Tunesien: Karthager, Römer, Araber : Kunst, Kultur u. Geschichte am Rande d. Wüste (DuMont-Dokumente) (German Edition) [1. Aufl] 3770110269, 9783770110261

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German Pages 295 [305] Year 1978

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Tunesien: Karthager, Römer, Araber : Kunst, Kultur u. Geschichte am Rande d. Wüste (DuMont-Dokumente) (German Edition) [1. Aufl]
 3770110269, 9783770110261

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DuMont Kunst-Reiseführer

Hans Strelocke

Karthager, Römer, AraberKunst, Kultur und Geschichte am Rande der Wüste

Tunesien

»In Hammamet angelangt, ist noch ein kleiner Weg in die Stadt. Was für ein Tag! In allen Hecken singen die Vögel. Wir blicken in einen Garten, wo ein Dromedar an der Zisterne arbeitet. Das ist ganz bi­ blisch.« Paul Klee, Tagebuch über die Tunisreise, 14. 4. 1914

Kunst-Reiseführer in der Reihe DuMont Dokumente Z u r schnellen Orientierung — die wichtigsten Orte Tunesiens a u f einen Blick: (Auszug aus dem ausführlichen Ortsregister S. 292 ff.) B a r d o ...............................150

M ahdia.................................... 2i2ff.

B ise rta ...............................248fr.

M ak tar.....................................i22ff.

Bulla R e g i a .................... i04ff.

M a tm a ta ...........................221

Chenini...............................228

M edenine...........................226 f.

D je r b a ................................... 222 ff.

M o n a s tir ............................... 209 fr.

Dougga..................................... 92 fr.

N a b e u l.................................... 279

El D j e m ..........................134ff.

N e f t a ................................244 f.

El O u d i a n e .................... 242

S b e itla ................................ i3off.

Foum Tatahouine

S fax ..................................... 215 ff.

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227

G a b e s ...............................219fr.

Sidi Bou S a id ......................151

G a f s a ...............................229 fr.

S o u s s e ................................202 fr.

G ig h ti...............................137fr.

T a b a r k a ...........................281

H a m m a m e t.....................280

Thuburbo Majus .

H e rg la ...............................282

T o zeu r................................243 f.

.

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85 fr.

H oum t-Souk.................... 286

T u n i s .....................................141fr.

K a ir o u a n ....................

1:7s ff-

U t i c a ...................................... 78 fr.

9 ff.

Z aghouan ................................. 90 ff.

K a rth a g o .......................... K erk o u an ..........................82fr.

Le K e f ...............................246 fr.

Z a m a ..................................... i29f. Z a r z i s ................................225

< ^ I n der vorderen Innenklappe: Karte von Tunesien In der hinteren Innenklappe: Zeittafel zur Geschichte Tunesiens

Hans Strelocke

Tunesien Karthager, Römer, Araber Kunst, Kultur und Geschichte am Rande der Wüste

DuMont Buchverlag Köln

A u f der Umschlagvorderseite: Monastir A u f der Innenklappe: August Macke: Die Tunisreise 1914, >Eselreiter< A uf der Umschlagrückseite: Hergla Seite 2: Bäuerliches Silberamulett in Hufeisenform aus Tunesien (nach: Clémence Sugier: S ym ­ boles et Bijoux traditionnels de TunisieHausrouten< die Tyrer als Kaufleute nach Metallerzen, vor allem im fernen Spanien, wo irgendwo jenseits der Straße von Gibraltar reiche Gold- und Silberminen, wohl im Gebiet der Mündung des Guadalquivir, von den Iberern ausgebeutet wurden. Tartessos hieß die Gegend, wie Diodorus Siculus berichtet. Aus der Sierra Morena wur­ den Silberbarren in Gades (heute Cadiz) geladen, und tyrische Schiffe segelten auf der Suche nach Zinn um die letzte Jahrtausend wende v. Chr. bis zur Bretagne, einige sogar bis Irland und Britannien. So wurde, wenn man den Quellen glaubt, Gades kurz nach dem Trojanischen Kriege gegründet (um m o v. Chr.) Utica n o i , und Plätze längs der Marokko-Küste, wie etwa Lixus, folgten. Die Tyrer galten den Mittelmeeranreinern als angesehene, wagemutige und vorzügliche Kaufleute. Daß dennoch eine Gruppe ihrer Bürger sich veranlaßt sah, die Stadt zu verlassen und eine neue Hauptstadt der Phönizier zu gründen, mag vielerlei Gründe gehabt haben. Von Joniern und Dorern angestoßen, drängten vom Mittelmeer her die Kelten gen Westen, nahmen Frankreich und Nordspanien ein, bedrohten die tyrischen Han­ delswege am Atlantik und, entfernt zwar noch, selbst ihr >Goldland< Tartessos. Aus Italien stießen etruskische Handelsschiffe bis nach Madeira vor, und griechische Schiffe ankerten zeitweilig schon in Tartessos. Kurzum, das tyrische Handelsmonopol und die Quellen ihres Reichtums schienen gefährdet, die Passage der Meerenge zwischen Ostund Westbecken des Mittelmeeres bedroht, die Tage der Stadt zu weit entfernt von 9

KARTHAGO den Haupthandelsplätzen und die Seewege dorthin nicht mehr sicher. Dazu drangen seit Assurnasirpal (884 v. Chr.) die Assyrer vom Euphrat zur Mittelmeerküste vor und machten bald mehrere phönizische Städte tributpflichtig. Was lag also näher, als irgendwo im Westen, näher an den Rohstoffquellen, eine neue Basis für den Fort­ bestand tyrischen Wohlstands zu suchen? Gründung. Nur zum Teil gesicherte Berichte von der Gründung Karthagos beginnen mit einem König Pygmalion, der nach Menandros (Historiker aus Ephesus, Ende 9. Jh.) und Timaios (griech. Historiker, 352-256 v. Chr.) tatsächlich in Tyros als König regiert hat. Seine Schwester Elissa (die Dido der Äneis) nun heiratete im siebenten Regierungs­ jahr ihres Bruders - möglicherweise war sie Mitregentin - den reichen Oberpriester des tyrischen Stadtgottes Melkart, ihren eigenen Onkel Acherbas. Der Familienzwist war da, Pygmalion ließ Acherbas umbringen, seinen Besitz konfiszieren, Elissa selbst konnte ihr Leben nur durch die Flucht retten. Zusammen mit einer Schar Ergebener segelte sie zuerst nach Zypern, nahm dort den Oberpriester der Astarte und achtzig Tempel­ prostituierte als Garanten für den Fortbestand von Kult und Kolonie an Bord und segelte gen Sonnenuntergang. Eigentlich hätte ja ihr alter Handelsplatz Utica am großen Tunis-Golf das Ziel der Auswanderer sein müssen. Die damalige Lage der schon mehr als zweihundert Jahre alten Phönizier-Siedlung in den flachen, sumpfigen Medjerda-Mündungsebenen schien aber für Erweiterung und Ausbau zu einer neuen Handelsmetropole weniger geeignet als nur 30 km weiter südlich die weite Bucht von Le Kram. Dort gab es eine Halbinsel, nur durch versandete, flache Landbrücken mit dem Festland verbunden, die eine sehr schmal und dazu von einer Fahrrinne zerschnitten, die andere breiter und befahrbar, dahinter eine flache, fischreiche Lagune, und inmitten der sicheren Halbinsel mehrere Sandsteinhügel - geradezu eine Ideallage zur Neugründung einer Stadt, wie die erfah­ renen Tyrer sogleich erkannten, wenn nicht ohnehin hier schon ein Ankerplatz für ihre Schiffe bestanden hat. Sie landeten in den flachen Südbuchten, zogen dort ihre Schiffe an Land, stiegen später die Hügel hinauf und nahmen sicherlich schnell Besitz von der gesamten Halb­ insel, gut 20 Hektar Baugelände für eine neue Stadt, dazu um 50 Quadratkilometer Hinterland, eine landwirtschaftliche Reserve zur Versorgung, wenn die Stadt einmal in Kriegsnot geraten sollte. Weltberühmt ist die Legende von der levantinischen List Prinzessin Elissas, mit der sie dem Numidier-König Hierbas ein riesiges Stück Land abluchste: sie erbat so viel Boden von ihm wie eine Rinderhaut umfassen könne"', schnitt die Haut in fadendünne Streifen und umgrenzte damit die Bodenfläche von quart-kadasht oder Hadachat (Hadaschat), was >NeustadtNeue Hauptstadt* heißt. Läßt man die legendäre Verbrämung beiseite, so bleibt, daß Elissa und ihre Rat* Wortspiel: griechisch byrsa = Odisenhaut und Byrsa = die Akropolis von Karthago nordwärts der Häfen.

