Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend 9783110793642, 9783110793543

As soon as it was published, the correspondence between Jakob Mauvillon (1743–1794) and Ludwig August Unzer (1748–1774),

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Table of contents :
Inhalt
Zur Einführung: Die Lemgoer Bilderstürmer
1 Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel
2 Erläuterungen
3 Dokumente zur Wirkungsgeschichte
Zeittafel
Siglenverzeichnis
Bibliographie Jakob Mauvillon
Bibliographie Ludwig August Unzer
Personenregister
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Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend
 9783110793642, 9783110793543

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Jakob Mauvillon, Ludwig August Unzer Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend

Werkprofile

Philosophen und Literaten des 17. und 18. Jahrhunderts Herausgegeben von Frank Grunert, Stefan Klingner, Udo Roth und Gideon Stiening Wissenschaftlicher Beirat: Wiep van Bunge, Knud Haakonssen, Marion Heinz, Martin Mulsow, Stefanie Buchenau und John Zammito

Band 21

Jakob Mauvillon, Ludwig August Unzer

Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend Herausgegeben von Arne Klawitter

ISBN 978-3-11-079354-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-079364-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-079369-7 ISSN 2199-4811 Library of Congress Control Number: 2022935665 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

auvillon, Nachstich nach Radierung, 1784 Werner Kobold: Jakob Eléazar von Ma Universitätsbibliothek Leipzig, Port rträtstichsammlung, Inventar-Nr. 32/128

Inhalt Arne Klawitter Zur Einführung: Die Lemgoer Bilderstürmer Unzers und Mauvillons Skandalschrift im Lichte der Literaturkritik  | 1

1 Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel Editorische Vorbemerkung  | 33 Text  | 35 Emendationen  | 201

2 Erläuterungen   | 207 3 Dokumente zur Wirkungsgeschichte   | 295 4 Anhang  Zeittafel | 359 Siglenverzeichnis | 367 Bibliographie Jakob Mauvillon | 369 Bibliographie Ludwig August Unzer | 401 Personenregister | 409

Arne Klawitter

Zur Einführung: Die Lemgoer Bilderstürmer Unzers und Mauvillons Skandalschrift im Lichte der Literaturkritik

1 Die »Gellertomanie« des deutschen Publikums Ich war gerade mit Leßing in dem Buchladen, als die Briefe über den Werth einiger deutschen Dichter gebracht wurden. Er freute sich, da er auf dem hintern Blatte [von Bd. 1; A.K.] die Worte las, daß Gellert ein langweiliger Erzähler sey, und keinen Funken Genie habe. Das ist lange meine Meinung gewesen, sagte er, und nahm die Briefe mit.1

Sofort nach dem Erscheinen des ersten Stücks des von Ludwig August Unzer (1748– 1774) und Jakob Mauvillon (1743–1794) gemeinsam verfassten Briefwechsels Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend2 zur Michaelismesse im Herbst 1771 löste diese gegen die deutsche »Gellertomanie« gerichtete Streitschrift durchweg einen Sturm der Entrüstung aus. Der zweite Teil der »Dichterbriefe«, wie sie von den Verfassern in Anlehnung an Lessings »Literaturbriefe« auch genannt wurden,3 ging im darauf folgenden Frühjahr in den Druck und wirbelte nicht weniger Staub auf. Besonders die bissige Kritik der beiden Kunstrichter am damaligen Publikumsliebling Gellert, dessen gesamtes dichterisches Œuvre von ihnen in toto deklassiert wurde, gab den Anstoß zu einer heftig geführten Debatte um den kurz zuvor verstorbenen und in einer Unzahl von Lob- und Trauerschriften gefeierten Dichter und provozierte umgehend eine Reihe von Rezensionen sowie eine Gegenschrift mit dem Titel Gellert hat Genie.4 In den Augen der Verfasser dieses Briefwechsels war Gellert nichts anderes als ein uninspirierter Autor ohne jegliches poetische Verdienst, wie man heute

|| 1 Fünf Briefe des verstorbenen Predigers Rautenberg zu Braunschweig. In: Olla Potrida 1782, 4. Stück, S. 109–130, hier S. 112 (Brief an Ludwig August Unzer vom 28.2.1772). 2 [Ludwig August Unzer, Jakob Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. 2 Stücke. Frankfurt a. M., Leipzig [d. i. Lemgo] 1771/72. 3 Mauvillons Briefwechsel oder Briefe von verschiedenen Gelehrten an den in Herzogl[ichen] Braunschweigischen Diensten verstorbenen Obristlieutenant Mauvillon. Ges. und hg. von seinem Sohn F[riedrich Wilhelm]. Mauvillon. Deutschland [d. i. Braunschweig] 1801, S. 27, S. 28, S. 30, S. 36, S. 52, S. 112. 4 Johann Georg Zierlein: Gellert hat Genie. Prenzlow 1772. Rezensiert im Magazin der deutschen Critik 1. Bd., 1. Theil, 1772, S. 338–341. https://doi.org/10.1515/9783110793642-001

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sagen würde: die »zentrale Figur eines seichten, unpoetischen, vordergründigmoralisierenden, intellektuell unscharfen literarischen Programms«.5 Obgleich die als vorgeblicher Briefwechsel konzipierte Schrift zunächst anonym und mit einer den Druckort betreffenden irreführenden Angabe erschien (genannt werden nur die beiden Messeorte Frankfurt und Leipzig),6 setzten die einschlägigen Rezensionsorgane angesichts des brisanten Themas alles daran, die Verfasser dieser Skandalschrift möglichst schnell namhaft zu machen, allen voran der Helmstädter Professor Gottlob Benedikt von Schirach (1743–1804), der im nicht lange danach publizierten ersten Band seines Magazins der deutschen Critik das Geheimnis der anonymen Verfasserschaft mit dem Hinweis auf einen gewissen M. ***, »welcher vor kurzem die Ehre Gellerts geschändet hat«,7 insoweit zu lüften suchte, als er dem zeitgenössischen Leser suggerierte, wer dahinter verborgen sein könnte – allerdings mit einer dann doch falschen Zuweisung, denn der Rezensent unterstellte dem Verfasser des Briefwechsels zugleich die Autorschaft der Schrift Revision der Philosophie (Göttingen, Gotha 1772), deren wirklicher Verfasser nun wiederum der Göttinger Populärphilosoph Christoph Meiners war, der mit den ›Dichterbriefen‹ in keinerlei Verbindung stand. Der Rezensent K.* wiederum geht im zweiten Teil des Magazins der deutschen Critik davon aus, dass Mauvillon der alleinige Verfasser des Briefwechsels sei.8 Wie jedoch aus Mauvillons tatsächlichem Briefwechsel hervorgeht, war der bei der Veröffentlichung des ersten Stücks 22jährige Ludwig August Unzer die treibende Kraft hinter der Publikation. Unzer hatte sich gerade vom Halberstädter Dichterkreis losgesagt, um nun selbständig als Dichter in Erscheinung zu treten: 1772 veröffentlichte er seine Versuche in kleinen Gedichten, denen die Leipziger Neue[n] Zeitungen von Gelehrten Sachen durchaus Genie bescheinigten,9 sowie eine »Nänie im chinesischen Geschmack« mit dem Titel Vou-ti an Tsin-nas Grabe, die zwar in mehreren

|| 5 Eckhardt Meyer-Krentler: »... weil sein ganzes Leben eine Moral war.« Gellert und Gellerts Legende. In: Bernd Witte (Hg.): »Ein Lehrer der ganzen Nation«. Leben und Werk Christian Fürchtegott Gellerts. München 1990, S. 221–257, hier S. 235. 6 Unter die letzten beiden Briefe hat Unzer »Hllg.« (für sich) und »Crn.« (für Mauvillon) setzen lassen, womit er auf den tatsächlichen Verleger C[h]r[istia]n Friedrich Helwing anspielt (hier allerdings in einer modifizierten Schreibung als H[e]ll[win]g); vgl. Heinrich Blume: Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers »Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel.« 2 Stücke, Frankfurt und Leipzig, 1771/72 als Vorläufer der Sturm- und Drangperiode. In: XXXVIII. Jahresbericht des Kaiser Franz Josef-Staatsgymnasiums zu Freistadt in Oberösterreich für das Schuljahr 1908. Freistadt 1908, S. 3–36, hier S. 12. 7 Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 1. Theil, 1772, S. 297. 8 Vgl. Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 2. Theil, 1772, S. 198–200. 9 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das Jahr 1772, 86. Stück, 26.10.1772, S. 684.

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einschlägigen Rezensionsorganen der Zeit besprochen, von den Kunstrichtern jedoch sehr unterschiedlich aufgenommen wurde.10 Jakob Mauvillon wiederum war bereits 1765 mit dem Versuch einer Übersetzung der Briefe der Marquisin von Sevigne in Erscheinung getreten, dem im Jahr darauf die Freundschaftlichen Erinnerungen an die Kochsche Schauspieler-Gesellschaft bey Gelegenheit des Hausvaters des Herrn Diderots und weitere zwei Jahre später die Paradoxes moraux et littéraires in französischer Sprache folgten. Die Schriftstellerei sah er jedoch nur als eine zusätzliche Erwerbsquelle an, denn schon früh entschied er sich für eine militärische Laufbahn, die ihm aber aufgrund einer Wirbelsäulenkrümmung (Skoliose) verwehrt blieb, und so wurde er, nachdem er zunächst am Collegium Carolinum in Braunschweig studiert hatte und ab 1766 für fünf Jahre als Sprachlehrer am Pädagogium in Ilfeld (Südharz) tätig gewesen war, im Jahr 1771 Lehrer für Militärwissenschaften und Kriegsbaukunst am Collegium Carolinum in Kassel. Die mit der Berufung verbundenen Lehrverpflichtungen waren wohl der Hauptgrund dafür, dass Mauvillon Unzer schließlich die weitere Mitarbeit an den ›Dichterbriefen‹ aufkündigen wollte. Wie der Vorrede der ›Dichterbriefe‹ zu entnehmen ist, hatten die beiden Verfasser beim letzten ihrer Treffen einen konkreten Plan ausgearbeitet, um die bisher mündlich geführten Gespräche in Zukunft schriftlich über eine räumliche Distanz fortsetzen zu können, wobei sie die Idee eines vorgeblichen Briefwechsels aufgriffen, der als Vehikel ihrer literaturkritischen Überlegungen dienen sollte. Nach der Beendigung des ersten Stücks, das vierzehn Briefe umfasst, kündigte Mauvillon offenbar seinen Rückzug vom Unternehmen an, weshalb Unzer ihn ersucht, das gemeinsame Projekt doch fortzusetzen: Ihre Drohung, nicht ferner an unsern literarischen Briefen arbeiten zu wollen, hat mich nicht wenig erschreckt. Ich bitte Sie nicht um die Ausführung des weitläufigern Plans, den wir uns anfänglich gemacht hatten. Allein das müssen Sie mir zu Gefallen erzeigen, daß Sie noch einen Brief über das komische Heldengedicht und Zachariä, einen über die Messiade, und zuletzt noch über Weissen und Lessing schreiben wollen. Das übrige will ich alles selbst ausarbeiten.11

Weiter heißt es bei Unzer, dass der Verleger Christian Friedrich Helwing (1725– 1800), der seit 1755 die Meyersche Hofbuchhandlung im Lemgo leitete, »schon mit dem Drucke der Briefe den Anfang gemacht hätte, und sich alle Bedingungen wolle gefallen lassen«: Er bittet mich überdies um schleunige Uebersendung so vieler Briefe nach Lemgo, dass das erste Stück etwa 15 bis 16 Briefe enthielte; denn der Verleger kann mehrere [d. h. weitere; A. K.]

|| 10 Siehe Arne Klawitter: Poetische Kuriosität oder dichterisches Experiment? Ludwig August Unzer und seine Nänie im chinesischen Geschmack. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 85/4 (2011), S. 489–507. 11 Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 22 (Brief vom 18.9.1771).

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Briefe auf die Messe nicht fertig schaffen. Ich habe auch noch so viel hingeschickt, dass das erste Stück 14 Briefe enthält. Nun wünscht der Verleger, dass das Werk in 3 Stücken herauskommen mögte; das zweite Stück Weihnachten, das dritte Ostern.12

Unzer, der aus einer in der Grafschaft Stolberg hoch angesehenen, pietistischen Ärztefamilie stammte – sein Vater war Leibarzt des Grafen Christian Ernst zu Stolberg und sein Onkel der damals weithin berühmte Arzt Johann August Unzer (1727– 1799) –, hatte Mauvillon zunächst als Fremdsprachenlehrer seines älteren Bruders Johann Christoph Unzer (1747–1809) am Pädagogium in Ilfeld (Südharz) kennen gelernt. Sehr rasch hatte sich zwischen den beiden eine enge Beziehung entwickelt,13 in der sich gleichzeitig aber auch ein Lehrer-Schüler-Verhältnis spiegelt: Der um einige Jahre jüngere Unzer äußert, zumeist wohl begründet, seine Meinung über die etablierten deutschen Dichter der Zeit und erbittet die Stellungnahme des erfahrenen Lehrers und Literaturkenners, um darauf fußend nun selbst mit »Freymüthigkeit« gegen die »tief eingewurzelten Vorurtheile«14 des deutschen Publikums »richtigere Begriffe und gegründetere Urtheile [...] setzen«15 zu können. Unzer ist sozusagen der Stichwortgeber zu den eigentlichen Themen (im ersten Teil die Briefe mit den ungeraden Zahlen), auf die Mauvillon in seinen Antwortbriefen dann näher eingeht, die aufgeworfenen Probleme diskutiert und mit kritischem Scharfsinn und kunstrichterlicher Sicherheit löst (Briefe mit geraden Zahlen – im zweiten Teil kehrt sich die Zuordnung um). Die Gesamtkonzeption und die endgültige Fertigstellung der ›Dichterbriefe‹ lagen jedoch in Unzers Händen, wie aus dem tatsächlich geführten Briefwechsel der beiden Freunde hervorgeht,16 wobei er als Initiator des gemeinsamen Unternehmens geschickt die Fähigkeiten des Älteren zu nutzen wusste. Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter ist von der Konzeption her nichts anderes als die erbarmungslose Demontage einer damals über alle Maßen gefeierten Dichtergröße und leitete zudem respektlos die Attacke auf weitere Autoritäten der Zeit ein. Trotz der Emphase verlieren die beiden Aufrührer nie das Augenmaß: Ihnen geht es bei aller Polemik um eine umfassende, sachliche Bewertung von Gellerts Schriften, was zumindest der Rezensent der Neuen Braunschweigischen Zeitung klar erkannt hatte, denn dort heißt es: Gellert, der in seinem Leben so bewunderte, und nach seinem Tode fast vergötterte Gellert, dieser Lieblingsdichter der Nation, dieser Diktator des guten Geschmacks, den die allgemeine Stimme der Deutschen zu ihren besten Genies zählt, findet hier einen Kunstrichter, der ihm

|| 12 Ebd., S. 23. Das 3. Stück ist dann allerdings nicht mehr erschienen. 13 Vgl. Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), I, S. 4f. 14 Ebd., I, S. 22. 15 Ebd., I, S. 19. 16 Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 23f. (Brief vom 18.9.1771).

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unbarmherzig den Dichterkranz abreißt, und ihn von der Stelle wegweiset, die er widerrechtlich auf dem Parnaß eingenommen.17

Der Ausgangspunkt der kritischen Betrachtungen ist die im »Ersten Brief« geäußerte Verwunderung Unzers über die seinem Empfinden nach übertriebene Hochschätzung Gellerts, worauf Mauvillon lakonisch repliziert, dass jener auch aus seiner Sicht »ein sehr mittelmäßiger Schriftsteller, und ein Dichter ohne einen Funken von Genie«18 sei, über den Klopstock und Lessing längst hinausgewachsen seien. Im Vergleich zu ihnen erscheine sein Werk »matt, schaal, wässerig«.19 In Mauvillons Antwortbriefen wird Gellert als Romanschriftsteller, als Verfasser geistlicher Lieder, als Fabel- und Lehrdichter sowie als Moralphilosoph und Kunstrichter gnadenlos seziert und als Dichter vollständig verworfen. Hieß es über Gellerts Prosaschriften im »Dritten Brief«, der aus der Feder Unzers stammt, noch zurückhaltend: »Ich fand, daß er oft die Sachen auf eine unleidliche Art ohne Noth ausdehnte, daß er arm an Handlung und poetischen Bildern, desto reicher aber an Worten sey«,20 so reagiert Mauvillon darauf im »Vierten Brief« nicht nur mit dem Verdikt, dass Gellerts Lustspiele ebenfalls »sehr mittelmäßig« seien, sondern geht mit seiner Bewertung im Einzelnen noch weit darüber hinaus: Meiner Meinung nach sind sie unter aller Critik. Denn wo doch weder Handlung, noch Plan, Dialog und Character was taugen, was soll man dazu sagen? Es ist auch nicht Ein erträglicher Auftritt darinnen. [...] Und das Abgeschmackte in dem unschuldig-naif und witzig seyn sollenden ist so sehr ohne Maaß und Ziel darinnen ausgestreut, daß es für einen Menschen, der nur ein wenig Gefühl hat, unmöglich ist, sie zu lesen.21

Im Gegensatz zum scharfzüngigen Kritiker Mauvillon tritt Unzer in seinen Briefen als der zunächst vergleichsweise milde gestimmte Kunstrichter auf, der sich jedoch von den Argumenten seines Briefpartners überzeugen lässt, um ihm im Kampf gegen die verbreiteten Vorurteile zu sekundieren: »Von allen Seiten haben Sie ihn [d. i. Gellert] angegriffen; von allen Seiten seine Schwäche gezeigt, und ich – Ihr treuer Lanzenträger! – bin, nicht wenig über das Gefecht vergnügt, ein glaubwürdiger Zeuge Ihres Sieges gewesen.«22 Die abfälligen Bemerkungen über Gellert gehen Hand in Hand mit einem vernichtenden Urteil über das ebenso ungebildete wie »abgeschmackt[e]«23 deutsche || 17 [Christian Günther Rautenberg:] [Rez. von] Ueber den Werth einiger deutschen Dichter, und über andere Gegenstände, den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. Erstes Stück. In: Neue Braunschweigische Zeitung, 4.2.1772, unpaginiert. 18 [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), I, S. 59. 19 Ebd., I, S. 43. 20 Ebd., I, S. 65. 21 Ebd., I, S. 93f. 22 Ebd., I, S. 233. 23 Ebd., I, S. 55.

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Publikum, dem der fiktive Herausgeber in der Vorrede vorwirft, Schlechtes und Gutes »ohne Wahl, ohne Nachdenken«24 auf gleiche Weise zu lesen und zu behandeln. Der »blind« urteilenden Menge der Lesenden müsse deshalb »ein Licht« angezündet werden, »da das verkehrte Urtheil [...] die Hauptursache des Verderbens der gesunden deutschen Litteratur«25 sei. Vor allem die im deutschen Publikum weit verbreitete »Gellertomanie«,26 der nicht einmal Lessings ›Literaturbriefe‹ Einhalt zu gebieten vermochten, ist den beiden Kritikern ein Dorn im Auge: Gellert hat in der That seinen Ruhm nicht den Kunstrichtern zu verdanken; denn derselbe war schon gegründet, ehe die kritische Despotie ihren Anfang nahm. Den Beifall, den Gellert besitzt, hat ihm die Nation von freyen Stücken zu Theil werden lassen, ohne dazu von Tongebern aufgemuntert zu seyn.27

Als ausschlaggebendes Kriterium der ihm angemessenen Beurteilung eines Dichters gilt den beiden Verfassern allein das Genie. »Ich schätze den Dichter bloß nach dem Genie«, erklärt Unzer, »und das Genie besteht hauptsächlich in der Kraft zu schaffen; hievon heißt er ein Poet. Es versteht sich, daß mir sein schöpferischer Geist lauter Dinge vorstellen muß, die mich interessiren.«28

2 »Freygeister in Sachen des Genies« Der Schock, den die rigorose Aburteilung Gellerts und anderer angesehener Dichter auslöste, spiegelt sich in den Entgegnungen der zeitgenössischen Kritik wider, so in der damals das Rezensionswesen dominierenden Allgemeinen deutschen Bibliothek, in der von Johann Joachim Eschenburg (1743–1820) besonders der dreiste Ton und die »unbesonnenen, halb verdauten, und zudringlichen Urtheile« gerügt werden.29 In die gleiche Kerbe hatte zuvor schon der anonyme Rezensent des 1. Stücks in der Hallischen Neuen Gelehrten Zeitungen geschlagen: Dem Schreiber dieses Büchleins mögen die Hände sehr gejuckt haben. In seinem Kopfe mag es auch ziemlich übel aussehen. Wie hätte er es sonst wagen können, uns Deutschen dieses unverdaute, kühne und seichte Geschwätz vorzulegen? [...] Der Verf. [!] scheint einer von den

|| 24 Ebd., I, S. 17. 25 Ebd., I, S. 20. 26 Ebd., I, S. 311. 27 Ebd., I, S. 64f. 28 Ebd., II, S. 89. 29 Allgemeine Deutsche Bibliothek 19. Bd., 1. St., 1773, S. 34–56, insbes. S. 39 und S. 52. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass Eschenburg mit Mauvillon, wie aus ihrem Briefwechsel hervorgeht, eng befreundet war. Vgl. Murhardsche und Landesbibliothek Kassel, 4° Ms. hist. litt. 37 [Mauvillon: 01–03, 49–50.

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muthwilligen Buben zu seyn, die am Fusse des deutschen Parnasses herumschwärmen, und gerne verdiente Männer mit Koth besprützen möchten. [...] Es sollte uns wehe thun, wenn sich es jemand einfallen liesse, dieses unverschämte Gewäsche, an welchem die elende Schreibart immer noch der geringste Fehler ist, einer Widerlegung zu würdigen.30

Im Magazin der deutschen Critik wetterte ein anonymer Rezensent mit der Chiffre K.*, dass kaum jemand »ohne den gerechtesten Unwillen, die Schrift eines verwegenen Jünglings zur Hand nehmen [könne], der den Geschmack des teutschen Publikums über den Haufen werfen, und allen öffentlichen und stillen Beyfall, die einzige Belohnung der Genies unsers Jahrhunderts, den grösten, und selbst von den Ausländern bewunderten Männern mit einer so muthwilligen Dreistigkeit rauben, und da allein ein entscheidender Richter seyn will, wo nur wenige, wahre Kunstrichter die Wa[a]ge der Kritik führen sollten!« Doch müsse man den Verfasser »mehr bedauern«, so der Rezensent weiter, »als mit Galle tadeln, der selbst in dem Augenblicke, da er die Hochachtung und den künftigen Beyfall seiner Nation von sich stößt, so vieles Talent verräth! Schade! daß der V. dem man nur mit entschiedener Ungerechtigkeit Talente absprechen kan, nicht die Bahn hat gehen wollen, die der edle Theil unsrer Kunstrichter und unsrer Nation, in welche er kaum aufgenommen ist (so sehr ist uns der V. bekannt) gegangen sind, sondern daß er sich zu dem verachteten Haufen unsrer heutigen jungen Schmäher drängt.«31 Noch ausfallender reagierte der aufgebrachte Literaturkritiker in dem von Christian Heinrich Schmid (1746–1800) herausgegebenen Almanach der deutschen Musen (aller Wahrscheinlichkeit Schmid selbst): Nicht genung, daß Gellerts Andenken von so manchem Stümper verunehrt worden, hier treten ein paar Wäscher auf, die dumm und dreist der ganzen Nation ins Gesicht beweisen wollen, daß sie keine Ursache gehabt, Gellerten zu lieben und zu bewundern. Ich bin überzeugt, daß jedermann diese kritischen Briefe mit dem größten Unwillen und Verachtung aus der Hand werfen wird.32

Ein Rezensent der Frankfurter gelehrten Anzeigen hingegen hat die ›Dichterbriefe‹ nicht ›aus der Hand geworfen‹. Er gehörte zu den wenigen, die die beiden »Freygeister in Sachen des Genies«,33 wie er sie nannte, in Schutz nahmen. »Es ist eine undankbare Arbeit«, schreibt er, »wenn man Ketzer retten soll, wie es diese Verf. in Ansehung der allgemeinen Orthodoxie des Geschmacks sind, gegen die sie sich auflehnen.«34 Als solche verstanden sich nämlich die beiden Pasquillanten.35 »An || 30 Hallische Neue Gelehrte Zeitungen 100. St., 12.12.1771, S. 794–797. 31 Magazin der deutschen Critik (Anm. 7), 1. Bd., 2. Th., S. 198–201, hier S. 198f. Der Rezensent spielt auf den Umstand an, dass Mauvillon einer nach Deutschland (Sachsen) geflüchteten Hugenottenfamilie entstammt. 32 Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1772, S. 62. 33 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772, Nr. XV, 21.2.1772, S. 117. 34 Ebd.

8 | Arne Klawitter

Gellert, die Tugend, und die Religion glauben«, fährt der wohl gesonnene Rezensent fort, »ist bey unserm Publiko beynahe Eins«: Die sogenannten Freygeister in Sachen des Genies, worunter leyder! alle unsre jetztlebende große Dichter und Kunstrichter gehören, hegen eben die Grundsätze dieser Briefsteller, nur sie sind so klug, um der lieben Ruhe willen, eine esoterische Lehre daraus zu bilden. Es thut uns leid, dass diese Verfasser die Regeln einer Erbauungsschrift verkannt, und nicht mehr erlaubte Charlanterie bey ihren Patienten angewendet haben. Sie wollten den lallenden, schlafenden und blinzenden Theil des Publikums curiren, und sie fangen dabey an, daß sie ihm seine Puppe nehmen – – Bilderstürmer wollen einen neuen Glauben predigen!36

Dass Goethe der Verfasser dieser Rezension sei, auch wenn Merck sie zu Papier gebracht haben mag,37 finde – so war man in der Forschung zunächst der Ansicht – darin eine Bestätigung, dass der Rezensent, wie er sagt, selbst Zeuge gewesen sei, »daß der selige Mann [Gellert] von der Dichtkunst, die aus vollem Herzen und wahrer Empfindung strömt, welche die einzige ist, keinen Begriff hatte. Denn in allen Vorlesungen über den Geschmack hat er ihn nie die Namen Klopstock, Kleist, Wieland, Geßner, Gleim, Lessing, Gerstenberg, weder im Guten noch im Bösen nennen hören.«38 Diese Aussage, so der Germanist Max Morris, könne sich nur auf Goethe beziehen, nicht aber auf Merck, der niemals Gellerts Vorlesungen gehört habe. Dem widerspricht jedoch Hermann Bräuning-Oktavio, der Merck für den Verfasser hält und meint, dass dieser Leipzig sehr wohl gut kannte. Zudem verweist BräuningOktavio auf einen Brief Mercks an den Rechtsgelehrten Ludwig Julius Friedrich Höpfner (1743–1797), der auf die Rezension anspielt und in dem er sie als die seinige ausgibt.39 Eduard Jacobs wiederum vermutet, dass Goethe wahrscheinlich Merck

|| 35 Vgl. [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2). Im 13. Brief bezeichnen sich die Verfasser selbst als »Bilderstürmer« und ahnen bereits voraus, dass sie als »Ketzer« in Sachen des Geschmacks wahrgenommen werden würden; ebd., I, S. 290. 36 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772 (s. Anm. 33), S. 117. 37 Vgl. Max Morris: Goethes und Herders Anteil an dem Jahrgang 1772 der Frankfurter Gelehrten Anzeigen. Stuttgart, Berlin 1909, S. 488. 38 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772 (s. Anm. 33), S. 118. 39 Vgl. Hermann Bräuning-Oktavio: Beiträge zur Geschichte und Frage nach den Mitarbeitern der »Frankfurter Gelehrten Anzeigen« vom Jahre 1772. Darmstadt 1912, S. 102. Der besagte Brief ist abgedruckt in: Briefe aus dem Freundeskreise von Goethe, Herder, Höpfner und Merck. Aus den Handschriften hg. von Karl Wagner. Leipzig 1847, S. 53–55. Die entsprechende Textstelle findet sich S. 54. Bräuning-Oktavio wiederholt seine These später in: ders.: Herausgeber und Mitarbeiter der Frankfurter Gelehrten Anzeigen 1772. Tübingen 1966, S. 416f. Schon 1908 äußerte Trieloff, dass »immer noch viele dunkle Stellen bleiben [werden], über die sich wegen Mangels an Beweismitteln streiten ließe, auch wenn wir nie solche Resultate gewinnen, die alle Einwürfe entkräften, alle Zweifel ausschließen; wir können nicht immer den Wahrheitsbeweis antreten, sondern müssen uns oft darauf beschränken, die größte Wahrscheinlichkeit anzustreben« (Otto P. Trieloff: Die Entstehung der Rezensionen in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen vom Jahre 1772. Diss. Münster 1908,

Zur Einführung: Die Lemgoer Bilderstürmer | 9

seine Gedanken über die ›Dichterbriefe‹ »mitgeteilt und dieser sie niedergeschrieben«40 habe. Genauso gut möglich wäre eine gemeinsame Verfasserschaft.41 Der Rezensent scheint in seiner Besprechung auf einen Freigeist à la mode abzuzielen, doch die Tatsache, dass der Begriff hier im Zusammenhang mit Gellert gebraucht wird, um die Verfasser der ›Dichterbriefe‹ zu charakterisieren, mag seinen eigentlichen Grund darin haben, dass Gellert selbst in seinen Fabeln und Erzählungen (1748) den Freigeist als jemanden verspottet hatte, der, alle Dogmen anzweifelnd, ein eigenes System gegen Moral und Religion aufbaue, um sich am Ende aus Todesfurcht dann doch wieder bekehren zu lassen.42 Auf den Verriss im Almanach der deutschen Musen Bezug nehmend, verteidigt der Rezensent Ziel und Zweck der ›Dichterbriefe‹ in aller Deutlichkeit: Indessen ist diese Schrift kein Gewäsche, wie man sie unter diesem Titel dem Publiko hat aus den Händen raisonniren wollen. Unter der nachlässigen Weitschweifigkeit dieser Briefe verkennt man nie die denkenden Köpfe. [...] Vorsatz zu schaden sieht man aus dem Detail der Kritiken; allein deswegen sind sie nicht unrichtig. [...] Wir sind aber doch versichert, daß diese Produktion mit allen ihren sauren Theilen ein nützliches Ferment abgiebt, um das erzeugen zu helfen, was wir dann deutschen Geschmack, deutsches Gefühl nennen würden.43

Auch dem Schirach’schen Magazin der deutschen Critik gegenüber nimmt der Frankfurter Kunstrichter die beiden »Freygeister in Sachen des Genies« in Schutz, wenn er die kritischen Bemerkungen des Rezensenten über die ›Dichterbriefe‹ wie folgt kommentiert: Wenn doch einmal die Herren sich nicht so ganz an die Manier stoßen, und den Geist nicht verkennen wollten, der diese oft ungeschickte Hand belebt. Ungezogenheit, Impertinenz, weitschweifige verwaschene Schreibart fällt allerdings dem Verfasser [der ›Dichterbriefe‹; A. K.] zur Last; Allein, er bleibt allezeit ein Kopf, der wahre Stärke hat. Besonders haben uns die letztern Briefe gefallen, wo er gegen das Kränkelnde, und Ohnmächtige des Compositeurs [Gellert; A. K.] zu Felde liegt. Daß er aber einige liebe Grabsteine und Monumentchen beschädigt hat – Was thut das? Ist der Mann, der unterm Steine liegt, wahrhaftig groß, so brauchts entweder keinen Stein, oder der Schaden, der dran geschieht, ist des Aufhebens nicht werth.44

|| S. 10); Johann Heinrich Merck: Gesammelte Schriften. Bd. 2.1: Frankfurter Gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772. Hg. von Ulrike Leuschner. Göttingen 2020, S. 85f. (Kommentar, Bd. 2.2, S. 213‒215). 40 Vgl. Eduard Jacobs: Ludwig August Unzer. Dichter und Kunstrichter. In: Zeitschrift des HarzVereins für Geschichte und Altertumskunde 28 (1895), S. 117–252, hier S. 176. 41 Vgl. Woldemar Freiherr von Biedermann: Goethe Forschungen. Frankfurt a. M. 1879, S. 332f. 42 Vgl. Christian Fürchtegott Gellert: Gesammelte Schriften. Kritische, kommentierte Ausgabe. Hg. von Bernd Witte. Bd. 1: Fabeln und Erzählungen. Hg. von Ulrike Bardt und Bernd Witte unter Mitarbeit von Tanja Reinlein. Berlin, New York 2000, S. 160f. 43 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772 (s. Anm. 33), S. 118f. 44 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772, Nr. XCVIII, 8.12.1772, S. 781f.; vgl. FA 18, S. 93 und Merck, Bd. 2.1 (s. Anm.39), S. 544 (Kommentar, Bd. 2.2, S. 802‒806).

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Für Unzer trifft die pointierte Besprechung des ersten Stücks der ›Dichterbriefe‹ ins Schwarze. An Mauvillon schreibt er: »Haben Sie die vortrefflich launigte Critik unserer Briefe in den Frankfurter gelehrten Anzeigen gelesen? Sie ist höchst vortheilhaft für uns, und verräth einen denkenden Kopf. Forschen Sie doch den Verfasser aus.«45 Unzer stirbt allerdings zu früh, um noch dessen Namen erfahren zu können. Mauvillon wiederum wird in den folgenden Jahren, sicherlich ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, dass Goethe der Verfasser dieser Kritik gewesen sein könnte, mehrere seiner Dichtungen der 1770er Jahre in der Lemgoer Auserlesenen Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur durchaus wohlwollend, aber keineswegs unkritisch rezensieren. Doch war der Frankfurter Kunstrichter – ganz gleich, ob Goethe oder Merck – nicht der einzige, der dem ebenso dreisten wie mutigen Versuch, Gellert vom deutschen Parnass herunterzustoßen, Anerkennung zollte. Zustimmend äußerte sich auch der Rezensent der Neuen Braunschweigischen Zeitung. Anders als Eduard Jacobs vermutet hat,46 handelt es sich dabei nicht um den Dichter Justus Friedrich Wilhelm Zachariä (1726–1777), der sie zu diesem Zeitpunkt herausgab, sondern um den Braunschweiger Theologen Christian Günther Rautenberg (1728–1776), der zunächst Pastor zu Coppenbrügge und dann seit 1762 an der Braunschweiger Martini-Kirche ordiniert war. In seinen Predigten und Glaubenslehren suchte er, die göttliche Offenbarung mit rationalen Argumenten zu untermauern.47 So verfasste er eine Einleitung in die christliche Glaubens- und Sittenlehre, die 1777 posthum erschien und in der so grundsätzliche Fragen wie ›Was ist die Religion?, Wer ist Gott?, Woher wissen wir, daß ein solcher Geist ist?‹ behandelt werden. Zudem übersetzte er Henry Homes Versuche über die ersten Gründe der Sittlichkeit und der natürlichen Religion (1768), die er zusätzlich mit einem Kommentar versah, und die Theorie der moralischen Empfindungen von Adam Smith (1770). Ohne jede weitere Zurückhaltung schreibt Rautenberg über »den« [!] Verfasser der ›Dichterbriefe‹: Kaum ist es bey Gellerts Grabe etwas stille geworden, um welches sich berufene und unberufene Dichter fast heischer [= heiser] geschrien, so steht ein Mann auf, der so gar seinen Ruhm zu Grabe tragen will, und der das Herz, oder, wie viele denken werden, die Unverschämtheit hat, es dem ganzen ehrwürdigen deutschen Publikum ins Gesicht zu sagen, daß es seinen Beyfall

|| 45 Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 36 (Brief vom 19.7.1772). 46 Eduard Jacobs: Unzer, Ludwig August. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 39 (1895), S. 336–343, hier S. 340. 47 Zu nennen wären hier seine Predigt über den vernünftigen Glauben des Christen (1768), Die Gerechtigkeit des Christen gegen das Eigenthum des Nächsten (1768), Von der Frömmigkeit der Jugend (1772) oder seine Christliche Glaubens- und Sitten-Lehre: catechetisch abgehandelt (1767).

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an den Unrechten verschwendet, und daß der, dessen Verlust es so laut beklaget, gar nicht der Mann sey, der ihn verdienet.48

Rautenberg setzt sich detailliert mit den einzelnen Kritikpunkten der »scharfsinnigen Untersuchungen«, als welche er sie bezeichnet, auseinander und kommt in der zweiten Fortsetzung seiner Besprechung zum Ergebnis, dass es »doch wohl kein Verbrechen« sei, »Gellerten, da er einmal tod ist, als Schriftsteller, strenge und genau zu prüfen, (denn warum sollte er besser seyn, als die Egyptischen Könige, die sich eben das mußten gefallen lassen?) und es kan auch den Nutzen haben, den Geschmack der Nation zu läutern, zu befestigen, und sie zu lehren, mit welchen Augen sie den Werth ihrer Schriftsteller beurtheilen müssen«.49 Aber auch der wohlwollende Rautenberg stört sich am Ton der ›Dichterbriefe‹. Es ist der einzige wirklich relevante Kritikpunkt, den er gelten lässt und auf den er im Beschluss seiner Rezension zu sprechen kommt: Allein, mußte das nun so anzüglich, so grob, mit solcher hönischen Freude gesagt werden? Waren deßwegen die Namen, Sudler, Stümper, Reimreich, bey einem würklichen verehrungswürdigen Manne am rechten Orte angebracht? Mußten alle Flecken an ihm so zudringlich aufgesucht, so bitter gerüget, und die Schönheiten dagegen mit vorsetzlicher Nachläßigkeit übergangen werden?50

Aus einem Brief wissen wir, dass das Ende der Besprechung von fremder Hand, d. h. allem Anschein nach von Zachariä, hinzugefügt wurde.51 Zwar gesteht der Rezensent Gellert weder Genie noch Größe zu, wohl aber einen gewissen Nutzen: Gesetzt, daß er nur mittelmäßige Köpfe befriedigen kan, muß denn für diese gar nichts geschrieben werden? Sollen alle die, für welche die Miltone und Klopstocke zu hoch sind, zu ihrer Nahrung nichts haben? Uns dünkt, daß, gegen diese gehalten, ein Gellert bey weitem nicht der größere, aber doch der nützlichere Schriftsteller ist.52

|| 48 [Christian Günther Rautenberg:] [Rez. von:] Ueber den Werth einiger deutschen Dichter [...]. Erstes Stück. In: Neue Braunschweigische Zeitung, 4.2.1772, unpaginiert. 49 Ebd., 7.2.1772, unpaginiert. 50 Ebd., 10.2.1772, unpaginiert. 51 Vgl. den Brief von Rautenberg an Unzer vom 28. Februar 1772, in: Olla Potrida 1782, 4. Stück, S. 112: »[...] nur muß ich Ihnen gleich dabey sagen, daß die letzten sechs oder sieben Zeilen nicht von mir sind.« In seinem Brief an Mauvillon vom 19. Juli 1772 ergänzt Unzer: »Die letzten Worte der Rautenbergischen Critik sind nicht von ihm, wie er mir schreibt; sondern wie ich glaube von Zachariä, der Direktor der Zeitung ist, ohne sein Wissen hinzugesetzt« (Mauvillons Briefwechsel [s. Anm. 3], S. 36). 52 [Christian Günther Rautenberg:] [Rez. von:] Ueber den Werth einiger deutschen Dichter [...]. Erstes Stück. In: Neue Braunschweigische Zeitung, 10.2.1772, unpaginiert.

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Im Ganzen teilt aber Rautenberg die Kritik der beiden Verfasser an dem »Diktator des guten Geschmacks«53 und äußert Unzer gegenüber offen seine persönliche Meinung: »Jene Verfasser der Briefe haben Recht, wenn sie behaupten, daß G e ll er t kein Genie war, und ich habe das Herz gehabt, es in der hiesigen Recension öffentlich zu gestehen, daß sie darin Recht haben.«54

3 Der »Trutz- und Schutzbund« gegen das »ehrsame Deutsche Publikum« Der Altersunterschied zwischen Unzer und Mauvillon entspricht, wie bereits Heinrich Blume 1908 angemerkt hat, in etwa dem zwischen Goethe und Herder: »Auch hier steht der Jüngere und wieder ein Dichter einem Manne gegenüber, der namentlich seine bisherige Weltanschauung, aber ebenso auch seine Ansichten über die Literatur in ganz andere Bahnen brachte.«55 Nach Unzers frühem Tod schreibt der spätere preußische Geschäftsträger in Konstantinopel Heinrich Friedrich Diez (1751– 1817), der mit Unzer eng befreundet war,56 an Mauvillon: »Sie haben vielen Einfluß auf Unzers Denkungsart und Studien gehabt und sich ein wahres Verdienst um ihn erworben. Sie gaben ihm die eigentliche Wendung und lenkten ihn auf den besten Wege; auch hat er vielen Gebrauch davon gemacht.«57 Unter Rückgriff auf diese Briefstelle meint Blume das Verhältnis Goethes zu Herder in dem zwischen Unzer und Mauvillon wieder zu erkennen, »wenn auch in kleinerem Maßstabe«.58 In beiden Fällen trete der Ältere jeweils als Lehrmeister in Erscheinung, der in dem Jüngeren nicht nur einen talentierten Dichter, sondern

|| 53 Ebd., 4.2.1772, unpaginiert. Im Wesentlichen zustimmend urteilt auch der Rezensent des ReichsPostreuters ein Jahr später, wenn er einräumt, »daß sich in denselben [Briefen] viel wahres und gutes find[e]« (Beytrag zum Reichs-Postreuter 18. Stück, 4.3.1773). 54 Brief von Rautenberg an Unzer vom 28.2.1772. In: Olla Potrida 1782, 4. Stück, S. 112. 55 Blume: Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers »Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter« (s. Anm. 6), S. 5. 56 Über die Beziehung zu Diez vgl. Arne Klawitter: Freigeisterei unter dem Schutzmantel der Anonymität. Ein Beitrag zur Biographie des preußischen Gesandten Heinrich Friedrich von Diez. In: Jahrbuch des Freien deutschen Hochstifts 2017, S. 7–45. 57 Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 105. Die freigeistige Denkungsart, auf die Diez hier anspielt, tritt offen in einem Brief Unzers vom 16. Juni 1773 zu Tage, in dem es heißt: »Ich halte es für sehr gut, gegen die Religion zu schreiben, und habe dies in einem meiner Briefe an Diez ganz unzweifelhaft dargethan. Unter allen Religionen verehre ich Zoroasters seine vorzüglich, und bin Willens, die Anbetung der Sonne zu rechtfertigen. Der Weise darf keine Religion über sich erkennen« (ebd., S. 53). 58 Blume: Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers »Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter« (s. Anm. 6), S. 5.

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auch »fruchtbaren und gelockerten Boden für seine Saat«,59 also für die eigenen Vorstellungen vorfindet; und in beiden Fällen ordne sich der Jüngere dem Älteren unter. So, wie Goethe sich als einen »Junge[n] im Küras« sieht,60 begreift sich Unzer als der »treu[e] Lanzenträger«61 an der Seite des ›Kunstritters‹ Mauvillon. Ein weiteres Zeugnis seiner Gefolgschaft legt Unzer in seinem Brief vom 22. November 1772 ab, in dem es heißt: Heute ist mein Geburtstag. Sobald ich diesen Morgen erwachte, rief ich die Begebenheiten meines Lebens in das Gedächtniß zurück, und nachdem ich die vornehmsten derselben kaltmüthig untersucht hatte, fand ich, dass die Rolle Ihres Secundanten bei dem Angriffe gegen Gellert keine der geringsten sei, die ich auf der Bühne dieser Welt gespielt habe. Gleich ergriff ich unsern Briefwechsel, um ihn nochmals mit unpartheiischen Augen durchzulesen. Und Freund! ich habe nichts darin gefunden, das uns in unsern eigenen Augen erniedrigen könnte. Im Gegentheile gereicht es uns bei allen Vernünftigen zum Ruhme, daß wir uns dem Strome des Vorurtheils so kühn widersetzt haben.62

Gerade das Unbeugsame und Kühne, das Unzer hier betont, dürfte auch dem Frankfurter Rezensenten imponiert und ihn letztendlich zu jenem Urteil bewogen haben, dessen Metapher Unzer in seinem Brief aufgreift: Es ist Verdienst einer ganzen Nation ihr die Puppe zu nehmen, die sie von würdigern Beschäftigungen abhält. Lassen Sie uns[,] mein liebster Mauvillon, an dem heutigen Tage vom neuen den Bund einer ewigen Feindschaft gegen Thorheit, Irrthum und Aberglauben schwören. Lassen Sie uns miteinander vereinigen, daß unsere Federn die Stimme der verkannten Wahrheit werden, und allen Arten von Götzen unsere Pech- und Haarküchlein so gefährlich werden mögen, wie Daniels Hokuspokus dem Bel zu Babel.63

|| 59 Ebd. 60 FA 28, S. 256 (Brief an Herder, wahrscheinlich vom 10.7.1772). Katharina Mommsen versteht die gesamte 2. Szene des Urgötz als eine Herder-Huldigung Goethes: »Mit dem Jungen im Küraß ist – wie in Götz-Kommentaren erwähnt zu werden pflegt – der Auftritt Georgs gemeint, der in der 2. Szene des Urgötz dem des Bruder Martin voraufgeht. Georg, der ›Bub‹, erscheint im Panzer eines Erwachsenen, möchte mitkämpfen – wie später Martin –, wird aber von Götz als zu jung abgewiesen. Es ist die Enttäuschung Goethes über Herders Abweisen, die in dem Georg-Auftritt zum dichterischen Motiv ward, wie Goethes Verehrung und Freundschaft für Herder im Martin-Auftritt sich spiegelt« (Katharina Mommsen: »Die Bedeutung des Korans für Goethe.« In: Hans Reiss [Hg.]: Goethe und die Tradition. Frankfurt a. M. 1972, S. 138–162, hier S. 141f.). 61 [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), I, S. 233. Wörtlich heißt es dort: »Nun, liebster Freund, Sie haben als ein tapferer Ritter Ihr Tournier mit Gellerten gehalten. Von allen Seiten haben Sie ihn angegriffen; von allen Seiten seine Schwäche gezeigt, und ich – Ihr treuer Lanzenträger! – bin, nicht wenig über das Gefecht vergnügt, ein glaubwürdiger Zeuge Ihres Sieges gewesen.« 62 Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 54f. 63 Ebd., S. 55.

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Mit Mauvillon sieht Unzer, ganz im Sinne der Aufklärung, einen »Trutz- und Schutzbund« geschmiedet, dessen Ziel darin besteht, das ihrer Ansicht nach blind urteilende, »ehrsame Deutsche Publikum«64 von seinen Irrtümern zu befreien. In den ›Dichterbriefen‹ heißt es dazu: Ihre Erfahrung hatte sie [die Verfasser; A.K.] gelehrt, daß der größte Theil des Publikums in Deutschland noch ziemlich ungebildet ist. Es liest jedermann; kein Mensch aber versteht und goutirt, was er liest. Doch das ist nicht alles. Dieser böse Geschmack des Publikums führt alle junge Genies auf Irrwege, hemt der Ausbildung neuerer den Weg, und ist eine von den Hauptursachen des Verfalls der schönen Wissenschaften. Wir vergleichen uns mit Rom und Athen. Das ist lächerlich! [...] Soviel ist gewiß, unsere junge Genies ersticken in der Blüthe. Sie suchen das Fremde, nicht das Schöne. Das Wort Original schallt ihnen in den Ohren; das wollen sie seyn.65

Erst mit den veränderten, der neuen Zeit gemäßen Anschauungen könnten sich auch die jungen Dichtergenies entfalten, die immer noch durch das alte Regelwerk gehemmt und in ihrem Streben zurückgehalten werden: »Ein Genie fühlt sich, und läßt sich durch einen ganzen Schwarm von Critikern nicht irre machen. Der Fehler ist immer noch, daß man zu gelinde ist, und daß das Lob bloß nach dem Rufe, den die Leute vor sich haben, und nicht nach dem Verdienste des Werks selbst abgemessen ist, das heraus kömmt.«66 Gefordert wird eine unparteiische Kritik, die kein Blatt vor den Mund nimmt und klare Maßstäbe anlegt, allein schon, um zu verhindern, dass Literaturjournale und Rezensionszeitschriften sich permanent gegenseitig widersprechen und ihre Zahl gleichzeitig auch noch immer weiter anwächst. »Der Journalist zieht das Publikum, wohin er will, der Buchführer [= Buchhändler] läuft dem Publiko nach, und der Schriftsteller dem Buchführer.«67 Diese Kritik Mauvillons greift Unzer in seinem Antwortbrief mit folgendem Vorschlag auf: Wie hat bey allen diesen Umständen, worinn sich Deutschland befindet, noch niemand den Einfall haben können, eine Schrift zu schreiben, die der Nation zeigte, welche Schätze sie wirklich besitzt, und wie dieselben an Werthe von einander unterschieden sind? Sagen Sie selbst, liebster Freund, wäre dies nicht eine der nöthigsten Schriften für Deutschland? [...] Der Hauptcharacter dieser Schrift müßte in der Vergleichung der berühmtesten deutschen Dichter mit den Alten und den vornehmsten Ausländern bestehen; denn nur die Wissenschaft von den Reichthümern oder Bedürfnissen andrer zeigt uns, ob wir reich oder arm genannt zu werden verdienen.68

|| 64 Ebd., S. 26 (Brief vom 2.6.1772). 65 [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), I, S. 14–16. 66 Ebd., I, S. 18f. 67 Ebd., I, S. 58. 68 Ebd., I, S. 62.

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Allein an diesen Sätzen lässt sich erkennen, wie sehr Unzer die Ideen des an den ökonomischen Theorien der Physiokraten interessierten Mauvillon aufgenommen und zu seinen eigenen gemacht hat. Übertragen wird dabei die Methode des Vergleichs von Wert und Reichtum aus der Ökonomie69 auf den Bereich der schönen Wissenschaften und damit zugleich die Grundlage für eine komparatistische Betrachtung geistigen Kapitals geschaffen – für das also, was man heute ›symbolisches Kapital‹ nennt, wobei als maßgebliches Kriterium für die Bewertung der Begriff des Genies eingeführt wird.

4 Über den Wert der deutschen Dichter Das Genie – auch wenn der Begriff aus heutiger Sicht weitgehend undifferenziert bleibt – ist für beide Verfasser der Ausgangspunkt sowohl für eine ›Balance‹ als auch für eine Klassifizierung deutschsprachiger Dichter. Das Vorbild dazu lieferte Friedrich Nicolai (1733–1811), der bereits 1760 im dritten Band seiner Sammlung vermischter Schriften einen Text abdrucken ließ, in dem nach englischem Vorbild ein Maßstab der Dichter aufgestellt wurde,70 und auf dessen letzter Seite sich eine Balance in Gestalt einer Tabelle findet, in der antike, italienische, französische und englische Dichter nach neun verschiedenen Kategorien beurteilt werden71 – deutsche Dichter fehlen bezeichnenderweise. Anders als Nicolai konzentrieren sich Unzer und Mauvillon ihrerseits ausschließlich auf die Frage nach dem Genie: »Wer nur die interessirendste Erfindungskraft besitzt, der ist der Dichter, den ich in die erste Classe setze.«72

|| 69 Insbesondere François Quesnay: Tableau économique. Versailles 1758, passim. 70 Friedrich Nicolai: Der Maaßstab der Dichter, aus dem Engelländischen übersetzt. In: ders.: Sammlung vermischter Schriften zur Beförderung der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. 3. Bd., 1. St. Berlin 1760, S. 70–78. Vgl. dazu den Aufsatz von Carlos Spoerhase: Das Maß der Potsdamer Garde. Die ästhetische Vorgeschichte des Rankings in der europäischen Literatur- und Kunstkritik des 18. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 58 (2014), S. 90– 126 und Arne Klawitter: Eine bislang übersehene, erste »Balanz der deutschen Dichter«. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 90/2 (2016), S. 211–228. 71 Diese sind: Kritische Anordnung, Pathetische Anordnung, Dramatischer Ausdruck, Zufälliger Ausdruck, Geschmack, Kolorit, Versifikation, Sitten und Werth überhaupt. Christian Heinrich Schmid kommentierte diesen Entwurf scharfzüngig mit den Worten: »Es ist schon oft gesagt, daß die Kunstrichter weit mehr gutes stiften würden, wenn sie unter sich einiger wären, und [...] wenn sie die Verdienste der Poeten nicht nach mathematischen Maaßstäben abmessen wollten, wie der witzige Erfinder der Ballance of Poets« (Christian Heinrich Schmid: Theorie der Poesie nach den neuesten Grundsätzen und Nachricht von den besten Dichtern nach den angenommenen Urtheilen. [1. Th. ] Leipzig 1767, S. 7). 72 [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), II, S. 92.

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Das gewählte Sujet spielt dabei viel weniger eine Rolle als das dichterische Können und vor allem die Gabe, Interesse beim Leser zu wecken: »Je geringer der Gegenstand an sich ist, je unfähiger er dem gemeinen Auge der Bearbeitung zu seyn scheint; je mehr bewundere ich den schöpferischen Geist des Mannes, der ihn mir wichtig und reizend geschaffen hat.«73 Konkret wird dies am Beispiel Geßners gezeigt, der den Einfall hatte, »ein Gedicht zu machen, das von einem neunzig jährigen Hirten handeln soll, der sich entschließt, den Göttern zu opfern«, was Mauvillon wie folgt kommentiert: Welch Süjet! wie simpel! wie uninteressant dem Anscheine nach! Weiß er aber den Alten so lebhaft, so wahr reden zu lassen, daß ich ihn zu hören glaube, weiß er ihm solche Umstände anzudichten, die mir den Mann werth und wichtig machen; großer Geist, der du das kanst, der du das Nichts zu etwas Vortreflichem machst, ich bewundere dich gleich einem Gotte. – Es muß mir einer eine solche Erfindungskraft von der ersten Größe zeigen, wenn ich ihn unter die Dichter der ersten Classe setzen soll.74

Dass Unzer und Mauvillon dabei an nichts anderes als an eine ›Balanz der deutschen Dichter‹ gedacht haben, geht dann unmissverständlich aus den folgenden Sätzen hervor: »Messen wir nach diesem Maasstabe unsre Nationaldichter aus; wie viel kennen Sie wol, die mit den obbenannten [das sind Klopstock, Ramler, Geßner, Wieland, Gleim; A. K.] in gleicher Reihe sitzen dürften?«75 Auch die von Unzer und Mauvillon durchgehend verwendeten Begriffe ›Rang‹ und ›Classe‹ zielen eindeutig auf eine Klassifizierung im Sinne einer ›Balanz‹ bzw. eines ›Rankings‹, wie man heute sagen würde, die sie aber weniger quantifizierend als vielmehr qualitativ einzurichten suchen. In der Bewertung geht es darum, den Zufall so weit wie möglich auszuschalten, denn »zu ein paar dichterischen Stücken kan der Zufall oft auch einen Dichter von mitlerer Gattung emporschwingen. Der aber, welchen ich in die erste Classe aufnehmen soll, muß sich durch ein beträchtliches Werk, oder durch wiederhohlte glückliche Arbeiten legitimiren können, daß er wirklich diese göttliche schöpferische Kraft vom Himmel erhalten habe.«76 Als maßgebliche, d. h. konstitutive Merkmale der Dichter erster Klasse werden genannt: »der schöpferische Geist, welcher alle seine Gegenstände durch Handlung belebt«, »die Erfindung und vollkommen dichterische Bearbeitung ganzer Plane und einzelner Theile«, eine »begeisternde Imagination« und »daraus fließende lebhafte Schilderung« sowie ein »durchgehends poetischer, edler und angemessener Ausdruck«.77 Eben diese Eigenschaften machen den Dichter aus, »welcher das

|| 73 Ebd. 74 Ebd., II, S. 92f. 75 Ebd., II, S. 93. 76 Ebd., II, S. 94. 77 Ebd., II, S. 251.

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höchste Interesse würkt«, d. h. den Dichter »vom ersten Range«, und sie bestimmen »in einem etwas gemäßigtern Grade den Dichter vom zweyten Range«.78 Wirklich feiern wollen die Verfasser niemanden. Klopstock, Wieland, Ramler, Geßner und Gleim lassen sie gelten: Sie bilden die oberste Klasse, wobei Klopstock an die erste Stelle gesetzt wird. Für die zweite Klasse schlagen die beiden Autoren der ›Dichterbriefe‹ Uz, Gerstenberg, die Karschin und Denis vor,79 um schließlich neben Gellert sowohl den faden Rabener als auch den phantasie- und genielosen Lessing zu verwerfen. Letzterem wenigstens lassen sie dann doch noch eine gewisse Gerechtigkeit widerfahren, wenn er am Schluss des zweiten Stücks zusammen mit Weiße als ein Dichter genannt wird, der es auch ohne großes Genie »mit Fleiß, Studiren und Uebung«80 zu etwas gebracht habe: Lessing ist ohne Zweifel der gröste und vollkommenste Prosator in Deutschland, so wie er unser erster Kunstrichter ist. Das ächte Dichtergenie scheint ihm aber von der Natur versagt zu seyn. M i n n a v o n B a r n h e l m , sein schönstes Drama, ist allezeit mehr ein Werk des Witzes als des Genies, und seine S a r a S a m p s o n kan aus mehr als einer Ursache nicht unter die Werke gerechnet werden, welche ihm vorzügliche Ehre machen.81

Und gerade deshalb könne er auch keinen »Anspruch auf eine Stelle in der zweyten Classe der deutschen Dichter« erheben.82 Genauso werden Hagedorn, Zachariä, Willamov, Kretschmann, Dusch, Cramer, Thümmel, Jacobi, Michaelis und Blum in die dritte Klasse herabgestuft. Am Schluss werden noch die Verdienste dreier Dichter gewürdigt, ohne dass sie einer bestimmten Klasse zugeordnet würden: Aber die Namen eines Bodmers, Kleists und Lichtwehrs sind zu ehrwürdig, um nicht eine Unschlüssigkeit zu rechtfertigen. In der That, Freund, bin ich in Verlegenheit. Bodmers Verdienste sind mir um soviel heiliger, weil sie verkannt werden. Sein Noah, unser zweytes Heldengedicht, dessen wir uns gewiß nicht zu schämen Ursach haben, wird noch dereinst die Sündfluth von wässerichten Reimereyen, welche izt die deutsche litterarische Welt überschwemmt, gleich dem zweyten Stammvater der Menschen, überleben. Kleists Cissides ist ein unvergleichliches Gedicht. Die mehrsten seiner kleinen Poesien sind, wo nicht durchgehends vortreflich, doch sehr schön. Lichtwehr bleibt stets unser bester Fabeldichter.83

|| 78 Ebd. 79 Vgl. ebd., II, S. 252. 80 Ebd., II, S. 246. 81 Ebd., II, S. 248f. 82 In einem Brief Unzers vom 19. Juli 1772 an Mauvillon heißt es mit Blick auf eine Klassifizierung der deutschen Dichter: »Ob Lessing und Weisse viel Genie haben, ist noch eine Frage. Ich kann mich hierüber nicht erklären. Dennoch setze ich sie nebst Bodmer und Kleist immer in die zweite Classe, wenn es verlangt wird. Ueberhaupt soll ja das Classenwesen nur ein kleiner Wink für die Kenner sein« (Mauvillons Briefwechsel [s. Anm. 3]), S. 38). 83 [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), II, S. 250.

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Der großen deutschen Dichter, so lautet das nüchterne Fazit der ›Dichterbriefe‹, aber seien insgesamt so wenige, dass sie kaum eine »klein[e] Gartenlaube«84 füllen würden. Die Laube wird im zweiten Stück der ›Dichterbriefe‹ mehrfach erwähnt, was nicht zufällig ist, sondern auf ein tatsächliches Ereignis, eine Begegnung und ein Gespräch der beiden Verfasser in einer konkreten Gartenlaube in Wernigerode Bezug nimmt, wobei sie jetzt eine symbolische Bedeutung gewinnt. Als ein Ort der Lektüre, des Dialogs, der Zweisamkeit bzw. Geselligkeit im kleinen Kreise bildet sie als Refugium der auserwählten Dichtergrößen einen deutlichen Kontrast zum traditionellen ›Tempel des Ruhms‹ oder zum ›Tempel der Sonne‹.85 Für Unzer und Mauvillon ist gerade nicht der Tempel das Symbol für die Stätte auf dem Gipfel des Parnasses. Die Wahl der Laube weckt einerseits Assoziationen zur Empfindsamkeit und zur Lyrik Geßners wie auch zu Darstellungen in der bildenden Kunst; andererseits ist sie eine nur zeitweilig bestehende Lokalität und verweist damit auf die Vergänglichkeit des Ruhms. Im Folgenden wird dann die Laube in den ›Dichterbriefen‹ zu einer Allegorie ausgestaltet: Die Rede ist von einem »apollischen Stift[]« und von »unsere[r] olympische[n] Versammlung«,86 womit neben dem Parnass auch der Olymp ins Spiel kommt. Vor dem Eingang »jener kleinen Laube« steht ein selbsternannter »Thürwächter« (Mauvillon), der erst nach eingehender Diskussion mit dem anderen ›Hüter‹ des Parnasses (Unzer) und nur dann, wenn sie einen Konsens darüber erreicht haben, ob der Ankömmling in »diese herrliche Gesellschaft« eingelassen werden darf oder nicht, den »Schlagbaum aufzieh[t]«.87 Das mag einerseits als anmaßend und arrogant erscheinen (Mauvillon und Unzer vergleichen sich mit Jupiter und Apollo), andererseits könnte man aber auch in der Einführung eines solchen Dialogs (nach sokratischer Manier) die erklärte Absicht erblicken, einen diskursiven Konsens an die Stelle des subjektiven Urteils der Kunstrichter bzw. Literaturkritiker zu setzen.

5 Die Idee einer »Balanz«. Erste Schritte zu einer Klassifizierung und Kanonbildung Ein wirkliches Novum in den ›Dichterbriefen‹ ist der Versuch, eine ›Balanz der deutschen Dichter‹ mit Blick auf ihren eigentlichen »Werth« für die Nationalliteratur aufzustellen und dabei gerade denjenigen vom Thron zu stürzen, der zu dieser Zeit

|| 84 Ebd., II, S. 80. 85 Vgl. Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften, 4. Bd., 13. Stück, 1769, S. 92f. 86 [Unzer, Mauvillon:] Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (s. Anm. 2), II, S. 95 und S. 119f. 87 Ebd., II, S. 94f.

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als erster Dichter der Nation unumschränkt Anerkennung fand. Interessant in diesem Kontext ist nun, dass kurz nach dem Erscheinen der ›Dichterbriefe‹ der heute längst vergessene Literat Christian Nicolaus Naumann (1720–1797) den ersten Band seiner zweiteiligen Schriften aus dem Gebiete des eigenen Nachdenkens, mit Geschmack und Empfindung (1772) mit einer ebenso umfangreichen wie detaillierten »Balanz der deutschen Dichter« beschloss,88 die durch die Vielfalt der Kategorien besticht, die er seinen Bewertungen zugrunde legt, und die in der Literaturkritik dieser Zeit einzigartig ist: Naumann nutzt 39 Kriterien, um insgesamt 25 deutschsprachige Dichter in einem Punktesystem von 0 bis 20 zu beurteilen. In seinem ersten umfassenden Ranking deutschsprachiger Dichter findet man auch heute noch bekannte Autoren wie Bodmer, Gellert, Gleim, Haller, Christian Ewald von Kleist, Klopstock, Lessing; ferner Opitz, der in dieser Zeit als Vater der deutschen Poesie bereits kanonisches Ansehen genoss, zudem Ramler, Uz, Wieland und Zachariä. Daneben aber werden weitere, inzwischen fast vergessene Autoren einbezogen, wie beispielsweise Canitz, Dusch, Rachel, Rost und Withof. Bei den von Naumann verwendeten Kategorien handelt es sich durchweg um bereits fest etablierte Maßstäbe der Literatur- und Kunstkritik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie »Genie«, »Imagination«, »Witz« und »Geschmack«. »Laune« und »Empfindung« werden in drei bzw. vier Subkategorien unterteilt. Hinzu kommen Kriterien wie »Scharfsinn«, »Tiefe Beurtheilung« und »Weltkenntnis«. Der »körnigte[n] Kürze«, einem seinerzeit gängigen Begriff für Treffsicherheit bzw. Präzision, folgt in der Bewertungsskala die Kategorie »Mahlerey«, der wiederum »Geschicklichkeit im Plan« sowie »Fleis und Ausfeilung« an die Seite gestellt sind. Die rein sprachlichen Kriterien wie »Dialogisches Talent«, »Deutsche Sprachkunde«, »Melodie im Vers und Prosa« ergänzen schließlich noch moralische, wie »Gründlichkeit des Herzens«, »Freundschaftliche Gesinnung« oder »Moralischer Werth«, und die »Nationalliebe« steht gleichrangig neben der »Freyheit der Seele«. Wie diese Differenzierung zeigt, lag Naumann offenbar sehr viel an einer größtmöglichen Ausgewogenheit seiner Kriterien. Die ›Balanz‹ endet mit dem »Werth im Ganzen« und wird vom Dichterfürsten Klopstock angeführt. Während Wieland, aus welchem Grunde auch immer, in der Gesamtwertung von Naumann disqualifiziert wird, obgleich er in der Kategorie »Genie im weiten Verstande« 16 Punkte vorweisen kann, bezüglich der »Imagination« sich mit Klopstock auf gleicher Höhe befindet (18 Punkte) und auch in Hinblick || 88 [Christian Nicolaus Naumann:] Schriften aus dem Gebiete des eigenen Nachdenkens, mit Geschmack und Empfindung. 2 Bde. Weißenfels, Leipzig 1772; Titelauflage: Allerley aus dem Reiche des Verstandes und Witzes. 2 Theile. Schleusingen, Leipzig 1774. Die »Balanz der deutschen Dichter« findet sich am Schluss als Faltblatt S. 361ff. Dem voraus geht eine Bewertung der Dichtung Christian Ewald von Kleists nach sieben Kriterien; vgl. Briefe, die neueste Litteratur betreffend. 16. Theil, 256. Brief. Berlin 1763, S. 47 und Christian Heinrich Schmid: Biographie der Dichter. 1. Bd. Leipzig 1769, S. 21–67, hier S. 65.

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auf die »muntere Laune« und den »Witz« seine Stärke beweist, erhalten Klopstock und Uz mit 18 die höchste Punktzahl, und das, obwohl Uz in keiner einzigen Kategorie einen solchen Wert erreicht. Weiterhin erzielen Lessing und Weiße (beide 14), Gellert, Haller, Opitz und Ramler (13), Geßner, Hagedorn, Kleist und Kretschmann (10) ein zweistelliges Gesamtergebnis und werden der zweiten Klasse der deutschen Dichter zugeordnet. Während Haller in den Kategorien »Scharfsinn« und »Tiefe Beurtheilung« überzeugt, kann Gellert sein mangelndes Genie vor allem durch die moralischen Kategorien wie »Gründlichkeit des Herzens«, »Freundschaftliche Gesinnung« und »Moralischer Werth« ausgleichen. Insgesamt ergibt sich ein ähnliches Bild wie in den ›Dichterbriefen‹, jedoch ist Naumann, was Gellert angeht, diesem viel wohlgesonnener und mit Blick auf die Beurteilungskriterien in seinen Ausführungen differenzierter und urteilssicherer als Unzer und Mauvillon. Auffällig ist, dass die Karschin in Naumanns Ranking außer Acht gelassen worden ist; auch die Satiriker Liscow und Rabener fehlen in seiner Rangliste. Und noch ein weiterer Unterschied verdient Aufmerksamkeit: Im Gegensatz zu Naumann bezweifelten Unzer und Mauvillon offenbar die Anwendbarkeit mathematischer Verfahren auf das ästhetische Urteil. Vielleicht ahnten sie schon die Probleme voraus, die einem quantifizierenden Wertungsverfahren unumgänglich immanent und bereits in Naumanns »Balanz« offensichtlich sind, denn der »Werth im Ganzen« lässt sich eben nicht aus der Summe der ermittelten Einzelwerte bestimmen. Das wird besonders bei der Bewertung Wielands deutlich: Obgleich er in den Einzelkategorien überwiegend zweistellige Noten erhält, mehrfach sogar den Höchstwert 18, schneidet er in der Gesamtwertung am schlechtesten ab und bekommt mit 4 Punkten den niedrigsten Wert überhaupt.89 1792 wurde dann im zweiten Band des Archivs für ältere und neuere, vorzüglich Teutsche Geschichte, Staatsklugheit und Erdkunde posthum eine »Kritische Skala der vorzüglichsten deutschen Dichter«90 Christian Friedrich Daniel Schubarts (1739– 1791) publiziert, die auf wesentlich weniger Wertungskriterien zurückgreift, nämlich nur neun: Genie, Urteilsschärfe, Literatur, Tonfülle, Sprache, Popularität, Laune, Witz und Gedächtnis, die auf achtzehn Dichter, darunter nun auch Goethe und Schiller, angewendet werden. Für Schubart ist »Klopstocks Dichtergenius [...] unverkennbar«,91 der dem entsprechend vor Wieland und Bürger die Skala anführt. Gellert, der bei den »Proben von ältern deutschen Dichter« im Anhang der Tabelle zu finden ist, beschließt, alle Kriterien zusammengenommen, gemeinsam mit Hagedorn (128 Punkte) die Skala, während Ramler und Christian von Stolberg 134, || 89 Möglicherweise handelt es sich aber auch nur um einen Druckfehler, dessen Behebung in der Titelauflage von 1774 wegen der notwendigen Arbeit für den Setzer und den damit verbundenen Kosten zu aufwendig war. 90 Archiv für ältere und neuere, vorzüglich Teutsche Geschichte, Staatsklugheit und Erdkunde. 2. Bd. (1792), S. 164–172. Wann genau dieses Schema entstanden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. 91 Ebd., S. 170.

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Denis 137 und Bodmer bzw. Rabener jeweils 140 Punkte erhalten. Die »ältern deutschen Dichter« werden von Schubart in ästhetischer Hinsicht ganz klar den neueren hintangesetzt. Bereits in seiner Besprechung von Schubarts Kurzgefaßtem Lehrbuch der schönen Wissenschaften für Unstudierte (Münster 1777) hatte Mauvillon hinsichtlich der dort vorgenommenen Bewertungen deutscher Dichter darauf verwiesen, dass »verschiedne von diesen Urtheilen« entweder aus den ›Dichterbriefen‹ »entlehnet« seien, »oder wenigstens damit koinzidir[t]en.«92 Ein gewisser Einfluss auf Schubarts Lehrbuch ist kaum zu leugnen, doch ist letztendlich schwer zu entscheiden, was darin tatsächlich Schubarts Meinung widerspiegelt, da das Buch – es handelt sich dabei um das Kondensat seiner privat gehaltenen Vorlesungen –, wie dem Untertitel zu entnehmen ist, »von einem seiner ehmaligen Zuhörer« (d. i. Christian Gottlob Ebner) herausgegeben wurde. Das gilt umso mehr für die 1781 von dem Göttinger Philosophen Michael Hißmann (1752–1784) überarbeitete zweite Auflage, die noch während Schubarts Inhaftierung erschien und von dem neuen Herausgeber, ganz seinen eigenen Grundsätzen und Vorstellungen folgend, für ein akademisches Publikum umgeschrieben wurde, wobei sich die Seitenzahl verdoppelte, ein Verfahren, das natürlich nicht ohne gravierende Eingriffe ablief, so dass z. B. die Passagen über das Theater des Sturm und Drang in Hißmanns Edition fast vollständig verschwanden – mit Ausnahme von Goethe. Die lobenden Passagen über Lenz hingegen wurden von Hißmann ersatzlos gestrichen.

6 Ein »nützliches Ferment« Als Kritik ließe sich aus heutiger Sicht gegen die ›Dichterbriefe‹ vorbringen, dass ihre Verfasser in Sachen des Geschmacks fast ausnahmslos rückwärtsgewandt sind. Neben Gellert sind es vor allem Rabener und Ramler, Uz, Hagedorn und Haller, Geßner, Liscow, Lessing, Weiße und Wieland, die einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Auffallend ist zudem, dass die – aus heutiger Sicht – wichtigen dichtungstheoretischen und literaturkritischen Publikationen der Zeit übergangen werden. Kein Wort über Hamann; Herder wird lediglich in einer Anmerkung genannt. Seine Schrift Haben wir noch jetzt das Publikum und Vaterland der Alten? (1765) und die Kritische[n] Wälder (3 Bde., 1769) bleiben ebenso außen vor wie Gerstenbergs Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur (3 Bde., 1766–1770) und Riedels Theorie der schönen Künste (1767) bzw. seine Schrift Über das Publikum (1768). Nicht auszu-

|| 92 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. 20 Bde. Lemgo 1772–1781, 14. Bd. (1778), S. 220.

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schließen ist allerdings, dass Unzer und Mauvillon diese Texte sehr wohl kannten, sich aber nicht auf eine direkte Auseinandersetzung mit ihnen einlassen wollten. Das erste Stück der ›Dichterbriefe‹ befasst sich neben Gellert fast ausschließlich mit der Dichtung des Rokoko, den Fabeln der Aufklärung, der Schäfer- und Bardendichtung. Im zweiten Stück kommen die Satire, das epische Lehrgedicht, die erotische und geistliche Dichtung hinzu. Nachgereicht werden dann noch einige Kurzkommentare zu Bodmer, Chr. E. von Kleist, Kretschmann und der Karschin, während Jacobi, Dusch, Michaelis, Thümmel und Blum nur am Rande erwähnt werden. Die Exkurse zu Gerstenberg, zu Bodmers Noah und Kleists Cissides wirken wie rasch geschriebene Nachträge, um das Spektrum zu ergänzen bzw. zu aktualisieren. Gerstenbergs Ugolino bleibt unbeachtet,93 ebenso wenig findet Bodmers Wiederentdeckung mittelhochdeutscher Dichtung Erwähnung, die mit dem Nibelungenlied – parallel zur Ilias und Odyssee bzw. dem Ossian – das deutsche Nationalepos hätte namhaft machen können. Die ästhetischen Anschauungen der Verfasser sind weitgehend in der Antikerezeption der Aufklärung verankert. Als ihre Gewährsmänner führen sie Horaz, Batteux, Boileau und Du Bos an, für die Satire ist es vor allem Lukian. Im Bereich der Dichtung wird, was überraschen mag, die Vorrangstellung der Italiener Ariost, Petrarca, Dante und Tasso betont, während die melancholischen »Nachtgedanken« Edward Youngs wie überhaupt alle ›Friedhofspoesie‹ als trübsinnige Schwärmerei verworfen werden. Von Regelverstößen und den mit ihnen verbundenen neuen Parametern der Dichtung jedoch ist nirgends die Rede. Das klingt alles nicht danach, dass die ›Dichterbriefe‹ als Wegbereiter bzw. »Vorläufer der Sturm- und Drangperiode«94 anzusehen wären, wie Heinrich Blume voreilig verkündete, doch sei, um ihre tatsächliche literaturhistorische Bedeutung zu bestimmen, an die Bemerkung des Frankfurter Rezensenten erinnert, dass man »[u]nter der nachlässigen Weitschweifigkeit dieser Briefe [...] nie die denkenden Köpfe«95 verkennen möge. Aus dem Vorsatz, aufzustacheln und zu provozieren, dürfe man keinesfalls den Schluss ziehen, dass die Kritiken deswegen unrichtig seien. Auch wenn Unzer und Mauvillon in ihren ästhetischen Urteilen fast ausnahmslos dem vorgegebenen Regelkanon verpflichtet sind, haben sie, wie Eduard Jacobs es formuliert hat, »ins Licht gestellt und zuerst das ausgesprochen [...], was

|| 93 Unzer hat Gerstenbergs Drama Ugolino (EA 1768) im Herbst 1771 von Johann Lorenz Benzler (1747–1817) geliehen, um es zu lesen und in den ›Dichterbriefen‹ zu »critisiren«, was aber im zweiten Stück nicht geschehen ist, obwohl Unzer ankündigt, dass ihm »ein eigner Brief gewidmet werden« solle; vgl. Unzers Brief an Mauvillon vom 18. September 1771, in: Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 21–25, hier S. 24. Eine längere Besprechung des Ugolino erschien bereits in Christian Heinrich Schmids Zusäzzen zur Theorie der Poesie und Nachrichten von den besten Dichtern (4. Samml. Leipzig 1769, S. 351–360). 94 Blume: Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers »Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter« (s. Anm. 6), S. 3. 95 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772 (s. Anm. 33), S. 119.

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in den Geistern des Sturmes und Dranges und in der Geniezeit lebte und sie bewegte.«96 Ihnen ist zugute zu halten, dass sie ohne zu zögern das Ziel verfolgten, dem Publikum, wie es in den Frankfurter gelehrten Anzeigen heißt, »seine Puppe [zu] nehmen« und einen »neuen Glauben« zu predigen. So gesehen kann man durchaus die Einschätzung des Frankfurter Kunstrichters teilen, dass die ›Dichterbriefe‹ »mit allen ihren sauren Theilen ein nützliches Ferment« seien, »um das erzeugen zu helfen, was wir dann deutschen Geschmack, deutsches Gefühl nennen würden«.97 Hier wird eine Kritik angestoßen, die in einer noch radikaleren Weise verbunden mit neuen ästhetischen Maßgaben ein Jahr nach dem Erscheinen des zweiten Stücks der ›Dichterbriefe‹ für noch weit mehr Furore sorgen und als Bewegung des ›Sturm und Drang‹ ein, literaturhistorisch gesehen, regelrechtes Erdbeben auslösen sollte, wobei Unzer und Mauvillon mit ihrem Angriff auf Gellert und den unreflektierten Publikumsgeschmack der Zeit immerhin für sich in Anspruch nehmen können, ein wichtiges Element zu dieser Entwicklung beigetragen zu haben.

7 Fortsetzung in der Anonymität Nach seiner Anstellung am Carolinum in Kassel im Herbst 1771 hatte Mauvillon die Mitarbeit an den ›Dichterbriefen‹ eigentlich beenden wollen, doch überlegte er es sich dann offenbar noch einmal anders, denn Unzer schreibt ihm: »Wie ich höre, so wollen Sie sich auf ein drittes Stück einlassen. Ich war es anfänglich auch Willens, habe aber meinen Entschluss geändert.«98 Den genauen Grund dafür erfahren wir nicht, aber der sich rasch verschlechternde Gesundheitszustand Unzers wird wohl der Anlass für diese Entscheidung gewesen sein. »Indessen freue ich mich ausnehmend auf Ihre Fortsetzung«,99 fügt er hinzu und bittet darum, im Vorbericht zu erklären, dass er selbst keinen Anteil mehr an der Schrift habe. Mauvillon wird die ›Dichterbriefe‹ über das zweite Stück hinaus aber doch nicht mehr fortsetzen. Er hatte bereits neue Projekte im Auge. In Kassel beteiligte er sich 1772 an dem von Rudolf Erich Raspe (1736–1794) herausgegebenen Casseler Zuschauer und zusammen mit Karl Renatus Hausen (1740–1805), der zu dieser Zeit als Professor für Geschichte in Frankfurt an der Oder tätig war, rief er im selben Jahr die Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (1772–1781) ins Leben, die allein schon von ihrem Konzept her als Konkurrenzunternehmen zur Allgemeinen deutschen

|| 96 Jacobs: Unzer. Dichter und Kunstrichter (s. Anm. 40), S. 118. 97 Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772 (s. Anm. 33), S. 119. 98 Mauvillons Briefwechsel (s. Anm. 3), S. 28. 99 Ebd.

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Bibliothek programmiert war.100 Die nach ihrem Verlagsort auch als ›Lemgoer Bibliothek‹ bezeichnete periodische Schrift, die – wie die ›Dichterbriefe‹ auch – im Verlag der Meyerschen Buchhandlung erschien, und zwar halbjährlich, war nicht allein als Rezensionsorgan gedacht, sondern sollte über die Beurteilung ausgewählter Literatur hinaus im »Ersten Anhang« ihre Leser von Messe zu Messe über Todesfälle, Beförderungen, Veränderungen und Projekte in der gelehrten Welt unterrichten, während im »Zweiten Anhang« die Mitarbeiter jeweils über den Zustand derjenigen Wissenschaften berichteten, für die sie sich besonders kompetent fühlten, was ein völliges Novum im Bereich der gelehrten Zeitschriften darstellte. Unzer, der ab dem zweiten Band (ausgegeben im September 1772) zum festen Mitarbeiterkreis gehörte,101 lieferte dazu mit seiner Abhandlung »Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum« den ersten substantiellen Beitrag überhaupt.102 Mauvillon wiederum verfasste bis zu seinem Ausscheiden aus der Redaktion im Jahre 1778 insgesamt über 150 Rezensionen, die sich durch Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit auszeichnen und das breite Spektrum der ›neuesten deutschen Literatur‹ in vielfacher Hinsicht umfassen, denn über die ›Schönen Wissenschaften‹ hinaus behandelte er neben philosophischen und historischen auch ökonomische und kriegswissenschaftliche Themen. Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass die ›Dichterbriefe‹, auch wenn kein drittes Stück im gewohnten Format mehr erschienen ist, ihre Fortsetzung gewissermaßen in der Anonymität der Rezensionen in der Lemgoer Auserlesenen Bibliothek fanden.103 Hier werden nun nicht mehr nur anerkannte Dichtergrößen wie Wieland, Klopstock und Lessing besprochen, sondern auch die Werke der jüngeren Generation wie Goethes Clavigo, Götz von Berlichingen, Die Leiden des jungen Werthers, Claudine von Villabella und Stella, der Hofmeister von Lenz sowie Der neue Menoza und die Anmerkungen übers Theater, darüber hinaus Klingers Sturm und Drang und Der Aufruhr zu Pisa von Ludwig Philipp Hahn. Mauvillons Verhältnis zum ›Sturm und Drang‹ allerdings ist ambivalent: Einerseits wird das Genie der jungen Dichter erkannt und anerkannt, andererseits aber wird gefordert, dass man sich der dramatischen Regeln erinnern und – allein schon aus praktischen Gründen

|| 100 Vgl. Beylage zu dem zweyten Stücke des Magazins der deutschen Critik. Helmstädt [sic!], Wolfenbüttel 1772, S. 22. 101 Vgl. dazu Arne Klawitter: Die Lemgoer Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (1772–1781) und ihre allzu lange übersehenen Mitarbeiter. In: Euphorion 112/1 (2018), S. 117–137. 102 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (Anm. 92), 2. Bd. (1772), S. 656–672, 3. Bd. (1773), S. 683–702, 4. Bd. (1773), S. 692–700. 103 Vgl. z. B. die Rezension von Geßners Schriften, 5. Th., die mit großer Sicherheit von Mauvillon verfasst wurde, da sie direkt an die Beurteilung Geßners aus den ›Dichterbriefen‹ anknüpft und mit einem Frontalangriff auf Gellert endet; Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (s. Anm. 92), 2. Bd. (1772), S. 153–163.

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– spielbare Stücke liefern solle: »Wir verlangen zwar nicht, daß er sich ganz an die alten Regeln binden möge«, schreibt er über den Verfasser des Hofmeisters, »aber das wünschen wir doch, daß er sich denselben in Zukunft ein wenig näher hielte.«104 Immer wieder fordert er daher bei allem Verständnis für Originalität eine logisch aufgebaute und planvoll durchdachte Handlungsstruktur ein. Die ›Sprünge und Würfe‹, die Nachlässigkeiten in der Ausführung und die verwirrende, mitunter widersprüchliche chronologische Abfolge der Ereignisse beeinträchtigten seiner Ansicht nach die affektive Wirkung der Stücke auf der Bühne. Das richtige Verhältnis zwischen Rührung und Interesse bleibt für Mauvillon – ganz im Sinne der Lessing’schen Wirkungsästhetik – ein entscheidendes Moment für das Gelingen eines Schauspiels, denn je natürlicher und individueller die Hauptperson gezeichnet sei, desto mehr könne sich der Leser bzw. Zuschauer für sie interessieren. Unzer wiederum, der den Siegeszug des ›Sturm und Drang‹ nicht mehr erleben sollte (er starb am 14. Januar 1774 an der Schwindsucht),105 verwendete die letzten beiden Lebensjahre dazu, sein dichterisches Talent unter Beweis zu stellen und seine ästhetischen Überlegungen aufs Papier zu bringen. Nach Vou-ti an Tsin-nas Grabe erschienen 1773 noch Naivetaeten und Einfälle sowie die Neuen Naivetaeten und Einfälle und Zehn geistliche Gesänge, eine Abhandlung Über die chinesischen Gärten und 1774 posthum die Nachrichten von den älteren erotischen Dichtern der Italiener, die er ursprünglich der Leipziger Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste zugedacht hatte und zu denen ihm die Istoria della volgar poesia (Rom 1698) von Giovanni Mario Crescimbeni (1663–1728) als Vorlage diente. Darüber hinaus veröffentlichte er kurz vor seinem Tode als sein religionsphilosophisches Testament noch die Vermächtnisse für Zweifler,106 und posthum erschienen – sozusagen als Abgesang – die beiden herausragenden und noch heute beachtenswerten

|| 104 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (s. Anm. 92), 7. Bd. (1775), S. 398. 105 Obgleich er zumindest Goethes Götz von Berlichingen gekannt haben könnte, zumal sein Bruder Johann Christoph Unzer im 33. Stück des von ihm herausgegebenen Altonaer Neuen gelehrten Mercurius (erschienen am 19. August 1773) den Götz besprochen hat. »Einheit der Zeit, des Orts, der Handlung, alle Regeln des Drama sind hier bey Seite gesezt worden«, heißt es dort, und »wenn ein Verfasser so viel aufopfert, so ist der Leser berechtigt, nichts Geringes zur Entschädigung zu gewarten. Wir zweifeln, ob sich alle Leser dieses Stücks entschädigt halten werden: uns hat es gar sehr vergnügt, ob wir gleich nicht glauben, daß es einen grossen Einfluss auf den Geschmack der deutschen Schauspiele haben könne und dürfe, und daher auch nicht nach mehr solchen Ph[ä]nomenen begierig seyn wollen« (Neuer gelehrter Mercurius auf das Jahr 1773, 1. Bd., 33. Stück, 19. August 1773, S. 261f.). 106 Vgl. Arne Klawitter: Vermächtnisse für Zweifler. Ludwig August Unzers religionsphilosophische Bekenntnisse und ihre Nähe zum Denken Nietzsches. In: Zeitschrift für Kulturphilosophie 13/2 (2019), S. 327–335 (mit originalgetreuem Abdruck von Unzers Schrift S. 313–325) und ausführlicher ders.: Vermächtnisse für Freigeister. Die religionsphilosophischen Bekenntnisse des Dichters Ludwig August Unzer. In: Das Achtzehnte Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts 45/1 (2021), S. 84–100.

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Gedichte »Ruhm« und »Sehnsucht nach Italien«.107 Die Mitarbeit an der Auserlesenen Bibliothek bot ihm bis zum Schluss die Gelegenheit, seine poetologischen Grundsätze, die er in der oben erwähnten Abhandlung »Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum« ausformulierte,108 in einer einflussreichen Zeitschrift kundzutun, die sich gezielt von der in ästhetischer Hinsicht konservativen Berliner Aufklärung und deren Rezensionsorgan abzugrenzen suchte.

8 Literaturgeschichtliche Nachwehen Das offenbar unerschütterliche positive Bild des Schriftstellers Gellert beim deutschen Publikum vermochten Unzer und Mauvillon allerdings nicht zu zerstören. Vierzig Jahre nach dem Erscheinen ihrer ›Dichterbriefe‹ zog der Lexikograph Theodor Heinsius (1770–1849) folgendes Resümee über Gellert und dessen literarische Wirkung: Er war kein Genie der ersten Größe, kein ausgezeichneter Gelehrter, keiner der ersten Dichter; aber seine guten natürlichen Anlagen, sein heller Verstand, seine wohlgeordneten Seelenkräfte, sein geläuterter Geschmack und besonders sein frommer Sinn, seine Richtung auf alles Gute und Schöne, machten ihn mittelst der Poesie zum Verbreiter praktischer Wahrheiten, zum wohlthätigsten Lehrer in der Religion und Tugend, und zum Beförderer eines guten Geschmacks im Volke. Mit dieser Reinheit und Einfalt seines Sinnes verband sich die Kunst einer beredten Leichtigkeit und Herabstimmung zu dem Volksgeist, und das Talent, seinen Lehren und Wahrheiten durch einen muntern scherzhaften Ton einen gefälligen Eingang zu verschaffen. Und diesen Eigenschaften vereint muß man es zuschreiben, daß G e l l e r t von allen Ständen und Altern begierig gelesen wurde, und daß er, der in Griechenland nur ein mittelmäßiger Dichter gewesen seyn würde, in Deutschland das wurde, was H o m e r den Griechen war – ein Nationaldichter.109

|| 107 Vgl. Taschenbuch für Dichter und Dichterfreunde. 3. Abt. Leipzig 1774, S. 12–14. Das zweite Gedicht »Sehnsucht nach Italien« ist in verschiedenen, leicht voneinander abweichenden Fassungen überliefert. In: Neuer gelehrter Mercurius auf das Jahr 1775, 52. St., 28.12.1775, S. 403–405; Deutsches Museum, 2. Bd., 12. St., Dezember 1780, S. 551–553; Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1782, 11. St., 1782, S. 474–476 sowie in: Lyrische Anthologie. Hg. von Friedrich Matthisson. Neunter Theil. Zürich 1805, S. 223–226; vgl. dazu Arne Klawitter: »Sehnsucht nach Italien.« Ludwig August Unzers sensualisiertes Dichterland. In: Lessing Yearbook/Jahrbuch XLVI (2019), S. 135–151. 108 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (s. Anm. 92) 2. Bd. (1772), S. 656–672, Fortsetzung im 3. Bd. (1773), S. 683–702, Beschluss im 4. Bd. (1773), S. 692–700. 109 Theodor Heinsius: Teut oder theoretisch-praktisches Lehrbuch der gesammten Deutschen Sprachwissenschaft. 4. Th., 2. Abt. Berlin 1811, S. 117 (Heinsius nennt als Verfasser der ›Dichterbriefe‹ nur Unzer, vgl. ebd., S. 121).

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Die ›Dichterbriefe‹ waren dennoch nicht vergessen, wenn auch zumeist nicht im positiven Sinne. Für Heinsius waren sie nichts weiter als ein Präzedenzfall für übertrieben negative Kritik: »So wie G e ll er t in der Schrift: Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter [...] auf eine verächtliche Weise zum armseligsten Reimer herabgewürdiget ist, so hat A b t ihn in seiner Schrift vom Verdienst übermäßig erhoben.«110 Bis ins späte 18. und frühe 19. Jahrhundert findet man zwar immer wieder starke Vorbehalte gegenüber den ›Dichterbriefen‹ (so bei Karl August Küttner111 und Karl Heinrich Jördens, der das negative Urteil Christian Heinrich Schmids wortwörtlich übernimmt), doch setzte sich nach und nach eine ambivalente Auffassung über ihre Nachwirkung durch, wie sie in Ansätzen auch schon bei Jördens zu erkennen ist, wenn er einerseits kritisiert, dass die Begierde, den Meinungen des Publikums über einige der von ihm geschätzten Dichter zu widersprechen, die Verfasser »zu Uebertreibungen und einseitigen Deklamationen hin[riss]«, andererseits aber zu bedenken gibt, »daß mitunter auch manches Wahre und Richtige in diesen Briefen über G e ll er ts S c h r i f te n vorkommt, das wohl beherzigt zu werden verdien[e]«.112 Ein ähnliches Fazit zieht Karl Schiller 1845, der bemerkt, dass »diese Briefe, welche Wahres und Falsches in leidenschaftlicher Hast durch einander wühlten, welche in taktloser Ungerechtigkeit alles auf die Spitze trieben, und wo sie Schwierigkeiten fanden, das Kind gleich mit dem Bade ausschütteten, [...] wenigstens aus höherem Gesichtspunkte betrachtet das Gute [hatten], daß sie der damals grassirenden sentimentalen Weinerlichkeit einen heilsamen Stoß versetzten, und daß sie, wenn auch nicht durch Anregung, wozu es ihren Verfassern selbst an Schöpferkraft und harmonischer Ausbildung fehlte, doch wenigstens durch Aufregung wohlthätig einwirkten«.113 Wesentlich härter geht Georg Gottfried Gervinus mit Mauvillon ins Gericht, den er als einen »heimlichen Antichrist«114 bezeichnet und der ihm allein schon seiner französischen Herkunft wegen äußerst suspekt erschien, vor allem aber, weil er aus seiner Begeisterung für die Französische Revolution keinen Hehl machte und sie tatkräftig zu unterstützen suchte, und so hielt sich über lange Zeit die Ansicht, dass

|| 110 Ebd., S. 120 f. Vgl. Thomas Abbt: Vom Verdienste. Berlin, Stettin 1765. 111 So heißt es bei Küttner, dass »[d]ie kecken und schiefen Wäschereyen« der zwei ungenannten Verfasser, »die Gellerten zum ärmlichsten Reimer heruntersetzten [...] vom ganzen lesenden Publikum verlacht und verachtet worden« seien ([Karl August Küttner:] Charaktere teutscher Dichter und Prosaisten. Von Kaiser Karl, dem Großen, bis aufs Jahr 1780. 1. Bd. Berlin 1781, S. 248). 112 Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. Hg. von Karl Heinrich Jördens. 2 Bde. Leipzig 1807, 2. Bd., S. 84. 113 Karl Georg Wilhelm Schiller: Braunschweigs schöne Literatur in den Jahren 1745 bis 1800, die Epoche des Morgenrothes der deutschen schönen Literatur. Wolfenbüttel 1845, S. 135f. 114 Georg Gottfried Gervinus: Geschichte der Deutschen Dichtung. 5. Bd. 4. verb. Aufl. Leipzig 1853 [EA 1842], S. 242.

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der Franzose mit seinen freigeistigen Anschauungen jungen deutschen Dichtern wie Unzer den Kopf verwirrt habe. Bei dem seinerseits für nationalistische Ideen einer bestimmten dunklen Epoche der deutschen Geschichte mehr als empfänglichen Literaturwissenschaftler Josef Nadler liest sich das dann so: »Der Franzose Mauvillon am Braunschweiger Carolinum verführte Unzer vom frommen Glauben des Vaterhauses zum Übermut eines ausgemachten Freigeistes und nahm von der Seele des Todgeweihten unumschränkten Besitz.«115 Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts gerieten die ›Dichterbriefe‹ jedoch zunehmend in Vergessenheit. Während Karl Schiller 1845 Mauvillon noch als einen »Blutsverwandte[n] der Kraftgenies aus der Sturm- und Drangperiode im Fache der literarhistorischen Kritik«116 ansah, Eduard Jacobs 1895 sowohl Unzers dichterisches als auch dessen literaturkritisches Schaffen ausführlich zu würdigen wusste und Heinrich Blume 1908 die beiden Verfasser sogar zu »Vorläufer[n] der Sturm- und Drangperiode«117 erklärte, findet sich in den literaturhistorischen Handbüchern unserer Zeit kaum ein Hinweis auf ihre einst als so provokativ empfundene und viel diskutierte Schrift. Lediglich einzelne Studien zur Satire des 18. Jahrhunderts118 und die Lessing-Forschung, in der die Verfasser als die »subtilsten Mäkler«119 ihrer Zeit bezeichnet werden, haben noch Notiz von ihr genommen. Ausgehend von der jetzt vorliegenden kritischen Edition, die gleichermaßen die positiven wie auch die negativen Stimmen der Zeitgenossen mit ihren Argumenten 250 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Stücks (Ende September 1771) berücksichtigt, besteht nun die Möglichkeit, eine bislang nicht erkannte und nicht unerhebliche Lücke in der deutschen Literaturgeschichtsschreibung zu schließen – handelt es sich doch hier um ein bislang übersehenes Bindeglied zwischen den Dichtungstheorien der späten 1760er Jahre und dem Anfang der 1770er Jahre einsetzenden Sturm und Drang – und die ›Dichterbriefe‹, auch wenn sie letztlich ohne sichtbare Folgen für Theorie und Praxis geblieben sind, so doch in ihrem wohl begründeten Versuch, eine Klassifikation deutscher Dichter zu entwickeln und eine Rangordnung unter ihnen herzustellen, um dadurch einen verbindlichen Kanon zu schaffen, als eine ebenso eigenständige wie originelle Leistung entsprechend zu würdigen. Für kritische Leser wiederum mögen die ›Dichterbriefe‹ als das diskursive

|| 115 Josef Nadler: Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften. Regensburg 1923, 2. Bd., S. 532. 116 Schiller: Braunschweigs schöne Literatur in den Jahren 1745 bis 1800 (s. Anm. 113), S. 132. 117 Vgl. Blume: Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers »Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter« (s. Anm. 6), S. 3; vgl. Anm. 94. 118 Vgl. Klaus Lazarowicz: Verkehrte Welt. Vorstudien zu einer Geschichte der deutschen Satire. Tübingen 1963; Jörg Schönert: Roman und Satire im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Poetik. Stuttgart 1969. 119 Lessing. Epoche – Werk – Wirkung. Hg. von Wilfried Barner, Gunter Grimm, Helmuth Kiesel und Martin Kramer. München 1975, S. 334.

Zur Einführung: Die Lemgoer Bilderstürmer | 29

Ereignis eines Einspruchs, einer Bestreitung etablierter Größen und einer Entwertung bestehender Werte in Erinnerung gerufen werden, die, weil sie eben nur ein »Ferment«, heute würde man sagen: ein ›Katalysator‹ waren, zu schnell vergessen worden sind. »Weißheit«, schreibt Unzer 1773 in einem Christian Konrad Wilhelm Dohm gewidmeten Sinnspruch, »ist nicht Bauen, sondern Niederreißen; Ueber Trümmer geht die große Bahn.«120

|| 120 Ludwig August Unzer: Neue Naivetaeten und Einfaelle. Göttingen 1773, S. 26.

| 1 Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel

https://doi.org/10.1515/9783110793642-002

Editorische Vorbemerkungen Orthographie und Interpunktion des Originals wurden unverändert beibehalten, auch wenn Inkonsequenzen in der Schreibweise oder fehlerhafte Zitate vorlagen. Lediglich offensichtliche Druckfehler, fehlende Akzente in französischsprachigen Zitaten sowie die Großschreibung der Anredeformen wurden korrigiert (vgl. dazu die Emendationen). Fremdsprachige Zitate und Passagen des Originals in Antiqua sind kursiv wiedergegeben, Texthervorhebungen erscheinen g es p er r t. Das im zweiten Stück befindliche Druckfehlerverzeichnis wurde umgesetzt; längere Streichungen wurden mit kenntlich gemacht. Im ersten Stück des Originals wurden in der Paginierung die Seiten 191 und 192 übersprungen.

Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. Erstes Stück.

Ac diu non nisi optimus quisque, & qui credentem sibi minime fallat, legendus est, sed diligenter, ac pene ad scribendi sollicitudinem: (QUINTIL. Lib. 10. Cap. I.)

Frankfurt und Leipzig, 1771.

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Vorrede

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Es ist eine so abgenutzte Erfindung, dem Publiko etwas unter der Einkleidung von Briefen vorzutragen, daß man sich derselben gewiß nicht würde bedienet haben, wenn es nicht mit den gegen|wärtigen eine andere Bewandniß hätte. Der Herausgeber kan versichern, daß sie nichts weniger, als erdichtete Briefe sind. Zweene gute Freunde, davon der eine etwas älter als der andere war, hatten das Glück eines sehr süßen und genauen Umganges mit einander eine geraume Zeit hindurch genossen, als sie sich von einander trennen mußten, doch so, daß sie des Vergnügens eines Briefwechsels in ihrer Trennung nicht beraubt wurden. Es enthielten ihre Briefe Freundschaftsversicherungen, häusliche Angelegenheiten und Urtheile über allerhand Gegenstände; da | aber doch die schöne Litteratur das Hauptband ihrer Freundschaft ausmachte; so war wol nichts natürlicher, als daß diese auch der Hauptvorwurf ihres Briefwechsels war. Der Zufall vereinigte vor kurzer Zeit diese Freunde wieder, und da war das, was bisher die Materie ihres Briefwechsels abgegeben hatte, nunmehro der Stoff ihrer Unterredungen. Sie durchlasen beyde ihre Briefe zusammen, und urtheilten und stritten über ihren Inhalt, wie Leute, die die Wissenschaften lieben, zu thun pflegen. Bey dieser Durchlesung ihrer hingeworfenen Gedanken kon|ten sie sich nicht bergen, daß vieles von dem, was sie da gesagt, im strengsten Verstande wahr sey, daß es auch einem großen Theil des Publici noch neu wäre, und daß es endlich nicht unnütz seyn könnte, wenn es gesagt würde. Sie überlegten alles so reiflich, als sie konnten: Pudet enim dissentire, sagt Quintilian, Lib. 10. Cap. 1 & velut tacita quadam verecundia inhibemur plus nobis credere, cum interim & vitiosa pluribus placeant, & a corrogatis laudentur etiam, quae non placent. Sie trugen ihre Meinungen einigen Bekandten vor, davon ihnen | verschiedene alsbald Beyfall gaben; andere waren anfangs oft Himmelweit entgegen, allein beym Disputiren gelang es gemeiniglich, daß man dieselben überführte. Nachdem sie sich also von der Wahrheit ihrer Sätze soviel als möglich überzeugt hatten, so war der Entschluß, sie bekant zu machen, eine natürliche Folge davon. Dies bewog sie, aus ihren Briefen alles, was ihre Privatumstände betraf, auszumerzen, das übrige, die Litteratur betreffende, ein wenig aufzustutzen, dasjenige, was in ihrer Correspondenz für den Leser dunkel gewesen wäre, durch einige Zu|sätze hie und da etwas weiter auszuführen, und sie so dem Drucke zu übergeben. Sowol die Kürze des Zeitraums von diesem Entschluß bis zu seiner Ausführung, als auch die Menge zerstreuender Geschäfte, denen die Verfasser beyderseits unterworfen sind, und ein Zusammenfluß von andern Umständen, verhinderten, daß an diese Arbeit Zeit und Mühe genug gewandt werden konnte, um sie solchen Leuten empfehlungswürdig zu machen, die da glauben, daß nichts gut und nützlich seyn kan, welches nicht bis auf die geringsten Theile vollkommen | ausgearbeitet ist. Der Herausgeber dieser Schrift hält sich auch daher für verpflichtet, dem Leser zu versichern, daß der eine von diesen Freunden würklich seit geraumer Zeit der schönen Litteratur untreu gewesen, und von dem andern unwillkührlicher Weise in ein für ihn fremdes Fach gezogen worden ist;

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dieser andre aber zu viel Bescheidenheit besitzt, als daß er ohne die heiligste Versicherung der Geheimhaltung seines Namens zur Herausgabe dieser vertrauten Briefe eingewilligt haben würde. Es scheint in den Augen der Ver|nünftigen allemal lächerlich, wenn man viel von seinem Buche sagt, um das Publikum in Ansehung des Urtheils, das es über ein Werk fällen wird, gleichsam zurecht zu weisen. Man ist auch weit davon entfernt, hier so etwas thun zu wollen; nur mag es erlaubt seyn zu bevorworten, daß man billig gegenwärtige Briefe als wahrhafte Briefe ansehen soll, und daß, wenn man hie und da auf Nachlässigkeiten stoßen sollte, man es nicht dem Eigendünkel der Correspondenten, (die da etwa glaubten, auch ihre unreifsten Gedanken seyn des Drucks werth) sondern | der Unmöglichkeit, das Werk auszufeilen, zuschreiben muß. Auch haben beyde befürchtet, wenn sie große Veränderungen darin machten, so würde das Natürliche des Briefstyls wegfallen, und aus Briefen, deren Vorlesung oft ihre Freunde ergötzte, möchten steife Episteln werden. Sie hielten es also fürs beste, alles zu lassen, wie es war. Uebrigens sind sie sich selbst das Zeugniß schuldig, daß, ob sie gleich beyde unbekant sind, und ihre Namen nicht den ausgebreiteten Ruf eines Gleims, Jacobi und Spaldings haben, ihre Correspondenz wenigstens gemeinnützigere und wichtigere Gegenstände enthält, als dieser Männer ihre. Ob sie | über diese Gegenstände richtig gedacht haben, ist eine Sache, davon das Urtheil dem Publiko zukomt. Ueber eine Sache finden sie dennoch nöthig, sich zu entschuldigen. Es ist ein Unglück, ein schlechtes Buch geschrieben zu haben; doch kan man dabey ein grundehrlicher Mann seyn, und da das Urtheil hierüber einzig und allein dem Publiko zukomt, so ist es lächerlich, einem bösen Urtheil durch allerhand Künste vorbeugen zu wollen. Anders aber verhält sichs mit demjenigen, was in einem Werke als ein Fehler im moralischen Charakter ausgelegt werden kan. Diesem muß man durch Vorstellung sei|ner wahren Gesinnungen zuvor zu kommen suchen, wenn man nemlich eine solche Censur nicht zu verdienen glaubt. Diese Freunde besorgen also mit Recht, man könne sie einer Arroganz beschuldigen, weil sie von berühmten Männern so frey und ungescheut urtheilen, als sie thun. In einem Privatbriefwechsel unter sehr guten Freunden wird das wohl kein Mensch wunderlich finden, denn wer wolte da seine Gedanken verhelen? Aber es wird gleich etwas anders, wenn man solchen Briefwechsel der Welt vorlegt. Warum also die Verfasser gegenwärtiger Briefe die Urtheile in denselben so stehen | lassen, wie sie sie niedergeschrieben hatten, dies hat folgenden Grund. Wenn die Verfasser gegenwärtiger Briefe nicht geglaubt hätten, durch die Bekantmachung derselben einigen Nutzen zu stiften; so würden sie sich niemals dazu entschlossen haben. Der Nutzen, nach dem sie abzwecken, ist folgender. Ihre Erfahrung hatte sie gelehrt, daß der größte Theil des Publikums in Deutschland noch ziemlich ungebildet ist. Es liest jederman; kein Mensch aber versteht und goutirt, was er liest. Doch das ist nicht alles. Dieser böse Geschmack des Publikums führt

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alle junge Genies auf Irrwege,| hemt der Ausbildung neuerer den Weg, und ist eine von den Hauptursachen des Verfalls der schönen Wissenschaften. Wir vergleichen uns mit Rom und Athen. Das ist lächerlich! Es ist gewiß, daß in Athen der Schuster ein besserer Richter von Beredsamkeit war, als bey uns ein Rathsherr, und daß die Kohlweiber sich auf das Verdienst eines Trauerspiels besser verstunden, als in Leipzig die vornehmsten Kaufmannsfrauen. Es ist hier nicht der Ort zu entscheiden, wer von beyden das andere verdirbt, ob das Publikum die Dichter, oder diese das Publikum. Soviel ist gewiß, unsere jungen Genies ersticken in der Blüthe. Sie suchen das | Fremde, nicht das Schöne. Das Wort Original schallet ihnen in den Ohren; das wollen sie seyn. Wenn sie fremde Namen haben, in ihren Gedichten die Namen Od i n und Vo llha l la anbringen, sich nicht Dichter sondern Barden nennen, wunderliche Versarten, wunderliche Inventionen gebrauchen, so denken sie, sie sind es. Die wahren, die großen Schönheiten verkennen und vernachläßigen sie. Ein großer Theil der Schuld liegt wol daran, daß sie nur schlecht mit den Alten, und stümperhaft mit den guten Neuern aus fremden Sprachen bekant sind. Sie bilden sich nach den Dichtern ihrer eignen Nation. Wenn aber nur noch allezeit | die guten Dichter der Nation gewählt würden, so gienge das noch an; denn freylich, wer deutsch dichten lernen will, muß viele deutsche Dichter lesen. Aber es wird schlechtes und gutes unter einander, ohne Wahl, ohne Nachdenken gelesen; wie kann da was kluges herauskommen? Kaum blüht unsre Litteratur seit funfzehn oder zwanzig Jahren; und schon sinkt sie wieder. Wie Schade! Man glaube ja nicht, daß die Schärfe unsrer Critiker daran Schuld ist. Es muß noch eine größere Schärfe, aber mit der grösten Unpartheilichkeit vergesellschaftet, angewandt werd|en. Daß der schlechte Schriftsteller getadelt wird, macht das Unglück nicht aus, wie man bisweilen sagen hört; sondern daß er noch immer Leute findet, die ihn loben, und andere, die diesem Lobe glauben. Dies ist die Ursache, warum es so viele Stümper giebt. Die Furcht, junge Genies durch zu viel Strenge abzuschrecken, ist ungegründet. Ein Genie fühlt sich, und läßt sich durch einen ganzen Schwarm von Critikern nicht irre machen. Der Fehler ist immer noch, daß man zu gelinde ist, und daß das Lob bloß nach dem Rufe, den die Leute vor sich haben, und nicht | nach dem Verdienste des Werks selbst abgemessen ist, das heraus kömmt. Da diese falschen Urtheile über das Verdienst vieler Männer, die einen Ruf haben, und der Mangel an richtigen Begriffen über das dichterische Verdienst und über das wahre Schöne, die Ursache von dem Verderben sind, das die deutsche Litteratur bedrohet: so haben die Verfasser gesucht, durch Bekantmachung ihres Briefwechsels richtigere Begriffe und gegründetere Urtheile an die Stelle der gewöhnlichen zu setzen. Nicht als wenn sie die ächten Kenner belehren wollten; so ein Gedanke ist ihnen nie ein|gefallen, denn diese wissen, was hier gesagt ist, so gut als sie selbst. Aber wie viel sind denn derer? Der übrigen großen Menge der Lesenden, die alles neue ließt und ohnedies blind urtheilt, haben sie versucht, durch diesen Weg ein Licht anzuzünden, da das verkehrte Urtheil derselben die Hauptursache des Verderbens der gesunden deutschen Litteratur ist.

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Die Verfasser dieser Briefe sind ganz unpartheyisch. Sie stehen nicht in der geringsten Verbindung mit einer Parthey, ja, sie haben nicht einmal die entfernteste | [21] Bekanntschaft mit irgend einem schönen Geiste, deren Freundschaft sie auch vielleicht sehr wenig geneigt sind ängstlich zu suchen. Denn wozu? Um etwa an ihren Streitigkeiten und Zänkereyen, womit sie sich zum Gespötte der Vernünftigen machen, Theil zu nehmen? GOtt behüte! die Bekantschaft mit ihren Schriften ist alles, was erforderlich ist. In dieser Verfassung urtheilten sie nun unter sich vollkommen frey, ohne alle Zurückhaltung und Rücksicht auf irgend eine Person. Sie hielten es also auch für gut, der Welt ihre Urtheile eben so ungezwungen vorzulegen, um da|durch einen Beweis von ihrer Freymüthigkeit, von ihrer Unabhängigkeit abzule- [22] gen. Zudem haben sie mit Vorurtheilen, mit tief eingewurzelten Vorurtheilen zu thun, und in Bestreitung dieser Vorurtheile besteht eben der ganze Nutzen, den sie zu schaffen verhoffen. Nie wird es einem aber gelingen, dergleichen umzustoßen, wenn man sie nicht mit der größten Freyheit, mit lauter, verständlicher Stimme, und ohne die geringste Furcht bestreitet. Dies bewog sie, ohngeachtet des Schrecklichen der Namen, die sie angriffen, die Wahrheit nach ihren Einsichten öffentlich | eben so [23] trocken und so kahl zu sagen, als sie sie unter sich gesagt hatten. Es steht ja beym Publiko, ihre Urtheile, wenn sie sie nicht mit sattsamen Gründen unterstützt haben, zu cassiren. Ihnen, da sie nur über Bücher gesagt sind, die jederman vor Augen liegen, stund es frey, sie zu fällen; denn wo ist es unerlaubt, zu sagen: das Werk ist schlecht, und der Mann, der es gemacht hat, ist in diesem Fache ein Stümper? Die lächerliche Aufführung einiger | Kunstrichter hat bey Leuten, welche denken, (deren Anzahl zwar sehr klein ist, aber deren Beyfall doch dasjenige ist, was sich die Verfasser gegenwärtiger Briefe besonders wünschen,) den Namen eines Kunstrichters und was ihm nur ähnlich siehet, zu einer Art von Schimpf gemacht, zu einem Namen, der mit demjenigen eines Ränkemachers, eines Menschen, der seine Feder zu Erreichung gewisser schändlichen Zwecke dienen läst, einerley ist. Hiedurch ist man bewogen worden, weil doch dieses | Werk einen kunstrichterlichen Anstrich hat, sich auf seine Unabhängigkeit von allen schönen Geister-Verbindungen zu berufen. Der Herausgeber gegenwärtiger Briefe kann auch mit Wahrheit sagen, daß keine niederträchtige Eifersucht der Grund ist, warum sich die Verfasser an berühmte Männer machen, und ihnen ihren Ruf nehmen wollen, welches sonst eben keinen löblichen Schein hat. Sie sind weit davon entfernt, Wetteiferer dieser Männer in diesem Fache zu seyn. Keiner von ihnen ist ein Dichter,| und der eine entsagt gänzlich dem Studio der schönen Litteratur. Auch nennen sie sich nicht, und wünschen im Gegentheil unbekannt zu seyn; weswegen sie auch die Herausgabe dieser Briefe einer dritten Hand anvertrauet haben. Man kann ihnen also nicht Schuld geben, daß sie sich durch einen Angrif auf angesehene Männer hätten berühmt machen wollen. Sie können hier im Angesicht des Publici bezeugen, daß nichts weniger als Neigung zur Paradoxie oder zur Erreichung niedriger Endzwecke, sondern einzig und allein Liebe | zur Wahrheit und zu dem Nutzen, den dieselbe für

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die Wissenschaften haben kann, Antheil an dem Entschlusse hat, diese Briefe bekant zu machen. In den Mitteln können sie ohne ihr Verschulden geirret haben, aber ihr Zweck ist nichts desto minder edel gewesen. Dies, haben sie geglaubt, müsse dem Publiko gesagt werden, damit sie, wo möglich, den gräulichen Beschuldigungen, die vielleicht diejenigen, deren Vorur[28] theile | sie angreifen, gegen sie ausstoßen werden, entgehen könten. Gelingt es ihnen nicht; je nu, so werden sie sich in ihrer Einsamkeit und in der Dunkelheit, worin sie leben, darüber zu trösten wissen.

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Erster Brief.

Erlauben Sie mir, liebster Freund, daß ich Ihnen eine Bemerkung mittheile, die ich gestern in einer Gesellschaft zu machen Gelegenheit hatte. Sie ist keine von den gewöhnlichen, und würde mir vielleicht von einem jeden, der nicht, wie Sie, an das Horazische nil admirari gewohnt ist, sehr sonderbare Urtheile zuziehn. Indeß scheint sie mir richtig zu seyn, und in so fern, hoffe ich, wird sie Ihre Aufmerksamkeit an sich ziehn, ob sie gleich litterarisch, und also nicht in dem Fache ist, welches itzt [30] Ihre Lieblingsbeschäfti|gung ausmacht, nemlich die Weltweisheit und das Studium der Natur. So sehr ich überzeugt bin, daß diese Wissenschaften die Litteratur unendlich weit hinter sich lassen, zumal wenn sie so behandelt werden, wie Sie thun; so sehr wünsch’ ich dennoch, daß Sie sich gefallen lassen möchten, die Rolle eines Kenners der schönen Wissenschaften, eines Kunstrichters, welche Sie ehemals mit so vieler Ehre gespielt, einmal wieder anzunehmen, und bey Gelegenheit Ihren Helvetius oder Buffon mit dem Aristoteles und du Bos abzuwechseln. Ihre ländliche Einsamkeit (um die ich Sie bey nunmehr verjüngter Jahreszeit oft beneide) giebt Ihnen Muße genug, in beyderley Art Wissenschaften mit glücklichem Erfolge arbeiten zu können. – Nun hören sie meine Bemerkung an! Die Gesellschaft, so mir Gelegenheit zu derselben gab, war, wie es in großen Städten gewöhnlich ist, von Personen zusammen gesetzt, die sehr verschieden an [31] Alter, Stand und Ge|sinnungen waren. Und ohnerachtet dieser Verschiedenheit, welche zu einigen Dispüten Anlaß gegeben hatte, fand ich sie dennoch in einem Punkte vollkommen in ihrer Denkungsart mit einander übereinstimmend; und dies war die allgemeine Bewunderung Gellerts. Hier gaben alle Partheyen nur einen Ton an, und ein jeder beeiferte sich zu dieses Mannes Lobe. Bald darauf wurde von Rabeners Tode gesprochen, und zwar so kaltsinnig, als ob Wichmann gestorben wäre. Ich kann nicht leugnen, dies befremdete mich ein wenig. Als ich aber nachher der Sache weiter nachsann; so fand ich in dem Betragen dieser Gesellschaft das

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Betragen der deutschen Nation so lebhaft vorgestellt, daß ich aufhörte, mich über ersters zu wundern, und über das letzte einen kleinen Unwillen in mir empfand. Ja, ja, mein Freund, können Sie es wol glauben, daß jenes Publikum, welches so vielen Antheil an Gellerts Tode nahm, auch nicht den kleinsten Lautenton über dem Grabe des | deutschen Momus hat erschallen lassen? Diese Ungerechtigkeit gegen einen Mann, der, wo nicht mehr, doch gewiß eben so viel Verdienste um die Ausbreitung des guten Geschmacks und der Sitten in Deutschland besaß, als Gellert, hat mich beynahe dahin gebracht, ein Mißtrauen in den Geschmack einer Nation zu setzen, die sich selbst so unähnlich zu handeln im Stande ist. Gellert ist der Lieblingsdichter dieser Nation! Welch ein nachtheiliger Schluß für ihn könnte nicht hieraus gezogen werden! – In der That, mein Freund, ich habe eben itzt nochmals Gellerts Schriften in die Hand genommen, und fühlte mich beinahe geneigt, zu glauben, daß dieser Schriftsteller, wenn man ihn anders als in der Kindheit der Bildung des Geschmacks ließt, ganz aus seiner Sphäre gebracht ist. Der Mann von kritischem Gefühl kan wol schwerlich seine Lieblingslektüre daraus machen. Und dennoch ließt ihn eine ganze Nation; dennoch preisen ihn alle Kunstrichter an, und setzen ihn, wenigstens in | einigen Gattungen, über alle übrigen Dichter Deutschlands! Wie soll ich dies erklären? Soll ich mein Gefühl für falsch halten? Soll ich den Geschmack einer ganzen Nation verdammen, deren Stimme seit einigen Jahren angefangen hat, sehr viel Gewicht in dem Reiche des Witzes zu bekommen? Oder soll ich behaupten, daß wahre Kenner Gellerts dichterische Verdienste wirklich weniger schätzen, als man gewöhnlich dafür hält? Letzteres wünschte ich thun zu können; aber mit was für Grunde? Es ist zwar wahr, Lessing, Wieland und Ramler, diese Ersten der Nation, haben niemals, so viel ich weiß, eine besondere Hochachtung für den seligen Gellert, als Dichter, zu äußern für gut befunden, und ich gründe hierauf die Vermuthung, als wenn diese Gelehrten heimlich eben so urtheilten, wie ich; allein indeß wird Gellert doch beständig für einen der größten Dichter der Nation angesehen. Ich bin weit davon entfernt, ihn für einen schlechten Schriftsteller zu halten, (wie könnte mir nur | dies in den Sinn kommen?) im Gegentheil lasse ich den einzelnen Schönheiten seiner Werke völlig Gerechtigkeit wiederfahren; aber was ihn zu der hohen Stuffe, welche er durchaus besitzen soll, berechtigen könnte, vermag ich noch nicht völlig einzusehn. Und doch denken hierin ein Denis, ein Weiße und andere so sehr verschieden von mir? – Vielleicht rührt dies von einer geheimen Empfindung der Dankbarkeit her, mit welcher diese Männer Gellerts Verdienste um die Beförderung des Geschmacks betrachten. Diese Verdienste verehre ich mit ihnen; ich thue noch mehr, ich schätze die Moralität, die in Gellerts Schriften geprägt ist, und die dieselben für alle Stände, Geschlechter und Alter nützlich macht; aber ich bekenne zugleich, daß Gellert schwerlich so verdienstvoll von dieser Seite hätte werden können, wenn er in seinen Schriften größer erschiene. – Mit seinem Tode nimt das Urtheil der Nachwelt seinen Anfang. Seine Zeitgenossen zollten ihm den Tribut der Hochachtung, den sie ihm schuldig waren.| Sein Name mag Deutschland

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ewig werth seyn, aber seine Schriften müßten strenge vor Gericht gezogen, und von dem Augenblick seines Todes an der Urtheilsspruch des Geschmacks über sie gefällt werden. Und diesem zufolge möchten sie wol nicht in das Heiligthum des Tempels der Unsterblichkeit eindringen, wo Ihr Ariost, wo mein Petrarca und der göttliche Herrera wohnen. Eine Schrift, worin den Dichtern jeder Nation ihre besondere Stelle in dem Tempel des Nachruhms angewiesen würde, könnte zugleich ihren Zeitgenossen lehren, mit was für Augen sie den Werth ihrer Schriftsteller betrachten müßten. Hätte Deutschland eine solche Schrift, und ihr Verfasser beleuchtete jedes Genie aus dem rechten Standorte, indem er kühn über dasselbe urtheilte, unbekümmert für das Geschrey der Leidenden, so würde man vielleicht unter andern auch Gellerten aus seinem Posten getrieben finden. [36] Ich wiederhole nochmals, daß ich Gellerts Verdienste um die Bildung Deutschlands verehre, daß ich die einzelnen Schönheiten, womit seine Schriften angefüllt sind, nicht verkenne; daß ich ihn aber aus einem unerklärbaren Eigensinn meines Gefühls mit minderm Vergnügen als andre unsrer Dichter lese. Ich wünsche, Ihr Urtheil hierüber zu vernehmen, und, wo möglich, dasselbe dem meinigen gleich zu finden. Sagen Sie mir freymüthig, was denken sie von Gellert? – – – age, quaeso, Tu nihil in magno doctus reprendis Homero?

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Ich bin mit aller Hochachtung etc.

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Zweyter Brief. Was verlangen Sie von mir, liebster Freund? Donatum iam rude, quaeris, – iterum antiquo me includere ludo. Non eadem est aetas, non mens.

Sie schreiben mir von Sachen, die die schönen Wissenschaften, die Dichtkunst, den Geschmack betreffen, und wissen doch, daß ich diesem allen schon seit ziemlich langer Zeit entsagt habe. In diesen Ländern, wo ich sonst herumreisete, und mich einige Zeit aufgehalten habe, bin ich itzt vollkommen ein Fremdling, und außer dem, was ich durch einige wenige Correspondenzen, die ich noch dahin unterhalte, erfahren kann, weiß ich nichts von dem, was itzt darin vorgeht. Sehen Sie also, wen Sie sich erwählt haben, nicht um demselben Ihre Meynungen und Gedanken vorzu[38] tragen, die | ich allezeit gerne höre, sie mögen einen Gegenstand haben, welchen sie wollen; sondern um ein Urtheil darüber zu haben. Wie unfähig bin ich dazu, eins

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über dergleichen Gegenstände zu fällen! Wenn Sie mich noch frügen, ob Platons oder Mendelsohns Phädon oder Ciceros erste tuskulanische Frage besser die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele glaublich machte, so wüßte ich vielleicht, was ich darauf antworten sollte. Aber, ob Gellert sein Lob vollkommen verdient, ob Rabener oder er ein besserer Schriftsteller ist; was soll ich dazu sagen? wie kann ich davon ein Urtheil fällen? Zu der Zeit, da ich noch im Reiche der schönen Wissenschaften, und zwar besonders in der deutschen Provinz, herumreisete, erinnere ich mich wol, daß ein Mann damals in großem Ansehen stand, bey dem ich auch gleich bey meiner ersten Ankunft präsentirt wurde, der Gellert hieß. Nun haben mir die neuesten Nachrichten aus diesem Lande gemeldet, daß er gestorben sey, und daß man ihn sehr beweinet habe. Bin ich deswegen im | Stande zu sagen, ob er diese Thränen [39] verdient? Es ist wahr, ich habe bey meinem dortigen Aufenthalte eine genaue Bekantschaft mit ihm gehabt; aber, seitdem ich das Reich der schönen Wissenschaften verlassen, und mich in die für meinen Geist so angenehmen Länder der Weltweisheit niedergelassen habe, weiß ich gar nichts mehr von ihm, und bin außer Stand von ihm zu urtheilen. S i e ges teh en al s o d o ch , d a ß S ie i hn gel es en h ab en , werden Sie sagen. – Je nu ja, das habe ich gethan. – Nu n , s o wi l l ic h w i s s en , w i e S ie i hn d a m a ls ge f u nd en hab e n. Sie sind ein böser Mann, und ich sehe wol, ich muß Ihnen nur den Willen thun. Was ich also davon denke, will ich Ihnen sagen. Ob ich Recht oder Unrecht habe, überlasse ich Ihnen alsdenn zu entscheiden. Denn, in der That, ich bin mit meinem Geiste so weit von den Gegenständen entfernt gewesen, zu welchen Sie ihn itzt zurück rufen, daß vielleicht nichts natürlicher ist, als daß ich von denselben ganz | verkehrt urtheile, wenn ich auch schon ehedem besser hätte [40] urtheilen können. Diesem müssen Sies auch anrechnen, wenn Sie meine Urtheile etwas strenge finden. Denn, es sey nun das mürrische Wesen des Alters oder die Ernsthaftigkeit der Gegenstände, mit denen ich mich anitzt geschäftige, und die meine Seele ein wenig rauh und finster machen; so finde ich dennoch, daß mir anitzt vieles gar nicht mehr gefällt, was mir ehedem recht artig deuchte. Dies sage ich Ihnen zum voraus, damit, wenn Ihnen meine Urtheile mißfallen, Sie mir die Schuld nicht zuschreiben, sondern sich selbst, der Sie mich anreizen, von Materien zu sprechen, zu deren Beurtheilung ich vielleicht durch allerhand Umstände unfähig gemacht worden bin. Ich merke wol, was es bey Ihnen ist. Sagen Sies nur heraus; Gellert gefällt Ihnen nicht. Wenn Sie ihn lesen, so scheint er Ihnen seicht, ohne alles Genie und recht invita Minerva zu dichten. Und doch übertäubt Sie das Lob und Klaggeschrey von ganz Deutsch|land. Sie fürchten sich zu irren, oder einen falschen Geschmack zu [41] haben. Sie machen sich ein Gewissen daraus, zu sagen: die Nation hat Unrecht, und doch können Sie das, was dieselbe in Gellerten entzückt, nicht finden. Wie derjenige, der eine böse Neigung, eine unwiderstehliche Leidenschaft bey sich fühlt, sich gegen den Zuruf seiner Eltern, Hofmeister oder strengen Freunde, und gegen seine innere Stimme zu schützen sucht; so rufen Sie Beyspiele und Scheingründe auf, um sich zu

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rechtfertigen, daß Sie Gellerten nicht schön finden können, noch ehe Sie ihn getadelt haben. Der laute Zuruf der Menge macht Sie stutzen; noch mehr betäubet Sie das Lob der Kenner, eines Denis, Weiße u. a. Sie suchen andre mit Aengstlichkeit auf, um sie diesen entgegen zu setzen, und sollte es auch nur durch Wahrscheinlichkeiten geschehn. Endlich vertrauen Sie Ihre kleine Schoossünde mir, Ihrem Busenfreunde, in der Hofnung, mich gleichfals davon angesteckt zu finden, da Sie wissen, welche [42] Ueber|einstimmung der Himmel im übrigen unter unsere Herzen gelegt hat. Aber die Behutsamkeit, mit der Sie es thun, zeigt, daß Sie es sich kaum überreden können, daß ich so denken sollte, ob Sies gleich hoffen. Diesem schreibe ich auch zum Theil Ihre gütigen Lobsprüche zu, die ich, wie Sie selbst wissen müssen, gar nicht verdiene. Ich glaube aber, Sie suchen theils dadurch Ihre eigne Meynung von mir bey sich zu erhöhen, um sich noch mehr getröstet zu fühlen, wenn es sich etwa treffen sollte, daß ich so dächte, wie Sie; theils wollen Sie mich auch vielleicht ein wenig bestechen. Was hilfts Ihnen aber, wenn ich nun auch Ihrer Meynung wäre? Würden Sie weniger die einmüthige Meynung der ganzen Nation wieder sich haben. Zween Leute gegen eine ganze Nation? Das würde nichts beweisen, als daß wir beyde einerley verdorbenen Geschmack hätten. Ich denke also darauf, einen andern Weg einzuschlagen, um Ihnen das Herz leichter zu machen. Und wenn Sie alsdenn [43] meine Mey|nung noch wissen wollen, so will ich sie Ihnen mit minderm Scheu sagen. Dieser Weg, mein liebster Freund, besteht darin, daß ich Ihnen von dem, was der Geschmack der Nation eigentlich bey uns heißt, und von dem Werthe desselben einen deutlichen Begrif mache. Vielleicht, wenn Sie den erst haben, werden Sie sich weniger Gewissen daraus machen, ihm zuwieder zu empfinden. Es klingt hart: die ganze Nation bewundert den Mann, sie wird durch seine Schriften entzückt, und du auf deiner Studierstube findest sie matt, schaal, wässerig. Vielleicht aber, wenn mans recht überlegt, klingt es nur so. Um die Sache gerade heraus zu gestehen, wie sie ist, so muß ich sagen, daß, außer einigen wenigen guten Köpfen und ächten Kennern der schönen Wissenschaften, unser Publikum bis itzt noch gar keinen Geschmack hat, und das furchtbare [44] Wort: Geschmack der Na|tion, ein sinnloses Wort ist. Das ist zwar viel gesagt, aber es ist wahr. Es scheint sonderbar, niemals sind wol mehr Kunstrichter gewesen, als itzt, und dennoch herrscht kein Geschmack. Nicht, als wenn alle die Kunstrichter keinen hätten. Im Gegentheil giebt es ihrer einige, dies unter die Zahl der guten Köpfe gehören, und die sehr gut urtheilen, wie man aus ihren Recensionen sieht. Aber machen denn diese ein Publikum aus? Kann man zwanzig vernünftige Kunstrichter, die auf der Oberfläche Deutschlands hervorschimmern, eine Nation nennen? Daß aber der übrige Theil der Nation (diejenigen wenigen guten Köpfe noch ausgenommen, die nicht Kunstrichter sind) gar keinen Geschmack hat, das leuchtet offenbar hervor, wenn man nur einige Facta bedenkt, die ich Ihnen hererzählen will.

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Die Art, wie das Publikum die Geburten dieser ganz erschrecklichen Menge von Kunstrichtern gebraucht, ja ihre Menge selbst ist ein | sattsamer Beweis von dem, was ich sage. Mir kömmt das deutsche Publikum wie ein Blinder vor, der das, was den Sinn des Gesichts betrift, gar zu gerne zu erforschen wünscht. Ein jeder, der ihm was davon erzählt, ist ihm willkommen. Er horcht auf alle seine Aussagen, vergleicht sie sorgfältig unter einander, und determinirt sich, nicht aus der Natur der Sache selbst, (denn die ist er gar nicht im Stande zu beurtheilen) sondern aus Wahrscheinlichkeiten, die theils von der muthmaßlichen Fähigkeit des Gesichts der Aussagenden (denn auch von dieser ist unser Blinde unfähig zu urtheilen) theils von der Ehrlichkeit und Unpartheylichkeit derselben hergenommen sind. Dies ist der Zustand unsers Publikums, aufs allernatürlichste geschildert. Stellen Sie sich nun aber einmal vor, wie meine arme Blinde in Verlegenheit sind, wenn sich ihre Lehrer widersprechen, zumal wenn es beyderseits Leute sind, von deren Fähigkeit zu sehen sie hohe Begriffe haben. Denn widerspricht eine Zeitung einer Bi|bliothek, oder der gelehrte Artikel in einer politischen Zeitung einer sogenannten gelehrten Zeitung; ja dann ist der Streit gar bald in ihrem Geiste entschieden. Die Kunst zu sehen hat alsdenn in den Gedanken meiner Blinden ihre Stufen, nach denen sie eines jeden Aussage beurtheilen. Die Menge der Journale, die aus dem Heißhunger des Publikums darnach entspringt, zeugt auch von der Blindheit desselben. Denn wären meine Leute nicht blind, und zwar stockblind; so würden sie nicht so gierig nach der Aussage eines jeden seyn, der sich zum Seher unter ihnen aufwirft. Wenn ich denn mein Gleichniß von den Blinden fortsetzen wollte, so müßte ich mir noch vorstellen, daß nicht nur ein jeder wünschte sehen zu können, sondern sich auch eine Ehre daraus machte, so zu thun, als könne er sehen, und sich daher unaufhörlich mit Gegenständen des Gesichts beschäftigte, darüber spräche, und das Urtheil seiner Lehrer darüber auf das platteste nachspräche, oder auch ganz albern urtheil|te, wenn er dieses nicht hätte. Alles dies können Sie sowol aus dem Gebrauche, den unser Publikum von den Kunstrichtern macht, als auch aus der Art, wie diese jenes bedienen, deutlich ersehen. Es ließe sich, deucht mir, ein ganz fein Tractätgen von dem rechten Gebrauche der Journale schreiben, welches für unser deutsches Publikum von großem Nutzen seyn könnte. Denn es ist sicher, daß dieses einen ganz verkehrten Gebrauch davon macht. Ich bin weit davon entfernt, diesen Schriften ihren Nutzen abzusprechen, aber, wenn sie einen haben sollen, so brauchen derselben weder so viele zu seyn, als wir haben, noch müssen sie auch auf die Art eingerichtet werden, wie bey uns. Der eigentliche Nutzen dieser Bücher ist, daß man erfahre, was gutes neues herauskommt, damit man sich in Ansehung des Kaufes darnach richten kann. Denn ein Liebhaber der Wissenschaften hat selten solche Reichthümer, daß er nicht etwas behutsam zu Wer|ke gehen müsse, wenn er kauft. Er hält sich zu dem Ende ein Journal, um zu wissen, ob das, was er kaufen will, ihm wirklich Nutzen oder Vergnügen verschaffen könne. Das ist wenigstens der Fall in den schönen Wissenschaften;

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denn in andern kann ein Journal, wenn es schöne und wohlgemachte Auszüge enthält, oft einem Gelehrten, indem es ihm das wichtigste aus einem Buche darstellt, die Mühe und das Geld ersparen, das Buch selbst zu kaufen and zu lesen. Daher behalten z. B. in meinen Augen die Göttingischen Gelehrten Zeitungen, so elend sie auch in dem sind, was die schönen Wissenschaften betrift, in den übrigen Wissenschaften den Vorzug vor allen Journalen. Denn sie beurtheilen kurz, und liefern herrliche Auszüge. Auszüge aber bey Werken des Genies zu machen, ist fast nicht möglich. Kurz und gut gesagt: das Buch ist gut, oder schlecht, und dies durch Anführung von einzelnen Stellen bewiesen; das ist alles, was von einem guten Journale [49] hier gefodert werden | kann, und ist für ein Publikum, das Geschmack hat, hinlänglich. Dazu braucht es nun freylich nicht zwanzig Journale und funfzig gelehrte Zeitungen. Zwey oder drey recht gute wären für ganz Deutschland genug. Das lächerlichste aber ist, daß sie sich einander abscheulich widersprechen, und auch dies zeigt, wie blind unser Publikum ist. Wenn das Journal wäre, was es seyn sollte, nehmlich der Referente, der dem Richter, dem Publiko, aus den Akten referirte; so könnte das gar nicht geschehn. Denn wehe dem armen Referenten, der aus Dummheit oder Boßheit falsch referirte! Er würde bald seines Amts entsetzt werden, oder, um deutlicher zu reden, kein Mensch kaufte sein Buch mehr, und der Verleger würde ihm bald seinen Kauf aufkündigen, welches unglückliche Schicksal ihn von der Wuth zu recensiren mit Gewalt heilen müßte. Allein die Blinden, die das Publikum und die Nation ausmachen, lassen sich immer von Marktschreyern bethören, die [50] ihnen weiß machen, was sie | wollen. Kömmt dann ein andrer, er sey nun auch ein Marktschreyer, oder ein ehrlicher Mann, der ihnen zeigen will, daß jener irrt! so können sies selber nicht beurtheilen, und sind sie einmal für jenen eingenommen, ja so hilft nichts, sie meynen stets, der, welcher ihm widerspricht, rede es aus Neid. Es scheint zwar, als könnte man aus den Journalen wohl urtheilen lernen, und den Geschmack bilden. Allein das ist nicht wahr, oder es ist nur bey Leuten wahr, die schon Geschmack haben und dem Recensenten nachurtheilen. Diese lernen alsdenn nicht eigentlich urtheilen, sondern sie üben nur dabey ihren schon erlangten Geschmack. Um den Geschmack zu bilden, ist meines Erachtens nichts gut, als eine sorgfältige Lectüre des Guten, die so lange muß fortgesetzt werden, bis sich die Seele nach und nach zu den Eindrücken des Schönen gewöhnt hat. Wenn das geschehen ist, und der Lehrling hat erstlich fühlen gelernt, alsdenn muß er, wenn er nun auch [51] seinen Verstand belehren | und sich in einer gesunden Kritik festsetzen will, nicht Recensionen, sondern solche Bücher, wie des Du Bos Betrachtungen, Meinhards Versuche, Homes Grundsätze oder andere kritische Schriften lesen, die ihm lehren, nicht nur die Schönheiten zu fühlen, sondern sie auch aus einander zu setzen, und sich selbst von demjenigen Rechenschaft zu geben, was er vorher schon mußte fühlen können. Dieses letztere ist eigentlich nur für denjenigen, der tiefer in die Kenntniß der schönen Wissenschaften eindringen will. Aber ein jeder, wer da liest, muß doch wissen was schön ist, wenn er es auch gleich nicht analysiren kann, wie ein Professor der Poesie. Und das erlernt man eben durch das Lesen, und zwar durch

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das alleinige Lesen, dessen, was gut ist. Allein so weit ist unser Publikum noch nicht einmal. Es besteht aus Leuten, die da lesen und lesen, und nicht wissen, was sie lesen. Oft bilden sie sich ein, sie finden etwas schön; warum? Weil es ihnen vorgesagt worden ist, daß es schön sey: oder wenn sie wirk|lich etwas goutiren, so ist es etwas fades, abgeschmacktes, das für ihre Einfalt und ihren albernen Geschmack gemacht ist. Wenn man unser Publikum bilden wollte; so müßte man ihm zuvor lehren, was Deutschland wirklich für schöne Schriften hat, damit es diese läse und sich darnach bildete. Denn nur durch häufiges Lesen solcher Schriften und durch Hintansetzung des Seichten lernt man das schöne Lesen. Das thun aber die Journale nicht; die schweigen von dem Vergangnen und reden nur von dem Neuen. Daher weiß auch das deutsche Publikum noch nicht einmal, was es zu lesen hat, und wirft sich ins Gelag hinein, auf alles, was neu heraus kommt. Italien, Frankreich, England hingegen haben ihre Lieblingsschriftsteller, die die ganze Nation seit Jahrhunderten ließt, und nicht Einmal ließt, und dann hinter das Bücherbrett wirft, sondern zehn, zwanzig mal. Diese studirt sie, schreibt über sie, und setzt ihre Schönheiten auseinander. Aber unser Publikum – mein GOtt, wie ließt das dagegen! Nichts ist gewiß lächerlicher, als die Despotie, die unsere Journalisten im Reiche der Wissenschaften ausüben. Aus derselben kommt, wie aus der Büchse der Pandora, ein ganzes Heer von Uebeln. Man hört oft Leute sagen: Ja, ich schriebe wol was, ich fürchte mich aber vor diesen oder jenen Journalisten, vor die Berliner oder vor die Klotzische Bibliothek, die friedliebende Leipziger Bibliothek nicht zu rechnen, die man liebt und schätzt, die man aber so sehr nicht fürchtet. Wenn ein Mann einer andern Nation das hörte; so würde er zu dem, der so spricht, sagen: Je, du Narre, was brauchst du dich zu fürchten? Fühlst du dich nicht tüchtig was gutes zu schreiben, so müßtest du nicht schreiben, wenn auch gar keine Journalisten auf der Welt wären. Bist du aber fähig, ein gutes Werk zu liefern, so schreib getrost; denn, sprechen die Journalisten schlecht davon, so werden sie von der Nation, die deinen Werth ohnedem erkennen wird, geschwind ausgelacht werden, und dein Werk wird, Trotz | des Neides! in aller Leute Händen, eines jeden Lieblingsbuch seyn. – Aber, mein Freund, würde jener antworten, das Ding ist nicht so, wie du meynst; das geht in Ländern wol an, wo das Publikum selbst urtheilt, aber hier ist es anders. Das Publikum horcht erst, was werden die Journalisten sagen? Wenn die gesprochen haben, so glaubt es ihnen ohne Widerrede auf ihr Wort. Sagen sie, das Buch ist schlecht; ja so kanns in dem Laden des Buchhändlers liegen und verdorren. Denn Ein Wort von ihnen ist fähig, allen meinen Schriftstellerruhm auf ewig im Keime zu ersticken. Haben sie nehmlich einmal gesagt, mein Buch sey schlecht; so nimmt weiter kein Verleger eine Schrift von mir an, und wenn sie auch noch so schön wäre. Es müssen halbe Jahrhunderte vergehen, ehe ich das Unglück wieder verwinden kann. Hab ich daher nicht Recht, beym ersten Versuch zu zittern? Denn es darf denen Leuten nur eine Grille durch den Kopf gehen, sie dürfen nur erfahren, daß ich der Vetter im zwanzigsten | Gliede, oder der Zuhörer und Schüler des Schülers eines ihrer Antagonisten gewesen bin; so heißts, mein Buch ist unter der Critik, und ich

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bin unwiederbringlich im Reiche der Wissenschaften verlohren. – Ja so, fängt mein Tadler wieder an, das habe ich nicht gewußt. Ich habe nicht geglaubt, daß eine Nation, deren Litteratur in der Welt einige Figur macht, ein so abgeschmacktes Publikum hätte. Wenn dem also ist, so hast du Recht, so bleib mit deinem Werke zu Hause und warte bis auf bessere Zeiten. So sieht es in Deutschland aus, liebster Freund, und das wissen auch die Herrn Journalisten wohl. Sie thun sich auf ihren Despotismus nicht wenig zu gute, und machen sich eine Herzensfreude daraus, die Schriftsteller in Angst zu halten. Aus diesen Ursachen entspringen nun auch die Streitigkeiten unsrer guten Köpfe, ihre lächerliche Empfindlichkeit gegen den Tadel, und die abgeschmackten Auftritte, die [56] sie der Welt geben, und die mich herzlich divertiren, | wenn ich sie lese; ohnerachtet es manchmal mein Mitleid erweckt, zu sehen, daß wirklich große Männer so kindisch empfindlich seyn können, als sie sind. Sie sollten ihren Werth besser kennen. Aber alles dies entspringt in der That aus sonst nichts, als aus der Unwissenheit unsers Publikums, das von Journalisten regiert wird und regiert werden muß. Ein anders Uebel, so daraus entstehet, ist die alberne Nachahmungssucht, die unsre Nation seit dreißig Jahren geplagt hat. Hören Sie, wie das kommt! Klopstock schreibt ein Gedicht, welches die Tongeber mit Recht bis im Himmel erheben (denn freylich sind diese Tongeber meistens recht gute Richter, wenn sie wollen). Ihr Lob wird von dem Publikum gelesen, und dieses, um sich ein Air zu geben, überrredet sich, daß es das Gedicht schön findet, welches, bey meiner Treue! unter zwanzig nicht einer verstanden und wahrhaftig goutirt hat. Unterdeß fruchtet diese Nachäf[57] fung soviel, daß das Gedicht beym Buchführer reißend ab|geht. Was unterscheidet aber das Gedicht von schlechtern in den Augen des unwissenden Publikums? Weiter nichts als die reimlose Versart, und eine Beywortreiche etwas dunkle Art zu schreiben, die diesem Gedichte, des Gegenstandes wegen, den es besingt, vortreflich ansteht. Sobald nun etwas in Hexametern geschrieben war, und bombastisch klang; so meynte das Publikum, es wäre nun auch gleich Klopstockisch, und kaufte es gierig. Wer also ein solches Manuscript hatte, der wurde es sehr leicht beym Buchhändler los. Nun, öfnet man nur Einen Handlungszweig, so neiget sich alsbald der Geldgierige Geist des Menschen dahin. Daher entstand eine so ungeheure Menge von Klopstockisirenden Schriftstellern, daß man sich gar nicht mehr dafür zu retten wußte, bis es am Ende gar zu arg wurde; da muste es freilich aufhören. Aber die Raserey hat doch lange genug gedauert. So ist es mit der wimmernden Nachtwandrer [58] Schaar, mit den Anakreontischen Dichtern und mit allen gegangen, und | das ist natürlich. Der Journalist zieht das Publikum, wohin er will, der Buchführer läuft dem Publiko nach, und der Schriftsteller dem Buchführer. Stellen Sie sich vor, welch lächerliches Schauspiel für den Zuschauer! Nein, keine Komödie ist damit zu vergleichen. So lange aber auch das Ding nicht anders wird, so lange unser Publikum nicht mehr Gefühl, mehr Geschmack bekömmt, als es anitzt hat, so lange werden wir auch eben den Mangel an guten Schriftstellern haben, den wir itzt empfinden. Welcher Mensch giebt sich wol die Mühe, ein rechtes Genie zu werden, wenn er so wolfeil

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dazu kommen kann, bey seinen Lebzeiten ein wenig Aufsehen zu machen, und sich Geld von den Buchführern dazu zu verdienen? Wie leicht opfert er nicht diesen Aussichten die Unsterblichkeit auf! Das ist der wahre Grund, warum so viele von unsern guten Köpfen wie unreife Früchte abfallen und verfaulen. Hab ich Ihnen nun den Zustand der Nation, in Ansehung dessen, was den [59] Geschmack betrift, recht vor Augen gelegt? Meynen Sie, daß ich richtig urtheile? Fühlen Sie sich noch in Ihrem Gewissen geplagt, ein Gefühl zu haben, das dem brausenden Zurufe der Nation widerspricht? Ich dächte, Sie könnten sich nun beruhigen. Nachdem ich diesen Punkt ausgemacht habe, so will ich Ihnen nun auch meine Meynung von Gellerten sagen. Ich denke seit langen Zeiten, so wie Sie. Gellert scheint mir durchgehends ein sehr mittelmäßiger Schriftsteller, und ein Dichter ohne einen Funken von Genie. Leben Sie tausendmal wohl!

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Sie haben, wie mir deucht, ein sehr richtiges Gemälde von dem Zustande der Litteratur in Deutschland ausgestellt. So urtheile ich; ob unsre Kunstrichter eben so denken würden, daran zweifle ich freilich. Diesem Gemälde zufolge kann ich also mit mehrerer Beruhigung den Urtheilen meines eignen Gefühls folgen, ohne eben Rücksicht auf die Stimme der Nation nehmen zu dürfen. Denn, wenn ich Ihnen glauben soll, so besteht diese Stimme mehrentheils aus Mißtönen, welche die Schaar der Kunstrichter angiebt, und welche das Publikum, wie ein fades Chanson, nachtrillert. Ist diesem so; (und die Erfahrung lehrt es leider) so bedaure ich Deutschland von Herzen. Denn was kann bedaurenswürdiger seyn, als eine Nation, welche in | der That einige Schätze besitzt, und [61] weder Nutzen davon zieht, noch eine eigne Gewalt über dieselben ausüben kann. Denn die Kunstrichter schalten ja mit den Werken der Nation, wie es ihnen nur gefällt, und diese sieht stillschweigend dem unberechtigten Raube jener rüstigen Streiter zu, ohne nur einmal Miene zu machen, als wollte sie wegen der Haushaltung mit ihren Reichthümern Rechenschaft von ihnen fodern. Ja, ich gehe noch weiter. Es scheint mir, als kennte die Nation ihre eignen Schätze nicht einmal. Denn, wie wäre es möglich, wenn sie dieselben recht kennte, keinen eignen und wahren Gebrauch davon zu machen? Unsre Nachbaren sind in diesem Stück viel vernünftiger. Wer wartet wol in Frankreich auf das Urtheil der Critiker, bevor er eine Schrift ließt, und ein eignes Urtheil darüber fällt? Aber wer, wenn er gleich kein litterarischer Gelehrter ist, kennt nicht auch daselbst ohne Anweisung der Critiker die vornehmsten und edelsten Dichter des Landes?

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Wie hat bey allen diesen Umständen, worinn sich Deutschland befindet, noch niemand den Einfall haben können, eine Schrift zu schreiben, die der Nation zeigte, welche Schätze sie wirklich besitzt, und wie dieselben an Werthe von einander unterschieden sind? Sagen Sie selbst, liebster Freund, wäre dies nicht eine der nöthigsten Schriften für Deutschland? Ohne dieselbe wird es niemals recht wissen, was es andern Nationen entgegen setzen darf, und was seinen Ruhm eigentlich bey der Nachwelt zu gründen im Stande ist. Der Hauptcharacter dieser Schrift müßte in der Vergleichung der berühmtesten deutschen Dichter mit den Alten und den vornehmsten Ausländern bestehen; denn nur die Wissenschaft von den Reichthümern oder Bedürfnissen andrer zeigt uns, ob wir reich oder arm genannt zu werden verdienen. Zuletzt würde es nöthig seyn, daß eine solche Schrift bald erschiene, ehe die Kunstrichter alle Urtheilsgewalt der Nation vollends aus den Händen gerissen [63] haben, und ihr auch | nicht einmal das bisherige Recht der obersten Instanz wird geblieben seyn, welches, wie ich fürchte, zeitiger geschehen wird, als man glauben sollte, wenn nicht bald dawieder Gegenanstalten vorgekehrt werden. Sie sehen hieraus, mein Freund, daß ich völlig Ihrer Meynung in diesem Punkte bin, und daher den allgemeinen Beyfall, den Gellert erhalten, so wenig schmeichelhaft für ihn selbst, und so wenig rühmlich für das deutsche Publikum halte, als denjenigen, welchen einst Chapelain oder Menage zur Zeit der frühsten Morgenröthe des Geschmacks in Frankreich erhielten. Denn ist Deutschland, ohne die Vorschrift der Kunstrichter, nicht im Stande, von den Werken seiner schönen Geister zu urtheilen, besitzt es wirklich keinen allgemeinen, eigenthümlichen Geschmack; so kann das Lob, womit es Gellerten erhebt, demselben in den Augen des unpartheyischen Kenners und der Nachwelt zu gar keinem Vortheil gereichen, sondern im Gegentheil [64] vielmehr schaden. Und | ist auf der andern Seite die Nation noch nicht gebildet, versteht sie nicht das wahrhaftig Große und Schöne zu beurtheilen, oder ist ihr Gefühl durch ungeprüfte Annehmung fremder Meynungen verwöhnt; so muß ihr Beyfall natürlicher weise auf die seichtesten Köpfe fallen, welches ihr nicht anders als zum Schimpf gereichen kann. Zumal wenn sie wirklich bessere Köpfe aufzuweisen hat, und denenselben entweder keine oder nicht völlige Gerechtigkeit wiederfahren läßt. Alsdenn gesellt sich noch der Undank zur Einfalt, welche Vereinigung am ersten die Barbarey zu erzeugen im Stande ist. Dennoch muß ich Ihnen gestehen, mein Freund, daß, so einleuchtend Sie auch den Einfluß der Journale und Zeitungen auf das Urtheil des Publici gezeigt haben, diese Schilderung doch nicht ganz in den vorgelegten Fall paßt. Gellert hat in der That seinen Ruhm nicht den Kunstrichtern zu verdanken; denn derselbe war schon [65] gegründet, ehe die kritische | Despotie ihren Anfang nahm. Den Beifall, den Gellert besitzt, hat ihm die Nation von freyen Stücken zu Theil werden lassen, ohne dazu von Tongebern aufgemuntert zu seyn. – Dies stößt zwar die Wahrheit Ihrer Sätze nicht um, auch giebt es keinen Beweis von der Vortreflichkeit der Gellertschen Schriften ab; indessen wünscht’ ich doch Ihre Antwort darauf zu wissen. [62]

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Sie haben meine Empfindungen bey der nochmaligen Durchlesung Gellerts glücklicher, als ich selbst, zu errathen und zu zergliedern gewußt. Ja, ich fühlte mich ordentlich beängstigt, als ich ihn, so sehr meinem kritischen Gefühl zuwieder, dichten sah, ihn, welchen lesen und bewundern bey den mehrsten eins ist. Nichts schien mir abgeschmackter, als die mehrsten seiner Reflexionen. Ich fand, daß er oft die Sachen auf eine unleidliche Art ohne Noth ausdehnte, daß er arm an Handlung und poetischen Bildern, desto reicher aber an Worten sey. Kurz, ich fand in den mehrsten sei|ner Gedichte den reimenden Prosaisten. Himmel! und ich sollte nicht [66] mit Rousseau ausrufen dürfen: Défions-nous des prejugés de Siecle & de Nation! Aber Sie, liebster Freund, begnügen sich, wie ich sehe, nicht mit diesem bescheidnen Mißtrauen. Während daß ich einzelne schöne, wirklich dichterische Stellen in Gellerts Schriften auszuspüren bemüht bin, um daraus die unbegrenzte Verehrung seiner Leser erklären zu können, während ich fürchte, ob Sie mein Urtheil nicht für zu kühn, meine Empfindungen für falschgestimmt erklären, und über meinen Brief predigen würden; siehe da, so geben Sie mir in größerm Maße recht, als ich hatte hoffen können. Hier liegen sie vor mir, die gefährlichen Worte, verba non prius audita,

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in denen Sie über den Lieblingsdichter einer ganzen Nation den richterlichen Stab brechen; Gellert – e in m i t te lm äß iger S ch ri f t s tell er, e in | D i ch te r o h ne [67] e in en Fu n ken vo n G e ni e! Wenn es Blasphemien in der litterarischen Welt geben kann; so ist dies gewiß eine, wenigstens in den Augen der Landpastorentöchter. Ich für mein Theil halte es zwar für keine; allein ich kann denn doch nicht leugnen, das Urtheil ist etwas auffallend. Ich würde getrost sagen, es sey zu strenge, wenn ich nicht wüßte, wer der Mann sey, mit dem ich zu thun habe. Da ich also von Ihnen überzeugt bin, daß Sie nichts behaupten, davon Ihnen der Beweis unmöglich scheint; so fodre ich Sie zum Beweise Ihrer Meynung hiedurch förmlich auf. Zuvor will ich Ihnen aber einige der Stücke im Gellert anführen, die ich zu den erwähnten einzelnen Schönheiten rechne. In der s c hwe d is che n G r ä fi n gefällt mir nichts, als die beyden Episoden, nehmlich die Liebesgeschichte S teel eys u nd A m al ie ns , und das Ko s ac ken m ä dge n. Die Sa m m lu ng gei s t li c her L ie d er betrachte ich als das beste, so Gellert [68] gemacht hat. Die Uebersetzung des Or ake ls von Saint Foix verdient den erhaltenen Beyfall. Rechnen Sie hiezu folgende Erzehlungen, als die einzigen, welche nach meiner Meynung gegründeten Anspruch auf den Nachruhm machen können, nehmlich E lm i re u n d S el i nd e, die beyden Na ch tiga ll s er z e hlu nge n, S eli nd e , S em no n, d er Ma hl er , d ie glü ck lic he E h e, d as S chi ck s a l, A lc es t , Rhy n s o lt u n d Lu c ia , und endlich vor allen die Erzehlung: d a s G lü ck u nd d i e L ie b e; so werden Sie ohngefähr, wie ich glaube, Gellerts Unsterblichkeit beysammen haben.

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Sehen Sie, dies ist meine Meynung! Nun beweisen Sie die Ihrige. Ich bin etc. [69]

Nachschrift. Haben Sie Wi ela nd s G r az i en gelesen? Wie gefallen sie Ihnen? Meine Erwartung haben sie nicht erfüllt. Vielleicht ist aber hieran nicht die Schrift allein, sondern besonders der berühmte Name des Verfassers Schuld, der seine Leser schon gewöhnt hat, nichts als etwas Großes zu erwarten.

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Vierter Brief. In meinem vorigen Briefe sagte ich, Sie suchten mich gleichsam zu bestechen, damit ich Ihrer Meynung seyn mögte. Anjetzt komt mirs fast nöthig vor, daß ich es selbst gegen Sie thue. Denn ich glaube, daß Sie im Grunde vollkommen meiner Meynung sind, und ihr nur aus ich weiß nicht welcher Bedenklichkeit in Ihrer Antwort nicht ganz beytreten wollen. Allein ob ich dies schon in der That fest glaube, so will ich doch so thun, als wären Sie im Ernste von der vollkomnen Wahrheit desjenigen, was ich von Gellerten sage, nicht überzeugt, sondern verlangten wirklich die Beweise darüber von mir.

