

allein schon eine solche Speisung für die Siegburger Heilan­ stalt bey ihrer Lage unzuläßig machen würde.

Vierzehntes Kapitel. Bestimmungen hinsichtlich der aufzunehmenden Kranken. AerrtlicheWirkeu. Einfluß der Geistlichen. Ueber den Wärterdienst. Haus­ ordnung. HauS- und Oekonomieverwaltung. Rechnungswesen. Ober­ ste Verwaltungsbehörde. Nachdem wir bisher die materiellen Mittel zum Bestehen

der Irren-Heilanstalt betrachtet haben, wenden wir unS nun zu dem Leben derselben, wie solches durch die Beziehung ge­

geben ist, in welche für dieselbe geeignete Kranke zu dem vor­ handenen Heilapparate sich gesetzt finden, wobry eS kaum der

nochmaligen Erinnerung bedarf, wie auch das blos Materielle

der Anstalt in allen seinen Theilen den Stempel des Lebens

und seiner speciellen Bestimmung für den Zweck dem es ge­

widmet ist, an sich tragen muß. Das

erste Erforderniß für das Leben der Anstalt find

demnach geeignete Kranke, d. h. solche Kranke für die man

mit mehr oder minder Zuversicht einen günstigen Erfolg von

einem in der Anstalt anzustellenden Heilversuche hoffen darf. Da schon in einem früheren Abschnitte dieser Schrift angedeu«

tet worden ist, welche Normen in dieser Beziehung angenom­ men werden dürften, so kann ich" hier auf das dort Gesagte

verweisen.

Um aber so viel möglich im Voraus versichert

seyn zu können, daß der Anstalt keine andere Kranke zuge­ schickt werden als solche die ihrer Bestimmung entsprechen, da­ mit sie nicht zu oft in den Fall komme, ungeeignet befundene

196 Individuen wieder als solche zu entfernen , Anstalt zugleich über

und damit Hie

die einzuscndenden Kranken alle, ihre

Körperbeschaffenheit, ihre Leidensgeschichte, den Krankheitsver­ lauf und den gegenwärtigen Standpunkt der Krankheit,

be­

treffenden Nachrichten erhalte, die für eine zweckmäßige ärzt­

liche Behandlung unerläßlich sind, bedarf es gewisser allge­ meiner Anordnungen, hauptsächlich aber einer genauen Anwei­ sung für die Aerzte, welche die für die Anstalt in Vorschlag

gebrachten Kranken zu untersuchen haben, in welcher sie in der Form einer Reihe von Fragen an alles dasjenige erinnert

werden, was in Bezug auf die Anamnese und den Status prae­ sens des vorliegenden Falles, sowohl für die Entscheidung der

Frage über die Zuläßigkeit des Kranken, als für das ärztliche Verfahren nach entschiedener Zuläßigkeit, von Wichtigkeit ist.

Hinsichtlich einer solchen Anweisung beziehe ich mich auf

das für die Siegburger Anstalt ausgearbeitete Schema welches

im folgenden Abschnitte mitgetheilt ist und bemerke dabey, daß es zwar immer manche läßige Aerzte geben wird, welche einen so umständlichen Bericht für eben so überflüssig als

übermäßig mühevoll ansehen und daher auch gerne vvrgeben

werden, baß ein großer Theil der begehrten Notizen in den meisten Fallen gar nicht zu erhalten sey u. s. w. ohne zu beach­

ten, daß die zu ertheilenden Nachrichten über den status prae­

sens sich zum großen Theil aus einer genauen Untersuchung des Kranken, auch ganz abgesehen von dessen eigenen Mitthei­ lungen, ergeben, die übrigen aber so wie die die Anamnese be­ treffenden Notizen,

mehr oder minder vollständig, von den

Angehörigen und sonstigen Umgebungen des Kranken erlangt

werden können, daher denn auch eine nicht geringe Anzahl trefflicher Berichte dieser Art, die bey der Siegburger Anstalt

eingehen, dafür zeugen,

wie viel ein lebhaftes menschliches

und wissenschaftliches Interesse leisten kann, um die angebli­ chen oder wirklich vorhandenen Schwierigkeiten zu beseitigen

oder zu mindern.

197 Außer diesen Vorschriften aber, die mehr das ärztliche Interesse berücksichtigen, sind in Bezug auf die aufzunchmcn-

den Kranken noch einige andere von Wichtigkeit, die mehr die äußeren Verhältnisse betreffen, wie z. B. die Bestimmung

der

Verpflegungsklasse in welche

der Kranke ausgenommen

werden soll, die Verpflichtungen die für ihn von seinen Ange­ hörigen eingcgangen und von der Anstalt übernommen wer­ den, die Art der Zuführung und Wiederabnahme des Kran­ ken,

seine mitgcbrachten Effecten, das was hinsichtlich der

vbcrvormundschaftlichen Behörden des Kranken zu beobachten ist, und mehreres Andere welches ich hier nicht näher ausführe,

indem ich mich auf die weiter unten mitzutheilenden Anord­

nungen beziehe, die deshalb für die Siegburger Anstalt be­ stehen. Als das zweyte Hauptmomcnt für das Leben der Anstalt

ist das ärztliche Wirken zur Wiederherstellung der Kranken zu betrachten, ein Wirken welches alle gegebenen Hülfsmittel für

den Zweck der Heilung der verschiedenen Arten von Seelen­ störung, nach Maaßgabe des individuellen Falles, den Vor­

schriften der wissenschaftlichen Erfahrung entsprechend, ergreift

und anwendet.

Es ergiebt sich von selbst, wie unerläßlich es

ist daß in dieser Wirksamkeit die größte Einheit herrsche und daß

sie von einem daß

Ganze

umfassenden Geiste

zeuge.

Denn so wie wir schon in dem Anfänge dieser Schrift darauf

aufmerksam machten, wie die ganze Einrichtung einer Anstalt in allen ihren einzelnen Theilen den Stempel der Idee an sich

tragen müsse, aus der sie hervorgegangen, so daß der ärztliche Geist der die Grundzüge dazu entworfen, bestimmt daraus zu erkennen sey, so ist auch nicht in Zweifel zu ziehen, daß es

gleichfalls nur derselbe eine Geist seyn muß, der die Hülfs­ mittel die er sich bereitet hat, in den concrcten Fällen anwcn-

den und wirksam machen muß.

Es kann

daher jedesmal nur ein Mann seyn der alle

Vermögen einer Anstalt, wie sie aus seinem oder einem ver«



198

wandten Geiste hervorgegangen und dargestellt worden, zu

seiner Disposition hat, um sie der Absicht gemäß zu leiten vnd zu verwenden.

In ihm muß die ganze Anstalt leben,

ihm muß stets so wie jedes Bedürfniß und jeder Zustand der Kranken, so auch jedes Hülfsmittel welches die Arzneykunst und psychischer Einfluß gewährt,

gegenwärtig und zur An­

wendung bereit seyn. — Doch bedarf er für diese Zwecke

nicht blos der in der Einrichtung der Anstalt gegebenen Mit­

tel, sondern auch verwandter Geister, die eben so wie er von der hier darzustellenden Idee ergriffen sind, um als seine Or­

gane ein

engverbundenes Ganze mit ihm zu bilden, seine

Kräfte zu verstärken, zu ergänzen, zu vervielfältigen.

So be­

darf er, bey dem für einen einzelnen Arzt, wenn auch blos die somatische Sphäre berücksichtigt wird, viel zu ausgedehnten

Wirkungskreis, eines Mannes, der aufs engste mit ihm ver­ bunden, ganz seine Ansichten theilend, als sein alter ego ge­ meinschaftlich mit ihm das Geschäft der Krankenbehandlung besorgt und, wo er selbst durch Krankheit oder Abwesenheit

verhindert ist, seine Stelle vertritt.

Neben diesem muß ihm

aber auch noch ein zweyter wohlunterrichteter und gewandter

ärztlicher Gehülfe für die mehr untergeordneten Geschäfte, zumal die chirurgischen, so wie für allerley sonstige Hülfsleistungeu und für die Besorgung

seiner zahlreichen Aufträge

zu Erforschung und Beobachtung, insonderheit aber auch bey den Leichenöffnungen u. s. w. zur Seite stehen.

Doch findet er selbst bey dieser Hülfe noch nicht eine ausreichende Unterstützung und Ergänzung für die Beobachtung

vnd Leitung der Kranken

in der mehr psychischen Sphäre

und zumal in der des religiösen Gefühles.

Reil *) ver­

langte für seine Jdealanstalt, daß dem dirigirenden Arzte auch

ein Psycholog ex professo zur Seite stehen sollte, wie einer

*) Reit Rhapsodien.

199 der stets bereit und im Stande wäre die vorkommenden psy­

chischen Anomalien gleichsam zu zerlegen, abzuleiten und wis­ senschaftlich zu bestimmen und so den Arzt für den Weg den

er zu verfolgen hätte, aufzuklären.

Weit zweckmäßiger aber

wäre es wohl gewesen, wenn er statt dessen einen tüchtigen Anatomen und Chemiker ex professo begehrt hätte, da der

Director einer so großen Anstalt in der That schwerlich die Zeit finden wird, die sich darbietenden anatomischen Untersu­

chungen und chemischen Analysen jedesmal Lu dem nöthigen Maaße zu verfolgen, auch Talent und Uebung ihm zu densel­

ben oft fehlen dürften, während auf der andern Seite nichts hindert, daß ein anderer diese Geschäfte unter seiner Leitung

und nach seinen Ansichten besorgt.

Aber der Psychologe in

dem Reil'schen Sinne darf nicht außerhalb dem dirigirenden Arzte steben,

da vielmehr der Arzt und Psychologe auf das

innigste in ihm vereinigt seyn müssen.

,Wohl aber bedarf er,

eben so wie für sein somatisch ärztliches Wirken, auch für sein Wirken in der psychischen Sphäre,

einer Vervielfältigung,

Dermannigfaltigung, Verstärkung sejner Thätigkeit, Kräfte und

Einsichten, da hiefür auch seine ärztlichen Genossen,

obwohl

sie auch hier in der Behandlung Hand in Hand mit ihm ge­ hen müssen, in einer so ausgedehnten Anstalt nicht ausrei­

chen.

Wo aber wird er diese Ergänzung zweckmäßiger suchen

und vollständiger

finden als

in christlichen Geistliche» von

ächt religiösem Sinn und gediegener philosophischer und psy­ chologischer Bildung?

Mit wem könnte er sich besser für die

hohen Zwecke die hier zur Aufgabe gestellt sind verbinden, als mit solchen Männern, deren

Amt und Lebensaufgabe es ist,

stets in dem Herzen der Menschen mit den erhabensten Ab­

sichten zu forschen und alle Eigenthümlichkeiten der menschli­ chen Seele in den verschiedenartigen Individualitäten- im ge­

nauesten Verkehr mit ihnen, zu erkunden und das menschliche Leben durch alle seine Labyrinthe zu verfolgen, um die Mittel

aufzufiudeu, die Geister der göttlichen Aujgabe die ihnen ge-

200 stellt ist gemäß zu ergreifen und zu lenken; — mit Männern, deren Amt in seiner schönen Bedeutung so vorzugsweise geeig­

net ist sie dem Herzen ihrer Umgebung nahe zu bringen und in deren Wirkungssphäre schon alle Mittel liegen, sich Der« trauen und Liebe zu erwerben und die zumal auch in einer solchen Anstalt lediglich als Freunde, Rathgeber, Tröster der

Unglücklichen, als Verkündiger des Wortes Gottes, als die

Wegweiser in ein besseres Lebe» in jeder Beziehung aufzutre­ ten haben. Dieser Verein nun des Directors mit seinen ärztlichen

und geistlichen Genossen bildet eigentlich das Haupt und Herz der Anstalt, wovon alle Bewegung und alles Leben in dersel­ ben ausgeht und alles dasjenige ein- und fortgeleitet wirb, was für das Wohl und die. Wiederherstellung der Kranken

im Allgemeinen, so wie für jeden Einzelnen, als das ersprieß­ lichste erscheint. Wie sich die Geschäfte der einzelnen Glieder dieses Ver­

eines unter der Leitung des Dircctors theilen, wollen wir hier nicht weiter verfolgen, indem wir auch in dieser Hinsicht auf die Instructionen verweisen, die der von uns dargelegte» Idee entsprechend für die Aerzte und Geistlichen der Siegbur­ ger Anstalt entworfen worden sind, und gehen gleich zu dem Hilfspersonal über, welches unter der Anleitung der ober»

Beamten die Kranken beaufsichtigen, zu der Beobachtung der

gegebenen Vorschriften anhalten, ihnen ihre Bedürfnisse reichen, sie bedienen, schätzen, bewachen soll, die Krankenwärter näm­

lich und die ihnen vorgesetzten Oberwärter. Eine befriedigende Lösung der in der Gewährung eines

dem Zweck ganz entsprechenden Wärterpersonals für eine große Irren-Heilanstalt gestellten Aufgabe, ist ohne Zweifel nicht nur höchst schwierig, sondern sogar unmöglich. Wenn man näm­

lich erwägt, waS ein solcher Wärter bey diesen theils so gewaltthätigen, bösartigen, gefährlichen, unreinlichen, verkehr­ ten, widerspenstigen, eigensinnigen, thörichten, in den mannig-

20t faltigsten Wahnvorstellungen befangenen, von den heftigsten Leidenschaften und Trieben beherrschten, theils wieder höchst

gefühlvollen, für alle Eindrücke übereinpfänglichen und im Uebermaaß darauf zurückwirkenden Kranken zu leisten hat, welchen Grad von Geduld, Standhaftigkeit, Muth, Intelli­ genz, Besonnenheit, Gewandheit und Pflichttreue mit Freund­

lichkeit und Gefälligkeit in seinem Benehmen,

mau auch bey

den mäßigsten Ansprüchen von ihm fordern muß,

wenn man

zugleich erwägt wie er nicht nur der beständige Genosse des Kranken aus den untern Ständen, sondern auch aus den hö­ her» und gebildeten seyn soll, so sieht man sich billig mit Ver­

legenheit danach um, wo ein solches Personal von einigen vierzig Menschen herzunehmen seyn dürfte. Auch glaube ich wirklich, daß es nicht anders zn erlangen wäre, als wenn

es der Genius des Zeitalters mit sich brächte, daß Leute von hinreichender Geistes- und Herzensbildung, durch religiöse Motive bewegt, sich diesem Geschäfte widmeten *).

Wie

*) Indem man sich solchergestalt die Wichtigkeit des Wärterstandes vergegenwärtigt,

scheint eS mir nicht ungeeignet noch einmal

daran zu erinnern, wie sehr es im Widerspruch hiemit steht, wenn man Züchtlinge akS Wärter in den Irrenanstalten verwendet,

seyen eS auch solche, die sich in dem Zuchthause am besten betra­ gen haben und nun dazu bestimmt werden den letzten Theil ihrer Strafzeit im Dienste der Irrenanstalt auszuhalten, wie solches noch jüngst in der Sonnensteiner Anstalt der Fall war und in

der früher schon angeführten Beschreibung dieser Anstalt neuer­

dings in etwa vertheidigt wird.

Sehr erfreulich ist eS auf jede»

Fall, daß dieser große MiSbrauch in dieser an so vielen Vorzü­ gen reichen Anstalt endlich abgestellt worden ist, und wenn ich glauben darf, daß meine, mit so merklichem MiSbehagen aufge­ nommene, Rüge diese- Uebelstandes in dem isten Bande meiner

Sammlungen für die Heilkunde der Gemüthskrankheiten vielleicht etwas zu dieser Abstellung mitgewirkt hat, so sann ich die Aeuße­ rungen jene- MiSbehagen- leicht verschmerzen.

202 wenig aber für jetzt hierauf zu zählen ist, dürfte schon daraus

hervorgchen, daß während der neun Jahre des Bestehens der

Siegburger Heilanstalt, obgleich dieselbe in einer Gegend liegt

die in ihrer Nähe größtentheils von eifrigen Katholiken und

in einer mäßigen Entfernung von gleich eifrigen Protestanten bewohnt ist, noch kein einziger Fall vorgekommcn ist, wo je­

mand einen solchen Krankenwärterdienst aus religiösen Ab­ sichten zu erhalten gesucht hätte. Es bleibt also nichts an­ ders übrig, als unter denen die solche Stellen um des Loh­

nes willen suchen, mit Vorsicht die Geeignetsten auszuwählen,

und bey diesen dnrch die mit dem Amte verbundenen Vor­ theile an Lohn und Verpflegung den Diensteifer und die Pflicht­ treue zu unterfützen, durch steigende Lohnsätze und Aussicht

auf Pensionen, wenn sie tut Dienste der Anstalt gebrechlich und alt werden, die Ausgezeichneteren zu belohnen, die sich un­

brauchbar und schlecht erweisenden alsbald wieder zu entlas­ sen, endlich den Dienst durch eine möglichst umfassende Wär­ ter- und Hausordnung zu bestimmen und dann die genaueste Aufsicht und Controlle walten zu lassen.

Aus der im folgenden Abschnitte mitzutheilenden Haus­

und Wärterordnung für die Siegburger Heilanstalt wird er­ sehe» werden, welche Vorkehrungen in denselben dafür getrof­

fen worden, daß dcit Kranken an Schutz, Sorge für ihre Be­ dürfnisse, Aufsicht, Anleitung zur vorgeschriebcnen Thätigkeit, Atifheiterung u. s. w., Alles zu Theil werde, was davon durch die Wärter vermittelt werden kann, so wie auf der andern Seite auch diesen den Kranken gegenüber diejenige

Stellung zu sichern die sie zu ihrer Wirksamkeit bedürfen, wo­

hin denn insbesondere auch die Bewilligung so bedeutender und nach Maaßgabe der Dauer des Dienstes und der Zufrie­ denheit mit demselben steigender Jahrgelder gehört, daß sie

von Leuten dieser Klasse als ein ausehnliches Verdienst angese­ hen werden können, so daß die Besorgniß dasselbe zu verlie­ ren ein mitwirkendeö Motiv für ihr Wohlvcrhaltc» wird.

203 Indessen wird mit allem diesen auf's höchste immer nur

eine gewisse Vollkommenheit des Dicnstorganisinnö

erreicht,

und es bleibt hier, auch in den besten Anstalten für Irre, ein nie ganz auszugleichendes Mißverhältniß, welches sich um so fühlbarer macht, je mehr es wünschenswerth erscheint, solche

Kranke nur mit recht einsichtsvollen, wohlwollenden, ihres Zutrauens werthen Menschen in einem so nahen und anbaltenden Verkehr zu sehen, und je öfter dann doch tue Erfah­

rung zeigt, welche strenge Aufsicht oft nur dazu.schon gehört diese Unglücklichen vor der eigenen Unvernunft und Rohheit solcher Miethlinge wirksam zu schützen.

Diese specielle Aufsicht führen nun zunächst die Oberwärter, nämlich ein Oberwärter und ein Diceoberwärter auf der männlichen und eine Oberwärterin

und eine Viceoberwär­

terin auf der weiblichen Seite. Wie vorsichtig man bey der Wahl dieser wichtigen Unterbeamten verfahren muß, bedarf

keiner näheren Erörterung und zugleich wie nöthig es ist, de­ ren Gehalt so zu bestimmen, daß man dadurch in den Stand gesetzt ist, für diesen Dienst Personen von den erforderlichen,

keineswegs gewöhnlichen, Eigenschaften zu gewinnen. Je mehr dieses aber gelingt, um so mehr werden sie dann mit dem, was ich oben als das Haupt und Herz der Anstalt bezeichnete, verschmelzen, dasselbe verstärken und dessen Lebens­

thätigkeit erhöhen.