IO

Weltbild zur Zeit der Gründung von Karthago geber ganz zielbewußt das phönizische Zentrum dem assyrischen Zugriff zu entziehen und zum wirtschaftspolitisch wichtigen Westen hin zu verlegen trachteten, genau an die Stelle, von der aus beide Mittelmeerbecken unmittelbar zu kontrollieren waren. Yergil erzählt, daß Äneas nach langer Irrfahrt an Nordafrikas Küste verschlagen wurde, nach Karthago kam und hier fast der schönen Dido (= Elissa) verfallen wäre, dem »Muster an siegender Schönheit, das im Gehen hoch über die Göttinnen alle empor­ rage«, daß ihn Jupiter jedoch veranlaßte, weiter zu segeln, und die verschmähte Dido sich aus Gram darüber getötet habe. 814 soll das gewesen sein. Das Jahr gilt als Gründungsdatum der Stadt Karthago; Timaios präzisiert, es sei 38 Jahre vor der ersten Olympiade gewesen, die 776 v. Chr. in Olympia stattfand. Daß Vergils Äneas/Dido-Geschichte eine epische Verdichtung ist, die die historische Chronologie außer acht läßt, ist längst erwiesen; mit Äneas und dem brennenden Troja hat er das Geschehen um bald vier Jahrhunderte zurückdatiert. Didos Sakralopfer. Die punische Elissa-Legende berichtet dagegen weiter, Hierbas, der Numidier-König habe sich sterblich in Elissa verliebt, doch sie, die sich noch immer ihrem Priestergatten Acherbas verbunden fühlte, habe seinem Werben nicht nach­ gegeben. Erneut gebrauchte sie eine List: um die Ehebande mit ihrem toten Gatten durch eine feierliche Handlung zu lösen, ließ sie einen riesigen Scheiterhaufen anzün­ den, Opfertiere töten und den Flammen übergeben und stürzte sich dann plötzlich II

KARTHAGO

selbst ins Feuer und verbrannte. Sie gab damit den unmittelbaren Anlaß zu den späte­ ren Sakralhandlungen: Kinder im Opferfeuer zu verbrennen. Seit jeher glaubten viele primitive Völker, aber auch die alten Ägypter, daß der Häuptling oder König, später sogar einzelne Götter, einem Altersprozeß unterworfen sei, der viele Unvollkommenheiten der Zeit- und Weltenordnung erkläre. Daher mußte der Sakralkönig sich opfern, durch sein Sterben den Ablauf der Zeit umkehren, mußte vorübergehend das Zeitliche verlassen, um eine Neugeburt, eine Wiederholung und Regeneration der Schöpfung zu ermöglichen. Im alten Ägypten wurde die barbarische Sitte des Königtötens abgelöst vom >KultlaufHerr des Düfte-Altars< oder >der Weihrauchopfer« wird gleichgesetzt mit dem phönizischen El, dem Kronos der Griechen, dem Saturnus der Römer, menschlich dargestellt in langem Gewand, mit Bart und hoher Tiara, sitzt auf einem von geflügelten Sphingen gezierten Thron, in der Linken eine Lanze, mit der Rechten die Frommen segnend. Tanit, >Baals Antlitz«, gleichzusetzen mit der phönizischen Astarte, der griechischen Hera, der römi­ schen Juno Caelestis, Muttergöttin also und Göttin der Fruchtbarkeit mit den Haupt­ symbolen Taube, Fisch, Palme, Granatapfel, Brüsten, Flügeln, der Venusscheibe, Mondsichel, Flasche und mit dem vielformigen Tanit-Symbol und der offenen Hand. Anfangs war allein Baal Herr der Stadt und des Tophet, Sinnbild einer erschreckenden Göttlichkeit in der karthagischen Religion, die den Menschen zu ängstigen und in Ab­ hängigkeit vom Übernatürlichen zu setzen wußte. Deshalb präsentierte sich ursprüng­ lich Gott Baal in einem einfachen, vierkantigen Steinpfeiler, eine numinose Kraft ohne persönlichen Bezug, allein oder als Doppelpfeiler, wenn seine weibliche Erscheinungs­ form mitgemeint war. Dieses war lange Zeit Tanit, sein >Antlitzmol’k
selbstlos< in die Flam­ men. Die Karthager waren eben phönizische Tyrer, Kanaaniter, und bis zur Zeit König Josuas, der die Kinderopfer verbot, wurden auch von den vormosaischen He­ bräern Kinderopfer dargebracht, wie der Tophet im Ben Fiinnom-Tal bei Jerusalem beweist. Das uns so fremd anmutende, an Abraham ergangene Gebot, der Gottheit sei­ nen Sohn Isaak zu opfern, gehört durchaus in die religiöse Denkstruktur dieser Zeit.

KARTHAGO

Diodorus von Sizilien beschreibt detailliert das Mol’k-Opfer im Tophet von Kar­ thago, davon angeregt, hat Gustave Flaubert in >Salammbö< eine phantastische Schilde­ rung gegeben: »Die Vorbereitungen für das Opfer waren bereits im Gange. Man hatte einen Teil der Mauer des Moloch-Tempels niedergelegt, um den erzeugten Gott ins Freie bringen zu können . . . er bewegte sich rückwärts, über Rollen gleitend. Seine Schultern überragten die Flöhe der Mauern. 'Wohlgeruch duftete durch die Straßen . . . Unterdessen brannte ein Feuer aus Aloe, Zedern und Lorbeer zwischen den Beinen des Kolosses . . . Die Salben, mit denen er bestrichen war, flössen ihm wie Schweiß über die erzenen Glieder. Um die Fliese herum, auf der seine Füße standen, bildeten die in schwarze Schleier gehüllten Kinder einen unbeweglichen Kreis. Und seine übermäßig langen Arme senkten ihre Flände hinab bis zu ihnen, als wollte er diesen Kranz fassen und hinauftragen in den Himmel . . . Manche fielen in Ohnmacht, andere wurden in ihrer Ekstase teilnahmslos und wie erstarrt. .. Langsam verstummten auch die letzten Schreie, und das Volk von Karthago stöhnte, gefangen in seiner Sucht nach dem Ent­ setzlichen. Endlich schob der Hohepriester Molochs linke Hand unter die Schleier der Kinder und riß ihnen eine Haarlocke von der Stirn, die er in die Flammen warf. Die Männer in den roten Mänteln stimmten die heilige Hymne an . . . Ihre Stimmen ver­ loren sich in dem Tumult aller Instrumente, die zugleich erschollen, die Schreie der Opfer zu ersticken . .. Mit einem langen Haken öffneten die Tempeldiener die sieben übereinanderliegenden Fächer im Körper des Baal. In das oberste schüttete man Mehl, in das zweite setzte man zwei Tauben, in das dritte einen Affen, in das vierte einen Widder, in das fünfte ein Lamm, und da man für das sechste keinen Ochsen zur Ver­ fügung hatte, warf man eine aus dem Heiligtum geholte H aut hinauf. Das siebente Fach aber blieb leer. Bevor man etwas unternahm, war es gut, den Arm des Gottes zu prüfen. Dünne Ketten, die an seinen Fingern befestigt waren, liefen über seine Schul­ tern und von dort über seinen Rüchen, wo Männer mit ihrer Hilfe seine beiden ge­ öffneten Hände bis zur Höhe des Ellbogens zogen, so daß sie sich einander näherten und seinen Bauch berührten. Sie bewegten sich ruckweise, mehrere Male hintereinander. Dann verstummte das Klirren der Ketten. Das Feuer fauchte . . . Endlich stieß ein schwankender, bleicher und vor Angst häßlicher Mann ein Kind vor sich her. Bald sah man in den Händen des Kolosses eine kleine schwarze Masse. Sie verschwand in der dunklen Öffnung. Die Priester beugten sich über den Rand der großen Fliese, und wieder erscholl ein Lied, das die Freuden des Todes und die Wiedergeburt in der Ewigkeit verherrlichte. Die Kinder wurden langsam näher gebracht . . . keines rührte sich. Sie waren an Händen und Füßen gefesselt; die dunklen Schleier hinderten sie, etwas zu sehen, verhinderten, daß sie erkannt wurden . . . Die erzenen Arme arbeiteten schneller; bald fanden sie keine Ruhe mehr. Jedesmal wenn man ein Kind in sie legte,