Allein Sie haben mir einen sehr wichtigen Einwurf über dasjenige gemacht, was ich von dem Einflusse der Journalisten aufs Publi|kum gesagt habe, den ich erst beantworten muß, zumahl da Sie solches auch von mir verlangen. Ueberdem ist es nothwendig, um die wahren Ursachen, woher Gellerts unaussprechlicher Ruhm entstanden, aus einander zu setzen. Diese werden alsdenn machen, daß Ihnen mein Urtheil über Gellert minder auffallen wird, wie Sie sagen, daß es gethan hat. Allein ich behaupte nochmals, daß es Ihnen nicht wirklich aufgefallen ist, sondern daß Sie sich nur dabey vorgestellt haben, was für ein Geschrey dies Urtheil verursachen würde, wenn Sies unter Ihren Bekandten und Bekandtinnen kund machten, und diese Vorstellung hat Ihnen einen so großen Schrecken verursacht, den Sie nun der Enormität des Urtheils zuschreiben. Ists nicht wahr? Doch dem sey, wie ihm wolle! Als ich Ihnen den Zustand des Geschmacks in Deutschland schilderte, so wollte ich beweisen, daß unsre Nation eigentlich keinen [72] hätte, und dies aus der Menge, dem Verfahren, und den Wirkun|gen der Herrn Journalisten ins Publikum. Nicht als wenn ich meynte, Gellert hätte den Leutgen seinen Ruhm zu verdanken, sondern nur um überhaupt zu zeigen, daß die Nation gar keinen Geschmack hat, und man ihr also sicher zuwieder empfinden kann, ohne deswegen ein Mißtrauen in seinen Geschmack zu setzen. Sie machen dabey viel richtige Anmerkungen, von dem, was zu thun wäre, um dem Fehler und der Schwachheit der Nation in diesem Punkt zu Hülfe zu kommen. Ich muß gestehen,

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bey diesem Menschengeschlechte scheint mir der Schaden unheilbar. Darum wünschte ich vielmehr, daß man bloß dem empfindenden Theile des Publikums, der es eigentlich ausmacht, (denn nicht die wenigen Kunstrichter und Gelehrte formiren es) zeigte: das müßt ihr lesen, wenn ihr euch richtig zu empfinden gewöhnen wollt, und hauptsächlich das, und jenes müßt ihr nicht lesen. Denn der Hauptfehler besteht ohne Zweifel darin, daß alles Gute und Schlechte von Jugendauf untereinander gelesen wird, so daß der Ge|schmack nie zu einer Festigkeit und Beständigkeit im [73] Gefühle kommen kann. Uebrigens mag die Schrift kommen, wenn sie will; sie wird stets große Dienste thun, und es hat nichts zu sagen, daß alle Impudenz der Herrn Journalisten dem Publiko jemals das Recht der obersten Instanz wird aus der Hand winden können. Sobald das Publikum sehen kann, wird es diejenigen Spekulatoren, die ihm dasjenige, was Neues aus dem Reiche des Genies ankommt, falsch hinterbringen, verjagen, wenn sie sich nicht bessern, und nur die behalten, auf deren Urtheil es sich verlassen kann. Weil auch alsdenn die meisten selbst werden die neuen Ankömmlinge examiniren wollen, so werden soviel Examinatores ex officio nicht nöthig seyn, und der größte Theil wird seinen Abschied bekommen. Unser itziges Publikum ist ein schlechter König, der in allen Stücken seinen Ministern glaubt, und nach ihren Rapports urtheilt, belohnt oder bestraft. Darum sind auch diese Männer größtentheils so unausstehlich stolz. Wird aber der | König einmal [74] selbst regieren lernen, so solls bald mit diesen aufgestiegenen Meteoren ein Ende haben. Er jagt sie alsdenn den Augenblick ohne weitere Umstände weg. Denn die oberste Macht bleibt ihm allezeit gewiß. Da ist nicht zu besorgen, daß sich der Minister zum Könige aufwerfe. Und zwar kommt dies daher, weil das Publikum la clé du coffre fort hat, aus welchem die Buchführer und folglich auch die Journalisten ihren Unterhalt bekommen. Sobald das Publikum, welches jetzt in diese Minister so vernarrt ist, und sich, wie gesagt, blind von ihnen führen läßt, ihrer überdrüssig wird; so streicht es ihre Namen von der Liste der Soldbekommenden weg, und alsdenn retiriren sie sich von selbst vom Hofe, gerade wie ein abgedankter Staatsminister. Es ist nun zwar an dem, daß Gellert diesen Leuten seinen Ruhm nicht zu danken hat; denn Gellert war älter, als die Periode ihrer großen Gewalt im Reiche der schönen Litteratur. Allein er erwarb ihn durch den Zusam|menfluß andrer Umstände, [75] die eben nicht viel rühmlicher für ihn sind. Ich weiß nicht, ob Sie sich den Zustand der schönen Litteratur in Deutschland, als Gellert aufstieg, recht vorstellen. Erinnern Sie sich einmal der Schriften, die damals heraus kamen. Es war freylich was ganz erbärmliches. Ein gewisser S t u ß gab Sammlungen von Mustern der deutschen Dichtkunst heraus. Ich weiß nicht, ob Sie sie gesehen haben; aber das sind mir Muster! – So sahs nun damals in ganz Deutschland aus. Die wenigen alten Guten waren unbekandt, und die neuern waren so erbärmlich, daß nichts darüber seyn konnte. Nun stieg Gellert auf. Seine Werke wurden bis im Himmel erhoben. Woher kam aber das? Es frey heraus zu sagen, lediglich von der Ignoranz und dem gänzlichen Mangel an Geschmack des damaligen Publikums. Das Publikum besteht

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niemals aus Leuten, die die besten neuern Ausländer gelesen, oder eine wahre Bekandtschaft mit den Alten haben; diese machen nur den geringsten Theil | desselben aus. Zu der damaligen Zeit war dies besonders wahr. Man hätte damals das Publikum in Deutschland in das französische und deutsche eintheilen können. Das französische, von welchem noch heut zu Tage viele Mitglieder übrig sind, verachtete alle deutsche Werke und las sie nie. Kein Wunder zu einer Zeit, da M en an te s u nd A m th o r unter die besten Dichter gehörten! Allein das deutsche Publikum war von der Lesung solcher Dichter, als Ho f m a nns w a ld au , P i ka nd er oder des grösten Theils der Schriftsteller, aus denen S tu ß und Wei c hm an n ihre Sammlungen genommen haben, genährt; und eben dies Publikum war es, das allein über Gellerts Schriften urtheilte. Keinen bessern Beweis von dem damaligen jämmerlichen Zustande der Beurtheilungskraft des Publici kann ich Ihnen geben, als diese, daß es zu einer Zeit, da es noch selbst urtheilte, das elendeste Zeug, eine B a n is e , einen Ri ch ey las und bewunderte, und sobald nur etwas erträgliches, wie z. B. Gellerts [77] Werke, erschien, das|selbe gleich als göttlich anpries, und als das letzte Ziel des menschlichen Verstandes ansah. Daß sich die Beurtheilungskraft des Publici noch wenig gebessert hat, habe ich Ihnen daraus gezeigt, was anitzt die Herrn Journalisten für eine Rolle spielen, und welchen lächerlichen Gebrauch die Nation von denenselben macht. Also hat – und das hab’ ich Ihnen darthun wollen – der itzige Geschmack der Nation nicht das geringste, was Sie in Ansehung Ihrer Empfindung gegen Gellerts Schriften zweifelhaft machen könnte, so wenig, als der damalige, wie Gellert auf der Autorbühne erschien. Vielleicht werden Sie mich fragen: Wie kams, daß die Critici, die nach ihm entstanden, und von denen man doch Einigen wirklich richtigen Geschmack und Kenntnisse zugestehen muß, ihm seinen Ruhm nicht nur nicht genommen, sondern sogar bisweilen dadurch vermehrt haben, daß sie ihre Achtung für ihn an den Tag [78] gelegt? – Es ist wahr, es giebt in Deutsch|land Journalisten, die Geschmack haben, und ich glaube gar nicht, daß alle die Töne, so die Herrn angeben, lauter Mißtöne sind. Allein ich will Ihnen sagen, wie es damit gieng. Wir wollen den Fall setzen, daß in eine Stadt Inspectoren kommen, die die Mißbräuche, so sich daselbst eingeschlichen haben, bessern, und zumal neue verhindern wollen. Sie finden in derselben einen Mann, der eine große Autorität hat, und, ob er gleich an vielen Mißbräuchen Schuld gewesen, dennoch itzt davon absteht. Der Mann, hoffen sie, wird bald abgehen, und überdem, was geschehen ist, ist geschehen; das können sie nicht mehr ändern. Der Mann hat einen gewaltigen Anhang; großes Lärmen wegen des Vergangnen anzufangen, möchte ihnen also gefährlich werden. Daher schweigen sie lieber, zumahl da dies nicht der eigentliche Zweck ihrer Commission ist. Sie nehmen also ihre Maaßregeln nur in sofern, daß [79] solche Unwesen nicht wieder entste|hen können. Sehen Sie, so gings unsern Journalisten! Sie fanden Gellerts Ruhm so ausgebreitet, so erstaunend vest gegründet, daß sie alle Ursache hatten zu befürchten, daß sie nie gelesen würden, wenn sie den Mann getadelt hätten. Die Ehrfurcht und närrische Bewunderung für Gellert hatte

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sich schon von Vater auf Sohn fortgepflanzt, und war in diese junge Gemüther schon so tief eingewurzelt, als jedes andre Kindheitsvorurtheil. Ich versichere Ihnen, bey solchen Umständen hätte es kein Journalist wagen dürfen, sich gegen dieses von der Nation aufgerichtete goldne Kalb zu erheben. Es wäre gleich cassirt worden, und das Publikum würde seine königliche Würde wol zu behaupten gewußt haben. Durch diesen Zusammenfluß von Umständen ist Gellerts unverdienter Ruhm entstanden, und hat sich immer in eben dem Maaße erhalten, und zwar um desto mehr, je schlechter der Geschmack der Nation ist. Denn je seichter der Leser, je besser wird ihm Gellert gefallen, weil dieser ein äu|ßerst seichter Dichter ist. Und in so fern [80] Gellert von den auf ihn folgenden Kunstrichtern geschont und in seinem Posten erhalten ist, kann man auch sagen, daß er ihnen gewissermaßen seinen noch itzt daurenden Ruhm zu danken hat. Sie suchen, mein liebster Freund, schöne Stellen im Gellert auf, um den Geschmack der Nation zu rechtfertigen, oder um sich denselben nur begreiflich zu machen. Ich lobe Sie darum; es zeugt von Ihrer strengen Behutsamkeit in Urtheilen. Es mag Ihnen auch wol manchmahl eine Stelle aufstoßen, die Sie reitzend genug finden, um einzusehen, daß man den, von dem sie kommt, für einen guten Dichter halten könne. Allein erstlich, wie selten sind sie! und alsdenn wollte ich fast wetten, daß die wenigsten von Gellerts Verehrern diese Stellen bey ihrer Bewunderung vor Augen haben. Ja, wenn sie sich die Mühe geben wollen, sich mit ihnen zu unterhalten, so werden Sie fast immer finden, daß just das | allerschlechteste das ist, was sie [81] entzückt. Ein neuer Beweis von der Art des Ruhms, den Gellert erlangt hat. Er ist, wie Sie sagen, der Dichter der Dorfpastoren und ihrer Töchter und andrer Leute von diesem Caliber. Fragen Sie sie einmal, was ihnen am besten darinn gefällt; es wird die Fabel vo n de m Hu te, von d e m Ta nz b äh r, oder vo n d em g rü nen E s el seyn. Nachdem Sie sich nach schönen Stücken im Gellert müde gejagt haben, führen Sie mir acht oder zehn Stücke als gut an. In der That sind es die besten darinnen, und größtentheils gut zu nennen. Allein zeichnet sich in einer einzigen etwas so vortrefliches aus, das da meinen Satz, er sey ein Dichter ohne Genie, umstoßen könne? Doch gesetzt, alle, die Sie mir angeführt haben, wären sehr gut, was wäre das weiter? Wo ist der Mann, der unter einer Menge von Fabeln und Erzählungen nicht einige gute haben sollte? La Motte hat deren eine viel größere Anzahl, wie Gellert,| in seinen Werken, und dennoch rechnet man ihn kaum unter die Fabeldich- [82] ter, geschweige unter die guten. Sehen Sie, ich könnte, wenn ich wollte, ohne weitern Beweis urtheilen, daß Sie gerade meiner Meynung sind, und Gellerten auch für einen mittelmäßigen Schriftsteller, für einen Dichter ohne einen Funken von Genie halten. Ich würde auf die Art eines weitern Beweises überhoben seyn. Allein Sie wollen ihn haben. Vielleicht nicht für sich, sondern für einige von denen Anhängern Gellerts, die Ihre Freunde sind, um sie unter meinem Namen nach und nach zu bekehren. Das kann ich nun endlich wohl thun; wie leicht wird mir nicht der verlangte Beweis werden! Ich weiß nur nicht recht, wo ich anfangen soll. Es ist

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Gellerten gegangen, wie allen Stümpern; sie finden sich gleich stark in allen Gattungen, und schreiben daher auch in allen ganz getrost. Dahingegen der Dichter von Genie, wenn er kein Voltaire ist, sich fühlt, und in seinen Schranken hält. Ich muß [83] Gellerten in sieben | oder acht Theile zerschneiden, wenn ich über ihn urtheilen soll. Ich finde in ihm den Fabeldichter, den Lehrdichter, den geistlichen Oden, nicht doch! Gesängedichter, den Schäferdichter, den Briefsteller, den Romanen- und endlich den komischen Dichter. Welchen soll ich nehmen? Alle? das wird weitläuftig, und doch hat er in allen noch seine Bewunderer, die ihn auch allerdings im Roman, in Briefen und in der Comödie goutiren. Ich will ihn kürzlich zu durchmustern suchen, und das, was offenbar schlecht ist, als das leichteste zuerst vornehmen. Daraus, liebster Freund, daß die Nation Gellerts Briefe als Muster angesehen hat und noch ansieht, können Sie sehen, wie dieselbe urtheilt. Denn soviel ich mich noch aus meiner Kindheit zu besinnen weiß, machten sie ein großes Aufsehen, als sie herauskamen, und man setzte sie ohne Umstände – stellen Sie sichs einmal vor! [84] – den Briefen der Frau von Sevigne an die Seite. Und auch noch | heut zu Tage werden Sie finden, daß ganz Deutschland von Bewundrern und Nachahmern dieser elenden Briefe wimmelt. Ich werde unter andern mit ein paar solcher Correspondenzen im Gellertschen Ton geplagt, die ich nicht gut abschaffen kann, und wovon ich die Briefe nicht ohne Furcht für den Ekel, der mir bey ihrer Lesung ankommen wird, erbreche. Wenn irgend ein Mensch zu etwas nicht gebohren war, so war es Gellert zum Witze nicht, und dennoch (daraus können Sie den gänzlichen Geniemangel des Mannes recht sehen) trachtete er nach nichts mehr, als darnach, drollicht und naif zu seyn. Ich bitte Sie, ums Himmels willen, betrachten Sie nur, mit welchem Erfolge. Ich will die Beyspiele aufs Gerathewohl in seinen Briefen aufsuchen; ich stehe dafür, ich finde ihrer den Augenblick so viel, als ich haben will. Lesen Sie folgendes: [85]

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Liebe Mama! Meine Schwester hat Ihnen gesagt, daß ich mich in Miniatur habe abmahlen lassen, und Sie möchten das Bild | gerne haben, und ich wollte es Ihnen eben so gerne schicken, wenn ichs nur noch hätte; aber ich habe es nicht mehr. – »Wo hast du’s denn hingethan:« – Wo ichs hingethan habe: Ich hab es – soll ichs Ihnen sagen: meine liebe Mama: – Ich habe es – Sie 185 nehmen mirs doch nicht übel: Ich habe es meinem Mädchen gegeben. – »Geschwind laß dirs wieder geben und schicke mirs.« – Nein, meine gute Mama, das geht nicht an. Das arme Mädchen möchte weinen, wenn ichs ihr wieder nähme, und wer weiß, weinte ich nicht alsdenn selbst mit. Ich bin ihr gut, sie ist mit wieder gut, und so sind wir einander schon lange gut gewesen, und ich denke, wir werdens noch lange seyn. 190

Ich wollte weiter abschreiben, aber es ist mir unmöglich. Dies ist alles, was ich davon sagen kann. Lesen Sie nur den übrigen Theil des Briefes, und sehen Sie, ob Sie etwas anders darin finden, als eine steife und lächerliche Affectation, witzig und artig seyn zu wollen, wenn einem auch die Natur jede [86] kleine Anlage dazu versagt hat. Sind Sie neugierig, noch eine Probe von Gel|lerts artigem Witze im Briefschreiben zu sehen? Ja, ja, Sie müssen. Sie wollen ja Beweise haben! Sehen Sie den 40sten Brief: A n d e n Ri t tm e is ter vo n B . an:

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E w . E x c e l l e n z haben mir durch einen von Dero Leuten – Was mache ich doch! Nehmen Sie es ja nicht übel, Herr Rittmeister, daß ich Sie Ew. Excellenz genannt habe. Indem ich den Brief anfangen will; so stelle ich mir vor, wie Sie einmal als General aussehen würden. Ich sahe Sie in einem Gesichte mit großen Falten, und in den Minen, wo sonst Liebe und Zärtlichkeit gewohnt hatten, herschten itzo das Alter und der Krieg. Sie trugen eine schwarze Perüke, und sahen recht fürchterlich ehrwürdig aus. Ich stehe nach meiner Meynung vor Ihnen, und weil ich in der Angst nicht weiß, was ich sagen soll, so fange ich in Gedanken an zu sagen: Ew. Excellenz haben mir durch einen von Dero Leuten befohlen – und | in Gedanken schreibe ich diese Worte aufs Papier.

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Ich bitte Sie, mein Freund, welche Albernheit! wie abgeschmackt! Auch setzt er hinzu: »Es ist mir auch ganz lieb; denn bey dieser Gelegenheit habe ich doch eine Seite vollgeschrieben.« Ja wohl, nur derjenige, der gar nicht weiß, was er schreiben soll, ist fähig solche elende Einfälle hinzusetzen. Meines Erachtens hätte er besser gethan, wenn er gar nicht geschrieben, noch weniger aber seine Schreiberey der Welt vorgelegt hätte. Im 49ten Briefe schreibt er unter anderm faden Zeuge: »Was muß ich doch begangen haben, daß ich keine Louise finden kann: Sage mirs nur, bin ich denn gar nicht liebenswürdig: Die verzweifelte finstere Mine! – aber ich sehe ja nicht stets finster aus, u. s. w.« bis ans Ende. Eben fällt mir, unter andern abgeschmackten Briefen, auch der funfzehnte ein. Wenn ich mir vorstelle, daß Bewundrer von Gellert dies lesen sollten, was [88] würden sie erstaunen? Denn ich wollte fast wetten, (so kenne ich die Leute!) daß ich diejenigen Briefe unter vielen getroffen habe, die ihnen am meisten gefallen, die sie am mehrsten goutiren, und besonders nachzuahmen suchen. O über die Geschmackvollen Leute! Ueber die Leute, deren Beyfall schmeichelhaft ist! Wenn nun aber einige seyn sollten, die auf einmal einsähen, daß dieses abgeschmacktes Zeug ist; so werden sie doch sagen, daß das eben so arg nicht müßte getadelt werden, man schriebe ja wol so was an seine Freunde. Ich bedaure die Freunde sehr, denen man so was schreibt; ich weiß wol, ich würde mich für eine solche Correspondenz sehr bedanken. Das Postgeld dafür würde mich dauern. Aber laß das auch seyn! Giebt man, wenn man nur ein wenig Geschmack hat, solche Briefe heraus? Und welches noch ärger ist, gleichsam als Muster von Briefen? In der That, man thäte sehr wohl, wenn man sich gegen Gellerts Briefe laut [89] erhübe: denn sie richten mehr Schaden an, als es sich denken läßt. Nicht allein entsteht unter dem gemeinen Haufen ein abgeschmackter Briefstyl, der da macht, daß ich allemal in dubio zittere, wenn mir jemand seine Correspondenz anträgt, oder wenn ich derselben benöthigt bin; sondern unsre besten Köpfe verfallen in den lächerlichen Fehler, und werden fade Briefsteller. Weil nun aber einmal die Nation von diesem Geschmack angesteckt ist, so geben sie dann ihre Correspondenzen heraus, welche Käufer, Bewundrer und Nachahmer finden, und auf die Art pflanzt sich der schlimme Geschmack in Deutschland fort. Wenn solche Nationen, wie die Franzosen und Italiäner, in deren Sprachen man Gellerts Briefe, aus GOtt weiß welcher Blindheit, übersetzt hat, sie lesen, was müssen sie von dem Volke denken,

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das solche Albernheiten als schön, als Meisterstücke ansehen kann. O Bouhours, Bouhours,| wie würdest du deinen Satz bewährt finden, wenn du Hubers Uebersetzungen von Gellertschen Sachen läsest! So unausstehlich übrigens das Scherzhafte in diesen Briefen ist, das Gellert überall gesucht hat, eben so sind es die wenigen ernsthaften Briefe, die in dieser Sammlung stehen. Im achtzehnten Briefe an einen Pastor, der ihm seine Gedichte zur Beurtheilung überschickt hatte, will er die Pille versüßen, die er genöthigt ist, ihm zu geben, nehmlich, daß die Gedichte mittelmäßig sind. Wie ungeschickt er dies macht, urtheilen Sie aus folgender Stelle:

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Gott! was ist es für eine Wollust um das Gefühl der Freundschaft! Und wie wenig sind derer, die dieses Geschenk des Himmels zu schätzen und zu gebrauchen wissen! Das Andenken Ihrer Gewogenheit soll mir manche Stunde erleichtern helfen: und das Andenken der meinigen thue Ihnen eben die Dienste. Ich traue es ihr wenigstens zu. [91]

Stellen Sie sich einmal vor, daß dies Leute an einander schreiben, die sich nie gesehen haben, sondern nur durch einen gewöhnlichen Briefwechsel mit einander bekandt sind, und sagen Sie denn, ob dieser Enthusiasmus nicht affectirt und lächerlich ist? Heißt das nicht diese auch in der wärmsten und längstgeprüften Freundschaft fast schwärmerische Empfindungen mißbrauchen, und dadurch ins Alberne verfallen?

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Was würde die Welt, fährt er fort, die dieser Empfindungen nicht fähig ist, von uns denken, wenn sie uns reden hörte: Würde man uns nicht für Schwärmer in der Freundschaft halten: (Gerechte Besorgniß! die aber alsbald sehr bündig gehoben wird.) Doch was gehen uns die Blöden an, die ihre eigene Menschheit nicht kennen: Ich würde mich kränken, wenn ich weniger genöthigt wäre Sie zu lieben, und den Werth Ihrer Freundschaft zu empfinden. 265

Nachdem er nun seinen Freund durch dies fade Geschwätz sattsam gelabt hat, so kommt er endlich auf seine Gedichte. Nach solchen feinen Wendungen hats nichts zu sagen, daß dieser Mann könne böse werden, wenn er ihn auch tadelt. O mein Freund, lassen sie uns das Buch zumachen! Es ist genug, es ist genug. Wenn Sie aber Lust haben, ein Muster von der Art zu sehen, wie eine bittere Pille muß versüßt werden; so will ichs Ihnen aus meinen Freunden, den Alten vorstellen. Nicht im Plinius, den ich auch nicht gut leiden kann, nein, im Cicero finden Sie dies Beyspiel. Cicero, nach einigen in Cilicien erhaltenen Vortheilen, hielt beym Senat darum an, daß deswegen ein Dankfest angestellt würde, und empfiehlt die Sache dem Cato. Dieser aber, anstatt die Sache zu begünstigen, spricht im Senat dawider, und stattet selbst dem Cicero von dem, was er gethan hat, Rechenschaft ab. Lesen Sie diesen Brief und des Ciceros Antwort geschwind wieder, wenn sie Ihnen im [93] Geiste nicht gegenwärtig sind.| Sie finden sie im 15ten Buch ad Fam. Epist. 5 & 6. Schwärmt Cato, der Stoiker, etwa? Sehen Sie nur, sehen Sie nur, welche Feinheit, und mit welcher Würde vereinigt! Es ist wahr, das waren Staatsmänner, Leute, deren Ansehen und Größe der Macht unsrer Könige glich. Aber zween Gelehrte in den [92]

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Jahren brauchten, dächte ich, doch auch nicht wie die Kinder an einander zu schreiben, und könnten sowol, wie zween Staatsmänner, Würde mit Feinheit verbinden, wenn sie anders die dazu nöthige Beredsamkeit und Einsicht hätten. So viel von den Briefen. – Von den Comödien verlangen Sie doch wol keine Beurtheilung? So närrisch, als die Bewunderung für Gellerten in Deutschland ist, so kenne ich doch viele Leute, welche einsehen, daß seine Lustspiele sehr mittelmäßig sind. Meiner Meynung nach sind sie unter aller Critik. Denn wo doch weder Handlung, noch Plan, Dialog und Character was taugen, was soll man dazu sagen?| [94] Es ist auch nicht Ein erträglicher Auftritt darinnen. In der B et s chwes te r ist der Character noch gezeichnet, wie er sich von einem alltäglichen Beobachter bemerken läßt, und gemahlt, wie ihn etwa ein gewöhnlicher Sudler mahlen könnte. Bey den übrigen aber ist es nöthig, darunter zu schreiben, was sie vorstellen sollen. Und das Abgeschmackte in dem unschuldig-naif und witzig seyn sollenden ist so sehr ohne alles Maaß und Ziel darinnen ausgestreut, daß es für einen Menschen, der nur ein wenig Gefühl hat, unmöglich ist, sie zu lesen. Lieber des Herrn von Petrasch Lustspiele, oder jenes Pommeraners Po lyd o r ! da muß man doch manchmahl über den Unsinn des Schriftstellers lachen. Aber auch dies fällt hier ganz weg. Finden Sie etwa das Urtheil zu strenge; gut, so machen Sie sich die Freude, und lesen Sie d a s Lo o s i n d e r Lo tter i e, d i e k r a nke Fr au , oder di e z är tl ic hen S chwes ter n . Wiederlegen Sies, wenn Sie können; ich meyne, ich will mich noch vertheidigen. Ohngereitzt | aber kann ichs nicht zuwege bringen, daß ich mich in eine Critik [95] solcher seichten Geschwätze einlassen sollte. Sie schreiben mir da von, ich weiß nicht welchen, schönen Stellen in der s chwed i s ch en G r ä fi n . Den Roman habe ich in meiner Jugend gelesen, und weiß mir nur noch soviel daraus zu erinnern, daß ich ihn schon damahls ekelhaft und unerträglich matt fand. Unmöglich kann ich ihn anitzt durchlesen, um zu sehen, ob er einige Achtung verdient. Ich finde aber noch stets Leute, die ihn rühmen. Sie selbst loben mir was daraus. O thun Sie mir doch den Gefallen, und schreiben mir ein wenig, was denn eigentlich daran ist. Aber aufrichtig, ohne falsche Schonungen und Bedenklichkeiten! Denn auf Ihr Urtheil solls ankommen, ob ich ihn noch einmahl lese oder nicht. Sollte wol Gellert im Roman etwas seyn? Ich kann mirs kaum vorstellen. – Von Wie la nd s G r a z i en wollen Sie meine Meynung wissen, wie ich aus Ihrer Nach|schrift sehe. Herr Wieland schreibt viel; es ist unmöglich, daß alles gleich gut [96] sey. Mir scheinen diese G r a z i en mit vieler Nachlässigkeit gedichtet zu seyn, sowol im Plane, als in der Einkleidung. Von den Ursachen und Wirkungen der Polygraphie, die unsere Dichter anficht, sobald sie berühmt werden, ließe sich viel sagen. Ich fürchte, Herr Wieland wird sich nicht genug für diesen Stein des Anstoßes hüten, und viel Mittelmäßiges unterlaufen lassen. Indessen ist Wieland immer ein Genie und ein großer Kopf.

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Fünfter Brief.

Ich will nur offenherzig seyn, mein Freund! Was hilft alle Verstellung gegen einen Mann, der ins Innerste des Herzens sieht? Sie haben Recht; ich betrachte Gellerten mit eben so ungünstigen Augen, wie Sie, und halte ihn für einen unsrer mittelmäßigsten Dichter. Ihr letzter Brief hat mich in dieser Meynung vollends bestärkt, und ich habe mich bey dessen Durchlesung nicht wenig vergnügt. Wahrlich, ich kann die Verblendung der Leute nicht erklären, die so einfältig seyn und einen Schriftsteller zu ihrer Lieblingslecture erwehlen, ja wol gar verlangen können, daß ihn andre gleichfalls dazu erwehlen sollen, der, wenn er, ich will nicht einmal sagen, mit einem Griechen oder Römer, nein! nur mit einem neuern Ausländer in Vergleichung [98] gezogen wird, auch | nicht das allergeringste Verdienst übrig behält. Sie haben recht, wenn Sie mein Aufsuchen einiger guten Gellertschen Stücke ein Jagen benennen, so ich darnach angestellt. An dem Werthe derselben können Sie sehen, daß ich nicht zu ekel in der Wahl gewesen bin, sondern alles aufgeraft, was ich nur irgends finden konnte. Ohne dies würde ich vielleicht nichts erhalten haben. Uebels Kennzeichen für den Dichter, wenn eine strenge Auswahl nicht einmal bey ihm statt findet! – Hätte ich doch die unglückselige s chwed i s ch e G r ä fi n nur nicht gegen Sie erwähnt! Welch eine Arbeit, so Sie mir aufgelegt, diesen Roman – denn so nennt man ja das Buch – nochmals durchzulesen, und Ihnen mein Urtheil darüber mitzutheilen! – Ich habe mich derselben unterzogen, und sie auch endlich glücklich überstanden. Es gieng mir aber dabey, wie einem, der wiederliche Arzney einneh[99] men muß, und, anstatt damit zu eilen, sie im | Munde behält, und dadurch die ekelhafte Empfindung verdoppelt. Ich laß einen ganzen Tag an dem Buche, und noch itzt kann ich den davon übriggebliebenen faden Geschmack nicht ganz verwinden. Hunc diem perdidi. Der ganze erste Theil ist das abgeschmackteste, was nur jemals geschrieben worden. Aus welchen längstvergeßnen französischen Memoires mag doch der gute Mann den Inhalt zusammengestoppelt haben! Die Geschichte der Ma r i an e und des C ar ls o ns ist gänzlich eines englischen Heldenromans aus jenen Zeiten würdig, da der G r a f D o ugl as unter die Lieblings-Schriften des Landes gehörte. Wie konnte ein in Absicht des delikaten Geschmacks und des moralischen Gefühls so gepriesener Mann, wie Gellert, ein so fatales Sujet zu dieser Episode erwehlen, als die Vermählung zweyer Geschwister ist! Es ist wahr, sowohl Alte als Neuere haben, obgleich selten, die Liebe unter Blutsverwandten in die Dichtkunst einzuführen gesucht. [100] Allein, vorausgesetzt, daß es er|laubt sey, so ist dies ein solches Süjet, bey dessen Bearbeitung die größte Behutsamkeit angewandt werden muß, und wo der Dichter besonders die Pflicht auf sich hat, alle mögliche Kunstgriffe und Geheimnisse der Dichtkunst zu erschöpfen, um seine Gegenstände in den Grenzen des Adels zu erhalten, welcher auch sogar über die niedrigsten Materien verbreitet seyn muß; sollen sie anders gefallen. Ueberdies ist es noch eine große Frage, ob es für unsre

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Zeiten recht schicklich ist, solche Süjets zu erwehlen. Die Alten waren durch die nachgebende Gefälligkeit ihrer Religion und durch die Denkungsart ihrer Zeiten, so zu sagen, berechtigt, minder zärtlich in der Wahl solcher Gegenstände zu seyn. Allein nach unsern Religionsbegriffen und der vielleicht zu weit getriebenen Delicatesse unsers Jahrhunderts beleidigt ein solches Süjet ohne Zweifel einen jeden, der sich, als ein vernünftiger Mann, nach den Sitten seiner Zeit gebildet hat, und also auch in dem Geiste seiner Zeiten unterhalten seyn will; es | sey denn, daß man ihn in [101] eine Gesellschaft von Alten führt, da es denn seine Schuldigkeit ist, sich in die Denkungsart derselben zu versetzen. Eben diese Unbehutsamkeit, eben dieser Mangel an Kenntniß des moralischen Gefühls der itzigen Welt, woran unsre mehrsten Schriftsteller krank liegen, sind Schuld, daß es noch so viel Leute giebt, die einen unerklärbaren Wiederwillen gegen alle Romane und Comödien haben. Verständen alle unsre Dichter, so wie einige darunter, die Kunst, sich nach dem sittlichen Gefühl der Nation über das Schöne und Heßliche, oder vielmehr über das Anständige und Unanständige, zu richten: bedächten sie, daß dieses seltner seinen Grund in der Natur, als in der eingeführten Gewohnheit hat: und studirten sie mehr die Gesetze dieser Gewohnheit, welches eigentlich die Kenntniß der Welt heißt; so würde ohne Zweifel ein großer Theil ihrer Klagen über den Ka lts in n d e r Nat i o n gegen i hre g rö ßten G e i |s ter wegfallen. Man findet die Wahrheit meiner Bemer- [102] kung an der Lessingischen M i nna bewährt, welches Stück, da es vollkommen in dem Geschmack der deutschen Sitten abgefaßt ist, von Leuten gelesen und bewundert worden, die im übrigen sehr gleichgültig gegen Schriften von dieser Gattung sind. Verzeihen Sie mir, geliebter Freund, diese Ausflucht, wozu ich durch das Urtheil einer Dame von vieler Welt bewogen worden bin, die, ob sie gleich sonst Gellerten ausnehmend liebte, dennoch die erwähnte Episode in seiner s chwed i s ch en G r äfi n sehr anstößig fand. Der zweyte Theil ist in der That merklich besser, als der erste, und ich wiederhole mein Urtheil über die beyden angepriesenen Stellen, die ich noch stets ganz artig finde. Allein für einen Mann, der die Lesung mittelmäßiger oder | schlechter [103] Schriften zu den muthwilligen Sünden rechnet, ist der Roman dennoch nicht der Zeit werth, die man dazu anwenden müßte. – Wann werden wir doch mehr Agat ho n s erhalten, damit wir nicht ferner genöthigt sind, die s c hwed i s c hen G r äfi n nen , oder die G r af e n vo n P. unter die Zahl unsrer Romane zu setzen? Die letztere Schrift ist nach Verdienst von den Berliner Bibliothekaren für ein schlechtes Buch erklärt worden. Warum urtheilt man nicht eben so von der s c hwe d is che n G r äfi n , die um kein Haar besser, und noch stets unter dem Namen eines Musters in den Händen der Jugend ist? Ich will es genug seyn lassen. Glaubt man, daß ich zu strenge gewesen bin; so antworte ich, daß man gegen das Mittelmäßige nie zu strenge seyn kann. Nur alsdenn verdienen wenige und kleine Fehler Nachsicht, wenn sie durch große Schönheiten vergütet werden.

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Mit diesen eignen Worten Gellerts, bey Gelegenheit seiner Beurtheilung der in den Be|lustigungen von ihm eingerückten Fabeln, will ich meine Critik der s c hwed i s c hen G r ä fi n beschließen. Eben diese Beurtheilung aber erinnert mich daran, Ihnen zu sagen, daß Sie Gellerten noch nicht einmal von allen seinen Seiten betrachtet haben. Wissen Sie denn nicht, daß er auch Critikus war? Ja, und zwar ein Critikus, deren es nicht viel giebt. Ich bitte, lesen Sie einmal die Critiken über seine Fabeln, und dann sagen Sie mir aufrichtig, kann eine Critik trivialer seyn? Enthalten sie etwas mehr, als kritische Kleinmeistereyen? Worinn sind sie mehr von der Ae s t het ik in e in er Nu ß , welche auch die Worte tadelte und die Sachen übersah, unterschieden, als in der Güte der Gegenstände? Es ist wahr, Gellert besaß etwas Gefühl, und dies machte, daß er leicht das Rauhe in der Schreibart und die kleinen Auswüchse und Nachlässigkeiten merkte, die sich beym Dichten einschleichen, und nur an einem Gellert unverzeyh[105] lich sind; erhebt ihn denn aber | dies zum Critikus, wie manche seiner Bewunderer wähnen? Dieses Gefühl und die Leichtigkeit es zu entwickeln ist nur bey uns Deutschen so was seltenes. Ohne der Griechen zu erwähnen, welche eben dies Gefühl zu der Liebenswürdigsten unter allen Nationen machte, weil sie vollkommner, als jede andre, darin war, will ich nur der Italiäner gedenken. Es werden wenig wohlgezogne Männer in Italien seyn, die nicht damit und vielleicht in weit größerm Grade begabt sind, als Gellert. Wer rechnet denn solche unter die Kunstrichter?

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Meinhard (einer der achtungswürdigsten schönen Geister in Deutschland) hatte, deucht mir, ein viel feineres Gefühl, als Gellert. Wäre dies aber nicht mit ausgebreiteten und gründlichen Kenntnissen, wäre es nicht mit der Wissenschaft begleitet gewesen, Beobachtungen zu machen, Vergleichungen anzustellen, und darauf [106] Grundsätze zu errichten; so würde er | den Namen eines Mannes von Geschmack, nicht aber, wie itzt, eines scharfsinnigen Kunstrichters, eines unvergleichlichen Uebersetzers verdient haben.

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Kein größerer Beweis, wie wenig die Nation gebildet ist, als dieser, daß sie Critiken bewundern, und für Muster anpreisen kann, deren sie, wenn sie gebildet wäre, täglich zehne zu fällen im Stande seyn müßte. Aber so gewiß ist auch der Satz, daß die gar zu große Bewunderung einer Sache jederzeit in den begränzten Einsichten des Bewunderers ihren Grund hat. –

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Eben erzählt mir der Freund eines unsrer liebenswürdigsten Dichter in Norden, [107] daß dieser gleicher Meynung mit mir über Gellerts kritische Versuche ist. Freuen Sie | sich mit mir, mein Liebster, daß die blinde Anbetung Gellerts doch nicht so allgemein zu seyn scheint, als man aus dem ehrerbietigen Stillschweigen unsrer beßten Köpfe von Gellert beynahe schließen möchte.

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Sechster Brief.

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Sie erinnern mich an die Critiken Gellerts über seine Fabeln in den B elu s t igu ngen , an die ich nicht gedacht habe. Wie sollte sonst ich, der ich in Leipzig studirt habe, Gellerten nicht als einen Kunstrichter kennen? Er war der allgemeine Kunstrichter in der Stadt und im Lande, und, so wie man sagt, daß, wenn in Italien ein Violinist aufsteigt, er erstlich hinreist und sich vor Tartini in Meyland hören läßt, als vor dem Patriarchen aller Geiger; so stund kein Dichter in Sachsen auf, der nicht erst um den Beyfall dieses in den Augen der Sachsen infallibeln Pabstes des Parnassus und Stadthalters des Apolls auf Erden buhlte. Ich war schon damals bey weitem kein Bewundrer von ihm, und habe also seine Collegia, und besonders die berühmte Moral nicht gehört, aber ich bin doch in einige pro hospite | gegangen, und da hörte [109] ich ihn öfters Gedichte von aufkeimenden Dichtern vorlesen, die ihm ihre Bewundrung zollten. In dem, was die Sprache und den mechanischen Bau des Verses betraf, ließen sich seine Critiken wol hören, aber im übrigen waren sie äußerst seicht. Nun hätten Sie einmal die Freude desjenigen sehen sollen, dessen Gedichte aus dem Munde dieses Orakels gelobt wurden, und die Bewunderung, die ihm ein solches Lob von Seiten gewisser Gellerten anhängenden Landsmannschaften zuwege brachte; Sie hätten gewiß recht herzlich gelacht. Daß ich Ihnen das Ansehen, worinn er, als Critiker, in Leipzig stand, recht geschildert habe, davon giebt Avenarius seine Dedication an Gellert, vor der lateinischen Uebersetzung des Mu r n er s i n d er H ö l le, einen gedruckten Beweiß ab. Werden da nicht seine Entscheidungen den Entscheidungen Apolls gleich gesetzt? Die Dedication wäre artig, wenn sie an einen bessern Dichter und Kunstrichter, an einen Ramler, geschrieben wäre. Uebrigens | [110] war er außerordentlich pedantisch in seinen Urtheilen, und das Genie, welches er nicht besaß, kannte er auch gar nicht an andern. Voll von seinem Batteux, den er immer laß, konnte er nur darnach, und noch dazu bloß stümperhaft urtheilen. Das sieht man auch deutlich aus seinen kritischen Arbeiten, die sie anführen, und besonders aus der dem Schäferspiele, d a s B a n d, vorgesetzten Beurtheilung. D a s B a nd , ist ein schlechtes fades Stück; aber nicht in dem Betracht, in dem es der Verfasser ansieht. »Wäre das Landleben überhaupt,« sagt er, »das Schäferleben der Poesie; so würde das Band ein recht gutes Gedicht seyn, dies kann ich ohne Eitelkeit sagen, und in seiner Art den Werth haben, den in der Malerey ein getreues Portrait hat.« Das ist gar nicht wahr, und alles, was er in der Folge zu Bestätigung dieses Satzes sagt, ist es gar nicht, was d a s B a nd zum erbärmlichen Gedichte macht. Es ist schlecht, weil kein Funke von Feuer, von Interesse, von Lebhaftigkeit darinnen ist, und weil das ganze | Stück nichts als eine wässerichte, naif seyn sollende Reimerey [111] ist. Das konnte aber Gellert, als einer, dem jeder Funken vom Genie fehlte, gar nicht sehen; also verglich er sein Stück nur mit denen ihm aus den Franzosen etwa bekannten Regeln und Beyspielen, worinn er selbst nichts weniger als das, was etwa gut und genievoll darinn war, entdecken konnte. Da, wo er nun im B an de Abweichungen sah, glaubte er Fehler zu bemerken.

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Allein, d a s B an d , d a s B a n d, wird man sagen, das ist ein schlechtes Gedicht, man weiß es; es sey es, warum es will. Aber S ilv ia ist doch gut. – Meines Erachtens ist eins nicht viel besser, wie das andre. Das eine ist sowol als das andere ein Werk von einem ganz Genielosen Reimmacher. In diesem hat er nur das, was er als Fehler erkannte, mehr zu vermeiden gesucht. Läßt es sich deswegen lesen? Nicht im geringsten. Denn, wenn nun auch der Plan etwas besser wäre, als er in jenem ist; ist [112] er deswegen im geringsten besser benutzt? Finden | Sie eine einzige interessante Scene darinn? Ist es nicht alles bis zum Einschlafen matt, vom Anfange bis zum Ende? In den Versen steht just nichts albernes, aber wo ist eine Stelle, in der die Personen etwas wahres, etwas empfindungvolles sagen? Guarinis Pastor Fido ist bey weitem nicht mein Leibgedicht. Es ist unerhört weitschweifig und an tausend Stellen recht albern witzelnd. Aber der Guarini hat doch Genie. Wenn nur ein Schatten von dem Guten, das Guarini hat, in Gellerts Si lv i a zu finden wäre, so ließe ichs gelten: und dies könnte um desto eher seyn, da die Anlage beyder Stücke viele Aehnlichkeit hat. Mirtill und Damöt buhlen in beyden Stücken um eine verstellte Spröde, welche sie im Geheim liebt. Es ist gut, daß der Italiäner sein Stück ausgedehnt und verwickelt, das Interesse wichtiger gemacht, und die Personen in etwas geadelt hat. Aber deswegen befinden sich die Hauptpersonen doch in einerley Situationen. Und [113] gesetzt, die Stücke wären verschieden angelegt, | die Personen unterschieden sich in beyden von einander, und drückten sich in beyden ihrem Stande, ihrer Situation und dem Tone des Stückes gemäß aus; so müßte doch dies alles auf eine den Leser interessirende Art geschehen. Guarini ließ sich von dem übeln Geschmack seiner Zeiten hinreißen, und sein Myrtill klagt bisweilen ordentlich aberwitzig. Aber, wo er sich der Natur überläßt, wie pathetisch, wie rührend ist er nicht da! Und Amaryllis, wie vortreflich klagt sie nicht bisweilen ihr Unglück! Aber in unserm bis im Himmel erhobnen Reimer, wo findet sich da nur ein Schatten von so etwas? – Welche Wahrheit in diesen Klagen des Guarinischen Myrtills! Act. 3. Scen. I.

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O prima vera, gioventù de l’anno, Bella madre di fiori, D’herbe novelle e di novelli amori: Tu torni ben, ma teco Non tornano i sereni E fortunati di de le mie gioje: Tu torni ben, tu torni; Ma teco altro non torna, Che del perduto mio caro tesoro La rimenbranza misera e dolente. Tu quella se’, tu quella Ch’eri pur dianzi si vezzosa e bella, Ma non io gia quel ch’un tempo fui Si caro agli occhi altrui.

Kann wol ein Liebhaber, der einmal im Frühling bey seiner Schönen glücklich gewesen ist, bey der Wiederkehr eben dieser Jahreszeit seinen tiefen Schmerz über

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das verlohrne Glück schöner und wahrer ausdrücken? Und die Scenen: Care selve beate und Mirtillo, Mirtillo, anima mia, wie voll von vortreflichen Zügen, die die Thränen mit Gewalt heraus locken! Auch ist die Erzählung, die Mirtill von dem Glücke macht, das er bey seiner Schönen in Elis gehabt hat, ganz vortreflich, 2ten Akt, 1ste Scene. Es hat zwar das Schäferspiel des Guarini einen Anstrich von Tragischem, welchen Gellert seiner S i lv i a nicht hat geben | wollen. Aber es muß [115] doch auf alle Fälle ein Schatten von Interesse seyn, das aus den Empfindungen der spielenden Personen entsteht, die der Dichter nach der Farbe, die er dem ganzen Stücke geben will, ausdrücken muß. Denn es ist doch kein Possenspiel, das sich bloß durch die auf einander folgenden närrischen Einfälle empfehlen wollte. Sein Damöt klagt ohnehin; wenn nun Gellert nur das mindeste Genie gehabt hätte, so hätte er ihn nicht so albern klagen lassen, wie er thut, sondern wahr und rührend, obgleich minder pathetisch und schwermüthig, als der Mirtill des Guarini. Ueberhaupt ist es mit unsern Schäferspielen so etwas. Wir haben ihrer ein halb Dutzend, die für gut passiren, sie sind aber in der That unausstehlich fade, und noch neuerlich hat einer von unsern guten Dichtern eins herausgegeben, das ich zu Ehren des Gottes des Geschmacks aus seinen Werken heraus geschnitten und in den Ofen geworfen habe. Was macht man sich denn wol für eine Idee von dieser Dichtungsart? Hält man | sie [116] für leicht? Sie ist eine von den schweresten, eben weil man so wenig natürliches und anziehendes Interesse damit verbinden kann. Man muß eine Kunst dabey verwenden, die mir, ich gestehe es, die ganze Gattung nicht werth zu seyn scheinet. Aber stellen Sie sich nun einmal vor, wie weit das über Gellerts Kräfte war. Ich weiß nicht, was ihn dazu verführt, sich hierauf zu legen. Etwa weil man geurtheilt hatte, er besäße Naivetät. Aber wie lächerlich war nicht dies Urtheil, und wie wenig hätte nicht der Mann demselben beypflichten sollen. Sein Or akel , wo ihm alle Näivetäten von dem Naivsten unter den Franzosen vorgemahlt worden sind, ist eine gute Copie, weil er wirklich einen leichten Vers machte. Aber selbst Schäfergedichte zu erfinden, das war er so wenig im Stande, als irgend etwas zu erfinden, in welcher Gattung es auch sey. Soll ich Ihnen noch weiter über den Mann vorschwatzen, da wir beide einerley Meynung sind? Ja, mein Freund, wir wollen uns noch | ein wenig über den Abgott der [117] Nation und über die Blindheit derselben lustig machen. Es ist ein ergötzliches Schauspiel, zu sehen, wie das auf dem Thron gesetzte Götzenbild aussieht, wenn mans in der Nähe betrachtet. Mir ist dies eine Erquickung; ich wünsche, es möge Ihnen auch eine solche seyn. Ich nehme mir indeß die Freyheit, ihr nachzuhängen, und lade Sie dazu ein, durch Ihre Bemerkungen über diesen Versmacher mit Antheil daran zu nehmen, und mir meine Freude zu vergrößern. Kommen Sie einmal; wir wollen ihn in seiner Hauptvestung angreifen, ich meyne seine Fab el n u nd E r z ä hlu nge n. Die werden noch stets für Meisterstücke gehalten; und sollten wir unsre bisherigen Gedanken nur mit einiger Einkleidung manchen Leuten offenbaren, so würden sie mehrentheils unsrer Meynung seyn, und sich bloß daran halten, daß Gellert ein vortreflicher Fabel- und Erzählungsdichter

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wäre. Doch wie wenig kommt ihm auch dies Lob in den Augen des Kenners zu! Es ist gewiß nicht gar schwer,| eine gute Fabel zu erfinden, wenn man nur halbwege einen Hang zu dieser Dichtungsart hat, und eine mittelmäßige Erfindung darinnen wird nicht einmal als ein Lob angesehen. Sie muß, soll sie anders besondre Achtung verdienen, so treffend, so original seyn, als bisweilen Grays oder Lichtwehr ihre sind. Allein daran können Sie schon die Magerkeit von Gellerts Genie sehen, daß nur sehr wenige von seiner Erfindung, und unter diesen wenigen die meisten schielend, falsch und schlecht erfunden sind. So sind, d i e G e s ch i chte vo m Hu te, d as G es p en s t , d e r S el b s t m o rd , d er P ro ceß , d er B et tl er, d er s ü ß e Tr au m , d er b ar o ni s i r te B ü rger, d e r a rm e S chi ff er, d i e b eyd en Mä dge n, u. a. m. Aber wären sie auch alle gut erfunden, so ist das, wie gesagt, nur ein mäßig Verdienst. Laßt uns sehen, wie sie erzählt sind. Denn das ist doch das hauptsächlichste. Sein größtes Verdienst, wie man allgemein dafür hält, ist Naivetät und Lustig[119] keit; darum thue ich ja wol die billigste Sache, wenn ich | ihn mit La Fontaine vergleiche, da man ihn ohnehin beständig den deutschen La Fontaine nennt. Er hat ihm auch in seinen eingestreueten Reflexionen und Ausweichungen offenbahr suchen nachzuahmen, welche kein erzählender Dichter alter und neuerer Zeiten so häufig anbringt, als dieser Franzose, und diejenigen, welche ihm in seiner Manier gefolgt sind. Wir wollen unsre beyden Helden einmal in einer Fabel gegen einander stellen. Denn so sehr sich Gellert scheint gehütet zu haben, einerley Süjet mit bekannten Dichtern zu behandeln; so finde ich doch ein Paar Fabeln bey ihm, die im La Fontaine stehen. Eine davon ist da s P f e rd u nd d ie B rem s e . Der Pendant dazu im La Fontaine ist le Lion et le Moucheron. [118]

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Ein Gaul, (sagt Gellert) der Schmuck1 von weißen Pferden, Von Schenkeln leicht, schön von Gestalt, Und, wie ein Mensch, stolz in Gebehrden, Trug seinen Herrn durch einen Wald.

La Fontaine hat sich einen Lö wen gewählt und eine Mü c ke. Ohnerachtet der Unterschied viel größer ist und also die Moral weit schärfer ausdrückt, so will ich doch hierüber nicht grübeln, und Gellerts Wahl gelten lassen, obschon in der That die Bremse nicht allein ein gefährlicher sondern auch ein beständiger Feind der Pferde ist. Seine Wahl taugt fast so wenig, als hätte er einen Skorpion genommen, der auch gegen den Schaden, den er anrichtet, ein sehr kleines Thier ist. Aber die am unrechten Orte angebrachte Schilderung der Schönheit des Pferdes muß ich erwähnen. Was thut diese hier? Von der Macht ist hier die Rede, die soll uns der Dichter zeigen.

1 Würde nicht jeder Ausländer, der diese Fabel läse und nicht wüßte, daß ein G a u l ein Pferd heißt, aus derselben schließen, dies Wort bedeutet eine Zierrath an Pferden? – Und warum eben ein w e i ß e s Pferd? Thut dieses etwas zur Sache?

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Als mitten in dem stolzen Gange Ihm eine Brems’ entgegen zog, Und durstig auf die nasse Stange An seinem blanken Zaume flog.

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Bemerken Sie, wie frostig das erzählt ist! Haben Sie je mattere, unbedeutendere und [121] mehr des Reims wegen hingesetzte Verse gesehn? Sie leckte von dem weißen Schaume, Der heefigt am Gebisse floß. Geschmeiße, sprach das w i l d e Roß, Du scheust dich nicht für meinem Zaume?2 Wo bleibt die Ehrfurcht gegen mich?3 Wie? Darfst du wol ein Pferd erbittern? Ich schüttle nur, so must du zittern. Er schüttelte; die Bremse wich.

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Wie matt! Wie langweilig! Scheint es nicht recht das Werk eines Reimreichs zu seyn? Wie albern sind nicht die Reden des Pferdes! Wi e: d ar f s t du wo l ei n P f er d e r b it ter n: Konnte die Bremse nicht antworten: Ich thue ja nichts, das dich erbittern könnte; warum wirst du denn so leicht erbittert? weil es doch e r b it ter n heißen soll – ein hier sehr übel gewähltes Wort, um auf z i t te r n zu reimen. Allein sie suchte sich zu rächen; Sie flog ihm nach, um ihn zu stechen, Und stach den Schimmel in das Maul.

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Ey, ey, wie kam die Bremse da hinein? Das muß ja ein dummes Pferd gewesen seyn, das den Rachen so weit aufgesperrt hat; wenigstens muß die Bremse sicher nicht haben herauskommen können. – Wie lächerlich unser Reimer den französischen Dichter hier nachgeahmt hat, werden Sie aus dieses seiner Fabel ersehen. Das Pferd erschrack, (fährt Gellert fort) und blieb vor Schrecken In Wurzeln mit dem Eisen stecken, Und brach ein Bein; hier lag der stolze Gaul!

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Wie erbärmlich die Verse! Wie elend alles erzählt! – Lassen Sie uns den Franzosen hören! Va-t-en, chétif insecte, excrément de la terre, C’est en ces mots, que le lion Parlait un jour au moucheron.

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Betrachten Sie einmal, wie viel besser dieser Eingang ist. Ohne alle Ursach, aus [123] bloßem Uebermuthe läßt der Dichter den Löwen aufs allerschimpflichste die Mücke anreden. Dadurch wird sein Unrecht frappanter.

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Wie einfältig! Für den hatte sie sich am wenigsten Ursach zu scheuen. Prosaisch!

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L’autre lui déclare la guerre. Penses-tu, lui dit-il, que ton titre de Roi. Me fasse peur, ni me soucie ? Un bœuf est plus puissant que toi; Je le mène à ma fantaisie.

Die Rede der Mücke ist sehr possirlich und belustigend, allein mir deucht, sie ist ein Auswuchs, der da sollte beschnitten werden. Es sieht der Rache geringer Feinde weit ähnlicher, wenn sie gegen die Beleidigung schweigen, und sich dann zu rächen suchen. Eine Vollkommenheit, die gewiß ein simpler und der Natur getreuer Fabeldichter, wie einer aus dem Alterthum, dieser Fabel würde gegeben haben. [124]

A peine il achevait ces mots, Que lui même il sonna la charge, Fut le Trompette & le Héros.

Wie naiv! wie artig! Und freylich, bey denen Zierrathen, die La Fontaine in dieser Fabel anbringen wollte, schickt sich der vorhin erwähnte Auswuchs vortreflich. Der ganze Ton derselben erforderte ihn. – Sehen Sie nun aber, wie er das Bild des Kampfes zwischen dem Löwen und der Mücke in diesem Tone ausmahlt.

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Dans l’abord il se met au large; Puis prend son temps, fond sur le cou Du Lion, qu’il rend presque fou.

Cou ist hier wol nur gesetzt, um auf Fou zu reimen, welches auch selbst bey La Fontaine nicht rar ist. Denn auf dem Halse würde die Mücke gewiß nicht viel ausgerichtet haben, wegen der Mähne, die den Löwen daselbst unverwundbar gegen ihren Stich macht. [125]

Le Quadrupèd écume & son œil étincelle; Il rugit, on se cache, on tremble à l’environ, Et cette allarme universelle Est l’ouvrage d’un moucheron.

O wie schön, wie vortreflich in jeder Kleinigkeit, in der Wahl der Wörter, in dem Falle der Verse selbst! Das ist der Dichter von Genie, der von seiner Materie ganz voll und begeistert dichtet.

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Un avorton de mouche en cent lieux le harcelle Tantôt pique l’échine & tantôt le museau Tantôt entre au fond du naseau.

Das ist was anders, als ins Maul stechen, welches unser deutscher Reimer vermuthlich des Reims wegen gesetzt hat. Die Nasenlöcher stehen immer offen, und da kann auch eine Mücke ziemlich leichte hinein und heraus kommen. Man stelle sich nun [126] aber den Schmerz vor, den einem Thiere das verursachen muß,| wenn es ins Innerste des Nasenlochs gestochen wird. Daher wird auch, was der Dichter darauf erzählt, ganz glaublich.

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La rage alors se trouve à son faîte montée. L’invincible ennemi triomphe & rit de voir, Qu’il n’est griffe ni dent en la bête irritée Qui de la mettre en sang ne fasse son devoir. Le malheureux lion se déchire lui-même, Fait résonner sa queue à l’entour de ses Flancs, Bat l’air, qui n’en peut mais, & sa fureur extrême Le fatigue, l’abat: le voilà sur les dents.

Diese Verse sind nun zwar nicht alle gleich gut, aber zusammen genommen ist das Unglück des | Löwens doch recht feurig gemahlt. So ein Gemählde ist im ganzen [127] Gellert nicht einmal. L’insecte du combat se retire avec gloire: Comme il sonna la charge, il sonne la victoire Va partout l’annoncer, & rencontre en chemin L’embuscade d’une araignée: Il y rencontre aussi sa fin.

Dieser Schluß, der eigentlich gar nicht zur Fabel gehöret, ist freylich ein Auswuchs, allein dennoch sehr reizend angehängt, und vortreflich erzehlt. Die Fabel des Franzosen hat ihre Fehler, es sind aber Fehler des Genies. Wenn Gellerts Fabel davon frey ist; so kommt es eben aus Mangel dieses Genies. Wo ist die geringste Naivetät in Gellerts Fabel? Der Franzose hingegen ist ein lebendiger Quell davon, und diese zieht bey ihm die Fehler nach sich, die ein strenger Kunstrichter tadeln würde. Wie | lächerlich ists aber nicht, diese beyden Leute mit einander in [128] Ansehung der Naivetät zu vergleichen! Doch es ist mir unmöglich, weiter zu schreiben. Wenn ich mich noch in eine Untersuchung seiner Erzählungen einlassen wollte; würde ich zu weitläuftig werden. Ich muß wenigstens erst wissen, ob Sie, was ich hierüber zu sagen habe, zu lesen wünschen. Unterdessen lernen Sie mir Gellerten von seiner guten Seite kennen, nemlich als geistlicher Liederdichter. Ich habe einige davon gelesen, die mir in einem Gesangbuche fürs Volk sehr gut geschienen haben, aber nicht das mindeste Dichterische an sich hatte. Sind sie alle so?

Siebenter Brief.

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Le Noble in Frankreich schrieb Fabeln in zwo ziemlich starken Bänden, die sich von Kindern mit Nutzen lesen lassen, die aber, sobald sie erschienen waren, wieder vergessen wurden. Der unsrige ist glücklicher gewesen. So gehts, wenn man zuerst kommt! Kann unser Phädrus, Lichtwehr, wol für Gellerten aufkommen? Wo ich nur hinhöre, ruft mir ein blinder Verehrer Gellerts entgegen: Sehet hier den wahren Dichter der Natur, einfältig und edel, wie sie! Ich möchte wol wissen,

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was man sich von der Natur für einen Begriff macht. Ist etwa das Natur, was leicht begriffen, überschaut und eingesehen werden kann? Triviale Erklährung! Was ist ausgebreiteter, was ist geheimnißvoller, als die Natur?| Oder nennt man d e n einen natürlichen Dichter, welcher uns mit seitenlangem, gereimtem Geschwätze ohne Feuer und Geist unterhält? Dieser Begriff scheint itzt der herrschende zu seyn, itzt, da der kalten Köpfe Anzahl immer größer wird, und unsere Kunstrichter allen Rest von Gefühl bey der Nation wegdemonstrirt haben. Große Ehre für Ihren Homer, mein Freund, und für meinen Ossian, daß sie, die größten Copisten der Natur, einen solchen Farbenstreicher, wie Gellert, neben sich gestellt sehen müssen! Himmel! wer verdient wol mehr der Dichter der Natur, der Sohn der ächten Simplicität genannt zu werden, als unser Geßner? Was hat er aber ähnliches mit Gellerten? Man sage nicht, daß er in andern Gattungen schrieb. Lieferte er uns nicht auch rührende Erzehlungen, wie Gellert? Und was für Gattungen giebt es in der Nachahmung der Natur? – Aber das, was ihn unendlich über Gellerten erhebt, ist, weil er war, was dieser | seyn wollte und was er nicht seyn konnte, nehmlich Dichter. Ich wünschte nichts mehr, als daß der Verfasser des L ei pz iger M u s e na llm a na ch s Ihre Urtheile über Gellert lesen, und erkennen möchte, wie wenig er Ursach hat, E cke n über seine E m p f e hlu ng G ell er t s zu tadeln. Wenn je der Titel einer Lobschrift gut gewählt war, so ist es dieser gewesen. Aber wenn auch jemand Empfehlungen bey Vernünftigen nöthig hatte, so war es Gellert. Sie scheinen schon mit ihm als Fabeldichter fertig zu seyn, liebster Freund. O thun, Sie mir doch den Gefallen, und gönnen Sie ihm unter dieser Gestalt noch so einen Brief, wie Ihren vorigen; dann wird er in meinen Augen völlig dethronisirt seyn. Ich will indeß kürzlich seinen Werth als geistlicher Liederdichter in der Nähe betrachten, weil Sie es so von mir verlangen. Schon in einem meiner vorigen Briefe habe ich Ihnen, wo ich nicht irre, gesagt,| daß ich G e ll er ts gei s t li ch e L i ed e r für dasjenige halte, was ihm allein einige Ehre bringen kann. Dies Urtheil bin ich noch stets bereitwillig zu unterschreiben. Unter vielen schönen Eigenschaften leuchtete besonders aus dem Character des seeligen Gellerts eine warme Liebe für die Religion hervor. Diese Liebe, welche auf Vernunft gegründet war, und niemals zur Schwärmerey übergieng, (wie es wol bey lebhaften Genies zu geschehen pflegt) trug er mit vielem Anstande bey jeder Gelegenheit in seine Schriften über, und gab ihnen dadurch ein schätzbares Unterscheidungszeichen vor andern. Es war also ein natürlicher und seiner würdiger Gedanke, für unsre Kirche Gesänge zu verfertigen, welche einer denkenden Nation anständiger wären, als die bisherigen, größtentheils abgeschmackten Kirchenlieder. Um diese Absicht zu erreichen, die ihm in den Augen jedes Freundes der Religion Ehre bringen muß, durfte er eben nicht einen Gran von Genie mehr besitzen, als er | würklich besaß, denn er hatte mit einer damals noch völlig ungebildeten und von Vorurtheilen tyrannisirten Nation zu thun. Daher machte er sichs zum Gesetz, mit der faßlichsten Deutlichkeit eine genaue Uebereinstimmung mit den biblischen Warheiten, die mehrentheils in Lehrsätzen enthalten sind, zu verbinden. Bey diesem

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Vorsatz, der vollkommen seinem Gegenstande angemessen war, kam ihm nun sein Mangel an Genie nicht wenig zu Hülfe. Hätte er mit Kunst, mit Feuer gedichtet; so würde er sich nie in den Besitz der rühmlichen Stelle eines ecclesiastischen Liederdichters gesetzt haben. Er fand ja ohnedies im Anfang an der Gattung von Leuten, die alle Besserungen in gewissen heilig geglaubten Sachen für schädliche Neuerungen ansehen, einen mächtigen Wiederstand. Sein allgemeiner guter Ruf stiftete dies einzige mahl einen wahren Nutzen, und half gleichfalls viel dazu, daß man mehr für die Erbauung solcher Herzen sorgte, die unglücklicher weise sich von einem bessern Geschmack | hatten anstecken lassen, und die Schönheiten der Lieder: Wi e s ch ö n [134] l eu c ht’ t u ns d e r M o rge ns ter n , O w i e s ee lig s in d d ie S e ele n u. a. auf keine Art zu empfinden vermogten. Aus diesem Gesichtspuncte betrachtet, liebster Freund, können Sie ohnmöglich Gellerts geistliche Lieder zum Maasstabe seines Genies machen. Es würde auch, deucht mir, eine Ungerechtigkeit seyn, dieses thun zu wollen, da bey Gedichten, welche in solchen Umständen und zu solchem Endzwecke verfertigt sind, auf nichts weniger als auf Genie Rücksicht genommen werden darf. Hier kommen nur allein andere Verdienste in Betrachtung, poetische Würde, Reinigkeit der Sprache, fließender Vers, Verhütung der Undeutlichkeit und des Zweysinns, Uebereinstimmung mit der h[eiligen]. Schrift s. w. Alle diese Eigenschaften finde ich in Gellerts Gesängen vereinigt, und ich halte dafür, daß sie in ihrer Gattung als Kirchenlieder vortreflich sind. Gellert hatte daher wol recht, wenn er sie mit besonderer Va|terliebe betrach- [135] tete, und die Nation könnte, nach meiner Meynung, ihre Verehrung gegen diesen Mann nicht besser an den Tag legen, als wenn sie dieselben allgemein zu gottesdienstlichen Gesängen einführte. Ich versichere Ihnen, mein Freund, es giebt einige darunter, die sich recht sehr vortheilhaft herauszeichnen. Von dieser Art sind: d i e Pr ü f u ng a m Ab en d, Wa rn u ng vo r Wo l lu s t , Tro s t d er E r lö s u ng, d i e L ie b e d e r Fei nd e , B etr a ch tu ng d es To d es, d er S c hu tz d er Ki rch e, und endlich, Tr o s t d es e w igen Le b ens . Andere sind freylich wieder etwas niedriger am Werthe, als d a s G eb e t. Doch stoßen einem zuweilen Stellen auf, die sich ordentlich heben, als: O Glaube, der das Herz erhöht, Was ist der Erde Majestät, Wenn sie mein Geist mit der vergleicht, Die ich durch GOttes Sohn erreicht? Ich weiß, wie groß es sey, aus Ueberlegung handeln, Und handle doch aus sinnlichem Gefühl. Durch falschen Schein getäuscht, eil ich, ihm nachzuwandeln, Und Leidenschaft und Irrthum steckt mein Ziel. Wie blühte nicht des Jünglings Jugend, Doch er vergaß den Weg der Tugend, Und seine Kräfte sind verzehrt. Verwesung schändet sein Gesichte, Und predigt schrecklich die Geschichte

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Der Lüste, die den Leib verheert. Gedanke, der uns Leben giebt, Welch Herz vermag dich auszudenken: »Also hat GOtt die Welt geliebt, Uns seinen Sohn zu schenken!« Hoch über die Vernunft erhöht, Umringt mit heilgen Finsternissen, Füllst du mein Herz mit Majestät Und stillest mein Gewissen.

Solcher Stellen giebt es einige darin, wozu ich noch mit Recht das P as s io ns l i ed rechne, welches ich allein für dasjenige halte, worinn sich Spuren von Genie zeigen. [137] Sie sehen aus diesem allen, mein Freund, daß ich Gellerten Gerechtigkeit wiederfahren lasse, und seine geistlichen Gesänge für das vorzüglichste in seinen Werken halte, ob sie gleich, keinen Funken von dem Feuer verrathen, welches einen Rousseau oder Klopstock begeisterte. Ich gestehe aber auch, daß ich für mein Theil mich von Herzen freuen würde, wenn uns ein Ramler oder Denis mit einem Bändchen geistlicher Oden beschenken wollten, die dem Begriffe, den ich mir von der wahren geistlichen Poesie gebildet, angemeßner wären, als Gellerts in Silbenmaaß geschloßne Prose, so gut sie auch sonst ist.

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Achter Brief.

Mehr Fabeln soll Ihnen zergliedern? In der That, es ist eine beschwehrliche Arbeit, die Sie von mir verlangen. Der Fehler der Gellertschen Fabeln besteht hauptsächlich darinnen, nicht daß sich merklich schlechte Stellen hervorzeichnen, sondern daß sie alle matt und fade erzehlt sind. Es deucht mir, es gebe zwo Arten von Fabeln. Die eine ist kurz, gedrungen, und ohne allen Zierrath. Diese muß das Verdienst der Erfindung und die Manier, einen lehrreichen Satz unter einem sehr frappanten sinnlichen Gemälde vorzustellen, im höchsten Grade besitzen, wenn sie schön seyn soll. Dergleichen sind die kleinen griechischen Fabeln, die wir unter dem Namen des Aesop haben, und besonders die Fabeln des Gabrias, die bis auf die letzte alle nur in [139] vier | Versen erzehlt sind. Die andre Gattung ist weitläuftiger, und ich möchte sie fast die naive nennen; denn sie sucht Zierrathen, obgleich lauter solche, die die Sache lebhafter und wahrer vorstellen, gleichsam als hätte sie der Dichter selbst geglaubt und in allem Ernste erzehlt. In dieser Gattung schreiben nun die meisten neuern, bis auf Herrn Lessing, der offenbar die alte vorgezogen hat. Dieser große Mann scheint aber eine Sache dabey nicht bedacht zu haben, welche diese Gattung von Fabeln heut zu Tage durchaus unnöthig macht. In den damaligen Zeiten waren viele von den Sätzen, die solche Fabeln lehrten, denen meisten Leuten unbekannt, daher ein solches kleines Fabelbüchelchen für diese Personen gleichsam ein moralisches

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Enchiridion war, worinn ihnen eine Menge unbekannter Warheiten auf eine sinnliche Art vorgetragen wurden. Da brauchte die Einkleidung nicht eben besonders zu seyn; die Wichtigkeit der Materie machte das Buch schon überaus schätzbar. Anjetzt aber, wo alle | Leute, welche lesen, diese moralischen Sätze aus andern Büchern oder aus [140] dem Unterricht sechzigfältig gehört haben, müssen die Fabeln durch die Einkleidung reizen; man müßte sie denn bloß für Kinder schreiben, die sich in der Verfassung befinden, worinn sich die meisten Leute der vorigen Welt befanden, da die Bücher so selten waren. Aber es sey das, was ich hier sage, wahr oder falsch, so ist es doch sicher, daß Gellert nicht in der ersten Gattung hat schreiben wollen. Wenn aber in der zwoten nicht die Sachen mit Lebhaftigkeit und Natur erzehlt werden, wenn man sie langweilig und in alltäglichen Versen vorträgt, so fällt alles Verdienst davon weg. Alsdenn aber wird es demjenigen, der die Fabeln ließt, schwer zu sagen, worinn der Fehler steckt, denn er liegt nicht in dem, was da ist, sondern in dem, was da fehlt; und das ist der Fall bey allen Fabeln Gellerts. Man sieht bey allen, daß Gellert gar kein Genie hatte, denn es ist in keiner etwas reizendes.| Ich wette, Gellert hatte so wenig Genie, [141] daß er das Genie von seinem Muster, dem la Fontaine, nicht einmal kannte. Er sucht es hauptsächlich in den eingestreuten Reflexionen, in denen es gerade nicht zu suchen ist. Wenigstens hat sich Gellert bemüht, diese überall in seinen Erzehlungen nachzuahmen. Man meynt immer, und ich höre es beständig sagen, die Fabel gehöre zur niedern Dichtart, und sie erwähle sich daher den niedern Styl. Das ist aber nur bedingungsweise wahr. Der wahre genievolle Fabeldichter erzehlt jede Sache in dem ihr angemessenen Ton, und darinnen besteht eben die Naivetät. Er läßt in seinen Fabeln den Stolz sich in hochtrabenden Worten ausdrücken, Zärtlichkeit in dem empfindungsvollen, demüthige Bitten in dem unterthänigen, Schmeicheley und Scherz in dem feinen Ton. Will er etwas als wichtig malen; so giebt er gleich seinen Versen einen epischen Schwung, und mißt aller Orten seinen Ton den erzehlenden Sachen an. Das heißt Naivetät; und | das thut der Dichter von Genie, ohne es zu [142] wollen, von Natur, weil jede Sache sich ihm gleich so vorstellt, als sie ist, und darinnen besteht eben das Genie. Ich mag im La Fontaine fast aufschlagen, wo ich will, so finde ich Beyspiele davon. Lesen Sie, wenn Sie wollen, die Fabel Le Chêne & le Roseau, und bemerken Sie den Unterschied, der zwischen den Ausdrücken des hohen und stolzen Eichbaums und des demüthigen Schilfs ist. Welch ein Unterschied sogar, wenn der erste von sich selbst, und wenn er von dem ihm daurenden Schilfe spricht! Sehen Sie die Stelle: Vous avez bien sujet d’accuser la Nature. Un roitelet pour vous est un pesant fardeau, Le moindre vent, qui d’aventure Fait rider la face de l’eau Vous oblige à baisser la tête! Cependant que mon front, au Caucase pareil Non content d’arrêter les rayons du Soleil

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Brave l’effort de la tempête. Tout vous est Aquilon, tout me semble Zephyr.

Und so ist La Fontaine überall. Läßt er Ratten einen Rath halten; so sprechen sie wie die Rathsherrn einer Stadt. Schmeichelt der Fuchs dem Raben; so macht ers so fein, als nur ein Client seinem Patron thun kan. Schildert er Gefechte; so erhebt er sich bis zum epischen. Kurz, in allem ist er seines Sujets so voll, als wenn er was reelles erzehlte. Aber finden Sie dies im Gellerts? Alles ist darinnen langweilig, matt und ohne das geringste Feuer erzehlt. Lesen Sie einmal die Fabel, d er Hu nd , mit mir.

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Phylax, der so manche Nacht Haus und Hof getreu bewacht, Und oft ganzen Diebesbanden Durch sein Bellen widerstanden. Phylax, dem Lips Tullian, Der doch gut zu stehlen wußte, Selber zweymal weichen mußte, Diesen fiel ein Fieber an.

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So leyert denn die Geschichte in nicht minder, als acht Strophen fort. Hören Sie la Fontainen eine Hauptkatze schildern. J’ai lu chez un conteur de Fables, Qu’un second Rodilard, l’Alexandre des chats, L’Attila, le Fléau des rats Rendait ces derniers misérables. J’ai lu, dis-je, en certain Auteur, Que ce chat exterminateur. Vrai Cerbère était craint une lieue à la ronde; Il voulait de souris dépeupler tout le Monde.

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Bemerken Sie, wie vortreflich la Fontainens Eingang zu seiner Fabel paßt, da hingegen Gellerts seiner sich zum Sujet gar nicht schickt;| denn er will uns einen Geizigen schildern, der es bis aus dem Todbette ist; wozu wird denn hier von seiner Treue geredet? (denn anders kann man die Sorgsamkeit auf die Schätze seines Herrn nicht nennen). Ist das nicht gerade der Fabel entgegen, die uns den Geizigen nicht löblich, sondern verhaßt schildern sollte. Wenn also auch die Beschreibung gut wäre, welches sie gar nicht ist; so steht sie doch hier am unrechten Orte. Doch überall, wo Gellert umständlich wird, bringt er falsche Umstände an, und weiß auch nicht aufzuhören, z. E. im dritten Verse besagter Fabel: Kaum erscholl die schlimme Post, Als von ihrer Mittagskost Alle Brüder und Bekannten, Phylax zu besuchen rannten.

Was thun diese Bekannten da? Hat auch ein Geiziger so viel Freunde? Hat er einen, der ihn so liebte, wie von Pantalon gesagt wird?

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Pantalon, sein bester Freund, Leckt ihm an dem heißen Munde. O, erseufzt er, bittre Stunde! O wer hätte das gemeynt?

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Wie falsch, wie wenig der Erzählung angemessen, und wie matt denn noch oben drein! Der Umstand mit den Bekannten hätte gar wegbleiben sollen, und Pantalon kein Freund, sondern ein durch natürliche Bande an den Geizigen verknüpfter seyn müssen. Aber das alles bey Seite gesetzt, so ist nichts elenders, nichts weitschweifigers, als eben die Reden des Sterbenden. Sie werden überhaupt in allen Fabeln bemerken, daß er sich niemals von der Sache voll hinsetzt und dichtet, sondern daß er sich führen läßt, wo der Reim hin will. Das ist nun besonders in seinen Moralen sichtbar. Gott, wie gedehnt, wie seicht, wie einschläfernd sind nicht diese! Auch in seinen besten, oder wenigstens in denen Fabeln, die am wenigsten schlecht sind, sind diese unerträglich, und in andern oft ein wahres Gewäsche, das länger ist, als die Fabel selbst. Aber nirgends sind alle diese Fehler merklicher als in seinen E r z ä hlu nge n. Es [147] wissen wol wenig Leute, was es mit den eigentlichen Erzählungen für eine Beschaffenheit hat, und mir deucht, ich habe auch keine Regel für diese Gattung ins besondere gelesen; denn entweder ist sie im Zusammenhange als ein Theil andrer Gedichte betrachtet worden, als der Epopee, oder als ein Theil der Fabel mit der Moral verbunden. Mir scheint aber der Unterschied der Fabel und Erzählung eben darinn zu bestehen, daß jene die Erläuterung eines moralischen Satzes ist, den sie zum Zwecke hat, und also auch immer in Betracht auf diesen muß angesehen werden; diese hingegen hat nichts dergleichen zu ihrer Absicht, sondern sie will nur ein Factum erzählen, dessen Beschaffenheit fähig seyn muß, entweder zu rühren oder zu belustigen. Dies ist also der einzige Zweck der Erzählung. Sie will entweder dem zärtlichen Herzen dadurch eine Uebung verschaffen, daß es gerührt wird, und alsdenn muß es eine | rührende Erzählung seyn; oder sie will dem Geiste einige [148] heitere Gemählde zur Erquickung und Erhohlung vorstellen, und dann kann man sie die komische nennen. Es versteht sich, daß sie alsdenn alle mögliche Nuancen annimmt, die sich nur im Dramatischen vom höchsten Grade des tragischen bis zu dem, was die Franzosen Parade nennen, denken lassen. Im Verhältniß zu diesem Zwecke muß man die Erzählung, die eigentlich das Theater ist, auf welchem sich Gellert gezeigt hat, betrachten. Manche von den seinigen gehören zur tragischen, manche zur komischen Gattung. Doch in dieser lezten ist er bis zum grotesken nie gekommen. Wenn das, was ich von der Erzählung hier gesagt habe, seine Richtigkeit hat, so wird daraus folgen, daß man nach geschehener Wahl einer Geschichte, die allezeit fähig seyn muß zu rühren oder zu belustigen, in derselben alle entweder rührende oder belustigende Umstände zusammen nehmen, und sie in ihr rechtes Licht setzen muß. Dies Gesetz ist, ohne die übrigen | Gesetze der Erzählung zu [149] rechnen, dieser Gattung besonders eigen, so wie es der Fabel eigen ist, daß man vornehmlich alle die Umstände wählen und ins Licht sehen muß, welche fähig sind,

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die Moral frappanter zu machen. In beiden Gattungen aber muß das weitschweifige, matte und unnütze durchaus vermieden werden. Denn in der tragischen Erzählung tödtet es das Interesse, und in der komischen erweckt es Gähnen und Langeweile. Wenn man eine Reflexion einmischt, so muß sie kurz und lustig oder rührend seyn, aus der Sache selbst entspringen, und den Zweck der Erzählung befördern. Die Franzosen halten La Fontaine für einen guten Erzähler; er ist es aber lange nicht so sehr, als sie meynen. Nicht allein ist er in den paar ernsthaften Erzählungen, die man von ihm hat, ganz mittelmäßig, sondern auch in den possirlichen, die seine Hauptgattung gewesen, ist er oft weitschweifig in langwieriger Reflexion, und weiß gar [150] nicht immer die wichtigen, reizenden Umstände lebhaft vorzu|stellen. Doch dies scheint ein natürlicher Fehler bey den Franzosen, denn sie verlangen immer alles kurz, sie wollen nur das Mark von allen Dingen haben, sie schreyen immer trop long, trop long! Daher kommt es, daß das Heldengedicht, welches sie für ihr bestes halten, die Henriade, allemal eine langweilige Lecture bleibt. Denn, es ist eine Sammlung von lauter bis zum Erstaunen ins kurze gezognen Gemählden, die eben durch diese Abkürzung gar kein Interesse haben. Wie kann ich mich im neunten Buche bey der Trennung Heinrichs von der schönen Gabrielle gerührt finden, wenn ihre Zusammenkunft und Trennung in zwanzig Verse zusammengezogen ist, wenn mir keine Umstände, keine Reden der Personen vorgestellt werden, die das Bild ihrer Empfindung in meiner Seele lebhaft mahlen, und mein sympathetisch Gefühl erregen? Das lächerlichste dabey ist noch, daß oft unbedeutende Umstände ausgemahlt sind. In [151] eben dem Gesange der Henriade ist die sonst schöne Beschreibung des | Tempels der Liebe sehr weitläuftig. Wenn alles damit harmonirte; so könnte nichts schöner seyn. Aber wie lächerlich sticht dies nicht ab, wenn der weit mehr interessante Umstand des Schmerzens beyder Verliebten und der Kämpfe Heinrichs, ehe er seine Leidenschaft besiegt, ganz verstümmelt oder ordentlich microscopisch zusammen gezogen ist. Eben so geht es La Fontainen. Der zieht manchmal Sachen ins Kurze, die wichtig sind, und dehnt sich andremale in äußerst langweilige Reflexionen und Digressionen aus. Das erhellt nun aus nichts besser, als wenn man seine aus dem Ariost genommne Erzählungen mit dieses Italiäners seinen vergleicht. Lezterer ist überhaupt, wie Sie wissen, mein Abgott unter den Dichtern, und nach meiner Meinung in allen Stücken ganz vollkommen. So ist er es auch in Erzählungen. Man solte denken, er erzähle weitschweifig, aber wenn man es recht betrachtet, so ist kein Umstand müßig. Ein jeder derselben vermehrt entweder die Ueberredung, dadurch daß er die [152] Geschichte | glaublicher und wahrscheinlicher macht, oder er trägt etwas zur Rührung bey. Hat aber Gellert irgend einen Gedanken auf so etwas gehabt? Im geringsten nicht. Wo ihn der Reim just hinführt, da reiset er mit hin, wie jeder Reimer thut. Das ist der Fall in allen seinen Erzählungen. Manchmal führt ihn der Reim glücklicher weise gut; das aber geschieht, wie man sichs vorstellen kann, selten genug. Die meiste Zeit wird er aufs Gerathewol hie und da ohne Ziel und Gesetz hingeworfen. Es ist wol der Mühe werth, daß wir dies Schauspiel in ein paar Erzählungen näher

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betrachten. Und um Ihnen den Geschmack der Nation bey der Gelegenheit mit zu zeigen, so will ich eine darunter wählen, die ich allgemein für besonders vorzüglich habe halten hören. – Inkle und Yariko. Ein vortrefliches Süjet, um zu rühren, nicht aber von Gellerts Erfindung; so wie fast keine von ihm ist. Wie wird ers nun benutzt haben? Stellen Sie sich ein junges liebenswürdiges ameri|kanisches Mädchen vor, [153] das einen dem Schifbruch und der Wuth der Wilden entkommenen Engelländer rettet, lange Zeit speist und erhält, sich endlich mit ihm in ein Schif setzt, und dann zum Lohn ihrer Liebe von dem Ungeheuer verkauft wird. Wie wird uns der Dichter hier nicht im Herzen wühlen, dadurch daß er uns des Mädchens Unschuld, Zärtlichkeit, Bemühungen und Gefahren schildert, denen sie sich unterzieht, um ihren Geliebten zu verbergen und zu retten! Wie wird er uns nicht durch die Schilderung ihres Schmerzens bey der Grausamkeit ihres undankbaren Verführers Thränen auspressen! Wenigstens kann ers, wenn er will; er hat in dieser Erzählung den Stoff dazu. Nun wohlan, wir wollen einmal hören. Die Liebe zum Gewinst, die uns zuerst gelehrt, Wie man auf leichtem Holz durch wilde Fluthen fährt, Die uns beherzt gemacht, das liebste Gut, das Leben, Der ungewissen See auf Brettern Preiß zu geben; Die Liebe zum Gewinnst, der deutliche Begriff Von Vortheil und Verlust, trieb Inklen auf ein Schiff. Er opferte der See die Kräfte seiner Jugend, Denn Handeln war sein Witz, und Rechnen seine Tugend.

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Erstlich, wie matt alles! zweytens sehen Sie nicht den von dem Reime regierten Versmacher in dem Verse, de r d e u tl ic he B egr i ff , um auf S ch iff zu reimen? Und in diesem, d e nn H an d eln wa r s e in Wi t z u. s. w. Ueberdem wie falsch ist nicht der Gedanke! Als wenn das nicht auch andre Leute thäten, daß sie der See ihre Jugend aufopferten, bey denen das gar nicht wahr ist, z. E. Seeoffizier. Uebrigens hat er hier so etwas anbringen wollen, als wenn er uns einen vorläufigen Begriff von Inkles Charakter geben wollte, welches auch recht gut wäre. Denn um eine so ungeheure |That zu begreifen und wahrscheinlich zu finden, muß man ein wenig [155] vorbereitet werden. Aber wie ungeschickt sind nicht alle Umstände gewählt! Denn es giebt viele Leute, deren Witz allein im Handeln besteht, und die eifrig genug nach Gewinn sind, um ihr Leben dabey zu wagen, ohne just solche abscheuliche Geschöpfe zu seyn. Ist denn die hier geschilderte allgemeine Liebe zum Gewinn gnugsam, um diese That begreiflich zu machen? Bey Leibe nicht, und eben dadurch ist diese ganze Stelle müßig, und müßte anders seyn, wenn sie mit der Erzählung zusammenhängen sollte. Nun lesen Sie die darauf folgenden Verse, und sagen Sie, ob man matter erzählen kann, ob es nicht ganz Kraft- und Saftloß ist. Wenn ich Beyspiele von platten Versen haben wollte, so würde ich keine andere suchen, als die folgenden zwölf. A lle in , heißt es unter andern da,

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Allein der wilden Schaar Fiel auf die Britten los, und wer entkommen war, Den fraß ihr hungrig Schwerdt; nur Inkle soll noch leben; Die Flucht in einen Wald muss ihm Beschirmung geben.

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Alles folgende ist eben so seicht, und kaum kann ich den Ekel überwinden, um es abzuschreiben. Ein plötzliches Geräusch erschreckt sein schüchtern Ohr. Ein wildes Mädchen springt aus dem Gebüsch hervor, Und sieht mit schnellem Blick den Europäer liegen. Sie stutzt. Was wird sie thun? Bestürzt zurücke fliegen? O nein! so streng und deutsch1 sind wilde Schönen nicht.

Wie albern die Reflexion ist, läßt sich daraus ersehen, daß, ohne im geringsten strenge zu seyn, ein Mädchen sehr wohl vor einem blutfremden Menschen von einer [157] unbekannten oder wol gar ihr bewußten feindlichen Gattung flie|hen könnte. Es ist also nichts weniger als Menschenverstand in diesem Verse. Im Gegentheil hätte der Dichter einige Umstände anbringen sollen, die es wahrscheinlich gemacht, warum das Mädchen blieb, welche entweder aus dem Orte, wo sie zusammen kamen, oder aus dem Betragen des Engelländers, oder aus den Ideen hätten können genommen werden, die vorhergegangene Dinge dem Mädchen beygebracht hatten. Daran hätte nun gewiß mein Freund Ariost nicht ermangelt; denn bey dem hält die ganze Erzählung immer wie eine Kette zusammen. Das, was ich sage, ist allhier um desto nöthiger, da die Furcht allemal die erste Leidenschaft ist, die in dem Menschen, besonders in dem weiblichen Geschlecht, bey allen sonderbaren Vorfällen aufsteigt.

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Sie sieht den Fremdling an, sein rund und weiß Gesicht, Sein Kleid, sein lockigt Haar, die Anmuth seiner Blicke Gefällt der Schönen wohl, hält sie mit Lust zurücke. Auch Inklen nimmt dies Kind bey wilder Anmuth ein.

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Wie frostig, ich bitte Sie, wie kalt! Wer kann das lesen und dabey anfangen intressirt zu werden? Man könnte mich sicher, von welchem Verse man wollte, abrufen; ich würde nichts dagegen haben, und gleich das Buch hinlegen, ohne wissen zu wollen, was aus den Leuten ward. Und das ist eben das wahre Criterion einer Erzählung. Wenn sie nicht lebhaft interessirt; so ist sie stets fade und das Werk eines magern Kopfes.

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Unwissend in der Kunst, d u r c h Z w a n g ve r s t e l l t z u s e y n , Verräth sie durch den Blick die Regung ihrer Triebe. Ihr Auge sprach von Gunst und bat um Gegenliebe.

Daß eine Wilde nicht so lange spröde thut, als unser Frauenzimmer, das lassen wir [159] gelten, und werden deswegen nicht minder gut von ihr | denken. Aber sie muß doch auch nicht gar zu frech, gar zu brünstig seyn; und das ist diese. Ohne den geringsten

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O über den mauvais plaisant!

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Anlaß von Seiten Inkles spricht ihr Auge von Gunst, und bittet um Gegenliebe. Das würden Faunen selbst ekelhaft finden, und kann nur in Ländern wahr seyn, deren Sitten durchaus nicht von der Dichtkunst dürfen geschildert werden. Es giebt in allen Dingen ein gewisses Ideal, also auch ein Ideal wilder Sitten. Dieses faßt der Dichter von Genie; Gellert aber hat es hier ganz verfehlt. Um naiv und wahr seyn zu wollen, verfällt er ins plumpe und ekelhafte, wie alle Stümper. Ich habe d e n Zu s c hau e r , in dem diese Geschichte steht, nicht gleich bey der Hand, und kann also nicht sagen, wie er sein Süjet genutzt hat. Ich kann aber kaum glauben, daß die Erzählung dort so abgeschmackt seyn sollte, wie hier; ich wollte beynahe versichern, es stünden da viele Umstände, die der Dichter von Genie, oder nur der Mann, der kein Reimreich ist, sich zu Nutze gemacht hätte. Wenn sie aber | auch gerade so da stünde, so wäre [160] es stümperhaft, sie so kahl in Reimen zu bringen, und ein untrügliches Zeichen, daß Gellert nicht einen Funken Genie hätte. Die Indianerin war liebenswerth gebaut; Durch Minen redt dies Paar, durch Minen wirds vertraut.

Hören Sie, hören Sie Ihr Wunder, wie das zusammenhängt! Betrachten Sie, wie der Mann durch den Reim gezogen wird! 285

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Sie winkt ihm mit der Hand; er folget ihrem Schritte, Mit Früchten speißt sie ihn in ihrer kleinen Hütte; Und zeigt ihm einen Quell, vom Durst sich zu befreyn. Durch Lächeln räth sie ihm, g e t r o s t u n d f r o h z u s e y n .

Warum? oder wie kann er das? Hat Inkle den geringsten Grund dazu? Wenn sich nur der Leser ein bischen für dies Paar intressirte, (zwar hat Gellert genugsam dafür gesorgt, daß das nicht geschähe) würde er nicht in tausend | Aengsten seyn, daß es [161] von den Wilden möchte überrascht und getödtet werden? Hier ist aber nichts, das die Geschichte im geringsten zusammenhängend, wahrscheinlich und dadurch interessant mache, welches die erste Pflicht eines Erzählers ist. So schlecht war Gellert in dem Fache, worin er seine Force hatte. Aber was kommt wol nun? Sie sah ihn zehnmal an, und spielt an seinen Haaren, Und schien verwundernsvoll, daß sie so lockigt waren.

Sie meynen wol, ich scherze, und stehle hier zween Verse heraus, und da zween Verse, die ich alsdenn zusammenstople und das für Gellerts Erzählung ausgebe; so wenig Zusammenhang scheint Ihnen vielleicht das zu haben, was ich hieher schreibe. Aber nein, es ist mein Ernst! Sehen Sie nur zu, ob nicht die Verse ununterbrochen so auf einander folgen. Nun sagen Sie mir einmal, ist es erlaubt, so | zu [162] erzählen? Heißt das nicht offenbar, vom Reime aufs Gerathewol geführt werden? Ich übergehe die Beschäftigungen der Amerikanerin um ihres Liebsten willen. Sie sind eben so schlecht gewählt, als alles, was wir bisher gesehn haben. Diejenigen, welche interessiren könnten, sind ausgelassen, die nichtsbedeutenden

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angeführt, und aufs gerathewol unter einander geworfen. Kurz, ein Anfänger kann nicht schlechter, nicht unzusammenhängender erzählen. – Ferner heißts:

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Die Liebe flößt dem Paar bald eine Mundart ein. Sie unterreden sich durch selbsterfundne Thöne. Ku r z , e r v e r s t e h t s e i n K i n d , und ihn versteht die Schöne. Oft sagt ihr Inkle vor, was seine Vaterstadt Für süße Lebensart, für Kostbarkeiten hat. Er wünscht sie neben sich in Londen einst zu sehen; Sie hörts, u n d z ü r n e t s c h o n , d a ß e s n o c h n i c h t g e s c h e h e n . Dort, spricht er, kleid’ ich dich, und zeiget auf sein Kleid, In lauter buntem Zeug von großer Kostbarkeit; In Häusern, halb von Glas, bespannt mit raschen Pferden, Sollst du in dieser Stadt bequem getragen werden. Vor Freuden weint dies Kind, und sieht, indem sie weint, Schon nach der ofnen See, ob noch kein Schiff erscheint.

Es ist ekelhaft, alles zu critisiren; denn es ist alles so kläglich, als es nur seyn kann. Ich will mich nur an ein paar Bemerkungen über Hauptpunkte halten. Bey der ersten fällt mir etwas ein, das ich in Käs tne r s Vo r les u nge n gelesen [164] habe.| Dieser vortrefliche Mathematiker scheint die Schwachheit zu haben, daß er sich auf den Ruhm eines Dichters und schönen Geistes, wozu ihm die Natur gar keine Anlage gegeben hatte, etwas zu gute thun und nach demselben jagen will. Thäte er nun aber nicht besser, sich in seinen wahren Schranken zu halten, worin er wirkliche Ehre und Ruhm verdient, als von Dingen zu reden, die er nicht versteht? Hier haben Sie unter andern folgendes Beyspiel davon. Bey Gelegenheit einiger Stellen aus Miltons Paradies sagt er über die Stelle B[and]. 6. V[ers]. 40. u. f. folgendes:

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Adam, der keine Kleider kannte, wußte ohne Zweifel nichts von Waffen, Schlachtordnungen u. d. g. Ist es also nicht die größte Ungereimtheit, daß Milton ihm die Schlacht der Engel erzählen läßt, da die ganze Erzählung dem Adam unverständlicher seyn mußte, als die Beschreibung der Schlacht bey Minden einem fünfjährigen göttingschen Mädchen wäre, denn das hätte doch französische Soldaten ge|sehn. Der Engel hätte ihm erst von allen Dingen, die in der Erzählung vorkommen, Begriffe geben müssen.

Wenn mir das ein ...aner sagte, der, ganz voll von Methaphysik, so urtheilte; je nu, so lächelte ich: aber ein Mann, der sich zum Kunstrichter, zum Dichter, zum Manne von Geschmack und Witz aufwirft, das ist kläglich. Als wenn der Dichter nach der strengen Metaphysik dichtete, und sich nicht ein Ideal formirte, dem zufolge er bey seinem Helden Dinge voraussetzen kann, die im strengen Verstande nicht wahr sind, woran aber an dem Orte kein Leser denken wird. Wer einen Milton, denjenigen Dichter, der die feurigste Einbildungskraft besitzt, so ließt, der thut besser, er ließt ein Mathematisches Buch, und mengt sich nicht in Sachen, davon er keinen ordentlichen Begriff hat. Allein, wenn man auch dies frostige Urtheil wollte gelten lassen, so hat doch dieser Kunstrichter nicht bedacht, daß alle diese metaphysischen Sätze [166] beym | Adam keine Statt finden. Nicht einmal bey der wahren Geschichte Adams

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finden sie Statt, geschweige denn bey der darauf gegründeten Fiction eines Heldendichters. Ohne eben, wie viele Gelehrte, zu behaupten, daß Adam alles möglichwißbare gewußt hat, so muß man doch nach Mosis Geschichte annehmen, GOtt habe ihm durch übernatürliche Mittel tausend Begriffe von Dingen gegeben, die er vorher nie gesehen noch gehört. Wo hätte er sonst ein Wort sprechen, den Thieren gleich Namen geben, oder die Drohungen GOttes und seine übrigen Reden verstehen können? Was also von allen übrigen Menschen gilt, gilt nicht von Adam, und das ist schon genug, um auch die allerkühnsten Erdichtungen des Dichters zu rechtfertigen, wären sie auch noch weit sonderbahrer als diese. Denn überdem ist es diese lange nicht so sehr, als sies Kästnern scheint. Adam geht in Miltons Gedichte, welches dieser, so große Mathematiker als erbärmliche Kunstrichter, vermuthlich nicht gelesen hat, mit | den Engeln um, wie wir mit den übrigen Menschenkindern. Diese [167] Engel hielten Wacht, giengen bewafnet und übten sich allerdings an verschiednen Orten des Paradieses in den Waffen. Da hatte sie Adam gesehen, und konnte leicht soviel Begriffe bekommen haben, als nöthig war, um die Beschreibung der Engelschlacht zu verstehen. Er hatte zwar selbst noch keine gesehen, wenn aber das dazu gehörte, so, glaube ich, würde die Beschreibung einer Schlacht auf Erden den meisten Gelehrten eben so unverständlich seyn, als dem Adam die Engelschlacht. Hr. Kästner hat gewiß geglaubt, bey dieser Gelegenheit durch die Vergleichung mit dem Göttingischen fünfjährigen Mädchen was recht witziges gesagt zu haben; wenn mans aber recht beym Lichte besieht, so ists was sehr abgeschmacktes. Da aber, wieder auf Gellert zu kommen, Inkle und Yariko blos eine Erzählung ist, die noch dazu kalt, ohne allen Schmuck und Feuer | der Einbildungskraft geschrie- [168] ben ist, und eine Begebenheit von sehr natürlichen Menschenkindern enthält; so werden Sie mir wohl die Anmerkung nicht neben die Kästnersche setzen, wenn ich sage, daß es zwar sehr glaublich ist, wenn gesagt wird, unser Inkle und seine Yariko haben sich eine Sprache gemacht, aber das kann doch nur von täglich vorkommenden und in beyder Sinnen fallenden Gegenständen seyn. Ist es nicht höchst lächerlich, daß Gellert den Inkle von Sachen reden läßt, wovon sich sein Mädgen gar keinen Begriff machen kann? Und dies dazu in einer stümprichten Sprache, die sich beyde erst erfunden haben? Wie will er ihr eine Stadt, Gassen, Glas, ein fahrendes Haus und Pferde begreiflich machen, lauter Gegenstände, die eine Wilde nie gesehen hat, und sich nicht gedenken kann? Seine Liebe, seine ewige Treue, ein Kleid wie das seinige, das sind noch Dinge, wovon sie wohl reden könnten: aber von denen, wovon sie Gellert reden läßt; das ist sehr lächerlich. Ich wette, Gellert und alle seine Bewunderer haben gedacht, Wunder wie schön [169] das ist, daß Inkle dem Mädgen solche Reden von Putz und schönen Sachen hält, und sie davon so gerührt wird, daß sie gleich wünscht, mit ihm fortzugehen. Wir haben schon eine Albernheit darinnen entdeckt, die andre ist aber noch weit wichtiger, und sicher! wenn Gellert ein bischen Gefühl, einen Schatten von Genie gehabt hätte, so würde er sie vermieden haben. Er will uns für das Mädgen rühren, und uns einen Abscheu für Inklens Undankbarkeit einflößen; wie ungeschickt ist also dieser triviale

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Punkt der Kenntniß des weiblichen Herzens angebracht, daß die Vorstellung von Eitelkeiten die Herzen der Mädgen entzückt! Hier sollte uns die zärtliche, die aufrichtige, die von Liebe durchdrungene Yariko, nicht aber die eitle, die nach jeder Tändeley begierige geschildert werden, die uns Gellert zeigt. Wie verringert das nicht das Interesse und die Rührung bey ihrem Unglück! Ist so eine ungeschickte Wendung [170] nicht eine wahre Einfalt des | Reimers zu nennen? Welche Erzählung hätte ein ehrlicher Mann nicht daraus machen können, der nur einen Funken Genie besessen hätte. Die Trähnen hätten stromweise fließen müssen; und man kann den Reimer, der sein Süjet so verhunzt, bewundern, ihn einen guten Erzähler nennen, wie ärgerlich! Ich weiß warlich nicht, was Ich mehr bewundern muß, Gellerten, oder seine Bewundrer. Wer sich hier auf das Detail im Critisiren einlassen wollte, der fände gar kein Ende. Sehen Sie nur die Verse an, wie matt, wie des Reims wegen zusammengestoppelt! Das, was ich hier sage, ist gar nicht dem Lobe zuwieder, das man Gellerten sonst giebt, und welches ich zu unterschreiben bereit bin, daß er einen fließenden Vers macht. Ja, seine Verse fließen so klar wie Wasser, allein ein Reim bringt immer den andern hervor, und aus dem Reime, der ihm zuerst einfällt, entsteht der Gedanke. Man sieht deutlich, daß kein zuvor durchgedachter Plan vor dem Versma[171] chen hergegangen ist,| und daß der Mangel an Genie gar nicht einmal durch eine zuvor angestellte kalte Ueberlegung der anzubringenden Gedanken und Schönheiten ist ersetzt worden. Genies brauchen dies freylich so nothwendig nicht, denn bey denen stellt sich gemeiniglich das wahre, das vollkomne zuerst in der Seele ein. Allein der mittelmäßige Kopf kann dadurch viel ersetzen, und viel schönes herausbringen, wenn er solchen Fleiß anwendet; und daß Gellert dies nicht gethan hat, zeigt offenbar, daß er nicht einmal Kenntnisse und Geschmack genug dazu hatte, um das Schöne zu fühlen, sonst hätte er es mit Ueberlegung finden können. Wenn man solches Zeug, als wie das, was ich hier vor mir habe, gegen wahrhaftig schöne Erzählungen hält, so wirft mans in vollem Zorne von sich. Im Ariost steht eine Stelle, die einen ähnlichen Inhalt mit dieser hat. Es ist ein Liebhaber, dem seine Schöne die größten Proben der Treue und Zärtlichkeit gegeben hat, dem zu Liebe sie [172] Vater, Brüder,| Vermögen und alles verloren hatte, um den sie ihr Leben selbst hinzugeben bereit gewesen ist, und der sie dafür auf einer einsamen Insel aus Liebe gegen ein ander Mädgen meyneidischer weise zurückläßt. Lesen Sie, ich bitte Sie, das einmal, ob nicht da die Trähnen aus den härtesten Augen rollen müssen. Sie finden die Stelle im neunten und zehnten Gesange. Wie geschickt zeigt uns nicht erst der Dichter die große Liebe der Olympia gegen ihren Bireno! In welches Licht setzt er nicht alles, was sie für ihn gethan hat, und noch immer zu thun bereit ist; um des Liebhabers Untreue frappanter, des Mädchens Unglück aber rührender zu machen! Nicht aus solchen kahlen und unzusammenhängenden Floskeln, als diese:

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So oft der Morgen kommt, so macht Yariko Durch neuen Unterhalt d e n l i e b e n Fr e m d l i n g f r o h , Und zeigt durch Zärtlichkeit mit jedem neuen Tage, Was für ein treues Herz in einer Wilden schlage.

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oder folgende: 435

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– – – Aus zärtlichem Erbarmen Bewacht sie jede Nacht den Freund in ihren Armen.2 nicht aus solchen schaalen Ausrufungen als diese: Wird in Europa wohl ein Herz so edel seyn?

Zeigt uns Ariost die Liebe der Olympia. Nein, die Umstände, die er davon erzählt, und die alle gemahlt sind, überführen uns davon. Und wie vortreflich sind sie nicht ge|wählt und verbunden! Sie soll sich für ihren Liebsten hingeben, will der Tyran, [174] der ihn gefangen hält, haben. Dies einzige hat sie noch nicht gethan, sonst hat sie alles schon willig aufgeopfert. Hat sies aber aus Furcht, aus Mangel der Zärtlichkeit, oder weil sie einsieht, daß, wenn sie stirbt, ihr erhaltner Liebhaber ihr nichts helfen kann, zu thun verschoben? Bey Leibe nicht. So drückt sie sich hierüber aus: Se dunque da far altro non mi resta, Né si trova al suo scampo altro riparo, Che per lui por questa mia vita, questa Mia vita per lui por mi sarà caro.3

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Warum hast dus denn nicht längst gethan? wird man sagen.

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Ma sola una paura mi molesta, Che non saprò far patto così chiaro, Che m’assicuri che non sia il Tiranno Poi ch’avuta m’avrà, per fare inganno. 455

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Wie natürlich ist nicht diese Furcht! Wie gegründet! Und wie vortreflich der Umstand gewählt, nicht nur die Geschichte vollkommen zusammenhängend zu machen, sondern auch die ganze zärtliche und auf das Wohl ihres Liebhabers einzig und allein bedachte Seele der Olympia zu zeigen. Um nur endlich weiter zu kommen, so kommt ein Schiff an. Yariko berichtet es [176] dem Inkle, und steigt mit ihm darauf. Vergißt, wies im Gellert heißt, – – vergißt ihr Vaterland Aus Treue gegen ihn und eilt, an seiner Hand, So freudig in die See, als wenn das Schiff im Meere, In das sie steigen will, e i n H a u s i n L o n d e n w ä r e .

2 Wie kommt das hieher? denn kein Mensch weiß, warum sie das thut. Aus Furcht vor den Wilden? Wie kann das der Leser errathen, da in der ganzen Erzählung nicht ein Wort davon gesagt wird, und sie übrigens deswegen nicht im geringsten besorgt zu seyn scheinen? 3 Cant[o]. 9 Ott[ave]. 51.

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Aus Treue, sagen Sie, Herr Gellert? Wer wird Ihnen das glauben? Sie thuts, um alle die schönen Sachen zu haben, die ihr Inkle versprach. [177] Aber doch eine Bemerkung über Inklens Versprechen, die recht an den Tag legen wird, was Gellert für ein schlechter Erzähler ist. Er läßt seinen Engländer zu Barbados bedenken, daß er durch seinen Schifbruch um alles gekommen ist. Das konnte er schon bey seiner Wildin eben so gut wissen, als zu Barbados; wenigstens sagt uns der Dichter gar nicht, warum ihm erst das Ding da einfällt. Warum sucht er sie denn zu bereden, mit ihm zu kommen? Dachte er schon darauf, sie zu verkaufen, um Geld aus ihr zu lösen? Davon sagt der Dichter nichts, und es scheinet ohne dies gar nicht wahrscheinlich; denn, konnte er wol wissen, ob ein Schiff kommen würde, und noch weniger, ob es an einen Ort reisen würde, wo er Yariko verkaufen könnte? Daher wäre es viel natürlicher gewesen, daß er in seinen Umständen nicht gewünscht, sich eine Frau noch über dies auf den Hals zu laden. Die Versprechungen an und für sich [178] sind schon lächerlich. Inkle muß wol ein alberner Prahler gewesen | seyn, um in einer Höle gegen eine Wilde zu prahlen, er wolte ihr Kutsche und Pferde halten, da er doch wußte, daß er ein blutarmer Teufel war. So was verspricht wol bey uns mancher Schurke einem armen Mädchen, um es zu verführen, oder einem reichen, um es zu bewegen, daß es ihn nimmt; aber dies in Amerika gegen eine Wilde zu thun, die davon nicht den geringsten Begriff, und darnach nicht den geringsten Wunsch hat, das ist wol noch nie einem Menschen eingefallen. That er es aber bloß, um sie liebzukosen, daß er ihr von solchen schönen Sachen vorschwatzte, so frägt es sich allezeit noch, warum nahm er denn das Mädchen mit? Er hätte sie vielmehr zurücklassen, als sie mit sich schleppen sollen, da zumal ersteres viel leichter war, als dieses; denn der Schiffscapitain, der sie dem Vermuthen nach umsonst aufnahm, hätte gewiß lieber das Mädchen da gelassen, und es war nicht die geringste Noth da, sie mitzu[179] nehmen. Denn ans Verkaufen, merken Sie wol, wurde erst | zu Barbados gedacht. Schämte er sich etwa, dem Mädchen sein Wort nicht zu halten? Konnte er ihre Trähnen, ihre Vorwürfe beym Abschiede nicht ertragen? Aber wie hätten solche Bewegungsgründe ein Ungeheuer, wie Inkle, der sie nachher verkaufte, rühren können? Sehen Sie nur, ich bitte Sie, was das für ein elendes Erzählen ist, wie das alles gar nicht zusammenhängt. Und doch war es mit der geringsten Mühe sehr leicht, alles zu motiviren. Wenn man nicht den abgeschmackten Einfall von dem Versprechen des Putzes und der Kutsch und Pferde anbringen wollte, so konnte man Yarikos Zärtlichkeit so schildern, daß dem Engländer, der aus Furcht vor den Wilden nicht aus der Höhle gehen durfte, bange werden mußte, daß ihn das Mädchen, aus Furcht von ihm getrennt zu werden, von der Ankunft eines Europäischen Schiffes nicht benachrichti[180] gen möchte. Dieserwegen versprach | er ihr, sie mitzunehmen, und alsdenn konnte er sie durch vernünftige und auf ein zärtliches oder, um Gellertsch zu reden, gutes Herz, wirksame Vorstellungen suchen anzureizen. Stellte man nun Inklen vor, als wär es ihm mit diesen Versprechungen gar kein Ernst gewesen, so wird es ungleich

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natürlicher. Alsdenn erscheint Inkle als ein Arglistiger und Undankbarer. Nun kommt ein Schiff. Yariko giebt ihm Nachricht davon. Er läuft hin, und erfährt, daß das Schiff nach Barbados geht. Da fällt ihm plötzlich ein, seine Wilde mitzunehmen. Die Ursache kann der Dichter bis zur Entwickelung versparen. Genug, man sieht, er hat was im Sinne, warum er das Mädchen wider Erwartung mitnimt. Sobald er nun ankommt, verkauft er sie. So deucht mir alles ganz anders zusammenzuhängen, und dem Charakter viel angemessener zu seyn. Wie aber Gellert?

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– – – Barbados [...] war der Ort, Wo Inkle g a n z b e s t ü r z t sein Schicksahl überdachte, Als schnell in seiner Brust der Kaufmannsgeist erwachte.

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Ueberdenken hätt’ er es nothwendig erst müssen, und auch wol thun können, denn er hatte, meyne ich, Zeit dazu gehabt. Man ersieht hieraus den Augenblick, wie lächerlich das hier erzählt ist, ohne die Ursachen anzugeben, warum Inkle so schnell auf den Einfall kommt, seine Gefährtin zu verkaufen; da es doch leicht gewesen wäre, einige anzugeben. Hören Sie nur das folgende: Er kam mit leerer Hand aus Indien zurück; Dies war für seinen Geiz ein trauriges Geschick. So hab’ ich, fing er an, um arm zurück zu kommen, Die fürchterliche See mit Müh und Angst durchschwommen? Er stillt in kurzer Zeit den Hunger nach Gewinn, Und führt Yariko zum Sclavenhändler hin.

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Wie? laß ich etwa was aus? Es ist unmöglich, daß es so da stehen kann. – Ja, ja, es steht doch so da. Und dann kommt noch folgendes Distichon: 530

Hier wird d i e D a n k b a r k e i t i n Ty r a n n e y v e r w a n d e l t , Und die, die ihn erhielt, zur Sklaverey verhandelt.

Ist je was erbärmlicher erzählt worden? Nein, ich kann keine Worte finden, um das Alberne darinnen auszudrücken. Man solte nicht denken, daß es möglich wäre, so abgeschmackt zu schreiben. 535

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Sie fällt ihm um den Hals; sie fällt vor ihm aufs Knie, Sie fleht, sie weint, sie schreyt; Nichts! Er verkaufet sie. Mich, die ich schwanger bin, mich! fährt sie fort zu klagen. Bewegt ihn das? Ach ja, sie höher anzuschlagen. Noch drey Pfund Sterling mehr! Hier, spricht der Britte froh, Hier, Kaufmann, ist das Weib, sie heißt Yariko.

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Dies ist nun zwar nicht so elend, wie das vorige. Allein es ist erstlich mit dem vorigen gar nicht zusammenhängend: denn man weiß nicht, was den Menschen bewegt, das Mädchen zu verkaufen, da ihm dieses zwar etwas Geld in die Hände bringt, doch aber nicht so reich macht, ihm seine Reise nach Indien zu belohnen. Mit einem Worte, die ganze Sache, so wie sie Gellert erzählt, hat nicht die | mindeste Wahr- [184]

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scheinlichkeit, weder aus den Umständen, noch aus dem angegebenen Charakter der Personen. Und überdem sind doch diese sechs letzten Zeilen noch lange nicht vortreflich erzählt, wie ich wol habe urtheilen hören. Yarikos Schmerz hätte etwas umständlicher geschildert, und dadurch viel rührender und wahrer vorgestellt werden können. Wenn ich Ihnen Ariosts Schönheiten aus der vorhin angeführten Stelle hersetzen wollte; so müßte ich sie ganz abschreiben. Aber erkennen Sie dennoch den Meister nur an folgenden paar Zeilen. Der falsche und im Herzen ungetreue Bireno, der mit seiner treuen Geliebten abschifft, um nach Hause zu reisen, wird von einem Sturme [185] an eine Insel getrie|ben, wo sie aussteigen und ein Zelt aufschlagen lassen, um sich niederzulegen. Er aber, der ein anders Frauenzimmer, das sie bey sich haben, liebt, steht auf, als er merkt, daß Olympia schläft, wekt in der Stille seine Leute, setzt sich aufs Meer, und fährt fort. Unterdessen liegt die arme Olympia bis am Morgen schlafend. Endlich

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Nè desta, nè dormendo ella la mano Per Bireno abbracciar stese, ma in vano; Nessuno trova: à se la man ritira; Di nuovo tenta, e pur nissuno trova; Di qua l’un braccio, e di là l’altro gira, Or l’una, or l’altra gamba, e nulla giova. Caccia il sonno il timor; gli occhi apre e mira, Non vede alcuno. Or gia non scalda e cova Più le vedove piume; ma si getta Del letto, e fuor del padiglione in fretta. E corre al mar graffiandosi le gote Presaga, e certa omai di sua fortuna.

Wie schön alles das! Sie ist voller Angst, aber sie sinkt nicht gleich in Ohnmacht; und weil ihr noch ein Augenblick Ungewißheit übrig ist, so läuft sie, ruft den Bireno; es antwortet ihr aber Niemand, als die Klüfte. Endlich steigt sie auf einen Fels, um auf dem Meere zu entdecken, ob ihr Treuloser flieht. [187]

E di lontano le gonfiate vele Vide fuggir del suo [signor] crudele. Vide lontano, o le parve vedere Che l’aria chiaro ancor non era molto. Tutta tremante si lasciò cadere Più bianca e più che neve fredda in volto. Ma poi che di levarsi ebbe potere, Al cammin de le navi il grido volto, Chiamò, quanto potea chiamar più forte, Più volte il nome del crudel consorte. E dove non potea la debil voce Suppliva il pianto e’l batter palma a palma. u. s. w.

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Lesen Sie die ganze Geschichte der Olympia; sie ist es werth. Ich will mich nur nicht in die Klagen der Personen einlassen, darum | höre ich auf abzuschreiben. Denn so [188] sehr ich den göttlichen Ariost verehre; so mag ich ihn doch viel lieber die Sachen schildern, als die Personen, zumal in zärtlichen Affekten, reden lassen hören. Das ist nicht seine Stärke, und hier fällt er oft ins Witzelnde. Aber dabey ist doch noch ein schöner Zug merkwürdig. Oben auf dem Felsen, wo Olympia, dem Schiffe nachsehend, in Ohnmacht sank, läßt er sie nur in einer kurzen Ausrufung, die zwar auch eine pointe ist, ausbrechen. Da sie ihres Unglücks gewiß ist und sich ganz verlassen sieht, so läuft sie den Berg hinunter in ihr Zelt, wirft sich da aufs Bette, und bricht in eine Fluth von Thränen und von Klagen aus. Das ist der Natur sehr getreu, und klingt meines Erachtens etwas anders, ist auch ganz anders fähig das Herz zu rühren, als Sie fällt ihm um den Hals; sie fällt vor ihm aufs Knie; Sie fleht, sie weint, sie schreyt.

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und wenn Sie sich das Vorhergehende vorstellen, wie lebhaft da Ariost die Zärtlichkeit der Olympia gemahlt hat, so werden Sie seine Erzählung gewiß vortreflich nennen. Denn selbst aus ihrem Schlaf macht er einen Umstand, der ihre gänzliche Liebe zum Bireno beweißt. Der Sturm und das Schrecken, sagt der göttliche Dichter, die Vorstellung, daß sie sich anjetzt im Walde in Sicherheit befanden, und besonders, daß sie von keinem Gedanken, keiner Sorge gequält war, da sie ihren Geliebten an ihrer Seite hatte, machten, daß sie so fest schlief. Doch ich schäme mich, Ariosten mit Gellert in Vergleichung zu setzen, oder nur jenen bey Gelegenheit dieses zu citiren. Auch, verzeihen Sie | mirs, bin ich überdrüssig, das elende Zeug weiter zu [190] critisiren. Lesen Sie nur die angehängte Reflexion: O Inkle, du Barbar! u. s. w.

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Wie stümperhaft! Erzähle gut, und laß sie uns dann selbst machen, das wäre klüger. Ich glaube, nun werden Sie wol nicht weitere Beweise verlangen, daß Gellert ein kläglicher Erzähler ist, wenigstens in der ernsthaften Gattung. Von der komischen sollten Sie mich dispensiren; es ist eine saure Arbeit. Vor heute wenigstens nichts mehr davon. Leben Sie wohl.

Neunter Brief.

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Ist Ihnen nicht bey der Beurtheilung der Gellertschen Erzählung die Stelle in Voltairens Briefe an Maffei eingefallen? »Le défaut de génie, [et] la froideur de la versification – voilà le grand point, voilà le vice capital qui fait périr tant de poëmes. L’Art d’être eloquent en vers est de tous les Arts le plus difficile & le plus rare. On trouvera mille génies, qui sauront arranger un Ouvrage & le versifier d’une manière commune; mais le traiter en vrais Poëtes, c’est un talent, qui est donné à trois ou

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quatre hommes sur la terre.« Die Wahrheit dieses Satzes müssen Sie bei Gellerten erfahren haben, denn freylich ist der Haupteinwurf wider ihn, daß er kein dichtrisches Genie besaß. Dies haben Sie in der Zergliederung seines Inkle und Yariko deutlich gezeigt, und | mich dadurch auf das Schauspiel neugierig gemacht, ihn als komischer Erzählungsdichter vor Ihrem Richterstule zu sehen. Ich will indeß doch auch keinen müßigen Zuschauer abgeben; sondern ein wenig Gellerts Verdienst als Lehrdichter in der Nähe beleuchten. Denn, ob er gleich ein noch besserer Lehrdichter seyn könnte, als er wirklich ist, ohne deswegen den Namen eines Dichters von Genie zu verdienen; (denn was ist ein Lehrgedicht ohne Bilder, ohne Schilderungen, ohne dichterischen Schmuck, ohne geschickte Einkleidung der vorzutragenden Sätze, und ohne künstlich eingeschaltete episodische Erzählungen, wie die mehrsten unter den Deutschen sind?) so ist es doch billig, daß man den Mann auch von dieser Seite betrachtet, welche noch dazu verschiedne gründliche Kenner, die ihn besonders wegen der Moralität seiner Gedichte verehren, für seine stärkste halten. Diese Moralität, welche einen wirklich edlen Zug in dem Character seiner Schriften aus|macht, zeigt sich durchaus in seinen Lehrgedichten. Er hat weder, wie Virgil, seine Süjets aus der Natur und denen dahin einschlagenden Kenntnissen, noch, wie Pope und Boileau, aus dem Fache der Weltweisheit und Critik genommen. Die Materien sind alle aus der Moral geschöpft. Dies ist die gewöhnliche Art der deutschen Dichter, daß sie in moralischen Denksprüchen einherstolziren, welches mich sehr wundert, denn nichts bedarf einer poetischen Einkleidung in höherm Grade, als eben sittliche Materien. Wir haben einen Ueberfluß an dogmatischen Dichtern, welches theils von dem Character der Nation, die dafür bekannt ist, daß sie mehr gründlich als leicht und lebhaft denkt, theils von unsrer frühen Bekanntschaft mit den Engländern herrührt. Haller, Dusch, Wieland, Uz, Cronegk, Hagedorn, Lichtwehr u. a. haben sich in diesem Felde hervorgezeichnet. Obgleich alle mit sehr verschiednem Vortheil, so sind sie dennoch, sogar Lichtwehr, in mei|nen Augen über Gellert. Ich werde suchen, Ihnen meine Meynung zu beweisen. Zuvor aber muß ich Ihnen sagen, daß es mir scheint, als wenn die wenigsten Leute wüßten, was eigentlich unter einem wahren Lehrgedichte zu verstehen sey. Nach dem gewöhnlichen Begriffe davon kann ich diese Gattung ohnmöglich unter die Gedichte rechnen, und Boileau ist mir nichts mehr, als ein witziger Versmacher. Es ist hier nicht meiner Absicht gemäß, Ihnen weitläuftig die Regeln zu zeigen, nach welchen ein Lehrgedicht, welches meine Forderungen erfüllen soll, beurtheilt werden muß. Ich will Ihnen nur durch Anführung eines Beyspiels meine Ideen deutlich zu machen suchen. Wir Deutschen haben nur einen Lehrdichter nach meinem Begriff, und der ist Wieland. Nicht in seinen bekannten Lehrgedichten, welche er schrieb, als ihn noch der Geschmack für die englischen Dichter beherrschte; nein! in seinem vollkommensten Gedichte, das ihn zum Stolze seines Vaterlandes | und zum Mitgenossen der Unsterblichkeit macht – in seiner M u s a -

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r i o n . Man rechnet gewöhnlich dies Gedicht zur Erzählung; dies kömmt aber eben von den falschen Begriffen her, die man sich sowol von der Erzählung, als vom Lehrgedichte macht. Was die Erzählung ist, haben Sie, nach meiner Meynung, richtig gezeigt. Sie ist eine dichterisch bearbeitete Geschichte, die die Absicht hat, entweder zu rühren, oder zu belustigen. Die Fabel ist, wie Sie gleichfalls urtheilen, nur in d er Ab s i c ht von der Erzählung unterschieden; denn sie will nichts, als nützen. Nun lassen Sie mich noch hinzuthun, daß das Lehrgedicht einen oder mehrere Sätze aus allen möglichen Theilen der Wissenschaften in sich begreift, welche entweder nach einem dichterischen Plan geordnet, und mit solchen episodischen Erzählungen, die die Sätze zu beweisen vermögen, durchflochten sind, oder in eine einzige geschickt erfundene Erzählung von dem Dichter eingekleidet werden. Hieraus entstehen zwey Gattungen des Lehrge|dichts. Es ist also von der Erzählung [198] darinn unterschieden, daß es den Endzweck hat, zu nutzen; und von der Fabel, daß, da diese eine dichterisch bearbeitete nützliche Geschichte ist, jenes dichterisch eingekleidete Sätze enthält, die durch eingestreute Erzählungen bewiesen, oder gar in einer solchen durchaus vorgetragen werden. Beym ersten Anblick scheint diese Erklärung zwar mit der Erklärung der Fabel zusammen zu laufen. Es ist aber in der That nicht so; denn, außer der ersten Gattung des eigentlichen Lehrgedichts, welches ordentlich nach einem Plane entworfene Sätze mit untermischten b ew ei s end e n Erzählungen enthält, und also deutlich genug von der Fabel unterschieden werden kann, so ist die zwote Gattung, da ein oder mehrere Sätze, in einer einzigen Erzählung eingekleidet, vorgetragen werden, durch ihre größere Weitläuftigkeit, durch eine geringere Handlung, und durch die eingestreuten Anmerkungen, besonders aber durch die längern moralischen Reden der Personen, worinn | eigentlich [199] alsdenn die Lehrsätze enthalten sind, von der Fabel merklich verschieden. In jener ersten Gattung hat Virgil gewissermaaßen gedichtet, in dessen Lehrgedichte die Episoden das vorzüglichste sind. In eben derselben hätten alle diejenigen unter den Franzosen, Engländern und Deutschen dichten sollen, welche uns mit ganzen Büchern gereimter Denksprüche beschenkt haben. In der zwoten Gattung ist mir niemand als unser Wieland bekannt, dessen M u s a r i o n in derselben ein Muster abgeben kann. Sollten Sie diese vestgesetzten Begriffe vom Lehrgedicht – die ich nur so flüchtig hingeworfen habe – billigen; so möchten wol nur sehr wenige seyn, denen Sie den Namen eines eigentlichen Lehrdichters zukommen ließen. Ich für meinen Theil, kenne außer Wielanden wenig oder gar keine. Unter allen aber ist Gellert der letzte. Nach den eben bestimmten Regeln ist er also gar nicht einmal zu beurtheilen. Welch ein unsinniger Einfall wäre es,| wenn ich ihn mit Hesiod, Virgil oder Wieland verglei- [200] chen wollte? Nein, ich will minder streng mit ihm umgehen. Wir wollen ihn einmal mit der gewöhnlichen Gattung von deutschen Lehrdichtern in Parallel stellen. Sehen Sie Gellerts Lehrgedichte an! Kein einziges ist darunter, das mit den Lehrgedichten eines Utzens oder Dusch in Vergleichung gebracht werden könnte. Diese erwählten wichtige und weitläuftige Süjets zu ihren Gedichten, wie d i e

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Ku ns t , s tets f rö li c h z u s ey n, des erstern, und die Wis s en s c ha f te n des letztern, und erschöpften diese Materien von Grund aus. Da hingegen Gellert nur einige Gedanken über solche minder schwere Gegenstände, als Re ic ht hu m , E hre und Ru h m sind, ohne Plan und gehörige Verbindung hinwirft. Wie weit ist dieses unter Lehrgedichten, die, wie das Wielandische, ü b er d i e Na tu r d er D i nge, oder das Duschische vo n d er G lü c k s e ligkei t d er Tuge nd ha f ten, die Anordnung [201] und Ausarbeitung eines durchgedachten Planes vor|aussetzen, eine Höhe, zu welcher sich Gellert nie geschwungen hat! Es ist wahr, Haller und Hagedorn haben eben sowenig, wie er, große und weitschichtige Plane zu ihren Lehrgedichten entworfen und ausgeführt: allein wie stark denkt nicht ein Haller! wie gedrängt, wie körnigt schreibt er nicht! wie edel ist sein Ausdruck! Und wie reizt Hagedorn durch die Mannigfaltigkeit seiner Gegenstande, durch den versteckten Spott, der uns ein Lächeln über seine Thoren abzwingt, durch die lebhaftgezeichneten Charactere, und durch die Gelehrsamkeit, die, ohne pedantisch zu erscheinen, aus seinem kleinsten Epigramm hervorblickt! – Nichts von allem diesen besitzt Gellert. Man müßte ihn denn etwa mit Hagedorn in der Schilderung der Charaktere in Eine Classe stellen wollen, wie viele thun, die nicht wissen, daß es nicht genug ist, die Charaktere richtig zu zeichnen, sondern daß sie auch, wenn die Schilderung ins Auge fallen soll, lebhaft ausgemahlt seyn müssen. [202] Sehen sie einmal, mein Freund, die Schilderung Gellerts von einem Reichen an, dessen äußerlicher Glanz nichts ist, wie Utz sagt, als

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ein Quaalgepränge des Gesichts,

und geben Sie mir alsdenn Recht, daß dieser itzterwähnte Dichter in einer ähnlichen Schilderung, die ich mit der ersten vergleichen will, nicht allein richtiger, sondern auch unendlich lebhafter, wie Gellert mahlt. Gellert spricht: Ich eile vom Cleanth zum glücklichern Lupin. Er glänzt, und alles glänzt in seinem Haus um ihn. Er führt mich selbst herum. Mehr kann man nicht erblicken, Mehr Kunst und mehr Geschmack, ersonnen zum Entzücken. Hier herrscht Bequemlichkeit, vereint mit kluger Pracht. Was Künstlern witzig1 glückt, was Mahler ewig macht, Was seine Wollust heischt, das lachte mir entgegen, Und nichts gebrach an dem, was Menschen wünschen mögen.

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Sagen Sie mir, mein Freund, nennen Sie das eine Schilderung? Ut pictura sit Poësis! Ich möchte wissen, wie ein Mahler hieraus ein Gemählde machen könnte. Es ist ja gar kein Gegenstand, der dem Geiste eigentlich vorgestellt wäre, darin zu finden. Nach dieser Beschreibung lassen sich zehn Gemählde machen, denn in allen acht Versen ist nichts gesagt, als: Lupin wohnt in einem prächtigen und bequemen Hause. Welche verdrießliche Ausdehnung der nichtsbedeutendsten Gedanken! Was

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Ein übelgewähltes Beywort!

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gewinnt der Leser dabey? Sieht er etwa den glücklichen Lupin? Nichts weniger! er mag ihn sich selbst nach Belieben vorstellen. Das war des Dichters geringste Sorge. – Nun hören Sie Utzen! Wenn dies uns elend macht, so ist Sejan beglückt. Er zählt nach Tonnen Golds, hat Häuser, Ländereyen, Hat alles, was man braucht, sich vornehm zu erfreuen: Sein schimmernder Pallast vereinigt stolze Pracht Und feiner Zierde Reiz, der alles schöner macht. Das weite Vorgemach erthönt von bunten Haufen Der Unterthänigen, die sich an ihn verkaufen. Sein Tisch erwartet ihn, mit Silber überdeckt, Mit allem angefüllt, was leckern Zungen schmeckt. Er hört, wie sinnreich ihn die Ordensbänder preisen, Und lächelt ohne Lust; ihm ekelt für den Speisen.

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Hier sehe ich doch Gegenstände vor mich! Ich sehe die Häuser, die Güter des Sejans. [205] Zwar gl ä nz t hier n i cht a ll es i n s ei nem H au s e u m ih n, er f ü h r t m ic h z wa r ni cht s el b s t her u m , ich sehe nicht alles, w a s M ens che n w ü n s ch en m ö gen (denn bey der Menge möchte ich wol gar nichts sehen); aber ich sehe dafür Sejans Vorgemach voll Schmeichler, seine Tafel voll Silbergeschirr und Leckerbissen, ich höre ihn von vornehmen Gästen rühmen; anstatt daß ich mir alles dies bey Gellerten im Geiste vorstellen muß. Wie kann man dies Schildereyen nennen? Wir wollen zu den Gemählden beyder Dichter von dem innerlichen Unglück dieser Reichen fortgehn. Gellert sagt von Alzest: Wenn niemand glücklich ist, so ists vielleicht Alzest.2 Itzt zeigt mir ihn mein Freund. O welch ein blaß Gesichte! Wie kraftlos geht der Mann!3 Sind dies des Fiebers Früchte? Ja, siech zu seyn, dies ist sein Unglück auf der Welt. Noch siecher machen ihn die Aerzte für sein Geld. Ich kenn ihn, spricht mein Freund, die Nacht ist seine Plage, Und für die Quaal der Nacht rächt sich Alzest bey Tage. Er suchet Freund und Welt, Zerstreuung, Spiel und Scherz, Doch weder Freund noch Lust dringt in sein mattes Herz. Sein Tisch ist reich besetzt, sein Wein ist stets der beste; Doch beydes Tisch und Wein vergnügt nur seine Gäste. Alzest ist mißvergnügt, und will es doch nicht seyn. Er ißt, ihm ekelt schon; er trinkt, ihm schmeckt kein Wein.

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Es ist wahr, hier ist der Dichter etwas umständlicher im Beschreiben. Aber auch wie [207] langweilig! Wie unbestimmt ist die Schilderung! Und wo finden Sie einen dichterischen Ausdruck in der ganzen Stelle? Nun lassen Sie uns sehen, wie Utz seinen Siechen mahlt:

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Sehr zweydeutig ausgedrückt! Wie kraftlos reimt der Mann!

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Zu Freuden ungeschickt, und ungeschickt zu Pflichten, Durchseufzt er früh genug des Lebens matten Rest, Das ihm, aus Hunderten, die Parze grausam läßt. Wann sein geschwächter Leib ein herbstlich Lüftchen scheuet, Kein fröhlich Saytenspiel den stumpfen Sinn erfreuet, Und aus der Gattin Arm, die zärtlich nach ihm sieht, Verzweiflung ihn verscheucht, und Wollust vor ihm flieht. Er fühlt in seinem Fleisch die Dornen scharfer Schmerzen Und ach! zu späte Reu in Unruhvollen Herzen, Die, gleich Harpyen, ihn beym Gastmahl überfällt, Den Ortolan beschmitzt, und Cyperns Wein vergällt.

Liegt nicht in der ersten Zeile dieser Verse die ganze weitläuftige Gellertsche Beschreibung? – d es Leb e ns ma t ter Re s t – wie viel edler ausgedrückt, als Gellerts schaale Ausrufungen: O we lch ei n b la ß G es i ch te! Wie k r a f t lo s geht d er Ma nn ! –– Ja , s ie ch z u s ey n , u. s. w. Dieser Gellertsche Vers ist unendlich matt gegen die dritte Uzzische Zeile. Doch habe ich nöthig, Ihnen dies zu zeigen? Ist es nicht außer Zweifel, daß Uz sein Süjet weit dichterischer behandelt hat, als Gellert? Eben so wenig ist er mit [209] Hagedornen ohne seinen größten Nachtheil zu vergleichen, denn | dieser, wenn er gleich in seinen Lehrgedichten ärmer an poetischen Ausdrücken ist, als Utz, zeichnet seine Charaktere dennoch stets ungleich richtiger und lebhafter, als Gellert. Wer, der nur irgends weiß, was Dichtungsgeist ist, wird also nicht lieber Gellerten in Prose, als in schleppenden Versen, moralisiren hören? In eben dem Gedichte, woraus ich die beyden angeführten Schilderungen genommen, kommt das Soliloquium eines nach Ruhm gierigen Schriftstellers vor, darin die Carrikatur auf eine unwahrscheinliche Art übertrieben ist. Ersparen Sie mir, liebster Freund, die vielen Auszüge, und glauben Sie mir auf mein Wort, daß der Schriftsteller so eitel und dabey so lächerlich spricht, daß, wenn er so schreibt, es nicht wunderbar ist, wenn Gellert von ihm sagt: – Dieselbe Welt, die deinen Namen preist, Hat oft, in einem Tag, ein Wandrer durchgereist. [210]

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Dies klingt freylich etwas anders, als die geistreichen Worte des Schriftstellers: – – Dies kann ich nicht vertragen; Nein, neben mir zu stehn, dies muß sich keiner wagen.

Urtheilen Sie selbst, mein Freund, hätte Gellert nicht besser gethan, wenn er seinen Ruhmsüchtigen zwar tadelnswürdig, aber doch nicht offenbar verächtlich geschildert hätte? Sein Gedicht, d e r C hr i s t , zeigt, wenn man es gegen Racinens Relig io n hält, daß Gellert gar nicht wußte, welcher Ausschmückung dieser Gegenstand fähig ist. Es ist durchaus gereimte Prose. Ich wollte gern, um nicht partheyisch zu scheinen, einige gute Stellen aus seinen moralischen Gedichten hervorziehen; allein, bey allen Musen! ich kann keine finden.

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Nur in wenigen entdecke ich, daß der Gedanke doch ganz hübsch gesagt ist, und manchmal stößt mir auch eine ganz erträgliche Wendung auf. Das ist es aber auch alles, und noch dazu selten genug.| Warum legte sich doch der Mann die saure [211] Pflicht auf, die ihm niemand Dank weiß, prosaische Gedanken in Silbenmaaß zu fesseln, und ihnen den Schellenklang des Reims anzuhängen? Hätte er doch so geschrieben, wie er dachte! Eben fällt mir, mein Freund, die Apostrophe, womit Sie wider Kästnern zu Felde ziehn, in die Augen. Ich freue mich herzinniglich, daß Sie Milton gegen seinen Einwurf gerettet haben, wenn anders ein so großer Mann, wie Milton, gegen einen so elenden Einwurf vertheidigt werden kann. Auch gebe ich Ihnen vollkommen Recht, wenn Sie sagen, daß Kästner manchmal gar zu ängstlich nach Witze jagt. Aber das verzeihe Ihnen der Gott des guten Geschmacks, dessen Gemeinde ohnedies in dem Lande sehr schwach ist, worin Kästner lebt, daß Sie wünschen, dieser Mann möchte in dem Zirkel seiner mathematischen Wissenschaften bleiben, und die Hofnung aufgeben, in dem Reiche des Witzes jemals Sitz und Stimme zu erlangen. Herr! die hat er längst, wenn ich | nicht sehr irre. Ich schätze ihn, als einen unsrer besten [212] epigrammatischen Dichter, und als einen Schriftsteller, der mehr, als alle andre, im Stande ist, die Ungerechtigkeit des Vorwurfs zu zeigen, den man immer den Deutschen macht, daß sie das Geheimniß nicht wüßten, mit der Gründlichkeit den Witz zu vereinigen. Lassen Sie es uns einem Manne Dank wissen, daß er sich öffentlich zum Sachwalter des Witzes aufwirft, und sich der steifen Pedanterie, die lange genug im Reiche der Wissenschaften geherrscht hat, entgegen setzt, dem niemand den Vorwurf machen kann, daß er nicht eben sowol solide als schöne Kenntnisse besitzt. Ich wenigstens liebe einen jeden, der ein Stück von jenem Ehrenwulst der Dame Quintagnone

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abreißt, womit sich noch stets unsre Philosophie auszuschmücken bemüht ist. Aber ich habe noch einen andern Einwurf wider Kästnern, dazu mir unser Liebling Gellert Anlaß gegeben. Stellen Sie sich einmal,| mein Freund, den grotesken [213] Einfall des göttingischen Mathematikers vor, einen Einfall, der noch vor ihm nie in den Kopf eines gesunden Menschen gekommen ist, und nach ihm auch schwerlich jemals wieder darein kommen wird, nämlich eine Vergleichung zwischen Gellerten und dem grösten Genie, das je die Welt hervorgebracht, – Ihren alten Freund Cicero! Nein, mehr bin ich, seit der Zeit, da die unerklärbare Metamorphose mit Wieland vorgieng, nicht erstaunt, als über diese noch unerklärbarere Grille Kästners. Ich weiß wol, er will diese beyden Männer nur in Rücksicht auf den Stil vergleichen. Allein erstlich geht das gar nicht an; denn Gellert wird niemals von wahren Kennern des Genies der deutschen Sprache für einen classischen Schriftsteller gehalten werden, und zweytens ist es in aller Betrachtung lächerlich, zwey Männer neben einander zu stellen, davon der eine den grösten Beweiß von der Würde des menschlichen Verstandes, und der andre das unwidersprechlichste Beyspiel von ei|nem seichten [214] Denker abgiebt. Guter Gellert! um der Cicero Deutschlands zu seyn, fehlte dir, außer

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allem, auch vorzüglich seine Beredsamkeit. Sollte es aber geschehen (denn wer kennt die Launen des Schicksals?) daß du auf die Nachwelt kämest, und zum Muster

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der deutschen Sprache gebraucht würdest: o so mögen deine Schriften ewig die Lesung der Knaben in Tertia bleiben. Dies ist der Ort ihrer Bestimmung; es lassen sich reine deutsche Phrases daraus lernen. Und wie viel Verbindlichkeit haben dir alsdann die Klopstocke und Ramlers, daß du ihnen diesen ehrenvollen Posten gütigst abgenommen, indeß ein Cicero sogar sich unter dem Schicksale beugen muß,

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das ihn in die Hände unsrer Schulknaben verdammet. Ich kann Ihnen nicht sagen, mein Freund, wie dies mich stutzig machte, als ich zwey in meinen Augen so entgegen gesetzte Namen durch Kästnern in eine gewisse Art von Gleichheit gestellt erblickte.

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Zehnter Brief. Der, welcher voller Mißtrauen über sein eigen Urtheil daran zweifelte, ob er auch Recht hätte, wenn er Gellerten, den die Nation so sehr erhebt, als einen schlechten Dichter fand, zieht jetzt selbst wieder ihn zu Felde, und hilft mir um die Wette, den glänzenden Schleyer von dem Haupte dieses auf die oberste Staffel des Parnasses

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erhobnen und an die Stelle Apolls selbst gesetzten Marsyas herunterzureißen, und ihn von seiner Höhe herabzustoßen. Welche Veränderung! Aber schön! Recht schön! Ich freue mich, so einen Gefährten bekommen zu haben. Im Ernste, Ihr letzter Brief hat mich recht ergötzt. Ich dachte, Sie verlangten, daß ich Ihnen Gellerten in seiner ganzen Blöße in allen Stücken zeigen sollte; dieses that ich nun nach Vermögen, und

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[216] | bey jedem Zug, den ich an der Löwenhaut that, entdeckten Sie zwar unleugbar, daß

das darunter verborgen wäre, was Ihnen der Anschein schon längst gesagt hatte, daß es darunter läge. Allein Sie vermutheten an diesem Geschöpfe, je nachdem ich die Decke abzöge, noch immer etwas Löwenartiges zu finden, das wir beyde noch nicht bemerkt hätten, und das die Ursach der Meynung derjenigen wäre, die es wirklich

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für einen Löwen hielten. Daher schien es mir, daß sie lieber bey diesem Geschäfte zusehen, als selber mit Hand anlegen wollten. Itzt find ich aber, Sie helfen mir mit voller Hand die Löwenhaut abziehn, und ersparen mir die Mühe, sie von allen Seiten abzunehmen. Allein, sind Sie nicht grausam? Sie sind völlig meiner Meynung, Sie haben dagegen nicht den geringsten Zweifel, und wollen doch, daß ich Gellerten noch als komischen oder scherzhaften Erzählungsdichter vorstellen soll. Wie böse, daß ich den Mann, um ihn zu critisiren, lesen muß! Doch weil Sie mir seine Schwä[217]

che im Lehrgedicht vor|gelegt haben, welche Mühe, wie ich sehe, nicht wenig

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ekelhaft war, so will ich Ihrem Verlangen gemäß handeln, und etwas von seinen scherzhaften Erzählungen sagen.1 Die scherzhafte Erzählung muß nach meiner Meynung in der Anlage schon sehr was reitzendes haben, wenn sie gefallen soll. Ueberdies muß sie vollkommen gut erzählt seyn. Alles muß darin zum Zwecke gehen, und zur Ergötzung beytragen, denn nirgends wird man leichter fade als in dieser Gattung, sobald man sich in Reflexionen einläßt, wenn sie nicht ganz au|ßerordentlich launigt sind. Zudem muß [218] alles aufs lebhafteste gemahlt seyn; denn es ist viel schwerer, das Lachen als das Weinen hervorzubringen, man müßte denn sehr plumpe Leute vor sich haben. Ohne die größte Lebhaftigkeit im Erzählen kann man das durchaus nicht. Anstatt daß eine mittelmäßig erzählte Geschichte, die durch ihre Anlage etwas rührendes hat, schon fähig ist, das Herz zu bewegen, und man sie, wie Gellert seine I nk l e u nd Ya r iko , ganz verhunzen muß, wenn sie unausstehlich seyn soll. Aus dem, was ich hier sage, können Sie schon ersehen, daß ich der Meynung bin, eine sehr gute Comödie sey viel schwerer zu machen, als ein sehr gutes Trauerspiel; und das beweiset auch der Augenschein, da es viel mehr gute tragische als gute komische Dichter giebt. Sobald man also gesagt hat, Gellerts Erzählungen sind matt, so hat man das Endurtheil über sie gesprochen: denn alsdenn sind sie auch nicht eine Puffbohne werth. Und matt sind sie denn doch in der That, nicht allein in | der Einkleidung, [219] sondern auch meistens in der Anlage. Ich weiß nicht, wo er sie mag alle hergefischt haben. Daß er aber selbst nur wenige erfunden hat, glaube ich sicher, wiewol die mehrsten Erfindungen herzlich mager und ihm vollkommen angemessen sind; so daß er auch wol viele aus seinem eignen Kopfe könnte herausgeklaubert haben. Allein hat er das nicht; so sieht man aus der Wahl, wie sehr es ihm an Genie mangelte. Ich kann hierbey eine Bemerkung nicht verschweigen, die ich gemacht habe; die ist: daß doch würklich das warhafte originelle erfinderische Genie ganz besonders in den mehr südlichen Theilen der Welt, wo die Wissenschaften erfunden und gepflegt worden sind, als in den nordlichen, zu Hause zu gehören scheint. Selbst die Franzosen sind keine erfinderische Köpfe, oder doch nur sehr wenige unter ihnen können darunter gerechnet werden. La Fontaine hat alle seine beßten Erzählungen aus dem Ariost, Machiavell, Boccaccio und aus den Nouvelles | de la Reine de Navarre, welches [220] aber alles Früchte des erfindsamen Kopfes der alten südlichen Troubadours sind. Spanien und Italien sind gleichfalls die Schatzkammern der Erfindungen im theatralschen Fache. In den Romanbegebenheiten haben zwar würklich die Franzosen eine Erfindungskraft, aber man glaube ja nicht, daß ihre besten Romane an Originalen,

1 Zuvor muß ich Ihnen aber mit zwey Worten melden, daß ich Ihre Theorie vom Lehrgedicht recht gut und artig finde. Freylich macht man sich hievon gewöhnlich keine richtigen Begriffe. Ich verspare es auf ein andermal, Ihnen über diesen Punkt meine eigne Meynung zu sagen. Itzt fehlt mir die Zeit dazu; denn die Materie erfodert etwas Weitläuftigkeit, und der eigentliche Inhalt dieses Briefes ist doch der komischen Muse gewidmet.

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Erfindungen der Verwickelungen und Auflösungen mit den Spanischen zu vergleichen sind, die sie doch stets, als ihre Muster, nach denen sie sich gebildet haben, betrachten müssen. Nur bey den Engländern finde ich, daß ihre politische Freyheit, und die daraus entspringende Freyheit in der Denkungsart, dasjenige gleichsam ersetzen, was der Beschaffenheit des Climas abgeht; denn sie haben würklich im Dramatischen und im Romantischen ganz originelle Köpfe. Ich will die Warheit dieser Bemerkung, die mir aus allen den datis, die ich dazu [221] habe, vollkommen richtig scheint, dahin gestellt | seyn lassen, und nur untersuchen, ob Gellert schön erfunden, oder das von andern erfundne richtig gewählt hat. Das deucht mir nun nicht. Man muß zum Beyspiel wohl unterscheiden, welche Geschichte zu einer Erzählung Stoff giebt, und welche nur etwa geschickt ist, ein zehn oder zwölf Zeilen langes Epigramm auszumachen. Was ist C hl o r is , d as G es p en s t , d er S elb s tm o rd , d e r gü t ige B e s u ch u. a. was sind sie mehr, als höchstens solche, die Stoff zu einem Epigramm geben könnten, und die nimmermehr auszustehen sind, wenn sie in der Brühe einer Erzählung ausgedehnt werden. Außerdem ist Gellerts ewiger Tummelplatz die Zänkereyen der Ehen, die er auf hundert und hundert Arten eingekleidet hat, und die am Ende ermüden, zumal wenn sie mit so wenig Neuheit vorgetragen werden, als er es thut. Jede Sache trägt er gedoppelt vor, als d e r z ä r t li ch e Eh em a nn, d i e z ä r t li che Fr au , d i e Wi tt we, (welche nach der Ma t ro ne vo n E p he s u s zusammen gestoppelt ist) d er [222] b eh er z te E nt s c hlu ß, d er glü ck l ic h ge wo rd en e | E he m an n, d er Kr a nke, d er w u n d er b a re Tr au m , d er b et r ü b te Wi t twer u. s. w. Wie lächerlich zeugt es auch nicht von dem gänzlichen Mangel an Erfindungskraft, wenn man einen Mann den in einer lahmen Comödie schon abgedroschenen Charakter oder Einfall in einer Erzählung noch einmal ausmergeln siehet, als d ie B et s c hwes ter und d i e k r a nke Fr au . Wiederum giebt es einige, die ganz ohne allen Reiz, ohne allen Zweck und Vernunft sind, als d er e rh ö r te L i eb hab er u. a. m. Wenn man nun von dem allgemeinen der Erzählung auf das besondre geht, so findet sich eben die Magerkeit an Einfällen. Nothwendig müssen seine Scherze, wenn sie auch gut wären, wegen der schon bemerkten Gleichförmigkeit der Süjets, ermüden. Immer über die Zänkereyen der Ehen oder über die schlechten Autoren, wovon die meisten Erzählungen handeln, zu scherzen, muß ekelhaft werden, und [223] wenn es auch noch so gut geschiehet. Aber weit gefehlt,| daß es stets so geschehe! Im Gegentheil sind die meisten Einfälle matt und gedehnt. Auch in den Wendungen ist eine ekle Einförmigkeit. Wie oft z. B. ist der triviale Kunstgriff der Ironie gebraucht, oder daß man dem Leser anfänglich eine ganz entgegengesetzte Seite zeigt, als diejenige ist, die die Erzählung nachher selbst entdeckt. Wenn ein Mann sonst nichts als das weiß, um zu belustigen; so verdient er nur, die Seelen von der gröbsten und ungeschliffensten Gattung zu kützeln. In der That, muß ich gestehen, halte ich Gellerten für einen Schriftsteller, der nur fähig ist, den Pöbel zu belustigen. Dieser kann allein noch durch das Triviale zum Lachen bewogen werden, wenn es

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gleich plump ist. Haben Sie nicht bemerkt, daß er etwas sehr plebejes in seinen Ausdrücken hat, welches von dem Manne zeugt, der in seiner Jugend gar keine gute Erziehung muß gehabt, und keine feine Gesellschaft gesehen haben. Dies ist am meisten daraus zu ersehen, daß er nicht den geringsten Adel in der Schreib|art hat, [224] und nur die trivialsten Scherze kennt, und anzubringen weiß; ferner, daß er, sobald als er fein thun will, ins Alberne und Abgeschmackte fällt; und endlich, daß ihm die Stellen, wo er Bauern aufführt und reden läßt, recht nach dem Leben glücken. Denken Sie nur an die Worte: Ihr Ochsen, die ihr alle seyd, Euch Flegeln geb ich den Bescheid etc.

Der Streit über den Rhein im P ro ce s s e , der über Irrlicht oder Irrwisch in einer andern Erzählung, d er ju nge D re s ch er u. a. Orten mehr, das ist alles in dem ächten Baurentone erzählt. Und ich glaube, daß, wenn dieses den Bauern vorgelesen worden ist, sie sich über ihren Maler herzlich ergözt haben. Dieses mag ihm auch wol die Lobsprüche zugezogen haben, die ihm einer nach seiner eignen Erzählung in seinen Briefen gegeben haben soll. Gott behüte, daß ich diese ehrwürdige Classe von Menschen gering schätzen sollte! Aber ein Schriftsteller schreibt entweder allein für sie, und dann | darf er von den andern nicht gelesen werden, oder er verdient den [225] Namen eines pöbelhaften Schmierers. Denn in dem Reiche der Wissenschaften und des Geschmacks macht diese Ordnung von Menschen eine gar zu schlechte Figur. Was ich hier gesagt habe, wäre nun, dächte ich, wol genug, um zu beweisen, daß Gellert auch hierin ein Dichter ohne Genie und ohne Geschmack war. Aber es lassen sich davon noch mehr Beweise anführen. Er ist in der Ausführung eben so unglücklich als in der Anlage. Ueberall ist er bis zum Ekel weitschweifig. Lesen Sie die Erzählung C hl o r is , ob nicht das, was er dort von den Beschäftigungen der Chloris als Taube in zwanzig Versen sagt, in vieren gesagt werden könnte. Und denn, wie unnöthig ist die Einleitung von dem Seufzen der Chloris, von dem Wunsch nach dem Tode, wegen ihres Liebhabers vermeinter Untreue, von ihrem Vertrag mit ihm; was hat das mit dieser Erzählung zu thun! Wie hat | denn Chloris deswegen die [226] Strafe verdienen können, die ihr von der Venus aufgelegt wird? Wenn Gellert einen Funken von Geschmack gehabt hätte; so hätte er einsehen müssen, daß diese Einfädlung der Geschichte äußerst unschicklich wäre? Konnte er ihr nicht diese Verzweiflung wegen eines schlechten Streiches eingeben, der uns das Mädgen in dem wahren und verhaßten Charackter dessen, was die Franzosen Coquette nennen, darstellte? z. B. daß eine Mannsperson, den sie Lust gehabt hätte, durch ihre Buhlereien an sich zu locken und einer ihrer Freundinnen untreu zu machen, ihre Reize verachtet hätte, oder so was dergleichen. Alsdenn wäre die Erzählung etwas erträglicher geworden, und es hätten vielleicht dabey gute Scherze angebracht werden können. Wie weitschweifig ist nicht auch die folgende: d er Kr a nke, erzählt. La Fontaine hat eben den Gedanken auf eine andre Art ausgedrückt. Es ist bey weitem keine von seinen guten Fabeln, allein unendlich besser, als Gellerts seine. Dort ist | sie kurz [227]

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und nervös erzählt, und schließt mit einer artigen pointe. Hier sehen Sie, wie sie erbärmlich geleiert ist. Und der Pendant davon, d er w u n d er vo ll e Tr au m , ist eine so abgeschmackte Erfindung, als sie sich kaum denken läßt. Man sieht recht den seichten Kopf daran, der was erfinden will, und nichts als etwas albernes heraus bringen kann. Wenn auch manchmal in einer eine gute Wendung vorkömmt, so wird sie unter einem Schwall von matten Versen erstickt. D a s Unglü c k d e r Wei b er hat ein paar glückliche Stellen. Als z. B. O Himmel, welch ein Angstgeschrey Erregten nicht der Weiber blaße Schaaren. Man stelle sich nur vor, wenn tausend Weiber schreyn, Was muß das für ein Lärmen seyn! Ich zittre schon, wenn zwey nur schreyn.

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Und diese: [228]

So hats von tausenden nicht eine Frau gegeben, Die sich gewünscht des Mannes los zu seyn? Von tausenden nicht Eine? Nein! Nun, das ist viel, da muß, bey meinem Leben! Noch gute Zeit gewesen seyn.

Das ist recht gut und naiv. Aber lesen Sie dann nur weiter. Da finden Sie nicht minder als siebenzehn ganz matte Verse hinter einander, von der Zeile an: »Mein ganzes Herz fängt sich hier an zu regen« etc. Der Zufall hat ihn wol ein paar mal recht geleitet; denn wer immer nach Einfällen jagt, je nu, der findet wohl einmal einen; aber sie sind so selten beym Gellert, und die schlechten sind so häufig, daß es offenbar ist, daß erstere bloß vom Zufall herrühren, und sein Genie und Geschmack bey der Erfindung und Wahl derselben nichts beygetragen haben. Doch genug von Gellerten und seinen Erzählungen. Ich erinnere mich, daß ich [229] noch einen streitigen Punct mit Ihnen auszumachen | habe, der deswegen noch wichtiger als der Gellertsche ist, weil er unter uns selbst streitig ist, da wir über jenen einerley Meynung waren, und Sie nur dabey suchten, Ihre Neugierde ein wenig zu befriedigen. Dieser Punkt betrift, wie Sie leicht denken können, Kästnern. Sie sagen von ihm, er vereinige den Witz mit der gründlichen Gelehrsamkeit. Wie verstehen Sie das? In seinen wichtigern Werken? Laß uns sehen, in wie ferne das wahr ist. In seinen mathematischen Lehrbüchern wüßte ich nicht, daß etwas witziges stünde, und es wäre auch daselbst sehr schlecht angebracht. Er hat einige philosophische und litterärische Sätze in eine witzige Einkleidung gebracht; das gestehe ich. Aber gehört denn dies unter die Werke, die ihm Ehre machen? Gewiß nicht. Man sieht offenbar darin, wie Gründlichkeit und gesunde Vernunft unter diesem Jagen nach Witze leiden. Was hilft mirs, wenn ich eine philosophische Schrift lese, daß die [230] Einkleidung schnakisch ist,| (denn das ist das wahre Wort) wenn die Sachen halb wahr und seicht sind. »Es gefällt der Menge.« Wohl! schreibt man aber bloß, um die

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durch den Schein zu blenden? Denn das thut man eigentlich, wenn man etwas Seichtes gefällig einkleidet. Sagen Sie mir, sind Ciceros Tusculanische Fragen à la Kästner eingekleidet? O nein! der Freund des wahren Schönen, des Schicklichen, hasset diese Einkleidung. Darin besteht eben dasjenige, worin mir dieser Schriftsteller mißfällt, daß er überall nach Witze jagt. Und darum, daß er das nicht sucht, worin wahre Ehre für ihn zu finden wäre, hab’ ich ihn getadelt. Meynen Sie aber etwa, daß Hr. Kästner den Witz mit gründlicher Gelehrsamkeit auf solche Art vereinigt, daß er jedes besonders zeigt und anbringt? Es ist wahr, er hat ein Bändgen Gedichte herausgegeben; die rechnen Sie aber doch wol nicht unter die Werke, so ihm Ehre bringen? Man lernt auf Schulen ein Verschen machen, diese Uebung, welche vortreflich ist, setzt man | auf Universitäten fort, und ein Mann, der in Bedie- [231] nung ist, gebraucht sie noch manchmal bey vorfallenden Gelegenheiten. Daß aber unsre Gelehrte alsdenn solche Dinge dem Publiko vorlegen; ist zu bejammern. Denn da zeigt sich ein solcher Mann als Dichter, und wird lächerlich, weil er eine ungegründete Eitelkeit verräth. So hat man Werlhoffs Gedichte. Die sind so elend, daß man sichs kaum vorstellen kann, wie es möglich ist, solch Zeug zu machen. Wenn es nicht sicherlich bald vergessen würde, so wäre es ein Schandfleck für dieses geschickten und rechtschaffenen praktischen Arztes Andenken, das ihn bey der ganzen Nachwelt zum Gelächter machen würde. Nicht um ein Haar besser sind, die Epigrammen ausgenommen, die Gedichte des Herrn Kästners. Es giebt in seinen Werken unter einer ungeheuren Anzahl von Sinngedichten viele gute. Man kann aber hier sagen, daß jemand, der nach Epigrammen jagt, und also freylich unterweilen ein | gutes findet, doch noch nicht ein Mann zu nennen ist, der in dem Fache [232] selbst seiner Nation Ehre machte. Nun ist aber meines Erachtens nicht einmal der durchgehends gute Epigrammatist unter die Zahl der wahren Dichter zu rechnen. An diesen Namen reicht er gar nicht hin, vielweniger an den Namen eines Dichters, auf den eine Nation stolz seyn könnte. Dies aber bey Seite gesetzt, so könnte Kästner auch ein sehr guter Epigrammatist heißen, ohne deswegen ein Kenner von schönen Wissenschaften, ein Mann von Geschmack zu seyn. Dieserwegen habe ich ihn eigentlich getadelt, daß er von Sachen sprach, die er doch nicht verstand, und sich nicht in seinen Schranken zu halten wußte. Und hievon ist nicht nur das, was er vom Milton gesagt, ein Beweiß, sondern auch sein von Ihnen angeführtes Urtheil über Gellert. Gellert und Cicero! Der Gedanke scheint mir so albern, daß ich hier abbrechen muß, und kein Wort mehr schreiben kann.

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Eilfter Brief.

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Nun, liebster Freund, Sie haben als ein tapferer Ritter Ihr Tournier mit Gellerten gehalten. Von allen Seiten haben Sie ihn angegriffen; von allen Seiten seine Schwäche gezeigt, und ich – Ihr treuer Lanzenträger! – bin, nicht wenig über das Gefecht vergnügt, ein glaubwürdiger Zeuge Ihres Sieges gewesen. Hören Sie an, in welche liebliche Reimlein alla Frottola ich das ganze Phänomen und seine Wundergeschichte gebracht, recht im Romanzenton, und wie es der alte hergebrachte Brauch verlangt, mit einem aus der ganzen Begebenheit herausgezognen moralischen Denksprüchlein! Ein Autor schrieb verschiedne Bände, Und ward das Wunder seiner Zeit; Der Journalisten gütge Hände Verehrten ihm die Ewigkeit. Er sah vor seinem sanften Ende Fast alle Werke seiner Hände Zum zehntenmal schon aufgelegt, Und sich, mit melankolschen Blicke, Im Schlafrock bald, und bald in der Perücke Vor jedes Titelblat geprägt. Er blieb vor Widersprechern sicher Und schrieb bis an den Tag, da ihn der Tod entseelt;1 Und das Verzeichnis seiner Bücher, Die kleinen Schriften mitgezählt, Nahm an dem Lebenslauf allein Drey angefülle Seiten ein. Man las nach dieses Mannes Tode Die Schriften mit Bedachtsamkeit, Und seht, das Wunder seiner Zeit Kam in zehn Jahren außer Mode, Und seine dichtrische Methode Hieß eine bange Trockenheit. Der Mann war blos berühmt gewesen, Weil Stümper ihn gelobt, eh Kenner ihn gelesen. * * * Berühmt zu werden ist nicht schwer, Man darf nur viel für kleine Geister schreiben; Doch bey der Nachwelt groß zu bleiben, Dazu gehört noch etwas mehr, Als, seicht am Geist, für seichte Köpfe schreiben.