Was

zu der Wirkungssphäre deS

Oberwärtcrpersonals in seinen einzelnen Zweigen gezählt wer­

den darf, ist aus der unten mitzutheilenden Instruction für die Obcrwärter der Siegburger Anstalt ersichtlich. Verflochten mit dieser bisher geschilderten Lebensthätkgkeit der Anstalt, welche in der unmittelbarsten Beziehung zu der Behandlung der Kranken steht, bewegt sich nun zugleich die­ jenige Thätigkeit, welche die Verpflegung der Kranken und

des Wärterpersonals, die Instandhaltung des Materiellen des Instituts, die Führung der Oekonomie in Bezug auf Land-

«nd Diehwirthschaft, die Anschaffung und Verwendung aller

204 Consumtibklien, die Verwaltung der Einnahme und Ausgabe und die ganze Rechnungsführung u. dgl. m. betrifft.

Da sich

nun auch hier alle Bewegung zur Förderung des Hauptzweckes der Anstalt vereinigen und überall die vollkommenste Zusam-

menstimmung und uitgehindertste Thätigkeit in diesen Bewe­

gungen für jenes Ziel herrschen muß, so ergiebt sich hieraus wiederum zugleich, daß auch in dieser Sphäre dem dirigiren-

den Arzte die höchste Leitung und Aufsicht anvertraut und ihm das einschlägige Beamten- und Dienstbotenpcrsonal ohne Aus­

nahme untergeben seyn muß. Daß dieses indessen keineswegs der gewöhnliche Fall ist, ist bekannt genug, und vielleicht bot sogar die Siegburger Irren-Heilanstalt in Deutschland das erste Beyspiel dar, wo der dirigircnde Arzt wirklich an die Spitze des ganzen Instituts gestellt und demselben neben der Krankenbehandlung auch die nächste Leitung der ganzen Ver­

waltung anvertraut ward. Daß aber dieses Verhältniß das einzig richtige und für die Anstalt gedeihliche seyn kann, wird glaube ich hinlänglich aus demjenigen, was oben über das Leben des Instituts gesagt worden ist, ersichtlich geworden

seyn.

Auch ergiebt es sich sehr leicht und es lehrt es ohne

Ausnahme die Erfahrung, daß alle Anstalten dieser Art, in welchen ein entgegengesetztes Verhältniß statt findet und die

ärztliche Sphäre der der Oekomieverwaltung gleichgestellt oder gar untergeordnet ist, unheilbar an mangelnder Einheit in ihrem ganzen Leben kränkeln, und daß der höchste Zweck des Instituts nie

in dem möglichen Umfange erreicht wird. Denn sobald die Oekonomicverwaltung aufhört lediglich Orgaü im Dienste des Heil­

zweckes zu seyn, wird das Institut unausbleiblich der Hauptsache

nach Vcrpflegungsanstalt werden, in welcher das ökonomische Prinzip vorherrscht, welchem die ärztliche Idee sich unterordnen

muß, und wenn hicbey auch Abstufungen von dem noch Er­ träglichen zum Schlimmeren und immer Schlimmeren statt finden, so reichen diese am Ende doch bis dahin hinab, wo dem Arzte durchaus keine freye Bewegung mehr übrig bleibt

205 und der gebietende Verwalter ihm von seinem Rechentische her bedeutet, was zu thun und was zu lassen sey.

Man erwäge

aber den Zustand einer solchen Anstalt im Vergleich mit den oben gestellten Anforderungen, man denke sich die Lage eines für die Sache lebenden Arztes und Menschenfreundes, eines

Reil, Langermann,Willis, Pinel, Esquirol in ei­ nem solchen Verhältnisse! man lese Horns Rechtfertigung und

werfe einen Blick in

das Innere fast aller, zumal älterer,

deutscher, so wie ausländischer Irrenanstalten, und man wird

erkennen, daß die Darstellung der Einheit in der Leitung die­ ser Institute, in der Art wie ich sie verlange, allein mit ihrem

wahren Gedeihen in Einklang sieben kann *).

*) Ich finde mich veranlaßt hier beyspielsweise zweyer Irrenanstal­ ten zu gedenken, in welchen ebenfalls die oberste Leitung den Handen Oekononueverwalter anvertraut ist und dre ohnstreitig zu den vorzüglichsten gehören die unter dieser Art von Lei­ tung bestehen, ich meine die Irrenanstalt zu Frankfurt am Main und die Irren - und Strafanstalt zu Eberbach im Herzogthum Nassau. Beyde Anstalten find das was sie sind großentherls durch die ausgezeichneten Eigenschaften ihrer Verwalter, des Herrn Lindparntner zu Eberbach und des Herrn Antony zu Frank­ furt am Main, und keiner der diese Anstalten kennt, wird es in Abrede stellen, wie hier in vieler Beziehung Vortreffliches gelei­ stet und wie rastlos noch fortwährend dahin gewirkt wird, diesel­ ben mit immer neuen Vorzügen zu schmucken. Zugleich aber laßt sich eben so wenig verkennen, daß beide Anstalten entschieden mehr den Charakter von Verpflegungs- als von Heilanstalten an sich tragen, weil der ärztliche Einfluß dem der Verwaltung un­ tergeordnet ist, wovon der erstere auch schon darum von geringe­ rer Bedeutung seyn muß, weil die übrigens sehr achtungswerthen Aerzte, denen die medicinische Behandlung der Kranken in diesen Instituten übertragen ist, dieselbe nur alö Nebensache wahrneh­ men können, indem sie anderweitigen Geschäften nachzugehen ge­ zwungen , jene Anstalten nur einige Mal wöchentlich auf kurze Zert zu besuchen tm Stande sind und der Arzt des Eberbacher

206 Die Organe,

deren der Director für diesen Theil seiner

Wirkungssphäre bedarf, scheiden sich wieder in zwey Klaffe»,

an deren Spitze auch zwey besondere Vorgesetzte stehen, näm« lich der Oekonom und der Hausverwalter, der gleichzeitig

Kassenrendant ist. Dem Oekonomen liegt das Geschäft ob, für die Instandbaltung des materiellen Theiles der Anstalt und zugleich für die Anschaffung aller Consumtibilien zu sorgen, während er

in Bezug auf das Kaffenwesen den Kontrolleur des Verwal­

ters darstellt. Seiner Obsorge unterliegt also die ganze Land-

und Viehwirthschaft der Anstalt, die Anschaffung aller Con­ sumtibilien , alles Bedarfs für Kleidung, Bettung,

Erwär­

mung, Erleuchtung, Reinigung, alles Mobilars und Wirthschaftsgeräthes.

Ueber

alle diese

Anschaffungen

führt

er

Rechnung und übergiebt das Angeschaffte dem Verwalter ge­

gen Quittung nach Maaßgabe des jedesmaligen Bedarfs zum Verbrauch.

Zugleich hat er auf die Instandhaltung der Ge­

bäude, Brunnen, Wasserleitungen, Gartenanlagen und Ein­

friedigungen zu sehen,

so wie er auch bey allen Neubauten

u. s. w. die Aufsicht zu führen hat.

Ihm liegt der Schutz der

Anstalt gegen Feuers- und Witterungsgefahr,

so wie gegen

Menschcnfrevel ob, und endlich führt er tue Kassenbücher, die ihm nach seiner Geschäftssphäre und nach seinem Antheil an dem Rechnungswesen der Anstalt zu führen zukommen. — DaS

ihm untergeordnete Dienstpersonal sind der Gärtner, die Gar-

Instituts sogar eine Stunde von demselben entfernt wohnt. — Auch bin ich gewiß, daß die obengenannten trefflichen Männer die ersten seyn werden einjugestehen, daß ihren Instituten, bey allem Erfreulichen und Lobenswerthen was dieselben haben und leisten, doch desjenigen edler» Lebens ermangeln, womit sie nur durch das Obwalten deS höheren ärztlichen Prinzips in seiner Verschmelzung mit der Psychologie, Philosophie und Religion, be­ seelt werden konnten-

207 tenknechte, Pferdeknechte, Viehmägde, Bäcker, Brauer, der Thorsteher, Nachtwärter, Hausschreiner und alle für den

Dienst der Anstalt beschäftigter Handwerker und Tagelöhner. Dem Verwalter liegt, gegenüber dem Oekonomen, der Dienst im Innern der Anstalt, die Verpflegung des ganzen

Hausstandes und die Aufrechthaltung der Ordnung des Hau«

fes, beides in der weitesten Bedeutung ob, während er zu­ gleich Rendant und Hauptrechnungsführer ist. Aus den Hän­ den des Oekonoms rechnungsmäßig alles Material empfan­

gend, bat er die Sorge für die Speisung aller Hausgenossen nach den bestehenden Vorschriften, für die Heitzung und Be­ leuchtung der einzelnen Räume, für die Bekleidung und Bet­

tung, für die Reinigung der Wäsche, des Hauses und der Höfe, für die gehörige Vertheilung und richtige Verwendung

alles Hausrathes und dessen Erhaltung, während er zugleich

über die Beobachtung der Hausordnung

durch das

ganze

Dienst? und Wärterpersonal der Anstalt zu wachen hat, und

wie schon erwähnt, dem gesammten Kassen- und Rechnungs­ wesen vorsteht. — Das ihm zunächst untergeordnete Personal sind: der Büreausekretair, die Köchin und Küchenmägde, die Wäscherin und Waschmägde, die Hausknechte und Hausmägde, der Barbier und Küster und in Bezug auf die Beobachtung

der Hausordnung auch die Oberwärter und die Oberwärterinnen sammt dem diesen untergebenen Wärterpersonal, so

wie in dieser Beziehung auch die dem Oekonomen unmittelbar

untergeordneten Dienstleute. Die hier angegebene Vertheilung der Derwaltungs-, Ockonomie- und Rechnungsgeschäfte hat sich für die Siegburger Anstalt als eine durchaus zweckmäßige und bequeme bewährt, und dürfte wohl bey den meisten Anstalten dieser Art anwend­ bar seyn, obwohl die Verschiedenheiten tut Verwaltungssystem

anderer Provinzen und Länder, so wie ihre in anderer Hin­ sicht abweichenden sonstigen Einrichtungen, die Beschaffenheit der der Anstalt gewidmeten Einkünfte und endlich deren Größe und

208 Krankenzahl, mancherley Modifikationen in diesem Geschäfts­ organismus bedingen können und müssen.

Behufs der vollständigen Bezeichnung

gegebenen Idee

einzuhaltenden

Uebrigcns werden

des nach der oben an­

Geschäftganges im nächsten

Abschnitte, die Instructionen für den Verwalter Und Oekono« men, nebst der Hausordnung so wie solche für die Siegburger

Heilanstalt vorgeschrieben sind, mitgetheilt werden. Eine der eben erwähnten analoge Verschiedenheit wird ebenfalls im Rechnungswesen verschiedener Anstalten bestehen, je nachdem sie ihre Einkünfte aus der Staatskasse, aus Com-

munalmitteln, aus Steuerzusätzen, aus eigenen Mitteln oder endlich aus mehreren dieser Quellen vereinigt beziehen, die sie

gemäß ihrer Dotation besitzen, während zugleich, durch die für jeden Staat bestehende besondere Organisation und Gesetzge­

bung, vieles auf eine für jede Anstalt eigenthümliche Weise in dieser Hinsicht bestimmt wird.

Für die Verhältnisse un­

ter welchen die Siegburger Anstalt besteht, ist auch die An­

ordnung zur Sicherstellung und Erhebung ihrer Einkünfte sehr

einfach, und empfiehlt sich insbesondere auch in so ferne als

zweckmäßig, als dadurch solche Familien oder Communen, die ein an Jrrcseyn leidendes Individuum zu übergeben wünschen, nie durch Unvermögenheit davon zurück­

der Heilanstalt

gehalten werden können.

Auch hinsichtlich der übrigen Theile

des Kassen- und Rechnungswesens ist wenigstens

durch die

bestehenden Vorschriften eine große Genauigkeit, Ordnung und Sicherheit im Geschäft erzielt, und wenn bey der Führung desselben auch ein großer Zeit« und Kräfteanfwand unver­ meidlich ist, so scheint dieses von dem jetzigen Organismus

unserer Staaten unzertrennlich zu seyn,

so daß wohl nichts

übrig bleibt als sich hiemit, wenn es gleich in gewissen Be­

tracht als ein nicht wenig drückendes Uebel angesehen werden

muß, so viel möglich zu befreunden. Die wichtigsten dieser hinsicht­ lich des Kassen- und Rechnungswesens für die Siegburger Hnlanstalt bestehenden Vorschriften, werden gleichfalls im nächsten

2/- S,uck Schanzen, f ““ 3"”6'"”1*™1d) c) 61 Klafter 47 Kubickfuß Buche« -Klafterhvlz,

d) 599 ’/s Centner Steinkohlen und e)

57 Scheffel 11 Metz Brandgries.

Das Brod wird ebenfalls durch einen zum Wärterpcrso«

nale gehörigen Bäcker, welcher von dazu qualifizirten Kran-

298

feit unterstützt wird, auS purem Roggen- und Waizenmehl in der Anstalt bereitet, so daß täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, zweimal gebacken wird, nämlich: ein­

mal Roggen- und daö anderemal Waizenbrod. Die Quan­ tität des in einem Jahre zu backenden Brods beträgt über­

haupt circa 130,000 Ä, woz» der Etat 18 Klafter BuchenBrennholz bewilligt. Man wird bey den getroffenen Anordnungen vielleicht

die Bestimmungen der Kost und Portionen für verschiedene

Krankheitszustände vermissen, wie sie gewöhnlich in Kranken­

häusern bestehen.

Diese werden aber durch die täglichen An­

ordnungen der Aerzte ersetzt, welche bey den Krankenbesuchen

jedesmal, wo Ausnahmen nöthig sind, die zu reichenden Spei­ sen und ihre Quantität bestimmen, jur die Befolgung welcher Bestimmungen alsdann der Verwalter und die Oberwärter

Sorge zu tragen haben. Hinsichtlich der Obliegenheiten welche die verschiedenen Beamten und Dienstleute der Anstalt bey der Beköstigung zu beobachten haben, wird auf die Instructionen des Directors

§. 4., deS zweyten Arztes §. 11., des Verwalters §. 3—9-, des Oekonomen §. 12—20., der Oberwärter §. 3., der Wär­ terordnung §. 11—13. und der Hausordnung §. 6. 10—17. und 21 verwiesen.

Speisezettel für eine Woche. Tag und Monat. Sonntag den rc.

Montag den rc.

Tisch­ klasse.

Frühstück.

M i.t t a g s.

Kaffe mit Zucker, Rindffeiscksuppe mit Schwemmklößchen, Rindfleisch mit roth. Ruben, Wirsing­ Butter- und kohl und Saucischen, frische Pflau­ Weißbrod. mentorte, Hasenbraten u. Salat, Obst. Rindfleischsuppe mit Schwemmklößchen, H. Tisch. Desgl. Rindfleisch mit roth. Ruben, Wirsing­ kohl, Hasenbraten und Salat, Obst. III. Tisch, DeSgl. Rlndfleischsuppe mit Schwemmklößchen, a) Kranke: Rindfleisch mit roth. Rüben, Wirsing­ kohl und Saucischen. L) Gesunde: Kaffe, Weis- Reissuppe, Wirsingkohl und Kartoffeln, brod Hammelbraten und Salat. IV. Tisch. Desgl. Desgleichen ohne Salat.

Vesper.

Abends.

Wie zum Frühstück.

Sagosuppe mit Wein, Kar­ toffeln und frischen LachS mit Butter, Kalbsragout, Aepfelkompot. Sagosuppe mit Wein, Kar­ toffeln und frischen Lachs mit Butter, Butterbrod. Sagosuppe mit Wein, gestofte Kartoffeln, Butter­ brod. Hafergrützsuppe, Butterbrodt und Käse. Desgl. Butterbrod.

I. Tisch.

I. Tisch.

II. Tisch. III. Tisch. a) Kranke: b) Gesunde: IV. Tisch.

Wie vor.

Kalbfleischsuppe mit Reis, weiße Ruben und Beafstackes, Weinkreem, gefüllter Taubenbraten und Aepfelkompot, Obst Kalbfleischsuppe mit Reis, weiße Ruben, Weinkreem, gefüllt. Taubenbraten, Obst. Graupensuppe mit Corinthen, weiße Rü­ ben, Kalbsbraten. Griesmehlsuppe, weiße Rüben und Kar­ toffeln, Kalbsbraten. DeSgl., gesäuerte Linsen ohne Fleisch.

Kaffe mit Zucker, Griesmehlsuppe mit Milch, Butter und Spinat und Setzeier, Ha­ senpfeffer, Kirschenkompot. Weißbrod. Griesmehls. mit Milch, Spi­ Desgl. nat u Setzeier, Butterbrod. Griesmehlsuppe Mit Milch, Desgl. Spinat, Butterbrod. Kaffe, Weißbrod. Buchwaizengrützsuppe, But­ terbrod und Käse-, Männer: Bier, Desgl. Butterbrod; Dienst­ Frauen: Kaffe leute mit Käse. und Weißbrod.

Dienstag den IC,

I. Tisch.

II. Tisch. III. Tisch. a) Kranke: b) Gesunde:

Mittwoch den rc.

Wie vor.

IV. Tisch. I. Tisch.

II. Tisch.

III Tisch. a) Kranke: b) Gesunde:

Wie vor.

IV. Tisch.

Donnerst, den rc.

i. Tisch. n. Tisch.

III. Tisch.

a) Kranke:

b) Gesunde: IV. Tisch.

Wie vor.

Nindfleischsuppe m. Figurennudeln, Rind­ fleisch mit Senf, Kohlrabi u. Hammel­ karbonade, Semmel-Pudding mit Hage­ buttensauce, Kalbsbraten u. Salat, Obst. Nindfleischsuppe m. Figurennudeln, Rind­ fleisch mit Senf, Kohlrabi und Ham­ melkarbonade, Obst. Nindfleischsuppe m. Figurennudeln, Rind­ fleisch mit Senf, Kohlrabi, Relsauflanf. Rlndfleischsuppe mit Graupen, Rindfleisch mit Senf, Kohlrabi und Kartoffeln, Reisauflauf. Desgleichen, ohne Reisauflauf. Kalbfleischsuppe mit Sago, gelbe Wur­ zeln und ger. Ochsenzunge, Mandel­ torte, Hammelbraten, Kirschenkompot, Obst. Kalbfleischsuppe mit Sago, gelbe Wur­ zeln , Mandeltorte, Hammelbraten und Obst. Hafergrützsuppe mit Corinthen, gelbe Wurzeln, Hammelbraten. Hafergrützsuppe, gelbe Wurzeln und Kartoffeln, Hammelbraten. Desgleichen, ohne Fleisch.

Rindfleischsuppe mit Graupen, Rindfleisch mit eingem. Gurken, Weißkohl und Fleischpastetchen, Aepfelkuchen, Hühner­ braten und Salat, Obst. Rindfleischsuppe mit Graupen, Rind­ fleisch mit emgem. Gurken, Weißkohl und Fleischpastetchen, Obst. Rindfleischsuppe mit Graupen, Rindfleisch m. eing. Gurken, Weißkohl, Aepfelkuchen. Rindfleischsuppe mit Reis, Rindfleisch Mit eing. Gurken, Weißkohl und Kartof­ feln, Aepfelkuchen. Desgl, Rindfl. mit Senf, Weißkohl und Kartoffeln, ohne Kuchen.

Wie vor.

Wie vor.

Wie vor.

Hafergrützsuppe m. Corinth., Sprossenkohl u. gebr. junge Hühner,Reiskeilchen m. Kirschensauce,Pflaumenkompot Hafergrützsuppe mit Corin­ then, Sprossenkohl u. gebr. junge Hühner, Butterbrod. Suppe von gedorrten Pflau­ men, Blumenk., Butterbr. Desgleichen, Butterbrod und Käse.