I DOUGGA Blick durch den Triumphbogen des Severus Alexander zum Kapitol, dessen o Front mit sechs Portikussäulen vor der Cella in die Weite der Khalled-Ebene schaut

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DOUGGA

Mosaik: >Odysseus segelt an den Sirenen vorüben, 3. Jh.

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DOUGGA

Blick von den oberen Theaterrängen über das libysch-punisdte Mausoleum hinweg [>

III

KARTHAGO

Der heilige Tophet

V

ZAGHOUAN Das Nymphäum. Vor der Statue des Quellgottes schwingen die Säulengänge der Anlage in weitem Bogen nach außen. Dort sammelten sich in einem Becken die Wasser, ehe sie über einen Aquädukt nach Karthago und Tunis geleitet wurden. Im Hintergrund die zerfressenen Kalkdome des Djebel Zaghouan

VI

KAP BON Die Halbinsel, das Hermänische Adar (Fuß-Kap). Bei Korbous heilten schon Kebir brachen die Karthager Sandsteinquader hatten punische Purpurfärber bereits im 6. Jh.

Vorgebirge der Alten, heißt bei den Arabern Ras die Römer Gicht und Fettleibigkeit. Bei Ghar el zum Bau ihrer großen Stadtmauer. In Kerkouan v. Chr. mehrere Stockwerke hohe Häuser errichtet

VII

TUNIS Die 1616 errichtete Moschee des Bey Youssef mit prachtvollen, von korinthischen Säulen getragenen Hufciscnbögcn aus zweifarbigem Stein, deren Innenseiten mit geometri­ schen Dekor, Arabesken und Koran-Inschriften geschmückt sind. - Aus quadratischem Sokkel steigt das schlanke achteckige Minarett empor, darüber die vorkragende Plattform, de­ ren hölzernes Schirmdach von einer grüngedeckten, pyramidenförmigen Dachhaube gekrönt wird

VIII

TUNIS Gebetsraum der Djama Ez-Zitouna, der Ölbaum-Moschee: in 15 Schiffen mit je 6 Jochen omaijadische und aghlabidische Dekors zwischen antiken Säulen, deren großartig ziselierte Kämpfer steinerne Uberhalbkreisbögen tragen, die von Holzbalkcnankern stabili­ siert werden. Venezianische Glaslüster beleuchten den Gebetssaal [>

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SIDI BOU SAID Im berühmten Café des Nattes saßen auf diesen Teppichen im Jahre 1914 die drei Maler Macke, Klee und Moilliet. Mackes Malereien - es entstanden 27 Aquarelle und Dut­ zende von Zeichnungen - gehören »zum Feinsten, was die europäische Kunst in Anwendung der Wasserfarbe reifen ließ« (vgl. Umschlaginnenklappe)

TUNIS In der Tonnenschlange des Souk El Trouk. Hier gibt es Stoffe und Kleider, gleich nebenan, im Souk El Berka, Schmuckstücke, im El Attarine, dem duftenden, findet man die Parfumhändler. Im Baustil der Souks aus dem 13. Jh. wird maurisch-andalusischer Einfluß deutlich

XI

GOLF VON HAMMAMET Nicht nur Luxushotels mit allen Bequemlichkeiten säumen den Golf. In stiller Abgeschiedenheit liegt die Moschee des Sidi Abd El Kadar El Djilani, weiß wie ein Schaffell vor dem Azurblau des Meeres

X II

HAMMAMET Ebensogut irgendwo im einst islamischen Andalusien könnte die verwinkelt malerische Altstadt bei der Kasbah liegen. Das Minarett der Großen Moschee ragt in das Blau des späten Nachmittags vor dem vierten Gebetsruf [>

XIV

KAIROUAN Blick auf die heilige Steppenstadt des Okba Ben Nafi mit ihren Rippcnkuppeln über den vielen Heiligtümern, von denen die Okba-Moschee die ehrwürdigste ist. Ihren großen Hof säumen lange Portiken aus Doppelsäulen und Kreuzpfeilern für die wuchtigen Bogen­ lager, ein sehr harmonischer Aufbau im Gegensatz zur Außenmauer, die - typisch für die islamische Sakralarchitektur - vollkommen schmucklos blieb

Sonnenuhr< sind die ein­ zigen Unterbrechungen in den Marmorplattenbelägen des großen Hofes der Okba-Moschee. Das 35 m hohe Minarett schließt ihn ab. Es ist noch omaijadisch und gliedert sidi in drei, nach oben zu verjüngte Steinkuben, die von einer Rippenkuppel abgesdilossen werden: Typ eines syrisdren Viereckturms, Vorbild für viele andere Gebetstürme in Nordafrika

XVI

KAIROUAN Der Hof der Barbiermoschee des Sidi Sahab El Balaoui, eines Gefährten des Propheten Mohammed, ist Kairouans vorzüglichstes Beispiel für islamische Dekorfreudigkeit. Farbenfrohe Wandflächen in buntem keramischen Belag wetteifern mit durdibrodienen Stuk­ katuren, flamboyantem Netzwerk aus Marmor, Gips und Stein, leuchtend in Farbe und Form. Eine feierliche Schönheit, die zur Kontemplation zwingt

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XXI

Mehrstöckige Ghorfas, die Vorratshäuser der Djeffara-Halbnomaden

X X II-X X IV

Wohntrichter von Matmata, kühle Behausungen, um io m tief, in den weichen krei­ digen Sedimentböden