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Wie gefällt Ihnen diese Schilderung, mein Freund? Habe ich nicht darin die ganze ächte Biographie Gellerts geliefert? Sie müssen sie wenigstens wahr finden, wenn sie Ihnen gleich nicht artig scheinen sollte.

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Sollten es auch nur Reden über die Moral seyn, die opera postuma nicht gerechnet.

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Wie aber? mein Freund, würden Sie nicht erstaunen, wenn ich Ihnen sagte, daß diese Schilderung nicht von mir, sondern – – von Gellert selbst ist? Ja, ja, er selbst hat sich dieses Prognostikon mit eigner Hand gestellt. Sie werden die Erzählung in dem ersten Buche seiner Fabeln, unter dem Titel: D er u ns ter b l i|che Au to r , [236] außer einigen geringen Veränderungen von Wort zu Wort finden. Sehen Sie, so schön wußte sich Gellert selbst zu copiren! Können zwey Gemälde einander mehr ähnlich sehen? Ja, ja, guter Gellert! deine Rolle war gespielt. Lusisti satis! – – Tempus abire tibi est!

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Diese Grabschrift würde ich d em D ic hter Gellert setzen. Denn mein Grundsatz ist, daß ein übrigens rechtschaffner und nicht unverdienter Schriftsteller zwar mit Recht Anspruch auf die Nachsicht seiner Zeitgenossen und auf ein günstiges Andenken seiner Nachkommen machen darf. Allein so bald er gestorben ist, muß das eigentliche Verdienst seiner Werke nach dem Maaßstabe des Genies genau vor dem Richterstuhle des Geschmacks geprüft werden. Alsdenn heißts von ihm: Cineri gloria datur, stat sua cuique merces. Nunmehr sinnen Sie, mein Liebster, ei|ne Grabschrift für den Moralisten aus. [237] Augurire ich recht, so wird sie ihm mehr Ehre bringen, als die meinige. Denn in der That, so mittelmäßig er mir als Dichter scheint, und so sehr die Nachwelt Ursach haben wird, ihn unter dieser Gestalt zu vergessen; so schätzenswürdig ist er in meinen Augen als moralischer Schriftsteller, und als ein Mann, der keinen geringen Einfluß auf die Beförderung des guten Geschmacks gehabt. Urtheilen Sie nicht auch so? Diese Frage werden Sie mir in Ihrem nächsten Briefe beantworten.

Zwölfter Brief.

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Ihre Application von Gellerts u n s ter b li c hem Au to r auf ihn selbst ist äußerst frappant, und sie hat mich recht sehr ergötzt, da ich vorher diese Erzählung gar nicht aus diesem Gesichtspunkte betrachtet hatte. Es kann nichts wahrers auf ihn gesagt werden, als das, was er daselbst gesagt hat, und wenn nur einige Zeit erst wird vergangen, und das Publikum endlich einmal wird gebildet seyn, so müssen seine Werke gewiß das Schicksal der Werke des u n s ter b l ic hen Au to r s erfahren. Mit Recht wird man alsdenn das Lusisti satis des Horaz, aber in einem andern Verstande, von ihm gebrauchen können. Denn er hat würklich, indem er der Nation als ein Dichter vorgekommen ist, ihr ein Blendwerk vorgemacht, und sie gleichsam geäft. Stellen Sie sich einmal vor; es hat | ein Engelländer in einem Buche beweisen wollen, [239] Pope wäre nicht eigentlich ein Dichter, sondern nur ein Versmacher, oder, um es

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weniger auffallend auszudrücken, ein Versificateur; und man sollte Gellerten einen Dichter nennen, ihn, der sich gegen Popen nicht einmal so verhält, wie dieser gegen seinen Landsmann Milton? Aber was Sie mir anmuthen? Ich soll Ihnen von Gellerten, als moralischem Schriftsteller, meine Meynung sagen? Das gehört ja gar nicht zu der Sache, wovon wir sprachen. War nicht anfangs unter uns die Rede davon, daß Gellert ein elender Reimer, ein Dichter ohne einen Funken von Genie wäre? Hierüber waren wir längst in unsern Herzen einig; wir suchten es nur in allen Punkten, zur Beruhigung unsrer selbst, gegen den Sturm derer, Gellerten bis im Himmel erhebenden, um die Wette zu beweisen. Laß ihn denn nun auch ein guter moralischer Schriftsteller seyn! Das stößt unsern Satz gar nicht um. Und wenn er auch der Beste unter den Moralisten wäre, [240] macht | ihn das deswegen zum Dichter? Als Dichter hat ihn aber die Nation stets vorzüglich geehrt, als Dichter bewundert sie ihn noch, und als Dichter hör ich ihn noch, so wie Sie vermuthlich auch, liebster Freund, von allen Seiten himmelhoch preisen. Doch wollen Sie wissen, was ich von ihm als moralischer Schriftsteller denke; nun so haben Sie hier mein Urtheil. Wiewol man Ihre Meynung in einem doppelten Verstande nehmen kann. Ich weiß nicht, sprechen Sie von der nach seinem Tode herausgekommenen Moral, oder von dem Moralischen, das in seine Schriften verwebt ist, und dessen Wirkungen auf die Sitten die Nachwelt noch bewundern soll. Damit ich aber Ihrem Verlangen ohne Zweifel ein Genüge thue, welches immer, liebster Freund, für mich das größte Vergnügen ist; so will ich Ihnen über beyde Gesichtspunkte, in denen man Gellerten als einen moralischen Schriftsteller betrach[241] ten kann, meine Meynung schreiben. Prüfen Sie sie, und dann mögen Sie | sich entschließen, sie zu verwerfen oder anzunehmen. Also erstlich von seiner Moral! wie wollen Sie das Buch betrachtet wissen? Denn, je nach dem Sie den Gesichtspunkt verändern, aus dem Sie mir es zeigen, werde ich sagen müssen: das Buch ist gut, oder, es ist schlecht; so wunderbar dies auch klingen mag. Sie haben schon mit Recht von Gellerts geistlichen Liedern gesagt, daß diese sein bestes Werk sind, und zwar darum, weil sie ihrem Zwecke genau angemessen sind; denn sonst haben sie nicht das mindeste poetische Verdienst. Aber als Gesänge für das Volk betrachtet, sind sie gut; denn sie enthalten heilsame Sachen, in ganz reinen und deutlichen Versen gesagt, und sie sind für diejenigen verständlich, die die größte Zahl von denen ausmachen, für die sie geschrieben sind, und welchen wahrhaftig dichterische unverständlich wären. Ein Mann von Kenntnissen, der die Wunder GOttes in dem wahren Gewande der Dichtkunst sehen will, um dadurch [242] einen heilsamen | Eindruck in seiner Seele zuwege zu bringen, je nu, der sucht sich Cramern und Klopstocken, und läßt Gellerten liegen. Gellert, als ein sehr mittelmäßiger Kopf, der einen ziemlich reinen und flüssigen Styl schrieb, war eben deshalb ein Schriftsteller für den Pöbel, das heißt, für jeden Leser ohne Kenntniß und Fähigkeit zu denken. Sehen Sie nun seine Moral als eine Sammlung von moralischen Betrachtungen und Predigten an, für Leute, die keine Wissenschaften haben, die den Zusam-

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menhang nicht einsehen können, bey denen doch aber die einzelnen Stellen einen guten Eindruck zu machen vermögen, und welche aus diesem Werke noch manches ihnen unbekannte lernen können; ja so ist es gewiß ein sehr gutes und gemeinnütziges Buch. In diesem Betracht schätze ich es hoch. Sobald man es aber aus diesem Gesichtspuncte verrückt, und es als ein Buch für die denkende Welt, für das wissenschaftliche Publikum angesehen wissen will; sobald verändert sich auch mein Urtheil davon.| So wie selbst Gellerts geistliche Gesänge ein öffentliches Denkmal [243] sind, daß er ohne alles Genie zur Dichtkunst war, so ist es auch seine Moral, daß er ein seichter Kopf in Wissenschaften gewesen ist. Er hat eine Moral fürs Herz schreiben wollen, mehr als für den Verstand; so sagt er selbst. Das klingt nun zwar sehr artig. Aber wenn jemand Gellerten gefragt hätte: was ist Herz? was ist Verstand? Er hätte wol schwerlich gewußt, darauf bestimmt zu antworten. Diese beyden Wörter sind durch den täglichen Gebrauch geheiligt, und uns so geläufig worden, daß kein Mensch daran zweifelt, er verstehe sie; und in der That glaube ich dennoch, daß wenig Leute recht wissen, was damit eigentlich für ein Begriff zu verbinden ist. Gellert thut sich über den Einfall, eine Moral fürs Herz zu lehren, sehr viel zu gute, und hält sie für weit besser, als eine bloße Moral für den Verstand. Das ist eine Sache, die wol der Mühe werth wäre, sie näher zu beleuchten,| [244] indem ich Ursach habe zu glauben, daß Gellert darin irrt. Ich will Ihnen meine Gründe vorlegen, liebster Freund! Allein um dies zu thun, sehe ich mich genöthigt, das, was man H er z und Ve r s t an d nennt, näher zu erklären. Oefters leitet uns die Etymologie der Redensarten auf ihren wahren Grundbegriff; und dies deucht mir der Fall bey dem Worte He r z zu seyn. Der Ursprung davon ist folgender. Bey den meisten Leidenschaften entsteht eine Veränderung im Laufe des Geblüts, die uns eine fühlbare Bewegung in den um die Gegend des Herzens befindlichen großen Blutgefäßen verursacht. Dieserwegen haben einige alte Weltweisen, die noch nicht so klug gewesen waren, zu erfinden, daß die Seele eine Monade sey, den Sitz derselben im Herzen gesucht, und Plato, dem so etwas von untern und obern Kräften der Seele eingefallen war, und der sogar Theile der Seele daraus gemacht hatte, setzte den minder edlen Theil derselben,| und zwar denjenigen, [245] worinn sich die Leidenschaften erzeugten, in das Herz. Ohnerachtet nun nicht alle Menschen so gedacht haben, so hat doch dieses allen Menschen gemeine Gefühl gemacht, daß man in der Sprache das Herz als den Sitz der Leidenschaften und Gemüthsbewegungen angesehen hat, und daß in allen Sprachen aus diesem Gefühl entstandene Redensarten zu finden sind. Im deutschen heißt nun, d a s H er z r ü h ren, au f s He r z w ü r ken, eine leidenschaftliche oder den Leidenschaften ähnliche Bewegung in uns hervorbringen. Hier frägt sichs nun: Wie sind diese Bewegungen beschaffen? Das erste, wodurch unsre Leidenschaften rege werden, sind unsere Empfindungen, oder die Vorstellung von diesen Empfindungen, noch ehe sie würklich existiren. Das ist zu unleugbar, als daß es brauche lange aus einander gesetzt zu werden. Nun aber bemerken Sie dabey etwas, das zu unsrer Frage nothwendig gehört. Unsre Empfindungen sind der Grund

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von allem unserm Thun und Lassen. Dieses alles muß sich auf das Verlangen nach | einer angenehmen, oder auf den Abscheu gegen eine unangenehme Empfindung können zurückbringen lassen. Von unsern Empfindungen selbst aber läßt sich weiter kein Grund angeben; denn der liegt in der uns unbekannten Natur der Dinge, in der uns eben so unbekannten Natur unsrer selbst, und in dieser beiden Verhältniß. Denn wer kann sagen, warum uns Zucker süß, und Galle bitter deucht, warum das Streicheln einer sanften Hand uns reizt, dahingegen der Schlag eines Stockes uns schmerzt? Bey den ganz einfachen Empfindungen, die wir durch die Sinne bekommen, ist die Sache ganz offenbar. Allein es giebt andre zusammengesetzte, bey denen sich es etwas anders verhält. Dergleichen sind die Empfindungen von Schönheit und Heßlichkeit. Diese verursachen nun zwar bey uns dieselben Leidenschaften, die die allersimpelsten Empfindungen verursachen, je nachdem die Gegenstände, die diese Empfindung vom Schönen und Heßlichen bey uns erregen, in einem gewissen [247] Verhältniß gegen uns stehen; allein sie haben doch nicht,| wie diese, die bloße Natur der Dinge zum Grunde, nach welcher sie uns angenehm oder unangenehm vorkommen müßten. Denn, wer kann sagen, daß uns ein heßlicher Gegenstand eine wahrhafte und in der Natur der Dinge gegründete schmerzhafte Empfindung verursache, und ein schöner im Gegentheil eine angenehme? Also müßten sie sich auf einen noch nähern Grund zurückbringen lassen. Allein ihr Eindruck ist so schnell, als der Eindruck der andern, und kein Mensch ist sich bey der Neigung, die er zum Schönen, und bey der Abneigung, die er fürs Heßliche empfindet, eines weitern Grundes bewußt, als daß es ihm so und so vorkommt. Was mag nun wol die Ursach hievon seyn? Die Erziehung, die Gewohnheit, kurz, alles, was zu der unmerklichen Bildung eines Menschen etwas beyträgt. Unter dem Gefühl des Schönen liegen allemal angenehme Empfindungen zum Grunde, die aber nicht durch die [248] Natur der Dinge darin sind, sondern die erst durch die Gewohnheit | und Uebung bey uns dazu werden; oder es liegt die Erregung der Vorstellungen angenehmer Empfindungen zum Grunde; oder endlich ein ganzer Inbegriff von süßen Empfindungen, die wir uns zwar nicht deutlich und auseinandergesetzt, sondern in eins zusammengezogen vorstellen, die aber nichts destoweniger ihre Würkung thun, und Leidenschaften bey uns erregen – von denen wir also sagen, sie rühren das Herz. Es muß aber noch etwas bemerkt werden. Aus dem Hauffen von angenehmen und unangenehmen Empfindungen, die wir beständig haben, entsteht bey uns der allgemeine Begriff von angenehm und unangenehm. Dieser ist zwar bey uns unbestimmt, aber dennoch reel, so daß er, wie der bestimmteste Begriff, fähig ist, Leidenschaften oder Leidenschaftsähnliche Bewegungen bey uns hervorzubringen. Der Mensch bildet sich nicht lediglich aus eigner Erfahrung, sondern auch aus der [249] Erfahrung andrer, durch ihre Reden und | durch ihren Umgang; auch thut ein Zufall viel zur Verbindung der Ideen. Sobald als wir nun diesen allgemeinen Begriff von angenehm oder unangenehm mit einer gewissen Vorstellung verbunden haben, und dies kann durch die Tradition oder durch einen Zufall geschehen seyn; so fühlen wir

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dabey die Leidenschaften, die das würklich Angenehme und Unangenehme verursachen, sobald sie bey uns erregt werden. In der Natur der Dinge kann oft diese Vereinigung nicht den mindesten Grund haben; es ist genug, wenn sie nur in unsrer Seele existirt. Ein Beyspiel im Physischen soll uns davon überführen. Nichts ist unfähiger, uns eine warhafte schmerzliche Empfindung zu verursachen, als eine Maus. Es ist so ein harmloses Thier, als nur eins existiren kann. Allein bey vielen Leuten verursacht es die Leidenschaften der Furcht, der Angst und des Schreckens. Das kommt daher, weil sie durch die Reden oder das Beyspiel andrer, oder durch besondre Zufälle in ihrem Leben, als z. B. | weil sie einmal von einer Maus sind [250] erschreckt worden und dergleichen angewöhnt sind, mit der Vorstellung einer Maus den Begriff einer wiedrigen Empfindung in ihrer Seele zu vereinigen. Dies bringt bey ihnen alle Leidenschaften hervor, die nur die Vorstellung eines wahren Uebels verursachen könnte. Wo will das hin, fragen Sie? Gleich sollen Sies sehen, liebster Freund! Lassen Sie uns alles dieses auf die moralischen Handlungen der Menschen anwenden. Jeder Weltweise wird mir leicht eingestehen, daß das moralisch gute und böse das physisch gute und böse zum Grunde habe. Eine Handlung ist moralisch gut, wenn sie kein physisch Böses in die Welt bringt, sondern im Gegentheil viel physisch Gutes. Sie ist aber moralisch böse, wenn sie das physische Uebel vermehrt und befördert. Ohne diese Festsetzung wäre die Moral lauter Gewäsche. Nun aber sind die Folgen unsrer Handlungen so in einander verwebt, daß man nur auf die nächsten sein Augenmerk haben, sie nur | im allgemeinen bestimmen, und niemals, zumal [251] nicht in jedem besondern Fall, ganz deutlich auseinandersetzen kann. Die allgemeine Erfahrung macht, daß die Menschen einsehen lernen, gewisse Handlungen sind gut. Damit verbinden sie den allgemeinen Begriff von angenehm, vortheilhaft, und wie die Benennungen des physischen Guten nach dem Verhältnisse, worinn es betrachtet wird, mehr heißen. Sie sind jedoch nicht im Stande, deutlich bestimmen zu können, worinn das Gute besteht, weil es sich so verschiedentlich in ihrem Leben geäußert hat, daß sie es niemals genau haben bestimmen können. Bey dem Unterricht, den sie ihren Nachkommen geben, indem sie ihnen durch Reden und Thaten den ganzen Inbegriff ihrer Erfahrungen beyzubringen suchen, verbinden sie auch mit der Vorstellung gewisser Handlungen den allgemeinen Begriff vom Guten oder Bösen. Wenn z. B. ein Vater zu seinem Sohne sagt: die Handlung ist böse! so ist es damit zu vergleichen, als | wenn ein Kind jemanden sagen hört: Ach pfuy, [252] eine Maus ist ein garstig Thier! Giebt aber etwa ein Vater seinem Kinde einer Lüge wegen Schläge, oder bey etwas Löblichem eine Belohnung; so ist es eben, um bey dem vorigen Beyspiel zu bleiben, als wenn ein Mensch im Schlafe von einer Maus aufgeweckt und erschreckt würde, oder unvermuthet auf dies Thier griffe, welches ihm einen ewigen Abscheu für dasselbe beyzubringen fähig ist. Es ist bey dieser Beybringung der moralischen Begriffe nichts bestimmtes, nichts genaues zum Grunde; es kann dadurch Irrthum sowol, als Warheit befördert werden; allein die Würkung ist einerley. Der Mensch weiß zwar eigentlich nicht, warum er diese

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Handlung gut, jene böse glaubt; allein dennoch thut er die eine und flieht die andre. Ja, je weniger man sich den Grund davon vorstellen kann, je mehr ist etwas Leydenschaftähnliches darinne, und je mehr Gleichförmigkeit hat es mit den ursprünglichen Empfindungen, die die Urquelle der Leidenschaften | sind, und deren Grund sich gar nicht angeben läßt, weil sie für uns der letzte Grund aller Dinge sind. Nun hieß der Sitz der Leidenschaften figürlich, das Herz; also heißen diese dunkeln Vorstellungen, Empfindungen, die aufs Herz würken. Und nun ist nichts leichter, als sich einen Begriff von dem zu machen, was das Herz moralisch bilden, heißt. Es waren von jeher die Menschen so gebildet worden, bis einige denkende Köpfe, die in andern Dingen sich ein Vergnügen daraus gemacht hatten, von einem Grunde zum andern zu steigen, und die dadurch hierinn eine Fertigkeit erlangt hatten, sich frugen: du nennest diese Handlungen gut und jene böse; warum thust du das? Was ist der Grund davon? Das waren Weltweisen, und die suchten den Grund der Moral. Da sie aber auch schon gebildet waren, als sie diese Untersuchung unternahmen, und daher schon eine gewisse Richtung bekommen hatten, da sie überdies durch die Verwickelung der Folgen der menschlichen | Handlungen nicht wohl hindurchsehen konnten; so mußten sie nothwendig auf verschiedne Wege gerathen. Nun aber geschieht es noch heut zu Tage, daß die meisten Menschen so erzogen, und ihre Begriffe vom moralisch guten und bösen auf die Art gebildet werden. Ferner ist zu bemerken, daß solche Menschen, die zusammen leben, viele Begriffe gemeinschaftlich haben müssen, welche bey allen übereinstimmen, da die Eindrücke, und das, was die Bildung des innern Menschen hervorbringt, viel gleichförmiges haben. Auf die Weise ist es bey Menschen, die einerley Religion, Gesetze und Gewohnheiten haben. Diese Beobachtung der Uebereinstimmung vieler Menschen im moralischen, und des obgemeldeten natürlichen Unvermögens der mehrsten, den Grund von ihren moralischen Gesinnungen angeben zu können, machte, daß neuere Untersucher meinten, sie hätten gar keinen Grund, und wären den sinnlichen Empfindungen ähnlich, davon die Natur den Grund in uns selbst gelegt hat. Die|se bildeten, durch den Schein verführt, ich weiß nicht welch moralisch Gefühl, das der letzte Grund der moralischen Empfindungen seyn sollte. Es ist wahr, bey den meisten Menschen in gesitteten Gesellschaften ist ein wahres Gefühl zu finden, aber nicht, wie diese Forscher wähnten, ein von der Natur eingepflanztes, (wie das Gefühl des Schmerzhaften und Wollüstigen, ohnerachtet auch bey diesem die Erziehung und die Gewohnheit vieles vermögen) sondern ein durch das ganze System der Dinge, die den Character, das sogenannte Temperament, oder die Denkungsart der Menschen formiren, hervorgebrachtes Gefühl. Nun können wir auch einsehen, was Gellert gethan hat. Er hat die in diesem dunkeln Gefühl befestigten Vorstellungen der Menschen, ohne auf ihren Grund zu gehn, angenommen, sie durch Reden, die nach diesen Vorstellungen, nach diesem Gefühl eingerichtet waren, verstärken, und also die Stärke dieses Gefühls erhöhen, und kräftiger, aber nicht deutlicher, ma|chen wollen. Er hat seine Leser stärker gewöhnen wollen, das, was er ihnen von ihren Pflichten sagen wollte, als gut anzuse-

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hen, ohne sie eben auf den Grund zurückzuführen, warum sie das als gut ansehen sollen, oder vielmehr, warum es in der That gut ist. Er hat sie also bloß nach ihrem nicht auf Erkenntniß, sondern auf Gewohnheit gegründetem Gefühl unterwiesen. Die Moral für den Verstand lehren, heißt zeigen, auf welchen letzten Begriff sich der eigentliche Zweck unsrer Handlungen gründe, und welches der letzte Bewegungsgrund dazu sey; man nehme nun auch einen an, welchen man will, denn ich will hier nicht ausmachen, welches der wahre Grund der Moral ist. Man sucht diesen letzten Grund so einleuchtend als möglich zu machen, und immer zu zeigen, wie diese oder jene Handlung mit ihm zusammenhänge. Gellert dachte nicht scharf genug dazu, um nach dieser Methode lehren zu können. Die Gewohnheit hatte gewisse Vorstellungen zu Em|pfindungen bey ihm [257] gemacht. Daher meynte er, sie wären würklich natürliche Empfindungen, und trat auf Hutchesons und dessen Anhänger Parthey, welche doch von der Erfahrung gar zu stark wiederlegt werden. Er glaubte überdies gesehn zu haben, daß die scharfe Methode, welcher er den Namen einer moralischen Lehrart für den Verstand giebt, nicht genug Einfluß auf die Handlungen der Menschen hätte. Da er dieses von der andern mehr glaubte, so bewog ihn dies, so zu lehren, wie er that. Er hatte aber Unrecht. Wenn die Moral nach der scharfen Methode für den Verstand gelehrt wird, so kommt es darauf an, daß man recht deutlich zeige, welcher Vortheil aus unsern guten moralischen Handlungen entspringt, und daß das, was man einen Vortheil nennt, wirklich einer sey. Wer sich hievon überzeugt hat, der untersucht alsdenn seine Handlungen nach diesem Endzweck und den daraus fließenden Regeln; und wenn er das thut, so handelt er nach dem Urtheile | des Verstandes, wie man spricht. [258] Wiederholt er das oft, so entsteht eine Gewohnheit daraus, nach diesen Regeln zu handeln, die so fest ist, als sie nur seyn kann. Es ist damit, als wenn ich ein Instrument spielen lerne. Anfänglich muß ich mir stets sagen: das ist der Ton, den du mit den Fingern greiffen mußt; ich muß mir immer den Takt vorzählen, und mich unaufhörlich aller Regeln erinnern. Allein nachher brauche ich das nicht, sondern, sobald ich die Note sehe, fährt meine Hand hin, wo sie soll. Nicht als wenn ich deßwegen die Regeln und das Fundament meiner Kunst vergäße; im geringsten nicht! ich denke sehr oft daran, und wiederhole sie für mich, theils um mich darinn festzusetzen, theils um mich dadurch aus neuen Schwierigkeiten, die mir aufstoßen können, zu helfen. Ich stelle sie mir nur nicht bey jedem besondern Falle vor; das ist es alles. Und eben so ists auch in der Moral. Einen solchen hingegen, der die Moral nach Gellertscher Art erlernt, möchte ich wol | mit einem vergleichen, der ein Instrument nach dem Gehöre spielen lernt. Eins [259] ist gerade so vielen Irrthümern ausgesetzt, als das andre. Der Mensch, dem die Moral ein Gefühl ist, wird, wenn ihm anders gesunde Grundsätze beygebracht worden sind, gewöhnlicher Weise aus einem empfindungsmäßigen Antriebe, welcher angenehm anzuschauen ist, solchen Grundsätzen gemäß, und also recht handeln. Wird ers aber allezeit thun? Die Tugend ist Leidenschaft bey ihm. Gut! wie, wenn aber eine andre

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bey ihm entsteht, die dieser entgegengesetzt ist? Da ist Leidenschaft gegen Leidenschaft, und alsdenn kömmts darauf an, welches die stärkste ist; diese überwältigt dann die andre. Und das ist doch gewöhnlich die antitugendhafte. Ueberdem wird der Verstand durch kaltblütige Ueberlegungen, durch Application und Gegeneinanderhaltungen der Regeln mit den Handlungen nicht geübt. Wie sieht es alsdenn mit den schwerern Fällen, mit den Collisionen und der Klugheit aus, die Pflichten gegen [260] sich selbst und | andre weißlich und seiner eignen wahren Glückseligkeit gemäß abzuwägen? Daher sind auch alle die Leute, deren Moral auf die Art gebildet ist, höchst unzuverlässig, indem sie keinen bestimmten Charakter haben, und heute so, morgen so handeln. Dahingegen die, so durch scharfe und wohlüberdachte Grundsätze gebildet worden, das sind, was man auf französisch Gens à principes nennt, und dies sind die einzigen, auf deren Charakter man sich sicher verlassen kann. Woran liegt es denn, wenn man bemerkt hat, daß die aufs gründlichste gelehrte Moral fast gar keine Wirkung auf die Aufführung der Lernenden hat? Nichts ist leichter zu beantworten. Erstlich, wem wird sie so gelehrt? Jünglingen von zwanzig Jahren, bey denen gerade alsdenn alle Leidenschaften im wildesten Brausen sind. Wie kann verlangen, daß irgend eine spekulativische Warheit, wenn sie auch noch so einleuchtend gelehrt wird, großen Einfluß auf dieselben haben solle? Zudem wird [261] | sie nach der trockensten Methode gelehrt, die für junge Gemüther nichts reizendes hat; daher auch nur wenige darauf hören, und noch wenigere sie verstehen. Schon die wunderliche Methode, sie, wie andre Wissenschaften, in einem halben Jahre, und noch dazu aufs trockenste, ja vielleicht gar methodo mathematica abzuhandeln, welche verursacht, daß sie junge Leute als etwas im gemeinen Lebens ganz unbrauchbares ansehn, wäre allein fähig, sie ganz fruchtlos zu machen; denn es ist alsdenn damit, wie mit einer unpraktisch docirten Logik, die der größre Theil der Zuhörer als etwas ganz unbrauchbares und bloß deshalb hört, weil es so Mode ist. Und zuletzt, wie viel hören wohl die Moral auf Universitäten? Wenn der Unterricht der Moral würksam seyn sollte, so müßte sie von Jugend auf, und zwar jederzeit in Rücksicht auf den Grundsatz der Glückseligkeit, der am fähigsten ist, Menschen zu bewegen, aufs allergenaueste, aber nicht pedantisch, docirt werden. Einer Menge [262] Beyspiele und Illustrationen, die | aus dem gemeinen Leben genommen wären, müßte man sich bedienen. Die Beweise müßten zwar aufs richtigste und gründlichste, aber nicht steif und unverständlich, sondern deutlich, anmuthig, und auf eine für die Schüler frappante Art vorgetragen werden. Kurz, man müßte die Moral practisch dociren, so wie vernünftige Lehrer jungen Leuten die Logik vortragen. Das hat ja aber Gellert eben gethan, wird man sagen. Ey! nichts weniger als das. Gellert trägt schwankende Begriffe vor. Es ist nichts zusammenhängendes, nichts richtig schließendes in seinem Vortrage. Er nimmt Dinge, die tausend Schwürigkeiten unterworfen sind, unbewiesen an. Er giebt Lehren, ohne zu zeigen, warum man sie eigentlich beobachten müsse. Kurz, es ist alles so, wie es bey nicht denkenden Köpfen gefunden wird. Alles, sogar die Warheit, ist bey ihm Vorurtheil. Es ist wahr, der Vortrag ist nicht unangenehm, ja oftmals sanft-pathetisch. Aber was hilft das

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einem | vernünftigen Leser, wenn er überall Sachen findet, die gar keinen richtigen Grund, keine Bestimmung, und oft keine Warheit haben; wenigstens so, wie sie da vorgetragen werden. Man kann, ja man muß die philosophischen Warheiten zwar mit Beredsamkeit, aber dennoch auch mit der genausten Gründlichkeit vortragen. So denkt Cicero, und Quintilian eifert aufs schärfste wieder den Mißbrauch, welcher die Weltweißheit und Beredsamkeit von einander getrennt hat. Denn man irrt, wenn man glaubt, die Beredsamkeit bestehe darinn, daß man unzusammenhängende Sachen in einem guten Styl vorträgt. Werden gründliche Warheiten in ihrem ganzen philosophischen Zusammenhange schön eingekleidet, alsdenn entzücken sie jeden Leser und machen einen starken Eindruck auf ihn. Ich tadle also nicht den blühenden und sogenannten populären Vortrag an Gellert, der sich von dem wissenschaftlichen, sonst auf Universitäten gewöhnlichen Vortrag der Moral auf eine rühmliche Art entfernt. Im Gegen|theil, glaube ich, man müsse sie jederzeit so lehren, wenigstens müsse jeder Mensch einmal in seinem Leben die Moral so vorgetragen hören; da es denn bey dem, welcher sich etwa selbst zum Lehrer darinn bestimmt, nöthig wäre, sie nach der gewöhnlichen scientifischen Methode nachhero noch zu lernen. Was ich an Gellerts Moral auszusetzen finde, ist die Unrichtigkeit der Begriffe, der Mangel an gründlichen Beweisen, und an einem gehörigen Zusammenhange, und endlich die lächerliche Menge von beweislosen Postulaten, die einem jeden Leser, der beym Lesen ordentlich nachdenkt, überall aufstoßen. Denn die populäre Philosophie, wie man sie nennt, ist nichts mehr als eine besondre Einkleidung der Philosophie, und sie muß unter dieser Einkleidung eben die Gründlichkeit haben, als in jener scientifischen Gestalt, welche von tausend gemachten Kunstwörtern strotzt. Indessen sind die meisten Leser von der Art, daß sie besonders in der Moral nur dunkle und schwankende Begriffe haben, und über|haupt das unzusammenhängende, ungegründete (hauptsächlich wenn es einigermaßen mit ihren angewöhnten Begriffen harmonirt) nicht leicht entdecken können. Diese werden vermuthlich noch lange so bleiben, und für sie hat Gellerts Werk Nutzen. Besser aber wäre es gewis in der Welt, wenn es keinen hätte. Denn alsdenn wäre jeder, der da ließt, durch die Erziehung schon gebildet worden, nach wahren Grundsätzen zu denken und zu handeln. Es bestünde dann der lesende Theil der Welt, der doch nicht gering ist, aus Leuten von Grundsätzen, welches sicher die besten sind. Die übrigen sind lauter solche Leute, die nach dem sogenannten Temperament, nach Vorurtheilen und dergleichen handeln, wobey nothwendig viel ungewisses und unstätes vorkommen muß. Weil solche Leute durch keine bestimmte Regel, sondern durch jedesmalige Empfindung, durch den jedesmaligen Eindruck der Gegenstände, geführt werden; so kommts, daß man sie einer beständigen Veränderung unterworfen, und heute so,| morgen so handeln sieht. Ueberdem wird dieses Handeln nach der Empfindung, oder wie sie es nennen, nach dem Antrieb des Herzens, und die daraus entstehende Veränderlichkeit im Handeln bey ihnen zur Gewohnheit. Solche Leute aber sind es allein, welche die Gellertsche Moral bilden kann, und für welche sein Buch einigen Nutzen hat, indem es ihren Empfindungen eine gewisse Richtung giebt, nach den

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guten Vorschriften, die darinn stehen, zu handeln, ohne recht zu wissen, warum. Aber bey heftigen Affecten, bey Vorwaltung eines blendenden Vortheils würde ein solcher Damm zu schwach seyn, diese Leute zurückzuhalten. Das ist ein Vorzug, welchen allein die gründliche, überdachte, auf Ueberlegung gegründete, und durch Uebung geschärfte Moral besitzt. So viel davon! Was seine übrigen Schriften und das moralische, das sie enthalten sollen, betrifft; so ist das noch weit seichter, weit unbestimmter, weit unnützer und [267] unfähiger, eine gesunde Tugend beyzubringen. Ueberall | finden Sie das Lob des guten Herzens, das ist: der Temperaments- Erziehungs- und Vorurtheils-Tugend, deren Schwäche doch sattsam bekannt ist. Auch müssen sie bemerkt haben, welches die Folgen davon sind. Jeder Geck, jedes alberne Mädgen spricht von einem edlen und guten Herzen, und von sanften Empfindungen. Eine mitleidige Trähne weinen zu können, wird als der höchste Gipfel menschlicher Tugend angesehen. Mit Mitleiden muß jemand, der nur ein wenig Federkraft in der Seele besitzt, die wimmernden, die ganze Welt liebenden, und an der ganzen Welt Antheil nehmenden Geschöpfe betrachten, wovon Deutschland itzt überall wimmelt. Alle Jünglinge sind die zärtlichsten, die theuersten Freunde; sie weinen einer in des andern Armen; sie küssen sich tausendmal. Die Mädgen sind nicht minder liebreich und zärtlich wimmernd, so daß es recht herzbrechend anzuhören ist. Wo läuft aber alles hinaus? [268] Ein paar Stunden des Tages mit einander zu schwatzen: mit solchen Empfin|dungen bey Gelegenheiten, wo es nichts zu sagen hat, daß es auf Thatbeweise ankommen werde, zu pralen; und sie in bombastischen oder sanftwinselnden Ausdrücken herzulallen. Wo es aber darauf ankommt, seinem Freunde (deren jeder, o wie lächerlich! wenigstens anderthalb hundert hat) mit Rath und That, mit Gut und Blut zu dienen; da sind tausend Hindernisse im Wege. Hierbey thut man meines Erachtens allemal besser, wenn man sich an jene wenigen festen Seelen wendet, die nicht Gellerten in sich gesogen, sondern die Moral, das heißt, die Pflichten, die die Verbindungen unter den Menschen erfodern, aus ganz andern Büchern, als den seinigen, erlernt haben. Wenn das Vaterland Vertheidiger braucht, die es beschützen, so kann es die durch Gellerts Schwachheit angesteckte Seelen nicht gebrauchen; auch sind diese nichts weniger als willig zu dieser Pflicht, welche sie ihrer Menschlichkeit, ihrem weichen Gefühl zuwiederhalten. Ich erinnere mich noch sehr wohl, einen [269] Officier von einer fremden Na|tion gekannt zu haben, der in Leipzig studirte, und ein Anbeter Gellerts war. Dieser war so schwach von Seele, daß er sich seinen Officierstand gleichsam vorwarf, die Zeichen desselben niemals trug, und beynahe weinte, daß er durch das Schicksal in demselben geworfen wäre; da im Gegentheil eine edle Seele entzückt gewesen wäre, unter der Zahl der Vertheidiger des Vaterlandes einen Platz zu finden, und sich bemüht haben würde, durch Fleiß und Application dessen immer würdiger zu werden. Solche Würkungen hat die Gellertsche in seinen Werken zerstreute Denkungsart und die beynahe rasende Bewunderung der Nation für dieselbe hervorgebracht. GOtt behüte! daß ich dem edlen moralischen Charakter dieses Mannes selbst nicht sollte

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Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Er war wirklich ein vortreflicher Mann im Leben, ob er gleich ein seichter Kopf, ein Dichter ohne alles Genie, und ein sehr mittelmäßiger Scribent war. Als Glied der bürgerlichen Gesellschaft schätze ich den Mann recht | sehr hoch, meiner Meynung von ihm als Schriftsteller unbeschadet. Das Temperament brachte bey ihm jene sanfte, niedrigere Denkungsart hervor, die sich zwar zur Hoheit der Seelen, zum Großen nicht schwingen konnte, durch die aber tausend gesellige Tugenden bey ihm entstanden, welche seinem Stande sehr angemessen waren. Er schrieb dieser Denkungsart gemäß, und that daran nicht unrecht; denn es konnte für solche Seelen, die der seinigen ähnlich waren, von Nutzen seyn. Konnte er aber wissen, daß die ganze Nation mit so einer Wuth auf seine Schrifften verfallen, und sich gar nach ihnen bilden würde? Das ließ er sich vielleicht nicht einmal träumen. Allein es geschah, und daraus sind die zum Glück doch noch mehr lächerlichen als schädlichen Folgen entstanden, die ich eben erzählt habe. Die Leute pralen nehmlich mehr mit Gellertschen Gesinnungen, als daß sie sie würklich ganz annehmen sollten. Das verhindert die von GOtt zum Wohl des menschlichen Geschlechts gütigst | bereitete Natur des menschlichen Herzens, welche nicht leidet, daß eine solche Schwachheit der Seelen allgemein wird. Das wäre sonst das größte Unglück für einen Staat. Denn so vortreflich Ein Gellert war, den die Natur zu dem, was er war, geschaffen hatte; so sicher ists, daß ein Staat, der aus lauter Gellerts bestünde, der Unglücklichste wäre, der sich denken ließe. Lieber, o tausendmal lieber lauter Catonen, so sehr auch Gellert wieder diese Art von Tugenden eifert! Allein, seine Seele war von der Festigkeit und Hoheit so weit entfernt, daß er sie nicht begreiffen konnte, und daß er gar nicht fähig war, ihre Schönheit einzusehen. Er wollte nichts als weiche Tugenden haben, die in der That bloße Früchte des Temperaments sind. Mit dieser kleinen Schwachheit, so er besaß, hat der, der ihn gekannt hat, leicht Nachsicht. Allein es ist denn doch für den ächten Kenner des Alterthums und der damaligen ganzen Beschaffenheit der Dinge, soweit es möglich ist, sie an|jetzt zu kennen, etwas lächerlich oder vielmehr mitleidenswürdig, diese unnachahmlichen großen Seelen, diese ganz vortreflichen Männer des Alterthums von einem frommen, sanften, aber schwachen Herzen heruntergesetzt zu sehen; da zumal dieses sanfte Herz unglücklicher Weise ein so entsetzliches Gewicht bey der Nation hat. Von seinen Nachäffern und jämmerlichen Nachbetern ists aber recht ärgerlich, solche in der That schaale, und in Absicht ihres Einflusses auf die Nation schädliche Urtheile, von dem, was jemals großes und erhabenes unter den Menschenkindern gewesen ist, nachlallen zu hören. Mir wundert nichts mehr, als wie der Hr. D[oktor]. Ernesti, einer von den stärksten Geistern unsers Jahrhunderts, alles das zu Gellerts Lobe hat sagen können, was er in dem von ihm errichteten Denkmal dieses Mannes gesagt hat. Was er von seinem guten Charakter, von seinen Tugenden und guten moralischen Eigenschaften sagt, ist schön, herrlich, vortreflich.| Er lobt aber überdies nicht allein das Reizende und Schöne seiner Schriften, sondern auch den moralischen Nutzen, den sie gestiftet haben sollen. Schon ersters kann ich mir kaum erklären. Ich kenne und verehre in

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diesem vortreflichen Gelehrten meinen Lehrer; aber ich muß nothwendig glauben, daß er hierinn entweder Deutschlands allgemeinem Ruf nicht hat wiedersprechen wollen; oder daß er, von den männlichen Schönheiten der Alten ganz getränkt, sich um Gellerts Schriften wenig bekümmert und sie niemals aufmerksam gelesen hat. Er ist also in dem, was er darüber sagt, bloß der allgemeinen Denkungsart seiner Landesleute gefolgt. Alles, was er auch zum Lobe der Gellertschen Schriften anführt, scheinet mir vom Hörensagen genommen zu seyn, das Urtheil über die geistlichen Gesänge ausgenommen, die er als Theologe gelesen, und als der Mann von dem allergesundesten Geschmacke und der richtigsten Beurtheilungskraft, den ich fast in [274] Deutschland kenne, nach ihrem wahren Werth | gepriesen hat. Aber daß er Gellerten, nach dem, was er im Eingange seiner Lobrede sagt, unter die Prediger der Tugend setzt, bringt mich in Erstaunen. Fast sollte ich glauben, eine academische Pflicht, oder das Zudringen angesehener Verehrer von Gellert habe ihn gezwungen, diese Schrift aufzusetzen, und er habe durch seinen Eingang auf eine versteckte Art für die Fehler warnen wollen, worinn die rasende Bewunderung Gellerts führt; zuletzt aber sey er dem Zwange der Nothwendigkeit gefolgt, die dem Parentator Gellerts oblag, wenn er nicht für neidisch, boshaft, und GOtt weiß was, vielleicht gar für einen Gottesleugner gehalten werden wollte. Soviel ist gewiß, daß Gellerts Werke alle das Unheil, was, nach des Herrn D. Ernesti Meynung, aus den französirenden Schriften entsteht, zehnfach hervorgebracht haben. Wie oft preißt er nicht in Moralen und Beyspielen Weichlichkeit und Schwachheit der Seele an, und erhebt die Gutherzig[275] keit, deren sich heut zu Tage jeder Tropf rühmet,| über alles, ohne zu bedenken, daß die ächte Gutherzigkeit ohnmöglich von einem einsichtsvollen Geiste, von einer festen Seele getrennt werden kann! Wie oft macht er große Tugenden herunter, und setzt dagegen kleine, leicht zu erfüllende im Himmel! Nach einer solchen Fabel, wie d er w u nd er b a re Tr au m , nach solchen plauderhaften Albereyen über die Güte des Herzens, als überall in seinen Schriften aufstoßen, glaubt jedes Schulmeistermädgen, jede Krämers Tochter, die Gellerten gelesen hat, und die besser gethan, wenn sie an dessen Statt gesponnen und genähet hätte, sie sey die Krone aller Geschöpfe dieses Erdbodens. Kann sie nur das fade Geschwätz einer Lottchen, Christianchen oder Julchen nachbeten; so denkt sie, sie ist ein Muster, und übertrift die Mutter der Gracchen. Der Fall, daß sie funfzigtausend Thaler erben, und ihrer Schwester etwas davon mittheilen sollte, findet sich unter hunderttausend solcher Geschöpfe nicht bey einem. Die Lesung der Gellertschen Schriften macht jedes [276] Mädgen unaus|stehlig weise und witzig, und anstatt daß eine häusliche Erziehung ohne vieles Lesen sie zu der Besten der Weiber machen könnte, so wird sie absurd, sobald sie ihn gelesen hat; und fast eine jede ließt ihn. Bey den Jünglingen thut er nicht minder Schaden. Sobald einer wimmert und weint, sobald bildet er sich ein, daß er der Tugendhafte sey, den Gellert mahlt. Da citirt er sich selbst die Stellen, die ihm das Sanfte, oder vielmehr das Schwache und Winselnde, als den Gipfel menschlicher Vollkommenheiten, schildern. Ueberdem wird ihm die Gelehrsamkeit als etwas sehr entbehrliches, der Nachruhm als etwas verächtliches, und die Begierde

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darnach als schädlich und tadelhaft vorgestellt. Wie freut sich mein Jüngling! er lernt wenig, durchalbert die Tage in den Armen seiner Freunde, und dünkt sich ein ganzes Geschöpf, das der Hochachtung der Welt vollkommen würdig ist. Er schilt wol gar die Welt als böse, wenn sie ihm dieselbe versagt, und spricht: ein gutes Herz, das, nach dem Coriphäus Gellert das | schätzbarste sey, werde nicht geachtet. – Alles dies [277] könnte in Gellerts Schriften stehn, und steht auch wol in tausend andern Schriften der Ausländer und der unsrigen, ohne eben Schaden zu thun. Allein, was es bey Gellerten von großen und äußerst schädlichen Folgen macht, das ist das unerhörte Ansehen dieses Schriftstellers bey der Nation, die ihn für einen Quell aller Weisheit ansieht. Ja selbst das schädliche Lesen der Franzosen und Engländer (der Romanen nämlich und andrer dergleichen Schriften) hat Gellert zuerst in Deutschland aufgebracht. Er hat die Nation in diesem Geschmack versetzt, der vor ihm ganz unbekannt war. Sagt er nicht selbst in seiner Moral, seinem ernsthaftesten Werke: »Ich habe ehedem über den siebenden Theil der Clarissa und den fünften des Grandisons mit einer Art von süßer Wehmuth einige der merkwürdigsten Stunden für mein Herz verweint; dafür danke ich dir noch itzt, Richardson!« Ich halte Richardson für einen Mann von Genie, für einen schönen Romanendichter, dessen Werke ich mit Bewunderung lese; aber so fan|tastisch spreche ich nicht von ihm. Wie [278] albern klingt das nicht in dem Munde eines Weisen, wofür doch die Nation Gellerten hält! Wenigstens glaube ich, der Hr. D. Ernesti wird sowol wie ich in dieser Stelle den gesunden Menschenverstand vermissen. Ich bin weit entfernt, das Lesen der Romane zu verwerfen, oder ihren Nutzen abzusprechen, aber in dem Tone spreche ich als Mann doch nicht mehr davon. Indessen wimmeln seine Schriften von ähnlichen Stellen, und die machen Eindruck. Daher bildet sich der Geschmack seiner Anbeter zum Romanenlesen, und weil diese Lectüre Abwechselung fordert, so eilen sie von einem zum andern. Ja ich sage noch mehr. Der gänzliche Mangel an Kenntniß der Sprachen und der Schriftsteller des Alterthums, welches die Quelle alles Wahren Guten und Schönen ist, schrieb sich hauptsächlich von der Bewunderung für Gellerten her. Der Jüngling laß nichts als ihn, und freylich ist er leichter zu verstehen, als Cicero. Die Bewunderung für Gellerten, den man | als den Lehrer der Jugend ansah, [279] machte, daß sich jede Eltern freuten, wenn sie ihre Jungens ihn lesen, studiren, ihn auswendig lernen und nachahmen sahen. Daraus nahmen nun die jungen Herrn tausend falsche Maximen über die Gelehrsamkeit an. Ein Polyhistor war vom weisen Gellert lächerlich gemacht. Genug Ursach, um die Schulpedantereien zu verachten! Zudem war ja Gellert die Quelle aller Weisheit, und wer ein gutes Herz hatte, war schätzbarer als alle Gelehrten der Welt. So urtheilte einer dem andern nach; ohne zu rechnen, daß selbst das beständige Lesen Gellerts die Jünglinge von vernünftigern Arbeiten abhielt. Also wurden sie faul, und vernachlässigten gründliche Litteratur, so daß zu fürchten war, eine neue Barbarey würde sich über die ganze Nation ausbreiten. Und glauben Sie nur, zu dieser Epoche hat Gellert mehr beygetragen, als irgend einer.

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Sie sehen also, mein Freund, was ich von den Folgen halte, die Gellerts Schriften [280] | auf den moralischen Charakter der Nation gehabt. Was er lehrte, waren schwan-

kende Begriffe ohne Grundsätze, die tausend Auslegungen litten. Er hat also wenigstens der Nation nichts geholfen, wenn ich auch annehmen wollte, daß er nichts geschadet hätte, weil alle, die sich nach ihm gebildet haben, nicht besser geworden wären, wenn er nicht existirt hätte. Dies aber ist noch sehr unausgemacht. Wenigstens hätten diese nicht den albernen Dünkel besessen, daß sie, nach Gellerts Lehren gebildet, nun vollkommen wären. Und mancher hätte doch vielleicht, wenn er nicht von diesen schwankenden und öfters sehr falschen Begriffen in der Kindheit wäre voreingenommen worden, genauere und wahrere eingesogen. Was er für einen Einfluß in den Geschmack der Nation gehabt hat, muß ich bis auf den nächsten Brief versparen. Indeß warten Sie nicht darauf, um mir zu antworten, sondern thun Sie es – ich bitte Sie, liebster Freund – mit der gewöhnlichen Pünktlichkeit.

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Dreyzehnter Brief.

Ich antworte Ihnen, wie Sie es wünschen, gleich wieder, ohne Ihr Urtheil über Gellerts Einfluß in den Geschmack der Nation zu erwarten. Nach dem, was Sie von ihm als Moralist gesagt haben, läßt sich ein leichter Schluß auf seine gepriesenen Verdienste um den Geschmack machen. Sie mögen dieselben indeß noch so gering finden; so ist es doch, wie ich dafür halte, ohne Zweifel, daß Gellert den itzt herrschenden Geschmack an der Lesung schöner Schriften in Deutschland eingeführt hat. Und auch dies verdient schon unsre Hochachtung. Uebrigens finde ich Ihre Sätze von dem Einfluß der Gellertschen Moral auf die Denkungsart der Menschen, nur von einer Seite völlig wahr. Gellerts Schriften sind, [282] deucht mir, von der Seite ihres Nutzens weniger Leu|ten von weicher Empfindung zu empfehlen, als solchen, deren Temperament noch viel Hartes in seiner Mischung hat, die von Natur eine Anlage zu einer gewissen Art Strenge besitzen, welche ungebildet leicht in Rauhigkeit ausarten könnte, und deren Geist von Natur ohne dies Stärke genug hat, sich den zu tiefen Eindrücken des sanften Gefühls (wenn sie anders derselben fähig sind) widersetzen zu können. Für diese sind Gellerts Grundsätze in der Moral sicherlich von dem größten Nutzen. Denn sie söhnen sie, so zu sagen, mit der Menschheit aus, und verschaffen ihnen jene mittlere Denkungsart, die das Herz nach Grundsätzen zu einer wahrhaftig thätigen Menschenliebe erwärmt, und dem Gefühle seine Rechte gönnt, ohne deswegen die männlichere Vernunft unter ihren Rang zu erniedrigen. Dies sind alsdenn nach m ei ne m Geschmack die vorzüglichsten, und für die itzige Lage unsrer Welt die schicklichsten Menschen. Da [283] hingegen solche Herzen, die von der Natur schon das sympathetische Gefühl | in

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keinem geringen Maaß erhalten haben, und dasselbe durch Einsaugung der Gellertschen Grundsätze noch mehr zu verfeinern bemüht sind, eben zu dem hohen Grade von weibischer Kleingeisterey gelangen, gegen den Sie sich mit Recht auflehnen, und den ich gleichfals nicht nur einer männlichen Seele für unwürdig, sondern auch, wenn er sich ausbreitet, einem Staate für höchst gefährlich halte. – Daß ich hierinn nicht ganz unrecht habe, hat, wie Sie selbst wissen müssen, die Erfahrung in Deutschland gelehrt. Wenn die Anzahl der voluptuösen Weichlinge zugenommen hat: so ist auch die Schaar der wilden, rohen und barbarischen Menschen, welche vor einem halben Jahrhunderte noch die deutsche Nation ihren gesittetern Nachbahren fürchterlich machte, mit der Ausbreitung der feinern Künste und Wissenschaften immer geringer geworden – ein Vortheil, der in jedes moralischgesinnten Mannes Augen sehr beträchtlich seyn, und ihm eine dankbare Empfindung für Gellerten auspressen muß, als | welcher nicht eben den geringsten Antheil an diesem [284] Verdienste unsrer schönen Geister hat. England, mein Freund, hat einen Schriftsteller, der in verschiedener Absicht mit Gellerten verglichen werden kann. Das ist Young. Obgleich unendlich weit an Genie und Dichtungsgeist über Gellerten erhaben, ist sein Schicksal doch darinn dieses seinem ähnlich, daß er auch von ganzen Nationen angebetet, und – wie es zu gehn pflegt – von ganzen Nationen nachgeahmt worden ist. Aber wie viel verehrungswürdiger bleibt mir dennoch stets Gellert in seiner Moral, als der schwärmerische Young! Wohin zielt Gellerts ganze Sittenlehre, wohin der Inhalt aller seiner Schriften ab? Den Menschen in der Tugend das wahre Mittel zum Glück zu zeigen, und sie, durch Bildung des Herzens, zum Genusse dieses Glücks geschickt zu machen, welches mehr in einer Menge kleiner Freuden, als in einzelnen großen Glückseligkeiten (wie die mehrsten wähnen) besteht. Welch eine menschenfreund|liche Absicht! Fehlte er [285] in Ausführung derselben, und dies that er freylich etwas; so geschah es doch wirklich weniger durch seine Schuld, als durch die falsche Application, welche seine blinde Verehrer von seinen Lehrsätzen machten. Man weiß, daß Young ein so rechtschafner Mann war, wie Gellert. Wohin dachte aber der Mann, als er sichs im Kopf setzte, die Welt zu überreden, daß die Religion und Tugend den Menschen nichts als Thränen und Klagen lehrten? Besondere Unglücksfälle und eine trübe Laune brachten diese sonderbare Denkungsart bey Young hervor. Aber welch ein Unglück, daß die Natur diesem originellen Kopfe ein solches Uebermaaß von Genie und Witz verliehen hatte, welches seine Schriften für unreife Herzen vollkommen gefährlich machte! Ich sage mit Bedacht: für unreife Herzen; denn für einen gesetzten Geist, der die Welt aus einem richtigern Gesichtspuncte anzusehen gelernt | hat, [286] kann die schwarze Gestalt, worunter uns Young dieselbe vorstellen will, weniges wahrscheinliches haben. – Ich habe zwar einigemahl von Verehrern Youngs sagen hören, daß er würklich nicht so finster und melancholisch in seinen Na ch tge d an ke n wäre, als er beim ersten Anblick zu seyn schiene. Allein der ganze Plan seines Gedichts wiederlegt dies Urtheil. Will er etwas anders, als durchaus die Nichtigkeit und den Unwerth der irrdischen Güter zeigen? Und ist dis Unternehmen nicht völlig

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eines Menschenfeindes, eines Mannes würdig, der muthwillig sein Herz für die Freuden verschließt, womit das gütigste Wesen das irrdische Leben seiner Geschöpfe auf allen Seiten reichlich begabt hat? Ich werde nie diesen Pilgrimsaufenthalt, den ich in dem Schattenthale meines Lebens führe, für ein Paradies ansehn; aber wäre er [287] auch noch minder reizend, ja selbst von Lieb und Freund|schaft leer, so wollt’ ich doch durch ein harmonisch fröliches Leben dem Geber aller guten Gaben dafür zu preisen für meine erste Pflicht erkennen. Doch, mein Freund, diese Denkungsart, so sich unter dem Nahmen der tiefsinnigen Youngischen Lehrsätze in unsre Moral eingeschlichen, ist nicht der einzige Schaden, den Young gestiftet hat. Das Originalgenie, so er besaß, wurde noch von einer andern Seite gefährlich, nehmlich von der Seite des guten Geschmacks. Es wundert mich nicht wenig, daß Hr. Jacobi, welcher zuerst die von der ganzen deutschen Nation angebetete Youngische Moral in ihrer wahren Gestalt zu zeigen Muth genug gehabt, als ein Mann von besonders feinem Gefühl, dennoch die tadelnswürdige Seite seines poetischen Verdienstes mit Stillschweigen hat übergehen können. Seneca, Guarini, Marino und Gongora! euch führt man jederzeit als [288] Muster des falschen Geschmacks auf. Mit | wie viel größerm Rechte verdient Young diesen Ehrentitel! Wimmeln nicht seine Nachtgedanken von Concetti? Welch ein Muthwille herrscht nicht in den Spielen seines Witzes! Wie ermüdend jagt er mit hundert Einfällen nach einem einzigen Gegenstande! Von der Art sind seine künstlichgedrehten und erzwungnen Gedanken über die Zeit. Hat je ein Dichter solche Tiraden gewagt? Hat jemals ein Schriftsteller falsche Sätze mit soviel Scheingründen, in einer so unrichtigen Stellung und unter dem Gewande von so witzelnden Antithesen und blendenden Figuren vorgetragen? – Und dieser Mann erkühnt sich, wider Voltairen zu Felde zu ziehen? Voltairen zu sagen, daß er nichts, als ein witziger Kopf sey?1 – Guter Young! was, in aller Welt, bist du denn mehr? Nie ist ein Sterblicher so witzig gewesen, wie du, und nie haben Witz und Laune einen Sterblichen auf so traurige Abwege verleitet. [289] Ich habe Ihnen schon vorhin gesagt, mein Freund, daß ich glaubte, Gellerts Schriften könnten wenigstens für eine gewisse Classe von Menschen nützlich seyn; aber für wen ist Young nützlich? Den humoristischen Kopf macht er zu einem unleidlichen Mitgliede der menschlichen Gesellschaft, und den Hypochondristen führt er gewiß zehn Jahr geschwinder ins Grab. »Der leichtsinnige Spötter, der Vergnügen athmende Sybarit soll ihn lesen.« Welch eine Prätension? Wie werden diese für den ernsten Anblick des nächtlichen Sängers die Flucht ergreiffen! Kann man von Desbarreaux, von St. Aulairen erwarten, daß sie ihr rosenbekränztes Kelchglaß, ihre Bouillons und du Maines verlassen sollten, um den schwerfälligen Predigten Youngs zuzuhören! Gellerts sanfter Ton würde hier gewiß von viel größerm Nutzen seyn.

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Siehe Youngs Gelassenheit im Leiden.

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Ich kann bey dieser Gelegenheit nicht umhin, einen geheimen Gedanken in Ihren Schooß auszuschütten, der auch mit unter die Zahl | der Bilderstürmenden gehört, welche mir von den mehrsten Leuten den Nahmen eines Ketzers in den schönen Wissenschaften zuzuziehen im Stande wären. Ich glaube nämlich, daß wir etwas zu früh mit den Engländern bekannt geworden sind. Meine Hochachtung für die englische Nation ist sehr groß; aber ich muß gestehn, daß sie in dem Fache der Dichtkunst nach meiner Einsicht eine weit geringere Figur macht, als man gewöhnlich dafür hält. Es sind ein paar Genies unter ihr aufgestiegen, die unnachahmlich groß sind, ich meyne Shakespeare und Milton. Ihre übrigen Dichter aber finde ich mehrentheils auf eine übertriebne Art verehrt; und auch von Shakespear selbst denke ich immer mehr und mehr, wie Sie einstmals gegen mich behaupteten, daß er nämlich sich bey weitem nicht stets gleich, und gewöhnlich nur in einzelnen Stellen vortreflich ist. – Die Engländer sind unter den neuern die besten Philosophen; aber zur wahren Dichtkunst fehlt ihnen das feinere Gefühl und | eine biegsame Sprache. Sie dichten craffiore Minerva, und so vortreflich sie, wegen ihres angebohrnen Beobachtungsgeistes, zu schildern und zu mahlen wissen, so sehr verfehlen sie die Natur in der richtigen Vorstellung der Leidenschaften. Zur wahren Empfindung scheinen sie gar nicht geschaffen zu seyn. Doch haben sie ein paar Seiten, aus denen sie meine ganze Hochachtung verdienen, das ist die Comödie (worinn sie jedoch noch von den Spaniern übertroffen werden) und das humoristische Gedicht, besonders der komische Roman. In diesen beyden Gattungen kann man sie kühnlich als Muster betrachten. Daß man aber ehmals in Deutschland mit einer so blinden Hitze auf die englischen Dichter fiel, und noch itzt, da uns doch einige gute Köpfe genauer mit den Italiänern bekannt gemacht haben, alles, was nur das insulanische Gepräge nicht hat, als etwas seichtes zu verwerfen scheint, dünkt mich etwas lächerlich, und thut mir leid, weil ein | solches Vorurtheil unsre Genies vom wahren Schönen entfernt, und sie zu einem einsichtigen und gewiß falschen Geschmacke verwöhnt. Ich halte England gar nicht für die Schule des guten Geschmacks. Das ist mir Italien. Und nicht allein in den Künsten, sondern auch besonders in den schönen Wissenschaften. Die Italiäner sind die Pflegeeltern der alten Litteratur gewesen. Genährt von dieser, und durch ein seeliges Clima und eine melodiereiche Sprache begünstigt, entstanden Dichter unter ihnen, die das erhabenste Modell vom Schönen, und Großen unter den Neuern abzugeben im Stande sind. Alle Nationen müssen dieser weichen, und ihr den Oberrang eingestehn. Denn nirgends saugt man einen richtigern Begriff von dem Wesen der Dichtkunst und dem wahren Schönen ein, als aus den Italiänern. Sie sind die Lehrer der Franzosen gewesen, und diese haben unverhohlen aus ihnen geschöpft. Auch ist gewiß, daß die deutsche Dichtkunst niemals zu einer höhern Stufe ge|langen wird, wenn man fortfährt, außer den Alten die Italiäner so sehr zu vernachlässigen, und seine Begriffe von der vollkommnen Poesie von den Engländern zu abstrahiren. O daß Meinhard nicht 20 Jahre eher entstand! Vielleicht wäre dann die Pest der englischen Nachahmungssucht nicht so allgemein geworden, und man hätte früher angefangen, sich nach den besten

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Italiänern zu bilden. Denn wenn sich die deutsche Nation ja nach einer andern bilden soll, so mag es die Welsche vor allen seyn; denn bey keiner andern läßt sich der wahre Originalcharacter so gut behaupten, als bey dieser. Dies getraute ich mir, Ihnen zu beweisen, wenn Sie es verlangten. Wissen Sie, mein Freund, warum ich Cronegks frühen Tod weniger bedaure, als ich wol sonst würde gethan haben? (Denn er hatte eine schöne Anlage zur empfindungsreichen Dichtkunst,) Weil, wo ich nicht sehr irre, der Verfasser des kurzen [294] Ehrengedächtnisses, das | vor seinen Werken steht, in der Absicht, ihn zu rühmen, bekennt, daß er die letzten Jahre seines Lebens den englischen Dichtern so viel Geschmack abgewonnen, daß zu vermuthen stünde, er würde sich völlig darnach umgebildet haben. Dies thut mir sehr leid um einen Mann, der, wie der seel. Cronegk, eine ziemlich genaue Bekanntschaft mit den italiänischen und spanischen Dichtern hatte, und wirklich schon etwas vom Geiste dieser Dichter genährt war, wie verschiedne seiner artigsten Gedichte, unter andern Oly nt u nd S o p hro n ia , zeigen. Er muß einen noch sehr wenig festgesetzten Geschmack gehabt haben, wenn er, der die Schönheiten Ariosts, Petrarcas, Tassos und eines Metastasio kannte, dieselben wieder verkennen lernen, und sich von dem Flittergolde der Engländer verblenden lassen konnte. – Halten Sie diese Ausschweifung meiner Passion für Italien zu Gute, liebster Freund!

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Ich kehre wieder zurück auf Gellerten, des|sen Moral ich also nicht nur über die Youngische, sondern auch über die Moral der mehrsten unsrer Sittenlehrer setze, und zwar vorzüglich wegen des annehmlichen Tones, der darinn herrscht, wegen der Empfindung, womit Gellert seine Sätze vorträgt, und wegen der kleinen unterhaltenden Abweichungen von dem gewöhnlichen Schlendrian, die er sich zu Zeiten mit Behutsamkeit erlaubt hat. Dies machte ihn nun aber freylich noch nicht zu jenem Lehrer in der Moral, der das Ideal der Vollkommenheit ausfüllte, so man sich gewöhnlich von einem Manne bildet, welcher die Welt in Sitten unterweisen will. Wir haben einen Schriftsteller, der zwar kein System der Sittenlehre geschrieben hat, aber nach meiner Meynung einer der nüzlichsten und schönsten moralischen Dichter ist, die Deutschland hervorgebracht, ein Mann, der an Genie und Witz Gellerten weit hinter sich läßt, und ihm an Verdiensten um sein Vaterland mit Recht zur [296] Seiten gesetzt werden | kann. Dies ist unser Swift, Rabener, er, welcher mir die erste Gelegenheit gab, seines Freundes Gellerts Schwäche etwas genauer kennen zu lernen. Ja, mein Freund, die Satyren dieses Mannes hatten einen sehr wesentlichen Einfluß auf Deutschland, und reinigten dasselbe von einer solchen Menge Thorheiten, Vorurtheile und Irrthümer, als Gellerts Schriften nie gethan haben. Und eben dieser Mann ist es, dessen Tod ein unwiederlegliches Zeugniß ablegt, wie blind und undankbar die Nation handelt, wenn sie einem Gellert ihre ganze Verehrung, alle ihre Klagen widmet, und das größere Verdienst Rabeners, sein vortreflichers Genie und seinen originellern Geist ungepriesen vergißt.

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Es ist nie ein Schriftsteller gewesen, der die Denkungsart und Sitten seiner Zeit so gut gekannt hätte, wie Rabener. Da war keine Thorheit, die für seinen Blicken verborgen blieb. Er spürte das Laster und den Irrthum in | ihren geheimsten Schlupf- [297] winkeln aus, und das Vorurtheil fand auch in den heiligsten Freystädten keinen 190

Schutz für seinen Spott. Aber das war ein Spott, der, wenn er Wunden schlug, auch gleich das heilende Salz bey sich führte, und eben so sehr das Zwergfell als die Galle erregte. Daher kams, daß ein jeder, der sich nur etwas über den gemeinen Mann erhob, sich schämte, Rabeners Satyren nicht in seiner Bibliothek zu haben; und, indeß die Söhne und Töchter des Hauses beim Gellert zärtliche Thränen vergossen,

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saß der weisere Vater bey seinem Freunde Rabener, und ließ sich lachend die schwersten Pflichten des Bürgers, des Ehemanns und des Hausvaters von ihm lehren. Ja, er war der Lieblingsschriftsteller des Publikums zu einer Zeit, da die Litteratur noch nicht ausgebreitet war; und der Mannigfaltigkeit, dem muntern Witze, und der Wohlredenheit seiner Schriften | hat man es zu verdanken, daß der [298]

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gute Geschmack in Deutschland etwas allgemeiner geworden ist. Die Ignoranz, so an ihm den furchtbarsten Feind hatte, nahm durch seine unermüdeten Ausfälle wider sie immer mehr und mehr ab; auch fand das fade Winseln der sogenannten schöngeisterischen Seelen an seinen lachenden Spöttereyen ein mächtiges Hinderniß zur allgemeinen Ausbreitung. Warum fiel dem Freunde des Witzes, Kästnern, da er doch

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einmal seinen Einfall über Cicero gedruckt sehen wollte, nicht vielmehr Rabener, als Gellert, ein? Rabener ist viel geschickter dazu, ein klassischer Schriftsteller der deutschen Sprache zu heißen, als Gellert; denn es herrscht nach meiner Einsicht in seinem Styl gar nicht die Ausdehnung, die Einförmigkeit und Seichtigkeit, wie in den Gellertschen.

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Glauben Sie, mein Freund, daß ich zu viel zu Rabeners Lobe sage, so lesen Sie [299] das rühmliche Urtheil, welches Ramler in seinem Batteux von ihm fällt, ein Mann, der als ein wahrer Kenner auch nur das wahre Verdienst erheben kann. Ließe die Nation nicht der originellen Laune eines Michaelis Gerechtigkeit wiederfahren, von dessen Talenten ich wünschte, daß sie nicht mehr, wie bisher, zu

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kleinen witzigen Brochuren, sondern zu einem Werke angewandt würden, das wichtig genug wäre, um seinen Verfasser zu überleben; sähe die Nation, sage ich, dieses junge aufsteigende satyrische Genie mit mehr Gleichgültigkeit an, so wollte ich ihren Kaltsinn gegen Rabenern als eine veränderte Richtung des Geschmacks erklären, welcher, von der Neigung zum Zärtlichen verwöhnt, aufgehöret hätte, die

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männlichern Schönheiten eines Satyrendichters zu empfinden. Allein | sogar der [300] Fi d i b u s und D reyer s S che rz e haben ihre Liebhaber; nur Rabenern trift das Loos, von niemanden gefeyert zu sterben. O lebt’ er noch; ich wollt’ ihn bitten, eine Abhandlung über das Sprüchwort: Undank ist der Welt Lohn, zu schreiben.

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Vierzehnter Brief.

Ich bin Ihnen also mein Urtheil von dem, was Gellert zur Bildung des guten Geschmacks beygetragen, und von der ewigen Verehrung, worin er dieserhalb bey der Nation stehen soll, noch schuldig, und ich eile, um Ihnen diese Schuld abzutragen. Wenn man zur Bildung des Geschmacks einer Nation beytragen, oder derjenige Mann seyn will, den unser Publikum in Gellerten verehrt, nämlich einer, der die Barbarey vertreibt, und an deren statt Erleuchtung und Geschmack setzt; so gehört dazu nothwendig ein Mann von einem ganz außerordentlichen Genie, und wir haben aus allen möglichen Umständen gesehn, daß dies Gellert gar nicht war. Also könnten wir schon daraus schließen, daß er unmöglich diese Würkungen könne hervorge[302] bracht | haben, wenn es überhaupt ausgemacht wäre, daß sie würklich hervorgebracht worden sind. Allein dem ist nicht einmal so. Denn wie kann man zweifeln, daß der ansehnlichste Theil der Nation keinen Geschmack hat? Oder soll ich etwa die Beweise widerholen, und noch mehr ins Licht setzen? Die Leute, welche noch etwa Geschmack besitzen, sind solche, welche sich recht eigentlich auf schöne Litteratur gelegt haben, und durch die fleißige Lesung der Alten oder der besten Ausländer dazu gelangt sind. Diese aber haben warlich nicht Gellerten ihre Bildung zu danken. Die andern sind offenbar so ungebildet, und so unwissend in dem, was Schön oder nicht Schön zu nennen ist, daß sie auch von der geringsten Sache nicht einmal mit richtigem Gefühl urtheilen können, sondern das Alberne und Gute bloß zum Zeitver[303] treib durch einander lesen, und es aufs Gerathewohl gut oder | schlecht finden, wenn ihnen nicht der zurechtweisende Journalist sagt, was sie gut oder schlecht finden sollen. Ich kenne zwar eine Wirkung, die Gellerts Werke hervorgebracht haben, von der ich aber nicht weiß, wie hoch ich sie anrechnen soll. Es ist nehmlich durch sie der Geschmack am Lesen weit allgemeiner in Deutschland geworden, als vorher. Alles, was sich nur ein wenig über den Baurenstand erhebt, ließt anjetzt, und ließt vor allen Dingen Gellerts Schriften. Besonders sind sie die Favoritlektüre des schönen Geschlechts, und sie werden niemals auf dem Lande reisen, wo sie nicht in jedem Dorfe Gellerten in den Händen der Tochter des Herrn Pastors oder des Schulmeisters finden werden. Dadurch bilden sie sich, sagt man, den Verstand und das Herz. Ja, eingebildete Thörinnen voller Weisheit werden sie wol, die, wenn sie einen ehrlichen [304] Landmann, Pächter,| oder andern Unstudirten zum Manne bekommen, dessen Geschäffte nicht gelitten haben, daß Gellerts Werke bis zu ihm haben dringen können, und der als ein handfester Junge lieber herumgelaufen ist, als Gellerten zu lesen, oder als Jüngling und Mann andre Geschäffte gehabt, und also die Fähigkeit, Bücher zu lesen, durch diese Vernachlässigung nicht erlangt hat, – einen solchen Mann klein achten, sich in ihrem Geiste über ihn setzen, seinen Umgang voller Barbarey und ekelhaft finden, und ihn entweder hofmeistern, oder eine unverträgliche Ehe ihm führen. Doch dies ist noch nicht das ärgste. Wenn sie nur nicht gar, aus

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Ekel für den Barbaren, der sie besitzt, und nicht fähig ist, ihren Werth zu empfinden, mit einer sogenannten zärtlichen Seele eine anfänglich platonische Herzensverbindung eingehen, die aber immer, wie man wol weiß, antiplatonisch aufhört. Das ist die Wirkung dieses Lesens,| welches völlig unnöthig ist. Denn die Erziehung, die Begebenheiten und die Unterredungen, die immer von Gegenständen aus dem gemeinen Leben handeln, bilden das Frauenzimmer hinlänglich, und verschaffen ihnen bey der Feinheit des Gefühls, womit sie die Natur begabt hat, ohne die geringste Lektüre, Verstand, gesunde Grundsätze, und sogar Witz; ungerechnet, daß die meisten ohnedies schon ein fühlendes Herz haben. Was hülft es denn nun aber, daß auf der Oberfläche von Deutschland 500 000 Menschen mehr lesen, wenn sie ohne Geschmack lesen? Und lesen sie nicht ohne Geschmack, wenn sie Gellerten über alles setzen, und seine Schriften als die besten in Deutschland ansehen? Man wird sagen: diese verstehen sie, und andrer Dichter Werke verstehen sie nicht. Gut! wenn aber das Schlechte, was sie verstehn, allein der Gegenstand ihrer Bewunderung bleibt; was | entsteht da für eine Besserung in der Welt? Der einzige Unterschied, den ich darinn sehe, ist der, daß man sonst nichts las, und anitzt was schlechtes ließt. Der Geschmack der Nation ist dadurch nicht um ein Haar weiter, sondern vielmehr zurückgekommen. Denn es ist viel schwerer, von dem Schlechten aufs Gute zu gelangen, als das Gute kennen zu lernen und anzunehmen. Und wenn die unterste Classe der deutschen Leser diesen Einfluß von der Lektüre Gellerts allein fühlte; so möchte es noch hingehen; (denn dieser ihr Lesen könnte gar unterbleiben) aber er erstreckt sich auch auf solche, die billig lesen sollten, und deren Geschmack sich bilden könnte und müste. Denn sie bleiben entweder bey Gellerten stehen, und dann scheinet ihnen alles, was nicht platt ist, schwülstig und unverständlich. (Daher auch die Parthey der Klopstockianer und Antiklopstockianer entstand. Denn stellen Sie sich einmal vor, es hat Leute | gegeben, die dieses ganz originelle und wahrhaftig große Genie nicht goutirt haben, weil er von Gellerten abwich, welcher ihn auch selbst niemals schön gefunden, wie ich sicher weiß, und wie es sich auch leicht denken läßt.) Oder wenn sie von Gellerten auf andre Schriftsteller gehen, so geschieht es ohne Kenntniß jener wahren dichtrischen Schönheiten, die sie in ihrem Studio Gellerts unmöglich hatten kennen lernen, weil darinn keine sind. Alsdenn tappen sie, wie Blinde herum, und verfallen bald auf diese, bald auf jene Thorheit. Wie sehr verlangt nicht Quintilian, daß man den Jünglingen immer gleich im Anfange die besten Lehrer, und die vorzüglichsten Schriftsteller in die Hände geben soll. Man tadelt es heut zu Tage, daß man den Kindern schlechte Kupfer in die Hände giebt, weil man dadurch alles Gefühl des Schönen verdirbt; und man kann gute Wirkungen davon erwarten, wenn | man ihnen den seichtesten aller unsrer Dichter und Schriftsteller in die Hände giebt, ja sogar als ein Muster anpreißt? Wie soll das Genie angeflammet, und das Gefühl des Schönen hervorgebracht werden, wenn nichts Schönes, nichts Geistreiches da ist? Glauben Sie, mein Liebster, daß die häufigen seichten Köpfe, die diese Zeither sich zu Dichtern aufgeworfen haben, und

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die vielen mißlungenen Versuche, von nichts anders als davon herrühren, daß die meisten dieser Dichter durch Gellerten den ersten Eindruck von Poesie bekommen haben. Dieser erste Eindruck war kalt, und das empfanden nachher alle ihre folgenden Uebungen. Ich preise sehr die Lobreden auf Tugend und Religion, die in Gellerts Schriften zu finden sind, und welche man aller Orten als Gründe anführt, diese zu erheben. Sie zeugen von des Verfassers vortreflichem Charakter, nicht aber von dessen Genie. Ueberdem hab’ ich schon | gesagt, daß auch dieß alles ohne richtige Bestimmung, ohne gründliche Wahrheit in den Gedanken gesagt, und also von wenig Nutzen zur Erleuchtung eines Lesers ist, der sich diese beyden vortreflichen Gaben des Himmels daraus erwerben soll. Aber daraus entstand für den gesunden Verstand das Unglück, daß ein jeder glaubte, wenn in einem Werke nur Tugend und Religion angepriesen würden, es möchte geschehn, wie es wollte; so wäre das Werk gut. Dies ergriffen Gellerts Nachahmer, mehrentheils Stümper von Schriftstellern, die sich nach ihm bilden wollten, und schmierten das fadeste moralische Geschwätz in Prose und Versen zusammen, das sich nur denken läßt. Besonders schrieben sie Wochenschriften und dergleichen, und durch diese Nachahmer, die dem an Gellerts Schriften verwöhnten Publiko gefallen mußten, erstarb der Geschmack noch mehr. Kein andrer als dieser Ton brachte den | winselnden Nac htged a nken von Young eine günstige Aufnahme zuwege, an die der Professor Ebert soviel Talente und einen Fleiß verschwendet hat, daß man sich verwundern muß, wie er auf einen solchen Verderber des Geschmacks und der gesunden Vernunft gerathen ist. Ueberdies war Herr Ebert Gellerts Freund und Mitarbeiter an den B e lu s tigu nge n gewesen; das war bekannt. Was nun von ihm kam, mußte au ch i n d er Wa hl ein vortreflich Buch seyn. Gellert lobte es noch dazu selbst. Dadurch wurden in Deutschland dem Bombaste, diesem tödtenden Gifte alles guten Geschmacks, die Thore eröfnet. Er erzeugte eine ungeheure Menge Nachahmer. Deutschland wurde davon überschwemmet. Eine scheußliche Mißgeburth über die andre kam heraus. Sie wurden gelesen; sie gefielen dem geschmackvollen Publiko recht wohl, indeß vernünftige Köpfe seufzten, und die Albernheit der Nation beklagten. Diese und ähnliche Folgen haben Gellerts Werke und die unsinnige Liebe der Nation zu denselben gehabt. Wenn sie gemacht haben, daß man mehr gelesen hat; so ist man dagegen doch nicht um ein Haar geschmackvoller und gebildeter geworden. Und ich sage es Ihnen aufrichtig, daß ich glaube, außer dem gelehrten Theile der Nation, der sich dennoch wegen des Verfalls der alten Litteratur auch immer mehr und mehr verringerte, wäre der übrige in eine gänzliche Barbarey verfallen, und hätte allen Geschmack verloren, wenn nicht noch zu rechter Zeit die L i t ter a tu r b r i ef e erschienen wären, die dem Unglücke steuerten. Seitdem ist der Einfluß der Gellertomanie, wenigstens unter dem edlern Theile des Publici, minder merklich gewesen. Indeß wird unsre Nation nicht eher viel gute Genies zeugen, und einen Haufen Kenner und richtigurtheilende Liebhaber der schönen Wis|senschaften hervorbringen, als bis sie weiß, welches ihre wahrhaften schönen Geister sind, und bis diese

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allein und gleich im Anfange den Jünglingen, um sich darnach zu bilden, in die Hände gegeben werden. Halten anders die Herren Erziehungsverbesserer nicht dafür, daß die Dichtkunst etwas unnützes, und es dem Staate gleichgültig sey, ob viel gute Genies in derselben aufsteigen, und es Leute giebt, die sie lesen und beurtheilen können; – welches eine ziemlich böotische Denkungsart anzeigen würde – so thäten sie sehr wohl, wenn sie darauf bedacht wären, einen guten Catalog unsrer Schriftsteller, oder vielmehr einige gute critische Schriften über dieselben zu veranstalten, damit die Nation wüßte, was sie hätte, und was sie ihren Jünglingen zu lesen geben sollte. Leben Sie wohl!

Ende des ersten Stücks.

Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. Zweytes Stück. Die Einfalt lobt, was viele Stimmen loben. v. Hagedorn. Frankfurt und Leipzig, 1772.

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Auszug eines Briefes der Verfasser an den Herausgeber.

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– – Warum bestehen Sie darauf, das zweyte Stück unsrer Briefsammlung mit einem Vorberichte begleiten zu wollen? Haben | Sie nicht in dem ersten schon alles gesagt, was zu ihrer Erläuterung nöthig ist? Wir wissen nichts hinzuzuthun; es müßte denn eine Erklärung über diejenigen Stellen in dem ersten Theil unserer Briefe seyn, worinn von einem der ehrwürdigsten Stände in der Welt auf eine Art gesprochen wird, die den Anschein einer Geringschätzung hat. Sie werden leicht merken, daß wir diejenigen Stellen im Sinne haben, in welchen der Prediger auf dem Lande und ihrer | Familien gedacht ist. Es ist gewiß, daß nicht leicht eine derselben ohne Gellerts Werke seyn wird; es hat eben das der Verfasser der Fragmente über die deutsche Litteratur bemerkt, und in Ansehung der Ursachen und Folgen dieser Lectüre bey ihnen hat alles, was wir gesagt haben, unsrer Meynung nach, noch immer seine Richtigkeit. Allein blödsinnige Leute, welche das wahre Verdienst verkennen, wenn es keinen Glanz von sich wirft, pflegen ohne dieß dieser nützli|chen Classe von Menschen nur gar zu selten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Vorstellung, daß man uns zu der Schaar solcher leichtsinnigen Spötter erniedrigen mögte, die ihren Witz auf Unkosten alles dessen, was Ordnung und Güte in der Welt befördert, zu üben suchen, hat so viel Schmerzliches für uns, daß wir sie bitten müssen, unsre Gesinnungen in diesem Stücke vor der Welt zu rechtfertigen. Wir misbilligen einen jeden Ausdruck unserer Briefe,| welcher auch nur den entferntesten Anlaß zu dem Verdacht geben kann, als hegten wir für diesen Stand, der, wenn er den ganzen Umfang seiner Pflichten kennt und erfüllt, ohnstreitig den wichtigsten Nutzen stiftet, keine wahre und ungeheuchelte Hochachtung. Denn die kann sehr wohl bestehen, ohne ihre Urtheile im Fache der schönen Litteratur zu billigen oder anzunehmen. Dieß ist der einzige Punkt, den wir zu erwähnen nöthig finden. Alle übrigen,| die nur den geringsten Schein von Vertheydigung gegen die Urtheile der Journalisten haben, können für andre in andern Fällen nothwendig seyn, für uns sind sie es nicht u. s. w.

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Funfzehnter Brief.1

Wie können Sie glauben, mein Freund, daß ich Gellerten und Young in Vergleich setzen wollte? Wenigstens werden Sie, nachdem Sie meinen lezten Brief über Gellerts [2] Wirkungen auf den Geschmack erhalten haben,| gar nicht mehr zweifeln können, daß ich diesen in Absicht des Einflusses auf das menschliche Geschlecht weit über jenen setze. Haben Sies nicht lustig gefunden, daß uns beyden zugleich bey Gelegenheit Gellerts der Young eingefallen ist, und sich unsre so übereinstimmenden Urtheile über ihn gekreuzt haben? Ich bin weit entfernt gewesen, Gellerts Moral eine gute Wirkung auf die Sitten abzusprechen. Allerdings glaube ich, daß sie die Moral sanfter Seelen, guter Herzen und schwacher Köpfe, die nicht viel nachdenken, sey, woraus solche viel lernen können und lernen werden. Auf den strengdenkenden Menschen, der schon so weit ist, daß er sie lesen kan, besorgte ich, daß sie keinen thätigen Einfluß mehr haben möchte, um ihn von der Wildheit abzuhalten. Seinen übrigen Schriften spreche ich zwar allen moralischen Nutzen ab; vielmehr ist meine Meinung, daß sie diejenigen, deren Gemüth von Jugend auf damit getränkt wird, zu [3] weichmüthigen und schwachen Seelen macht, welches, besonders bey | Mannspersonen, gar nicht gut ist. Doch ist diese Inconvenienz nach meiner Meynung bey weitem nicht mit dem Unheile zu vergleichen, welches Youngs Schriften anrichten können, und wirklich angerichtet haben. Es ist ein großer Unterschied, ob man die Leute weichmüthig und schwach macht, (welches doch noch einige gute Wirkungen auf die menschliche Gesellschaft zuläßt, obgleich mindere, als wenn dieselbe aus lauter männlichen Seelen bestünde) oder ob man sie mißzufrieden, hypochondrisch, furchtsam macht, und ihren Kopf von den falschesten Meynungen über das Verhältniß des Menschen und der Dinge dieser Welt gegen einander vollpfropft. Ich sage nichts von dem Einflusse Youngs auf den Geschmack. Durch die schöne Uebersetzung dieses bizarren Buches, durch den Reiz, welchen es bey Leuten von einem falschen Geschmack hat, (so wie Senecas Schriften zu seiner Zeit auch jedermann hinrissen, sie zu lesen und nachzuahmen, worüber Quintilian, der einen bessern [4] und männlichern Geschmack | besaß, nicht wenig eifert) und endlich durch das Ansehen von Tiefsinnigkeit, den diese Schrift hat, und welches dem, der sie las, gleichfalls das Ansehen eines tiefdenkenden Kopfes gab, wurde ganz Deutschland von einem solchen Wahn berauscht, daß wir beynah um alle gesunde Prose gekommen wären, und jedermann in poetischer Prose, dieser Mißgeburth der menschlichen Kraft zu reden, geschrieben hätte. Aber was noch weit wichtiger war, jedermann ward hypochondrisch, oder that wenigstens so, und was im Anfange mehr mogte Affektation gewesen seyn, das wäre am Ende wol gar Gewohnheit und Natur geworden. Ich weiß vieles von Youngs rechtschaffenem Character, und es ist unläugbar, daß er ein außerordentlich witziger Kopf war, und das poetische

1 Es ist aus dem Zusammenhange leicht zu ersehen, daß dieser Brief mit dem lezten im e r s t e n S t ü c ke einerley Verfasser hat. A n m e r k . d e s H e r a u sg e b .

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Verdienst seiner Schriften, (wovon besonders sein jü ngs te s G er ic ht zeugt) weit über das Gellertsche ist. Allein, mein liebster Vertheidiger des Sanften und Fühlbaren in der Denkungsart, hier haben Sie ein Beyspiel von dem, was | dieses hervor- [5] bringen kan. Youngs N ac htged a nken sind, wie ich gelesen habe, die Frucht seiner Unglücksfälle. Er verlohr, wenn ich nicht irre, kurz auf einander seine Frau, seine Tochter und seinen Schwiegersohn, die er alle ausnehmend liebte. Seine Fühlbarkeit, die ich mit Recht bey ihm Schwäche der Seelen nennen mag, verrückte ihm durch diese Schläge die ganze Lage der Dinge in dieser Welt. Es zog sich vor seine Augen ein dicker schwarzer Schleyer, welcher machte, daß er die Natur ganz anders ansah: und so wie er sie damals betrachtete, schrieb er sie hin. Hätte er mehr Stärke der Seele gehabt, so hätte er seinem Verluste in der Stille Thränen geschenkt, die ganzen Kräfte seiner Seele hernach zusammen genommen, und sich beruhigt. Was? weil drey Menschen in einer Familie sterben, verändert sich deswegen die ganze Natur? Und du, dem diese drey Sterblichen angehörten, schilderst die Welt, als wenn sie ein Haufen Unglückseeliger wäre, die hienieden gar keine Ret|tung haben? O [6] Mensch, was mus in deinem Kopfe vorgehen, um so raisonniren zu können? Ist denn der Tod so was fürchterliches, und hat uns der gütige Schöpfer bloß hieher gesetzt, um vor diesem Augenblick, der doch alle treffen muß, unaufhörlich zu zittern, und gleich dem, der das Schwerdt im Gastmal über sich hängen sah, nichts von denen Gütern, womit uns des gütigsten Gottes Liebe überhäuft hat, zu genießen? Ich mag mich darüber nicht weiter auslassen; sonst käm ich in einen Eifer, den ich Ihnen nicht beschreiben kan. So viel ist gewiß, daß mir kein Buch unvernünftiger und schädlicher bekant ist, als Youngs Na ch tge d an ken. Und ich weis gar nicht, wie wir dazu gekommen sind, daß es bey uns solchen Unfug angerichtet hat, da es doch in England ausgehekt wurde. Denn ich kan Ihnen versichern, daß es in Engelland bey weitem nicht so gelesen, bewundert und nachgeahmt worden ist, als bey uns. Aber glauben Sie nur, daß Gellerts Autorität vieles hiezu beygetragen hat;| denn von [7] der Leipziger Universität hat es sich zuerst über Deutschland ausgebreitet. Zudem zwar die Anglomanie durch Richardsons Romane eben aufgekommen; und aus diesen Ursachen zusammen genommen entstand die Liebe für Young. Wenn wir männlicher gesinnt gewesen, und nicht schon etwas kindisch und weibisch gebildet worden wären, so hätten wir den Thoren ausgelacht, der uns die Welt als einen Kerker, als einen Gerichtsplatz vorstellen will, (und dies zumal aus übelverstandenen Religionssätzen) da doch der vernünftige Mann nichts so erschreckliches darinnen sieht. Wenn die Bücher, die wir der Jugend in die Hände geben, etwas stärkere Gesinnungen enthielten; so würden wir nicht soviel wimmernde, hypochondrische, sich und andern Menschen zur Last seyende Geschöpfe um uns sehen, als wir nun thun. Sie erwähnten schon in Ihrem ersten Briefe, worin Sie mir etwas von Gellert sag|ten, der unbegreiflichen Kaltblütigkeit des deutschen Publikums gegen den Tod [8] Rabners, und wir hatten die Sache ganz aus den Augen gelassen, bis Ihr letzter Brief

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mich wieder daran erinnert. Ich muß zwar gestehen, daß ich das erbärmliche Gehäule, welches auf dem Parnas bey Gellerts Tod entstand, nicht gern noch einmal hören möchte. Aber wenn es auf die Frage ankommt: wer hat es am meisten verdient, daß ein so unsinnig Lärmen um seinen Verlust gemacht worden, Gellert oder Rabner? So ist die Antwort bey Leuten von Kenntnissen allzeit: Rabner. Es läßt sich auch nicht leicht begreifen, warum kein einziges Zeichen der Betrübniß bey seinem Absterben ist gegeben worden, man müßte denn den Grund jenes witzigen Sinngedichts für hinlänglich halten, dem zufolge ein einziger satirischer Blick des Rabnerschen Genius alle zu Nänien gespitzte Federn seiner Lobsänger abschreckte. Sogar bey dem freundlichen Hamburger Correspondenten, der seine kleine Bude allen [9] denen geöfnet | hat, die da Lust empfunden, eine empfindsame Thräne im Angesichte des Volks auf den Brettern derselben zu vergießen, ist kein einziger gekommen, um Rabners Tod zu beweinen. Das ist zu viel. Ich weiß doch, daß er einer von den Lieblingsschriftstellern der Nation gewesen ist. Es ist wahr, die Liebe, die man ehedem für ihn hatte, hat sehr abgenommen. Ich würde eine Ursache davon zu finden suchen, wenn in dem, was bey uns den Nationalgeschmack und dessen Veränderungen betrift, irgend eine vernünftige Ursache zu finden wäre. Was für eine triftige Ursache kan man wol von den Abwechselungen des Geschmacks bey einem Haufen blinder und kenntnisloser Leser, als der gröste Theil derjenigen ist, die das Publicum bey uns ausmachen, angeben? Urtheilen sie nicht mehrentheils ohne Ursache, ohne Grund so, wie sie thun? Das Schicksal wollte, daß Gellert sich bis an sein Ende in einem stets wachsenden Ruhme erhielt, und Rabner, der ein weit beßrer Kopf war, nach und nach vergessen würde. [10] Man könnte sagen, daß die Güte von Rabners Schriften selbst hierzu etwas beygetragen habe, indem sich durch seine Satire die Narren hätten bessern lassen, und also die natürliche Bosheit der Menschen, nach welcher man die Satire nur liebt, je nachdem sich die Anwendung davon auf Bekante machen läßt, keine Nahrung mehr bey ihrer Lesung finde. Man kan nun nicht mehr sagen: das ist der! und das ist die! daher fallen sie in Vergessenheit. In der That, ich sehe die Originale zu seinen Satiren itzt nur selten. Ich glaube zwar, daß er die Narren seiner Zeit vollkommen zu fassen und zu treffen gewußt hat. Allein itzt und besonders in dem Lande, worin ich lebe, finde ich nur wenig Originale zu den Portraits, die er mir mahlt. Wenn das, was ich hier sage, wahr wäre, und die Rabnerschen Satiren hätten in der That soviel gefruchtet, so würde dies keine geringe Aufmunterung für die [11] Satirenschreiber seyn. Sie könnten auf die Art viel zur Besserung der Welt bey|tragen; denn die Narren sind, nach meiner Meynung, bey weitem das größte Uebel auf diesem Erdball. Allein ich bin nicht geneigt, Schriften, von welcher Art sie auch seyn mögen, einen so großen Einfluß im Guten zuzuschreiben. Denn ich habe selten bemerkt, daß sie bey dem größern Haufen sehr merkliche Wirkungen hervorgebracht hätten, wenn man auch Ursach gehabt, noch so viel davon zu erwarten. Ich glaube daher, daß diese Narren, wenn sie damals in einem solchen Uebermaße existirt

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haben, um die Blicke des Satirikers auf sich zu ziehen, aus andern Ursachen abgekommen und ihre Narrheiten gegen andere vertauscht sind. Mein liebster Freund, Sie machen ein großes Wesen von Rabnern! Ich gestehe Ihnen willig ein, daß er ein unendlich besserer Schriftsteller als Gellert gewesen ist, und daß ein Mann von richtigem Verstande, der Gellerten fade finden muß, sich beym Rabner sehr wohl wird belustigen können. Aber so hoch möcht ich ihn doch nicht gern setzen, als Sie zu | thun scheinen. Sie nennen ihn unsern Swift, das mag [12] er seyn; aber er ist bey weitem noch kein Swift. Nichts ist schwerer, als vortreflich in der Gattung zu schreiben, in welcher Rabner schrieb, nemlich, wenn man nicht bald ekelhaft werden will. Die prosaische Satyre war den Alten nicht bekant; sie satyrisirten in Versen, und dies trägt schon viel dazu bey, die Sachen für den Leser unterhaltender zu machen. Verse ermuntern durch ihren Klang die Aufmerksamkeit, und wenn sie nur halbweg gut sind, so ließt man allezeit die Wahrheiten, so sie enthalten, mit Vergnügen. Dieses würde also allein machen, daß Rabner doppelt so gut schreiben müste, als Horaz oder Boileau, um so gern gelesen zu werden, wie diese. Nun kommt aber noch dazu, daß die ganze innere Anlage in diesen beyden Gattungen unterschieden ist. In der Gattung nach der alten Weise nimmt sich der Schriftsteller vor, einen oder mehr moralische Sätze auszuführen. Dazu | wählt er sich eine Einkleidung, wie sie ihm gefällt; entweder er [13] spricht selbst ohne weitere Veranlassung mit seinem Leser, oder er wendet sich an seiner Freunde einen, oder er erzehlt mir ein Factum, wobey er Gelegenheit nimt, mir fehlerhafte Charactere zu zeigen, und mich zum Lachen zu bewegen, oder er führt endlich andre Personen redend ein. Bey allen diesen Einkleidungen aber ist jedes natürlich, ziemlich ernsthaft, und ohne Zwang. Allein bey der swiftischen Gattung (erlauben Sie mir, sie so zu nennen) ist alles ganz anders. Die Einkleidung selbst muß possirlich seyn, und mich zum Lachen erwecken. Das ganze Kleid, worunter mir eine moralische Wahrheit dargestellt werden soll, muß etwas comisches an sich haben. Alles ist darinnen Ironie, Allegorie vom Anfange bis zum Ende. Nun stellen Sie sich einmal vor, welch eine Ueberschwenglichkeit von Witz dazu gehört, um einem solchen Vorhaben die Vollkommenheit zu geben. Andre Leute haben alle Tage etwa einen guten Einfall; aber | der Mann, der swiftsche Satiren schreibt, macht sich [14] anheischig, durch sein ganzes Buch beständig gute Einfälle zu haben. Man sollte glauben, dies überstiege die Kräfte des menschlichen Witzes. In meinen Augen gehört kein Genie dazu, nach Art der Alten Satiren zu machen. So wenig ich einen Epigrammatisten unter die Männer von Genie rechnen kan, so wenig werd’ ich einen Satyrenschreiber darunter zählen, wenn gleich beyde in Versen schreiben. Zu beyden gehört nichts als Laune und Witz, um hie und da drolligte Einfälle zu bekommen. In diesem Stück ist ein Satirenschreiber selbst meiner Meynung: - - - neque enim concludere versum Dixeris esse satis; neque, si quis scribat, uti nos, Sermoni propiora, putes hunc esse poetam.

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Ingenium cui sit, cui mens divinior, atque os Magna sonaturum, des nominis huius honorem.

Allein ich werde gewiß keinen Anstand nehmen, denjenigen, der mir in dieser den Alten unbekanten Art von Satire was ganz vollkomnes leistet, einen Dichter, ein Genie zu nennen, denn er dichtet, und stellet mir alle Dinge durch und durch unter einer grotesken Einkleidung vor, so wie der hohe Dichter sie mir unter einer erhabnen zeigt. Dazu muß er nun ganz gewiß dasjenige in das Sujet hineinschaffen, was nicht darinnen ist, so wie in der Epopee der Dichter das ins Factum hineinschaffen muß, was die Erzählung desselben zur Epopee macht. Da ich nun glaube, daß es viel schwerer ist, die Menschen, zumal verfeinerte Menschen, zum Lachen zu bringen, als sie zu rühren (denn es ist bey diesen beyden Empfindungen zu merken, daß, obwol natürlicher Weise dem Menschen das, was ihn lachen macht, angenehmer ist, [16] als das, was ihn rühren soll, und er sich also jenen Eindrücken wil|liger überläßt, als dieser – er geht allgemein genommen lieber in die Comödie als ins Trauerspiel – es doch viel schwerer ist, das Lachen als das Mitleid zu erregen. Nichts als das unerwartete kan jenes zuwege bringen, und, wenn dies nicht allezeit komt, so hats bald mit dem Lachen ein Ende) so halte ich es für viel schwerer, ein Dichter in der ersten Gattung zu seyn, als in der letzten. Welch ein Wunder wär’ es also, wenn Rabner durch vier Bände allezeit was unerwartetes und originelles sagte, und es ihm allezeit gelünge, wenn er uns zum Lachen bringen will. Dies sey bey Gelegenheit gesagt, um es weniger auffallend zu machen, wenn ich etwas an ihm tadeln sollte. Was ich aber hauptsächlich hieraus folgern wollte, ist, daß in diesem Fache die Dichter nach dem Genie, und nicht nach der Wichtigkeit der Materie oder dem Nutzen, den sie schaffen, beurtheilt werden müssen. Ueberhaupt ist bey dem wahren Kenner das [17] Genie das einzige Tarif des Dichters. Wenn mir jemand viel von dem | Süjet, das sich der Dichter gewählt hat, von der schönen Moral, die in einem Gedichte herrscht, und dergleichen spricht; so mag ich gleich von seinem Urtheile nichts mehr hören. Daher hab’ ich über nichts mehr lachen müssen, als über die Streitigkeiten, die hie und da über die Moralität der Schaubühne und über ihren Einfluß auf die Sitten geführet worden sind. Alles das ist lächerlich. Die Poeten haben alle keinen unmittelbaren Einfluß auf die Sitten; ein moralischer Sittenspruch, in einem Trauerspiel ins Licht gesetzt, ist nicht wirksamer, als in einer Rede, Fabel oder was man sonst will. Aber die Poeten haben einen andern sehr wichtigen Einfluß von einer ganz verschiedenen Art, und diesen haben sie nach der Güte ihrer Werke, und nach dem Verhältnis der Größe ihres Genies; es sey nun, was sie dichten, eine Musarion – deren Moralität auf [18] eine sehr lächerliche Weise in den göttingischen gelehrten Zeitungen ist | erwähnt worden – oder eine Aeneide, wo uns pius Aeneas vorgestellt wird. Doch wo gerathe ich hin? Ich wollte nur sagen, daß man in dieser Gattung der Satire, wovon unter uns die Rede ist, die Schriftsteller nach dem Genie, und nicht nach dem moralischen Werthe oder Inhalte ihrer Arbeiten beurtheilen müsse. Ich kan mich auf das außerordentlich rühmliche Zeugniß, das Ramler Rabnern gegeben haben soll, nicht besinnen; allein Sie wissen, liebster Freund, daß, so ein

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außerordentlicher Verehrer dieses vortreflichen Dichters und Kunstrichters ich auch bin, ich die Autorität in meinen Urtheilen nicht gelten lasse, selbst die Autorität eines Ramlers nicht. Ich halte also Rabnern für einen sehr guten Schriftsteller, aber mit Swiften darf er in gar keinen Vergleich gesetzt werden. Dieser Engländer ist gar zu weit über ihn. Das nehme ich auf mir, Ihnen vorzulegen, wenn Sies haben wollen. Bis dahin will ichs für | erwiesen annehmen. Allein wenn es wahr ist, daß die Dichter in dieser Gattung nach dem Genie müssen geordnet werden, so haben wir im Deutschen noch einen, den wir nothwendig über Rabnern setzen müssen. Sie werden sich vielleicht darüber wundern, da Ihnen keiner von unsern berühmten Schriftstellern bekant ist, der sich in diesem Fach gezeigt hätte. Es ist auch ein ganz unbekanter Mann, der aber, wenn das Publikum mehr Kentnisse hätte, gewiß bekanter seyn müßte. Ich meyne Liskowen. Wie? werden Sie sagen, Liskow, der die Streitigkeiten mit dem Magister Sievers und dem Professor Philippi gehabt hat? Dieses seine unbedeutende Schriften, über Süjets, die uns gar nicht interressiren, sollten mit Rabners seinen, welche Gegenstände aus der Welt, und dem Reiche der Sitten, allgemein interessirende Gegenstände abhandeln, in Vergleich, ja selbst über sie gesetzt werden? Aber hab’ ich Ihnen denn nicht schon | gesagt, daß hier blos vom Genie die Rede sey? Wenn Sie in diesem Betracht dieser beyden Leute Schriften lesen, so werden Sie finden, daß Liskows Scherze und Einfälle alle drolligt, alle passend sind, und recht aus der Quelle fließen. Nicht das mindeste Gezwungene! Das Lächerliche stellt sich ihm gleich in jeder Sache dar, er scheint es gar nicht zu suchen. Er stelle es unter einer Einkleidung vor, worunter er will; er scheine es nemlich entweder in allem Ernste nachzuahmen, oder er schildre es durch Stellung in ein entgegen gesetztes Licht ironisch; so deucht mir immer diese Einkleidung die natürlichste, und diejenige, unter der es allein die vollkommenste Wirkung thun konnte. Allein nicht so beym Rabner. Da ist oft die Einkleidung erschrecklich gezwungen; man sieht unaufhörlich den Menschen, der da lachen oder vielmehr Lachen hervorbringen will; und wenn daher seine Einfälle auch stets gut wären, so würde dies Gesuchte ihre Wirkung schon sehr min|dern. Besinnen Sie sich einmal, welche Zurüstungen er oft macht, um die Sachen auf einer lächerlichen Seite vorzustellen. Bogenlange Präparationen macht er dazu. Wie leicht wird solches ekelhaft, wenn alle die Bemühungen hernach zu Wasser werden, und die ganze Sache auf etwas Mattes hinausläuft. Und wenn alsdenn auch der Einfall gut ist, so verliert er das Unerwartete, und erregt höchstens ein kleines Lächeln, welches mehr von der Ueberlegung als von dem würklichen Eindrucke der Sache selbst, oder, um zu neologisiren, von dem Verstande mehr als vom Herzen herrührt. Aber bey Freund Liskow sind die Präparatorien nicht so gesucht, die Einfälle fließen alle aus der Sache selbst, und sie sind doch so drolligt, daß man nicht umhin kan, recht herzhaft darüber zu lachen. In diesem Schriftsteller herrscht eine ächte swiftische Ader, und ob ich ihn gleich dem Engländer nicht an die Seite setze, so gestehe ich doch, daß er mir vollkommen das | Genie und die Grundlage desselben zu haben scheint. Der Britte ist nur dadurch über ihn, daß er ein Britte ist, nemlich daß er in einem Lande gebohren

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und erzogen war, wo die gröste Freyheit herrscht, wo man von Jugend auf lauter Leute hört, welche denken, was sie wollen, und sagen, was sie denken, wo der Geist der Satire durch die unaufhörlichen Streitigkeiten geschärft wird, und wo endlich, wenn man selbst ans Schreiben komt, man schreiben kan, was man will. Gewisse Leute tadeln Liskow wegen des unbedeutenden und uninteressirenden der Gegenstände, die er abhandelt. Aber das sind Critiker nach dem gewöhnlichen Schlage, die das Gute nicht einsehen können, und nur so einen Grund suchen, warum sie bey wirklich guten Schriften, die für ihren Geschmack nicht sind, ihren Mangel an Einsichten rechtfertigen können. Das Süjet des Vo r s p i el s geht anjetzt keinem Menschen mehr was an; wer mir aber dieses zum Grunde anführte, daß er [23] dieses | kleine scherzhafte Heldengedicht nicht mit Vergnügen lesen könte; den würde ich herzlich auslachen. Die Leute in Horazens Satiren gehn mir auch nichts mehr an; aber ich suche darin das poetische Verdienst, und gute Einfälle bleiben gute Einfälle, der Narr, auf den sie gesagt sind, mag vor zwey tausend Jahren gelebt haben, oder noch itzt leben. Es ist wahr, Sievers und Philippi gehn mir nichts an. Aber geht mir die Mamsell F. Herr N. N. oder Stephan Väderhat, Veit Seyfersell, und wie die Leutchen beym Rabner alle heißen mögen, mehr an? Ich dächte nicht. Solcher Narren, wie Sievers und Philippi, giebt es täglich. Ob sie nun so oder so heißen, das ist eins. Also sieht man, daß alles auf der Einbildung beruht. Liskows Gegenstände sind Narren in concreto, das ist wahr; Rabners seine aber mehr in abstracto. Müste man aber nicht einfältig seyn, wenn man aus dem Bilde des Narren [24] in concreto seine Narrheit nicht abstrahiren, und auf andre anwenden | könte, die von der ähnlichen Narrheit behaftet sind? Von dem gemeinen Leser fodert man freylich dieses eben nicht, aber von dem Leser von Kentnissen und Geschmack. Für den gemeinen Leser ist der Satirikus allemal nur ein periodischer Schriftsteller, der nur seine Zeit lebt, und hernach umkommen muß. Denn sobald die Narren sich verändern, so gehen ihm die Schilderungen davon nichts weiter an, und es muß ein neuer Satirikus auftreten, der ihm die gegenwärtigen Thoren schildert, und ihm zum Gegengift wider ihre Ansteckung dient. Aber dafür hat auch der Satirikus den Vortheil, daß, wenn er treu und reizend mahlt, er der Schriftsteller des Weltweisen, des aufgeklärten Kopfes und desjenigen durch alle Folgezeiten bleibt, der der Satirikus seines Jahrhunderts werden will. Aus ihm kan man sich nemlich am besten ein Bild von der Denkungsart und den Sitten [25] seiner Zeit machen, welches jeden denkenden Kopf interessiren muß. Da nun | selten solche abstrahirte Gemälde, als die Rabnerschen, vollkommen getroffen sind, welches auch fast unmöglich ist; so sind lebhafte Portraits dazu viel dienlicher, und, indeß sie der alltägliche Mensch als unbedeutend ansieht, werden sie für den denkenden Leser allezeit neu und wichtig bleiben. Da nun Liskows Gemälde nach der Natur sind, so müssen sie auch die Lust jedes nachdenkenden und aufmerksamen Lesers durch alle Jahrhunderte seyn. Ich für meinen Theil lese sie mit Entzücken, und setze sie des poetischen Verdienstes wegen weit über Rabners abstrahirte, oft falsch gezeichnete und aus Versehen sowol als mit Fleiß mehrentheils übertrie-

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bene Charaktere. In dem Portrait von Sievers finde ich soviel litterarische Narren getroffen, die, mit den Veränderungen, die das Aeußerliche nur betreffen, so die Abwechselung der Sitten jedes Menschenalters hinzufügt, ihm vollkommen ähnlich sind. Eben so im Philippi und Manzel. Vielleicht wird man meynen, daß niemand zu rathen wäre, im Liskowschen Geschmack auf Individua zu satirisiren, weil dies keinen Nutzen für die Gesellschaft und deren Besserung hätte. Aber dies scheint mir ein Irrthum zu seyn. Ich glaube gewiß, daß Rabners Schriften nur eine geringe Wirkung auf die Besserung seiner Zeitgenossen gehabt haben, da sich der Narre in seinen Satiren nicht leicht erkennen wird, theils aus Eigenliebe, theils auch, weil aus Begierde, Lachen zu erregen, die Gemälde oft falsch und übertrieben gezeichnet sind. Allein wenn der Narr besorgt seyn muß, man stellt ihn namentlich zur Schau aus; wenn er die Folgen dieser Geißelung an seinen Mitnarren sieht: so steht er in Furcht, und sucht seine Narrheit zu bessern. Und o! wäre es nur erlaubt, eben das mit den Lastern zu thun, und sie namentlich der Geißel der Satire zu übergeben, wie viel stärker würde nicht dieser Damm seyn, als wenn man sie bloß unter allgemeinen Namen schildert! Auch sieht | man, daß alle wahren Satiriker so verfahren haben, und es scheint beynah unmöglich, anders mit Erfolg und wahrer Anmuth zu schreiben. Es ist auch natürlich, denn dies ist der Poesie weit angemessener, die alles sinnlich und in concreto vorgestellt wissen will. Unter gewissen Einschränkungen sollte es daher dem Satiriker von Obrigkeitswegen verstattet seyn, Individua zu schildern, und kenntlich, auch wol namentlich vor der Welt am Pranger zu stellen. Das wäre für die Sitten von dem grösten Nutzen. Da übrigens jedes Menschenalter unter einem Volke einen Satiriker gebraucht, und die Epoche der Rabnerschen Narren verschwunden ist; so sollten nun billig andre auftreten, die seinen Platz einnähmen, und die heutigen Narren (besonders die publics - incognitos, welche in Journälen und Zeitungen ihre critischen Kleinmeistereyen zur Schau auslegen) ein wenig in Angst hielten. Es ist auch wirklich wunderbar, daß keiner aufsteigt. Nicht | als hätten wir keine Köpfe dazu. Ich kenne einen, der große Talente in diesem Fache hat, er legt sich aber nicht mehr darauf – das ist Schade. Ich meyne den Hrn. Prof. Riedel in Erfurt. Allein, da sich dieser ruhig verhält, so sollten sich junge Genies dazu bilden. Diesen wäre nun meiner Meynung nach gar nicht zu rathen, daß sie Rabnern läsen, um ihr Genie anzufeuern und zu bilden. Denn ihn hatte gewiß die Kunst weit mehr gebildet, als die Natur. Aber Liskow wäre der Mann, den sie studiren sollten, und der dieserwegen verdiente, mehr unter uns bekant zu seyn. Wenn ich einen jungen Menschen sähe, der den Rabner vorzöge, so würde ich ihm gleich rathen, vom Satirenschreiben abzustehen, weil er nichts merkwürdiges darin leisten würde. Ich urtheile hieraus, daß mehr Nachahmungsgeist als Genie bey ihm wäre. Sollte ich aber einen finden, der beym Lesen des Liskows entzückt wäre, an seinen Einfällen Geschmack fände, und dieselben über die Rabnerschen setzte, diesem würde ich | rathen, ein Satirenschreiber zu

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werden. Die Natur hätte sicher dazu einen guten Grund bey ihm gelegt. So würde ich urtheilen. Ob Sie meiner Meynung seyn werden? Beweise davon zu geben, wäre mir zu weitläuftig, und möchte Ihnen auch wol langweilig seyn.

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Sechzehnter Brief.

»Die prosaische Satire war den Alten gar nicht bekant.« Wie? mein Freund, sollten Sie den Satir Luzian nicht kennen, den Vater des Humors? Dieser ist ja das Muster aller prosaischen Satirenschreiber, und bey den Griechen in dieser Gattung das, was Aristophanes in der poetischen Satire war. Wenn je ein Schriftsteller das vielbedeutende Lob verdient, welches Sie dieser Gattung geben, und worauf nach Ihrer Meynung die Alten keinen Anspruch machen dürfen, weil sie nicht in derselben [31] geschrieben haben, so ist es vor | allen andern Luzian, welcher das ächte satirische Genie im allerhöchsten Grad besaß.

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So oft ich den Swift in die Hand nehme, opfere ich ihm jeden Zoll der Bewunderung, welchen nur der vortrefliche Satirikus verlangen kann; und der einzig und allein in der bereitwilligen Disposition besteht – herzlich zu lachen. Man pflegt zu sagen, daß Männer von gebildetem Geschmack niemals in dieses herzliche Lachen ausbrechen, sondern sich jederzeit in die Grenzen des sokratischen Lächelns einschließen würden. Es ist sogar dieser Grundsatz zu einer Wohlstandsregel erhoben worden. Ich für mein Theil befolge ihn ohne Zwang; aber aus einem ganz andern Bewegungsgrunde. Ich finde nemlich nur sehr selten einen Scherz mehr als belächelnswerth. Sobald aber ein Swift, ein Butler oder Cervantes vor mir liegt, hör’ [32] ich warlich das | Gesetz der feinen Aesthetiker, oder den Ruf des Wohlstandes nicht, sondern überlasse mich dem heilsamen Eindruck völlig, welchen das satirische Genie auf mein Zwergfell macht. Das Gelächter über das wahre Comische erwirbt uns bey Vernünftigen keinesweges den Namen eines abgeschmackten Mannes, sondern gereicht uns vielmehr zum Ruhm. Der heißt aber mit Recht ein geschmackloser, lachender Geck, auf welchen die trivialen Scherze eines leeren Witzlings Eindruck machen. Beym Swift hingegen kan man sicher lachen, so wie dieser auch gewiß beym Luzian gelacht haben wird. Denn ich finde, daß Swift den Luzian recht gut studirt und oftmals unverholen aus ihm geschöpft hat. Freylich, wie ein Mann von Genie, der selbst denken und lachen kan, welches die beyden vornehmsten Eigenschaften des satirischen Kopfes sind.

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Was Sie überhaupt von der Satire sagen, billige ich sehr. Palissot, der eine Geißel der französischen Philosophen war, wird von Kunstrichtern schwerlich gelobt werden; das Publikum in Frankreich hingegen ergözt sich nicht wenig an seiner Dunciade, und zieht keinen verächtlichen Nutzen daraus. Er that aber Rabnern groß

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Unrecht, wenn er die Personalität und Heftigkeit seiner eignen Satiren mit dem Beyspiel dieses Mannes rechtfertigen wollte. Rabner ist nur gar zu allgemein. Dieses verursachte ihm ein ruhiges Leben, worauf der Schriftsteller, welcher eingewurzelte Vorurtheile in Personen bestrafen will, zum Lohn für seine unfurchtsame und uneigennützige Denkungsart Verzicht machen, und sich einzig und allein an dem Beyfall einiger richtigdenkenden Köpfe1 und an die Gerechtigkeitsliebe der Nachwelt halten muß. Schwerlich werden sich also zu | unsern Zeiten, wo sogar die geringsten [34] freyen Urtheile über S c hr i f te n eines allgemein beliebten Mannes zu Denkmälern der Schande gebrandmarkt werden, wo man die in das Gewand des Witzes verkleideten Angriffe auf d e n C ha r ak ter der verehrungswürdigsten Männer mit lächelnder Gleichgültigkeit ansieht, und dafür den unabgewägten Ton einer Kritik über den Werth eines Buchs, das vor jedermans Augen liegt, auf die fürchterlichste Weise anathematisirt; zu diesen Zeiten werden sich wol schwerlich junge satirische Genies ausbilden können, und sollten sich ja deren einige finden, so werden sie ohne Zweifel nicht Muth genug besitzen, sich dem fortreißenden Strome der Vorurtheile offenbar zu widersetzen. Daher werden wir auch schwerlich vortrefliche Satirendichter in Deutschland bekommen. Denn die Satire muß persönlich seyn, sonst verliert sie nicht allein ihren Werth, von der Seite des Genies betrachtet, sondern auch ihren eigentlichen Endzweck, welcher im Belehrenden | besteht. Die allgemeine Satire macht keinen [35] bleibenden Eindruck auf den Leser, und hat so wenig Nutzen, als ein Vortrag der Moral, der nicht mit richtigen Gründen und schicklichen Beyspielen begleitet ist. Denn ob der universelle Satirikus gleich zeigt, was Thorheit und Laster ist, so wird sich doch niemals die angebohrne Eigenliebe der Menschen dahin bringen lassen, zu glauben, daß sie selbst diese Thorheiten und Laster besitzen. Hab’ ich nicht recht, mein Freund, wenn ich sage, daß, ohne die Erfüllung dieses Endzwecks, die Satire nichts mehr ist, als eine scherzhaft vorgetragene Sittenlehre? Daher komts auch, daß Leute, welche, indem sie gewohnt sind, die Tugend in einer ernsten Gestalt zu sehen (und dies ist gar nicht so unvernünftig, als unsre jungen Modeherrchen glauben) auch die Mittel zu ihrer Erlangung als ernsthaft und wichtig betrachten, daß diese sich so schwer von dem wahren Nutzen der allgemeinen Satire aufs Herz der Menschen überzeugen können. Diese Streitfrage würde | leichter zu entscheiden [36] seyn, wenn man die besondre Satire unter gewissen Einschränkungen einführte. Hier hat überdies, wie Sie mit Recht bemerken, das Genie Gelegenheit, sich zu zeigen. Das persönliche Verhältnis, worinn sich der Satiriker mit dem lächerlichen Gegenstande befindet, verursacht ohne Zweifel, daß sein Pinsel viel richtiger zeichnet, viel wärmer und lebhafter ausmahlt, als der Pinsel des kalten Zuschauers der menschlichen Thorheiten, welcher, wie jeder Zuschauer, weniger interessirt seyn muß, als einer, der selbst Theil am Spiele nimt. Indes uns Rabner ein stilles Lächeln

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Eines Herders und andrer weniger gepriesenen Männer.

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abstielt (eben das Lächeln, welches der komische Anblick der Thorheiten, welche unschädlich vor ihm vorbey giengen, bey ihm hervorbrachte) so erschüttert uns die spöttische Laune, womit ein Liskow gegen seine Beleidiger zu Felde zieht, von Grund aus. Wir sehen das ganze Gemälde seines lächerlichen Gegners bis auf die kleinsten [37] Züge. Eben diese kleinen Züge stellen uns die Aehnlichkeit unsrer Fehler mit den | Fehlern des verspotteten Thoren dar. Wir erschrecken mitten im Gelächter, und schämen uns, einem Sejan, Chapelain oder Manzel ähnlich zu seyn. Nicht so bey der allgemeinen Satire! Mehrentheils sind die Charaktere in derselben nicht umständlich genug ausgemalt. Und dies rührt besonders von ihrer Menge her. Denn der allgemeine Satirenschreiber glaubt verbunden zu seyn, daß er alle mögliche Gattungen von Thoren in seinen Schriften angreift, um die Nutzbarkeit derselben recht ausgebreitet zu machen. Rabner hat sich für diesen Fehler am wenigsten gehütet. Er glaubte vielleicht, durch die Mannigfaltigkeit seiner Schilderungen den Leser für den Mangel des anziehenden Interesse und der Lebhaftigkeit der Charactere schadlos zu halten. Er hatte ein zu feines Gefühl, um diesen Fehler in der Gattung der Satire, worin er sich zu schreiben vorgenommen, nicht zu bemerken. Weil er aber fand, daß er sehr schwer abzuändern, ja wol gar bey dieser Gattung unvermeidlich sey, so [38] bemühte er | sich, durch die Mannigfaltigkeit und Allgemeinheit den Mangel der Lebhaftigkeit in den Schilderungen zu ersetzen, und dadurch seinen Schriften von einer andern Seite Reitz und Nutzbarkeit zu schenken. Er irrte aber gewaltig, wie ich gezeigt habe; denn Satire ohne ausgebildete Charaktere und daher entspringendes Interesse beym Leser hat weder Annehmlichkeit noch Nutzen. Sie haben Recht, mein Freund, wenn Sie sagen, daß die Strenge unsrer Büchercensuren dem satirischen Genie Fesseln anlegt, eben darum, weil sie die Personen der Leute gar zu sehr geschont wissen will. Die Vorstellung von dem Uebel, welches, wie manche glauben, daraus entstehen könte, ist mir so schrecklich nicht; da im Gegentheil die Vorstellung des daraus fließenden Vortheils mir sehr deutlich erscheint. Gesetzt, ein ehrlicher Mann würde vom Muthwillen angegriffen; wie selten wird der Fall kommen! und steht es ihm dann nicht frey, sich zu rechtfertigen, oder [39] es durch seine | Freunde thun zu lassen? Wenn ihm dieses aber von den Umständen verboten würde? Je nu! so mag er stillschweigend ein Opfer des öffentlichen Vortheils seyn, und sich mit mehr redlichen Männern, die die Glückseeligkeit empfunden haben, von ihren Zeitgenossen verkant zu seyn, beruhigen! – – Wie viel Nutzen würde aber eine solche satirische Freyheit nicht mit sich führen! Nehmen Sie nur die Critik in Deutschland! Welch eine veränderte Gestalt würde sie gewinnen! Wie würde das Verdienst eines Denis hervorgezogen, und die Schlegels, Gisekens, Gärtners und Cronegks in ihre verdiente Dunkelheit herabgeschleudert werden! Wie klein würde der cabbalistische Kloz in seinen Urtheilen über Deutsche gegen die stille Größe eines Ramlers oder Lessings erscheinen! Unter welch einer Gestalt würde Hausen,2 2 Seine G e s c h i c h t e d e s m e n s c h l i c h e n G e s c h l e c h t s ist ein Werk, das ihm die gröste Ehre macht.

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den man so lange verkant hat, erhoben werden! Und was | würde Clodius gegen den [40] verdienstvollen Dusch seyn, dessen Gedichte einen selbstdenkenden und selbst empfindenden Mann verrathen, so wie seine B r i ef e z u r B i ldu ng d es G e s chm a c k s einen soliden Kunstrichter. Aber ihr beständigen Rufer aus der tückschen Nacht der Journale und Zeitungen, von denen schon Hagedorn sagte: Es giebt ein Volk, das immer lernen sollte, Und immer lehrt; Das ist das Volk, das man nie hören wollte, Und immer hört.

Ihr angebetete Despoten des Pöbels, ihr künstlichen Schmeichler des Vorurtheils, die berühmter Männer Schwächen preisen, und die Stimme der Warheit verketzern, ihr großen Kunstrichter, die ihr die Boissy und Desfontaines hinter euch laßt, weil ihr wißt, das Verdienst einer langweiligen Pastoralsamlung aufs beste herauszustreichen, und die Witze eines Voltaire mit dem Maasstabe der Sittenlehre | abzumessen, [41] ihr Wittenberger, die ihr zu klein seyd, über Klopstoks Oden etwas würdiges zu sagen, aber groß genug, um in dem schlechtcopirten Tone eines Jacobi läppische Empfindungen herzulallen, – o welch ein furchtbares Gericht würde alsdenn über euch ergehen! – Sie, mein Freund, sind von der Warheit dessen, was ich sage, überzeugt. Wären es doch alle unsre Landsleute! Die englische Freyheit war die Pflegemutter der Butlerschen, Fieldingschen und Sternischen Genies. Churchil wäre in jedem andern Lande ein mittelmäßiger Scribent gewesen, und würde nichts als solche Gedichte gesungen haben, wie seine Satire wieder Hogarth ist. Dieser komische Maler würde vielleicht in Frankreich ein Sudler oder Bürger der Bastille geworden seyn, und gewiß lauter solche Bilder geliefert haben, als sein satirisches Gemälde auf Churchil ist. Ich wäre begierig, eine Schrift zu lesen, worin die Grenzen der persönlichen Satire und des Pasquils richtig angegeben wären. Nach | dem Maasstabe einer [42] solchen Schrift müste alsdenn die Censur jeder Satire abgefaßt, und die Erlaubnis gestattet oder verweigert werden, über Narren zu lachen, und privilegirte Bösewichter zu schimpfen. Doch ich komme wieder auf unsern Rabner zurück. Nach dem, was ich bisher gesagt habe, müssen Sie sehen, daß ich überhaupt genommen Ihrer Meynung bin, und das Urtheil, so ich von ihm gefällt, in dem, was darin übertrieben ist, wieder zurücknehme. Ich lobte ihn, ich setzte ihn mit Swift in eine Classe, alles aus Verdruß über die Vernachlässigung und Herabsetzung unter Gellert, womit ich seine Verdienste belohnt sah. Die Natur hat mich mit einem besondern starken Gefühl begabt, dem zufolge ich das Unrecht, welches dem Unterdrückten widerfährt, als mein eigen Leiden empfinde, und mich laut dagegen auflehne; da im Gegentheil eben dieses Gefühl mich geneigt macht, Zweifel in die wahre Größe des Allgemeingepriesenen zu setzen, sie mir aller | Strenge zu prüfen, und wenn ich sie auf seichten [43] Grund gestützt finde, einen solchen Mann, der auf seinen erschlichenen Ruhm stolz

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ist, wo möglich zu demüthigen. Dies Gefühl kann mich – ich gesteh es gern, mein Freund! – manchmal zu weit verleiten, es kann dem unbelohnten Verdienste einen größern Werth in meinen Augen geben, als es dem gleichgültigen Prüfer zu besitzen scheint; allein ist dies nicht die Wirkung einer jeden mitleidsvollen Ueberraschung des Herzens? Ich würde böse auf Sie seyn, wenn Sie Rabnern nicht Gerechtigkeit hätten wiederfahren lassen. Denn es bleibt stets wahr, daß er ein Schriftsteller ist, der Deutschland immer Ehre bringen wird. Ich bin geneigt, mit Ihnen zu glauben, daß Liskow mehr Genie, mehr Spottgaben besaß, als Rabner. Aber warlich, seine Schriften sind lange nicht so gefeilt, wie die Rabnerschen. Seine Schreibart ist bey weitem [44] nicht so zierlich, und er ist überhaupt kein Schriftsteller für die große Welt. Denn | seine Satiren können niemand, als einen Litteratoren, belustigen; sowol wegen ihres Inhalts, als besonders der darin eingestreuten Gelehrsamkeit wegen. Rabner hingegen ist, wenigstens in dem Maaße seines Werths, für alle Stände nützlich und belustigend, und breitet den Ton der guten Gesellschaft, den Liskow selten äußert, sogar über die trockensten Gegenstände aus. Nimt man alles dies zusammen, so fällt das Urtheil dahin aus, daß Rabner nur sehr wenig von dem Genie, der ernsten Laune und dem bittern Spotte eines Swifts und Liskows besaß, aber das Geheimnis recht gut verstand, den gewürzten Scherz und die lachende Mine der Raillerie über seine Satiren zu verbreiten. Ich erinnere mich der Zeit noch immer mit Vergnügen, da ich Rabners Schriften zum erstenmale laß. Freilich ist man in der Jugend bereitwilliger, mit dem scherzhaften Dichter zu lachen, als bey zunehmenden Jahren. Das Herz ist alsdenn denen [45] Eindrücken vielmehr of|fen, und mit derselben Leichtigkeit, womit der Jüngling beym seichten Geschwätz einer Byron weint, belacht er auch die Einfälle eines Holbergs. Aber gestehen Sie selbst, mein Freund, herrscht in dem Tr au m vo n d en abges ch ie de nen S e ele n, in der Ab han d lu ng vo n Sp r ü chwö r te rn , in dem Mä hrc hen vo m er s ten Ap ri l, und in den No te n o h ne Te xt nicht ein ächter satirischer Geist? Sind sie nicht voll attischen Witzes? – Ich will indeß gerecht seyn, und gern eingestehen, daß Leute, die mit denen launigten und unwiderstehligen Einfällen der Engländer und Spanier genährt sind, an dem temperirten Gange der Rabnerschen Muse kein ausnehmendes Vergnügen finden müssen.

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Siebenzehnter Brief. Sehen Sie nicht, wie sehr Sie mich in ein fremdes Gebieth gezogen haben, worin ich gar nicht zu Hause gehöre? Die bekantesten Sachen in dem Lande des Geschmacks hab’ ich vergessen, und sie sind mir gar nicht mehr gegenwärtig. Ich kann mit sonst weiter nichts meine Vergessenheit entschuldigen, als ich den Neuern die Erfindung

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der prosaischen Satire zuschrieb, und dabey nicht an den Luzian dachte. Diesen, meinen ehmaligen Freund, hatte ich ganz aus der Acht gelassen; nun aber besinne ich mich recht wohl auf ihn. Wars nicht der kleine drolligte Mann, der alles nach dem Leben erzählen und nachmachen konte, aber immer in ein so possirliches Licht gesetzt, daß man für Lachen hätte bersten mögen? Ja, ja,| ganz recht. – In der That muß man diesen Griechen als den Erzvater aller launigten, ironischen Satire ansehen, nach dem sich Swift und alle übrigen gebildet haben, ob sie gleich hernach in der Manier etwas von ihm abgewichen sind. Nur muß ich gleich bevorworten, daß man mir keinen mit diesem göttlichen Griechen in Vergleichung setzen muß. Bey ihm ist alles Natur. Ich finde gar nicht den Mann in ihm, der mich durchaus zum Lachen bringen will, sondern einen solchen, der mir ganz trocken lauter possirliche Sachen erzehlt, seinen Personen eine gewisse ungekünstelte und höchst drolligte Stellung giebt, dabey aber selbst ganz ernsthaft bleibt. Dieses bringt mich um desto mehr zum Lachen, anstatt daß die gewaltigen Apparatus, die Rabner und mein Freund Swift selbst zuweilen machen, und das unaufhörliche Durchgucken des Schriftstellers, dem man es recht eigentlich ansieht, daß er Harlekinadenwendungen macht, um mich zum Lachen zu bewegen, oftmals ihres Zwecks verfehlen.| Lesen Sie seine G e s p r äc he d er G ö tter u n d d er To d te n, seine Au c t i o n d er Phi lo s o p h en, seinen M eni p p u s , seinen Ko s m o th eo ro s ; nirgends blickt der Autor hervor, im Gegentheil läßt er seine Leutchen im ganzen Ernst sprechen, und durch diese Gespräche kömt, vermöge des eigentlichen Begrifs, den man sich von ihnen allen macht, ein Contrast heraus, der einen nothwendig zum Lachen bewegt, man mag wollen oder nicht. Da, wo er selbst spricht, als in dem Stücke, wo die alten Philosophen zusammenkommen und ihn strafen wollen, weil er sie lächerlich gemacht hat, (der Titel ist mir entfallen) macht er nicht viel Katzensprünge, um mich zu belustigen, sondern er bleibt ganz natürlich; und dennoch entzückt es, und bringt beym Leser das Homerische unauslöschliche Lachen der Götter zuwege. Sein Jupiter tragicus ist ein Meisterstück in Ansehung der zur Verspottung eines lächerlichen Aberglaubens gebrauchten Parodie auf griechische Trauerspieldichter. Ueberdem zeigt er sich überall als ein | Philosoph und tiefdenkender Kopf, der die unnachahmlichste Laune mit der ganzen Wissenschaft eines Weisen und Gelehrten vereinigt. Ich spreche nicht von seinen ernsthaften Werken. Sie sind vortreflich. Welch ein für das große und ächte Schöne empfindsames Herz zeigt nicht sein Lo b d e s D em o s t he n es ! und er ist noch bis auf den heutigen Tag der Gesetzgeber des Geschichtsschreibers. Indeß hat Swift sicher eine Ader von ihm, und, wenn er sich mehr der Natur überlassen hätte, so wäre er in meinen Augen noch viel vollkomner. Oft will er aber gar zu lustig seyn, und dann vernichtet er allen Trieb zum Lachen. Sein M äh rch en vo n de r To nn e, welches originell ist, wird allezeit in meinen Augen durch die Ausschweifungen und comischen Zwischenspiele des Autors matt, da er hingegen, wenn er halb soviel Anstrengung der Einbildungskraft daran verwandt hätte, um die Geschichte selbst recht auszubilden, ein Meisterstück geliefert haben würde. Es ist wahr, was dieser Swiftschen Satire | den größten Werth giebt, ist die Wichtigkeit des

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Süjets. Die Streitigkeiten der Sekten in unsrer Religion in ein possirliches Licht gesetzt zu sehen, Streitigkeiten, welche Millionen Menschen das Leben gekostet haben, muß in der That für jeden Leser, dem die Menschlichkeit am Herzen liegt, ein reizend Schauspiel seyn. Eben dies erhöht auch die Wichtigkeit der Lucianschen Einfälle. Können seine Schriften uninterressant seyn, wenn man bedenkt, daß Lucian den albernen Aberglauben seiner Zeit, in welchen Weise und Unwissende verfielen, bestritt? Außer dem Witzigen, das darinnen herrscht, sehe sich sie als die Ueberbleibsel eines großen Geistes an, der sein Zeitalter belehrte. In Deutschland wollte ich freylich nicht jedem rathen, das zu thun; er würde sicherlich Gefahr laufen, wenn er auch das offenbar Lächerliche und Alberne, das den Aberglauben ausmacht, angriffe, verketzert zu werden, und sich in große Verlegenheiten zu [51] setzen, besonders in dem Lande, worin Rabner schrieb. Ich lie|be Obersachsen mehr als einer Ursach wegen; ich muß aber auch gestehen, daß wenig Provinzen in Deutschland sind, die reicher an schwachen Seelen, und ärmer an freydenkenden Köpfen wären. Dort ist die Empfindung des Kleinen und Weichlichen zu Hause, und man kann sich keine Idee von einem Menschen machen, der sich muthig dem Vorurtheile und Aberglauben entgegenstellte. Gellert wird gewiß in dieser Provinz, die ihn ohnedies hervorgebracht und gebildet hatte, am spätesten aufhören, angebetet zu seyn. Niedersachsen hingegen ist an ächten deutschen Charaktern, und derselben ähnlichen Zügen mit der benachbarten englischen Nation viel fruchtbarer. Ich mache diese Anmerkung, um daraus das tiefe Stillschweigen zu erklären, welches Rabner in Absicht des zu seiner Zeit noch sehr herrschenden Aberglaubens beobachtet hat. Er ließ diese wichtige Satire ganz unberührt. Und hierin besteht Swifts großer [52] Vorzug. Denn stellen Sie sich einmal vor, welche Aufmunterung die Freyheit einem | satirischen Genie in einem Lande geben muß, wo ein Geistlicher das Mä hrc hen vo n d e r To nn e schreiben und öffentlich drucken lassen darf. Auch hat Engelland noch mehr ächte satirische Köpfe aufzuweisen, und unter andern den Churchil, dessen Sie erwähnen. Uns aber, nachdem wir einen, und noch dazu nur mittelmäßigen Satirikus erzeugt haben, uns fehlet es noch ganz daran. In der That kann ich Rabnern in dem, was das Satirische Verdienst betrift, nicht anders als mittelmäßig nennen. Denn, außer dem berührten, hat er noch verschiedne Fehler, die mich stets verhindern werden, viel Vergnügen an seiner Lesung zu finden. Unter allen seinen Werken ist keines, das mir besser gefalle, als sein Tr au m vo n d en ab ges c hi ed en en S eel en. Die Invention ist zwar nicht weit gesucht, allein das schadet nicht; er ist darin dem Luzian desto ähnlicher, dessen Erfindungen alle sehr ungezwungen sind. Aber sie ist fruchbar, und in der [53] Ausführung sehr gut gerathen. In den | übrigen allen scheinen mir seine Erfindungen zu gesucht und affektirt. Zudem sind seine Charaktere nicht treffend genug gezeichnet, und oft so übertrieben, daß man gar keine Aehnlichkeit darin finden kann; und dieß nimt der Satire allen Reitz und Nutzen. Daran mag nun freylich wol der Zwang, unter welchem Rabner lebte, Schuld gewesen seyn. Denn wehe ihm, wenn sich ein Mann in seinen Schriften für getroffen gehalten hätte! Es würde ihm übel gegangen

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seyn, und man hätte ihn sicher für einen Pasquillanten ausgeschrien. Eben dieß mag auch wol Schuld seyn, warum er fast lauter unbedeutende Charaktere wählt, Leute von der mittlern Gattung, deren Narrheiten nicht gar viel bedeuten. Seine Satiren sind mit den Gesetzen in einem Fall, von denen man sagt, daß sie, wie die Spinneweben, kleine Insekten bänden, indeß die großen ohne Müh hindurch flögen. Der elende und ungeschickt französirende Stutzer, der etwa höchstens unter der unbedeutenden Zunft der Leipziger Kaufleute | häufig seyn mag, ist, nebst ein paar [54] andern aus der niedern Welt geschöpften Charaktern, der ewige Gegenstand seiner Satire. Aber die feinern Fehler der Weltleute sind gar nicht nach dem Leben gezeichnet, es sey nun, daß sie der Schriftsteller nicht genug gekant, oder sich nicht unterstanden hat, sie zu schildern. Verdienten es diese aber nicht am mehrsten? Dieß alles sind Hauptfehler an Rabnern, die seinen Leser stets ermüden werden, wenn er anders nicht unter die alltägliche Gattung der Leser gehört. Er hat ein Verdienst, das ihn stets zum wichtigen Autor machen wird, nemlich die Reinigkeit der Sprache, so wie bey den Italiänern Boccaccio, ein ermüdender und langweiliger Erzähler, seines reinen Stils wegen noch stets in Ruf steht. Allein ist dieß zum geniereichen Satiriker hinlänglich? Mir fällt hiebey eine Geschichte ein, die ich in Rousseaus Emile gelesen habe. Dieser vortrefliche Beobachter sagt nemlich, daß man oftmals den Trieb nach einer Sache, und die Lust sie nach|zuahmen für Genie [55] ansähe, das es doch gar nicht wäre. Um dies zu erhellen, erzählt er, daß ein junger Herr zu Paris einen Bedienten gehabt hätte, der ihm zuweilen in der Stunde, worin er im Zeichnen Unterricht bekam, zugesehen, und dadurch zu dieser Kunst eine große Begierde erlangt, ja sogar durch Uebung im Nachahmen einiges Geschick dazu hätte blicken lassen. Der Herr erfüllte dieses Bedienten heißesten Wunsch, und that ihn bey einen Maler in die Lehre; aber es wurde doch nichts rechts aus ihm, er blieb zeitlebens ein sehr mittelmäßiger Künstler. Diese Geschichte scheint mir auf Rabnern, so wie auf den ganzen Troß seiner Nachahmer, angewandt werden zu können. Swifts, vielleicht auch Luzians Laune entzückte ihn, und siehe da! er bekam Lust, sich nach ihnen zu bilden. Es gelang ihm auch bis zu einem gewissen Grade, allein die Natur scheint ihn doch nicht recht dazu gebildet zu haben. Der Lustigseynwollende, der Nachahmer (der vernünftige freylich) blickt überall zu sehr her|vor, [56] und man sieht es gar zu deutlich, daß, wenn Swift nicht gewesen wäre, Rabner niemals aufgestanden wäre. Die Ab h an d lu ng vo n Sp r ü chw ö r ter n, welche gezwungne und weithergeholte Invention! Und was ist der Zweck davon? Bloß Lachen zu erregen. Der Vernünftige aber lacht nicht, um zu lachen, sondern er will, daß unter dem Lächerlichen was Vernünftiges verborgen liege. Aber die ganze Geschichte von Anton Panssa, und alles, was sich auf diese Invention bezieht, sind bloß Lustigmachersstreiche, die noch dazu durch ihre Ausdehnung unausstehlich matt werden, als z. B. die Dedication an den Esel. O wie anders Swift, und zumal Luzian! Bey diesen hat alles seinen Zweck, seinen verborgnen Sinn, der voller Philosophie und gesunden Vernunft steckt. Bey Rabners G ed a nken s teu er hingegen, bey seinem Projekte zu einer S teu e r ü b er d i e Po eten , bey seiner

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Mä dge ns t a xe , was denkt sich da der Vernünftige? Er kann, ohngerechnet, daß, wenn einerley Einkleidung so oft vorkömt,| (und man wird sie wenigstens vier bis fünfmal antreffen) sie ekelhaft wird, ohnmöglich darüber lachen. Gemeinen Lesern kann das wol kitzeln; besonders dient die Mädgentaxe den Jungfern, welche sitzen bleiben, und das, was oft die Schuld ihrer Fehler oder Thorheiten ist, auf den Mangel des Geldes schieben, zum kräftigen Troste; die armen Poeten, die politischen Kannengießer, lauter unbedeutende Leute, deren Narrheiten gar nicht die Striegel des wahren, philosophischen Satirikers verdienen, sind seine Leibgegenstände; aber über keine macht er sich lustiger, als über die Critiker und Philologen. Hier kann man auch recht sehen, wie weit ihn Swift zurückläßt. Ich vermuthe, hierin hat er diesen nachahmen wollen; denn sonst sehe ich gar nicht ein, warum er eben mit so viel Heftigkeit auf diesen Charakter, den man ohnehin wenig mehr zu sehen bekomt, verfallen wäre. Nichts könte ein wahreres Zeichen davon abgeben, daß Rabnern [58] nicht Genie, sondern Nachahmungssucht führte, als eben | dieses: Swift war wider die Critiker zu Felde gezogen; also muste er auch ein gleiches thun. Ueberhaupt ist zur bemerken, daß seine Charaktere hundertmal schon bemerkt sind. Ein Stutzer, ein armer Poet, oder vielmehr Gelegenheitsdichter, (denn die Armuth schändet den wahren Poeten nicht) ein Pedant und dergleichen, wie häufig sind sie nicht schon da gewesen! Und schildert er sie etwa neu, seinem Zeitalter angemessen? O nein; übertrieben, falsch schildert er sie wol, aber neue, passende Züge findet man gar nicht. Es thäte jemand sehr wohl, wenn er die lächerliche Aufführung vieler unserer heutigen Gelehrten und schönen Geister, ihre Streitigkeiten, ihre Niederträchtigkeiten und Winkelzüge, kurz, alle die Streiche schilderte, wodurch sie ihren Charakter der Verachtung und dem Hohngelächter der Vernünftigen blosstellen. Allein, sie nach dem Fuße der Gelehrten aus dem 17. Jahrhunderte, als Stubengelehrte, denen keine große Gesellschaft offen steht, und die mit nichts als [59] griechischen | und lateinischen Chrienfloskeln um sich werfen, zu schildern, das hieße, seine Kunst nicht verstehen, und das thut Rabner offenbar. Unsre Gelehrten müsten im Gegentheil gemalt werden, wie sie niederträchtig um den Umgang der Großen buhlen, wie sie Stutzer1 werden, wie sie frühzeitig windbeuteln lernen, welche Kniffe sie anwenden, um von den allzeitfertigen Kunstrichterleins in Zeitungscomtoiren herausgestrichen zu werden, wie sie anstatt hübsch fleißig zu studiren in Gesellschaften laufen, daselbst den Ton angeben, und den Weyhrauch, den ihnen einige hirnlose, affektirte Närrinnen, und einige unwissende aber kennerseynwollende Thoren streuen, begierig einhauchen. Nicht, wie sie sich um Turnus blaue und braune Augen zanken, und dieser Verschiedenheit in Meynungen wegen Todtfeinde werden, muß man sie malen, denn dieses zeigt wenigstens einen, [60] obschon wunderlichen, doch zugleich aufrichtigen | Eifer für die Wissenschaft an, die ein jeder treibt, einen Eifer, den man zu unsern Zeiten selten findet, wo sogar die [57]

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Köstliche Herrchens in Kleidung und Schriften!

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geringste, vom Eifer für die Warheit erzeugte Härte in dem To ne einer Critik verketzert wird. Die Gelehrten zanken sich zwar heut zu Tage nicht minder um Kleinigkeiten, und hassen sich, aber nicht wegen dieser Verschiedenheit in Meynungen. Solche dienen ihnen nur zum Vorwande. Brodneid, Mißgunst über Vorzüge der Großen, in deren Gunst sie schändlich vernarrt sind, heimliche Streiche, die sie sich einander spielen, von diesen Leidenschaften verführt, das sind die wahren Gründe ihrer scandalösen Zänkereyen, wozu jene Verschiedenheiten über litterarische Bagatellen den Vorwand hergeben müssen. Dies müßte der Satirenschreiber dieses Jahrhunderts schildern. Rabner aber malte seinen Vorgängern nach, ohne auf solche Verschiedenheiten zu sehen. Wenn er nur seinen Figuren eine possirliche Stellung und ein närrisches Gewand geben konte, damit war er zufrieden.| Wenn Swift [61] Critiker lächerlich machen wollte, so malte er sie nach dem Leben, so wie er sie in seinem Lande fand. Er wählte seine Charaktere nicht ohne Veranlassung, bloß um ein komisches Gemälde auf die Leinwand zu werfen. O nein, er wußte, daß der Satiriker der Schildrer der Sitten seiner Zeit und kein bloßer Possenreißer seyn muß. Die Kunstrichter, die er tadelt, existirten zu seiner Zeit, und hatten just das Fehlerhafte an sich, das er ihnen aufmuzt. Aber nicht so Rabner. Dieser tadelt darin wie ein Idiote, ich muß es frey heraus gestehen. Man sieht es ihm an, daß er dasjenige, was er tadelte, nicht verstand, und daher aus andern heraus nahm. In jeder Wissenschaft ist für den, der sie treibt, nichts unwichtig, und hingegen scheint dem, der sie nicht treibt, und zumal dem, der gar keine versteht, fast alles unwichtig darin. Stellen Sie sich vor, was mag sich wol ein ehrlicher Hütten- oder Bergbedienter daraus machen, ob die Alten den Tod so oder so vorgestellt haben. Ihm ist nichts | wichtig, als [62] Cramers Probierkunst, und er kann höchstens sagen, daß Justi ein ungründlicher Projectmacher gewesen sey, und aus Jugels Schriften ein größer Werk gemacht werde, als sie verdienen.2 Für den Litteratoren aber ist Lessings Untersuchung allemal interessant, und es verräth daher eine wahre Einfalt, wenn man sich über das Wichtige oder Unwichtige solcher Untersuchungen aufhält. Daher hört man auch fast täglich so viel Spöttereyen über das Unwichtige der gelehrten Spitzfündigkeiten, weil der große Haufen nichts davon versteht. Ganz anders macht es Swift. Er war selbst ein Gelehrter, und suchte also die wahren Fehler seiner Zeitgelehrten auf. Nicht das Unwichtige ihrer Untersuchungen, nicht ihren Eifer darin, belachte er. Das kann oftmals nur der Ignorant. Nein, er rügte die Fehler, die sie da|bey begiengen, [63] und wodurch sie das, was sie verbessern wollten, auf eine lächerliche Art verdarben. Sehen Sie seinen Virgilius restauratus an! Mit welchem Witze zeigt er nicht daselbst das Lächerliche derer, die mit albernen Muthmaßungen die schätzbarsten Ueberbleibsel, so wir noch aus dem Alterthume übrig haben, mehr verhunzen als verbessern. Dies ist eins von den vortreflichsten Stücken im Swift, und es leuchtet daraus

2 Hierin haben die Herren Jugel und Iselin ein gleicherfreuliches Schicksal. Des lezteren G e s c h i c h t e d e r M e n s c h h e i t wird als ein Meisterstück ausgeschrien, indeß der weit bessere Ferguson ganz unbekant ist.

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keine geringe Kenntnis von Philologie hervor. Die zum Spott angebrachten Muthmaßungen haben alle einen Schein, der das Lächerliche der Lectionenschöpfer auf eine für den Freund dieser Gattung von Litteratur recht allerliebste Art vorstellt; und wie imitirt er nicht so geschickt die ganze Sprache dieser hirnlosen Philologen, die überall corrigiren wollen, und deren Schwäche er als ein Litterator wol kante! Ueberdies hatte er große Veranlassung dazu, denn es lebte zu seinen Zeiten ein Mann, [64] dessen Portrait aufs allerlebhafteste in seinem Virgilius restauratus abgemalt wird.| Dieser Mann war Bentley. Es war der Mühe werth, sich seiner zügellosen Verbesserungssucht, die schädliche Folgen hätte hervorbringen können, wenn er Schüler gezogen, durch Hülfe der Satire Einhalt zu thun. Und da seine Satire nur diesen Zweck hatte, so muste sie auch für solche eingerichtet seyn, auf die sie Eindruck machen sollte, nemlich für Liebhaber der Philologie. Sie wurde daher lateinisch und in einem Tone abgefaßt, der ihnen allen geläufig war; nicht wie Rabners Ab han dlu ng vo n d en G lü ck w ü ns c hu ngs s c hrei b e n. Denn wen von denen, die sie deutsch lesen werden, geht das was an, da nur Gelehrte etwa in einen solchen Fehler verfallen können; da sie nur denen bekant sind, und nur diese an der Satire derselben wahren Geschmack finden können? Man sieht hier aber deutlich den Mann, der sich über etwas moquiren wollte, das er nicht recht verstand, und sich deshalb von seinen Freunden helfen lies. Zudem war alles dies nicht recht passend, denn zu [65] Rabners Zeiten war die Wuth, übertrieben | lange Noten über nichts zu machen, und worin die Fehler der ehmaligen Philologen noch mehr bestanden, gar nicht mehr so groß, um dagegen so weitläuftig loszuziehen. Es war einmal eine Zeit, wo es freylich die Gelehrten wol übertreiben mochten, und einen ganz simpeln Text in einem Schwalle von Noten ersäuften, oder sich um Kleinigkeiten willen aufs grimmigste entzweyten. Das hat auch selbst unter den Franzosen einen Kopf zur Satire erweckt. Seine Schrift heißt Chef d’oeuvre d’un Inconnu, und ist die einzige von der Swiftschen Art, die mir in dieser Sprache bekant ist. Sie machte zu ihrer Zeit viel Aufsehens, und ist auch wirklich ein drolliges Ding, worin nicht wenig natürlicher Witz und mit Warheit angebrachte Laune herrscht. Wies denn aber geht; wenn der Fehler aufhört zu existiren, so gerathen auch die darauf gemachten Satiren in Vergessenheit. Diese Schrift zwar verdient sein solches Schicksal nicht. Sie hat viel Originelles, und man [66] findet den ächten Gelehrten | darin, der die Fehler seiner Brüder aufdeckt, indem er dieselben ironisch nachmacht. Es ist ein kleiner Band von einem sehr gelehrten Commentar über einen französischen abgeschmackten Gassenhauer, den der Commentator illustrirt, als wäre es das schönste Fragment aus dem Anakreon. Ueberdem kam diese Schrift in Holland heraus, wo damals noch die philologischen Fehler sehr im Schwange giengen. Aber ich bitte Sie, was bewog Rabnern, dagegen zu schreiben, zu einer Zeit, wo die antike Litteratur in Deutschland schon in Verfall gerieth, und solche Bücher mit übermäßigen Noten nicht einmal einen Verleger würden gefunden haben? Man sieht hieraus, daß bey Rabnern alles Imitation und Bemühung, lustig zu seyn, ist; da beym Swift hingegen alles seinen Zweck, seinen Grund hat, wie es auch beym wahren Satiriker seyn muß. Genug von Rabnern.

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So viel ist gewiß, daß, so wie das Feld der Satire allezeit in jedem Menschenalter of|fen steht, weil die Narrheiten sich immer verändern, dasselbe doch bey uns noch [67] ganz besonders offen ist. Nicht allein ist die Satire in Versen nur schwach besetzt, sondern auch die Luziansche verlangt noch einen Kopf, der sie gut bearbeite, und der sich um desto eher einfinden sollte, da ihm von seinem Vorgänger das Ziel nicht gar zu hoch gesteckt worden ist. Ein Haupthinderniß dagegen ist wohl die bey uns gar zu sehr eingeschränkte Freyheit in diesem Punkt. Wenn man nicht besondre Charaktere malen kan, so bekommen die Schilderungen einen Zwang, der sie frostig macht. Sobald aber der Satiriker seinen bestimmten Gegenstand hat, ja so fließen die Einfälle stromweise. Das zeigen Liskows Schriften alle. Hätte er uns den allgemeinen Charakter eines naseweisen Magisterchens, das da glaubt, mit seinem großem M. alle Weisheit bekommen zu haben, schildern wollen; so wär’ er, glaub’ ich, frostig geworden. Allein seinen Sievers stellte er uns aufs lebhafteste und lächerlichste vor, und | mit [68] ihm alle seine Confratres, deren Zahl nicht klein ist, er thut also eben den Nutzen, den der abstrakte Satiriker schaft. Auch Swiften gelingen seine concreten Schilderungen weit besser, als die abstrakten. Das haben wir schon bey dem M äh rch en vo n d er To n ne gesehen. Nichts kan auch possirlicher seyn, als seine Angriffe auf Lintot, Carl u. a. dergleichen mehr. Es wäre daher freylich, wie Sie sagen, zu wünschen, daß ein guter Kopf ein Projekt machte, wie sich am leichtesten die gute Polizey mit der erweiterten Freyheit in diesem Punkte vereinigen ließe. Hauptsächlich schiene mir ein Mittel dazu zu seyn, daß man erlaubte, die Leute, so treu als man wollte, nach dem Leben zu schildern, ohne ihre Namen unter das Gemälde zu sehen.3 Auf den warhaftig rechtschafnen | Mann fände doch keine Satire statt, und [69] würde nicht die Furcht viele dazu machen? Doch Non nostrum est, tantas componere lites.

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Leben Sie wohl, liebster Freund. Ich will Sie nur noch schlüßlich bitten, sich nicht über die Ungerechtigkeiten unsers Publikums zu ereyfern. Es giebt deren gar zu viel, als daß man sie nicht gewohnt werden sollte. Es ist eine von den geringsten Sünden desselben, daß es Gellerten über Rabnern zu setzen scheint. Gellerten erhebt ganz Deutschland bis im Himmel. Ein Toussaint, ein Huber übersetzen seine Werke ins Französische, gleich als ob sie diejenigen wären, worauf unsre Nation am meisten stolz zu seyn Ursach hätte. Was müssen die Leute für einen Geschmack haben, um so wählen zu können? Von noch schlechtern, die auch in fremde Sprachen übersetzt werden, rede ich nicht einmal. Unsre warhaftig großen Dichter, einen Klopstok, einen Ramler, einen Geßner, einen Wieland, einen Gleim, alles | Männer, vor [70] welchen die Gellerts und Rabners, wie die Sterne vor der Morgensonne verdunkelt

3 Beruhigen Sie sich, meine Herren! Es sind St. Pierrische Wünsche, pia desideria, die nie zur Wirklichkeit gedeyhen werden. Warum wurden Sie denn so blaß, Herr Philo-Götze? Und Sie, Herr Schlötzer? - - - A n m e r k . d e s H e r a u sg e b .

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werden; je nu, die Nation kennt sie ja wol, und spricht, sie sind schön, aber werden sie Gellerten gleichgeachtet, genießen sie so einen allgemeinen, ausgebreiteten, durchgehends schmeichelhaften Ruhm? Was müssen doch diese wirklich vortreflichen Dichter denken, wenn sie Gellerten durch das Publikum über sie erhoben, oder ihnen doch wenigstens gleich gesetzt erblicken? Mit Mitleiden müssen sie das Publikum ansehen, für welches sie schreiben, und bloß auf das Urtheil der Nachwelt harren, welches sie gewiß schadlos halten wird, wenn ihre Schriften endlich einmal durchgedrungen seyn, und die Nation nach sich gebildet haben werden. Betrachten Sie nur diese Ungerechtigkeiten, dieses geschmacklose Verfahren, mein Freund, und dann wird die Vernachläßigung Rabners, worüber Sie sich beklagen, gänzlich vor Ihren Augen verschwinden.

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Achtzehnter Brief.

Ich höre Sie fünf Namen aussprechen, mein Freund, die mir Rabnern ganz aus dem Gedächtnis bringen. Sie nennen mir unsre grösten Dichter, einen Klopstok, Ramler, Geßner, Wieland und Gleim. Ich bin gewohnt, diesen Namen eine ungewöhnliche Verehrung zu zollen. Schriften dieser großen Männer sind mein beständiges Studium.1 Hätt’ ich sie nicht, was könnt ich dem stolzen Ausländer entgegen setzen? Mit diesen Schriften aber biete ich jedem Trotz, der mich frägt: Wer ist der Stolz deiner Nation? Wer sind die Zierden deiner Sprache? – Siehe hier meinen Milton, ruf’ [72] ich dem Insulaner zu,| der Klopstocken nur aus Uebersetzungen, das heißt, gar nicht kennt. – Zeige mir den Ramler deiner Nation, sag’ ich zu dem eiteln Franzen, zeige mir deinen Geßner, den Sohn der Natur! – Und dem glücklichen Bewohner der Ufer des Po und des Arno, oo’ il bel si suona, ihm, den die Natur mit sonderlichem Wohllaut begünstigt hat, ihm reiche ich meinen Wieland und Gleim dar, die Dichter der Grazien! – Und so bewafnet, misch ich mich kühn in ihre Reihen. Wenn aber der großmüthige Engelländer, der dankbare Gallier, und der geschmackvolle Italiäner mich frügen: wo steht Klopstoks Ehrensäule? An welchen Höfen prangt dein Ramler und Geßner? welche Prinzen bewerben sich um ihre Freundschaft? Und wo sind die Commentarien über Gleims und Wielands Schönheiten, um von der ganzen deutschen Nation studirt zu werden? – o so stehe ich beschämt da, und wünsche kein Deutscher zu seyn. [73] Ich hab’ Ihnen, liebster Freund, schon in einem meiner vorigen Briefe gesagt, daß ich die beständigen Klagen über den Kaltsinn der Nation gegen ihre Schriftstel-

1 Die Herren, Wieland und Gleim, haben verschiednes geliefert, das leider! von diesem beständigen Studio ausgenommen werden muß.

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ler zuweilen unbillig, zuweilen unanständig2 finde. Werfen Sie mir daher nicht vor, daß ich sie vermehren wollte. Ich tadle weniger den Kaltsinn der Nation (denn was kan wärmer seyn, als die Neigung, wovon sie gegen Gellert überfließt?) als ihren Mangel an Einsichten, und die daher entspringende Ungerechtigkeit gegen ihre besten Köpfe. Sich wider diese aufzulehnen, ist die Pflicht jedes Patrioten. Mag doch meinethalben Hagedornen und Kleisten nie ein Ehrendenkmal erbauet werden, Nur Werke der Vergänglichkeit!