Desgl. Butterbrod. Reissuppe m.Milch, Schwarz­ wurzeln und Kalbskarbo­ nade, Aepfelschnrtte, Dirnenkompot. Reissuppe m.Milch, Schwarz­ wurzeln und Kalbskarbo­ nade, Butterbrod. Reissuppe m.Milch, Schwarz­ wurzeln, Butterbrod. Griesmehlsuppe, Butterbrod und Käse. Desgl. Butterbrod; Dienst­ leute : mit Käse. Sauerampfersuvpe, Kartoftoffelbrei u. gebackene Kar­ pfen, Ragout von Kälber­ milch, Pflaumenkompot. Sauerampfersuppe, Kartof­ felbrei und gebackene Kar­ pfen, Butterbrod Sauerampfersuppe, Kartof­ feln, Butterbrod. Hafergrützsuppe, Butterbrod und Käse. Desgl., Butterbrod.

Tag und Monat.

Tisch­ klasse.

Freitag den re.

I. Tisch.

Frühstück.

II. Tisch. Wie vor.

III. Tisch. a) Kranke: b) Gesunde:

IV. Tisch.

Sonnab. den rc.

I. Tisch-

II. Tisch.

III Tisch. a) Kranke: b) Gesunde: IV. Tisch.

Wie vor.

Mittags. Kalbfleischsuppe mit Hackemus, Kartoffeln und frischen Schellfisch mit Butter, Reis­ auflauf, sauern Rindsbraten und Sa­ lat, Obst. , Kalbfleischsuppe mit Hackemus, Kartof­ feln und frischen Schellfisch mit But­ ter, Reisauflauf, Obst. ReiSsuppe mit Petersilie, Kartoffeln und frischen Schellfisch mit Butter. Graupensuppe, Kartoffeln und frischen Schellfisch mit Butter. DeSgl., Kartoffeln mit saurer Sauce. Rindfleischsuppe mit Fadennudeln, Rind­ fleisch mit Heeringsauce, Rothkohl und geräucherte Zunge, Dampfnudeln mit Sahnensauce, frische Ochsenzunge mit Rosinensauce, Obst. Rindfleischsuppe mit Fadennudeln, Rindfleisch mit Heeringsauce, Rothkohl und gebratene Kalbsleber, Obst. GrieSmehlsuppe, Rothkohl, sauern Rin­ derbraten. Griesmehlsuppe, Sauerkohl und Kar­ toffeln, geräuch. Speck. Desgl-, Dienstleute: ger. Speck-

Vesper.

Abends. Biermilchsuppe, Kalbsbraten in Reis gebacken. Lungen­ mus und Aepfelkompot.

Wie vor.

Wie vor.

Biermilchsuppe, Kalbsbraten in Reis gebacken, Butter­ brod. Biermilchsuppe, Milchreis, Butterbrod. Biermilchsuppe, Dutterbrod und Käse. Desgl., Butterbrod; Dienst­ leute : mit Käse. Graupensuppe mit Corin» then, gelbe Rüben u- Kalbfleischfrikadellen, Plmzen mit Kirschensauce, Birnenkompot. Graupensuppe m. Corintben, gelbe Ruben mit Kalbfleischi­ frikadellen, Butterbrod. Milchsuppe mit Weißbrod, gelbe Rüben, Butterbrod. Hirsensuppe, Butterbrod und KäseDesgl., Butterbrot

Achtes Kapitel. Verpflegung in Bezug auf Bettung, Heitzung, Erleuchtung, Rein­ lichkeit.

Was die Bettung der Kranken und des übrigen Haus­

standes betrifft, so ist darüber schon das Nöthige in den frü­

heren Theilen dieses Werkes gesagt worden, und hinsichtlich desjenigen was die Beamten und Dienstleute dabey zu leisten

haben, bleibt hier nur noch auf folgende §§. ihrer Instructio­ nen so wie der Hausordnung zu verweisen: in der Hausord­ nung auf §§. 3. 22. 23, in der Instruction des Verwalters auf §. 18, der Oberwärter auf §. 12 und der Wärter auf §. 14.

Ein gleiches gilt von der Heitzung und Beleuchtung, wor­ über der §.41 der Hausordnung, der §. 15 der Dienstanwei­ sung für den Oberwärter und der §. 30 der Dienstanweisung für den Verwalter die für die Aufsicht bey diesen Gegenstän­

den nöthigen näheren Bestimmungen enthalten. Die Geschäfte bey dem Ofenheitzen liegen übrigens den Hausknechten und den Krankenwärtern gemeinschaftlich ob, indem erstere die tägliche Herbeyschaffung der festgesetzten De­ putate von Brandmaterial für die verschiedenen Ocfen, das

Ausräumcn derselben gegen die Nachtzeit und das Wcgbrin-

gen der Asche zu besorgen, die letzteren aber die Oefen in ih­ ren respectivcn Bezirken am Morgen cknzn legen und anzuzün­

den, so wie während des Tages zu unterhalten haben.

Die tägliche Reinigung sämmtlicher Haus- und Zimmer­ lampen und ihre Dersehung mit Dochten und Oel besorgt der

Nachtwächter mit dem Thorsteher gemeinschaftlich in der Pfört­ nerwohnung, während ersterem allein das Geschäft obliegt die Lampen jedesmal wieder aufzuhängcu und zu den durch den

Bclcuchtungsetat bestimmte» Stunden überall anzuzünden.

304 Das Consumo an Feuerungs- und Bcleuchtungsmaterial

ergicbt sich aus den bezughabenden Bestimmungen des Etats.

Die Pflege der Reinlichkeit bezieht sich erstlich auf die Wohnungen,

zweptens auf die Wäsche, drittens auf die Personen.

Den ersten Gegenstand betreffend

haben wir lediglich

ans die §§. 3. und 40 der Hausordnung so wie auf den §. 14 der Dienstanweisung der Oberwärter zu verweisen.

Ueber die gehörige Reinigung der Wäsche wacht haupt­ sächlich der Verwalter nach den Vorschriften der §§. 20—23

seiner Dienstanweisung, wo auch festgesetzt ist, welchen Antheil

die Oberwärter an diesem Geschäfte nehmen sollen, in deren Instruction der §. 13 ebenfalls hierauf Bezug hat. Die Besorgung der Wäsche selbst geschieht, wie schon früher angegeben, nach der in der Waschanstalt des Münchner allgemeinen Krankenhauses eingeführten Methode, und liegt der

Oberwäschcrin und den beyden Waschmägden ob, welchen, nach

dem jedesmal vorhandenen Bedürfniß, eine gewisse Anzahl da­ für geeignete Kranke mit einer Wärterin zur AuShülfe zuge­ geben werden.

Für die Pflege der Reinlichkeit der Personen ist durch die Anordnungen in den §. 3 der Hausordnung so wie des §. 18 der Wärterordnung, über deren Befolgung die Oberwär­

ter und der zweyte Arzt zu wachen haben, gesorgt.

Auch ge­

hören dahin die in der Regel wöchentlich den Kranken gege­ benen Waschbäder und

das

bey den

männlichen Kranken

zwey- und bey den Pensionairs drey Mal wöchentlich statt

findende Barbiren so wie das von Zeit vorgcnommene Schnei­

den der Haare, welches letztere beydes zu den Nebengeschäften des Küsters gehört.

Nesntes

Kapitel.

Aerztliche Verpflegung. Nähere Bestimmungen Über die Aufnahme der Kranken. Fragebogen. In welcher Bedeutung

und

in welchem Umfange der

Ausdruck: ärztliche Verpflegung hier zu nehmen sey, ist in

dem ersten Abschnitte dieser Schrift hinlänglich erörtert wor*

den, und es würde uns hier eigentlich nur noch obliegen, die

Vorschriften mitzuthekle« unter welchen das dazu mitwirkende Personal seine Thätigkeit entwickeln soll, und zur Vervollstän­ digung dessen was S. 176 11. f. über die Arzneyverpflegung

gesagt worden ist, den mit einer der Apotheken in Siegburg bestehenden Contract wegen der Arzncylieferung hinzuzufügen. Indessen wird hier auch die schicklichste Stelle seyn, das Nö­

thige über die ärztlichen Bestimmungen in Betreff der dem In­

stitut zu übergebenden Kranke« zu sagen, welches daher vor­

ausgeschickt werden soll. Wünscht eine Familie vder eine Gemeine, der Anstalt ei­

nen an Jrreseyn leidenden Kranken auzuvcrtraucn, so ist der

erste in dieser Beziehung

zu thuende Schritt, daß sie den

Arzt, der den Kranken bis dahin behandelt hat, »der, falls

keine ärztliche Behandlung statt gefunden hat, den Kreisphysikus vder sonst einen approbirten Arzt in der Nähe, anffor-

dert, eiuen Bericht über den in Rede stehenden Krankheitsfall

abzufassen, wobey derselbe das hiefür vorgeschriebene (hienächst mitzutheilende) Regulativ oder

die sogenannten Fragebogen,

wovon gedruckte Sclsemas bey allen Landräthen, Bürgermei­ stern und Kreisphysikern niedcrgelegt sind, zur Richtschnur zu

20

306 nehmen hat.

Zugleich haben die Angehörigen oder die vorge­

setzte obrigkeitliche Behörde die ebenfalls sofort mitzuthcilcndcn allgemeinen Vorschriften, welche über die Znlassnng der Kran­

kn in die hiesige Anstalt nnd was dabey

zu beobachten ist,

das Nähere bestimmen, zu berücksichtigen, worauf, wenn der Kran­ ke unvermögend ist und die Gewährung einer Freystelle für

denselben in Anspruch genommen werde» soll, die sämmtlichen

Dokumente durch de» Landrath des Kreises der betreffenden Königlichen Regierung vorgelegk werden, die sie alsdann dem Direetor der Anstalt zur Begutachtung des Falles hinsichtlich der Geeignetheit des Kranken für die Heilanstalt zngehen läßt.

Diese Begutachtung

wird von dem Direktor ungesäumt abge­

geben, worauf die Königliche Regierung, wenn der Kranke für zulässig erkannt ist, der Aufnahme ihre Genehmigung und je

nach den Vermögensumständen des Kranken eine ganze, halbe

oder Viertels Freistelle ertheilt*), wobey durchgehends die scho-

nendste Rücksichtsnahme obwaltet,

so daß den einigermaaßcn

Unbemittelten, Freystellen nie verweigert werden und der Ir­ re nun ungesäumt der Anstalt übergeben werden kann. Ist der Fall aber sehr dringend, so kann die Uebergabe

des Kranken, zumal in den der Anstalt näher gelegenen Ge­ genden, noch dadurch beschleunigt werden, daß die Ortsbehörde dem Direktor der

Anstalt die vorschriftsmäßig ausgefüllten

Fragebogen u. s. w. zuerst zur Ansicht zngehen läßt und zu­ gleich die schriftlich ausgestellte Verpflichtung beyfügt, daß die

betreffende Gemeinde für die Zahlung der Verpflegungskosteu einstweilen einstehe, bis die Gewährung der Freystelle für den

Kranken nachgesucht und erhalten worden sey, worauf denn dieser, wenn er als zur Aufnahme geeignet anerkannt wird, sofort dem Institut vorläufig übergeben werden kann; dann

*) Das Nähere hierüber ist in einem der folgenden Kapitel über das Rechnnngs-und Kassenwesen mitgetheilt.

307 über die Dokumente der Königlichen Regierung zur Entscheid

dnng wegen der Gewährung der Freystclle zugehen, ein Ver­ fahren welches nicht selten statt findet. die Angehörigen nicht in der Lage daß sie eine

Sind

Freystelle nachzusuchen brauchen, und wollen sie den Kranken als Pensionair in die Anstalt bringen, so werden die vor­

schriftsmäßigen Dokumente ebenfalls

unmittelbar an den Di­

rector der Anstalt eingesandt, und es bedarf zur Aufnahme

nichts weiter als seine Erklärung,

daß der Kranke den des­

halb bestehenden Vorschriften gemäß für das Institut geeig­ net sey.

Selbst in dem ersten Fall nun, wobey die Procedur am weitläuftigsten ist, kann die Uebergabe eines Kranken immer,

von dem Tage an gerechnet, wo die Angehörigen ihren Wunsch erklären, denselben in die Irrenanstalt ausgenommen zu sehen,

wenn er auch an dem entferntesten Punkte der Provinz woh­

nen sollte, binnen höchstens drey Wochen statt finden, und jede Verlängerung dieses Zeitraums muß einer Verschleppung des

aus Nachlässigkeit zngcschricben werden, da öko­

Geschäftes

nomische Rücksichten als Ursache einer Zögerung weder von

Seiten der dabei im

Gemeinde

Spiele

der Angehörigen

noch von Seiten

seyn können,

indem den

niemals die Freystellen oder den minder

Unvermögenden

wohlhabenden die

nöthigen Erleichterungen versagt werden, die Gemeinden aber

in keinem Falle den geringsten Beitrag für einen einzelnen

Kranken zu leisten haben, und im Gegentheil durch die Un­ terbringung eines wahnsinnigen Gemcindegliedes in der Heil­ anstalt jedesmal, abgesehen von den sie treffenden Steuer­

beiträgen

zu den Unterhaltungskosten des Instituts, ganz

unentgeldlich

von einer

oft schwer drückenden Last befreit

werden. In den beiden letzten der oberwähnten Fälle aber

kann

die Uebergabe eines Kranken an das Institut, wie sich ohne

Weiteres ergicbt, noch viel schneller und je nach der große-

3U8

reit oder geringeren Entfernung des Aufenthaltsortes deS Ir­

ren von der Heilanstalt, binnen zwey bis höchstens zehn Ta­

gen bewirkt werden. — In allen Fällen muß die Aufnahme jedes Kranke« in die Heilanstalt der betreffenden Gerichtsbe­ hörde durch den Director unverzüglich angezeigt werden.

Je größere Vortheile aber diese Einrichtung gewahrt, und

je mehr sie sich vor dem auszeichnet was in dieser Hinsicht in den meisten andern Gegenden besteht, wo die Unterbringung der Wahnsinnigen in die Irrenanstalten oft mit solchen Schwie­

rigkeiten und Weitläuftigkeiten verknüpft ist, daß eine unglaub­

liche Zeit vergeht, ehe der Zweck erreicht werden kann*), um so mehr ist es gewiß zu beklagen, daß demohnerachtet die ge­

wissenlose Fahrlässigkeit so mancher Angehörigen und obrigkeit­

licher Behörden daran Schuld ist, daß solche bcklagenswerthe Opfer immer noch nicht selten viele Monate, ja Jahre lang

hülflos gelassen werden, und daß man es vorzieht, sie in je­ nem jammervollsten Zustande, allem Elende Preis gegeben

hiuschmachten zu lassen, statt sie in Zeiten einer sich darbie-

tendeu zweckmäßigen Verpflegung und Behandlung, bey Wel­ ler sie genesen könnten, zu übergeben, und daß man sich so oft nicht eher dazu entschließt bis der Kranke seinen Umge­ bungen selbst zu lästig oder zu gefährlich wird; wo derselbe

dann aber auch mehrentheils

schon unheilbar geworden ist,

und sich nicht mehr für die Heilanstalt eignet.

Doch ist nicht

zu verschweigen, daß während der letzten Jadre, die Fälle ei­ ner frühzeitiger» Uebergabe der Kranken an die Heilanstalt

verhältnißmäßig etwas häufiger vorgekommen sind, und so darf vielleicht gehofft werden, daß der Sinn für die schwere Ver­ antwortlichkeit welche nothwendig auf der gerügten Vernach­

lässigung ruht, immer reger werden und die Einsicht der Noth-

*) 3« 6er mehrmals

angeführten Beschreibung der S'onnensteiner-

Anstalt heißt es Theil I. p. 448, daß Jahre vergehen könnten, ehe die die Aufnahme bedingenden Lorumente zu erhalten waren.

309 wcnd'gkcit solchen Unglücklichen die dargebotene Hülfe, wenn dieselbe fruchtbringend seyn soll*), beym Beginn der Krankheit

angcdcihen zu lasse» immer allgemeiner werden wird.

Allgemeine amtliche Vorschriften die Aufnahme von Irren in die Heilanstalt betreffend. §. 1. Die Anstalt ist zur Heilung von Kranken die an Irreseyn leiden bestimmt.

§. 2. Die höchste Zahl der aufznnehmcnden Krailken ist zweyhnndert.

§. 3.

Kranke aus

andern Provinzen des Königreichs

oder Kranke aus fremden Staaten, können nur in sofern zu­ gelassen werden, als nach Aufnahme der in den Nheinproviirze» vorhandenen, noch Stellen übrig sind. §. 4. Obgleich bey der ersten Eröffnung der Anstalt ei­ ne Anzahl schon länger an Jrrcseyn leidender Kranken aus­ genommen werden soll, so darf bey den später aufzunekmenden Kranken die Seelenstörung noch nicht länger als acht

Monate bestanden habe».

*> Es ist schon mehrmals, auch in den öffentlichen Blättern der Pro­ vinz, auf daü wichtige Verhältniß aufmerksam gemacht worden, in welchem die Heilbarkeit der mit Jrreseyn behafteten Kranken zu der Dauer des Leidens steht, daß nämlich von solchen dre in den ersten drey Monaten nach dem AuSbruch der Krankheit, (je frü­ her je besser), einer zweckmäßigen Behandlung übergeben werden, in der Regel über zwey Drittheil, genesen; — daß ater je länger man die Krankheit sich selbst überläßt, das Verhältmß der Gene­ senden in rascher Folge immer, ungünstiger wird, so daß von de­ nen bey welchen die Krankheit schon ein ganzes Jadr bestanden hat, kaum, mehr ein Fünftheil, von denen bey welchen sie zwey Jahre gedauert, kaum mehr ein Zehntheil geneset u. s. f wonach also ein jeder dem die Sorge für dergleichen Unglückliche obliegt, die Folgen einer selbstverschuldeten Versaumniß leicht bemeßen kann.

310

§. 5.

Von der Geburt oder ersten Kindheit an Schwach«

oder Blödsinnige, dürfen, eben so wie aus Altersschwäche an

Jrreseyn leidende, nicht ausgenommen werden. §. 6. Ferner kann den an Epilepsie, Krebsgeschwüren, invcterirter Lustseuche und allen solchen chronischen Krankhei­

ten leidenden Individuen, durch welche sie das Bett das Zimmer zu verlassen gehindert werden,

oder

oder wobey sie

eine mit der Einrichtung der Anstalt nicht verträgliche Art

der Verpflegung erheischen, die Aufnahme nicht gestattet wer­ den.

Eine Ausnahme für Epileptische findet statt, wenn das

Jrrescyn nicht als Folge der Epilepsie und letztere erst vor

wenigen Wochen eingetreten ist. H. 7.

Geben die in die Anstalt aufgenommenen Kran«

feit nach den mit ihnen vorgenommenen Heilversuchen keine Hoffnung zur Herstellung, oder ist aus irgend einem andern Grunde ihr Aufenthalt dem Zwecke oder der Einrichtung der

Anstalt nicht langer entsprechend, so müssen sie wieder aus

derselben entlassen werden.

Auf keinen Fall kann ein Kran­

ker der nicht offenbare Zeichen einer etwa später zu erwarten« den Genesung giebt, länger als höchstens zwey Jahre in der« selben behalten werden*).

*) Diejenigen Kranken, welche die Heilanstalt, als eine solche, nicht länger beherbergen kann, kehren, wenn sie übrigens harmlos sind, in den Schooß ihrer Familie oder ihrer Gemeinde zurück, die für

ihre Aufbewahrung und Pflege zu sorgen hat.