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XXVI

Der Bergkegel von Guermc^a

Es sind keine Menschen, sondern Ochsern und die Menge wiederholte: >Ochsen! Ochsenh. Die Opferwilligen schrien: >Herr! Iß sieh, und die Priester . . . murmelten die eleusinische Formel: >Gieße den Regen! Zeugeh. Kaum hatten die Opfer den Rand der Öffnung erreicht, als sie wie Wassertropfen auf einer glühenden Platte verschwanden, und weißer Rauch stieg auf in das weite Scharlachrot. Unterdessen wuchs die Gier des Gottes ins Unermeßliche. Immer mehr verlangte er. Und um ihn zu befriedigen, häufte man die Opfer in seinen Händen und legte eine Kette um sie, sie zusammenzuhalten. Zu Beginn hatten die Frommen sie zählen wollen, um zu sehen, ob ihre Zahl den Tagen des Sonnenjahres entspräche. Aber man legte immer neue hinzu, und bei der schwindelnden Bewegung der entsetzlichen Arme war es unmöglich, sie einzeln zu erkennen. Das alles dauerte lange, unendlich lange, bis in den Abend hinein. Dann wurden die inneren Wände dunkler. Man sah verbrennendes Fleisch. Viele glaubten sogar, Haare, Glieder, ganze Körper zu erkennen. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Wolken häuften sich über Baal. Der Scheiterhaufen, der jetzt keine Flammen mehr hatte, bildete eine Pyramide aus Asche, die bis hinauf zu seinen Knien reichte. Vollständig rot wie ein mit Blut bedeckter Riese, schien er mit dem nach hinten geneigten Kopf unter der Last seiner Trunkenheit zu schwanken. In dem Maße, wie die Priester sich beeilten, schien der Wahnsinn des Volkes zu wachsen. Da die Zahl der Opfer geringer wurde, schrien die einen, man solle sie schonen, die anderen, daß man neuer bedürfe . . . Gläubige kamen durch die Gänge, ihre Kinder mit sich zerrend, die sich an sie klammerten. Dann vernahm man das Schreien der Mütter und das Knistern des Fetts, das auf die Kohlen tropfte. Die Bilsenkrauttrinker krochen auf allen Vieren um den Koloß und brüllten wie Tiger . . . die Opferwilligen sangen mit aufgesprungenen Lippen. Man hatte die Gitter niedergerissen, alle wollten an dem Opfer teilnehmen. Und die Väter, deren Kinder früher geopfert worden waren, warfen ihre Bilder in das Feuer, ihr Spielzeug, ihre bisher sorgsam gehüteten Gebeine. Mit Messern stürzten manche aufeinander los. Man brachte sich gegenseitig ums Leben. Vom Rande der Fliese sammelten die Tempeldiener die verstreute Asche in bronzenen Wannen und warfen sie in die Luft, damit das Opfer sich über die Stadt und bis hinauf zu den Sternen verbreite . . ,« Stelen (Abb. 11, 12, 14-20, 32-39). Um Didos Grab entwickelte sich im Verlaufe der

karthagischen Historie der Tophet als auf ältere, verfallende Schichtfolgen aus dem 8./7. Jh. sich neue Urnengräber und Stelen lagerten. Anfangs genügten Höhlen und Vertiefungen im Strandboden, in die man einfache Tonurnen (Abb. 13), ganz im Stile der ägäischen Keramiken des 2. vorchristlichen Jahrhunderts, legte, angefüllt mit Knoveredelt< im hellenisch-römischen Sinne. Gemeint sind vor allem die prächtigen Ghorfa-Stelen (Abb. 36-39), neopunisch also und verbunden mit hartnäckigem Festhalten an alten punischen Motiven und weiterentwickelt im hellenisch-römischen Umfeld, geradezu ein vermenschlichtes Pan­ theon, eine innige punisch-griechisch-römische Synkrise. Vom Boden hinauf zur Spitze gliedern drei Register diese Stelen an ihrer Vorderseite: unten meist ein Tieropfer (Abb. 41) oder Figuren, die einen Löwen töten oder eine Schlange verschlingen. Im Mittelregister steht oder sitzt auf einem Sockel, umrahmt von einer Tempelfront der Stifter, im Ziergiebel sieht man einen Frauenkopf, eine himmlische Gestalt oder als Symbol des Göttlichen einen Adler. Im oberen Register beherrscht in der Regel ein Gott das Mittelfeld, aus den Vasen in seinen Händen quellen Symbole der Fruchtbar­ keit, Granatäpfel oder Trauben, hervor. Andere Götter flankieren ihn, oft Dionysos mit Stab und Krone, Aphrodite mit einer Taube oder Merkur mit federgeschmücktem Hut. Über allem prangt das Tanit-Zeichen, ein Frauenkopf, Rosetten oder die Büste eines Gottes und die Mondsichel, ihre Enden nach oben oder nach unten gebogen und manchmal in der Linie weitergeführt zur Scheibe, die dann ein menschliches Antlitz trägt - Symbol der himmlischen Welt, des Inneren des Gottestempels und Anspielung auf Tanit als lunare Göttin und ihren Partner Baal als solaren Gott (Abb. 36-39). Priester. An den Kultstätten und in den Tempeln dienten Priester, die ihr Leben ganz dem Gottesdienst geweiht hatten (kein Zölibat), bestimmte Ränge nahmen andere ein, die nur ab und zu Dienste versahen; dies waren meist erbliche Ämter, die in der Regel der Aristokratie Vorbehalten waren. Es gab Priester (koken) und Oberpriester (rab kohenim), sogar Priesterinnen. Ob irgendwann in Karthago die im Orient übliche Tempelprostitution gepflegt wurde, ist nicht bekannt. Zwar galt das Menschenopfer als höchste Gabe an die erzürnten Götter, die Opferung von Tieren war aber die Regel: Geflügel, Ziegen, Lämmer, Schafe, Kälber und Stiere, die man selbst mitbrachte oder nach bestimmten Tarifen kaufen konnte. Man opferte Baal Hammon auch Weihrauch oder legte Nahrungsmittel auf die Altäre. Beim Brandopfer wurde das Tier ganz den Flammen übergeben, beim Gemeinschaftsopfer teilte man mit den Priestern oder ließ ihnen alles, als Naturallohn für ihre zwischen Mensch und Göttern vermittelnde Tätig­ keit. Frauen und Schweinen war das Betreten der Tempel untersagt, andere Gebote sind nicht bekannt. Erst in der Römerzeit durften Besucher des Äskulap-Tempels (der alte Eshmun-Tempel) weder Schweinefleisch noch Bohnen gegessen haben und hatten sich vorher drei Tage lang des Geschlechtsverkehrs zu enthalten. Zwar glaubten auch die Karthager an ein Fortleben nach dem Tode, ihre Ansicht von den letzten Dingen blieb aber wohl recht oberflächlich; für das blasse Verweilen des

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KARTHAGO

Karthagischer Oberpriester, von einem Sarkophag

Verstorbenen im Grabe genügten offensichtlich wenige Vorräte, nicht zu viel Schmuck, dafür aber Statuetten der Tanit und vor allem Groteskmasken, um alle bösen Geister zu verscheuchen (Abb. 29, 30). Wieweit magische Überlegungen dabei eine Rolle spiel­ ten, ist unbekannt, Amulette in den Gräbern weisen aber darauf hin. Seltener war die Einäscherung, die Beerdigung war die übliche Beisetzungsform. In Tücher eingehüllt wurden die Leichname hinabgelassen in die Schachtgräber, die manch­ mal mit Steinplatten ausgekleidet waren. Erst in der Spätzeit wurden Verstorbene in griechischen Sarkophagen beigesetzt, was ohnehin nur sehr Begüterten möglich war. Interessant ist das Flachrelief eines punischen Oberpriesters an einem sehr kleinen, sicherlich für eine Aschenurne bestimmten Sarkophag aus dem 3. Jh. v. Chr.: der rab kohenim in Bart und Faltengewand hebt (segnend?) die Rechte, während die Linke eine Opferschale trägt. Neustadt und Häfen (2). Vermutlich gleich nach der Gründung setzte von dem gegen West- und Nordwinde geschützten Bezirk der Ankerbucht und vom Tophet aus zur Byrsa-Höhe hin die Entwicklung der Stadt ein. 30 m breit und 120 m lang trieb man eine Mole ins Meer, um ein geschütztes Hafenbecken zu haben, außer den Lagunen im Süden und Norden der Landzunge. Bald aber entschloß man sich zum Bau der künst­ lichen Hafenzone nördlich vom Tophet-Bezirk, den anzutasten nicht in Frage kam, obgleich sich guter Baugrund dort geradezu anbot. Aber, wie kostspielig und schwierig immer, legte man Wirtschafts- und Arsenalbauten weiter nordwärts an. Ein recht­ eckiger Handelshafen und ein runder Kriegshafen entstanden, zusammen als Kothon bezeichnet (abgeleitet aus der semitischen Wurzel von >hauenabhauenwilden Frauen< - es waren Gorilla-Weibchen - als Geschenk und zum Beweise seiner Fahrt auf, und im Temenos des Baal Hammon-Tempels ließ er den Bericht seiner Fahrt einschlagen. Aus dem Tempel überführten nach Karthagos Fall die Römer die bei Diodorus beschriebene erzene Bildsäule, der man angeblich Menschen opferte, nach Rom. Kein Tempel wollte sie aufnehmen, und so blieb sie vor dem Porticus ad nationes stehen. Vom Marktplatz führten, nach Appian, drei Hauptstraßenzüge hinauf zum Tempel­ bezirk der Akropolis, gesäumt von fünf- und sechstöckigen Häusern, eng gebaut aus Holzbalken und Steinen. In einem auf der Admiralsinsel gefundenen Goldplättchen ist solch vierstöckiges Haus eingraviert. Lange Portiken umgaben den Marktplatz. Dort stand ein Tempel des Apollon mit vergoldetem Götterbild in einer aus Gold getriebe­ nen Kapelle, von 1000 Talenten Gewicht; nach Karthagos Fall wurde es als Beute nach Rom gebracht und, nach Plutarch, der es noch gesehen hat, gegenüber dem Circus Maximus neben dem Bronzebild des T. C. Flaminius aufgestellt. Natürlich stand am Marktplatz auch das Senatsgebäude, Karthagos Rathaus, und das des Hohen Gerichtes, wie Justinius im Zusammenhang mit Hannos Verschwörung berichtet. Als 122 v. Chr. unter dem Triumvirn Sempronius Gracchus auf dem Platz des zerstörten Karthagos eine römische Bürgerkolonie errichtet wurde"', bauten die Römer vermutlich ihr Forum an der gleichen Stelle. Jedenfalls fand man dort ein Inschriften-Fragment mit 19 cm * 6000 Kolonisten auf Landlosen bei maximal 200 (nach Juno — Tanit).