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wenn die Nation ihren Schriften nur Gerechtigkeit wiederfahren läßt, dieselben fleißig ließt, ihre Schönheiten einsehen, zergliedern und fühlen lernt, und nicht die Schriften seichter Köpfe | über sie setzt. Ich würde herzlich über den Engländer [74] lachen, wenn er seine Dichter in Stein oder in den Grabstätten der Könige verewigte, und ihre Werke nicht unabläßlich studierte, sich darnach zu bilden suchte, und ihr Verdienst aufs genaueste abzuwägen wüßte. Dieß ist der gröste Ruhm der schriftstellerischen Genies; dies ist die große Triebfeder seiner Bemühungen, seiner einsam durchwachten Nächte. Darum vernachläßigte der große Geist den Beyfall seiner Zeitgenossen, darum verachtete er Glück und Ehrenstellen, machte Verzicht auf die Freuden der geselligen Liebe, und blieb unverblendet von den schmeichlerischen Verführungen des Reichthums und Wohllebens. Exegi monumentum aere perennius,

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sagte Horaz, und der verfolgte Rousseau wird ohne Ehrensäule in seinen Schriften ewig leben. Voltaire, mein Freund, ein Geist, der das Ideal des Genies ganz ausfüllt, würde hundert goldne Schlüssel, Ordens und Denkmäler für einen einzigen außerordentlich witzi|gen Einfall aufopfern; und ich lobe ihn darum! Der große Kopf muß [75] diese Tändeleyen der Thorenwelt nicht zu hoch anschlagen, und seinen wahren Ruhm in Handlungen und Schriften suchen. Aber wer kann es im Gegentheil gleichgültig ansehen, wenn die ächten Verdienste solcher Männer verkant, und die Namen, die zu sterben verdienen, bis an die Sterne erhoben werden? Ist kein Patriot in Deutschland, der seines Vaterlandes Ehre wünscht, und sich laut beklagt, daß die wenigsten der deutschen Nation den großen Werth eines Klopstoks oder Ramlers zu erkennen und zu schätzen wissen? Was that dir, Thor, dein Vaterland?

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Gemach, gemach! unsterblicher Klopstok! es wird ganz kalt zusehn, daß dich ein undankbarer fremder König vielleicht der Dürftigkeit übergiebt. Konnte es doch gestatten, daß dich der größere Vorfahr für dein göttliches Gedicht allein belohnte. Ja, wenn die Söhne Teuts noch so edel und kühn dächten, wie vormals,| oder wenigs- [76] tens das Verdienst ihrer Barden richtiger zu bestimmen wüßten, so wolt’ ich gern und aus voller Brust dem Verächter der Deutschen zurufen:

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Letzteres nehmlich besonders, wenn solches von Schriftstellern selbst geschieht.

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Was that dir, Thor, dein Vaterland?

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Aber man bewundert dich nur kalt; man ließt dich, und die wenigen, die dir gleichgestellt zu werden verdienen; aber ohne wahren Geschmack, ohne den hohen Grad jener Passion, mit der man durchaus die Schriften eines Gellerts betrachtet. – Und doch soll ich glauben, die Nation, für die du schreibst, besäße Geschmack? Credat Judaeus Appella!

Verzeihen Sie, mein Freund, ich habe den Ton des Briefstils ganz vergessen. Sie wissen, wie ich bin. Gegen alles Schlechte und Mittelmäßige unbarmherzig, aber eben so enthusiastisch für alles Große und Schöne. Ein solcher Mann wird gar zu leicht ungeduldig, wenn er nichts als kaltblütige Herzen um sich sieht. Wo sind die [77] ächten Leser, ich will nicht einmal sagen, der Klopstocke und Ramlere,| nein! nur der Geßners? Einige Kenner und Leute von glücklichem Gefühl ausgenommen, ist die Zahl der Verehrer unsrer großen Dichter sehr klein. Es ist wahr, wenn dieselben etwas neues liefern, so wird davon gesprochen, man findet es in Gesellschaften schön, es wird gekauft und wol gar köstlich eingebunden, auch zeigen es die Journalisten mit Lobsprüchen an (obgleich mehrentheils im Verhältniß gegen schlechtre Schriften ziemlich kalt, wie aus den verschiednen Critiken über den Aga t ho n und die Mu s a ri o n zu ersehen ist); kaum aber erscheinen einige andre Modebrochüren, so vergißt das Publikum alsbald das Gute wieder, welches eine kurze Zeit seiner Aufmerksamkeit werth geschienen hatte, und läuft, wie der Pöbel einer großen Stadt, dem ersten dem besten Charlatan und Hanswurst nach, der sich ihm als ein tüchtiger Scaramuz darstellt. Ist dies ein Wunder, da es nie das Gute nach Würden zu schätzen gewußt hatte? [78] Die fünf Dichter, mein Freund, welche Sie anführen, beweisen aber nicht einmal die Warheit unsers Satzes so einleuchtend, weil sie noch am Leben sind, und das Publikum also durch neue Produkte noch immer so ziemlich zu unterhalten wissen, als einige andre unsrer besten Dichter, welche schon todt sind. Diese haben uns die schätzbarsten Monumente ihres Genies in Werken hinterlassen, wovon man glauben sollte, sie wären in aller Leute Händen. Aber bey weitem nicht so! Man kennt sie, man hat sie einmal gelesen; aber dann sind sie vergessen. Ich sage noch mehr, sie werden wol zuweilen in witzigen Gesellschaften rühmlich erwehnt; aber sobald ein neues Gedichtgen von Jacobi, (den ich übrigens höher schätze, als manche, die seine Absichten und Gaben verkennen) oder eine piece fugitive von Engeln, Ebeling, Koch, Gottern, Kretschmann, Michaelis und Sangerhausen erscheint; o so sollten Sie sehen, wie begierig man den frischen Bissen verschlingt! Denn schreyt man: Wie [79] himm|lisch! wie göttlich! welche attische Urbanität! welch ein lydischweicher Gesang! Wie schalkhaft! wie fließend! – und wie die Modeexklamationen alle heißen. Ja, wo bleiben da die Stammhalter der deutschen Poesie? Vater Hagedorn ist gegen einen neuern Witzling unausstehlich trocken, und Kleist hat den Ton der guten Gesellschaft verfehlt. Wie muß dem Manne, der nicht ein so schwindlichter und von neuern Erscheinungen verblendeter Kopf ist, dabey zu Muthe werden?

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Es wundert mich, mein Freund, daß Sie diese beyden angeführten Dichter, in deren Schriften der ächte deutsche Charakter befindlich ist, gar nicht erwähnen. Haben Sie sie, wie Ihren Luzian, in der That, oder mit Vorsatz vergessen? Es waren keine im Stande, Ihre Meynung in ein helleres Licht zu setzen, als eben diese beyden. Warum schweigen Sie denn ganz stille davon? – Ich weiß, Sie können mir antworten: Verlangen Sie denn, daß ich alle Dichter nennen sollte? Ich nannte die | [80] vornehmsten. – Ja, eben dies ist es, was ich daraus schließe. Sie nennen die Vornehmsten. Warum nennen Sie alsdenn nicht auch einen Hagedorn, Kleist, Haller, Weiße, Zachariä, Lessing und besonders Uzzen? Gehören diese nicht eben auch unter die Zahl unsrer vornehmsten Dichter? Glauben Sie etwa, daß sie nur, wie Virgil sagt, i n we iter E n tf e rn u ng d i e Näc hs te n von den erwähnten fünfen sind? Ich komme auf diesen Scrupel bey Gelegenheit der Erinnerung eines Gesprächs über die deutschen Dichter, welches wir vor drey Jahren, als ich Sie in W … traf, mit einander hielten. Damals – wissen Sies noch wol? – legten Sie mir in der kleinen Gartenlaube Ihr historischpoetisches Glaubensbekenntniß ab, und sagten, daß Sie Classen unter den Dichtern aller Nationen machten. Die öberste Classe der deutschen Dichter, setzten Sie hinzu, ist nicht größer, als diese Laube, und wird doch vielleicht nicht ausgefüllt werden. Da nun die Laube nicht im Stande war, mehr als höch|stens sechs Personen zu fassen, so bringt mich dies auf die Vermuthung, daß [81] Sie schon damals die genannten fünf Dichter, als die einzigen Mitglieder der ersten Ordnung, im Sinne gehabt haben. Dies scheint mir etwas paradox; denn ob ich gleich selbst eingestehen muß, daß diese fünf Dichter mit Recht den Vorrang verdienen; so glaub’ ich dennoch, daß Klopstok im Verhältniß gegen die vier übrigen mit eben dem Rechte eine eigne Classe ausmachen könnte, als diese in Verhältniß gegen einige andre unsrer besten Dichter. Unter denselben nenn’ ich mit Recht unsern Nationalodendichter Uz zuerst. Dieser Mann ist mein Entzücken, und ich lese ihn mit fast gleichem Vergnügen, er mag Calliopens Tuba ergreifen, oder die süße Flöte Thaliens spielen. Es ist wahr, Ramler, den Sie so sehr erheben, er ist nicht allein unser Pallavicini, nein! er ist selbst der deutsche Horaz. Aber Uz ist, wo möglich, noch mehr als Ramler; er ist, mit Horazischem Geiste, der deutsche – Uz.| Ich kan meine Idee nicht [82] anders ausdrücken. Der Logikus, der Rabulist, oder Aesthetiker würden viel dagegen einzuwenden wissen; allein, ich weiß, Sie verstehen mich, und das ist mir genug. Lesen Sie, ich bitte, folgende Oden von Uz, und sagen Sie, sind es nicht Meisterstücke? D i e Zu f r i ed en hei t, d a s b ed r ä ngte D e u ts c hl an d, E r m u nter u ng z u m Vergn üge n, S i le nu s , Te m p e, ach! und d i e G ro t te d er Na c ht, dieses vortrefliche Stück! d ie D i ch tku ns t und endlich Th eo d i cee . Wie weit bleibt Rousseau unter Utzen, wenn man solche Oden mit den französischen vergleicht! Und dennoch ist meine Utzische Chrestomathie noch lange nicht vollständig. Seine scherzhaften Lieder sind, wenige ausgenommen, durchaus seiner würdig, und verschiedene derselben gehören unter die besten erotischen Lieder, die wir besitzen. – Die beyden in der neuesten Ausgabe hinzugekommene Bücher enthalten zwar viel

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mittelmäßiges; doch hiernach muß man Utzen nicht beurtheilen.| Sein Genie ist durch Alter und asträische Geschäfte zu sehr geschwächt worden, und dennoch entdeckt man hie und da in seinen Schwanengesängen noch Spuren seines ehemaligen Feuers. Seine übrigen Gedichte überliefern ihn nicht der Unsterblichkeit. Doch ist sein Lehrgedicht von der Ku ns t s tets f rö l ic h z u s ey n eins unsrer besten in dieser Gattung. Der Plan in demselben ist gut ausgedacht, und nach Art der Deutschen recht gut ausgeführt. Freilich hätte ihm sein Süjet noch mehr Ausschmückungen und Einkleidungen an die Hand geben können, und es ist immer zu verwundern, daß ein so guter Kopf nicht darauf gefallen ist, dieses Gedicht, wie die M u s a ri o n , in eine Erzählung zu verweben, oder es doch wenigstens mit eingestreuten Episoden auszuzieren. Sein S i eg d es L ie b esgo t te s ist nach meiner Meynung sein schlechtestes Werk, ob es gleich nicht arm an einzelnen guten Stellen ist. Ich will die Duschischen [84] Einwürfe dagegen, und seine Vertheidi|gungen unentschieden lassen. Soviel ist gewiß, er hat mir nie einen rechten Geschmack für dies scherzhaftseynsollende Gedicht einflößen können. Es scheint, als wenn der komische Ton dem vollen Odensänger nicht recht hat gelingen wollen. Nur Wielands haben das Talent, für die große Welt zu schreiben, und den Ton der Gesellschaften mit dem zärtlichsten Gesange der Musen auszusöhnen. In dem S ie g d e s L i eb esgo t tes hingegen herrscht ein ziemlich seichter Ton, unbedeutende Umstände sind oft zu weit ausgedehnt, und, was dem ganzen Gedichte den Tod giebt, ist der Mangel an Interesse. Man wird gar nicht im Lesen fortgerissen, der Gang des Stücks ist einförmig und steif, und der Dichter hat nicht Reiz genug über seine Materien zu verbreiten gewußt. Ueberdem ist das ganze Süjet von der Beschaffenheit, daß es nicht stark an sich zieht, und der Dichter ist zu unbesorgt gewesen, diesen Mangel durch Nebenschönheiten zu vergüten. [85] Nein! in dieser Gattung ist Zachariä ein ganz | andrer Meister. Sein S ch nu p f t u ch wird ihm beständig Ehre bringen. Es ist ein rühmliches Denkmal seiner Kenntniß der Welt, und man sieht es diesem Stücke an, daß es von einem Manne herrührt, der gewohnt ist, gute Gesellschaften zu besuchen. Der Pha eto n ist mit einer glücklichen Laune geschrieben, und enthält eine Reihe von den lebhaftesten Schilderungen. Warum Avenarius, statt des M u r ner s in d e r H ö ll e, nicht lieber diese beyden Heldengedichte zu seiner sehr wohlgerathnen Uebersetzung ins Lateinische genommen hat, vermag ich nicht wohl einzusehen. Der M u r ne r ist ein gutes Gedicht, aber nicht mit dem S ch nu p f t u ch e und Pha eto n in Vergleichung zu setzen. Die p o eti s c hen B r i ef e, die Uz seinen Werken angehängt hat, enthalten alle viel einzeln schöne Stellen, und der Brief an den Hofadvocat G. ist unter die besten von der Gattung zu setzen, die wir aufzuweisen haben. Nur der prosaische Styl hat [86] ihm, wie es scheint, nicht glücken wollen; ein Fehler, welcher mehr guten | Dichtern eigen ist.3 Dies benimmt seinen B r ie f en viel von ihrem Werth. [83]

3 Der vortrefliche Dichter ist jederzeit ein schlechter Prosaist, oder er schaft sich, wie Klopstok, einen eignen Styl.

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Er bleibt demohnerachtet einer unsrer größten Dichter, und Unglück Ihnen! wenn Sie mir hiezu Ihr Jawort verweigern.

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So schätzbar mir auch das Andenken jedes Augenblicks ist, den ich in Ihrer Gesellschaft zugebracht habe; so muß ich doch gestehen, daß mir das Süjet von unsrer kurzen Unterredung zu W... als ich Sie auf meiner Durchreise nach H… besuchte, gänzlich entfallen ist. Es ist mir zwar sehr schmeichelhaft, daß Sie sich meiner verlohrnen Reden so sorgsam erinnern; allein ist es nicht ordentlich boshaft, daß Sie mein damaliges Gespräch dazu anwenden, um einer Stelle meines Briefes, ich weiß nicht, welchen Zweck und welche Deutung zu geben? Ich sehe, ich sehe, Sie wollen mit mir zanken, und Sie werden machen, dadurch daß Sie sagen, das und das sey meine Meynung, daß ich sie annehme, und aus Leibeskräften zu | behaupten suche, [88] wenn ich auch gleich Anfangs gar keinen Gedanken darauf gehabt hätte. Es wäre wol nicht das erstemal, daß man einen armen harmlosen Mann durch Consequenzen zu dergleichen gezwungen hätte. In der That, ich bin in Verlegenheit. Denn da ich die Stelle, so Sie anmerken, hinschrieb, mag ich wol so weitaussehende Gedanken dabey nicht gehabt haben. Izt aber, da Sie mir dieselbe wieder zu Gemüthe führen, weiß ich nicht, was ich sagen soll, indem ich finde, daß ich wirklich so denke. Soviel ist gewiß, daß ich Classen unter den Dichtern aller Nationen mache, und also auch unter denen, von der unsrigen. Daß die erste allezeit sehr klein seyn muß, ist eben so gewiß. Denn wie selten ist nicht ein vortreflicher Dichter! Eben ihre Seltenheit setzt ihren Werth so hoch. Bevor wir uns aber darüber zanken, wer in diese erste Classe gehört, will ich Ihnen eine kleine Erzählung von meinem Geschmack und meinen Begriffen über diesen Punkt machen. Ich schätze den Dichter bloß nach dem Genie, und das Genie besteht hauptsäch- [89] lich in der Kraft zu schaffen; hievon heißt er ein Poet. Es versteht sich, daß mir sein schöpferischer Geist lauter Dinge vorstellen muß, die mich interessiren. Kan er aus einem dem Scheine nach unbequemen Dinge etwas machen, das mich interessirt; Heil ihm! Ich bewundere ihn um so mehr. Aber auch das ist schon hinreichend, ihn in meinen Augen zum großen Dichter zu machen, wenn er nur weiß, Gegenstände zu wählen, welche wichtig sind, und das Wichtige, das schon darinnen liegt, es bestehe im Großen oder Reizenden, heraus zu holen, um mirs zu zeigen. Dies ist die Haupteigenschaft aller Dichter, und der Maasstab, nach dem ich sie abmesse. Die übrigen Eigenschaften verstehen sich theils von selbst, als die Kunst, die Erfindungen der Natur und dem Zwecke einer jeden derselben gemäß vorzustellen, denn ohne diese ist gar keine Dichtkunst; und zur Erfindung gehört nicht nur die allgemeine Erfin|dung eines Süjets, sondern auch die Erfindung seiner besondern Theile nebst [90]

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ihrer Anordnung. Sich den Aeneas, der die Dido verläßt, im Allgemeinen zu denken, kan auch ein seichter Kopf; aber, wie Virgil, alle Umstände und die diesen Umständen gemäße Reden hinein zu dichten, welche fähig sind, mir die Sache interessant zu machen (verzeihen Sie mir dies Wort, wodurch ich eine Sache ausdrücke, die, wenn ich sie ganz speciell erklären wollte, weitläuftig werden würde) das macht den Dichter aus. Theils sind die Eigenschaften des Dichters auch von einer minder wichtigen Gattung, als das Fließende des Verses, die Vermeidung der Härte im Ausdruck u. a. die zwar in einem gewissen Grade bey allen Dichtern gefunden werden müssen, die aber dem mittelmäßigen Kopfe niemals allein zum Verdienste angerechnet werden können. Denn freilich, wer eine Sprache nicht kennt, der muß überhaupt es unterlassen, darinnen zu dichten; ein guter, reiner Vers allein macht [91] aber nicht den Dich|ter, sondern den Versmacher aus. Hieraus entsteht eine kleine poetische Ketzerey bey mir, daß ich nemlich den Lehrdichter, wenn er mir nicht alle seine Sätze durch Gemälde, und zwar dichterisch bearbeitete Gemälde, durch den ganzen Schmuck der Einbildungskraft weiß sinnlich zu machen, gänzlich aus der Zahl der Dichter wegstreiche. Er ist mir wol ein Versmacher, aber kein Dichter. Die unter dem Bilde einer wichtigen Republik geschilderte Bienenwirthschaft ist mir ein reizendes kleines komisches Heldengedicht, worin mir doch noch das liebste die vortrefliche angehängte Episode ist, die das Stück vollends zum Gedicht macht. Denn philosophische, moralische, ökonomische oder politische Sätze, in Versen gesagt, sind mir nicht um ein Haar werther, als wenn sie mir in Prosa gesagt würden. Das Geklingel der Verse kan mich wol eine Zeitlang vergnügen, wenn es aber nicht mit belebenden Bildern, mit interessirender Handlung verbunden ist; so ermüdet es [92] mich endlich. Ich nehme | alsdenn ein gründliches Buch von diesen Materien, in ehrlicher Prosa geschrieben, weit lieber zur Hand; denn die Lehrgedichte bleiben in Betrachtung ihres Inhalts stets seicht. Wer nur die interessirendste Erfindungskraft besitzt, der ist der Dichter, den ich in die erste Classe setze. Er dichte mir von Hirten oder von Göttern, von Schlachten oder von Liebesgeschichten, er drücke die Begebenheiten und Empfindungen andrer, oder seine eignen aus; kurz, wenn er mich nur interessirt, so ist er mein Dichter, und ich liebe ihn. Je geringer der Gegenstand an sich ist, je unfähiger er dem gemeinen Auge der Bearbeitung zu seyn scheint; je mehr bewundere ich den schöpferischen Geist des Mannes, der ihn mir wichtig und reizend geschaffen hat. Geßner bekommt den Einfall, ein Gedicht zu machen, das von einem neunzig jährigen Hirten handeln soll, der sich entschließt, den Göttern zu opfern. Welch Süjet! wie simpel! wie [93] uninteressant dem Anscheine nach! Weiß er aber den Alten | so lebhaft, so wahr reden zu lassen, daß ich ihn zu hören glaube, weiß er ihm solche Umstände anzudichten, die mir den Mann werth und wichtig machen; großer Geist, der du das kanst, der du das Nichts zu etwas Vortreflichem machst, ich bewundere dich gleich einem Gotte. – Es muß mir einer eine solche Erfindungskraft von der ersten Größe zeigen, wenn ich ihn unter die Dichter der ersten Classe setzen soll. Messen wir nach diesem Maasstabe unsre Nationaldichter aus; wie viel kennen Sie wol, die mit den

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obbenannten in gleicher Reihe sitzen dürften? Oder glauben Sie, daß in Ihrer kleinen Laube zu W… für die, denen man mit Grund solche göttlichen Gaben zuschreiben könnte, nicht Platz genug wäre? O sie würde wahrhaftig nicht voll. Sie müssen freylich mit mir annehmen, daß sich diese göttliche Kraft des Geistes bey einem Dichter nicht in einem oder ein paar einzelnen Stücken, sondern in vielen von seinen Werken zeigen muß. Bey jedem Dichter findet eine Auswahl statt. Aber zu | ein paar [94] dichterischen Stücken kan der Zufall oft auch einen Dichter von mitlerer Gattung emporschwingen. Der aber, welchen ich in die erste Classe aufnehmen soll, muß sich durch ein beträchtliches Werk, oder durch wiederhohlte glückliche Arbeiten legitimiren können, daß er wirklich diese göttliche schöpferische Kraft vom Himmel erhalten habe. Mag er doch alsdenn schlechte Sachen aus Nachlässigkeit oder Alters Schwachheit in die Welt schicken; man rechnet sie nicht; wenn nur ein Monument von ihm vorhanden ist, das ansehnlich genug ist, um auf die Nachwelt zu kommen, und ein Beweiß seines Genies zu seyn. Urtheilen Sie einmal, oder rathen Sie vielmehr nach diesen datis, wen ich wol in die erste Classe der Dichter setzen mag. Giebts ihrer mehr, als höchstens die benannten? Können gute Verse ohne Erfindung, können ein paar Bogen ächter genievoller Gedichte zu diesem Ruhm erheben? Wenn Sie diese Grundsätze annehmen, so nehme ich es über mich, der Thürwächter jener | [95] kleinen Laube zu werden. Zeigen Sie mir die Ansprüche eines jeden, den Sie hineinsetzen wollen; wir wollen sie zusammen untersuchen. Diese Untersuchung muß zwar aufs schärfste hergehen; je mehr Sie mir aber Gäste oder Mitglieder dieses apollischen Stiftes zuführen, je willkomner sollen sie mir seyn. Wenn sie nur gehörig ihre sechzehn Ahnen beweisen können. Aber ich sehe jemand, für den ich von selbst, ehe Sie mich dazu zwingen, den Schlagbaum aufziehen will, um ihn in diese herrliche Gesellschaft einzulassen. Das ist die Karschin. Diese Dichterin hat wahres Genie. Sie werden wenig von ihr finden, das nicht einen schöpferischen Stempel an sich hätte, und vieles ist durchaus vortreflich. Vielleicht trennen Sie sich aber in Ansehung der besagten Grundsätze von mir, und alsdenn käme es erst darauf an, diese in Richtigkeit zu bringen. Mir scheinen sie so wahr, daß ich nicht eher den guten Geschmack gegründet zu sehn glaube, als bis die Dichter nach | dem Genie classificirt, und die vorzüglichsten derselben zuerst [96] und allein der Jugend in die Hände gegeben worden sind. Daß die Griechen ein Volk von so großem und richtigen Geschmack waren, kam daher, weil man ihnen, auch dem Gemeinsten, von Kindesbeinen an den Homer nicht nur lesen, sondern ganz auswendig lernen ließ. Ja, ich schwöre Ihnen zu, der gemeinste Bürgerssohn zu Athen kannte seinen Homer besser, als unsre Witzlinge Klopstok kennen. Alsdenn, wenn unser Publikum eben so weit ist, und nicht eher, werden die blühenden Zeiten für die deutsche Dichtkunst aufsteigen. Soviel ist gewiß, daß die Nation gar nicht nach diesen Grundsätzen urtheilt. Wenns nur Verse gemacht heißt; ob dichterisches Genie da ist oder nicht, darum bekümmert man sich wenig. Es ist sogar so weit gekommen, daß von tausend Lesern es nicht einmal einer beurtheilen oder empfinden kan. Ich will Ihnen das in einem neuen Beyspiele, das mir heute eingefallen ist,

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aufs deutlichste zeigen,| und bis auf ein andermal die Frage versparen, ob Uz, den ich selbst für einen schönen Dichter halte, in die Laube kommen soll, oder nicht. Fragen Sie einmal alle Leute, die eifrige Anhänger von Gellerten sind, welchen Dichter sie außer ihm unter die größten in Deutschland rechnen, und Haller wird die Antwort seyn. Ich wenigstens höre ihn überall aufs höchste loben. Man bewundert in dem Hrn. von Haller mit Recht einen großen Arzt; man kennt ihn als einen Mann, von dem man die Epoche der neuern und schönern Zeiten der deutschen Dichtkunst zu zählen anfängt, nicht als hätte er etwas zu ihrer Bildung beygetragen, (denn es hat sich gewiß keiner von unsern guten Dichtern nach ihm gebildet) sondern weil er der erste war, welcher von jenem wässerichten Modeton abwich, der zu seinen Zeiten herrschte. Ihn aber deswegen einen Dichter zu nennen, das kan ich unmöglich, geschweige, daß ich ihn gar unter die Zahl unsrer großen Dichter setzen sollte, wie [98] unser Publikum durch|gehends thut. Dazu gehört nun in der That noch etwas mehr, als philosophische Sentenzen in Reime zu zwingen, und dies ist Hallers ganzes Verdienst. Ich weis nicht, welchen Werth dieser große Arzt auf seine Gedichte setzen mag; es wäre aber kein Wunder, wenn er einen drauf setzte, da sie ihm in Deutschland einen so ausgebreiteten Dichterruhm erworben haben. In der That haben sie gar keinen Werth, als den einzigen, verschiedne glückliche und starke Gedanken zu erhalten; dies ist aber kein poetisches Verdienst. Hr. v. Haller, als er diese Gedichte verfertigte, glaubte gewiß, das Wesen der Dichtkunst bestünde im Versemachen, und zu diesem Irrthum mochte ihn ohnstreitig die damalige Mode verleitet haben, die jedes Gelegenheitsverschen zum Gedicht, und denjenigen, der in Hervorbringung solcher Dinge am fertigsten war, zum Dichter machte. Weil er nun ein tiefdenkender Kopf war, so brachte er sehr vernünftige Gedanken in seine Verse, die wegen ihrer [99] Energie und der Unge|wöhnlichkeit, sie in Silbenmaas und gereimt zu sehen, ganz Deutschland bezauberten. Denn seit Opizen hatte man dergleichen vergebens gesucht, und Gottsched, der bekannteste Poet damaliger Zeiten, war so gedankenleer, daß, sobald Haller aufstieg, und die engländischen Dichter in Deutschland bekannter wurden, man unvermerkt den Irrthum einsog, die Dichtkunst bestünde in starken und erhabnen Gedanken, die in gedrängte Verse eingekleidet wären. Sie werden auch in den wenigsten seiner Werke einen ächten dichterischen Geist entdecken. Nehmen Sie z. B. d i e A l p en ; was für ein Gedicht hätte nicht ein Poet von Genie daraus machen, mit wie vielen interessanten Scenen, mit wie vielen vortreflichen Episoden ausgeschmückt, hätte er es uns nicht liefern, und uns dadurch entzücken können? Izt ist es nichts, als eine frostige Reisebeschreibung nach den Alpen in Versen, worunter einige ganz glücklich seyn mögen; macht das aber ein Gedicht aus? [100] Er klagt im Vorberichte, daß er eine beschwer|liche Gattung von Gedichten gewählt hätte, nemlich Strophen von zehn Versen, welches ihn gezwungen, so viel besondre Gemälde zu entwerfen, als Strophen wären, und jederzeit einen ganzen Vorwurf in zehn Zeilen zu beschließen. Die Gewohnheit neuerer Zeiten, die Stärke der Gedanken allemal gegen das Ende steigen zu lassen, hätte ihm die Ausführung noch schwerer gemacht. Ich vermuthe hieraus, daß Haller gedichtet hat, ohne sich einen genauen [97]

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Plan seines Gedichts zu entwerfen. Die erste Strophe hat die übrigen angegeben. Ja, das ist mir die rechte Art. Ich wüßte sonst nicht, was das, was er sagt, heißen soll. Denn erstlich, warum wäre das so schwer in zehnversigen Stanzen zu dichten, da der Italiäner ganze Heldengedichte in Ottaven macht? Und wer hat denn verlangt, daß zehn Zeilen einen Vorwurf erschöpfen, daß sie in einem Climax wachsen, und mit einer Pointe schließen müssen? Zweytens, wenn er das Silbenmaas zu seinem sich durchgedachten Plane | unbequem fand, was hinderte ihn wol, ein anders zu [101] nehmen? Aber es ist zuverlässig, daß das Gedicht ohne bestimmten Plan angefangen wurde. Das erste, was herauskam, war eine zehnsilbige Stanze, worauf sich alsdenn alles übrige in zehnsilbige Stanzen schmiegen mußte. Ich brauche wol nicht zu beweisen, daß in dem Gedicht, d i e A lp en, nichts dichterisches ist. Ich müßte sonst das ganze Gedicht abschreiben. Lesen Sie es, so werden Sie finden, daß ich wahr geurtheilet habe. Wir besitzen aus dem Alterthume ein Gedicht, das mit diesem einige Aehnlichkeit hat, nemlich den Ae tna eines ungewissen Schriftstellers. Auch dies Gedicht ist nicht nach meinem Sinne, und hätten Virgil oder Ovid dies Süjet bearbeitet, so würde, glaub’ ich, etwas ganz anders daraus entstanden seyn. Dennoch übertrift es an Feuer die Beschreibung der Alpen bey weitem. Den Eingang dieses Gedichts ziert besonders eine schöne Schilderung der Sachen, welche die Poeten vom Aetna gedichtet haben, z. E. daß | er die Werktstätte des Vulcans sey, und [102] von der Unternehmung der Riesen gegen die Götter. Dies ist sehr poetisch ausgedrückt. Das übrige des Gedichts enthält zwar nur eine bloße Beschreibung des Aetna; sie ist aber dennoch weit feuriger, edler und mit mehr poetischem Schmuck ausgedrückt, als die Hallerische Beschreibung der Alpen. Eben so wenig sind Hallers Gedanken ü b er Ver nu n f t , Ab erglau b en u nd Ungl au b en ein Gedicht zu nennen. Es sind nichts wie Verse. Hätte der Dichter nicht durch eingewebte Erzählungen die Abscheulichkeit des Aberglaubens und Unglaubens ausdrücken, und also wirklich poetisch darstellen sollen? Was sind aber die Hallerischen Gedanken anders, als Verse? Wollen Sie einmal einen Dichter aus dem Alterthume über ein ähnliches Süjet hören? Es ist Lucrez. Er will seinem Freund beweisen, er führe ihn nicht den Weg zum Verbrechen, indem er ihm die Nichtigkeit der Begriffe von den Göttern lehre; im Gegenheil habe | die Verehrung derselben oft [103] Schandthaten verursacht. Ist es ihm etwa genug, dieses in guten Versen, wie Haller, zu sagen? Nein, ein Beyspiel muß den Satz heben, und ihn dichterisch machen. Lassen Sie uns sein Gemälde betrachten. Aulide quo pacto Triviaï virginis aram Iphianassai turpârunt sanguine foede Ductores Danaûm, delecti, prima virorum. Quoi simul infula virgineos circumdata comptus Ex utraque pari malarum parte profusa est. Et moestum simul ante aras adstare parentem Sensit, & hunc propter ferrum celare ministros; Aspectuque suo lacrimas effundere cives: Muta metu terram genibus submissa petebat.

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Nec miserae prodesse in tali tempore quibat, Quod patrio princeps donarat nomine Regem. Nam sublata virûm manibus tremibundaque ad aras Deducta est, non ut, solemni more sacrorum Perfecto, posset claro comitari Hymenaeo: Sed casta inceste nubendi tempore in ipso Hostia concideret mactatu maesta parentis, Exitus ut classi felix faustusque daretur.

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Nachdem der Dichter das Gemüth durch diese ganz vortrefliche Erzählung erschüttert hat, so hängt er die summarische Betrachtung an: Tantum Relligio potuit suadere malorum.

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Lucrez ist nicht durch sein ganzes Werk so dichterisch. Oft fällt er ins Trockne und wird ein | bloßer Versmacher. Auch war dies in seinem philosophischen Gedichte kaum zu vermeiden. An solchen Stellen aber (und er hat deren mehrere) erkenne ich den Dichter. In den Hallerischen Süjets lag überdies ein viel schicklicherer Stof zur dichterischen Bearbeitung, als in den Lucrezischen. Wie wenig aber hat er ihn benutzt! Zeigen Sie mir in allen seinen Gedichten eine einzige Stelle, die mit dieser in Vergleichung gesetzt werden könnte. Nicht einmal in dem Gedicht, d ie Fal s c hhe it m ens chl ic he r Tuge nd en , wo das Süjet ihn durchaus zwang, etwas erzählendes einzuweben, findet sich das geringste wesentlich Poetische. Lesen Sie einmal folgendes Gemälde vom Cato: Die Welt, die Cäsarn dient, ist meiner nicht mehr werth, Ruft Cato, Roms sein Geist, und stürzt sich in das Schwerdt. Nie hat den festen Sinn das Ansehn großer Bürger, Der Glanz vom theuren Erzt, der Dolch erkaufter Würger, Von seines Landes Wohl, vom bessern Theil getrennt, In ihm hat Rom gelebt, er war das Vaterland. Sein Sinn war ohne Lust, sein Herz war sonder Schrecken, Sein Leben ohne Schuld, sein Nachruhm ohne Flecken. In ihm verneute sich der alten Helden Muth, Der alles für sein Land, nichts für sich selber thut; Ihm daurte nie die Wahl, wenn Recht und Glücke kriegten, Den Cäsar schützt das Glück, und Cato die Besiegten.

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Wie schlecht ist nicht in dem letzten Verse Lucians Victrix caussa Diis placuit, sed victa Catoni,

übersetzt! Cato konnte die Besiegten keinesweges schützen. Placuit drückt eine ganz andre und viel richtigere Idee aus. Wie leblos und undichterisch ist aber auch das [107] ganze Gemälde! Komm her, unser Freund Horaz, zeige du | uns einen großen Mann, wie ihn ein Dichter schildern muß! Es sey Regulus in seiner berühmten That. Nachdem er ihm die schönste Rede in den Mund gelegt hat, fährt er also fort, ihn dichterisch zu malen:

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Fertur pudicae conjugis osculum Parvosque natos, ut capitis minor, A se removisse & virilem Torvus humi posuisse vultum; Donec labantes consilio Patres Firmaret auctor nunquam alias dato, Interque moerentis amicos Egregius properaret exul. Atqui sciebat quae sibi Barbarus  Tortor pararet. Non aliter tamen Dimovit obstantes propinquos, Et populum reditus morantem, Quam si clientum longa negotia  Dijudicata lite relinqueret, Tendens Venafranos in agros Aut Lacedaemonium Tarentum.

Oder waren etwa im Leben des Cato keine sol|che Umstände? O ja, es waren ihrer [108] viel; wenn man sie nur zu wählen gewußt, und das Genie gehabt hätte, sie dichterisch zu malen. Kommen in seinem Leben nicht allerdings Umstände vor, denen man leicht den Anstrich falscher Tugenden, lobgieriger oder eigensinniger Thaten hätte geben können, so zuwider mir dies auch bey einem Manne von so göttlichen Eigenschaften ist, wie Cato war. Wir sind keine Wartons, mein Freund, und wollen es auch nicht seyn. Ich schreibe einen Brief an Sie, worin ich Ihnen meine Urtheile über Hallers Gedichte mittheile; ich schreibe aber kein Buch. Sie werden mich daher der Mühe überheben, Hallers poetisches Verdienst noch mehr zu zergliedern. Er ist sich in allen seinen Gedichten gleich. Ich weiß wol, Sie werden mir die Stelle aus einem seiner Gedichte anführen, worin die Ewigkeit so vollkommen dichterisch und groß geschildert ist. Ist denn aber eine glückliche Stelle, deren sich noch wol einige im Haller finden ließen, hinreichend | zu dem Anspruche auf den Namen eines Dichters? Zumal wenn man [109] überdies sieht, daß ihm alles dazu fehlt. Meines Erachtens gar nicht. Ich kenne ein Stück von Hallern, das wirklich dichterisch gut ist; nemlich seine D o r is . Die wahre Sprache des Herzens, die darin herrscht, der glückliche Plan, den die Empfindung hineingebracht hat, und welcher von Idee auf Idee den natürlichsten und leichtesten Gang führt, machen das Gedicht zu einem der schönsten in dieser Art. Auch ist die Ode auf Marianens Tod empfindungsvoll. Allein die übrigen sogenannten Oden sind gar nicht das Werk eines Dichters, noch viel weniger die Fabeln und Cantaten. Macht aber nicht das Werlhofische Gedicht eine hübsche Figur darin? Vielleicht ist es da hingesetzt, um das übrige durch den Contrast ein wenig zu heben. So verehrungswürdig mir in anderm Betracht der Hr. v. Haller ist; so ungerecht scheint es mir zu seyn, wenn man ihn einen unsrer großen Dichter nennt, wenn man seine Schrif|ten als Werke des Genies preiset, und sie den Ausländern in Ueberset- [110] zungen liefert. Eben so schädlich ist es auch, sie der Jugend als Muster mit Lobsprüchen in die Hände zu geben. Denn diese schöpft einen ganz falschen Geschmack

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daraus, denkt, Versemachen und Dichten sey eins, ist blind gegen das wahre dichterische Genie, und lobt nur den, welcher ihr moralische Sentenzen vorleyert. Daher kommt es auch, daß wir an unpoetischen Lehrgedichten einen solchen Ueberfluß haben, dahingegen Werke des Genies so selten bey uns sind. Ich finde wahrhaftig das deutsche Publikum in seinen Bewunderungen recht unglücklich. Gellerten und Hallern an der Spitze; die übrigen hinter drein, wie sie kommen. O ihr großen Männer, Deutschlands Ehre, wenn euch anders das Geschrey der Menge nicht betäubt, wenn ihr nicht dafür erschreckt, was müßt ihr denken, wenn ihr solche Leute, als große Dichter, in eurer Gesellschaft findet? [111]

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Leben Sie wohl, mein Freund, und wünschen Sie mit mir, daß der Geschmack und das Gefühl des wahrhaftig Schätzbaren in Deutschland besser emporkomme. Es thut gewiß noch sehr nöthig.

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Zwanzigster Brief.

Ich hab’ Ihnen lange geschwiegen, mein Freund. Nicht wahr? Sie glaubten schon, ich wäre im Lande der Schatten, und brächte den Manen Gellerts eine libation expiatoire von ihnen? Das nicht; aber gewiß ist, daß ich … verlassen habe, und mich izt an einem Ort aufhalte, der keine geringe Aehnlichkeit mit den finstern Regionen des Tartarus hat. In diese Einöde haben sich die Namen Witz und Geschmack niemals verlohren. In Absicht der Litteratur ist mein Aufenthalt ein Böotien, und an der Lage des Orts würde Ovid sein Tomos erkennen. Oft gerathe ich in Versuchung, Elegien im Schubartschen Ton, oder Müllerische Nachtgedanken zu singen. Denn in der That, [113] ich bin ganz aus meiner | Sphäre gebracht, und von lauter Gegenständen umgeben, die nichts weniger als Präservative gegen den Hypochonder sind. Sie haben mir gelehrt, mein Freund, daß die Leidenschaften die Seele wach erhalten, und am geschicktesten sind, dieselbe für die Trägheit zu schützen, welche mit Recht die Fäulniß des menschlichen Geistes genannt werden kan. In der Einsamkeit, worin ich izt versetzt bin, wird diese Trägheit meine gefährlichste Feindin werden, denn was wäre hier im Stande, meinem Herzen Beschäftigung, und meiner Denkungskraft Nahrung zu geben? Ihre Briefe sind meine einzige Hofnung. Erwecken Sie mich oft durch dieselben aus meinem Schlummer. Ich war zu wissen begierig, wie Sie sich über Utzen erklären würden; und siehe da! Sie weichen geschickt aus, und sagen mir unvermuthete Neuigkeiten über Hallern. Ich liebte diesen Dichter wegen seiner Stärke in den Gedanken. Ihre voraus [114] geschickten Begriffe von der wahren Poesie, die ich sehr richtig finde,| haben aber mein Urtheil geändert. Ich gestehe es, Sie sind etwas strenge, und verdienten eine umständlichere Zergliederung, um noch mehr außer Zweifel gesetzt zu werden;

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allein Sie haben Recht, wenn Sie glauben, daß der stärkere oder schwächere Grad des hervorzubringenden Interesse die Rangordnung und den eigentlichen Werth der Dichter am sichersten bestimmt. Ohne diesen Maaßstab anzunehmen, wird man niemals etwas Gewisses über die Classification der Dichter sagen können. Es scheinen ihn auch die großen Dichter aller Nationen, selbst in Hervorbringung ihrer unsterblichen Werke, vor Augen gehabt zu haben. Sie haben jederzeit Gegenstände besungen, welche die ganze Menschheit interessiren, und dieses brachte jenes Ideal von Nachahmung der Natur, von einer gewissen edlen Simplicität in ihre Gedichte, welches alle Jahrhunderte einnimt, und niemals seine Kraft verliert. Alle Local- und Temporaldichter, welche nicht wenigstens in einzelnen Stellen der Nachwelt ha|ben [115] wichtig seyn wollen, sind entweder verlohren gegangen, oder verstümmelt worden, oder werden nicht gelesen. Ich habe den Persius niemals auslesen können, weil er voll von unerklärbaren Anspielungen ist, die nur für sein Jahrhundert, die nur für die Regierung eines Nero wichtig seyn können. Juvenal interessirt mich allezeit unendlich mehr. Ueberhaupt wird man finden, daß sich große Genies selten zu Anspielungen erniedriget haben. Sie finden den Zirkel ihres Zeitraums für ihre Größe zu enge, und dehnen sich deshalb mit ihrem Geiste über seine Grenzen aus. Selbst Cicero, welcher doch mit so viel großen Männern zugleich lebte, und in dem grösten Staate eine so ansehnliche Rolle spielte, machte, unbefriedigt von dem Beyfall seiner Zeitgenossen, den Nachruhm zu der großen Triebfeder seiner Handlungen und zum Ziele seiner Schriften. Eben dieses Ziel wird ein großer Dichter niemals aus den Augen verlieren. Von dem Anblick desselben begeistert, wird sein schöpferisches Genie | der Natur auf ihren geheimsten Wegen nachspüren, und je mehr es sich [116] derselben nähert, je mehr wird es Interesse hervorbringen. Haller, mein Freund, ist ein zu philosophischer Kopf, um ein großer Dichter seyn zu können. Seine Ideen von dem Wesen der Poesie sind sehr eingeschränkt; dies kan man aus der Vorrede zu seinen und Werlhofs Gedichten sehen, welche letztere ein Haller doch nicht hätte anpreisen müssen. Ich habe mich gewundert, diese beyden Stücke in seinen k l ei nen S ch r if ten von neuem gedruckt zu sehen, da sie gar nichts richtiges und gründliches in dieser Materie enthalten. Haller abstrahirte seine Begriffe in der Poesie von Popen, wie er auch gar nicht verheelt. Diesen setzte er sich zum Muster, und gab dadurch das erste Beyspiel von dem Schaden, den die gar zu frühe Bekantschaft der Engländer in der deutschen Dichtkunst hervorgebracht hat. Denn Haller ist ein offenbarer Nachahmer der Engländer, deren freye und starke Denkungsart ihn und durch ihn ganz | Deutschland entzückte, und verursachte, daß [117] man Popen, Addison und andere als die vortreflichsten Dichter ansah, weil sie reich an vortreflichen Gedanken waren. Weil nun der denkende Kopf, ob gleich in gemäßigterm Grade gleichfals der vornehmste Charakter der deutschen Nation ist, so schlich sich das Vorurtheil ein: je stärker und gedrungener ein Dichter dächte und schriebe, je größer wäre sein Rang in der poetischen Welt. Dies brachte die Sucros, Creuze und andere Nachahmer Hallers hervor.

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Wir haben einen Lehrdichter, den ich wol nicht eigentlich einen Nachahmer Hallers nennen kan, der aber (aus was für einem Grunde, weiß ich nicht) von den Kunstrichtern unter unsre besten moralischen Dichter gerechnet wird. Es ist Withof. Wenn Haller, nach Ihrem Urtheil, auf den Namen eines Dichters Verzicht machen muß; so weiß ich nicht, was Withof für einen Namen erhalten soll. Dieser ist ein wahrhaftiger Dogmatiker im Sil|benmaaß, und mit Hallern in Absicht der gedrungenen Kürze, der Spannung des Geistes und des Gewichts der Gedanken gar nicht zu vergleichen. Es herrscht zwar ein ziemlich durchgedachter Plan, und eine schickliche, obgleich völlig undichterische Bearbeitung in seinen Werken; dagegen ist er oft gedehnt und schleppend, überhaupt aber ohne poetisches Feuer. Sie haben dem Herrn von Haller ohne Zweifel nicht viel verbindliches gesagt, indem Sie seiner D o r is Gerechtigkeit wiederfahren lassen; denn er hat über dieses reizende, unschuldige und mit vieler Ehrbarkeit gesungene Lied, welches seinem Herzen so viel Ehre bringt, seine Mißzufriedenheit öffentlich zu erkennen gegeben. Ich habe aber schon gesagt, daß Haller nie ein großer Kenner und Beurtheiler des Schönen gewesen ist. Dieses empfindungsvolle Gedicht, worin er sich offenbar seinem eignen Genie überlassen hat, (denn damals kannte er die Engländer noch nicht) das unvergleichliche | Fragment ü b er d ie E w igkeit , sein Trauerlied au f Ma r i an en und der Eingang des Gedichts vom Ur s p r u ng d e s Ueb els sind die vornehmsten Denkmäler seiner Talente zur Dichtkunst. Ich weiß wol, daß man es für billig hält, wenn ein Dichter, der in seiner Jugend getändelt hat, und in reifern Jahren wichtigere Arbeiten liefert, seinen jugendlichen Scherzen öffentlich den Abschied giebt, und sie bey ihrem rechten Namen nennt, um in seinen Schriften nicht zweydeutig zu erscheinen; ein zärtliches Gedicht aber für einen Bastard zu erklären, weil es ein zärtliches Gedicht ist, diese Gewissensregung ist wol ein wenig zu weit getrieben. Wenn diese Denkungsart allgemein wäre (und dies würde der frömste Wunsch eines gewissen Kunstrichters seyn) wie viel Bußthränen über erotische Gedichte müßten alsdenn vergossen werden! Wie kommen Sie dazu, ein so großer Verehrer der Fr. Karschin zu seyn, daß Sie sie vor allen andern in unsre olympische Versam|lung einlassen wollen? Ich für mein Theil habe gegen ihr Creditiv manches einzuwenden, und ob ich sie gleich für ein vortrefliches Genie halte, so scheint es mir doch ungerecht, sie über einen Uz, Gerstenberg oder Denis zu setzen. In der zweyten Classe will ich ihr gern einen ansehnlichen Platz gönnen, denn freilich ist sie ein ganz sonderbares Phänomen. Besonders haben ihre ersten Arbeiten einen originellen Geist und eine Lebhaftigkeit in der Empfindung, welche ihr den Namen der deutschen Sappho mit Recht erwirbt. Hr. Moses findet dies unbillig; ich muß aber gestehen, was er davon sagt, hat mich nicht überzeugt, so groß auch meine Verehrung für diesen vortreflichen Mann ist. Die Franzosen zählen viele Frauenzimmer unter ihren schönen Geistern. Aber eine Karschin haben sie nicht; Diese Frau gereicht stets unsrer Nation zum Ruhm. Hätte sie ein Werk, wie C is s i d es u n d P ac hes , hätte sie Kr i egs l ie d er geliefert; so wollte ich Ihnen gern den Schlagbaum aufziehen helfen. Wie kan ich aber, da | sie

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zumal izt anfängt so sehr zu sinken, eine Gelegenheitsdichterin zu werden, und man in ihren itzigen Arbeiten gar kein Feuer, keinen Dichtungsgeist mehr entdeckt? Ihre Nachahmungen von Ramlern, einige ausgenommen, sind verunglückt. Keiner unsrer Dichter ist so uncorrekt, wie sie. Sie scheint die Feile bey ihren Werken gar nicht gebraucht zu haben. Aller Orten findet man Gelegenheit, Ausdruck, Versification, Sprache, ja Gedanken selbst zu tadeln. Auch ist nicht genug Verbindung der Ideen und Rangordnung der Bilder in ihren Gedichten. O mein Freund, Uebereinstimmung der Theile und leichter melodischer Gang der Begriffe und Verse ist das Vorrecht der welschen Dichtkunst. Seit ich angefangen habe, den Italiänern Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, bin ich in Absicht des innerlichen Gehörs eigensinnig, wie Sie. Ein schwerfälliger Dichter kan niemals mein Gefühl erregen. Dem Sänger der Laura aber ist mein ganzes Herz offen.| Es wäre zu [122] wünschen, daß uns einige gute Köpfe genauer mit den italiänischen Dichtern, mit einem Filicaja, Chiabrera, Rolli, Lemene und andern bekant machten, oder uns gar Nachahmungen des Petrarchs lieferten, der, wie Sie wissen, mein Lieblingsdichter ist, und von dessen Schönheiten uns Meinhard nur die ersten Grundzüge geliefert hat. Nichts wäre besser im Stande, unsre Begriffe von der Dichtkunst zu veredeln, und uns von der Nachahmung der Engländer und des izt zu weit einreißenden Bardentons zu entfernen.1 Vergessen Sie nicht, mein Freund, mich in Ihrem nächsten Briefe von Herrn Uz [123] zu unterhalten.

1 Ich weiß nicht, was man sich von dieser Gattung Gedichte verspricht. Die S c h l a c h t H e r r m a n n s , das G e d i c h t e i n e s S k a l d e n , und die ersten Versuche Kretschmanns hatten viel Werth. Die K l a ge R h i n gu l p h s und einige kleinere Stücke in dieser Manier zeigen aber, daß entweder die Materie schon ziemlich erschöpft ist, oder der ächte Bardengeist fehlt, um sie so zu benutzen, daß uns dadurch ein wahres Interesse abgenöthigt wird. Der Endzweck der Dichtkunst, Leidenschaften, oder leidenschaftsähnliche Bewegungen in uns hervorzubringen, ist | bekant. Hiezu erwählt man verschiedne Manieren. Den Endzweck aber der Manier wegen zu vergessen, ist nicht erlaubt. Die Mythologie der Celten ist zu eingeschränkt, uns zu wenig bekant, und nicht historisch und bilderreich genug, um uns die Mythologie der Griechen zu ersetzen, und uns zu bewegen, daß wir gar zu ängstlich nach derselben jagen sollten. Ossian ist werth, ein Muster für uns zu seyn. Weniger aber in seinen Manieren, in seinen Ausdrücken und Wendungen, als in den wesentlichen Schönheiten, und in dem eigentlichen dichterischen Verdienst, das er für alle Jahrhunderte hat. Wenn uns Herr Kretschmann, dem Talente nicht abzusprechen sind, ein Te m o r a im Deutschen lieferte, so wollte ich gern das Urtheil, so ihm von einigen geopfert wird, unterschreiben, daß er einer unsrer großen Dichter sey. Noch zur Zeit ist er nur in einzelnen Stellen schön, hingegen oftmals hart in seinen Inversionen, und nachlässig im Baue des Verses. A n m . d e s H e r a u s ge b.

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Ein und zwanzigster Brief.

Ich bedaure die Veränderung Ihres Aufenthalts von Herzen. Die Beschreibung davon klingt sehr tragisch. Indeß will ich Ihnen dennoch rathen, sich zu trösten. Es ist meines Erachtens keine größere Glückseligkeit im menschlichen Leben, als in Gelegenheiten zu kommen, worin man die Kunst lernen kan, für sich allein zu leben. Nur durch den Zufall wird man in eine solche Schule versetzt. Nutzen Sie den Zufall, mein Freund, der Sie in dieselbe versetzt hat. Die Vortheile, so man daraus schöpfen kan, sind unsäglich. Erstlich gewöhnt man sich zu einer Selbstgenügsamkeit, die uns einiger maßen dem höchsten Wesen ähnlich macht, welches auch mit sich allein [125] lebt, und doch vollkommen glückseelig ist. Die Me|ditation kühlt die Leidenschaften ab, bewahrt Seelen, wie die Ihrige, für die Erschlaffung, besser als die Leidenschaften, übt die Ueberlegungskraft, und giebt dem Geiste eine Stärke, eine Gleichgültigkeit, die der Apathie der Stoiker nicht unähnlich ist. Wohl zu merken, daß man in eine solche Schule tüchtig vorbereitet kommen muß. So wenig als auf andern Schulen lernt auch in dieser Jederman was. Wer aber nach einem stürmischen Leben, das er unter dem Geräusche einer großen Menge Leute, und mit guten Betrachtungen über die Menschen zugebracht hat, in eine solche Stille und Einsamkeit kommt, dem ist sie von herrlichem Nutzen. Diese flüchtig angestellten Beobachtungen käut er wieder, verdauet sie, und vermehrt sie durch Lesen, bis er endlich auf diese Art das nil admirari des Horaz lernt. Weit entfernt also, Sie zu trösten, bin ich vielmehr geneigt, Ihnen zu Ihrem Schicksale Glück zu wünschen. Unsrer Correspondenz soll [126] es keinen Schaden bringen. Meine Freund|schaft für Sie wird mir dieselbe allemal angenehm machen, und wohnten Sie auch unter den Iroquesen. Aber auch in Betracht des nützlichen hoff’ ich nichts einzubüßen. Gehen mir gleich einige litterarische Neuigkeiten verlohren, wie werden Sie mir diesen Verlust nicht durch neue Gedanken und gründliche Betrachtungen ersetzen! Kurz, ich denke, wir wollen beyde bey dieser Veränderung gewinnen, ohngerechnet, daß wir doch izt einander näher sind, und ich also das Vergnügen haben kan, Sie von Zeit zu Zeit zu sehen. Doch, um wieder auf unsern Gegenstand zu kommen, so ist es freylich erbärmlich, daß der Hr. v. Haller die Schwachheit haben soll, seine unschuldige D o r i s zu tadeln. Es verdient aber in Ansehung der übrigen vortreflichen Kenntnisse dieses großen Arzts vergessen zu werden. Als Dichter, als Kunstrichter werde sein Name ausgelöscht; er hat es durch seine Gelehrsamkeit um die Nachwelt verdient, daß man [127] diese Schwachheiten unterdrücke, damit | sich nicht ein satirischer Kopf, zum Nachtheil und zur Verkleinerung der gründlichen Wissenschaften, darüber lustig machen kan. Es ist sicher, dieser Mann dichtete recht invita Minerva; er hat bloß gereimt, und wie hart ist nicht sein Reim! Dies ist schon genug, um zu beweisen, daß er kein guter Kunstrichter ist; denn ein guter Dichter kan wol schlecht urtheilen, aber nicht umgekehrt, ein guter Kunstrichter kan nicht schlecht dichten, es müßte ihn denn eine grenzenlose Eigenliebe verführen. Sonst muß er ja gleich selbst einsehen, daß seine Gedichte schlecht sind, und dieselben ins Feuer werfen. Auch ist nichts super-

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fizieller, als die Vorreden vor seinen Gedichten und die darin enthaltenen Beurtheilungen, so wie auch einige Critiken in andern Fächern, die ich von ihm gelesen habe, und die auch von dem Schlage sind, wie sein Urtheil über D o r i s . Erlauben Sie mir also, mein Freund, Hallern nicht nur nicht in die erste Classe der Dichter zu setzen, sondern ihn auch (ein paar seiner Stücke aus|genommen) gänzlich aus der Zahl der [128] Dichter zu streichen. Denn sagen Sie mir doch, in welche Classe gehört denn der bloße Reimer? Und weiter ist er doch nichts. Es kan seyn, daß Withof noch schlechter ist; ich kenne den ehrlichen Mann bloß par renommée, und unterstehe mich also nicht, von seinen Werken zu urtheilen. Aber ich bin sehr bereit, Ihre Meynung zu unterschreiben, da er ein Lehrdichter ist, und diese in unsrer Nation gemeiniglich Reimer ohne alle Einbildungskraft sind. Sie sehen, ich konnte Hallern unmöglich für einen Dichter erklären. Wenn Sie mir aber Uz nennen; ja das ist gleich ein viel größerer Name, für den ich alle Ehrerbietung habe, und in ihm einen wahren Dichter erkenne, wenn ich auch gleich einige Schwürigkeit machen sollte, ihn in die erste Classe der Dichter zu setzen. Denn dazu gehört sehr viel. So schön als die Oden des Hrn. Uz sind, die Sie mir in einem Ihrer vorigen Briefe genannt haben, so schön als noch verschiedne andre sind,| so viel wahrer dichterischer Schwung in denselben gefunden wird, und so [129] poetisch auch die Sprache und der Ausdruck in denselben sind; so ist er sich doch lange nicht gleich, und diese Schönheiten finden sich in zu wenig Stücken, um das Urtheil zu rechtfertigen, die Natur habe ihm die Gabe des Genies in dem hohen Grade gegeben, welcher nöthig ist, um den Dichter vom ersten Range zu machen. Die mehrsten seiner Oden führen diese Schönheiten entweder nur einzeln bey sich, oder sind ganz leer davon. In den scherzhaften Gedichten mangelt Grazie. Man erkennt den starken Dichter darin, der mit dem Kinderwerkzeuge der Liebesgötter spielen will, und dem es nicht ansteht. Er dichtet zwar auch hier nicht matt; aber das Anmuthige, das Heitre, das Graziöse fehlt durchaus. Es läßt sich dieses besser fühlen als beschreiben, und es wird Ihnen nicht entgehn, wenn Sie seine scherzhaften Lieder lesen wollen. Eins aber doch zur Probe dessen, was ich sage! Der Abend.

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Mit finstrer Stirne stehn wir da, Und ordnen das Geschick der Staaten, Und wissen, was bey Sorr geschah, Und wissen Oesterreich zu rathen. Indeß verschließt sich unsre Brust Dem Ruf der lockenden Cythere: Denn steigt nicht schon zu Amors Lust Der Abend aus dem kühlen Meere? Erkennet euren Eigensinn Und daß der Tag geflügelt scheide! Ihr schwazt, sie fliegt, sie ist dahin Mit aller angebotnen Freude.

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Ich will zu jenen Büschen gehn, Die sanft von Zephirs Ankunft beben, Da hoff’ ich Lesbien zu sehn, Wenn sichre Schatten uns umgeben. Bereits ertönt in stiller Luft Der Nachtigall verliebte Klage: Sie hüpft von Zweig auf Zweig, und ruft Mit süßern Liedern als am Tage. Was Wunder, dass sie zärtlich singt, Seit Amor mit gespantem Bogen, Bey dem ein voller Köcher klingt, Dem jungen Frühling nachgeflogen?

In diesem Fache kan also Hr. Uz meiner Meynung nach nicht den ersten Platz behaupten. Indeß gestehe ich allezeit, daß er in der ernsthaften Ode vortreflich ist. Ich kenne keinen Dichter, der dem Horaz in den Wendungen so nahe kommt, als dieser. Es ist wahr, er hat nicht den durchgehends poetischen Ausdruck, den dieser Lateiner und Ramler besitzen. Allein in den Anlagen seiner Oden ist er Horazen außerordentlich ähnlich. S i le nu s , d i e G ro t te d er Na ch t , d ie w a hre G rö ße sind ganz in Horazens Manier. Läßt sich folgende Stelle nicht schön mit der vergleichen, die ich Ihnen in einem meiner letzten Briefe anführte, wo Horaz den Regulus geschildert? [132]

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Mit Lorbeern wird von ihr (der Tugend) der beßre Held bekränzet, [...] Der ächte Menschenfreund, der bloß aus Menschenliebe Die Menschen glücklich macht und gern verborgen bliebe, Der nicht um schnöden Lohn, Nein! göttlich liebt, wie du, Timoleon!

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Zu dir schrie Syracus, als unter Schutt und Flammen Und Leichen, die zerfleischt in eignem Blute schwammen, Der wilde Dionys Sein eisern Joch unleidlich fühlen ließ.

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Du kamst, und stürztest ihn zum Schrecken der Tyrannen, Wie, wann ein Wintersturm die Königin der Tannen Aus starken Wurzeln hebt, Von ihrem Fall ein weit Gebürge bebt. Durch dich ward Syracus der Dienstbarkeit entzogen, Und sichrer Ueberfluß und heitre Freude flogen Den freyen Mauern zu; Held aus Corinth! was aber hattest du?

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Allein die edle Lust, ein Volk beglückt zu haben! Belohnung beßrer Art, als reicher Bürger Gaben! Du Stifter goldner Zeit, Der Hoheit werth, erwähltest Niedrigkeit.

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Doch dein gerechtes Lob verewigt sich durch Lieder, Nachdem die Ehre dich auf glänzendem Gefieder Den Musen übergab; Noch schallt ihr Lied in Lorbeern um dein Grab. 130

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Diese Stelle ist schön; doch muß man gestehen, daß die Beschreibung Timoleons noch dichterischer hätte seyn können, und der Horazischen vom Regulus bey weitem nicht gleich kommt. So ist es auch mit der im S i len u s enthaltnen Geschichte vom Pan und Syrinx. Wollen Sie diese Stelle einmal mit der in der allervortreflichsten Ode der Horaz enthaltnen Episode des Raubes der Europa zusammenhalten, oder mit der Erzählung der Hypermnestra, (Ode II. Buch 3.) die unter allen Danaiden ihrem | Gatten allein das Leben schenkt; so werden Sie sehen, wie [134] weit der deutsche Dichter unter dem Lateiner bleibt. Was kan schöner seyn, als folgende Rede der Hypermnestra! Surge, quae dixit juveni marito, Surge, ne longus tibi somnus, unde Non times, detur; Socerum & scelestas Falle Sorores; Quae, velut nactae vitulos leaenae, Singulos, eheu! lacerant: ego illis Mollior, nec te feriam, nec intra Claustra tenebo. Me pater saevis onerit catenis, Quod viro clemens misero peperci, Me vel extremos Numidarum in agros Classe releget. I, pedes quo te rapiunt & aurae, Dum favet nox & Venus; i secundo Omine, & nostri memorem sepulcro Scalpe querelam.

Welche Feinheit in den Empfindungen! Welche Wahl der Worte! Welch ein leichter Flus | der Ideen! So schön als auch die Geschichte Pans im Uz erzählt ist; wie weit [135] bleibt sie, auch in ihrem verschiednen Verhältnisse betrachtet, unter dieser! So weit wie Haller unter Utzen bleibt. Doch den sollte man, wenn von wahren Dichtern die Rede ist, nicht einmal nennen. An der Einschaltung solcher Episoden erkenne ich den ächten Poeten, der die Natur seiner Kunst kennt, sie empfindet, und seine Stoffe dieser Kunst gemäß zu bearbeiten weiß. Also bleibt Herr Uz stets in meinen Augen ein schätzbarer Dichter, welcher der Jugend zur Bildung eines richtigen Geschmacks und selbst zur Anfeurung des Genies sehr wohl in die Hände gegeben werden kan. Was kan ich aber dafür, daß wir so glücklich sind, und Dichter haben, die ihn in seiner eignen Gattung hinter sich lassen? Wahr ists, er hat Erfindung und Imagina-

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tion, seine Oden sind kein mattes Gereime, man sieht den Dichter in ihnen; kan er aber in diesen Eigenschaften Klopstocken gleich gesetzt werden? Welche reiche Einbildungskraft, wel|chen ganz originellen dichterischen Schwung hat nicht dieser Mann in seinen Oden! Kan Uz an pathetischem Ausdrucke, an Hoheit des Odenfluges Ramlern gleich geschäzt werden? Wenn also eine Nation das Glück hat, in der Odengattung Dichter von einer solchen Größe aufzuweisen, wie ist es anders möglich, als einen Dichter, wie Uz, eine Stufe niedriger zu setzen? Und zudem müssen Sie mir doch gestehen, daß er lange nicht durchgehends so dichterisch ist, als er sich in den von uns benannten Oden zeigt. Lesen Sie einmal d e n s ta nd h afte n Wei s en an Hr. Hofrath C. ein lyrisch Gedicht von 17 langen Strophen; das ist sehr nach dem gemeinen Schlage, und dergleichen giebt es noch mehrere. Ja, werden Sie sagen, Horaz dichtet auch nicht immer so, wie in den Oden, die Sie mir angeführt haben. Recht gut. Auch habe ich nicht gesagt, daß sich Horaz ohne Ausnahme als ein großer genievoller Dichter zeige, ob er es gleich gemeiniglich ist. Ueberdies muß man seine Gattungen wohl unterscheiden.| Wenn er ein Süjet nicht schmücken will, so bearbeitet er es gar kurz, und solchergestalt findet man freilich kleine moralische Liederchen bey ihm, die wenig poetisches enthalten, als: Rectius vives Licini, oder Aequam memento oder Nullus argento color est und mehr dergleichen, wiewol er die meisten dennoch durch den poetischen Ausdruck zu heben weiß, wenn er sie auch nicht mit Erfindungen ausschmückt. Ueberdem ist gewiß die Invention, und die Einbildungskraft selbst Horazens eigentliche Stärke nicht, ob er gleich genug davon besitzt, um ein großer Dichter zu seyn. Sie werden in den meisten seiner Oden Schmuck finden, obgleich nicht von der großen und erhabenen Art. Auch hat er die Dichtersprache sehr in seiner Gewalt; nichts ist bey ihm gemein und matt ausgedrückt. Bey Gelegenheit Utzens hab’ ich aber noch eine Bemerkung zu machen. Sein ganzes sechstes Buch lyrischer Gedichte ist geistlichen Gegenständen gewidmet. Es scheint mir, als | wenn unsre Dichter glaubten, sie würden verdammt, wenn sie ihre Talente nicht auch auf dergleichen Süjets wendeten. Solche, welche Gaben dazu haben, können freilich keinen edlern Gebrauch davon machen, als wenn sie das Lob der Gottheit besingen. Diese Gaben sind aber nicht allen gegeben, und doch wollen alle diesen Gegenstand besingen. Selbst Hagedorn hat sein Haberrohr zu diesem Tone hinaufstimmen wollen. Diejenigen, denen die Tuba der Sionitischen Muse nicht gegeben ist, thäten besser, sich an einen so wichtigen Gegenstand nicht zu wagen. Uz ist zwar nicht derjenige, von dem man dieses sagen könnte; seine geistlichen lyrischen Gedichte sind nicht schlecht; sie besitzen aber doch auch nichts vorzügliches, nichts, das mit seinen andern guten Gedichten in Vergleich gesetzt werden kan. Sie hätten allenfalls unterdrückt werden können. Ich habe hiebey eine Beobachtung angestellt, die ich Ihrem Urtheile vorlegen will. Im Horaz finden sich auch einige Lobge|sänge auf Götter. Um denenselben einen wahren Geschmack abzugewinnen, müssen Sie sich freilich in die Denkungsart der damaligen Zeit versetzen, und unter dem Worte Gott nicht ein allervollkommenstes

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Wesen, nach unsern itzigen Begriffen, denken. Nein! weiter nichts, als ein mächtiges Wesen, das auf unsre Schicksale einen großen Einfluß haben kan, und welches man also verehren und sich zum Freunde zu machen suchen muß. Wenn Sie sich die Sache nicht auf diese Art vorstellen, und alle andre Begriffe bey Seite setzen, so wird Ihnen freilich das Lied, so wie die ganze Religion der Römer lächerlich vorkommen. Alsdenn entsagen Sie aber nur gleich der Fähigkeit, die Schriften der Alten mit dem wahren Geschmacke lesen zu wollen. Doch sind Sie im Stande, sich vollkommen in diesen Gesichtspunkt zu stellen, so nehmen Sie einmal eine von den Hymnen des Horaz, und sagen Sie mir, ob Sie sie nicht schöner und reitzender finden, als die Lieder und Gedichte von Uz und den | meisten unsrer Hymnendichter. Scheinen [140] Ihnen diese dagegen nicht das Werk eines Versificators zu seyn, das hie und da einzelne große Gedanken zeigt, weil der behandelte Stof der gröste in der Natur der Dinge ist, welches aber das Herz vollkommen leer läßt, und nicht den geringsten ächten poetischen Eindruck macht. Hingegen lesen Sie einmal Horazens Ode 10. B. I. oder die Dythyrambe B. 2. Ode 19. oder das Carmen saeculare. Bemerken Sie erstlich, wie undankbar, wie geringfügig die Materie gegen diejenigen ist, welche der christliche Dichter besingt, und sagen Sie dann, woher es kommt, daß der Heide Ihnen mehr gefällt, und Sie auch mehr rühren würde, als der christliche Dichter, wenn es Ihnen nur möglich wäre, seinen Fabeln den geringsten Glauben beyzumessen. Ich will Ihnen dies zu erklären suchen. Unsre Dichter machen viel Worte von Gottes Macht, Güte, und was sie sich sonst zum Gegenstande ihres Liedes wählen; das sind aber lauter Worte. Alles besteht in | hyperbelähnlichen Assertionen, die weder das [141] Herz rühren, noch angenehm zu lesen sind. Denn sie ermüden am Ende, so wie alles, was in einem Schwall von Worten besteht, ermüden muß, wenn es auch die Dichtkunst noch so meisterlich in Reime und Sylbenmaaß zu bringen weiß. Aber nicht so die heidnischen Dichter! Diese erzählen das Lob ihrer Götter auf eine der Natur der Dichtkunst angemessene Art, sie stellen uns nemlich die Thaten ihrer Götter vor, woraus wir ihre Macht, und die übrigen Eigenschaften, die sie an denselben verehren, erkennen sollen. Das ist etwas ganz anders, als brillante Sentenzen. Hat Lessing es getadelt, daß man Schönheiten beschreibt, weil diese Beschreibungen den Leser immer kalt lassen, und er doch nicht fähig ist, sich einen richtigen Begrif von der beschriebnen Schönheit zu machen; so deucht es mir ein eben so schlechtes Mittel zu seyn, wenn man sich, um einen Eindruck auf unser Herz zu würken, in eitle Beschreibungen der Größe, Güte und Macht der | Gottheit ausläßt. [142] Es sey mir erlaubt, das Profane mit dem Heiligen zu vergleichen. Die Unruhe, welche Armide in dem Heer der Christen anrichtet, ist ein weit sichrer Beweiß von ihrer Schönheit, als alle Beschreibungen, die mir Tasso davon machen könnte. Eben so ist es wahrscheinlich, daß eine poetische und am rechten Ort angebrachte Erzählung von den Thaten Gottes, die seine Güte, seine Größe und Allmacht beweisen, seinen viel lebhaftern Eindruck auf mich machen würde, als alle Beschreibungen, die mir ein Dichter liefert. Mangelt es denen christlichen Poeten etwa an Stof dazu? Nichts weniger! Der historische Theil der Bibel bietet ihnen auf jeder Seite Beyspiele von

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jeder Art an, und es ließen sich zwanzig Bände Hymnen zum Lobe der Gottheit machen, ehe man fähig wäre, diese Gegenstände zu erschöpfen. Ueberdem liefert jeder solcher Gegenstände mehrerley Stof zur dichterischen Bearbeitung. Aber nein! [143] es scheint, als wenn die Nutzung der Begebenheiten des alten Testa|ments gar nicht gestattet würde. Außer der Schöpfung erwähnt Uz keiner einzigen That Gottes. Aus dem einzigen Beyspiele von dieser Art, das ich bey ihm finde, können Sie sehen, was es für eine Wirkung hätte, wenn das Lob Gottes so bearbeitet würde. Es ist aus der Ode im sechsten Buche, Ver t r au en au f G o t t: Wenn David auf der Flucht vor schnaubenden Tyrannen Durch grauenvolle Wüsten strich, Und seine Füße kaum entrannen Dem finstern Wüterich: Wenn wider ihn vereint die Feinde Gottes stritten, Wenn ihn sein Kind vom Throne stieß, Und, taub bey seines Königs Bitten, Ganz Salem ihn verließ; So sang er Glaubens voll in seiner Harfe Saiten: Jehova! meine Zuversicht! Und du Jehova halfst ihm streiten, Sein Gott verließ ihn nicht. [144]

Da der Dichter, vermöge der Natur seiner Kunst, die Eigenschaften Gottes nicht metaphysisch beweisen kan, so muß er solche sinnliche Beweise gebrauchen, sie gehörig ausschmücken, und dieselben ins rechte Licht zu setzen wissen. Alsdenn mögen wir ihn diese Eigenschaften gerne preisen hören. Wenn er aber nichts thut, als in Ausrufungen und Beschreibungen auszubrechen, so thut das nicht die mindeste Wirkung auf uns. Er verläßt sich, wird man sagen, auf die Ueberzeugung eines jeden von der Existenz dieser Eigenschaften. Ja, so braucht er gar nicht zu dichten; denn was er da spricht, weis auch ein jeder schon. Wie prächtig klingt es nicht für einen Heiden, wenn er von seinem Bachus hört: Tu, quum parentis regna per arduum Cohors Gigantum scanderet impia.

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Siehe Od. 19. Lib. 2. V. 21 bis ans Ende, um andre Stellen aus dem Callimachus oder aus den Hymnen, die dem Homer zugeschrieben | werden, nicht anzuführen, welche alle voll von Erzählung der Handlungen der Götter sind, die sie besingen. Warum nehmen denn unsre Dichter zu Beweisen der Langmuth, Weisheit und Strafgerechtigkeit Gottes nicht die großen Beyspiele, die wir in den Geschichten beyder Testamente davon finden? Wie? Wären diese Thaten der Anführung nicht würdig? Sollte Gott ihre Erwähnung nicht gern hören? Hat er es seinen Eigenschaften gemäß gehalten, sie zu thun, so können sie auch mit Recht Gründe seines Lobes abgeben, und wissen unsre Dichter sie nicht ins Werk zu setzen, so kommt es daher, weil sie die Natur ihrer Kunst nicht kennen, und das wahre Genie nicht besitzen, welches über alle Gegenstände Leben verbreitet. Sonst würden sie unsern Gott nicht so matt

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besingen, sondern seine Wunderthaten in Canaan, in Egypten, kurz, alles das, was sinnlich vorzustellen ist, und der wahre Gegenstand der Dichtkunst seyn kan, ins Werk setzen, unsere Seelen dadurch erschüttern, und heilsame Wir|kungen darin hervorbringen. Billigen Sie meine Meynung nicht? Ich dächte, sie wäre wahr. Nun, sagen Sie mir einmal, da sie so simpel, so augenscheinlich ist, warum haben sich so wenige unsrer Dichter darnach zu richten gewußt? Ein Theil der Ursache mag wol in der Nachahmung der Psalmen zu suchen seyn, die jeder lyrisch geistliche Dichter bey uns beständig vor Augen gehabt zu haben scheint. Man hat aber nicht bedacht, daß die Psalmen viel mehr Lehrgedichte, Prophezeyhungen und dergleichen als dichterische Hymnen zum Lobe der Gottheit sind.1 Sie sind zwar würdige Gegenstände der Nachahmung für geistliche Lieder, die in einer Gemeinde sollen gesungen werden, um dieselbe in dem, was Glaubens- und Lebenspflichten betrift, zu unterrichten. Hymnen aber müssen dichterisch behandelt werden, und das geht nicht anders an, als wenn man alles sinnlich macht, und durch affektvolle Er|zählung eindrucksfähiger Begebenheiten belebt, wie wir in den Liedern der Alten sehen. Doch ich schließe diese kleine Ausschweifung. Die übrigen Werke Utzens sind wol nicht von der Gattung, daß man ihn deswegen unter die Dichter zählen kan. Seine Ku n s t s tets f rö l ic h z u s ey n , hat er selbst zum Gedicht erheben wollen; darum hat er dieses Werk in Briefen abgetheilt. Sein S i eg d es L ie b esgo t tes ist in einer leichten Gattung mittelmäßig, und seine B r i ef e, ob sie schon artig sind, haben kein poetisches Verdienst. Sehen Sie, dies alles macht, daß, so hoch ich sonst Utzen schätze, ich ihn doch unmöglich in die erste Classe stellen kann. Sie greifen mich sehr darüber an, daß ich die Karschin hineinsetzen will. Ich muß dies anjetzt über mich ergehen lassen, denn ich habe ihre Werke nicht, womit ich mich rechtfertigen könnte. Es kann auch seyn, daß ich mich geirrt habe. So viel weiß ich mir aus | der ehmaligen Lesung ihrer Schriften zu erinnern, daß ich in dieser Frau ein ganz originelles und wahrhaftes Genie glaubte bemerkt zu haben, welches ein geheim Gefühl der Schönheiten der Natur ihrer Kunst verrieth. Ueberall leuchtete Erfindung und Einbildungskraft aus ihr. Wahr ists, wenig Politur! Aber wer übersieht das nicht bey einem wirklichen Genie? Die Frau, sagen Sie, dichtet izt schlecht. Wenn sonst nichts dabey zu erinnern wäre, so könnte sie allezeit in die erste Classe kommen, denn unser Gleim, den ich doch auch hineingesetzt habe, dichtet anjetzt auch gewiß viel mittelmäßige Sachen. Je nu, was ist das weiter? Man wirft das Schlechte weg, und rechnet nur das Gute. Doch ich verspare auf eine andre Zeit mein Urtheil von der Karschin | zurückzuziehen oder zu bestätigen. Leben Sie indessen wohl. Ich will Ihnen Ihre Einsamkeit durch den fleißigsten Briefwechsel erträglich zu machen suchen. Antworten Sie mir aber auch fleißig.

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Einige ausgenommen.

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Zwey und zwanzigster Brief.

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Also wird wol die kleine, aber ehrwürdige Gesellschaft in der Laube allein bleiben? Denn wer hat Muth genug, Ansprüche darauf zu machen, da ein Uz sogar von derselben ausgeschlossen wird? Ich wenigstens kenne niemand, der vor Utzen eingelassen zu werden verdiente. Er mag daher den obersten Platz in der zweyten Classe einnehmen. Die übrigen Mitglieder derselben kan ich noch nicht bestimmen. Ich liege noch deshalb mit mir selbst im Kampfe, und erwarte, daß Ihre nächsten Briefe den Streit bey mir entscheiden werden. Daher verspare ich eine weitere Erklärung hierüber auf ein andermal. Sie haben Recht, mein Freund, in Utzens erotischen Liedern fehlt die Leichtig[151] keit. Sie | haben den schwerfälligen Gang der männlichen Dichtkunst, und man erkennt oft den Lehrdichter, sollte es auch nur der epikurische seyn, zu sehr darin. Eben dieser Fehler macht sie aber zu Nationalgedichten. Der Deutsche, wenn er sich seinem eignen Genie überläßt, scherzt nicht anders. Seine Scherze sind nicht die Spiele eines gefälligen Humors, wie die Scherze der Gallier, sondern es sind die Produkte einer vergnügten Denkungsart, die auf Grundsätze zurückgebracht ist. Er scherzt in Sentenzen, wie er in Sentenzen klagt. Ueberdies haben seine Scherze etwas Starkes, welches sie für feinere Ohren unerträglich macht. Von der Art sind die mehrsten der Lessingischen Lieder. Sie werden finden, daß diese, nebst den Utzischen einen weit originellern deutschen Charakter besitzen, als die Lieder von Weißen oder Jacobi,1 welche leichter, aber auch gewiß nach französischen Mustern [152] gedichtet sind. Wir | haben nur zwey Originaldichter in dieser Gattung, welche die griechische Zierlichkeit und den leichten Geist des französischen Witzes auf eine eigenthümliche Art mit dem deutschen Charakter vereinigen. Hab’ ich nöthig, Ihnen zu sagen, daß ich Gleim und Gerstenberg meyne? Ihre Begriffe von der geistlichen Dichtkunst sind die meinigen. Dieses Feld ist noch gar nicht genug ausgebauet. Auch hierin haben uns die Engländer vom rechten Wege verführt. Der höchste Grad der Vollkommenheit, die Gottheit zu feyern, wurde von Young, Thomson, Pope und andern abstrahirt. Haller, Kleist und ihre unbekanteren Nachahmer beweisen dieses deutlich. Selbst Cramern und Klopstocken trift dieser Vorwurf zum Theil. Anstatt die Manier der Britten in ihren hochtrabenden Worten, und in unordentlicher Häufung der Bilder zu verlassen, und dem Herzen durch lyrischbearbeitete Erzählung der Thaten Gottes Interesse abzulocken, setzt [153] man noch stets das Wesen der geistlichen Dichtkunst nicht | in ächte Empfindungen, die aus einem von Gottes Liebe durchdrungnen Herzen quillen, sondern in den Schwung der Gedanken und in kühne metaphorische Ausdrücke, die doch stets nur s c hw ac he Züge von der unbegreiflichen Gottheit sind. Die Psalmen mögen, wie Sie sagen, einigen Anlaß zu diesem Irrthum gegeben haben. Es ist aber auch gewiß, daß man ihre wesentlichen Schönheiten verkant, und in der Nachahmung nur die einzel1

Hr. Jacobi ist gleichfalls in verschiednen seiner scherzhaften Lieder noch viel zu dogmatisch.

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nen blendenden und starken Stellen in denselben vor Augen gehabt hat, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt. – Schmidts p o et is che G em ä ld e u nd E m p fi n du ngen au s d er he il igen S c hr i f t sind in dem rechten Geiste der biblischen Dichtkunst abgefaßt. Sie verdienen hervorgezogen zu werden, und würden Ihre Foderungen ganz erfüllen, wenn sich nicht der Dichter zuweilen von dem Triebe zu schildern hätte hinreißen lassen. Ich kenne keinen Dichter in Deutschland, von dem ich begierig wäre, geistliche Oden nach meinem Begriffe zu lesen, als Denis. Sie wundern sich, daß | ich Cramern und Klopstocken vorbeygehe, und einen römischen [154] Geistlichen nenne? Ja, mein Freund, eben deswegen, weil Denis ein römischer Geistlicher ist, wünschte ich, daß er einmal die Harfe des Barden Ossians mit einer davidischen vertauschen möchte. In der Poesie kan man leicht tolerant seyn. Es klingt sonderbar, aber es ist wahr, die protestantischen Lehrbegriffe sind für den Dichter nicht die günstigsten. Unsre Grundsätze vom Christenthum stützen sich mehr auf überzeugende Vernunft, als auf Gefühl. Ganz anders denkt die römische Kirche. Bey ihr ist die Empfindung alles. Was nur sinnliche Eindrücke hervorbringen kan, ist ihr willkommen. Daher müssen ihr die schönsten Künste dienen; daher erregt sie durch Wunder die Einbildungskraft; daher entzückt sie die Herzen in prachtvollen und empfindungsreichen Ceremonien; daher schmückt sie ihre Tempel mit Gemälden der grösten Meister aus; und daher sucht sie den Geist durch Bilder der Imagination und durch unaufhörliche Vorstel|lung nicht nur wahrer, sondern [155] auch erdichteter Religionsbegebenheiten zu fesseln. Die Frömmigkeit eines Catholiken hat einen ungleich höhern Grad der Wärme, als die unsrige. Sie grenzt an Leidenschaft, und artet oft in Schwärmerey aus. Es ist leicht zu begreifen, welche Begriffe beyder Religionen der Natur der Dichtkunst am angemessensten sind. Der catholische Dichter hat ein viel grösseres, fruchtbareres und blumenreicheres Feld vor sich, als der protestantische. Wüßte er dem gar zu läppischen Aberglauben (welcher jederzeit ein Feind des guten Geschmacks, und für die gesunde Vernunft das ist, was der Aftergeschmack für die wahre Dichtkunst ist) auszuweichen, verstünde er die Kunst, seine Süjets mit Geschmack zu wählen, und behandelte er sie mit dem gehörigen Feuer des Genies, welches man in einem Denis nicht verkennen kan; so würde er jeden protestantischen Dichter an poetischem Verdienst hinter sich lassen. Verschiedne von Utzens geistlichen Gedich|ten verrathen die Meisterhand ihres [156] Verfassers. Die übrigen kan man aber mit Recht als verunglückte Arbeiten ansehn. Ich nenne sie Arbeit, weil es mir scheint, als wenn sie Uz aus einer gewissen vorsätzlichen Absicht, und nicht aus einem wahren Triebe des Genies, oder aus einer besondern Richtung des Geschmacks niedergeschrieben hätte. Vielleicht haben ihn Wielands Angriffe dazu bewogen, daß er nemlich dadurch hat zeigen wollen, ein wahrer Dichter der Freuden wäre nichts weniger als ein Pflichtvergeßner gegen die Religion. Diese Beschuldigungen sind durch Herrn Wielands veränderte Grundsätze, mehr als durch jede Ehrenerklärung, vollkommen entkräftet worden.

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Sie erwähnen in Ihrem Briefe Hagedorns. Die geistlichen Gedichte dieses schönen Liedersängers, von dem ich die Epoche des bessern Geschmacks in Deutschland zu zählen anfangen würde, sind sehr mittelmäßig. Seine Epigrammen [157] haben, wenige ausgenommen, nicht viel Verdienst. Sie enthalten Witz, aber | es fehlt ihnen jene Kürze, jener zugespitzte Scharfsinn, jene unerwartete Wendung, womit uns Martial, Rousseau und Logau überraschen. Als Madrigale betrachtet lassen sie sich ganz gut lesen. Seine moralischen Gedichte sind, wie die mehrsten von der Art in Deutschland, ohne ächten poetischen Werth. Doch zeigen sie, weit mehr als die Hallerischen oder Gellertschen, daß ihr Verfasser zum Dichter gebohren war. Oft schreibt er so gedrängt, wie Haller; niemals dichtet er aber so hart. Seine Verse fließen sanft, wie seine Ideen, ohne, gleich den Gellertschen, ins Matte und Langweilige zu sinken. Was aber sein eigentliches Verdienst gründet, sind die lyrischen Gedichte, welche er uns hinterlassen hat. Seine Flöte war ganz auf den lyrischweichen Ton der toskanischen Melodie gestimmt. Er schrieb zuerst die deutsche Sprache in ihrer völligen Reinigkeit. Hierin ist er unser Petrarch. Ueberhaupt entdecke ich die Manier [158] der Welschen in ihm. Er kannte ihre | Werke, und schuf sich aus denselben einen richtigen Begrif von der Natur der Dichtkunst. Im Zärtlichen waren sie seine Muster, so wie die französischen Dichter seinen Scherz bildeten. Dennoch hat er einige fröliche Lieder gesungen, die er seinem eignen Genie zu danken hatte. Und diese geben ihm eine Stelle bey Gerstenberg und Gleim. Den Grundsatz, welchen er den Dichtern empfielt,

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Folgt der Natur, in deren schönen Werken Wir weder Mangel sehn, noch Ueberfluß bemerken,

befolgte er selbst sehr genau. Die Mannigfaltigkeit ist nicht das geringste Verdienst seiner Werke. Sein Pinsel verbreitete sich über allerhand Gegenstände, und dennoch mahlte er sie aufs richtigste aus. Er könnte, wegen seiner Kenntniß der Sitten, ein Dichter der großen Welt genannt werden. Seine Lehrgedichte und Erzehlungen athmen den Ton der guten Gesellschaft, und schildern mit sehr satirischen Zügen die [159] Thorheit der Leute, die ihn um|gaben. Doch ist sein Spott weniger bitter, als durch Scherz gewürzt. Seine Belesenheit in Ausländern war sehr groß, und er konnte denen, welche ihn wegen seiner Anmerkungen tadelten, nichts bessers als sein eigen Beyspiel entgegen stellen, um sie zu überführen, daß die größte Zierde eines Dichters in litterarischen Kenntnissen bestehe. Er war zu seiner Zeit der einzige wahre Kenner der italiänischen Litteratur. Dieser Belesenheit in italiänischen Dichtern hat er seine leichte Versification, die Politur seiner Gedichte, und jenes liebliche Colorit zu danken, welches er über seine Gemälde zu verbreiten weiß. Von seinen Fabeln kan ich nicht mehr sagen, als daß er Gellerten weit darin übertrift. Seine Erzählungen sind voller Munterkeit, und die Beschreibungen in denselben sehr lebhaft. Die Erfindungen selbst interessiren durch Wahrheit und Anmuth, und obgleich die wenigsten sein eigen sind, so zeigen doch diese wenigen,

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daß es ihm nicht an Genie zur Inven|tion fehlte. Nur ist sein Johann, der Seifensieder, [160] ziemlich nach dem Gellertschen Schnitt gemacht, daher es auch bey den mehrsten vielen Beyfall gefunden. Wollen Sie sich, mein Freund, einen Begrif von Hagedorns Talenten zur Erzählung machen; so lesen Sie Ap o l lo , e in H ir te , Phi lem o n u nd B au c i s, u n d d er Ur s p r u ng d es G rü b ch ens i m Ki nn . Wie angenehm bereitet uns der Dichter durch die Eingänge zu denselben vor! Und die Beschreibung der Götter, die zu Amors Hochzeit kommen, wie munter! Wie witzig die ganze Schilderung! Ein leicht Gewand spielt um der Psyche Leib, Versteckt und zeigt der Welt das schönste Weib. Die Freundlichkeit, der Anmuth Wunderblüthe,
 Schmückt ihren Mund, den Sitz der sanften Güte;
 Die frische Brust nimmt aller Herzen ein,
 Scheint weiß als Schnee, ist reizender als Wein.

Doch der Kern seiner Gedichte sind seine Lieder. Der Stempel der wahren ungekünstelten Empfindung ist auf dieselben geprägt, und die | mehrsten athmen jene süße, [161] scherzende Zärtlichkeit, die der epikurischen Philosophie so angemessen ist. Eins der schönsten bleibt jederzeit: d ie Ve rgö t ter u ng , ein Lied voll des feinsten Witzes. Er sagt von den Göttinnen: Eine ward in spöder Bläße Und in strenger Häuslichkeit Hüterinn der Feueresse
 Und die Vesta jener Zeit;
 Die durch Reitz und Unglücksfälle
 Sich den Raub der Grobheit sah2 
Ward in ihres Ehstands Hölle
 Kläglich zur Proserpina.

 –– –– –– Phyllis! ja, in jenen Zeiten
 In der alten Götterwelt
 Würden deinen Treflichkeiten
 Gleichfalls Opfer angestellt;
 Gleichfalls würden deinen Wagen
 Tauben oder Schwäne ziehn;
 Dich die Liebesgötter tragen
 Und mit dir nach Paphos fliehn.

Invention, durchgeführter Plan, Ründung des ganzen Einfalls und feine Schmeicheley erheben dies kleine Lied zu einem unsrer besten in dieser Manier. Es wäre mir leicht, Ihnen eine ganze Rubrik glücklicher Lieder von Hagedorn auszuzeichnen. Ich

2 Ramler emendirt diese Stelle in den Liedern der Deutschen nicht viel glücklicher i n d e n R a u b d e r G o t t h e i t . Wäre die Vergleichung nicht passender, wenn man setzte: Sich den Raub des Goldes sah?

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will mich aber nur noch bey einem einzigen Stücke aufhalten. Wollen Sie Hagedorns Genie in seinem vollen Glanze sehen, so lesen Sie einmal die wirklich ächte Ode: d er Wei n, am Schlusse seiner lyrischen Gedichte. Es herrscht ein Feuer, eine Einbildungskraft, und eine gewisse edle Unordnung darin, welche begeistern. Selbst die sonst etwas unschickliche Episode des Spavento widerspricht dem Werthe dieses Gedichts nicht. Wenigstens hat man ihr die schöne Anwendung zu danken:

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So gehts! Erwekt der Wein den Muth In ungestalten wilden Seelen; So weiß sich in entflammter Wuth Der Thrazier nicht zu verheelen. Die Tobsucht reicht Gefäße her, Da wird die Flasche zum Gewehr, Da wechselt man, statt Kugeln, Krüge; Da stößt das erste Glaß alsdann Geselligkeit und Freundschaft an, Und Eris mischt die letzten Züge.

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Die Beschreibung des Bachischen Festes und des Zuges der trunknen Götter ist meisterhaft. Ungewählt will ich Ihnen ein paar Strophen daraus vorlegen. Der Trommeln Schlag, der Zymbeln Klang Durchtönt den Jubel der Mänaden. Es steigt ihr muthiger Gesang, Der Chöre Nachruf einzuladen. Sie rasen, aber nur zur Lust Sie rasen mit entblößter Brust. Die Locken flattern ungebunden, Wie Ariadnens glänzend Haar Ein Spiel der regen Winde war, Als Bachus sie am Meer gefunden. ––

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Er (der geopferte Bock) zappelt, stirbt und wird zerstückt, Man untersucht die Eingeweide, Herz, Lung’ und Leber sind beglückt, Und jedes Zeichen weissagt Freude. Die Schlange, die der Korb bedeckt, In dem ein groß Geheimniß steckt, Kriecht nun hervor, um sich zu zeigen. Es kracht der Heiligthümer Sitz; Der Tempel bebt, es strahlt der Blitz, Es donnert links, und alle schweigen. – Ein tausendfacher Jubelschall Der Bachen, Satiren und Faunen Ermüdet nun den Wiederhall Und setzet alles in Erstaunen; So bricht aus tiefer Hölen Schooß Das Heer der Winde brüllend loß,

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Braußt um den Hayn, kracht in den Eichen, Zischt durch die Wipfel, schlägt, zertheilt Die Esche, die im Fallen heult, Und rauscht und wirbelt in den Sträuchen.

So vortreflich ist alles in dieser Dythirambe, der ich einen sehr hohen Werth beylege. Die letzte Wendung, daß der Wein dem Dichter die Vorstellung dieses Gemäldes geschenket habe, ist nicht minder glücklich. Ich liebe Hagedorn mehr, als manchen neuern Modedichter, der der Copist [165] seiner Empfindungen und Wendungen ist. Er wäre vielleicht einer unserer besten lyrischen Dichter geworden, wenn er nicht schon da gewesen wäre, als das Licht in Deutschland aufgieng. Wie mußte er nicht mit der Barbarey und dem falschen Geschmacke seiner Zeit kämpfen! Verdient sein Genie, die Correktur seiner Gedichte, und die Kühnheit, womit er Bahn brach, nicht einen Platz in der zweyten Classe der deutschen Troubadours? Ich war erst willens, Sie noch ein wenig von Kleisten zu unterhalten. Unvermuthete Geschäfte nöthigen mich aber, diesen Gegenstand bis auf meinen nächsten Brief zu versparen.

Nachschrift.

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Lavater, welcher S chwe i z er li ed e r geschrieben hat, die sein Vaterland interessiren mögen, für mich aber nichts wichtiges enthalten, will ein philosophischtheologisches Gedicht heraus|geben, dessen Plan er in einer eignen Schrift angekün- [166] digt hat. Nach dieser zu urtheilen, wird der philosophische Theil dieses Gedichts Poesie, und der poetische Philosophie seyn. Die Au s s i ch ten in d i e E w igkei t können eins unsrer besten Lehrgedichte werden, wenn Lavater fähig ist, Handlung in dasselbe zu bringen, wenn er es mit dichterischen Episoden auszuschmücken weiß, und die Copula des gemeinschaftlichen Gefühls, welche nur allein das Interesse würkt, nicht verfehlt. Was meynen Sie, würde ein episch-dogmatisches Gedicht ü b er d i e G es c hi ch te d er M en s ch hei t von einem Wieland nicht ein vortrefliches Werk seyn?

Drey und zwanzigster Brief.

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Es ist gewiß, nichts konnte besondrer seyn, als der Anfall, den Herr Wieland auf Utzen und andre Dichter wagte, welche Wein und Liebe besingen; und ich muß noch itzt lachen, wenn ich an das Aufsehen denke, welches die Erscheinung der co m i s che n E r z ä hlu nge n nebst der Nachricht verursachte: sie wären von Wieland. Doch die alten Historien wollen wir nicht aufwärmen, sondern zur Ehre der Parthey-

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en in die Vergessenheit begraben. Indessen giebt es noch immer tausend Leute, die so urtheilen, wie Herr Wieland damals that, und die Dichter der Wollust nicht nur unter die Schaar derer setzen, die ihre Zeit unnütz verschwenden, sondern sie sogar für außerordentlich schädliche Geschöpfe halten, welche würdig wären, aus den [168] Republiken verbannt zu werden, und in de|ren Werke sich wol gar die Polizey mengen sollte, um ihre Bekanntmachung zu hintertreiben, oder den Schriftsteller zu strafen, wenn sie schon bekannt worden sind.1 Andre in einer fast noch größern Anzahl halten die Dichter überhaupt für unnütze Köpfe, die den Menschen nichts helfen. Wer nicht bey der Kammer oder in einem Justizcollegio beschäftiget ist, der ist in ihren Augen ein jämmerliches Geschöpf und kan brodlose Künste, wie etwa die Kunst desjenigen, der ganz genau Hirsekörner durch ein Nadelöhr werfen konnte. Wenn man hingegen noch andre sprechen hört, die aus Tugend oder Geschmack eine große Neigung zur Dichtkunst, und zumal zur scherzhaften und erotischen Gattung haben, so wird alles aus einem ganz andern Gesichtspunkte vorgestellt. Da sollte man denken, diese Dichter wären nicht nur die unschädlichsten, sondern im Gegen[169] theil die nützlichsten Mitglieder der Gesellschaft, die den grö|sten Einfluß auf die Sitten, auf die Denkungsart der Menschen und folglich auch auf die Glückseeligkeit der Gesellschaft hätten, mit einem Worte, sie wären die praktischen Lehrer der Tugend. Lesen Sie nur, was Gleims und Jacobis Anhänger für einen Lärm von den Wirkungen der Schriften dieser Dichter machen; ja was diese Dichter selbst von sich sagen, und wie sie die schildern,2 deren Denkungsart und Laune sie dahin leitet, eben keinen Geschmack an ihren Werken zu finden. Das sind ihnen finstre Unholde, von allem Gefühl der Menschlichkeit beraubte, Unglückseelige, die zu Meuchelmorden, schwarzen Verräthereyen, besonders zu Verschwörungen wider den Staat ganz eigentlich geschickt sind. Was meynen Sie, wem man nun glauben soll? Die Sache ist schwer auszumachen. Soll ich Ihnen meine Meynung darüber sagen? Ich denke, es ist eben so gut, ob wir hievon oder von etwas anders schwatzen. Vielleicht wird es [170] Ihnen nicht lang|weilig scheinen, wenn ich etwas zur Entscheidung dieses Streitpunktes beyzutragen suche. Mit denen Leuten, die die Dichtkunst als etwas unnützes, als eine brodlose Kunst ansehn, habe ich gar nichts zu schaffen. Das sind gemeiniglich crasse Rabulisten, plumpe Beamten und Oekonomen, die außer der Landwirthschaft und Viehzucht nichts kennen. Wer wollte und könnte solche Leute eines bessern belehren? Dazu wäre die Beredsamkeit eines Demosthenes zu schwach. Man müßte ihre Seele zuvor gänzlich umschaffen. Es giebt aber Leute, die die Dichtkunst ehren, und nur die Dichter von der Wollust verdammen, oder doch wenigstens abgeschmackt, lächerlich und unnütz finden. Von diesen rede ich allein, und dieser ihr Urtheil will ich mit der hohen Meynung der erotischen Dichter und ihrer Anhänger von sich selbst in Vergleichung stellen. Ich brauche Ihnen wol nicht lange zu sagen, was ich 1 2

Confer. Mosers Reliquien; Götzens Anathemata ungerechnet. Die sich der Huldigung der Grazien widersetzen.

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unter erotischen Dichtern verstehe. Davon sind alle diejenigen verbannt, die wahrhaftig schlüpfrig | schreiben, die unzüchtige Gegenstände schildern, und sie deutlich ausmalen. Diese halte ich selbst, zumal für die Jugend, äußerst schädlich. Dichter der Wollust heißen diejenigen, welche von Wein und Liebe singen, und das Vergnügen anpreisen, aber jenes Vergnügen, das sich mit Schamhaftigkeit darf sehen lassen, ein Vergnügen, wie es von vernünftigen Leuten, von feinen Wollüstlingen, die die wahre und ächte Wollust kennen und schmecken wollen, genossen zu werden pflegt. So sind Ovid, Rost und Piron unzüchtige Dichter. Chaulieu, Gleim, Wieland und Jacobi aber Dichter der Wollust, erotische Dichter. Wenn man diesen Unterschied nicht macht, so disputirt man, und weiß nicht warum. Wenn ich nach diesen Distinctionen nun die unterschiednen Meynungen betrachte, die die Anhänger und Gegner dieser Dichter von ihnen hegen; so kan ich den letztern niemals beypflichten, sondern finde mich geneigt zu sagen, daß die erotischen Dichter bey weitem nicht | schädlich, sondern allerdings nützlich sind. Freylich ist die Wichtigkeit, die sie sich selbst geben, und der Ton, den sie annehmen, wenn sie sich Lehrer der Tugend nennen, mir selbst etwas lächerlich. Allein ich sehe den Grund, worauf sie dieses Urtheil bauen, und finde, daß etwas wahres darinnen ist. Die eigentliche Ursach, warum ihre Gegner falsch von ihnen urtheilen, und sie für unnütze Geschöpfe halten, deren Werke höchstens einen nützenslosen Zeitvertreib abgeben können, besteht darin, weil nur wenig Leute den wahren Nutzen und die wahre Wirkung der Dichtkunst überhaupt auf die Sitten und die Denkungsart der Menschen kennen. Man bildet sich gemeiniglich ein, wenn die Dichtkunst heilsame Gegenstände unsers Verstandes behandle, oder zur Einkleidung guter Lebensregeln diene, so würden ihre Annehmlichkeiten den Eindruck derselben schärfer machen, unsere Seele besonders zur Aufmerksamkeit darauf lenken, und also Herz und Verstand bilden und bessern.| Weil man von Eindrücken und Wirkungen der Dichtkunst aufs Herz gehört hat, so denkt man, es stehe in der Gewalt der Dichtkunst, unserm Herzen die Gestalt zu geben, die sie will. Wenn sie also nur zur Hülle moralisch guter Sätze gebraucht wird, so können alle Herzen durch sie gebessert werden; dahingegen, wenn sie gefährliche Sachen einkleidet und schmückt, der Gift nicht ermangeln wird, sich eben so leicht ins Herz einzuschleichen. Geben Sie einmal Achtung, auf diesen Grundsatz beziehen sich alle Urtheile über Werke der Dichtkunst in den Göttingischen gelehrten Anzeigen.3 Immer | wird die Moral, die der Dichter predigt, getadelt oder gelobt. Das ist nun lächerlich. Wer hat denn den

3 Vielleicht gehört folgendes Urtheil auch hieher: Rousseau ließ seine Julie als die gemeinste Weibsperson fallen. – Guter Rousseau, du weist wol nicht, wie man vornehm fällt. Lerne es erst bey der preziösen Marquise, die halb Freygeist, halb Betschwester ist. Oder wustest du keine Sentenzen? Hattest du keine Ohnmachten, Schlaftränke, Dolche und Thränengüsse in Bereitschaft? Warum ließest du dir denn so übel ausgerüstet einfallen, zärtliche Herzen rühren zu wollen? A n m . d e s Herausg.

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Dichter zum Prediger gemacht, und wer kan ihn also verketzern, wenn er wider die moralischen Concordienformeln anstößt? Nichts ist meiner Meynung nach falscher, als der Grundsatz, auf welchem diese und ähnliche Urtheile beruhen. Die Wirkungen der Dichtkunst sind ganz von dem unterschieden, was sich diese Leute einbilden. Sagen Sie mir, haben Sie in Ihrem Leben einen moralischen Satz aus einem Dichter gelernt? Haben Sie eine neue moralische Wahrheit darinnen gefunden? Haben Sie dieselbe irgendwo mit den Beweisen unterstützt gefunden, die sie Ihnen einleuchtend gemacht, so daß sie dieselbe nunmehr zur Lebensregel angenommen hätten, da Sie sie vorher nicht kannten, oder wol gar verwarfen? Ich glaube sicher, Sie werden mir mit Nein antworten, und so muß ich auch thun. Haben Sie jemals bey einer [175] Comödie gedacht: Sieh, der Schelm kömmt gut weg, ergo kanst | du auch ein Schelm seyn. Hat die Lesung der Musarion Ihnen eine Ueberzeugung gegeben, die Sie vorher nicht hatten, daß der geschäftlose Epicurismus das einzige wahre Wünschenswerthe sey? Nein gewiß nicht. Ich gebe zu, unzüchtige Bücher können das Geblüt in Wallung bringen, den thierischen Instinkt in Bewegung setzen, zu bösen Handlungen verleiten, und durch Wiederholung eine Fertigkeit in Begehung derselben nebst allen Folgen der Liederlichkeit hervorbringen. Das ist es aber auch alles, was sie thun können, und sogar diese Bücher, deren Wirkung auf die Sitten schrecklich seyn kan, sind doch nicht fähig, uns Ehebruch und Hurerey als was Löbliches vorzustellen, ohngeachtet sie manchen dazu bewegen können. Da aber bey andern moralischen Handlungen kein solcher Instinkt statt findet, sondern wir sie nicht leicht anders begehen, als nach vorhergegangener Ueberlegung, daß sie das beste sind, [176] was wir thun können, so kan der Poet uns nimmer dazu verführen. Denn | er mag thun was er will, so wird er uns niemals den Diebstahl oder die Verrätherey als was Löbliches vorstellen können. Wer hat aber auch jemals den Dichter zu einem Prediger machen sehen, der sich einen Text, über den er predigt, wählen muß, und wenn dieser nicht symbolisch richtig ist, für einen Ketzer erklärt wird. Auf diese Art wirkt also die Dichtkunst gar nicht. Sie hat eine ganz andre Art zu wirken. Alle unsre moralisch guten und bösen Eigenschaften sind gewisse Fertigkeiten, auf diese oder jene Art zu handeln, welche nicht aus dieser oder jener besondern Idee in unserm Gehirne, sondern aus dem ganzen Systeme von Ideen, das wir haben, entspringt. Also wirkt auch die Dichtkunst nicht dadurch, daß sie unserm Geiste diese oder jene Vorstellung einprägt, sondern dadurch, daß sie das ganze System unsrer Ideen erweitert, und durch öfters wiederhohlte Eindrücke auf eine gewisse [177] Art modelt. Ueberhaupt thut das Lesen die | Wirkung, daß es die Sphäre unsrer Ideen vermehrt, und uns also bessert. Denn je erleuchteter unser Verstand wird, desto besser werden wir allezeit. Je mehr Ideen in einem Kopfe stecken, desto fähiger ist er auch, sich neue zu erwerben; desto brauchbarer ist der, welcher gelesen hat, desto fähiger andern zu dienen, und allerhand Geschäfte auszuführen. Alle Gedichte haben den Zweck, unsre Leidenschaften rege zu machen, und unserm Gefühl Nahrung zu geben. Durch das häufige Erregen des Gefühls machen sie also die Seelen der Menschen fähiger, zu empfinden, besonders dasjenige zu empfinden, was

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andre angeht, und sich in ihre Stelle zu versetzen. Der Wilde, der Rauhe, der Unwissende fühlt nur für sich selbst. Derjenige, dessen Gefühl verfeinert ist, fühlt auch für andre, und empfindet durch die Sympathie einen wahren Schmerz bey fremden Leiden. Dieses Gefühl befördert die Dichtkunst dadurch, daß sie die Sympathie immer in Uebung erhält. Denn da die Dichtkunst nicht | meine Empfindungen mir schildert, sondern die Empfindungen andrer (es sey nun des Dichters selbst, oder der Person, wovon er dichtet, sie mag Roland, Reinold, Ulyß oder Hippolit heißen) so stärkt allemal die Dichtkunst das sympathetische und nicht das selbstische Gefühl. Darinnen besteht der Dichtkunst eigentlicher Nutzen und ihre wahre Wirkung. Nicht durch die Fabel vom Fuchse und der Elster lehrt mir la Fontaine, wie gefährlich es sey, einem Schmeichler zu trauen, denn ich weiß das entweder schon, wozu eine einzige Erfahrung besser ist als alle Fabeln, und dann ist die Fabel in diesem Betracht unnütz; (dies wird derselbe Fall mit den mehrsten poetisch ausgeführten moralischen Sätzen seyn) oder, wenn der Fall erscheinen wird, daß man mir schmeichelt, so werde ich gar nicht an die Fabel denken, welche mir ohnedies nicht zeigt, wie ich den Lobspruch von der Schmeicheley unterscheiden soll. Denn was sagt sie mehr, als: Hüte dich für Schmeichlern. Das wußt’ ich so. Auch will man dies | gar nicht aus der Fabel lernen. Dazu ist wahrhaftig Plutarchs Traktat von dem Unterschiede eines Freundes und Schmeichlers weit geschickter. Bin ich aber fähig, an dieser Fabel Geschmack zu finden, ihre Schönheiten einzusehn und zu fühlen; so hab ich eine gewisse Anzahl Ideen, und eine gewisse Feinheit im Gefühl des Schönen erlangt, die mich zum nützlichen Mitgliede der Gesellschaft machen. Ich muß also auch nothwendig einsehen, was recht, löblich und gut ist, und welcher Vortheil mir daraus erwächst, wenn ich es erfülle. Daraus folgt nun auch, daß in der Dichtkunst nicht alles Lehren enthalte, nicht alles unsre Empfindlichkeit gegen das Edle, Schöne und Vollkomne rege machen muß. Der Zweck mancher Gedichte ist nur allein, uns zu belustigen, die Sphäre unsrer Begriffe vermehren zu helfen, und uns vermischte Bilder darzustellen, wenn auch gleich diese Bilder nicht vollkommen nach der moralischen Richtschnur sind. Kurz, sie haben ihre Schönheiten, ihre neuen | Ideen, die sie uns vorstellen. Sie üben unsern Verstand, wenn auch das Herz dabey unempfindlich ist; und auch das ist schon sehr gut. So enthalten viele von Molierens Comödien eine schlechte Moral. Deswegen, weil Dorant im Bourgeois gentilhomme ein Schelm ist, oder weil Erast im Pourceaugnac den ehrlichen Landjunker zum besten hat, und daher die Julie bekommt, wird keiner ein Schelm werden wollen. Diese Comödien deswegen zu verdammen, ist ein hirnloses Urtheil. Man lacht über eine solche Comödie, und legt sie wieder hin. Sie schärft den Witz, macht uns empfindlich fürs Lächerliche, und hat keinen weitern Einfluß auf unsre Aufführung, welche von dem System der Ideen, und nicht von dem abhängt, was wir hie und da, besonders in Comödien, und zumal in scherzhafen Comödien lesen. Dank sey es dem Himmel! die menschliche Natur ist so treflich gebildet, daß nichts fähig ist, sie zu rühren und einen tiefen Eindruck auf sie zu machen, als das, was tugendhaft, edel | und löblich scheint. Und wollte auch

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ein Dichter das Laster anpreisen, so würde er nicht nur seinen Zweck, zu gefallen, sicher verfehlen, sondern die tägliche Erfahrung würde auch einen jeden genugsam für die Falschheit seiner Sätze warnen. Also thut auch das moralisch Falsche, so wir in Gedichten lesen, keine andre Wirkung auf unser Herz, als die Wirkung, welche die Geschichte in uns hervorbringt, wenn wir aus derselben sehen, daß oftmals Bösewichter gekrönt sind; und les Fourberies de Scapin sind nicht um ein Haar gefährlicher, als die Geschichte Cromwells. Man lernt auch die Moral gar nicht aus solchen Büchern, sondern wenn Bücher ja etwas dazu beytragen sollten, so sind es doch andre, als Gedichte und dergleichen. Ich glaube aber vielmehr, daß unser moralischer Charakter mehr durch die Begebenheiten, die uns zustoßen, durch die wirklichen Erfahrungen, die wir in unserm Leben machen, und durch die Gewohn[182] heiten, die wir nach den verschiednen Verfassungen annehmen, worin wir | uns von der ersten Kindheit an befunden haben, lange bevor wir fähig waren zu lesen, geschweige etwas, so wir lasen, zu verstehen und zu empfinden, als durch Bücher bestimmt wird. Sollte auch hier und da ein feuriger, früh zum Lesen gewöhnter Kopf, welche doch überaus selten sind, durch Lesung eines Buchs angeflamt werden, sich dessen Grundsätze eigen zu machen; so wird ihn allezeit die Erfahrung von deren Falschheit bald überzeugen, wenn sie nämlich wirklich falsch sind. Uebrigens lesen die Menschen meistentheils, nachdem die Grundlage ihres Charakters schon gelegt ist. Die Lektüre ist daher nur fähig, demselben einige leichte Schattirungen zu geben, nicht aber ihn zu bilden. Ich komme nun wieder zu den Dichtern der Wollust zurück. Um ihre Wirkung zu bestimmen, mußten zuvor diese Grundsätze vorausgeschickt werden. Sind Sie von deren Richtigkeit überzeugt, so wird es leicht seyn, das Verdienst der erotischen Dichter abzuwägen. Wenn sie sich die Prediger der Tugend nennen, so irren sie freilich offenbar. [183] Dennoch stiften sie wirklich einen moralischen Nutzen, den ich eben jetzt auseinander setzen will. Es giebt zweierley Arten von Tugend. Die eine besteht in einer gewissen festen Ueberzeugung dessen, was uns eine gewisse Art zu handeln zur Pflicht macht; sie ist von den Regeln dieser Art zu handeln genau unterrichtet, und verfährt aus dieser Ueberzeugung jederzeit nach denenselben. Diese Tugend ist unbeweglich, standhaft, und die Tugend der großen und vesten Seelen. Zu dieser Art von Tugend tragen die Dichter der Wollust so wenig bey, daß sie vielmehr fähig wären, dieselbe zu schwächen oder wol gar auszurotten. Allein wenn Menschen ein weiches Gefühl haben, so werden sie stark von den Leiden andrer gerührt, und diese Rührung hat eine Wirkung auf sie, welche einem eignen Leiden nicht unähnlich ist. Daher sind solche [184] Leute auch geneigt, vieles zu thun, um dem Leiden andrer abzuhelfen, wenn es | in ihrer Macht steht, und alles zu unterlassen, was fähig ist, andern zu schaden. Es ist wahr, da das sympathetische Gefühl niemals zu der Stärke des Selbstgefühls kan erhöhet werden, so ziehen sich solche Leute jederzeit allen übrigen Menschen vor, auch wenn sie es nach den Regeln der Tugend nicht thun sollten; denn theils kennen

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sie diese Regeln so genau nicht, theils haben sie auch nicht die Stärke der Seelen, welche dazu gehört, seine eigne Neigungen zu überwinden, wenn ihnen die Pflicht im Wege steht. Zwo Sachen sind aber ein Mittel dagegen. Erstlich sind durch Gottes weise Fügung die Collisionen zwischen Neigung und Pflicht nur selten in Vergleichung der Fälle, wo sie mit einander übereinkommen. Zweytens ist bey dergleichen Leuten ein großes Feld der Collisionen schon genommen, indem ihnen ihre schwache Gemüthsart alle Lust nach solchen Gegenständen benimmt, deren Erhaltung ihnen viel Mühe und Arbeit kosten würde. In der Bahn der Ehrenstellen und Würden – eine | von den großen Ursachen der Streitigkeiten und daraus entstehen- [185] den Bosheiten der Menschen – lassen sie gern andre laufen, und bleiben geruhig. Sie haben gar keine Neigung, andern dieserhalb was in den Weg zu legen. Wenn daher etwas Böses von ihrer Seite geschieht, so ist es allein, wenn ihnen jemand eben in den Weg ihres Vergnügens läuft, welches doch nur überaus selten geschehen kan. Denn unter allen Sachen in der Welt ist das Vergnügen oder die Wollust dasjenige, welches man am leichtesten bekommen kan, ohne jemanden beschwerlich zu fallen, wenn man nur hierin dem Leitfaden der Natur folgt. Eine Flasche Wein ist leicht angeschaft, und mit dieser und einigen witzigen Freunden belustigt sich ein Wollüstling den ganzen Abend. Ist er von allen weitauslaufenden Absichten ein Feind, und fliehet er daher aus Bequemlichkeit und Furcht für Strafe alle böse Handlungen; so ist er auch eben so sehr entfernt, alle gute Handlungen vorzunehmen, deren Ausübung viel Mühe, eine | große Standhaftigkeit der Seele, Muth und Stärke [186] erfodert.4 Hingegen muß man auch gestehen, daß diese Handlungen selten erfodert werden, und daß die Gesellschaft, zumal in dem Zustande, in dem sie anjetzt ist, zur Noth ohne sie bestehen kan. Wenn nun die erotischen Dichter einen Effect thun, der ihnen eigen und unabhängig von den Wirkungen andrer Dichter ist, welche darin bestehen, den Verstand zu erweitern und den Geschmack zu verfeinern; wenn sie in der That auf den Charakter wirken; so bilden sie Wol|lüstlinge, Leute von voluptuarischer Gesin- [187] nung, die gegen Schmerz und Vergnügen überhaupt, und also auch gegen die Schmerzen und Vergnügungen andrer äußerst empfindlich sind, die von Mitleid und sympathetischer Freude merklich gerührt werden, und also bereit sind, vieles zu thun, um andre sich freuen, oder von ihrem Leiden befreyt zu sehen, weil sie dabey

4 Der ächte Probierstein der schwachen und starken Seelen ist das Unglück. Ovid und Büssy würden niemals die Vortreflichkeit einer gewissen Stelle im Tasso empfinden können, worin dieser unglückliche Dichter die Festigkeit einer großen Seele im Leiden so erhaben schildert, daß man deutlich erkennen kan, er habe selbst so gedacht und empfunden. A r g a n t e spricht im 19. Gesang Ottav. 19. Ma come à l’Euro la frondosa cima Piega, e in un tempo la solleva il pino; L’ostinazione cosi mi sublima, Quando nè son già per cader più chino. A n m e r k . d e s H e r au s g .

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eine angenehme Empfindung zugleich mitbekommen. Ich will nicht entscheiden, ob die erotischen Dichter wirklich diesen Effekt auf die Charaktere hervorbringen, oder ob es nicht vielmehr schon ein Zeichen ist, daß der Hang zu dieser Denkungsart bey einer Nation existirt, wenn erotische Dichter in ihr entstehen, und wenn sie denenselben zumal Geschmack abgewinnet. Es kan auch seyn, daß eins ins andre wirkt, der Hang der Nation auf die Dichter, und die Dichter hinwiederum auf die Nation. Vielleicht kan es auch wol geschehen, daß durch einen Zusammenfluß von Umstän[188] den ein Genie von der ersten Größe in dieser Gattung mitten | in einer Nation aufsteigt, der ihr so gefällt, alle andre so sehr übertrift, daß er sie völlig nach sich umstimmt, und daß der Beyfall, den er erworben hat, alles, was dichten will, bewegt und sogar zwingt, in seine Denkungsart hinein zu dichten. Dennoch ist es wahrscheinlich, daß der Hang bey der Nation vorausgehen muß, weil erstlich ein solcher Dichter in einem Volke, welches gänzlich entgegengesetzte Grundsätze hegte, nicht aufstehen, und zweytens weil er gar nicht goutirt werden würde. Um Petrarchs Zärtlichkeit schön zu finden, musten die Italiäner schon einen Hang dazu haben, wie sie auch wirklich hatten; und ohne diesen wäre auch Petrarch unter ihnen nicht entstanden. Ich läugne nicht, daß Petrarch nicht sollte hinwiederum auf die Nation gewirkt haben, wiewol ich doch glaube, daß diese Wirkung sich mehr auf die Sentimens in Schriften erstreckt, als sich im gemeinen Leben geäußert hat. Also [189] kan die Liebe zu einem Wieland, Gleim oder Jacobi auf die Denkungsart ihrer | Leser auch wol wirken. Wenn sie das nun aber thut, so bildet sie Epikuräer, fühlbare Seelen, wie man sie heut zu Tage nennt, die den lieben Gott einen frommen Mann seyn lassen, keinem Menschen Leids thun, im Gegentheil ihrem Nächsten helfen, so viel als sichs ohne ihre Unbequemlichkeit thun läßt, und sich übrigens die Zeit in der Welt so gut vertreiben als sie können. Ihre Schüler sind nicht nur glücklich, artig, gefällig und daher gern gesehen in Gesellschaft, nein! sie sind auch menschlich, bereitwillig zu dienen, unfähig jemanden Leides zuzufügen, und diese letztern Eigenschaften, die ihnen jeder einräumen muß, haben etwas Reizendes, etwas Einnehmendes. Die Sympathie, die sie mit den Empfindungen eines jeden zu fühlen bereit sind, macht, daß man sie gern an sich bindet, daß man ihren Umgang und ihre Freundschaft sucht. Alles dieses wissen die Herren sehr wohl, und das giebt ihnen auch den Eigendünkel, den sie von sich [190] haben, daß | sie kräftige Lehrer der Tugend sind. Warum? Sie sehen ihren Eleven viele menschliche und liebenswürdige Handlungen begehen. Schweifen sie hingegen ja etwas aus, so ist es in der Leidenschaft der Liebe, unter allen diejenige, deren Ausbrüche den wenigsten Schaden thun, und bey der die nöthige Sorge für ihre Gesundheit, für ihr Glück, sie leicht in nothwendige Schranken zu halten weiß. Ich bin Ihnen hoffentlich, mein Freund, als ein Mensch von einem ganz andern Charakter bekant. Meine Seele hat eine gewisse Rauhigkeit und Strenge, die diesem zärtlichen Wesen gerade entgegen gesetzt ist. Ich habe keine solche feinen Empfindungen, und bin zur Sympathie so leicht nicht zu bewegen, sondern ich bemühe mich im Gegentheil, jederzeit nach festbestimmten Grundsätzen zu handeln, und die

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Empfindungen, die mich in jener Ruhe und Festigkeit des Gemüths stöhren könnten, bey mir zu vertilgen. Dennoch will ich Ihnen ein Geständniß thun, das Sie in Verwunde|rung setzen wird. Ich glaube nemlich, daß heut zu Tage diejenigen, welche das sympathetische Gefühl rege zu machen wissen, diejenigen, die die Weichherzigkeit einflößen, größern Nutzen stiften, als die, welche feste und unerschütterte Charaktere bilden.5 Ich habe vor nicht gar langer Zeit folgende Stelle in den Göttingischen gelehrten Anzeigen gelesen. – Es ist einigemal die Rede davon gewesen: Ob es eben für die Sitten Deutschlands zu wünschen wäre, daß die weichliche Dichtart die voraus begünstigte und herrschende in unsrer Nation würde? Ob gewisse bald nakt dargestellte, bald mit gesuchtem Reize bekleidete Grundsätze, und diese vielleicht nicht genug bestimmt, der bürgerlichen Gesellschaft zuträglich, und insonderheit den zarten Gemüthern und dem andern Geschlecht anzupreisen wären? Und ob es einen sittlichen Vortheil in beyden Betrachtungen hervorbringen könne, daß gewisse Triebe, welche durch poli|tische und sittliche Uebel schon ohnedem so viel Uebergewicht über Gesetz und Religion haben, noch mehr genährt und gestärkt würden? Der fromme Recensent mag es recht gut meynen; aber in vielen Punkten macht er sich eine unnöthige Sorge. Meynt er wol, daß Frauenzimmer ihre Lebensregeln aus der M u s a r io n lernen werden? Oder daß die Ausschweifungen einer Danae, die uns von dem Dichter als Kleinigkeiten geschildert werden, verursachen könnten, daß Frauenzimmer die ihrigen in der Welt auch dafür ansähen, und ihren Trieben mehr nachhiengen als zuvor? Das hat nichts zu bedeuten! Die Verachtung, die, ohnerachtet aller poetischen Fictionen, auf einem weiblichen Fehltritt steht, wird sie wol eines bessern belehren. Eben so wenig wird das Beyspiel eines Agathons, eines Phanias jemand bewegen, fern von allen Geschäften, im Müßiggange, und in den Armen seines Mädchens seine Zeit zu verleben. Tausend Leidenschaften, tausend Umstände und Bedürfnisse leiden das nicht. Es | gehört Vermögen, ein sehr träges oder sehr philosophisches Herz und gerade das Mädgen dazu, das man bis zum heftigsten Grade liebt; und dies trift sich nur bey wenig Leuten. Aber das bey Seite gesetzt, so kan die weiche Dichtungsart den Sitten keinen Schaden bringen. Sie macht die Menschen schwach, aber gütig, begierig nach gegenwärtigen Vergnügungen, aber weit davon entfernt, nach etwas Großem und Schwerem zu trachten, welches die gröste Zahl der bösen Handlungen hervorbringt. Und bey unsern Regierungsformen, bey dem jetzigen Zustand der Gesellschaft braucht man weit nothwendiger gütige als starke Seelen. Sie sind das Vergnügen der Gesellschaft, sie sind es, die den Armen gutes thun, und den Nothleidenden beyspringen. Sie warten ihre kranken Bekanten, trösten diejenigen, die ein Unfall betrübt hat, verschaffen diesem eine Stelle durch Empfehlungen, und verhelfen jenem zu der Frau, die er sich wünscht. Kurz, was die feste Seele nur für wenige Freunde, aber in einem weit | höhern Grade thut, das thun

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Stof zu einem ganzen Buche!

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sie in einem weit geringern für jederman. Was die feste Seele kaltmüthig aus Empfindung der Pflicht thut, das thun sie mit Wärme aus einer Art von Instinkt. Große Thaten, wozu eine gewisse Stärke des Geistes gehört, lassen sich anjetzt nur gar selten mehr thun, so wenig als man bey der verfeinerten Gesellschaft im Stande ist, große Bosheiten mit dem geringsten Anscheine der Sicherheit zu begehn. Kleine Wohlthaten aber, kleine, dunkle, aber empfindliche Bosheiten lassen sich jetzt noch stets begehen. Die kleine Seele entsteht aus solchen Umständen, bey denen man nur kleine Thaten begehen kan. Daher müssen bey der itzigen Gestalt der Gesellschaft fast lauter kleine Seelen seyn. Alles, was diese Seelen weich und schwach macht, macht sie auch gut. Nichts besser, als wenn sie von einem voluptuarischen Temperament sind; das wendet sie von den kleinen Bosheiten zu den [195] kleinen Gutthaten. Ist eine solche Seele | hingegen ehrgeizig, und hat eine ihrer Kleinheit angemessene Begierde nach Ruhm und andern weitaussehenden Dingen; so wird sie beynahe gewiß ein Muster von Bosheit, und ihr Leben ein Gewebe von Tücken werden. Plato wird in dem erwähnten Stücke der Göttingischen Anzeigen N. 39 Anno 1771 sehr unrecht angeführt. Kein Mensch konnte wunderlich finden, daß Plato die Dichter und zwar besonders den Homer aus seinem Staate verbannte; denn Plato hatte zum Zweck, eine Republik zu stiften, und wollte lauter große Seelen in derselben haben. Er besorgte von den Dichtern hauptsächlich zwo Gefahren für die Glieder seines Staats, und man wird sich erstaunend wundern, wenn man hören wird, wie weit dieselben von den Wirkungen, die unsre erotischen Dichter hervorbringen, unterschieden sind; noch weniger aber kan man begreifen, wie Plato bey der Recension hieher kommt. Die erste Ursach, warum Plato den Homer und Consor[196] ten verbannte, ist, weil sie von den Göttern und Hel|den erzählen, daß sie weinen, daß sie lachen oder zürnen u. s. w. dies alles, meynt Plato, schickte sich nicht für seine Jünglinge, und würde ihnen nur Gelegenheit geben, eben so zu handeln. Der zweyte Grund ist noch wunderbarer. Er hält das, was die Dichter von den Strafen nach dem Tode und von der Hölle erzählen, für gefährlich für seine Jünglinge, indem es ihnen den Tod furchtbar macht. Solche Schilderungen, sagt er, sind gut poetisch, aber sie müssen nicht jungen Leuten und Männern zu Ohren kommen, wie die seinigen seyn sollen, nämlich, wie er sich ausdrükt: òυς δει ἐλευϑεσους εἰναι δουλειαν ϑανατου μαλλον πεφοζομενους. Das ist wahrhaftig von dem, was unsre erotischen Dichter singen, weit entfernt, und die Substanz von allem dem, was Sie in seinem dritten Buche über die Republik von den Poeten finden werden. Solche Leute sinds, die Plato haben will. Solchen Leuten ist auch alles, was ihre Empfindlichkeit [197] rege machen kan, gefährlich. Aber sind wir denn solche Leute? Wie | lächerlich ist es, das, was von alten Republiken wahr ist, mit unsrer Staatsverfassung vergleichen, und auf sie anwenden zu wollen! Haben wol jemals die Perser griechische Maximen angenommen? Oder haben jemals ihre Schriftsteller es getadelt, wenn man nicht griechisch bey ihnen dachte? Ich glaub’ es nicht; es fiel ihnen das vermuthlich so wenig ein, als Feuer im Wasser brennen zu machen. Für unsre Verfassung, sage ich also, hat diejenige Denkungsart, bey welcher eine Nation weiche Dichter hervor-

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bringt, dieselben liebt, und sich zum Theil darnach bildet, ihren Nutzen. Denn nicht alle Leute, ja nur die wenigsten, bilden sich durch Lektüre, und die natürlichen Leidenschaften der Menschen, nebst den Vortheilen, die der Staat für große Bemühungen ertheilt, bringen noch allezeit soviel Stärke des Geistes hervor, als zu den Bedürfnissen desselben in einem monarchischen Regimente erforderlich ist. Ohnerachtet ich nun dieses eingestanden habe, ohnerachtet ich mich freue, wenn ich viele | Bekannten zählen kan, die solche empfindsame Seelen haben; so [198] werde ich doch niemals meine Freunde aus denselben nehmen. Ich lobe mir dafür die standhaften und männlichen Seelen. Dieser ihre Freundschaft hat was Gewisses, und ihr Umgang etwas Starkes, sogar in Kleinigkeiten, dessen bloßer Anblick mich gleich reizt. Man kan auch viel sichrer auf sie rechnen, und seine Plane darnach einrichten. Und zu diesem allen muß ich noch hinzuthun, daß die Wichtigkeit, so unsre erotischen Dichter auf sich selbst legen, allemal lächerlich ist. Sie bringen eine gute Wirkung hervor, und zwar die beste, wo nicht die einzige, die sich vielleicht in unsern Umständen bewirken läßt; sich aber als Lehrer der Tugend anzusehen, sich mit einem Plato, Cicero und mit einigen andern wahrhaftig großen Geistern des Alterthums in Vergleich zu setzen, die noch das Ergetzen und die Schule einiger starken Seelen heut zu Tage sind, und sie wol gar neben sich zu verachten, das ist so belachenswerth, als der Eigendünkel des Fecht|meisters und Tanzmeisters im [199] Bourgeois gentilhomme, die sich für die wichtigsten Geschöpfe im Staate ausschreyen. Ich sag’ es noch einmal, unsre Verfassung leidet es nicht, daß viel große Seelen in unsern Ländern gezeugt werden; und deshalb schaft der erotische Dichter, der die Gemüther weich und daher gütig bildet, Nutzen; außerdem aber nicht. Denn freilich würde eine Gesellschaft, die aus lauter starken Seelen bestünde, weit besser seyn. Vielleicht sind Sie nicht meiner Meynung, und halten es mit den zärtlichen Seelen. Indeß sollte es mir nicht schwer fallen, Ihnen durch verschiedne und sogar neuerliche Beyspiele darzuthun, wie viel besser es ist, mit einem festen Charakter zu thun zu haben, als mit dem, was man einen gutherzigen Mann nennt.6 Doch genug hievon. Sie haben mir in Ihrem Briefe viel von Hagedorn gesagt, [200] worauf ich Ihnen meine Antwort schuldig bleibe, weil ich mich in diese Materie geworfen habe. Ich muß Ihnen doch aber soviel sagen, daß ich ihn freilich für den Vater der deutschen Dichtkunst halte. Er ist in meinen Augen ein ganz andrer Dichter, wie Haller, ja es findet bey ihm nicht einmal ein Vergleich mit diesem statt. Aber, aber, wenn wir sein poetisches Verdienst abwägen wollten, wie viel bliebe ihm alsdenn eigenthümliches? Seine Lieder bleiben ihm allezeit, und diese sind gröstentheils vortreflich. Im übrigen ist er doch nur Nachahmer. Doch, wie gesagt, ich verehre ihn, und will ihn gern in den dritten Rang der deutschen Dichter setzen. Den

6 Besonders muß bey der Erziehung der Prinzen frühzeitig dahin gesehen werden, einen auf Grundsätzen gestützten Charakter in ihnen zu bilden. Ein Herrscher muß weniger gütig als gerecht seyn. A n m e r k . d e s H e r a u s g .

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zweyten kan er nach meinem Urtheil schwerlich behaupten. – Sie wollen mir von Kleisten schreiben? Ich bin neugierig, was Sie mir sagen, und ob Sie meinen Geschmack treffen werden, so wie Sie ihn einmal trafen, da von der schönsten Ode [201] des Horaz die Rede war,| und Sie mir meine Lieblingsode nannten, nemlich

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Impios parrae recinentis omen etc.

Was wird Ihnen wol im Kleist am besten gefallen? Etwa sein Frühling? – Leben Sie wohl, mein Freund, und antworten Sie mir bald. Vielleicht bekomme ich Morgen wieder den Einfall, an Sie zu schreiben. Ich habe noch einen Punkt auf dem Herzen, der mir eben einfällt.

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Vier und zwanzigster Brief.

Sie theilen die Menschen in zwo Classen ab, in solche, die nach festbestimmten Grundsätzen, und in solche, die aus Gefühl handeln. Wie? wenn ich Sie aber noch eine dritte Classe kennen lehrte? Menschen, die aus Grundsätzen und Empfindung zugleich handeln, die zugleich feste und nachgebende Seelen besitzen, die zugleich große und kleinere Thaten begehen können, und bey denen die Grundsätze zur Empfindung gediehen sind, so wie im Gegentheil ihre Empfindung durch Grundsätze ausgebildet und geleitet wird. Betrachten Sie die besten Menschen unter unsern Zeitverwandten, und Sie werden finden, daß sie diese mitlere Denkungsart besitzen. [203] Selbst die bösartigen Charaktere unter dem itzigen Menschengeschlecht | gehören mehrentheils in diese Mittelgattung. Sie ist diejenige, aus der sich die besten Freunde und die liebenswürdigsten Bekannten wählen lassen. Die Leute, welche zu derselben gehören, sind standhaft in ihren Verbindungen, streng in Ausübung der Gerechtigkeit, emsig in ihren Geschäften. Aber sie sind auch gefällig, verbergen das Rauhe ihrer Grundsätze, scheinen oftmals in denselben nachzulassen, ob sie ihnen gleich fest anhängen, und wissen sogar das Geheimniß, den Scherz mit dem Ernste zu vereinigen, vollkommen. Solche Seelen haben den Vortheil, daß man sie zu gleicher Zeit hochschätzt und liebt. Sie könnten den Namen der »eingeschränkteren Menschenfreunde« führen. Für diese mitlere Gattung von Charakteren bedarf die Dichtkunst der wenigsten Einschränkung. Die ernste Epopee entzückt sie, und sie sympathisiren mit den Klagen eines Petrarchs. Auch kan die Abwechselung des Großen und Sanften in der [204] Dichtkunst nicht wenig | zur Bildung solcher Charaktere beytragen. Es ist, deucht mir, nicht bestimmt genug ausgedrückt, wenn Sie sagen, der eigentliche Nutzen der Poesie bestünde in der Erweiterung der Grenzen unsrer Ideen. Dies ist überhaupt die Wirkung des Lesens. Der Dichtkunst besondrer Vortheil aber ist in der Erlangung »sehr lebhafter« Ideen zu suchen.

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Die Apologie der erotischen Dichtart war mir von Ihnen etwas unerwartet. Ich billige alles, was Sie bey der Gelegenheit zur Entscheidung dieses Streitpunktes sagen. Freilich gehen beyde Theile zu weit. Der eine sollte, ehe er die epikurische Dichtkunst verdammte, noch zuvor die Natur des Menschen ein wenig mehr studiren, und der andre sollte weniger von Weisheit als von Vergnügen reden. Denn dies erwartet man doch nur eigentlich vom erotischen Dichter. Es scheint etwas sonderbar zu seyn, daß unsre scherzenden Dichter, antatt die Nation | zur Freude zu locken, sie mit Gewalt dazu zwingen wollen. Sie verdammen [205] sehr anathematisch einen jeden, der nicht mit ihnen lachen will oder kan. Ist das nicht grausam? Was aber das Schlimste ist, so gerathen ihnen die Vertheidigungen ihrer Göttin oft sehr schlecht. Das will ich Ihnen an einem Beyspiel zeigen. Wielands D i ogene s , ein artiges Buch, das aber den philosophischen Einsichten des Verfassers ungleich weniger Ehre bringt, als Aga t ho n oder M u s a ri o n, enthält eine Apologie der Freude, welche bey einem hinreißenden Style so wenig Gründliches in sich schließt, daß ich nicht begreifen kan, wie sie aus der Feder eines Wielands hat fließen können. Er sagt in derselben: »Wenn ich einem Fürsten zu rathen hätte, so würd’ ich ihm nichts eifriger empfehlen, als s e i n V o l k i n g u t e L a u n e z u s e t z e n . Kurzsichtige Leute sehen nicht, wie viel auf diesen einzigen Umstand ankommt.« Hätte Herr Wieland einem Fürsten nichts bes|sers zu [206] empfehlen, so wollen wir immer wünschen, daß er niemals in Staatsangelegenheiten zu Rathe gezogen wird. Es gehören eben nicht scharfsichtige Augen dazu, um einzusehen, daß eine Nation mit dergleichen Vorsprache sehr wenig zufrieden zu seyn Ursach haben würde. Der wahre Patriot, dem der Vortheil der Regierung nur am Herzen liegt, wenn der Vortheil des Volks damit verknüpft ist, würde sich solcher Rathgebungen schämen. Der Grundsatz, sein Volk in gute Laune zu setzen, ist jederzeit der bekannte Grundsatz des französischen Hofes gewesen, und es sey dem Urtheil guter Seelen und weiser Staatskundigen überlassen, zu entscheiden, mit welchem Erfolge derselbe in Ausführung gebracht ist. Herr Wieland irrt sehr, wenn er die Minister andrer Höfe, die diesen Grundsatz weniger zu hegen scheinen, für kurzsichtig erklärt, weil sie von diesem Umstande nichts wissen wollen. Eben dadurch, daß sie ihn vor ihren Fürsten verbergen, geben sie ein Beyspiel ihrer Scharfsichtigkeit. Man | gehe die Geschichte aller Nationen durch, und man wird finden, [207] daß die Epoche ihres Verfalls jederzeit mit den herrschenden Grundsätzen der weichlichen und leichtsinnigen Denkungsart, welche Herr Wieland die »gute Laune« nennt, ihren Anfang genommen hat. Der jetzige Zustand der französischen Nation entscheidet im Gegentheil hinlänglich, wie kurzsichtig oder unpatriotisch diejenigen Minister gehandelt haben, welche den Geschmack an Scherz und Witz unter diesem Volke, das ohnedem dafür geschaffen zu seyn scheint, noch mehr zu befördern und allgemeiner zu machen bemüht gewesen sind. Ueberhaupt zeigt es sich offenbar, daß Hr. Wieland bey dieser ganzen Stelle die französische und englische Nation, wenigstens von einer Seite betrachtet, vor Augen

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gehabt habe. Sie werden dieses finden, wenn Sie sich die Mühe geben wollen, dieses Stück im Zusammenhang zu überlesen. Doch gesetzt auch, er hätte auf diese gegen[208] wärtige Beyspiele bey seiner Schilderung keine eigentliche Rücksicht ge|nommen; so kan er uns doch nicht verwehren, daß wir eben aus diesen uns umgebenden Beyspielen Gelegenheit und Gründe hernehmen, seine Schilderungen höchst unbestimmt und schief, und seine Resultate gänzlich verkehrt und lächerlich zu finden. » Ein fröliches Volk,« sagt er, »thut alles, was es zu thun hat, muntrer und mit besserm Willen, als ein dummes oder schwermüthiges.« Bemerken Sie, Freund, den unrichtigen Gegensatz: »frölich« und »dumm oder schwermüthig« . Bey Herr Wieland scheinen die letztern Prädikate gleich viel zu bedeuten. Es ist ein Glück für die Seelen, welche einen Rousseau lieben, daß nur sehr wenige, und nicht eben die achtungswürdigsten Menschen, hierin Hrn. Wielands logische Begriffe annehmen. Aus diesen vorausgesetzten schielenden Begriffen fließen aber alle die sonderbaren Folgerungen, so er macht, und die wir bald hören werden. – »Alles, was es zu thun [209] hat,« ist gleichfalls sehr unbestimmt ausgedrückt; denn es kan die | rechtmäßigen und die abgedrungenen Pflichten eines Volkes gegen seinen Landesherrn bedeuten. Uebrigens ist der ganze Satz durch das einzige Beywort »dumm« nur halb wahr geworden. »Muntrer« handelt zwar ein fröliches Volk, als ein dummes; aber auch mit besserm Willen? Das ist noch eine große Frage. Er setzt hinzu: »Und – unter uns gesagt, ihr Hirten der Völker! – es leidet zwanzigmal mehr als ein anderes. Ew. Majestäten dürfen es kühnlich auf die Probe ankommen lassen.« Ich gebe zu, daß ein fröliches oder vielmehr leichtsinniges Volk mehr als ein schwermüthiges leiden kan. Aber auch mehr als ein »dummes« : Ohnmöglich! – Aus dieser Periode werden Sie recht deutlich sehen können, mit wie viel größerm Rechte das Beywort du m m zu dem frölichen Volke, als zu dem schwermüthigen gesetzt werden könnte. Denn unter allen Völkern des Erdbodens grenzen die Dummen und Frölichen in diesem Punkt am genauesten zusammen, daß sie [210] beyderseits am leichtesten zu be|herrschen sind. Göttin der gesunden Vernunft! wie hast du deinen Liebling solche Widersprüche niederschreiben lassen können? – Sie haben aber außerdem gar nicht nöthig, Herr Wieland, den Hirten der Völker ohnaufgefodert solche machiavellische Rathschläge ins Ohr zu raunen. Wir verbitten die Probe von ganzem Herzen.

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»Wenn die Athenienser bey guter Laune sind, so vergessen sie über einer Comödie, oder einer neuen Tänzerin, oder einem neuen frölichen Liedchen den Verdruß über eine verlohrne Schlacht, oder die schlimme Verwaltung ihrer öffentlichen Einkünfte.«

Hieran thun die Athenienser sehr Unrecht, und es wäre besser, sie wären bey böser Laune, um mehr Sorgfalt für die Verwaltung ihrer öffentlichen Einkünfte zu tragen. Wenigstens brauchen wir sie hierin gar nicht zu Mustern zu nehmen. Ob aber die Athenienser wirklich die Nachlässigkeiten in ihrer Staatsverwaltung so leicht verges[211] sen haben, mag Herr Diogenes | beweisen. Er, als ein Coävus, muß er freilich am besten wissen, wenn er anders häufig seine Tonne mit den Gerichtsplätzen in Athen

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verwechselt hat. Nach dem zu urtheilen, was uns die Geschichtschreiber vom Miltiades, Themistocles und dem Alzibiades selbst melden, war der Eindruck einer verlohrnen Schlacht doch etwas lebhafter und bleibender bey ihnen, als der Eindruck, welchen eine Phryne oder Lais machte. Doch, wie gesagt, Herrn Diogenes Urtheil hat hier viel Uebergewicht. »Alzibiades machte mit ihnen, was er wollte, weil er das Geheimnis besaß, ihnen alle Augenblicke wieder einen Spaß zu machen, über dem sie das Böse vergaßen, das er ihnen zufügte.«

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Sie vergaßen es nur eine Zeitlang; bald aber erinnerten sie sich desselben desto nachdrücklicher. Uebrigens ist gewiß, daß Alzibiades sehr viel zur Erschlaffung der Denkungsart der Bürger von Athen beytrug. Nur verdorbne Seelen können sich ihn zur Nachahmung vorstellen. »Drückt uns immerhin ein wenig; wir würden es an eurem Platze eben so machen.«

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Dies ist sehr cynisch gedacht. »Aber empört unsre Geduld nicht, indem ihr uns verbietet, einen Theil unsrer Plagen wegzuscherzen. « Immer ein sehr unbeträchtlicher Trost, den selbst die monarchische Regierung in Frankreich willig gestattet. Nur Schade, daß in dem Troste selbst die Quelle des Kummers und der Sklaverey verborgen liegt! »Ein fröliches Volk, ein Volk, das für Witz und lachendem Scherz empfindlich ist, läßt sich viel leichter regieren, als ein schwermüthiges, und ist unendlich mal weniger zu Unruhen, Widersetzlichkeit und Staatsveränderungen geneigt.«

Dieser Satz hat seine Richtigkeit, ob er gleich eine sehr bekannte Wahrheit enthält. Nur hätte Herr Wieland hinzusetzen können: dagegen trägt es auch unendlich mal weniger Sorge für seine Freyheit und Wohlfarth, und erduldet die Unterdrückung mit mehrerer Gedult, als ein schwermüthiges Volk. » Religionsschwärmerey und politische Schwärmerey finden bey einem solchen [213] Volke keinen Zugang offen, oder verlieren bey ihm alle ihre Macht zu schaden. « Wie falsch! Ich erstaune, wie der Verfasser solche dreisten Assertionen hat wagen können, da ihm ein einziger Blick in die französische Geschichte die Falschheit derselben hätte zeigen müssen. Welche Nation ist fruchtbarer in Hervorbringung dieser beyden Uebel gewesen als die französische? Wo hat die Religionsschwärmerey jemals schrecklichere Catastrophen angerichtet, als in Frankreich? Welches Volk liebt schwärmerischer und mit weniger unterscheidender Einsicht seine Könige und die Regierung? Was für hitzige Partheyen sind nicht ehmals unter demselben entstanden? Welche Blutbäder, welch ein Enthusiasmus für die Minister! Bedarf alles dieses noch Beweise? Wer zweifelt daran, daß ein fröliches Volk, das heißt, ein solches, welches sehr lebhafter und geschwinder Eindrücke fähig ist, leichter von übereilten Entschlüssen und Urthei|len beherrscht wird, als der langsamere Geist [214] einer melancholischen Nation, welche, wenn sie gleich schwärmerische Seelen

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hervorbringt, nicht weniger solide, ächtdenkende und philosophische Geister zeugt, die jenen ziemlich das Gleichgewicht halten können?

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» Steigt in irgend einem trüben Kopfe eine menschenfeindliche Grille auf, so scherzt und spottet man sie weg – und sie wird vergessen.«

Eben so gut, und noch wahrer kan man sagen: Steigt in irgend einem patriotischen Kopfe ein Gedanke der Freyheit auf, so scherzt und spottet man ihn weg – und er wird vergessen. Wenigstens ist dieser Fall bey einem scherzenden Volke gewöhnlicher, als der erste. » Eben diese Grille würde unter einem milzsüchtigen Volke« (wie doch die Ausdrücke sich unter der einmal vorgefaßten Meynung sich schmiegen müssen!) »bey einem mäßigen Zusammenflusse befördernder Umstände, die Gemüther in allgemeine [215] Gährung gesetzt, Unruhen und Spaltungen erweckt, die Verfassung des Staats | in Gefahr gesetzt, und wenigstens ein halb Dutzend der besten Köpfe gekostet haben.« Sehen Sie nicht deutlich, daß Hr. Wieland die englische Staatsverfassung hiebey im Sinne gehabt hat? Eben diese müßte ihm aber lehren, sich keine gar zu fürchterlichen Vorstellungen von der Wirkung einer vorübergehenden Grille zu machen. Doch gesetzt, er hätte hierin Recht, so ist diese Unbequemlichkeit bey der Regimentsverfassung eines schwermüthigen Volkes mit so viel andern Vortheilen verknüpft, daß man dieselbe sehr leicht darüber vergessen kan. Denn, außerdem daß dergleichen Unordnungen in übrigens wohl eingerichteten Staaten, wie England ist, von minder wichtiger Bedeutung sind, als sich Herr Wieland einbildet; so muß mir ein jeder eingestehen, daß eine Nation, die für ihre Freyheitsrechte wacht, allemal furchtbarer, blühender und hochachtungswürdiger ist, als eine leichtsinnige, welche den vielgeliebten Fuß küßt, der ihren Nacken niederbeugt. » Es ist ein schlimmes Zeichen, sagte der alte Demokritus, wenn die Tugend unter einem Volke ein gravitätisches und aufgedunsenes Ansehn gewinnt. « Hören Sie, hören Sie, mein Freund, was für fürchterliche Wörter! Herr Wieland war nicht zufrieden, die Begriffe »Schwermüthig« und » Dumm« in eine Classe zu bringen. Itzt thut er noch die Prädikate »Gravitätisch« und »Aufgedunsen« hinzu. Ich bedaure die armen ernsthaften Nationen, die das Unglück haben, Herrn Wieland so sehr zu misfallen. Vor einigen Jahren hätt’ er sie vielleicht etwas billiger behandelt. Itzt aber, seitdem er das Panier der Freude ergriffen (welches wir ihm alle sehr vielen Dank wissen) itzt findet nichts Gnade vor seinen Augen, was nur den geringsten Anstrich von Schwermuth und trauriger Empfindung hat. Doch dies ließe ich noch gelten; allein er läßt seinen alten Demokritus lauter Dinge weißagen, die ein Heraklitus mit [217] viel größerm Rechte und viel mehr Wahrheit gerade dem frölichen Volke des Hrn. | Wielands prophezeyen würde, und Sie haben nur nöthig, die angeführte Stelle also zu parodiren.

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»Es ist ein schlimmes Zeichen, sagte der alte Heraklitus, wenn die Tugend unter einem Volke ein leichtsinniges und scherzendes Ansehn gewinnt,«

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um die ganze folgende Apostrophe vollkommen passend und richtig zu finden. »Irgend ein feindseliger Dämon schwebt mit Unglückbeladenen Flügeln über ihm. Ich bin kein Tiresias, setzte er hinzu, aber ich weissage einem solchen Volke mit der zuversichtlichsten Ueberzeugung, daß mich die Zukunft keiner Lügen strafen wird. Dumm und barbarisch wirst du werden, armes Volk! Trebern und Diestelköpfe wirst du fressen, und Dinge leiden müssen, vor denen Natur und Vernunft sich entsetzen – und wenn du siehest, daß die Betrüger, von deren gleißnerischer Mine du dich hast hintergeben lassen, ihre Tage in Müßigang und Wollüsten verzehren, das Mark deines Landes aussaugen, und deine Weiber und Töchter beschlafen – wirst du die Augen zumachen und | schweigen – oder mit ofnen Augen zusehn und doch schweigen, und dich bereden lassen müssen, du habest nichts gesehen.«

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Sagen Sie mir, liebster Freund, können Sie nur den geringsten Scheingrund finden, um Hrn. Wieland zu rechtfertigen, daß er diese Weißagung einem schwermüthigen Volke giebt? Mußte ihm das Beyspiel unserer Nachbarn, der Engländer und Franzosen, nicht alsbald das Unrichtige dieser Stelle zeigen? Lassen Sie es uns einmal stückweise durchgehen.

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» Dumm und barbarisch wirst du werden, armes Volk.« – Wie kan man das von einer zur Melancholie geneigten Nation sagen, da die Wissenschaften, besonders die Weltweisheit, am sorgfältigsten von einer solchen Nation erlernt und vollkommen gemacht zu werden pflegen? Ist Herrn Wieland nicht aus der Geschichte bekannt, daß die leichtsinnige, scherzende und üppige Denkungsart jederzeit zuerst der Barbarey und Dummheit den Eingang zu ei|ner Nation eröfnet hat? Würde sich diese [219] Exclamation also nicht besser in dem Munde eines Heraklits zur Verdammung der tändelnden Nationen schicken?

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» Trebern und Diestelköpfe wirst du fressen! « Das hat nichts zu sagen. Melancholische Leute streben zu sehr nach Reichthum und Schätzen, um geduldig Trebern und Diestelköpfe zu speisen. Aber eben dies ist das Loos des durch Abgaben beschwerten und bequemen Volkes, welches bey aller seiner Noth ein leichtsinniges: Es lebe der König! herlalt. » Dinge wirst du leiden müssen, vor denen Natur und Vernunft sich entsetzen.« Hat Herr Wieland nicht selbst gesagt, die fröliche Nation wäre zum Leiden die geschickteste? Wie kan er sich so offenbar widersprechen? O! und weiß er nicht, daß der Stolz unmittelbar mit der Schwermuth verbunden ist? » Wenn du siehest, daß die Betrüger, von deren gleißnerischer Mine du dich hast hinter|gehen lassen, ihre Tage in Müßiggang und Wollüsten verzehren, das Mark [220] deines Landes aussaugen.« – Es ist augenscheinlich, daß melancholische Geister zu mißtrauisch sind, um sich von gleißnerischen Minen hintergehn zu lassen, und zu mißgünstig, um ruhig zu sehen, daß ihre Obern ihre Tage in Wollüsten verzehren, und das Mark ihres Landes aussaugen. Wem fallen hingegen nicht die französischen Prinzen und Ministers hierbey ein? Wo darbt der Landmann mehr, als in dem

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frölichen Frankreich? Wo herrscht mehr b li nd e r Gehorsam und Furcht vor der Regierung, als dort? » Und deine Weiber und Töchter beschlafen, wirst du die Augen zumachen und schweigen – oder mit ofnen Augen zusehen und doch schweigen.« – Ganz vollkommen passend auf die leichtsinnige, unachtsame, zerstreute Nation, die Herr Wieland so glücklich findet! Der melancholische Mann ist argwöhnisch. Sollte er nicht wachsam auf die Tugend seiner Weiber und Töchter seyn? Er ist, seinem Tempera[221] mente | zufolge, rachgierig. Sollte er die Schändung derselben ungeahndet ansehn? Aber wo buhlen die Weiber ungescheuter und ungestrafter, als in Frankreich? Dort sieht man täglich zugemachte Männeraugen – oder ofne Augen von Ehegatten, welche schweigen. Dort ist alles blind gegen die wahre Wohlfarth des Landes. Urtheilen Sie aus allem diesem, mein Freund, wie übereilt die Sätze des Hrn. Wielands sind, und wie schief er sie vorgetragen hat. Es ist gar nichts Bestimmtes in seinen Begriffen. Solche Urtheile pflanzen sich aber fort, zumal wenn sie, wie diese, in einen blendenden Styl eingekleidet sind, und daher entstehen die flatternden Gecken, die jetzt gar zu sehr Mode werden, lächelnde Schwätzer, ohne Geist und [222] Grundsätze. Die Lobredner der Frö|lichkeit gehen ohne Zweifel ein wenig zu weit. Bald werden wir eine Apologie der schwermüthigen, oder vielmehr der ernsten und gesetzten Denkungsart nöthig haben.

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Fünf und zwanzigster Brief.

Ich erwarte schon lange eine Antwort von Ihnen, und es kommt keine. Ich muß Ihnen nur noch einmal schreiben, denn ich sehe wol, Sie warten auf den Brief, den ich Ihnen versprochen habe, und ehe Sie ihn bekommen, werden Sie mir wol nicht antworten. Ich selbst aber hätte Lust, mein Versprechen aufzuschieben, bis ich einen Brief von Ihnen erhalten hätte; denn tausenderley Geschäfte reißen mich hin, daß ich meinem Hang, an Sie zu schreiben, nicht so nachhängen kan, als ich wol wünschte. Diesmal aber sollen sie der Begierde, etwas von Ihnen zu hören, welches vermuthlich von diesem Briefe abhängt, weichen. [224] Bey dem Schlusse meines letzten Briefes fiel mir eine Unterredung ein, die ich auf meiner letzten Reise nach – mit zween guten Freunden hielt. Der eine derselben ist ein sehr artiger Dichter, und beyde lieben die schönen Wissenschaften außerordentlich. Jener laß mir einige von seinen kleinen Stücken vor, und diese gaben Gelegenheit, auf das Süjet, wovon wir sprachen, zu kommen. Die Gedichte waren scherzhaft und klein. Ich lobte sie, wie sie es verdienten; allein ich konnte mich nicht entbrechen zu bemerken, daß alle unsre werdenden guten Köpfe sich durch Kleinigkeiten bekannt machten, und sich keiner derselben an ein Stück von der größern Dichtungsart wagte.