Ist

der Kranke

aber in einem Zustande, der eine Verpflegung in solchen freyeren Verhältnissen nicht zuläßig macht, so muß er in einer der Departementakaufbewahrungsanstalten untergebracht werden. Indessen ist nicht zu läugnen, daß in dieser Beziehung noch manches zu wünschen übrig bleibt und nicht selten große Verlegenheiten bey der Entlassung solcher Kranken aus der Heilanstalt statt finden,

welche ihren Grund theils in der mangelhaften Einrichtung und der dem Bedürfnisse nicht entsprechenden Größe der meisten Auf-

311 §. 8.. Wird für einen Kranken die Aufnahme in die An­ stalt begehrt, so mnß zuerst bey der Direction angefragt wei­ den, ob solche statt finden kann. Ist der Kranke ein Be-

bcwahrungsanstalten, theils aber in dem Umstande haben, daß die

unentgeltliche Aufnahme der ärmeren Kranken in dieselben ent­ weder sehr schwierig oder völlig unmöglich ist, daher die Angehö­

rigen, wie die Gemeinden und ihre Vorsteher, stets dahin streben, daß auch die für die Heilanstalt ungeeigneten Kranken in dersel­ ben behalten werden sollen und diese, während die Aufnahme in dieselbe so sehr erleichtert ist, nicht selten bey den Entlassun­ gen solcher Kranken große Schwierigkeiten findet. — Hoffentlich

wird indessen dieser Uebelstand durch eine allgemeine zweckmäßigere

Einrichtung der Aufbewahrungsanstalten, und zugleich durch An­ ordnungen, welche die Aufnahme der Unvermögenden in dieselben auf ähnliche Weise erleichtern, wie es bey der Heilanstalt der Fall

ist, beseitigt werden. — Rühmlichst ist bey diesem Anlasse Sach­

sens zu erwähnen, welches, eben so wie es früher dem übrigen Deutschland durch die Einrichtung einer in so vieler Hinficht treff­ lichen Irrenanstalt, im humanen Geiste P i n e l s und EsguirolS, unter der Leitung ihres würdigen Schulers, Pienitz, voran-

gcschrttten war, in diesen letzten Jahren auch eine von dem gt> ieben Geiste zeugende allgemeine Aufbewahrungsanstalt für das Königreich Sachsen zu Colditz gegründet hat, welcher Hayner, der sich schon in der sehr mangelhaften älteren Anfbewahrnngsan-

stalt zu Waldheim, kaum hoch genug anzuerkennende Verdienste

um die Behandlung und Verpflegung, der unglücklichsten Kranken die solchen Instituten anheimfallen, erworben hatte, vorsteht; — und eine ähnliche allgemeine Aufbewahrungsanstait ward in den

letzten Jahren ebenfalls für das Königreich Hannover, zugleich mit der neuen Irrenanstalt, aber völlig getrennt von derselben, zu

Hildesheim eingerichtet, und diese wie jene Bergmanns vielver­ sprechender Leitung übergeben. — Erne, in gleichem Maaße den

in der Sache liegenden Erfordernissen genügende, allgemeine Aufbewahrungsanstalt, in der Rahe der Heilanstalt gelegen, aber

völlig getrennt von derselben und mit ganz gesonderter Verwat-

312 wohner der Rheinprovinzen, und sind die übrigen für die Aufnahme erforderlichen und sogleich näher zu bezeichnende» Bedingungen erfüllt, so wird die Direktion, in so fern Raum vorhanden ist, die Aufnahme ohne Verzug veranlassen. — Kann die Aufnahme wegen mangelndem Raum oder man­ gelnder Qualifikation der Kranken nicht statt finden, so wird

solches unter Anführung der Gründe von dem Director ohne Zeitverlust erklärt werden. §. 9. Es sind Behufs der Aufnahme aber nachstehende

Dokumente beizubringen. Erstlich. Ein von dem KreisphysikuS oder sonst einem approbirten Arzte ausgestelltes, auf Untersuchung des Falles ge­ stütztes Zeugniß darüber, daß der Kranke und feit wie lange

er an Jrreseyn leidet. Zweyten s. Eine Bescheinigung von Seiten des betref­ fenden Arztes, daß der Kranke, so weit eine genaue Erkun­ digung wb Untersuchung darüber Licht geben kann, nicht an Epilepsie, an durch Schlagfluß entstandener Lähmung, an

Krebsgeschwüren, noch an h'öhern Graden der Syphilis leidet, indem da, wo diese Krankheitsformen das Jrreseyn begleiten, die Aufnahme in die Anstalt nicht statt findet. Drittens. Ein Revers wodurch sich diejenigen welche die Aufnahme des Kranken nachsuchen, verpflichten, densel­

ben, wenn fein Zustand die längere Belassung in der Anstalt nicht mehr erlaubt, auf eine deshalb von der Direktion erge­ hende Aufforderung sofort wieder abholen zu lasse«.

hing, doch unter die Oberaufsicht des Direktors der JrrenheilanPakt gestellt, dem es zugleich überlassen bliebe die Kranken nach Bedürfniß der einen oder der andern Anstalt zu übergeben oder sie in dieselbe zurückzuversetze», würde sich ohne Zweifel auch für die Rheinprovin; als sehr wohlthätig erweisen und ihre Admini­ stration zugleich weniger kostbar seyn als die Administration von sieben einzelnen Instituten.

313

Viertens.

Eine möglichst genaue Beantwortung der in

den vorgeschriebenen

Fragebogen

enthaltenen Fragen, oder

wo jene (außerhalb der Provinz) nicht zu haben sind, eine

möglichst vollständige Krankheitsgeschichte. Fünftens.

welcher

Eine

genügende Nachweisung darüber in

Art und aus welchen Mitteln die Verpflegung des

Kranken statt finden soll*). §• 10. Von Ausländern ist ferner noch eine Bescheinigung

ihrer kompetenten Behörde beizubringev, daß von Seiten der­ selben der

Aufnahme des Kranken in

die Heilanstalt

zu

Siegburg nichts entgegensteht.

Endlich witd gewünscht, daß jeder Kranke von einem seiner, nächsten Angehörigen, der am genauesten mit seiner

Gemüthsart, Denk« und Lebensweise, feinen Neigungen und

Schicksale«, so wie mit Allem was seine gegenwärtige Krank­

heit betrifft, bekannt ist, und von dem vorausgesetzt werden darf, daß er über den Kranken wahrhaften und verständige«

Bericht erstatten werde, begleitet sey, damit derselbe durch die Aerzte der Anstalt darüber ausgeforscht, und so weit es nö­

thig ist, die früherhin eivgegangene« schriftlichen Nachrichten ergänzt werde« könne«.

*) Hinsichtlich dieses Punktes verweise ich auf die näheren Bestim­ mungen in dem Kapitel über das Kaffen- und Rechnungswesen her Anstalt.

314 Fragebogen

zur ärztlichen Untersuchung des Gemüths-Zustandcs d Jahre von

alt Kreise

welch

im

zur Aufnahme in die Irren-

Heilanstalt zu Siegburg vorgeschlagcn werden soll.

Fragen *). Fr. 1.

Alter, Temperament, etwa erlittene Krank­

heiten, zumal Scclenstörungcn, Todcsart des Großvaters? Fr. 2.

Dasselbe von der Großmutter?

Fr. 3.

Dasselbe in Bezug auf Großonkel und Groß­

tanten ? Fr. 4. Alter, Temperament, etwa erlittene Krank- > 5 hciten zumal Seelenstörungen, Todesart des Großvaters ? I Fr. 5. Dasselbe von der Großmutter? / 2.

Fr. 6. tantcn? ’

Dasselbe in Bezug auf Großonkel und Groß- I (p ' £"

Fr- 7.

Alter, Körperbeschaffenhcit, psychische Fähigkei­

ten, Temperament, etwa erlittene Krankheiten, zumal auch in Bezug auf Seelenstörungcn, und Todesart dcS Vaters?

Fr. 8.

Fr. 9.

Dasselbe rückstchtlich der Mutter? Wie viele sind der Geschwister, Ister, 2ter rc.

Ehe?

Fr. 10.

Leben sie noch alle oder sind schon welche da­

von gestorben; Woran? in diesem Falle: erlitten sic außer der letzten tödlichen Krankheit nicht schon früher Storungen des. körperlichen und psychischen Wohlseyns, und welcher Art?

Fr. 11. Waren von den noch lebenden Geschwistern schon welche krank und in welcher Art? *) Auf dem amtlichen gedruckten Fragebogen hat jede Seite zwey

Columnen, die eine für die Fragen, die andere für die Antwor­ ten, wo dann zwischen den einzelnen Fragen nach Maaßgabe deS als wahrscheinlich zu erwartenden Umfanges der Antwort, ein ent­ sprechender Raum gelassen ist

315

Fr. 12.

Wie zeigte sich die körperliche und psychische

Entwickelung bey diesen? Fr. 13. Das wievielste Kind ist der

. 2. Derselbe verpflichtet sich, die Arzneyen gewissenhaft nach der Landes-Pharmacopoe zu bereiten und solche stets in bester Qua­ lität zu liefern, so wie die Rezepte jedesmal abschriftlich auf den Signaturen zu bemerken. 3. Repetitionen von Arzneymitteln werden nur dann als gül­ tig anerkannt, wenn solche durch eine auf gleiche Weise wie die ersten Rezepte (s. §. 1) autorisirte Anweisung belegt sind-

4.

Verpflichtet sich der Apotheker N., wenn unter einem Skru­

pel Chinin verschrieben wird, dafür nur den Preis nach der neuesten

Preußischen Arzney-Tare in Rechnung zu bringen, als wenn ein Skru­ pel oder mehr davon verschrieben worden wäre. 5. Verpflichtet sich der Lieferant die rohen Arzneymittel, wenn solche von ihm "und nicht in zu kleinen Quantitäten, z. B. Chamillen, Flieder-Blumen, Kräuter rc. nicht unter einem halben Pfunde (das

T zu 12 Unzen gerechnet) verlangt werden, zu dem Preise, wie der­ gleichen im Großen von Großhändlern angekauft werden können, der Anstalt zu liefern.

355 §• 6- Auch verpflichtet sich der Lieferant die leeren Arzneygläset*, gegen eine Vergütung von sechs Pfennigen fürs Stück im Durchschnitt,

zurückzunehmen. §• 7. Ferner verpflichtet sich der Apotheker die Bereitung der für jeden Tag verschriebenen Arzneymittel ohne Zeitverlust zu bewirken, so wie die Ablieferung derselben in die Anstalt jeden Vormittag um

12 Uhr spätestens, wenn ihm die Rezepte um acht Uhr Morgens zu­ kommen, durch seine Leute, ohne eine Entschädigung dafür zu verlan­

gen,

besorgen und die leeren Gläser daselbst in Empfang nehmen zu

lassen. §. 8.

Nach der neuesten Arzney-Tare wird der Preis der gelie­

ferten Medikamente, wenn der Debit vierteljährig die Summe von 50 Rthlr. im Durchschnitt übersteigt, mit einem Rabat von dreißig Prozent, wo dann ein nochmaliges Rabatiren bey gewissen Quantitä­

ten ausgeschlossen bleibt, berechnet, und verpflichtet sich der Lieferant hierdurch, diesen Rabat von dreißig Prozent zu geben. §. 9. Der Lieferant trägt alle Nebenkosten, als Contrakts-, Quit-

tungS- und Werthstempel rc. 10. Nach Ablauf eines jeden Monates reicht der Lieferant seine Rechnungen mit den gehörig geordneten, numerirten Rezepten,

wobey noch bemerkt wird, daß die Nummern der Rezepte in den Rech­ nungen vorgetragen werden müssen, ein, und nachdem solche revidirt, und durch den Director festgestellt, erfölgt von der Casse der Heilan­ stalt im Laufe des folgenden Monats die Bezahlung in Preuß. Cou­

rant oder Kassen-Anweisungen. §. 11. Geschieht die Lieferung der Arzney nicht vorschriftsmäßig in guter Qualität und der verlangten Quantität, so cessirt selbige und jeden daraus erwachsenden Nachtheil

zu tragen. 12.

hat "der Apotheker allein

Dessen zur Urkunde ist der gegenwärtige Contract abge­

schlossen, doppelt ausgefertigt, vorgelesen, genehmigt und unterschrie­ ben und jedem der contrahirenden Theile ein Exemplar davon mitge-

theilt worden.

Dreizehntes Kapitel Seelsorge.

Gottesdienst-

Ich verweise in Betreff dieses Gegenstandes auf das was im eilsten Kapitel des ersten Abschnittes darüber gesagt ist und

dann auf die hier mitgetheilte Dienstanweisung für die Geist­

lichen der Anstalt, so wie auf die §.§. 4. 22. 26. und 27. der Hausordnung.

Dienstanweisung für die bey der Anstalt angestellten Geistlichen. Indem in der gegenwärtigen Instruction den Geistlichen der Am

statt die ihnen obliegenden Pflichten und Geschäfte bezeichnet werden sollen, wird dieses zum größten Theil nur in mehr äußerlichen Bezlehungen und allgemeinen Andeutungen geschehen können, indem daS Hauptsächlichste ihrer Wirksamkeit eigentlich durchgehends der Art ist, daß

es außer den Grenzen von Bestimmungen liegt, welche durch amt­ liche Vorschriften ertheilt werden können. Diesen mehr allgemeinen und äußeren Bezeichnungen nach aber, ist die Thätigkeit der Geistli­ chen der Anstalt, nach der Eigenthümlichkeit ihrer Stellung, auf vier Hauptgegenstände gerichtet, nämlich:

Erstlich: die gottesdienstlichen Handlungen,

Zweytens: die Geschäfte der Seelsorge, Drittens: die Theilnahme an der psychischen Leitung und Be­ handlung der Irren, als solchen Viertens die Wahrnehmung deS

der Psychologie,

wisseuschaftlichen Interesses

in so fern sie sich mit den Seelenstorungen beschäf­

tigt Zn Bezug auf diese vier Hauptgegenstände der Wirksamkeit der Geistlichen, wird folgendes bestimmt:

357

l.

Dre Gottesdienstlichen Verrichtungen be­ treffend.

§. 1. An allen Sonntagen sowohl , als an allen gesetzlich hieb* liebe» Feiertagen, findet am. Vormittag für die katholischen und für die evangelischen Glanbensverwandten ein Hauptgottesdienst statt, der von den respectiven Geistlichen abgehalten wird. Der katholische Got­ tesdienst beginnt int Sommer und Winter um % 9 Uhr, der evange­ lische im Sommer wie im Winter um 10. §- 2. Zn der Einrichtung und Form, wird sich der beiderseitige Gottesdienst an die für jede Confession deshalb bestehenden allgemei­ nen kirchlichen Einrichtungen und Vorschriften binden, doch sy, daß so viel möglich aus Einfachheit und Beschränkung des Ceremoniels gesehen, dem Kirchengesang eine vorzügliche Stelle dabei eingeräumet, und der Kanzel - Vortrag in höchster Einfachheit gehalten, und aus die Zeit von höchstens einer halben Stunde beschränkt wird. DaS Nähere hinsichtlich dieser Eigenthümlichkeiten wird durch den Director in Uebereinstimmung mit den Geistlichen festgesetzt. §• 3. An Len Nachmittagen der Sonn- und Feiertage wird ebenfalls jedesmal ein Gottesdienst gehalten, der jedoch mehr die Form einer Betstunde hat, und sich auf die Zeit einer halben Stunde be> schränkt. Für die katholischen Glaubensverwaudten beginnt derselbe im Somner um l/23, im Winter um yiß, für die evangelischen Glaubensgenossen, in beiden Jahreszeiten eine halbe Stunde spater. §. 4. Diejenigen Kranken, welche dem gemeinschaftlichen Got­ tesdienste beiwohnen dürfen, werden Lurch den Director bestimmt. Außer den Kranken müssen demselben aber sämmtliche Drenstleute der Anstalt beywohnen, welche nicht durch ihnen von ihren Vorgesetzten aufgetragene Geschäfte davon abgehalten werden, und es haben die Geistlichen dahin zu sehen, daß die Beywohnung weder von Len Kran­ ken, noch von den Dienstleuten willkührlich versäumt werde. 5. Die Austheilung des heil.. Abendmahls wird nach Maaßga­ be des vorhandenen Bedürfnisses, ohne Rücksicht auf die größere oder geringere Anzahl der geeigneten Personen, in der Regel wenigstens vierteljährig statt haben. Die Geistlichen werden der Vorbereitung zu solcher Feier, jedesmal besondere Sorgfalt widmen. Von den Kran­ ken werden aber nur solche daran Theil nehmen, hinsichtlich deren Zulässigkeit die Geistlichen sich mit dem Director zuvor geeinigt haben.

358 So wird auch die Ertheilung der Sterbsakramente und die Vor­

nahme etwaiger sonstiger gottesdienstlicher Handlungen mit den Kran­ ken, von deren gemeinschaftlich erwogenem Gesammtzustande abhängen.

Es versteht sich übrigens, daß die Stimme und Meinung des Direc­ tors i* diesen sämmtlichen Erwägungen, so wie in allem, was auf

die Anwendung eines religiösen Einflusses auf die Kranken Bezug hat» entscheidend ist, und daß in dieser Hinsicht von den Geistlichen nichts geschehen darf, wovon sie nicht überzeugt sind, daß es von dem Di­ rector gebilligt werde. Doch wird derselbe auf den ihm abzustattenden Bericht, sich möglichst für die Befriedigung der Wünsche der Kranken

und Sterbenden hinsichtlich der Abendmahlsfeier entscheiden. § 7. Bey sich ereignenden Sterbfällen werden die Geistlichen die Verstorbenen mit zum Grabe begleiten. Der katholische Geistliche wird die Leichen der Verstorbenen seiner Confession einsegnen und den vorgeschriebenen ritus anwenden; der evangelische wird am Grabe ein kurzes Gebet sprechen, und zur Erbauung der Anwesenden eine

ebenfalls kurze Anrede halten.

H.

Die S eelsorge betreffend.

$. 8. Unter den der Heilanstalt übergebenen Kranken findet das eigentliche Geschäft der Seelsorge entweder nur bey solchen Anwen­ dung, deren Seele, sey es fortwährend oder in längeren Zwischen­ zeiten, einen gewissen Grad von freyer Thätigkeit genießt, oder

aber bey solchen, die sich schon in dem Zustande der ReconvaleScenz befinden und der völligen Wiedergenesung entgegenschreiten. Bey diesen ist aber auch dieses Geschäft von der allerhöchsten Wichtigkert; bey den ersten um die Seele in den lichten Augenblicken, w»

sie aus zhren Verirrungen auftaucht, wenn auch nur vorübergehend, wieder die Anklage des Höchsten und Ewigen vernehmen zu lassen, und vielleicht eine Stimmung hervor zu rufen, die selbst für die Be­ siegung der Krankheit entscheidend werden kann, oder ihr Trost und Beruhigung zu gewähren, wenn sie in solchen Momenten durch den Blick in die Tiefen ihres Unglückes und Elendes verzagen und verzweifeln möchte; bey den zweyten, um sie für den bevorstehenden Wiedereintritt in ihre früheren Lebensverhältnisse durch die Erweckung

oder Wiederbefestigung einer ächten religiösen Gesinnung zu kräftigen und zumal da wo, wie es oft der Fall ist, die Seelenstörung, der sie unterlegen, feie Folge großer sittlicher Verirrungen und Vergehen

359 gewesen, ihnen

bchulflnh zu seyn, sich über ihr inneres Leden auf-

zuklaren, und zugleich in der Religion das sicherste Verwahrungs­ mittel gegen ähnliche Unfälle kennen und heben zu lernen.

§. 9.