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ju g e r a =

50,377 H ektar in der neuen Stadt Junonia

hohen Buchstaben: FORV. Zwei dort deutlich feststellbare Brandschichten könnten die des punischen, dann die des römischen Forums sein, das zur Zeit von Kaiser An­ toninus Pius abbrannte und, nach Augustinus (Confessiones VI 9,14) neu aufgebaut wurde. Den benachbarten vicus argentarius schildert er sogar genau. Vom Forum durch ein Bleigitter getrennt, stießen die Dächer der Verkaufsstände unmittelbar an den Platz. Selbst so etwas wie unsere Bidonvilles gab es damals in Karthago, ein Viertel der mapalia (nach den gleichnamigen konischen Rundhütten der nomadischen Land­ arbeiter und Tagelöhner), das Elendsviertel der Tagediebe, die im 4. Jh. geradezu eine soziale Krise heraufbeschworen hatten. Der Gesamtumfang des punischen Karthago läßt sich nach der Lage der Nekropolen bestimmen, die im Norden und Nordosten an die Wohngebiete anschlossen. 700 000 Einwohner sollen - nach Strabo - zur Blütezeit in der Stadt gelebt haben (jedoch wer­ den 400 000 angenommen, wie Athen im 5. Jh.). Um sie zu schützen, wurde die Stadt vermutlich im 5. Jh., der Zeit der karthagischen Machterweiterung, an drei Seiten kon­ sequent befestigt; die lange Seefront konnte ja nur ein Feind erfolgreich angreifen, der auch das Meer beherrschte. Die lange Mauer, 6 m dick, lief im Norden am Meer entlang vom hochgelegenen Kap Gammarth südwärts bis zur Taenia-Landzunge, dann bog sie - etwa beim heutigen Le Kram, jetzt dreifach gestaffelt, nach Westen ab, folgte der Küstenlinie am See von Tunis bis zur schmälsten Stelle des Isthmus, den sie bis zur Sebkha er Riana überquerte, um dann nordöstlich verlaufend Anschluß an die See­ mauer bei Gammarth zu finden, insgesamt etwa 38 km lang, und damit gut 10 km länger als die seiner Zeit berühmte Umwallung von Syrakus. Appian berichtet Einzel­ heiten: auf dem Isthmus, also der gefährdetsten Stelle, gab es einen 20 m breiten Gra­ ben, dann Vorbefestigungen aus Erdwall mit Palisaden und Pfählen und schließlich die 13 m hohe Bruchsteinmauer mit Balkenlagen, 8,35 m dick, 30 Ellen hoch, 20 Ellen stark. An der Innenseite lagen zwei Reihen von Stallungen übereinander, unten für 300 Elefanten, darüber für 4000 Pferde. In den Kasematten konnten 20 000 Infante­ risten (meist Söldner) und 4000 Kavalleristen untergebracht werden. Auf den Mauer­ kronen standen in Abständen von je zwei plethren (= 59,14 m) vier Stockwerke hohe Beobachtungs- und Verteidigungstürme. Daß eine solch gigantische Verteidigungsanlage nicht zu nehmen war, wurde Scipio schnell klar, deshalb ließ er den Damm vor der Hafeneinfahrt aufschütten und die Zufahrt von See her blockieren und griff später von dort her die Stadt an. Angesichts der dreifachen Mauer beschränkte er sich darauf, Hasdrubals Truppeneinheiten, die noch vor den Mauern operierten, zu binden, ihnen den Weg ins Hinterland zu sperren und selbst mit einem großen Lager schließlich die Stadt auch von der Landseite her total zu blockieren. Staatliche Ordnung. Ob Karthago am Beginn seiner Historie einen König hatte, ist

zweifelhaft; wenn Herodot schreibt, Hamilkar sei 480 v. Chr. wegen seiner Tapfer­ keit zum >König< ernannt worden, war das vermutlich nur die griechische Übersetzung des karthagischen sufet (= Richter; vom hebräischen schopet). Dieser entsprach wohl 47

KARTHAGO

in seiner Funktion einem Staatsoberhaupt, seit dem 4. Jh. wurde das Amt stets an zwei Bewerber und für ein Jahr vergeben, vergleichbar den beiden römischen Konsuln. Ihnen zur Seite stand ein Senat, dem ein >Rat der Hundert< assistierte. Verdienst um das Gemeinwohl und Vermögensstand waren Voraussetzungen für das Sufet-Amt. Im Senat von 300 Mitgliedern auf Lebenszeit arbeiteten Experten in mehreren Pentarchien, Fünferausschüssen, sie bestimmten auch die Mitglieder des >Rats der Hundert< (eigent­ lich 104), die in allen bedeutenden politischen und auch wirtschaftlichen Fragen kon­ sultiert werden mußten. Der Senat entschied über Krieg oder Frieden, garantierte die innere Sicherheit und nahm alle gesetzlichen Funktionen wahr. Der >Rat der Hunderte, der Gerichtshof der Stadt, hatte Recht und Ordnung zu überwachen oder Verstöße zu ahnden und war sicherlich Karthagos wichtigste Körperschaft. Eine Volksversammlung aus echten Bürgern hatte die Sufeten zu wählen, Entscheidungen bei Stimmgleichheit der Senatoren zu ermöglichen und bei vielen Vorgängen die Regierungsmannschaft zu konsultieren oder ihren Entscheidungen eine möglichst feste Grundlage zu sichern. Da die Sufeten (anders als die römischen Konsuln) keine militärische Vollmacht besaßen, hatte die Volksversammlung auch die Generäle zu wählen; nach Siegen belobigt, hatten sie nach einer Niederlage, wie schlechte Beamte, Tadel oder sogar schwerste Bestrafung zu erwarten, sofern sie —seit Mitte des 4. Jh. - vor dem >Rat der Hundert< ihr Ver­ sagen nicht plausibel erklären konnten. Da die Karthager selbst vom Militärdienst befreit waren und ihre Generäle deshalb fast immer Söldnerheere befehligten, mag das große Mißtrauen gerechtfertigt erscheinen. Im 5. Jh. hatte die Familie der Magoniden fast ein Monopolrecht auf das Amt des Oberbefehlshabers. Alles in allem war Karthagos Verfassung den griechischen oder römischen nicht un­ ähnlich, sie hatte unzweifelhaft aber einen aristokratisch-oligarchischen Zug, der sich aus der Funktion einer echten Handelsaristokratie und ihren vornehmlich kommer­ ziellen Leitmotiven heraus verstehen und erklären läßt. So waren und blieben die Karthager stets recht unpolitisch, nach Aristoteles, war die Jagd nach Reichtum ihre Hauptbeschäftigung. Militärische Unternehmen galten ihnen nur sinnvoll, wenn wirt­ schaftliche Notwendigkeiten sie rechtfertigten, und auch dann ließ man, anstatt die eigene Bevölkerung durch Kriege zu dezimieren, lieber Söldner kämpfen. Wenn schon Krieg, dann sollten möglichst viele davon profitieren. Entdeckungsfahrten. Einzig der Flotte galten uneingeschränkte Sympathien. Sie diente