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Anstatt in den rühmlichern Bahnen der Epopee, der Ode, des Trauerspiels, des Romans, des Lustspiels zu laufen, schränken sie sich auf die geringern der Lieder, der Romanzen, der Epigrammen und dergleichen ein. Die Anmerkung war zu wahr, als daß sie hätte | können geleugnet werden. Wir sehen tausend kleine Gedichte hervorkommen, die wenig Plan, wenig Erfindung erfodern, und es dauert Jahre lang, ehe ein großes Drama zum Vorschein kommt. Um dieses zu entschuldigen, führte der eine von meinen Gesellschaftern folgenden Grund an, weil unsre Dichter nicht einen ihrem Berufe gemäßen Unterhalt bekämen, sondern durch Bedienungen und Amtsgeschäfte von der edlen Dichtkunst abgezogen würden. Daher, meynt’ er, wäre es vielmehr ein Wunder, daß man noch etwas von ihnen zu sehen bekäme, als daß man sich verwundern sollte, wenn sie nichts Großes unternähmen. Allein diese Entschuldigung scheint mir nicht tüchtig. Man irrt, wenn man glaubt, daß andre Nationen ihren Dichtern blos als Dichtern Pensionen geben. Ludwig der Vierzehnte hat dieses bey einigen, besonders im Anfange seiner Regierung, gethan, als er in einen gewissen Eifer gerathen war, den Wissenschaften aufzuhelfen, und sich dadurch einen unendlichen Ruhm zu stiften.| Man glaube aber auch ja nicht, daß damals die Pensionen, welche noch dazu bald hernach gar nicht ausgezahlt wurden, so reichlich gewesen wären, daß man sich kaum davor zu bergen gewußt hätte. Und außerdem ist zu merken, daß eben die besten Dichter keine Pensionen bekamen. Denn Corneille hatte keine, und Racine und Boileau erhielten erst welche, als sie sich schon durch ihre besten Werke bekannt gemacht hatten. Ihre Pensionen setzten sie nicht in Stand, ihre Gedichte zu verfertigen. Die Anforderung ist auch ein wenig übertrieben, daß ein Kopf, der etwas Genie zeigt, gleich verlangt gehegt zu werden, um in Freiheit dichten zu können. Wer kan wissen, was aus ihm werden wird? Kan die Pension, die man ihm giebt, ihn nicht selbst dazu bringen, daß er sich auf die faule Seite legt, und also, statt die Zierde seines Zeitalters und Landes zu werden, wie eine Knospe verwelkt, die in eine übermäßige und schleunige Wärme versetzt wird? Unsre Dichter, klagt man, haben ein | solches Brod, das sich mit der Dichtkunst gar nicht reimt. Sie bekommen Bedienungen, wobey sie, von Geschäften überhäuft, nur in wenigen Nebenstunden dem Triebe ihres Genies folgen können, wie ist es möglich, daß sie bey solchen Umständen große Werke unternehmen? Allein auch diese Klage ist unbedachtsam und ungegründet. In andern Ländern müssen sie sich manchmal noch wol kümmerlicher durchhelfen. Oft haben sie gar kein Brod, oder wenigstens das genaueste und mühsamste, so sich nur denken läßt. Haben nicht Milton und Tasso darben müssen? Auch stehn sie anderwärts, wie bey uns, in Bedienungen, und haben gleichfalls ihre Amtsgeschäfte. Es ist überall sehr selten, daß man einem Dichter, bloß als Dichter, zu leben giebt. Ein Augustus hat das gegen ein Paar außerordentlich guter Köpfe wol thun können; auch thut es hie und da wol noch ein großer Herr. Aber es ist doch in keinem Lande, in keinem Zeitalter etwas gewöhnliches geworden. Die grösten Dichter | sind jederzeit in Geschäften gebraucht worden, und haben in denselben ihren Unterhalt, so wie in der Poesie ihren Zeitvertreib und das Vergnügen ihres Lebens, gefunden. Dante, Petrarch,

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Ariost, welcher letztere meines Erachtens nebst dem Homer das gröste Genie ist, welches die Natur hervorgebracht hat, wurden alle drey in Staatsgeschäften gebraucht. Dergleichen hat es bey den Franzosen eine Menge gegeben. Boileau und Racine waren Historiographen des Königs. Eine bequeme Bedienung, es ist wahr! Giebt es aber deren nicht auch bey uns? Unsre schönen Geister können eben sowol zu einer Bedienung gelangen, mit welcher eine bequeme Muße verbunden ist. Die Wahrheit aber ist, daß unsre schönen Geister unersättlich sind. Die schimmernden Beyspiele von zwey oder drey Dichtern, die seit ein paar tausend Jahren bloß ihres Genies wegen große Belohnungen an Geld und Ehre erhalten haben, [229] leuchten ihnen in die Augen, und sie wähnen, das Schicksal verfährt | unbillig gegen sie, weil es ihnen nicht eben diese Vorzüge genießen läßt. Sie sehen nicht ein, daß diese Belohnungen selbst Früchte der großen vorhergegangenen Arbeiten dieser Dichter waren; sie betrachten sie vielmehr als das Mittel, wodurch sich diese Männer in den Stand gesetzt sahen, diese großen Arbeiten zu verrichten. Sie wollen daher, daß man ihnen wegen einiger Hofnungen, so sie von sich gegeben, daß sie auch wol einstens was Gutes liefern könnten, diese Belohnungen im Voraus geben soll. Das ist nun ungerecht und lächerlich. Ja, ich bin versichert, daß eben dies gerade eine entgegengesetzte Wirkung hervorbringen würde. Und dies sind meine Gründe dazu. Ich habe gemeiniglich bey andern Künstlern beobachtet, daß diejenigen, welche Fürsten, weil sie besondre Talente an ihnen bemerkt zu haben glauben, erwählen, auf ihre Unkosten lernen lassen, und nachher etwa auf Reisen schicken, mehren[230] theils nur mittelmäßig bleiben. Da hingegen diejenigen, welche sich | selbst durchhelfen, und aus großer Begierde zu ihrer Kunst, um sich darin vollkommen zu machen, armselig die Welt durchwandern, die wahren großen Männer werden. Bey diesen zeugt die Mühseeligkeit, der sie sich unterziehen, von der Größe ihrer Begierde, zu etwas Vortreflichem in dem, was sie sich gewählt haben, zu gelangen. Jene aber hält die Versicherung, daß der Herr, der sich ihrer einmal angenommen, sie nicht wieder verlassen werde, schon etwas in dem Eifer zurück, so daß sie minder Lust bekommen, alle ihre Kräfte anzustrengen. Ja, diese Vortheile, die sie genießen, gewöhnen sie an einige Bequemlichkeit, welche verursacht, daß sie vieles für unthunlich ansehn, welches der unermüdete Trieb der andern bewerkstelligt. Eben so würde es nach meiner Meinung unsern allermeisten Dichtern gehen, wenn sie von dem Staate oder ihrem Landesherrn dergleichen Vortheile, als sie sich wünschen, genössen. Dies zu glauben, berechtigt mich schon die Aufführung der mehrsten von [231] unsern | guten Köpfen in allen Arten. Ueberhaupt ist Trägheit und Hang zu den Bequemlichkeiten des Lebens der wahre Stein des Anstoßes für unsre schönen Geister. Dieser hemmt gröstentheils ihren Lauf in dem Anfange ihrer Bahn. Sie sind undankbar, wenn sie sprechen, daß sie verkannt und unbelohnt bleiben. Es ist nicht wahr. Im Gegentheil ist das Talent zu dichten gemeiniglich ein sichrer Weg bey uns, sich sehr beliebt zu machen, und die Erlangung einer Stelle hat noch keinem ermangelt, der es nur in mittelmäßigem Grade besessen hat. Denn es wird mit Recht vorausgesetzt, daß mit diesem Talente solche Verstandsfähigkeiten, solche Kennt-

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nisse verknüpft sind, die einen Mann in den meisten Fällen brauchbar machen. Also sind Hofmeisterstellen, Secretärverrichtungen und andre Aemter im Staat dem jungen Dichter bey uns allezeit offen, und er bekommt sie nicht nur ohne Mühe, sondern sie werden ihm sogar angetragen. Was will er mehr? Hätte er einen wahren Trieb zu seiner | Kunst, so würde er lesen, arbeiten, sich in seiner Kunst üben, und von Zeit zu Zeit mit etwas Vortreflichem von seiner Arbeit hervortreten. Allein nichts weniger, wie das. Es klagt über überhäufte Arbeiten, und thut daher nichts, als was seine Amtsgeschäfte erfodern. Laß ihn auch sechs Stunden des Tages seinem Amte widmen. Hat er nachher nicht Zeit genug für sich? Wenn er von dem rechten Triebe begeistert wäre, etwas Vortrefliches zu liefern, so müßte er jede müßige Stunde dazu anwenden, genugsam studieren, nachsinnen und Versuche für sich anstellen. Aber nein! Jugendliches Feuer, und die Lust ein wenig zu schimmern, trieben ihn an, Verse zu machen. Als Jüngling war er verliebt; da gefielen ihm Dichterromane; denn zu der Zeit findet man das, was wir schöne Wissenschaften nennen, am angenehmsten. Die Lust, dasjenige, was man schön findet, nachzuahmen, steigt allezeit in unserm Herzen auf. Dieser Nachahmungstrieb bewog ihn, Versuche zu machen, die ihm | gelangen. Nun bekommt er einen kleinen Ruhm; er heißt ein aufkeimendes Genie; er giebt Hofnung von sich, seinem Vaterlande Ehre zu machen, und die Zahl der besten Dichter desselben zu vermehren. Die Welt fängt an von ihm zu sprechen; er zieht die Aufmerksamkeit vieler Leute auf sich. Er wird befördert, und dadurch werden ja seine Verdienste belohnt. Izt aber verändern sich die Aussichten für ihn. Er sieht bald ein, welches die eigentliche Bahn seines Glücks seyn wird. Durch Gedichte, ob sie gleich zu seiner Beförderung beygetragen haben, weiter zu kommen, findet er bald unwahrscheinlich, und entdeckt leicht andre Wege hiezu. Einen wahren Trieb nach dem Dichterruhm hat er nie besessen, sondern nur zufällige Ursachen haben ihn angetrieben, sich soviel Mühe zu geben, als nöthig war, um jenen Funken von Genie zu zeigen. Seine Bemühungen, in der angefangenen Laufbahn mit starken Schritten fortzueilen, erreichen also ihre Endschaft. Anstatt den Rest der Tages|stunden, die ihm seine Amtsarbeit übrig läßt, zu diesem Behuf anzuwenden, sucht er Gesellschaften und Belustigungen auf, die er sich izt zu verschaffen im Stande befindet. Schreibt er ja noch etwas, so läßt er sich mit Journalisten ein, macht Recensionen, wird manchmal ein Journalist en chef, oder schreibt Wochenblätter. Dies bringt ihm etwas ein, und setzt ihn in den Stand, wenn er etwa geheyrathet hat, bequemer zu leben, oder sich auf alle Fälle noch mehr Vergnügungen zu verschaffen. Dichtet er aber, und zwar so, wie man dichten muß, um vortreflich zu dichten; so gäbe er vielleicht in seinem ganzen Leben zwey oder drey Bände heraus, die Natur müßte ihn sonst mit einer ganz außerordentlich reichen dichterischen Ader beschenkt haben. Der Reiz des Buchführerlohns ist ohnstreitig ein großer Verderb für unsre Litteratur. Unsre schönen Geister werden, sobald sie Ruf haben, gleich Polygraphen, und das stürzt sie nothwendig ins Verderben. Sie schreiben sich nachher um al|len ihren Ruhm. Eben dies Schicksal hätte Abbt, dessen Buch vom Verdienste lange das Aufsehn nicht verdient, das es verursacht hat, gleichfalls

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erfahren. Denn dieses Buch, welches sein Probestück ist, bleibt immer sein Meisterstück, und alles übrige, was er nach der Zeit schrieb, welches hätte besser seyn sollen, ist weit schlechter. Was ich hier sage, beweisen besonders die vielen Projekte, worin sich dieser junge Mann schon eingelassen hatte. Wie konnte da etwas Gutes herauskommen? Was er Buchführern anbot, nahmen sie ihm reißend ab, und dieser geschwind erworbene Lohn bewog ihn zum Vielschreiben. Man muß daher von diesem Mangel an wichtigen Werken, die der Nation wahre Ehre machen, andre Gründe aufsuchen. Ich glaube sie in zween Ursachen, die mir einleuchtend sind, bemerkt zu haben. Die erste ist die Trägheit und Bequemlichkeit, wovon schon geredet worden, und die unsern schönen Geistern mehr als andern [236] eigen ist. Um ein großes, wichti|ges Werk, als ein Trauerspiel oder Lustspiel zu verfertigen, sind erstlich sehr große und langanhaltende vorläufige Uebungen erforderlich, tausend und aber tausend Versuche, um sich dazu in Stand zu setzen. Denn wie der Maler erst eine unendliche Menge Köpfe, Arme, Beine und Torsos zeichnen muß, ehe er selbst Gemälde erfinden will, so muß auch ein Dichter auf tausend verschiedne Arten, die besondern Stücke, aus denen eine Epopee, ein Lust oder Trauerspiel bestehen kan, zuvor bearbeiten, ehe er sich ans Ganze wagt. Geschieht das aber wol von unsern guten Köpfen? In der Kindheit, wenn die Last ihren Schultern noch zu schwer ist, wollen sie bisweilen gleich ganze Werke von der Art machen. Dies mißräth gemeiniglich, oder sie bringen es wol gar nicht zu Stande. Drauf lassen sie es liegen. Alles, wünschen sie, soll gleich so seyn, daß es könne gedruckt werden. Bloße Uebungsversuche zu machen, die sie entweder für sich selbst bey kaltem Blute [237] durchsähen, und mit Mustern verglichen, oder höch|stens einem critischen Freunde zeigten; das ist gar nicht ihre Sache, davon wissen sie nichts. Die guten Leutchen sollten nur lesen, was Cicero gethan hat, um ein großer Redner zu werden. Laßt sie seine Beschreibung, die er im Brutus davon macht, lesen. Wie hat er nicht, um sich auszubilden, studirt! Ich rede nicht einmal von Nebendingen, als bürgerliches Recht und Philosophie, worauf er sich legte, nein, blos von dem, was zur Redekunst gehört. Er gieng alle Tage und hörte andre Redner. Täglich schrieb und laß er; täglich übersetzte er griechische Redner und andere Schriftsteller; täglich machte er theils griechische, theils lateinische Reden zur Uebung. Er reisete herum, wo er nur große Lehrer finden konnte, um sich bey ihnen unterrichten zu lassen. Kurz, unsre fleißigsten Schulknaben schreiben nicht so viel Exercitia, Imitationen, Versionen etc. als Cicero zur Uebung im Reden schrieb, da er schon Quaestor, Aedilis und Prätor war. [238] Eben das erzählt er auch vom Hortensius: Ardebat au|tem cupiditate sic, ut in nullo umquam flagrantius studium viderim. Nullum enim patiebatur esse diem, quin aut in foro diceret, aut meditaretur extra forum. Saepissime autem eodem die utrumque faciebat. Hieran denken unsre angehenden Dichter nicht. Sie lesen neuere Schriften, machen bisweilen, und wenn es ihnen einfällt, kleine Verschens; daß sie aber alle Tage Stücke aus andern zur Uebung lesen, sie übersetzen, darüber nachdenken, sich Situationen auswählen, und sie einzeln bearbeiten, kurz, das thun sollten, was man

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in jeder Kunst thut, um recht groß darin zu werden: o das lassen sie wol bleiben. Nein, so viel Mühe geben sie sich nicht, dazu sind sie zu bequem. Daher kömmts, daß sie sich, wenn sie nun dichten wollen, über die kleinern Arten von Gedichten hermachen, weil sie die nöthigen Vorübungen zu etwas Großem vernachläßigt haben. Denn freilich kostet der Plan eines wichtigen Unternehmens viel Zeit, viel Ueber|legung, viele Arbeit, ja selbst eine Erfindungskraft, die zwar [239] manche glückliche Genies auf eine leichte Art zu bekommen scheinen, wozu aber gewiß allezeit viel Uebung und Nachsinnen gehört. Nur mit dem Unterschiede, daß das wahre Genie es unaufhörlich in Geheim und durch unwiderstehliche Triebe thut; derjenige hingegen, der diesen Trieb nicht so stark besitzt, sich etwas mehr dazu aufmuntern muß, daher es scheint, als erfordre es bey diesem mehr Arbeit. Die Trägheit, der sich die meisten von unsern Dichtern in ihrer Jugend überlassen haben, vergrößert die Unmöglichkeit bey ihnen, etwas zu erfinden, und einen weitschichtigen Plan auszusinnen und in Ordnung zu bringen. Daher unterlassen sie es alsdenn vollends. Wenn aber ja etwa der Trieb, etwas Großes hervorzubringen, sie zu Versuchen anfeuert; so kommen alsdenn gemeiniglich arge Mißgeburthen heraus. Am Ende lassen sie die Poesie gar liegen, wenn sie nicht fortfahren, lauter Kleinigkeiten zu liefern. Dies ist auch eine von den | Ursachen der lächerlichen Nachahmungs- [240] sucht unter uns. Denn man arbeitet stets nach einem gewissen Model, welches einen leitet, und auf diese Art stoppelt man etwas zusammen. Beständig schreibt man mit einem Auge auf ein Muster, das uns die Idee geliefert hat, und modelt sie nach demselben. Ungeübt von Jugend auf nachzudenken, und neue Ideen aus seinem Kopfe herauszupressen, ist man dessen bey reifern Jahren nicht mehr fähig. Etwas, das man liest, setzt daher die geborgten Begriffe in eine kleine Gährung, die man sich dann zu Nutze macht, um etwas Kümmerliches auszubrüten. Gar kein Wunder, daß es schülerhaft geräth! Denn als Schüler sind die Uebungen, welche man hätte vornehmen sollen, unterlassen worden; nun will man auf einmal arbeiten; das kommt aber ohngefehr so heraus, wie noch nie oder selten unternommene Arbeiten herauskommen können. Noch eine andre Ursache aber hält unsre mehrsten jungen guten Köpfe so sehr ins Kleine | zurück, und verhindert sie, sich zu erheben. Sie sind gar zu schlecht mit [241] Kenntnissen ausgerüstet. Sie haben fast nichts als die Schriftsteller in ihrer eignen Sprache gelesen, und zwar, wie ich Ihnen schon mehrmals gesagt, gute und schlechte untereinander. Aus dieser Lectüre haben sie, es ist wahr, gelernt, Reimer zu werden. Aber eine gänzliche Ignoranz in den alten Sprachen, eine vollkomne Unbekanntschaft mit den Schriften derselben! Die meisten brüsten sich mit einer Kenntniß der neuern Ausländer, aber diese ist gemeiniglich noch dürftig genug. Die guten Schriftsteller in denselben haben sie höchst selten gelesen, sondern kennen sie nur aus den Begriffen, welche ihnen teutsche critische Schriften davon gegeben haben. Wie ist es bey solchen Umständen möglich, daß sie etwas zu Stande bringen. Ariost, Tasso, Petrarch, Racine, Corneille, Boileau hätten den Namen eines Philologen vollkommen verdient, wenn sie nicht Dichter gewesen wären. Moliere,

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ein Comö|diant, besaß eine sehr gute Kenntniß in der alten Litteratur. Und man glaube doch ja nicht, daß dieses Pedanterey ist. Man mag sagen, was man will, es hat keine Nation das wahre Schöne so gut gekannt, wie die Griechen und Römer. Der Leser ihrer Schriften bildet sich einen ähnlichen Geschmack aus denselben, der ihn recht leitet. Zweytens herrscht eine aus ihrer Staatsverfassung entspringende Größe der Seelen in ihren Schriften, die dem Leser derselben das Genie erweitern, ihm zum Großen, zum ächten Ruhmwürdigen Begierde einflößen, und ihm einen Sporn verschaffen, der ihn das Kleine, das Gezierte, das Tändelnde unsers Zeitalters, welches gewiß mit demselben untergehn wird, verachten und fliehn lehrt. Wie in der Malerey die Copie einer Copie immer schlechter wird, so wird der, welcher sich nach den von den Alten genährten Dichtern bildet, allemal geringer, als diese. Wer sich also auch nach dem Ariost, Tasso, Corneille oder Moliere bilden wollte, der würde [243] dennoch | jederzeit weit unter ihnen bleiben. Wie nun aber der, welcher diese Dichter bloß aus schaalen Uebersetzungen, Auszügen oder Nachahmungen kennt? Dies sind die Ursachen des Verfalls der Dichtkunst bey uns, und der Ausschweifungen, auf welche unsre jungen Dichter gerathen. Indessen sind sie allezeit mehr in der ersten, nämlich in der Trägheit und dem Mangel einer gewaltigen Leidenschaft nach Ruhm, zu suchen. Nicht der Mangel an Ermunterungen sowol, als vielmehr die Menge derselben, die den Weg zum Rufe unter seine Mitbürger zu leicht macht, erstickt das Genie bey uns. Sobald jemand ein Dutzend artige Kleinigkeiten macht, jauchzet ihm wenigstens alles, was nicht etwa von der entgegengesetzten Cabale ist, entgegen, anstatt daß man wenig Achtung darauf geben sollte. Denn wer den Zustand der Dichtkunst in Frankreich und Italien kennt, weiß, daß daselbst täglich dergleichen Gedichtchen von Leuten gemacht werden, die für gar keine Dichter passiren; und [244] diese | Gedichtchen sind so hübsch und theils besser als diejenigen, worüber man bey uns das gröste Geschrey anfängt. Man liest sie mit Vergnügen; dann legt man sie hinweg. Es fällt aber keinem Menschen ein, die Verfasser derselben unter die Dichter der Nation zu rechnen. Eben so sollte man es bey uns auch machen. Man sollte dergleichen Sachen nicht gleich unter dem Namen von Gedichten des Herrn N. N. drucken lassen. Man sollte sie weder loben noch tadeln, wie man thut; sondern sie in Journalen einzeln einrücken, und sie als Sachen durchgehen lassen, die einer so großen Aufmerksamkeit nicht würdig sind. Bis sich dann etwa ein Verfasser durch wichtigere Werke zeigte, oder in diesen Kleinigkeiten etwas so Außerordentliches verriethe, das ihn zu einer besondern Aufmerksamkeit berechtigte. Man würde dadurch diejenigen, welche Begierde nach der Achtung ihrer Zeitgenossen tragen, (und deren finden sich allezeit viele) zwingen, ihre Kräfte anzustrengen, um etwas [245] Wichtiges und Gutes zu | liefern. Wenn sie aber ihren Zweck durch ein Dutzend kleine Liederchen, durch ein paar Idyllen, oder einige sogenannte Oden so leichtlich zu erhalten wissen; wenn sie dadurch verursachen können, daß halb Deutschland sie kennt und von ihnen spricht; je, so wären sie ja wol Thoren, wenn sie mühsam suchten, höher zu kommen. Das ist gar nicht in der menschlichen Natur. Denn diese [242]

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wendet gerade nur die Kräfte und nicht mehr an, als zur Erhaltung des Zweckes nöthig sind. Daher kommt es, daß ein Dutzend gute Dichter in Deutschland hervorragen, welche würdig sind, daß man mit Ehrerbietung von ihnen spricht. Die übrigen sind alle entweder sehr mittelmäßige Dichter, oder solche, die sich anfangs mit Ruhm gezeigt, die es aber nur in Kleinigkeiten gethan haben, und die entweder bald aufgehört und nicht reifer geworden, oder auf Abwege gerathen und verwelkt sind. Die Wahrheit von allen diesen Sätzen, mein liebster Freund, will ich ihnen durch | Beyspiele zeigen. Ich will Ihnen zeigen, daß unsre Dichtkunst in dem Zustande ist, [246] wovon ich Ihnen gesagt habe. Ich will Ihnen an zween unsrer Dichter zeigen, zu welchem Grade der Vollkommenheit man es mit Fleiß, Studiren und Uebung bringen kan, ohne eben ein großes Genie zu haben. Rathen Sie, welche!

Sechs und zwanzigster Brief.

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Ich habe hin und her gesonnen, um die zween Dichter zu errathen, an deren Beyspiel Sie mir den Vortheil des Studiums und der Kunst bey Ermangelung eines großen Genies zeigen wollen. Endlich ist mein Urtheil dahin ausgefallen, daß es Weiße und Lessing seyn müssen. Weiße hat seinen At reu s und die B e f rey u ng vo n T he b en den Griechen, Ro m eo u n d Ju li e nebst seinen übrigen Trauerspielen den Engländern, seine Lustspiele, seine comi|schen Opern1 und seine Lieder den [248] Franzosen zu verdanken. Lessing ist ohne Zweifel der gröste und vollkommenste Prosator in Deutschland, so wie er unser erster Kunstrichter ist. Das ächte Dichtergenie scheint ihm aber von der Natur versagt zu seyn. M i nna vo n B a rn he lm , sein schönstes Drama, ist allezeit mehr ein Werk des Witzes als des Genies, und seine | [249] S a r a S a m p s o n kan aus mehr als einer Ursache nicht unter die Werke gerechnet werden, welche ihm vorzügliche Ehre machen. Die Nachahmung der Engländer im Plan, in den Charakteren und im Dialog ist gar zu merklich darin. Wie kan es ein Zeugniß seines Genies abgeben? Diese beyden wirklich vortreflichen Männer, liebster Freund, können also nach meinem Urtheil nicht einmal einen Anspruch auf eine Stelle in der zweyten Classe der deutschen Dichter machen. Wen werden wir in dieselbe aufnehmen können? Die Schaar der Prätendenten ist groß. Doch weiß ich soviel gewiß, daß weder Hagedorn, 1 Wenigstens comische Operetten haben viel zu der Ausbreitung des Geschmacks am Kleinen beygetragen. Weil er so sehr glücklich in dem ist, was der Franzose pieces fugitives nennt, so erlangten seine kleinern theatralischen Stücke den unbeschreiblichen Beyfall, den der Engländer seinen größern Werken geschenkt haben würde. Der At r e u s wird nicht mehr gespielt, da man sich im Gegentheil an der Ja g d nicht müde sehen kan. Welch eine tändelnde Denkungsart! A n m . d e s Herausg.

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noch Zachariä, noch Willamov; weder Kretschmann, noch Dusch; weder Kramer, noch Thümmel, oder Jacobi;| weder Michälis, noch Blum, in dieselbe kommen werden. Aber die Namen eines Bodmers, Kleists und Lichtwehrs sind zu ehrwürdig, um nicht eine Unschlüssigkeit zu rechtfertigen. In der That, Freund, ich bin in Verlegenheit. Bodmers Verdienste sind mir um so viel heiliger, weil sie verkannt werden. Sein No a h, unser zweytes Heldengedicht, dessen wir uns gewiß nicht zu schämen Ursach haben, wird noch dereinst die Sündfluth von wässerichten Reimereyen, welche izt die deutsche litterarische Welt überschwemmt, gleich dem zweyten Stammvater der Menschen, überleben. Kleists C i s s i d es ist ein unvergleichliches Gedicht. Die mehrsten seiner kleinern Poesien sind, wo nicht durchgehends vortreflich, doch sehr schön. Lichtwehr bleibt stets unser bester Fabeldichter.

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Was soll ich thun? Ein geschwinder Entschluß ist nöthig, liebster Freund, sonst nimmt mein Schwanken kein Ende.

Wenn der schöpferische Geist, welcher alle seine Gegenstände durch Handlung belebt, wenn die Erfindung und vollkommen dichterische Bearbeitung ganzer Plane und einzelner Theile, wenn eine begeisternde Imagination, und daraus fließende lebhafte Schilderung, wenn ein durchgehends poetischer, edler und angemessener Ausdruck den Dichter vom ersten Range, den Dichter ausmachen, welcher das höchste Interesse würkt; so bestimmen entweder alle diese Eigenschaften, oder doch der gröste Theil derselben in einem etwas gemäßigtern Grade den Dichter vom [252] zweyten Range. Zu dieser Classe hab’ ich Ihnen also nur viere | vorzustellen. Nicht wahr? Sie sind begierig ihre Namen zu hören. Uz, Gerstenberg, Karschin, Denis.

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Hllg.

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Sieben und zwanzigster Brief.

Sie wollen sich auf beständig mit mir vereinigen? Ich freue mich über diesen schleunigen Entschluß, welcher zwar unserm Briefwechsel, der immer mehr Interesse für mich zu bekommen anfieng, ein Ende machen, mir aber dafür das bequemere [254] Vergnügen verschaffen wird, mich über diese Materien mündlich mit Ihnen | unterhalten zu können. Eilen Sie, so bald als möglich, zu mir. Ich erwarte Sie mit Ungeduld. Crn.

Ende des zweyten Stücks.

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Emendationen Vorrede, 90 junge] jungen [nach Druckfehlerverzeichnis] 1. Brief, 18 denselben] derselben [nach Druckfehlerverzeichnis] 1. Brief, 23 Thon] Ton [und an allen übrigen Stellen, nach Druckfehlerverzeichnis] 1. Brief, 32 lauten Thon] Lautenton [nach Druckfehlerverzeichnis] 1. Brief, 33 Comus] Momus [nach Druckfehlerverzeichnis] 1. Brief, 46f. erklähren] erklären [und an allen übrigen Stellen, nach Druckfehlerverzeichnis] 1. Brief, 64 des Geschmacks] des Geschmacks 2. Brief, 31 werden sie] werden Sie 2. Brief, 48 sies] Sies 2. Brief, 57f. sie] Sie 2. Brief, 75 Sie] sie 2. Brief, 116 zeigt] zeugt 2. Brief, 118 Lehrer] Seher [nach Druckfehlerverzeichnis] 4. Brief, 59 andem] an dem 4. Brief, 128 zeigt] zeugt 4. Brief, 144 sie] Sie 4. Brief, 153 ihre] Ihre 4. Brief, 191f. [nach Druckfehlerverzeichnis auszustreichen] 4. Brief, 245 wenigsten] wenigen [nach Druckfehlerverzeichnis] 4. Brief, 270 sie] Sie 4. Brief, 271 ihnen] Ihnen 4. Brief, 318 liesse] ließe 5. Brief, 53 unerklährbaren] unerklärbaren 6. Brief, 26 nach] noch [nach Druckfehlerverzeichnis] 6. Brief, 68 klagen] Klagen 6. Brief, 194ff. fehlende Akzente im französischen Zitat wurden hinzugefügt.

202 | Emendationen

6. Brief, 211 und 252 change] charge [nach Druckfehlerverzeichnis] 8. Brief, 12 soche] solche 8. Brief, 60 Cepedant] Cependant [nach Druckfehlerverzeichnis] 8. Brief, 178 und 222 müssig] müßig 8. Brief, 454 m’aora] m’avrà [nach Druckfehlerverzeichnis] 8. Brief, 514 [...] hinzugefügt 8. Brief, 577 [signor] im Original weggelassen 9. Brief, 3 [et] hinzugefügt 9. Brief, 219 Eben so] Eben [nach Druckfehlerverzeichnis ›so‹ ausgestrichen] 10. Brief, 22 sie] Sie 10. Brief, 55 Boccacio] Boccaccio 10. Brief, 82 zeigt] zeugt [nach Druckfehlerverzeichnis] 11. Brief, 67 ihrem] Ihrem 12. Brief, 60 so bald] sobald 12. Brief, 350 Verwaltung] Vorwaltung [nach Druckfehlerverzeichnis] 12. Brief, 479 Coriphäm] Coriphäus [nach Druckfehlerverzeichnis] 12. Brief, 501 wahren] Wahren 12. Brief, 502 sind] ist [nach Druckfehlerverzeichnis] 12. Brief, 517 auf den Character der moralischen Nation] auf den moralischen Character der Nation [nach Druckfehlerverzeichnis] 13. Brief, 98 leitsinnige] leichtsinnige [nach Druckfehlerverzeichnis] 13. Brief, 101 St. Itilairen] St. Aulairen [nach Druckfehlerverzeichnis] 13. Brief, 177 Schwift] Swift [nach Druckfehlerverzeichnis] 13. Brief, 210 sie] Sie 13. Brief, 214 [nach Druckfehlerverzeichnis auszustreichen] 14. Brief, 2 und 4 ihnen] Ihnen 14. Brief, 90 ich [nach Druckfehlerverzeichnis ausgestrichen] 17. Brief, 71 sie] Sie 17. Brief, 156 17] 17.

Emendationen | 203

18. Brief, 65 appella] Appella 18. Brief, 115 sie] Sie 19. Brief, 98 jemehr] je mehr 19. Brief, 204 petebat:] petebat. 21. Brief, 112 Dyonis] Dionys 21. Brief, 154 insculpe] Scalpe 23. Brief, 75 moralischguter] moralisch guter 23. Brief, 357 auch] auf 24. Brief, 77ff. »...« in den zitierten Passagen hinzugefügt

| 2 Erläuterungen

https://doi.org/10.1515/978311079364-003

Erstes Stück Das erste Stück des vorliegenden Briefwechsels befasst sich hauptsächlich mit dem deutschen Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) und seinem Gesamtwerk. Für die Literaturangaben wird im Folgenden durchgehend verwendet: Christian Fürchtegott Gellert: Gesammelte Schriften. Kritische, kommentierte Ausgabe. Hg. von Bernd Witte. 7 Bde. Berlin, New York. Bd. I: Fabeln und Erzählungen (2000) Bd. II: Gedichte, Geistliche Oden und Lieder (1997) Bd. III: Lustspiele (1988) Bd. IV: Roman, Briefsteller (1989) Bd. V: Poetologische und Moralische Abhandlungen. Autobiographisches (1994) Bd. VI: Moralische Vorlesungen. Moralische Charaktere (1992) Bd. VII: Nachgelassene Schriften (2008) Zum Titel: Unter den Begriffen ›Geschmack‹ und ›Geschmackssachen‹ verstand man im 18. Jh. allgemein Urteilsfragen über Kunst und Literatur (›schöne Wissenschaften‹). Der gute Geschmack wurde als ein wesentliches, wenn nicht das maßgebliche Kriterium für das Schaffen und auch das Beurteilen von Kunstwerken angesehen.

Titelblatt Ac diu non nisi optimus quisque] vgl. Marcus Fabius Quintilianus (um 35– um 96), Institutio oratoria, Buch 10, Kap. 1, 20: »Und lange Zeit soll die Lektüre nur den allerbesten Werken und solchen gelten, die den, der sich ihnen anvertraut, am wenigsten hintergehen, aber mit aller Sorgfalt und fast der Ängstlichkeit wie bei schriftlichen Arbeiten, und alles ist nicht nur Teil für Teil zu durchforschen, sondern, ist das Buch durchgelesen, so ist es unbedingt von neuem vorzunehmen.« (Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Lat.–dt. Hg. und übers. von Helmut Rahn. 2 Bde. Darmstadt 1972–75, Bd. 2, S. 439.)

Vorrede 2f.

Es ist eine so abgenutzte Erfindung, dem Publiko etwas unter der Einkleidung von Briefen vorzutragen] vgl. Briefe, die neueste Litteratur betreffend. 23 Thle. und Registerband. Hg. von Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Nicolai. Berlin, Stettin 1759–1766; aber auch Heinrich Wilhelm von Gerstenberg: Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur. 3 Bde. Schleswig, Leipzig 1766/67. Fortsetzung: 1 Stück, Hamburg, Bremen 1770 (»Schleswiger Literaturbriefe« ge-

208 | Erläuterungen

nannt); Friedrich Justus Riedel: Ueber das Publicum. Briefe an einige Glieder desselben. Jena 1768; Johann Jakob Dusch: Briefe zur Bildung des Geschmacks an einen jungen Herrn vom Stande. Leipzig, Breslau 1770. 5f. zweene gute Freunde] Unzer lernte Mauvillon wahrscheinlich 1767/68 als Französisch-Lehrer seines älteren Bruders Johann Christoph Unzer am Pädagogium in Ilfeld kennen, vgl. Eduard Jacobs: »Ludwig August Unzer. Dichter und Kunstrichter«. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 28 (1895), S. 117–252, hier S. 125f. 12f. Hauptvorwurf] Hauptgedanke, Grundidee. 21 Pudet enim dissentire [...], sagt Quintilian, Lib. 10. Cap. 1] vgl. Marcus Fabius Quintilianus, Institutio oratoria X, 1, 18 (korrekt: conrogatis laudantur), dt.: »Man schämt sich, dann nämlich, anderer Meinung zu sein, und eine gewisse unbewußte Schüchternheit hemmt uns, unserem eigenen Urteil mehr zu vertrauen, sooft auch Fehlerhaftes den Beifall der Mehrheit findet und von hierzu eigens Bestellten auch Leistungen beklatscht werden, die gar nicht gefallen.« (Ausbildung des Redners. Bd. 2, S. 439.) 26 überführte] lies: überzeugte. 40 seit geraumer Zeit der Literatur untreu gewesen] nachdem Mauvillon mit dem Versuch einer Übersetzung der Briefe der Marquisin von Sevigne (Braunschweig, Hildesheim 1765) in Erscheinung getreten war, dem im Jahr darauf die Freundschaftlichen Erinnerungen an die Kochsche Schauspieler-Gesellschaft bey Gelegenheit des Hausvaters des Herrn Diderots (Frankfurt a. M., Leipzig 1766) und weitere zwei Jahre später die Paradoxes moraux et littéraires (Amsterdam 1768) in französischer Sprache folgten, wandte er sich vor allem der Natur- und Moralphilosophie zu; vgl. Mauvillons kommentierte Übersetzung von Gotthilf Samuel Steinbarts Prüfung der Bewegungsgründe zur Tugend, nach dem Grundsatze der Selbstliebe (1770), die unter dem Titel Examen des motifs à la vertu, tirés du principe de l’amour propre (Amsterdam 1774) erschien. Das fertig ausgearbeitete Manuskript der »Méditations sur la nature humaine« ist jedoch verloren gegangen (vgl. Jochen Hoffmann: Jakob Mauvillon. Ein Offizier und Schriftsteller im Zeitalter der bürgerlichen Emanzipationsbewegung. Berlin 1981, S. 37). 48 bevorworten] lies: befürworten. 54 das Natürliche des Briefstyls] vgl. Christian Fürchtegott Gellert: »Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen«. In: GGS 4, S. 105–221, bes. S. 119f. 58 eines Gleims, Jacobi und Spaldings] Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719– 1803) und Johann Georg Jacobi (1740–1814), Dichter der Empfindsamkeit. Die Passage nimmt Bezug auf die Briefe von den Herren Gleim und Jacobi, Berlin 1768. Johann Joachim Spalding (1714–1804), protestantischer Theologe, vgl. Kritische Ausgabe. Erste Abteilung: Schriften. Hg. von Albrecht Beutel. Bd. I/6.2: Briefe an Gleim. Lebensbeschreibung (Kleinere Schriften 2). Tübingen 2002 (zu-

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erst als: Briefe von Herrn Spalding an Herrn Gleim. Frankfurt a. M., Leipzig 1771; die Briefe datieren aus den Jahren 1747–1757). 69 besorgen] hier: sich sorgen, befürchten. 84 Verfalls der schönen Wissenschaften] schon bei Johann Friedrich Bertram: Summarische Einleitung in die sogenannte Schöne Wissenschaften. Halle 1725, insbes. S. 70–80; Charles Batteux: Einleitung in die Schönen Wissenschaften. Nach dem Franz. des Herrn Batteux, mit Zusätzen vermehret von C[arl]. W[ilhelm]. Ramler. 4 Bde. Leipzig 1756–58, 1. Bd., S. 70. 87 Kohlweiber] Marktfrauen, die ursprünglich (in Athen) Kohl verkauften; im Text als positives Gegenbild zu den ›vornehmsten Leipziger Kaufmannsfrauen‹. 91 Das Wort Original] Anspielung auf das Selbstverständnis der neuen Dichtergeneration. »Das Wort Original in Verbindung mit Genie, deutet jenes an g eb o r n e und u r s p r ü n g li c h e Vermögen einer Seele an, etwas n e u e s und u n ge w ö h n li c h es in jedem Subjekte zu entdecken, auf welche es seine Kräfte anwendet,« heißt es in einer Rezension zu einem »Versuch über das Originalgenie« (William Duff: An Essay on Original Genius and its various Modes of Exertion in Philosophy and the fine Arts. London 1767) in der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, 5. Bd., 1. Stück. Leipzig 1767, S. 27–54, hier S. 41. 93 Od i n u n d V o l h a l la] Odin, Hauptgott der nordischen Mythologie, Göttervater, Kriegs- und Totengott, westgermanisch: Wodan; Valhalla, auch Walhall: ›Wohnung der Gefallenen‹, in der nordischen Mythologie der Ruheort der gefallenen Krieger. 93 Barden] keltische Hofdichter, vor allem bei den Galliern, Iren, Gälen, Walisern und Bretonen, wobei die ältesten Belege im 1. Jhd. bei Poseidonios, Timagenes und Strabo zu finden sind. 102f. Kaum blüht unsre Litteratur seit funfzehn oder zwanzig Jahren; und schon sinkt sie wieder] vgl. im Folgenden die von Unzer und Mauvillon geschätzten Oden und Lieder Friedrich von Hagedorns (1742–52), Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias, dessen Gesänge I‒III 1748 erschienen, Gesänge I‒V 1751 und VI‒X 1756; das erste bürgerliche Trauerspiel Gotthold Ephraim Lessings, Miss Sara Sampson, wurde 1755 uraufgeführt (LW 3, S. 431‒526). 112 vor sich] lies: von sich. 150 eines Ränkemachers] der Philologe und Literaturkritiker Christian Adolph Klotz (1738–1771), der nach dem Studium in Leipzig und Jena 1762 zunächst einen Ruf als Extraordinarius nach Göttingen erhielt und 1765 als Professor für Philosophie und Beredsamkeit an die Universität Halle berufen wurde, wo er einen Kreis junger Verehrer um sich versammelte, darunter Friedrich Justus Riedel, Johann Georg Meusel und Gottlob Benedict Schirach. Er gab einige wichtige literarische Zeitschriften heraus und geriet in polemischen Streit mit Lessing und Herder, von denen er wegen seiner Unredlichkeit und dem Mangel an Gründlichkeit scharf attackiert wurde.

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154 Der Herausgeber gegenwärtiger Briefe] wie dem Brief vom 18. September 1771 von Ludwig August Unzer an Jakob Mauvillon zu entnehmen ist, hatte Unzer ihre Korrespondenz über verschiedene literarische Gegenstände bearbeitet und dem Lemgoer Verleger Christian Friedrich Helwing (1725–1800) zugesandt, der den Druck im Verlag der Meyerschen Buchhandlung besorgte (Mauvillons Briefwechsel, S. 22–23). Das erste Stück erschien zur Michaelismesse 1771; das zweite Stück zur Ostermesse 1772. Ein geplantes drittes Stück kam nicht mehr zustande.

Erster Brief 4f. das Horazische nil admirari] (lat.) ›nichts anstaunen‹. Nach Horaz (Epistulae I, 6, 1) erfordere der Weg zum Glück, dass man nichts anstaune bzw. übermäßig bewundere; zuvor schon bei Cicero (Tusculanae disputationes III, 30) und bei den Griechen Pythagoras und Demokritos (als Athaumasie). 7–9 welches itzt ihre Lieblingsbeschäftigung ausmacht, nemlich die Weltweisheit und das Studium der Natur] nach einer vierjährigen Dienstzeit schied Mauvillon 1765 aus dem Militär aus und nahm in Leipzig zunächst sein abgebrochenes Jurastudium wieder auf, wobei er auch Vorlesungen über Mathematik, ältere und neuere Literatur hörte, sich dann aber verstärkt der Philosophie widmete. 1772 stellte er das Manuskript für seine »Méditations sur la nature humaine« fertig, das aber, weil der Verlag Schreuder in Amsterdam bankrott ging, nie im Druck erschien. Offenbar hat Mauvillon schon während der Abfassung der ›Dichterbriefe‹ an diesem Manuskript gearbeitet. 13f. Helvetius oder Buffon [...] Aristoteles und du Bos] Claude Adrien Helvétius (latinisierte Form des Namens Schweitzer) (1715–1771), französischer Philosoph der Aufklärung, Vertreter des Sensualismus und Materialismus, rigoroser Atheist; sein Werk De l’esprit war 1758 in Paris mit königlichem Druckprivileg erschienen, doch wurde ihm kurz darauf die Druckerlaubnis entzogen und die gesamte Auflage beschlagnahmt; dt. Discurs über den Geist des Menschen. Leipzig, Liegnitz 1760. Übers. von Johann Christoph Gottsched (1700–1766). Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), franz. Naturforscher der Aufklärung, veröffentlichte eine Allgemeine Naturgeschichte (L’Histoire naturelle, générale et particulière. 36 tom., Paris 1749–1789). Aristoteles (384–322 v. Chr.), griechischer Philosoph, Schüler des Platon, verantwortlich für die Erziehung Alexanders des Großen, begründete eine eigene Schule (Peripatos), verfasste u. a. eine bis ins 18. Jahrhundert einflussreiche Poetik. Jean Baptiste Dubos (1670–1742), franz. Ästhetiker, Theologe und Historiker der Aufklärung, bekannt durch seine Réflexions critiques sur la Poësie et sur la Peinture (1719), dt. Kritische Betrachtungen über die Poesie und Mahlerey. Aus dem Französischen

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des Abtes dü Bos. Übers. von Gottfried Benedikt Funk. 3 Thle. Kopenhagen 1760/61. 14f. Ihre ländliche Einsamkeit] das Pädagogium in Ilfeld (Südharz), wo Mauvillon vom Herbst 1766 bis zum Herbst 1771 als Sprachlehrer für Französisch und Italienisch tätig war; vgl. Hannoversches Magazin, 78. Stück, 29. September 1766, Sp. 1238f. 23 allgemeine Bewunderung Gellerts] Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769), Dichter und Moralphilosoph der Aufklärung, Hauptgegenstand der Auseinandersetzung im ersten Stück des vorliegenden Briefwechsels. (Gellert starb am 13. Dezember 1769.) Sein Tod rief eine Vielzahl von Nachrufen in Poesie und Prosa hervor; vgl. z. B. Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1770, S. 291f. und Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1771, S. 46–64, S. 118– 125; vgl. auch Karl Goedeke: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtungen aus den Quellen. 3. Aufl., 4. Bd. 1. Abt. Dresden 1916, S. 195–197, 858. 25 Rabeners Tode] Gottlieb Wilhelm Rabener (1714–1771), Dichter der Aufklärung, bekannt vor allem durch seine Satiren, vgl. Sammlung satyrischer Schriften. 4 Thle. (Leipzig 1751–55); war eng mit Gellert befreundet. 25 Wichmann] Christian August Wichmann (1735–1807), Studium in Leipzig bei Gellert, wurde 1753 immatrikuliert und erwarb 1762 den Magistergrad der Philosophie. Wichmann geriet mit Christian Adolph Klotz (1738–1771) und Friedrich Justus Riedel (1742–1785) über die Zeitschrift Der Antikritikus (1768–69) in Streit, die er mit seinem Bruder, dem Pastor Gottfried Joachim Wichmann (1736–1790), herausgab und die sich zum Ziel setzte, Rezensionen zu rezensieren, was sowohl gegen Nicolais Allgemeine deutsche Bibliothek (1765–1806, seit 1793 Neue Allgemeine deutsche Bibliothek) als auch gegen die von Klotz herausgegebene Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften (1767–1771) gerichtet war. Unzer widmet in seinen Devisen auf deutsche Gelehrte, Dichter und Künstler (1772) den Gebrüdern Wichmann folgenden Spruch: »Der Strom der Bosheit quilt aus Wahn und Unverstande; | Ein Thor sucht blindlings Ruhm im Labyrinth der Schande.« 32f. über dem Grabe des deutschen Momus] nach dem Druckfehlerverzeichnis korrigiert aus Comus; griech. Momos, in der Theogonie Hesiods ein Sohn der Nyx (Göttin der Nacht) und ein Meister in scharfzüngiger Kritik, der selbst die Werke der Götter tadelte – gemeint ist hier Rabener. 40 Gellerts Schriften] vgl. C. F. Gellerts sämmtliche Schriften. 10 Bde. Leipzig 1769– 74 (mit einer Biographie von Johann Andreas Cramer, Bd. 10). 52 Lessing, Wieland und Ramler, diese Ersten der Nation] Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), Christoph Martin Wieland (1733–1813) und Karl Wilhelm Ramler (1725–1798). Von den Zeitgenossen als die bedeutendsten, ›ersten‹ Dichter der deutschen Nation betrachtet. In der Wortwahl kündigt sich bereits die Intention an, die deutschen Dichter in ›Klassen‹ einzuteilen, entsprechend

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einer ›Balanz der deutschen Dichter‹, vgl. auch Unzers Brief an Mauvillon vom 19. Juli 1772. In: Mauvillons Briefwechsel, S. 38. 61 ein Denis, ein Weiße] Johann Nepomuk Cosmas Michael Denis (1729–1800), der sich ›Sined der Barde‹ nannte, Wiener Jesuit und Lehrer an der Theresianischen Akademie, später Kustos der Wiener Hofbibliothek, dichtete in deutscher und lateinischer Sprache. Christian Felix Weiße (1726–1804), Singspieldichter, Dramatiker und Lyriker, stark von Lessing beeinflusst, schwankte in seinen ästhetischen Ansichten zwischen dem englischen und französischen Geschmack. 64 ] gemäß Druckfehlerverzeichnis auszustreichen. 74f. Ariost, [...] mein Petrarca und der göttliche Herrera] Ludovico Ariost (1474– 1533), ital. Dichter, Verfasser des komischen Epos Orlando furioso, dt. ›Der rasende Roland‹ (erstmals erschienen 1516, beendet 1532); Francesco Petrarca (1304–1374), bekannt durch seine Canzoniere, in denen er seine unerfüllte Liebe zu Laura de Sade besingt, von Unzer als erotischer Dichter hoch geschätzt; Fernando de Herrera, genannt el divino, ›der Göttliche‹ (1534–1597), spanischer Lyriker aus Sevilla, der vor allem Sonette, Elegien und Oden verfasste. Zu Ariost und Petrarca vgl. Ludwig August Unzer: Nachrichten von den ältern erotischen Dichtern der Italiener. Hannover 1774, S. 20–33 und S. 63–67. 89f. age, quaeso, Tu nihil in magno doctus reprendis Homero?] aus Horaz, Satiren 1. 10. 51–52), dt.: ›Ja, das sagte ich: und du, gelehrter Herr, hast du am großen Homer nicht manches auszusetzen?‹ (in der Übersetzung Wielands).

Zweyter Brief 3–5 Donatum iam rude, quaeris ...] Horaz, Epist. 1. 1, 2–4, Übers. der gesamten Textstelle nach Wieland: »Du, dem mein erstes Lied gewidmet war, und nun auch meiner Muse letzte Frucht gebührt, warum Mäcen, mich, den man schon genug gesehn und fernern Diensts entlassen, von neuem zu dem alten Spiel zurück zu nöthigen? Ich bin an Jahren und an Sinnesart nicht mehr der Vorige.« 15–17 ob Platons oder Mendelsohns Phädon oder Ciceros erste tuskulanische Frage besser die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele glaublich machte] gemeint sind Platons Dialog Phaidon, ferner die Schrift Phaedon, oder über die Unsterblichkeit der Seele, in drei Gesprächen (1767) von Moses Mendelssohn (1729–1786) und schließlich Ciceros »Tuskulanische Gespräche« bzw. »Gespräche in Tusculum« (Tusculanae disputationes), entstanden 45 v. Chr. in fünf Büchern, deren erstes Buch sich mit der Verachtung des Todes beschäftigt. 26f. ich habe bey meinem dortigen Aufenthalte eine genaue Bekantschaft mit ihm gehabt] Mauvillon war bis 1758 Schüler der Thomasschule zu Leipzig. Gellert hielt zu dieser Zeit an der dortigen Universität Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit und Moral.

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invita Minerva] (lat.) gegen den Willen der Minerva, römische Göttin der Weisheit und des Handwerks (griech. Athene), d. h. ohne Befähigung bzw. Lust zu geistiger Arbeit, hier: ohne Neigung und Muse dichten. 59 Denis, Weiße] vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 61). 61 Ihre kleine Schoossünde] ironisch: zur fixen Idee gewordene Überzeugung bzw. Meinung. 111f. Denn widerspricht eine Zeitung einer Bibliothek, oder der gelehrte Artikel in einer politischen Zeitung einer sogenannten gelehrten Zeitung] gemeint sind die Beurteilungen in den Rezensionsorganen der Zeit, einerseits in den gelehrten Zeitungen (wie den Göttingischen gelehrten Zeitungen oder den Hallischen gelehrten Zeitungen), politischen Zeitungen (Abriß von dem Neuesten Zustande der Gelehrsamkeit, ab Stück 5: und einigen wichtigen Streitigkeiten in der Politischen Welt oder der Hamburgische unpartheyische Correspondent) und andererseits in den sogen. Bibliotheken, wie z. B. der Allgemeinen deutschen Bibliothek (hg. von Friedrich Nicolai), der Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste (hg. von Friedrich Nicolai, Moses Mendelssohn und Christian Felix Weiße) oder der Deutschen Bibliothek der schönen Wissenschaften (hg. von Christian Adolph Klotz). 143 Göttingischen Gelehrten Zeitungen] Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, ab 1802 unter dem Titel Göttingische Gelehrte Anzeigen (GGA): das älteste heute noch bestehende wissenschaftliche Rezensionsorgan im deutschsprachigen Raum; erschien seit 1739, in den Jahren 1747–53 unter der Leitung Albrecht von Hallers; wichtige Beiträger waren u. a. der Altphilologe Christian Gottlob Heyne (1729–1812), der Philosoph Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821), der Theologe und Orientalist Johann David Michaelis (1717–1791), der Philosoph Christoph Meiners (1747–1810) und der Mathematiker Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800). 174 Du Bos Betrachtungen] vgl. [Jean Baptiste Dubos (1670–1742):] Réflexions critiques sur la Poësie et sur la Peinture (1719), dt. Kritische Betrachtungen über die Poesie und Mahlerey. Aus dem Französischen des Abtes dü Bos. Übers. von Gottfried Benedikt Funk. 3 Thle. Kopenhagen 1760/61. Gottfried Benedikt Funk (1734–1814) war damals Hauslehrer bei Johann Andreas Cramer in Kopenhagen; seit 1769 dann Lehrer und ab 1772 Rektor der Domschule zu Magdeburg. 174f. Meinhards Versuche] Johann Nikolaus Meinhard (1727–1767): Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter. 2 Thle. Braunschweig 1763/64; neue Aufl. mit einem dritten Theil durch Christian Joseph Jagemann vermehrt (3 Bde. Braunschweig 1774). Zu seinen Versuchen vgl. den 332. Literaturbrief von Lessing (Briefe, die neueste Litteratur betreffend. XXIII. Theil. Berlin, Stettin 1765, S. 75–88). 175 Homes Grundsätze] Henry Home Lord Kames (1696–1782): Grundsätze der Kritik. 3 Bde. Leipzig 1763–1766, übers. von Johann Nikolaus Meinhard; engl. Elements of Criticism (1762–1765).

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181 Professor der Poesie] Gellert selbst hielt seit 1745 in Leipzig Vorlesungen über Poesie, Rhetorik und Moral und wurde 1751 zum außerordentlichen Professor für Philosophie berufen. 198f. Journalisten im Reiche der Wissenschaften] die Rezensenten der gelehrten Zeitschriften und Journale. 199f. Büchse der Pandora] aus der, nach der griech. Mythologie, alle der Menschheit bis dahin unbekannten Übel und Leiden (wie Krankheit, Armut und Tod) in die Welt entwichen, als Pandora die von Hephaistos im Auftrag des Zeus angefertigte Büchse öffnete, als Strafe dafür, dass Prometheus den Göttern das Feuer stahl (zurück bleibt lediglich die Hoffnung). 201f. vor die Berliner oder vor die Klotzische Bibliothek] s. oben: die Allgemeine deutsche Bibliothek (1765–1806, seit 1793 unter dem Titel Neue allgemeine deutsche Bibliothek. Hg. von Friedrich Nicolai) und die Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften (1767–1771). Hg. von Christian Adolph Klotz (1738– 1771). 202 die friedliebende Leipziger Bibliothek] Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste (1757–1765), danach unter dem Titel Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste (1765–1806). Hg. von Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn, ab dem 5. Bd. (1759) von Christian Felix Weiße. 234 divertiren] ergötzen, belustigen. 240 Klopstock] Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), bedeutendster deutscher Odendichter, überhaupt wichtigster Lyriker der Zeit mit einer großen Anhängerschaft unter den Dichtern des Göttinger Hain. Von ihm stammen mehrere kanonisch gewordene Gedichte wie »An Fanny« (1748), die Ode »Der Zürchersee« (1750) oder »Das Landleben/Die Frühlingsfeyer« (1759/71). Sein in Hexametern abgefasstes Messias-Epos, das die Leiden und die Auferstehung Christi in 20 Gesängen beschreibt, entstand zwischen 1748 und 1773. 243 um sich ein Air zu geben] um sich den Anschein zu geben; vgl. Mauvillons Wendung vom »air dédaigneux« in seiner Rezension zum ersten Band der von Wieland herausgegebenen Zeitschrift Der deutsche Merkur. In: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 4. Bd. (1773), S. 204–213, hier S. 212. 250 in Hexametern] der Hexameter war das Hauptversmaß der griech. und lat. Epen, ein sechshebiger daktylischer Vers (mit der Möglichkeit, die beiden kurzen Silben der ersten vier Versfüße durch eine lange zu ersetzen) und unvollständigem Versschluss (als Trochäus). 255 dafür] lies: davor. 257f. der wimmernden Nachtwandrer Schaar] die Nachahmer des engl. Dichters Edward Young (1683–1765). 258 den Anakreontischen Dichtern] die Anakreontik ist eine nach dem altgriech. Dichter Anakreon (6. Jh. v. Chr.) benannte Strömung in der deutschen bzw. europäischen Dichtung um die Mitte des 18. Jahrhunderts, vertreten u. a. durch

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Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803), der auch als ›deutscher Anakreon‹ bezeichnet wurde, und Johann Peter Uz (1720–1796). Ihre Dichtung kreist um die Themen Liebe, Freundschaft, Geselligkeit, Freude an der Welt und am Leben, preist den Lebensgenuss und lässt antike Götter auftreten.

Dritter Brief 42

Chapelain oder Menage] Jean Chapelain (1595–1674), franz. Schriftsteller, Mitbegründer der Académie Française. Den Versuch eines Nationalepos (La Pucelle, ou la France delivrée, poème héroïque), in dem er die Jungfrau von Orleans den homerischen Helden an die Seite stellt, veröffentlichte er 1656 nur zur Hälfte. Gilles Ménage (1613–1692), franz. Dichter, schrieb vornehmlich Madrigale, Eklogen und Epigramme und unterhielt in Paris einen literarischen Salon. 73 mit Rousseau ausrufen dürfen: Défions-nous des prejugés de Siecle & de Nation!] korrigiert aus Défions nous: dt. ›Misstrauen wir den Vorurteilen des Zeitalters und der Nation!‹, Zitat aus Julie ou La Nouvelle Héloise (1761, III, Lettre XXI, Note 1) von Jean-Jacques Rousseau. 82 verba non prius audita] nach Horaz (Oden 3.1, 2): carmina non prius audita, dt. ›bislang ungehörte (unbekannte) Lieder‹. 95 Liebesgeschichte S te e ley s u n d A m ali e n s ] vgl. Gellerts Roman Leben der Schwedischen Gräfinn von G***. 2. Theil. In: GGS 4, insbes. S. 86–96 (EA 1747/48). 95f. das Ko s ac k en m äd g en ] das Kosakenmädchen war Auslöser kleinerer Zänkereien zwischen Amalie und Steeley, vgl. Leben der Schwedischen Gräfinn von G***. 2. Theil. In: GGS 4, S. 87. Als Typus entspricht das Kosakenmädchen der mit natürlicher Moralität ausgestatteten ›edlen Wilden‹. 97 S am m lu n g gei s t li c h er L i ed er ] vgl. »Geistliche Oden und Lieder«. In: GGS 2, S. 103–191; zuerst in: Geistliche Oden und Lieder von C. F. Gellert. Leipzig 1757, erneut in: C. F. Gellerts sämmtliche Schriften. 2. Theil. Leipzig 1769, S. 81– 232. 98 Uebersetzung des O r a k e ls von Saint Foix] »Das Orakel. Eine Operette nach dem Innhalte eines französischen Nachspiels, welches eben diesen Namen führt«. In: GGS 3, S. 295–322; zuerst in: C. F. Gellerts Lustspiele. Leipzig 1747, S. 111–140, erneut in C. F. Gellerts sämmtliche Schriften. 3. Theil. Leipzig 1769, S. 111–144. Das Stück entstand als Auftragsarbeit; es handelt sich um eine Übertragung des französischen Lustspiels L ’ o ra c l e von Saintfoix, d. i. Germain François Poullin de Saint-Foix (1703–1776), aus dem Jahre 1740. 101 E lm i r e u n d S e li n d e] vgl. GGS 1, S. 196f. 101 die beyden Nac h ti g a ll s er z eh lu n g en ] »Die Nachtigall und die Lerche«. In: GGS 1, S. 58f. und »Die Nachtigall und der Kukuk«, ebd., S. 190.

216 | Erläuterungen

101 S eli n d e] vgl. GGS 1, S. 109–111. 102 S em n o n ] »Semnon und das Orakel«. In: GGS 1, S. 92f. 102 d er M ah le r ] vgl. GGS 1, S. 129f. 102 d i e gl ü c k li c h e E h e] vgl. GGS 1, S. 139f. 102 d a s S c h i c k s al] vgl. GGS 1, S. 119–121. 102 A lc es t] vgl. GGS 1, S. 185–186 und S. 199–201. 102f. Rh y n s o l t u n d L u c i a ] vgl. GGS 1, S. 208–211. 103f. d as G lü c k u n d d i e L i eb e] vgl. GGS 1, S. 226f. 108 W i e la n d s G r az i en ] Die Grazien, ein Gedicht in sechs Büchern von Christoph Martin Wieland erschien 1770 anonym in Leipzig bei Weidmanns Erben und Reich (WOA 9.1, S. 335‒408).

Vierter Brief 38 44 52f. 57 65

Impudenz] (lat.) Schamlosigkeit, Unverschämtheit. Examinatores ex officio] (lat.) amtliche Prüfer. la clé du coffre fort] (frz.) der Schlüssel zum Tresor. retiriren] sich zurückziehen, verschwinden. Ein gewisser S tu ß] Johann Heinrich Stuß (1686–1775), Pädagoge, veröffentlichte neben einer Sammlung Auserlesener Reden, Welche als Kern-Proben und galante Exempel der Teutschen Beredsamkeit Den Liebhabern zum Vergnügen und der Jugend zur Nachahmung vorgelegt werden (2 Bde., Leipzig, Nordhausen 1727) auch eine Sammlung auserlesener Gedichte, als Probe der neuen Teutschen Poesieen (Leipzig, Nordhausen 1734). 77f. Me n an te s u n d A m th o r ] Christian Friedrich Hunold (1680–1721) schrieb unter dem Pseudonym Menantes und galt zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor allem mit seinem Roman Die verliebte und galante Welt (Hamburg 1700) als bedeutendster ›galanter‹ Dichter Deutschlands. Christoph Heinrich Amthor (1677–1721) veröffentlichte eine Sammlung von Gelegenheitsgedichten und geistlichen Liedern unter dem Titel Poëtischer Versuch Einiger Teutscher Gedichte und Übersetzungen (Flensburg 1717). 79 H o f m a n n s w a ld au ] Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679), Lyriker und Epigrammatiker aus Schlesien, übersetzte u. a. Guarinis Pastor Fido, dt. Der Getreue Schäfer, vgl. ders.: Gesammelte Werke. Bd. 1. Deutsche Übersetzungen und Gedichte. 1. Theil. Breslau 1679. Reprint hg. und mit einem Nachwort versehen von Franz Heiduk. Hildesheim, Zürich, New York 1984, S. 49–267. 79 P i k a n d er ] Pseudonym des Gelegenheitsdichters Christian Friedrich Henrici (1700–1764), veröffentlichte u. a. fünf Bände Ernst-Schertzhaffter und Satyrischer Gedichte (Leipzig 1727–1751).

Erläuterungen | 217

80f. S tu ß und W ei c h m a n n ihre Sammlungen genommen haben] vgl. Johann Heinrich Stuß: Sammlung auserlesener Gedichte, als Probe der neuen Teutschen Poesieen (Leipzig, Nordhausen 1734) und Christian Friedrich Weichmann (1698–1770): Poesie der Niedersachsen (Hamburg 1721–1738). 84f. eine B an i s e , einen Ri c h ey ] Die asiatische Banise oder Das blutig- doch mutige Pegu (1689) von Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen (1663–1697); Michael Richey (1678–1761), Historiker und Dichter, seit 1717 Professor für Geschichte und griechische Sprache am Akademischen Gymnasium in Hamburg, Verfasser des Idioticon Hamburgense (1743). 109 ihrer Commission] ihres Auftrags. 138 Fabel v o n d em H u te] Gellerts Fabeln und Erzählungen erschienen 1746 und 1748 in zwei Bänden bei Wendler in Leipzig; vgl. »Die Geschichte von dem Hute«. In: GGS 1, S. 61–63. 138 v o n d em T an z b äh r ] vgl. »Der Tanzbär«. In: GGS 1, S. 61. 138 oder v o n d em gr ü n en E s e l] vgl. »Der grüne Esel«. In: GGS 1, S. 114–117. 146 La Motte] Antoine Houdar de La Motte (1672–1731), franz. Schriftsteller, Lyriker, Dramatiker und Literaturtheoretiker, der sich am franz. Literaturstreit um die Vorbildwirkung der Antike, der sogen. zweiten Querelle des Anciens et des Modernes beteiligte, Gegner Voltaires, veröffentlichte 1714 seinen Discours sur Homère. 158 Voltaire] d. i. François-Marie Arouet (1694–1778), französischer Philosoph und Publizist, Vordenker und eine der Leitfiguren der Aufklärung, trat vor allem mit satirischer Gesellschaftskritik, Kritik an Leibeigenschaft und Sklaverei sowie an der katholischen Kirche in Erscheinung, zeitweise am Hof Friedrichs II. von Preußen. 161 Briefsteller] Anleitungen zum Schreiben von formal und stilistisch korrekten Briefen, vgl. Gellerts Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen (1751). 167 daß die Nation Gellerts Briefe als Muster angesehen hat] vgl. Gellerts »Gedanken von einem guten deutschen Briefe«, erschienen in: Belustigungen des Verstandes und des Witzes. Auf das Jahr 1742. Leipzig 1742, S. 177–189. 171 Briefen der Frau von Sevigne] gemeint sind die Briefe der Marie de RabutinChantal, Marquise de Sévigné (1626–1696), die erst nach ihrem Tod zunächst in einem Band (1726), dann in sechs Bänden (1737) veröffentlicht wurden; 1754 erschien eine erweiterte Neuauflage mit 722 Briefen. Mauvillon veröffentlichte 1765 den Versuch einer Übersetzung der Marquise von Sevigne, mit historischen und critischen Erläuterungen (Braunschweig, Hildesheim). 178 drollicht] possierlich, lustig. 182–190 Liebe Mama! Meine Schwester hat Ihnen gesagt ...] vgl. »Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen. Drey und zwanzigster Brief«. In: GGS 4, S. 176.

218 | Erläuterungen

191f. ] gemäß dem Druckfehlerverzeichnis auszustreichen. 197 den 40sten Brief: A n d e n R i tt m ei s t er v o n B .] » Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen«. In: GGS 4, S. 194. 213 Im 49ten Briefe schreibt er] » Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen«. In: GGS 4, S. 200. 216f. Eben fällt mir, unter andern abgeschmackten Briefen, auch der funfzehnte ein] » Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen«. In: GGS 4, S. 169. 227 dauern] leid tun. 233 in dubio] (lat.) im Zweifel bzw. im Zweifelsfall. 241f. O Bouhours, Bouhours] Anspielung auf Dominique Bouhours (1628–1702), franz. Jesuit, Historiker und Philologe, übte großen Einfluss u. a. auf Boileau und Racine aus, forderte in seinen Schriften besonders die Klarheit des sprachlichen Ausdrucks, vgl. La manière de bien penser dans les ouvrages de l’esprit (Paris 1687) und Pensées ingenieuses des anciens et des modernes (Paris 1689). Von Bouhours stammt u. a der Satz »Delikate Gedanken sind solche, die mehr zu denken geben, als sie sagen.« 242f. Hubers Uebersetzungen von Gellertschen Sachen] vgl. Choix de Poésies allemandes, par Michel Huber. 4 Bde., Paris 1766 (mit Übersetzungen von Gellerts Fabeln) und Lettres choisies de M. Gellert, traduites de l’Allemand par M. Huber, precedées de l’Eloge de l’Auteur, suivies de quelques lettres de M. Rabener, et des Avis d’un père à son fils en l’envoyant à l’Université par M. Gellert. Leipzig 1770; Michael Huber (1727–1804) war ein in Paris lebender Sprachlehrer, ab 1766 Französisch-Lektor an der Universität Leipzig; vgl. Michel Espagne: »Übersetzer in Paris und Leipzig: Michael Huber«. In: Frankreich-Freunde. Mittler des französisch-deutschen Kulturtransfers (1750–1850). Hg. von Michel Espagne und Werner Greiling. Leipzig 1996, S. 85–106. Mauvillon selbst hatte als Lektor der französischen Sprache in Ilfeld die Übersetzung der Gellertschen Briefe auf seinem Unterrichtsplan (vgl. »Verzeichniß der Lectionen, die auf dem Königlichen Pädagogio zu Ilfeld in dem Sommersemester 1767. gehalten werden sollen«. In: Hannoversches Magazin, 28. Stück, 6. April 1767, Sp. 433–446, hier Sp. 440). 247 Im achtzehnten Briefe an einen Pastor] » Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen«. In: GGS 4, S. 171f., das Zitat befindet sich auf S. 171. 272 Plinius] Plinius der Jüngere, d. i. Gaius Plinius Caecilius Secundus (61/62– um 114), römischer Gelehrter, bekannt für seine Schilderung des Vesuvausbruchs im Jahre 79; seine Epistulae, dt. Briefe, behandeln verschiedene Aspekte des alltäglichen und politischen Lebens und geben Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie das Gerichtswesen Roms, vgl. Plinius: Briefe. Lateinisch-Deutsch. Hg. von Helmut Kasten. Zürich 71996.

Erläuterungen | 219

272 Cicero] Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), römischer Politiker, Jurist, Philosoph und Schriftsteller; verfasste eine Vielzahl mustergültiger Reden vor dem Senat und vor dem Volk und gilt als der berühmteste Redner Roms. 273 Cilicien] röm. Provinz am Mittelmeer, die 51/50 v. Chr. ein Jahr lang von Cicero als Prokonsul verwaltet wurde. 275 Cato] Marcus Porcius Cato (95–46 v. Chr.), Stoiker, als republikanischer Politiker Gegner Cäsars; beging Selbstmord, als Cäsar zum Diktator aufgestiegen war. 278 im 15ten Buch ad Fam. Epist. 5 & 6.] Cicero: An seine Freunde / Epistulae ad familiares. Hg. von Helmut Kasten. Berlin 2011 (Sammlung Tusculum), S. 856– 860. Es handelt sich um einen Brief von Cato an Cicero und einen von Cicero an Cato. 290 In der B e t s c h w e s t er ] das Lustspiel »Die Betschwester«, das 1745 in den Neuen Beyträgen zum Vergnügen des Verstandes und Witzes (2. Bd., 2. Stück, S. 82–168) erschien; vgl. GGS 3, S. 61–111. 296f. des Herrn von Petrasch Lustspiele oder jenes Pommeraners P o ly d o r ] gemeint sind Des Freyherrn Joseph von Petrasch sämtliche Lustspiele. Hg. von der deutschen Gesellschaft zu Altdorf. 2 Bde. Nürnberg 1765 und das anonym erschienene Schauspiel Polidor, oder die unglücklichen Geschwister. Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen, zum Vergnügen entworfen von R***. Stralsund: Struck 1760, das Gellerts Roman Leben der schwedischen Gräfinn von G*** nachempfunden ist. Joseph von Petrasch (1714–1772) war Philologe und gründete 1746 im mährischen Olmütz die Societas incognitorum, die erste deutsche Gelehrtengesellschaft in den habsburgischen Ländern; zu Polidor vgl. Martina Schönenborn: Tugend und Autonomie. Die literarische Modellierung der Tochterfigur im Trauerspiel des 18. Jahrhunderts. Göttingen 2004, S. 259–270. 299f. d as L o o s i n d er L o t t er i e , d i e k r a n k e F r a u , oder d i e z ä r t li c h en S c h w e s ter n ] vgl. GGS 3, »Das Loos in der Lotterie«, S. 113–194, »Die kranke Frau«, ebd., S. 263–293 und »Die zärtlichen Schwestern«, ebd., S. 195–261. 304f. Stellen in der s c h w ed i s c h e n G r ä f i n ] vgl. Leben der Schwedischen Gräfinn von G*** [1747] In: GGS 4, S. 1–96. 314 W i e la n d s G r az i e n ] Roman von Christoph Martin Wieland, vgl. Erl. zum Dritten Brief (Z. 108). 317 Polygraphie, die unsere Dichter anficht] im Sinne von: Vielschreiberei, die unsere Dichter befällt 319 für] lies: vor.

Fünfter Brief 14

daß ich nicht zu ekel in der Wahl gewesen bin] im Sinne von: nicht zu eigen(sinnig), wählerisch, penibel gewesen sein.

220 | Erläuterungen

18 18f. 26 28

29f. 31

59f.

60f.

73

75

76

die unglückselige s c h w e d i s c h e G r ä f i n ] Gellerts Roman Leben der Schwedischen Gräfinn von G***. In: GGS 4, S. 1–96. gegen Sie erwähnt] Ihnen gegenüber erwähnt. Hunc diem perdidi] (lat.) ›dieser Tag ist vergeudet‹. längst vergeßnen französischen Memoires] die Tagebücher als ein in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert beliebtes literarisches Genre, weiterführend Hermann Kleber: Die französischen Mémoires. Geschichte einer literarischen Gattung von den Anfängen bis zum Zeitalter Ludwigs XIV. Berlin 1999. Die Geschichte der Mar i an e und des C ar ls o n s ] Episode aus Gellerts Roman Leben der Schwedischen Gräfinn von G***. G r a f D o u gl as ] Douglas, a Tragedy Trauerspiel von John Home (1724–1808), uraufgeführt 1756 in Edinburgh, nach dem Stoff einer altschottischen Ballade »Gil Morrice«. Eine Übersetzung lieferte Albrecht Wittenberg, vgl. Douglas. Ein Trauerspiel in fünf Handlungen. Hamburg, Güstrow 1774. Die Grafen Douglas waren ein altes schottisches Adelsgeschlecht. über den Ka l ts i n n d er N a ti o n g e ge n i h r e gr ö ß t en G ei s t er ] Herrn Jacobis Brief an Herrn Kloz] vgl. An den Hrn. Geheimenrath Klotz von Jacobi. Halle, den 19ten August 1768, S. 4; dazu: Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften, 2. Bd., 7. Stück (1768), S. 537f., hier 537; die Briefe sind gesammelt erschienen als Briefe deutscher Gelehrten an den Herrn Geheimen Rath Klotz. Hg. von J[ohann]. J[ost]. A[nton]. von Hagen. 2 Bde. Halle 1773, 1. Bd., S. 165– 185. meiner Bemerkung an der Lessingischen Mi n n a] Unzers Bemerkung zu Gotthold Ephraim Lessings Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen (Berlin 1767) konnte nicht ermittelt werden. mehr A g at h o n s ] der Roman Geschichte des Agathon von Christoph Martin Wieland (1733–1813), der 1766 und 1767 in der ersten Fassung in zwei Bänden bei Orell & Geßner in Zürich erschien. G r a f e n v o n P .] Die Geschichte des Grafen von P., Roman von Johann Gottlob Benjamin Pfeil (1732–1800), erschienen 1755 in Leipzig in der Lankischen Buchhandlung (Reprint Frankfurt a. M. 1970). Pfeil studierte ab 1752 in Leipzig Jura, war anschließend Hauslehrer und wurde 1763 Hofmeister des Freiherrn Carl August von Friesen. 1768 wurde er zum Doktor der Rechte promoviert und anschließend Justizamtmann in Rammelsburg im Harz. Sein literarisches Verdienst liegt besonders in der Verbreitung der englischen Literatur in Deutschland. Vgl. Karl Goedeke: »Pfeil«. In: Archiv für Litteraturgeschichte. Hg. von Franz Schnorr von Carolsfeld. 7. Bd., 1878, S. 524–528 sowie den Beitrag von Gustav von Loeper: »Pfeil noch einmal«, ebd., 8. Bd., 1879, S. 223–224. Verdienst von den Berliner Bibliothekaren] die an der von Friedrich Nicolai herausgegebenen Allgemeinen deutschen Bibliothek mitarbeitenden Rezensenten.

Erläuterungen | 221

76f. für ein schlechtes Buch erklärt worden] vgl. Allgemeine deutsche Bibliothek, 10. Bd., 2. Stück (1769), S. 258f. Dort heißt es: »Wie dieses Buch hat fünfmal können aufgelegt werden, das können wir nicht begreifen. Daß ein junger deutscher Edelmann in Paris von einer Buhlerin hintergangen und geplündert wird, das ist eine Erfindung, die schon unzähligmal in deutschen und französischen Romanen eine Lücke ausgefüllet hat. Hier macht sie den Hauptinhalt aus. Dieses mit dem schlechten Romanstyl und den frostigen Zwischenerzählungen zusammengenommen, konnte nichts anders, als ein elendes Ganzes hervorbringen.« (ebd., S. 259) Die Rezension stammt von Johann Karl August Musäus (1735–1787). 80–82 Ich will es genug seyn lassen ...] »Der Schäfer und die Sirene«. In: Christian Fürchtegott Gellert: Sämmtliche Schriften. Erster Theil: Fabeln und Erzählungen. Leipzig 1769, S. 319–334, hier S. 334; GGS 1, S. 3‒5 und S. 215f. 83f. bey Gelegenheit seiner Beurtheilung der in den Belustigungen von ihm eingerückten Fabeln] »Beurtheilungen einiger Fabeln aus den Belustigungen des Verstandes und des Witzes«. In: Gellert: Sämmtliche Schriften. 1. Theil, S. 305– 346, hier S. 334; vgl. GGS 5, S. 123–144, hier S. 138. 89 die Critiken über seine Fabeln] Gellerts »Beurtheilungen einiger Fabeln aus den Belustigungen des Verstandes und des Witzes« verstehen sich als Kritik an den früheren Fabeln und zugleich als eine Rechtfertigung der Fabelsammlung, ebd. 91 A es t h e ti k i n ei n er N u ß ] vgl. Christoph Otto von Schönaich: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch als ein sicherer Kunstgriff, in 24 Stunden ein geistvoller Dichter und Redner zu werden, und sich über alle schale und hirnlose Reimer zu schwingen. Alles aus den Accenten der heil. Männer und Barden des itzigen überreichlich begeisterten Jahrhunderts zusammen getragen, und den größten Wort-Schöpfern unter denselben aus dunkler Ferne geheiliget von einigen demüthigen Verehrern der sehraffischen [= seraphischen] Dichtkunst. Breslau 1754. 103 Meinhard] Johann Nikolaus Meinhard (1727–1767), Verfasser der Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter (1763/64), vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 174f.). 115f. Eben erzählt mir der Freund eines unsrer liebenswürdigsten Dichter in Norden] vermutlich Christian Günther Rautenberg (1728–1776) aus Braunschweig, ein Freund Lessings, der von 1767–1770 als Dramaturg und Berater am Nationaltheater in Hamburg tätig war. Unzer stand mit Rautenberg im Briefwechsel, der in Auszügen von Heinrich August Ottokar Reichard (1751–1828) veröffentlicht wurde, vgl. »Fünf Briefe des verstorbenen Predigers Rautenberg zu Braunschweig«. In: Olla Potrida, 4. Stück. Berlin 1782, S. 109–130. Dort berichtet Rautenberg u. a. von Lessings Reaktion auf das Erscheinen der Dichterbriefe: »Ich war gerade mit Leßing in dem Buchladen, als die Briefe über den Werth einiger deutschen Dichter gebracht wurden. Er freute sich, da er auf dem hintern Blatte

222 | Erläuterungen

die Worte las, daß Gellert ein langweiliger Erzähler sey, und keinen Funken Genie habe. Das ist lange meine Meinung gewesen, sagte er, und nahm die Briefe mit.« (Olla Potrida 1782, 4. Stück, S. 112. Brief Rautenbergs an Unzer vom 28. 2. 1772) Der Briefwechsel wurde erneut abgedruckt in: Arne Klawitter: »Das ›abgeschmackte‹ deutsche Publikum und seine ›Gellertomanie‹. Ludwig August Unzers und Jakob Mauvillons ›Dichterbriefe‹ und deren Verteidigung durch Christian Rautenberg«. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 60 (2016), S. 3–38.

Sechster Brief 2f.

Critiken Gellerts über seine Fabeln in den B el u s ti gu n g e n ] »Beurtheilungen einiger Fabeln aus den Belustigungen des Verstandes und des Witzes«, vgl. Erl. zum Fünften Brief (Z. 83f.). 3 der ich in Leipzig studirt habe] Mauvillon besuchte bis 1758 die Leipziger Thomasschule und kam dann an das von Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709–1789) gegründete Collegium Carolinum in Braunschweig, wo er u. a. von Johann Arnold Ebert (1723–1795) und Carl Christian Gärtner (1712–1791) unterrichtet wurde. Bevor er 1760 in die Dienste der Kurhannoverischen Armee trat, studierte er ein knappes Jahr an der Universität Leipzig Jura; vgl. Hoffmann: Jakob Mauvillon, S. 30f. 6 Tartini in Meyland] Giuseppe Tartini (1692–1770), berühmter Violinist und Komponist aus Pirano, wirkte vor allem in Padua (nicht Mailand). 11 pro hospite] (lat.) als Gast bzw. Gasthörer, Hospitant. 19f. davon giebt Avenarius seine Dedication an Gellert] Benedict Christian Avenarius (1739–1826), studierte in Leipzig Jura und war auch ein Schüler Gellerts, dessen Rat und Zuspruch er bei seinen dichterischen Versuchen suchte; im Sommer 1767 ließ er sich als Advokat in Celle nieder. In seiner lateinischen Vorrede zu Aelurias (1771) dankt er Gellert, dem »unvergleichlichen und jetzt von allen Guten vermißten Mann«. 20f. vor der lateinischen Uebersetzung des Mu r n e r s i n d er H ö l l e] Aelurias, Epos iocosum von Benedict Christian Avenarius (Braunschweig 1771) ist eine Übersetzung von Friedrich Wilhelm Zachariäs scherzhaftem Heldengedicht Murner in der Hölle (Rostock 1757) ins Lateinische. 23 Ramler] Karl Wilhelm Ramler (1725–1798), auch als »der deutsche Horaz« bezeichnet, Odendichter und Übersetzer von Werken antiker Dichter wie Catull, Horaz und Martial. 25 Batteux] Charles Batteux (1713–1780), franz. Ästhetiker, wollte die Grundsätze der franz. Klassik überwinden und sprach sich für die Nachahmung der Natur aus, wobei er unter Natur das wirkliche Leben verstand, an dem sich die Kunst seiner Ansicht nach orientieren sollte; seine viel beachtete Schrift Les beaux

Erläuterungen | 223

arts réduit à une même principe (1746) wurde von Ramler ins Deutsche übersetzt, vgl. Einleitung in die Schönen Wissenschaften. 4 Bde. Leipzig 1756–1758, 2. erw. Aufl., 4 Bde. Leipzig 1762/63. 28 dem Schäferspiele, d as B an d ] vgl. GGS 3, S. 1–27; zuerst in: Belustigungen des Verstandes und des Witzes. Auf das Jahr 1744, S. 191–218. 30–32 Wäre das Landleben überhaupt ...] vgl. GGS 3, S. 347 (aus dem »Vorbericht zum Bande«. In: Sammlung vermischter Schriften von C. F. Gellert. 1. Theil. Leipzig 1756, S. 73). 43 S i lv i a] das Schäferspiel »Sylvia«, vgl. GGS 3, S. 29–60, zuerst als »Sylvia, Ein Schäferspiel in einem Aufzuge«. In: C. F. Gellerts Lustspiele. Leipzig 1747, S. 369–398. 51 Guarinis Pastor Fido] Il pastor fido, Schäferspiel von Giovanni Battista Guarini (1538–1612), verfasst zwischen 1580 und 1584, veröffentlicht 1590, dt. »Der getreue Schäfer«. Eine deutsche Übersetzung von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau erschien 1679, vgl. Erl. zum Vierten Brief (Z. 79); neu herausgegeben unter dem Titel Der Treue Schäfer. Ein Schäferspiel aus dem Italiänischen des Babtista Guarini [übers. von Johann George Scheffner]. Mietau, Hasenpoth 1773. 56 Mirtill und Damöt] bei Gellert Myrtill und Damoet, Personen aus seinem Schäferspiel »Sylvia«. 65 Amaryllis] Figur aus Il pastor fido. 69–82 O prima vera ...] Klagen des Myrtill, dritter Aufzug, erster Auftritt: »Des Jahres Jüngling holder Lenz Reizvoller Vater junger Blumen, Des jungen Grüns, und neuer Liebesflammen, Du kehrst zurück – doch ohn die glücklichen Und heitern Tage meiner Freude – Du kehrst zurück, du kehrst zurück, Doch bloß das klägliche schmerzhafte Angedenken Des liebsten und verlohrnen Guts begleitet dich; Bist noch wie sonst so reizend und so schön, Nur ich bin nicht wie sonst den schönen Blicken theuer! Wie bitter ist, o Liebe, deine Süßigkeit, Und bittrer, sie nach dem Genuß vermissen, Als unversucht von deinem Reiz nichts wissen. Kein Glück wär deinem gleich könnt deine Seligkeit Das Herz, das sie geschmeckt auch stets genüßen; Ja blieb ihm nur nach seines Glücks Verlust Nichts mehr von dem, was ihn vorhin entzückt bewußt.« (Nach der Übersetzung von Scheffner: Der Treue Schäfer. Ein Schäferspiel aus dem Italiänischen des Babtista Guarini. Mietau, Hasenpoth 1773, S. 109–110.)

224 | Erläuterungen

85f. Care selve beate und Mirtillo, Mirtillo, anima mia] Monologe der Amaryllis: »Schreckvoll, verschwiegener, einsam geliebter Wald« (Der Treue Schäfer, zweyter Aufzug, fünfter Auftritt, S. 84) und »O Myrtill, Myrtill! meine Seele! Könntest du dieses Innerste sehen!« (Dritter Aufzug, vierter Auftritt, S. 132) 88f. 2ten Akt, 1ste Scene] Monolog des Ergast: »O was bin ich herumgelaufen! Am Flusse, auf dem Hügel, auf der Wiese, bey der Quelle, auf der Ringebahn, auf der Laufbahn hab ich dich gesucht. Endlich find ich dich hier, und Dank sey es dem Himmel.« (Der Treue Schäfer, zweyter Aufzug, erster Auftritt, S. 57) 94f. Sein Damöt klagt ohnehin] männliche Figur aus Gellerts Schäferspiel »Sylvia«. 99f. noch neuerlich hat einer von unsern guten Dichtern eins herausgegeben] vermutl. Johann Georg Jacobi: Apollo unter den Hirten. Ein Vorspiel mit Arien. Halberstadt 1770. 109 Sein Or a k e l] vgl. Erl. zum Dritten Brief (Z. 98), das Lustspiel »Das Orakel. Eine Operette nach dem Innhalte eines französischen Nachspiels, welches eben diesen Namen führt«, in: GGS 3, S. 295–322. 131 Grays] Thomas Gray (1716–1771), engl. Dichter und Gelehrter, Vertreter der sogen. ›Churchyard Poetry‹, für die vor allem das Gedicht An Elegy written in a Country Church-yard (1751) als repräsentativ angesehen werden kann. Als Nachdichtung im Anschluss an Gray veröffentlichte Friedrich Wilhelm Gotter (1746–1797) im Göttinger Musenalmanach eine »Elegie. Auf einem Dorfkirchhofe geschrieben« ([Göttinger] Musenalmanach. Göttingen 1771, S. 125–135). 131 Lichtwehr] Magnus Gottfried Lichtwer (1719–1783), dt. Fabeldichter, vgl. Vier Bücher Aesopischer Fabeln. 2. Aufl. nebst einem Anhange. Berlin 1758 [EA 1748] und ders.: Auserlesene Fabeln und Erzählungen in zweyen Büchern [bearb. von Karl Wilhelm Ramler]. Greifswald, Leipzig 1761; verfasste ferner das Lehrgedicht Recht der Vernunft, in fünf Büchern (Leipzig 1758). Zu seinen Fabeldichtungen vgl. den 233. Literaturbrief von Lessing (Briefe, die neueste Litteratur betreffend. XIV. Theil, 1762, S. 267–354). 134 d i e G es c h i c h t e v o m H u t e] vgl. GGS 1, S. 61–63. 134f. das G es p e n s t] vgl. GGS 1, S. 74f. 135 d er S elb s tm o r d ] vgl. GGS 1, S. 75f. 135 d er P r o c e ß] vgl. GGS 1, S. 81–83. 135 d er B e tt l er ] vgl. GGS 1, S. 83f. 135 d er s ü ß e T r au m ] vgl. GGS 1, S. 100f. 136 d er b ar o n i s i r te B ü r ger ] vgl. GGS 1, S. 117f. 136 d er ar m e S c h i f f er ] vgl. GGS 1, S. 118f. 136 d i e b ey d en M äd g en ] vgl. »Die beiden Mädchen«. In: GGS 1, S. 128f. 140 La Fontaine] Jean de La Fontaine (1621–1695), franz. Dichter, der besonders durch seine Fabeln (Fables, 1668–1678/79 und 1694) Berühmtheit erlangte. 141 beständig den deutschen La Fontaine nennt] vgl. Briefe von Rabener und Gellert, wie auch des Letztern Unterredung mit dem König von Preußen. Cöln [= Berlin] 1761, S. 68.

Erläuterungen | 225

148 das Pferd und die Bremse] vgl. GGS 1, S. 84f. 149 le Lion et le Moucheron] (frz.) »Der Löwe und die Mücke«, Fables, II. Buch, 9. Fabel. 150ff. Va-t-en, chétif insecte, excrément de la terre] nach der Übersetzung von Ernst Dohm (1813–1883), entnommen aus: Lafontaines Fabeln. Berlin 1913: »Elend Insekt, der Erd’ Auswurf, willst gleich dich scheren!« Dies Wort rief einst der Löw’ in Wut Der Mücke zu. Die hatte Mut, Sofort den Krieg ihm zu erklären. »Meinst du« sprach sie zu ihm »daß du der König bist, Soll mich mit Sorg’ und Angst erfüllen? Der Ochs, der noch weit stärker ist, Ich lenk’ ihn doch nach meinem Willen!« Dem Worte folgt sogleich die Tat: Zum Angriff gibt sie selbst das Zeichen, Zugleich Trompeter und Soldat. Erst sucht sie schlau ihm auszuweichen; Doch flink um seinen Hals dann schwirrt Sie, daß der Leu fast rasend wird. Er schäumt, und Funken sprüht das Aug’ des wilden Recken; Er brüllt, und rings umher erzittert Tal und Berg; Und dieser allgemeine Schrecken Ist einer kleinen Mücke Werk. An hundert Stellen sucht das Mücklein ihn zu necken: Bald sticht’s am Rücken ihn, bald macht’s am Maul ihm Pein, Bald kriecht’s ihm in die Nas’ hinein. Nun hat des Löwen Wut erreicht den höchsten Gipfel; Der unsichtbare Feind, wie triumphiert er jetzt, Da Klaue nicht noch Zahn, kurz, nicht der kleinste Zipfel Des schmerzgequälten Tiers mehr heil und unverletzt! Der arme Leu zerfleischt sich selber, an die Weichen Schlägt er den mächt’gen Schweif, er schlägt in kind’schem Sinn Selbst die unschuld’ge Luft. Dies Wüten ohnegleichen Erschöpft ihn, macht ihn matt, und bald ist er ganz hin. Ruhmreich kehrt das Insekt zurück aus diesem Kriege, Und wie zum Angriff erst, so bläst es jetzt zum Siege, Ihn kündend überall. Da findet’s einen Ort, Wo heimlich lauert eine Spinne; Es findet auch sein Ende dort. Was uns die Fabel lehrt, fragst du mit klugem Sinne? Daß von den Feinden – dies merk’ dir zuerst, mein Kind –

226 | Erläuterungen

Die kleinsten grade oft die allerschlimmsten sind; Und daß, die mit Erfolg große Gefahr bestehen, An Kleinem oft zu Grunde gehen.

Siebenter Brief 2 5

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Le Noble in Frankreich] Eustache Le Noble de Tennelière (1643–1711), franz. Schriftsteller, seine Contes et Fables erschienen 1697 in Paris. Phädrus] auch Phaedrus (um 20 – um 50/60), römischer Fabeldichter, vgl. Phaedrus: Liber Fabularum. Fabelbuch. Lateinisch und Deutsch. Übersetzt von Friedrich Rückert und Otto Schönberger. Hg. und erläutert von Otto Schönberger. Stuttgart 1975, 4. Aufl., 1987 und Phaedrus Fabeln. Hg. von Eberhard Oberg. Düsseldorf, Zürich 2002, 2. Aufl., Berlin 2011 (Sammlung Tusculum). Lichtwehr] der deutsche Fabeldichter Magnus Gottfried Lichtwer (1719–1783), vgl. Erl. zum Sechsten Brief (Z. 131). Homer] ältester bekannter griech. Dichter, lebte vermutlich um 850 v. Chr. und gilt als Verfasser der Ilias und der Odyssee; eine zeitgenössische Übersetzung seiner Werke (Ilias und Odyssee) lieferte Christian Tobias Damm (2 Bde. Lemgo 1769), der noch eine Übersetzung der Ilias von Karl August Kütner folgte (1771, 1773). Wie aus einem Brief von Heinrich Friedrich Diez vom 16. Oktober 1773 hervorgeht, plante Mauvillon eine Untersuchung zu Homer, vgl. Mauvillons Briefwechsel, S. 81. Ossian] ein angeblich im 3. Jhd. lebender irischer Dichter, der ein altgälisches Epos verfasst haben soll, das jedoch tatsächlich von dem schottischen Dichter James Macpherson (1736–1796) stammt und eine europaweite OssianBegeisterung auslöste, erschienen als Fragments of Ancient Poetry, collected in the Highlands of Scotland, and translated from the Gaelic or Erse Language (1760), gefolgt von den Epen Fingal, an Ancient Epic Poem in Six Books (1762) und Temora, an Epic Poem (1763); 1765 als The works of Ossian, the son of Fingal (2 Bde.). Bereits 1762 erschien von Denis eine anonyme Teilübersetzung; 1763 veröffentlichte dann Rudolf Erich Raspe (1736–1794) zwei Beiträge über Ossian im Hannoverschen Magazin: zunächst eine »Nachricht von den Gedichten des Oßian, eines alten schottischen Barden; nebst einigen Anmerkungen über das Alterthum derselben« (92. Stück, Sp. 1457–1470) und dann eine Teilübersetzung des Fingal (94. Stück, Sp. 1489–1504, 95. Stück, Sp. 1505–1520, 96. Stück, Sp. 1521–1534 und 97. Stück, Sp. 1537–1546); 1764 erstellte Johann Andreas Engelbrecht (1733–1803) eine deutsche Übersetzung (Fragmente der alten Hochschottländischen Dichtkunst, nebst einigen andern Gedichten Oßians, eines Schottischen Barden. Hamburg 1764); im selben Jahr veröffentlichte Albrecht Wittenberg (1728–1807) dessen vollständige Übersetzung unter dem Titel Fingal, ein Heldengedicht in sechs Büchern; nebst anderen Gedichten (Hamburg,

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Leipzig), 1768 folgte die Übertragung in Hexameter von Michael Denis Die Gedichte Oßians, eines alten celtischen Dichters (3 Bde., Wien 1768/69). 1829 deckten Drummond und O’Reilly die Dichtung endgültig als Fälschung Macphersons auf. 18 Geßner] Salomon Gessner (1730–1788), Lyriker und Maler aus der Schweiz, vor allem bekannt als Idyllendichter (Idyllen. Zürich 1756), 1762 erschienen Salomon Gessners Schriften. 4 Bde. in Zürich, 1772 veröffentlichte er nochmals eine Reihe von Idyllen, die jedoch nicht an den früheren Erfolg anschließen konnten. 23f. Verfasser des L ei p z i g er Mu s e n a l lm an ac h s ] Christian Heinrich Schmid (1746–1800), Literaturhistoriker, Kritiker und Übersetzer, Herausgeber des Almanachs der deutschen Musen, der von 1770 bis 1775 in Leipzig im Schwickert’schen Verlage, ab 1776 bis 1781 bei Weygand erschien. Im Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1771 (S. 46–64 und 118–126) wurden eine Reihe von Lobreden und Trauergedichten rezensiert, u. a. »Auf Gellerts Tod, gesungen im Winter von M. Denis«, »Auf das Absterben seines Freundes C. F. Gellert von J[ohann]. A[ndreas]. Cramer«, »Ehrendenkmal auf den Herrn Prof. Gellert von dem Verfasser der Klagen«, »Elegie bey dem Grabe Gellerts von Weiße« (und viele andere mehr). 25 E c k en über seine E m p f e h lu n g G e l ler ts zu tadeln] Johann Georg Eck (1745–1808), Professor der Philosophie in Leipzig (ab 1782 auch Ethik und Politik), hielt nach dem Tod Gellerts eine Gedenkvorlesung, bei der er, wie er anmerkte, »vor Traurigkeit kaum zu reden im Stande« gewesen sei und auch in den Gesichtern seiner Zuhörer »nichts als Traurigkeit« erblicken konnte, und weiter heißt es dort: »Kein Dichter hat, wie schon Abbt anmerkt, den Geschmack der Nation mehr gebildet, als Gellert. Im Pallaste und in den Hütten waren seine Schriften das Handbuch, das mit allgemeinem Beyfall gelesen, oft gelesen und auswendig gelernt wurde. Von erhabenen Fürsten an, bis auf den gemeinen Mann wurden sie gleich stark empfunden, gleich stark geliebt« (Johann Georg Eck: Gellerts Empfehlung. Eine Vorlesung. Den 16. Dezember 1769 gehalten. Leipzig 1769, S. 6 und S. 15). Schmid schreibt über Ecks »Empfehlung«: »Diese Vorlesung brach allen andern Gedächtnißschriften die Bahn, und hatte eine unschuldigere Entstehungsart, als viele von den nachfolgenden. Dieser Verfasser wollte seine Zuhörer von diesem wichtigen Todesfalle unterhalten. Sie verlangten Abschriften davon, und er gab ihnen, der Bequemlichkeit wegen, gedruckte. Einige Anecdoten zu Gellerts Leben und ein paar ungedruckte Verse von demselben, machen den Hauptinnhalt dieser Schrift aus.« (Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1771, S. 47), weiterführend Carsten Schlingmann: Gellert. Eine literaturwissenschaftliche Revision. Bad Homburg, Bern, Zürich 1967, S. 13f.

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G e ll er ts gei s tli c h e L i e d er ] vgl. »Geistliche Oden und Lieder«. In: GGS 2, S. 103–191; zuerst in: Geistliche Oden und Lieder. Leipzig 1757, erneut in: C. F. Gellerts sämmtliche Schriften. 2. Theil. Leipzig 1769, S. 81–232. 38 niemals zur Schwärmerey übergieng] Hang zum ungebändigten Enthusiasmus bzw. zur begeisterten Phantasie (Fanatismus); »Schwärmerey ist Krankheit der Seele, eigentliches Seelenfieber: Enthusiasmus ist ihr wahres Leben!« und »Der Schwärmer ist begeistert wie der Enthusiast; nur daß diesen ein Gott begeistert und jenen ein Fetisch.« [Christoph Martin Wieland:] »Zusatz des Herausgebers«. In: Der Teutsche Merkur 4. Vierteljahr, 1775, S. 151–155, hier S. 153f. (als Zusatz Wielands zu »Auszüge aus einer Vorlesung über die Schwärmerey« von Leonhard Meister, ebd., S. 134–151); zur Schwärmer-Debatte im 18. Jahrhundert s. Leonhard Meister: Ueber die Schwärmerey. 2 Bde. Bern 1775–1777; [Johann Jakob Stolz:] Joseph Gedeon Kr. [Pseud.]: Über Schwärmerey, Toleranz und Predigtwesen. Upsal [Leipzig] 1776; vgl. dazu Manfred Engel: »Die Rehabilitation des Schwärmers. Theorie und Darstellung des Schwärmens in Spätaufklärung und früher Goethezeit«. In: Hans-Jürgen Schings (Hg.): Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. Stuttgart 1994, S. 469–498 (mit bibliographischem Anhang, S. 495–498). 52f. eines ecclesiastischen Liederdichters] eines kirchlichen bzw. geistlichen Liederdichters. 58f. W i e s c h ö n l eu c h t ’t u n s d er M o r ge n s t er n , O w i e s ee li g s i n d d i e S ee le n ] Choral von Philipp Nicolai (1556–1608), lutherischer Hofprediger in Herdecke, Unna und Hamburg; Dichter geistlicher Lieder; »Wie schön leucht’t uns der Morgenstern« stammt aus dem Jahr 1597. 75 d i e P r ü f u n g am A b en d ] vgl. GGS 2, S. 116f. 76 W ar n u n g v o r W o l lu s t] »Warnung vor der Wollust«. In: GGS 2, S. 135–137. 76 T r o s t d er E r lö s u n g] vgl. GGS 2, S. 142–144. 76 d i e L i eb e d er F ei n d e] vgl. GGS 2, S. 162f. 77 B e tr ac h tu n g d e s T o d es ] vgl. GGS 2, S. 184–186. 77 d er S c h u tz d er Ki r c h e] vgl. GGS 2, S. 188f. 77f. T r o s t d es ew i g en L e b e n s ] vgl. GGS 2, S. 189–191. 78f. d a s G eb e t] vgl. GGS 2, S. 112–115. 80–101 O Glaube, der das Herz erhöht ...] die erste Strophe ist aus: »Osterlied«. In: GGS 2, S. 123; die zweite Strophe aus: »Das natürliche Verderben des Menschen«, ebd., S. 129; die dritte aus: »Warnung vor der Wollust«, ebd., S. 137; die letzten beiden sind aus: »Trost der Erlösung«, ebd., S. 142. 102 P as s i o n s li e d ] Es gibt zwei Passionslieder von Gellert, vgl. GGS 2, S. 131–134 und S. 171–173; gemeint ist wohl das erste. 107 Rousseau oder Klopstock] Jean-Baptiste Rousseau (1671–1741), franz. Dichter und Dramatiker, galt zu Beginn des 18. Jh. als bester franz. Lyriker seiner Generation. Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 240).

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108 Ramler oder Denis] Karl Wilhelm Ramler (1725–1798), genannt der ›deutsche Horaz‹, hatte sich als Anhänger der Poetik des Horaz zum Odendichter gebildet, während Michael Denis (1729–1800) vor allem als Bardendichter und Übersetzer Ossians bekannt wurde.

Achter Brief 10

Aesop] antiker griech. Fabeldichter, lebte wahrscheinlich im 6. Jh. v. Chr. Von ihm stammen zahlreiche, ›klassisch‹ gewordene Fabeln wie »Die Ameise und die Grille«, »Der Löwe und das Mäuschen« und »Der Fuchs und der Rabe«. 10 Fabeln des Gabrias] Gabrias (wohl verfälscht aus Babrias bzw. Babrios, vgl. Antike Fabeln. In einem Band. Hg. von Johannes Irmscher. Berlin, Weimar 1991) war ein antiker griech. Dichter aus dem späten 1. Jhd., der die Fabeln Äsops in zehn Büchern in chorjambische Verse (—◡◡—) gebracht haben soll, vgl. dazu: »Man hat des Aesopus Fabeln einige Fabeln von Gabrias beygefügt. Dies war ein griechischer Poete, der des Aesopus Fabeln in Verse gebracht hatte.« (Aesopus des Phrygiers Leben und Fabeln, nebst den Fabeln des Philelphus. Neue Übersetzung des Herrn Abts von Bellegarde. Kopenhagen, Leipzig 1769, Vorrede, unpag. [S. 5f.]) 14f. bis auf Herrn Lessing, der offenbar die alte vorgezogen hat] vgl. Lessings »Vorrede« zu seinen Fabeln (1759): »Ich hatte mich oft gewundert, daß die gerade auf die Wahrheit führende Bahn des Aesopus, von den Neuern, für die blumenreichern Abwege der schwatzhaften Gabe zu erzehlen, so sehr verlassen werde«, vgl. LW 4, S. 298f. [EA Fabeln. Drey Bücher. Nebst Abhandlungen mit dieser Dichtungsart verwandten Inhalts. Berlin 1759). Lessings Prosafabeln orientieren sich mit Blick auf die Pointe am Ideal einer knappen lehrhaften Erzählung. 20 Enchiridion] allgemein für Handbuch. 36 la Fontaine] Jean de La Fontaine, franz. Fabeldichter, vgl. Anm. zum Sechsten Brief (Z. 140). 39f. die Fabel gehöre zur niedern Dichtart] vgl. Johann Christoph Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst durchgehends mit den Exempeln unserer besten Dichter erläutert. 4. Aufl., Leipzig 1751, S. 154 (4. Hauptstück, 13. §) [EA 1730]; aber auch Friedrich Nicolai bezogen auf die Schreibart (ders: Briefe über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland. Berlin 1755, S. 148, wo es heißt: »Der Herr Prof. Gellert hat vor andern deutschen Dichtern den Vortheil, daß er zu der niederen Schreibart der Fabel nicht kühne Metaphern, und andre der Sprache ungewöhnliche Wendungen, nöthig gehabt«). 42 Naivetät] vgl. Unzers spätere Ausführungen im »Vorbericht« von [Ludwig August Unzer:] Naivetäten und Einfälle. Göttingen: Dieterich 1773, S. 3–8; ausführlich Hella Jäger: Naivität. Eine kritisch-utopische Kategorie in der bürgerlichen Literatur und Ästhetik des 18. Jahrhunderts. Kronberg 1975.

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50f. die Fabel Le Chêne & le Roseau] Fables, I, 22, dt. »Die Eiche und das Schilfrohr«. 55–63 Vous avez bien] ebd., nach der Übersetzung von Ernst Dohm: Die Eiche sprach zum Schilf: »Du hast, so scheint mir, guten Grund, mit der Natur zu grollen: Zaunkönige sind dir schon eine schwere Last; der Windhauch, der in leisem Schmollen kräuselt des Baches Stirn unmerklich fast, zwingt dich, den Kopf zu neigen, indes mein Scheitel trotz der Sonne Glut wie hoher Alpenfirn und auch des Sturmes Wut es nicht vermag, mein stolzes Haupt zu beugen. Was dir schon rauher Nord, scheint linder Zephir mir. Ja, ständst du wenigstens, gedeckt von meinem Laube, in meiner Nachbarschaft! O glaube, meinen Schutz gewährt’ ich gerne dir; du würdest nicht dem Sturm zum Raube. So aber stehst am feuchten Saum des Reichs der Winde du in preisgegebnem Raum. An dir hat die Natur sehr ungerecht gehandelt!« »Das Mitleid«, sagt das Rohr, »das dich anwandelt, von gutem Herzen zeugt’s, doch sorge nicht um mich! ich beug’ mich, doch ich breche nicht. Zwar hieltst du dich und standst, wie furchtbar sie auch schnoben, fest, ungebeugt bis heut an deinem Ort. Doch warten wir!« Kaum sprach das Rohr dies Wort, da, sieh, am Horizont in schwarzer Wolke zeigt sich und rast heran, ein Sturmessausen; des Nordens schlimmsten Wind hört man da brausen. Fest steht der Baum, das Schilfrohr aber neigt sich, Der Sturm verdoppelt seine Wut und tobt, bis er den fällt, des stolzes Haupt dem Himmel sich gesellt und dessen Fuß ganz nah dem Reich der Toten ruht. 63 63 64

Aquilon] (frz.) Nordwind; von lat. aquilo, in der röm. Mythologie ein nordöstlicher Wind, Äquivalent zum griech. Boreas. Zéphir] Zephyr oder Zephyrus, Windgottheit der griech. Mythologie, Verkörperung des Westwindes; gilt als mild und Bote des Frühlings. Läßt er Ratten einen Rath halten] »Le Conseil tenu les Rats« (II, 2), dt. ›Der Rat der Ratten‹.

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Schmeichelt der Fuchs dem Raben] »Le Corbeau et le Renard« (I, 2), dt. ›Der Rabe und der Fuchs‹. 66 Client seinem Patron] als Klient (von lat. cliens) gilt im neuzeitlichen Sinne jemand, der von Notaren, Anwälten und dergl. gegen Bezahlung Beratung erhält. Hier jedoch ist der Schützling im Sinne der Patronage gemeint, eine aus dem antiken Rom stammende, hierarchische Beziehung wechselseitiger Verpflichtungen zwischen einem Patron (lat. patronus) und seinem Schützling, der als Gegenleistung für die Wohltaten des Gönners zu Gehorsamkeit und diversen Diensten verpflichtet ist; vgl. Plinius der Jüngere, Ep. 1, 19 und Ep. 6, 8. 66 Schildert er Gefechte] sowohl Wortgefechte, Gefechte um Beute als auch Gefechte um Leben und Tod, wie in »Le Combat des Rats et des Belettes«, dt. ›Der Kampf der Ratten und der Wiesel‹ (IV, 6), »La Querelle des Chiens et des Chats, et celle des Chats et des Souris« (XII, 8), dt. ›Der Streit der Hunde und Katzen und der der Katzen und Mäuse‹, »Le Chat et le Rat« (VIII, 22), dt. ›Die Katze und die Ratte‹, und »Les Frelons et les Mouches à miel« (I, 21), dt. ›Die Hornissen und die Bienen‹. 69 Lesen Sie einmal die Fabel, der Hund] vgl. GGS 1, S. 79–81. 80–87 J’ai lu chez un conteur de Fables] »Le Chat et un vieux Rat« (III, 18), dt. »Der Kater und die alte Ratte«, nach der Übersetzung von Ernst Dohm: Ich las bei einem Fabeldichter Von einem Kater, der ein Alexander gar, Ein Attila, ’ne Geißel war Dem rattenschwänzigen Gelichter; Also ich las, daß seiner Zeit Vor dem Mordkater meilenweit Umher sie zitterten wie vor dem Höllenhunde: Vertilgen wollt’ die Mäus’ er ganz vom Erdenrunde. 102 Pantalon] der Pantalone, bei Gellert »Pantelon«, eine der vier komischen Grundtypen der ›Commedia dell’arte‹; vgl. GGS 1, S. 80. 118 als in seinen E r z äh lu n g en ] Gellerts Fabeln und Erzählungen aus den Belustigungen des Verstandes und des Witzes (1741–44) bzw. Fabeln und Erzählungen (1746–48). 122 Epopee] episches Gedicht, Epos. 134 was die Franzosen Parade nennen] ein dramatisches Genre, das sich aus kurzen Auftritten entwickelte, die Schauspieler des Théâtre de la Foire vor ihren eigentlichen Aufführungen spielten, um das Publikum in die Jahrmarktsbuden zu locken. Es handelte sich dabei zunächst um improvisierte Stücke mit komischen Szenen. Daraus entstand, unter Aufnahme von Elementen der Commedia dell’arte, die modische Form der parade als eine pseudo-volkstümliche Unterhaltung für Adlige; weiterführend Konrad Schoell: Die französische Komödie. Wiesbaden 1983, insbes. S. 152–155.

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156f. trop long, trop long!] (frz.) zu lang, zu lang. 158 Henriade] episches Gedicht, verfasst von Voltaire, 1723 veröffentlicht, eine Würdigung der Regierungszeit Heinrich IV. Vgl. Des Herrn von Voltaire Henriade. Übersetzt von Elias Caspar Reichard. Magdeburg 1766. Bereits 1767/68 hatte sich Mauvillon sowohl mit der Henriade als auch mit den Fabeln La Fontaines in seinem Französischunterricht in Ilfeld beschäftigt (vgl. »Verzeichniß der Lectionen, die auf dem Königl. Pädagogio zu Ilfeld in dem Winterhalbenjahr 1767. bis 1768. gehalten werden sollen«. In: Hannoversches Magazin, 77. Stück, 15. September 1767, Sp. 1217–1226, hier Sp. 1222) 173f. seine aus dem Ariost genommne Erzählungen] 1664 veröffentlichte La Fontaine Verserzählungen nach Ariost und Boccaccio (Nouvelles tirées de Boccace et d’Arioste), die er ein Jahr darauf erweiterte und als Contes et Nouvelles en vers (1665–66) herausgab. Voltaire seinerseits äußerte sich kritisch über Ariosts Orlando furioso (vgl. Essai sur la poésie épique, 1733). 175 mein Abgott unter den Dichtern] vgl. Mauvillons Prosa-Übersetzung Ludwig Ariosto’s von den Italiänern der Göttliche genannt wüthender Roland. Ein Heldengedicht in sechs und vierzig Gesängen. 4 Bde. Lemgo 1777/78 und deren Ankündigung in einer »Nachricht an das Publikum«: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 10. Bd. (1776), S. 703–704. 189 Inkle und Yariko] vgl. Gellert: Gesammelte Schriften. Bd. I, S. 70–74; vor Gellert vgl. Richard Steele (1711) und nach ihm dann Johann Jakob Bodmer: Inkel und Yariko (1756), Salomon Gessner (1756), Friedrich Karl von Moser (1762), Johann Heinrich Faber (1768) und Joseph Bernhard Pelzel (1770). 201 Gewinst] lies: Gewinn. 268 Faunen] gehörnte, bocksfüßige Mischwesen aus der römischen Mythologie (entspricht dem griechischen Hirtengott Pan). 272 den Z u s c h au er , in dem diese Geschichte steht] Gellert hat den damals populären Stoff zur Erzählung »Inkle und Yariko« dem Zuschauer, der deutschen Übertragung des englischen The Spectator, entnommen, vgl. Der Zuschauer. Aus dem Englischen übersetzt. 1. Theil, 11. Stück. Leipzig 1739, S. 49–54. 294 Force] Stärke. 323 Kä s tn er s V o r l e s u n g en ] vgl. Abraham Gotthelf Kästner: »Ueber einige Stellen aus Miltons verlohrnen Paradiese, nach Bentleys Ausgabe«. In: ders.: Einige Vorlesungen. In der deutschen Gesellschaft zu Göttingen gehalten. [Erste Sammlung.] Altenburg 1768, S. 110–113 (zuerst in: Hannoversches Magazin 1766, Sp. 817–830); kritisch äußerte sich Kästner dann aber über Gellerts Geistliche Oden und Lieder (1757). 330 Miltons Paradies] vgl. John Milton: Paradise lost. London 1667, dt. Übersetzung von Johann Jakob Bodmer (Johann Miltons Verlust des Paradieses. Ein Heldengedicht in ungebundener Rede übersetzet. Zürich 1732, überarbeitet als Episches Gedichte von dem verlohrnen Paradiese, Zürich 1742, neu überarbeitet als Verlohrnes Paradies. Ein Episches Gedicht in zwölf Gesängen. Zürich 1754 und

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1769), und von Justus Friedrich Wilhelm Zachariä (Das Verlohrne Paradies. Aus dem Englischen Johann Miltons in Reimfreye Verse übersetzt. 2 Bde. Altona 1760–1763). 332–337 Adam, der keine Kleider kannte ...] vgl. Kästner: »Ueber einige Stellen aus Miltons verlohrnen Paradiese, nach Bentleys Ausgabe«, S. 111. 338 ein ...aner sagte] ein Wolffianer, Anhänger der Leibniz-Wolffschen Metaphysik, nach dem Aufklärungsphilosophen Christian Wolff (1679–1754), Professor an der Universität Halle. 425 im neunten und zehnten Gesange] vgl. die spätere Übertragung ins Deutsche von Heinse: Roland der Wüthende ein Heldengedicht von Ludwig Ariost dem Göttlichen. Aus dem Italiänischen aufs neue übersetzt durch Wilhelm Heinse. 4 Bde. Hannover 1782/83, S. 272–324. 426 die große Liebe der Olympia gegen ihren Bireno] Figuren aus Ariosts Orlando furioso. Olympia, Prinzessin von Holland, wird über Nacht von ihrem Geliebten Bireno verlassen; Canto X, Vers 27f. 430–433 So oft der Morgen kommt, so macht Yariko] siehe oben »Inkle und Yariko«, vgl. GGS 1, S. 71. 435–438 Aus zärtlichem Erbarmen] ebd. 446–454 Se dunque da far altro non mi resta] Ariost, Orlando furioso, Canto 9, 51, dt. nach Wilhelm Heinse: »Wenn mir also nichts anders zu thun mehr übrig bleibt, und kein ander Mittel sich zu seiner Rettung findet, als mein Leben für ihn auszusetzen: so werd ich mein Leben mit Freuden für ihn aussetzen. Aber nur eine Furcht preßt mir das Herz, daß ich keinen so deutlichen Vertrag werde zu machen wissen, der mich sicher stelle, daß der Tyrann keinen schlimmen Streich ausübe, wenn er mich wird gehabt haben.« (S. 284). 514 Barbados [...] war der Ort] hier wurden zwei Wörter ausgelassen, bei Gellert heißt es: »Und fliegt nach Barbados; doch dieses war der Ort ...«, vgl. GGS 1, S. 72. 529 Distichon] griech. für Zweizeiler; Verseinheit, die (in der verbreitetsten Form) aus einem daktylischen Hexameter und einem Pentameter zusammengesetzt ist, auch als elegisches Distichon bezeichnet. 560–587 Né desta né dormendo, ella la mano ...] Canto 10, 20–25, dt. nach Heinse: »Halb aufgeweckt und halb im Schlaf, streckte sie die Hand nach Bireno’n aus; aber vergebens: sie findet Niemand; zieht die Hand wieder zu sich. Versucht vom Neuen: und findet doch Niemand. Sie dreht den einen Arm nach der, den andern nach jener Seite; bald das eine, bald das andre Bein, und hilft nichts. Die Furcht vertreibt ihr den Schlaf. Sie thut die Augen auf und betrachtet: und sieht keinen Menschen. Nun aber wärmt und hütet sie die bloß gelassenen Federn nicht mehr, sondern wirft sich aus dem Bett, und in Eile aus dem Zelte; und läuft zum Meere, und zerkratzt sich die Wangen, ihr Schicksal voraus ahnend, und nunmehr dessen gewiß. Sie rauft sich die Haare aus, und erschlägt sich die Brust, und geht herum, und schaut, (denn es war Mondlicht;) ob sie

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etwas außer dem Ufer betrachten kann; und außer dem Ufer sieht sie nichts. Sie ruft: Bireno! und bey dem Namen Bireno antworten die Klüfte, die darüber Mitleid hatten. Hier stieg am äußersten Ufer ein Fels auf, den die Wellen mit häufigem Anschlagen hohl, und unten zu einem Bogen geformt hatten; und hieng krumm herum über das Meer. Olympia lief auf den Gipfel darauf mit großem Schritt, (so viel Macht gab ihr das Herz;) und sieht von fern die angeschwollnen Seegel ihres grausamen Herrn davon fliehn. Sieht von fern, oder es daucht sie zu sehen: denn die Luft war noch nicht hell. An allen Gliedern zitternd, ließ sie sich hinfallen, weißer und kälter im Gesicht als Schnee. Aber nachdem sie wieder die Kraft hatte, sich in die Höhe zu richten: wendete sie ihr Schreyen nach der Fahrt der Schiffe zu, und rief, so stark sie nur rufen konnte, vielmal den Namen ihres grausamen Gatten. Und wo die schwache Stimme nicht konnte, that das Heulen und Händepatschen.« 611 O Inkle, du Barbar!] vgl. GGS 1, S. 72. 615 dispensiren] jemanden freistellen, von einer Aufgabe oder Pflicht entbinden. 615 Vor] lies: Für. Anm. 1 mauvais plaisant] (frz.) jemand, der geschmacklose Witze macht.

Neunter Brief 3

Voltairens Briefe an Maffei] Lettre à Monsieur de Marquis Scipion Maffei, auteur de la Mérope italienne, vgl. die zeitgenössische Ausgabe Théatre complet de M. de Voltaire. 2. Bd. Genf 1768, S. 6–18, hier S. 8. Der Marchese Francesco Scipione Maffei (1675–1755), ital. Dichter und Gelehrter aus Verona, Verfasser der Tragödie »Merope« und der Komödie »Die Zeremonien«; kam während einer Europareise 1633 nach Paris. Vgl. dazu Lessings Hamburgische Dramaturgie, 41.–51. Stück. In: LW 6, S. 383–433. 3–8 Le défaut de génie] »Der Mangel an Genie und die Kälte der Versifikation sind die wichtigen Punkte, das kapitale Laster, das so viele Gedichte zerstört. Die Kunst, in Versen zu dichten, ist von allen Künsten die schwierigste und seltenste. Man findet tausende Genies, die in der Lage sind, ein Werk zu schreiben und es in gewöhnlichen Manier zu dichten, aber es als wirklicher Dichter zu behandeln, ist ein Talent, was nur dreien oder vieren auf der Welt gegeben ist.« 24 Virgil] auch Vergil, Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.) römischer Dichter und Epiker, gilt mit seinem Epos Aeneis, das von der Vorgeschichte und Gründung Roms erzählt, als wichtigster Autor der klassischen römischen Antike; verfasste auch Epigramme, Lehr- und Hirtengedichte (Bucolica). 26 Pope und Boileau] Alexander Pope (1688–1744), einflussreicher engl. klassizistischer Dichter, Essayist und Übersetzer, und Nicolas Boileau-Despréaux (1636–1711), franz. Schriftsteller und Ästhetiker, dessen L’art poétique, dt. ›Die

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Dichtkunst‹, (1674) nachhaltig den franz. Klassizismus prägte, Vertreter einer Regelpoetik. 31 Ueberfluß an dogmatischen Dichtern] vgl. Johann Christoph Gottsched: »Von dogmatischen Gedichten«. In: ders.: Versuch einer kritischen Dichtkunst durchgehends mit den Exempeln unserer besten Dichter erläutert. 4. Aufl., Leipzig 1751, S. 571–580. 34 Haller, Dusch, Wieland, Uz, Cronegk, Hagedorn, Lichtwehr] Albrecht von Haller (1708–1777), philosophischer Arzt und Gelehrter aus der Schweiz, ging 1736 nach Göttingen, wo er 1747 die Leitung der Göttingischen Zeitungen von gelehrten Sachen übernahm, 1753 Rathausamtmann und Schulrat in Bern, veröffentlichte u. a. das epische Gedicht »Die Alpen« (1729), philosophische Lehrgedichte (z. B. das vom »Ursprung des Uebels«) und die drei Staatsromane Usong. Eine morgenländische Geschichte (1771), Alfred, König der Angelsachsen (1773) und Fabius und Cato (1774). ‒ Johann Jakob Dusch (1725–1787), Dichter und Prosaiker, studierte in Göttingen Theologie, schöne Wissenschaften und englische Literatur, ab 1766 Rektor des Gymnasiums in Altona und im Folgejahr Professor der englischen und deutschen Sprache, ab 1771 Professor der Philosophie und Mathematik; übersetzte Werke von David Hume und Alexander Pope ins Deutsche, verfasste u. a. komische Lehrgedichte und verschiedene ästhetisch-kritische Werke wie die Briefe zur Bildung des Geschmacks. An einen jungen Herrn vom Stande. 6 Bde. Leipzig, Breslau 1764–1773. ‒ Christoph Martin Wieland (1733–1813), vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 52). ‒ Johann Peter Uz (1720– 1796), Rokoko-Dichter des Hallischen Dichterkreises, zunächst Vertreter der Anakreontik; wandte sich dann aber der Ode zu. ‒ Johann Friedrich von Cronegk (1731–1758), Dramatiker, Dichter und Essayist, Mitarbeiter an den Bremischen Beyträgen; gewann mit seinem Trauerspiel Codrus 1756 den von Friedrich Nicolai im 1. Stück der Bibliothek der schönen Wissenschaften und freien Künste ausgeschriebenen Wettbewerb um das »beste Trauerspiel über eine beliebige Geschichte«. Seine gesammelten Schriften wurden nach seinem Tod von Johann Peter Uz herausgegeben (Leipzig, Anspach 1760/61): Cronegk’s Schriften. Neue Ausgabe. 2 Bde. Anspach 1771–1773. ‒ Friedrich von Hagedorn (1708–1754), Dichter des Rokoko, Bruder des Kunstsammlers und Schriftstellers Christian Ludwig von Hagedorn (1712–1780); schrieb lyrische Gedichte, Verserzählungen (»Johann der Seifensieder«), Fabeln und Epigramme, gab 1738 seinen Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen in Hamburg heraus. ‒ Magnus Gottfried Lichtwer (1719–1783), Fabeldichter, vgl. Erl. zum Sechsten Brief (Z. 131). 46–48 in seinen bekannten Lehrgedichten, welche er schrieb, als ihn noch der Geschmack für die englischen Dichter beherrschte] vgl. [Christoph Martin Wieland:] Lobgesang auf die Liebe (Halle 1751, 2. Aufl. Zürich 1753), Zwölf Moralische Briefe in Versen (Frankfurt a. M., Leipzig [d. i. Heilbronn] 1752), Der

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Fryhling (Tübingen 1752), Die Natur der Dinge. In sechs Büchern (Halle 1752), Der gepryfte Abraham. Ein Gedicht in vier Gesängen (Zürich 1753). 49f. in seiner Mu s ar i o n ] Musarion, oder die Philosophie der Grazien, 1764/65 entstandenes und 1768 in Leipzig erschienenes komisches Lehrgedicht von Christoph Martin Wieland (1733–1813),vgl. WOA 8.1, S. 475‒526. 86 Hesiod] Hesiod (gr. Hesiodos, vor 700 v. Chr.), griech. Dichter, Begründer des didaktischen Epos und Lehrgedichts. 91f. d i e Ku n s t , s t e ts f r ö li c h z u s ey n ] Johann Peter Uz (1720–1796): Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn. Leipzig 1760. 92 die W i s s e n s c h af te n ] Johann Jakob Dusch (1725–1787): Die Wissenschaften. Göttingen 1752. 94f. Rei c h t h u m , E h r e u n d R u h m ] vgl. vor allem das Lehrgedicht »Reichthum und Ehre«. In: GGS 2, S. 65–72. 96 das Wielandische, ü b er d i e Na tu r d er D i n ge] vgl. [Christoph Martin Wieland:] Die Natur der Dinge in sechs Büchern. Mit einer Vorrede Georg Friedrich Meiers. Halle 1752. 97 das Duschische v o n d er G lü c k s eli gk ei t d e r T u g en d h af te n ] Johann Jakob Dusch: Glückseligkeit des Tugendhaften. Epistel an den Kammerherrn Freyherrn von Bernstorff. Altona 1763. 112f. wie Utz sagt, als ein Quaalgepränge des Gesichts] gemeint ist Johann Peter Uz (1720–1796), das Zitat stammt aus dem Gedicht »Die Grotte der Nacht«, vgl. Johann Peter Uz: Sämmtliche Poetische Werke. 1. Bd. Leipzig 1768, S. 176. 117–124 Ich eile vom Cleanth zum glücklichern Lupin] vgl. Gellert: »Reichthum und Ehre«, in: GGS 2, S. 65–72, hier S. 66. 125 Ut pictura sit Poësis!] (lat.) ›wie ein Bild sei das Gedicht‹, aus Horaz, Ars Poetica (361), vorher schon in abgewandelter Form beim Dichter Simonides von Keos erwähnt. 134–144 Wenn dies uns elend macht, so ist Sejan beglückt ...] Zitat aus »Die Kunst stets fröhlich zu seyn«, vgl. Johann Peter Uz: Sämmtliche Poetische Werke. 2. Bd. Leipzig 1768, S. 79f. 144 ihm ekelt für den Speisen] lies: ihm ekelt vor den Speisen. 154–166 Wenn niemand glücklich ist, so ists vielleicht Alzest] vgl. Gellert: »Reichthum und Ehre«, in: GGS 2, S. 66, wo Alcest ein im Überfluss lebender und dennoch unzufriedener Mensch ist; vgl. auch die beiden kurzen Erzählungen »Alcest« in: GGS 1, S. 185–186 und S. 199–201, wo Alcest ebenfalls ein von Sorgen geplagter, unglücklicher Mann ist, allerdings nicht reich. 171–181 Zu Freuden ungeschickt, und ungeschickt zu Pflichten] »Die Kunst stets fröhlich zu seyn«, vgl. Uz: Sämmtliche Poetische Werke, 2. Bd., S. 64. 180 Harpyen] bei Homer und Hesiod Windgeister; in der griech. bildenden Kunst Vögel mit Frauenköpfen. 181 Ortolan] sperlingsartiger Vogel (›Fett-Ammer‹), der bei Festmahlen verzehrt wurde.

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181 beschmitzt] befleckt, besudelt. 181 vergällt] verderben, bitter oder ungenießbar machen. 195 Soliloquium] Selbstgespräch, Monolog; Typus der antiken Bekenntnisliteratur. 200f. Dieselbe Welt, die deinen Namen preist ...] vgl. Gellert: »Reichthum und Ehre«, in: GGS 2, S. 68 (das nachfolgende Zitat ebenda). 208 Sein Gedicht, d er C h r i s t] vgl. GGS 2, S. 72–81. 208 Racinens R eli gi o n ] »La Religion« (1742) ist ein Lehrgedicht von Louis Racine (1692–1763), dem jüngsten Sohn des Dramatikers Jean Baptiste Racine (1639– 1699), als Verteidigung des christlichen Glaubens; vgl. auch GGS 4, S. 126. 237 von jenem Ehrenwulst der Dame Quintagnone] Gestalt aus Cervantes Don Quijote (1605/1615), Oberhofmeisterin der Königin Genievre; wiederaufgegriffen von Wieland in Der neue Amadis. Ein comisches Gedicht in Achtzehn Gesängen (1771) und zuvor in den Grazien (1770), wo es heißt: »Selbst in dem gotischen Wulst | Der Dame Qintagnone«; vgl. WOA 9.1, S. 360 und S. 379. 239 wider Kästnern] der bereits erwähnte Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800), Mathematiker und Epigrammdichter aus Göttingen; zur im Text erwähnten »Vergleichung zwischen Gellerten und [...] Cicero« vgl. Abraham Gotthelf Kästner: Einige Vorlesungen. In der deutschen Gesellschaft zu Göttingen gehalten. [Erste Sammlung.] Altenburg 1768, S. 77–80. 245 unerklärbare Metamorphose mit Wieland] Wieland beschäftigte sich während seiner Ausbildungszeit im pietistischen Internat Kloster Bergen bei Magdeburg (1747–49) und seines einjährigen Studiums in Erfurt zunächst mit der Philosophie von Leibniz und Wolff, wurde aber während seines Aufenthalts in Tübingen (1750) von einem religiösen Frömmigkeitsgefühl erfasst, das ihn veranlasste, in die Schweiz zu gehen (1752–60). (Vgl. dazu Lessings 7. und 8. Brief. In: Briefe, die neueste Litteratur betreffend. I. Theil, 1759, S. 33–44.) In seinem Werk vollzog er dann erneut eine Wandlung zu einer weltoffeneren Phase, die wahrscheinlich um das Jahr 1757 erfolgt und in der Forschung als »große Wandlung« oder »Metamorphose« bezeichnet wird. Die These wurde u. a. von Julius Steinberger vertreten (»Wielands ›Metamorphose‹ in seiner eigenen Beurteilung«. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen, 59. Jg., (1905), S. 290– 297), vgl. ferner Friedrich Sengle: Wieland. Stuttgart 1949, S. 89–97 und John A. McCarthy: »Wielands Metamorphose«. In: DVjs 49 (1975), Sonderheft, S. 149–167. 257 Knaben in Tertia] (lat.) ›die Dritte‹, Jahrgangsstufe der mittleren Schulen bzw. Gymnasien, dann unterteilt in Unter- und Obertertia, was heute der 8. bzw. 9. Klasse entspricht.

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Zehnter Brief 6

Marsyas] in der griechisch-römischen Mythologie ein Satyr, der mit seinem Flötenspiel den Gott Apoll zum Wettstreit herausforderte und besiegte, weshalb er grausam bestraft und bei lebendigem Leib gehäutet wurde. Die HybrisAllegorie findet sich in Variationen bei Herodot (VII, 26) und Ovid (Metamorphosen VI, 382–400). 41 Puffbohne] auch Pferde- oder Saubohne genannt; die Redewendung meint hier so viel wie ›wertlos sein‹, vgl. auch die Redewendung ›keinen Pfifferling wert sein‹. 55 Ariost, Machiavell, Boccaccio] zu Ariost, vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 74f.); Niccolò di Bernardo di Machiavelli (1469–1527), florentinischer Philosoph und Politiker, Verfasser des Il principe (1513), dt. ›Der Fürst‹; Giovanni Boccaccio (1313–1375), Verfasser der Novellensammlung Il Decamerone (1348–1353), die als Porträt der ital. Gesellschaft im 14. Jahrhundert gilt. 55 aus den Nouvelles de la Reine de Navarre] die Contes et Nouvelles de La Reine de Navarre, mis en beau langage accommodé au guôt de ce temps. 2 Bde. Amsterdam 1698. Die Autorin ist Margarete von Valois, auch d’Angoulême oder Margarete von Navarra (1492–1549), die als Förderin von Kunst und Dichtung selbst schriftstellerisch tätig war: Als ihr Hauptwerk gilt das Heptaméron nach dem Vorbild von Boccaccios Decamerone, vgl. Das Heptameron. Vollst. Ausg. in der Übers. von Walter Widmer. München 1960 (nicht zu verwechseln mit Margarete von Valois, frz. Marguerite de Valois, bekannt als ›La Reine Margot‹, die als gläubige Katholikin mit dem hugenottischen König Heinrich von Navarra verheiratet wurde). 56 der alten südlichen Troubadours] provenzalischer Dichter und Sänger im höfischen Mittelalter Frankreichs (12. und 13. Jh.), insbesondere die in Südfrankreich an der Loire lebenden Dichter, die die altokzitanische Literatursprache benutzten; seit Ende des 12. Jh. im Sinne von Kunstdichter im Unterschied zu den Volksdichtern. Als der älteste südliche Troubadour gilt Wilhelm IX. von Aquitanien (1071–1126), in der Literatur des 18. und 19. Jhds. auch als Graf von Poitiers bezeichnet. 62–64 daß ihre politische Freyheit, und die daraus entspringende Freyheit in der Denkungsart, dasjenige gleichsam ersetzen, was der Beschaffenheit des Climas abgeht] zu einer solchen Klimatheorie vgl. z. B. Friedrich Justus Riedel: Ueber das Publicum. Briefe an einige Glieder desselben. Jena 1768, S. 74f. 66 aus allen den datis] (lat.) Dativ Plural von datus, hier: Daten, Fakten. 71 C h l o r i s ] vgl. GGS 1, S. 65–67. In der Mythologie ist Chloris die Göttin der Vegetation, insbesondere der Blumen, und wird daher häufig mit Flora gleichgesetzt. 71f. d a s G es p en s t] vgl. GGS 1, S. 74f. 72 d er S elb s tm o r d ] vgl. GGS 1, S. 75f.

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72 d er gü ti ge B e s u c h ] vgl. GGS 1, S. 106. 77f. Jede Sache trägt er gedoppelt vor] gemeint sind »Der zärtliche Mann« und »Die zärtliche Frau«, vgl. GGS 1, S. 96–98 und S. 95f. 78 d i e W i t t w e (welche nach der M at r o n e v o n E p h es u s zusammen gestoppelt ist)] vgl. GGS 1, S. 229–232; auch »Die Witwe von Ephesus«, antike Erzählung, deren Stoff mehrfach aufgegriffen worden ist, so u. a. von Petronius (Titus Petronius Arbiter, um 14–66) im Satyricon (Kap. 111f.). Christian Felix Weiße verarbeitete die Geschichte in seinem Lustspiel Die Matrone von Ephesus (Leipzig 1767). 79f. d er b eh er z t e E n t s c h lu ß] vgl. GGS 1, S. 176f. 80 d er gl ü c k li c h g ew o r d e n e E h em an n ] vgl. GGS 1, S. 105. 80 d er Kr an k e] vgl. GGS 1, S. 67f. 81 d er w u n d er b a r e T r a u m ] vgl. GGS 1, S. 186–188. 81 d er b e tr ü b t e W i tw er ] vgl. GGS 1, S. 168. 84 ausmergeln] stark beanspruchen, auszehren. 84f. als d i e B e ts c h w es t er und d i e k r a n k e F r au ] vgl. »Die Betschwester«. In: GGS 1, S. 76–78 und »Die kranke Frau«, ebd., S. 125–127. 86 d er er h ö r te L i e b h ab er ] vgl. GGS 1, S. 102–105. 99 kützeln] kitzeln, herauskitzeln. 102 etwas sehr plebejes] lies: plebejisches, im Sinne von ›gewöhnlich‹; abgeleitet von Plebejer, im antiken Rom Angehöriger der plebs, dt. ›Menge‹, die sich zusammensetzt aus freien Bauern, Handwerkern und Händlern. 110f. Ihr Ochsen, die ihr alle seyd ...] vgl. Gellert: »Die Bauern und der Amtmann«. In: GGS 1, S. 180f., hier S. 181. 112 Der Streit über den Rhein im P r o c e s s e] vgl. GGS 1, S. 81. 112f. in einer andern Erzählung, d er j u n ge D r es c h er ] vgl. Gellert: »Der junge Drescher«. In: Gesammelte Schriften. Bd. I, S. 137–139. 116f. die ihm einer nach seiner eignen Erzählung in seinen Briefen gegeben haben soll] vgl. Gellerts Brief vom 25. Oktober 1748 an Moritz Ludwig Kersten, wo Gellert vom Lob eines einfachen Bauern berichtet, der ihm »freundlich [...] auf die Achseln klopfte und [ihn] ermahnte, mehr solch schnakisch Zeug zu schreiben« (C. F. Gellerts Briefwechsel. Hg. von John F. Reynolds. Bd. 1: 1740–1755. Berlin, New York 1983, S. 26). 131 Venus] die der griechischen Aphrodite entsprechende römische Göttin weiblicher Schönheit und sinnlicher Liebe. 135 Coquette] (frz.) ›gefallsüchtige Person‹. 139f. Wie weitschweifig ist nicht auch die folgende: d e r Kr a n k e, erzählt.] vgl. GGS 1, S. 67f. 140f. La Fontaine hat eben den Gedanken auf eine andere Art ausgedrückt] vgl. La Fontaines Fabel »Le Fou qui rend la sagesse« (IX, 8, S. 362f.), dt. ›Der Narr, der seine Weisheit verkaufte‹.

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144 d er w u n d e r v o l le T r a u m ] vgl. Gellert: »Der wunderbare Traum«. In: GGS 1, S. 186–188. 151–161 O Himmel, welch ein Angstgeschrey] vgl. Gellert: »Das Unglück der Weiber«. In: GGS 1, S. 135. 182 schnakisch] närrisch, albern. 185 Ciceros Tusculanische Fragen] Ciceros Tusculanae disputationes (dt. »Tuskulanische Gespräche« bzw. »Gespräche in Tusculum«), entstanden 45 v. Chr. 198 Werlhoffs Gedichte] Der Arzt Paul Gottlieb Werlhof (1699–1767) gab neben medizinischen Werken auch einen Band Gedichte heraus (Hannover 1749, 2. Aufl. 1756).

Eilfter Brief 2f.

Sie haben als ein tapferer Ritter Ihr Tournier mit Gellerten gehalten] Anspielung auf Mauvillons Militärausbildung und das Lehrer-SchülerVerhältnis, in das sich Unzer einfügt, vgl. auch die Selbstbezeichnung Unzers als der »treue Lanzenträger« (im fortlaufenden Text) und als dessen »Zögling«, in: Mauvillons Briefwechsel, S. 26. 6 alla Frottola] vierstimmige, einfache Liedform aus der ital. Renaissancemusik, vor allem an den Höfen von Mantua und Ferrara. 10–39 Ein Autor schrieb verschiedne Bände] vgl. Gellert: »Der unsterbliche Autor«. In: GGS 1, S. 113f. [EA 1746]. 45 Prognostikon] vor- bzw. Anzeichen, die bestimmte Aussagen über den voraussichtlichen Verlauf einer künftigen Entwicklung ermöglichen; etwas prognostizieren. 46 D er u n s t er b li c h e A u t o r ] vgl. GGS 1, S. 113f. 51f. Lusisti satis [edisti satis, atque bibisti]. Tempus abire tibi est!] nach Horaz (Quintus Horatius Flaccus, Ep. II, 2, 214–215), dt.: ›Genug gespielt [gegessen und getrunken]! Es ist Zeit, dass du gehst!‹. 58 Cineri Gloria datur] nach Martial (cineri gloria sero venit, Epigrammata 1, 25, 8), dt.: ›Für die Asche kommt der Ruhm zu spät‹, vgl. Martial: Epigramme. Gesamtausgabe: Lateinisch-deutsch (Sammlung Tusculum). Hg. von Paul Barié und Winfried Schindler. 3. Aufl., Berlin 2013, S. 51. 59 stat sua cuique merces] nach Virgil, dt.: ›jedem ist sein Lohn bestimmt‹; vgl. Aeneis (X, 467), wo es heißt: stat sua cuique dies (›Jedem ist sein Tag bestimmt‹), was euphemistisch für den Todestag steht. (Unzer zitiert diese Sequenz später noch einmal in seiner Rezension über Friedrich Justus Riedels Launen an meinen Satyr, in: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutsche Litteratur, 4. Bd. (1773), S. 92.) 61 Augurire ich recht] von augurieren: ›weissagen, vermuten‹.

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Zwölfter Brief 2

Gellerts u n s te r b li c h e m A u to r ] vgl. Erl. zum Elften Brief (Z. 10ff.), GGS 1, S. 113f. [EA 1746]. 8 Lusisti satis] vgl. Erl. zum Elften Brief (Z. 51f.). 11 hat ein Engelländer] Joseph Warton: An Essay on the Writings and Genius of Pope. London 1756. 13 Versificateur] abwertend für Reimemacher, Verseschmied. 14f. Popen ... gegen seinen Landsmann Milton] Alexander Pope (1688–1744), englischer Dichter und Übersetzer des Homer, bekannt durch sein Gedicht The Rape of the Lock (1712) und seinen Essay on Man (1732–34), einem philosophischen Gedicht, geschrieben in heroic couplets, d. h. jambischen Fünfhebern mit Zäsur nach der zweiten Hebung, das »die Wege Gottes zum Menschen rechtfertigen sollte (»to vindicate the ways of God to man«, 1, 16) und sich insbesondere mit der Rolle des Bösen in der Welt auseinandersetzt; zu Milton, vgl. Erl. zum Achten Brief (Z. 330). 50 Cramern und Klopstocken] Johann Andreas Cramer (1723–1788), geistlicher Oden- und Liederdichter, Mitherausgeber der Neuen Bremischen Beiträge. Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 240). 64 Er hat eine Moral fürs Herz schreiben wollen] vgl. dazu GGS 6: Moralische Vorlesungen; Moralische Charaktere, insbes. die »Erste Vorlesung«, ebd., S. 13–23. 78–80 Bey den meisten Leidenschaften entsteht eine Veränderung im Laufe des Geblüts, die uns eine fühlbare Bewegung in den um die Gegend des Herzens befindlichen großen Blutgefäßen verursacht] Mauvillon war, vom philosophischen Standpunkt her gesehen, Naturalist, beeinflusst von Voltaire und Paul Henri Thiry d’Holbach (1723–1789), und hatte 1772 das Manuskript der »Méditations sur la nature humaine« verfasst, das jedoch, da sein Amsterdamer Verleger bankrott machte, dort vermutlich verloren ging (vgl. Hoffmann: Jakob Mauvillon, S. 69). Unzer wiederum hatte als Sohn des gräflich StolbergWernigerödischen Leibarztes und Hofrats Johann Christoph Unzer (1714–1773) und Neffe des in seiner Zeit berühmten Mediziners Johann August Unzer (1727– 1799) Kenntnis von der Lehre vom wechselseitigen Einfluss von Körper und Seele. 80–82 Dieserwegen haben einige alte Weltweisen, die noch nicht so klug gewesen waren, zu erfinden, daß die Seele eine Monade sey, den Sitz derselben im Herzen gesucht] die Philosophen vor Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), der erst in seiner Monadologie (1714) die Lehre von den Monaden genauer entwickelte, obgleich er den Begriff bereits schon vorher verwendet hatte (seit 1696). Die Monaden (von gr. monas, dt. ›Einheit, Einfachheit‹) sind einfache, einheitliche, unmaterielle Substanzen, die sich als Quelle des spontanen Wirkens der Natur überall in der Materie befinden und deren jede für sich das ganze Universum spiegelt. Sie werden von Leibniz als metaphysische, beseelte Punkte cha-

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rakterisiert. Neuausgabe: Monadologie (Französisch/Deutsch). Übers. und hg. von Hartmut Hecht. Stuttgart 1998, vgl. GGS 6, S. 607‒623. 82f. Plato, dem so etwas von untern und obern Kräften der Seele eingefallen war] vgl. Platon: Timaios, wo sieben Grundkräfte der menschlichen Seele genannt werden, vgl. auch Aristoteles (de anim. II, 3), wo das Seelenvermögen in ein ernährendes, empfindendes, begehrendes, bewegendes und erkennendes eingeteilt wird. 89f. d a s H er z r ü h r e n , au f s H er z w ü r k en ] vgl. Carl Renatus Hausen: Von dem Einfluß der Geschichte auf das menschliche Herz. Halle 1770, S. 11. 99f. Von unsern Empfindungen selbst läßt sich weiter kein Grund angeben] vgl. Albrecht von Haller: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. 4. Bd. Berlin 1768, S. 537 ff. und Charles Bonnet: Analytischer Versuch über die Seelenkräfte. Aus dem Franz. übers. von Christian Gottfried Schütz. 2 Bde. Bremen, Leipzig 1770/71, 1. Bd., S. 101. 153f. Jeder Weltweise wird mir leicht eingestehen, daß das moralisch gute und böse das physisch gute und böse zum Grunde habe] vgl. dazu Voltaires Artikel ›Ueber das Gute und das Böse in der physischen und in der moralischen Welt‹, ursprünglich verfasst unter dem Titel »(Tout est) Bien«, in: [Voltaire:] Dictionnaire philosophique portatif. London [Genève] 1764, S. 53–60; in deutscher Übersetzung von Adolf Ellissen abgedruckt in: Kandid oder die beste Welt. Leipzig 1844, S. 17–25 (Voltaire’s Werke in zeitgemäßer Auswahl. Bd. 1). 206f. neuere Untersucher meinten] z. B. der franz. Naturalist Jean-Baptiste Robinet (1735–1820), vgl. Von der Natur. Aus dem Franz. des Herrn J. B. Robinet übersetzt. Frankfurt a. M., Leipzig 1764, 1. Bd. [nicht mehr erschienen], S. 493f. 214–216 sondern ein durch das ganze System der Dinge, die den Character, das sogenannte Temperament, oder die Denkungsart der Menschen formiren, hervorgebrachtes Gefühl] Reimarus in Anschluss an La Mettrie, vgl. Hermann Samuel Reimarus: Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion in zehn Abhandlungen auf eine begreifliche Art erkläret und gerettet. 2. Aufl., Hamburg 1755, S. 688f. (EA 1754; 3. Aufl., 1766, S. 733f.) 234f. trat auf Hutchesons und dessen Anhänger Parthey] Francis Hutcheson (1694– 1746), schottischer Moralphilosoph, zu seinen Schülern bzw. Anhängern gehörten u. a. David Hume, Thomas Reid und Adam Smith; über Hutcheson vgl. die zehnte der »Moralischen Vorlesungen« in Gellert: Sämmtliche Schriften. 6. Theil. Leipzig 1770, S. 242. 275 Gens à principes] (frz.) Menschen von Grundsätzen. 286 methodo mathematica] nach Christian Wolff (1679–1754), der behauptet hatte, dass die philosophische und mathematische Methode identisch seien, vgl. Christian Wolff: »Ausführliche Nachricht von seinen eigenen Schriften, die er in deutscher Sprache heraus gegeben«. In: WGW I.9, S. 52–124, insbes. § 22, vgl. auch Gottlieb Friedrich Hagen: Meditationes philosophicae de Methodo Mathematica. Nürnberg 1734.

Erläuterungen | 243

309f. man muß die philosophischen Warheiten zwar mit Beredsamkeit, aber dennoch auch mit der genausten Gründlichkeit vortragen] vgl. insbes. Ciceros Ausführungen in De Oratore. Über den Redner (de orat. III, 38, 48 und 142f.), siehe dazu den Artikel »Beweis (Beredsamkeit)«. In: Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste. 1. Theil: A bis J. Leipzig 1771, S. 157–162. 311–313 und Quintilian eifert aufs schärfste wieder den Mißbrauch, welcher die Weltweißheit und Beredsamkeit von einander getrennt hat] Quintilian bevorzugte eine natürliche Sprache und kritisierte die gekünstelte Rhetorik seiner Zeit, vor allem die Tradition der Sophistik, aber auch der Stoizismus und der Epikureismus werden negativ beurteilt; seine Schrift De causis corruptae eloquentiae, dt. »Über die Ursachen des Verfalls der Beredsamkeit«, ist verloren, es finden sich aber Anspielungen darauf in seinen Unterweisungen in der Redekunst (Institutio oratoria), wenn er sagt, es werde nur noch aus Vergnügen deklamiert, weshalb es der Sprache an Kraft (inst. orat. V, 12, 17) und an Realitätsnähe (inst. orat. VIII, 3, 23) fehle. 317 sogenannten populären Vortrag] hier im Gegensatz zur akademisch-wissenschaftlichen Rede; nach Mosheim müsse der Leser im populären Vortrag »am rechten Ort an das Lehrreiche einer Erzählung, auch mit einigen Worten, erinnert werde[n], ohne ihm den Verdruß zu machen, den Gedanken zu lesen, den er selbst denken und als sein Eigenthum ansehen möchte« (Johann Lorenz von Mosheim: Vollständige Kirchengeschichte des Neuen Testaments. 9 Thle. Leipzig 1769–1779, 1. Theil, S. 173). 411 lauter Catonen] Marcus Porcius Cato Censorius, auch Cato der Ältere (234–149 v. Chr.) republikanischer Politiker im antiken Rom, der sich für die Erhaltung des alten Römertums gegen den Einfluss des Hellenismus einsetzte, und dessen Urenkel Marcus Porcius Cato Uticensis (95–46 v. Chr.), republikanischer Politiker und Gegner Gaius Julius Cäsars (100–44 v. Chr.); beging Selbstmord, nachdem Cäsar zum Imperator aufgestiegen war. 426 Hr. D[oktor]. Ernesti] Johann August Ernesti (1707–1781), evangelischer Theologe und Philologe, 1731 Konrektor und 1734 Rektor der Thomasschule in Leipzig, 1742 ao. Prof. der Philologie und 1756–70 Professor für Rhetorik in Leipzig, 1759 Professor der Theologie. 433 meinen Lehrer] Mauvillon wurde zunächst privat, später auch regulär von Johann August Ernesti unterrichtet, bis er 1758 mit der Berufung seines Vaters nach Braunschweig ans dortige Collegium Carolinum wechselte (vgl. Hoffmann: Jakob Mauvillon, S. 30). 446f. für die Fehler] lies: vor den Fehlern. 448 dem Parentator] (lat.) ›Leichenredner‹. 450f. das Unheil, was nach des Herrn D. Ernesti Meynung, aus den französirenden Schriften entsteht] vgl. z. B. seine Neue theologische Bibliothek, 6. Bd., 6. Stück, 1765, S. 489. 458 d er w u n d er b a r e T r a u m ] vgl. GGS 1, S. 186–188.

244 | Erläuterungen

462 das fade Geschwätz einer Lottchen, Christianchen oder Julchen nachbeten] Lottchen und Julchen sind Personen aus Gellerts Lustspiel »Die zärtlichen Schwestern«, Christianchen tritt im Lustspiel »Die Betschwester« auf. 464 Mutter der Gracchen] gemeint ist Cornelia (um 190–um 100 v. Chr.), Tochter des Scipio Africanus und zweite Ehefrau des älteren Tiberius Sempronius Gracchus († 154 v. Chr.), Konsul von 177 und 163 v. Chr., und Mutter der Gracchen, d. h. der Brüder Tiberius Sempronius Gracchus (162‒133 v. Chr.) und Gaius Sempronius Gracchus (153‒121 v. Chr.), die versuchten, in der Römischen Republik Land- und Sozialreformen durchzuführen, indem sie die Latifundien (Großgrundbesitz) begrenzten, um das darüber hinausgehende an Proletarier zu verteilen, was bei der Oligarchie auf enormen Widerstand stieß. Nach dem Mord an Tiberius Sempronius Gracchus wurde sein Bruder zum Volkstribun gewählt, der die Reformen durchsetzte und damit die Aristokratie spaltete. Schon in der Antike galten die Gracchen als Vorkämpfer für das einfache Volk. 479 nach dem Coriphäus] Anführer des Chores im griechischen Drama. 488–490 »Ich habe ehedem über den siebenden Theil der Clarissa ...«] Verweis auf den Briefroman Clarissa, or, The History of a Young Lady (1748) des englischen Schriftstellers Samuel Richardson (1689–1761), vgl. GGS 4, S. 126 (10. Vorlesung). 507 Polyhistor] Anspielung auf die kurze Erzählung »Der Polyhistor«. In: GGS 1, S. 188–190.

Dreyzehnter Brief 18

mittlere Denkungsart] Unzer hat seine Gedanken dazu in einer längeren Abhandlung ausgeführt, vgl. »Ueber die Mittelmäßigkeit im Denken«. In: Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen, 54. Stück, 11. Juli 1772, Sp. 325– 332 und 55. Stück, 15. Juli 1772, Sp. 333–336. 39, 62f. Young [...] in seinen Nac h tg ed a n k en ] Edward Young (1683–1765), englischer Dichter, erhielt nach einer Eloge auf King George II. eine Stelle als Hofkaplan; verfasste nach dem Tod seiner Frau seine melancholischen Betrachtungen über Tod und Unsterblichkeit mit dem Titel The Complaint, or Night Thoughts on Life, Death, and Immortality (1742–1745), dt. ›Klagen oder Nachtgedanken‹. Zu Gellerts Bemerkungen über Youngs Nachtgedanken, vgl. GGS 4, S. 125–126. Weiterführend Johannes Barnstorff: Youngs Nachtgedanken und ihr Einfluß auf die deutsche Literatur. Bamberg 1895; John Louis Kind: Edward Young in Germany. New York 1906. 77 Hr. Jacobi, welcher zuerst die von der ganzen deutschen Nation angebetete Youngische Moral in ihrer wahren Gestalt zu zeigen Muth genug gehabt] Johann Georg Jacobis (1740–1814) Nachtgedanken. An Gleim (1769) waren eine Travestie auf Youngs Night Thoughts. Vgl. auch seine Briefe »An den Herrn

Erläuterungen | 245

Geheimenrath Klotz« (EA 1768), in denen er ebenfalls die Nachahmer Youngs verspottet (Johann Georg Jacobi: Sämtliche Werke. 3. Thle. Halberstadt 1770– 1774, 1. Theil, S. 58–72). 81 Seneca, Guarini, Marino und Gongora] Seneca (zw. 1 und 4 v. Chr.–65 n. Chr.), römischer Philosoph, Erzieher und Berater des Kaisers Nero, von diesem zum Selbstmord gezwungen; einer der wichtigsten Vertreter der Stoa. Giovanni Battista Guarini (1538–1612), ital. Dichter, bekannt vor allem durch die Schäferdichtung Il pastor fido, dt. Der treue Schäfer. Giambattista Marino (1569–1625), ital. Dichter der Barockzeit, verfasste u. a. das Epos L’Adone (1623), das die Liebesgeschichte von Venus und Adonis schildert. Luis de Góngora (1561–1627), span. Dichter der Barockzeit, Vertreter des sogen. ›dunklen‹ Stils (culteranismo), bekannt sind vor allem Fábula de Polifemo y Galatea (entstanden 1612, veröff. 1627), ein Gedicht über die mythologischen Gestalten Polyphem und Galatea (nach Ovids Metamorphosen) und Soledades (entst. 1614, veröff. 1636), über Natur und Einsamkeit. 83 Concetti] geistreich pointierte Sinnfigur, wobei ein überraschender Effekt durch die Verbindung zweier disparater Wirklichkeitsbereiche bzw. gegensätzlicher Begriffe erreicht wird, besonders in der Literatur der italienischen Spätrenaissance und des spanischen Barock anzutreffen. Kernfigur des manieristischen Stils, vgl. dazu Gustav René Hocke: Manierismus in der Literatur. SprachAlchemie und esoterische Kombinationskunst. Reinbek 1959. 89f. wider Voltairen zu Felde zu ziehen] vgl. Edward Young: Die Gelassenheit im Leiden. An die Frau B*******. Ein Gedicht. Braunschweig 1766, S. 54f. 97 Hypochondristen] abgeleitet von Hypochonder, dt. ›eingebildeter Kranker‹, vgl. Theodor Johann Quistorp (1722–1776): »Der Hypochondrist«. In: Deutsche Schaubühne, 6. Bd., 1745. (Vollst. Neuausgabe mit einer Biographie des Autors. Hg. von Karl-Maria Guth. Berlin 2014) und Der Hypochondrist, eine hollsteinische Wochenschrift. Hg. von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (1737–1823) und Jakob Friedrich Schmidt (1730–1796). 25 Stücke. Schleswig, Bremen 1762; 2. Ausgabe: 28 Stücke in 3 Bdn. Bremen, Schleswig 1771. 98f. »Der leichtsinnige Spötter, der Vergnügen athmende Sybarit soll ihn lesen.«] Sybarit: Einwohner der italienischen Stadt Sybaris am Golf von Tarent, bekannt für ihren Reichtum und Luxus, weshalb der Begriff synonym gebraucht wird für ›Schlemmer, Schwelger, Feinschmecker‹, im weiteren Sinne ›Genussmensch‹. 100f. Kann man von Desbarreaux, von St. Aulairen erwarten […] ihre Bouillons und du Maines] korrigiert nach dem Druckfehlerverzeichnis aus St. Itilairen; Jacques Vallée Des Barreaux (1599–1673), franz. Dichter und Freigeist; FrançoisJoseph de Beaupoil, Marquis de Saint-Aulaire (1643–1742), franz. Dichter und Offizier, verfasste Madrigale an Madame du Maine (1732); der Herzog von Bouillon, d. i. Frédéric-Maurice de La Tour d’Auvergne (1605–1652), General und Anführer von Aufständen (der Fronde, 1648–53).