Neben den Kranken und Reconvalescenten, bietet sich dem

Geistlichen aber noch

in dem Wärter- und dem qesammten Dienst­

personal der Anstalt ein Feld für die Seelsorge dar, höchste Aufmerksamkeit verdient-

welches ihre

Das Verhältniß der Wärter zu den Kranken ist eines der wich­ tigsten für die Erfüllung des Zweckes der Anstalt, und die Pflichten, welche die Wärter in Beweisung von Liebe, Sanftmuth, Geduld, Besonnenheit, Festigkeit und Treue aller Art, an den Kranken fort­ während zu erfüllen haben, sind so groß und schwierig, daß ihnen

unmöglich, auch nur annahrend, anders Genüge geleistet werden kann, als indem die Kraft dazu immer aufs neue aus der Quelle der Religion geschöpft wird. Daß daher diese Ueberzeugung und Gesinnung, aus wel­

cher solche hervorgehen muß, immer mehr Eingang unter dem Wärter­ personal finde, und demnächst auch die entsprechenden Früchte bringe, muß

em beständiger Gegenstand des Bestrebens für die Geistlichen seyn, dem sie kaum genug Sorgfalt und Elfer widmen können. Doch find es keineswegs Wärter und Wärterinnen der Kranken allein, welche

sich solcher stets erneuerter Anregung zu liebevoller, treuer und stand­

hafter Pflichterfüllung zu erfreuen haben müssen, sondern sie muß den gestimmten Beamten und Dienstpersonale, bey ihrem schweren Beruf fortwährend zu Theil werden, und gewiß haben die Geistlichen ihre Stellung als sehr hoch und wichtig anzusehen, wenn sie erwägen

was sie in dieser Hinsicht zu leisten haben, und wie viel überhaupt von ihrer Mitwirkung abhängt, und erwartet werden muß, damit m dieser dem höchsten menschlichen Unglück bereiteten Zufluchtsstätte, so viel möglich, den Ausbrüchen von Grausamkeit, Harte, Rohheit, Habsucht und aller niedrigen menschlichen Leidenschaften kräftig ge­

wehrt, und so weit möglich, dieses hohe Ziel wirklich erreicht werde; daß bey dem druckenden Zwange, bey den so harten Beschränkungen und Entbehrungen, die von der Behandlung dieser Gattung von Krankheiten unzertrennlich sind, doch bey derselben die möglichste

Schonung und Milde immer vorwaltend bleibe.

Schließlich wird noch

bemerkt, daß es zur Erleichterung der Seelsorge dienen wird, wenw beide Geistliche eine Liste sämmtlicher, ihrer Seelsorge aiwertrjuter

Gesunden sowohl als Kranken fuhren,

worin sie die Bemerkungen

360 nach verschiedenen Rubriken verzeichnen, zu welcher sich in ihrem täg­ lichen Verkehr Gelegenheit darbietet. III.

Die Theilnahme an der psychischen

Behandlung

und Leitung der Irren, als solcher, betreffend.

§. 10. Eine gewisse Theilnahme der Geistlichen an der Behand­ lung der Kranken, ohne welche sie auch bey ihrer ausschließlichen An­ stellung für die- Anstalt, in den mit ihrem geistlichen Amte verbünde» nen Verrichtungen allein, viel zu wenig Beschäftigung finden würden, ist scho^n nach dem waS im §. 8. gesagt worden, durch die Seelsorge gegeben. Aber auch abgesehen hievon, und da wo das Geschäft der Seelsorge keine, oder nur eine sehr beschränkte und vorübergehende Anwendung findet, liegt es in der Stellung und dem Berufe der Geist­

lichen , auf eine sehr wirksame und wohlthätige Weife das Heilverfah* ren zu unterstützen, obwohl dies allerdings nur in dem Maaße und in der Art geschehen kann , wie in jedem einzelnen Falle ärztlich be­

stimmt und für zuträglich erkannt wird.

Wo es unter dieser Bedin­

gung aber darauf ankömmt, die Entwickelung und den Gang der psychischen Verirrungen zu erforschen, wenn auch nitr vorübergehend, gewisse Gemüthsstimmungen zu erwecken oder zu beschwichtigen, ge­ wissen Vorstellungsarten Eingang zu verschaffen, oder davon abzuleiten, zu gewissen Verstandes-Beschäftigungen zu veranlassen und solche zu beaufsichtigen und zu leiten, wird dieses vorzugsweise auch das Geschäft der Geistlichen seyn. Sie, die durch ihre ganze Stellung in dem Fall sind, mit

den Kranken nur auf eine diesen angenehme Weise zu verkehren, die niemals Maaßregeln des Zwanges und der Strenge gegen sie zu veranlassen brauchen, und im Gegentheil manche Erleichterung, manche kleine Gunstbezeugung und Gefälligkeit für sie bevorworten und

erwirken können, werden sicher, unterstützt durch das Ansehen welches

ihnen schon ihr amtliches Verhältniß giebt, vorzüglich leicht das Ver­

trauen der Kranken zu erwerben im Stande seyn; und indem sie sich zu allen Tageszeiten, im Hause wie im Freyen, bey ihren Beschäfti­

gungen, Spatziergängen, Vergnügungen und Mahlzeiten zu ihnen ge­ sellen, ist ihnen die vielseitigste Gelegenheit dargeboten, in ihr Inne­ res einzudringen, und Einfluß auf ihr Gemüth zu gewinnen. Um indessen diesen Verkehr mit den Znen möglichst fruchtbar zu mächen, werden sie die Veranlassung, die ihre Stellung ihnen ohnehin dazu giebt, ergreifen, um sich mit dem, was bisher die Erfahrung über diese

361

Krankheitszustände gelehrt hat und fortwährend neu lehrt, durch das Studium solcher Schriften, die für diesen Zweck geeignet und für sie genießbar sind, und die ihnen der Director der Anstalt bezeichnen wird, in einem gewissen Maaße vertraut machen, und sich dadurch in den Stand setzen, desto tiefer in die Labyrinthe der sich ihnen darbie­ tenden verschiedenartigen Seelenstörungen einzudringen, und dem Arzte tu der Erforschung und Behandlung derselben behülflich zu seyn. 11- Daneben aber wird auch noch dieser häufige unb genaue Verkehr mit den Kranken, und diese Theilnahme an ihrer Behand­ lung ihnen Gelegenheit geben, das Verhalten der Wärter fortwäh­ rend genau zu controlliren und mit darüber zu wachen, daß keinem Kranken etwas wider die Gebühr geschieht, im Gegentheil jeder der­ selben, nach den leitenden Grundsätzen des HauseS behandelt werde, und wo sie wahrnehmen, daß dieses nicht geschieht, sogleich den Direk­ tor davon in Kenntniß zu setzen. IV. Die Wahrnehmung des wissenschaftlichen Inte­ resses für die Förderung der Kunde von den Seelenstörungen betreffend-

§. 12. Die Theilnahme der Geistlichen an der Leitung und Be­ handlung der Irren, bietet ihnen, als Psychologen, eine ausgezeichnete Gelegenheit zu mannigfaltiger Beobachtung dar, die für die Wissen schäft nicht verloren gehen darf. Denn es ist gewiß von ungemeinem Interesse, daß hier zur Seite der Aerzte, deren ganze Stellung es mit sich bringt, daß sie neben den psychischen Beziehungen vorzugsweise die somatischen bey der Behandlung dieser Kranken int Ange behal­ ten, noch andere wissenschaftlich gebildete und zumal mit der Psycho­ logie vertrauten Männern stehen, die , ausschließlich der Anstatt ge­ widmet, es zu einer ihrer Hauptaufgaben machen dürfen, den Ur­ sprung und Gang der verschiedenen Seelenstörungen, durch ihre man­ nigfaltigen Entwickelungen und die Aberrationen aller einzelnen Seelenthätigkeiten blos von dem Standpunkte des Psychologen auS, aufzufaffen und zu verfolgen, und die so im Stande sind, das Bild der Krankheit blos in dieser Beziehung und ganz abgesehen von dem so­ matischen Factor, in sich aufzunehmen und zum Frommen der Wissen­ schaft aufzuzeichnen. 13. Es werden daher die Geistlichen auch über solche in der Anstalt vorkommende Krankheitsfälle die ein^größereS Interesse dar-

3ö2 bieten, ein Tagebuch führen, welches sie bey dem Abgänge oder Tode deS betreffenden Kranken dem Director übergeben, und welches den

Akten beigefügt werden wird, um nach Umständen, für das Beste der Wissenschaft den geeigneten Gebrauch davon zu machen. Ueber die

Art, wie jenes Tagebuch zu führen ist, werden sie sich mit dem Direc­ tor benehmen, der auch die Fälle jedesmal bezeichnen wird, die sich für die Führung dieser Tagebücher am meisten eignen, und dabey da­ hin sehen wird, daß dieses Geschäft niemals durch eine zu grrße Ausdehnung für die Geistlichen drückend werde. Nebstdem aber wer­ den die Geistlichen , nach Maaßgabe des Bedürfnisses, einmal in jeder

Woche oder in vierzehn Tagen, nach der jedesmaligen näheren Be­

stimmung des Directors, mit den Aerzten zusammentreten, um das Speziellere über die» jedesmal vorhandenen Krankheitsfälle und das darin auch in psychischer Beziehung zu beobachtende Verfahren, so wie das Ergebniß der seitherigen Beobachtungen in dieser Beziehung, ge­ meinschaftlich mit ihnen zu berathen und zu erörtern.

§. 14.

Außerdem werden die Geistlichen, jeder zweymal wöchent­

lich, und zwar der katholische am Montag und Donnerstag, der evan­

gelische am Dienstag und Freitag oder auch, wenn die Geistlichen sich darüber unter einander verstehen, in umgekehrter Reihenfolge, den ärztlichen Morgen-Krankenbesuchen beiwohnen, um zu den fortlaufen­

den Mittheilungen und Besprechungen über die in der Behandlung befindlichen. Kranken zwischen ihnen und den Aerzten, eine regelmä­ ßige Gelegenheit zu geben..

V.

Allgemeine Bestimmungen.

15. Mit Ausnahme dessen, was hinsichtlich der gottesdienstli­ chen Verrichtungen und der zweimal wöchentlich statt findenden Bey­

wohnung des Krankenbesuches, so wie der im Verlauf des Monates

angeordneten Conferenzen bestimmt ist, sind die Geistlichen für ihre in der gegenwärtigen Instruction bezeichneten amtlichen Geschäfte an keine speziellen Zeitbestimmungen gebunden, da solche sich weder mit der Art ihrer Wirksamkeit vertragen, noch bey dem von ihnen zu erwartenden Eifer für die Erfüllung ihrer Berufspflichten erforder­ lich scheinen, und es wird nur im Allgemeinen angenommen, daß sie

im Durchschnitt der Anstalt

für ihre sämmtlichen auf dieselbe Bezug

habenden Geschäfte die halbe Tageszeit widmen werden.



363



§ 16. Uebrigerrs haben sie, gleich dem übrigen Beamtenperso­ nale der Anstalt, den Director derselben hinsichtlich alles dessen, was ihre äußeren Verhältnisse und die in der Instruction besonders be­ zeichneten Gegenstände betrifft, als ihren nächsten Vorgesetzten an­ zusehen. §. 17. Für Entfernungen von ihrem Posten für den Zeitraum von einem halben Tage bis zu drey Tagen, kann der Director den Geistlichen auf ihr Ansuchen Urlaub ertheilen. Begehren sie aber Ur­ laub für eine längere Zeit, so muß dieser bey der Verwaltungs-Com­ mission für die Heil-Anstalt in Köln, durch den Director für sie nach­ gesucht werden.

Vierzehntes Hausverwaltung.

Kapitel.

Die Hausordnung.

1. Vom ersten März bis letzten September weckt der Nacht­ wächter sämmtliche Glieder deS Dienstpersonals der Anstalt um halb fünf Uhr, in den übr-igen Monaten um fünf Uhr, und eine Viertel­ stunde später geht jeder an das ihm zugewiesene Geschäft.

§. 2. Um halb sechs Uhr im Sommerhalbjahr und resp, halb steben Uhr im Winterhalbjahr giebt die Hausglocke, von dem Oberwär­ ter gezogen, das Zeichen zum Aufstehen für die Verpflegten, und die

Dienstboten, denen die Wartung derselben anvertrant ist, achten dar­ auf, daß alle ohne Ausnahme, insofern nicht durch den Director für Einzelne deshalb besondere Bestimmungen getroffen werden, sogleich

aufstehen und ihre Kleidung vollständig und ordentlich anlegen. — Die Oberwärter und die Oberwärterin werden sich jeden Morgen

durch eigene Aufsicht in den verschiedenen resp. Abtheilungen des Hau­ ses überzeugen, daß die Wärter, so bald sie geweckt sind, aufste­ hen und später auch die Kranken zu der bestimmten Zeit aufstehen lassen.

§. 3. Gleich nach dem Ankleiden bringen die zur normalmaßigen Verpflegung aufgenommenen Kranken, so wert sie zu solchem Ge­ schäfte tauglich sind, vereinigt mit den Wärtern und unter deren An­ leitung, die Lagerstätten wieder in Ordnung und reinigen die Schlaft

zimmer, worauf sänuntliche Kranke von chen Wärtern zu den gemein­ schaftlichen Waschplätzen geführt werden und dahin gesehen wird, daß jeder sich gehörig Hände und Gesicht wascht und das Haar kämmt. — Kranke, die in größerer Beschränkung gehalten werden müssen, oder bey denen die Art ihrer Verpflegung es so mit sich bringt, waschen und kämmen sich in ihren Schlafzimmern, oder es verrichten, wo es

erforderlich ist, auch die Wärter diesen Dienst an ihnen j. 4. Ankleiden, Waschen, Kämmen, Bettmachen und Reinigen

365 ter Schlafzimmer muß m eintr Stunde geschehen seyn Alsdann be­ geben sich die m Gemeinschaft lebenden Kranken mit ihren Wärtern in die jeder Abtheilung bestimmten Wohnzimmer, um der Morgenandacht beyzuwohnen; diese wird mit denjenigen Kranken, die wenig­ stens ihrem äußerlichen Benehmen nach geschickt sind derselben beizuwobnen, mit Berücksichtigung der Religion in welcher sie erzogen sind, in solcher Art gehalten, wie es der Director ihrem Zustande und ibren Bedürfnissen angemessen erachtet. Auf jeden Fall muß dieselbe auf die Zeit einer Viertelstunde beschränkt bleiben. §.5. Um sieben Uhr und resp, acht Uhr giebt die Glocke, die auch bey den übrigen Mahlzeitsstunden angezogen wird, da- Zeichen zum Frühstück für die Kranken. Denjenigen Kranken die einzeln woh­ nen, seyen solches nun schwerer Erkrankte oder seyen es Wohlhaben­ dere, die ihre eigenen Zimmer haben, wird das Frühstück von den Wärtern in ihre resp. Gemächer gebracht und von ihnen unter Auf­ sicht derselben genossen. Die übrigen versammeln sich in den gemein­ samen Speisezimmern, wohin die Wärter daS Frühstück aus der Küche holen. Ein jeder seht sich dabei auf den ihm bestimmten Platz und die Wärter sehen dahin, daß alles dabei ruhig und sittsam zugeht. Sie theilen einem jeden die ihm bestimmte Portion zu, ermuntern die Säumigen und geben acht, daß keiner des andern Theil angreift, und daß nichts von den Speisen umkommt. $. 6. Nach 7 und resp. 8 Uhr nimmt auch daS Dienstpersonal in den dazu bestimmten Lokalen das Frühstück zu sich, und zwar daS Wärterpersonal so, daß dasselbe sich nach der Bestimmung der Ober­ wärter und der Oberwärterin dergestalt in die gegebene Zeit theilt, daß immer eine gewisse Anzahl Wärter und Wärterinnen zum Dienst und zur Beaufsichtigung der Kranken in den resp. Abtheilungen zu­ rückbleibt, während die übrigen frühstücken, jede Partie aber ihr Früh­ stück binnen zwanzig Minuten beendigt. J. 7. Nach dem Frühstück begeben sich die Kranken, die dazu fähig erachtet werden, an die ihnen nach Maaßgabe ihres Zustandes und der übrigen Verhältnisse zugetheilten wechselnden Beschäftigungen und Arbeiten, und bleiben dabei bis zur Mittagsstunde, jedoch mit einer dazwischen fallenden Erholungszeit bei warmem Wetter für die im Freien mit Garten- oder Feldarbeit ernstlich beschäftigten. 8. Alle diese Arbeiten verrichten sie, so weit es mechanische und körperliche sind, unter Leitung und Mitwirkung der Wärter, so

366 wie unter der Aufsicht der Oberwärter; soweit sie aber mehr in Ver­

standes-Beschäftigungen und Uebungen bestehen, unterziehen sich die Geistlichen, der zweyte Arzt und der ärztliche Assistent der Beaufsich­

tigung und Leitung derselben.

9.

Es wird hiebei erinnert, daß eine regelmäßige Beschäfti­

gung der Kranken, die ihren Kräften und Fähigkeiten angemessen ist,

als ein Grundgesetz der Anstalt anzusehen ist, dessen Beobachtung sich niemand, wes Standes er immer sey, entziehen kann, da dasselbe als

wesentlich zur Beförderung

der Kurversuche, der

Zufriedenheit der

Kranken und der Erhaltung der Hausordnung betrachtet wird.

Die

Gattung der Beschäftigungen, ihr Wechsel, ihre Dauer u. s. w. wer­ den durch den Director selbst für alle Kranken, mit Rücksicht auf ihr

Befinden bestimmt, und muß von diesen also, ihre Art sey welche sie

wolle, als ein Theil der Kurvorschriften beobachtet werden. §. 10.

Um 12 Uhr ist für die, die Normalverpflegung genießen­

den Kranken die Stunde deS Mittags-Essens, wozu die damit beson­ ders beauftragten Wärter, die Zurüstungen

in den Speisezimmern

Vorher zu besorgen haben.

11.

Denjenigen Kranken die eigene Wohnzimmer haben, oder

die auf besondere Zimmer beschränkt sind, wird das Essen dorthin ge­

bracht, und von den Wärtern, hier wie in den gemeinschaftlichen

Speisesälen, überall dahin gesehen,

daß die Kranken, in soweit sie

ihrem Zustande nach dazu fähig sind, ihre Mahlzeit den Erfordernis­ sen der Gesundheit und der Sitte gemäß halten.

§. 12.

Da wo die Kranken gemeinschaftlich essen und wo der

Zustand derselben es sonst gestattet, wird von einem dazu bestellten

reconvalescirenden Kranken, oder nach

von einem der Wärter, vor und

dem Essen ein kurzes Tischgebet gesprochen und dahin gesehen,

daß die Kranken dasselbe ruhig und sittsam abwarten. Vor dem Essen wird dieses Gebet erst gesprochen, nachdem die Suppe

schon ausge-

theilt und erkaltet ist, und erst nach dem Gebet werden

die Löffel,

Gabeln und Messer umgetheilt. $. 13.