dem Direkt-, Transit- und Zwischenhandel. Unter Segel fahrende, an Bug und Heck spitzkielige Handelsschiffe waren es, geschützt von wendigen Zweiruderern mit Schiffsschnabel an der Wasserlinie und stark zurückgekrümmtem Heck. In der antiken Welt waren sie weitgerühmt, und so lange beherrschten sie die Schiffsrouten und das Mittelmeer, bis Rom eine ähnliche Flotte baute und damit Karthago tatsächlich Paroli bieten konnte. Mit Hilfe der Flotte erschlossen sich die Karthager die Märkte, legten rund um das westliche Mittelmeerbecken Kolonialstädte an, segelten bis Britannien und entdeckten Madeira, die Kanarischen Inseln und die Azoren. Um 600 v. Chr. be48

reits umsegelten im Auftrag von Pharao Necho karthagische Seeleute von Ost nach West den afrikanischen Kontinent, und sie sahen - was ihren Zeitgenossen schier un­ glaubwürdig und reine Aufschneiderei war - die Sonne plötzlich im Norden. 175 Jahre später segelte Hanno im Jahre 425 v. Chr. »gegen die Strömung« an Afrikas Atlantik­ küste entlang bis Kamerun und Sierra Leone. Karthagos Handel war so erfolgreich, daß trotz der Verluste an Schiffen und Kriegsmaterial und deren Ersatz durch Neu­ anschaffungen, trotz der hohen Kriegsentschädigungen an Rom während der drei Punischen Kriege* und sogar in den letzten vierzig Jahren vor dem Untergang der Stadt, als das Schiffahrtsmonopol so gut wie verloren war, in Karthago selbst noch offensichtlicher Wohlstand herrschte.

* Erster Punischer Krieg:

Sizilien wird römisch, Karthago zahlt 20 Millionen Franken Kriegsentschädidigung. Zweiter Punischer Krieg: Alle karthagischen Besitzungen außerhalb Afrikas werden römisch, alle Ele­ fanten und die Kriegsflotte bis auf ro Schiffe werden ausgeliefert, eine gewal­ tige Summe Kriegsentschädigung wird gezahlt. Dritter Punischer Krieg: Karthagos Gesamtgebiet wird zur römischen Provinz Africa.

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KARTHAGO

Kunstwerke. Fast alle Kunstwerke, die uns überkommen sind, stammen aus punischen

Gräbern, so daß man von der bis heute bekannten Kunst Karthagos treffend von einer >Gräberkunst< spricht, hinzu kommen natürlich Angaben antiker Autoren und diverse Funde rund um das Mittelmeer. Phönizische Mutterland-Künste und karthagische sind eng verwandt, beide mehr oder weniger beeinflußt von ägyptischer oder ägyptisierender, von hellenischer, später hellenistischer und etruskischer Kunst, was fast er­ klärt, daß der Handelsaristokratie Karthago Kopien von Kunstwerken durchaus ge­ nügten, wenn damit Handel zu treiben und zu verdienen war und wenn der Import eines Kunstwerks bequemer war als seine mühevolle Herstellung. Sie waren ohne künstlerische Originalität, Gsell charakterisiert sie so: ». .. Sie erfinden keinerlei neue Verfahren, sie verjüngen ihr Repertoire an Vorstellungen nicht durch Fühlungnahme mit der Natur und dem Leben. Sie kopieren und kopieren. Zuerst sind ihre Werk­ stätten weiter nichts als Filialen derjenigen Phöniziens, die ihre Technik und ihre Mo­ delle an Ägypten orientiert haben, indem sie noch einige Elemente mesopotamischer Abstammung beimischten . . . Für gewisse Reihen von Gegenständen hielt sich dieser ägyptisierende Stil über mehrere Jahrhunderte, in Afrika war er noch hartnäckiger als im eigentlichen Phönizien. Trotzdem machten sich einige griechische Einflüsse seit dem 7. Jh. bemerkbar . . . dann dominierte die griechisdie Kunst. Es ist sehr wahr­ scheinlich, daß sie vor allem durch Sizilien eindrang . . . Die Technik degeneriert nach dem j. Jh. Wir dürfen die schlechte Qualität der auf den Toten gefundenen Schmuck­ sachen dem Wunsche zuschreiben, Kosten einzusparen, die man für nicht mehr nutz­ bringend hält. Sorgfältig gemachtes, an Ort und Stelle verfertigtes Geschirr würde nicht mehr gekostet haben als importierte Gefäße, an denen es in den Gräbern nicht mangelt. In Wirklichkeit gaben sich die punischen Handwerker keine Mühe mehr, etwas Gutes herzustellen, diese Sorge überließen sie den Griechen. Sie trieben ihr täg­ liches Geschäft, ohne es zu lieben. Sie hatten einen großen Kundenkreis für billiges Zeug. Andererseits lieferten Handelsmonopole die Käufer den Verkäufern auf Gnade und Ungnade aus . . .« Der Byrsa-Hügel (5). Er war, 60,50 m hoch, zweifellos weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Auf seinem fast quadratischen Plateau, dem »festesten Punkt«, erhob sich, nach Appian, Karthagos »berühmtester und reichster« Tempel, der des Eshmun, ver­ mutlich nach griechischem Vorbild errichtet. 60 Stufen führten zu ihm hinauf, bei Be­ lagerungen konnten sie unbegehbar gemacht werden, wie überhaupt vieles darauf hin­ deutet, daß die Byrsa als letzte Fluchtburg gedacht war (Gewölbe- und Getreidesilos). Das Byrsa-Plateau fällt nach drei Seiten ziemlich steil ab und konnte leicht zur Festung umfunktioniert werden. Eben dort gab es eine andere punische Nekropole, die einge­ ebnet werden mußte, als Karthago sich zum Endkampf rüstete und man die Akropolis mit 3 m dicken Ringmauern umgab und zur Zitadelle umbaute. Drei Kilometer lang sollen diese Ringmauern gewesen sein, demnach schlossen sie einen größeren Bezirk als nur das Hügelplateau ein. Heute steht dort die ehemalige Primatkirche von Karthago,