246 | Erläuterungen

112 Shakespeare und Milton] William Shakespeare (1564–1616) und John Milton (1608–1674), engl. Dichter. 118 Sie dichten craffiore Minerva] gemeint ist: sie dichten ohne Kunst. 124 der komische Roman] exemplarisch für den englischen komischen Roman wäre Laurence Sternes Tristram Shandy (orig. The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman, 1759–67) und für den spanischen Cervantes Don Quijote (1605/1615) zu nennen; ebenfalls richtungsweisend war Paul Scarron (1610– 1660): Le Roman comique (1651–57), dt.: Comischer Roman. 3 Bde. Hamburg, Leipzig 1752/53. Hatte Sulzer in seiner Allgemeinen Theorie der schönen Künste das Stichwort »Comisch« im Wesentlichen noch auf die Komödie bezogen, ergänzt Friedrich von Blankenburg in den Zusätzen 1796 dahingehend, dass »wir das Wort Komisch nicht blos von Dramen, sondern auch von epischen Gedichten und Erzählungen allerley Art« gebrauchen. (Litterarische Zusätze zu Johann George Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste. 3 Bde. Leipzig 1796– 1798, 1. Bd., 1796, S. 243, Nachdruck: Allgemeine Theorie der schönen Künste. Neue vermehrte 3. Aufl., Frankfurt a. M, Leipzig 1798, 1. Bd., S. 525.) 130 einsichtigen] wohl: einseitigen. 131 Das ist mir Italien] vgl. Ludwig August Unzer: »Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum«. In: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 2. Bd. (1772), S. 656–672; 3. Bd. (1773), S. 683–702, 4. Bd. (1773), S. 692–700, hier: 3. Bd. (1773), S. 683 ff. 143 Meinhard] Johann Nikolaus Meinhard (1727–1767), vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 174f.). Als Liebhaber und Verehrer italienischer Literatur wünschten sich Unzer und Mauvillon eine intensivere Rezeption der Italiener in Deutschland; vgl. Ludwig August Unzers anonym erschienene Beiträge »Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum«. In: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 2. Bd. (1772), S. 656–672, 3. Bd. (1773), S. 683–702, 4. Bd. (1773), S. 692–700 und »Noten zur Geschichte der deutschen Dichtkunst«. In: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 3. Bd. (1773), S. 703–708. 150 Cronegks frühen Tod] Johann Friedrich von Cronegk starb am 1. Januar 1758 im Alter von 26 Jahren an den Blattern, woraufhin Gellert an den Grafen Moritz von Brühl schrieb: »[...] mein Herz kann es nicht länger verbergen. Es blutet! Cronegk ist nicht mehr [...]« (Gellert: Briefe, nebst einigen damit verwandten Briefen seiner Freunde. Hg. von Johann Adolph Schlegel und Gottlieb Leberecht Heyern. Bern, Amsterdam 1774, 1. Bd., S. 105). 152f. der Verfasser des kurzen Ehrengedächtnisses, das vor seinen Werken steht] vgl. Johann Friedrich von Cronegk: Schriften. 2 Bde. Hg. von Johann Peter Uz. Leipzig, Anspach 1760/61, Bd. 1, Vorrede (unpaginiert). 159 Ol y n t u n d S o p h r o n i a] Olint und Sophronia, Fragment gebliebene Tragödie von Johann Friedrich von Cronegk (1731–1758), posthum veröffentlicht 1760;

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mit diesem Theaterstück wurde im gleichen Jahr das Hamburger Nationaltheater eröffnet. der die Schönheiten Ariosts, Petrarcas, Tassos und eines Metastasio kannte] Ludovico Ariost (1474–1533), ital. Renaissancedichter, Verfasser des Heldenepos Orlando furioso, dt. ›Der rasende Roland‹; Francesco Petrarca (1304– 1374); Torquato Tasso (1544–1595), ital. Renaissancedichter, Verfasser des Kreuzzugsepos La Gerusalemme liberata, dt. ›Das befreite Jerusalem‹ (vollendet 1574, veröffentlicht 1581); Pietro Metastasio, eigentl. Pietro Antonio Domenico Bonaventura (1698–1782), ital. Dichter und Librettist, Verfasser zahlreicher Melodramen, die u. a. von Jommelli, Gluck und Mozart vertont wurden; kam 1730 an den Wiener Hof. Schlendrian] durch Nachlässigkeit und Trägheit gekennzeichnete Lebensweise bzw. Person mit dieser Eigenschaft. unser Swift, Rabener] Gottlieb Wilhelm Rabener (1714–1771) wurde wegen seines Talents zur Satire als das deutsche Pendant von Jonathan Swift betrachtet, vgl. Herder: »Unserm Rabener habe ich es immer anzusehen geglaubt, daß er aus Swifts Schule der Erste seiner Zöglinge sey: hier ist ein Schriftsteller, der uns in seinen Satyren mit der Urbanität eines Horaz unterhält [...]« (Johann Gottfried Herder: »Über die neuere deutsche Litteratur. Fragmente, als Beilagen zu den Briefen, die neueste Literatur betreffend. Dritte Sammlung«. In: HW 1, S. 499 [EA Riga 1767]), ferner Kästners Sinngedicht »An Rabener«: »Noch sterbend wollte sich ein Steuerrath bekehren, | Und ließ der Armen Zahl, die er gemacht, ernähren: | An Thoren, welche Swift im Leben oft betrübt, | Hat er im Tode noch ein Liebeswerk verübt. | Auch dein Gewissen kann, ob Rabener, einst erwachen! | Reicht dein Vermögen zu, zwo Stiftungen zu machen?« Vgl. Abraham Gotthelf Kästner: Vermischte Schriften. 2 Thle. Altenburg 1755–1772, 2. Theil, 1772, S. 253. für seinen Blicken] lies: vor seinen Blicken. Rabeners Satyren] vgl. Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. Leipzig 1751–1755; ders.: Satiren. 4 Theile. Leipzig 1755 (10. Aufl., 1771); Gottlieb Wilhelm Rabeners Satiren. Neueste Auflage. 4 Theile. Frankfurt a. M., Leipzig 1764. dem Freunde des Witzes, Kästnern] der Göttinger Mathematiker und Epigrammdichter Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800), vgl. Erl. zum Achten Brief (Z. 323). Ramler in seinem Batteux] Ramler übersetzte und bearbeitete Batteux’ Ästhetik und gab sie unter dem Titel Einleitung in die Schönen Wissenschaften heraus (4 Bde., 1. Aufl., Leipzig 1756–1758, 3., verbesserte Aufl., 1769). Über Rabener heißt es dort: »Dieser Lieblingsautor unseres Landes hat in Prosa gedichtet, wie Lucian und Swift. Ein lachender satyrischer Genius, mehr voll Saltz als voll Bitterkeit, männlich schön in seiner Schreibart, gerecht und lehrreich in seinem Tadel, gantz unerschöpflich in seinen Erfindungen. Welche Gallerie von Bil-

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dern, welche Verschiedenheit von Charactern in seinem Swiftischen Testament, in dem Mährchen vom ersten April, im deutschen Wörterbuch, in der Chronicke und Todtenliste, in den Sprüchwörtern des Pansa, und besonders in den Briefen, die er Personen von allen Ständen und Charactern in die Feder legt. Wir führen keine Stellen aus ihm an, weil wir der Citationen schon zu viel haben. Wir empfehlen ihn aber unsern Lesern als einen Autor, der, wie Moliere, mehr als eine Classe von Zuschauern zu vergnügen, mehr als eine Fähigkeit des Verstandes zu belustigen und mehr als eine Art der Thorheit zu bestrafen weiß« (Karl Wilhelm Ramler: Einleitung in die Schönen Wissenschaften. Nach dem Französischen des Herrn Batteux, mit Zusätzen vermehret. 4 Bde. Leipzig 1756–1758, Bd. 3, 1757, S. 184; vgl. 3. Aufl., S. 193); vgl. Erl. zur Vorrede (Z. 84) und zum Sechsten Brief (Z. 25). 213 Michaelis] Johann Benjamin Michaelis (1746–1772), deutscher Dichter; gehörte zum Halberstädter Dichterkreis um Gleim, publizierte Fabeln, Lieder und Satyren (Leipzig, Aurich 1766). 220f. der F i d i b u s und D r e y er s S c h er z e] Fidibus war eine satirische Monatsschrift aus Leipzig (1768–70), hg. von Johann Jacob Ebert (1737–1805) und Karl Gottfried Küttner (1739–1789). Johann Matthias Dreyer (1717–1769), anakreontischer Dichter und Satiriker aus Hamburg, Widersacher von Johann Melchior Goeze (1717–1786), dem Hamburger Hauptpastor, den er wegen seiner orthodoxen, gegenaufklärerischen Haltung wiederholt angriff; als Folge wurde er 1763 der Stadt Hamburg verwiesen.

Vierzehnter Brief 66

die Parthey der Klopstockianer und Antiklopstockianer] Fürsprecher und Gegner der Dichtungen Klopstocks. Der Gegensatz wurde 1753 von Frederik Christian Schønau (1728–1772) eingeführt, wobei sich Schønau selbst zu den Gegnern zählte (Samling of Danske Laerde Fruentimer. 2. Bd. København 1753, S. 1228). Zu den Kopenhagener Anhängern gehörten Nicolai Engelhardt Nannestad (1730–1782) und Peder Christopher Stenersen (1723–1776). In Deutschland fand Klopstock bei den Dichtern des ›Göttinger Hains‹ eine begeisterte Gefolgschaft, während die Anhänger Gottscheds seine Dichtungen ablehnten. Auch Unzers älterer Bruder Johann Christoph (1747–1809) gehörte zum Freundeskreis Klopstocks. 75 Wie sehr verlangt nicht Quintilian] vgl. Quintilian, inst. orat. I, 1, 10. 98f. Besonders schrieben sie Wochenschriften] z. B. die Zeitschriften Der Fremde. Hg. von Johann Elias Schlegel, 1745–46; Der Jüngling. Hg. von Johann Andreas Cramer, Nikolaus Dietrich Giseke, Gottlieb Wilhelm Rabener und Johann Arnold Ebert, 1747–48; Der nordische Aufseher. Eine moralische Wochenschrift. Hg. von J. A. Cramer, 1758–61, ferner die von Johann Friedrich von Cronegk und

Erläuterungen | 249

Johann Peter Uz 1754–56 gemeinsam herausgegebene Wochenschrift Der Freund u. v. a. m. 101f. den winselnden N ac h t ge d a n k en von Young [...], an die der Professor Ebert soviel Talente und einen Fleiß verschwendet hat] Dr. Eduard Youngs Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod, und Unsterblichkeit. In neun Nächten. Braunschweig, Hildesheim, 1. Bd., 1. Stück: Nacht 1–4, 2. Bd., 2. St.: Nacht 5–7 (1751), 1. Bd., 3. St.: Nacht 8–9 (1752), 2. Bd., 1.–3. St.: andere Schriften Youngs (1754–56). 2., verb. Aufl., 5 Bde. Braunschweig 1768–1771. Der Übersetzer Johann Arnold Ebert (1723–1795) war Professor der englischen Sprache am Collegium Carolinum in Braunschweig. Vgl. auch Lessings Rezension in der Berlinischen Privilegierten Staats- und Gelehrten Zeitung, 18. Stück, 10.2.1753, in: LW 2, S. 486f. 104f. war Ebert [...] Mitarbeiter an den B e lu s ti gu n g en gewesen] gemeint ist die von Johann Joachim Schwabe von 1741 bis 1745 bei Breitkopf in Leipzig herausgegebene Zeitschrift Belustigungen des Verstandes und des Witzes (1741–1744), zu deren Mitarbeitern neben Gellert auch die Brüder Johann Adolph und Johann Elias Schlegel, Carl Christian Gärtner und Gottlieb Wilhelm Rabener zählten. Die Zeitschrift diente zunächst Gottsched und seinen Anhängern als Sprachrohr hinsichtlich ihrer Positionen im Literaturstreit mit den Schweizern Bodmer und Breitinger und wurde 1744 unter dem Titel Neue Belustigungen des Gemüths, wenig später als Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes fortgeführt (Leipzig, Bremen 1744–1759; wegen des zweiten Erscheinungsorts Bremen auch als ›Bremer Beiträge‹ bezeichnet), wobei die Herausgeber Johann Arnold Ebert, Johann Andreas Cramer und Carl Christian Gärtner ihre Zeitschrift nun als Gegenentwurf zu den anfänglichen Belustigungen des Verstandes und des Witzes verstanden. Vgl. Franz Ulbrich: Die Belustigungen des Verstandes und des Witzes. Ein Beitrag zur Journalistik des 18. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1911 (Probefahrten: Erstlingsarbeiten aus dem Deutschen Seminar in Leipzig 18). 107 Gellert lobte es] »Y o u n g s N ac h t ge d an k en . Unter den moralischen Lehrgedichten weis ich fast keines, wo der Verstand, der Witz und das Herz glücklicher und erhabner für Religion und Tugend gearbeitet hätten. Es ist wahr, man muß diese Nachtgedanken mehr als einmal lesen, um alle ihre Schönheit und Stärke zu fühlen; aber sie vergüten bey dem wiederholten Durchlesen die Mühe reichlich« (GGS 6, S. 125 (10. Vorlesung); vgl. auch ebd., S. 153 und S. 160 (13. und 14. Vorlesung)); zur Wirkung der Nachtgedanken auf Gellert vgl. Johannes Barnstorff: Youngs Nachtgedanken und ihr Einfluss auf die deutsche Litteratur. Bamberg 1895, S. 33. 119f. L i t t er at u r b r i ef e] die Briefe, die neueste Litteratur betreffend. Hg. von Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Nicolai, eine Zeitschrift, die in 24 Teilen zwischen von 1759 und 1765 im Verlag der Nicolaischen Buchhandlung in Berlin und Stettin erschien und die neben Rezensionen in Form von Briefen auch

250 | Erläuterungen

eine Kritik an Gottscheds Versuch enthält, die Literatur, insbesondere das Drama, nach dem französischen Vorbild zu gestalten. Unzer und Mauvillon bezeichneten ihren Briefwechsel über den Werth einiger Deutschen Dichter in Anspielung auf die »Litteraturbriefe« selbst als »Dichterbriefe«. 120f. Einfluß der Gellertomanie] die kritiklose Verehrung Gellerts durch das deutsche Publikum; vgl. Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1771 (S. 46–64 und S. 118–126), in dem eine Reihe von Lobreden und Trauergedichten auf Gellert angezeigt wird. 127 die Herren Erziehungsverbesserer] die reformpädagogische Bewegung des Theologen, Pädagogen und Philanthropen Johann Bernhard Basedow (1724– 1790), der 1771 von Fürst Leopold III. von Anhalt nach Dessau berufen wurde, wo er seine Ideen zu einer Erziehungsreform umsetzen konnte. Basedow legte 1774 sein Elementarwerk vor und gründete im Dezember desselben Jahres das Philanthropinum in Dessau, das jedoch nach Streitigkeiten zwischen den Lehrern 1793 wieder geschlossen wurde. Zu seinen Mitarbeitern zählten Joachim Heinrich Campe (1746–1818), Ernst Christian Trapp (1745–1818) und Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811); vgl. auch Unzers Brief an Mauvillon vom 2. Juni 1772. In: Mauvillons Briefwechsel, S. 27. Mauvillon äußert sich später positiv über Basedow in der anonym publizierten Schrift Vom Patriotismus der Deutschen. o. O. [Leipzig] 1776. 130 böotische Denkungsart] denkfaul, bäuerlich, unkultiviert. Die Böotier waren ein Volk, das im östlichen Mittelgriechenland in fruchtbaren Gebieten siedelte und hauptsächlich von der Viehzucht und dem Ackerbau lebte. Ihnen wurde nachgesagt, dass sie grobschlächtig und ungebildet seien; daher finden sich in der Antike Wortprägungen wie ›böotische Schweine‹ oder ›böotische Trampeltiere‹ (Fragment des Cratinus, erhalten in Pollux VII, 87).

Zweytes Stück Titelblatt Die Einfalt lobt, was viele Stimmen loben] aus Hagedorns Gedicht »Der Weise«. In: Friedrich von Hagedorn: Moralische Gedichte. 2., verm. Aufl. Hamburg 1753, S. 16. Ludwig August Unzer widmet diese Sentenz in seinen Devisen auf deutsche Gelehrte (1772) Albrecht Wittenberg (1728–1807), der von 1767 bis 1770 die Redaktion der Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten führte und von 1772 bis 1786 u. a. am Altonaer Reichspostreuter mitarbeitete.

Erläuterungen | 251

Auszug eines Briefes der Verfasser an den Herausgeber. 11f. der Verfasser der Fragmente über die deutsche Litteratur] vgl. Johann Gottfried Herder: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Erste [Zwote und Dritte] Sammlung von Fragmenten. Eine Beilage zu den Briefen, die neueste Litteratur betreffend. 3 Bde. Riga 1766/67.

Fünfzehnter Brief 12 besorgte ich] im Sinne von ›besorgt sein‹, hier: war ich besorgt. 17 Inconvenienz] Unbequemlichkeit, Nachteil. 28f. worüber Quintilian [...] nicht wenig eifert] Quintilian äußerte sich an verschiedenen Stellen gegen den Stoizismus, vor allem aber gegen Seneca, vgl. inst. orat. X, 1, 125–131. 38 witziger Kopf] geistreicher Mensch. 39 sein jü n g s te s G er i c h t] geistliche Dichtung von Edward Young (1683–1765), engl. A poem on the last day (Oxford 1713). 42 Youngs N ac h t ge d a n k en sind, wie ich gelesen habe, die Frucht seiner Unglücksfälle] vgl. Edward Young: Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod, und Unsterblichkeit. 1. Bd. Braunschweig 1760, 1. Nacht, S. 61 und 5. Nacht, S. 57; vgl. den Vierzehnten Brief (Z. 101f.). 57 der das Schwerdt im Gastmal über sich hängen sah] Anspielung auf das Schwert des Damokles, überliefert aus Ciceros tusculanae disputationes 5, 61f.. Damokles war ein Günstling des Tyrannen Dionysios II. von Syrakus, der, als er, einer Anekdote zufolge, das über seinem Kopf an einem Faden hängende Schwert wahrnahm, aus Furcht vor der Bedrohung nicht mehr in der Lage war, die Annehmlichkeiten des Gastmahls zu genießen. 63 ausgehekt] etwas aushecken: sich eine List, einen Plan ausdenken; hier: erdacht und ausgearbeitet. 67 Richardsons Romane] insbesondere die Briefromane Pamela, or Virtue Rewarded (1740) und Clarissa, or, The History of a Young Lady (1748) des englischen Schriftstellers Samuel Richardson (1689–1761); schließlich The History of Sir Charles Grandison (1753/54), übersetzt von Christian Fürchtegott Gellert und Abraham Gotthelf Kästner als Geschichte Herrn Carl Grandison. In Briefen entworfen von dem Verfasser der Pamela und Clarissa. 7 Bde. Leipzig 1754/55. 78 Kaltblütigkeit des deutschen Publikums] vgl. den Ersten Brief (Z. 25). 86f. jenes witzigen Sinngedichts] als Rabeners Sammlung satyrischer Schriften (4 Thle., Leipzig 1751–1755) erschienen waren, verfasste Kästner folgendes Sinngedicht »Auf Rabener«: »Zu spotten, und uns arm zu machen, | Ist Rabners doppeltes Bemühn; | Man sieht ihn über Alle lachen, | Und Alle seufzen über ihn« (Abraham Gotthelf Kästner: Vermischte Schriften. 2. Theil. Altenburg 1772,

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S. 253). Rabener war von 1741 bis 1753 in Leipzig als Steuerrevisor tätig, vgl. Erl. zum Dreizehnten Brief (Z. 177). 88 Nänien] Totenklagen, Totenlieder. 89 Hamburger Correspondenten] Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Hamburg 1731–1851, erste regelmäßig erscheinende Tageszeitung Hamburgs, hervorgegangen aus dem Hamburgischen Correspondenten (ab 1724) und 1767–1770 unter der Leitung von Albrecht Wittenberg (1728–1807). Zu den Redakteuren des Correspondenten zählte u. a. Johann Benjamin Michaelis (1746–1772), vgl. Brigitte Tolkemitt: Der Hamburgische Correspondent. Zur öffentlichen Verbreitung der Aufklärung in Deutschland. Tübingen 1995. 110f. in dem Lande, worin ich lebe] Mauvillon war zu dieser Zeit Professor am Carolinum in Kassel, Hessen. 135 Horaz oder Boileau] Quintus Horatius Flaccus (65–8 v. Chr.), einer der bedeutendsten römischen Dichter und Satiriker; Nicolas Boileau-Despréaux (1636– 1711), franz. Schriftsteller und Ästhetiker, gab 1674 den auf dem PseudoLonginus basierenden Traité sur le sublime heraus. 146 possirlich] spaßhaft-lächerlich, drollig-komisch. 160–164 neque enim concludere versum] nach Horaz, Satiren 1, 4, 40–44, dt. Übertragung nach Wieland (Horazens Satiren. Werkausgabe, Bd. 9): »Vor allen Dingen nehm’ ich aus dem Häufchen, dem ich den Dichternamen zugestehen möchte, mich selber aus. Dazu gehört schon mehr als einen runden Vers zu drehen wissen; und wer, wie ich, in einer Sprache, die so nah an die gemeine angrenzt, schreibt, ist darum noch kein Dichter. Dem, der Dichtergeist, der eine mit den Göttern verwandte Seele hat, und dessen Mund erhabene Gedanken und Gefühle in mächt’gen Tönen ausströmt, dem allein gebührt die Ehre dieses schönen Namens.« 170 Epopee] episches Gedicht, Epos; vgl. Erl. zum Achten Brief (Z. 122). 180f. Rabner durch vier Bände] gemeint sind die vier Bände von Gottlieb Wilhelm Rabeners Sammlungen satyrischer Schriften (Leipzig 1751–1755). 187 das einzige Tarif des Dichters] Maßstab, Kriterium. 190–192 Streitigkeiten, die hie und da über die Moralität der Schaubühne und über ihren Einfluß auf die Sitten geführet worden sind] vgl. z. B. Johan Melchior Goeze: Theologische Untersuchung der Sittlichkeit der heutigen deutschen Schaubühne überhaupt, wie auch der Fragen: Ob ein Geistlicher, insonderheit ein wirklich im Predigt-Amte stehender Mann, ohne ein schweres Aergernis zu geben, die Schaubühne besuchen, selbst Comödien schreiben, aufführen und drucken laßen, und die Schaubühne, so wie sie itzo ist, vertheidigen, und als einen Tempel der Tugend, als eine Schule der edlen Empfindungen, und der guten Sitten, anpreisen könne? Hamburg 1770. 197 Musarion] 1768 erschienenes heroisch-komisches Lehrgedicht von Christoph Martin Wieland, vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 49f.)

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198 in den göttingischen gelehrten Zeitungen] vgl. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 114. Stück, 1.12.1768, S. 1201–1203. 199 eine Aeneide, wo uns pius Aeneas vorgestellt wird] auch Aeneis, Heldengedicht von Virgil, das von der Flucht aus dem zerstörten Troja und von den Gefahren berichtet, denen der Held Aeneas auf seinem Weg nach Latium (Italien) ausgesetzt war; pius Aeneas, dt.: der ›fromme‹ bzw. ›gottgefällige Aeneas‹, was seine Rolle als Stammvater der Römer unterstreichen sollte. 203f. rühmliche Zeugniß, das Ramler Rabnern gegeben haben soll] vgl. Erl. zum Dreizehnten Brief (Z. 211). 216 Liskowen] Christian Ludwig Liscow (1701–1760) deutscher Satiriker, seit 1741 Sekretär des Grafen Brühl, 1745 Kabinettssekretär und Kriegsrat in Dresden, vgl. seine Sammlung satyrischer und ernsthafter Schriften. Frankfurt a. M., Leipzig 1739. (Hans Schröder behauptete 1824 zu unrecht, dass nicht Christian Ludwig, sondern sein jüngerer Bruder Joachim Friedrich der Satirendichter gewesen sei.) Zu Liscows Schriften vgl. Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. Hg. von Karl Heinrich Jördens. 6 Bde. Leipzig 1806–1810, 3. Bd., 1808, S. 392–416. 217 Magister Sievers] Heinrich Jakob Sievers (1708–1736), Prediger aus Lübeck und streitbarer Vertreter der lutherischen Orthodoxie; vgl. Goedeke: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung. 3. Aufl., 4. Bd., 1. Abt., S. 37f., zur Person Georg Christian Friedrich Lisch: Christian Ludwig Liscow’s Leben. Schwerin: Stiller 1845, S. 27–31 (dort wird als Geburtsjahr 1701 angegeben). 217 Professor Philippi] Johann Ernst Philippi (um 1700–1758), seit 1731 Professor der Beredsamkeit in Halle, wurde von Liscow in seinen Satiren derart scharf angegriffen, dass er 1734 seine Professur aufgab und 1740 schließlich, geistig zerrüttet, ins ›Allgemeine Zucht-, Armen- und Waisenhaus Waldheim‹ eingewiesen wurde. Liscow bedauerte später die Folgen seiner satirischen Angriffe auf Philippi, vgl. Karl Gustav Helbig: Christian Ludwig Liskow. Ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Dresden, Leipzig 1844, S. 27, ebenso Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. 3. Bd., S. 397f. und S. 401–405. 239f. neologisiren] sprachliche Neuprägungen kreieren. 241 Präparatorien] Vorbereitungen (hier: eines Gedanken). 243 In diesem Schriftsteller herrscht eine ächte swiftische Ader] vgl. Kästner: »O Liscov, den man oft für Deutschlands Swift gepriesen, | Hat niemand dir dein Bild bey Swiften noch gewiesen?« Abraham Gotthelf Kästner: Vermischte Schriften. 1. Theil. Altenburg 1755, S. 185; ebenso Flögel, der äußert, Liskow sei ein Autor, »den man mit Recht den deutschen Swift nennen kann« (Carl Friedrich Flögel: Geschichte der komischen Litteratur. 4 Bde. Liegnitz 1784–1787, Bd. 3, S. 475). 251 Gewisse Leute tadeln Liskow] als Kritiker Gottscheds und seiner Schule wurde er von dessen Anhängern angefeindet, während er von Riedel zusammen mit

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Rost als ein »vortrefliche[r]« Kopf gelobt wird (Friedrich Justus Riedel: Ueber das Publicum. Briefe an einige Glieder desselben. Jena 1768, S. 163), und Klotz abwägend, aber doch anerkennend bemerkt: »L i s c o w war vielleicht ein grösserer Satiricus, als Rabener, wenn gleich dieser ein besserer Schriftsteller ist« (Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften, 1. Bd., 1. St., 1767, S. 173). 255 Das Süjet des V o r s p i el s ] Das Vorspiel, ein episches Gedicht (s.l. 1742, Bern 1743) von Johann Christoph Rost. 262 Mamsell F., Herr N. N.] Personen aus Rabeners Satiren, vgl. »Satirische Briefe«. In: Rabeners Satiren. 4. Bde. Leipzig 1755, 3. Bd., S. 45ff. und S. 135ff. 262 Stephan Väderhat] auch Stephan Wäderhat, ein friedfertiger Soldat, der, als er ins Feld ziehen sollte, von einer »starke[n] Engbrüstigkeit« befallen wurde und sich ein Attest vom Stadtphysikus geben ließ, vgl. Rabeners Satiren. 1. Bd., S. 190f. (zuerst in: Belustigungen des Verstandes und Witzes auf das Jahr 1743, S. 120f.). 262 Veit Seyfersell] richtig: Veit Seghersell, ein adliger Jäger und Säufer, der aufgrund seiner Schulden den gesamten Besitz verlor, vgl. Rabeners Satiren. 1. Bd., S. 192f. (zuerst in: Belustigungen des Verstandes und Witzes auf das Jahr 1743, S. 123f.). 292 Manzel] Ernst Johann Friedrich Manzel (1699–1768), Jurist, Professor der Pandekten zu Rostock. Liscow schrieb seine Satire gegen Manzel schon 1729 nieder, veröffentlichte sie aber erst 1735 (vgl. Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. 3. Bd., S. 406). 315 die publics ‒ incognitos] die anonymen Rezensenten, zur Terminologie vgl. Mauvillons Briefwechsel, S. 37. 316f. wunderbar] lies: verwunderlich. 319 Hrn. Prof. Riedel] Friedrich Justus Riedel (1742–1785), deutscher Dichter, Satiriker und Literaturkritiker, wurde nach dem Studium in Halle 1768 Professor für Ästhetik in Erfurt, wo er u. a. Wieland kennenlernte; war Mitarbeiter an der von Christian Adolph Klotz edierten Deutschen Bibliothek der schönen Wissenschaften und veröffentlichte 1767 eine Theorie der schönen Künste und Wissenschaften, 1768 folgten Ueber das Publicum und Denkmal des Herrn Johann Nicolaus Meinhard; gab ferner die Philosophische Bibliothek (2 Stücke, 1768/69) heraus.

Sechzehnter Brief 3

den Satir Luzian] Lukian von Samosata (um 120 – nach 180), griech. Satiriker, verfasste über 70 Werke; am bekanntesten sind die Göttergespräche, die Hetärengespräche und Der Lügenfreund, vgl. Lucians Schriften. Aus dem Griechischen von Johann Heinrich Waser. 4 Bde. Zürich 1769–1773 (als die ›Dichterbriefe‹ niedergeschrieben wurden, lagen die ersten beiden Bände vor). Eine

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spätere Übersetzung stammt von Wieland, vgl. Lukians von Samosata Sämtliche Werke. Aus dem Griech. übers. und mit Anm. und Erläut. versehen von Christoph Martin Wieland. 6 Bde. Leipzig 1788–1789. 5 Aristophanes] griech. Komödiendichter, geb. zw. 450 und 444 v. Chr., gest. um 380 in Athen, gilt als der bedeutendste Satiriker des antiken Griechenland, zu seinen bekanntesten Werken zählen »Die Wolken«, »Die Vögel«, »Die Frösche« und »Lysistrata«. 15f. Wohlstandsregel] Anstandsregel. 18 Butler oder Cervantes] Samuel Butler (1612–1680), engl. Dichter, Verfasser des Hudibras (2 Bde., 1674), in dem die Abenteuer des Ritters Hudibras und seines Knappen Ralph geschildert werden, die alles Übel in der Welt vernichten wollen, aber überall nur Spott und Schläge ernten (als Satire auf den Puritanismus). Miguel de Cervantes (1547–1616), span. Schriftsteller, bekannt durch seinen Roman Don Quijote (1605, 2. Teil 1615). 30 Palissot] Charles Palissot de Montenoy (1730–1814), franz. Dramatiker, Gegenspieler Diderots und anderer Enzyklopädisten, später Anhänger der franz. Revolution und Herausgeber der Werke Voltaires, Boileaus und Corneilles. 33 Dunciade] ›satirisches Spottgedicht‹, nach der Satire »The Dunciade« von Alexander Pope (1728), von dunce, dt. ›Dummkopf‹; gemeint ist hier Palissots La Dunciade ou la guerre des sots (1764), vgl. auch Wielands Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen. Nebst dem verbesserten Hermann (Frankfurt a. M., Leipzig 1755) sowie die Deutsche Dunciade (Leipzig, Helmstädt 1773) von Karl Friedrich von der Lühe (1751–1801) in Prosa mit eingestreuten Versen, rezensiert (vermutlich von Mauvillon) in: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 4. Bd. (1773), S. 214. 33f. Er that aber Rabnern groß Unrecht] vgl. Charles Palissot de Montenoy: La Dunciade, poëme en dix chants. 2 Bde. London [d. i. Paris] 1771, 1. Bd., S. 177 [EA 1764]. Anm. 1 Eines Herders] Johann Gottfried Herder (1744–1803), Theologe, Geschichtsund Religionsphilosoph, Kulturhistoriker, Philologe und Dichter, Studium in Königsberg, Wegbereiter der deutschen Klassik, Hofprediger in Bückeburg, ab 1776 in Weimar, wo er mit Wieland, Goethe und Schiller das sogen. ›Weimarer Viergestirn‹ bildete. 79 Sejan, Chapelain oder Manzel] Sejan, d. i. Lucius Aelius Seianus (20 v. Chr.– 31 n. Chr.), Prätorianerpräfekt im römischen Kaiserreich, zeitweise von großem Einfluss in Rom, dessen politischer Fall und Tod von Juvenal in der 10. Satire geschildert werden. Jean Chapelain (1595–1674) wollte mit dem Versepos La Pucelle d’Orléans (1656), dt. ›Die Jungfrau von Orleans‹, seine Frau zur Heldin erheben und wurde dafür von Voltaire verspottet (1752). Manzel, Professor zu Rostock, auf den Liscow eine Satire schrieb, vgl. Erl. zum Fünfzehnten Brief (Z. 292). 84 für diesen Fehler] lies: vor diesem Fehler.

256 | Erläuterungen

108 Verdienst eines Denis] Johann Nepomuk Cosmas Michael Denis (1729–1800), Jesuit, Dichter und Übersetzer, schrieb unter dem Pseudonym ›Sined der Barde‹ und wurde vor allem durch die Übersetzung der Gedichte Ossians (3 Bde., 1768/69) bekannt. 108f. die Schlegels, Gisekens, Gärtners und Cronegks] Johann Elias Schlegel (1719– 1749), zunächst Gottsched-Schüler, wandte sich dann aber von den starren Literaturdogmen seines Lehrers ab; 1743 Sekretär des kursächsischen Gesandten Ulrich von Spenner (um 1695–1764/65) in Kopenhagen, 1748 ao. Prof. für neuere Geschichte, Staatsrecht und Kommerzwesen in Sorø; war einer der ersten deutschen Fürsprecher Shakespeares; verfasste theoretische Schriften wie Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters (posthum 1765) sowie Tragödien und Komödien. Nikolaus Dietrich Giseke (1724–1765), aus Ungarn stammender Dichter, nach dem Studium der Theologie in Leipzig Prediger in Trautenstein und Hofprediger in Quedlinburg, danach Superintendent in Sondershausen, seine gesammelten Poetischen Werke wurden 1767 von Gärtner herausgegeben. Karl Christian Gärtner (1712–1791), Freund Gellerts, Rabeners und Cramers, Begründer und Mitherausgeber der Neuen Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes, ab 1749 Professor für Redekunst und Sittenlehre am Collegium Carolinum in Braunschweig, 1780 braunschweigischer Hofrat. Johann Friedrich von Cronegk (1731–1757), Dramatiker, Dichter und Essayist, vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 34). 110 der cabbalistische Klotz] Christian Adolph Klotz (1738–1771), ab 1765 Professor für Philosophie und Beredsamkeit in Halle. Das Attribut ›cabbalistisch‹ (nach der Kabbala, der mystischen Tradition des Judentums) spielt auf seinen unverständlichen, hintergründigen Stil an und ist zugleich ein Spiel mit dem Wort ›Kabale‹, vgl. Erl. zur Vorrede (Z. 150). 111 Hausen] Karl Renatus Hausen (1740–1805), Historiker, Studium der Geschichte und Philosophie in Leipzig, wurde 1765 auf Empfehlung von Christian Adolph Klotz außerordentlicher Professor der Geschichte in Halle und bereits ein Jahr später ebendort ordentlicher Professor der Philosophie, 1772 Professor für Geschichte in Frankfurt a. d. O., war Mitbegründer und anfangs Mitherausgeber der Auserlesenen Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, an der er bis 1778 mitarbeitete. Sein Versuch einer Geschichte des menschlichen Geschlechts erschien in vier Bänden (1771–81); der erste (Halle 1771) wurde vermtl. von Mauvillon ausführlich rezensiert (Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 1. Bd. [1772], S. 227–274). 112 Clodius] Christian August Clodius (1737–1784), Dichter und Philosoph, veröffentlichte Versuche aus der Literatur und Moral (4 Bde. Leipzig 1767–1769), ferner einige Lustspiele und Dramen. 113 Dusch] Johann Jakob Dusch (1725–1787), vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 34). 114f. seine B r i ef e z u r B i l d u n g d e s G e s c h m ac k s ] vgl. Johann Jakob Dusch: Briefe zur Bildung des Geschmacks an einen jungen Herrn vom Stande. 6 Thle.

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Leipzig, Breslau 1764–1773; 4. Theil (1770) u. a. über die Lehrgedichte in epischer Form und 5. Theil (1771) über das epische Gedicht. 115f. beständigen Rufer aus der tückschen Nacht der Journale und Zeitungen] Gemeint sind die Herausgeber tendenziöser Rezensionszeitschriften, wie z. B. Klotz als Herausgeber der Deutschen Bibliothek der schönen Wissenschaften (1767–71)), die hier zu den »soliden Kunstrichter[n]« Ramler, Lessing und Dusch in Kontrast gestellt werden; der Ausdruck ›tücksche‹ hier abgeleitet von ›Tücke‹ bzw. ›tückisch‹. 116 Hagedorn] Friedrich von Hagedorn (1708–1754) fand als Anakreontiker und Fabeldichter Inspirationen bei Horaz sowie bei den englischen und französischen Dichtern. 117‒120 Es gibt ein Volk ...] vgl. Friedrich von Hagedorn: »Die Einsichtsvollen«. Erstdruck in der 2. Aufl. der Moralischen Gedichte. Hamburg 1753, S. 309. Unzer übernimmt das Epigramm in seine Devisen auf deutsche Gelehrte, Dichter und Künstler (s.l. [Lemgo] 1772, unpag., Devise auf Chretien Frederic Schmidt). 123 Boissy und Desfontaines] Louis de Boissy (1694–1758), franz. Dichter und Schriftsteller, Verfasser von satirischen Stücken, darunter L’Homme du jour ou les Dehors trompeurs. – Pierre François Guyot Desfontaines (1685–1745), franz. Kritiker, Schriftsteller und Mitarbeiter am Journal des sçavans, Streit mit Voltaire, wurde als Homosexueller denunziert und 1725 für drei Wochen in Bicêtre in Haft gesetzt. 126 ihr Wittenberger] dazu gehört u. a. Daniel Wilhelm Triller (1695–1782), Mediziner, war als Lyriker und Fabeldichter schriftstellerisch tätig und durch die Bekanntschaft mit Gottsched in den Literaturstreit mit Johann Jakob Bodmer (1698–1783) und Johann Jakob Breitinger (1701–1776) involviert; vgl. Poetische Betrachtungen über verschiedene aus der Natur- und Sittenlehre hergenommene Materien; nebst einigen Uebersetzungen und vermischten Gedichten. 6 Bde. Hamburg 1725 rep. 1739–55. Über Klopstocks Messias schreibt Triller, jener sei voller ketzerischer Irrtümer (vgl. »Das Neueste aus dem Reiche des Witzes. Mai 1751«. In: LW 2, S. 102). 126 Klopstoks Oden] vgl. Oden von Klopstock. Zürich 1750. Eine Sammlung in verschiedenen Monats- und Wochenschriften verstreuter Dichtungen erschien 1771 unter dem Titel Oden bei Bode in Hamburg. 127 Jacobi] Johann Georg Jacobi (1740–1814), Dichter der Empfindsamkeit, eng befreundet mit Wieland und Gleim. 131 Pflegemutter der Butlerschen, Fieldingschen und Sternischen Genies] Samuel Butler (1612–1680), engl. Dichter, Verfasser des Hudibras (1674). Henry Fielding (1707–1754), engl. Schriftsteller, Satiriker und Journalist, bekannt durch die Romane An Apology for the Life of Mrs. Shamela Andrews (1741), Joseph Andrews (1742) und The History of Tom Jones, a Foundling (1749). Lawrence Sterne (1713–1768), englisch-irischer Schriftsteller, verfasste den erzähltechnisch innovativen Roman The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman, dt. ›Le-

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ben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman‹ (9 Bde., 1759–67), Übersetzung von Johann Friedrich Zückert verlegt bei Lange in Berlin, Stralsund 1763–67; eine weitere Übersetzung von Johann Joachim Christoph Bode (1731– 1793) folgte 1774 (9 Bde., Hamburg); ferner veröffentlichte Sterne A Sentimental Journey Through France and Italy (1768), dt. Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien. 2 Bde. Aus dem Englischen übersetzt [von Johann Joachim Christoph Bode]. Hamburg, Bremen 1768/69, 2. Aufl. 1770. 131f. Churchil wäre in jedem andern Lande ein mittelmäßiger Scribent gewesen] Charles Churchill (1732–1764), engl. Dichter, veröffentlichte 1763 seine Epistle to William Hogarth als Antwort auf eine Satire, die auf seinen Freund und politischen Verbündeten John Wilkes gemacht wurde. – William Hogarth (1697–1764), englischer Maler und Kupferstecher, in Deutschland einflussreich durch seine kunsttheoretische Schrift Analysis of Beauty (1753), dt. Zergliederung der Schönheit, die schwankenden Begriffe von dem Geschmack festzusetzen. Aus dem Englischen übersetzt von Christlob Mylius. London, Hannover 1754). 138 des Pasquils] Schmäh- oder Spottschrift. 171 der Raillerie] frz. für Scherz, Spöttelei, Gespött. 177 einer Byron] Harriet Byron, Figur aus Samuel Richardsons Briefroman Sir Charles Grandison (1754), wo sie als Sinnbild von Sittlichkeit und weiblicher Tugend vorgeführt und am Ende die Ehefrau von Sir Charles wird; dt. Geschichte Herrn Carl Grandison. in Briefen entworfen von dem Verfasser der Pamela und Clarissa. 7 Bde. Leipzig 1754/55. Gellert hatte Anteil nicht nur an der Korrektur, sondern auch an der Übersetzung dieses Romans; vgl. C. F. Gellerts Briefwechsel. Hg. von John F. Reynolds. Bd. 1: 1740–1755. Berlin, New York 1983, S. 369 (Anm. 151, zu Z. 4). 177f. die Einfälle eines Holbergs] der dänisch-norwegische Dichter Ludvig Holberg (1684–1754) mit seinem Roman Niels Klims unterirdische Reise bzw. Nicolai Klims unterirdische Reise, worinnen eine ganz neue Erdbeschreibung wie auch eine umständliche Nachricht von der fünften Monarchie, die uns bishero ganz und gar unbekannt gewesen, enthalten ist. Kopenhagen, Leipzig 1741, vgl. »Eine Todtenliste von Nicolaus Klimen, Küstern an der Kreuzkirche zu Bergen in Norwegen«. In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 1. Theil. Leipzig 1751, S. 161–192. 178f. in dem T r au m v o n d en ab g es c h i ed en en S ee l en ] vgl. »Ein Traum von den Beschäfftigungen der abgeschiednen Seelen«. In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil. Leipzig 1751, S. 9–72. 179 in der A b h an d lu n g v o n S p r ü c h w ö r t er n ] vgl. »Antons Panßa von Mancha Abhandlung von Sprüchwörtern, wie solche zu verstehen, und zu gebrauchen sind; dem Verfasser zum Besten, und dem Leser zur Erbauung ans Licht gestellt«. In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 4. Theil. Leipzig 1755, S. 1–276.

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179f. in dem Mä h r c h e n v o m er s t en A p r i l] vgl. »Das Märchen vom ersten April, aus dem Holländischen in das Hochdeutsche übersetzt«. In: Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 4. Theil, S. 333–444. 180 in den No t en o h n e T ex t ] Verweis auf Gottlieb Wilhelm Rabeners Satire »Hinkmars von Repkow Noten ohne Text«, in der Rabener zwei Namen verschmolzen hatte, und zwar Hinkmar von Reims (um 810–882), Erzbischof und Historiograph, und Eike von Repgow (auch Repkow, um 1180–1233), der als einer der Verfasser des Sachsenspiegels angesehen wird; zuerst erschienen in: Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes, 2. Bd., 4. Stück, 1745, S. 263–306, erneut in: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil. Leipzig 1751, S. 107–168. 181 voll attischen Witzes] scharfsinnig-scherzende Reden, wie die Attiker (Athener) sie liebten und gebrauchten, vor allem nach dem Vorbild des Aristophanes.

Siebenzehnter Brief 10f. daß man für Lachen bersten mögen] lies: daß man vor Lachen bersten mögen. 13 bevorworten] lies: befürworten. 19 anstatt daß die gewaltigen Apparatus] im Sinne von umständlichen und weitschweifigen Erläuterungen. 21 Harlekinadenwendungen] abgeleitet von der Figur des Harlekins auf dem ital. Theater, vgl. Justus Möser (1720–1794): Harlekin oder Vertheidigung des Groteske-Komischen. s.l. 1761, neue verb. Aufl. Bremen 1777. 23 G es p r äc h e d e r G ö t ter u n d d er T o d te n ] »Göttergespräche« (lat. Dialogi Deorum) und »Totengespräche« (Dialogi Mortuorum), zwei Werke des Lukian; vgl. auch die moralische Wochenschrift Gespräche im Reich der Todten. Hg. von David Fassmann (1685–1744) in 240 Heften (1718–1739). Dt. Übers.: Lucians Schriften. Aus dem Griechischen übersezt von Johann Heinrich Waser. 4 Bde. Zürich 1769–1773. 23f. A u c ti o n d er P h i l o s o p h e n ] »Die Gelehrtenversteigerung« (Vitarum auctio), Werk des Lukian. 24 Me n i p p u s ] »Die Höllenfahrt des Menippus oder Das Totenorakel« (Necymantia), Werk des Lukian. 24 Ko s m o th eo r o s ] »Charon oder die Weltbeschauer« (Charon sive Contemplantes), Werk des Lukian. 30 der Titel ist mir entfallen] wohl »Der Fischer oder die Auferstandenen« (lat. Revivescentes sive Piscator), wo die Philosophen Sokrates, Empedokles, Platon, Aristoteles, Chrysippus und Diogenes über Lukian zu Gericht sitzen.

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32

32f. 38f. 42f.

59

59 66f.

74 81

87f.

90 95 100 104

das Homerische unauslöschliche Lachen] auch das ›homerische Gelächter‹: das schallende, nie enden wollende Gelächter der Götter nach Homers Ilias (I, 559) und Odyssee (VIII, 326 und XX, 346). Jupiter tragicus] dt. ›Der tragische Jupiter‹, Werk des Lukian. L o b d es D em o s th en es ] lat. Demosthenis Encomium, Werk des Lukian über den griechischen Redner Demosthenes (384–322 v. Chr.). M äh r c h e n v o n d er T o n n e] engl. »A Tale of the Tub« von Jonathan Swift (1667–1745), geschrieben wahrscheinlich zwischen 1694 und 1697, veröffentlicht 1704. in dem Lande, worin Rabner schrieb] Rabener studierte ab 1734 Jura in Leipzig (Sachsen), wurde 1741 Steuerrevisor des Leipziger Kreises, übersiedelte aber 1753 nach Dresden, wo er als Obersteuersekretär und später als Steuerrat tätig war und 1771 starb. Ich liebe Obersachsen] Mauvillon wurde in Leipzig geboren und besuchte dort die Thomasschule, vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 26f.) Niedersachsen hingegen ist an ächten deutschen Charaktern, und derselben ähnlichen Zügen mit der benachbarten englischen Nation viel fruchtbarer] vgl. dazu Jahre später Goethes Äußerung im Kontext der Gedichte Johann Christoph Unzers (datiert mit dem 26. Juni 1807): »Überhaupt scheint das Subjektivlyrische, Hypochondrische, Moderne in Niedersachsen recht obzuwalten« (FA 33, S. 198.) Churchil] Charles Churchill (1732–1764), engl. Dichter, vgl. Erl. zum Sechzehnten Brief (Z. 131f.). sein Traum von den abgeschiedenen Seelen] vgl. »Ein Traum von den Beschäfftigungen der abgeschiednen Seelen«. In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil. Leipzig 1751, S. 9–72, vgl. Erl. zum Sechzehnten Brief (Z. 178f.). der Zwang, unter welchem Rabner lebte] wie aus seinen Briefen hervorgeht, litt Rabener sehr unter der mangelnden Freiheit in Deutschland und ganz besonders in Sachsen unter dem Willkürregiment des sächsischen Premierministers Heinrich Graf von Brühl (1700–1763). »Ueberhaupt ist wohl Deutschland das Land nicht, in welchem eine billige und bessernde Satire es wagen darf, ihr Haupt mit der Freymüthigkeit empor zu heben, die Laster, oder die Thorheiten der Menschen zu strafen« (Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 4. Theil. Leipzig 1755, Vorbericht, unpag.). für einen Pasquillanten] Verfasser einer Schmäh- oder Spottschrift. französirende Stutzer] Modenarren. unterstanden] lies: verstanden. Boccaccio, ein ermüdender und langweiliger Erzähler] Giovanni Boccaccio (1313–1375), Verfasser des »Dekamerone« (ital. Il Decameron, entstanden zw. 1349 und 1353), einer stilbildenden Sammlung von einhundert Novellen, vgl. Erl. zum Zehnten Brief (Z. 55).

Erläuterungen | 261

107 Rousseaus Emile] Émile ou Du l’éducation, dt. ›Emile oder über die Erziehung‹ (1762), pädagogisches Hauptwerk des Genfer Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778). Noch im gleichen Jahr erstellte Johann Joachim Schwabe (1714–1784) eine deutsche Übersetzung unter dem Titel Aemil, oder Von der Erziehung (4 Thle. Berlin, Frankfurt a.M., Leipzig 1762). Die Geschichte vom Diener befindet sich im 1. Bd., 3. Buch, 33. Kapitel. 122–126 A b h an d lu n g v o n S p r ü c h w ö r ter n [...] Anton Panssa] nach Sancho Pansa de la Mancha, der Figur aus Cervantes’ Quijote; vgl. »Antons Panßa von Mancha Abhandlung von Sprüchwörtern, wie solche zu verstehen, und zu gebrauchen sind; dem Verfasser zum Besten, und dem Leser zur Erbauung ans Licht gestellt«. In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 4. Theil. Leipzig 1755, S. 1–276. 128 Dedication an den Esel] vgl. »Antons Panßa von Mancha Zueignungsschrift an des grossen Sancho Panßa grossen Esel«. In: Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 4. Theil, S. 3–16. 130 G ed an k e n s t eu er ] vgl. »Gedanken sind zollfrey«. In: Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 4. Theil, S. 182–276, insbes. S. 193f. 131 S te u er ü b er d i e P o e t en ] vgl. »Rechtliches Informat über die Frage: Ob ein Poet, als Poet, zur Kopfsteuer zu ziehen sey?« In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil. Leipzig 1751, S. 277–286. 132 M äd ge n s t ax e] vgl. den Abschnitt »Verstand« im »Versuch eines deutschen Wörterbuchs«. In: Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil, S. 201– 204. 137f. die politischen Kannengießer] nach dem Lustspiel Der politische Kannengießer (1722) von Ludvig Holberg (1684–1754). 158 lateinischen Chrienfloskeln] eine Chrie, von griech. chreia, ›Anwendung‹, ist eine formal streng geregelte schriftliche Ausarbeitung über eine moralphilosophische Sentenz oder Spruchweisheit, ursprünglich im Rahmen des Rhetorikunterrichts. Der lateinische Merkvers für den korrekten Aufbau einer Chrie lautet: »Quis, quid, cur, contra, simil(e), exemplaria, testes?«, dt. ›Wer, was, warum, Gegenteil, Ähnliches, Beispiele, Zeugen?‹ Anm. 1 Köstliche] hier im Sinne von: kostbare. 161 windbeuteln] aufschneiden, prahlen, protzen. 163 Zeitungscomtoiren] das Zeitungscomtoir der Stadt war ein Umschlagplatz für Informationen und Suchanzeigen. Der Begriff diente aber auch als Bezeichnung für bestimmte Zeitungen wie z. B. die Hamburgische Adreß-Comtoir-Nachrichten (1767–1826, Forts. ab 1826 als Hamburgische neue Zeitung und AdreßComtoir-Nachrichten). 166 Turnus] vgl. »Ein Traum von den Beschäfftigungen der abgeschiednen Seelen«. In: Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil, S. 9–72, hier S. 42f. 187 aufmuzt] aufputzen, ausschmücken.

262 | Erläuterungen

193 ob die Alten den Tod so oder so vorgestellt haben] Anspielung auf Lessings Schrift Wie die Alten den Tod gebildet. Eine Abhandlung (Berlin 1769). 194 Cramers Probierkunst] Johann Andreas Cramer (1710–1777), Chemiker und Metallurg. Anfangsgründe der Probierkunst (2. verb. Aufl., Leipzig 1766, EA 1746) ist die von dem Metallurgen Christlieb Ehregott Gellert (1713–1795, ein älterer Bruder des Dichters Gellert) besorgte Übersetzung seiner zuerst auf Latein veröffentlichten Schrift Elementa artis docimaticae (1739). 194f. Justi ein ungründlicher Projectmacher] Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717–1771), Jurist und Kameralist, hatte 1761 den Aufsatz »Gedanken von Projecten und Projectmachern« (erschienen in: Gesammlete Politische und Finanzschriften über wichtige Gegenstände der Staatskunst, der Kriegswissenschaften und des Cameral- und Finanzwesens. Bd. 1. Kopenhagen, Leipzig 1761, S. 256–281) verfasst (vgl. dazu Projektemacher. Zur Produktion von Wissen in der Vorform des Scheiterns. Hg. von Markus Krajewski. Berlin 2004); von Justi stammen über 50 Publikationen zu verschiedenen Themen der Philosophie, Politik, Ökonomie, Literatur, Technologie, Mineralogie, Chemie und Physik. 195 Jugels Schriften] Johann Gottfried Jugel (1707–1786), Chemiker aus Berlin, Verfasser mehrerer Schriften zum Berg- und Hüttenwesen, u. a. Höchstnützliches Berg- und Schmelzbuch in zween Theilen (1743); Gründlicher Begriff von dem ganzen Berg-, Bau-, Schmelzwesen und Markscheiden. 3 Bde. (1744); Freyentdeckte Experimentalchymie. 2 Bde. (1766). Anm. 2 Iselin] Isaak Iselin (1728–1782), Schweizer Geschichtsphilosoph und Publizist; bei dem erwähnten Werk handelt es sich um die zuerst anonym erschienenen Philosophischen Muthmassungen über die Geschichte der Menschheit (2 Bde. Frankfurt a. M., Leipzig [Basel] 1764). Anm. 2 Ferguson] Adam Ferguson (1723–1816), schottischer Moralphilosoph, Verfasser der Grundsätze der Moralphilosophie. Übers. von Christian Garve (Leipzig 1772). 196 Lessings Untersuchung] vgl. Lessing: Wie die Alten den Tod gebildet. Eine Abhandlung. Berlin 1769 (LW 6, S. 715‒778). 205 Virgilius restauratus] Werk, das Jonathan Swift zugeschrieben wird, aber von John Arbuthnot (1667–1735), einem schottischen Arzt, Mathematiker und Schriftsteller, stammt, vgl. Jonathan Swift: Satyrische und ernsthafte Schriften. Übers. von Johann Heinrich Waser. 8 Bde. Hamburg, Leipzig [Zürich] 1756– 1766, 2. Bd. (1756), S. 86–94. 216 Bentley] Richard Bentley (1662–1742), Philologe und Kritiker, königlicher Bibliothekar und Rektor des Trinity College in Cambridge. 221f. A b h a n d l u n g v o n d en G l ü c k w ü n s c h u n gs s c h r ei b e n ] »De Epistolis gratulatoriis, […] oder von der Vortrefflichkeit der Glückwünschungsschreiben nach dem neuesten Geschmacke«. In: Gottlieb Wilhelm Rabener: Sammlung satyrischer Schriften. 1. Theil. Leipzig 1751, S. 3–26. 226 moquiren] sich mokieren, sich über etwas spöttisch lustig machen.

Erläuterungen | 263

228 übertrieben lange Noten] Verweis auf Gottlieb Wilhelm Rabeners Satire »Hinkmars von Repkow Noten ohne Text«. In: Sammlung satyrischer Schriften. 2. Theil. Leipzig 1751, S. 107–168, vgl. Erl. zum Sechzehnten Brief (Z. 180). 234 Chef d’oeuvre d’un Inconnu] Le chef-d’oeuvre d’un inconnu: poëme heureusement découvert et mis au jour avec des remarques savantes et recherchées, par le Docteur Christome Matanasius, von [Thémiseul de] Saint-Hyacinthe. 2 Bde. La Haye 1745. 243 aus dem Anakreon] griechischer Lyriker, geb. zw. 575 und 570 v. Chr. in Teos (Ionien), gest. 495 v. Chr. in Athen, seine um die Themen Liebe, Wein und Geselligkeit kreisende Dichtung wurde im 18. Jahrhundert wiederentdeckt bzw. übersetzt und fand viele Nachahmer, u. a. Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Karl Wilhelm Ramler, Johann Peter Uz. Im Le chef-d’oeuvre d’un inconnu finden sich einige Abschnitte zu Anakreon, vgl. S. 7f., 47–50. 244 kam diese Schrift in Holland heraus] in Den Haag, frz. La Haye. 265 Confratres] (lat.) ›Mitbrüder‹. 269 Lintot, Carl] Barnaby Bernard Lintot (1675–1736), engl. Buchhändler und Verleger, der mit Alexander Pope in Streit geriet und von diesem in The Dunciad karikiert wird. Swift wiederum nimmt ihn in seinen Verses on the Death of Dr. Swift (beendet 1732, veröffentlicht 1739) aufs Korn. Edmund Curll (1675–1747), ebenfalls Buchhändler und Verleger, der wegen seiner Machenschaften von Alexander Pope und Jonathan Swift scharf angegriffen wurde, zumal dieser Swifts Autorschaft mehrerer seiner Werke publik machte; z. B. veröffentlichte Curll 1713 einen ›Schlüssel‹ zu A Tale of a Tub. Swift stellte daraufhin dessen Profitgier bloß und bezeichnete ihn als »the most infamous Bookseller of any Age or Century«. 271 Polizey] hier im Sinne von: Regierungskunst. Anm. 3 St. Pierrische Wünsche] Charles Irénée Castel (Abbé) de Saint-Pierre (1658– 1743), franz. Geistlicher und Sozialphilosoph der Frühaufklärung, entwarf 1712 einen Plan für den ewigen Frieden in Europa, vgl. Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe (Utrecht 1713). Anm. 3 pia desideria] (lat.) ›fromme, d. h. gutgemeinte, aber unerfüllte Wünsche‹, unter dem Titel Pia desideria, herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche erschien 1675 ein Kirchenreformprogramm des Pietisten Philipp Jacob Spener (1635–1705). Anm. 3 Herr Philo-Götze] Johann Melchior Goeze (1717–1786) zunächst in Magdeburg, dann ab 1755 in Hamburg wirkender protestantischer Theologe; als Vertreter der lutherischen Orthodoxie war er ein Gegner der Aufklärung und lag im Streit u. a. mit Karl Friedrich Bahrdt, Johann Bernhard Basedow, später war er Hauptgegner Lessings im sogen. Fragmentenstreit (1774–79); vgl. Erl. zum Dreizehnten Brief (Z. 220f.) und zum Fünfzehnten Brief (Z. 190ff.). Anm. 3 Herr Schlötzer] August Ludwig Schlözer (1735–1809), Historiker, Publizist, Staatsrechtler, erhielt 1769 eine Professur an der Universität Göttingen.

264 | Erläuterungen

276 Non nostrum est, tantas componere lites.] nach Virgil: Non nostrum inter vos tantas componere lites, dt.: ›Es ist nicht an uns, solchen schwerwiegenden Disput richtigzustellen‹ (Eclogae III, 108). 281 Toussaint] François Vincent Toussaint (1715–1772), franz. Rechtsanwalt, Schriftsteller und Übersetzer, kam 1754 nach Berlin, wo er in die KöniglichPreußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde, vgl. Extrait des œuvres de Mr. Gellert, contenant ses Apologues, ses Fables et ses Histoires, traduit de l’allemand en françois par M. Toussaint Advocat au parlement de Paris, de l’Academie Royale de Prusse. 2 Bde. Züllichau 1768. 281 Huber] Michael Huber (1727–1804) war ein in Paris lebender Sprachlehrer, ab 1766 Französisch-Lektor an der Universität Leipzig, vgl. Choix de Poésies allemandes, par M[ichel] Huber. 4 Bde. Paris 1766. 285f. Unsre warhaftig großen Dichter, einen Klopstok, einen Ramler, einen Geßner, einen Wieland, einen Gleim] Dichter, die für Mauvillon und Unzer den ersten Rang einnehmen.

Achtzehnter Brief 2

fünf Namen aussprechen] Klopstok, Ramler, Geßner, Wieland und Gleim, vgl. Erl. zum Siebzehnten Brief (Z. 285f.). 9 dem Insulaner] Engländer. 10 Franzen] Franzosen. 11f. Bewohner der Ufer des Po und des Arno, oo’ il bel si suona] ›oh, die schönen Klänge‹, nach Dante (Inferno XXXIII, 79–80) »Le genti del bel paese là dove il sì suona«, dt.: ›die Bewohner der bezaubernden Landschaft, wo das ›sì‹ erklingt‹, d. h. zwischen den Flüssen Po und Arno in Norditalien. Dante bestimmt die Verschiedenheit der Bewohner in Hinblick auf ihre Bejahungs-Wörter. Hier ist die Stadt Pisa gemeint. 12f. mit sonderlichem Wohllaut] vgl. Unzers Gedicht »Sehnsucht nach Italien«, das in leicht voneinander abweichenden Fassungen posthum erschien in: Neuer gelehrter Mercurius, 3. Bd., 52. Stück, 28. Dezember 1775, S. 403–405; Deutsches Museum, 2. Bd., 12. Stück, Dezember 1780, S. 551–553; Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1782, 11. Stück, S. 474–476; dazu Arne Klawitter: »›Sehnsucht nach Italien‹. Ludwig August Unzers sensualisiertes Dichterland«. In: Lessing Yearbook/Lessing Jahrbuch XLVI (2019), S. 135–151. 28 Hagedornen und Kleisten] Friedrich von Hagedorn (1708–1754), vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 34). Ewald Christian von Kleist (1715–1759), Dichter und preußischer Offizier, bekannt vor allem durch das in Hexametern abgefasste Gedicht Der Frühling (Berlin 1749), starb nach einer Verwundung in der Schlacht von Kunersdorf.

Erläuterungen | 265

41

Exegi monumentum aere perennius] nach Horaz (Carmina III, 30, 1), dt.: ›Errichtet habe ich ein Monument, das Erz überdauert.‹ (Übersetzung von Bernhard Kytzler), vgl. Friedrich von Hagedorn: Poetische Werke. 3 Bde. Hamburg 1757, 1. Bd., S. 212. Dem Text folgt eine gestochene Vignette mit der Sentenz des Horaz. 42f. der verfolgte Rousseau wird ohne Ehrensäule in seinen Schriften ewig leben] auch wenn es für Rousseaus Ruhm keines Denkmals bedurfte, ließ die französische Nationalversammlung ihm im Dezember 1790 eine Ehrensäule errichten. 46 Tändeleyen der Thorenwelt] von ›Tand‹, wertloses Zeug, Kleinigkeiten; leeres Geschwätz; zum eigenen Nachruhm s. Unzers Brief an Mauvillon vom 22. November 1772, wo es heißt: »Auf die reizende Aussicht des Nachruhms muß ich Verzicht machen. Ich entferne immer mehr diese mir ehemals so werthe Idee aus meinem Geiste. Sie möchte die Bande die mich ans Leben fesseln, gar zu fest knüpfen, und es ist jetzt Pflicht für mich geworden, jeden unzeitigen Wunsch nach einer längern Existenz bei mir zu unterdrücken, damit ich um so ruhiger meiner allmäligen Zerstörung zusehen kann« (Mauvillons Briefwechsel, S. 55f.). 53 Was that dir, Thor, dein Vaterland?] »Was that dir, Thor, dein Vaterland [...]«, vgl. Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode »Wir und Sie«. In: Göttingischer Musenalmanach für das Jahr 1770, S. 17–19, gleichzeitig in: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1770, S. 151f.; vgl. auch Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden. Hamburg 1771, S. 220f. 57 die Söhne Teuts] Teut (Tuiskon) gilt in der german. Mythologie als Stammvater des deutschen Volkes, vgl. z. B. die Vaterlandslieder von Michael Denis, in: Die Lieder Sineds des Barden. Mit Vorbericht und Anmerkungen von M. Denis (Wien 1772), insbes. S. 182–185 (»An den Obersten der Barden Teuts«). 65 Credat Judaeus Appella!] ›Das glaube der (leichtgläubige) Jude Appella‹, d. h. das glaube, wer will (nach Horaz: Satiren I, 5, 100). 76f. wie aus den verschiednen Critiken über den A g a th o n und die Mu s ar i o n zu ersehen ist] vgl. Allgemeine deutsche Bibliothek, 6. Bd., 1. Stück (1768), S. 190– 211 (Rez. von Isaak Iselin) und 12. Bd., 2. Stück (1770), S. 286–289 (Rez. von Ehrenfried Engelbert Buschmann [1743–1806], Gerichtssekretär in Stralsund); Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften, 1. Bd., 3. Stück (1768), S. 11–55 und 2. Bd., 6. Stück (1768), S. 367–376, sowie zu Lessings »Komplimenten«, vgl. Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften, 4. Bd., 15. Stück (1769), S. 494f.; ferner: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften, 9. Bd., 1. Stück (1769), S. 113–131 und Friedrich Justus Riedels Philosophische Bibliothek, 1. Stück (1769), S. 120–124. 80f. ein tüchtiger Scaramuz] ital. Scaramuccia, frz. Scaramouche: mit der Bedeutung ›Scharmützel‹‹ oder ›Wortgefecht‹: prahlsüchtige Figur der italienischen

266 | Erläuterungen

Commedia dell’arte, meist schwarz gekleidet und in spanischer Tracht, repräsentiert den neapolitanischen Abenteurer. 91 Gedichtgen von Jacobi] von dem Dichter Johann Georg Jacobi (1740–1814). 92 eine piece fugitive] frz. für ›flüchtiges Stück‹, modische Form der franz. Dichtung im 18. Jahrhundert. 92f. Engeln, Ebeling, Koch, Gottern, Kretschmann, Michaelis und Sangerhausen] Johann Jakob Engel (1741–1802), Dichter, Philosoph und Schauspielautor, in dessen Werk Dichtung und philosophischer Anspruch aufeinander treffen; einige seiner zunächst verstreut erschienen Gedichte wie »An die menschliche Seele«, »Huldigung« und »Lied eines Mädchens« finden sich bei Friedrich Matthisson: Lyrische Anthologie. 7. Theil. Zürich 1804, S. 35–39. ‒ Christoph Daniel Ebeling (1741–1817), Studium der Theologie, Geschichte, Philosophie und der engl. Sprache in Göttingen, 1766 in Leipzig, seit 1769 in Hamburg, schrieb u. a. Gelegenheitsgedichte auf Klopstock. Georg Heinrich August Koch (gest. 1773), Sekretär zu Braunschweig, veröffentlichte u. a. Lyrische Gedichte (Braunschweig 1765), Der Guelphe im Schlachtfelde bey Minden. Ein episches Gedicht (Braunschweig 1768), Kleine Gedichte (2 Thle. Braunschweig 1769) sowie Oden (Braunschweig 1769). ‒ Friedrich Wilhelm Gotter (1746–1797), seine Gedichte erschienen zunächst verstreut in Zeitschriften und Almanachen: »An meine Freunde« (1768), »Laura am Morgen nach ihrer Brautnacht«, »Der Frühling«, »An zwey Brüder«, »Tarquin und Lukrezia«, »Der Wunsch«, »Tageszeiten der Seele«, »Agathon«, »An Malchen« (1769), vgl. Friedrich Wilhelm Gotter: Gedichte. 3 Bde. Gotha 1787–1802. ‒ Karl Friedrich Kretschmann (1738–1809), nach dem Jura-Studium in Wittenberg Oberamtsadvokat in Zittau, publizierte eine Sammlung komischer, lyrischer und epigrammatischer Gedichte. Frankfurt a. M., Leipzig 1764 (erneut unter dem Titel Scherzhafte Gesänge. Leipzig 1771) und den Gesang Rhingulphs des Barden. Als Varus geschlagen war. Leipzig 1769. ‒ Johann Benjamin Michaelis (1746–1772), gehörte zum Freundeskreis um Gleim, wurde durch Vermittlung Lessings Theaterdichter der Seylerschen Truppe, vgl. ders.: Einzel[n]e Gedichte. Erste Sammlung. Leipzig 1769. ‒ Christoph Friedrich Sangerhausen (1740–1802), Rektor der Stadtschule zu Aschersleben, Mitglied der Halberstädter ›Literarischen Gesellschaft‹, vgl. ders.: Briefe in Versen. 2 Bde. Halberstadt 1771/72. 95 welche attische Urbanität!] in der griech. Antike: Sinnesart und gesellschaftliche Umgangsweise gebildeter, freimütiger, weltoffener Menschen. 95f. welch ein lydischweicher Gesang!] lydisch (nach den Lydern, Volk im Westen Kleinasiens): eine der acht Oktavgattungen des altgriechischen Tonysystems (Systema Téleion); das Lydische wird von Sokrates in Platons Politeia als zu weichlich abgelehnt. 98f. Kleist hat den Ton der guten Gesellschaft verfehlt] d. h. seine Gedichte entsprachen nicht der damals herrschenden Mode.

Erläuterungen | 267

108f. Hagedorn, Kleist, Haller, Weiße, Zachariä, Lessing und besonders Uzzen] vgl. Erl. zum Ersten (Z. 61), Sechsten (Z. 20f.), Neunten (Z. 34) und Achtzehnten Brief (Z. 28); mit Uzzen ist Johann Peter Uz (1720–1796) gemeint, der hier von Unzer als »Nationalodendichter« gerühmt wird. 110f. wie Virgil sagt, i n w ei ter E n t f er n u n g d i e N äc h s te n ] »In weiter Entfernung der Nächste«, Virgil zugeschrieben, zitiert in Friedrich Gottlieb Klopstock: »Von der Freundschaft«. In: Der Nordische Aufseher, 2. Bd., 95. Stück, 9. August 1759, S. 451–460, hier S. 456. 113 welches wir vor drey Jahren, als ich Sie in W …] 1768 in Wernigerode. 114‒116 legten Sie mir in der kleinen Gartenlaube Ihr historischpoetisches Glaubensbekenntniß ab, und sagten, daß sie Classen unter den Dichtern aller Nationen machten] Anspielung auf den Ort der Gespräche zwischen Unzer und Mauvillon, als dieser die Familie Unzer in Wernigerode besuchte. Im weiteren Verlauf der ›Dichterbriefe‹ wird die Laube zum Symbol für den Gipfel des Parnasses bzw. eine dort befindliche Lokalität, in die nur wenige Dichter Einlass finden dürfen. 120 die genannten fünf Dichter] Klopstock, Ramler, Geßner, Wieland und Gleim. 127 Calliopens Tuba] Calliope, auch Kalliope, die neunte und älteste der Musen; sie wird gewöhnlich mit Blumen bekränzt und mit Wachstafel und Griffel in ihren Händen (die epische Dichtung symbolisierend) bzw. mit einer Trompete oder Tuba (für die Rhetorik) dargestellt; hier ist die Personifikation der epischen Dichtung gemeint. 127f. die süße Flöte Thaliens] Thalia ist die Muse der Komödie, eine Grazie im Gefolge des Apoll, die Flöte spielend. 129 unser Pallavicini] Ferrante Pallavicino (1615–1644), ital. Dichter von Lustspielen und Satiren, verfasste 1643 die antipäpstliche Satire Il divortio celeste, dt. ›Die himmlische Ehescheidung‹, von der im selben Jahr drei deutsche Ausgaben erschienen; wurde auf Betreiben des Vatikans in Avignon hingerichtet, vgl. u. a. in deutscher Übersetzung von Johann Wilhelm von Stubenberg (1619– 1663): Geteutschter Samson. Des Fürtrefflichsten Italiänischen Schreiber-Liechtes unserer Zeiten, Herrn Ferrante Pallavicini. Nürnberg 1657. 132 Rabulist] abwertend: spitzfindiger Wortverdreher. 135f. D i e Z u f r i ed e n h ei t, d a s b ed r än g t e D eu ts c h l an d , E r m u n ter u n g z u m V er gn ü g en , S i l en u s , T e m p e] Oden von Johann Peter Uz, vgl. ders.: Sämtliche Poetische Werke. 2 Bde. Leipzig 1768, 1. Bd., S. 32–35, 44–47, 75f., 89– 94, 103–107. 136 S i le n u s ] Silen: satyrhafter Begleiter des Bacchus (Dionysos), meist in der Mehrzahl auftretend, dargestellt als ältere, dickbäuchige, glatzköpfige, trunkene Männer. 136 T em p e] die Thessalischen Tempe sind die in Thessalien zwischen den Bergen Olymp und Ossa liegenden Täler. Der Name findet sich für anmutige Täler auch bei Ovid (die Helorischen Tempe in Sizilien, Fasti IV, v. 477), bei Statius (die

268 | Erläuterungen

Teumessischen Tempe in Böotien, Theb. I, 486) und bei Virgil (Georgica II, 469). 136 d i e G r o t t e d er N ac h t] vgl. Uz: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., S. 172– 176. 137 d i e D i c h tk u n s t und endlich T h e o d i c ee] vgl. Uz: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., S. 177–182 und S. 207–218. 137f. Wie weit bleibt Rousseau unter Utzen] gemeint ist Jean-Baptiste Rousseau (1671–1741), franz. Lyriker (nicht der Philosoph Jean-Jacques Rousseau), vgl. Erl. zum Siebten Brief (Z. 107). 139 Utzische Chrestomathie] griech., für den Unterricht bestimmte Sammlung ausgewählter Texte oder Textauszüge, hier: die Zusammenstellung der genannten Texte von Uz. 142 in der neuesten Ausgabe] vgl. Johann Peter Uz: Sämtliche Poetische Werke. 2 Bde. Leipzig 1768. 144 asträische Geschäfte] nach Astraeus, einem der Titanen, der mit der Aurora die Winde gezeugt hat; vgl. hierzu Uz: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 367. 147f. sein Lehrgedicht von der Ku n s t s t e ts f r ö li c h z u s ey n ] vgl. Johann Peter Uz: Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn. Leipzig 1760; ders.: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 1–146. 154 S i eg d e s L i eb es go t te s ] Gedicht von Uz, zuerst anonym (Stralsund, Greifswald und Leipzig: Weitbrecht 1753), dann in: Lyrische und andere Gedichte. Ansbach 1755; vgl. Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 147–218. 155f. die Duschischen Einwürfe] vgl. Johann Jacob Duschs Vorrede zu seinen Vermischten kritischen und Satirischen Schriften, nebst einigen Oden auf gegenwärtige Zeiten (Altona: Iversen 1758) als Reaktion auf die negative Kritik seines komischen Heldengedichts »Der Schooßhund« (1756) in der Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste, 1. Bd., 2. Stück (Leipzig 1757), S. 355–370, während Uzens »Sieg des Liebesgottes« gelobt wurde. Der Streit wird wieder aufgenommen in der Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste, 4. Bd., 1. Stück (Leipzig 1758), S. 532–542. 169 Sein S c h n u p f t u c h ] »Das Schnupftuch«, scherzhafte epische Dichtung von Friedrich Wilhelm Zachariä (1753), erschienen in ders.: Scherzhafte Epische Poesien nebst einigen Oden und Liedern. Braunschweig, Hildesheim 1754, S. 201–290. 171f. Der P h a et o n ] ein scherzhaftes Heldengedicht von Friedrich Wilhelm Zachariä, erschienen in ders.: Scherzhafte Epische Poesien nebst einigen Oden und Liedern. Braunschweig, Hildesheim 1754, S. 291–338; vgl. ders.: Poetische Schriften. 9 Bde. Braunschweig 1763–1765, 1. Bd., 1763, S. 289–332. 173f. Warum Avenarius, statt des Mu r n er s i n d er H ö ll e] vgl. Benedict Christian Avenarius: Aelurias, Epos iocosum (Braunschweig 1771), eine Übersetzung von Friedrich Wilhelm Zachariäs scherzhaftem Heldengedicht Murner in der Hölle (Rostock 1757) ins Lateinische, vgl. Erl. zum Sechsten Brief (Z. 20f.).

Erläuterungen | 269

178 Die p o e ti s c h en B r i ef e, die Uz seinen Werken angehängt hat] vgl. Uz: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 253–366. 179 Brief an den Hofadvocat G.] vgl. Uz: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 294– 303.

Neunzehnter Brief 4

zu W... als ich Sie auf meiner Durchreise nach H...] Wernigerode, auf der Durchreise nach Hamburg. In einem Brief an Johann Joachim Eschenburg vom 14.11.1769 kündigte Mauvillon an, im Frühjahr 1770 nach Hamburg fahren zu wollen (Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek, Signatur: 4° Ms. hist. litt. 37[Mauvillon:03). Bereits im Sommer 1769 bemühte sich Mauvillon um eine Anstellung in der Hansestadt. 36 Aeneas, der die Dido verläßt] nach Virgil, Aeneis: Dido, Königin von Karthago, verliebte sich in Aeneas, doch Jupiter sendet Merkur mit der Botschaft aus, Aeneas müsse sich zur Abfahrt rüsten, woraufhin Dido sich selbst tötet. Der Stoff wurde erneut verarbeitet von Henry Purcell in der Barockoper »Dido und Aeneas« (1688/89). 51f. Die unter dem Bilde einer wichtigen Republik geschilderte Bienenwirthschaft] gemeint ist der Bienenstaat in Virgils Georgica (4. Buch), einem Lehrgedicht in vier Büchern, geschrieben zw. 37 und 29 v. Chr. Virgil schildert das organisierte Staatswesen der Bienen als ein ideales Vorbild für den römischen Staat; 1714 veröffentlichte Bernard Mandeville (1670–1733) Le Fable des Abeilles, dt. ›Die Bienenfabel‹. 68f. Geßner bekommt den Einfall] vgl. »Tityrus. Menalkas«. In: [Salomon Gessner:] Idyllen, von dem Verfasser des Daphnis. Zürich 1756, S. 86–90. 102 Karschin] Anna Louisa Karschin (1722–1791), deutsche Dichterin, die unter ärmsten Verhältnissen aufgewachsen war, 1761 nach Berlin kam und Zutritt zu adligen Kreisen erhielt, Freundschaft mit Gleim und Sulzer, wurde aufgrund ihrer Auserlesenen Gedichte (1764) und Poetischen Einfälle (ebenfalls 1764) als ›preußische Sappho‹ bezeichnet. Moses Mendelssohn lobte ihre Talente (272. und 273. Brief, in: Briefe, die neueste Litteratur betreffend. XVII. Theil, 1764, S. 123–126 und 127–134) und Gerstenberg behandelte einige ihrer Gedichte in der Fortsetzung des 12. seiner Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur (3 Bde. Schleswig, Leipzig 1766/67), hier: 2. Samml. (1766), S. 183–191. 123f. Haller wird die Antwort seyn] Albrecht von Haller (1708–1777), Arzt und gelehrter Dichter aus der Schweiz, vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 34). 145 Opizen] Martin Opitz (1597–1639), deutscher Lyriker, Begründer der schlesischen Dichterschule, Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (ab 1729), schuf mit dem Buch von der Deutschen Poeterey (1624) eine für die Barockdich-

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tung richtungweisende Poetik, in der er sich für den Alexandriner als bevorzugtes Vermaß aussprach. 146 Gottsched] Johann Christoph Gottsched (1700–1766), Literaturhistoriker, Übersetzer und Dichter, Professor für Poetik, Logik und Metaphysik in Leipzig; kritisierte den Manierismus des Barock und stritt mit den Schweizern Johann Jakob Bodmer (1698–1783) und Johann Jakob Breitinger (1701–1776) über den Zusammenhang von poetischen Regeln und Phantasie. Zu seinen literaturtheoretischen Werken zählt maßgeblich der Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen (Leipzig 1730). 151 d i e A lp en ] Lehrgedicht in 49 Strophen von Albrecht von Haller mit Naturbeschreibungen und moralischen Überlegungen, zuerst veröffentlicht 1729. 164f. zehnversigen Stanzen […] in Ottaven] ital. Ottave rime (auch Ottava rima): ital. Gedichtform mit acht weiblichen elfsilbigen Verszeilen (Hendekasyllaben), gebraucht u. a. von Ariost und Tasso. Im Deutschen meist mit fünfhebigen Jamben wechselnder Kadenz wiedergegeben (so bei Wieland, Heinse, Goethe). 175 den A et n a eines ungewissen Schriftstellers] ein unbekannter Verfasser (vermutlich Cornelius Severus, ein römischer Dichter aus der augusteischen Zeit, der mit Ovid befreundet war) widmete dem Vulkan Ätna auf Sizilien unter dem Namen des Dichters Vergil ein Gedicht, entstanden in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts, vgl. Appendix Vergiliana. Zwei Jahre vor den ›Dichterbriefen‹ erschien Des Cornelius Severus Aetna. Übersetzt von Conrad Arnold Schmid. Braunschweig 1769, besprochen im Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1770, S. 113, in der Deutschen Bibliothek der schönen Wissenschaften, 4. Bd., 14. St., 1770, S. 369–372 und in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, 15. Bd., 1. St., 1771, S. 234f. 176 Virgil oder Ovid] Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.), genannt Virgil, und Publius Ovidius Naso (43 v. Chr.–17 n. Chr.), bedeutende röm. Dichter, bekannt durch die Aeneis und die Metamorphosen, vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 24). 181 von der Unternehmung der Riesen gegen die Götter] Kampf der Titanen (in der antiken Dichtung mit den Giganten gleichgesetzt), der Kinder des Himmelsgottes Uranos und der Erdgöttin Gaia, gegen die olympischen Götter, bei dem erstere unterlagen. 185f. Hallers Gedanken ü b e r V er n u n f t , A b er g l au b en u n d U n gl a u b e n ] vgl. »Gedanken über Vernunft, Aberglauben, und Unglauben« (1729), in: Albrecht von Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte. Neue, vollst. Aufl. Zürich 1768, S. 24–40 (EA Bern 1732). 190 Lucrez] eigentlich Titus Lucretius Carus (zw. 98 und 94–55 oder 53 v. Chr.), römischer Dichter und Philosoph; sein Hauptwerk De Rerum Natura, dt. Über die Natur der Dinge, ein Lehrgedicht und zugleich eine Hommage an Epikur, handelt von der Stellung des Menschen in einem von Göttern unbeeinflussten Universum.

Erläuterungen | 271

196–212 Aulide quo pacto [...] daretur.] Lukrez, De rerum natura I, Vers 84–101 (deutsch von Dietrich Ebener): Auf dem Altar der Jungfrau Diana in Aulis, zum Beispiel, haben die griechischen Feldherrn, vortrefflichste Helden, Elite!, grausam, abscheulich, das Blut Iphigenies vergossen. Dem Mädchen schlang sich, zum Opfer, die Binde schon rings um die wallenden Locken, beiderseits fiel sie über die Wangen hernieder; vor Augen hatte das Kind den Vater, der finsteren Blicks am Altare stand, dicht daneben die Opferschlächter, bemüht noch, ihr Messer scheu zu verstecken: Da sank Iphigenie, stumm vor Entsetzen, jäh in die Knie. Jetzt konnte dem armen Mädchen nicht helfen, daß sie als erste dereinst den Fürsten als »Vater« begrüßte. Fäuste rissen sie hoch, sie zitterte, sah zum Altare fort sich geschleppt. Nicht sollte sie nach dem festlichen Brauche unter den Klängen des Hochzeitsliedes geleitet sich sehen, sollte vielmehr, zur Braut grad gereift, selbst unschuldig, schuldhaft fallen als Opferlamm, jämmerlich, nach dem Befehle des eignen Vaters – damit die Flotte noch glücklich auslaufen konnte! 197 Iphianassaï] eine der drei Töchter des Agamemnon und der Klytemnestra, mit Iphigenie gleichgesetzt. 215 Tantum Relligio potuit suadere malorum.] »Solchen Wahnsinn vermochte die Religion anzuraten!« (ebd., Vers 101). 222f. d i e F a l s c h h ei t m en s c h li c h er T u g en d en ] vgl. Albrecht von Haller: »Die Falschheit menschlicher Tugenden« (1730). In: ders.: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 41–55. 226–237 Die Welt, die Cäsarn dient, ist meiner nicht mehr werth] vgl. Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 79; [Ruft Cato, Roms sein Geist] muss heißen: Ruft Cato, Roms geweyter Geist; zu Cato vgl. Erl. zum Vierten (Z. 275) und Zwölften Brief (Z. 411). 239 Victrix caussa Diis placuit, sed victa Catoni] »Die siegreiche Sache gefiel den Göttern, die besiegte aber dem Cato« (Lukan [39–65]: De bello civili I, 128). Gemeint ist Julius Caesars Sieg unter der Führung des Pompeius im Bürgerkrieg 49–46 v. Chr. Cato der Jüngere beging nach der Schlacht bei Thapsus (46 v. Chr.) Selbstmord. 243 Es sey Regulus in seiner berühmten That] vgl. Horazens Ode »An Caesar Augustus, Regulus« (Carmina III, 5); vgl. unten den Einundzwanzigsten Brief, Z. 105–129. 246–261 Fertur pudicae conjugis osculum [...] Tarentum.] Horaz, Carmina III, 5, Verse 41–56 (»Auf Augustus, den Erneuer der alten Kriegszucht«, in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß):

272 | Erläuterungen

Man sagt, der keuschen Ehegenossin Kuß Und kleine Kinder hab’ er, wie freiheitslos, Von sich entfernt, und düstres Auges Niedergesenkt das entschlossene Antlitz; Bis er der Väter wankende Meinungen Durch Rath gekräftigt, welchen noch keiner rieth, Und unter wehmutsvollen Freunden Rasch er enteilt, ein erhabner Flüchtling. 268 Wir sind keine Wartons] Joseph Warton (1722–1800), engl. Gelehrter und Literaturkritiker, der u. a. Essay on the Genius and Writings of Pope (2 Bde. 1756/1782) verfasste, und sein Bruder Thomas Warton (1728–1790), engl. Literaturkritiker und Dichter, Verfasser von The Pleasures of Melancholy (1747) und der Observations on the Faerie Queene of Spenser (1754). 277 seine D o r i s ] vgl. »Doris« (1730). In: Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 104–108. 281 Ode auf Marianens Tod] vgl. »Trauer-Ode beym Absterben seiner geliebten Mariane« (1736). In: Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 135–140. 283 Werlhofische Gedicht] vgl. Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 187– 189, entstanden 1736. Paul Gottlieb Werlhof (1699–1767), Mediziner und Dichter, vgl. Gedichte. Hg. von der deutschen Gesellschaft in Göttingen mit einer Vorrede Herrn D. Albrecht Hallers. Hannover 1749. 297 dafür] lies: davor.

Zwanzigster Brief 3 4 6

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libation expiatoire] frz. für Buß- oder Sühneopfer. daß ich […] verlassen habe] Ludwig August Unzer verließ Wernigerode, um in Zorge (im Harz) eine Hofmeisterstelle anzutreten. Tartarus] (griech. Tartaros) tiefster und schrecklichster Bereich des Orkus (auch Orcus), der Unterwelt der römischen Mythologie (entsprechend dem griech. Hades). Böotien] Landschaft in Mittelgriechenland nördlich von Attika, deren Bewohner im Altertum als bäurisch-ungehobelt und ungebildet galten, vgl. Erl. zum Vierzehnten Brief (Z. 130f.). würde Ovid sein Tomos] Ovid, eigentlich Publius Ovidius Naso (43 v. Chr.– 17 n. Chr.), zählt zu den großen Poeten der klassischen latein. Dichtung, vor allem bekannt durch sein Hauptwerk Metamorphoseon (dt. ›Verwandlungen‹ oder kurz Metamorphosen); unter Kaiser Augustus wurde Ovid nach Tomis (heute Constanta, Rumänien) ans Schwarze Meer verbannt.

Erläuterungen | 273

8f. im Schubartschen Ton] vgl. Christian Friederich Daniel Schubart: Todesgesänge (Ulm 1767), die unter dem Eindruck von Klopstocks Messias entstanden; ferner ders.: ODE auf den Tod des Herrn Hof- und Regierungsrath Abbt in Bükeburg (Ulm 1766). 9 oder Müllerische Nachtgedanken] Philipp Ludwig Statius Müller (1725–1776), Theologe und Zoologe sowie Professor der Weltweisheit zu Erlangen, gab 1757– 58 Einsame Nacht=Gedanken, eine Wochenschrift, oder moralische Betrachtungen über die Welt und weltliche Begebenheiten. 2 Thle. (Erlangen) heraus. 13 für die Trägheit] lies: vor der Trägheit. 14f. In der Einsamkeit, worin ich izt versetzt bin] Unzer behandelte dieses Thema später ausführlicher in seinem Aufsatz »Gedanken über die Einsamkeit«. In: Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen, 13. Bd., 79. Stück, 9.10.1773, Sp. 633–640; fortgesetzt im 80. Stück, 13.10.1773, Sp. 641–648; Beschluss im 81. Stück, 16.10.1773, Sp. 649–652. 36 Persius] d. i. Aulus Persius Flaccus (34–62), römischer Dichter, der vor allem Satiren schrieb, in denen er die Missstände der Zeit kritisierte, Anhänger der stoischen Philosophie. 38 Nero] Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (37–68), von 54 bis 68 Kaiser des Römischen Reiches, heute einer der umstrittensten römischen Herrscher. So hat es unter seiner Regentschaft die ersten Christenverfolgungen gegeben, nachdem man diese für den großen Brand von Rom verantwortlich gemacht hatte; zudem zwang er der Überlieferung nach seinen Erzieher und Berater Seneca zum Selbstmord. 38 Juvenal] letzter bedeutender römischer Satirendichter, geb. um das Jahr 60 und gest. 140, überliefert sind 16 Satiren mit scharfer Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen unter der Regentschaft des Kaisers Domitian. 51 Vorrede zu seinen und Werlhofs Gedichten] Albrecht von Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte. Neue, vollst. Aufl. Zürich 1768, S. I–XXX. 53 k l ei n en S c h r i f t en von neuem gedruckt zu sehen] Sammlung kleiner Hallerischer Schriften. 2. verb. Aufl. 3 Bde. Bern 1772 (EA Bern 1756). 55 Poesie von Popen] Alexander Pope, engl. Dichter, bekannt durch sein Gedicht The Rape of the Lock (1712) und seinen Essay on Man (1732–34), vgl. Erl. zum Neunten (Z. 26) und Zwölften Brief (Z. 14). Zentrale Gedanken seines Gedichts »Ueber den Ursprung des Uebels« (1734) bezog Haller aus Popes Essay on Man (1733/34). Einen weiteren Bezug zu Pope stellt Haller in einer Anmerkung zum Gedicht »Gedanken über Vernunft, Aberglauben und Unglauben« her, vgl. Albrecht von Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte. 10. Aufl. Göttingen 1768, S. 47. (In der Züricher Ausgabe aus dem gleichen Jahr fehlt diese Anmerkung.) 60 Addison] Joseph Addison (1672–1719), engl. Dichter, Politiker und Journalist, übersetzte das Werk des Petronius ins Englische, Herausgeber (zusammen mit Richard Steele) der moralischen Wochenschrift The Tatler (1709–11) und der Londoner Zeitung The Spectator (1711/12 und 1714).

274 | Erläuterungen

64f. Sucros, Creuze und andere Nachahmer] Christoph Joseph Sucro (1718–1756), Lehr- und Fabeldichter, 1738 Studium der Theologie und Philosophie in Halle, 1745 Lehrer für Griechisch, Weltweisheit und Beredsamkeit am Gymnasium in Coburg, vgl. Versuche in Lehrgedichten und Fabeln (1747). ‒ Friedrich Karl Kasimir Freiherr von Creutz (1724–1770), Dichter und Philosoph, 1746 Hofrat des Landgrafen Friedrich IV. von Hessen-Homburg, 1756 Geheimrat und kaiserlicher Reichshofrat, seine Dichtung ist beeinflusst von Youngs Nachtgedanken, vgl. Oden und andere Gedichte (Frankfurt a. M. 1750), Versuch über die Seele (2 Bde. Frankfurt a. M., Leipzig 1753/54), Die Gräber. Ein Philosophisches Gedicht, in 6 Gesängen (Frankfurt a. M., Mainz 1760). 68 Withof] Johann Philipp Lorenz Withof (1725–1789), Arzt und Professor für Geschichte, Beredsamkeit und Moral in Duisburg, verfasste u. a. Die moralischen Ketzer (Duisburg 1760) und Die Redlichkeit. Ein Gedicht in drey Büchern (Halberstadt 1770). Zu Withofs Gedichten vgl. den 126. Literaturbrief (Briefe, die neueste Litteratur betreffend. VII. Theil, 1760, S. 163–176). 83 F r a gm e n t ü b er d i e E w i gk ei t] vgl. »Unvollkommenes Gedicht über die Ewigkeit« (1736). In: Albrecht Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte. Neue, vollst. Aufl. Zürich 1768, S. 154–159. 83f. Trauerlied au f M ar i a n e n ] vgl. »Trauer-Ode beym Absterben seiner geliebten Mariane« (1736). In: Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 135–140. 84 U r s p r u n g d es U eb el s ] vgl. »Ueber den Ursprung des Uebels« (1734). In: Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte, S. 56–81. 89 ein zärtliches Gedicht aber für einen Bastard zu erklären] vermutlich einen ›Bastard‹ aus Genialität und Empfindsamkeit. Unzer selbst spricht sich an verschiedenen Stellen für die »sanfte[n] Empfindungen« in der Dichtung aus (Ludwig August Unzer: Naivetaeten und Einfaelle. Göttingen 1773, S. 7). 94 Fr. Karschin] Anna Louisa Karschin (1722–1791), vgl. Erl. zum Neunzehnten Brief (Z. 102). 95 olympische Versammlung] gemeint ist der deutsche Dichterparnass. 96 Creditiv] Beglaubigung bzw. Beglaubigungsschreiben. (Anders als Unzer schätzt Mauvillon die Dichterin Karschin viel höher ein; vgl. den Brief der Karschin an Mauvillon, in: Mauvillons Briefwechsel, S. 294–296) 97f. Uz, Gerstenberg oder Denis] vgl. Erl. zum Ersten (Z. 61) und Zweiten Brief (Z. 258). Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (1737–1823), Lyriker, Dramatiker, Übersetzer und Literaturkritiker; Verfasser der Tragödie Ugolino (Hamburg, Bremen 1768), die Unzer aber erst nach Abfassung der ›Dichterbriefe‹ gelesen hatte, vgl. Unzers Brief an Mauvillon vom 18.9.1771, in: Mauvillons Briefwechsel, S. 24. 101 deutschen Sappho] die Bezeichnung ›deutsche Sappho‹ geht auf Gleim zurück; abgeleitet von Sappho, griech. Dichterin, die zw. 650 und 590 v. Chr. auf der Insel Lesbos lebte. Sie gilt als die bedeutendste Lyrikerin der Antike und schrieb vorwiegend Götterhymnen, Hochzeits- und Liebeslyrik. Ihr wird die Er-

Erläuterungen | 275

findung der sapphischen Strophe, einer vierzeiligen Odenstrophe, zugeschrieben. Zur Karschin als ›deutsche Sappho‹ und wie unpassend dieser Vergleich ist vgl. Johann Gottfried Herder: Ueber die neuere deutsche Litteratur. Zwote Sammlung von Fragmenten. Eine Beilage zu den Briefen, die neueste Litteratur betreffend. Riga 1767, S. 370–377; vgl. HW 1, S. 261‒365, hier S. 361–364. 102 Hr. Moses findet dies unbillig] Moses Mendelssohn (1729–1786) äußerte sich im 272. Brief über der Karschin auserlesene Gedichte, vgl. Briefe, die neueste Litteratur betreffend. XVII. Theil, 1764, S. 123–179 (272.–276. Brief); ebenfalls in: Moses Mendelssohns gesammelte Schriften. Nach den Originaldrucken und Handschriften hg. von Prof. Dr. Georg Benjamin Mendelssohn. 7 Bde., 4. Bd. 2. Abt. Leipzig 1844, S. 420–444. 106 C i s s i d es und P ac h es ] [Ewald Christian von Kleist:] Cißides und Paches in drey Gesängen von dem Verfasser des Frühlings. Berlin 1759. 106 Kr i e gs li ed e r ] vgl. Preußische Kriegslieder in den Feldzügen 1756 und 1757 von einem Grenadier [d. i. Johann Wilhelm Ludwig Gleim]. Mit Melodien. Berlin 1758. 107 den Schlagbaum aufziehen] im Sinne von ›einen versperrten Weg freigeben‹. 116 Vorrecht der welschen Dichtkunst] vgl. [Ludwig August Unzer:] Nachrichten von den ältern erotischen Dichtern der Italiener. Hannover 1774, S. 10 und S. 24f. 119 Sänger der Laura] der ital. Dichter Francesco Petrarca (1304–1374). 121 Filicaja, Chiabrera, Rolli, Lemene] Vincenzo da Filicaja (1642–1707), ital. Dichter aus Florenz, Gabriello Chiabrera (1552–1638), ital. Dichter aus Savona, Paolo Antonio Rolli (1687–1765) ital. Dichter und Librettist aus Rom, Francesco de Lemene (1634–1704), ital. Dichter und Librettist aus Lodi (Lombardei). 122 Nachahmungen des Petrarchs] vgl. Klamer Eberhard Karl Schmidt: Phantasien nach Petrarka’s Manier. Halberstadt, Lemgo 1772, rezensiert von Mauvillon in der Auserlesenen Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 2. Bd. (1772), S. 117–124. 123f. und von dessen Schönheiten uns Meinhard nur die ersten Grundzüge geliefert hat] vgl. Johann Nikolaus Meinhard: Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter. 2 Thle. Braunschweig 1763/64; neue Aufl. mit einem dritten Theil durch Christian Joseph Jagemann vermehrt (Braunschweig 1774). Anm. 1 Die S c h l ac h t H e r m an n s ] [Friedrich Gottlieb Klopstock:] Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne. Hamburg, Bremen 1769. Anm. 1 das G ed i c h t ei n es S k a ld en ] vgl. [Heinrich Wilhelm Gerstenberg:] Gedicht eines Skalden. Kopenhagen, Odense, Leipzig 1766; vgl. auch ders.: Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur. Dritte Sammlung. Schleswig, Leipzig 1767, S. 413–454 (21. Brief: Auszug aus einem dänischen Schreiben das Gedicht eines Skalden betreffend.).

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Anm. 1 die ersten Versuche Kretschmanns] dessen anonym erschienene Sammlung

komischer, lyrischer und epigrammatischer Gedichte. Frankfurt a. M., Leipzig 1764 (unter dem Titel Scherzhafte Gesänge. Leipzig 1771). Anm. 1 Die Kl ag e R h i n gu l p h s ] vgl. Karl Friedrich Kretschmann: Der Gesang Rhingulphs des Barden. Als Varus geschlagen war. Leipzig 1769. Anm. 1 T em o r a] vgl. Temora. An Ancient Epic Poem, in Eight Books. Together with several other Poems, composed by Ossian, the son of Fingal. Transl. from the galic language by James Macpherson. London 1763.

Ein und zwanzigster Brief 11f. für die Erschlaffung] lies: vor der Erschlaffung. 13 Apathie der Stoiker] Leidenschaftslosigkeit als Prinzip einer Lebensgestaltung mit dem Ziel einer völligen Befreiung des Körpers sowohl von Schmerz als auch von angenehmen Empfindungen (ataraxia). 20 das nil admirari des Horaz] (lat.) ›nichts anstaunen‹ (Epistulae I, 6, 1), vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 4f.). 23 Iroquesen] auch als Huronen bezeichnet; Angehörige einer indigenen nordamerikanischen Volksgruppe, die zwischen Huronsee und Sankt-Lorenz-Strom siedelten. Sie bildeten im 16. Jhd. eine Konföderation von mehreren indianischen Ethnien, die sich mittels einer irokesischen Sprache verständigten. 36 invita Minerva] ohne Neigung und ohne Muse dichten, vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 50). 44 sein Urtheil über D o r i s ] vgl. Erl. zum Neunzehnten Brief (Z. 277). 49 par renommée] dem Ruf nach. 71–95 Der Abend] vgl. das Gedicht »Der Abend« von Johann Peter Uz. In: ders.: Lyrische und andere Gedichte. 3. verb. Aufl. Leipzig 1756, S. 47f. 74 Sorr] die Schlacht bei Soor (auch Sorr), einem Dorf im nordöstlichen Böhmen, fand am 30. September 1745 während des Zweiten Schlesischen Krieges statt. 77 Cythere] Beiname der Göttin Aphrodite nach ihrem Tempel auf der Insel Kythere (lat. Cytherea). 85 Zephirs] griech. Zephyros, Windgottheit aus der griech. Mythologie; als milder Westwind galt der Zephyr als Vorbote des Frühlings. 86 Lesbien zu sehen] Akk. von Lesbia, seine Geliebte. 101 S i le n u s ] vgl. Erl. zum Achtzehnten Brief (Z. 136): satyrhafter Begleiter des Bacchus (Dionysos); hier ist die gleichnamige Ode von Uz gemeint, vgl. Johann Peter Uz. In: ders.: Lyrische und andere Gedichte. 3. verb. Aufl. Leipzig 1756, S. 68–70 bzw. ders.: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., Leipzig 1768, S. 89–94. 101 d i e G r o t t e d er N ac h t] vgl. Uz: Lyrische und andere Gedichte. 3. Aufl., S. 125–128; ders.: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., S. 172–176.

Erläuterungen | 277

101 d i e w a h r e G r ö ße] vgl. »Die wahre Größe. An Herrn Gleim«. In: Uz: Lyrische und andere Gedichte. 3. Aufl., S. 100–104; ders.: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., S. 140–145. 103f. wo Horaz den Regulus geschildert] Horazens Ode »An Caesar Augustus, Regulus« (Carmina III, 5), Wiedergabe der Ode in deutscher Übersetzung Z. 108–132; vgl. Erl. zum Neunzehnten Brief (Z. 243). 109 Timoleon] antiker griech. Politiker, geb. um 411 v. Chr., gest. 337 v. Chr. in Syrakus, besiegte die Karthager (340/399 v. Chr.). 112 der wilde Dionys] Dionysos I. (um 430–367 v. Chr.), Tyrann von Syrakus. 133 Pan und Syrinx] Gestalten aus der griech. Mythologie: Syrinx war eine wegen ihrer Keuschheit bekannte Nymphe, die Pans Liebe verschmähte. 134 Episode des Raubes der Europa] Europa war die Tochter des phönizischen Königs Agenor und der Telephassa; Zeus, der sich in sie verliebte, verwandelte sich in einen Stier und entführte sie auf seinem Rücken; vgl. Ovid, Metamorphosen II, 833–875, bei Horaz, Carmina III, 27. 135f. Hypermnestra, die unter allen Danaiden ihrem Gatten allein das Leben schenkt] Gestalt aus der griech. Mythologie, älteste Tochter des König Danaos von Argos auf dem Peloponnes, eine der 50 Danaiden. Die Töchter des Danaos töteten in der Hochzeitsnacht ihre Gatten, an die sie ihr Vater verlost hatte, und mussten zur Strafe in der Unterwelt Wasser mit einem Sieb in ein Gefäß ohne Boden schöpfen, woraus sich der Begriff ›Danaidenarbeit‹ ableitet. Hypermnestra verschonte jedoch ihren Gemahl Lynkeus, weshalb ihr in Argos der Prozess gemacht wurde. Aufgrund von Aphrodites Fürsprache wurde sie jedoch freigesprochen. 139–154 Surge, quae dixit juveni marito ...] Horaz, Carmina III, 11, Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Auf! begann ihr [Hypermnestras] Mund zum vermählten Jüngling, Auf! damit nicht dauernder Schlaf, woher du Nichts befahrst, dich treffe! den Grimm des Schwähers Fleuch, und der Schwestern, Welche, ach! wie Löwinnen zarte Kälber, Mann vor [= für] Mann abwürgen! doch Ich, die sanfter Denkt, will nicht dir geben den Tod, noch fest dich Halten im Kerker. Laste mich mein Vater mit grausen Ketten, Weil ich mitleidsvoll den Gemahl verschonet; Trage mich sein Schiff zu den weitentlegnen Numideräckern. Geh, wohin dein Fuß dich entraft und Fahrwind, Nun die Nacht und Venus dir winkt! mit Göttern

278 | Erläuterungen

Geh, und schneid’ andenkend in unser Grabmal Worte der Wehmut! 174f. Lesen Sie einmal d en s t a n d h af t en W ei s en an Hr. Hofrath C.] »Der standhafte Weise. An Herrn Hofrath C*.« In: Uz: Lyrische und andere Gedichte. 3. Aufl., S. 88–92; ders.: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., S. 123–131. 182f. Rectius vives Licini] »Sichrer wirst du leben, Licinus« (Horaz, Carmina II, 10). 183 Aequam memento] »Verlier im Unglück niemals die Fassung« (Horaz, Carmina II, 3). 183 Nullus argento color est] »Dem Silber ist keine Farbe eigen« (Horaz, Carmina II, 2). 197 Hagedorn hat sein Haberrohr] vgl. »Die Land-Lust«. In: Friedrich von Hagedorn: Poetische Werke. 3. Bd. Hamburg 1757, S. 88–90, hier S. 89. Haberrohr ist eine Hirtenflöte; das Wort ist nach Jacob und Wilhelm Grimm durch eine Übersetzung des Virgil’schen avena ins Deutsche gelangt. 198 der Sionitischen Muse] Verweis auf die auf ›Sions Hügel‹ weilende Muse, die im Alten Testament David und Salomon begeisterte; die Muse mit der Tuba ist Calliope, vgl. Erl. zum Achtzehnten Brief (Z. 127). 221 Horazens Ode 10. B[uch]. I.] »An Mercurius«, in der Übersetzung von Voß: »Hermes, du wohlredender Sproß des Atlas | Der der Urwelt Menschen aus rohem Unfug | Durch des Worts Weisheit und der Leibesübung Zierde gebildet« (Horaz, Carmina I, 10) »Hymne an Merkur«: »O Merkur, des Atlas beredter Enkel, | der du junger Menschheit noch wilde Sitten | klug gezähmt durchs Wort und den anmutsvollen | Brauch der Palästra ...«. 222 die Dythyrambe B[uch]. 2. Ode 19.] die Ode »An Bacchus« beginnt (in der Übersetzung von Voß): »Den Bacchus sah ich fern in der Felsenbucht | Chortänze lehrend« (Horaz, Carmina II, 19). 222 Carmen saeculare] (lat.) ›säkularer Gesang, weltliches Lied‹. 229 in hyperbelähnlichen Assertionen] übertriebene Behauptungen. 237 Hat Lessing es getadelt, daß man Schönheiten beschreibt, weil diese Beschreibungen den Leser immer kalt lassen] vgl. »Rettungen des Horaz«. In: LW 3, S. 158–197 [zuerst in den Schriften. 3. Bd. Berlin 1754]. 242f. Unruhe, welche Armide] Armida, eine Gestalt aus Torquato Tassos Das befreite Jerusalem (1581), war eine sarazenische Zauberin, die im Lager der Christen durch ihre Reden Unruhe stiftete und mittels ihrer magischen Kräfte den Kreuzritter Rinaldo auf ihrer Insel gefangen hielt. 258–269 Wenn David auf der Flucht [...] Sein Gott verließ ihn nicht.] vgl. »Vertrauen auf Gott«. In: Uz: Sämtliche Poetische Werke. 1. Bd., S. 313f. 278 Bachus] Bacchus (griech. Bakchos), römischer Name des griech. Gottes Dionysos, des Sohnes von Zeus und der thebanischen Königstochter Semele; Gott der Fruchtbarkeit und des Weines, Schutzpatron aller Trinker.

Erläuterungen | 279

279f. Tu, quum parentis regna per arduum] Horaz, Oden II, 19, Vers 21f., »An Bacchus«, in der Übersetzung von Voß: »Du, als des Vaters Reiche der frevelnden | Giganten Aufruhr über die Jähn erklomm [...]« (Jähn: steile Berghöhe). 281 aus dem Callimachus] Kallimachos (zw. 320 und 303–245 v. Chr.), hellenistischer Dichter und Gelehrter, von dem u. a. Hymnen und Epigramme überliefert sind. 282 Hymnen, die dem Homer zugeschrieben werden] Sammlung von 33 Hymnen an die griechischen Götter, deren Datierung (vermutl. zw. dem 7. und 5. Jhd. v. Chr.) und Verfasserschaft ungeklärt ist. 292 seine Wunderthaten in Canaan] das Land Kanaan, in dem »Milch und Honig fließen«, das gelobte Land, vgl. 2. Mose 33. 292 in Egypten] Auszug aus Ägypten oder Exodus, vgl. 2. Mose, Kap. 1–15. 309 Seine Ku n s t s te t s f r ö li c h z u s ey n ] vgl. Johann Peter Uz: Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn, Leipzig 1760; ders.: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 1–146. 310 Sein S i eg d e s L i eb es go t t es ] s. oben, vgl. Uz: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 147–218. 311 seine B r i ef e] vgl. Uz: Sämtliche Poetische Werke. 2. Bd., S. 253–366.

Zwey und zwanzigster Brief 2

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Also wird wol die kleine, aber ehrwürdige Gesellschaft in der Laube allein bleiben?] die oberste Klasse der deutschen Dichter bestehe aus höchstens sechs Personen, die alle in jener Gartenlaube Platz finden könnten, in der das Gespräch zwischen Unzer und Mauvillon über den Wert der deutschen Dichter seinen Ausgang nahm, vgl. Achtzehnter Brief, Z. 112–121. in Utzens erotischen Liedern] vgl. die gerade besprochenen Dichtungen von Johann Peter Uz, »Sieg des Liebesgottes«, ferner »Die Liebesgötter«, »Einladung zum Vergnügen«, »Venus«, »Die Wollust« u. a. (Erstdruck in: Lyrische Gedichte. Berlin 1749). sollte es auch nur der epikurische seyn] nach Epikur (341–271 v. Chr.), griech. Philosoph, der seit 306 v. Chr. in Athen lehrte und sein Hauptaugenmerk auf die praktische Philosophie lenkte; als höchstes Ziel des Lebens sah er die Lust an, während er alles, was den Seelenfrieden zu behindern oder einzuschränken droht, sei es Todesangst oder die Furcht vor den Göttern, zu überwinden lehrte. Gallier] Bewohner der römischen Provinz Gallien auf dem Territorium des heutigen Frankreich. der Lessingischen Lieder] vgl. [Gotthold Ephraim Lessing:] Kleinigkeiten. Frankfurt a. M., Leipzig [Stuttgart] 1751, eine Sammlung von etwa 70 Gedichten aus Lessings Studentenzeit; leicht verändert dann in Lessings Schriften. 6 Bde. Berlin 1753–1755; vgl. LW 2, S. 357–393.

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20f. die Lieder von Weißen oder Jacobi] Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder. Leipzig 1758 und ders.: Amazonenlieder. Leipzig 1760; Neuausgabe in: Kleine lyrische Gedichte. 3 Bde. Leipzig 1772. [Johann Georg Jacobi:] Poetische Versuche. Düsseldorf 1763. 25 Gleim und Gerstenberg] vgl. Erl. zum Zweiten Brief (Z. 258) und zum Zwanzigsten Brief (Z. 97f.). 29 Young, Thomson, Pope] James Thomson (1700–1748), schottischer Dichter, veröffentlichte einen Gedichtzyklus unter dem Titel The Seasons (1744), der 1745 von Barthold Heinrich Brockes und 1758 von Johann Franz Palthen (Rostock) ins Deutsche übersetzt wurde und Joseph Haydn (1732–1809) als Vorlage für sein Oratorium Die Jahreszeiten (uraufgef. 1801) dienten. Zu Young und Pope vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 26), Zwölften Brief (Z. 14) und Dreizehnten Brief (Z. 39). 29f. Haller, Kleist und ihre unbekanteren Nachahmer] Albrecht von Hallers sprachmächtige Alpen (1729) und Ewald Christian von Kleists Oden (z. B. »Das Landleben«, 1745) werden hier als Beispiele einer poetischen Abstrahierung der Gottheit genannt. Als einer der unbekannteren Nachahmer könnte u. a. der im Folgenden erwähnte Jakob Friedrich Schmidt (1730–1796) angesehen werden; zur geistlichen Dichtung vgl. Goedeke: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtungen. 3. Aufl., 4. Bd. 1. Abt., S. 210–298 (§ 219). 30f. Selbst Cramern und Klopstocken trift dieser Vorwurf zum Theil] Johann Andreas Cramer (1723–1788) und Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), vgl. Erl. zum Zwölften Brief (Z. 50) und zum Zweiten Brief (Z. 240). 41f. Schmidts poetische Gemälde und Empfindungen aus der heiligen Schrift] Jakob Friedrich Schmidt: Poetische Gemählde und Empfindungen aus der heiligen Geschichte. Altona 1759. 46 Denis] der Dichter Michael Denis (1729–1800), vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 61). 47 vorbeygehe] d. h. sie übergehe. 49f. daß er einmal die Harfe des Barden Ossians mit einer davidischen vertauschen möchte] vgl. das Alte Testament, 1 Sam. 16, 14–23. König Saul lässt den jungen David holen, damit er ihm auf der Harfe (Kinnor) vorspiele. 60–62 Die Frömmigkeit eines Catholiken hat einen ungleich höhern Grad der Wärme, als die unsrige. Sie grenzt an Leidenschaft, und artet oft in Schwärmerey aus.] Denis trat 1747 in den Jesuitenorden ein, wurde 1756 zum Priester geweiht und war als Theologe an den Jesuitengymnasien in Graz und Klagenfurt tätig, bevor er 1759 eine Stelle als Dozent für Logik und Metaphysik und 1761 eine Professur für Rhetorik an der Theresianischen Ritterakademie in Wien erhielt. Als leidenschaftlicher Klopstockianer und Bardendichter hatte er einen Hang zur Schwärmerei. 77 Wielands Angriffe] vgl. Wielands Angriff auf Uz und die Anakreontiker in den Sympathien (1756) und zuvor bereits in der den Empfindungen eines Christen (1755) vorangestellten »Zuschrift« an den Herrn Oberkonsistorialrat Sack, wo-

Erläuterungen | 281

raufhin Lessing Partei für Uz ergriff: »Wir schämen uns wirklich für Herrn Wieland, daß er sich von einer blinden Leidenschaft zu so unwürdigen Ausschweifungen verleiten lässt.« (Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, 1. Bd., 2. St. (1757), S. 415–426, hier S. 417); vgl. auch den 7. Brief (Briefe, die neueste Litteratur betreffend. I. Theil, 1759, S. 36f.; LW 4, S. 469). 79 Herrn Wielands veränderte Grundsätze] während der Zeit seines Studiums in Tübingen (1750–52) und seines Aufenthaltes in der Schweiz (1752–1759) stand Wieland unter pietistischem Einfluss und verfasste religiös-empfindsame Dichtungen. Doch dann vollzog er eine Umkehr, die vor allem auf die Lektüre antiker Autoren (Lukian, Horaz) und zeitgenössischer Philosophen wie Voltaire, Shaftesbury und d’Alembert zurückzuführen ist. In seinen Romanen und Dichtungen der Folgejahre – zu nennen wären Musarion, oder die Philosophie der Grazien (1768), Idris (1768) und Der neue Amadis (1771) – vertrat er eine Philosophie der Sinnlichkeit, was ihm die Kritik, ein ›Sittenverderber‹ zu sein, eintrug. 1769 wurde er an die Universität Erfurt berufen, bald versuchte er u. a. mit dem Staatsroman Der Goldne Spiegel (1772) eine Stelle als Fürstenerzieher zu erhalten, was ihm mit der Berufung an den Weimarer Hof auch gelang. 86 Martial, Rousseau und Logau] Marcus Valerius Martialis (40–103/104), römischer Dichter, verfasste vor allem Epigramme; Jean-Baptiste Rousseau (1671– 1741), franz. Dichter; Friedrich von Logau (1605–1655), deutscher Barockdichter aus Schlesien, Mitglied der ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹, verfasste über dreitausendfünfhundert Sinngedichte. 86 Madrigale] aus Italien stammende, volkssprachliche Gattung gesungener Lyrik, bezeugt seit dem frühen 14. Jhd., meist polemischen, satirischen oder moralischen Inhalts, dann vor allem unter dem Einfluss Petrarcas bukolischidyllische Liebesdichtung; bestehend zumeist aus zwei oder drei Terzetten und ein oder zwei angeschlossenen Reimpaaren. 96 Petrarch] Francesco Petrarca (1304–1374), vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 74). 103f. Folgt der Natur, in deren schönen Werken ...] korrekt: »Er folget der Natur, in deren schönen Werken | Wir weder Mangel sehn, noch Ueberfluß bemerken.« Vgl. Friedrich von Hagedorn: »Die Glückseligkeit« (1743). In: ders.: Poetische Werke. 1. Bd. Hamburg 1757, S. 18–38, hier S. 34. 122 Johann, der Seifensieder] vgl. Friedrich von Hagedorn: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen. Hamburg 1738, S. 116–120. 125f. A p o ll o , ei n H i r te , P h i l em o n u n d B au c i s ] vgl. »Apollo, ein Hirte«. In: Hagedorn: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen, S. 130–133 und »Philemon und Baucis«, ebd., S. 174–184. 126 d er U r s p r u n g d es G r ü b c h e n s i m Ki n n ] vgl. »Der Ursprung des Grübgens im Kinn«. In: Hagedorn: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen, S. 202–210; erneut in: Poetische Werke. 2. Bd., S. 209–218. 130–135 Ein leicht Gewand [...] Wein.] Hagedorn: »Der Ursprung des Grübgens im Kinn«. In: ders.: Poetische Werke. 2. Bd., S. 192.

282 | Erläuterungen

138 der epikurischen Philosophie so angemessen ist] nach Epikur (341–271 v. Chr.), vgl. Erl. zum Zweiundzwanzigsten Brief (Z. 12). 139 d i e V e r g ö tt er u n g] »Die Vergötterung. An Phyllis« (1728), in: Hagedorn: Poetische Werke. 3. Bd, S. 104–106. 141–157 Eine ward in spröder Bläße [...] fliehen] ebd., S. 105f. 144 Vesta] römische Göttin des Herdfeuers. Anm. 2 Ramler emendirt diese Stelle in den Liedern der Deutschen] vgl. »Die Vergötterung«. In: Lieder der Deutschen. Hg. von Karl Wilhelm Ramler. Berlin 1766, S. 196–198, hier: S. 197. Allerdings heißt es auch hier wie in der Ausgabe von 1768 (3. Buch, S. 19) »Raub der Grobheit« und nicht »Raub der Gottheit«. 148 Proserpina] römische Göttin der Unterwelt; Tochter des Jupiter und der Ceres, von Pluto in die Unterwelt entführt, wo sie seine Gemahlin wurde und fortan Herrscherin über die Toten. 157 nach Paphos] Hafenstadt im Südwesten Zyperns, Geburtsort der Aphrodite. 162f. Ode: d er W ei n , am Schlusse seiner lyrischen Gedichte] vgl. »Der Wein«. In: Hagedorn: Poetische Werke. 3. Bd, S. 180–198. 164f. die sonst etwas unschickliche Episode des Spavento] ebd., S. 187: »Spavento fällt und schwört und droht, | Den falschen Streich nicht zu verschmerzen.« 167–208 So gehts! Erwekt der Wein den Muth [...] Sträuchen] ebd., S. 187, 191–195. 170 Thrazier] Nebenform zu Thraker, Bewohner von Thrakien, einer römischen Provinz auf der östlichen Balkanhalbinsel am Schwarzen Meer. 176 Eris] griech. Göttin der Zwietracht und des Streits. 179 Zymbeln Klang] Zimbel, griech. kymbalon, lat. cymbalum, Musikinstrument. 180 Mänaden] Begleiterinnen der dionysischen Züge. 186–188 Wie Ariadnens glänzend Haar [...] Als Bacchus sie am Meer gefunden] Ariadne war die Tochter des Minos, die Theseus den Faden gab, mit dem er, nachdem er den Minotaurus getötet hatte, aus dem Labyrinth herausfand; sie wurde aber von Theseus auf der Insel Naxos, der größten Insel der Kykladen, verlassen, wo Dionysos sie auffand, der sich in sie verliebte und sie zur Frau nahm. 209 Dythirambe] Dithyrambe: Gattung der antiken griechischen Chorlyrik, Hymnos zu Ehren des Gottes Dionysos. 212 als manchen neuern Modedichter] die tändelnd-empfindsamen Lyriker wie z. B. Johann Georg Jacobi (1740–1813) und Johann Benjamin Michaelis (1746– 1772). 223 Lavater, welcher S c h w ei z er li ed er geschrieben hat] Schweizerlieder. Von einem Mitgliede der helvetischen Gesellschaft zu Schinznach [d. i. Johann Caspar Lavater]. Bern 1767. 224f. will ein philosophisch-theologisches Gedicht herausgeben, dessen Plan er in einer eigenen Schrift angekündigt] gemeint ist: Herrn C. Bonnets [...] Philosophische Palingenese. 2 Bde. Zürich 1769/70. (In der Vorrede zu dieser Überset-

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zung forderte Lavater Mendelssohn auf, sich zum Christentum zu bekehren, was einen Skandal auslöste.) 227f. A u s s i c h t en i n d i e E w i g k ei t] vgl. Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh. George Zimmermann, Königl. Großbritannischen Leibarzt in Hannover. 4 Bde. Zürich 1768–78 (1. Bd. 1768, 2. Bd. 1769, 3. Bd. 1773), eins der meist gelesenen Werke Lavaters. 230 Copula] (lat.) Zusammenfügung, Verbindung, Vereinigung. 231f. Was meynen Sie, würde ein episch-dogmatisches Gedicht über die Geschichte der Menschheit von einem Wieland] vgl. [Christoph Martin Wieland:] Beyträge zur geheimen Geschichte des menschlichen Verstandes und des Herzens. Leipzig 1770.

Drey und zwanzigster Brief 2f.

der Anfall, den Herr Wieland auf Utzen und andre Dichter wagte] gemeint ist: der Ausfall. In der Vorrede zu seinen Empfindungen eines Christen (1755) forderte Wieland den Berliner Theologen August Friedrich Sack (1703–1786) auf, gegen die schädliche Poesie von Johann Peter Uz und anderer Anakreontiker einzuschreiten; vgl. Erl. zum Zweiundzwanzigsten Brief (Z. 77). 4f. die Erscheinung der c o m i s c h e n E r z eh lu n g en ] vgl. Comische Erzählungen (anonym, s.l. 1765) von Christoph Martin Wieland, die das Liebesleben der Götter zum Thema haben und von den Dichtern des Göttinger Hains wegen ihrer vermeintlichen ›Sittenlosigkeit‹ verbrannt wurden. Anm. 1 Mosers Reliquien; Götzens Anathema ungerechnet] vgl. Friedrich Carl von Moser (1723–1798): Reliquien. Frankfurt a. M 1766 und Johann Melchior Goeze (1717–1786): Theologische Untersuchung der Sittlichkeit der heutigen deutschen Schaubühne. Hamburg (Anathema hier als Verdammung der Schaubühne). 25f. was Gleims und Jacobis Anhänger für einen Lärm von den Wirkungen der Schriften dieser Dichter machen] Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Johann Georg Jacobi bildeten Ende der 1760er Jahre mit Wilhelm Heinse (1746–1803), Johann Benjamin Michaelis (1746–1772), Klamer Eberhard Karl Schmidt (1746– 1824), Johann Lorenz Benzler (1747–1817), Leopold Friedrich Günther von Goeckingk (1748–1828) u. a. den ›Halberstädter Dichterkreis‹, ab 1773 auch mit einem eigenen ›Bundesbuch‹, vgl. Heinrich Pröhle: Die Büchse, das Bundesbuch des Halberstädter Dichterkreises (W. Heinse, J. G. Jacobi usw.). In: Archiv für Litteraturgeschichte IV.3 (1875), S. 323–371, wieder abgedruckt in: ders.: Lessing, Wieland, Heinse. Nach den handschriftlichen Quellen in Gleims Nachlasse. Berlin 1877, S. 262–293. 40 Demosthenes] von Cicero hoch geschätzter, griech. Redner und Staatsmann (384–322 v. Chr.).

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So sind Ovid, Rost und Piron unzüchtige Dichter] Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.) römischer Dichter, verfasste neben den Metamorphosen eine Ars amatoria, vgl. Ovid: Liebeskunst / Ars amatoria. Überarb. Neuausgabe der Übersetzung von Niklas Holzberg. Berlin 2011 (Sammlung Tusculum). ‒ Johann Christoph Rost (1717–1765) veröffentlichte schlüpfrige Idyllen, vgl. seine Schäfererzählungen (1742), neue verm. Aufl.: Versuch von Schäfergedichten und andern poetischen Ausarbeitungen (1768). ‒ Alexis Piron (1689–1773), franz. Dichter, schrieb vor allem komische Opern, Komödien und Tragödien sowie zahlreiche Epigramme; am bekanntesten ist das Lustspiel La métronmanie (1738). 53 Chaulieu] Guillaume Amfrye, Abbé de Chaulieu (1639–1720), franz. anakreontischer Lyriker. 1770 erschienen von Johann Jost Anton von Hagen anonym die Gedichte in Chaulieu’s Geschmack in Halle. Anm. 3 Rousseau ließ seine Julie] vgl. den Briefroman Julie oder die neue Heloise von Jean-Jacques Rousseau (EA Amsterdam 1761), der mit dem Tod der Protagonistin endet. Anm. 3 bey der preziösen Marquise] Anspielung auf Molières Theaterstück Les Précieuses redicules, dt. ›Die lächerlichen Preziösen‹ (1659), das die Geziertheit in Gestalt zweier exzentrischer Bürgerstöchter (Magdelon und Cathos) karikiert. Als Vorbild diente dem Autor Catherine de Vivonne, Marquise de Rambouillet (1588–1665), die in Paris in der Nähe des Louvre das Hôtel Rambouillet etablierte, wo sich im elitären Kreise die einflussreiche Pariser Gesellschaft traf, darunter Kardinal Richelieu, Le Grand Condé (Louis II. de Bourbon), Pierre Corneille, Marie de Rabutin-Chantal, die spätere Madame de Sévigne, und die Tochter der Marquise, Julie. Als preziös (von frz. précieux, dt. ›affektiert, geziert‹, eigentlich ›edel, kostbar‹) wird ein exaltiertes Benehmen bzw. eine künstlich übersteigerte Lebens- und Ausdrucksweise bezeichnet. Anm. 3 Freygeist] ein Freigeist bzw. Freidenker ist ein Kritiker des christlichen Glaubens und religiöser Dogmatik, der allein die Vernunft zur höchsten Instanz erklärt. 82 Concordienformeln] lat. formula concordiae: Eintrachtsformel, letztes der symbolischen Bücher der lutherischen Kirche, 1577 nach Luthers Tod auf Veranlassung des Kurfürsten August von Sachsen von mehreren Theologen verfasst. 92 Musarion] 1768 erschienenes komisches Lehrgedicht von Wieland, vgl. Erl. zum Neunten Brief (Z. 49f.). 93 Epicurismus] nach Epikur (341–271 v. Chr.), vgl. Erl. zum Zweiundzwanzigsten Brief (Z. 12). 129 Roland, Reinold, Ulyß oder Hippolit heißen] Roland ist der Protagonist aus dem rasenden Roland des Ariost (Orlando furioso), Ritter Reinold aus dem deutschen Volksbuch Die vier Haimonskinder, Odysseus aus der Ilias des Homer und Hippolit aus Senecas Tragödie Hippolyt nach dem Euripides.

Erläuterungen | 285

131f. Nicht durch die Fabel vom Fuchse und der Elster lehrt mir la Fontaine] gemeint ist La Fontaines Fabel »Le Corbeau et le Renard« (I, 2, S. 32), dt. ›Der Rabe und der Fuchs‹. 139 für Schmeichlern] lies: vor Schmeichlern. 140f. Plutarchs Traktat von dem Unterschiede eines Freundes und Schmeichlers] Plutarch (um 45–um 125). griech. Plutarchos, antiker griech. Schriftsteller; gemeint ist De adulatore et amico, vgl. Plutarch, Moralia 60. 155 weil Dorant im Bourgeois gentilhomme ein Schelm ist] Dorante ist eine Figur in Molières Ballettkomödie »Le Bourgeois gentilhomme« (uraufgeführt 1670), dt. ›Der Bürger als Edelmann‹, dem es als verarmtem Edelmann gelingt, durch einen Liebeshandel mit der Marquise Dorimène seine Schulden zu begleichen. 155f. Erast im Pourceaugnac] »Monsieur de Pourceaugnac«, Ballettkomödie von Molière, erschienen 1669: Julie, die Verlobte des Monsieur de Pourceaugnac verliebt sich in Erast, und durch die Hilfe des Italieners Sbrigani kommt das Liebespaar schließlich zu seinem Eheglück. 170 les Fourberies de Scapin] dt. Scapins Streiche, Komödie von Molière, uraufgeführt 1671. 171 die Geschichte Cromwells] Oliver Cromwell (1599–1658), engl. Staatsmann und Heerführer der bürgerlichen Revolution, der 1653 das Parlament auflöste und eine Diktatur errichtete, als deren Oberhaupt (als Lordprotektor und damit Staatsoberhaupt des Commonwealth of England) er bis 1658 regierte. 225 Furcht für Strafe] lies: Furcht vor Strafe. Anm. 4 Ovid und Büssy] Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.) römischer Dichter, eine zeitgenöss. Übersetzung seiner Metamorphosen in gereimten Hexametern ist von Johann Balthasar Sedlezki (1727–1772), vgl. Ovids Verwandlungen. 3 Bde. Augsburg, Leipzig 1763–64; Roger de Bussy-Rabutin (1618–1693), franz. General und Schriftsteller, ging, nachdem er die Armee verlassen hatte, an den königlichen Hof, fiel aber wegen eines Spottgedichts auf Ludwig XIV. und dessen Liebschaft mit Madame La Vallière in Ungnade und wurde aufgrund seiner Histoire amoreuse des Gaules (Lüttich 1665) für ein Jahr in der Bastille gefangen gesetzt. Anm. 4 Argante spricht im 19. Gesang Ottav. 19: Ma come à l’Euro la frondosa cima] korrekt lauten die 3. und 4. Zeile: Cosi lui sua virtute alza, e sublima, / Quand’ ei ne già per ricader più chino; aus Tassos Gerusalemme Liberata, dt. Das befreite Jerusalem (1581): »Doch wie der Gipfel der behaarten Fichte | Dem Ost sich beugt und jäh nach oben schnellt, | So scheint’s, daß Kraft den Heiden aufwärts richte, | Der schon aufs neue wankt und kaum sich hält« (hier in der Übersetzung von Karl Streckfuß [1778–1844] aus dem Jahr 1822). 234f. voluptuarischer Gesinnung] von lat. voluptas: ›Vergnügen, Freude, Lust, Genuss‹, gemeint sind hier Wollust und sinnliche Freuden. 253 Petrarchs Zärtlichkeit] Francesco Petrarca (1304–1374), der in Kanzonen und Sonetten seine Liebe zu Laura besingt und ihren frühen Tod beklagt, vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 74f.).

286 | Erläuterungen

259 Epikuräer] Anhänger der Philosophie Epikurs (341–271 v. Chr.). 271 Eleven] Schüler. 287f. folgende Stelle in den Göttingischen gelehrten Anzeigen] vgl. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 39. Stück, 1.4.1771, S. 333f. Es handelt sich um eine Rezension von Jacobis Gedicht »An das Publikum«. 296f. Der fromme Recensent] Christian Gottlob Heyne (1729–1812). 299 die Ausschweifungen einer Danae] Person (und Stein des Anstoßes) in Wielands Agathon, bezogen auf die mythologische Figur der Danae, einer von Zeus in Gestalt eines Goldregens verführten Schönheit. 304f. das Beyspiel eines Agathons, eines Phanias jemand bewegen] Personen aus Wielands Musarion (1768). 335f. daß Plato die Dichter und zwar besonders den Homer aus seinem Staate verbannte] vgl. Platon, Politeia, Buch II–III, 378Eff. 338 Er besorgte] im Sinne von: besorgt sein, sich Sorgen machen über. 350f. òυς δει ...] korrekt: οὓς δεῖ ἐλευθέρους εἶναι, δουλείαν θανάτου μᾶλλον πεφοβημένους, vgl. Platon, Politeia, Buch III, 387B. In der Passage geht es um die Schrecken erregende Darstellung der Unterwelt. Der ganze Abschnitt lautet in dt. Übersetzung: ›In Hinsicht auf diese und alle derartigen Dinge bitten wir sowohl Homer als auch die anderen Dichter nicht ungehalten zu sein, wenn wir es streichen; nicht weil es nicht dichterisch wäre und den Leuten angenehm zu hören, sondern weil es je dichterischer, desto weniger gehört werden darf von Kindern und (heranwachsenden) Männern, welche freiheitlich (gesinnt) sein sollen, indem sie die Sklaverei mehr als den Tod fürchten.‹ 380f. der Eigendünkel des Fechtmeisters und Tanzmeisters im Bourgeois gentilhomme] in Molières Komödie Bourgeois gentilhomme, dt. ›Der Bürger als Edelmann‹, stellt der Geschäftsmann Jourdain, um als Edelmann auftreten zu können, einen Musik- und einen Tanzlehrer sowie einen Fechtmeister und einen Philosophen ein. 404 Impios parrae recinentis omen etc.] Horaz: Carmina III, 27, dt.: ›Die Frevler möge als Vorzeichen der Schrei der Schleiereule, eine trächtige Hündin, eine Füchsin, die gerade warf, und eine vom lanuvinschen Felde laufende, graue Wölfin geleiten.‹ 405 sein Frühling] vgl. Ewald Christian von Kleist: Der Frühling. Berlin 1749.

Vier und zwanzigster Brief 21 ernste Epopee] episches Gedicht, Epos, vgl. Erl. zum Achten Brief (Z. 122). 40 Wielands D i o ge n e s ] [Christoph Martin Wieland:] Σωκράτης μαινόμενος oder die Dialogen des Diogenes von Sinope. Leipzig 1770. Eine Besprechung (vermutl. von Jakob Mauvillon) erschien in: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, 1. Bd. (1772), S. 101–105.

Erläuterungen | 287

44–47 »Wenn ich einem Fürsten zu rathen hätte ...«] Wieland: Σωκράτης μαινόμενος oder die Dialogen des Diogenes von Sinope, S. 191; vgl. WOA 9.1., S. 1‒ 105, hier S. 66. 77f. »Ein fröliches Volk ...«] WOA 9.1, S. 67. 101 machiavellische Rathschläge ins Ohr zu raunen] Anspielung auf den florentinischen Staatstheoretiker Niccolò di Bernardo di Machiavelli (1469–1527) und seine Schrift »Il Principe«, dt. ›Der Fürst‹ (verfasst 1513, erschienen posthum 1532). 103–105 »Wenn die Athenienser bey guter Laune sind ...«] WOA 9.1, S. 67. 110 Er, als ein Coävus] lat. Coätaneus, dt.: Altersgenosse, Gleichaltriger, auch Mitschüler, Schulfreund. 111 seine Tonne] dem Diogenes von Sinope (um 413–323 v. Chr.) soll ein Fass als Schlafstätte gedient haben; daher das geflügelte Wort vom ›Diogenes in der Tonne‹. 112f. vom Miltiades, Themistocles und dem Alzibiades] Miltiades der Jüngere (um 550–489 v. Chr.), Athener Politiker und Feldherr, von dem Herodot als Sieger in der Schlacht von Marathon berichtet; Themistokles (um 524–um 459 v. Chr.), ebenfalls Staatsmann und Feldherr aus Athen, Sieger der Schlacht von Salamis; Alkibiades (um 450–404 v. Chr.), Staatsmann und Feldherr, Schüler des Sokrates, vgl. Platon, Symposium, dt. ›Das Gastmahl‹. 114f. als der Eindruck welchen, eine Phryne oder Lais machte] beides griech. Hetären, erstere geb. 371 v. Chr., erhielt wegen ihrer gelblichen Hautfarbe den Namen Phryne, dt. ›Kröte‹, während einer Gerichtsverhandlung soll sie sich entblößt haben, da die Worte ihres Verteidigers weniger überzeugend waren, als ihre Schönheit. Die zweite, Lais von Korinth, gab sich, obgleich sie sich für ihre Liebesdienste sonst teuer bezahlen ließ, unentgeltlich dem Philosophen Diogenes hin. 117–119 »Alzibiades machte mit ihnen ...«] WOA 9.1, S. 67. 124 »Drückt uns immerhin ...«] WOA 9.1, S. 67. 130–132 »Ein fröliches Volk ...«] WOA 9.1, S. 67. 137f. »Religionsschwärmerey ...« ] WOA 9.1, S. 67. 143 schrecklichere Catastrophen angerichtet, als in Frankreich] Anspielung auf die Bartholomäusnacht (frz. Massacre de la Saint-Bathélemy), einem Pogrom, das in der Nacht vom 23. zum 24. August 1572 in Paris stattfand und dem etwa 3000 franz. Protestanten (Hugenotten) zum Opfer fielen. Mauvillon selbst entstammte einer hugenottischen Familie, die aus Frankreich geflüchtet war. 153f. »Steigt in irgend einem trüben Kopfe ...« ] WOA 9.1, S. 67. 159–163 »Eben diese Grille ...« ] WOA 9.1, S. 67. 175f. »Es ist ein schlimmes Zeichen ...« ] WOA 9.1, S. 67. 175 der alte Demokritus] hier: Figur in Wielands Dialogen; nach Demokrit (griech. Demokritos, 460–371 v. Chr.), in Abdera geborener griech. Philosoph, wichtigster Vertreter der antiken Lehre von den Atomen.

288 | Erläuterungen

182 Panier] Banner, Spruchband. 185 Heraklitus] Heraklit (griech. Herakleitos, etwa 544–483 v. Chr.), griech. Philosoph aus Ephesos, dem der Satz ›Alles fließt‹ zugeschrieben wird, vertrat den Gedanken ewigen Wechsels und Wandels, den er im Feuer verkörpert sah. 189f. »wenn die Tugend unter einem Volke ein leichtsinniges und scherzendes Ansehn gewinnt« ] Parodie auf Wielands Text. 192–200 »Irgend ein feindseliger Dämon ...«] WOA 9.1, S. 67f. 193 Tiresias] Teiresias, blinder Sänger und Seher der griech. Mythologie. 218 herlalt] lies: herlallt.

Fünf und zwanzigster Brief 31

Ludwig der Vierzehnte] Ludwig XIV., genannt der ›Sonnenkönig‹ (1638–1715), ab 1643 König von Frankreich und Navarra, war zu Beginn seiner Regierungszeit ein Mäzen der Künste und zeigte sich generös insbesondere Künstlern gegenüber, die ihre Werke in den Dienst des Staates stellten, wie z. B. der Maler Charles Le Brun (1619–1690). 38 Corneille] Pierre Corneille (1606–1684), franz. Schriftsteller, zählt neben Molière und Racine zu den drei großen Dramatikern der franz. Klassik. 38 Racine und Boileau] Jean Baptiste Racine (1639–1699), Dramatiker der franz. Klassik, gilt als ihr bedeutendster Tragödiendichter; Nicolas Boileau-Despréaux (1636–1711), franz. Schriftsteller und Dichtungstheoretiker. 46 Brod] hier: Einkommen. 60f. Dante, Petrarch, Ariost] Dante Alighieri (1265–1321), Verfasser der Divina Commedia, dt. ›Göttliche Komödie‹; Francesco Petrarca (1304–1374) und Ludovico Ariost (1474–1533), ital. Renaissancedichter. 133f. so läßt er sich mit Journalisten ein] Mitarbeiter (Literatur- und Kunstkritiker) von gelehrten Zeitschriften und Rezensionsorganen im 18. Jahrhundert. 134 wird manchmal ein Journalist en chef] Chefredakteur einer solchen Zeitschrift. 140 Reiz des Buchführerlohns] der Gewinn desjenigen, der Bücher lediglich verkauft, ohne selbst ein verlegerisches Risiko zu tragen; gemeint sind hier die Buchhändler. 142 gleich Polygraphen] (griech.) Vielschreiber. 143 Eben dies Schicksal hätte Abbt] Thomas Abbt (1738–1766), Schriftsteller und Übersetzer. Mit dem Probe- und Meisterstück ist seine Schrift Vom Verdienste (Berlin, Stettin 1765) gemeint. 147 besonders die vielen Projekte] Abbt war u. a. Mitarbeiter an den Briefen, die neueste Litteratur betreffend (Pseudonym B.), veröffentlichte seine Gedanken von der Einrichtung der ersten Studien eines jungen Herrn vom Stande (posthum, Leipzig, Berlin 1767) und widmete sich in seinen Texten ganz unterschiedlichen Themen; er schrieb »Ueber die Freundschaften der Frauenzimmer«, »Von der

Erläuterungen | 289

Furcht bei Sonnen- und Mondfinsternissen« sowie eine Lebensbeschreibung des Philosophen Alexander Gottlieb Baumgarten (1714–1762); vgl. Thomas Abbt: Vermischte Werke. 6 Bde. Berlin, Stettin 1768–1781 (ND Hildesheim 1978). 170 Beschreibung, die er im Brutus] um 46 v. Chr. verfasste Schrift Ciceros, auch bekannt als De claris oratoribus. 178 Quaestor, Aedilis und Prätor] Quästor: niedrigstes Amt der römischen Beamtenlaufbahn, vom Volk für ein Jahr gewählt; Ädilis, von aedes, dt. Tempel, ursprünglich Hüter des Ceres-Tempels, wo sich u. a. das Staatsarchiv befand, die Ädilen verfügten auch über die Polizeigewalt; Prätor: höheres Amt im alten Rom, jedoch noch unter dem Konsul – in der Kaiserzeit gab es in Rom zwischen 10 und 18 Prätoren. 179 Hortensius] Quintus Hortensius Hortalus (114–50 v. Chr.), römischer Senator und Konsul (69 v. Chr.), war ein bedeutender Rhetoriker und Freund Ciceros, der ihm die Schrift Hortensius sive de philosophia, dt. ›Hortensius oder über die Philosophie‹, verfasst 45 v. Chr., widmete. 179–182 Ardebat autem cupiditate sic] (Cicero: Brutus 88. 302), dt.: ›Er brannte so vor Leidenschaft, dass ich noch bei keinem jemals einen glühenderen Eifer gesehen habe. Es gab keinen Tag, an dem er nicht entweder auf dem Forum sprach, oder sich außerhalb des Forums übte. Am häufigsten macht er aber beides an einem Tag.‹ 227f. Moliere, ein Comödiant, besaß eine sehr gute Kenntniß in der alten Litteratur] der franz. Dramatiker Molière (eigentl. Jean-Baptiste Poquelin, 1622–1673) bearbeitete beispielsweise den Stoff des Amphitryon von Plautus (uraufgeführt 1688). In jungen Jahren soll er eine poetische Übertragung von Lukrez’ De rerum natura verfasst haben, die jedoch verschollen ist. 235f. das Tändelnde unsers Zeitalters] vgl. z. B. Heinrich Wilhelm Gerstenberg: Tändeleyen. Leipzig1759 und die Kritik von Friedrich Nicolai in: Briefe, die neueste Litteratur betreffend. II. Theil, 1759, S. 227–238 (32. Brief) und IX. Theil (1761), S. 161–176 (156. Brief); vor allem aber die tändelnd-empfindsamen Lyriker wie Johann Georg Jacobi (1740–1813) und Johann Benjamin Michaelis (1746–1772).

Sechs und zwanzigster Brief 5 5f.

6

Weiße und Lessing] vgl. Erl. zum Ersten Brief (Z. 52 und 61). seinen A tr eu s und die B ef r ey u n g v o n T h eb e n den Griechen] vgl. Christian Felix Weiße: Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Leipzig 1766 und ders.: Die Befreyung von Theben. Leipzig 1764; beides in seinem Beytrag zum deutschen Theater. 5 Bde. Leipzig 1759–1768 (im 4. Bd. bzw. 3. Bd.). Ro m eo u n d J u li e] eine Shakespeare-Adaption von Christian Felix Weiße, vgl. Beytrag zum deutschen Theater. 5. Bd. (1768).

290 | Erläuterungen

6f. nebst seinen übrigen Trauerspielen] vgl. Christian Felix Weiße: Eduard der Dritte (1758), Richard der Dritte (1759) und Krispus (1764). 7 seine Lustspiele] vgl. Christian Felix Weiße: Amalia (1766), Der Mißtrauische gegen sich selbst (1767), und Die Freundschaft auf der Probe (1768). 7 seine comischen Opern] z. B. Die Jagd (1766) und Die Liebe auf dem Lande (1768), vgl. Christian Felix Weiße: Komische Opern. 3 Bde. Leipzig 1770/71. Anm. 1 was der Franzose pieces fugitives nennt] franz. für ›flüchtige Stücke‹, modische Form der französischen Dichtung im 18. Jahrhundert. 10 Mi n n a v o n B ar n h el m ] vgl. Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Berlin 1767. Der erste Entwurf stammt nach Lessings Angaben aus dem Jahr 1763; LW 6, S. 9‒110. 12 S ar a S a m p s o n ] Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson, bürgerliches Trauerspiel von Lessing aus dem Jahr 1755; LW 3, S. 431‒526. 19 Prätendenten] Personen, die ein Recht für sich in Anspruch nehmen, Anwärter. 19f. weder Hagedorn, noch Zachariä, noch Willamov] die Dichter Friedrich von Hagedorn (1708–1754), Friedrich Wilhelm Zachariä (1726–1777) und Johann Gottlieb Willamov (1736–1777), Dithyramben- und Fabeldichter. 20 weder Kretschmann, noch Dusch] Karl Friedrich Kretschmann (1738–1809) und Johann Jakob Dusch (1725–1787). 20f. weder Kramer, noch Thümmel, oder Jacobi] Johann Andreas Cramer (1723– 1788), Moritz August von Thümmel (1738–1817), Verfasser der Wilhelmine, oder der vermählte Pedant (1764) und Johann Georg Jacobi (1740–1814). 21 weder Michälis, noch Blum] die Dichter Johann Benjamin Michaelis (1746– 1772) und Joachim Christian Blum (1739–1790), Verfasser von Lyrischen Gedichten (Riga 1765) und Lyrischen Versuchen (Berlin 1766). Später erschienen noch Idyllen. Gedichte (Berlin 1773) und Spaziergänge (2 Bde. Stendal, Berlin 1774) sowie das Theaterstück Das befreyte Ratenau. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen (Leipzig 1775), das von Mauvillon sehr positiv in der Auserlesenen Bibliothek (10. Bd., 1776, S. 231–239) rezensiert wurde. 22 Namen eines Bodmers, Kleists und Lichtwehrs sind zu ehrwürdig] Johann Jakob Bodmer (1698–1783), Ewald Christian von Kleist (1715–1759) und Magnus Gottfried Lichtwer (1719–1783), vgl. Erl. zum Sechsten (Z. 131) und Neunten Brief (Z. 34). 25 Sein No ah , unser zweytes Heldengedicht] [Johann Jakob Bodmer:] Noah, ein Heldengedicht. Frankfurt a. M., Leipzig 1750 und [ders.:] Der Noah. In Zwölf Gesängen. Zürich 1752. 28 Kleists C i s s i d e s ] [Ewald Christian von Kleist:] Cißides und Paches in drey Gesängen von dem Verfasser des Frühlings. Berlin 1759. 43 Hllg.] das Kürzel steht für den Nachnamen des Verlegers H[e]ll[win]g in Lemgo; vgl. dazu Heinrich Blume: »Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers ›Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den

Erläuterungen | 291

Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel.‹ 2 Stücke, Frankfurt und Leipzig, 1771/72 als Vorläufer der Sturm- und Drangperiode«. In: XXXVIII. Jahresbericht des Kaiser Franz Josef-Staatsgymnasiums zu Freistadt in Oberösterreich für das Schuljahr 1908. Freistadt 1908, S. 3–36, hier S. 12.

Sieben und zwanzigster Brief 2 8

mit mir vereinigen] einen Besuch abstatten, um vom Briefwechsel zum mündlichen Gespräch überzugehen. Crn.] das Kürzel steht für den ersten Vornamen des Verlegers C[h]r[istia]n Friedrich Helwing; vgl. Unzers Brief an Mauvillon vom 2. Juni 1772: »Wie ich höre, so wollen Sie sich auf ein drittes Stück einlassen. Ich war es anfänglich auch Willens, habe aber meinen Entschluß geändert. Indessen freue ich mich ausnehmend auf Ihre Fortsetzung, und bitte nur im Vorberichte zu erklären, daß ich gar keinen Antheil daran habe. Zu dem Ende ist es mir lieb, daß ich unsere Briefe mit Buchstaben unterzeichnet. Durch Hülfe derselben ist eine Erklärung leichter« (Mauvillons Briefwechsel, S. 28).

| 3 Dokumente zur Wirkungsgeschichte

https://doi.org/10.1515/9783110793642-004

Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 188, 23. November 1771, unpag.

F r a n k f u r t u n d L ei p z i g . Unter dieser Aufschrift ist erschienen: »Ueber den Werth einiger deutschen Dichter und über andere Gegenstände, den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. Erstes Stück. 312 S. in 8.« Langweilig und schleppend sind diese Briefe von ganzem Herzen. Das sieht jeder, der nur einige Seiten darinn lesen will; aber dafür werden sie auch die Welt mit neuen Wahrheiten in Menge bereichern, wenn die folgenden Stücke dem gegenwärtigen gleich sind, worinn nichts geringers bewiesen wird, als daß G e ll er t ein höchst schlechter Schriftsteller sey. Hier sind einige von des Verfassers ehrwürdigen Machtsprüchen, die oft selbst an Ungewöhnlichkeiten des Ausdrucks Orakeln gleichen. S. 32. G el ler t ist, wenn man ihn anders, als in der Kindheit der Bildung des Geschmacks lieset, ganz aus seiner Sphäre gebracht. Der Mann von kritischem Gefühl kann wol schwerlich seine Lieblings-Lectüre daraus machen. S. 33. L e ßi n g, W i e la n d und Ra m l er , diese Ersten der Nation, haben niemals eine besondere Hochachtung für den sel. Gellert, als Dichter, zu äußern für gut gefunden. (Um Vergebung! Herr R am ler hat, im B a tt eu x, G e l ler t s Gedichte, die Fabeln wenigstens, wirklich und freywillig gelobt.) S. 35. Seine Schriften möchten dem Urtheilsspruche des Geschmacks zufolge wol nicht in das Heiligthum des Tempels der Unsterblichkeit eindringen. S. 65. Die mehresten seiner Reflexionen sind abgeschmackt, (oder scheinen, welches einerley, dem Verfasser so.) Er dehnt oft die Sachen auf eine unleidliche Art ohne Noth aus, ist arm an Handlung und poetischen Bildern, desto reicher aber an Worten; kurz, in den mehresten seiner Gedichte ein reimender Prosaist. S. 67. In der S c h w ed i s c h en G r äf i n n gefällt dem Verfasser nichts, als die beyden Episoden, nämlich die L i e b e s g es c h i c h te S t a n l ey s u n d A m a li en s , und das C o s ac k en m ä d c h en . S. 68. Wenn man die Sammlung geistlicher Lieder, die Uebersetzung des Or ak el s , und folgende Erzählungen: 1) E lm i r e u n d S e li n d e , 2) d i e b e y d en v o n d e n N ac h ti g al l e n , 3) S eli n d e , 4) S em n o n , 5) d er M ah ler , 6) d i e g lü c k li c h e E h e, 7) d as S c h i c k s al , 8) A lc es t, 9) R h y n s o l t u n d L u c i a , und vornehmlich 10) d a s G l ü c k u n d d i e L i eb e zusammennimmt, so wird man ungefähr G e ll er ts ganze Unsterblichkeit haben. (Hier könnte man beynahe das anwenden, was S. 81. von G el le r t s Verehrern gesagt wird, daß just das allerschlechteste das ist, was sie entzückt. Wenigstens haben G e ll er ts geistliche Lieder, als Poesie betrachtet, nie außerordentlich vielen Beyfall erhalten. Das Or ak el hat schwache und langweilige Stellen in Menge, und unter den angeführten Erzählungen ist E lm i r e u n d S e li n d e ein wirklich schlechtes Stück. Allein, in der That scheinet der Verfasser mit Fleiß so gewählt zu haben, um hernach (S. 81.) in der Person des zweyten Correspondenten, den er uns für eine Person mit dem ersten zu halten erlauben wird, die Frage thun zu können, ob sich in einer einzigen von den angeführten Erzählungen etwas Vortreffliches auszeichne.) Unter den einzelnen Schriften werden zuerst die Briefe vorgenommen, die

296 | Dokumente zur Wirkungsgeschichte

(nach S. 89.) mehr Schaden anrichten, als es sich denken läßt. (Auch hier haben sie den Schaden angerichtet, daß der Verfasser S. 85. in ziemlich barbarischem Deutsch ausruft: Mi c h ec k e l t f ü r d as f ad e Z eu g!) Die Lustspiele (S. 93.) sind unter aller Critik. Seine eigenen Critiken über seine Fabeln sind höchst trivial. (S. 104.) Unter den Schäfergedichten ist S y l v i a so schlecht, als das B a n d . (S. 111.) Seine Fabeln sind selten von seiner eigenen Erfindung; und wenn sie es sind, mehrentheils schielend, falsch und schlecht erfunden. (S. 118.) Die Erzählungen noch schlechter. (S. 152.) Die Lehrgedichte – o! nichts kann elender seyn. (S. 200.) Die Moral endlich ist ein Denkmaal, daß er ein seichter Kopf in Wissenschaften gewesen ist. (S. 243.) Aus allen diesen Ursachen verdienen seine Schriften schlechterdings nicht, zur Bildung des Geschmacks vorgeschlagen zu werden, den sie vielmehr unfehlbar verderben müssen. Von wahren Kennern des Genies der deutschen Sprache wird er ohnehin nie für einen klaßischen Schriftsteller gehalten werden; (S. 213.) er, der ohnehin in der Erzählung d er u n s ter b li c h e A u to r seine eigene Biographie geliefert hat (S. 235.). Die meisten unserer Leser werden nunmehr wohl sehen, wie viel aus dieser Schrift für sie zu lernen ist, und wie viel sie noch Irrthümer abzulegen haben, ehe sie Leute von Geschmack zu heißen verdienen. Andere werden aufrichtig gestehen, daß sie in manchen Stücken mit dem Verfasser gleich denken, ob sie sich gleich nicht gerne so hart, als er, ausdrücken möchten, und noch andere endlich werden das Geheimniß entdecken, daß sie in einer gewissen großen Stadt den größten Theil der hier gemachten Critiken, und insbesondere die Critik über I n k l e u n d Y a r i k o von mehr als einem unbärtigen Jünglinge schon vor geraumer Zeit gehört haben. Wie leicht könnte der Verfasser einer dieser Jünglinge, oder vielleicht gar einer ihrer Hörer seyn? – Ein paar Kleinigkeiten müssen wir doch an diesem großen Kunstrichter noch bemerken. S. 32. nennt er Ra b n er n unsern deutschen C o m u s . Vermuthlich kennt er, und er allein, einen griechischen oder lateinischen. S. 129. heißt L i c h tw eh r unser P h ä d r u s . Kann das nach dem, was Hr. L e ßi n g vom P h äd r u s gesagt hat, ein Lobspruch seyn?

Brief von Leopold Friedrich Günther Goeckingk an Ludwig August Unzer vom 5. Dezember 1771. Eduard Jacobs: Ludwig August Unzer. Dichter und Kunstrichter. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 28 (1895), S. 117–252, hier S. 209f.

[...] Bis spät in die Nacht hinein, hab ich an den kritischen Briefen und an den Erinnerungen gelesen. […] Durch die erstern hab ich den Grundsatz, nie den Recensionen von einem Buche zu trauen, in mir nochmals befestiget. Mein Urtheil haben Sie verlangt, und ohnedem sag ich das nicht gern von mir, weil ich bey dem Tadel immer denke, daß ich Unrecht haben und dem Verfaßer zu viel thun könne, bey dem Lobe mich noch weit mehr für den Anschein eines Schmeichlers fürchte, weil ich von allem was meine Freunde schönes machen doppelt entzükt werde, und

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dann gern meinen Empfindungen, den Lauf laße. Ihre Erklährung über diese Briefe hätten Sie mir nicht schreiben sollen; nun ich sie gelesen habe, bin ich mehr als Sie selbst überzeugt, daß Ihnen die darin gezeigte Einsichten Ehre machen, und Sie sich derselben nicht schämen können. Unter dem Lesen haben sich hundertmal einander unsre Meynungen begegnet, nur daß die Ihrigen in einem etwas beißenden Tone sprechen, denn dieser ist würklich zu hart. Wenn das 2te Stück heraus gegeben ist, und Ihr Mauvillon wird verhindert weiter zu arbeiten, so bin ich nicht abgeneigt diesen Briefwechsel mit Ihnen fortzusetzen, und Ihnen ähnliche Meynungen zu sagen. Wenn sie auch just nicht gedrukt werden, so hab ich mich doch lehrreich unterhalten. Können Sie aber Herrn M[auvillon]. bereden, daß er die Feder noch nicht niederlegt, das wird Nutzen für das Publikum haben. Seinen Briefen siehet man wenig französische Wendungen an, und er philosophirt nach Empfindung und Geschmack. Was er in den Erinnerungen schreibt, ist alles so gut so wahr gesagt, daß ihm die Kochische Bühne vielleicht mit die Güte zu verdanken hat, welche sie izt würklich haben soll. Schreiben Sie an ihn, so bitten Sie ihn ja, daß er nicht ganz den Geschäften sondern der Critik und Philosophie lebe. Ich beneide Sie nicht wenig um einen solchen Freund. [...]

Hallische Neue Gelehrte Zeitungen, 100. Stück, 12. Dezember 1771, S. 794–796.

F r a n k f u r t u n d L ei p z i g . U eb er d e n W e r t h ei n i g e r d eu ts c h e n D i c h ter u n d ü b er a n d er e G e ge n s t ä n d e , d en G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t ter a tu r b et r e f f en d . E i n B r i ef w ec h s el . E r s te s S tü c k . 312 Seit. 8. Dem Schreiber dieses Büchleins mögen die Hände sehr gejuckt haben. In seinem Kopfe mag es auch ziemlich übel aussehen. Wie hätte er es sonst wagen können, uns Deutschen dieses unverdauete, kühne und seichte Geschwätz vorzulegen? Denn, was glaubt man wohl, daß der Mensch, der den Werth unserer Dichter ex tripode entscheiden will, in dieser Schrift vorgebracht? Er will zeigen, daß Gellert das nicht sey, wofür ihn bisher sehr viele vernünftige Leute gehalten haben. Was ist er also nach unsers scharfsinnigen Kunstrichters Urtheil? »Er dichtet seicht, ohne Genie, und invita Minerva (S. 40.) Nichts ist abgeschmackter, als seine Reflexionen (S. 65.) In den mehresten Gedichten ist er ein reimender Prosaist – ein mittelmäßiger Schriftsteller, ein Dichter ohne ein Funken von Genie (S. 66.) – Er ist ein äusserst seichter Dichter (S. 80.) er ist der Dichter der Dorfpastoren, und ihrer Töchter und anderer Leute von diesem Caliber (S. 81.) Seine Lustspiele sind unter aller Critik (S. 93.) Der erste Theil der Schwedischen Gräfin ist das abgeschmackteste, was nur jemals geschrieben worden (S. 99.) und der zweyte ist nicht der Zeit werth, die man auf seine Lesung anwenden muß. Er war ausserordentlich pedantisch in seinen Urtheilen, und er konnte nur nach den Batteux, und

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noch darzu bloß stümperhaft urtheilen (S. 110) Silvia und das Band sind Werke von einem Genielosen Reimmacher.« – Doch, was kann es helfen, mehr anzuführen? Kurz, der Verf. will in diesem ganzen Buche beweisen, daß Gellert einer der schlechtesten Schriftsteller Deutschlandes sey, und er thut dieses mit einer Bitterkeit und einer Galle, die oft unbegreiflich ist. Man kann nicht begreifen, warum der Verf., wenn er auch Gellerten tadeln will, es mit solcher Heftigkeit thut. Der Verf. scheint einer von den muthwilligen Buben zu seyn, die am Fusse des deutschen Parnasses herumschwärmen, und gerne verdiente Männer mit Koth besprützen möchten. Von einigen eben so unverständigen Knaben umgeben, lärmen und schreyen sie; glauben, sie thäten doch wohl etwas rechts; und dünken sich etwas; indem der verdiente Autor mit Mitleiden auf sie herabsieht. Es sollte uns wehe thun, wenn sich es jemand einfallen liesse, dieses unverschämte Gewäsche, an welchem die elende Schreibart immer noch der geringste Fehler ist, einer Widerlegung zu würdigen. Darinne versieht man es eben in Deutschland, daß man jedem Knaben antwortet, wenn er etwas thörichtes sagt. Statt der Ruthe strafe man ihn mit Stillschweigen!

Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1772. Leipzig 1771, S. 62f. [Rez. vermutl. von Christian Heinrich Schmid]

U e b er d en W er th ei n i ge r d eu ts c h e n D i c h t er u n d ü b er an d r e G e ge n s t ä n d e d en G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t te r a tu r b e tr ef f e n d , ei n B r i ef w ec h s el , er s t es S tü c k . Lemgo bey Meyer 8. Jetzt, da auf der kritischen Laufbahn ein so großes Gedräng ist, könnte jemand seine Nebenbuhler bald überhohlen, wenn er mit dem Geiste eines Warton uns über einzelne deutsche Dichter deutsche Zergliederungen lieferte. Der Weg des Journals, welchen die Verfasser dieses Briefwechsels eingeschlagen, machte mir sie gleich etwas verdächtig. Aber, Himmel, nachdem ich sie gelesen – unde mihi lapides? Nicht genung, daß Gellerts Andenken von so manchem Stümper verunehrt worden, hier treten ein paar Wäscher auf, die dumm und dreist der ganzen Nation ins Gesicht beweisen wollen, daß sie keine Ursache gehabt, Gellerten zu lieben und zu bewundern. Ich bin überzeugt, daß jedermann diese kritischen Briefe mit dem größten Unwillen und Verachtung aus der Hand werfen wird, wenn er auch das neueste Stück der Leipziger Bibliothek der schönen Wissenschaften noch nicht gesehn.