Die für die Kranken bestimmten Speisen werden von den

Wärtern in den vorschriftsmäßigen Quantitäten vertheilt, und es ha­ ben letztere mit eben der Aufmerksamkeit darüber zu wachen, daß je­

der sein Gebühr erhalte, als daß keiner über dasselbe esse,

und zu­

mal nicht dasjenige, was anderen Kranken zukommt, oder waS diese von ihren Portionen allenfalls nicht zu sich nehmen, an sich reiße und

367

verzehre Wo letzteres geschieht, haben bie Wärter solches jedesmal den Oberwärtern anzuzeigen, damit diese die Ahndung solcher Unge­ bühr durch entsprechende Entziehung von Speisen bei der nächsten Mahlzeit oder auf andere Weise veranlassen. §. 14. Erregt einer der Tischgenossen während der Mahlzeit auf eine ihm zuzurechnende Weise Unruhe und Streit, oder beträgt er sich sonst ungebührlich, ohne sich durch den Wärter oder Oberwärter zurechtweisen zu lassen, so wird er weggeführt und eingesperrt, und muß den Rest des ihm bestimmten Mahles entbehren. Die Oberwär­ ter sind jedoch verpflichtet, davon sogleich den Director oder den zwei­ ten Arzt in Kenntniß zu sehen. §. 15. Diejenigen Kranken, welche als Pensionaire der hohem Klaffen einen besseren Tisch erhalten, wird das Essen um halb ein Uhr gebracht. Um ein Uhr aber muß überall die Mahlzeit der Kran­ ken beendigt seyn und alles bei derselben gebrauchte Geräthe, sammt allen nicht genossenen Speisen wieder in die Küche gebracht werden. Auf letzteres ist mit Sorgfalt zu achten, und nicht zu dulden, daß die Kranken von den ihnen gereichten Speisen etwas zurückbehal­ ten und aufbewahren, da bey den verschiedenen Mahlzeiten nur dem jedesmaligen Bedürfnisse genügt, in den Zwischenzeiten aber um so weniger etwas genossen werden soll, da in diesen die Arzneyen denjenigen gereicht werden, denen solche bestimmt sind. — Hiervon wird blos hinsichtlich des zum Frühstück gereichten Brodes eine Aus­ nahme gestattet, wovon die Kranken einen Theil aufbcwahren kön­ nen , um ihn später zu genießen, wenn sie zwischen der Frühstücks­ und Mittagsstunde hungrig werden*). *) Von der Nothwendigkeit den in der Anstalt Verpflegten — mit Ausnahme der Falle, wo nach acuten Krankheiten während der Reconvalescenz die Reproductionsthätigkeit des Organismus unge­ wöhnlich gesteigert ist oder bey Abzehrungen und Zuständen großer Schwäche, besondere Maaßregeln erheischen, — zu außerordent­ lichen Zelten und zumal wahrend der Nacht Nahrungsmittel, Brod u. dgl. zu reichen, habe lch mich niemals überzeugen können und kann nicht anders als die hierauf gegründeten, hin und wieder getroffenen Anordnungen, daß Wärter sogar bey Nacht in den Krankensalen umher gehen sollen um den Hungernden Brod zu reichen als titicn in allem Betracht höchst verderblichen Misbranch anzusehen, so sehr derselbe auch den Anschein größerer Mensch-

368

1/j. Wahrend der ganzen Dauer des Mittagseffens der Kran­ ken, werden die beiden Oberwärter und die Oberwärtenn in den ver­ schiedenen ihrer Aufsicht anvertrauten Abtheilungen der Anstalt um­ hergehen, um sich zu überzeugen, daß alleS dabei vorschriftsmäßig zu­ geht, und um jeder sich ereignenden Unordnung zu steuern, und er­ forderlichen Falles, dem Director, oder wenn die Sache dringend ist, dem um piese Zeit dieselben Lokal» besuchenden zweyten Arzt, An­ zeige davon zu machen. § 17. Um halb ein Uhr wird daS Essen für daS Dienstperson ual aufgetragen. Doch bleibt, wie beym Frühstück, ein Theil der Wärter zur Aufsicht bey den Kranken zuruck, um erst dann seine Mahlzeit einzunehmen, wenn die übrigen abgespeist haben. §. 18 Um halb zwey Uhr kehren die sämmtlichen Dienstleute, so wie die die Normalverpflegung genießenden Kranken, und um zwey Uhr auch die übrigen Kranken zu den ihnen für den Nachmittag und Abend bestimmten Beschäftigungen zurück. 19. Um vier Uhr werden diese Beschäftigungen durch eine Er­ holungszeit unterbrochen, in welcher sich die Kranken in ihren ver­ schiedenen Wohnzimmern zum Genuß des Vesperbrodes versammeln; worauf dann wieder bis um 7 Uhr zu den angeordneten Beschäftigun­ gen geschritten wird. h. 20. Für die Kranken au- den höhern Derpflegungsklassen, die sich durch ihr Verhalten und Befinden dazu eignen, so wie für sol­ che andere Kranke, denen der Director in Rücksicht ihrer Bildungs­ stufe und ihres guten Betragens ausnahmsweise die Erlaubniß dazu ertheilt, wird von 12 bis 2 Uhr Mittags, und von 7 bis 9 Uhr Abends, der gemeinschaftliche Versammlungssaal geöffnet, um sich in demselben mit Gespräch, Musik, Billard und andern gesellschaftlichen Spielen zu ergötzen. Eben so wird dieser Saal für die eben bezeich­ neten Kranken an den Sonn- und Festtagen auch an den übrigen Stunden geöffnet, die nicht für den Gottesdienst bestimmt sind. 21. Um halb acht Uhr speisen dre die Normalverpflegung ge-

lichkeit an sich tragen mag. — Solche Kranke aber, deren Zustand für eine gewisse Periode die häufigere Reichung von Nahrungs­ mitteln nothwendig macht, müssen jedes Mal in die für Bettlä­ gerige bestimmteZimmer verlegt und unter der Aufsicht der diesen gewidmeten Wärter gestellt werden.

369 meßenden, und um 8 Uhr die übrigen Kranken zu Nacht, wofür die­ selben Anordnungen gelten, wie beym Mittagsessen. Für das Dienstpersonal wird das Essen um 8 Uhr ausgetragen, wobey ein Theil der Wärter den andern ebenfalls, wie beym Mit« tagsess.n ablöst.

§• 22. Nach 9 Uhr wird eine Abendandacht, auf gleiche Weise wie die Morgenandacht gehalten- Dann werden um halb 10 Uhr die Kranken in ihre Schlafzimmer geführt und dahin gesehen, daß ste sich ohne Verzug, ordentlich AuSkleiden und zur Ruhe niederlegen, wo­ rauf auch die bei ihnen schlafenden Wärter, nachdem sie zuvor in den

Kleidern der Kranken nachgesehen,

ob sie nichts Ungehöriges enthal«

ten und dieselben bis zum nächsten Morgen weggeschlossen haben, zn Bette gehen. Nicht minder müssen die Knechte und Mägde bis dahin schon sämmtlich zur Ruhe gegangen seyn, dergestalt, daß, wenn der Nacht­ wächter um zehn Uhr seine erste Runde macht, er überall, mit Aus­ nahme der Beamtenwohnungen, der Zimmer für die auch bey Tage bettlägerigen Kranken und derjenigen Abtheilungen, in welchen sich

die wegen ihrer störenden Unruhe abgesonderten Kranken befinden,

alles zur Nachtruhe gerüstet und, außer den Lampen welche während der Nachtzeit brennen sollen, alle Lichter ausgelöscht findet.

§. 23.

Die Wärter haben darauf zu achten, daß alle Kranken,

mit Ausnahme der oben erwähnten, deren Zustand es augenblicklich nicht gestattet, sie an bestimmte Vorschriften, zu binden, sich während

der Nacht stille verhalte», ihre Betten nicht verlassen und auf Feine

Weise die übrigen Hausgenossen stören- Kranke, die diese Vorschrif­ ten nicht befolgen, werden in eine andere Abtheilung gebracht, bi«

sie in ihrer Besserung weiter vorgerückt sind. Außer der Schlafzeit dürfen die Kranken, mit Ausnahme der schwerer leidenden, in denen für solche bestimmten Zimmern, durchaus nicht auf ihren Betten lie­ gen, und es wird überhaupt nicht gestattet, daß sich die Kranken bey

Tage in den Schlafzimmern aufhalten. §. 24.

Auch darf kein Kranker

ohne Erlaubniß des Direktor«

die Abtheilung und Zimmer der Anstalt, die ihm zum Aufenthalt an­

gewiesen sind, mit andern vertauschen oder andere Abtheilungen und Zimmer der Anstalt ohne eine solche Erlaubniß besuchgn§. 25. An den Sonn - und Feiertagen wird hinsichtlich »e« Auf­ stehens und ZubettegehenS,

der Morgen

und Abendandacht,

24

de«

370

Frühstücks, der Mittags- und Abendmahlzeit, was die dabei zu beob­ achtende Ordnung betrifft, alles eben so gehalten, wie an den Werk­ tagen. Hinsichtlich der für diese Tage geeigneten Beschäftigungen, Erholungen und Vergnügungen, wird der Director stets das Erfor­ derliche bestimmen. In Bezug auf die an solchen oder andern Tagen vorzunrhmenden Spatziergänge außerhalb des Gebietes der Anstalt, wird jedoch hier ausdrücklich bemerkt, daß die begleitenden Wärter sich hinsichtlich der einzuschlagenden Wege und zu besuchenden Oertergenau an die ihnen desfalls ertheilten Vorschriften zu binden und daß die Kranken daher auch ihrer Führung zu folgen haben. §. 26. Dem Gottesdienste, der an den Sonn- und Festtagen in der Kirche zu verschiedenen Stunden für die katholischen und evangelischen Christen angeordnet ist, wohnen, außer den Dienstleulen der Anstalt, die insgesammt zum pünktlichen Besuch der Kirche verpflichtet sind, alle Kranke, die zu der einen oder der andern Con­ cession gehören, bey, insofern man sich von ihnen ein ruhiges und ittsames Betragen versprechen darf. Sie werden von den Wärtern, velchen die Aufsicht über sie anvertraut ist, in die Kirche geführt, und lehmen dort diejenigen Plätze ein, die ihnen von den Oberwärtern lind der Oberwärterin, d^e, der Erhaltung und Ordnung wegen, dem AotteSdienste beider Confessionen beiwohnen müssen, doch so daß die Oberwärterin sich, wenn die Umstände eS erheischen, durch eine dazu geeignete Wärterin vertreten lassen kann, angewiesen werden, und die sie bis zum Schlüsse des Gottesdienstes nicht verlassen dürfen. — Wird ein Kranker unruhig in der Kirche, oder veranlaßt er auf ir­ gend eine Weise Störung, worauf die Oberwärter und die Oberwarterin sorgsam zu achten haben, so wird er von seinem Wärter mit so wenig Geräusch wie möglich hinausgeführt und nicht eher wieder zum Gottesdienste zugelassen, bis man hoffen darf, ein angemesseneres Be­ tragen von ihm beobachtet zu sehen. §. 27. Zu dem katholischen Gottesdienste werden keine andere Personen zugelassen, als die in der Anstalt wohnenden, indem die ka­ tholischen Bewohner der Stadt und ihrer Nachbarschaft außerdem hin­ länglich Gelegenheit zur kirchlichen Andacht haben. An dem evange­ lischen Gottesdienste hingegen, wird den sich zur evangelischen Kirche bekennenden Bewohnern der Stadt und Umgegend, da sie sonst keine Gelegenheit zur" Befriedigung dieses religiösen Bedürfnisse- haben, die Theilnahme unter den anderwärts sestgestellten Bedingungen , ge­ stattet.

371

28 ES wird von allen Bewohnern des Hauses gefordert, daß sie stille, friedlich und sittsam zusammen leben, und sich einander dienst­ willig und behülflich erweisen. Dagegen ist alleS Zanken, Schreien, Verhöhnen, Schwören, Schelten, so wie überhaupt der Gebrauch aller ungezogenen und unsittlichen Reden, und daher noch mehr aller der­ gleichen Handlungen und Geberden, durchaus untersagt. Thätlichen Mißhandlungen, welcher Art sie auch seyn mögen, welche die Haus­ genossen aneinander verüben könnten, wird allemal strenge Ahndung folgen, die der Director in jedem besonderen Falle bestimmen, oder, wenn dieser durch seine Erheblichkeit sich dazu eignet, bey der höheren Behörde veranlassen wird. 29. Wie die Wärter sich alles unnöthigen thätlichen Zwan­ ges und um so mehr aller Mißhandlungen an den ihrer Obhut an­ vertrauten Kranken enthalten und dieselben vielmehr mit der möglich­ sten Schonung und Milde behandeln sollen und welche Folgen es für sie hat, wenn sie sich des Gegentheiles schuldig machen, ist in der Wärterordnung bestimmt, und es können sich die Kranken, wenn ihre Wärter sich in letzterwähnter Art gegen sie vergehen sollten, deS kräftigsten Schutzes von Seiten der Vorsteher der Anstalt versichert halten. tz. 30. Auf der andern Seite muß aber auch alles Ernstes dahin gesehen werden, daß die Wärter in ihrem schweren Dienste vor Ver­ unglimpfungen und willkührllchen Mißhandlungen von Seiten der Kranken geschützt bleiben, und eS muß daher namentlich jede gegen einen Wärter in seinem Dienste von einem Kranken verübte Miß­ handlung und demselben zugefügte Verletzung, nach dem Maaße, in welchem dem Kranken seine Handlungen als mit Bewußtseyn und Ueberlegung vollbracht, zugerechnet werden können, auch unvermeid­ lich eine geeignete Corrections-Strafe nach sich ziehen. Ueberhaupt haben die Kranken ihre Wärter, insofern sie ihren Dienstpflichten vorschriftsmäßig nachkommen, als die Vollstrecker der Anordnungen und gewissermaaßen als die Stellvertreter des DirectorS der Anstalt anzusehen, und daher allen ihren Aufforderungen in Be­ zug auf sittliches Verhalten , Beschäftigung, Arzneigebrauch und auf die Befolgung aller sonstigen für ihr Wohl getroffenen Anordnungen, wenn sie letztere auch für jetzt nicht als solche anzuerkennen vermö­ gen, ohne Widerstreben Folge zu leisten, und es kann daher irgend eine Verunglimpfung der Wärter durch die Kranken, und zumal ein thätliches Vergreifen an denselben, niemals geduldet werden.

372

§. 31. Cs muß hlebel ausdrücklich daran erinnert werden, daß der Zustand der Kranken und das Verhältniß, in welchem ste sich in der Anstalt befinden, eine unbedingte Befolgung der von dem Direk­ tor hinsichtlich ihrer getroffenen Anordnungen unerläßlich macht und daher auch die Nothwendigkeit mit sich führt, daß, wenn sie diesen Anordnungen widerstreben und denselben mit einer Unfolgsamkett, die durch Güte nicht beseitigt werden kann, oder sogar mit Trotz und roher Widersetzlichkeit entgegentreten, solchem bedaurungswürdigen Benehmen durch geeignete Mittel begegnet und diese Wider­ spenstigkeit besiegt werben muß. Es kann daher selbst nöthig werden, in solchen Fällen dergleichen Kranke durch Einsperrung, Entziehung eines Theiles ihrer Mahlzeiten, Befestigng in einer gezwungenen Stellung oder Lage u. dergl. m. zu größerer Folgsamkeit zu bewegen. — Wo aber dieses nichts fruchtet, bleibt nichts anders übrig, als so schwer leidende Kranke, die durch solche Nichtachtung der Gesetze deS HauseS und durch solches Widerstreben gegen die zu ihrem Wohle getroffenen Anordnungen beweisen, daß sie sich für die Freiheit und Annehmlichkeit der Lage, deren sie in der Abtheilung, in der sie sich befinden, genießen, noch nicht eignen, bis zu ihrer weiter vorgeschrit­ tenen Besserung, in eine andere Abtheilung der Anstalt zu versetzen, in der sie außer Stande sind, andere thätlich zu verletzen oder ihnen durch ihr Beyspiel zu schaden und die Ordnung und Ruhe deS Hau­ se- zu stören. §.32. Auf der andern Seite aber wird den Kranken jede Annehm­ lichkeit und Erleichterung ihrer Lage, die mit der Einrichtung undOekonomie des Hauses, mit den bestehenden Gesetzen desselben und dem waS ihr GesundheitSwohl erheischt, verträglich ist, gerne gewährt wer­ den, und sie können sich mit dahin zielenden Bitten, so wie auch mit ihren Beschwerden über wirkliche oder vermeintliche Verletzungen ihrer Berechtigungen, gleich wie über erfahrne Verunglimpfungen und Miß­ handlungen, zutrauensvoll an den Director der Anstalt wenden, den si.e in jedem Betracht als ihren Freund und nächsten Beschützer anzu­ sehen haben, so wie auch der zweyte Arzt, die beiden Geistlichen und die übrigen Beamten des Hauses nicht minder ihrem Vertrauen stets mit Wohlwollen entgegenkommen und sich für die Beförderung ihres Wohlseyns und ihrer Zufriedenheit eifrig bestrebt erweisen werden.

§. 33. Da für die Befriedigung aller Bedürfnisse der Kranken, die sie in der Anstalt haben können, durch die Verwaltung gesorgt

373 wird, und auch da, wo bey den wohlhabenderen PensionairS, auf doren Wunsch etwas zum Vergnügen oder Luxus aufgewendet werden darf, die Bestreitung der desfallsigen Auslagen von dew Verwalter aus den ihm dazu durch die Angehörigen überwiesenen Mitteln erfolgt, so haben die Kranken keinen Anlaß, selbst Geld zu gebrauchen, und da solches eben so wie Ubren, Ringe und andere Sachen von Werth­ nicht in ihren Händen gelassen werden kann, ohne die Besorgniß einemöglichen Verlustes oder MißbrauchS durch sie oder ihre Umgebungen, so besteht die Vorschrift, daß altes dergleichen bey ihrer Ankunft in der An­ stalt dem Verwalter übergeben und von diesem bis zu ihrer Wiederentlassuttg in Verwahr gehalten wird; und es kann hinsichtlich der Uhren oder dgl. Gegenstände, nur von dem Director für Kranke, bey wel­ chen kein Mißbrauch zu besorgen ist, eine Ausnahme gestattet werden, die in Bezug auf Geld aber nie statt findet*).

*) Den Kranken Geld in die Hände zu geben, muß immer als zweck­ widrig betrachtet werden, da nicht allein für ihre Bedürfnisse im strengeren Sinne, sondern auch für Ergötzlichsten und gewohnte Annehmlichkeiten des Lebens brs zu einem durch die Verhältnisse bedingten Maaße mit Aufmerksamkeit durch die Verwaltung ge­ sorgt seyn soll, so daß der Kranke kein Geld bedarf, während die Gefahr des Verschleuderns und MisbrauchS bey ihm zu nahe liegt als daß dieses einer besondern Auseinandersetzung bedürfte, mehr als alles andere aber dieses, in Betracht kommt, daß zumal reichere Kranke durch Geld oder Kostbarkeiten, die man ihnen läßt, jeden Augenblick im Stande sind die Treue deS Wärters auf die Probe stellen und gefährden zu können. — AuS diesen und ähnlichen Gründen ist es auch in der Siegburger Anstalt nicht für rathsam erachtet worden den Kranken aus den unteren Stän­ den für Fleiß und Wohlverh'alten kleine Geschenke an Geld zu gewähren, wie es verschiedentlich sehr empfohlen worden und an­ derwärts üblich ist, damit sie sich allerley Naschereyen und sonst Nicht gereichte Speisen, Kaffee, Zucker, Taback u. dgl. kaufen können, zu welchem Behuf auf dem Sonnenstein eine förmlich organisirte, nach meinem Dafürhalten aber nichts weniger als nachahmenswerthe, Höckerwirthschaft besteht. In der hiesigen An­ stalt wird das gute Verhalten nnd der Fleiß der Kranken viel­ mehr hauptsächlich durch Beweise eines größeren Vertrauens und durch die Gewährung einer minder beschränkteru Fr-eyheit auf

374 §. 34. Die von den Kranken mitgebrachten Kleidungsstücke, Wäsche, Bücher, Musikalien und andere Gegenstände, die ihnen zum Gebrauch gelassen werden, werden dem betreffenden Wärter übergeben, der dafür verantwortlich ist, diese Gegenstände daher in seinem Ver­ wahr und unter Schluß hat, und solche dem Kranken nach Bedarf verabreicht. ES darf der Wärter daher auch nicht dulden, daß der Kranke von den ihm zugehörigen Sachen während seines Aufenthaltes in der Anstalt an andere etwas weggiebt, oder verschleudert, und hat wo er dergleichen bemerkt, solches zu hindern und dem Oberwärter oder Verwalter sogleich davon Anzeige zn machen. In gleichem Maa­ ße hat der Wärter darüber zu wachen, daß von den der Anstalt zu­ gehörigen Gegenständen, sie seyen welcher Art sie wollen, nichts durch die Kranken beschädigt, oder zerstört werde, und wo dergleichen den­ noch geschieht, solches ebenfalls in oberwähnter Weise anznzeigen35. Von den Kranken während ihres Aufenthaltes in der An­ stalt Geschenke irgend einer Art anzunehmen, ist den Wärtern sowohl als allen übrigen Dienstlenten des Hauses bey Strafe augenblicklilicher Entlassung untersagt *). Blos wenn die Kranken die Anstalt wieder geheilt oder auch ungeheilt verlassen, und deren Angehörigen

dem Gebiete des Instituts, ferner durch die Bewilligung von Ta­ back (der jedoch den männlichen Kranken die in der Regel daran gewöhnt sind ziemlich allgemein in bestimmten Portionen täglich gereicht und nur bey Uebelverhalten entzogen wird) und durch mancherley kleine Geschenke: Tabackspfeifen und Dosen, Bleistifte, Papier, Nadelköcher, Fingerhüte, Scheeren, bessere Hauben und Halstücher u. dgl. m., so wie durch eine sorgfältigere Berücksich­ tigung mannigfaltiger kleiner Bedürfnisse und Wünsche belohnt. Doch werden zuweilen auch Geldgeschenke von ein Paar Thalern ertheilt, aber allein solchen ärmeren Reconvalescenten die sich im Dienste der Anstalt vorzüglich thätig erweisen und für welche der Verwalter dann diese Geschenke bis zu ihrer Entlassung in Ver­ wahr behält, bey welcher sie ihnen verabfolgt werden, um ihnen bey ihrem Wiedereintritt in daS selbstständige Leben zu einer klei­ nen Unterstützung zu dienen. *) Eben so von den den Kranken gehörigen Kleidungsstücken und andern Dingen irgend , etwas für sich selbst in Gebrauch zu neh­ men.