die Kathedrale St-Louis, einst Grabkirdie des Kardinals Lavigerie (Weiße Väter), dessen Leichnam unterdessen nach Rom überführt wurde (die Kirche wird in ein Museum umgestaltet). Noch deutlich erkennbar sind mächtige Mauerkomplexe unter­ halb des Hotels St-Louis, zum Teil von dieser Befestigung, aber auch von punischen Wohnhäusern (?) oder byzantinischen Befestigungen herrührend. Das Ende von Karthago wurde auf der Byrsa entschieden. Nach den historischen Quellern' verliefen die letzten Tage der einstigen Weltstadt Karthago etwa folgender­ maßen: Im Frühjahr 146 v. Chr. begannen die Römer an den Hafenbecken die Stadt zu stürmen, setzten Schuppen und Arsenale in Brand, nahmen den gesamten Hafen­ bezirk und stießen bis zum Marktplatz vor. Das voraussehend, hatten die Karthager jedes Haus am Wege zur Byrsa in eine Festung verwandelt; sechs Tage brauchten die Legionäre Roms, um in mörderischen Haus- und Mann-gegen-Mann-Kämpfen sich bis zur Byrsa-Höhe vorzuarbeiten. Appian, nach einem Polybios-Bericht, schildert es so: ». . . Alle Straßen, die vom Forum zur Byrsa führten, waren von sechsstöckigen Häu­ sern bestanden, aus denen die Verteidiger die Römer mit Geschoßhageln überschütteten. Wenn die Angreifer in die Häuser eindrangen, kämpfte man auf den Dächern und auf den Balken weiter, die man über die Hauslücken gelegt hatte. Dabei wurden viele zur Erde hinabgeschleudert oder auf die Waffen und Kämpfer unten in den Straßen. Da befahl Scipio, auch dieses gesamte Viertel in Brand zu stecken und die Trümmer weg­ zuschaffen, damit seine Truppen besser durchziehen könnten. Als das geschehen war, stürzten mit den Mauern die Leichen vieler Menschen herab, die sich in den obersten Stockwerken versteckt hatten und dann dort verbrannt waren, und zugleich mit ihnen andere, die noch lebten oder die verwundet waren oder schwere Brandwunden hatten. Dauernd hielt Scipio Legionäre bereit, um die Straßen für die vordringenden Römer zu räumen. Dabei wurden Tote wie Lebende gemeinsam in Gruben geworfen, und oft­ mals passierte es, daß die, die noch nicht tot waren, von anrückenden Pferden der Kavallerie zertrampelt wurden, zwar nicht absichtlich, sondern in der Hitze des Ge­ fechtes . ..« Als der siebente Tag dämmerte, erbaten Parlamentäre Hasdrubals den freien Abzug von 50 000 Männern, Frauen und Kindern; Scipio stimmte zu. Nur ein Häuflein Ge­ treuer und fast tausend römische Deserteure blieben bei Hasdrubal zurück. In der letz­ ten Kampfphase wurden sie schließlich auf dem Dach des Eshmun-Tempels zusammen­ getrieben. Jetzt bot Hasdrubal Frieden und bat um Gnade. Die Deserteure, die ihre Kreuzigung zu erwarten hatten, ersuchten um kurze Waffenruhe, steckten unterdes den Tempel an, verfluchten Hasdrubal sowie die Römer und stürzten sich in die Flammen. Auch Hasdrubals Frau beschimpfte ihren Mann als Verräter und Feigling, bedankte sich bei Scipio und stürzte sich mit ihren beiden Kindern ebenfalls in den brennenden Tempel. U. a. der Stoiker Panaitios und der Historiker Polybios, beide Griechen, die im Heere Scipios als Beobachter am Endkampf teilgenommen haben, dazu die Berichte Appians.

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KARTHAGO

Die Eroberung Karthagos durch die Römer Alles, was im zehn Tage wütenden Feuerstunn nicht verbrannte, beschlagnahmte Scipio für den römischen Senat: Statuen, Opfergaben, 4370 Pfund Gold und Silber und anderes Gut; die erbeuteten Waffen wurden verbrannt, nachdem sie Mars und Minerva geweiht worden waren, Gefangene in die Sklaverei verkauft, alle Mauern, die noch standen, niedergerissen und eingeebnet, dann sprach Scipio von der Byrsa herab den Fluch über die Trümmerstätte, und symbolisch wurde ein Pflug durch die Wüstenei gezogen und Salz in die Furchen gestreut, damit sie für alle Zeit unfruchtbar und un­ bewohnt bleibe. Nach sechs Jahrhunderten war das das Ende der Stadt Karthago. Der Sieger, Scipio Aemilianus, schämte sich vor Polybios nicht der Tränen, als er Karthago brennen sah. »Eines Tages auch wird das heilige Ilion und Priamos und des Priamos Volk umkom­ men durch den Speer«, zitierte er Homer und fügte hinzu: »Vielleicht wird eines Tages irgendwer ebenso über mein Land sprechen.« Römisches Karthago. Mit Karthagos Zerstörung war das gesamte karthagische Land als ager publicus populi Romani in den Besitz des römischen Volkes übergegangen; um es gegenüber den Numidiern zu sichern, wurde eine Grenzbefestigung, fossa, von Thaenae bis Thabraca gezogen und das so gesicherte Gebiet zur provincia Africa vetus

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(Alt-Afrika) mit Utica als Hauptstadt. Landvermesser teilten mit schnurgeraden Linien und ohne Rücksicht auf die Topographie die gesamte Provinz zwischen 120 v. Chr. bis 38 n. Chr. in centuriae ein, Quadrate von 710 m Seitenlange, ein gigantischer Kataster mit Grundeinheiten zur praktischen Vergabe und Abrechnung des ager publicus an afrikanische Bauern, die peregrini, die dafür einen Tribut, Stipendium , zu entrichten hatten (für römische Kolonisten war er niedriger)*. Der Plan des Caius Sempronius Gracchus, Karthago mit einzubeziehen und mit 6000 italienischen Siedlern wieder­ aufzubauen, scheiterte 123 v. Chr. am Aberglauben des römischen Senats. Wie Plutarch erzählt, wurden nämlich die römischen Feldzeichen vom Wind zerfetzt, die Fahnen­ stangen zerbrochen, und »zugleich fegte der Sturm alle heiligen Opfer, die auf dem Altäre lagen, hinweg und weit über die Grenzen der geplanten Stadt, und über die Grenzposten fielen die Wölfe her und schleppten sie fort«. Nach der Niederlage Jugurthas und Jubas fügte Caesar der afrikanischen Provinz das Gebiet Numidien als Africa nova hinzu, später konnte Augustus beide, und dazu Tripolitanien, zum neuen Africa proconsularis vereinen, einem Gebiet, größer als das heutige Tunesien und mit einer Einwohnerzahl von bald einer Million. Was Gracchus und Caesar auf demokratischem Wege nicht gelungen war, verfügte souverän im Jahre 29 Octavian; er gründete nach Caesars Plan am Platze Karthagos die Colonia Julia Carthago und siedelte ausgediente Soldaten und italienische Landarbeiter dort an, wie überall in der proconsularischen Provinz. Schon unter Augustus wurde die Stadt Sitz der Provinzialregierung, und am Ende des 2. Jh. war sie mit 300 000 Ein­ wohnern auf 600 Hektar die dritte im römischen Kaiserreich, von der Apuleius schwärmt: »Welcher Ehrentitel ist großartig und passend genug, um Karthago zu rühmen, eine Stadt, wo ich nur gebildeten Menschen begegne, die allen Wissenschaften zugetan sind . . . Karthago ist die ehrwürdige Schule unserer Provinz, Karthago ist die göttliche Muse Afrikas, Karthago ist die Mutter all derer, die die Toga tragen.« Wenig ist auch vom römischen Karthago erhalten geblieben, doch mehr als vom punischen, viel Römisches entstand ja unmittelbar auf punischen Fundamenten, oft sogar mit gleicher Funktion am selben Ort und oftmals der neuen Nutzung entspre­ chend vergrößert, wie z. B. die karthagischen Hafenanlagen. Deren Wasserflächen ent­ lang den Außenkais einschließlich des Kothon waren bald doppelt so groß und die Kaimauern etwa viermal so lang wie im alten Karthago. Nach den klassischen Regeln des Vitruvius hatte das Forum im Zentrum der Stadt an der Kreuzung von cardo und decumanus zu liegen. Weil aber dort ein genügend großer ebener Platz fehlte, mußte es mehr nach Osten zu an den alten punischen Markt verlegt werden, getrennt vom Kapitol auf der Byrsa. Von dem monumentalen Portikus (32 x 88 m) sind Fragmente und ein Victoriä-Relief im Museum zu sehen. Sechs Meter breite Straßenzüge umgrenzten 440 rechteckige insulae (cardo maximus parallel zur Küste, decumanus maximus rechtwinklig zur Byrsa), ihr Mittelpunkt, das * Ager publicus stipendiariis assignatus und Ager publicus a censoribus locari solitus.