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Neue Critische Nachrichten, 8. Bd., 1. Stück, Greifswald 1772, S. 5–7. [Rez. von Johann Georg Peter Möller]

U e b er d en W eh r t ei n i ge r teu t s c h en D i c h ter u n d ü b er an d er e G e g en s t ä n d e , d en G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t ter a tu r b et r e f f en d . E i n B r i ef w ec h s el . Erstes Stück. 312 Seiten in 8. Frankfurt und Leipzig 1771. Endlich hat das jämmerliche Gewinsel bei G el le r t s Grabe aufgehört. Fluthen von Thränen sind über ihn in Versen vergossen, da freilich über den Tod Rab en er s , des teutschen Comus, kaum ein leiser Seufzer ist gehört worden. Aber nun eine neue und unerwartete Erscheinung! Dort fanatische Anbetung, und jezt laute Verachtung, die eine übertrieben, die andere unverdient. Der V. dieses Briefwechsels scheint ein junger munterer Mann zu seyn, der gewis nicht ungeschickt ist, aber der seine Künste auf eine sehr unschickliche Art an einem Gellert versucht, dem er nicht nur Genie sondern auch Geschmack, ja was noch mehr ist, fast alle Nützlichkeit abspricht. Und was darf sich dann Gellerts Geist viel darüber wundern? Der Verf. hat für das ganze teutsche Publicum nicht mehr Achtung. [»]Es liest, sagt er, jedermann, kein Mensch aber versteht und goutirt was er liest. Es ist gewis, daß in Athen ein Schuster ein besserer Richter von der Beredsamkeit war, als bei uns ein Rathsherr, und daß dort die Kohlweiber sich auf das Verdienst besser verstanden, als in Leipzig die vornehmen Kaufmannsfrauen.« So allgemein urtheilt der Verf. und weil es ihm noch immer ein Fehler der Kritiker heutiger Tage scheint, daß sie zu gelinde sind, so nimmt er sich im Geist vor, recht scharf zu seyn. Und da kommt ihm nun der arme Gellert in diesem seinem Amtseifer zuerst unter die peitschende Geissel. Nebenher aber bekommen auch K äs tn er , E r n e s ti und Y o u n g, scharfe und zum Theil übel angebrachte Seitenhiebe; ob gleich der Recensent die Vertheidigung des leztern, in so ferner er beinahe die Freude, das Glück dieses Lebens, vom Erdboden verscheucht hätte, nicht gänzlich übernehmen mögte. Doch wir wollen nur vorzüglich von Gellert reden. Gellert ist dem Verf. ein mittelmäßiger seichter Schriftsteller, ohne Funken von Genie, der recht invita Minerva dichtet. Er geht die verschiedenen Arten seiner Schriften nach der Reihe durch. Gellerts Briefe sind voll Albernheiten; seine Comödien unter aller Kritik. In der schwedischen Gräfin ist der ganze erste Theil abgeschmackt, das Sujet der einen Episode fatal, der zweite Theil ist zwar besser, allein für einen Mann, der die Lesung mittelmäßiger oder schlechter Schriften zu den muthwilligen Sünden rechnet, ist der Roman nicht der Zeit wehrt, die darauf angewandt werden müßte. Gellerts Kritiken über seine Fabeln in den Belustigungen enthalten nichts als Kleinmeisterei. Das B a n d ist ein schlechtes fades Stück, und so wie S i lv i a das Werk von einem Reimreich. Von seinen Fabeln und Erzählungen sind die wenigsten originell, die meisten schielend, falsch, schlecht erfunden und matt erzählt; Die Reflexionen sind oft frostig und die Ausbildung ist stümperhaft. Seine geistliche Lieder sind seine beste Arbeit, allein dabei

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kam ihm selbst sein Mangel an Genie zu Hülfe. Seine Lehrgedichte sind die schlechtesten von allen, die wir haben, Teutschland hat nur einen eigentlichen Lehrdichter, und das ist W i e l an d in seinem Mu s ar i o n . Gellerts scherzhafte Erzählungen sind matt und keiner Puffbohne wehrt, nur wo er Bauren redend einführt, da glückt es ihm am besten, als in dem bekannten: Ihr Ochsen die ihr alle u. s. w. Er ist bis zum Ekel weitschweifig, und wenn auch manchmal eine gute Wendung vorkommt: so wird sie doch unter dem Schall von matten Versen erstickt. Und nun seine Moral! Gellert ist überhaupt ein Schriftsteller für dem Pöbel, das ist für jeden Leser ohne Fähigkeit und Kenntniß zu denken. Für solche Leute ist seine Moral ein gutes gemeinnütziges Buch, sonst aber ein Beweis, daß er ein seichter Kopf und ohne Wissenschaft gewesen. Seine Begriffe darinnen sind schwankend, es ist nichts zumsammenhängendes nichts schliessendes bei ihm. Alles, sogar Wahrheit ist bei ihm Vorurtheil, und seine Moral ist Schwachheit. Er hat für das Herz mehr als für den Verstand schreiben wollen, aber wenn jemand Gellerten gefragt hätte, was ist Herz, was ist Verstand? er hätte schwerlich gewust darauf bestimmt zu antworten. Ein Staat, der aus lauter Gellerts bestünde, wäre der unglückseligste in der Welt. Seine so hochgerühmte Gutherzigkeit hat bei überdem weichlichen Seelen vielen Schaden angerichtet. Gellerts Seele selbst hatte keine Vestigkeit, keine Hoheit, er wolte nichts als weiche Tugenden haben, die blos Temperament sind. Nach solchen plauderhaften Albereien über die Güte des Herzens, als überall in seinen Schriften aufstossen, glaubt iede Landpastoren Tochter, iedes Schulmeister Mädgen, die Gellert gelesen hat, und die besser gethan, wenn sie an dessen That gesponnen und genäht hätte, sie sey die Krone aller Geschöpfe des Erdbodens. Und es fehlt nicht viel, daß wenn eine solche Schöne, die etwa an einen Mann verheirathet worden, der andere Beschäftigungen gehabt hat und liebt, aus Ekel für einen solchen Barbaren, den sie besitzt und der nicht fähig ist, ihren Wehrt zu empfinden, etwa mit einer sogenannten zärtlichen und gutherzigern Seele eine Herzensverbindung eingehen sollte, daß nicht der arme Gellert die Schuld davon tragen muß. Der gänzliche Mangel an Kenntniß der Sprachen und der Schriftsteller des Alterthums schreibt sich hauptsächlich von der Bewunderung für Gellerten her. Er hat das schädliche Romanenlesen aufgebracht. Nur die Litteraturbriefe haben der Gellertomanie in Teutschland etwas gesteuret; sonst würde sie noch grössern Schaden angerichtet haben. – Welch eine Ehrensäule wird also nun wol der V. zu verdienen glauben, da er dis goldne Kalb einer ganzen Nation, so nennt er Gellerten, mit schrecklichem Arm zerstöhret hat. – Doch sachte! sachte!! Lusiste satis – tempus abire tibi est.1

|| 1 Korrekt: lusistis satis ...; nach Horaz: ›Genug gespielt – es ist Zeit, dass du gehst!‹; Anm. d. Hg.

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und Gellert lebt noch, und wird ungeachtet dieses muthwilligen Angriffs in seiner Sphäre verehrungswürdig bleiben. Der Recensent gesteht es frei, er hält Gellert weder für ein grosses Genie, noch für einen grossen Dichter oder grossen Philosophen, ob man gleich auch dabei auf den Zustand der Zeit, da Gellert zuerst schrieb, sehen muß; allein giebt es dann nicht mehrere Seiten, von den ein Schriftsteller seinen Wehrt, seine Grösse erhalten kann? Der Verf. muß ja selbst gestehen, Gellert hatte eine warme Liebe für die Religion, die Moralität sey ein edler Zug in dem Character seiner Schriften, und solche hätten zur Verfeinerung der Sitten, zur Ausbreitung der feinern Künste und Wissenschaften viel beigetragen. Nun dann! wenn das ist, wenn Gellerts Schriften zur Bildung des moralischen und feinern Geschmacks viel beigetragen haben, wenn das alles selbst seinen Feinden dankbare Empfindungen für ihn auspressen muß; wenn es nicht geleugnet werden kann, daß die Deutlichkeit, Anmuth und Popularität, die in seinen Schriften herrscht, Leuten von allen Ständen und beiden Geschlechtern, (denn der V. wird doch wol das Frauenzimmer nicht wieder blos in die Küche und den Näherahmen einsperren wollen), Lust und Geschmack an der Lectüre, die Kopf, Herz und Sitten formirt, wenn sie gut gewählt ist, beigebracht habe; wenn manche Seele durch ihn den rohen Lastern entrissen, und zu sanftern Empfindungen gebildet worden ist, – macht ihn das nicht schon allein der Ehre, der Achtung, der Liebe aller Rechtschaffenen wehrt; Munera, crede mihi, placent hominesque Deosque.2 Der Recens. kann sich weiter in kein Detail einlassen. In sehr vielen allgemeinen und besonders in vielen einzelnen Kritiken hat der Verf. immer Recht, allein manche sind zu übertrieben, und verschiedene, besonders in den leztern Briefen, sind offenbar ungerecht. Gellert mag immerhin kein Hagedorn, kein Meinhard, kein Gray, kein Gesner, kein Ariost, kein Leßing seyn, er mag immerhin um die Wissenschaften selbst eigentlich keine Verdienste haben, genug daß er sie um das menschliche Geschlecht hat. Und das Publicum würde sich beschimpfen, das seine Asche nicht verehrte. M.

Erfurtische gelehrte Zeitungen, 4. Stück, 13. Januar 1772, S. 29–31. [Rez. von Christoph Martin Wieland]

L em go . U eb er d en W e r t h ei n i g er t eu ts c h e n D i c h t er , und über andre Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend, ein Briefwechsel, er s t es S tü c k S. 312. 8.

|| 2 Nach Ovid: ›Geschenke, glaub mir, besänftigt die Götter‹; Anm. d. Hg.

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Halbverdaute Kritick hat schon manchem in Teutschland den Kopf verrückt; hier kann man abermals ein klägliches Beyspiel eines Menschen sehen, der sich in seiner Raserey vornimmt, den Werth unsrer Dichter abzuwägen, und, damit er nicht eine gethane Sache zu thun scheine, einen nach dem andern zu degradiren. Jetzt hat er seine Künste nur erst an G e ll er te n bewiesen: aber da dieser gestürzt worden, muß da ieder zusehen, daß er nicht falle. Das ägyptische Todtengericht wartet auch der berühmtesten Namen: allein wir verdienten nicht, einen Gellert gehabt zu haben, wenn wir es von einem so unbärtigen Dunse3 verwalten ließen. Unsre Nation ist schon dafür bekannt, daß sie gern von einem Extremo zum andern übergehe; erst eine Wolke von Leiersängern bey Gellerts Grabe, und nun eine Schimpfschrift auf ihn! Wer einer ganzen Nation ins Angesicht widersprechen, wer sie von einem eingewurzelten Vorurtheile zurückbringen will, der muß Scharfsinn mit täuschender Beredsamkeit vereinigen, der muß schreiben, wie der Verfasser des Dialogs de causis corruptae eloquentiae,4 wenn er erweisen will, daß Cicero nicht mehr das Muster der Redner sey. Wer aber, wie der Lemgoer Aristarch,5 nichts thut, als die Grimassen der Hyperkriticker6 nachschneiden, in den Tag hinein raisoniren, und fade Gedanken fade einkleiden, der bleibe zu Hause, und – bekehre sich erst selbst! Er denke nur dem einzigen Satze nach: Wenn Gellert nicht gewesen wäre, würde dein Geschmiere noch ein viel ärger Geschmiere seyn. Ich will die einige Proben, wie ein Kind über einen Mann geurtheilt hat, zur Rarität auszeichnen. Gellert ist ein kleines Licht (S. 35.) weil er kein Petrarch, kein Ariost, kein Herrera ist. Er ist bewundert worden, (S. 43.) weil unser Publikum noch gar keinen Geschmack hat. Gellerts Reflexionen sind (S. 65.) abgeschmackt. Er ist ein reimender Prosaist, (S. 66.) ein Dichter ohne einen Funken von Genie. (S. 67.) Er wurde groß durch die Zeiten (S. 75.) in denen er aufstand. Der Verfasser weiß hier so gar nicht, daß Mosheim, Haller, und Hagedorn vorangegangen waren. Die Journalisten (S. 79.) haben sich gehütet, das go l d n e K al b der Nation anzutasten. Gellert ist (S. 81.) ein Dichter der Dorfpastoren. Er hat sich (S. 82.) gl ei c h a ll e n S tü m p er n an mehr als eine Gattung gewagt. Seine Briefe (S. 85.) sind fades Zeug. Die Ausländer (S. 89.) haben ihn aus Blindheit übersezt. Seine Komödien (S. 93.) sind unter aller Kritick, schlechter als (S. 94.) Petraschens Lustspiele. Die schwedische Gräfinn (S. 95.) ist unerträglich matt. Er war (S. 108.) in den Augen der Sachsen ein infallibler Pabst des Parnasses, und Statthalter des Apolls auf Erden. Er hatte seinen Beyfall auf der Universität (S. 109.) Landsmannschaften zu danken. Silvia ist (S. 111.) das Werk eines genielosen Reimmachers. Er war (S. 117.) ein auf den Thron gesetztes Götzen|| 3 Aufgedunsene, d. d. aufgeblasene Dummköpfe (ursprünglich von den Schülern des Thomas von Aquin verwendeter Begriff, um die Anhänger des Johannes Duns Scotus zu verspotten), Anm. d. Hg. 4 Lat. ›Über die Gründe für den Verfall der Beredsamkeit‹; Anm. d. Hg. 5 Bezeichnung für einen (rechthaberisch-anmaßenden) Kritiker; gemeint ist Jakob Mauvillon; Anm. d. Hg. 6 Überstrenger, von Tadelsucht geleiteter Kritiker, Anm. d. Hg.

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bild. Er hat den Lafontaine verschlechtert. (S. 121.) Er ist ein (S. 215.) an die Stelle des Apollo gesetzter Marsyas. Seine Erzählungen (S. 218.) sind nicht eine Puffbohne werth. Er (S. 233.) ist nur fähig, den Pöbel zu belustigen, und hat weder gute Erziehung noch guten Umgang gehabt. Seine eigne Erzählung (S. 235.) der unsterbliche Autor, paßt vollkommen auf ihn. Wer da glaubt, daß ich diese herrlichen Sätze erdichtet, der sey verdammt, die Beweise davon zu lesen. Schließlich wünsche ich, daß der Verfasser für seine Dummdreistigkeit von der ganzen Nation mit einer Tabatiere7 beschenkt werde, dergleichen, nach Leßings Einfalle, Gottsched vom Könige von Preußen bekommen haben soll – voll von Niesewurz.

Jenaische Zeitungen von Gelehrten Sachen, 9. Stück, 31. Januar 1772, S. 79.

F r a n k f u r t u n d L ei p z i g . Ohne Benennung des Verlegers ist herausgekommen: Ueber den Werth einiger deutschen Dichter und über andere Gegenstände, den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. Erstes Stück 312 S. in 8. 1771. Man siehet gleich, daß alles auf Gellerten gemünzt ist, daß der Verf. sich zum Endzweck seiner Schrift gemacht hat, diesen Mann in den Augen des Publikums zu verkleinern, das allerschändlichste von ihm nach seinem Tode zu sagen und sich vielleicht dadurch den ehrenvollen Titel eines Reformators des Geschmacks zu erwerben. Er sagt: Deutschland ist ohne die Vorschrift der Kunstrichter nicht im Stande von den Werken seiner schönen Geister zu urtheilen: es besitzet keinen allgemeinen eigenthümlichen Geschmack, daher kan Gellerts Lob demselben in den Augen des unpartheyischen Kenners zu gar keinem Vortheil gereichen. Die Nation verstehet noch nicht das wahrhaftig Große und Schöne zu beurtheilen. Gellert ist ein mittelmäßiger Schriftsteller und ein Dichter ohne einen Funken Genie. Das itzige Publikum hat nicht den geringsten Geschmack mehr, als da Gellerts Schriften herauskamen. Es ist eben noch der Pikanderische und Weichmannische Geschmack. Gellert ist ein Dichter der DorfPastoren u. s. w. Da der Verf. unter der Kritik ist, so sagen wir weiter nichts von seinem Buche, das wir ohnehin nur zum Besten der Käufer angezeiget haben.

|| 7 Tabakdose, von frz. tabatière; Anm. d. Hg.

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Neue Braunschweigische Zeitung vom 4., 6., 7. und 10. Februar 1772, unpaginiert [jeweils S. 3f.]. [Rez. von Christian Günther Rautenberg; das Ende von Justus Friedrich Wilhelm Zachariä]

Frankfurt u. Leipzig. U eb er d en W er th ei n i g er d eu ts c h e n D i c h ter , u n d ü b er an d er e G e ge n s t än d e, d e n G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t te r a tu r b e tr e f f en d . E i n B r i ef w ec h s el . E r s t es S t ü c k. Gellert, der in seinem Leben so bewunderte, und nach seinem Tode fast vergötterte Gellert, dieser Lieblingsdichter der Nation, dieser Diktator des guten Geschmacks, den die allgemeine Stimme der Deutschen zu ihren besten Genies zählt, findet hier einen Kunstrichter, der ihm unbarmherzig den Dichterkranz abreißt, und ihn von der Stelle wegweiset, die er widerrechtlich auf dem Parnaß eingenommen. Welch eine wunderbare Sache ist es nicht um Ruhm und Beyfall! Kaum ist es bey Gellerts Grabe etwas stille geworden, um welches sich berufene und unberufene Dichter fast heischer geschrien, so steht ein Mann auf, der so gar seinen Ruhm zu Grabe tragen will, und der das Herz, oder, wie viele denken werden, die Unverschämtheit hat, es dem ganzen ehrwürdigen deutschen Publikum ins Gesicht zu sagen, daß es seinen Beyfall an den Unrechten verschwendet, und daß der, dessen Verlust es so laut beklaget, gar nicht der Mann sey, der ihn verdienet. Er betrachtet ihn aus allen Gesichtspunkten, in welchen er sich gezeiget, als Briefsteller, als Roman- und komischen Dichter, als Schäferdichter, als geistlichen Gesängedichter, als Fabeldichter, Lehrdichter, als Moralisten, als Kunstrichter – und das Resultat davon ist, daß er ein sehr mittelmäßiger Dichter, ohne einem Funken von Genie ist, arm an Handlungen und poetischen Bildern, niedrig, matt, langweilig, mit einem Worte, ein reimender Prosaist. So lautet es gleich im Anfange, je weiter er aber hineinkommt, desto ärger wird es. Wir können leicht denken, daß die meisten unserer Leser schon bey diesem Anfange stutzig geworden, und kaum die Geduld haben, solche Blasphemien gegen ihren Liebling anzuhören. Aber was ist zu machen? Das Urtheil ist einmal gefällt, und ehe wir es corrigiren, müssen wir doch vernehmen, wie es lautet, und was der Mann dafür zu sagen hat. Wollte man ihn so schlechtweg mit dem Namen eines Neulings, eines paradoxen Kopfes, eines hämischen Criticus, abweisen, so würde er nur über das deutsche Publikum noch mehr spotten, dem er so schon nicht! viel Geschmack zutrauet. Also nur dreist darauf zu, und mit kalten Blute zugehöret, wie er den guten Gellert herum nimmt! Mit seinen Briefen, mit seiner Schwedischen Gräfin, mit den dramatischen Stücken und Schäfergedichten wird er bald fertig, und in der That sind sie auch nicht das Beste seiner Werke. So viel Aufsehen auch seine B r i e f e machten, als sie herauskamen, so viel Nachahmer und Bewunderer sie fanden, so ist man doch itzt unter Kennern wohl ziemlich darüber eins, daß der Ton darinn verfehlt ist, und daß sie dem Namen ihres Verfassers nicht viel Ehre machen. Man lese nur die an seine Mama, an den Rittmeister, an den Pastor, der ihm seine Poesie zur Beurtheilung geschickt hatte. Wenn irgend ein Mensch zu etwas nicht gebohren war, (dies sind Worte unsers Verfassers, den wir künftig allein wollen reden lassen) so war es Gellert zum Witze nicht, und dennoch trachtet er nach nichts mehr, als

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drolligt und naif zu seyn. Wenn solche Nationen, als Franzosen und Italiäner, in deren Sprachen man, aus GOtt weiß, welcher Blindheit seine Briefe übersetzt hat, sie lesen, was müssen sie von einem Volke denken, das solche Albernheiten als Meisterstücke ansehen kan? Aber seine L u s t s p i e l e? die sind unter aller Kritik. Denn wo doch weder Handlung, noch Plan, Dialog und Charakter etwas taugen, was soll man dazu sagen? Es ist auch nicht ei n erträglicher Auftritt da[r]in. Bey allen, ausser der B et s c h w e s t er , ist es nöthig, darunter zu schreiben, was sie vorstellen sollen. – Der ganze erste Theil der S c h w e d i s c h en G r äf i n ist das abgeschmackteste, was nur jemals geschrieben worden, sonderlich die Episode von der Vermählung zweyer Geschwister. Der zweyte ist merklich besser, als der erste, aber doch nicht der Zeit werth, die man anwenden müßte, ihn zu lesen. Von den S c h äf er s p i e l en ist das B an d erbärmlich, weil kein Funke von Feuer, von Interesse, von Lebhaftigkeit darinn ist, und weil das ganze Stück nichts als eine wässerigte, naif seyn sollende Reimerey ist. In der S i lv i a ist der Plan besser, aber nicht besser benutzt; keine interessante Scene, alles zum Einschlafen bereit. Das sind noch leichte Scharmützel; nun aber geht es auf die Hauptfestung los, auf die F ab el n u n d E r z e h lu n ge n , die noch immer für Meisterstücke gehalten worden. Wenige sind von Gellerts Erfindung, und die meisten darunter schielend, falsch und schlecht erfunden, und ohne Geist ausgeführt. Niemals setzt er sich voll von seiner Sache hin, und dichtet, sondern läßt sich von dem Reim führen, wohin er will. Das ist besonders in seinen Moralen sichtbar! Gott! wie gedehnt, wie seicht, wie einschläfernd sind nicht diese! Auch in seinen besten sind sie unerträglich, und in andern oft ein wahres Gewäsch, das länger ist, als die Fabel selbst. (Die Fortsetzung künftig) F o r t s e t z u n g ü b er d e n W er t h ei n i ge r d eu ts c h e n D i c h ter . Nirgends ist dieser Fehler merklicher, als in seinen E r z e h lu n ge n . D er U n t er s c h i e d z w i s c h e n E r z e h l u n g u n d F ab e l sind eine dichterisch bearbeitete Geschichte, nur mit dem Unterschiede, daß jene die Absicht hat, entweder zu rühren, oder zu belustigen; diese aber, einen moralischen Satz zu erläutern, in Beziehung, auf welchen sie muß angesehen werden. Dort muß der Dichter alle entweder rührende oder belustigende Umstände zusammen nehmen, und sie in ihr rechtes Licht setzen: hier aber die Umstände, die fähig sind, die Moral frappanter zu machen; in beyden muß das weitschweifige, matte und unnütze gänzlich vermieden werden. Hat aber Gellert irgend einen Gedanken auf so etwas gehabt? Im geringsten nicht. Hier wird von seinen rührenden Erzehlungen, I n k l e u n d Y ar i k o weitläuftig durchgenommen, und gezeigt, daß sie sehr kalt, unzusammenhängend und schleppend ausgeführt ist. Die Verse, wie matt, wie des Reims wegen zusammengestoppelt! Man sieht deutlich, daß kein zuvor durchgedachter Plan vor dem Versemachen hergegangen ist, und daß der Mangel an Genie gar nicht einmal durch eine zuvor angestellte Ueberlegung die anzubringenden Gedanken ersetzt worden. D i e

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s c h er z h a f t e n E r z eh lu n g en sind schlecht erfunden oder gewählt, und schlecht behandelt. Einige können nur Stoff zum Epigramm geben, und sind unausstehlich, wenn sie in der Brühe einer Erzehlung ausgedehnt werden. Gellerts ewiger Tummelplatz sind die Zänkereyen der Ehen, und schlechte Autoren; jede Sache trägt er gedoppelt vor, und mergelt den in einer lahmen Comödie schon abgedroschenen Charakter oder Einfall noch einmal in einer Erzehlung aus, als die Betschwester und kranke Frau. Seine meisten Einfälle sind matt und gedehnt, auch in den Wendungen herrscht eine eckle Gleichförmigkeit. Er ist nur fähig, den Pöbel zu belustigen. – Das L eh r g ed i c h t begreift einen oder mehrere Sätze aus allen möglichen Theilen der Wissenschaften, welche entweder nach einem dichterischen Plan geordnet, und mit solchen episodischen Erzehlungen, die die Sätze zu beweisen vermögen, durchflochten sind, oder in eine einzige geschickt erfundene Erzehlung von dem Dichter eingekleidet werden. Hieraus entstehen zwey Gattungen des Lehrgedichts. Von der ersten ist Utzens Kunst, stets fröhlich zu seyn, Duschens Wissenschaften, Wielands Natur der Dinge; von der andern, Wielands Musarion. Wie weit steht Gellert unter diesen! Er wirft nur einige Gedanken über leichte moralische Gegenstände ohne Plan und Verbindung hin! Das findet man nun zwar auch bey Haller und Hagedorn. Allein, wie stark denkt nicht jener, wie gedrängt, wie körnigt schreibt er nicht! wie edel ist sein Ausdruck! Und wie reizt nicht dieser durch die Mannigfaltigkeit seiner Gegenstände, durch den versteckten Spott, der uns ein Lächeln über die Thoren abzwingt, durch die lebhaft gezeichneten Charaktere. – Beym Gellert hingegen entdeckt man nur fleckweise, und selten, einen Gedanken, der ganz hübsch gesagt ist, und zuweilen stößt auch eine erträgliche Wendung auf, das übrige sind prosaische Gedanken in Sylbenmaaß gefesselt. – Aber nun seine Mo r al , wovon man immer so viel Aufhebens gemacht, und um derentwillen allein viele Eltern es der Mühe werth gefunden, ihre Söhne nach Leipzig zu schicken? auch die wird nicht günstiger behandelt. Siehet man sie als eine Sammlung von Predigten an für Leute, die keine Wissenschaften haben, die den Zusammenhang nicht einsehen, bey denen doch aber einzelne Stellen einen guten Eindruck machen können, so ist sie ein gutes und gemeinnütziges Buch. So bald man sie aber aus diesem Gesichtspunkte verrückt, und sie als ein Buch für die denkende Welt, für das wissenschaftliche Publikum angesehen wissen will, so ist sie das Werk eines seichten Philosophen; schwankende Begriffe, nichts Zusammenhängendes, nichts richtig schliessendes in seinem Vortrage; er nimmt Dinge, die tausend Schwierigkeiten unterworfen sind, unbewiesen an; er giebt Lehren, ohne zu zeigen, warum man sie eigentlich beobachten müsse. Alles, so gar die Wahrheit, ist bey ihm Vorurtheil. Der Styl ist ganz angenehm, und zuweilen sanft-pathetisch. Was hilft das aber einem vernünftigen Leser, wenn er überall Sachen findet, die gar keinen richtigen Grund, keine Bestimmung, und oft keine Wahrheit haben u. s. w. Dies ist der Schluß der scharfsinnigen Untersuchungen, die unser Verfasser bey dieser Gelegenheit über die oft so wenig vorhandenen Begriffe einer Moral für den Verstand und für das Herz anstellet, wobey viele gründliche und feine Bemerkungen vorkommen.

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(Die Fortsetzung künftig.) F o r t s e t z u n g ü b er d e n W er t h ei n i ge r d eu ts c h e n D i c h ter . Nun noch das Endurtheil. Gellert war würklich ein vortreflicher Mann im Leben, ob er gleich ein seichter Kopf, ein Dichter ohne alles Genie, und ein sehr mittelmäßiger Scribent war. Als Glied der bürgerlichen Gesellschaft ist er hoch zu schätzen. Er hatte eine sanfte Denkungsart, und dieser gemäß schrieb er. Wie konnte er wissen, daß die ganze Nation mit solcher Wuth auf seine Schriften fallen, und sich gar nach ihnen bilden würde. – Woher aber das, wenn er würklich als Schriftsteller so wenig Werth hat? Sollte sich das ganze deutsche Publikum betrogen haben? Nur frey herausgesagt: Ausser wenigen guten Köpfen hat unser Publikum noch gar keinen Geschmack, welches sowohl aus der Menge und Oberherrschaft der Journalisten, als auch aus dem Beyfall erhellet, womit es die Nachahmer aufnimmt. Es besteht aus Leuten, die lesen und lesen, und nicht wissen, was sie lesen; oft bilden sie sich ein, sie finden etwas schön, und warum? weil es ihnen vorgesagt worden ist, oder, wenn sie würklich etwas goutiren, so ist es etwas eckles und abgeschmacktes. Es weiß noch nicht einmal, was es zu lesen hat, und wirft sich ins Gelag hinein auf alles, was neu herauskommt. Italien, Frankreich, England, hingegen haben ihre Lieblingsschriftsteller, die die ganze Nation seit Jahrhunderten liest, und nicht ei n m a l liest, und dann hinter das Bücherbrett wirft, sondern zehn- zwanzigmal. Diese studirt sie, schreibt über sie, und setzt ihre Schönheiten auseinander. Aber unser Publikum! mein Gott! wie liest das dagegen. Der Journalist zieht das Publikum, wohin er will, der Buchführer lauft dem Publiko nach, und der Schriftsteller dem Buchführer. – Nun deutsche Leser! da haben sie ihren Text, so dürre und derbe, als er ihnen je gelesen ist. Vergeben sie, daß wir ihre Ohren mit einem so langen Auszuge aus einem so anstößigen Werke geärgert, wobey gewiß manche die Augen verkehret, und die Hände zusammengeschlagen haben. Wir konnten ihn nicht kürzer machen, wenn wir ihnen eine vollständige Nachricht von einem Buche, das viele Worte, geredt zu seiner Zeit, enthält, geben wollten, und wir können sie versichern, daß wir uns Gewalt anthun müssen, eine grosse Menge treffender und feiner Urtheile zu überschlagen. Mit unter müssen auch andere ehrliche Männer, ausser Gellert, an den Tanz: die V er f as s er der Göttingischen Zeitungen, in dem, was die schönen Wissenschaften betrift; Kästner, der es sich einfallen lassen, Gellerten mit Cicero zu vergleichen, und eine Stelle im Milton zu kritisiren; W i tth o f f , wegen seiner Gedichte; und vor allen Y o u n g , der gerade heraus ein Verderber des guten Geschmacks und der gesunden Vernunft genannt wird. Damit man aber nicht glaube, daß unser Kritikus nichts könne, als spotten und tadeln, so setzen wir gerne hinzu, daß er die übrigen Vorzüge eben dieser Männer nicht verkennet, daß er Wielanden, Rabenern, Geßnern, Leßingen, Klopstocken, Hallern, Hagedornen, Utzen, Duschen, Rammlern alle Gerechtigkeit widerfahren läßt, und daß er Gellerten selbst, als geistlichen Liederdichter, ganz billig beurtheilet. – Und was sollen wir denn nun zu sei-

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nen Kritiken sagen? Sollen wir ihn auch so anschnarchen, wie schon in verschiedenen Zeitungen geschehen ist, in welchen man sich auf die Hauptsache nicht eingelassen, unter vielen Exclamationen nur Kleinigkeiten benennt, und dann den kritischen Bannstrahl auf ihn herabgeworfen? Ich dächte, wir thäten es nicht. Man kan, ohne unbillig zu seyn, ihm Geschmack, Scharfsinn, Belesenheit, und ein feines Gefühl vom schönen nicht absprechen, und eben so wenig kan man ohne Vorurtheil leugnen, daß er nicht in vielen, ja beynahe den meisten seiner Urtheile Recht hat. Es wird doch wohl kein Verbrechen seyn, Gellerten, da er einmal tod ist, als Schriftsteller, strenge und genau zu prüfen, (denn warum sollte er besser seyn, als die Egyptischen Könige, die sich eben das mußten gefallen lassen?) und es kan auch den Nutzen haben, den Geschmack der Nation zu läutern, zu befestigen, und sie zu lehren, mit welchen Augen sie den Werth ihrer Schriftsteller beurtheilen müssen. (Der Schluß künftig.) B es c h l u ß ü b er d en W er t h ei n i g er d eu t s c h en D i c h t er. Und wie? wenn es unter den würklichen Kennern, ja selbst unter den Freunden des sel. Gellerts einige gäbe, denen unser Kritikus nichts neues gesagt, und die unter sich lange darüber eins gewesen, ob sie gleich nicht laut davon gesprochen, daß er das nicht sey, wofür man ihn gehalten, ein Genie im eigentlichen Verstande, ein Originalgeist, ein erfinderischer Kopf, ein Stern der ersten Grösse am Dichterhimmel. Allein, mußte das nun so anzüglich, so grob, mit solcher hönischen Freude gesagt werden? Waren deßwegen die Namen, Sudler, Stümper, Reimreich, bey einem würklichen verehrungswürdigen Manne am rechten Orte angebracht? Mußten alle Flecken an ihm so zudringlich aufgesucht, so bitter gerüget, und die Schönheiten dagegen mit vorsetzlicher Nachläßigkeit übergangen werden? Wäre er noch zehnmal schlechter, als er ist; verdienet denn nicht ein ganzes Publikum, das ihn hochschätzt, mehr schonende Achtung, und war es nicht selbst gegen die Absicht des Verfassers, es aufzubringen, vorausgesetzt, daß er würklich den Zweck hatte, es zu belehren und zu bessern, nicht aber seiner Galle Luft zu machen? Zugegeben, daß Gellert kein Genie war, in dem Verstande, worin Shakespear, Milton und Ariost es sind; hatte er denn gar kein Genie? Konnte er, ohne einen Funken davon zu besitzen, sich über das geschmacklose Zeitalter, in welchem er anfieng, so hoch erheben, und Gedichte verfertigen, denen man wahre Schönheiten nicht absprechen kan? Hat er gleich für Genies, für feine, denkende Köpfe, kein Verdienst; welche Unbilligkeit ist es nicht doch, vorzugeben, daß er nur ein Dichter für gemeine Leute sey, daß seine Moral nur winselnde, weichherzige Leutgen gemacht, und daß er den Fortgang der Deutschen mehr aufgehalten, als befördert. Welche Unbilligkeit, es ihm streitig zu machen, daß er nicht wenig dazu beygetragen, den Geschmack der Nation zu bilden, die Lust zu einer nützlichen Lectüre, die sich gewiß weiter, als auf Romane erstreckt, auszubreiten, und durch die in allen seinen Schriften herrschende Religion und Moralität wahre Tugend einzuflössen? Gesetzt, daß er nur mittel-

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mäßige Köpfe befriedigen kan, muß denn für diese gar nichts geschrieben werden? Sollen alle die, für welche die Miltone und Klopstocke zu hoch sind, zu ihrer Nahrung nichts haben? Uns dünkt, daß, gegen diese gehalten, ein Gellert bey weitem nicht der größere, aber doch der nützlichere Schriftsteller ist. – Diese, wie wir glauben, verdiente Lection, war das allerwenigste, was wir dem ungebetnen Waradein8 eines unsrer würdigsten und rechtschaffensten Schriftsteller entgegen setzen konnten, und wir überlassen es ihm, wie er das deutsche Publikum, daß er fast allgemein gegen sich aufgebracht, wieder versöhnen könne.

Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772. Erste Hälfte, Nummer XV, 21. Februar 1772, S. 117–119. [Rez. von Johann Wolfgang Goethe oder Johann Heinrich Merck]

F r a n k f u r t u n d L ei p z i g . U eb er d en W er th ei n i g e r d eu ts c h er D i c h ter u n d ü b er an d r e G eg en s t ä n d e d e n G es c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i tt e r a tu r b e tr ef f en d . Ein Briefwechsel, 1. Stück. 1771. 8. 20 Bogen. Es ist eine undankbare Arbeit, wenn man Ketzer retten soll, wie es diese Verf. in Ansehnung der allgemeinen Orthodoxie des Geschmacks sind, gegen die sie sich auflehnen. An Gellert, die Tugend, und die Religion glauben, ist bey unserm Publiko beynahe Eins. Die sogenannten Freygeister in Sachen des Genies, worunter leyder! alle unsre jetztlebende große Dichter und Kunstrichter gehören, hegen eben die Grundsätze dieser Briefsteller, nur sie sind so klug, um der lieben Ruhe willen, eine esoterische Lehre daraus zu bilden. Es thut uns leid, daß diese Verf. die Regeln einer Erbauungsschrift verkannt, und nicht mehr erlaubte Charlatanerie bey ihren Patienten angewendet haben. Sie wollten den lallenden, schlafenden, und blinzenden Theil des Publikums curiren, und sie fangen dabey an, daß sie ihm seine Puppe nehmen – – Bilderstürmer wollen einen neuen Glauben predigen! G e ll er t ist bey ihnen ein m i t te lm äßi g er Dichter o h n e ei n e n F u n k e n v o n G en i e: Das ist zu hart! Gellert ist gewiß kein Dichter auf der Scala, wo Oßian, Klopstock, Shakespear und Milton stehen, nach dem Maaßstab, womit Warton mißt, und wo selbst Pope zu kurz fiele, wenn er den Brief seiner Heloisa nicht geschrieben hätte; Allein hört er deswegen auf ein angenehmer Fabulist und Erzähler zu seyn, einen wahren Einfluß auf die erste Bildung der Nation zu haben, und hat er nicht durch vernünftige und oft gute Kirchenlieder Gelegenheit gegeben, den Wust der elendesten Gesänge zu verbannen, und wenigstens wieder einen Schritt zu einer unentbehrlichen Verbesserung des Kirchenrituals zu thun? Er war nichts mehr als

|| 8 Gemeint ist Wardein: Chemiker mit metallurgischen Kenntnissen, hier: Münzprüfer; Anm. d. Hg.

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ein Bel Esprit, ein brauchbarer Kopf; allein muß man ihm daraus ein Verbrechen machen, und sich wundern, wenn der gemeine Haufen, nur Augen und Ohren für dergleichen Art von Schriftstellern hat? Nicht allein bey uns, sondern in allen Ländern wird die Anzahl der denkenden Menschen, der wahren Gläubigen, immer eine unsichtbare Kirche bleiben. Der Recensent ist Zeuge, daß der selige Mann von der Dichtkunst, die aus vollem Herzen und wahrer Empfindung strömt, welche die einzige ist, keinen Begriff hatte. Denn in allen Vorlesungen über den Geschmack hat er ihn nie die Namen Klopstock, Kleist, Wieland, Geßner, Gleim, Leßing, Gerstenberg, weder im Guten noch im Bösen nennen hören. Bey der Ehrlichkeit seines Herzens läßt sich nicht anders schliessen, als daß sein Verstand sie nie für Dichter erkannt hat. Es war vielleicht auch natürlich, daß er bey der gebrochenen Constitution seines ganzen Wesens die Stärke des Helden vor Wuth des Rasenden halten mußte, und daß ihm die K lu gh ei t, die Tugend, die nach Wieland die Stelle aller andern zuweilen in dieser Welt vertritt, anrieth, nichts von diesen Männern zu sagen. Wir wünschten daß die Ausfälle der Verf. weniger heftig wären; die Redensarten d e th r o n i s i r e n , au s d er S c h a n z e v er j ag en und dergleichen klingen zu feindlich, oder zu niedrig. Indessen ist diese Schrift kein Gewäsche, wie man sie unter diesem Titel dem Publiko hat aus den Händen raisonniren wollen. Unter der nachlässigen Weitschwechigkeit9 dieser Briefe verkennt man nie die denkenden Köpfe, und wir empfehlen die E r i n n er u n g ü b er d i e J o u r n a li s te n gleich zu Anfang, die Bemerkung über den U n ter s c h i ed d er F a b e l S. 142. und 148. die Re t tu n g Mi l t o n s gegen die Ausmessungen des Herrn Prof. Kästner. S. 164. über das L e h r ge d i c h t, S. 195. und die vortrefliche Gedanken über W i el a n d s V er d i e n s t als Lehrdichter in der Mu s a r i o n , S. 196. die R a n go r d n u n g G e l ler t s mit D u s c h und U tz , S. 200. den Augenpunkt woraus sie die G el le r t s c h e Mo r a l betrachten, S. 243. und 250. und den ganzen S c h lu ß unsern Lesern zur Beherzigung. Vorsatz zu schaden sieht man aus dem Detail der Kritiken; allein deswegen sind sie nicht unrichtig. Man hat unter den Fabeln freylich nicht die besten gewählt, und bey den Erzählungen die schwache Seite Gellerts, das ist, die Mahlerey untersucht, und ihn am Ende gar mit A r i o s to gemessen. Wir sind aber doch versichert, daß diese Produktion mit allen ihren sauren Theilen ein nützliches Ferment abgiebt, um das erzeugen zu helfen, was wir dann d e u t s c h en G e s c h m a c k , d eu ts c h e s G ef ü h l nennen würden.

|| 9 Wohl: Weitschweifigkeit; Anm. d. Hg.

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Brief von Felix Christian Weiße an Johann Peter Uz, 24. Februar 1772. In: Morgenblatt für gebildete Leser, No. 292, 7. Dezember 1840, S. 1165.

Die Lemgower Schrift hat einen gewissen Mauvillon zum Verfasser, ein Sohn des bekannten Autors der Lettres germaniques. Es hat derselbe hier studiret, war etwas locker, besaß aber viele Fähigkeiten. Jezt ist er Lector in der französischen Sprache an einer Schule im Hannövrischen. Er war schon hier Gellerts Freund nicht; vermuthlich mochten ihm seine Ermunterungen zur Religion und Tugend mißfallen, und der Geist des Widerspruchs schien ihn auch zu beseelen. Man kann nicht leugnen, daß viel Wahres in seiner Schrift ist, aber es bleibt immer niederträchtig, eines so tugendhaften Mannes, als Gellert war, Grab mit Füßen zu treten und das gute Vorurtheil, wenn es ja Vorurtheil wäre, einer Nation zu entreißen, die ohnedies für seine Dichter so kalt und gleichgültig ist. Es bedarf nichts weiter, als daß man unsere Großen lehrt, Gellert war nichts, den sie noch einzig lasen und hochachteten, um ihnen alle unsere Dichter vollends verwerflich zu machen. [...]

Kayserlich-privilegirte Hamburgische Neue Zeitung, 6. Jg., 38. Stück, 6. März 1772, unpag.

U e b er d e n W er th ei n i g e r d eu t s c h en D i c h t er , u n d ü b er an d r e G e g en s t ä n d e , d en G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i tt er a tu r b e tr ef f en d . 1. T h ei l . L em go i n d er M ey e r s c h e n B u c h h a n d l u n g. 1771. 8 Seit den Lettres germaniques ist wohl keine Scharteke erschienen, die unserer Nation mit mehr Unverschämtheit Hohn gesprochen hat, als diese. Zwey junge Leute, die vermuthlich sahen, daß itzt mehrere Knaben sich zu Kunstrichtern aufwerfen, und von andern Knaben Beyfall erhalten, wollten auch ein Journal schreiben, und um Aufsehn zu machen, neu werden. Sie fanden, daß Gellert allgemein gelesen ward. Hieraus schlossen sie, daß er für den ersten Dichter und das gröste Genie der Deutschen gehalten würde, weil er unter unsern guten Dichtern am popülärsten gehalten ward. Sie hatten einige Stücklein guter Kritik aufgesamlet, allein die – wie Dryden sagt Pass’ d thro’ them no longer is the fame As frod digested takes a different name.

Nun mochten sie irgend einmal gehört haben, daß ein Mann von Einsicht gegen einen andern von eingeschränkterem Geschmacke behauptet hatte, man müsse Gellerten nicht den grösseren deutschen Dichtern vorziehen, er werde von einigen zu sehr erhoben. Das Ding steigt ihnen zu Kopfe, sie werden völlig verwirrt darüber, und schreiben stracks so unsinnig Zeug in der abgeschmacktesten plumpesten Schreibart, die sich denken läßt, nieder, als Dumheit mit Keckheit verbunden gewöhnlich hervorbringt. Hier sind einige Proben: »Gellert ist ein Dichter ohne einen

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Funken von Genie, wie ein Stümper schreibt er in allen Gattungen; er war absolut nicht zum Witze gebohren, er behält nicht das geringste Verdienst übrig, er ist ein Marsyas, ein – unter der Löwenhaut, ist nur fähig, den Pöbel zu belustigen, seine Gedanken sind keiner Pufbohne werth – Ein gutes Herz hat er wohl, und seine geistliche Lieder machen ihm allein noch einige Ehre, weil unsre Nation noch völlig ungebildet und von Vorurtheilen tyrannisirt ward, als er die Lieder schrieb, und weil dazu gar kein Genie gehört. – Das ganze Verderbniß unsers Geschmacks, das tolle Romanlesen, die Verachtung der Alten, die Nachtgedankensänger, Klopstockianer und Antiklopstockianer, alles kömmt von Gellert – Seine Moral macht die Seele weibisch. L e ßi n g wird derb mit seiner Manier in Fabeln zurück gewiesen, weil heut zu Tage die Lehren, die den Alten unbekannte Wahrheiten waren, unnöthig sind. Kä s tn er hat g ar k ei n e Anlage zum Dichter. L i c h t w e h r , unser P h äd r u s , kann vor Gellerten gar nicht aufkommen. (Also setzte ihn Ramler wohl nicht Gellerten an die Seite, und also hat Lichtwehr nicht auch viele schlechte Stücke, und nicht viel einzelne matte Stellen.) Das Lesen der Engländer hat uns verdorben. Die Schule des guten Geschmacks ist Italien, b es o n d er s in den schönen Wissenschaften. Ihre Dichter sind das erhabenste Modell vom Grossen und Schönen. Alle Nationen müssen dieser weichen. Weil Ariost, Petrarca, Tasso und Metastasio vernachläßigt werden, verfällt der deutsche Geschmack. Alles dieß steht unter einer Menge andrer Abgeschmacktheiten, fast durchgehends mit denselben Worten in diesem Schriftgen. Der Verleger wird hoffentlich nicht neue Unehre einlegen, und einen zweyten Theil drucken lassen wollen. Dagegen empfehlen wir unsern Lesern eine mit Geschmack, feiner philosophischer Einsicht und Unpartheylichkeit geschriebene kleine Schrift: A n m er k u n ge n ü b er G e ll er ts S c h r i f te n u n d C h ar ac te r . Leipz. 1771. gr. 8.10 S.

Königsbergische Gelehrte und Politische Zeitungen, 31. Stück., 17. April 1772, S. 121f.

U e b er d e n W er th ei n i g e r d eu t s c h en D i c h t er , u n d ü b er an d r e G e g en s t ä n d e , d en G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t ter a tu r b et r e f f en d . E i n B r i ef w ec h s el , er s t es S tü c k . Wir haben aus dieser Schrift überhaupt die große Lehre gezogen, wie schlecht gegründet der so genannte Nachruhm der Gelehrten sey, und daß ein Schriftsteller, wenn er seine Unsterblichkeit und Freude auf nichts anders, als auf den Beifall

|| 10 Verf. ist Christian Garve; Anm. d. Hg.

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seiner Schriften gründet, sehr zu beklagen sey. Wem hätte man eher ein ewiges Denkmal weissagen wollen, als Gellerten, und gerade er wird in dieser Schrift mit solcher unmenschlichen Strenge critisirt, daß man ihm in einigen Stellen allen Menschenverstand abspricht, ihn für einen bloß dem Pöbel angenehmen Autor hält, und ihn von allen Ansprüchen an Genie, Dichtkunst, Wissenschaften und wahrem Ruhm lossaget. Wäre nun Gellert nichts mehr als Autor gewesen, hätte in ihm keine tugendhafte und religiöse Seele gewohnt, wie würde es ihm in der Ewigkeit gehen, da es seiner Asche so schlecht disseits den Gränzen der Ewigkeit ergehet? Was sollten nun solche Schriftsteller für Besorgnisse empfinden, die nur Ansprüche auf Genie und Nachruhm – im mindesten nicht auf gutes Gewissen, und christliche Tugend machen? Wir wollen nun von diesem Werke selbst reden, wobey wir nicht bergen mögen, daß den Verfassern die pünktliche Genauigkeit in der Kritik einzelner Stücke von Gellert ganz eigen ist. Daß sie vorsätzlich die schwache Seite dieses Mannes haben ausspüren wollen, ist ganz sichtbar. Aber wie wenig gereicht das zum Ruhm eines rechtschafnen Mannes? Man hat nun schon in so manchen Briefen, Bibliotheken und Journälen durch gar zu strenge Kritiken junge Genies muthlos zu machen gesucht. Was wird vollends geschehen, und wie sehr muß aller Fleiß der Anfänger erstickt werden, wenn sie einen Gellert, so wie hier, gemißhandelt sehen! Das ist schon eine Schande, den eine solche mit dem zweischneidigen Schwerdt einhertretende Henkerartige Kritik stiftet. – – Sodann hat man in dieser Schrift Gellerten offenbar und ganz erweislich Unrecht gethan. Einmal hat der bescheidne Gellert niemals den Ruhm und Vorzug, ein sogenanntes genie superieur zu seyn gesucht, sondern den Rang unter den himmlischen Geistern, den Milton und Ariost haben mögen, verbeten. Seinen Ruhm setzte er dahin, Sitten, Religion, Tugend und Vergnügen in ein einleuchtender Verhältniß gebracht, und mehr Eindruck für sie in den Gemüthern der lesenden Classe von Menschen geschaft zu haben. Ist das Verdienst oder Schande? Ists wirklich geschehen oder erdichtet? Ist das gar nichts, daß durch Gellerts Schriften eine Liebe zur moralischen Schönheit, zur Umgänglichkeit, zur angenehmen Gesprächigkeit, zur verständlichen und stillen Tugend gewirkt ist? Es ist wahr, wie die V. sagen, daß Gellert in seiner Moral mehr die Güte des Herzens, als die Tugenden einer g r o ß en Seele gelehrt habe. Es wäre doch aber thöricht gewesen, wenn er die letzte eher, als die erste, und zwar bey Leuten zu bilden gesucht hätte, die seinem Unterricht nur in so fern anvertraut wurden, als die künftig in einer mäßigen Sphäre, mehr gute Bürger, rechtschafne, wohlthätige Menschenfreunde, als Helden und Mauerbrecher oder Cabinetsräthe in der politischen Welt werden sollten. Die von Gellert gelehrte Güte des Herzens besteht auch nicht, wie die V. meynen, in bloßer Temperamentstugend. Dadurch, daß er sie aus den lautersten Quellen der Religion Jesu herleitet, ist sie schon etwas mehr als Temperament, und gesetzt, Gellert hätte nur lauter solche Menschen gebildet, die ein gutes Temperament zur Wohlthätigkeit, Ehrlichkeit und Großmuth anwenden, ist das nicht schon so viel, daß er ein Genie mitten in einem verderbten Jahrhundert heißen

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kann? Wo hat denn A r i o s t , den die V. so sehr erheben, nur eine einzige menschliche gute Handlung bey seinem Leser zu wirken gewußt? Sodann sieht auch dem V. dieser Kritik die unerträgliche Partheilichkeit aus den Augen. Der Neid über Gellerts Nachruhm ist in ihrem Herzen die Natter, die die f r o m m e Leiche des Mannes stechen will. Wir fragen sie auf ihr Gewissen, falls sie mit dem besten Genies, die sie davor halten, eben so strenge, als mit Gellerten anbinden wollten, ob sie sie nicht eben so tadelnswürdig in andern Stücken, als Gellerten finden würden? Wer giebt ihnen denn die Freiheit, den einen zu geißeln, und die andre[n] zu krönen? Wenn sie sich doch genau erkundigen wollten, was Kunstrichter mit allem Recht an Mi l to n , S h a k s p e ar und A r i o s t getadelt haben? Selbst unsere V. nehmen sich die Freiheit, einige Fabeln von Gellert und l a F o n t ai n e zu vergleichen, und können sich nicht entbrechen, den letztern hie und da so sehr zu tadeln, daß, wenn sie ihren Tadel durch eine Vergleichung mit andern Fabeln beider Dichter fortsetzen wollten, die den l a F o n t a i n e eben so schlecht, wie Gellerten finden würden. – Sie tadeln, daß Gellert Kritikus seyn wollte. – Aber wo hat er denn je den Namen (falls der11 V. nur recht verstehen, was eigentlich wissenschaftliche Kritik ist) führen wollen? Denn die Kritik über einige seiner Fabeln war bloß ein, von so wenigen nachgeahmtes, bescheidnes Bekenntniß der Fehler, die er darinn fand. Nun wollen wir noch sagen, worinn die V. einigermaßen Recht haben. Wenn sie die Schwedische Gräfin nicht loben, wollen wir ihnen beifallen, wenn sie nur gestehen, daß sie der erste deutsche erträgliche Roman war, der die B an i s e n zu verdrängen im Stande war. Wenn sie die geistlichen Oden tadeln, so stimmen wir darinn mit bey, daß wir sie eher, als die V. vielleicht hieran dachten, bloß für einen gut gereimten Catechismus in Gestalt der Oden oder Lieder gehalten, die keinen auffallenden Gedanken sagen. Wenn sie Gellerten für einen schlechten Komödienschreiber halten, so gestehen wir dies nur in Absicht dessen zu, daß er in Deutschland keine, im Umgange lächerlichere Charaktere fand, als er wirklich zeichnete, und die Zeichnung dürfte nicht so sehr nach der Kunst, als nach der Gelehrigkeit der Lesenden seyn. Offenbar verrathen die V. ihre Unwissenheit, wenn sie an einem Ort sagen, Gellert habe a u s d e n Ko m ö d i e n die Fabel von der Betschwester und der kranken Frau genommen. Umgekehrt, die Fabeln machte er lange vorher, als die Komödien, und zog diese aus jenen, gleich dem Gewebe aus dem einzelnen Faden, wie es andre gute Komödienschreiber auch machen. Sonst kommen bey den V. andre gute Anmerkungen vor, z. E. wider Käs t n er n ; von der Erklärung des Lehrgedichts überhaupt, vom Unterscheide einer Moral fürs Herz und für den Verstand. – Aber ihre Erklärung des Unterschieds zwischen Fabel und Erzählung deucht dem Recensenten bloß eigensinnig, nicht the[o]retisch grundfest. Also fällt da auch viel Tadel weg, den sie deshalb auf Gellerten werfen. || 11 Gemeint ist: die; Anm. d. Hg.

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Wir haben diese Anzeige weitläuftiger gemacht, als eine Zeitung erlaubt. Aber Gellerts Ruhm verdiente es, und wir fodern Gellerts noch lebende Freunde, besonders C r am er n und S c h l e g el n auf, daß sie es übernehmen, diese ganze strenge Kritik, wo nicht ganz zu widerlegen, doch so einzuschränken, daß der demüthige Gellert, falls er lebte, selbst damit zufrieden seyn könnte. Kostet in der Kanterschen Buchhandlung 1 fl. 15 gr.

Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 1. Theil. Halle 1772, S. 297–308, hier S. 297.

Re v i s i o n d e r P h i l o s o p h i e. E r s ter T h ei l. G ö tti n ge n u n d G o th a , b e y D i e tr i c h , 17 7 2 . S . 3 1 0. 8 . [...] Nach einer erhaltnen schriftlichen Nachricht ist der Verfasser dieser Schrift eben derselbe, welcher vor kurzem die Ehre G ell er ts geschändet hat, der Verfasser des Buchs ü b er d en W er th v er s c h i ed n er d e u t s c h er D i c h ter .12 So wahr und richtig diese Anecdote ist, so wenig wollen wir hier Gebrauch davon machen, und den Hrn. M. *** verrathen. Er wird selbst am besten fühlen, daß wir ihn kennen; aber fern sey es, nach einem Vorurtheil zu richten. O, wie wünschten wir, nach dem wahresten Urtheile günstig von ihm reden zu können! Gleichwohl muß der Herr Verf. bedenken, daß wir gegen das Publicum aufrichtig seyn müssen. Wir versichern ihn im Voraus, daß uns nicht das geringste fremde leitet, sondern wir urtheilen blos von ihm, als Verfasser einer Abhandlung über die Aesthetik. [...]

Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 1. Theil. Halle 1772, S. 338–341. [Rez. vermutl. von Gottlob Benedikt von Schirach]

G e ll er t h at G e n i e , d av o n h an d e lt , w i d er ei n en ge w i s s e n Ku n s tr i c h ter , M[ a gi s t er ] . J o h [ an n ] . G e o r ge Z i er l ei n , R ec t o r d er S c h u l e z u P r en z l o w . P r en z l o w . 3 B o g en i n 4 . 17 7 2. Dieser ge w i s s e Ku n s tr i c h t er , wider welchen hier eine Apologie des seel. Gellerts erscheint, ist bekant genug. Wer kent nicht d i e B r i ef e ü b er d e n W e r t h m an c h er d eu ts c h e n D i c h t er ? und wer ist nicht auch schon von dem frechen Urtheilen dieses armseligen Aristarchen, und Hofmeisters von Deutschland unterrichtet? Die deutschen Kunstrichter haben in seiner Züchtigung gewetteifert, und es || 12 Allerdings unterlag der Rezensent hier einem Irrtum, wenn er die Revision der Philosophie (Erster Theil. Göttingen, Gotha 1772), die eigentlich Christoph Meiners zum Verfasser hat, Mauvillon zuschrieb; Anm. d. Hg.

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wäre überflüßig, noch etwas dazu zu sagen. Die angezeigte Abhandlung eines gelehrten, und verdienten Schulmannes ist in dem Tone der Sanftmuth geschrieben, welche immer das gute Gewissen der Wahrheit zu begleiten pflegt. Wir können nicht anders, als diese Schrift allen denenjenigen empfehlen, welche Gellerts Geist verehren, und überzeugt sind, daß ein Witzling Gellerten das Genie nicht geraubt habe. Der Verfasser geht mit einem philosophischen Scharfsinne die Beschuldigungen durch, welche der ungenante dem seel. Gellert gemacht hat, und zeigt sie entweder als Trugschlüsse, oder als unbesonnene Frechheiten; zuerst den Vorwurf, daß Gellert die meisten seiner Fabeln nicht selbst erfunden habe: hier werden ihm die Nachahmungen der grösten Dichter entgegengestellt. Ferner wird der Vorwurf widerlegt, daß Gellert zu sehr dehne, und der dunkle Ausdruck des D eh n e n s bestimt. – »Gellert dehnt – heißt das so viel, meistentheils bringt er Sachen an, die gar nicht zur Hauptsache gehören, so ist es völlig wider die Wahrheit. Es kan aber auch so viel bedeuten: er bringt zu viel Züge von einer Sache an, er hätte nur die wichtigsten, und schönsten zeigen sollen. Soll es dieses anzeigen, so beweißt es die Meynung des Publicums, daß Gellert Genie habe.« Die Ausführung über diesen Punct in der Folge macht dem Scharfsinne, und der Critik des Herrn Zierlein wahre Ehre. Ein anderer Beweiß des Gegenfüßlers vom deutschen Publico war. »Es herrscht kein richtiger Plan, oder keine Einheit in Gellerts Erzählungen und Fabeln.« Herr Z. beweißt welch ein Fehlschluß in dieser Behauptung liege. Er ist kein blinder Anhänger von Gellerts Gedanken. Er gibt dem ungenanten Feinde desselben verschiedenes zu, aber, daß daher folge, Gellert habe kein Genie gehabt, das leugnet er, oder vielmehr, er beweißt, daß das Publicum dieses mit Recht leugne. Folgende Stelle S. 8. ist so wahr, so schön bemerkt, und so allgemein nutzbar, daß wir sie nothwendig abschreiben müssen. »Wenn ein Schriftsteller in seinem Leben mehrere glückliche Stunden gehabt hat, worinn er was vortrefliches, was schönes schrieb, kan er wahrhaftig kein schlechter Kopf seyn, wenn er auch wieder mehrere Stunden erlebte, die ihm die witzigen, die schönen, die naifen Einfälle nicht leicht machten. Sonst müsten unsre grösten Dichter auch schlechte Genies seyn. Es sind Stücke von ihnen erschienen, die sie in unglücklichen Stunden verfertigt, die auch wohl ein mässiger Kopf hätte machen können. Ueberhaupt werden an jedweden grossen Dichter einige nur wenige Stellen und Gedichte bewundert. Gellert muste also noch unter die Genies gerechnet werden, wenn auch nichts von seinen Werken uns den Beyfall ablockte, als das, was unser Recensent an ihm billigt.« Diese so gemeinnützige Anmerkung wäre allein hinreichend, den klugen Z o i l u s der Deutschen zu Boden zu werfen; wenn auch nichts weiter gegen ihn erinnert worden wäre. Allein Gellert wird auch in der Folge der Abhandlung sehr gut wegen der häufigen und oft langen Reflexionen, die er in seine Fabeln und Erzählungen einmischt, theils verteidigt, theils entschuldigt. Eben so gut wird der Vorwurf beleuchtet: Gellert ist matt! sein Ausdruck ist ohne Adel: (im Vorbeygehn gesagt, der Adel des Ausdrucks des Antigellerts hat wahrhaftig auch keine Ahnen.)

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Wir müssen die Leser wegen der übrigen Vertheidigungen Gellerts auf die Schrift, die wir hier nur anzeigen, selbst verweisen, deren Lectüre sie gewiß nicht gereuen wird. Zuletzt sind gutgedachte und feine Anmerkungen angebracht über die so gewöhnlichen Redensarten: ei n M an n v o n G en i e: d e r Ma n n h a t G e n i e . Wie gesagt, wir verweisen auf die Lesung dieser wohlgerathnen Schrift selbst; und brechen hier ab. Einige eingestreute Sätze des geschickten Herrn Verf. möchten wir selbst nicht zugeben, z. B. sein Urtheil vom n eu e n A m ad i s , ingleichen verschiedne Urtheile vom Homer und andern alten Schriftstellern. Allein die Verschiedenheit der Meynungen bleibt eine wesentliche Eigenschaft der Gelehrsamkeit. Nur mit Uebermuth, mit anmassender Frechheit und Beschämung eines ganzen Publici, muß kein Gelehrter seine Meynungen vortragen, so wie der Feind Gellerts, den hier Herr Zierlein widerlegt, und sich selbst dadurch als einen guten Schriftsteller von reicher Hofnung ankündigt, von welchem wir mehrere Arbeiten mit Vergnügen erwarten. S.

Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 2. Theil. Halle 1772, S. 198–200.

U e b er d e n W er th ei n i g er teu t s c h en D i c h t er e t c . 2 te s S t ü c k . F r a n k f u r t u n d L ei p z i g , 17 7 2. Seite 269.13 des ersten Stücks dieses Magazins, ist des ersten Stücks dieser Schrift mit einigen Worten erwähnet. Jetzt da der Verfasser, den der Recensent genau kennet, keine Kritik zu schätzen scheint, keinem gerechten, und bittern Tadel Gehör giebt, den man ihm wenigstens in solchen Blättern entgegen gesetzt hat, deren Verfasser es billig für Pflicht hielten, den Geschmack eines ganzen Publikums gegen die Anfälle eines jungen, stolzen, hitzigen, und unerfahrnen Menschen zu schützen; da er, nicht zufrieden damit, daß er den rechtschaffenen und verewigten G e ll er t im Grabe geschändet hat, mit verdoppelter Unverschämtheit wieder daher tritt, neben dem entweihten Grabe G e ll er ts , nun auch die Monumente der besten teutschen Schriftsteller zu zertrümmern, so setzt er die unpartheyische Kritik allerdings in Verlegenheit. Seine Urtheile über die verewigten Werke der besten teutschen Schriftsteller, gründlich – ja! oft mit des V. sich widersprechenden Worten zu widerlegen: dies verlohnt sich gewiß der Mühe nicht. Ihn mit Spott, Galle, und Tadel für seine unbesonnene, und stolze Verwegenheit zu züchtigen, ist die Sache des Rezensenten nicht, so sehr auch der Verfasser sich der Achtung und Freundschaft jedes rechtschaffenen, und billig denkenden Mannes, mit Vorsatz verlustig, und unwerth ma-

|| 13 Korrekt ist: 297; Anm. d. Hg.

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chen will. Wer kan ohne den gerechtesten Unwillen, die Schrift eines verwegenen Jünglings zur Hand nehmen, der den Geschmack des teutschen Publikums über den Haufen werfen, und allen öffentlichen und stillen Beyfall, die einzige Belohnung der Genies unsers Jahrhunderts, den größten, und selbst von den Ausländern bewunderten Männern mit einer so muthwilligen Dreistigkeit rauben, und da allein ein entscheidender Richter seyn will, wo nur wenige, wahre Kunstrichter die Wage der Kritik führen sollten! Muß man den jungen Mann nicht in der That mehr bedauren, als mit Galle tadeln, der selbst in dem Augenblicke, da er die Hochachtung und den künftigen Beyfall seiner Nation von sich stößt, so vieles Talent verräth! Schade! daß der V. dem man nur mit entschiedener Ungerechtigkeit Talente absprechen kan, nicht die Bahn hat gehen wollen, die der edle Theil unsrer Kunstrichter und unsrer Nation, in welche er kaum aufgenommen ist (so sehr ist uns der V. bekannt) gegangen sind, sondern daß er sich zu dem verachteten Haufen unsrer heutigen jungen Schmäher drängt. Mehr wollen wir von einer Schrift nicht sagen, der zum Glück des V. eine nahe Vergessenheit bevorsteht, und deren Verfasser wir nicht wünschen wollen, daß er das Ziel erreiche, das er sich vorgesetzt hat, nemlich, von Männern gehasset zu werden, deren Güte und Freundschaft er wünschen sollte, und von einer Nation verachtet und verspottet zu werden, für die er Hochachtung haben muß. Wir verbinden mit dieser Anzeige eine andre von einem, oder vielmehr zwey geheimen genauen Freunden des Collaborators Mauvillons, welche sich durch folgende k i n d i s c h e B lä t t er der Verachtung des Publicums haben blos stellen wollen: D ev i s e n au f d e u t s c h e G el eh r t e u n d D i c h ter . 17 7 2 . Die Menge der Kunstrichter und Kritikaster hat in kurzer Zeit in Teutschland eine solche Ueberhand genommen, daß es an Titeln fehlt, unter denen die Herren erscheinen können. Wir haben Bibliotheken, Briefe, Magazine u.s.w. aber, aus diesen wurden die Kritikaster verjagt. Die Männerchen musten sich also, jeder für seine Rolle, ein besonderes Kleid machen lassen. Daher ließ sichs schon vor 2. Jahren ein berüchtigter Compilator gefallen, als C al en d er m ac h er bey D o d s l ey und C o m p a gn i e aufzutreten, machte Sonntags und Altagsdichter, kritisirte, schmähete, reimte selbst und schloß sein Werkgen mit einem Register voll erdachter Nachrichten. Jetzt kommen nun auch zwey Devisenmacher lustigen und poßierlichen Ansehns. Was ist doch die Absicht dieser zwey kindischen Menschen? Hört es Gelehrte und Dichter, gelobte, beschimpfte und vergötterte, nur gütige und gestrenge Richter, wollen, laut eigener Vorrede, nicht neben euch im Tempel der Unsterblichkeit stehen, sondern die Früchte ihres grossen Genies in Mehlteig wickeln, und im Backofen eines Zuckerbeckers backen lassen. Mehr von denen beyden S t ud io si s

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R – t und U – r,14 die diese Blätter gesudelt haben, zu sagen, ist der Mühe nicht werth. K.*

Brief von Leopold Friedrich Günther Goeckingk an Ludwig August Unzer vom 4. Juni 1772. Eduard Jacobs: Ludwig August Unzer. Dichter und Kunstrichter. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 28 (1895), S. 117–252, hier S. 216.

[...] Das zweyte Stück ihrer Briefe laß ich mir heute kommen, nicht just Ihnen, sondern mir selbst zum Gefallen. Aber darüber verlang ich noch eine Erklährung, warum Sie an dem 3ten Stücke keinen Antheil nehmen wollen? Sind Sie etwa mit Mauvillon nicht über den Plan einig, oder warum sonst? Schreiben Sie noch oft an ihren Freund? und wie geht es ihm? wär ich in dem Stande, daß ich den Weg zu Pferde sehen könnte, so hätt ich die Reise nach Caßel gewiß gethan, und mir dann seine Bekanntschaft zu erwerben gesucht, weil sich Freundschaft in einigen Stunden nicht erhalten läßt, er hätte mich denn auf Ihr Ehrenwort annehmen müßen. Empfehlen Sie mich ihm indeßen vorläufig als eine gute Seele. [...]

Erfurtische gelehrte Zeitungen, 54. Stück, 6. Juli 1772, S. 444–447. [Rez. vermutl. von Christoph Martin Wieland]

L em go . In der Meyerischen Buchhandlung: U eb er d e n W er t h ei n i ge r te u t s c h en D i c h ter , u n d ü b er an d r e G e ge n s t än d e d e n G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t t er at u r b e tr e f f en d , ein Briefwechsel, zweytes Stück S. 252. 8. Das geht hurtig! Jedoch die Lüderlichkeit der Sprache, zu der man sich pivilegirt glaubt, sobald man in Briefen kritisirt, erfordert wenig Zeit. Und kritische Paradoxen zu finden, was braucht das für Zeit? Zwar werden Paradoxes moraux ungestrafter geschrieben als kritische: aber es giebt doch müßige Leute genug, die unserm kritischen Schnarrwerk mit Gedult zuhören, und wohl gar denken: Je närrischer, je besser! Man braucht ein Dutzend Grillen aus der Luft zu greifen, und mit verhängtem Zügel drauf los zu raisonniren: so hat man doch wenigstens das Vergnügen, in die Mäuler des Publikums zu kommen. Seitdem Herder, mit Phantasie und Philosophie gleichwohl ausgerüstet, uns kritische Ideale gezeichnet; plagt uns jeder Schwätzer mit seinen Chimären, baut ganze Kartenhäuser von seinen Träumereyen auf, oder idealisirt wenigstens in Zeitungsblättern. Kommt dann noch die S elb s t g en u g|| 14 Gemeint sind Heinrich August Ottokar Reichard und Ludwig August Unzer; Anm. d. Hg.

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s am k ei t hinzu, die der Verfasser (S. 124) so sehr preiset, und selbst im höchsten Grade besitzt, wer kann da wohl Gedult behalten? W i r s i n d k ei n e W ar to n s , u n d w o l l en s n i c h t s e y n , heißt es S. 108, und dennoch herrscht durchgehends Wartonische Zuversicht und Dreistigkeit. Es ist einem ieden erlaubt, sagt einmal Leßing, seinen eignen Geschmack zu haben, wenn er ihn nur rechtfertigen kann: aber eine Rechtfertigung aus so seichten Gründen, wie man hier findet, ist so gut, wie gar keine. Wir wollen, wie bey dem ersten Stück, einige Machtsprüche des Verfassers auszeichnen. Eine sanfte Seele und ein schwacher Kopf sind (S. 2) immer beyeinander. R ab en er ist (S. 8) ein ungleich größeres Genie, als Gellert. Das teutsche Publikum blieb (S. 9) bey Rabeners Tode kalt. (Wer wird denn die Menge der Leichengedichte zum Maas der Wärme annehmen?) Ueberhaupt war (S. 9) Rabener schon fast vergessen. Alle Satyrenscheiber sollten (S. 12) Swifte seyn, und Swiften steht Rabener unendlich nach. Des Lobspruches vom Ram le r auf Rabener (im Batteux) kann sich der Verfasser (S. 18) nicht erinnern. Was man von Liscov schon oft gesagt, trägt er (S. 19) als etwas neues vor. Rabener hat (S. 23) zu sehr in abstracto satyrisirt, und die Universalsatyre ist die schlechteste. (Dies scheint uns der nehmliche Fall mit dem Streit über die Vollkommenheit der moralischen Charaktere zu seyn; die einzelen Züge der Satyre müssen concret seyn, und daraus ein abstractes Ganzes zusammengesetzt werden. Der Verfasser möchte lieber gar das Pasquill eingeführt wissen.) Er verlangt (S. 39) für die teutsche Kritik noch mehr Freymüthigkeit: »Wie würde das Verdienst eines D en i s hervorgezogen, und die S c h l eg e ls , G i s ec k e n s , G ä r tn er s , und C r o n e gk s in ihre verdiente Dunkelheit geschleudert werden! Unter welch einer Gestalt würde H au s e n , den man so lange verkennt hat, erhoben werden.« Sind Denis Verdienste nicht gerühmt worden? Und erröthete der Verfasser nicht, das Uebrige niederzuschreiben? Rabener hat (S. 54) die feinen Fehler der Weltleute nicht gezeichnet. (Muß denn einer alles thun?) S. 55 wird er gar unter die Lustigseynwollenden gerechnet. Man darf nur seine neugedruckten freundschaftlichen Briefe lesen, um den Ungrund dieser Lästerung zu sehen, um zu sehen, daß Rabener von Natur eine reiche Ader von Humor hatte. Es wird ihm (S. 51) zum Verbrechen gemacht, daß er sich nur mit Gelegenheitsdichtern und Antiquaren abgegeben. Als wenn zu seiner Zeit das Volk der Miethpoeten nicht wichtiger gewesen, als wenn damals keine C h r i s t e , keine M en z e existirt hätten! Oft wird die Gelegenheit bey Haaren herbeygezogen, berühmte Namen zu beschmitzen. Man sehe, wie (S. 62) von I s e li n gesprochen wird, und vergleiche es mit der Vorrede des neuen Lemgoer Journals! Man sehe, wie unwürdig (S. 68) von einem S c h lö z e r gesprochen wird. Wir möchten wohl wissen, warum G e ßn er und G l ei m keinen ausgebreiteten Ruhm hätten? Wer wollte es überhaupt von der Menge verlangen, daß sie das Genie so zu schätzen wisse, wie der Kenner? Und was fragt das Genie nach dem Zeigen mit Fingern, nach der Versammlung Händeklatschen, des Volks ehrebezeugendes

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Aufstehn; was nach Gesprächen mit Grossen Königen, und was um die schmeichelnde Tafel ihrer Gewaltigen?15

Unsre Dichterzahl wird (S. 71) auf fünf recucirt, weil des Verfassers Dichterlaube (S. 80) nicht mehrere faßt. Doch wird in der Folge noch die Kar s c h i n n als supernumeraria aufgenommen. S. 78 ereifert sich der Verfasser über die pieces fugitives, die das Publikum mit so viel Begierde läse. Von Ko c h s Gedichten lasen wir das hier als eine Neuigkeit. E b e li n g schreibt ja nichts. Und schreiben denn J ac o b i und Mi c h a eli s nichts als pieces fugitives? Wo von Hagedornen (S. 79) behauptet worden, daß er gegen einen neuern Witzling unausstehlich trocken sey, und daß Kleist den Ton der guten Gesellschaft verfehlt habe, ist uns unbekannt. Hagedorn, Haller, Kleist, Weiße, Zachariä, Leßing, Uz kommen in die zweyte Klasse; doch wird ihnen auch diese nachhero beynahe wieder streitig gemacht. In der Folge werden ihnen noch (S. 120) Gerstenberg und Denis associirt. Haller hat (S. 98) blos philosophische Sentenzen in Reime gezwungen, und er soll anfangs die Dichtkunst für eine bloße Versmacherkunst gehalten haben, da doch bekannt genug ist, daß er sich ursprünglich aus Lohenstein gebildet. Die Apologie der erotischen Dichter (S. 170) ist nichts, als eine Verdünnung dessen, was Leßing in der Dramaturgie (bey Löwens Räthsel) über den Nutzen der Komödie gesagt hat.16 L eßi n g hat kein Dichtergenie, man sehe, was (S. 248) von der Minna und der Sara geschrieben steht. Kretschmann wird mit einer Anmerkung abgespeist. Thümmel, Jacobi, Dusch, Kramer, Willamov, Michaelis, Blum sind dem Verfasser sehr verächtlich. Aber Bodmer und Lichtwehr lassen ihn unschlüßig. Wir wünschen, daß über dieser Unentschlossenheit der dritte Theil bis in die spätesten Jahre verschoben werde!

Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 130, 14. August 1772, unpag.

F r a n k f u r t u n d L ei p z i g. Unter der Angabe dieses Druckorts ist von dem ehemals (Nr. 188. des vorigen Jahrs) angezeigten B r i e f w ec h s e l ü b er d en W er th ei n i ger D e u t s c h en D i c h t er das zweyte Stück erschienen, welches das letzte seyn soll. Wir haben in der ersten Recension dem Verfasser die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß wir gestanden, seine Urtheile wären nicht durchgängig zu verwerfen, ob wir gleich unsere Vermuthung, daß er sie allem Anschein nach nur nachbetete, und den Tadel, daß er sie zu sehr übertrieben hätte, hinzuzusetzen genöthigt waren. Eben dies ist unser allgemeines Urtheil von dem gegenwärtigen Stücke, zu

|| 15 Aus Ramlers Ode »Die Wiederkehr«; Anm. d. Hg. 16 Vgl. Hamburgische Dramaturgie, 29. Stück; Anm. d. Hg.

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dessen Bestätigung folgender Auszug dienen mag: Br. 15. erklärt die Youngischen Schriften noch für schädlicher, als die Gellertschen. Schon andere haben ihre Unzufriedenheit mit Y o u n g s N a c h t g ed an k e n zu verstehen gegeben, ohne daß sie etwas Wichtigers, als ihre Abneigung von dergleichen Materien, dagegen anzuführen wußten; aber so weit giengen sie doch nicht, als der Briefwechsler, der nach seiner Art etwas nachdrücklicher, (und ein wenig undeutsch nebenher) also versichert: »So viel ist gewiß, daß mir kein Buch unvernünftiger und schädlicher bekannt ist.« Bey Gelegenheit eines bekannten Sinngedichts auf R ab n er n wird von der kleinen Bude des Hamburgischen Correspondenten gesprochen, vielleicht gar aus schuldiger Dankbarkeit für unsere vorige Recension; der Recensent ist aber um desto weniger geneigt, diesen Ausfall zu ahnden, da er sich nicht einmal mehr an die Stelle erinnern kann, die dem Verfasser zu seiner witzigen Beschreibung Gelegenheit gegeben. Nun geht es über Ra b n er n her, dessen ganzes Lob darinn besteht, daß er ein besserer Kopf als Gellert war. Er ist weit unter S w i f te n , ja auch unter L i s k o v e n . (Das erste ist ganz, das andere aber nur in gewisser Absicht wahr.) Br. 16. wünscht, daß die persönliche Satyre gewöhnlicher werden möchte, (als wenn sie nicht, leider! schon mehr als zu gewöhnlich wäre,) und nimmt etwas von dem Tadel gegen R ab n er n zurück. Br. 17. enthält eine Lobrede auf den L u c i an . Beyläufig sagt uns der Verfasser von Obersachsen S. 51. »Ich muß gestehen, daß wenig Provinzen in Deutschland sind, die reicher an schwachen Seelen, und ärmer an freydenkenden Köpfen wären.« Und hieraus erklärt er das tiefe Stillschweigen, welches Ra b n er , seiner Meynung nach, (denn wir finden häufig das Gegentheil,) in Absicht des zu seiner Zeit noch sehr herrschenden Aberglaubens beobachtet haben soll. Die Fehler der Weltleute hat R ab n er (nach S. 54.) nicht nach dem Leben geschildert. Br. 18. bestimmt die erste Classe der Dichter, in welche K l o p s t o c k , R am l er , G eß n er , W i e l an d und G lei m aufgenommen, und U z vorläufig ausgeschlossen wird. Die Note S. 68. »Der vortreffliche Dichter ist jederzeit ein schlechter Prosaist, oder er schafft sich, wie Klopstock, einen eigenen Styl,« ist eben so sonderbar, als der Schwur S. 96. daß der gemeinste Bürgerssohn zu Athen seinen H o m er besser gekannt habe, als unsere Witzlinge K l o p s t o c k kennen. Br. 19. äußert Neigung, die Frau K ar s c h i n n zu den Fünfen zu setzen, und spricht H al l er n ganz den Namen eines Dichters ab. Br. 20. thut mit W i t h o f e n eben das, und verweiset die Frau K ar s c h i n n in die zweyte Classe. Br. 21. ist gegen U z en gerichtet, dessen scherzhaften Gedichten besonders S. 129. die Grazie abgesprochen wird. Doch soll er (Br. 22.) der erste in der zweyten Classe seyn, und H a g e d o r n kann auch darinn stehen, der jedoch im folgenden Briefe wieder in die dritte zurückgesetzt wird. Uebrigens vertheidigt dieser 23ste Brief die erotischen Dichter. Br. 24. beschäfftigt sich mit der Untersuchung einer Stelle in W i e l an d s D i o ge n e s . Br. 25. untersucht, warum wir so wenig gute Dichter haben, und Br. 26. soll zeigen, daß L eßi n g und W ei ße mehr durch Studium und durch Kunst, als durch das Genie groß geworden sind. Am Ende nennt er noch die ganze zweyte Classe: U z , G er s t en b er g, Ka r s c h i n n , D e n i s . Die Anzeige v er s c h i ed e n er F e h l er befiehlt er in der von

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uns in der vorigen Recension gerügten Stelle, (wo R ab n er der Deutsche C o m u s genannt wurde,) Mo m u s für C o m u s zu lesen, welches aber in der Ungereimtheit nichts ändert. Die Stelle: m i c h ec k el t f ü r d a s f ad e Z e u g , soll man auslöschen. Besser wäre es, der Verfasser hätte dies vor dem Abdrucke selbst gethan.

Theologische Berichte von neuen Büchern und Schriften, 96. Stück, Danzig, Leipzig 1772, S. 415– 420, hier S. 419f.

Vermischte Anmerkungen über Gellerts Moral, dessen Schriften überhaupt, und Charakter. – Leipzig, in der Dyckischen Buchhandlung, 1772. drey und ein halber Oktavbogen. [...] Und zu eben der Zeit wagt ein misanthropischer Scribent den niederträchtigsten Versuch, G e l ler t s gegründeten Ruhm zu verdunkeln, und mit einer noch nie erhörten Unverschämtheit, der ganzen Nation, die zu ihrer wahren Ehre auf G e ll er te n mehr, als auf alle Dichter der Grazien und der Liebe stolz ist, und den größten Männern die sich ihn zu loben gleichsam vereiniget haben, öffentlich Hohn zu sprechen. So ungezogen ist vielleicht noch nie einem verdienstvollen Manne, nach seinem Tode begegnet worden, als G el l er t e n in den neuesten epistolis obscurorum virorum begegnet wird, die unter dem Titel: B r i ef w ec h s e l ü b er d e n W er th ei n i g er d eu ts c h e n D i c h t er , in der letzten Messe herausgekommen sind. »Ein sehr mittelmäßiger Schriftsteller, der nur fähig ist, den Pöbel zu belustigen, ein äußerst seichter Dichter, ohne einen Funken von Genie; der Dichter der Dorfpastoren, und ihrer Töchter, und andrer Leute von diesem Caliber; das von der Nation aufgerichtete goldne Kalb.« Wer kann eine so abgeschmackte Carricatur wohl für das Bild des edlen Mannes halten, den W ei s s e so unnachahmlich geschildert hat? Und wer erstaunt nicht, unter einem so verächtlichen Gemälde, den Namen G el l er t zu erblicken? Wir wünschen dem Urheber desselben, daß s ei n Na m e nie aus der Dunkelheit, die ihn jetzt noch vor den Augen der Vernünftigen verbirgt, möge hervorgezogen werden. So erfährt doch wenigstens die Nachwelt seine Schande nicht, und er bleibt vor ihrer verdienten Verachtung gesichert. Sein libellus famosus wird ohnedies nur von wenigen gelesen, und nach ein Paar Monaten schon vergessen werden; denn die Dauer solcher unverschämten kritischen Insekten wird nie anders, als nach Monaten, berechnet. Horaz hat dergleichen Werkchen schon längst ihr Schicksal in einer Stelle prognosticirt, die das schönste Motto auf dem Titel des gegenwärtigen würde abgegeben haben: Deferar in vicum vendentem thus et odores, Et piper, et quicquid chartis amicitur ineptis.

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Brief von Johann Jakob Bodmer an Johann Georg Sulzer vom 24. November 1772. In: Johann Georg Sulzer: Gesammelte Schriften Bd. 10.1: Johann Georg Sulzer – Johann Jakob Bodmer. Briefwechsel. Kritische Ausgabe. Hg. von Elisabeth Décultot und Jana Kittelmann. Basel 2020, S. 885.

[...] Geben Sie mir bald die gewünschte Versicherung, daß ihr grosses Werk durch ihre Krankheit keine Verzögerung gelitten hat. Wenn die unverschämtheit der Unzer und Mabillon [!] gelegt werden kann so muß sie durch dasselbe gelegt werden. Wir erwarten umsonst den Zweiten Liscow, der sie zu Schamhaftigkeit lachen oder peitschen könnte. Die albernen Leser haben die Einfalt daß sie ihre verdrehten Minen für Ernst und ihr burlesques gespötte für gutes gelächter nehmen. [...]

Frankfurter gelehrten Anzeigen vom Jahr 1772. Zweyte Hälfte, Nummer XCVIII, 8. Dezember 1772, S. 779–782, hier S. 781f. [Rez. von Johann Wolfgang Goethe]

Halle. Magazin der deutschen Kritik. Herausgegeben von Herrn Schirach. Ersten Bandes, zweyter Theil. Bey J. G. Gebauers Wittwe und Joh. Jak. Gebauer. 1772. Dieses Stück enthält [...] 21.) »Ueber den Werth einiger deutscher Dichter, zweytes Stück.« Wenn doch einmal die Herren sich nicht so ganz an die Manier stoßen, und den Geist nicht verkennen wollten, der diese oft ungeschickte Hand belebt. Ungezogenheit, Impertinenz, weitschweifige verwaschene Schreibart fällt allerdings dem Verfasser zur Last; Allein, er bleibt allezeit ein Kopf, der wahre Stärke hat. Besonders haben uns die letztern Briefe gefallen, wo er gegen das Kränkelnde, und Ohnmächtige des Compositeurs zu Felde liegt. Daß er aber einige liebe Grabsteine und Monumentchen beschädigt hat – Was thut das? Ist der Mann, der unterm Steine liegt, wahrhaftig groß, so brauchts entweder keinen Stein, oder der Schaden, der dran geschieht, ist des Aufhebens nicht werth.

[Ernst August Anton von Göchhausen:] M[eine]. R[eisen]. Eisenach 1772, S. 101–103 (2. verm. Aufl., 1773, S. 193–195, 3. rechtmäßige Aufl., ebd., 1783, S. 152f.).

[A u s d em G es p r äc h ei n e s R ei s en d e n m i t ei n e m Mo n d b ü r g er .] Habt Ihr denn keine Philosophen hier? – Wer sind diese? – Leute, welche k l ü g er seyn wollen, als andere, und die sich davon dispensiren b es s er zu seyn, als die übrigen. – Lob sey dem dort oben! sagte der Greis, diese böse Brut kennen wir nicht. – Auch keine Kunstrichter v o n ei n er g e w i s s en A r t, die man P ed an t en nennt? –

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Und wer sind diese nun? – Leute, welche sich über vieles aufhalten, ohne es zu verstehen – und für denen sich nicht leicht ein Buch darf blicken lassen, das sie nicht gut geheißen haben. – Wir schreiben hier keine Bücher. – Nicht? Wie werdet Ihr denn klug? – Aber Sie sind sonderbar, sagte der Greis. Wenn ich Sie recht verstanden habe, so kann Ihr Volk auch durch Bücher ohnmöglich klug werden, weil die Kunstrichter es nicht erlauben, eines zu schreiben, sie – Ja, guter Alter, das leiden sie nicht gern, denn ihrer viele tadeln ein Buch, so gar, ehe sie es noch gelesen haben. – Schreiben sie denn selbst welche? – Zuweilen, und diese nennen sie Kritiken.– Und dienen diese Kritiken dazu, daß ihr klug werdet? – Nicht sonderlich. – Und warum schreiben sie sie denn! – Aus Hunger und Partheylichkeit, aus Neid, aus Muthwillen, aus Kützel, aus Eigendünkel, aus Gutmeynen mit unter.–*) *)

Ich denke, jedermann wird wissen, daß so gar Gellert dies neuerlich erfahren hat, – – – oder vielmehr die Nation. – – – Der arme selige Mann! die arme einfältige Nation! G e l ler t en hochzuschätzen und s o lc h e M än n e r zu verachten! Gewiß, die einfältigen Deutschen verdienen nur G e l ler t e, aber solche Genies nicht.

[Isaschar Falkensohn Behr:] Anhang zu den Gedichten eines pohlnischen Juden. Mietau, Leipzig 1772, S. 17–20.17

A n d en A p o l lo . Drücket dir die Augenlieder ein ewiger Schlummer? Unsterblicher Apollo! schwächt Alter den feurigsten Gott?

|| 17 Neueditionen: Isaschar Falkensohn Behr: Gedichte von einem pohlnischen Juden. Hg. von Gerhard Lauer. St. Ingbert 2002, S. 73; ders.: Gedichte von einem pohlnischen Juden. Mit Behrs Lobgedicht auf Katharina II. und Goethes Rezension der »Gedichte«. Hg. von Andreas Wittbrodt. Göttingen 2002, S. 60f.; Anm. d. Hg.

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Der dereinst mit glänzendem Bogen, verderblichen Pfeilen, Die Frevler bald gestraft, und bald Götter mit Liedern ergözt? Der dereinst mit rauschender Leyer dem römischen Sänger Das kühne Heldenlied verwehrt, Straft itzt die Jünglinge nicht, Deren blödes18 Aug, vom äußern Glanze geblendet, Den Musentempel angestaunt, Nie in das Innere drang, Denen keine der Musen, nicht im Traume, sich zeigte, Daß sie das Amt der Kritika Ruhmlos verwaltend entweyn? Hier den Jünger krönen, dem wenige Liedchen gelungen, Und da den Lorbeer reißen vom Lorbeerewürdigsten Haupt? O! zeig’ in dir wieder den ersten Musenbeschützer! Erwähl’ den Barden an der Spree, Ramler, Teutoniens Stolz; Garve, Mendelssohn, beyde genährt im Tempel Minervens; Das, ach! zu kleine Meisterchor Jeder kamönischen Kunst, Daß sie, selber ewigen Lorbeers werth, ihm den Dichtern Ertheilen – aber Midas Schmach, Sey des Verwegnen Lohn, Der mit Natterzunge den frommen Gellert gelästert! – Doch reizt der lächerlichste Thor Eines Unsterblichen Zorn?

|| 18 Unfähig zum Sehen; Anm. d. Hg.

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Brief von Friedrich Nicolai an Johann Joachim Eschenburg vom 16.Oktober 1772 (HAB: Cod. Guelf. 622 Novi.), zit. nach Ute Schneider: Friedrich Nicolais Deutsche Allgemeine Bibliothek als Integrationsmedium der Gelehrtenrepublik. Wiesbaden 1995, S. 312.

Die Recension ist 1) für [...] den ersten Theil eines Buches zu lang, daher der 2te Thl auch schon heraus ist, und der 3te, so Gott will, bald erscheinen wird. Wenn Sie den 2ten Theil ud. den ff. auch so lang beurtheilen solten, so würde es zulang werden, und wolten Sie kürzer beurtheilen, so wäre keine Proportion. 2) Befürchte ich sehr, die Einkleidung in Briefe möchte auch zu weit führen. Mit einem halbwegs vernünftigen Mann ließe ich mir gefallen, daß man mit ihm vertraulich redete; Aber einen so ungeschmakten Witzling als Mauvillon ist, muß man auf alle Weise von sich entfernt halten, damit er nicht auch in gleichem Ton an uns schreibe, und daraus eine Verlegenheit von uns entstehe. 3) ist bey dieser Einkleidung doch die Unbequemlichkeit, [...] daß denen die M. Buch nicht gelesen haben manches in der Recens. unverständl. seyn möchte. 4) scheint es mir unschicklich, dieses Buch über Gellert schon zu recensieren, als die [...] Auflage von Gellerts Werken selbst recensiert ist. Mein Rath wäre also, daß Sie G e ll er ts W er k e 7 Thle, a u f s f o r d e r s a m s t e recensierten (weil sie sonst würklich zu alt werde.) In dieser Recension, wünsche ich, nur bloß über die Mo r a l zu urtheilen, weil sie neu ist, und die andern Sachen bekannt genug sind. Als dann wolte ich, daß Sie aus der itzt zurückgesendeten Recens. das Hauptsächlichste über Gellerts Werth und Unwerth, in der Recens. s ei n er W er k e sagten. Und am Ende der Recens. Mauvillons Buch, ganz ernsthaft, aber bündig und kurz abfertigen [...]. Dis ist mein Rath, sind Sie anderer Meinung, so soll, wenn Sie es verlangen, Ihre Resension so wie sie ist, gedruckt werden. Aber antworten Sie mir bald hierüber nach Berlin, und schicken Sie auch die Recens. von G el le r ts W er k e n bald ein!

Allgemeine deutsche Bibliothek, 19. Bd., 1. Stück. Berlin, Stettin 1773, S. 34–56. [Rez. von Johann Joachim Eschenburg]

U e b er d e n W er th ei n i g e r D e u t s c h en D i c h t er , u n d ü b er an d r e G eg en s t ä n d e , d e n G es c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t e r a tu r b e tr ef f en d . E i n B r i ef w ec h s el . E r s te s S t ü c k . F r a n k f . u n d L ei p z i g , 1 77 1 . 3 12 S ei te n i n 8. Da dies ganze erste Stück fast durchgehends Gellerten betrift, so glauben wir es an diesem Orte auf die schicklichste Art beurtheilen zu können. Wir wollen es gern glauben, daß dieser Briefwechsel wirklich zwey verschiedene Verfasser hat, und glauben davon auch in der abstechenden Schreibart einige merkliche Spuren zu finden; auch mag unsertwegen der Herausgeber eine dritte Person seyn. Dieser

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letztere machte uns auf den Inhalt der Briefe selbst sehr neugierig; denn, nach seiner Versicherung sollen sie viel Wahres, Neues, und Nützliches enthalten. Nur darein konnten wir uns nicht recht finden, daß er S. 12. das Urtheil über diese Briefe sehr bescheiden dem Publiko überläßt, und nicht lange darauf S. 14. mit aller Verläugnung seiner vorigen Bescheidenheit, von eben diesem Publiko sagt, daß der größte Theil desselben noch ziemlich ungebildet sey, daß Jedermann lese, aber k ei n M en s c h verstehe und goutire, was er lese. Doch, wir kommen auf die Briefe selbst. Gleich in dem ersten werden wir auf eine ungewöhnliche Bemerkung neugierig gemacht, die der Verf. seinem Freunde mitzutheilen verspricht, und finden sie endlich, nach einer Vorbereitung von drittehalb Seiten. Sie betrift nemlich das Betragen der deutschen Nation, die bey G e ll er ts Grabe so viel Klagelieder anstimmte, und bey R ab e n e r s Tode so kaltsinnig that. Dieses Betragen kann der Verf. nicht billigen, und er macht aus demselben auf den Geschmack der Nation einen nachtheilgen Schluß. Aber waren denn jene paar Dutzende von Leichensänger die Dollmetscher der Nation? waren sie größtentheils wohl solche Leute, deren Lob oder Stillschweigen das verhältnismäßige Verdienst der gedachten beyden Schriftsteller bestimmen konnte? Und endlich, waren die vielen guten Thaten, durch welche sich G e ll er t als Mensch, vermöge seiner Situation und seines wohlthätigen Charakters, so viele einzelne Personen verbindlich gemacht hatte, nicht natürlicherweise eine Aufmunterung für so viele, ihm, ein Jeder nach dem Maaße seiner Kräfte, bey seinem Grabe ein Opfer der Erkenntlichkeit darzubringen? »Gellert, sagt der Verf. ferner, ist der Lieblingsdichter der deutschen Nation! Welch ein nachtheiliger Schluß, für ihn könnte nicht hieraus gezogen werden!« – Für dies feine Kompliment mag sich die Nation bey dem Verf. bedanken. Wir, unsern Theils, sehen die Folgerung, die hierinn liegen soll, nicht recht ein. Ist derjenige der Lieblingsdichter der Nation, der am allgemeinsten gekannt, gelesen und gefaßt wird; so trift diese Benennung freylich auf keinen so sehr zu, als auf G e ll er te n ; aber was läßt sich nun daraus entweder zum Nachtheile der Nation, oder zum Nachtheile dieses Lieblingsdichters selbst schließen? Liegt der Grund seines Beyfalls nicht offenbar in der, seiner Dichtungsart eigenen, und ihm vorzüglich geglückten, populären Faßlichkeit seiner Fabeln? Das poetische Verdienst, und die Fodrungen, welche die Kritik auch an diese Dichtungsart macht, muß man hier gar nicht ins Spiel mischen. Gebührt G el l er t e n gleich nicht der Rang eines Dichters von sehr lebhaftem Genie und blühender Einbildungskraft, so gebührt ihm doch unstreitig der Ruhm eines Schriftstellers, der den Ton der Menge glücklich zu treffen, meistens ohne Niedrigkeit faßlich, und eben durch diese Faßlichkeit so ausgebreitet nützlich zu schreiben wußte. Der Nation hingegen gebührt für ihr Bezeugen gegen diesen Schriftsteller das Lob eines gesunden moralischen Geschmacks, und einer dankbaren Erkenntlichkeit gegen denjenigen, der denselben bey ihr zu nähren und zu stärken suchte. Allerdings trieben viele diese Erkenntlichkeit, und die daraus entspringende Bewunderung, zu weit. Sie glaubten, den Mann,

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weil er in Versen schrieb, nun gleich zum Dichter, und weil er so nützlich schrieb, auch zum besten Dichter machen zu müssen; aber braucht es mehr, als die ersten Begriffe von Poesie und Kritik, um diese Folgerungen falsch zu finden? und bedarf es des aufgebrachten Eifers, in welchen der Verf. des angezeigten Briefwechsels darüber zu gerathen scheint? der bittern Vorwürfe, die Er, Einer aus allen, dem ganzen Publiko macht? und der entscheidenden Machtsprüche, womit er dasselbe zurechte weisen will? Zwar, er lenkt S. 34. etwas wieder ein; er verehrt G el l er ts Verdienste um den sittlichen Geschmack, und schätzt die Moralität seiner Schriften. Indeß glaubt er doch, er hätte schwerlich so verdienstvoll von dieser Seite werden können, wenn er in seinen Schriften größer erschiene. Der Verf. glaubt also wohl, daß sich Moralität und dichtrisches Genie nicht mit einander vertrage? Aber er lasse einmal den sittlich guten Schriftsteller auch dichtrisches Genie besitzen; und er sollte nicht noch verdienstvoller, nicht noch weit größer erscheinen? Der Ton, der im zweyten, und allen mit geraden Zahlen bezeichneten Briefen herrscht, ist um ein merkliches dreister und zuversichtlicher. Diesem Verf. ist das deutsche Publikum stockblind, und kaum scheint er es seiner Beyhülfe werth zu achten. Publikum und Blinde, Kunstrichter und Marktschreyer sind ihm gleichbedeutend. Den Einfluß der letztern auf die erstern weis er so genau, und zugleich so allgemein zu bestimmen! so, daß wir nach Durchlesung dieses Briefes dem Verf. folgende Worte voll Verwunderung nachsprechen: »Ich hätte nicht geglaubt, daß eine Nation, deren Literatur in der Welt einige Figur macht, ein so abgeschmacktes Publikum hätte!« Der Verf. des dritten Briefes mischt nun in die Flüche seines Freundes auf den verderbten Geschmack, seine mildern Seufzer. Auch giebt er schon mehr nach, und wagt es schon, durch die Herzhaftigkeit seines Correspondenten ermuntert, G e ll er te n gerade zu einen durchgehends sehr mittelmäßigen Schriftsteller, ohne einen Funken von Genie, zu schelten. Sonderbar ist es, daß diese Leute in G e ll er te n durchaus dichtrisches Genie und dichtrische Schönheiten auftreiben wollen, und sich durch den Mangel derselben berechtigt halten können, ihn für einen verwerflichen Schriftsteller zu erklären; daß die, vielleicht übertriebene, Bewunderung der Nation gegen diesen Mann nun gerade auf einer irrigen Meynung von seinen ausserordentlichen Dichtergaben, und nicht vielmehr auf andern sehr schätzbaren Verdiensten beruhen soll, auf die er unstreitig nicht blos in Ansehung seines moralischen, sondern auch seines schriftstellerischen Charakters Anspruch machen durfte. Im vierten Briefe ist noch immer einerley Geschrey über das stockblinde Publikum. Indeß verspricht die Menschenliebe des Verf. uns doch eine Panacee,19 nemlich eine Schrift, die dem Publiko zeigen muß, was es lesen, und was es nicht lesen soll. Was dies für eine Schrift, und von welchem Verfasser sie seyn soll, erräth || 19 Mythisches Allheilmittel; Anm. d. Hg.

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man bald. Aber freylich ist das nicht viel anders, als wenn ein Arzt, der die Wiederherstellung des Gesichts bey einem Blinden unternahm, am Ende nichts weiter thut, als daß er ihm einen kleinen Knaben beygesellt, der ihn leiten soll; seine Blindheit mag er denn behalten. Noch bewundern wir den mehr als politischen Scharfsinn, womit dieser Mann die Epochen unsers Geschmacks, die Zeitläufte unsrer Literatur, und die Triebfedern des Lobes beym Publiko, und der Mäßigung bey den Kunstrichtern anzugeben und zu beurtheilen weis – Sehr sinnreich nennt er G e ll er te n »den Dichter der Dorfpastoren und ihrer Töchter, und andrer Leute von diesem Caliber!« Unter die letztern werden wohl alle die Leute von hohem und niedern Stande gehören, die bey der Erziehung ihrer Kinder keinen unsrer Dichter bequemer fanden, das zarte Alter zu vergnügen, und dessen Gedächtniß und Empfindung auf eine angenehme und lehrreiche Art zu beschäftigen? – In der Folge des Briefes wird der Ton noch dreister, oder vielmehr unverschämt; G e ll er t wird nicht blos für einen Dichter ohne Genie, sondern gerade heraus für einen S tü m p e r erklärt. – Der erste Angriff auf ihn geschieht von der Seite, die freylich wohl bey ihm die schwächste ist. Noch nie haben Kunstrichter oder Leser von Kenntniß den G el le r ti s c h en B r i ef en große Lobsprüche ertheilt, ob man ihnen gleich auf der andern Seite nie einen so schädlichen Einfluß zugetraut hat, wie der Verf. thut. In dem weichen, wimmernden Tone dieser Briefe, der freylich nur halb naif ist, nahm man doch immer noch etwas charakteristisches wahr, vollends, wenn man den Verfasser derselben persönlich kannte. Uebrigens hielt man sie, als eine Sammlung für das Publikum betrachtet, allemal für die schwächste und gleichgültigste seiner Arbeiten. Zwar unser Briefsteller kennt noch was schlechtres von ihm, seine Ko m ö d i en , die, seiner Meynung nach, unter aller Kritik sind. Wir sind uns der Langenweile noch gar wohl bewußt, die uns ihre Vorstellung zuweilen gemacht hat; theatralisch sind sie wohl nicht genug; und das kann an der Verabsäumung einiger mechanischen Regeln liegen. Aber wir wissen, daß entschiedene Kenner der dramatischen Kunst sie noch immer wegen des vielen Eigenthümlichen und Nationalen in den Sitten sowol, als in der ganzen Oekonomie, im Werthe halten; und so mögen sie doch wohl nicht so ganz unter aller Kritik seyn. Die s c h w ed i s c h e G r äf i n n hat der Verf. des fünften Briefes, seinem Freunde zu gefallen, aufs neue gelesen, und mit dem größten Eckel. Vielleicht wäre das Maaß desselben geringer gewesen, wenn das apodiktische Urtheil dieses seines Freundes in dem vorigen Briefe, der Roman sey eckelhaft, und unerträglich matt, ihn nicht zum voraus dawider eingenommen, und seiner Geschmeidigkeit diese Erklärung abgedrungen hätte. Daß es mit dem ganzen Buche nicht viel sey, wollen wir ihm indeß gerne zugeben. Das ganze Gewebe dieses Romans ist zu widernatürlich und unwahrscheinlich; aber das ist doch wohl offenbar zu viel gesagt, daß der erste Theil desselben das abgeschmackteste sey, was nur jemals geschrieben worden. – Auch giebt es ohne Zweifel Kritiken, die noch trivialer seyn können, als die Gellertischen über seine Fabeln aus den Belustigungen. Die paradoxesten Urtheile sind oft gerade die trivialesten. So widersprechend das klingt, so getrauen wir uns

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doch, auf Verlangen, es zu beweisen; und werden die Gründe und Beyspiele dieses Beweises nicht weit suchen dürfen. Uebrigens wird in diesem fünften Briefe über das moralische und kritische Gefühl manches Gute gesagt. Der sechste Brief ist ein neuer, heftiger Ausbruch der Galle seines Verfassers, und fast sollten wir glauben, er habe seine Invektiven gegen G el l er t e n und die deutsche Nation in irgend einer trüben Stunde, unter den Anfällen des Hypochonders, geschrieben, der unsern Augen alles so schwarz und böse vorzustellen pflegt. Denn ein kaltblütiger Beobachter wird bey aller Aufmerksamkeit auf den Zustand unsrer Literatur, den allgemeinen schädlichen Einfluß nicht wahrnehmen können, den G e ll er ts Verse auf den deutschen Geschmack haben sollen; eben so wenig, als die Allgemeinheit der abgöttischen Bewunderung seiner Werke, die der Verf. der Nation Schuld giebt. Mögen doch diejenigen, die unter ihm in Leipzig studirten, ihm ihre poetischen Arbeiten vorgelegt, und sich durch sein richtiges, feines Gefühl vielleicht oft haben belehren, und auf ihnen vorhin fremde Feinheiten verweisen lassen; oft vielleicht durch seinen mit Schüchternheit untermischten Eigensinn von höhern und edlern Schwüngen des Genies zurückgehalten seyn; aber wenn ist er je, auch nur in den Augen der Sachsen, ein i n f al li b l er P ab s t d e s P ar n as s u s , u n d S t at t h al te r d es A p o ll s au f E r d e n gewesen? Seine S c h äf er s p i e le , die S i lv i a so gut, als d a s B an d , werden wenig mehr gelesen, und noch weniger gelobt; sein Or ak e l erkennt Jedermann, der es mit dem Stücke des S ai n tf o i x zusammenhält, für eine ziemlich schwache Kopie, und für ein sehr unmusikalisches Gedicht. Nun schreitet der Verfasser zu seinem Angriffe auf unsern Dichter in seiner Hauptfestung, wie er es nennt, in seinen F ab e ln u n d E r z ä h lu n g en . Ohne zu bestimmen, welche Art des Vortrages der Fabel eigentlich nothwendig und wesentlich sey, haben wir immer geglaubt, daß diejenige Manier, welche L af o n tai n e , G e ll er t, und andere, wählten, ihren guten Nutzen und ihre angenehme Seite habe, von welcher sie sich vornemlich der Jugend und Leuten von mäßigen Einsichten gefällig und nützlich erweisen kann. Den Beweis davon findet man fast in jeder Familie; und hierauf, wie wir schon oben erinnerten, nicht auf einer überzeugten Bewunderung dichtrischer Talente, gründet sich G e ll er ts ausgebreiteter Beyfall. Das Maaß der dichtrischen Talente, welche diese poetische Gattung fodert, ist in der That so gar groß nicht; aber G e ll er t scheint uns doch auch davon nur einen Theil gehabt zu haben. Leichtigkeit des Versbaues im hohen Grade; auch eine gewisse natürliche Laune und Treuherzigkeit, wiewol weniger, als L af o n t ai n e; aber vielleicht nicht genug w ah r e Naivetät. Daher so viel matte Reflexionen, so mancher leere Vers, so manche verfehlte und unschickliche Ausweichung. Die Kritik findet also bey diesem Dichter mit leichter Mühe eine Menge Fehler; aber dem ungeachtet bleiben seine Fabeln für die Erziehung sehr brauchbar; und von dieser Seite ist uns noch immer ihr Verdienst sehr ehrwürdig, und erinnert uns an die Sitte der ältern Griechen, welche die ersten Züge der Weisheit und des Unterrichts aus ihren Dichtern schöpfen. Verwahrlosung des Geschmacks ist dabey nicht zu besorgen; auch

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sind die Fehler nicht von der Art, daß der heranwachsende Zögling, so bald er lernt, was Poesie, und was der Charakter und die Erfordernisse der Fabelpoesie besonders sind, in dieselben zu verfallen, oder sie für Schönheiten zu halten Gefahr liefe. Wenn man so urtheilt, so kann uns das Geschrey der Halbkenner nicht entrüsten, die G el ler t s Verdienst dadurch zu erhöhen, oder erst richtig zu bestimmen glauben, wenn sie ihn für einen großen Dichter ausgeben. Bey Mißverständnissen dieser Art kann man ganz ruhig seyn; gewaltsamer Widerspruch dient nicht so bald, sie zu heben, als der Lauf der Zeit. G e ll er ts gei s t li c h e L i ed er hält der Verfasser des siebenten Briefes für dasjenige, was ihm allein Ehre bringen kann. Der Charakter, der S. 132. f. von denselben gemacht wird, scheint uns sehr richtig zu seyn; nur können wir folgende hier vorkommende Widersprüche nicht wohl zusammenreimen: »Bey Verfertigung der geistlichen Lieder kam Gellerten sein M an g el a n G e n i e nicht wenig zu Hülfe.« – »er mußte populär dichten; und aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, kann man u n m ö g li c h Gellerts geistliche Lieder zum Ma aß s ta b e s ei n es G e n i e s machen;« – und dann: »das Paßionslied halte ich allein für dasjenige, worinn sich S p u r e n v o n G en i e zeigen.« – Und nach diesem allem scheint der Verf. es doch an diesen Liedern auszusetzen, daß sie keinen Funken von dem Feuer verrathen, welches einen Ro u s s e au und Kl o p s t o c k begeisterte. Aus dieser Inkonsistenz mit sich selbst sollte man fast argwöhnen, der Verf. habe die Gellertischen Kirchenlieder doch nicht aus dem rechten Gesichtspunkte beurtheilt, wenn er nicht diesen Gesichtspunkt vorhin selbst angegeben hätte. Vielleicht hat er also die erhabenere geistliche Poesie in seinen Gedanken nicht genug von der populären geistlichen Liederpoesie abgesondert, die eine ganz andre Gattung für sich ausmacht, und, da sie in den Mund des großen Haufens gelegt wird, auch nothwendig den Begriffen und der Fassung desselben gemäß seyn muß. Diesen Zweck scheinen uns G e ll er t s Lieder vollkommen erreicht zu haben; nur muß man ihn nicht für einen geistlichen Odendichter nehmen, wenn er gleich selbst durch die Aufschrift seiner Sammlung auf diesen Rang Anspruch zu machen scheint. Der achte Brief enthält in der That einige recht gute Bemerkungen, die Theorie der Fabel und Erzählung betreffend. Es giebt indeß wohl nicht, wie der Verf. meynt, zwey Arten von Fabeln, sondern nur zwey verschiedne Arten des Vortrages und der Einkleidung, die man der Fabel ertheilt. Denn sie selbst bleibt immer die sinnliche Erläuterung und Realisirung eines moralischen Satzes; nur kann die Methode, dieses zu bewerkstelligen, verschieden seyn; entweder kurz und ohne allen Schmuck; oder mit Verzierungen, eingewebten Reflexionen, u. s. f. Es fragt sich nun, welche von den beyden Methoden dem Wesen und dem Zwecke der Fabel am gemässesten sey; und da hat, wie uns dünkt, Hr. Leßing es hinlänglich bewiesen, daß es die erstere sey, jene alte griechische Manier, die auch er zum Vortrage seiner Fabeln wählte. Aber unser Briefsteller beschuldigt ihn der Vergessenheit eines Umstandes, der, wie er glaubt, diese Gattung von Fabeln heutiges Tages unnöthig macht. In jenen ältern Zeiten nemlich wären dergleichen moralische Sätze den meisten unbekanndt

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gewesen; jetzt, da sie schon so bekannt wären, müßte die Fabel durch die Einkleidung reizen. Wenn man aber bedenkt, von welcher Art die moralischen Sätze waren, die bey den griechischen Fabeln gewöhnlich zum Grunde lagen, und von welcher Art sie auch seyn mußten, um durch keine Demonstration, sondern blos durch ein sinnliches Bild erläutert werden zu dürfen; wenn man ferner nur einen allgemeinen Blick auf den damaligen Zustand der griechischen Nation, ihrer Erziehung, Literatur und Weltweisheit wirft; so wird man finden, daß hier der Fall zwischen ihnen und uns so gar verschieden nicht ist. Bey ihnen ersetzte der mündliche Unterricht, der sich so sehr mit der Moral beschäftigte, was bey uns in dieser Absicht die Lektüre leistet. – In der zweyten Gattung des Vortrages glücklich zu seyn, ist allerdings so leicht nicht, und die Bemerkung des Verf. (S. 141.) daß dieselbe nicht blos die niedere, sondern eine nach Maaßgebung des Inhalts verschiedentlich modificirte Schreibart fodre, ist wohl, unter gehörigen Einschränkungen, sehr richtig. In dieser Absicht verdient G e l ler t allerdings Tadel, der diese Abänderungen von so glücklicher Wirkung fast ganz aus der Acht ließ; so, wie in Betracht der Ordonnanz und sorgfältigen Wahl der Nebenumstände. – Ueber die von der Fabel verschiedne Dichtungsart der Erzählung, und über die Manier der Franzosen in derselben, findet man in diesem Briefe gleichfalls viel Gutes; und man mag dafür dem Verf. das Vergnügen an seinem A r i o s t gönnen, der sein A b go t t u n t er d e n D i c h ter n , und nach seiner Meynung, i n a ll en S tü c k en g an z v o l lk o m m e n ist. Der oft gerügte Streit, ob ein Lehrgedicht Poesie sey, wird im neunten Briefe aufs neue vorgenommen; wir glauben mit dem Verfasser desselben, daß poetische Bilder, glückliche Wendungen, schicklich angebrachte Episoden es vornehmlich dazu machen müssen. Aber, wenn er meynt, wir hätten eigentlich nur Einen Lehrdichter, nemlich W i el an d , nur ein einziges wahres Lehrgedicht, seine Mu s a r i o n , und wenn dies sein Ideal, und der Inbegrif seiner Fodrungen von dieser Dichtungsart ist, so können wir ihm unmöglich beystimmen. Der Ton dieses Gedichts ist allerdings größtentheils didaktisch; aber die Haupteinkleidung ist doch Erzählung; und man kann es nur als ein indirektes Lehrgedicht ansehen. Bey einem Gedichte hingegen, welches den Unterricht in gewissen Pflichten, in einer gewissen Kunst, u. s. f. vorträgt, ist dieser Unterricht allemal der Hauptzweck, mit dem sich eine eingestreute Erzählung freylich sehr gut vertragen kann, aber nur als untergeordnet, nur als ein Mittel, jenen Zweck desto vollkommner zu erreichen, und die Trockenheit des einförmigen Lehrtons desto leichter zu vermeiden. Die zweyte Gattung des Lehrgedichts, welche der Verf. S. 198. angiebt, würden wir daher lieber unter die Gattung der Erzählung rechnen; folglich auch V i r gi l s Episoden nicht das vorzüglichste, sondern das am meisten poetische in seinem Landgedichte nennen, und unsern Landesleuten über die Verabsäumung dieser Episoden weniger harte Vorwürfe machen. G e ll er ts L eh r ge d i c h te geben freylich einer genauen Kritick viel Blöße; sie wird in denselben viel Mattes, Weitschweifiges, Kraftloses und Unbelebtes finden.

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Das alles fällt durch die hier angestellte Vergleichung einzelner Stellen mit ähnlichen beym U z und H a g ed o r n , noch deutlicher in die Augen. – Den Schluß dieses Briefes lassen wir lieber ganz unberührt; er enthält Anzüglichkeiten, die ihrem Urheber nicht viel Ehre machen, und doch wohl ihrer nachtheiligen Absicht verfehlen dürften. So würden wir auch den Eingang des zehnten Briefes ganz überschlagen, wenn wir es nicht für Pflicht hielten, dem Verfasser desselben den dadurch bey uns, und ohne Zweifel auch bey jedem andern unpartheyischen Leser, rege gemachten Unwillen ganz zu verheelen. Ist er es doch selbst, der sich hier die Maske abreißt, die dem gutherzigen Leser vielleicht bisher seine eigenthümliche, wahre Miene zu seyn schien, die Maske eines zwar strengen, aber ernsten und gerechten Kunstrichters. Die Kritick, vollends gegen Schriftsteller von gewissem Ruhme, oder gar gegen ein ganzes Publikum, verlangt allemal eine gewisse Würde dessen, der sie ausübt, die ihr auch niemals fehlt, so bald sie reif, gründlich und wohlgemeynt ist. Aber Schadenfreude, kindisches Hohngelächter, ausgelassener Muthwille, verunehren beydes die Kritik und den Kunstrichter, verrathen den Mangel der Reife, und einer durch Zucht und Uebung gebildeten Denkungsart, und machen ihn auf einmal alles Zutrauens, alles Eindrucks unwerth und verlustig. Wir werden uns wohl hüten, die muthwilligen Spöttereyen des Verf. über den guten G e ll er t hier zu wiederholen; aber die Rechtfertigung unsers Eifers gegen sein Betragen ist die 215. und 216te Seite seines Briefwechsels, deren er sich, bey reifer Ueberlegung, herzlich zu schämen hat. Kann er es, nach der Auslassung eines so armseligen Witzes, auch wohl erwarten, daß man seine beleidigenden Urtheile über den Witz eines Kä s tn er s für gültig erkennen, oder zur Rechtfertigung desselben nur Ein Wort verlieren sollte? Freylich sieht der Verf. des eilften Briefes das Verfahren seines Freundes mit ganz andern Augen an. »Dieser hat, als ein tapferer Ritter sein Thurnier mit G e ll er te n gehalten, und er, sein treuer Lanzenträger, ist, nicht wenig über das Gefechte vergnügt, ein glaubwürdiger Zeuge seines Sieges gewesen.« Allen Komplimenten, die ihm nun das erleuchtete Publikum darüber zu machen hätte, hat er selbst durch die auf ihren Verfasser angewandte Gellertische Fabel vorgegriffen; besonders durch deren Schluß: Der Mann war blos berühmt gewesen, Weil Stümper ihn gelobt, eh Kenner ihn gelesen.

Nur noch Ein Umstand scheint des Verf. kritisches Gewissen zu beunruhigen. G e ller t ist doch noch in seinen Augen schätzenswürdig, als moralischer Schriftsteller, und als ein Mann, der keinen geringen Einfluß auf die Befördrung des guten Geschmacks gehabt hat. Wenn ihm doch sein Freund auch noch diese günstige Meynung, die ihm beschwerlich zu werden anfängt, wegraisonniren könnte! Und wie sollte er nicht? Aus einem Gewebe seltsamer psychologischer Digreßionen entwickelt sich endlich der noch seltsamere Ausspruch: »G el l er ts Mo r a l ist gut, und ist schlecht, wie mans nehmen will.« Die Erklärung dieses Para-

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doxons läuft am Ende darauf hinaus, sie sey ein sehr gemeinnütziges Werk für den ungelehrten, weniger unterrichteten Theil der Leser; ein seichtes Werk hingegen, wenn man sie wissenschaftlich betrachtet, für Leute von Kenntniß und Einsicht. Wir dürfen es wohl nicht erst anmerken, daß die erstere Klasse bey weiten die größte sey, und daß man sonach das Buch, wie es ist, in Ansehung seiner Brauchbarkeit weit höher zu schätzen habe, als wenn es so wäre, wie der Verf. es gerne haben möchte. Hiezu nehme man die nächste Bestimmung dieser moralischen Vorlesungen, die wirksamen Eindrücke und Rührungen, welche sie bey einer solchen Menge von Zuhörern hervorbrachten, und die auch der Bemerkung des Verf. nicht können entgangen seyn. Daß diese Eindrücke oft nur auf der Oberfläche gehaftet, daß sie zuweilen nur eine scheinbare Aussenseite sanfter und wohlthätiger Empfindungen, statt aufrichtiger Ergießungen des Herzens, hervorgebracht haben, kann man doch wohl nicht weder dieser Moral selbst, noch ihrer Methode, zur Last legen. Auch haben wir bey jener niemals die Motiven des moralisch Guten vermißt; vielmehr dringt G el ler t allezeit auf die edelsten und stärksten Bewegungsgründe, die sowol Vernunft als Religion zur Ausübung der Tugend an die Hand geben. Wie dreist und unerweislich ist daher das Urtheil: »G el ler t trägt schwankende Begriffe vor. Es ist nichts zusammenhängendes, nichts richtig schließendes in seinem Vortrage. – Alles, sogar die Wahrheit, ist bey ihm Vorurtheil.« Uebrigens geben wir dem Verf. gerne zu, daß G e ll er t, aber ohne seine Schuld, viele Schüler gehabt habe, die eine übelverstandene Gutherzigkeit, eine weiche, gefühlvolle Gesinnung, eine allgemeine, gleich vertheilte Menschenliebe, und eine übertriebene Delikatesse des sittlichen und kritischen Geschmacks mehr vorgaben, als wirklich besaßen, und oft dadurch ins Abgeschmackte verfielen. G e ll er te n selbst waren jene Eigenschaften alle natürlich, sie waren seinem Charakter, seinem Temperamente völlig gemäß. Vielleicht nahmen ihn auch Leute dieser Art am ersten ein, seine Seele neigte sich williger zu denen, mit welchen sie, oft nur dem Anscheine nach, zusammenstimmte; und so kam es, daß mancher sich unter seinen Augen hinter die Maske eines Frommen, Gutherzigen, und Empfindsamen verbarg, dessen Wandel und Gesinnung nichts weniger, als wohlthätig und edel war. Die Vernachläßigung der alten Literatur kann man G e ll er te n und seinem Beyspiele doch wohl nicht ohne Ungerechtigkeit Schuld geben. Er selbst hatte sie nicht ganz verabsäumt, und empfahl sie, in seinen Schriften sowol, als in seinem mündlichen Vortrage, zum öftern. Viele von seinen Verehrern haben sich in derselben Ruhm und Namen erworben. Und wenn er sie auch weniger geschätzt hätte, als er wirklich that, so würde doch sein Beyspiel an einem Orte, wo E r n es ti lehrte, und wo sich bisher noch die würdigsten Kenner der Alten zuerst gebildet haben, von keiner überwiegenden Gewalt gewesen seyn. Fast eben so sonderbar, als der angeführte Ausspruch, den der Verf. des letztern Briefes über die Gellertische Moral that, ist die Einschränkung, welche sein Freund, in dem dreyzehnten Briefe, diesem Ausspruche zu geben sucht. Er glaubt nemlich, sie sey dienlicher für Seelen von gewisser Härte und Rauhigkeit, um sie biegsamer

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und geschmeidiger zu machen, als für weiche, gefühlvolle Herzen, die dadurch weichlich und weibisch werden könnten. Wir wissen uns in der That in diese Absonderung nicht recht zu finden. Denn, bildet die Gellertische Sittenlehre einmal das gute sittliche Gefühl, und ist dieses eine Tugend, eine begehrungswürdige Eigenschaft, zu welcher auch Leute von härterer Denkungsart gewöhnt werden müssen; so muß sie nothwendig für Jedermann gleich brauchbar seyn, und bey solchen, deren Seelen die Natur aus feinerm Stoffe bildete, dem ihnen schon eigenen Gefühle eine bessere moralische Richtung geben, und es eben dadurch bessern und verschönern. Beyläufig nur ein paar Worte über das Urtheil, das in diesem Briefe über den D r . Y o u n g , und über seinen Einfluß in den Geschmack und die Schreibart unsrer Nation gefällt wird. Schon manche, besonders unsre tändelnden Sänger der Freude, haben diesen Dichter aus einem ganz irrigen Gesichtspunkte angesehen; ihre Einbildungskraft schuf die Nacht und Finsterniß um ihn her, die man hernach für sein Geschöpf hielt. Wenn man sich recht mit ihm bekannt macht, wenn man ferner die ganze Situation überdenkt, worinn er so dachte und schrieb, und die nächste Bestimmung seiner N ac h t ge d an k e n ; so wird man den Ton derselben zwar traurig, aber nicht wimmernd oder murrend, und den Geist des Dichters zwar ernsthaft, aber nicht menschenfeindlich und freudenlos finden. Doch, hierüber kann er nicht besser gerechtfertigt werden, als sein vortreflicher Uebersetzer in dem schönen poetischen Briefe an den Prof. S c h m i d in Braunschweig gethan hat. Dem Geschmacke der Deutschen, besonders in der geistlichen Beredsamkeit, hat vielleicht die Uebersetzung der Nachtgedanken zufälligerweise einigen Eintrag gethan; aber auch nur bey solchen, die zu kurzsichtig waren, die Gränzen des poetischen Ausdrucks und der edlen prosaischen Schreibart, den dichtrischen Lehrton von dem Vortrage fürs Volk zu unterscheiden. Aeusserst übertrieben ist es, wenn der Verf. behaupten will, die ganze Bekanntschaft mit der englischen Literatur sey der unsrigen schädlich gewesen, und die englische Nation mache, wie sich der Verf. ausdrückt, in dem Fache der Dichtkunst eine weit geringere Figur, als man gewöhnlich dafür hält. S h ak es p e ar und Mi lto n , den ersten noch dazu nicht ohne Einschränkung, ausgenommen, findet er ihre übrigen Dichter mehrentheils auf eine übertriebne Art verehrt, zur wahren Dichtkunst fehlt ihnen das feinere Gefühl und eine biegsame Sprache, u. s. f. Eine Frage möchten wir dem Manne, der so reden kann, wohl ins Gewissen schieben, ob er nemlich die Sprache und die Dichter dieser Nation jemals sorgfältig studiert hätte? Hat er das, so sey er ja gegen sein Gefühl mißtrauisch, wenn der die wahre Sprache der Leidenschaft und der Empfindung in ihnen vermißt. Eben so übertrieben erhebt er auf der andern Seite die italienischen Dichter. Wer wird die mannichfaltigen Schönheiten derselben verkennen? Aber wenn sich die Dichter unsers Vaterlandes nun einmal nach Ausländern bilden wollen, so paßt das Modell der englischen Poesie ohne Zweifel für sie besser, als der italienischen. Man kann sich hier durch die Erfahrung belehren. In den ersten dreyßig Jahren des gegenwärtigen Jahrhunderts

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war bey unsern Dichtern die Nachahmung der Italiener fast allgemein; was gewann der Geschmack dabey? oder vielmehr, wie viel verlohr er nicht dadurch! Freylich war auch Mangel an Kritik und prüfendem Geschmacke, in der Wahl sowol, als in der Nachahmung, Schuld daran; aber die Gefahr, zu verunglücken, war hier wenigstens doppelt so groß, als bey der Nachahmung der Engländer. Selbst der sel. Mei n h a r d , auf den sich der Verf. S. 293. beruft, war zum mindesten ein eben so großer Verehrer der Englischen, als der Italiänischen Poesie, und dachte über die Vorzüge der erstern, und über die Mängel der letztern so, wie sie einem Manne von geschärftem Auge, der beyde genau kennt, von selbst sichtbar werden müssen. Wir sind es müde, uns auf alle die unbesonnenen, halb verdauten, und zudringlichen Urtheile einzulassen, von denen dieser Briefwechsel so voll ist; sonst würden wir noch eins und das andre gegen die Anschuldigung, G e ll er t habe mehr zur Verzärtelung als Bildung des Geschmacks gethan, vorbringen, die im letzten Briefe ausgeführt wird. Auch ist fast alles Wiederholung dessen, was der Verf. oft schon mehrmals wiederholt hat. Jahre und mehrere Einsichten werden vielleicht die Verfasser dieser Briefe richtiger und billiger denken lehren; und dann werden sie auf diese rohe, unvollkommne Arbeit ihrer Jugend, mit Unzufriedenheit, vielleicht auch mit Reue, zurücksehen. U eb er d en W er th ei n i ge r d eu ts c h e n D i c h t er u n d ü b er an d r e G e ge n s t ä n d e , d e n G es c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t e r a tu r b e tr ef f en d . E i n B r i ef w ec h s el . Z w ey t es S tü c k . F r a n k f . u n d L ei p z . 17 7 2 . 8 . 2 54 S ei t en . Da wir über das erste Stück dieses Briefwechsels, in der Anzeige der Gellertischen Schriften, ziemlich ausführlich geworden sind, so können wir jetzt von diesem zweyten Stücke um so viel kürzer unsre Meynung sagen. Wenn wir in demselben gleich hie und da gemäßigtere Urtheile und richtigere Bemerkungen angetroffen haben; so herrscht doch überhaupt noch eben der entscheidende Ton, eben die Unbilligkeit gegen verdienstvolle Schriftsteller, eben die einseitige, oft ganz mißlungene Kritik darinn, welche wir an dem ersten Stücke mit Unzufriedenheit bemerkten. Gleich in dem ersten Briefe wird G el ler t s Schriften, ausser seiner Moral, geradezu aller moralische Nutzen abgesprochen; Y o u n g wird für einen Thoren, und seine Nachtgedanken für das unvernünftigste und schädlichste Buch erklärt, das dem Verf. bekannt ist; das deutsche Publikum abermals für einen Haufen blinder und kenntnißloser Leser, und R ab en er , im siebzehnten Briefe, für einen Idioten. Dieser letztre Schriftsteller wird von dem ihm bisher zuerkannten Range sehr herabgesetzt; und L i s k o w dagegen für den ersten und vortrefflichsten unsrer satirischen Dichter ausgegeben. Von der Satire überhaupt äussern beyde Verfasser allerley Begriffe und Grundsätze, die mit sich selbst nicht die gehörige Konsistenz haben, und größtentheils einer Berichtigung bedürften, in die wir uns hier nicht einlassen können. Es soll z. E. gar kein kein Genie dazu gehören, nach Art der Alten Satiren zu machen; die Stelle des H o r az , worauf man sich S. 14. deswegen beruft,

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ist ganz unrichtig angewandt, und beweist das noch mehr, was wir sogleich bemerken, daß der Verf. Genie überhaupt, als Geistesfähigkeit genommen, von dem eigentlichen dichtrischen Genie nicht gehörig absondert. Was ist es ferner gesagt, daß die Wahl des Inhalts bey einem Gedichte völlig gleichgültig sey? daß die Poeten alle keinen unmittelbaren Einfluß auf die Sitten haben sollen? u. s. f. Auch der Vorschlag, daß es unter gewissen Einschränkungen dem Satiriker von Obrigkeitswegen verstattet seyn sollte, Individua zu schildern, und kenntlich, auch wohl namentlich vor der Welt an den Pranger zu stellen, ist gewiß, besonders von Seiten des politischen Einflusses, nicht genug überdacht. Unter gewissen Einschränkungen ist es ihm schon verstattet, und wir möchten nicht rathen, einen Schritt weiter in den Gränzen dieser Freyheit zu gehen. Die Merkmale, welche der Verf. S. 28. als Kennzeichen eines wahren satirischen Genies ansieht, finden sich vielleicht bey Niemanden mehr ausgezeichnet, als bey ihm selbst, und wenn es damit seine Richtigkeit hat, so hat wohl Niemand mehr Beruf, als er, unser Satirenschreiber von der ersten Größe zu werden. »Sollte ich, sagt er, einen finden, der beym Lesen des L i s k o w s entzückt wäre, an seinen Einfällen Geschmack fände, und dieselben über die Rabnerschen setzte, diesem würde ich rathen, ein Satirenschreiber zu werden. Die Natur hätte sicher dazu einen Grund bey ihm gelegt.« Vom achtzehnten Briefe an lassen sichs die Verfasser nicht wenig sauer werden, eine Klaßifikation und Rangordnung unter den deutschen Dichtern anzustellen; eine Mühe, die ihnen das Publikum vielleicht eben so wenig zugemuthet hätte, als verdanken wird. Der Maaßstab ist, wie billig, das Genie; aber von diesem haben die Verfasser doch, so sehr sie auch die Begriffe darüber berichtigen zu wollen scheinen, noch ziemlich schwankende und unzuverläßige Vorstellungen. Wenigstens schränken sie den Umfang desselben zu sehr ein; und aus dieser Einschränkung entstehen in ihren Urtheilen und Raisonnements seltsame Behauptungen, und öftere Widersprüche. Die Nation und das Publikum bekommen dabey noch immer einen derben Verweis über den andern. U z und H a g ed o r n werden mit dem größten Rechte gelobt; aber H a ll er mit eben so großem Unrechte getadelt, und von der Zahl der Dichter ausgeschlossen. Das Verdienst, daß er der erste war, der von jenem wässerichten Modeton abwich, der zu seinen Zeiten herrschte, hätte ihm wohl ein wenig höher angerechnet werden können; und es ist immer wunderlich, seine didaktische Poesie mit der lyrischen des H o r az zusammen zu halten. Die Vergleichung der letztern mit einer Ode von Uz ist schon weit passender. – Die Bemerkungen über die geistliche Poesie (S. 137.ff.) enthalten viel Gutes; aber auch hier ist, wie bey der Kritik über G el l er t e n , als geistlichen Liederdichter, der Zweck und Ton des Kirchenliedes von dem erhabenern Schwunge der Ode, deren Inhalt die Religion ist, nicht genug abgesondert. Der Vorschlag, mehr historisches in die Lobgesänge auf die Gottheit einzuweben, ist nicht verwerflich; nur muß man nicht alles von diesem Hülfsmittel erwarten. – Die römische Religion hat freylich einen weit reichern Vorrath von Bildern und sinnlichen Vorstellungen; aber wird das Irrige und Uebertriebene derselben nicht dem Wahren und auf wahre Vorfälle Gegründetem,

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dem es eingemischt wird, Eintrag thun? – In H a g ed o r n s lyrischen Gedichten ist unstreitig mehr Englische als Italiänische Manier zu entdecken; wiewol das Meiste darinn sehr original und eigenthümlich ist. – Den Begriffen von dem Zwecke und der wahren Wirkung der Poesie, welche im drey und zwanzigsten Briefe geäussert und entwickelt werden, läßt sich ohne Zweifel vieles entgegen setzen. Wie kann man allen moralischen Nutzen der Poesie, alle Erhöhung der sittlichen Eindrücke durch ihre Beyhülfe so gerade weg läugnen? Freylich wird der Dichter durch seinen Vortrag den moralischen Satz selten durch neue und ausgeführte Beweise, aber er wird ihn dadurch eindringender machen, daß er, poetisch eingekleidet, sinnlicher, und eben dadurch annehmlicher wird. Und so wird die Lesung der Dichter nicht blos den Vorrath unsrer Gedanken und Begriffe erweitern, sondern auch denselben eine gewisse Richtung geben, die nicht ohne Einfluß auf den Willen, auf unsre Entschlüsse und Handlungen, bleiben kann. – Auf seine vorausgeschickte Begriffe von dem Zwecke der Poesie gründet der Verf. in der Folge dieses Briefes seine Vertheidigung der erotischen Dichter, hauptsächlich aus dem Grunde, daß sie das sympathetische Gefühl erhöhen, und die sanftere, gesellige Tugend befördern. Ein seltsamer Widerspruch, daß der Verf. zuerst der Poesie allen moralischen Einfluß abspricht; und hernach doch die Dichter der Liebe und der Freude gerade wegen ihrer Wirkungen in Ansehung der Moralität vertheidigt; Dichter, denen man sonst gerne erlaubt, blos zu vergnügen, und nur dann in Anspruch nimmt, wenn ihre Gedichte von s c h ä d li c h er und verführerischer Wirkung sind. – Dem Verfasser des vier und zwanzigsten Briefes hätten wir seine weitschweifigen, zuweilen richtigen, aber größtentheils seichten, Anmerkungen über eine Stelle aus W i el a n d s D i o g en e s gerne geschenkt. – Das fehlte noch, daß am Schlusse dieses Briefwechsels auch L e ßi n ge n das dichtrische Genie abgesprochen würde! Mo. [in Fraktur]

Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773. Leipzig 1772, S. 23f. [Rez. vermutl. von Christian Heinrich Schmid]

U e b er d en W er th ei n i ge r d eu ts c h e n D i c h t er u n d ü b er an d r e G e ge n s t ä n d e , d en G e s c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t ter a tu r b et r e f f en d . E i n B r i ef w ec h s el , z w e y t es S tü c k , L em go , i n d er M ey er i s c h e n B u c h h an d lu n g , 8 . Unwillen über die Nachbeterey des Publikums hat die Verfasser bewogen, uns ihre eigne Urtheile an den Kopf zu werfen. Besonders stürmt der Eine so heftig auf uns ein, daß er den heimlichen Wunsch zu sehr verräth, das Publikum möchte die seinigen nachbeten. Seine Impertinenz und seine Paradoxie kann man sich einigermaßen aus dem rauhen Temperamente erklären, das er sich beylegt. Der Andre ist

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noch unerträglicher, weil er weniger denkt und mehr schwazt, hin und her schwankt, des Erstern Urtheile wiederkäut u. s. f. Unter den allgemeinen Betrachtungen des Erstern ist die über die erotischen Dichter die gedachteste, so wie hingegen am auffallendsten falsch die wiederholte Behauptung, daß es mehr gute Trauerspiele als Lustspiele gebe. Rabener, Uz und Hagedorn sind die vornehmsten Gegenstände dieses Stücks; die meisten unsrer übrigen Poeten werden zuletzt bey dem Projekte über eine Klaßifikation unsrer Dichter berührt, über die die Verfasser noch nicht mit sich einig werden können. In Ansehung des Stils möchten sie Helvetius Ausspruch beherzigen: On ecrit presque toujours mal, lorsqu’on ecrit, comme on parle.20 G e ll er t h a t G en i e, davon handelt gegen einen gewissen Kunstrichter M. Joh. Georg Zierlein, Rektor zu Prenzlow, 4. Eine Widerlegung des Verfassers der Schrift über den Werth der deutschen Dichter, die wir hätten entbehren können. Wer weiß und glaubt nicht, daß Gellert sich noch immer lesen lasse?

Neuer gelehrter Mercurius auf das Jahr 1773. Hg. von Johann Christoph Unzer. 1. Bd., 3. Stück, 21. Januar 1773, Altona, S. 20–23, hier S. 20 und S. 23.

Magazin der deutschen Critic. Herausgegeben von Herrn Schirach. Ersten Bandes erster Theil. Halle bey Gebauer. 1772. 352 S. gr. 8. Man ist freylich in unsern Tagen gewohnt, Urtheile von allerhand Art über litterarische Sachen zu lesen, und kein einziges ist so paradox, daß es nicht unter den Lesern Anhängern finden sollte; aber das hat man doch noch nicht gesehen, daß ein Journal fast in allen Stücken einer jeden Recension, den Urtheilen von ganz Deutschland widerspreche. Das izt angezeigte thut dies würklich; ein Journal, das vortheilhaft angekündigt wurde, dessen angezeigte Einrichtung doch etwas, wenn auch nicht viel, versprach, von dem man wenigstens erwarten konnte, daß es mit etwas Geschmack und in einer guten Schreibart abgefaßt seyn würde, dieses Journal hintergeht wenigstens unsre Erwartungen gänzlich. [...] Die Nachricht die das Schirachsche Comtoir erhalten haben will, als wenn der Verf. der Revision auch der Verf. der Briefe über den Werth verschiedener deutscher Dichter wäre, ist grundfalsch. Der erstere ist Hr. Meiners, der izt als Lehrer der Philosophie nach Göttingen berufen worden, und der Verf. der Briefe ist, wie wir zuverlässig wissen, ein ganz anderer.

|| 20 Man schreibt fast immer schlecht, wenn man schreibet, während man spricht (Helvetius, De l’esprit); Anm. d. H.

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Brief von Johann Heinrich Voß an Ernst Theodor Johann Brückner, 24. Februar 1773. In: Briefe vom Johann Heinrich Voß nebst erläuternden Beilagen. Hg. von Abraham Voß. 1. Bd. Halberstadt 1829, S. 127.

Ich habe von Cramers Vater den Anfang eines langen Gedichts auf Bernstorf gelesen, der ganz vortreflich ist. So schmackloses Deutsch er vordem hatte, so kräftig ist seine Sprache jezt. Hierin hat der liebe Gellert auch noch viel verdorben, dessen französisches Deutsch so lange für schön gehalten ward. Und deshalb ist es nur recht gut, daß Unzer und Mauvillon in ihren Briefen ihn ein wenig angegriffen, ob mir gleich die Art misfällt.

Beytrag zum Reichs-Postreuter, 18. Stück, 10. Woche, 4. März 1773.

U e b er d e n W e r t h ei n i g e r d eu ts c h e n D i c h ter u n d ü b er a n d er e G e ge n s t ä n d e , d e n G es c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t e r a tu r b e tr ef f en d . E i n B r i ef w ec h s el . E r s t es S t ü c k 3 1 2 S ei te n . Z w ey te s S tü c k . 2 54 S . i n 8 v o . F r a n k f u r t u n d L ei p z i g , 1 77 1 u n d 17 7 2. Ein Tribunal der Critik, von dem man unpartheyische Urtheile erwarten wollte, dürfte nicht in unsrer gesellschaftlichen Welt angelegt werden. Fort damit auf eine unbewohnte Insel! Frey von allen Verbindungen. Kein Schriftsteller dürfte selbst seine geistigen Producte von einem Billet-Doux21 oder wol gar etwas wesentlichern begleitet, an das Tribunal senden. Niemand, am wenigsten aber Schriftsteller, sollten unsre Insel besuchen. Das Heyrathen könnte unsern Tribunal-Räthen kaum verstattet werden; da dasselbe so großen Einfluß auf unsre Urtheile hat. Vorausgesetzt, daß alsdenn unsre Critici Kenntnisse genug und richtigen Geschmack besäßen, eines mächtigen Schutzes sich getrösten, und ihre übrigen Bedürfnisse befriedigen könnten; so hätten wir wol das Vergnügen, unpartheyische und richtige Critiken zu lesen. Wir haben uns über die Erscheinung obiger Briefe sehr gewundert, welche mit vieler Wahrheit und Unpartheylichkeit die Flecken großer Männer anzeigen, und allgemeine verehrte Götzenbilder, der Verehrung entreissen. Die Verfasser konnten leicht voraussehen, wie übel die critische Cabale mit ihnen verfahren würde; aber um so mehr hätten sie sich bemühen sollen, ihr Werk von würklichen Fehlern zu säubern; damit man nicht so vieles mit Grunde hätte tadeln können. Diese Briefe sind als würklich gewechselte Briefe betrachtet, mit zu vieler Nachläßigkeit geschrieben; denn sobald das Publikum sie mitlesen sollte, hätte man wol die Achtung für dasselbe haben können, das nachläßige und weitschweifige im Styl zu

|| 21 Franz. für Liebesbrief; Anm. d. Hg.

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verbessern. Der Ton, in welchem die Urtheile gesagt sind, ist gewiß nicht der Lieblingston der Wahrheit. Er ist zu heftig und immer mehr fähig zu erbittern als zu überzeugen. Die V. brauchten nur zu bedenken, für wen sie diese Briefe schrieben, für den Mann von Geschmack oder nicht? Die Menschen überhaupt lassen sehr ungern ihren Verstand tadeln; aber am wenigsten die, welche Profeßion vom Verstande machen, die Gelehrten. Die V. konnten also leicht glauben, daß wenn sie ihren Tadel nicht in dem Tone der feinern Welt sagten, sie sich dem Verdacht aussetzten, als hegten sie gegen einige ihrer getadelten Männer Privat-Haß. So sehr auch diese Briefe in allen Journalen und Zeitungen sind getadelt worden; so müssen wir doch bekennen, daß sich in denselben viel wahres und gutes findet. Freylich billigen wir nicht alle Einfälle und gewagte Aussprüche der Verfasser. Oft lassen sie sich auch zu sehr von dem Eifer zur Wahrheit hinreissen, und werden ungerecht in ihren Urtheilen wie z. B. in den Urtheilen über den Einfluß der Gellertschen Schriften auf den Geschmack und seiner Moral überhaupt aufs Herz. Ein Vorwurf, der gewiß nicht mit Machtsprüchen abgethan werden kann; sondern weißlicher durchgedacht zu werden verdient. Was die Verfasser von starken Seelen, als dem Gegentheil der gefühlvollen behaupten, können wir unmöglich billigen. Wenn sie unter starke Seelen, Seelen ohne Leidenschaften verstehen; denn mögen sie freylich recht haben, diese können ohne große Kreuzigung die besten Grundsätze befolgen. Gemeiniglich aber, wenn diese starken Seelen eine Lieblings-Leidenschaft haben; so setzen sie derselben so weite Schranken, daß sie sich mit Bequemlichkeit in denselben herumtummeln kann. Ein gutes und gefühlvolles Herz ist immer das beste Geschenk der Natur und die sicherste Gegenwehr gegen alle niedrige und der menschlichen Gesellschaft schädliche Handlungen. Das Urtheil über eine Stelle in Wielands Dialogen des Diogenes Br[ief]. 24 unterschreiben wir nicht. Herr Wieland soll bey dieser Stelle die französische und englische Nation vor Augen gehabt haben. Unserer Meynung nach, muß er als Diogenes, der von der damaligen Verfassung der Athenienser spricht, beurtheilt werden; er mag übrigens, welche Nation er wolle, vor Augen gehabt haben. Die Verfasser wollen von allen Vorurtheilen frey seyn, und bewundern doch alles, was je ein Klopstock geschrieben hat, u. der, welcher etwas an diesem großen Dichter zu tadeln findet, wird von Ihnen sehr verhöhnt. Wir bewundern Klopstock als unser größtes Dichterisches Genie, aber deswegen soll alles, was er schreibt, göttlich seyn? z. B. die Ode, wo er uns die Himmels-Zeichen docirt? und von der Art giebt es mehrere. Entweder herrscht in diesen Oden die wahre Begeisterung und denn bedauern wir freylich, daß wir nicht davon participiren können, oder sie artet aus in ––

Br.

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Neuer gelehrter Mercurius auf das Jahr 1773. Hg. von Johann Christoph Unzer. 1. Bd., 11. Stück, 18. März 1773, Altona, S. 84–87, hier S. 86.

Magazin der deutschen Critic. Herausgegeben von Herrn Schirach. Ersten Bandes zweyter Theil. Halle bey Gebauer, 1772. 286 S. gr. 8. [...] 21) Ueber den Werth einiger deutschen Dichter. Diese Anzeige besteht aus unverschämten Schimpfwörtern und Lügen, so wie auch die damit verbundene von den Divisen auf deutsche Gelehrte. Von letztern sagt der Rec. »Mehr von denen beyden Studiosis, die diese Blätter gesudelt haben, zu sagen, ist der Mühe nicht werth.« Freylich nicht; aber um das giftige Urtheil zu rechtfertigen, hätte wol die Devise auf Herrn Schirach mit abgedruckt werden können: Voll Nichts und doch voll Flittern, Halb Pfau, halb Murmelthier.

Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. 14. Bd., 2. Stück. Leipzig 1773, S. 294–308, hier S. 306 f.

Ka r l W i l h e lm Ra m l er s L y r i s c h e G ed i c h te . B er li n , b e y C . F . V o ß , 17 7 2. [...] Zwar ein gewisser neuer Kunstrichter (einer von denen, die auf Gellerts Grabe ihren muthwilligen Tanz hielten, nachdem es viele der besten Männer der Nation mit Dankbarkeit und Wehmuth besucht hatten) – dieser ist ganz anderer Meynung. Er wünscht geistliche Gedichte von einem Lehrer der römischen Kirche, von Herrn D en i s ; nicht etwa, weil sich von einem so aufgeklärten Manne hoffen ließe, daß er bessere und gereinigtere Begriffe unter den Gliedern seiner Kirche ausbreiten würde, sondern weil er von allen Fabeln, von allen erdichteten Wundern seiner Religion würde Gebrauch machen können. Es ist unbegreiflich, wie man von der Dichtkunst, als einer vortrefflichen Kunst, mit größter Achtung reden, und sie doch zu einem bloßen Gaukelspiele erniedrigen; wie man Ausbreitung der gesunden Vernunft und einer auf gesunde Vernunft gegründeten Tugend für den höchsten Endzweck aller Schriftstellerey erklären, und dann doch, um ein Bischen elende Imagination zu gewinnen, aller gesunden Vernunft vergessen könne. [...]

Abraham Gotthelf Kästner: Vorlesungen. Zweyte Sammlung. Altenburg 1773, S. 113.

A. Daß Gellert nur manch elend Lied gesungen, Und Haller unten an, bey Deutschlands Dichter steht; So hat ein Mauvillon, ein Unzer, jüngst geschmäht.

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B. Unmöglich! Mauvillon und Unzer sind bekannt, Die, weiß ich, haben mehr Verstand, A. Ja! Mauvillon und Unzer, doch, die jungen.

Heinrich Pröhle: Die Büchse, das Bundesbuch des Halberstädtischen Dichterkreises (W. Heinse, J. G. Jacobi, u. s. w.). In: Archiv für Litteratturgeschichte. Hg. von Franz Schnorr von Carolsfeld. 4. Bd. Leipzig 1875, S. 323–371, hier S. 345.

A u s : ›D i e B ü c h s e ‹ , d em B u n d es b u c h d e s H a lb e r s t äd ti s c h en D i c h te r k r ei s e s . Wer M au v i ll o n kennt Und U n z er n nennt, Der kennt und nennt zwei Knaben Die Gott erbarm’s die Seelenkrätze haben!

Christian Heinrich Schmid: Ueber den gegenwärtigen Zustand des deutschen Parnasses. In: Der Teutsche Merkur, 1. Bd., 2. Stück, Weimar 1773, S. 150–186, S. 195–235, 4. Stück, S. 245–276, 2. Bd., 4. Stück, 1774, S. 164–201, hier 1. Bd., 4. Stück [November 1773], S. 273f.

[...] Gegen berufne Lobredner und Tadler, besonders aber gegen die Frechheit des Briefwechsels über den Werth teutscher Dichter, hat d i e al lg em ei n e B i b li o t h e k Gellerten in einem bündigen Aufsatze in Schutz genommen. [...]

Deutsche Chronik auf das Jahr 1774. Hg. von Christian Friedrich Daniel Schubart. 1. Jg., 3. Stück, den 7. April 1774, Augsburg, S. 23 f.

L i t er at u r . A u s L ei p z i g. Man hat sonst unser Vaterland eines phlegmatischen Undanks gegen ihre größten und verdientesten Männer beschuldigt; und gewiß mit einigem Rechte. Denn kaum sind die Plätze bemerkt, wo unsere Thomasiusse, Leibnize, Wolf, Mosheime und Hagedornen schlummern. Abbts Monument und Gellerts Grabmahl sind aber, zum Ruhme unsrer Nation; sehr vortheilhafte Ausnahmen. Nach dem Tode des letztern überfiel Deutschland eine Art von Manie; Mädgen und Jünglinge, Männer und Weiber, Dichter und Prosatoren, Priester und Weltweise; alles bemühte sich seine Thränen und seinen Dank mit den lauten Klagen der Nation zu vereinigen und an

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dem Monument zu bauen, das auf seinem Grabe stehen sollte. Auch sein ehemaliger Verleger, Herr Johann Wendler, legt vor der Welt ein Zeugniß seiner Erkenntlichkeit gegen den unsterblichen Gellert ab, das ihm zur Ehre gereicht und sehr vortheilhaft beweißt, wie wenig W e n d le r zu C u r l s Brüderschaft gehörte. Er hat von weissem sächsischem Marmor, der dem Griechischen gleichen soll, in seinem Garten ein vortrefliches Monument errichtet – von der Erfindung und Hand eines O es er s – womit er die Nachwelt an Gellerts Verdienste erinnern wollte. Die Grazien, als Kinder, weinen in die Urne ihres Lehrers und eine steckt eine Rose auf das Haupt des bronzirten Bildnisses, das an dem zur Base dienenden Säulenstücke in Lorbeerlaube aufgehangen ist. Die Aufschrift ist voll Einfalt: G e l ler t s A n d en k e n h ei li g . Unsre Nation erweist durch diese Hochachtung vor Gellerten, die auch die Zeit nicht schwächt, daß man mehr durch Leichtigkeit, Unschuld und edle Einfalt ihren Dank und Beyfall ersiegen kann, als durch den rauhen Bardenthon und das Tändeln unsrer neuen Minnesänger. Gellert ist in seinen Fabeln unter Lichtwehrn – in seinem Lehrgedicht weit unter Hallern – in seinen geistlichen Gedichten unter Klopstock und Schlegel – und in seiner Moral unter Baumgarten und Stapfer. Und doch ist er noch immer der Lieblingsschriftsteller unsrer Nation. = Hat der jüngere U n z er recht, wenn er daraus einen sehr nachtheiligen Schluß auf den Geschmack des deutschen Publikums macht? –

Deutsche Chronik auf das Jahr 1775. Hg. von Christian Friedrich Daniel Schubart. 2. Jg., 12. Stück, den 9. Februar 1775, Ulm, Augsburg, S. 89.

F r a n k r ei c h . Dieß glückliche Reich schwimmt jezt in einem Strome von Vergnügen. Jedermann ist mit dem zufrieden, was der König thut. Selbst sein ökonomischer Geist beleidigt sie nicht, sie, die sonsten mit dem Geiste der Oekonomie so wenig vertraut sind. Ein neuer Beweis, daß man aus einem Franzosen alles machen kann! Nichts ist leichter und angenehmer zu beherrschen, als ein fröliches Volk. *

Der seelige Unzer, ein sehr glücklicher Kopf, bestritt diesen Satz gegen Wielanden, und, wie mich deucht, mit sehr wichtigen Gründen. Der Staat sollte sich alle Mühe geben, damit der Unterthan nicht von der Frölichkeit zum Leichtsinn ausschweife. Leichtsinn macht die Menschen seicht, flüchtig, sinnlich, und ertödtet in ihnen die Ueberlegung, die Quelle jeder guten und soliden That. Und dieß ist der Fall bey den Franzosen. [...]

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Christian Heinrich Schmid: Litteratur der Poesie. Erster Theil. Leipzig 1775, S. 37f.

[...] Herr M au v i l lo n d er äl t er e (Professor zu Braunschweig) urtheilt 1740. in seinen Lettres Allemandes keck, ohne mit der deutschen Litteratur bekannt zu seyn. – In seine Fußstapfen trat Herr J o h a n n M au v i l lo n d e r j ü n ger e (Professor zu Cassel) welcher in Gemeinschaft mit Herrn L u d w i g A u gu s t U n z e r einen Briefwechsel ü b er d e n W er th ei n i g er d e u t s c h en D i c h t er (Lemgo, 1771, 1772. zwey Stücke 8vo) herausgab. Die brennende Begierde den Urtheilen des Publikums über einige Dichter, vornämlich Gellert, zu widersprechen, riß die Verfasser zu Uebertreibungen und einseitigen Deklamationen hin. Sie äusserten Anlage zu Raissonneurs, die sich aber nur noch in geschwätzigen Vertheidigungen von Paradoxen äusserte. Vielleicht würden sie ihre Absicht noch eher erreicht haben, wenn sie sich einer minder nachläßigen Schreibart befleißigt hätten. Nicht also der, welcher einen Maasstab deutscher Dichter sucht, sondern nur der, welchen seltsame Meynungen vergnügen, wird in diesem Buche seine Rechnung finden.

[Leonhard Meister:] Beyträge zur Geschichte der teutschen Sprache und National-Litteratur. Zweyter Theil. London 1777, S. 26f.

[...] Weit entfernt Gellerten so sehr zu erniedrigen, wie es Unzer in seinen Briefen – oder ihn so sehr zu erhöhen, wie es Abbt in seiner Schrift vom Verdienst gethan hat, unterschreibe ich gleichwohl das Urtheil des letztern, wenn er sich über Gellerts Schriften folgender massen ausdrückt: »Sie haben sich nach und nach in Häuser, wo sonst nie gelesen wird, eingeschlichen, dadurch ist das Gute in der Dichtkunst in Exemplen, und nicht in Regeln, bekannt, und das schlechte verächtlich gemacht worden. Denn der Geist und der Geschmack einer Nation sind nicht unter ihren Gelehrten und Leuten von vornehmer Erziehung zu suchen. Diese beyde Geschlechter gehören gleichsam seinem Lande eigen. Aber unter dem Theile der Nation liegen sie, der von fremden Sitten, Gebräuchen und Kenntnissen noch nichts zur Nachahmung sich bekannt gemacht hat«. Für ein Volk und Zeitalter, wie dieses, war es ein Gellert, den man als den allgemeinen Poeten der Nation ansah, dessen Schriften auf dem Pult des Gelehrten, auf dem Nachttisch der Schönen, in der Antichambre des Grossen, im Komtoir des Kaufmanns – mit einem Wort, allenthalben sich eingeschlichen. In Griechenland wär Gellert ein mittelmäßiger Dichter gewesen, und nur ein Homer war würdig der allgemeine Nationaldichter zu werden.

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[David Christoph Seybold:] Reizenstein. Die Geschichte eines teutschen Officiers. 1. Bd. Leipzig 1778, S. 66.

[…] Ueberhaupt ist Mauvillon ein Mann, wie ich sie liebe, frey und hell denkend, und, was er, und wie er denkt, redet er. Da haben die Leute so entsezlich über die G e ll er ts c h e Kr i ti k geschrien, und er hat doch Recht, wenn G e ll er ts Gedichte von Seiten des Genies betrachtet werden. Anfangs trauete ich selbst dem Urtheile nicht. Ich prüfte, las einige Fabeln und Erzählungen in der Rücksicht durch sezte meine Anmerkungen auf, und fand darinnen so vieles Matte, Schiefe und Ueberflüßige, daß ich den Briefstellern Recht gab.

Rez. zu Reizenstein. Die Geschichte eines teutschen Officiers. 1. Bd. 1778. In: Gothaische gelehrte Zeitungen auf das Jahr 1778, 43. Stück, S. 347.

[...] Gellerts Fabeln werden unter andern hier zergliedert, und Mauvillon und Unzers Schatten wird Recht gesprochen.

Christian Heinrich Schmid: Anweisung der vornehmsten Bücher in allen Theilen der Dichtkunst. Leipzig 1781, S. 18.

[...] Herr Professor Mauvillon zu Kassel gab mit Ludw. Aug. Unzer (st. 1774, alt 26 Jahr) einen Briefwechsel über den Werth einiger teutschen Dichter (Lemgo 1771. 72. zwei St.) heraus. Die Begierde, den Urtheilen des Publikums über einige Dichter, vornemlich Gellert, zu widersprechen, riß die Verfasser zu Uebertreibungen und einseitigen Deklamationen hin. Sie zeigten Anlage zu Raissonneurs, die sich aber nur noch in geschwätzigen Vertheidigungen von Paradoxen äußerte. Die Schreibart ist äußerst nachläßig.