375 dem Wärter oder andern Gliedern des Dienstpersonals für eine sorg­ fältige Verpflegung aus freyen Stucken ein Geschenk machen wollen, darf solches nach eingeholter Erlaubniß des Direktors angenommen werden. $• 36. Gleichfalls ist eS den Wärtern und sonstigen Dienstleuten deS Hauses untersagt, die Besorgung von Anschaffungen irgend ei­ ner Art, oder die Besorgung von Briefen, Botschaften u. s. w. auf daS bloße Verlangen der-Kranken, ohne ausdrückliche Genehmigung von Seiten des Directors, zu übernehmen oder dergleichen durch an» dere geschehen zu lassen, und es wird jeder Unterschleif dieser Art, der Dienstbote mag mittelbar oder unmittelbar dabey betheiligt seyn, durch Dienstentlassung bestraft werden. §. 37. Nicht minder ist eS den sämmtlichen Dienstleuten auf daS strengste untersagt, irgend etwas was den Kranken zu ihrer Ver­ pflegung von der Anstalt gereicht wird, sich zuzueignen und sich dessen zu bedienen, oder auch etwas waS ihnen selbst, als zu ihrer Derpflegung gehörig, in der Anstalt gereicht wird, auS derselben wegzutragen oder wegtragen zu lassen. $. 38. Allen Kranken und Dienstleuten ist daS Tabackrauchen im Innern der Gebäude untersagt; und auch für daS Tabackrauchen in den Höfen und Gärten der Anstalt, bedarf es für die einzelnen Per­ sonen einer besondern Erlaubniß von Seiten des DirectorS, und die­ se selbst wird immer nur unter gewissen Beschränkungen und unter Bestimmung der Quantität deS täglich zu verbrauchenden Tabacks, ertheilt werden. Eben so hängt der Gebrauch deS SchnupftabackS von der Genehmigung deS DirectorS ab, und darf immer nur sehr mäßig statt finden. Hinsichtlich des Tabackrauchens findet eine Ausnahme allein für die ein eigenes Zimmer bewohnenden Pensionairs statt, welche auf je­ nen in dem gestatteten Maaße rauchen, aber ebenfalls mit der bren­ nenden Pfeife weder die Corndors noch den Gesellschaftssaal betreten dürfen. 39. Der Genuß deS Brantweins, der Liqueure uni) aller in diese Klaffe gehörigen starken Getränke, ist sämmtlichen Hausgenossen im ganzen Bezirke der Anstalt strenge untersagt» Sollten die Dienst­ leute sich aber auch außerhalb deS Gebietes der Anstalt dem Genusse dieser oder anderer berauschenden Gezänke im Uebermaaße überlassen, so werden sie im ersten Betretyngsfall von dem Verwalter vor ihren

376

versammelten Dienstgenossen gewarnt, im zweyten Betretungsfatte aber, ohne Weitere- au- dem Dienste der Anstalt entlassen werden, ß. 40. Ein jeder der Hausgenossen ist verpflichtet zur Erhaltung der Ordnung und Reinlichkeit in allen Theilen des Hauses, so wie der Höfe und Gärten, mitzuwirken und so viel möglich alle- zu ver­ meiden, waS Unordnung und Schmutz verursachen kann. Die tägli­ che und wöchentliche Reinigung der Zimmer, Gänge und Treppen in den von den Kranken bewohnten Theilen des Hauses, besorgen, eben so wie die Reinigung der wollenen Kleidung und deS Schuhzeuges der Kranken, die Wärter, indem sie in diesen Geschäften von denen ihnen durch den Oberwärter dazu als tauglich zugewiesenen Kranken unter­ stützt werden. Zn den anderen Abtheilungen der Anstalt liegt die Rei­ nigung in der Regel den HauS-Knechten und Mägden ob, denen aber ebenfalls nach Gutfinden und Bedürfniß disponible Wärter und Wärterinnen, oder dazu geeignete Kranke zur Hülfe gegeben werden können. Ueberhaupt aber giebt eS kein zum gewöhnlichen Dienste des Hau­ ses gehörige- Geschäft, welches sich irgend einer der Dienstleute der Anstalt, sobald es ihm von dem Director oder dem Verwalter aufge­ tragen wird, unter dem Vorwande, daß es nicht zu seinem besondern Dienste gehöre, zu verrichten weigern dürfte. $. 41. Die Beleuchtung und Heizung der verschiedenen Theile der Anstalt ist einigen besonders dazu bestellten Dienstleuten anvertraut, die darüber zu wachen haben, daß sowohl die allgemeinen, als die deshalb für einzelne Fälle besonders gegebenen Vorschriften, pünktlich befolgt werden, und daß sich kein dazu unbefugter, mit diesen Ge» genständen befasse. §. 42. Glaubt ein Hausgenosse Ursache zur Klage über einen an­ dern Hausgenossen oder über irgend einen Gegenstand der Verpfle­ gung oder des Dienstes zu haben, so hat er sich deshalb an seinen nächsten Vorgesetzten, und wenn er mit dessen Entscheidung nicht zufrieden ist, an den Hausverwalter und zuletzt an den Director zu wenden, bey dessen Verfügung er sich auf jeden Fall beruhi­ gen muß. §. 43. Keinem, der nicht zum Beamten- oder Dienstpersonal der Anstalt gehört, oder der nicht mit Genehmigung der Verwaltung in derselben beschäftigt ist, oder den nicht ein Gewerbe oder Auftrag, welches die Anstalt oder das Beamtenpersonal und deren Familie und Haus-

377 Haltung betrifft hinaufführt, kann der Eintritt in die Anstalt ohne förmliche Erlaubniß des Directors gestattet werden. Ohne Ausnahme aber ist es allen etwaigen näheren Angehörigen der in der Anstalt angestellten Dienstleute und namentlich deren Gatten, Eltern, Kin­ dern und Geschwistern untersagt, die Schwelle des äußeren Thores der Anstalt zu überschreiten und es kann von dieser Vorschrift nur bey ernstlichen Erkrankungen der Dienstleute eine Ausnahme statt finden, wo dann der Director für diesen Fall jedesmal eine specielle Erlaub­ niß ertheilen wird*).

*) Für den Besuch bey einzelnen Kranken, so wie für den Besuch der Anstalt von solchen welche die innere Einrichtung derselben kennen zu lernen wünschen, ertheilt der Director ebenfalls spe­ cielle Erlaubnißscheine, wobey hier die Bemerkung füglich ihren Platz findet, daß die Erlaubniß zum Besuche der Anstalt den die­ selbe Nachsuchenden bis etwa vor einem Jahre beynahe unbe­ schränkt ertheilt wurde, daß aber die großen MiSbräuche welche dabey statt fanden, indem zumal die Menge aus den unteren Ständen in diesem Besuch, wobey ein öfteres zufälliges Zu­ sammentreffen mit den Kranken doch nicht vermieden werden konnte, eine Belustigung fand, aus Rücksicht für das Wohl der Kranken und für deren Angehörige, beschränkende Maaß­ regeln durchaus unerläßlich gemacht hat, welche dem Publi­ kum durch eine öffentliche Bekanntmachung mitgetheilt worden sind. Doch ist in dieser Bekanntmachung zugleich bemerkt wor­ den, daß graduirte Aerzte und so auch andere gebildete Män­ ner, von denen man voraussetzen darf, daß ein höheres wissen­ schaftliches oder allgemein menschliches Interesse und nicht bloße Neugierde ihre Schritte zu der Anstalt führt, deren Thore für sich nie verschlossen, sondern vielmehr die bereitwilligste Aufnahme finden werden, da Besuche dieser Art für die Vorsteher des In­ stituts stets belehrend und anregend und für die Anstalt vortheilhaft seyn müssen, während im Gegentheil eine Scheu vor sol­ chen Besuchen nur ein nachtheiliges Licht auf die Verwaltung des Instituts werfen könnte. Auch hat der Verfasser dieser Schrift gleich bey der Errichtung der Anstalt, während er sich auf das Bestimmteste gegen die allgemeine Zugänglichkeit derselben für alle Besuchende ohne Unterschied erklärte, den Vorschlag ge­ than, daß einer gewissen Anzahl Personen aus der näheren und entfernteren Umgegend, sowohl weiblichen als männlichen, von



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-

denen man hoffen dürste daß sie ein reges Wohlwollen und ein verständiges Interesse für die Anstalt und die Kranken denen sie gewidmet rst, hegen würden, auszuwählen und sie einzuladen eine Gesellschaft zu bilden, deren Mitglieder die Anstalt von Zeit zu Zeit besuchten und gewissermaaßen als deren Freunde anzusehen wären, die in beständiger näherer Kenntniß ihres ganzen inneren Lebens blieben und zugleich das Mittelglied gewährten, wodurch daS größere Publikum mit der Anstalt in einer näheren Bezie­ hung bliebe und wodurch ihm die Ueberzeugung einer zweck­ mäßigen Verwaltung auf die überzeugendste Art mitgetheilt wer­ den könnte; — ein Vorschlag auf welchen emzugehen damals Bedenken getragen ward, der mir aber noch immer der Beach­ tung werth scheint.

Fünfzehntes Kapitel. Hausverwaltuyg.

Fortsetzung.

Dienstanweisung für den Verwalter.

Ueber die Stellung des Verwalters in

der Anstalt und

über sein Verhältniß zu dem Director so wie zu den übrigen Beamten, insbesondere aber auch zu dem Oekonomen, ist in dem vierzehnten Kapitel

deS

ersten Abschnittes im Allgemei­

nen das Nöthige gesagt worden, so daß wir uns hier darauf

beschränken dürfen seine Dienstanweisung mitzutheilen, in wel­ cher die näheren Bestimmungen für seine Thätigkeit zusam-

mengefaßt sind. 1.

Der Verwalter ist dem Director untergeben, so wie dem

Wärter- und Hausdienst-Personal vorgesetzt.

zur Seite.

Ein Oeconom steht ihm

Er ist Rendant der Casse, führt die Aussicht über die Po­

lizei und leitet die innere Wirthschaft des Hauses nach den, in dem Reglement vom 17. December 1824 gegebenen allgemeinen Bestim­

mungen und nach folgenden besondern Vorschriften. 2.

An jedem Morgen übergiebt er dem Director, wenn die­

ser zum Krankenbesuch kommt, einen schriftlichen Rapport, worin alle bemerkenswerthe das Dienstpersonal, die Kranken, deren Wäsche, Kleidung, Beköstigung, die Bau- und Kaffensachen betreffende Gegen­ stände, enthalten sind.

Erfolgt in der angemessenen Zeit keine Er­

ledigung , so hat er solche abermals in Antrag zu bringen.

§. 3.

Der Verwalter ist dafür verantwortlich, daß

sowohl die

Kranken als die Dienstleute, die vorgeschriebene Kost gut zubereitet, vollständig und zur gehörigen Zeit erhalten, daher er während der Zeit des Speiseanrichtens Mittags und Abends in der Küche sich aufzu­

halten, die Speisen zu kosten, die Thätigkeit der Köchin und des übn-

380 gen Küchenpersonals, einschließlich ter zur AuShülfe zugewiesenen Kranken und der dieselben beaufsichtigenden Wärterinnen, zu controliren, dieselben zur Zucht, Ordnung und Reinlichkeit anzuhalten, auch darauf zu halten hat, daß Niemand in der Küche sich aufhält, der nicht mit den Küchengeräthschaften oder der Bäckerey beauftragt ist. §. 4. .Die Beköstigung erfolgt nach der Speise-Ordnung und ohne Zustimmung des DirectorS darf davon nicht abgewichen werden. 5. Der Speisezettel ist der Speise-Ordnung gemäß, von dem Verwalter und dem Oekonom jeden Sonnabend für dre nächste Woche aufzustellen und nachdem der Director solchen genehmigt hat, fertigt der Verwalter dem Oekonomen den Zettel des täglichen Bedarfs an Victualien aus. § 6. Für die Victualien derjenigen Kranken, welche entweder, weil sie dafür bezahlen, oder weil es die Direction der Gesundheit wegen vorschreibt, eine besondere Kost erhalten, muß auf die im 5. angegebene Weise ebenfalls ein Speisezettel aufgestellt werden. 7. Jeden Nachmittag werden die für den nächsten Tag erfor­ derlichen Victualien, von dem Oeconomen, nachdem der Bedarf noch einmal nach dem wirklichen Krankenbestand und den vorhandenen Speiseresten u f. w. von dem Oeconomen und dem Verwalter festge­ pellt worden ist, in Beyseyn deS Verwalters der Köchin übergeben. Nicht gut befundene Victualien muß der Verwalter zurückweisen und darf solche auch im Nothfalle ohne Genehmigung des DirectorS, welchem davon im TageS-Rapport Anzeige zu machen ist, nicht annehmen. §. 8- Wegen der den Pensionärs zu reichenden Speisen hat der Verwalter ebenfalls an die desfalls ertheilten Vorschriften sich zu hal­ ten und eine Liste über verschiedene Speisearten dem Director zur Prüfung vorzulegen, damit für jede Woche nach Maßgabe dessen, was jede Jahreszeit gewährt oder fordert, eine passende Auswahl ge­ troffen werden kann. 9. Der Verwalter hat dafür zu sorgen, daß die nicht tauglilichen Speisen als Viehfutter verwendet werden. $. 10. DaS Magazin für Bekleidung, Bettzeug und Leinwand, hat der Verwalter unter seiner Aufsicht. Folgende Bucher sind von ihm zu führen: 1) Ein Hauptbuch, in welchem der Zugang und der, durch Belage justifizirte Abgang von diesen Gegenständen eingetragen und nachge-

381 wiesen worden ist, um jeden Augenblick auf der Stelle abschließen und den Bestand ermitteln zu können2) Drey Contobücher, in welchen die dem Oberwärter, der Ober­ wärterin und der Wäscherin übergebenen Gegenstände eingetragen werden. 3) Drey Contobücher, in welchen gleichfalls die dem Oberwärter, der Oberwärterin und der Wäscherin übergebenen Gegenstände einge­ tragen werden und als Gegen - Contobücher in den Händen des Ver­ walters verbleiben müssen. Zn einer anzubringenden eigenen Colonne wird die Richtigkeit der empfangenen Effecten durch des Empfängers eigenhändige Bey­ setzung seines Namens anerkannt. §. 11. Für die Wiederinstandsetzung der schadhaft gewordenen, so wie für die Fertigung neuer Stücke, welche in der Regel, mit Aus­ nahme der wollenen Kleidung für die männlichen Kranken, durch Wärterinnen und weibliche Kranke in der Anstalt bewirkt wird, hat der Verwalter zu sorgen und darüber Rechnung zu legen. §. 12. Die für die Kranken erforderlichen Kleidungsstücke, Hem­ den, Schnupftücher u. s. w. werden von dem Verwalter dem Ober­ wärter und der Oberwärterin überantwortet, und von diesen wird der tägliche Bedarf denjenigen Wärtern und Wärterinnen übergeben, welchen die Kranken anvertraut sind. ' §. 13. Bringen Kranke, welche die normalmäßige Verpflegung oder diejenigen Pensionairs, welche die Kleidung der Anstalt in An­ spruch nehmen, Kleidungsstücke mit, die als brauchbar und dem Zweck der Anstalt entsprechend, anerkannt werden und die sie zu behalten wünschen, so können solche für sie zuerst verwendet werden, und nur in dem Maaße, wie sie damit nicht hinlänglich versehen sind, wird die Anstalt den Mehrbedarf aus ihren Vorräthen hergeben. Ausge­ nommen hievon sind die dem Verderben nicht ausgesetzten Kleidungs­ stücke ganz armer Kranken. Die mitgebrachten Kleidungsstücke und die übrigen Effecten sind von dem Verwalter zu verzeichnen, welcher darüber dem Begleiter des Kranken, Quittung zu ertheilen hat. Das von dem Verwalter unterschriebene Verzeichniß ist dem Ober­ wärter resp, der Oberwärterin, welche für die nöthige Reinigung zu sorgen haben, zu übergeben und ein zweytes Verzeichniß von dem Oberwärter resp, der Oberwärterin unterschrieben, zu den den Kran­ ken betreffenden Akten des Kranken zu nehmen.

382 Gegenstände vorr Werth werden entweder sogleich den Angehöri­ gen der Kranken zurückgegeben, oder so lange, bis sie allenfalls den Kranken in Gebrauch gegeben werden dürfen, von dem Verwalter aufbewahrt, der den Angehörigen darüber ebenfalls quittirt und ihnen solche bey der Entlassung des Kranken aus der Anstalt wieder zu­ stellt. §. 14. Die im Verlauf des Monats stark beschädigten Kleidungs­ stücke zeigt der Oberwärter oder die Oberwärterin dem Verwalter vor, damit entweder die beschädigten ausgebessert oder die unbrauchbaren durch andere Stücke aus dem Magazin sofort ersetzt werden. 15. Bey der Entlassung, dem Tode der Kranken, dem Wech­ sel der Sommer- und Winterkleider werden die aufzubewahrenden Kleidungsstücke zuvor gereinigt. §. 16. Unmittelbar nach der monatlichen Kassenrevision zeigt der Verwalter dem Director alle zur Bekleidung und Bettung gehörigen Stücke, das Tischzeug, die Handtücher, Gardinen rc. welche nicht mehr tum Gebrauch geeignet sind, vor. Erkennt der Director solche gleich­ falls für unbrauchbar, so wird darüber ein Protokoll ausgenommen, Md in dem Inventarium der Abgang abgeschrieben; die Oberwärterin erhält solche zur Verwendung für Reparaturen.

§. 17. Zm Allgemeinen hat der Verwalter darauf zu sehen, daß ordentlich und vorsichtig mit den Kleidungsstücken jeder Art umge­ gangen werde, so daß nichts davon durch Nachlässigkeit, Leichtsinn oder Bosheit zu Grunde gehe, auch, daß kein Kranker sich auf eine unge­ wöhnliche, phantastische, der Ordnung und dem Zwecke der Anstalt wi­ derstrebende Weise kleide.

$. 18. Der Verwalter hat darauf zu sehen, daß diejenigen Kranken, welchen nur Stroh zu reichen ist, solches so oft neu und rein durch den Oekonomen, gegen Empfangsbescheinigung, gegeben wird, als es die Um­ stände erfordern. Hinsichtlich der übrigen Kranken hat er seine Aufmerk­ samkeit darauf zu richten, daß ihre Betten reinlich und ganz erhalten werden, daß sie von Zeit zu Zeit gelüftet, ausgeklopft, und wenn es nö­ thig ist, vorsichtig getrocknet werden, oder wenn das Auswaschen derselben erforderlich ist, dieses geschehe. Auch hat er darauf zu halten, daß, so oft es die Umstände erheischen, vie Pferdehqare in den Matratzen und Kopfpolstern aufgerupft resp, von Zeit zu Zeit nachgestopft, imgleichen die Federkissen nachgefüllt und die Strohsäcke mindestens alle 2 Monate mit neuem Stroh versehen werden.

383 z. 19. Zn Bezug auf die monatliche Revision, Reinigung, An­ schaffung, Fertigung und Reparatur der Bettüberzüge, so wie des sonstigen Bettzeuges findet die §. 14. wegen der Kleidungsstücke gege­ bene Vorschrift Anwendung. §. 20. Dem Verwalter liegt die Aufsicht über die Reinigung der Wäsche ob, er hat darauf zu sehen, daß die Wäscherin hinsichtlich der Reinigung und alles dessen, was dazu gehört, vorschriftsmäßig ver­ fährt und sich davon, so wie von dem ordnungsmäßigen und anstän­ digen Verhalten der Waschmägde und der zur Aushülfe beigegebenen Wärterinnen und weiblichen Kranken durch täglichen mehrmaligen Besuch der zur Wäscherey gehörigen Lokale fortgehend zu überzeugen; insbe­ sondere aber auch durch den Oberwärter und dessen Stellvertreter den Vleichplatz unter genauer Aufsicht halten zu lassen. §. 21. Das zur Reinigung der Wäsche nöthige Material wird von dem Oekonomen beschafft, welcher den jedesmal nöthigen Bedarf an Seife rc. auf Empfangsscheine des Verwalters der Wäscherin übergiebt. §. 22. Der Verwalter läßt jeden Sonnabend Vormittag dem Oberwärter und der Oberwärterin die nöthige reine Wäsche, und am Montag Morgen die schmutzige Wäsche der Wäscherin zuzählen und übergeben- Es wird dabey jede Gattung von Wäsche z. B- wol­ lene und leinene Strümpfe, Hemden, Handtücher rc. getrennt ge­ halten und zugleich nachgesehen, ob etwas davon zerrissen oder abge­ nutzt ist, ob Bänder, Knöpfe fehlen rc. und die Gegenstände, bey welchen dies der Fall ist, ausgeschieden, und nachdem hievon ein Verzeichniß in duplo angefertigt worden, zum Ausbessern gegeben. $. 23. Der Verwalter schreibt die von dem Oberwärter und der Oberwärterin gegebene schmutzige Wäsche in dem dazu bestimmten Buche ab und der Wäscherin zu, welche das Ganze am folgenden Mon­ tag Morgen vor Empfang der schmutzigen Wäsche wieder abliefert; der Verwalter nimmt solche in Empfang und gemeinschaftlich mit der Oberwärterin sieht er genau nach ob alles richtig vorhanden, nichts durch Fahrlässigkeit beschädigt und die Wäsche durchgehends rein und in jeder Beziehung gehörig besorgt ist. Stücke, bey welchem letzte­ res zu mangelhaft geschehen, werden zu nochmaliger Wäsche zurück­ gegeben. Fehlende oder durch ihre Schuld unbrauchbar gewordene Stücke hat die Oberwäscherin zu ersetzen. Alles Wichtige in dieser Beziehung hat der Verwalter dem Director in dem Tages-Rapport anzuzeigen.

384

$. 24. Der Verwalter hat dafür zu sorgen, daß die seiner Auf­ sicht anvertrauten Jnventarienstücke keinen Schaden erleiden noch et­ was davon entwendet werde. Er hat deshalb die nöthigen Vorkeh­ rungen zu treffen und falls neue Maaßregeln zu ergreifen sind, solche bey dem Director in Antrag zu bringen. §. 25. Nach Ablauf eines jeden Jahres hat der Verwalter und der Oekonom das Effecten- und Geräthe- Inventarium gemeinschaft­ lich zu revidiren, mit dem wirklichen Bestände zu vergleichen und da­ rüber ein Protokoll aufzunehmen. §. 26. Auf die innere und äußere Sicherheit der Anstalt insbe­ sondere auf die Abwendung jeder Feuersgefahr hat der Verwalter die­ jenige Aufmerksamkeit zu richten, welche die Wichtigkeit des Gegen­ standes erfordert und in dieser, wie in jeder andern Beziehung auch mit aller nöthigen Strenge darauf zu sehen, daß der Thorsteher und Nachtwächter ihre Pflichten genau erfüllen. $. 27. Dem Verwalter liegt die Pflicht ob, allen Beschädigun­ gen durch Hagelschlag, Wind und Negen an den Gebäuden rc. mög­ lichst vorzubeugen, wo dieses nicht möglich war, die nöthigen Repara­ turen zu vermitteln. §. 28. Ferner hat der Verwalter darauf zu sehen, daß die Brun­ nen, Cisternen, Wasserleitungen, Heitzungsvorrichtungen, Blitzablei­ ter u. s. ro. vor aller Beschädigung und Zerstörung durch Muthwillen Bosheit oder Nachlässigkeit geschützt bleiben, jedenfalls hat er darauf zu halten, daß jedem Schaden oder Mangel, sobald wie möglich, ab­ geholfen , das Beschädigte ergänzt und das Zerstörte wieder ersetzt werde. §. 29. In Bezug auf die Heitzung der zum Aufenthalt der Kran­ ken bestimmten Räume hat der Verwalter darauf zu sehen, daß der­ jenige Grad der Temperatur erhalten werde, welcher durch die ärztlicl)en Vorschriften bestimmt ist. §. 30. Ihm liegt auch ob, darauf zu halten, daß alle Räume in den bestimmten Stunden vorgeschriebenermaaßen erleuchtet und Leuchter, Lampen rc. in gehörigem Zustande erhalten werden. §. 31. Der Verwalter hat darüber zu wachen, daß weder von dem Heitzungs - noch Erleuchtungsmaterial etwas verschwendet, durch Nachlässigkeit umkomme, oder etwas entwendet oder verschleppt werde. tz. 32. Ueber die Verwendung dieser Materialien, welche der Verwalter in den dazu bestimmten Lokalen unter seine Aufsicht nimmt.

385 lrgt er Rechnung ab, und läßt an diejenigen Beamten ter Anstalt, welche davon bestimmte jährliche Deputate erhalten, solche zur gehöri­ gen Zeit und wie es die zur Aufbewahrung bestimmten Räume gestat­

ten, gegen Empfangsscheine verabfolgen. $. 33. Der Verwalter hat die Einziehung und Auszahlung der Gelder für die Anstalt nach den Vorschriften der Sassen - Instruction zu besorgen und die erforderlichen Bucher, nämlich das Journals das

Vorschuß Conto und das Inventarium der Effecten zu führen. 34.

Zur Aushülfe beym Sassen- und Rechnungswesen ist ein

Gehülfe bestimmt, welcher sämmtliche die Anstalt betreffende Schreibereyen selbst oder für seine Rechnung durch Andere, zur gehörigen

Zeit pünktlich zu besorgen hat.

Dieser Gehülfe erhält:

120 Rthk.

aus dem Kanzlei - Fonds des Verwalters

nus der Sasse der Anstalt direct.....................................................80 — so wie freye Wohnung und freye Kost am Offizianten - Tisch. §. 35 Der Gehülfe hat die schriftlichen Arbeiten für den Di­ rector , den Verwalter und den Oekonom zu der Zeit und an dem Orte zu verrichten wie solches von dem Director bestimmt wird. §. 36. Der Gehülfe hat ein Journal darüber zu führen und die

Arbeiten der Reihe nach zu fertigen.

Der Direktor entscheidet, wenn

Arbeiten auf Kosten dieses Gehülfen zu fertigen sind. §. 37. Der Verwalter hat dem Oekonomsn die erforderlichen Hanzeleibedürfnisse monatlich abzugeben. Das desfallsige von dem Oekonomen aufzustellende Verzeichniß bedarf im KontestationSfalle der Ge­

nehmigung des Directors. 38. Der Verwalter darf ohne Zustimmung deS Direktors und nur, wenn der Oekonom in der Anstalt anwesend ist, auf -eine Stun­

de sich von seinem Posten entfernen, jedoch muß er hinterlassen, wo

er zu finden sey. §. 39. Vierteljährig kann der Verwalter von dem Director einen Urlaub auf zwey Tage erhalten, längern Urlaub aber nur auf An­

trag des Dlrectors von der Verwaltungscommission resp, auf deren Bericht von dem Königlichen Ober-Präsidio.

Als mit der Hausverwaltung in der nächsten Beziehung

stehend, folgt hier noch die Dienstanweisung für den Thorstehrr. y 1

Das am Hauptemgange zu der Heil - Anstalt befindliche

25

386 Thor nebst der zur Seite desselben angebrachten Thüre, sollen in der

Regel geschlossen seyn,

und nur durch den Thorsteher nach der in

den folgenden ^.gegebenen Vorschriften zum Ein- und Auslassen geöff­

net werden. $. 2. Der tägliche Dienst des Thorstehers währt von Morgens 5 Uhr bis Abends 10 Uhr, während welcher Zeit er seinen Posten

au­

ßer zu den nöthigen Anmeldungen bey dem Verwalter, Oekonomen u

s. w. ohne besondern Urlaub nicht anders verlassen darf,

als zum

Einnehmen seiner Mahlzeiten oder zur Abwartung des Gottesdienstes

Feiertagen.

an den

Während der Dauer seiner Abwesenheiten aber

muß ein vom Verwalter dazu angewiesener Wärter seine Stelle ver­ treten. Um 10 Uhr Abends übergiebt er den Schlüssel zu der Ein­

3.

laßthüre, dem Nachtwächter, der ihm denselben um 5 Und resp, um 6 Uhr Morgens wieder zustellt.

4

Außer dem Verwalter und dem Oekonomen, nebst den zu

der Familie oder dem Haushalt derselben gehörigen Personen,

Seeundär-Arzte, dem ärztlichen Assistenten,

dem

den Geistlichen der An­

stalt, und denjenigen ihm besonders anzugebenden Dienstleute,

die

mit dem Gartenbau, der Feldarbeit und der Wartung des VieheS beschäfftigt sind, darf der Thorsteher keinem in der Anstalt angestellten

den Ausgang aus der Pforte gestatten, der ihm nicht eine Karte vom Verwalter übergiebt, auf welcher der Name deS Beurlaubten, daS Da­ tum und die Zeit deS Urlaubes angegeben ist.

Die also Hinansgelassenen läßt er ebenfalls

5.

ohne Weite­

res wieder ein, und giebt am Abend dem Verwalter die Urlaubskar­ ten zurück. Meldet sich außer den Hausgenossen

6.

Thorschelle um eingelassen zu werden,

Jemand

durch

die

so erkundigt er sich, ehe er

den Eingang gestattet, nach dem Zweck des Fremden.

Wird ein gül­

tig scheinender Grund angegeben, so führt er ihn zu demjenigen Be­ amten, den er zu sehen wünscht. §. 7.

Wird ein Kranker gebracht, und seine Ankunft durch seins

Begleiter am Thore gemeldet, so führt der Pförtner diesen mit sei­

nen Begleitern in das Aufnahmszimmer, zeigt die Ankunft des Kran­ ken dem Verwalter an, und kehrt dann wieder auf seinen Posten zurück.

S-

8.

Wünscht

Jemand

die

Anstalt

oder

sehen, ohne von dem Director begleitet zu seyn,

der Thorsteher zuvörderst, ob

er mit

Kranke

rc.

zu

so erkundigt sich

einer Einlaßkarte versehen sey.

387

fuhrt ihn, wenn er eine solche vorweiset, in das schon gedachte Aufnahmszimmer, bringt die Karte dem Verwalter, und kehrt dann eben­ falls wieder auf seinen Posten zurück. Hat der Fremde aber keine Einlaßkarte vom Director aufzuweisen, so versagt er ihm den Eintritt, indem er ihm erklärt, daß er nicht ermächtigt sey, ihm denselben ohne Erfüllung dieser Bedingung zu gestatten. §. 9. Melden sich Personen, welche den Oberwärter oder die Ober­ wärterin zu sprechen wünschen, so führt der Thorsteher jene gleichfallS üx das Aufnahmszimrner, und zeigt deren Ankunft dem Oberwärter oder der Oberwärterin an, die alsdann, wenn ihre Geschäfte eS ihnen erlauben, in das Aufnahmszimmer kommen, um die betreffenden Per­ sonen zu sehen. Zn ihre Wohnzimmer dürfen aber der Oberwärter und die Oberwärterin solche Personen, ohne eine besondere Erlaubnißkarte vom Director, welche dem Thorsteher in diesem Falle borgewiesen werden muß, nicht führen. §.10. Kommen andere Personen an die Pforte, welche irgend ein , die Wärter oder das sonstige Dienstpersonal betreffendes Gewerbe hinaufführt, z. B. daß sie ihnen Wäsche, Kleidungsstücke, Briefe oder dergleichen zu bringen haben, oder dergleichen abholen wollen, so nimmt der Thorsteher die Bestellung an, und besorgt sie treu und pünktlich. §. 11. Begehren aber solche Zndividuen Zemand von den Wär­ tern oder sonstigen Dienstleuten der Anstalt selbst zu sehen und zu sprechen, so läßt der Thorsteher dieselben in der Aufnahmsstube war­ ten, und zeigt ihr Begehren dem Verwalter an, welcher je nachdem die Zeit und Umstände es gestatten oder nicht, den betreffenden Dienst­ leuten die Erlaubniß ertheilen oder versagen wird, den Besuchenden zu sehen. §. 12. Bettler und alle Personen, die über daS waS sie zur An­ stalt hinaufführt, keine genügende Auskunft zu geben wissen, werden ohne Weiteres zuruckgewiesen. §. 13. Sollten Kranke an das Thor kommen und hinausgelassen zu werden verlangen, so versteht es sich von selbst, daß der Tborsteher -ihnen nicht willfahren darf, sondern sie entweder dem Verwalter oder dem Oberwärter und der Oberwärterin zuführen muß. §. 14. Kommen aber Kranke, entweder zum Spazierengehen oder zur Arbeit in den nicht geschlossenen Gärten, von einem Wärter be­ gleitet, an das Thor, so muß der begleitende Wärter allemal mit ei­ ner Karte des Verwalters versehen seyn, auf der außer dem Namen

388

des Wärter-, dem Datum und der zum Hinausgehen bestimmten Stunde, auch die Zahl der ihn begleitenden Kranken angegeben ist. tz. 15. ReconvaleScenten, denen Urlaub zum Ausgehen ohne Tegleitung ertheilt wird, erhalten ähnliche Urlaubskarten vom Verwalter wie die Dienstleute, und müssen dieselben ebenfalls bey dem Thorste­ her abgeben. § 16. Gegen Jedermann muß derselbe sich höflich benehmen. V 17 Eine Hauptpflicht deS Thorhüters ist, darüber zu wachen, daß keine Veruntreuungen oder Unterschleif irgend einer Art in Be­ zug auf das Eigenthum der Anstalt, durch Entwendung oder Ver­ schleppung ihr gehöriger Consumtibilien oder sonstiger Effecten statt finde; und wo er dergleichen wahrzunehmen glaubt, hat er solchesofort dem Verwalter anzuzeigen. tz. 18. Der Verwalter ist -er erste Vorgesetzte des ThorsteherS; doch ist er auch dem Oeconomen Achtung und Folgeleistung schuldig. 19. Wünscht der Thorsteher Urlaub zu erhalten, so kann ihm solcher auf einige Stunden vom Verwalter ertheilt werden, den er also darum zu bitten hat. Einen Urlaub für einen oder mehrere Tage kann ihm aber nur der Director bewilligen. Immer muß sein Amt in Viesen Fällen durch einen vom Verwalter zu bestimmenden Wärter versehen werden.

SechszehntcS Kapite k

Dienstanweisung für den Oeconomen. §. 1. Der Oeconom ist dem Director untergeordnet. - L. Der Oeconom beaufsichtigt die Landwirthschaft, den Vieh­ stand und die Bäckerey der Anstalt, sorgt für die Anschaffung und Aufbewahrung aller Consumtibilien, so wie für die Verabfolgung der­ selben an den Verwalter; respicirt die baulichen Einrichtungen, ist Controleur der Caffe, ein Gehülfe des Rendanten und übernimmt von dem innern Hausdienste einige, unten näher zu bezeichnende Theile. $. 3. Er ist verpflichtet den ihm von dem Directvr oder dem zweyten Arzt unter Aufsicht der Wärter zur Beschäftigung zugerviesene Kranken, so viel es seyn kann, auf eine der Anstalt einträgliche Werse, stets solche Arbeiten anzuweisen, welche deren Zustande und den ärztlichen Anordnungen am angemessensten find. §. 4. Er hat darauf zu halten, daß sämmtliche Ländereyen der Anstalt gehörig gebaut und benutzt werden. jj, 5. Zu Anfang Octobers eines jeden Jahres hat der Oeconom einen Plan, über die Art der Bewirthschaftung für das nächstfolgende Jahr, so wie über die erforderlichen Verbesserungen und neuen An­ lagen dem Director vorzujegen. $. 6. Der Oeconom hat über den Ertrag der Felder, Gärteu und Weingärten Buch zu fuhren und darüber Rechnung zu legem §. 7. Die entbehrlichen Weine, Gemüse, Futter rc. sind öffent­ lich zu veräußern; der Oeconom hat die desfallsigen Bedingungen iU entwerfen und die Einziehung deS Erlöses zu bewirken-

390

z. 8. Er hat für die Anschaffung. deS etatsmäßig zu haltenden Zug- und Milchviehs so wie für dessen gute Pflege zu sorgen- Ueber die erforderlichen Naturalien hat der Oeconom Rechnung zu legenZu jedem Verkauf eines Stück Viehs ist die Genehmigung deS Directors erforderlich§. 9 Der Oeconom hat dafür zu sorgen, daß der tägliche Milch« bedarf gewonnen werde, die fetten Kühe verkauft und dagegen ande­ re frischmelkende wieder angekauft werden. 10- Die Kälber sind zu verkaufen wenn es nicht vortheilhaft ter erscheint, solche für die Anstalt zu verbrauchen. $. 11- Der Oeconom hat über alle von der Landwlrthschast oder vom Viehstand gewonnene Nutzungen, so wie über deren Verwen­ dung Rechnung zu legen. Auch führt derselbe die Aufsicht über daS Fuhrwerk, über das Zugvieh und über die Esel im Brunnenhause. §. 12 Der Oeconom hat die erforderlichen Consumtibilien im Wege deS öffentlichen Ankaufs anzuschaffen und darüber Rechnung zu legen 13. Derselbe hat darauf Zu sehen, daß wenigstens ein viertel­ jähriges ConsumtionS^Quantum von jedem wichtigern Artikel vorräthig sey, insofern nicht die Aussicht auf bald sich darbietende reichli­ chere und bessere Vorräthe, so wie günstigere Preise eine Abweichung erfordern oder eS rathsamer erscheinen sollte, den ganzen muthmaaßlichen Bedarf auf einmal anzuschaffen oder doch zur Lizitation auSzustelleu. §. 14. Auch der Fleisch und Bierbedarf ist öffentlich anzukaufen und mir alSdann sind deshalb mit soliden Lieferanten von dem Di­ rector zu genehmigende Contracte abzuschließen, wenn der LizitationSweg kein günstiges Resultat geben sollte. §. 15 Der Oeconom hat darauf zu sehen, daß die für die Bäkkerey erforderlichen Früchte gehörig gemahlen und die Bestandtheile von der gehörigen Beschaffenheit und in der erforderlichen Quantität­ verwendet werden, daß die Gährung, das Kneten des Teiges, daS Backen u- f- w. zweckmäßig vor sich gehe, daß jedes Brod sein vor­ schriftsmäßiges Gewicht habe, daß sowohl das an jedem Tage frisch zu verzehrende, als dasjenige, welches vor dem Genuß ein Paar Tage liegen muß, in einem nach der Zahl der Consumirenden genau be­ messenen Verhältnisse bereitet, mithin weder Mangel entstehe, noch zu alt gewordenes Brod verabreicht werde-

§ 16. Oer Oeconom hat beim Kelter« von