Karl August Küttner: Charaktere teutscher Dichter und Prosaisten. Erster Band. Berlin 1781, S. 247f. (Anm.).

[...] Am richtigsten hat Garve in den Anmerkungen über Gellerts Moral, seine Schriften überhaupt und seinen Charakter (Leipzig 1770) den Werth dieses tugendhaften Schriftstellers beurtheilt. Die kecken und schiefen Wäschereyen zweyer Ungenannten in dem Buche: Ueber den Werth einiger teutschen Dichter, (Lemgo 1771‒72) die

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Gellerten zum ärmlichsten Reimer heruntersetzten, sind vom ganzen lesenden Publikum verlacht und verachtet worden.22

Almanach der Belletristen und Belletristinnen für’s Jahr 1782. Ulietea 1782, S. 202f.

Un ze r. Jezt tod. Ein Dichter – aber ein ganz gewönlicher. Seine Produkte findet man hier und dort in Musenalmanachen etc. Er war’s, der samt M au v i l lo n sich erfrechte, so wakre Männer wie G el l er t , R ab e n e r u. s. w. anzubelfern, allein dies Gebelfer ist längst verhallet. – Man verwechsle ihn nicht mit dem Doktor U n z er in Altona, ein Neffe des berühmten Arztes U n z er , der nach dem Zeugnis aller, die ihn oder etwas von seinen handschriftlichen Theaterarbeiten kennen, einer unsrer wizigsten Köpfe ist. Dem Publikum hat Lezter sich durch ein überal wol aufgenomnes Trauerspiel, D i e go u n d L e o n o r e bekant gemacht, das auch uns recht sehr gefallen hat.

Johann Jacob Hottinger: Versuch einer Vergleichung der deutschen Dichter mit den Griechen und Römern. Mannheim [d. i. Heilbronn] 1789, S. 317f.

Von Hallers poetischem Verdienste zu sprechen, würde ich beinahe für überflüssig halten, wenn nicht das unbillige Urtheil, welches die Verfasser der Briefe über den Werth einiger deutscher Dichter, von dieser Seite über ihn gefällt haben, mich veranlaßte, auch davon ein Wort zu sagen. Zwar auch so könnte es überflüssig scheinen: denn sie mögen wol weniger Leser überzeugt haben. Ich lasse es gelten, daß das poetische Verdienst des satirischen Dichters immer ein wenig zweideutig sey. Dies liegt in der Natur der Dichtungsart selbst. Allein unter denen, welche die Schwürigkeiten derselben bekämpft, und meistens glücklich überwunden haben, ist Haller gewiß keiner der lezten; und es ist offenbare Mißkennung seines Werthes, zu sagen, »daß sein ganzes Verdienst darin bestehe, philosophische Sentenzen in Reimen zu zwingen.«

|| 22 [Christian Garve:] Vermischte Anmerkungen über Gellerts Moral, seine Schriften überhaupt, und seinen Charakter. In: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste, 12. Bd., 2. St., 1771, S. 185–222; Anm. d. H.

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[Leonhard Meister und] Heinrich Pfenninger: Caractères des poëtes les plus distingués de l’Allemagne. Zürich 1789, S. 141f.

Chretien Theotime Gellert. [...] Nous sommes bien loin de chercher a diminuer le merite des productions de cet Auteur [Gellert], comme l’a voulu faire Unzer, mais nous ne pretendons point leur prodiguer des eloges aussi hyperboliques que l’a fait Abbt. Nous croyons cependant pouvoir dire avec lui dans son traité du merite. »Les ecrits dé Gellert se sont introduits peu à peu dans des maisons, où autrefois on ne lisoit point. C’est par des exemples & non pas par des regles qu’il a fait connoitre la bonne poésie, & qu’il fait rejetter la mauvaise. Pour pouvoir juger sainement de l’esprit & du gout d’une nation, il faut en excepter les savants & ceux qui par une education distinguée semblent appartenir indistictement à toutes les Nations instruites, & examiner la classe plus nombreuse des hommes qui n’ayant connu ni les moeurs, ni les usages, ni les sciences des pays etrangers ne peuvent être regardés comme imitateurs.«

Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. Hg. von Karl Heinrich Jördens. 2. Bd. Leipzig 1807, S. 84.

U e b er d e n W e r t h ei n i g e r d eu ts c h e n D i c h ter u n d ü b er a n d er e G e ge n s t ä n d e d e n g es c h m ac k u n d d i e s c h ö n e L i t er a tu r b e tr ef f en d . E i n B r i ef w ec h s el ( v o n M au v i ll o n u n d U n z er ) . E r s t er , z w ei t er T h ei l. Frankfurt und Leipzig 1771. 1772. 8 (18 Gr.) Die Begierde, den Urtheilen des Publikums über einige Dichter, vornehmlich Gellert (den die Verfasser zum armseligsten Reimer heruntersetzen) zu widersprechen, riß sie zu Uebertreibungen und einseitigen Deklamationen hin. Ihre kecken und schiefen Wäschereien wurden aber vom ganzen lesenden Publikum verlacht und verachtet. Dieß hindert übrigens nicht zu sagen, daß mitunter auch manches Wahre und Richtige in diesen Briefen über G e ll er ts S c h r i f te n vorkommt, das wohl beherzigt zu werden verdient.

Theodor Heinsius: Teut oder theoretisch-praktisches Lehrbuch der gesammten Deutschen Sprachwissenschaft. Vierter Theil, 2. Abt. Berlin 1811, S. 120f. Anm. [...]* = 2. verb. und verm. Aufl. Berlin 1818, S. 400.

Der Schriften über G el le r t s Leben und schriftstellerischen Charakter gibt es überaus viel. Sein Leben ist am besten beschrieben in dem letzten Theil der sämmtlichen Schriften von J o h . A n d r . C r am e r , Leipzig 1774, und in C h r i s t . H ei n r . S c h m i d t s N ek r o l o g, Bd. 2, wo auch ein Verzeichniß von 44 Schriften aufgeführt ist, die G el le r t s T o d veranlaßt hat. Die beste Würdigung seines schriftstelleri-

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schen Charakters findet man von G a r v e , in der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften Bd. 12 St. 2 S. 185 bis 222. So wie G e ll er t in der Schrift: Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter, 2 Th. Frankfurt und Leipzig 1771 und 72 (von U n z er ) auf eine verächtliche Weise zum armseligsten Reimer herabgewürdigt ist, so hat ihn A b t in seiner Schrift vom Verdienst übermäßig erhoben. [Die Wahrheit liegt in der Mitte.]*

Karl Georg Wilhelm Schiller: Braunschweigs schöne Literatur in den Jahren 1745 bis 1800, die Epoche des Morgenrothes der deutschen schönen Literatur. Wolfenbüttel 1845, S. 132 und S. 134–136.

Im J. 1785 ward auch M au v i ll o n nach Braunschweig berufen, ein unruhiger Geist, der schon in den sechziger und siebenziger Jahren in die Literaturbewegung Deutschlands kräftig eingegriffen hatte, und hier von um so größerem Interesse ist; weil er ein Zögling des braunschweiger Collegiums war. M au v i ll o n ’s Einfluß ist aus verschiedenen Gesichtspunkten interessant, da er sich als ungebundener Freigeist, als Propagandist republikanischer Ideen, als Vertreter der italienischen Literatur in Deutschland, als Blutsverwandter der Kraftgenies aus der Sturm- und Drangperiode im Fache der literarhistorischen Kritik, als Lehrer der Kriegswissenschaften, als Geschichtsforscher und als sarkastischer Kopf bekannt gemacht hat. [...] Schon von Ilefeld aus schloß sich jene ominöse Verbindung mit den Gebrüdern U n z er in Wernigerode, die in ihrer Vorliebe für die italienische Literatur und in freigeisterischer Richtung vollste Sympathie bei ihm [Mauvillon] fanden. Nachdem bereits die »Paradoxes litteraires« (à Amsterd. 1768) erschienen waren, gab er mit L u d w . A u g . U n z er , dem jüngern der beiden Brüder, jene famösen Briefe »Ueber den Werth einiger teutschen Dichter, und über andere Gegenstände, den Geschmack und die schöne Literatur betreffend,« (Lemgo 1771–1772. 2 St.) heraus. Hier übten die beiden starken Geister als wahre Höllenrichter ihr Amt, so daß sich die ganze gebildete Welt bekreuzigte vor einer mit so wenig Pietät vorgenommenen Berüttelung aller literarischen Größen. Daß sie die Franzosen über den Haufen warfen, hätte man ihnen noch verziehen; aber sie griffen auch die Engländer an, besonders den ungehobelten S h a k e s p ea r e , und den weinerlichen Schwächling Y o u n g , an deren Stelle sie den kräftigen A r i o s t setzten, wodurch auch M au v i ll o n ’s würdiger Lehrer E b er t indirect einen tüchtigen Schlag erhielt. Mit den Moralisten und Didaktikern verwiesen sie auch alle Satiriker vom Parnasse, erkannten das religiöse Element für ein der Poesie ungünstiges an, und ließen außer einem K lo p s to c k , W i e l an d , R am l er , G e ßn er , G lei m , eben niemandem besondere Gnade wiederfahren. Der entnervende Stümper G e ll er t bekam sein Theil so gut, wie der fade Ra b e n er und der phantasielose L es s i n g, und alles wurde gestriegelt, was nur gute und schöne, nicht aber starke Menschenkinder, oder wie es hieß »Catone,« erzielen wollte. Kurz, diese Briefe, welche Wahres und Falsches in leidenschaftlicher Hast durch einander wühlten, welche in taktloser Ungerechtig-

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keit alles auf die Spitze trieben, und wo sie Schwierigkeiten fanden, das Kind gleich mit dem Bade ausschütteten, hatten wenigstens aus höherem Gesichtspunkte betrachtet das Gute, daß sie der damals grassirenden sentimentalen Weinerlichkeit einen heilsamen Stoß versetzten, und daß sie, wenn auch nicht durch Anregung, wozu es ihren Verfassern selbst an Schöpferkraft und harmonischer Ausbildung fehlte, doch wenigstens durch Aufregung wohlthätig einwirkten.

Georg Gottfried Gervinus: Geschichte der Deutschen Dichtung. 5. Bd. 4. verb. Ausgabe. Leipzig 1853 [EA 1842], S. 8–10.

Als man die Franzosen und mit ihnen im Grunde auch die Lateiner abwarf, wies man in dem königsberger Kreise (Hamann und Herder) auf die orientalische Poesie, als den Mittelpunkt aller ursprünglichen Volksdichtung, in dem göthischen auf die Engländer, in dem göttingischen auf die Griechen; auf die Italiener und Südländer überhaupt fielen eine Reihe von Dichtern und Literaten in dem mitteldeutschen Striche von Franken, Thüringen und dem Harz. Unter diesen war Meinhard aus Erlangen [...], der Früheste; seine Versuche über die Werke der besten italienischen Dichter erschienen 1763. Sein Vorgang wirkte besonders lebhaft auf J ak o b M au v i ll o n (aus Leipzig 1743–94), jenen Kriegsmann und Literaten, der, in Ilfeld, Kassel und Braunschweig lebend, eine Zeit lang eine mehr heimliche, als öffentliche oder laute Wirkung in unserer Schriftstellerwelt ausübte. Sein übersetzter Roland (1771 [sic!]) war schon ein Vorläufer für Heinse; weit wichtiger aber waren die Briefe über den Werth einiger deutscher Dichter (1771. 1–2), die er mit L . A . U n z er aus Wernigerode schrieb, und die in Nachahmung Herder’s und Gerstenberg’s eine ganz aufrührerische Richtung nahmen. Unzer war aus einer jener harzischen Familien, in denen, wie in Clamer Schmidt’s Verwandtschaft, die Poesie zu Hause war: sein Oheim Johann August, Arzt in Altona, war Dichter, und seine Gattin (geb. Ziegler) war eine bekannte und gekrönte Dichterin; sein Vater dichtete und pflegte seinen Kindern des Abends Gleim’s und der Karschin Sachen vorzulesen; von seinem ältern Bruder Johann Christoph (1747–1800)23 sind zwei Bände hinterlassene Schriften, z. Th. Poesien ohne allen Werth, gedruckt. Mit beiden Brüdern, und besonders mit Ludwig August, der frühe wegstarb, war Mauvillon bekannt. Beide Freunde hatten an den Italienern ihr Ohr gebildet und wandten sich eifrig weg von den ungehobelten Dichtern des alten Schlags in Deutschland; sie waren von den Franzosen so wenig erbaut wie Lessing, aber auch wenig von den Engländern; sie wollten an diesen werden, was Lessing an jenen; sie fanden an Shakespeare auszusetzen, und griffen Young heftig an, bei dem die Religion den Menschen nichts als Thränen

|| 23 Korrekt: 1747–1809; Anm. d. Hg.

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lehre; sie bedauerten, daß Meinhard nicht 20 Jahre früher aufgestanden wäre und so vielleicht den englischen Geschmack von uns abgehalten hätte. Ihr Abgott unter den Dichtern war Ariost. Aus diesem italienischen Standpunkte sind jene Briefe sämmtlich geschrieben, und sie sind um so rücksichtsloser, als die beiden Verfasser die entschiedensten Starkgeister waren. Sie verwarfen aufs bestimmteste allen moralischen Maßstab bei Beurtheilung eines Dichterwerkes; die Dichtung soll n u r belustigen, indem sie unsere Ideen erweitert, unsere Leidenschaften erregt, unsere Gefühle nährt, unsern Geschmack bildet. Alle Lehrdichter und sogar den Satiriker lassen sie nicht als Poeten gelten, wie Horaz: neque si quis scribat uti nos sermoni propiora, putes hunc esse poetam.24 Sie neigen sich schon zu dem phantasievolleren Glauben der Südländer von ästhetischer Seite, da sie religiöserseits gleichgültig und sogar Erzfeinde des Christenthums waren: sie wollten, daß Denis geistliche Lieder schreibe, da die protestantischen Lehrbegriffe für den Dichter nicht die günstigsten seien; und Unzer selbst versuchte sich an dergleichen. »Erschrecken Sie nicht, schrieb er darüber an Mauvillon, es geht Alles mit natürlichen Dingen zu: der Geist der Salbung, der auf mir ruht, ist nur ei n k l ei n es G es c h ö p f d e r E i n b i ld u n gs k r af t«. Unter den deutschen Dichtern räumen sie in ihrer bittern Kritik ganz in dem Sinne des neuen Geschlechtes auf: außer Klopstock, Wieland, Ramler, Geßner, Gleim erkennen sie Niemanden an, nicht einmal Lessing. An zwei Hauptpunkten lernt man ihre starkgeistigen Ansichten am schärfsten kennen, an ihrem Urtheil über Gellert und die erotischen Dichter. Das erste ist so scharf, daß es selbst Göthe’n und Gleim eine Lästerung schien, und nicht allein den Landpastorentöchtern, oder den leipziger Kunstrichtern, deren engherzige Moral zu verspotten auch Heinse sein Jugendwerk so pikant anlegte. Gellert ist ihnen ein durchaus mittelmäßiger Schriftsteller ohne einen Funken von Genie; wie alle Stümper habe er sich in allen Gattungen gleich stark gefühlt und getrost geschrieben. Mit lächerlicher steifer Affektation strebe er nach Witz und Artigkeit, seine Briefe seien Muster von Abgeschmacktheit, seine Lustspiele unter aller Kritik, seine Fabeln gereimtes Geschwätz, seine Erzählungen keine Puffbohne werth. In Leipzig habe er als der unfehlbarste Pabst des Parnasses gegolten, allein Obersachsen sei eben die Provinz, die am reichsten an schwachen Seelen, am ärmsten an freidenkenden Köpfen sei; die Empfindung des Kleinen und Weichlichen sei da zu Hause, hier würden Rabener und Gellert am längsten angebetet werden; sie aber freuen sich, diese Abgötter der Nation zu stürzen, und setzen Gellert die Grabschrift: lusisti satis, tempus abire tibi est. Nicht genug, daß sie seine Poesie angriffen, sie verdächtigten auch seine Moral. Er preise die Temperaments- und Erziehungstugend, deren Schwäche bekannt sei. Die Folgen seien, daß jeder Geck von gutem Herzen und sanften Empfindungen rede, daß es als der Gipfel menschlicher Tugend angesehen werde, eine mitleidige Thräne zu wei-

|| 24 Dt.: und meine nicht, wer nah der gewöhnlichen Sprache schreibt, wie ich, deswegen ein Dichter sei (Horaz, Satiren I, 4, 41f.); Anm. d. Hg.

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nen. Alles sei nun voll von diesen wimmernden Seelen, diesen zärtlichen Freunden, diesen herzbrechend verliebten Mädchen. Bei dieser Tugend laufe Alles auf Worte hinaus, nicht auf Rath und That; wenn das Vaterland Beschützer brauche, so werde man Gellert’s Schule nicht aufbieten; der Staat sei unglücklich, der lauter Gellerts enthielte, tausendmal glücklicher mit lauter Catonen. Gellert bilde die Menschen zu einem hohen Grade von weibischer Kleingeisterei; und gegen diese gerade lehnen sich diese männischen Starkgeister auf. Voll bitterer Satire auf das ganze deutsche Wesen sind daher ihre Bemerkungen da, wo sie die guten Seiten der Liebesdichter hervorheben. Schon bei Gellert machen sie in gutem Ernste die treffliche Bemerkung, daß seine Moral die wohlthätigen Folgen gehabt, die Zahl der rohen barbarischen Menschen zu schmälern, die vorher die deutsche Nation den gesitteten Nachbarn fürchterlich gemacht. Sarkastischer aber werden sie bei den erotischen Dichtern, die uns nur Menschen von wollüstiger Gesinnung bildeten, fühlbare Seelen, die den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, keinem Menschen Leids thun, ihrem Nächsten helfen, so gut es ohne Unbequemlichkeit angeht, die sich übrigens die Zeit so wohl vertreiben, wie sie können. Die Dichter, die diese Gefühle rege machten, stifteten heutzutage größern Nutzen, als die, welche Grundsätze lehren und feste, strenge Charaktere bilden. Sie machten die Menschen schwach, aber gut, begierig nach Vergnügen, ungeneigt nach Großem zu trachten. Bei unseren Regierungsformen aber brauche man nothwendiger gute, als starke Seelen. Was diese letzteren nur für Wenige in höherem Grade thun, thun jene für Viele in geringerem; was jene kalt aus Pflichtgefühl, das thun diese warm aus Instinkt und gutem Herzen. Große Thaten lassen sich jetzt nicht mehr thun, bei unseren Gesinnungen müssen lauter kleine Seelen sein; was sie weich und schwach macht, macht sie auch gut, und wären solche kleine Seelen ehrgeizig, so würden sie boshaft und tückisch. Dennoch will der Kritiker, der diesen Brief schreibt (Mauvillon), seine Freunde nicht aus diesen Schwachen wählen; eine Gesellschaft starker Menschen scheint ihm doch besser; und am besten die Klasse von Menschen, die aus Grundsätzen und Empfindungen zugleich handeln, und die für starke und weiche Poesie gleich empfänglich sind.

Julian Schmidt: Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland von Leibnitz bis auf Lessing’s Tod 1681–1781. 2. Bd.: Von Klopstock bis auf Lessing’s Tod 1750–1781. Leipzig 1864, S. 484–487.

Während hier die alte Schule sich zusammenraffte, hatte die neue (Mitte 1771) ein wahrhaft revolutionäres Manifest erlassen: Briefe über den Werth einiger Dichter und andere Gegenstände, den Geschmack an der schönen Literatur betreffend. Die

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gemeinsamen Verfasser waren M au v i l lo n , 25 ein wilder Freigeist in religiösen, politischen und sittlichen Dingen, Atheist, Republikaner, Misanthrop und Lebensverächter, daneben mit einem gelinden Anflug von Mystik ausgestattet; später an der Spitze einer förmlichen Sekte von Freigeistern; und L . A . U n z er ; 26 sie hatten sich 1766 in Ilfeld kennen gelernt und lebten seitdem in enger Freundschaft. – In diesen Briefen, auf die H er d er mit seinen Freunden gar keinen Einfluß geübt, war der bisherige Geschmack völlig über den Haufen geworfen. – Zunächst wurde G e ller t in seinen sämmtlichen poetischen Versuchen als armseliger Stümper dargestellt: aber auch als moralischer Schriftsteller wurde er weit über Gebühr gepriesen. Seine moralischen Vorlesungen seien, wie seine geistlichen Lieder, zwar gut für Leute ohne wissenschaftliche Bildung; der denkenden Welt zeigen sie nur die Spuren eines seichten Kopfs. Ueberall finde man das Lob des guten Herzens, d. h. der Temperaments-, Erziehungs- und Vorurtheilstugend. Die Folge sei, daß jeder Geck von gutem Herzen und sanften Empfindungen rede, daß es als der Gipfel menschlicher Tugend angesehen werde, eine mitleidige Thräne zu weinen. Alles sei voll von diesen wimmernden Seelen, diesen zärtlichen Freunden, diesen herzbrechend verliebten Mädchen. Die Tugend laufe auf Worte aus, und in süßlicher Empfindsamkeit gehe alle Männlichkeit und tapfere Gesinnung verloren: wenn das Vaterland in Gefahr komme, werde es ohne Vertheidiger sein. – Es macht Ma u v i ll o n Ehre, daß er die innere Verwandtschaft der leichtfertigen Anakreontiker mit den wimmernden Moralisten herausfühlte. »Zu d er Tugend freilich, die auf festen Ueberzeugungen beruht, zu der Tugend der großen und starken Seelen tragen die Dichter des Weins und der Liebe so wenig bei, daß sie vielmehr fähig werden, dieselbe auszurotten. Diejenige Tugend aber, die in der Empfänglichkeit des Herzens für Rührungen besteht, die sympathetische Tugend, die das Vergnügen und die Bequemlichkeit Anderer zum Zweck hat, diese befördern sie. Wenn sie einen Einfluß auf die Denkart ihrer Leser ausüben, so bilden sie fühlbare Seelen, die den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, keinem Menschen Leides thun, im Gegentheil ihrem Nächsten helfen, so viel sich’s ohne Unbequemlichkeit thun läßt, und sich übrigens die Zeit in || 25 Geb. 1743 zu Leipzig, seit 1756 im braunschweiger Carolinum; tritt als Ingenieur in hannoversche Dienste, verläßt dieselben 1763 und studirt zu Leipzig die Rechte; giebt das Studium plötzlich auf und wird 1766 Collaborator in Ilfeld; später Ingenieur und Hauptmann am Cadettencorps in Cassel; 1785 Major und Lehrer am Carolinum in Braunschweig; † 1794. 26 Geb. zu Wernigerode 22. Nov. 1748, † als Candidat der Theologie bereits 14. Jan. 1775 [korrekt: 1774; Anm. d. Hg.]. Er gehörte einer gesegneten literarischen Familie an. Sein Oheim J. A. U n z e r , geb. zu Halle 29. April 1727, 1747 Arzt am Waisenhaus daselbst, 1750 in Hamburg, † 1799, hatte u. a »Gedanken vom Einfluß der Seele auf den Leib« zur Vertheidigung der Stahl’schen Theorie geschrieben. Dessen Frau, Charlotte geb. Z i e g l e r (gleichfalls aus Halle, geb. 1724), war wegen ihrer »Versuche in Scherzgedichten« (1751) von der Universität Helmstädt 1753 (ein Jahr nach Schönaich) zur Dichterin gekrönt, und war in Deutschland sehr berühmt. Die übrigens brave und solide Frau lärmte in diesen Gedichten wie ein Alter von Wein und Küssen. – Noch andere Verwandte hatten Gedichte drucken lassen.

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der Welt so gut vertreiben, als sie können. Sie machen die Menschen begierig nach Vergnügen, ungeneigt nach Großem zu trachten. Solche kleine Seelen braucht man bei unsern Regierungsformen: was sie weich und schwach macht, macht sie auch gut; wären sie ehrgeizig, so würden sie boshaft und tückisch. – Uebrigens ist es sonderbar, daß unsre Anakreonten, statt die Nation zur Freude zu verführen, sie durch Anatheme dazu verpflichten wollen.« Im Urtheil waren die Briefsteller doch ziemlich willkürlich. In die erste Classe der Dichter zählten sie Klopstock, Ramler, Geßner, Wieland (auch diesen nur wegen Musarion), Gleim; in die zweite Uz, Gerstenberg, die Karschin, Denis, allenfalls Bodmer, Kleist und Lichtwer; von L es s i n g dagegen, »ohne Zweifel dem größten und vollkommensten Prosaiker in Deutschland«, heißt es: »er habe zwar gezeigt, zu welchem Grade der Vollkommenheit man es mit Fleiß, Studium und Uebung zu bringen vermöchte, ohne eben ein großes Genie zu haben; aber als Dichter könne er nicht einmal Anspruch auf eine Stelle in der zweiten Classe machen.« Nicht einmal neben Bodmer und Denis! – Daß von Haller nur Doris und Marianne stehen blieb, ließ sich eher hören. – Rabener wurde ganz verworfen, statt dessen Liscow in den Vordergrund gestellt, Obersachsen wurde als das Land der kleinen Seelen bezeichnet, das allem freien Denken feind sei. Ganz modern ist die Lehre, die Kunst müsse vom stofflichen Eindruck unabhängig sein. »Es versteht sich, daß mir des Dichters schöpferischer Geist lauter Dinge vorstellen muß, die mich interessiren. Kann er aus einem dem Scheine nach unbequemen Dinge etwas machen, das mich interessirt: Heil ihm! Ich bewundere ihn desto mehr. Aber auch das ist schon hinreichend, ihn in meinen Augen zum großen Dichter zu machen, wenn er nur weiß Gegenstände zu wählen, welche wichtig sind, und das Wichtige, das darin liegt, es besteht im Großen oder Reizenden, herauszuholen, um mir’s zu zeigen. Dies ist die Haupteigenschaft aller Dichter und der Maßstab, nach dem ich sie abmesse. – Den Lehrdichter, wenn er nicht alle seine Sätze durch Gemälde, und zwar dichterisch bearbeitete Gemälde, durch den ganzen Schmuck der Einbildungskraft weiß sinnlich zu machen, streiche ich gänzlich aus der Zahl der Dichter weg. – Wer nur die interessirendste Erfindungskraft besitzt, das ist der Dichter, den ich in die erste Classe setze. Er dichte mir von Hirten oder Göttern, von Schlachten oder von Liebesgeschichten, er drücke die Begebenheiten und Empfindungen Anderer oder seine eignen aus; kurz, wenn er mich nur interessirt, so ist er mein Dichter und ich liebe ihn.« G o e t h e trat in den Frkf. Gel. Anz. den Ansichten des »Briefwechsels«, namentlich in Bezug auf Gellert, im Wesentlichen bei. Freilich »ist es eine undankbare Arbeit, Ketzer zu retten, wie es die Verfasser in Ansehung der allgemeinen Orthodoxie des Geschmacks sind. An Gellert, die Tugend und die Religion glauben, ist unserm Publikum beinahe eins. Die sogenannten Freigeister in Sachen des Genies, worunter leider alle unsre jetzt lebenden großen Dichter und Kunstrichter gehören, hegen eben die Grundsätze dieser Briefsteller, nur sind sie so klug, um der lieben Ruhe willen eine esoterische Lehre daraus zu bilden.« Wenn er also aus Klugheitsgründen

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den heftigen Ton des Briefwechsels mißbilligt, so erkennt er doch in ihm »ein nützliches Ferment, um das erzeugen zu helfen, was wir dann deutschen Geschmack, deutsches Gefühl nennen würden.«

| 4 Anhang

Zeittafel 8. März 1743

Jakob Mauvillon wird in Leipzig als Sohn des hugenottischen Schriftstellers, Übersetzers und kurfürstlichen Privatsekretärs Eléazar Mauvillon (geb. am 15. Juni 1712) und seiner Frau Marie geb. Marie Bonne le Jeune von Montant geboren; Besuch der Thomasschule in Leipzig (u. a. Unterricht bei dem evangelischen Theologen Johann August Ernesti)

1758

Umzug der Familie nach Braunschweig, wo sein Vater eine Anstellung als Französischlehrer erhält; Besuch des Collegium Carolinum (immatrikuliert am 7. September 1758); seine wichtigsten Lehrer sind Johann Arnold Ebert und Karl Christian Gärtner

1760

Eintritt in die Kurhannoverische Armee; nach zwei Jahren Beförderung zum Kondukteur

10. Juni 1763

Tod der Mutter

1764

Mitarbeit am Dictionnaire raisonne francois et allemand contenant toutes les expressions du bel usage

1765

Fähnrich im Ingenieurkorps; nach Teilnahme an drei Schlachten des Siebenjährigen Krieges Entlassung aus dem aktiven Militärdienst auf eigenen Wunsch; der Versuch einer Übersetzung der Briefe der Marquisin von Sevigne erscheint

25. Mai 1765

Mauvillon schreibt sich an der Universität Leipzig unter dem Rektorat des Prof. Anton Wilhelm Plaz ein, um Jura zu studieren

25. Juni 1766

Mauvillon verlässt Leipzig und wird Lehrer für Französisch und Italienisch am Pädagogium in Ilfeld, wo er Unzers älteren Bruder Johann Christoph unterrichtet; Freundschaftliche Erinnerung an die Kochische Schauspielergesellschaft in Leipzig erscheint in Hamburg

1767/68

erste Besuche bei der Familie Unzer in Wernigerode

1768

die Paradoxes moraux et littéraires erscheinen in Amsterdam

https://doi.org/10.1515/9783110793642-005

360 | Zeittafel

Sept. 1771

das erste Stück der ›Dichterbriefe‹ erscheint in Lemgo; Mauvillon begründet auf Betreiben des Lemgoer Verlegers Christian Friedrich Helwing (1725–1800) zusammen mit Karl Renatus Hausen (1740–1805) die Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur (20 Bde., 1772–1781), für die er bis 1778 etwa 150 Rezensionen schreibt

Okt. 1771

Berufung zum Professor für Kriegsbaukunst am Collegium Carolinum in Kassel (auf Empfehlung von Rudolf Erich Raspe); freundschaftliche Beziehungen zu Christian Konrad Wilhelm Dohm (1751–1820)

Jan.–Juni 1772

Mauvillon gibt zusammen mit Raspe den Casseler Zuschauer heraus; das zweite Stück der ›Dichterbriefe‹ erscheint zur Ostermesse

1773

die Méditations sur la nature humaine sollen in Amsterdam erscheinen, wozu es aber nicht kommt

13. Juni 1773

Heirat mit Marie Luise Scipio (getauft am 7. August 1750, gest. am 23. September 1828) aus Arolsen

30. April 1774

Geburt des Sohnes Friedrich Wilhelm Mauvillon, der später ebenfalls eine militärische und publizistische Karriere ergreift (gest. am 29. Juni 1851); neben seiner Professur am Carolinum erhält er eine Stelle als Ingenieur für Wege- und Brückenbau

1774

Mauvillon betätigt sich als Übersetzer des Raynal’schen Monumentalwerkes Philosophische und politische Geschichte der Besitzungen und des Handels der Europäer in beyden Indien (7 Bde, 1774–1778) sowie von Turgots Untersuchung über die Natur und den Ursprung der Reichthümer (1775); das Examen des motifs à la vertu, tirés du principe de l’amour propre erscheint mit langen Anmerkungen von Mauvillon in Amsterdam

1775

Mitglied der Kasseler Freimaurer-Loge »Zum gekrönten Löwen«

März 1776

die Tochter Aspasie Justine Christiane Friederike, getauft am 27. März 1776, stirbt jung; ebenso eine zweite Tochter gleichen Namens, getauft am 23. Oktober 1778 (gestorben vor 1794)

Zeittafel | 361

April 1776

Reise nach Göttingen, wo er am 17. April in die dortige Loge »Zum goldenen Zirkel« aufgenommen wird

1776

die Sammlung von Aufsätzen über Gegenstände aus der Staatskunst, Staatswirthschaft und neuesten Staatengeschichte erscheint in 2 Bdn., Mauvillon verfasst außerdem die Streitschrift Vom Patriotismus der Deutschen, in der er für das Philanthropin des Reformpädagogen Johann Bernhard Basedow (1724–1790) wirbt, sie erscheint 1777 anonym in Leipzig

1777/78

Übersetzung von Ariosts Orlando Furioso; Mauvillon veröffentlicht religionskritische und philosophische Aufsätze im Deutschen Museum (»Vom Genius des Sokrates« und »Ueber das Ich«), denen später militärwissenschaftliche Abhandlungen folgen

1778

Karl Friedrich Bahrdt (1740–1792) sucht Mauvillon als Mitarbeiter am 1777 neu gegründeten Philanthropin in Heidesheim zu gewinnen, was Mauvillon jedoch ausschlägt; währenddessen wird er in Kassel zum Hauptmann des Kadettenkorps ernannt und scheidet aus der Redaktion der Auserlesenen Bibliothek aus

30. Nov. 1778

Mauvillon trifft sich im Hause Dohms mit Georg Forster (1754– 1794), der ihnen von seiner Weltumsegelung als wissenschaftlicher Begleiter Captain Cooks berichtet

26. April 1779

Tod des Vaters Eléazar Mauvillon

1779–1793

Mitglied der Loge »Friedrich von der Freundschaft«, deren Redner er 1782 wird

1780

Mauvillon wird in die Gesellschaft der Altertumsforscher in Kassel aufgenommen; die Physiokratischen Briefe an Herrn Prof. Dohm erscheinen

März 1781

Mauvillon wird Novize des Illuminatenordens, bereits im Mai Minerval und im Juni 1781 Illuminatus Minor; er bleibt bis mindestens 1787 unter dem Ordensnamen Arcesilaus aktiv

28. Mai 1781

Geburt und Taufe (4. Juni) der Zwillinge Friedrich Wilhelm Ludwig Decimus, später Offizier in holländischen Diensten (gest. im Dezember 1801 in Naarden, NL), und Wilhelmine Catherina Frie-

362 | Zeittafel

dericke Christiane, genannt »Minna« (gest. am 7. September 1862) August 1782

Mauvillon begibt sich nach Potsdam, sein Gesuch um eine Anstellung im preußischen Heer wird jedoch von Friedrich II. abgewiesen

1783

Mauvillons Einleitung in die sämtlichen militärischen Wissenschaften erscheint; Freundschaft mit Rudolf Wilhelm von Kaltenborn; von Friedrich Nicolai erhält er das Angebot, für die Allgemeine deutsche Bibliothek zu rezensieren, welches er annimmt

6. Nov. 1784

Gründung der Loge »Zum Tempel der wahren Eintracht« in Kassel, bei der Mauvillon eine Einweihungsrede hält

21. Nov. 1784

Ernennung zum Major im Ingenieurkorps und Berufung zum Professor für Kriegswissenschaft und Kriegsbaukunst am Collegium Carolinum in Braunschweig

2. Febr. 1785

Eintritt in braunschweigische Dienste unter Herzog Karl Wilhelm Ferdinand

1785

die Dramatischen Sprüchwörter erscheinen und werden von Adolph von Knigge (1752–1796) in der Allgemeinen deutschen Bibliothek verrissen

Frühjahr 1786

Graf Mirabeau (1749–1791) reist von Berlin zurück nach Paris und trifft Mauvillon in Braunschweig, um mit ihm den Plan eines gemeinschaftlichen Werkes über den Preußischen Staat zu besprechen

1787

Mauvillons religionsphilosophisches Hauptwerk Das einzige wahre System der christlichen Religion erscheint in Berlin, ebenso seine Aufklärung über wichtige Gegenstände in der Freymaurerey

Juni 1787

Mirabeau besucht Mauvillon für mehrere Monate und erneut im Dezember 1787

18. Juni 1790

Beförderung zum Obristlieutenant

Zeittafel | 363

1790

in dem Pamphlet Doctor Bahrdt mit der eisernen Stirn wird die norddeutsche Aufklärungsbewegung denunziert und Mauvillon persönlich angegriffen; er vermutet fälschlich den Arzt und Gegner der Aufklärung Johann Georg Zimmermann (1728–1795) als Verfasser, tatsächlich stammt die Schrift aber von August Friedrich Ferdinand von Kotzebue (1761–1819)

19. Jan. 1791

Verhör von Mauvillon zur mutmaßlichen Verfasserschaft von Doctor Bahrdt mit der eisernen Stirn; am 22. Februar folgt dazu die schriftliche Aussage Mauvillons und am 21. März eine Verfügung des Braunschweigischen Kriegsgerichts gegen Mauvillon nach dem Eid Zimmermanns, er sei nicht der Autor der Schrift

März 1791

Des Herzoglich Braunschweigischen Ingenieur-Obristlieutenants Mauvillon gerichtliche Verhöre und Aussagen erscheinen in Braunschweig, ebenso die Schrift Mann und Weib nach ihren gegenseitigen Verhältnissen geschildert

1793

der erste von vier Bänden Von der Preußischen Monarchie unter Friedrich dem Großen erscheint, die anderen drei Bände folgen bis 1795

Sommer 1793

Beurlaubung vom Dienst, Reise zum Verleger Dyk nach Leipzig und weiter nach Hamburg, wo Mauvillon sich eine Erkältung zuzieht, von der er sich nie wieder ganz erholt

11. Jan. 1794

Mauvillon stirbt in Braunschweig

1794

die Geschichte Ferdinands, Herzogs von Braunschweig-Lüneburg (2 Bde.) erscheint posthum

1801

Mauvillons Briefwechsel wird von seinem Sohn Friedrich Wilhelm herausgegeben

364 | Zeittafel

22. Nov. 1748

Ludwig August Unzer wird in Wernigerode als zweiter Sohn des Arztes Johann Christoph Unzer (1714–1773) geboren

27. Feb. 1751

Tod der Mutter, Charlotte Eleonore, geb. Bierbrauer; der Vater heiratet am 4. Januar 1752 deren Schwester Sophie Charlotte (1714–1795), fünf Kinder kommen in die zweite Ehe

1762–1767

Besuch des Lyceums in Wernigerode; erste Bekanntschaft mit Jakob Mauvillon

Frühjahr 1768

längere Gespräche mit Mauvillon über literarische und philosophische Themen in Wernigerode, Ende April besucht Unzer Gleim in Halberstadt vor seiner Abreise nach Halle

5. Mai 1768

Eintrag in die Matrikel der Universität Halle; Studium der Rechte (ab Ostern 1769 Gräfl. Stolberg-Wernigerod. Stipendiat)

1769/1770

Bekanntschaft mit Heinrich Friedrich Diez (1751–1817), Klamer Eberhard Karl Schmidt (1746–1824) und Heinrich August Ottokar Reichard (1751–1828); Kontakt zum Halberstädter Dichterkreis, der jedoch nach dem Erscheinen der ›Dichterbriefe‹ abbricht

Frühjahr 1771

nach einem dreijährigen Studium Rückkehr nach Wernigerode

Sept. 1771

Hofmeisterstelle in Zorge beim Hüttenfaktor Claus (bis Frühjahr 1772); das erste Stück der ›Dichterbriefe‹ erscheint in Lemgo

30. Nov. 1771

erstes Treffen mit dem Dichter Friedrich Günther Goeckingk (1748–1828), der mit Unzer zwei Wochen zuvor einen Briefwechsel begonnen hatte

ab 1772

Publikationen in verschiedenen Zeitschriften (Hannoverisches Magazin, Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen); Rezensionen für die Neue Braunschweigische Zeitung und die Leipziger Neuen Zeitungen für gelehrte Sachen

Frühjahr 1772

das zweite Stück der ›Dichterbriefe‹ erscheint, ebenso die Devisen auf deutsche Gelehrte, Dichter und Künstler; im Sommer wird Unzer Hofmeister im Hause des königl. Regierungspräsidenten von Cornberg in Halberstadt

Zeittafel | 365

Juni 1772

Unzers lyrisches Debüt Versuche in kleinen Gedichten kommt in Halberstadt heraus; er wird Mitarbeiter an der Auserlesenen Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur und verfasst für diese neben Rezensionen einen längeren Beitrag »Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum« sowie »Noten zur Geschichte der deutschen Dichtkunst« (1773); krankheitsbedingter Aufenthalt in Wernigerode

Herbst 1772

die ›chinesische Nänie‹ Vou-ti bey Tsin-nas Grabe erscheint (dann auch leicht modifiziert im Göttinger Musenalmanach von 1773); auch die Naivetaeten und Einfaelle gehen in Druck (vordatiert auf 1773); der Plan, mit Goeckingk ein »Magazin der Musen« (von Unzer »Museologie« genannt) herauszugeben, scheitert an den Konditionen des Lemgoer Verlegers Helwing; Überlegungen zu einer »Bibliothek der Freigeister«; Arbeiten an einer Erzählung »Sinder«, die allerdings nie veröffentlicht wird

6. März 1773

Tod des Vaters; Zehn geistliche Gesänge erscheinen in Göttingen zur Ostermesse ebenso die Neuen Naivetaeten und Einfaelle

Frühjahr 1773

Unzer nimmt Kontakt zum Grafen Woldemar Herrmann von Schmettau (1719–1785) in Plön auf

Mai 1773

Unzer durchlebt acht ›philosophische Tage‹ mit Diez in Halberstadt und arbeitet mit ihm an der Herausgabe eines philosophischen Briefwechsels, der hauptsächlich die christliche Religion betrifft, aber verloren geht

Sommer 1773

zunehmende gesundheitliche Probleme

Herbst 1773

die Abhandlung Ueber die chinesischen Gärten erscheint; Unzer gibt anonym die Vermächtnisse für Zweifler heraus

19. Dez. 1773

Diez besucht Unzer ein letztes Mal und erhält dessen gesamten Briefwechsel

13. Jan. 1774

Unzer stirbt in Ilsenburg bei Wernigerode an der Schwindsucht

Ostern 1774

posthum erscheinen in Hannover die Nachrichten von den ältern erotischen Dichtern der Italiener

Siglenverzeichnis AA

Kantʼs gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften. Berlin 1900ff. (AA Band, Seitenzahl)

CPH

Christian August Crusius: Die philosophischen Hauptwerke. 4 Bde. Hg. von Sonia Carboncini und Reinhard Finster. Hildesheim 1964‒1987. (CPH Band, Seitenzahl)

FA

Johann Wolfgang von Goethe: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. Frankfurter Ausgabe. 40 Bde. Hg. von Hendrik Birus u. a. Frankfurt a. M. 1989‒2013. (FA Band, Seitenzahl)

G

Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. 7 Bde. Hg. von Carl Immanuel Gerhardt. Berlin 1875‒1890 [ND Hildesheim 1961]. (G Band, Seitenzahl)

GGS

Christian Fürchtegott Gellert: Gesammelte Schriften. Kritische, kommentierte Ausgabe. Hg. von Bernd Witte. 7 Bde. Berlin, New York 1988‒2008. (GGS Band, Seitenzahl)

GGW

Christian Garve: Gesammelte Werke. 17 in 19 Bden. Hg. von Kurt Wölfel. Hildesheim, Zürich, New York 1985–2000. (GGW Band, Seitenzahl)

HT

David Hume: A Treatise of Human Nature. Ed. by David Fate Norton and Mary J. Norton. Oxford University Press 2000.

HW

Johann Gottfried Herder: Werke. 3 Bde. Hg. von Wolfgang Proß. Darmstadt 1984– 2002. (HW Band, Seitenzahl)

JBW

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel – Nachlaß – Dokumente. Hg. von Walter Jaeschke und Birgit Sandkaulen. Stuttgart 1981ff. (JBW Band, Seitenzahl)

JWA

Friedrich Heinrich Jacobi: Werke. Gesamtausgabe. Hg. von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke. Hamburg, Stuttgart 1998ff. (JWA Band, Seitenzahl)

LPS

Johann Heinrich Lambert: Philosophische Schriften. 10 Bde. Begonnen von Hans Werner Arndt, fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Hildesheim 1965–2008 sowie 2 Suppl.-Bde. Hildesheim 2020 [Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Neu hg., eingel., komment. und mit Verzeichnissen zu Lamberts Schriften, Briefen und nachgelassenen Manuskripten versehen von Niels W. Bokhove und Armin Emmel]. (LPS, Band, Seitenzahl bzw. LPS Suppl., Band, Seitenzahl).

LW

Gotthold Ephraim Lessing: Werke und Briefe in 12 Bänden. Hg. von Wilfrid Barner u.a. Frankfurt a. M. 1985‒2003. (LW Band, Seitenzahl)

MGS

Moses Mendelssohn: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe. Hg. von Alexander Altmann, Michael Brocke, Eva J. Engel und Daniel Krochmalnik. Stuttgart-Bad Cannstatt 1972ff. (MGS Band, Seitenzahl)

https://doi.org/10.1515/9783110793642-006

368 | Siglenverzeichnis

SSW

Baruch de Spinoza: Sämtliche Werke Lateinisch-deutsch. Hg. von Wolfgang Bartuschat u. a. Hamburg 1982ff. (SSW Band, Seitenzahl)

TAW

Christian Thomasius: Ausgewählte Werke. Nachdruck der Originalausgaben. Hg. von Werner Schneiders und Frank Grunert. Hildesheim, Zürich, New York 1993ff. (TAW Band, Seitenzahl)

WGW

Christian Wolff: Gesammelt Werke. Nachdruck der Originalausgaben. Hg von Jean Ecole u. a. Hildesheim, Zürich, New York 1965ff. (WGW Abteilung, Band, Seitenzahl)

WOA

Christoph Martin Wieland: Werke. (Oßmannstedter Ausgabe.) Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von Klaus Manger und Jan Philipp Reemtsma. Berlin, New York 2008ff. (WOA Band, Seitenzahl)

WP

Werkprofile. Philosophen und Literaten des 17. und 18. Jahrhunderts. Hg. von Frank Grunert, Stefan Klingner, Udo Roth und Gideon Stiening. Berlin, New York 2011ff. (WP Band, Seitenzahl)

Bibliographie Jakob Mauvillon ABL = Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Lemgo. AdB = Allgemeine deutsche Bibliothek. Berlin, Stettin. ALZ = Allgemeine Litteraturzeitung. Jena. NAdB = Neue Allgemeine deutsche Bibliothek. Berlin, Stettin.

1 Monographien [anonym:] Freundschaftliche Erinnerung an die Kochische Schauspielergesellschaft in Leipzig. Hamburg 1766. [anonym:] Paradoxes moraux et littéraires. Amsterdam 1768. [anonym; mit Ludwig August Unzer:] Ueber den Werth einer Deutschen Dichter und ueber andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. 2 Stücke. Frankfurt a. M., Leipzig [Lemgo] 1771/72. [anonym:] Vom Patriotismus der Deutschen. s.l. [Leipzig] 1776. Sammlung von Aufsätzen über Gegenstände aus der Staatskunst, Staatswirthschaft und neuesten Staatengeschichte. 2 Thle. Leipzig 1776/77. Physiokratische Briefe an Herrn Prof. Dohm oder die Verteidigung und Erläuterung der wahren staatswissenschaftlichen Gesetze, die unter dem Namen des physiokratischen Systems bekannt sind. Braunschweig 1780 (ND Königstein/T. 1979). Essai sur l’influence de la poudre à canon dans l’art de la guerre moderne. Dessau 1782, 2. Aufl. Leipzig 1788. Discours pour la célébration du jour anniversaire de la Naissance de Son Altesse Sérénissime le Landgrave régnant de Hesse, prononcé le 14 août dans la loge Frédéric de l’amitlié par le frère Mauvillon, Orateur de la dite Loge. Kassel 1782. Einleitung in die sämmtlichen militärischen Wissenschaften für junge Leute, die bestimmt sind, als Officiere zu dienen. Braunschweig 1784 [schon 1783 erschienen]. Essai historique sur l’art de la guerre pendant la guerre de trente ans. Kassel 1784, 2. Aufl. Braunschweig 1789. [anonym:] Einweihungs-Rede in der Loge zum Tempel der wahren Eintracht zu Cassel, gehalten den 6. des 11. 5784 [1784], abgefaßt nach dem eclectischen Ritual von Mauvillon. Wetzlar 1784. [anonym:] Dramatische Sprüchwörter. Ein Beitrag zum gesellschaftlichen Vergnügen in Deutschland. Leipzig 1785, 2. Aufl. 1790 (ND Braunschweig 1978). [anonym:] Aufklärung über wichtige Gegenstände in der Freymaurerey, besonders über die Entstehung derselben. Aus der Loge Puritas 1787. [anonym:] Das einzige wahre System der christlichen Religion. Berlin 1787. [anonym:] Der entlarvte Charlatan, oder Abentheuer und Thaten des Grafen von Cagliostro mit einem Briefe des Grafen von Mirabeau [d. i. Jakob Mauvillon]. Frankfurt a. M. [Lübeck] 1787. [anonym:] Principes de la tactique actuelle de l’infanterie des troupes les plus perfectionnées, avec des considérations sur les particuliarités de la tactique de la cavalerie. s.l. 1788 [zgl. In: Comte de Mirabeau: Systême Militaire de La Prusse. Londres 1788, S. 247–424]. [anonym:] Observations d’un vrai Républicain sur la Révolution des Provinces-unies. Londres 1788. [anonym:] Sendschreiben an den Hn. P. Bartels, wegen dessen Schrift: Über den Werth und die Sittenlehre Jesu, von dem Verfasser des einzigen wahren Systems der christlichen Religion. Braunschweig 1789.

https://doi.org/10.1515/9783110793642-007

370 | Bibliographie Jakob Mauvillon

Des Herzoglich Braunschweigischen Ingenieur-Obristlieutenants Mauvillon gerichtliche Verhöre und Aussagen, den Verfasser der Schrift: Bahrdt mit der eisernen Stirn, betreffend. Braunschweig 1791. [anonym:] Mann und Weib nach ihren gegenseitigen Verhältnissen geschildert. Leipzig 1791. Geschichte Ferdinands, Herzogs von Braunschweig-Lüneburg. 2 Bde. Leipzig 1794. Geschichte und Darstellung des brandenburgischen und preussischen Soldatenwesens bis zur Regierung Friedrich Wilhelm II. Aus der franz. Handschrift nach dem Tode des Verfassers, übers. von F. von Blankenburg. Leipzig 1796.

2 Herausgeberschaften Grunsätze der neuern Infanterietaktik der geüntesten Truppen gegenwärtiger Zeiten, nebst einem Anhange über Cavallerietaktik und derselben besondere Eigenheiten. Nach der franz. Originalausgabe des Mirabeauschen Werks: sur la Monarchie Prusienne, bearb. Von Jakob Mauvillon, besonders übers. von Issak Heinrich Malherbe. Meißen 1792. Von der Preußischen Monarchie unter Friedrich dem Großen. 4 Bde. Braunschweig. Leipzig 1793– 1795.

3 Beiträge in Zeitschriften und anderen Publikationen Nachricht an das Publicum, wegen einer Übersetzung der neuerlich herausgekommenen Historie philosophiere & politiere du Commerce & des Etablissement des Europäers aux deux Indes. In: Wöchentliche Nachrichten von gelehrten Sachen. Regensburg 1774, 1. St., S. 2–4. Litterarische Entdeckung. In: Deutsches Museum 1776, 2. Bd., 8. St., S. 811-832. Vom Genius des Sokrates, eine philosophische Untersuchung. In: Deutsches Museum 1777, 1. Bd., 6. St., S. 481–510. Brief an den Herausgeber des Museums über eine militärische Erfindung. In: Deutsches Museum 1777, 2. Bd., 8. St., S. 146–153 (nachgedruckt in: Bellona. Ein militärisches Journal, 4. St., Dresden 1782, S. 83–89). Bemerkungen über die Parallel des Genius Sokratis mit den Wundern Christi, von D. Gottfried Leß. Von dem Verf. der Untersuchung über den Genius des Sokrates. In: Deutsches Museum 1777, 2. Bd., 10. St., S. 310–324. Ueber das Ich, in Briefen an Hrn. Prof. Tiedemann. In: Deutsches Museum 1778, 1. Bd., 2. St., S. 155–161, 3. St., S. 254–261; 2. Bd., 1778, 11. St., S. 395–419. Verhör und Vortrag der Westindischen Pflanzungenbesitzer im Unterhause, ihre Bitschrift wegen der amerikanischen Unruhen betreffend, und Glovers Rede, mitgetheilt aus dem Partliamentary Register for 1775. In: Christian Wilhelm Konrad Dohm: Materialien für die Statistik und neuere Staatengeschichte. 1. Lfg. Lemgo 1777, S. 525–576. Von der Unterhaltung zahlreicher Truppen und den daraus entspringenden Folgen, besonders in Rücksicht auf die Fürsten des deutschen Reichs. In: Magazin der Regierungskunst, der Staatsund Landwirthschaft, 1. St., Leipzig 1775, S. 183–242; 2. St., Leipzig 1778, S. 215–244.

Bibliographie Jakob Mauvillon | 371

Schreiben an den Herausgeber der Frankfurter gelehrten Anzeigen [über den Erfurter Rezensenten der Theorie des Paradoxen]. In: Frankfurter gelehrte Anzeigen 1778, Nr. 84/85, 20./23.10.1778, S. 676–678. Bemerkungen auf einer Reise von St. Petersburg nach der Krim im J. 1771, vom Herrn v. –, der den Feldzug bei der dortigen russischen Armee als Freiwilliger that. Aus den Papieren herausgezogen durch M[Mauvillon]. In: Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Literatur. Hg. von G. C. Lichtenberg und G. Forster. 1. Jg., 4. St., Göttingen 1780, S. 92–116 und S. 27–247. Schreiben des Herrn *** an einen Freund in Gotha, über die Grosmannsche Schauspielergesellschaft und ihre Vorstellung in Cassel. In: Literatur- und Theater-Zeitung, Nr. 25, Berlin 1783, S. 385–389 und Nr. 26, S. 401–413. Versuch einer kurzen Geschichte der Kriegskunst im dreyßigjährigen Kriege. In: Historisches Portefeuille, 1. Bd., 4. St., 1783, S. 425–462, 5. St., S. 616–642, 6. St., S. 774–785. Nachrichten von den Heßischen Samt-Hospitalien, besonders dem Kloster Marxhausen. In: Journal von und für Teutschland 1784, 1. St., S. 29–36 [nachgedruckt in: Neue Reisebemerkungen in und über Deutschland. 3. Bd. Halle 1787, S. 61–74]. Schreiben über einen seltsamen Bußprediger. In: Journal von und für Teutschland 1784, 10. St., S. 225–227 [auch unter dem Titel: Nachricht wegen eines predigenden Korbmachers zu Buhlen bey Waldeck]. Betrachtungen über die Regierungsformen bei Gelegenheit der Waserischen Hinrichtung in Zürch, und dessen was Hr. Prof. Meiners in seiner Reisebeschreibung davon sagt. In: Deutsches Museum 1785, 2. Bd., 10. St., S. 338–361. Betrachtungen über die Schlacht bey Wilhelmsthal im Jahre 1762. In: Militärische Monatsschrift, 2. Bd., 1785, S. 444–457. [Stiftungsbrief des Eklektischen Freimaurerbundes. Bearb. von Johann Karl Brönner. Unterzeichnet:] Simon Friedrich Küstner jun., Christian Wilhelm Rotberg. [Dat.] Frankfurt, Wezlar 18. und 21. März 1783. In: Bruchstücke zur Geschichte der deutschen Freymäurerey. Gesammelt von Erich Servati, an seinen Freund in W***. Basel 1787, S. 494–507: Übers. der frz. Fassung in: Ephemeriden der gesammten Freimaurerei Deutschland. Auf das Logenjahr 5785 (1785), S. 82– 91. Bemerkungen über eine Recension des Essai historique sur l’art de la guerre pendant la guerre vom Verfasser dieser Schrift. In: Militärische Monatsschrift 1786, 3. Bd., 3. St., S. 299–311. Fragment aus einem größern Werke*, worinnen die wichtigsten Verhältnisse des Menschen betrachtet werden, und welches binnen Jahr und Tag erscheinen dürfte. In: Deutsches Museum 1786, 2. Bd., 9. St., S. 214–240 [* Ueber die Natur und die Grundsäze einer wahren Moral – entspricht mit wenigen Änderungen dem Kapitel 20 von Das einzige wahre System der christlichen Religion, S. 335–357: »Abschweifung über die Natur und die Grundsätze einer wahren, vernunftmäßigen Moral«]. Ueber die Art, Truppen so zu bilden, daß sie sogleich im Felde brauchbar sind. In: Militärische Monatsschrift 1786, 3. Bd., 6. St., S. 517–542. Brief des Verfassers der Militärgeschichte der Feldzüge von 1745, 46 und 47 in den österreichischen Niederlanden, dieses Werk betreffend, an den Verfasser desselben. In: Militärische Monatsschrift, 4. Bd., Berlin 1786, unpag. [S. 619–626]. Wie denkt Graf Mirabeau über die französischen Parlamente? In: Berlinische Monatsschrift 1788, 12. Bd., 11. St., S. 459–465. Sociétés secrètes. In: Honoré-Gabriel de Riquetti Comte de Mirabeau: De la monarchie prussienne, sous Frédéric le Gand. Tome 3. Londres 1788, S. 464–490 (Quartausgabe); Tome 5. Londres 1788, S. 58–96 (Oktavausgabe).

372 | Bibliographie Jakob Mauvillon

Illuminés en Bavière. In: Honoré-Gabriel de Riquetti Comte de Mirabeau: De la monarchie prussienne, sous Frédéric le Gand. Tome 3, Londres 1788, S. 490–499 (Quartausgabe); Tome 5. Londres 1788, S. 96–110 (Oktavausgabe). [Selbstbiographie.] In: Friedrich Wilhelm Strieder: Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte. Bd. 8. Kassel 1788, S. 295–303. An den Herausgeber der Allg. Lit. Zeitung. In: Intelligenzblatt der ALZ 1788, Nr. 39, Sp. 343f. Berichtigung. In: Intelligenzblatt der ALZ 1788, Nr. 66, Sp. 556. Ist Graf Mirabeau Verfasser einer gewissen berüchtigten Schrift? An die Herren Herausgeber der Berlinischen Monatsschrift. In: Berlinische Monatsschrift 1789, 13. Bd., 2. St., S. 168–170. Brief des Grafen von Mirabeau an den Herrn Grafen von **** . Betreffend die Lobrede des Herrn von Guibert auf Friedrichen und den allgemeinen Versuch über die Taktik desselben Verfassers. In: Neues militärisches Journal, 3. Bd., 5. St., Hannover 1790, S. 1–48. Erklärung, daß er mit Malherbes Uebersetzung seiner dem Mirabeauschen Werke angehängten Taktik nichts zu schaffen habe. In: Intelligenzblatt der ALZ 1790, Nr. 144, 3.11.1790, Sp. 1191. Schreiben eines jungen Selbstdenkers an seinen ehemaligen Lehrer über Herrn D. Leß Entwurf eines philosophischen Kursus der christlichen Religion. In: Braunschweigisches Journal, 4. Bd., 2. St., 1791, S. 113–194. [Erklärung, Braunschweig, den 22. April 1791.] In: Intelligenzblatt der ALZ 1791, Nr. 77, 18.6.1791, Sp. 640f. Ankündigungen neuer Bücher. Die Fortsetzung der Uebersetzung des Werks: de la Monarchie Prussienne sous Frederic le Grand, betreffend. In: Intelligenzblatt der ALZ 1791, Nr. 111, 10.9.1791, Sp. 907–909. Die Fortsetzung der Uebersetzung des Werks de la Monarchie prussienne sous Fréderic le Grand betreffend. In: Gothaische gelehrte Zeitungen auf das Jahr 1791, Beylage zum 78. St., 1.10.1791, S. 747f. Schreiben des jetzigen Thorschreibers zu G. vormahligen Kandidaten der Theologie an den jungen Selbstdenker, über dessen Aufsatz, betreffend des Herrn Doctor Leß’ Entwurf eines philosophischen Kursus der christlichen Religion. In: Braunschweigisches Journal, 4. Bd., 10. St., 1791, S. 129–175. Aergerniß. In: Braunschweigisches Journal, 4. Bd., 12. St., 1791, S. 465-471. Kurze Erinnerung gegen eine lange Rezension. In: Litterarische Denkwürdigkeiten. Neue Leipziger gelehrte Anzeigen, 9. Beylage, 1.5.1792, S. 73–78. [Beantwortung des Briefs eines Ungenannten vom 24. Februar 1792, Braunschweig, 12. März 1792.] In: Intelligenzblatt der ALZ 1792, Nr. 40, 28.3.1792, Sp. 328. Schreiben des Obristlieutenants Mauvillon an den Hrn. Professor Aloysius Hoffmann zu Wien über dessen Aufsatz. In: Schleswigisches Journal 1792, 1. Bd., 3. St., S. 336–383. Abriss der Begebenheiten des allgemeinen Krieges der spanischen Erbfolge. In: Historischer Kalender für das Jahr 1794. Abschnitt II, Leipzig 1794. Die Kriegswissenschaften. In: Georg Simon Klügel: Encyclopädie, oder zusammenhängender Vortrag der gemeinnützigsten, insbesondere aus Betrachtung der Natur und des Menschen gesammelten Kenntnisse. 2. Ausg., 4. Thl., Berlin 1794, S. 137–238.

4 Übersetzungen [gemeinsam mit Eléazar Mauvillon:] Nouveau Dictionnaire des Passagers François-Allemand et Allemand-François / Neues Frantösisch-Teutsches und Teutsch-Frantzösisches Wörterbuch. Worinnen alle Frantzösische Wörter, auch der Künste und Wissenschaften, aus den vollkom-

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mensten und neuesten Dictionariis, nebst den nöthigsten Constructionen und Redens-Arten, durch kürtzlich gezeigte Etymologie, und durch das gebräuschliste, auch reineste Teutsche erkläret worden. Hg. von Johann Leonhard Frisch. Aufs neue vermehret und verbessert von Mr. Mauvillon. Leipzig 1761. Versuch einer Übersetzung der Briefe der Marquisin von Sevigne, mit historischen und critischen Erläuterungen von Mauvillon, dem Sohn. Braunschweig, Hildesheim 1765. Examen des motifs à la vertu, tirés du principe de l’amour propre. Amsterdam 1774 [Kommentierte Übersetzung von Gotthilf Samuel Steinbart: Prüfung der Bewegungsgründe zur Tugend, nach dem Grundsatze der Selbstliebe. Berlin, Züllichau 1770]. Philosophische und politische Geschichte der Besitzungen und des Handels der Europäer in beyden Indien. Aus dem Franz. [des Abbé Raynal] mit einigen Verbesserungen und Anmerkungen. 7 Thle. Hannover 1774–1778. Untersuchung über die Natur und den Ursprung der Reichthümer und ihrer Vertheilung unter den verschiedenen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft. Aus dem Franz. des Hrn. Turgot übersetzt. Lemgo 1775. Ariosts wüthender Roland. Aus dem Italienischen übersetzt. 4 Thle. Lemgo 1777/78. Pas plus de six plats. Par Gustav Friedrich Wilhelm Großmann. Paris 1781. Zoolologie géographique. Premier Article, l’Homme, par Mr. Eberhard August Guillaume [Wilhelm] Zimmermann, Prof. d’hist. nat. à Bronsvic. Kassel 1784. Geschichte des Siebenjährigen Krieges. 1. Bd. 1785. Aus dem Engl. übers. i. A. des nominellen Herausgebers Georg Friedrich von Tempelhoff. ABC instruit pour apprendre auy Enfants les Éléments de la Langue Francäoise. Avec une préface par. J. H. Campe. Braunschweig 1789. Lettres du Comte de Mirabeau à un de ses amis en Allemagne, écrites durant les années 1786–1790. Brunsvic 1792; Briefe des Grafen von Mirabeau an einen Freund in Teutschland, geschrieben in den Jahren 1786 bis 1790. Braunschweig, Leipzig 1792. Der militärische Sophron an seine unerfahrne Kameraden; oder: Klugheitslehre für angehende Officiers, von dem alten preußischen Offizier, dem Verf. der Briefe über Friedrich den Großen [Rudolf Wilhelm von Kaltenborn]. Leipzig 1792. Die Geschichte des Herrn von L***. von dem Verf. des militärischen Sophrons. 2 Tle. Leipzig 1791– 1793. Des Herrn Malouet Briefe über die Revolution. Aus dem Franz. übersetzt von J. Mauvillon. Leipzig 1793. Von der Preußischen Monarchie unter Friedrich dem Großen. Braunschweig, Leipzig 1793–1795. [Hg. und Übers.]

5 Mitarbeit an Zeitschriften Casseler Zuschauer. Kassel 1772 [unsignierte Beiträge]. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Lemgo 1772–1781 [ab 5. Bd. Sigle 4., Mitarbeit bis 14. Bd. (1778), mit * gekennzeichneten Beiträge ohne Sigle vmtl. von Mauvillon] Allgemeine deutsche Bibliothek. 117 Bde. Berlin, Stettin 1765–1806. Seit 1793 unter dem Titel Neue Allgemeine deutsche Bibliothek. 104 Bde. [AdB ab 58. Bd. Siglen: Pb. [Fraktur] Wk. [Antiqua] bis Bd. 86; La. [Fraktur], N. und Fpm. [Antiqua] ab Bd. 87; Fu. [Fraktur], V. [Antiqua] NAdB 1.‒14. Bd.]. Allgemeine Litteraturzeitung. Jena 1788–1790 [ab 1789]. Neues Militärisches Journal. Hannover 1788–1805.

374 | Bibliographie Jakob Mauvillon

6 Rezensionen * Michaelis, Johann Benjamin: Einige Briefe an die Hrn. Gleim und Jacobi. Halberstadt 1771. In: ABL 1 (1772), S. 98–101. Wieland, Christoph Martin: Dialogen des Diogenes von Sinope. Leipzig 1771. In: ABL 1 (1772), S. 101–105. [Garve, Christian:] Anmerkungen über Gellerts Moral, dessen Schriften überhaupt und Character. Leipzig 1772. In: ABL 1 (1772), S. 105–107. [Sophie von la Roche:] Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Hg. von Christoph Martin Wieland. 2 Thle. Leipzig 1771. In: ABL 1 (1772), S. 202–227. * Hausen, Karl Renatus: Versuch einer Geschichte des menschlichen Geschlechts. 1. Thl. Halle 1771. In: ABL 1 (1772), S. 227–274. Struensee, Karl August: Anfangsgründe der Kriegsbaukunst. 1. Thl. Leipzig, Liegnitz 1771. In: ABL 1 (1772), S. 297–299. * Feder, Johann Georg Heinrich: Logik und Metaphysik. 3. verm. Aufl. In: ABL 1 (1772), S. 395–407. * Frömmichen, Karl Heinrich: Briefe philosophischen Inhalts. Göttingen 1771. In: ABL 1 (1772), S. 407–419. * Sulzer, Johann Georg: Algemeine Theorie der schönen Künste. 1. Thl. Leipzig 1771. In: ABL 1 (1772), S. 419–432. Das Parterre. Hg. von Christian Heinrich Schmid. Erfurt 1771. In: ABL 2 (1772), S. 1–12. * Jacobi, Johann Georg: Einige Gedichte. Düsseldorf 1771. In: ABL 2 (1772), S. 12–14. * Gedichte. Bremen, Leipzig 1770. In: ABL 2 (1772), S. 14. * Musenalmanach auf das Jahr 1772. Göttingen. In: ABL 2 (1772), S. 14f. * Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1772. Leipzig. In: ABL 2 (1772), S. 15f. * Supplement zu dem Briefwechsel des verstorbenen Herrn Abbts. Aus dem Franz. übers. 1772. In: ABL 2 (1772), S. 16–18. * Des Herrn Geneté Practische Anweisung zu einer besondern Einrichtung der hölzernen horizontalen Brücke. Aus dem Franz. übers. [von Johann Lorenz Beckmann]. Straßburg 1772. In: ABL 2 (1772), S. 26–28. * Eberhard, Johann Peter: Vorschläge zur bequemen und sichern Anlegung der Pulvermagazine. Halle 1771. In: ABL 2 (1772), S. 39–43. * Rabener, Gottlieb Wilhelm: Briefe, von ihm selbst gesamlet, und nach seinem Tode nebst einer Nachricht von seinem Leben und Schriften hg. von Christian Felix Weiße. Leipzig 1772. In: ABL 2 (1772), S. 137–141. * Briefe von Herrn Boysen an Herrn Gleim. Frankfurt a. M., Leipzig 1772. In: ABL 2 (1772), S. 141–148. * Geßner, Salomon: Schriften. 5. Thl. [Zürich 1772.] In: ABL 2 (1772), S. 153–163. Lessing, Gotthold Ephraim: Trauerspiele [zu Emilia Galotti]. Berlin 1772. In: ABL 2 (1772), S. 163– 187. * Kant, Immanuel: Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabnen. Riga 1771. In: ABL 2 (1772), S. 269–274. * Mendelssohn, Moses: Philosophische Schriften. 2 Thle. Berlin 1771. In: ABL 2 (1772), S. 275–281. * Philosophische Bibliothek. Hg. von Johann Tobias Sattler. 1.–3. Stück. Leipzig 1771. In: ABL 2 (1772), S. 284–287. * [Meiners, Christoph:] Revision der Philosophie. 1. Thl. Göttingen, Gotha 1772. In: ABL 2 (1772), S. 289–295. * Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Johann George Zimmermann. 2 Thle. 2. Aufl. Zürich 1770. In: ABL 2 (1772), S. 296–298.

Bibliographie Jakob Mauvillon | 375

* Meier, Georg Friedrich: Untersuchung verschiedener Materien aus der Weltweisheit. 4. Thl. Halle 1771. In: ABL 2 (1772), S. 298–300. * Weiße, Christian Felix: Kleine lyrische Gedichte. 3 Bde. Leipzig 1772. In: ABL 2 (1772), S. 463f. Wieland, Christoph Martin: Der goldne Spiegel, oder die Könige von Scheschian. 4 Thle. Leipzig 1772. In: ABL 3 (1773), S. 134–160. * Religion der Vernunft nach dem feinsten populären Geschmack. Frankfurt a. M., Leipzig 1773. In: ABL 3 (1773), S. 168f. * [Behr, Isaschar Falkensohn:] Anhang zu den Gedichten eines Pohlnischen Juden. Mietau, Leipzig 1772. In: ABL 3 (1773), S. 169. * Chöre aus den griechischen Trauerspieldichtern. Halberstadt 1773. In: ABL 3 (1773), S. 170f. Herder, Johann Gottfried: Abhandlung über den Ursprung der Sprache, welche den von der Königl. Acad. der Wissenschaften für das Jahr 1770 gesetzten Preis erhalten hat. Berlin 1772. In: ABL 3 (1773), S. 171–184. Jacobi, Johann Georg: Die Dichter. Eine Oper gespielt in der Unterwelt, gesehen von Jacobi. Halberstadt 1772. In: ABL 3 (1773), S. 184f. Zween Briefe von Gleim und Jacobi. Des letztern Oper: die Dichter betreffend. Halberstadt 1772. In: ABL 3 (1773), S. 185–188. Briefe deutscher Gelehrten an den Hrn. Geheimen Rath Klotz. Hg. von J[ohann]. J[ost]. A[nton]. von Hagen. 2 Thle. Halle 1773. In: ABL 3 (1773), S. 188–192. [Irwing, Karl Franz von:] Erfahrungen und Untersuchungen über den Menschen. Berlin 1772. In: ABL 3 (1773), S. 192–203. * Journal für die Liebhaber der Litteratur. 4. St. Leipzig 1772. In: ABL 3 (1773), S. 203. * Voltaire, der Reformator. Bern 1772. In: ABL 3 (1773), S. 204. Wieland, Christoph Martin: Hirtenlieder von F. A. C. W. und der verklagte Amor. Leipzig 1772. In: ABL 3 (1773), S. 204f. * Briefe der Frau Louise Adelgunde Victorie Gotsched, geb. Kulmus. 3 Thle. 1772. In: ABL 3 (1773), S. 205f. * Brechter, Johann Jakob: Anmerkungen über das Basedowische Elementarwerk. 2 Stücke. Zürich 1772. In: ABL 3 (1773), S. 206–224. * Sangerhausen, Christoph Friedrich: Briefe in Versen. Halberstadt 1771. In: ABL 3 (1773), S. 229– 231. * Die erleuchteten Zeiten, oder Betrachtung über den gegenwärtigen Zustand der Wissenschaften und herrschenden Sitten in Deutschland. Züllichau 1772. In: ABL 3 (1773), S. 231–240. Kästner, Abraham Gotthelf: Vermischte Schriften. 2. Thl. Altenburg 1772. In: ABL 3 (1773), S. 245– 250. [Unzer, Ludwig August:] Devisen auf deutsche Gelehrte, Dichter und Künstler, aus deutschen Dichtern gezogen. [Lemgo] 1772. In: ABL 3 (1773), S. 256f. Lavater, Johann Caspar: Von der Physiognomik. 1. und 2. St. Leipzig 1772. In: ABL 3 (1773), S. 259– 266. * Ulrich, Johann August Heinrich: Erster Umriss einer Anleitung zu den philosophischen Wissenschaften zum Gebrauche der Vorlesungen. 1. Thl. Jena 1772. In: ABL 4 (1773), S. 71–81. Der deutsche Merkur. [Hg. von Christoph Martin Wieland.] 1. Bd. [Weimar] 1773. In: ABL 4 (1773), S. 204–213. * Ewald, Schack Hermann: Oden. Gotha 1773. In: ABL 4 (1773), S. 213. * [Lühe, Friedrich Karl Emil von der:] Deutsche Dunciade. 1. Thl. Leipzig 1773. In: ABL 4 (1773), S. 214. * Liebesgeschichte des Klitophon und der Leucippe. Aus dem Griech. des Achilles Tatius übers. Lemgo 1772. In: ABL 4 (1773), S. 214–217. * Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Lieder für das Volk. Halberstadt 1772. In: ABL 4 (1773), S. 217–219.

376 | Bibliographie Jakob Mauvillon

* Dorset und Julie. Eine Geschichte neuerer Zeiten. 1. Bd. Leipzig 1773. In: ABL 4 (1773), S. 320–325. Unzer, Ludwig August: Zehn geistliche Gesänge. Leipzig 1773. In: ABL 4 (1773), S. 325–327. * Dow, Alexander: Die Geschichte von Hindostan. Aus dem Pers. und nach der 2. Aufl. ins Deutsche übers. 2. Thl. Leipzig 1772. In: ABL 4 (1773), S. 332–334. * Brechter, Johann Jakob: Briefe über den Aemil des Herrn Rousseau. Zürich 1773. In: ABL 4 (1773), S. 457–479. * Frömmichen, Karl Heinrich: Ueber die Lehre des Wahrscheinlichen und den politischen Gebrauch derselben. Braunschweig, Hildesheim 1773. In: ABL 4 (1773), S. 484–489. Wieland, Christoph Martin: Alceste. Ein Singspiel in fünf Aufzügen. Leipzig 1773. In: ABL 4 (1773), S. 489–491. Zimmermann, Johann Georg: Von der Einsamkeit. Leipzig 1773. In: ABL 4 (1773), S. 491–494. Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. 4. Bd. Halle 1773. In: ABL 4 (1773), S. 495–502. Dusch, Johann Jakob: Briefe zur Bildung des Geschmacks an einen jungen Herrn vom Stande. 6. Thl. Leipzig, Breslau 1773. In: ABL 4 (1773), S. 502–513. * Historischer Abriss von Indien nebst einer kurzen Nachricht von der Götterlehre, den Sitten, der Staatskunst und Religion seiner Bewohner. Aus dem Franz. Altenburg 1773. In: ABL 4 (1773), S. 518–532. * Flögel, Karl Friedrich: Geschichte des menschlichen Verstandes. 2., verm. und verb. Aufl. Breslau 1773. In: ABL 4 (1773), S. 613–625. Wieland, Christoph Martin: Agathon. 4 Thle. Leipzig 1773. In: ABL 4 (1773), S. 625–644. Haller, Albrecht von: Usong. Eine morgenländische Geschichte in vier Büchern. Neue Aufl. Bern 1773. In: ABL 4 (1773), S. 644–650. * Ueber das Leben und die Schriften des Herrn Helvetius. Aus dem Franz. Gotha 1773. In: ABL 4 (1773), S. 658–667. * Ueber die Briefe des Herrn von S[onnenfels]. an Herrn Klotz. Leipzig, Züllichau 1773. In: ABL 4 (1773), S. 668f. Heman [d. i. Gottfried Joachim Wichmann]: Über die Unsterblichkeit der Seele nach Mosaischen Grundsätzen. Leipzig 1773. In: ABL 5 (1774), S. 244–257. Lavater, Johann Caspar: Unverändertes Fragment aus dem Tagebuche eines Beobachters seiner selbst; oder des Tagebuchs 2. Theil. Leipzig 1773. In: ABL 5 (1774), S. 258–261. Jacobi, Johann Georg: Sämtliche Werke. 2. Aufl. Halberstadt 1773. In: ABL 5 (1774), S. 261f. Zobel, Rudolf Wilhelm: Von der Gemeinnützigkeit der Wissenschaften, nebst einer Vorlesung über das Studium des Geschmacks. Frankfurt/O. 1773. In: ABL 5 (1774), S. 262f. Magazin der deutschen Critik. Hg. von Benedikt Schirach. 2. Bd., 1. und 2. Thl. Halle 1773. In: ABL 5 (1774), S. 394f. Kästner, Abraham Gotthelf: Vorlesungen in der Königlich deutschen Geselschaft zu Göttingen. 2. Sammlung. In: ABL 5 (1774), S. 481f. Kästner, Abraham Gotthelf: Vermischte Schriften. 1. Thl. 2. Aufl. Altenburg 1773. In: ABL 5 (1774), S. 483f. Gelehrte Zeitung für das Frauenzimmer. [Hg. von Johann Jost August von Hagen, Philipp Ludwig Muzel.] 1. bis 36. St. Halle 1773/74. In: ABL 5 (1774), S. 485–487. Der teutsche Merkur. 2. und 3. Bd. [Weimar] 1773. In: ABL 5 (1774), S. 545–553. [Diez, Heinrich Friedrich:] Philosophische Abhandlung von einigen Ursachen des Verfalls der Religion. s.l. [Lemgo] 1773. In: ABL 5 (1774), S. 555. Dreyer, Johann Matthias: Vorzügliche deutsche Geschichte. s.l. 1771. In: ABL 5 (1774), S. 556. Gebler, Tobias Philipp von: Theatralische Werke. 3. Bd. Dresden, Prag 1773. In: ABL 5 (1774), S. 600–603.

Bibliographie Jakob Mauvillon | 377

Brandes, Johann Christian: Der geadelte Kaufmann. Ein Lustspiel in drei Aufzügen. Leipzig 1773; ders.: Der Graf von Olsbach, oder die Belohnung der Rechtschaffenheit. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Leipzig 1774. In: ABL 5 (1774), S. 603–605. Batteux, Charles: Moral des Epikurs. Mietau 1774. In: ABL 6 (1774), S. 87–93. Haller, Albrecht von: Alfred König der Angelsachsen. Göttingen, Bern 1773. In: ABL 6 (1774), S. 93– 104. [Pauw, Cornelius de:] Recherches Philosophiques sur les Egyptiens & les Chinois par Mr. de P[auw]. 1. Bd. Berlin 1773. In: ABL 6 (1774), S. 142–171. [Graves, Richard: ] Der geistliche Don Quixote, oder Gottfried Wildgoosens den Sommer über angestelte Wanderschaft. 3 Thle. Aus dem Engl. [hg. von Johann G. Gellius.] Leipzig 1773. In: ABL 6 (1774), S. 248–253. Herder, Johann Gottfried: Älteste Urkunde des Menschengeschlechts. 3 Thle. Riga 1774. In: ABL 6 (1774), S. 333–351. Moralische Erzählungen von F. K–r. Prag 1774. In: ABL 6 (1774), S. 352. [Blanckenburg, Christian Friedrich von:] Versuch über den Roman. Leipzig, Liegnitz 1774. In: ABL 6 (1774), S. 404–415. [Hartmann, Gottlieb David:] Die Feier des Jahres 1771 an den Genius von einem Jüngling in Schwaben; Die Feier des Jahres 1773. Leipzig 1774. In: ABL 6 (1774), S. 416f. Heinse, Wilhelm: Laidion, oder die Eleusinischen Geheimnisse. 1. Thl. Lemgo 1774. In: ABL 6 (1774), S. 461–465. Philosophische und Politische Geschichte der europäischen Handlung und Pflanzörter in beiden Indien. Aus dem Franz. 1. Thl. Kopenhagen, Leipzig 1774. In: ABL 6 (1774), S. 576–581. [Gebler, Tobias Philipp von:] Adelheid von Siegmar. Ein Trauerspiel. Dresden 1774. In: ABL 6 (1774), S. 603–605. [Rohwedel, von:] Die Eroberung von Magdeburg. Ein Schauspiel. [Hg. von Johann Gottlieb Schummel.] s.l. 1774. In: ABL 6 (1774), S. 606f. [Brandes, Johann Christian:] Olivie. Ein Trauerspiel. Leipzig 1774. In: ABL 6 (1774), S. 607f. Der deutsche Merkur. 5. und 6. Bd. [Weimar] 1774. In: ABL 7 (1775), S. 25–36. [Berghofer, Franz Xaver Amand:] Empfindungen aus meinem Leben. Wien 1774. In: ABL 7 (1775), S. 36. Herder, Johann Gottfried: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. s.l. [Riga] 1774. In: ABL 7 (1775), S. 90–110. [Sagar, Maria Anna:] Carolinens Tagebuch. Geschrieben von M. A. S. Prag 1774. In: ABL 7 (1775), S. 110f. Brydone, Patrick: Reise durch Sicilien und Maltha. 2 Thle. Leipzig 1774. In: ABL 7 (1775), S. 111–113. Haller, Albrecht von: Fabius und Cato. Ein Stück der römischen Geschichte. Bern, Göttingen 1774. In: ABL 7 (1775), S. 158–171. [Blum, Joachim Christian:] Spaziergänge. 1. Thl. Berlin 1774. In: ABL 7 (1775), S. 172f. Goldsmith, Oliver: Geschichte der Römer. 2 Bde. Leipzig 1774. In: ABL 7 (1775), S. 242–244. Klopstock, Friedrich Gottlieb: Die Gelehrtenrepublik. 1. Thl. Hamburg 1774. In: ABL 7 (1775), S. 282– 311. [Rost, Karl Christian Heinrich:] Miß Obre, oder die gerettete Unschuld. Ein Lustspiel. Leipzig 1774. In: ABL 7 (1775), S. 311f. [Lenz, Jakob Michael Reinhold:] Der Hofmeister, oder die Vortheile der Privaterziehung. Eine Komödie. Leipzig 1774. In: ABL 7 (1775), S. 385–398. [Göchhausen, Ernst August Anton von:] M[eine]. R[eisen]. 2. Aufl. s.l. [Leipzig] 1774. In: ABL 7 (1775), S. 399. Der teutsche Merkur. 7. Bd. [Weimar] 1774. In: ABL 7 (1775), S. 478–480.

378 | Bibliographie Jakob Mauvillon

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7 Zeitgenössische Rezensionen zu Publikationen von Mauvillon Freundschaftliche Erinnerung an die Kochische Schauspielergesellschaft. In: Chronologie des deutschen Theaters. Hg. von Christian Heinrich Schmid. Leipzig 1775, S. 249. Paradoxes moreaux et littéraires. In: Neue Zeitungen von gelehrten Sachen, No. 90, Leipzig, 9.11.1769, S. 713f. Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und ueber andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel. In: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 188, 23.11.1771; Hallische Neue Gelehrte Zeitungen 6. Bd., 100. St., 12.12.1771, S. 794–796; [vermutl. Christian Heinrich Schmid:] Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1772, Leipzig 1771, S. 62f.; [Johann Georg Peter Möller:] Neue critische Nachrichten 8. Bd., 1. St., Greifswald 1772, S. 5–7; [Christoph Martin Wieland:] Erfurtische gelehrte Zeitung 4. St., 13.1.1772, S. 29–31 und 54. St., 6.7.1772, S. 444–447; Jenaische Zeitungen von Gelehrten Sachen 9. St., 31.1.1772, S. 79; [Christian Günther Rautenberg:] Neue Braunschweigische Zeitung, No. 20–23, 4., 6., 7. und 10.2.1772 [unpag.]; [Johann Wolfgang Goethe oder Johann Heinrich Merck:] Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772, 15. St., 21.2.1772, S. 117–119; Kayserlich-privilegirte Hamburgische Neue Zeitung 6. Jg., 38. St., 6.3.1772; Breslauische Nachrichen von Schriften und Schriftstellern 11. St., 21.3.1772, S. 81f.; Königsbergische gelehrte und politische Zeitungen 31. St., 17.4.1772, S. 121f.; Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 1. Thl., Halle 1772, S. 297 und 338–341; Magazin der deutschen Critik, 1. Bd., 2. Thl., Halle 1772, S. 198–200; Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen

Bibliographie Jakob Mauvillon | 389

unpartheyischen Correspondenten, Nr. 130, 14.8.1772; Theologische Berichte von neuen Büchern und Schriften 96. St., Danzig 1772, S. 415–420, hier S. 419f.; [vermutl. Johann Wolfgang Goethe:] Frankfurter gelehrten Anzeigen vom Jahr 1772, 98. St., 8.12.1772, S. 781f.; [vermutl. Christian Heinrich Schmid:] Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773, Leipzig 1772, S. 23f.; [Johann Christoph Unzer:] Neuer gelehrter Mercurius 1. Bd., 11. St., 18.3.1773, S. 86; [Johann Joachim Eschenburg:] AdB 19. Bd., 1. St., 1773, S. 34–56; [vermutl. Albrecht Wittenberg:] Beytrag zum Reichs-Postreuter 18. St., 4.3.1773 [unpag.]; Christian Heinrich Schmid: Litteratur der Poesie. 1. Thl. Leipzig 1775, S. 37f.; Christian Heinrich Schmid: Anweisung der vornehmsten Bücher in allen Theilen der Dichtkunst. Leipzig 1781, S. 18; Karl August Küttner: Charaktere teutscher Dichter und Prosaisten. 1. Bd., Berlin 1781, S. 247f. (Anm.); Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. Hg. von Karl Heinrich Jördens. 2. Bd., Leipzig 1807, S. 84. Untersuchung über die Natur und den Ursprung der Reichthümer und ihrer Vertheilung unter den verschiedenen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft. Aus dem Franz. übers. von Jakob Mauvillon. Lemgo 1775. In: Schwäbisches Magazin von gelehrten Sachen auf das Jahr 1775, 7. St., S. 587; Gothaische gelehrte Zeitungen 61. St., 1.8.1775, S. 501–504; Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 2. Bd., 119. St., 5.10.,1775, S. 1023f. Philosophische und politische Geschichte der Besitzungen und des Handels der Europäer in beyden Indien. Aus dem Franz. (des Abbé Raynal) mit einigen Verbesserungen und Anmerkungen. 7 Thle. In: Gothaische gelehrte Zeitungen 39. St., 28.5.1774, S. 307f.; [2. und 3. Thl., Hannover 1776. In:] Beytrag zu den Erlangischen gelehrten Anmerkungen, 17. Woche, 27.4.1776, S. 270f.; [Anton Friedrich Büsching:] Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen 4. Jg., 21. St., 20.5.1776 (Berlin 1777), S. 171–174; [Franz Christian Lorenz Karsten:] AdB 39. Bd., 1. St., 1779, S. 276–281; Hallische Neue gelehrte Zeitungen 9. Bd., 34. St., 29.4.1774, S. 268–270 [Thl. 1]; ebd., 10. Bd., 64. St., 10.8.1775, S. 510f. [Thl. 2]; ebd., 11. Bd., 17. St., 26.2.1776 [Thl. 3]; ebd., 11. Bd., 90. St., 7.11.1776, S. 718f. [Thl. 4]; ebd., 12. Bd., 14. St., 13.2.1777, S. 105f. [Thl. 5]; [Christian Gottlob Heyne:] Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen 1. Bd., 27.12.1777, S. 830f. (wieder abgedruckt in: Erlangische gelehrte Anmerkungen und Nachrichten 1778, S. 156f.); AdB 85. Bd., 2. St., S. 508–531. Vom Patriotismus der Deutschen. s.l. [Leipzig] 1776. In: Allgemeines Verzeichniß neuer Bücher mit kurzen Anmerkungen. Nebst einem gelehrten Anzeiger auf das Jahr 1776, 1. Jg., 5. St., S. 273; AdB 36. Bd., 2. St., 1778, S. 619; [Verweis auf die Verfasserschaft:] Litterarischer Almanach der Deutschen auf das Jahr 1776, 5. St. Litteratur der philosophischen und schönen Wissenschaften und Künste. Göttingen 1778, S. 83. Sammlung von Aufsätzen über Gegenstände aus der Staatskunst, Staatswirthschaft und neuesten Staatengeschichte. 2 Thle. Leipzig 1776/77. In: [Anzeige] Hamburgische Neue Zeitung 23.10. und 6.12.1776; [Georg Peter Möller:] Neueste Critische Nachrichten 2. Bd., 51. St., 1776, S. 401–405 [dagegen: »Nacherinnerung« Mauvillons in der Sammlung von Aufsätzen, Thl. 2, S. 393–406]; [Christian Konrad Wilhelm Dohm:] ABL 12, 1777, S. 589–614; Braunschweigische Nachrichten von politischen und gelehrten Sachen, 2.1.1777 [Thl. 1]; ebd., 17.6.1777 [Thl. 2]; Gothaische gelehrte Zeitungen 4. St., 11.1.1777, S. 25–28 [Thl. 1]; ebd., 88. St., 1.11.1777, S. 722–724 [Thl. 2]; Frankfurter gelehrte Anzeigen 25. St., 28.3.1777 und 26. St., 1.4.1777, S. 194–199 [Thl. 1]; ebd., 85. St., 24.10.1777 und 86. St., 28.10.1777, S. 683–685 [Thl. 2]; [Johann Heinrich Merck:] In: Der Teutsche Merkur, 1. Viertelj., 1777, S. 195–200; [Georg Peter Möller:] Neueste critische Nachrichten, 3. Bd., 24. St., 1777, S. 187–190; Neueste juristische Litteratur. Ostermesse 1777, Bd. 1, S. 29; Allgemeines Verzeichniß neuer Bücher mit kurzen Anmerkungen. Nebst einem gelehrten Anzeiger auf das Jahr 1777, 2. Jg., 1. St., 1777, S. 35f.; ebd., 3. Jg., 1. St., 1778, S. 30; Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 5. Jg., 11. St., 17.3.1777, S. 91–94

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[Thl. 1]; ebd. 20. St., 19.5.1777, S. 161–164 [Thl. 2]; [Georg Peter Möller:] Neueste critische Nachrichten, 4. Bd., 29. St., 1778, S. 228–231; Königsbergische gelehrte und politische Zeitungen, 47. St., 11.6.1778, S. 185; [Christoph Schmidt-Phiseldeck:] In: AdB Anh. 25.–36. Bd., 4. Abt., 1780, S. 2217–2220. Verhör und Vortrag der Westindischen Pflanzungenbesitzer im Unterhause, ihre Bitschrift wegen der amerikanischen Unruhen betreffend, und Glovers Rede, mitgetheilt aus dem Partliamentary Register for 1775. In: Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 5. Jg., 45. St., 10.11.1777, S. 364. Ludwig Ariosto’s von den Italienern der Göttliche genannt, wüthender Roland. Ein Heldengedicht in sechs und vierzig Gesängen. Lemgo 1777. In: ABL 10, 1776, S. 703f.; Allgemeines Verzeichniß neuer Bücher mit kurzen Anmerkungen. Nebst einem gelehrten Anzeiger auf das Jahr 1777, 2. Jg., 4. St., 1777, S. 296; Erfurter Gelehrte Zeitung 1777, S. 609; Jenaische Zeitungen von gelehrten Sachen, 61. St., 1.8.1777, S. 527–533 und 75. St., 19.9.1777, S. 652–654; [Wilhelm Heinse:] Der Teutsche Merkur, 4. Viertelj., 1777, S. 145–173; Königsbergische gelehrte und politische Zeitungen, 97. St., 4.12.1777, S. 385–387; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1778, S. 121f.; Gothaische gelehrte Zeitungen, 92. St., 18.11.1778, S. 756f.; Allgemeines Verzeichniß neuer Bücher mit kurzen Anmerkungen, 3. Jg. 1778, S. 290; [Johann Erich Biester:] AdB Anh. 25.–36. Bd., 5. Abt., 1780, S. 2990–2992; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1779, S. 155f.; ABL 17, 1780, S. 83–100; [Nachricht des Verlegers Helwing:] Litteratur- und Theater-Zeitung, 4. Jg., 2. Thl., Nr. 21, Berlin, 26.5.1781, S. 336. Vom Genius des Sokrates, eine philosophische Untersuchung (In: Deutsches Museum 1777). [Entgegnung von Gottfried Leß:] Parallel des Genius Sokratis mit den Wundern Christi. In: Deutsches Museum, 2. Bd., 10. St., 1777, S. 302–310; Nürnbergische gelehrte Zeitung, 62. St., 5.8.1777, S. 541; Litterarisches Correspondenzblatt [Heidesheim], 21. St., 20.6.1777, S. 164f. und [zu Leß] 90. St., 5.12.1777, S. 736; [Johann Georg Schlosser:] Ueber die Streitigkeit vom Genius des Sokrates. In: Deutsches Museum, 1. Bd., 1. St., 1778, S. 71–76; [ders.:] Noch etwas über den Genius des Sokrates aus einem Briefe an B. In: ebd., S. 76–85; Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, 26.5.1778; Nürnbergische gelehrte Zeitung auf das Jahr 1778, 3. St., 9.1.1778, S. 17; [Johann August Eberhard:] In: AdB Anh. 25.–36. Bd., 4. Abt., 1780, S. 2307f.; [Johann Georg Schlosser:] AdB Anh. 25.–36. Bd., 5. Abt., 1780, S. 2706f.; [zum weiteren Verlauf der Debatte Michael Hißmann:] ABL 15, 1779, S. 45–61. Über das Ich, in Briefen an Herrn Prof. Tiedemann. In: Nürnbergische gelehrte Zeitung, 38. St., 12.5.1778, S. 319; ebd. 9. St., 29.1.1779, S. 70. Physiokratische Briefe an Herrn Prof. Dohm oder die Verteidigung und Erläuterung der wahren staatswissenschaftlichen Gesetze. Braunschweig 1780. [Anzeige] In: Gothaische gelehrte Zeitungen 34. St., 28.4.1779, S. 280; Hallische Neue gelehrte Zeitungen, 14. Bd., 101. St., 20.12.1779, S. 801–803; [vermutl. Johann Georg Heinrich Feder:] Zugabe zu den Göttingischen gelehrten Anzeigen, 1. St., 1.1.1780, S. 1–7; Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 8. Jg., 2. St., 10.1.1780, S. 12–14; Gothaische gelehrte Zeitungen, 9. St., 29.1.1780, S. 65–72; [Johann Jakob Griesbach:] AdB 42. Bd., 1. St., 1780, S. 231–234; Braunschweigische Nachrichten von politischen und gelehrten Sachen, 9. und 10.3.1780; [Johann Heinrich Merck:] Der Teutsche Merkur, 3. Viertelj., 1780, S. 75f.; L’esprit des journaus, français et étrangers, 9. Jg., Bd. 5, Mai 1780, S. 410f.; Jenaische Zeitungen von gelehrten Sachen, 25. St., 27.3.1780, S. 203; [Issak Iselin:] Ephemeriden der Menschheit, 3. Jg., 2. Bd., 9. St., Sept. 1780, S. 285–302. Pas plus de six plats. Par Gustav Friedrich Wilhelm Großmann. Paris 1781. [Ankündigung von Mauvillons Übersetzung] In: Gothaische gelehrte Zeitungen auf das Jahr 1781, 53. St., 4.7.1781, S. 440.

Bibliographie Jakob Mauvillon | 391

Essai sur l’influence de la poudre à canon dans l’art de la guerre moderne. Dessau 1782. In: Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1781, 9. St., S. 768–771 (frz.); [Anzeige] Gothaische gelehrte Zeitungen, 21. St., 13.3.1782, S. 173; [Anzeige] Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1782, 2. St., S. 189 und S. 271; [Anzeige] Hanauisches Magazin, 5. Bd., 1782, S. 96; Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 10. Jg., 41. St., 14.10.1782, S. 325f.; [Albrecht Ludwig Friedrich Meister:] Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 2. Bd., 131. St., 28.10.1782, S. 1059–1064; Militair-Bibliothek. Hg. von Gerhard von Scharnhorst. 1. St. Hannover 1782, S. 108f. und 2. St., 1783, S. 74–89; Beyträge zum gelehrten Artikel des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, 7. St., 11.1.1783; [Heinrich Wilhelm von Stamford:] AdB 55. Bd., 2. St., 1783, S. 334–346; Journal des gens du monde, 4. Bd., No. 20, 1783, S. 97; Historisches Portefeuille, 2. Jg., 4. St., Wien, April 1783, S. 534f. Einleitung in die sämmtlichen militärischen Wissenschaften für junge Leute, die bestimmt sind, als Officiere zu dienen. Braunschweig 1783. In: Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 12. Jg., 4. St., 26.1.1784, S. 30f.; [Albrecht Ludwig Friedrich Meister:] Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 1. Bd., 46. St., 20.3.1784, S. 450–453; Hallische Neue gelehrte Zeitungen, 19. Bd., 40. St., 20.5.1784, S. 315–317; Gothaische gelehrte Zeitungen, 70. St., 1.9.1784, S. 573–578; MilitairBibliothek, 4. St., 1784, S. 120; [Heinrich Wilhelm von Stamford:] AdB 60. Bd., 2. St., 1785, S. 554–559. Essai historique sur l’art de la guerre pendant la guerre de trente ans. Kassel 1784. [Albrecht Ludwig Friedrich Meister:] In: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 3. Bd., 177. St., 4.11.1784, S. 1774f.; Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 13. Jg., 3. St., 17.1.1785, S. 18f.; Hallische Neue gelehrte Zeitungen, 20. Bd., 8. St., 27.1.1785, S. 61; Gothaische gelehrte Zeitungen, 36. St., 4.5.1785, S. 291–293; Militärische Monatsschrift, 2. Bd., 1. St., Juli 1785, S. 82–102; [dazu Mauvillon:] ebd., 3. Bd., 3. St., März 1786, S. 299–311; The Monthly Review, Vol. 73, 1785, S. 221–223; [Karl Wilhelm Hennert:] AdB 65. Bd., 1. St., 1786, S. 276–283; [vermutl. Christian Karl August Ludwig von Massenbach:] AdB 76. Bd., 2. St., 1787, S. 566f.; zur 2. Aufl. 1789: Braunschweigisches Magazin, 2. Bd., 25. St., 20.6.1789, Sp. 399f.; Neue militärische Zeitung, 29. St., 1789, S. 447; [Gerhard von Scharnhorst:] Neues militärisches Journal, 2. Bd., 3. St., 1789, S. 295f.; Ueber den Gebrauch der Aerostatischen Maschinen oder Luftbälle im Kriege. In: Neues militärisches Journal, 2. Bd., 4. St., 1789, S. 291–293. Zoolologie géographique. Kassel 1784. In: Hallische Neue gelehrte Zeitungen, 20. Bd., 4. St., 13.1.1785, S. 31. Dramatische Sprüchwörter. 2 Thle. Leipzig 1785. [Adolph Freiherr von Knigge:] In: AdB 69. Bd., 2. St., 1786, S. 389; Supplemente zur ALZ 1785, Nr. 15, Sp. 59f.; Gothaische gelehrte Zeitungen, 10. St., 4.2.1786, S. 79f. Gesellschaftstheater des Hr. v. Mauvillon. 2 Thle. Leipzig 1790 [Neuauflage der Dramatischen Sprüchwörter]. In: Gothaische gelehrte Zeitungen, 53. St., 3.7.1790, S. 494f.; [Adolph Freiherr von Knigge:] AdB 101. Bd., 1. St., 1791, S. 111f.; [zum Stück »Der Spieler«:] Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, 59. Bd., 2. St., 1797, S. 294. Mirabeau: De la monarchie prussienne sous Frédérick le Grand. 4 Bde. 1786. In: Gothaische gelehrte Zeitungen, 9. St., 30.1.1788, S. 71; [Mauvillons Ankündigung der deutschen Übersetzung. In:] Nürnbergische gelehrte Zeitung, 18. St., 29.2.1788, S. 144; Gothaische gelehrte Zeitungen. Ausländische Literatur, 36. St., 6.11.1788, S. 281f.; Königlich privilegierte Zeitung von Staatsund gelehrten Sachen, 142. St., 25.11.1788; Berlinische Monatsschrift, 2. St., 1789, S. 127–168; [Ludwig Timotheus Spittler:] Göttingische Anzeigen von gelehrte Sachen, 1. Bd., 50. St., 28.3.1789, S. 497–508; [Ausführlicher Auszug und Bemerkungen über den militärischen Theil

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des Werks De la Monarchie prussienne sous Frédéric le grand] Neues militärisches Journal, 2. Bd., 1789, S. 31–95; [Scharnhorst: Livre septième. Affaires militaires. In:] Oberdeutsche Allgemeine Literatur-Zeitung 1789, 23. St., S. 362 [erneut in: Georg Heinrich Klippel: Das Leben des Generals von Scharnhorst. 1. Bd. Leipzig 1869, S. 236f.] ; AdB 105. Bd., 2. St., 1791, passim; [über die angehängte Taktik von Mauvillon (frz.):] Intelligenzblatt der ALZ 1790, No. 144, Sp. 1191. Aufklärung über wichtige Gegenstände in der Freymaurerey, besonders über die Entstehung derselben. Aus der Loge Puritas 1787. In: ALZ 2. Bd., No. 125, 25.5.1787, Sp. 389–391; Gothaische gelehrte Zeitungen, 12. St., 10.2.1787, S. 102–104; Ephemeriden der Litteratur und des Theaters, 5. Bd., 15. St. (1787), S. 239f.; Intelligenzblatt zur Allgemeinen Politischen Zeitung 1787, No. 15, S. 49; Neue Leipziger gelehrte Zeitungen auf das Jahr 1787, 84. St., 19.7.1787, S. 1330; Hamburgischer unpartheiischer Correspondent 1787, 1. St.; Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen für das Jahr 1787, 10. Jg., Gießen 1787, S. 23–64 und S. 79– 100; [August Siegfried von Goue:] Notuma. Nicht Ex-Jesuit über das Ganze der Maurerey. 2. Thl. Leipzig 1788, S. 127–133; Karl August Ragotzky: Unterhaltungen für denkende Freimaurer. Berlin 1792, S. 91–120; [über die Ausgabe von 1801:] Taschenbuch für Freimaurer. 6. Bd. Köthen 1803, S. 353f. Der entlarvte Charlatan, oder Abentheuer und Thaten des Grafen von Cagliostro. Frankfurt a. M. [Lübeck] 1787. In: ALZ 1. Bd., Nr. 44, 20.2.1787, Sp. 415f. Das einzige wahre System der christlichen Religion. Berlin 1787. In: ALZ 2. Bd., Nr. 121, 20.5.1788, Sp. 353–360; [dazu Mauvillons Erklärung:] Intelligenzblatt der ALZ 1788, Nr. 39, Sp. 343f.; [Hermann Andreas Pistorius:] AdB 81. Bd., 2. St., 1788, S. 392f.; Gothaische gelehrte Zeitungen, 61. St., 1.8.1787, S. 499–502; Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 15. Jg., 42. St., 15.10.1787, S. 332–335; Hallische gelehrte Zeitungen, 22. Bd., 86. St., 25.10.1787, S. 645–651; Nürnbergische gelehrte Zeitungen, 91. St., 13.11.1787, S. 721–724; Auserlesene theologische Bibliothek. Hg. von Joahnn Christoph Döderlein. 4. Bd., 4. St. Leipzig 1788, S. 279–311; David Gottlieb Niemeyer’s Bibliothek für Prediger und Freunde der theologischen Literatur. Neu bearb. Halle 1797, 2. Bd., S. 24f. Sendschreiben an den Hn. P. Bartels. Braunschweig 1789. In: ALZ 2. Bd., Nr. 118, 28.4.1790, Sp. 223f.; AdB 106. Bd., 1. St., 1792, S. 41–45. Brief des Grafen von Mirabeau an den Herrn Grafen von **** . Hannover 1790. In: AdB 103. Bd., 1. St., 1791, S. 274f.; ALZ 4. Bd., Nr. 307, 18.11.1791, Sp. 342 [Mauvillons Verfasserschaft nach: Alfred Stern: Das Leben Mirabeaus. Berlin 1889, 1. Bd., S. 256f.] Des Herzoglich Braunschweigischen Ingenieur-Obristlieutenants Mauvillon gerichtliche Verhöre und Aussagen, den Verfasser der Schrift: Bahrdt mit der eisernen Stirn, betreffend. Braunschweig 1791. In: Gothaische gelehrte Zeitungen, 28. St., 23.4.1791, S. 282–284; Hallische Neue gelehrte Zeitungen, 26. Bd., 27. St., 4.4.1791, S. 209–212; ALZ 4. Bd., Nr. 337, 22.12.1791, Sp. 579–582; [Andreas Gottfried Laas:] AdB 112. Bd., 1. St., 1792, S. 198 und S. 216f. Mann und Weib nach ihren gegenseitigen Verhältnissen geschildert. Leipzig 1791. In: Neue Leipziger gelehrte Anzeigen 1791, 1. Bd., No. 8, 28.1.1791, S. 62f.; [Johannes Kern:] AdB 101. Bd., 1. St., 1791, S. 133–136; Ergänzungsblätter zur ALZ 1785–1800, 3. Jg., 1. Bd., No. 17, 1803, Sp. 131 und 4. Jg. 1. Bd., No. 58, 1806, Sp. 461f. Grunsätze der neuern Infanterietaktik der geüntesten Truppen gegenwärtiger Zeiten. Meißen 1792. In: ALZ 1. Bd., No. 8, 7.1.1796, Sp. 57–60. Doktor Martin Luther! deutsche gesunde Vernunft. Wien 1792 [zur vermeintl. Verfasserschaft Mauvillons:] Neue Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen, 16. Jg., 5. St., 1793, S. 298; [Fingerzeige zur Enthüllung des Inkognito eines berüchtigten deutschen Pas-

Bibliographie Jakob Mauvillon | 393

quills.] In: Wiener Zeitschrift, 5. Bd., 3. Heft, S. 284-300 [kurz dazu ebd., 2. Heft, 1793, S. 231f.]. Schreiben des Obristlieutenants Mauvillon an den Hrn. Professor Aloysius Hoffmann zu Wien über dessen Aufsatz. Schleswigisches Journal 1792. In: Wiener Zeitschrift, 1. Jg., 4. Heft, 1792, S. 125–132, 5. Heft, S. 238f.; Abermal etwas über Briefe-Erbrechen; zur Notiz der Herren Mauvillon, von Knoblauch und Hinze. In: Wiener Zeitschrift, 1. Jg., 12. Heft, 1792, S. 373–380. Lettres du Comte Mirabeau à un de ses amis en Allemagne. Braunschweig 1792. In: ALZ 1794, 2. Bd., No. 154, 10.5.1794, Sp. 383f.; Gothaische gelehrte Zeitungen. Ausländische Literatur 1792, 27. St., 7.7.1792, S. 211–214; Litterarische Denkwürdigkeiten. Neue Leipziger gelehrte Anzeigen 1792, 36. St., 4.5.1792, S. 283–290; Monthly Review, Vol. 14, 2. Bd., 1794, S. 519–521. Briefe des Grafen Mirabeau an einen Freund in Deutschland. In: ALZ 1795, 1. Bd., No. 83, 20.3.1795, Sp. 662–664; Litterarische Denkwürdigkeiten. Neue Leipziger gelehrte Anzeigen 1792, 36. St., 4.5.1792, S. 283–290; NAdB 20. Bd., 1. St., 1795, S. 70–72. Mirabeau, Mauvillon (Hg.): Von der Preußischen Monarchie unter Friedrich dem Großen. Unter der Leitung des Grafen von Mirabeau abgefaßt. 4 Bde. 1793–1795. In: [Anzeigen] Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 54, 1.6.1793, Sp. 426 und ebd., 104. St., 5.10.1793, S. 828 und ebd., 58. St., 14.6.1794, S. 461; Litterarische Denkwürdigkeiten. Neue Leipziger gelehrte Anzeigen 1793, 56. St., 15.7.1793, S. 446–450 [Bd. 1]; ebd., 34. St., 28.4.1794, S. 270f. [Bd. 2]; ebd., 61. St., 1.8.1794, S. 483–485 [Bd. 3]; ebd., 89. St., 6.11.1795, S. 705–709 [Bd. 4]; Gothaische gelehrte Zeitung, 72. St. 7.9.1793, S. 635–639; ebd., 19. St., 5.3.1794, S. 154f. [Bd. 2]; ebd., 46. St., 6.6.1795, S. 405f. [Bd. 3]; ebd., 36. St., 7.5.1796, S. 314 [Bd. 4]; [Valentin Heinrich Schmidt:] In: NAdB 11. Bd., 2. St., 1794, S. 279–295 [Bd. 1,2]; [Gottlob Ernst Schulze?:] NAdB 19. Bd., 2. St., 1795, S. 417–435 [Bd. 3] und [Friedrich Nicolai:] 22. Bd., 1. St., 1796, S. 239–242 [Bd. 4]. Geschichte Ferdinands, Herzogs von Braunschweig-Lüneburg. 2 Bde. Leipzig 1794. In: Gothaische gelehrte Zeitungen, 59. St., 23.7.1794, S. 521–523 und 67. St., 20.8.1794, S. 601–604; ALZ 1. Bd., Nr. 44, 8.2.1796, Sp. 345–349; NAdB Anhang 1.-28. Bd., 3. Abt., 1798, S. 374–380. Malouet, Pierre Victor: Briefe über die Revolution. Leipzig 1793. In: Litterarische Denkwürdigkeiten. Neue Leipziger gelehrte Anzeigen 1793, 76. St., 23.9.1793, S. 597–600; [Christoph Girtanner:] Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 3. Bd., 181. St., 14.11.1793, S. 1815f.; Gothaische gelehrte Zeitungen, 16. St., 22.2.1794, S. 129–133; ALZ 2. Bd., Nr. 157, 10.5.1794, Sp. 377–380; [Georg Schatz:] NAdB 14. Bd., 1. St., 1795, S. 154–157. Mauvillons Briefwechsel. [Braunschweig] 1801. In: Leipziger Jahrbuch der neuesten Literatur, 1. Bd., 13. St., 15.7.1801, S. 103f.; [Johann Joachim Eschenburg:] In: NAdB 73. Bd., 2. St., 1802, S. 530– 536.

8 Zeitgenössische ergänzende Texte und Briefe Strieder, Friedrich Wilhelm: Jakob Mauvillon. In: Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte. Seit der Reformation bis auf gegenwärige Zeiten. 8. Bd. Kassel 1788, S. 295–303. Verzeichniß einer Sammlung von Büchern, einiger Kleidungsstücke u. s. w. welche den 19ten Mai d. J. in dem Hause Nro. 2442. auf der Kuhstraße meistbietend verkauft werden sollen. Braunschweig 1794. Eine wichtige Obscuranten-Entdeckung über die Zwecke und das Wirken des Licht-Reichs; aus einigen Original-Briefen von Mauvillon. Mitgetheilt aus dem Herzoglich-Braunschweigischen Archiv. In: Eudämonia, oder deutsches Volksglük. Ein Journal für Freunde von Wahrheit und Recht, 2. Bd., 4. St. (1796), S. 289–308; Eudämonia, 2. Bd., 5. St. (1796), S. 431–448 [darin:

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Copia eines Schreibens von Obristlieutenant Mauvillon an den Nassau-Oranischen Justizrath v. Knoblauch in Dillenburg. d. d. Braunschweig den 13. May 1791 und Copia eines Schreibens vom Obristlieutenant Mauvillon an den Rath Cuhn in Cassel. d. d. Braunschweig den 13. May 1791, S. 295–297 und S. 431–434].

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2 Gedichte in Almanachen, Anthologien und Zeitschriften »Trinklied«. In: Poetische Blumenlese auf das Jahr 1772. Göttingen 1771, S. 221. »Vou-ti bey Tsin-nas Grabe. Eine Elegie im chinesischen Geschmack«. In: Poetische Blumenlese auf das Jahr 1773. Göttingen 1772, S. 57–66. »An Elisens Geist«. In: Poetische Blumenlese auf das Jahe 1773. Göttingen 1772, S. 77–79. »Tcheou. Ein chinesisches Sonnet«. In: Poetische Blumenlese auf das Jahr 1773. Göttingen 1772, S. 124. »An Herrn Göckingk«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773. Leipzig 1772, S. 202f. »Alcibiades an seine mimische Tänzerin«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774, Leipzig 1773, S. 29; Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1782, 11. St., S. 472f.; Lyrische Anthologie. Hg. von Friedrich Matthisson. Neunter Theil. Zürich 1805, S. 227f. »Quidam«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774. Leipzig 1773, S. 72. »Seufzer einer wiederkehrenden Jugend. 1769«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774. Leipzig 1773, S. 131f. »An Reichard«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774. Leipzig 1773, S. 197. »Ruhm«. In: Taschenbuch für Dichter und Dichterfreunde. 3. Abt., Leipzig 1774, S. 12–14; Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1782, 11. St., S. 473f. [mit dem Untertitel: »Eine Ode an – Diez zu Magdeburg«].

https://doi.org/10.1515/9783110793642-008

402 | Bibliographie Ludwig August Unzer

»An Schmidt. Halberst. den 11ten März 1772«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1775. Leipzig 1774, S. 100f. »Sehnsucht nach Italien«. In: Neuer gelehrter Mercurius auf das Jahr 1775, 52. St., 28.12.1775, S. 403–405; Deutsches Museum 1780, 2. Bd., 12. St., S. 551–553; Berichte der allgemeinen Buchhandlung der Gelehrten vom Jahre 1782, 11. St., S. 474–476; Lyrische Anthologie. Hg. von Friedrich Matthisson. Neunter Theil. Zürich 1805, S. 223–226. »Petrarchs erstes Sonnet«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1776. Leipzig 1775, S. 281. »Summum bonum«. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1776. Leipzig 1775, S. 283f. [»Laps«, »Ueber einen, der den ganzen Tag auf Weinhäusern zubrachte«, »An Herrn Diez«, »Der verliebte Trinker«, »Cleanth vermählet sich mit Fräulein Sarabossen«, »Gefährlich ist der Schritt ins Grab«, »An die Bienen«, »Minerva, Schutzgöttin der Critik«, »Grabschrift eines getödteten unehelichen Kindes«, »Doktor Grinn«, »Als ein großer Lärm auf einem Richtsaale war«, »An einen Modecriticus«, »Gespräch eines Harthörenden und Blinden«, »Der Blumenstrauß bey Iris Grabe«, »An Simplicia«] In: Deutschlands Originaldichter. 4. Bd. Hamburg 1776, S. 183–233. An Herrn Professor Zachariä. In: Leipziger Musenalmanach aufs Jahr 1777, S. 58f. »Verhalten der Christen bey Irrenden«. In: Allgemeine Blumenlese der Deutschen. 1. Theil. Zürich 1782, S. 280. »Pilgrimslied«. In: In: Allgemeine Blumenlese der Deutschen. 2. Theil. Zürich 1782, S. 69. »Die Wollust«. In: Beyträge zum deutschen Museum. 1. Theil. Dessau 1783, S. 116–120. [»Sehnsucht nach Italien«, »Alcibiades«, »Skolie«, »Bestimmung der Liebe«, »Die Mirte«, »An die Wahrheit«, »Pilgerlied«, »Erdenleben«] In: Lyrische Anthologie. Hg von Friedrich Matthison. Neunter Theil. Zürich 1805, S. 221–236.

3 Herausgeberschaft Nachrichten von den ältern erotischen Dichtern der Italiener. Hannover 1774.

4 Beiträge in Zeitschriften Kurze Betrachtung über verschiedne Gegenstände. In: Hannoverisches Magazin 16. St., 24.2.1772, Sp. 253–256; 24. St., 22.3.1773, Sp. 381–384. Ueber die Mittelmäßigkeit im Denken. In: Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen 54. St., 11.7.1772, Sp. 325–332; 55. St., 15.7.1772, Sp. 333–336. Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum. In: ABL 2 (1772), S. 656–672; 3 (1773), S. 683–702; 4 (1773), S. 692–700. Noten zur Geschichte der deutschen Dichtkunst. In: ABL 3 (1773), S. 703–708. Gedanken über die Einsamkeit. In: Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen 13. Bd., 79. St., 9.10.1773, Sp. 633–640; 80. St., 13.10.1773, Sp. 641–648; 81. St., 16.10.1773, Sp. 649– 652.

Bibliographie Ludwig August Unzer | 403

5 Rezensionen Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Lemgo 1772–1781 [Bd. 3 und 4 mit * * unterzeichnet, ab 5. Bd. Sigle 24.; hier mit * gekennzeichnete Beiträge mit der Sigle 24 vmtl. wegen finanzieller Schulden von Mauvillon übernommen] Neue Braunschweigische Zeitung. [unpaginiert, Sigle Uz und Ur] Petrarkas Phantasien, an dem Abend des Charfreytags, an welchem er seine Geliebte zum erstenmal sahe, von K. E. K. Schmidt. In: NBZ 45, 19.3.1772. Wielands goldenen Spiegel. In: NBZ 72, 12.5.1772, Nr. 74, 15.5.1772, Nr. 75, 18.5.1772, Nr. 76, 19.5.1772. Sinngedichte von Goekingk. Erstes Hundert. In: NBZ 86, 9.6.1772. Phantasien nach Petrarka’s Manier, von Klamer Eberhard Carl Schmidt. In: NZGS LIII vom 2.7.1772, S. 419–421. Lobschrift auf Herrn Noel [von J. W. L. Gleim]. In: NZGS LIII vom 2.7.1772, S. 4421. Briefe in Versen (von Sangerhausen), Zweyter Theil. In: NZGS LIII vom 2.7.1772, S. 422–423. Vortheile geheimer Bündniße für die Welt [= Heinrich Friedrich Diez: Vortheile geheimer Gesellschaften für die Welt]. In: NZGS LIII vom 2.7.1772, S. 423. Ueber eine alte Aufschrift. In: NZGS LIII vom 2.7.1772, S. 422–424. Phantasien, nach Petrarkas Manier, von K. E. K. Schmidt. In: NBZ 104, 10.7.1772. Vortheile geheimer Gesellschaften für die Welt [von Heinrich Friedrich Diez] . In: NBZ 106, 13.7.1772. K. E. K. S. (Schmidt) vermischte Gedichte. Erste Sammlung. In: NBZ 108, 16.7.1772. Briefe in Versen. (von Sangerhausen) Zweyter Theil. In: NBZ 109, 17.7.1772. Lobschrift auf Herrn Noel. Nach dem Französischen des Kaysers von China. In: NBZ 110, 20.7.1772. Sinngedichte von Gökingk. Erstes Hundert. In: NZGS LXIII vom 6.8.1772, S. 502–504. K. E. K. S. (Schmidt) vermischte Gedichte. Erste Sammlung. In: NZGS LXV vom 13.8.1772, S. 514–516. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Erster Band. In: NBZ 134, 28.8.1772, Nr. 135, 1.9.1772, Nr. 136, 3.9.1772, Nr. 137, 4.9.1772. Amor vor Gericht, eine Nouvelle aus den Götter-Annalen. In: NBZ 141, 11.9.1772. Die Dichter, eine Oper, gespielt in der Unterwelt, gesehen von Jacobi. In: NBZ 145, 18.9.1772. Devisen auf deutsche Gelehrte, Dichter und Künstler. In: NZGS LXXVI vom 21.9.1772, S. 605–606. An meine Minna (von Schmidt). In: NZGS LXXX vom 5.10.1772, S. 635. Versuche in kleinen Gedichten. In: NZGS LXXXVI vom 26.10.1772, S. 684–688. Zwey schöne neue Mährlein, als 1. von der schönen Melusinen, einer Meerfey, und 2. von einer untreuen Braut, die der Teufel holen sollen [von Justus Friedrich Wilhelm Zachariä]. In: NBZ 172, 5.11.1772. Devisen auf deutsche Gelehrte, Dichter und Künstler. Aus deutschen Dichtern gezogen [von Unzer] . In: NBZ 174, 9.11.1772. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Zweyter Band. In: NBZ 175, 10.11.1772, Nr. 176, 12.11.1772. Geistliche Lieder. In: NBZ 179, 17.11.1772. Hendekasyllaben. In: NZGS XX vom 11.3.1773, S. 154–155. Zehn geistliche Gesänge, von L. A. Unzer. In: NZGS XXXVI vom 6.5.1773, S. 288. Sinngedichte von Gökingk. Zweytes Hundert. In: NBZ 98, 19.6. 1773. Gedanken von Vermeidung schädlicher Eindrücke in der ersten Erziehung, von J. W. Streithorst. In: NBZ 102, 6.7.1773. Der Hügel bei Kindleben, ein Gesang von H. A. Reichard. In: NBZ 104, 9.7.1773. Gedanken über eine alte Aufschrift (von Wieland). In: ABL 4 (1773), S. 81–85. Sinngedichte von Goekingk. In: . In: ABL 4 (1773), S. 86–88.

404 | Bibliographie Ludwig August Unzer

Göttingischer Musenalmanach aufs Jahr 1773. In: ABL 4 (1773), S. 88–90. Launen an meinen Satyr (von Riedel). In: ABL 4 (1773), S. 90–92. Beobachtungen über die sitliche Natur des Menschen. Erste Samlung. Von H[einrich] F[riedrich] Diez. In: ABL 4 (1773), S. 194–201. [Heinrich August Ottokar Reichard:] Nachlese zu den Devisen auf deutsche Gelehrte. In: ABL 4 (1773), S. 201–203. Schreiben über ein Dessert. Ein Pendant zu den Devisen auf Deutschlands Gelehrte. In: ABL 4 (1773), S. 679–681. [Klamer Eberhard Karl Schmidt:] Elegieen an meine Minna. In: ABL 5 (1774), S. 82–84. [Klamer Eberhard Karl Schmidt:] Hendekasyllaben. In: ABL 5 (1774), S. 84–86. Historische Aufsätze für die Jugend, aus den berühmtesten Schriftstellern ausgezogen. Aus dem Englischen. In: ABL 5 (1774), S. 86–87. Der Frau M[adame]. L[e]. Pr[ince]. de Beaumont neuer Mentor, oder Unterweisungen für die Knaben und für diejenigen, welche sie erziehen, nach deutscher Art eingerichtet. In: ABL 5 (1774), S. 87–88. [Friedrich Nicolai:] Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Erster Band. In: ABL 5 (1774), S. 190–193. * Neue Kriegsbibliothek oder gesamelte Beiträge zur Kriegswissenschaft. Erstes Stück. Breslau 1774. In: ABL 5 (1774), S. 151–153. * Aufrichtige Anweisung zur bürgerlichen Baukunst, wie nemlich dieselbe ohne weitere Manuduktion von sich selbst zu erlernen, allen Mäurer- und Zimmergesellen, und Lehrlingen zum Besten ans Licht gegeben von J. G. M. Gotha 1773. In: ABL 5 (1774), S. 153f. * Ausführliche Nachricht von einer schrecklichen Naturbegebenheit in Ostindien. In: ABL 5 (1774), S. 347. * Geschichte der Befestigungskunst. In: ABL 5 (1774), S. 348f. * Des Vaters Joseph Torrubia Vorbereitung zur Naturgeschichte von Spanien, mit 14 Kupfertafeln versehn. Aus dem Spanischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet, nebst Zusätzen und Nachrichten, die neueste portugiesische Litteratur betreffend, von Christoph Gottlieb von Murr. In: ABL 5 (1774), S. 596f.

6 Zeitgenössische Rezensionen zu Publikationen von Unzer Rez. zu Versuche in kleinen Gedichten, Vou-ti bey Tsin-nas Grabe. In: NZGS LXXXVI vom 26.10.1772, S. 684–688; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773, S. 89f. [Rez. von Christian Heinrich Schmid]; AdB 19. Bd., 1. St. (1773), S. 250f. Rez. zu Devisen auf deutsche Gelehrte. In: Hallische Gelehrte Zeitungen 47. St., 6.6.1772, S. 374– 375; Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772, 49. St., 19.6.1772, S. 388–390 [Rez. vmtl. Johann Gottfried Herder]; Jenaische Zeitungen von Gelehrten Sachen 53. St., 3.7.1772, S. 441f.; Erfurtische gelehrte Zeitung 59. St., 23.7.1772, S. 490; AdB 17. Bd., 2. St., 1772, S. 553–556 [Rez. von J. A. Eberhard]; NZGS LXXVI vom 21.9.1772, S. 605f.; NBZ 174 vom 9.11.1772 [Rez. vmtl. von Justus Friedrich Wilhelm Zachariä]; Neue Frankfurter Gelehrte Anzeigen auf das Jahr 1773, 6. St., S. 48; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773, S. 37f. [Rez. von Christian Heinrich Schmid]; Magazin der deutschen Critik 1. Bd., 2. Thl., 1772, S. 200. Rez. zur Poetischen Blumenlese in dem Göttingischen Musen-Almanach 1773 [zu Vou-ti bey Tsinnas Grabe]. In: Frankfurter gelehrte Anzeigen vom Jahr 1772, 91. St., 13.11.1772, S. 726–729,

Bibliographie Ludwig August Unzer | 405

hier S. 728 [Rez. von Johann Wolfgang Goethe]; Göttingische Anzeigen von Gelehrten Sachen 13. St., 30.1.1773, S. 105f. [Rez. von Abraham Gotthelf Kästner]; Der Teutsche Merkur 1. Bd., 2. St., Februar 1773, S. 163–184, hier S. 171–173 [Rez. von Johann Georg Jacobi]; Magazin der deutschen Critik 2. Bd., 1. Thl., Halle 1773, S. 142–156, hier S. 142f.; ABL 4, 1774, S. 89. Rez. zu Vou-ti bey Tsin-nas Grabe. In: NBZ 153, 2.10.1772 [Rez. von Klamer Schmidt]; Hallische Gelehrte Zeitungen 97. St., 30.11.1772, S. 774; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773, S. 89f.; NBZ 153 vom 2.10.1772; Magazin der deutschen Critik 2. Bd., 1. Thl., 1773, S. 291– 294 [Rez. Karl Friedrich von der Lühe]; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774, S. 26 [vmtl. Christian Heinrich Schmid]. Rez. zu Naivitäten und Einfälle. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773, S. 111 [vmtl. Christian Heinrich Schmid]; Hallische Neue Gelehrte Zeitungen 65. St., 16.8.1773, S. 516; Magazin der deutschen Critik 2. Bd., 1. Thl., 1773, S. 174–178; AdB 22. Bd., 1. St., 1774, S. 238 [vmtl. Friedrich Nicolai]. Rez. zu Neue Naivitäten und Einfälle. In: Neuer gelehrter Mercurius auf das Jahr 1773, 28. St., 15.7.1773, S. 222f.; Neue Frankfurter Gelehrte Anzeigen auf das Jahr 1773, 82. St., S. 655f.; AdB 22. Bd., 1. St., 1774, S. 238 [vmtl. Friedrich Nicolai]; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774, S. 88 [vmtl. Christian Heinrich Schmid]. Rez. zu Zehn geistliche Gesänge: In: NZGS XXXVI vom 6.5.1773, S. 288; ABL 4, 1773, S. 325–327; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774, S. 69 [vmtl. Christian Heinrich Schmid]; AdB 33. Bd., 2. St., 1775, S. 467. Rez. zu Vom Zustande des Geschmacks beim deutschen Publikum: In: NZGS XXXVIII vom 13.5.1773, S. 301. Rez. zu Nachrichten von den ältern erotischen Dichtern der Italiener. In: Neuer Gelehrter Mercurius auf das Jahr 1774, 2. Bd., 38. St., 22.9.1774, S. 301f. [vmtl. Johann Christoph Unzer]; AdB 25. Bd., 1. St., 1775, S. 225f.; Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1775, S. 17 [vmtl. Christian Heinrich Schmid]; Magazin der deutschen Critik 4. Bd., 1. Thl., 1775, S. 271–273; Bibliothek der Philosophie und Litteratur 2. Bd., 1. St., Frankfurt an der Oder 1775, S. 111–122; Historisches Journal. Hg. von Johann Christoph Gatterer. 6. Theil. Göttingen 1776, S. 168f.

7 Zeitgenössische ergänzende Texte und Briefe Todesanzeige. In: ABL 5, 1774, S. 627f.; Jenaische Zeitungen von Gelehrten Sachen, XVIII. St., 4.3.1774, S. 152. Heinrich August Ottokar Reichard: An den verstorbenen Dichter Unzer. In: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1779. Leipzig, S. 272f. Fünf Briefe des verstorbenen Predigers Rautenberg zu Braunschweig. In: Olla Potrida 1782, 4. St., S. 109–130. [ND Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 60 (2016), S. 19–38.] Mauvillons Briefwechsel oder Briefe von verschiedenen Gelehrten an den in Herzoglich Braunschweigschen Diensten verstorbenen Obristlieutenant Mauvillon. Herausgegeben von seinem Sohn Friedrich Wilhelm Mauvillon. Braunschweig 1801, S. 21–68. Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. Hg. von Jördens, 5. Bd., S. 128–138. Klamer Eberhard Karl Schmidt’s Leben und auserlesene Werke. Hg. von Wilhelm Werner Johann Schmidt. 3 Bde., Tübingen 1826–38, 1. Bd., S. 25, 28, 42; 2. Bd., S. 13–16; 3. Bd., S. 239. H[einrich]. A[ugust]. O[ttokar]. Reichard. Seine Selbstbiographie. Hg. von Hermann Uhde. Stuttgart 1877, S. 85–90. Briefe und Journale der Fürstin Louise Ferdinande zu Anhalt-Cöthen, geb. Gräfin zu StolbergWernigerode, der Gräfin Auguste Friederike zu Ysenburg-Büdingen, geb. Gräfin zu Stolberg-

406 | Bibliographie Ludwig August Unzer

Wernigerode, und der Gräfin Auguste Eleonore zu Stolberg-Wernigerode, geb. Gräfin zu Stolberg-Stolberg. 3. Theil 1774. Dresden 1882, S. 5f. Unzers Briefwechsel mit Göckingk [als Anhang von: Jacobs, Eduard: Ludwig August Unzer. Dichter und Kunstrichter]. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 28 (1895), S. 202–252. [ND Leopold Friedrich Günther Goeckingk: Die Freud ist unstet auf der Erde. Lyrik, Prosa, Briefe. Hg. von Jochen Golz. Berlin 1990, S. 395–409, 412–416, 419–424.]

8 Forschungsliteratur Gervinus, Georg Gottfried: Geschichte der Deutschen Dichtung. 5. Bd. 4. verb. Aufl. Leipzig 1853 [EA 1842], S. 242. Jacobs, Eduard: Ludwig August Unzer. Dichter und Kunstrichter. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 28 (1895), S. 117–152. Jacobs, Eduard: Unzer, Ludwig August. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 39 (1895), S. 336– 343. Blume, Heinrich: Jakob Mauvillons und Ludwig August Unzers »Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel.« 2 Stücke, Frankfurt und Leipzig, 1771/72 als Vorläufer der Sturm- und Drangperiode. In: XXXVIII. Jahresbericht des Kaiser Franz Josef-Staatsgymnasiums zu Freistadt in Oberösterreich für das Schuljahr 1908. Freistadt 1908, S. 3–36. Jacobs, Eduard: Die Stammbücher der Fürstlichen Bibliothek zu Wernigerode, welche sich allermeist auf die Grafschaft Wernigerode und deren Umgegend beziehen. Wernigerode 1914, S. 9, 15–17. Lazarowicz, Klaus: Verkehrte Welt. Vorstudien zu einer Geschichte der deutschen Satire. Tübingen 1963, S. 72–83. Klawitter, Arne: Poetische Kuriosität oder dichterisches Experiment? Ludwig August Unzer und seine Nänie im chinesischen Geschmack. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 85/4 (2011), S. 489–507. Klawitter, Arne: Gedichte ohne Vorlage. Ludwig August Unzers chinesische Sonette. In: Euphorion 107/4 (2013), S. 421–436. Klawitter, Arne: Vom Allgemeinen zum Auserlesenen. Die Lemgoer Auserlesene Bibliothek der neuesten deutsche Litteratur (1772-1781) als »gefährliche Nebenbuhlerin« der Berliner Allgemeinen Deutschen Bibliothek. In: Waseda Blätter 21 (2014), S. 7–26. Klawitter, Arne: Das »abgeschmackte« deutsche Publikum und seine »Gellertomanie«. Ludwig August Unzers und Jakob Mauvillons ›Dichterbriefe‹ und deren Verteidigung durch Christian G. Rautenberg. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 60 (2016), S. 3–38. Klawitter, Arne: Eine bislang übersehene, erste »Balanz der deutschen Dichter«. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 90/2 (2016), S. 211–228 [zu den »Dichterbriefen«, S. 223–228]. Reinhard, Nadja: Der fließende Gellert und der spitzige Rabener. Thematisierung von Anonymität und Autorschaft als Strategie der Selbst- und Werkpolitik in faktischen, fingierten und modifizierten Briefen. In: Cahiers d’Études Germaniques 70 (2016), S. 161–182. Klawitter, Arne: »Sehnsucht nach Italien«. Ludwig August Unzers sensualisiertes Dichterland. In: Lessing Yearbook/Jahrbuch XLVI (2019), S. 135–151.

Bibliographie Ludwig August Unzer | 407

Klawitter, Arne: Vermächtnisse für Zweifler. Ludwig August Unzers religionsphilosophische Bekenntnisse und ihre Nähe zum Denken Nietzsches. In: Zeitschrift für Kulturphilosophie 13/2 (2019), S. 327–335 [mit Abdruck von Unzers Originaltext, S. 313–325]. Klawitter, Arne: Vermächtnisse für Freigeister. Die religionsphilosophischen Bekenntnisse des Dichters Ludwig August Unzer. In: Das 18. Jahrhundert 45/1 (2021), S. 84–100.

Personenregister Abbt, Thomas 27, 195, 227, 273, 288f., 344, 346, 349, 374 Addison, Joseph 159, 273 Aesop 72, 224, 229 Alkibiades 189, 287 Amthor, Christoph Heinrich 54, 216 Anakreon 48, 144, 214f., 235, 248, 257, 263, 280, 283f., 354f. Arbuthnot, John 262 Ariost, Ludovico 22, 42, 76, 78, 82f., 86f., 95, 118, 194, 197f., 212, 232f., 238, 247, 270, 284, 288, 301f., 308, 310, 312– 314, 333, 350, 352, 361, 373, 390 Aristophanes 134, 255, 259 Aristoteles 40, 210, 242, 259 Avenarius, Benedict Christian 63, 150, 222, 268 Bahrdt, Karl Friedrich 263, 361, 363, 370, 392, 397 Basedow, Johann Bernhard 250, 263, 375, 381 Batteux, Charles 22, 63, 119, 209, 222, 247f., 295, 297, 320, 377 Baumgarten, Alexander Gottlieb 289 Behr, Isaschar Falkensohn 325, 375 Bentley, Richard 144, 232f., 262 Benzler, Johann Lorenz 22, 283 Bertram, Johann Friedrich 209 Blum, Joachim Christian 17, 22, 200, 290, 321, 377f., 380 Boccaccio, Giovanni 95, 141, 202, 232, 238, 260 Bode, Johann Joachim Christoph 258 Bodmer, Johann Jakob 17, 19, 21f., 200, 232, 249, 257, 270, 290, 321, 324, 355 Boileau-Despréaux, Nicolas 22, 88, 129, 193f., 197, 218, 234, 252, 255, 288 Boissy, Louis de 137, 257 Bonaventura, Pietro Antonio Domenico (Pietro Metastasio) 118, 247, 312 Bonnet, Charles 242, 282 Bouhours, Dominique 58, 218 Bouillon, Herzog von (Frédéric-Maurice de La Tour d’Auvergne) 116, 245 Breitinger, Johann Jakob 249, 257, 270

https://doi.org/10.1515/9783110793642-009

Brockes, Barthold Heinrich 280 Brückner, Ernst Theodor Johann 341 Brühl, Heinrich Graf von 253, 260 Buffon, Georges-Louis Leclerc de 40, 210 Bussy-Rabutin, Roger de (auch Büssy) 181, 285 Butler, Samuel 134, 137, 255, 257 Byron, Harriet 138, 258 Campe, Joachim Heinrich 250, 373 Carus, Titus Lucretius (Lukrez) 155f., 270f., 289 Cato, Marcus Porcius (Cato Censorius, der Ältere) 111, 243, 350, 353 Cato, Marcus Porcius (der Jüngere) 58, 111, 156f., 219, 243, 271, 350, 353 Cervantes, Miguel de 134, 237, 246, 255, 261 Chapelain, Jean 50, 136, 215, 255 Chaulieu, Guillaume Amfrye, Abbé de 177, 284 Chiabrera, Gabriello 161, 275 Chrysippos von Soloi 259 Churchill, Charles 137, 140, 258, 260 Cicero, Marcus Tullius 43, 58, 93f., 99, 109, 113, 119, 159, 185, 196, 210, 212, 219, 237, 240, 243, 251, 283, 289, 302, 307 Clodius, Christian August 137, 256 Corneille, Pierre 193, 197f., 255, 284, 288 Cornelia (Tochter des Scipio Africanus, Mutter der Gracchen) 112, 244 Cramer, Johann Andreas (Theologe) 17, 102, 170f., 211, 213, 227, 241, 248f., 256, 280, 290, 315, 341, 349, 378 Cramer, Johann Andreas (Metallurg) 143, 262 Cratinus 250 Crescimbeni, Giovanni Mario 25 Creutz, Friedrich Karl Kasimir Freiherr von 160, 274 Cromwell, Oliver 180, 285 Cronegk, Johann Friedrich von 88, 118, 136, 235, 246, 248, 256, 320 Curll, Edmund 263, 345

410 | Personenregister

Dante Alighieri 22, 193, 264, 288, Demokrit (gr. Demokritos) 190, 210, 287 Demosthenes 139, 176, 260, 283 Denis, Johann Nepomuk Cosmas Michael 17, 21, 41, 44, 72, 136, 160, 171, 200, 212f., 226f., 229, 256, 265, 274, 280, 320–322, 343, 352, 355 Des Barreaux, Jacques Vallée 116, 245 Desfontaines, Pierre François Guyot 137, 257 Diderot, Denis 3, 208, 255 Diez, Heinrich Friedrich 12, 226, 364f., 376, 401–404 Diogenes von Sinope 188f., 259, 286f., 322, 342, 374 Dohm, Christian Konrad Wilhelm 29, 360f., 369f., 380f., 389f., 395f. Dreyer, Johann Matthias 119, 248, 376 Dubos, Jean Baptiste 22, 40, 46, 210f., 213, Duff, William 209 Dusch, Johann Jakob 17, 19, 22, 88–90, 137, 150, 200, 208, 235f., 256f., 268, 290, 306f., 310, 321, 376 Ebeling, Christoph Daniel 148, 266, 321 Ebert, Johann Arnold 122, 222, 248f., 350, 359 Ebner, Christian Gottlob 21 Eck, Johann Georg 70, 227 Empedokles 259 Engel, Johann Jakob 148, 266, 378 Epikur (Epikuros) 170, 173, 182, 187, 243, 270, 279, 282, 284, 286, 377 Ernesti, Johann August 111–113, 243, 299, 359 Eschenburg, Johann Joachim 6, 269, 327, 389, 393f. Faber, Johann Heinrich 232 Feder, Johann Georg Heinrich 213, 374, 390 Ferguson, Adam 143, 262 Fielding, Henry 137, 257 Filicaja, Vincenzo da 161, 275 Flaccus, Quintus Horatius (Horaz) 22, 40, 101, 129, 132, 147, 149, 157, 162, 164– 167, 186, 210, 212, 215, 222, 229, 236, 240, 247, 252, 257, 265, 271, 276–279, 281, 286, 300, 323, 338, 352 Flögel, Karl Friedrich 253, 376

Forster, Georg 361, 371 Friesen, Carl August von 220 Funk, Gottfried Benedikt 211, 213 Gabrias (Babrias) 72, 229 Gärtner, Carl Christian 136, 222, 249, 256, 320, 359 Gaius Plinius Caecilius Secundus Minor 58, 218, 231 Garve, Christian 262, 312, 326, 347f., 350, 367, 374 Gellert, Christian Fürchtegott 1–27, 40–123, 125–129, 137, 140, 145–148, 154, 158, 172f., 207f., 211f., 214–224, 227–229, 231‒233, 236f., 239–242, 244, 246, 249–251, 256, 258, 262, 264, 295, 297– 317, 320, 322f., 325–337, 340–353, 355, 367, 374, 378, 398, 406 Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von 8, 17, 21f., 160, 170, 172, 200, 207, 245, 269, 274f., 280, 289, 310, 321f., 351, 355 Gervinus, Georg Gottfried 27, 351, 394, 406 Geßner, Salomon 8, 16–18, 20f., 24, 60, 70, 145f., 148, 152, 171, 220, 227, 232, 264, 267, 269, 307, 310, 320, 322, 350, 355, 374 Giseke, Nikolaus Dietrich 136, 248, 256, 320 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 8, 16f., 19, 37, 145f., 169f., 172, 176f., 182, 208f., 215, 244, 248, 257, 263f., 266f., 269, 274f., 277, 280, 283, 310, 320, 322, 350–352, 355, 364, 374f., 379, 403 Gluck, Christoph Willibald 247 Göchhausen, Ernst August Anton von 324, 377 Goeckingk, Leopold Friedrich Günther 283, 296, 319, 364f., 396, 401, 406 Goethe, Johann Wolfgang 8–10, 12f., 20f., 24f., 228, 255, 260, 270, 309, 324f., 352, 355, 367, 378–380, 388f., 398f., 405 Goeze, Johann Melchior 248, 252, 263, 283 Góngora, Luis de 116, 245 Gotter, Friedrich Wilhelm 148, 224, 266, 378 Gottsched, Johann Christoph 154, 210, 229, 235, 248–250, 253, 256f., 270, 303 Gracchus, Gaius Sempronius 244

Personenregister | 411

Gracchus, Tiberius Sempronius 244 Gray, Thomas 66, 224, 301 Guarini, Giovanni Battista 64f., 116, 216, 223f., 245 Hagedorn, Friedrich von 17, 20f., 88, 90, 92, 124, 137, 147–149, 166, 172–175, 185, 199, 209, 235, 250, 257, 264f., 267, 278, 281f., 290, 301f., 306f., 321f., 334, 338–340, 344 Hagen, Gottlieb Friedrich 242 Hagen, Johann Jost Anton von 220, 284, 376 Hahn, Ludwig Philipp 24, 380 Haller, Albrecht von 19–21, 88, 90, 149, 154–160, 162f., 165, 170, 172, 185, 213, 235, 242, 267, 269–274, 280, 302, 306f., 321f., 338, 343, 345, 348, 355, 376–378, 380 Hamann, Johann Georg 21, 351 Hausen, Carl Renatus 23, 136, 242, 256, 320, 360, 374 Haydn, Joseph 280 Heinse, Wilhelm 233, 270, 283, 344, 351f., 377, 379, 398 Heinsius, Theodor 26f., 349 Helvétius, Claude-Adrien 40, 210, 340, 376 Helwing, Christian Friedrich 2f., 210, 290f., 360, 365, 390 Henrici, Christian Friedrich (Pikander) 54, 216, 303 Heraklit (Herakleitos von Ephesos) 190f., 288 Herder, Johann Gottfried 8, 12f., 21, 135, 209, 247, 251, 255, 275, 319, 351, 354, 367, 375, 377, 398, 404 Herodot 238, 287 Herrera, Fernando de 42, 212, 302 Hesiod (Hesiodos) 89, 211, 236 Heyern, Gottlieb Leberecht 246, 378 Heyne, Christian Gottlob 213, 286, 389 Hißmann, Michael 21, 390, 398 Höpfner, Ludwig Julius Friedrich 8 Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von 54, 216, 223 Hogarth, William 137, 258 Holbach, Paul Henri Thiry de 241 Holberg, Ludvig 138, 258, 261 Home, Henry → Kames, Henry Lord

Home, John 220 Homer 26, 90, 70, 139, 153, 168, 184, 194, 212, 215, 217, 226, 236, 241, 260, 279, 284, 286, 317, 322, 346 Horaz → Flaccus, Quintus Horatius Hortensius (Quintus Hortensius Hortalus) 196, 289 Hottinger, Johann Jacob 348 Huber, Michel 58, 145, 218, 264 Hume, David 235, 242, 367 Hunold, Christian Friedrich (Menantes) 54, 216 Hutcheson, Francis 107, 242 Iselin, Isaak 143, 262, 265, 320, 390 Iuvenalis, Decimus Iunius (Juvenal) 159, 255, 273 Jacobi, Johann Georg 17, 22, 37, 116, 137, 148, 170, 176f., 182, 200, 208, 220, 224, 244f., 257, 266, 280, 282f., 286, 289f., 321, 344, 374–376, 379f., 403, 405 Jacobs, Eduard 8–10, 22f., 28, 208, 296, 319, 406 Jagemann, Christian Joseph 213, 275 Jördens, Karl Heinrich 27, 253, 349, 389, 405 Jommelli, Niccolò 247 Jugel, Johann Gottfried 143, 262 Justi, Johann Heinrich Gottlob von 143, 262 Juvenal → Iuvenalis, Decimus Iunius Kästner, Abraham Gotthelf 80f., 93f., 98f., 119, 213, 232f., 237, 247, 251, 253, 299, 307, 310, 312, 314, 334, 343, 375f., 405 Kallimachos (Callimachus) 168, 279 Kames, Henry Lord 10, 46, 213 Karschin, Anna Louisa 17, 20, 22, 153, 160f., 169, 200, 269, 274f., 321f., 351, 355 Kleist, Ewald Christian von 8, 17, 19, 20, 22, 147–149, 170, 175, 186, 200, 264, 266f., 275, 280, 286, 290, 310, 321, 355 Klinger, Friedrich Maximilian 24, 381 Klopstock, Friedrich Gottlieb 5, 8, 11, 16f., 19f., 24, 48, 72, 94, 102, 121, 137, 145– 149, 151, 153, 166, 170f., 209, 214, 229, 241, 248, 257, 264–267, 273, 275, 280,

412 | Personenregister

307, 309f., 312, 322, 332, 342, 350, 352f., 355, 376f. Klotz, Christian Adolph 39, 47, 209, 211, 213f., 220, 245, 254, 256f., 375f. Knigge, Adolph Freiherr von 362, 391 Koch, Georg Heinrich August 148, 266, 321 Kretschmann, Karl Friedrich 17, 20, 22, 148, 161, 200, 266, 276, 290, 321 Küttner, Karl August 27, 347, 389 Küttner, Karl Gottfried 248 La Fontaine, Jean de 66, 68f., 73f., 76, 95, 97, 179, 224f., 229–231, 239, 285, 303, 314, 331 Lais von Korinth (Hetäre) 189, 287 La Mettrie, Julien Offray de 242 La Motte, Antoine Houdar de 55, 217 Lavater, Johann Kaspar 175, 282f., 375f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 233, 237, 241, 344, 353, 367, 379 Lemene, Francesco de 161, 275 Le Noble, Eustache de Tennelière 69, 226 Lenz, Jakob Michael Reinhold 21, 24, 377– 380, 398 Lessing, Gotthold Ephraim 1, 3, 5f., 8. 17, 19–21, 24, 26, 28, 41, 61, 72, 136, 143, 149, 167, 170, 199, 207–213, 220–222, 224, 229, 234, 237, 249, 257, 262–267, 278f., 281, 283, 289f., 295f., 301, 303, 307, 310, 312, 320f., 332, 350–353, 355, 367, 374, 395, 406 Lichtwer, Magnus Gottfried (Lichtwehr) 17, 66, 69, 88, 200, 224, 226, 235, 290, 296, 312, 321, 345, 355 Lintot, Barnaby Bernard 145, 263 Liscow, Christian Ludwig (Liskow) 20f., 131–133, 136, 138, 145, 253–255, 320, 322, 324, 337f., 355 Logau, Friedrich von 172, 281 Lucanus, Marcus Annaeus (Lukan) 271 Ludwig XIV., König von Frankreich 193, 220, 285, 288 Lühe, Karl Friedrich von der 255, 375, 405 Lukian von Samosata 22, 134, 139–141, 145, 149, 254, 259f., 281, 322 Lukrez → Carus, Titus Lucretius

Machiavelli, Niccolò di Bernardo di 95, 188, 238, 287 Maffei, Francesco Scipione 87, 234 Mandeville, Bernard 269 Manzel, Ernst Johann Friedrich 133, 136, 254f. Marino, Giambattista 116, 245 Martialis, Marcus Valerius (Martial) 172, 222, 240, 281 Mauvillon, Jakob Eléazar de 311, 344, 346, 359, 361 Meiners, Christoph 2, 213, 315, 340, 371, 374, 378 Meinhard, Johann Nikolaus 46, 62, 117, 161, 213, 221, 246, 254, 275, 301, 337, 351f. Meister, Leonhard 228, 346, 349 Ménage, Gilles 50, 215 Menantes → Hunold, Christian Friedrich Mendelssohn, Moses 212–214, 269, 275, 283, 326, 367, 374 Merck, Johann Heinrich 8–10, 309, 379, 388–390 Metastasio, Pietro → Bonaventura, Pietro Antonio Domenico Michaelis, Johann Benjamin 17, 22, 119, 148, 200, 248, 252, 266, 282f., 289f., 321, 374 Michaelis, Johann David 213 Miltiades, der Jüngere 189, 287 Milton, John 11, 80f., 93, 99, 102, 117, 146, 193, 232f., 241, 246, 307–310, 313f., 336 Mirabeau → Riqueti, Honoré Gabriel de Möller, Johann Georg Peter 299, 388–390 Möser, Justus 259, 379 Molière (Jean-Baptiste Poquelin) 179, 197f., 248, 284–286, 289 Moser, Friedrich Karl von 176, 232, 283, Mosheim, Johann Lorenz von 243, 302, 344 Mozart, Wolfgang Amadeus 247 Müller, Philipp Ludwig Statius 158, 273 Nannestad, Nicolai Engelhardt 248 Naso, Publius Ovidus (Ovid) 155, 158, 177, 181, 238, 245, 267, 270, 272, 277, 284f., 301 Naumann, Christian Nicolaus 19f. Navarra, Margarete von (Margarete von Valois) 95, 238

Personenregister | 413

Nero, Claudius Caesar Augustus Germanicus 159, 245, 273 Nicolai, Christoph Friedrich 15, 207, 211, 213f., 220, 229, 235, 249, 289, 327, 362, 379, 381, 393f., 404f. Nicolai, Philipp 228 Opitz, Martin 19f., 154, 269 Ossian 22, 70, 161, 171, 226f., 229, 256, 276, 280, 309, 380 Ovid → Naso, Publius Ovidus Palissot, Charles de Montenoy 134, 255 Pallavicino, Ferrante 149, 267 Palthen, Joahnn Franz 280 Pelzel, Joseph Bernhard 232 Persius Flaccus, Aules 159, 273 Petrarca, Francesco 22, 42, 118, 161, 172, 182, 186, 193, 197, 212, 247, 275, 281, 285, 288, 302, 312, 402 Petrasch, Joseph von 59, 219, 302 Petronius Arbiter, Titus (auch Gaius) 239, 273 Pfeil, Johann Gottlob Benjamin 220 Pfenninger, Heinrich 349 Phädrus 69, 226, 296, 312 Philippi, Johann Ernst 131–133, 253 Phryne (Hetäre) 189, 287 Pikander → Henrici, Christian Friedrich Piron, Alexis 177, 284 Platon 43, 103, 121, 184f., 210, 212, 242, 259, 266, 286f., 379 Plinius, der Jüngere → Gaius Plinius Caecilius Secundus Minor Plutarch 179, 285 Pope, Alexander 88, 101f., 159, 170, 234f., 241, 255, 263, 272f., 280, 309 Poseidonios 209 Purcell, Henry 269 Pythagoras von Samos 210 Quintilianus, Marcus Fabius 35f., 109, 121, 126, 207f., 243, 248, 251 Quistorp, Theodor Johann 245 Rabener, Gottlob Wilhelm 17, 20f., 40, 43, 118f., 127–146, 211, 218, 224, 247–249, 251–256, 258–263, 296, 299, 307, 320,

322f., 328, 337f., 340, 348, 350, 352, 355, 374, 398, 406 Racine, Jean Baptiste 193f., 197, 218, 237, 288 Racine, Louis 92, 237 Ramler, Karl Wilhelm 16f., 19–21, 41, 63, 72, 94, 119, 130f., 136, 145–149, 161, 164, 166, 173, 209, 211, 222–224, 229, 247f., 253, 257, 263f., 267, 282, 295, 307, 312, 320–322, 326, 343, 350, 352, 355 Raspe, Rudolf Erich 23, 226, 360 Rautenberg, Christian Günther 1, 5, 10–12, 221f., 304, 388, 398, 405f. Raynal, Guillaume Thomas François (Abbé Raynal) 360, 373, 389, 396f. Reichard, Heinrich August Ottokar 221, 319, 364, 401, 403–405 Reid, Thomas 242 Reimarus, Hermann Samuel 242 Richardson, Samuel 113, 127, 244, 251, 258 Richey, Michael 54, 217 Riedel, Friedrich Justus 21, 133, 208f., 211, 238, 240, 253f., 265, 404 Riqueti, Honoré Gabriel de, Comte de Mirabeau 362, 369–373, 391–395, 398 Robinet, Jean-Baptiste 242 Rolli, Paolo Antonio 161, 275 Rost, Johann Christoph 19, 177, 254, 284 Rousseau, Jean-Baptiste 72, 149, 172, 228, 268, 281, 332 Rousseau, Jean-Jacques 51, 141, 147, 177, 188, 215, 261, 265, 268, 284, 376

Sack, August Friedrich 280, 283 Saint-Aulaire, Marquis de (François-Joseph de Beaupoil) 116, 202, 245 Saint-Foix, Germaine François Poullin de 51, 215, 331 Saint-Hyacinthe, Thémiseul de 263 Saint-Pierre, Charles Irénée Castel (Abbé) de 145, 263 Salzmann, Christian Gotthilf 250 Sangerhausen, Christoph Friedrich 148, 266, 375, 403 Scheffner, Johann George 223f. Schiller, Friedrich 20, 255 Schiller, Karl Georg Wilhelm 27f., 350, 394

414 | Personenregister

Schirach, Gottlob Benedict von 2, 9, 209, 315, 324, 340, 343, 376 Schlegel, Johann Adolph 136, 246, 249, 378 Schlegel, Johann Elias 136, 248f., 256, 315, 320, 345 Schlözer, August Ludwig von 145, 263, 320 Schmettau, Graf Woldemar Herrmann von 365 Schmid, Christian Heinrich 7, 15, 19, 22, 27, 227, 298, 339, 344, 346f., 349, 374, 379, 388f. Schmidt, Jakob Friedrich 171, 245, 257, 280 Schmidt, Julian 353 Schmidt, Klamer Eberhard Karl 275, 283, 351, 364, 402–405 Schönaich, Christoph Otto von 221, 354 Schønau, Frederik Christian 248 Schubart, Christian Friedrich Daniel 20f., 158, 273, 344f., 381 Schütz, Christian Gottfried 242, 378, 394 Seianus, Lucius Aelius (Sejan) 136, 255 Seneca, Lucius Annaeus 116, 126, 245, 251, 273, 284 Sévigné, Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de 3, 56, 208, 217, 284, 359, 373 Shakespeare, William 117, 246, 256, 289, 308f., 314, 336, 350f. Sievers, Heinrich Jakob 131–133, 145, 253 Smith, Adam 10, 242, 396 Sokrates 18, 134, 259, 266, 287, 361, 370, 390, 398 Spalding, Johann Joachim 37, 208f. Spener, Philipp Jacob 263 Steele, Richard 232 Steinbart, Gotthilf Samuel 208, 373, 399 Stenersen, Peder Christopher 248 Sterne, Lawrence 246, 257f. Stolberg, Christian zu Stolberg 20 Stolz, Johann Jakob (Gedeon Kr.) 228 Strabon 209 Stuß, Johann Heinrich 216f. Sucro, Christoph Joseph 160, 274 Sulzer, Johann Georg 243, 246, 269, 324, 374, 378 Swift, Jonathan 118, 129, 131, 134, 137–145, 202, 247f., 253, 260, 262f., 320, 322

Tartini, Giuseppe 63, 222 Tasso, Torquato 22, 118, 167, 181, 193, 197f., 247, 270, 278, 285, 312 Themistokles 189, 287 Thomasius, Christian 344, 368 Thomson, James 170, 280 Thümmel, Moritz August von 17, 22, 200, 290, 321 Timagenes 209 Timoleon 164f., 277 Toussaint, François Vincent 145, 264 Trapp, Ernst Christian 250 Turgot, Anne Robert Jacques 360, 373 Unzer, Johann August 1, 4, 241, 351, 354 Unzer, Johann Christoph 4, 25, 208, 248, 260, 340, 343, 348, 350f., 359 Uz, Johann Peter 17, 19–21, 88, 90–92, 149f., 154, 159, 161, 163–171, 175, 200, 215, 235f., 246, 249, 263, 267–269, 274, 276–281, 283, 306f., 310f., 321f., 334, 338, 340, 355 Vergilius Maro, Publius (Vergil) 88f., 143f., 149, 152, 155, 234, 240, 253, 262, 264, 267–270, 278, 333 Vivonne, Catherine de Marquise de Rambouillet 284 Voltaire (François-Marie Arouet) 56, 87, 116, 137, 147, 217, 232, 234, 241f., 245, 255, 257, 281, 375, 397 Voß, Johann Heinrich 271, 277–279, 341, 381 Warton, Joseph 157, 241, 272, 298, 309, 320 Warton, Thomas 157, 272, 320 Weichmann, Christian Friedrich 217, 303 Weiße, Christian Felix 3, 17, 20f., 41, 44, 149, 170, 199, 212f., 227, 239, 267, 280, 289f., 311, 321–323, 374f. Werlhof, Paul Gottlieb 99, 157, 159, 240, 272f. Wichmann, Christian August 40, 211 Wieland, Christoph Martin 8, 16f., 19–21, 24, 41, 52, 59, 88–90, 93, 145f., 150, 171, 175–177, 182, 187–192, 211f., 214, 216, 219f., 228, 235–237, 252, 254f., 257, 264, 267, 270, 280f., 283f., 286–

Personenregister | 415

288, 295, 300f., 306f., 310, 319, 322, 333, 339, 342, 350, 352, 355, 368, 374– 376, 378, 388, 395, 398, 403 Willamov, Johann Gottlieb 17, 200, 290, 321 Withof, Johann Philipp Lorenz 19, 160, 163, 274, 307, 322 Wittenberg, Albrecht 220, 226, 250, 252, 389 Wolff, Christian 233, 237, 242, 368 Young, Edward 22, 115f., 118, 122, 126f., 170, 214, 244f., 249, 251, 274, 280, 299, 307, 322, 336f., 350f. Zachariä, Justus Friedrich Wilhelm 3, 10f., 17, 19, 149f., 200, 222, 233, 267f., 290, 304, 321, 402–404 Ziegler und Klipphausen, Heinrich Anselm von 217 Zierlein, Johann George 1, 315–317, 340 Zimmermann, Johann Georg 283, 363, 373f., 376