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KARTHAGO

groma, liegt exakt unter dem Chor der Kathedrale St-Louis. Um im Stadtschema zu bleiben, wurden rücksichtslos und oft mühevoll Hänge abgetragen, Terrassen aufge­ schüttet, mächtige Stützmauern und Bogensysteme errichtet. Amphitheater (16). Es stammt aus dem 2. Jh., liegt in der Nähe des westlichen Stadt­

tores, ist eines von insgesamt neun und nur noch im Unterbau erhalten (Abb. 27). Nur i m fehlt ihm zu den Maßen des Kolosseums in Rom, es faßte gut 50 000 Zuschauer, die aus fünf Stockwerken mit Arkaden aus je fünfzig Marmorpfeilern den Spielen zusahen, sogar >Seeschlachten< bewunderten, wenn die Arena aus den Zisternen von La Malga über Verteilerkanäle mit Wasser gefüllt wurde. Während der Valerianischen Verfolgungen wurde hier der Hl. Cyprian enthauptet: fünfundzwanzig Goldstücke gab er vorher dem Henker, legte Mantel und Dalmatika ab und erwartete in der Tunika den Tod, der erste afrikanische Märtyrerbischof, von Rom gehaßt, ein großer Polemiker gegen Heiden und Römer: »Wenn man an ihren Ursprung zurückdenkt, ist er denn nicht schamlos? Sie sind eine Bande von Schurken und Dieben , . . Ihr König Romulus kommt durch einen Brudermord auf den Thron und dann plündern, brandschatzen und betrügen sie, ja, um ihre Stadt zu bevölkern, rauben sie Mädchen, vergewaltigen die Rechte der Gastfreundschaft und ziehen in den Krieg gegen ihre Schwiegerväter .. .« Am 17. Marz 202 ließ hier, nach einem Prozeß unter dem Proconsul und dem Pro­ curator Hilarianus, Kaiser Septimius Severus die Sklavin Felicitas, ihre Herrin Per­ petua und mehrere Gefährten hinrichten. Revocatus und Saturninus wurden erst von einem Leoparden, dann von einem Bären gerissen, dem Saturnus hatte man ein Wild­ schwein zugedacht. Es verschonte ihn, tötete aber den Wärter, der es in die Arena brachte. Erst ein Leopard zerbiß ihm die Gurgel. Perpetua und Felicitas wurden erst nackt in ein Netz gewickelt, und als die Menge protestierte, in Gewändern der CaelestisPriester einer wilden Kuh vorgeworfen, die sie zertrampelte, bis Gladiatoren ihnen den Gnadenstoß versetzten. Die Marmorsäule in der Arena soll daran erinnern. Augustinus lehrte im Amphitheater Rhetorik, was Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaften mit einschloß, sprach von >Sartago< (Karthago) als der »Pfanne, in der das Öl der Hurerei schäumt«, und beklagte, daß die Studenten nur noch in die Vorlesungen kämen, um Lärm zu machen, und mehr Zeit auf Vergnügungen denn zum Studium verwendeten. Er bewarb sich daher um eine Stelle in Italien, weit weg von den »Fallstricken des Satans« und den »aufgeblasenen Leuten«, denn »nimm alle Über­ heblichkeit hinweg, was sind denn die Menschen als eben Menschen«. Circus (17) und Zisternen (15). Der Circus liegt gut 600 m weiter südlich, eigentlich nur noch eine elliptische Talmulde von 1600 x 330 Fuß mit wenigen Resten der Um­ fassungsmauer vor der Böschung, Relikten der das Oval teilenden 5,50 m breiten Spina, einigen Marmorsäulen und einer Kolossalstatue eines Dioskuren. Viele Mosaike in den Museen zeigen vor allem Wagenlenker und ihre Pferde, die siebenmal die Arena um54

Plan von Karthago 1 Tophet 2 Hajen (Kothon) j Ozeanographisches Museum 4 Karthagisches Arsenal $ Byrsa-Hügel (Staatsmuseum) 6 Archäologischer Park 7 Römisches Villenviertel 8 Theater 9 Odeon 10 Basilika Damous El Karita 11 Fontaine aux mille Amphores i i Kloster Ste-Monique i j Basilika des Hl. Cyprian 14 Basilika Maiorum iy Römische Zisternen 16 Amphitheater /7 Circus

fahren mußten. Da bleiben die Räder hängen, Wagen kippen und stürzen um, Wagen­ lenker werden durch den Sand geschleift, weil sie nicht schnell genug das Messer ziehen und die Zügel durchschneiden konnten. Top-Star zur Zeit Hadrians war der Quadriga­ lenker Scorpianus, der in der Nähe der Arena seiner Triumphe eine pompöse Villa hatte. Zisternen waren stets Voraussetzung für eine Siedlung. Anfangs hatten sich die Karthager mit wenigen Brunnen und Quellen begnügen müssen, später legten sie Zi­ sternen an; das Wasser dafür wurde über Aquädukte herangeführt. Im Söldnerkrieg war das die schwache Stelle: Spendius und Matho gelangten 238 in die Stadt (in Fauberts >SalammböFloride< vorgetragen, und junge Afrikaner konnten sich hier, ohne ihre Heimat zu verlassen, die Fundamente klassischer Bildung aneignen. Die raffiniertesten Prachtvillen der Oberschicht standen natürlich in der Nähe von Theater und Odeon, wo am Hang der Blick sich weitet über die Meeresbucht und frische Seewinde auch tagsüber die Sommerhitze mildern. Charakteristisch ist der Mit­ telhof, um den sich, hellenistischen Vorbildern entlehnt, die anderen Räume, Schlaf­ zimmer (cubicula) und Nebengelasse gruppieren, mit dem oecus und peristylum als Hauptraum, die intimen Räume oftmals durch tabernae zur Straße hin abgeschirmt. Deutlich ist hier noch die römische Limitation auszumachen: alle 45 m von Nordost nach Südwest parallele Straßenzüge, die alle 150 m rechtwinklig von Querstraßen ge­ kreuzt wurden. Typisch, und am besten erhalten, ist das sog. >VogelhausTürkisches Café< be­ rühmt. Daneben: Treppengäßchen zur Koubba Sidi Djebel

A

^ i

19-21

KARTHAGO Spätzeitliche Grabstele aus Karthago. Stele mit Fries, Baals Sonnenrad, Mond­ sichel und Tanit. Punischer Kindersarkophag

22,23

KARTHAGO Kalkstein-Geschützkugeln aus den karthagischen Arsenalen beim Kriegshafen Kothon. Unten: Untergeschoß der Thermen des Antoninus Pius, 2. Jh.

24 KARTHAGO Kapitell im Stile des »bewohnten Rankenwerkes< aus den Thermen des Kaisers Antoninus Pius

2 5 KARTHAGO In den Kaltbädern der Thermen des Antoninus Pius 26

KARTHAGO Reste der großen Zisternen, die über Aquädukte durch Wasser aus Zaghouan ge­ speist wurden

27,28

KARTHAGO Im Amphitheater (2. Jh.) starben Cyprian, Perpetua und Felicitas den Mär­ tyrertod. Augustinus lehrte hier Rhetorik. Unten: Damous El Karita, die einst größte Basilika (5. Jh.), ein elfschiffiger Zentralbau

29-31 BARDO Die grotesken punischen Masken sollten erschrecken oder beschwichtigen. Unten: Tanit- und andere Masken, Schalen, Terrakotten und Keramik aus karthagischen Häusern, Heiligtümern und Gräbern

*

^

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32-41

BARDO

< 32

Die schwarze Kalkstein-Stele >mol’kbewohnte Rankenwerk< (Abb. 24) hat zweifellos Beziehungen zu östlichen Mythen aus Tyros, aber auch zum biblischen Levia­ than und der sizilischen Scylla wie zum Herrn des Himmels und der Hölle Baal Hammon/Saturn, was wohl der afrikanischen Gemüts- und Seelenlage entgegenkam. Die Thermen des Antoninus Pius in Karthago wiederholten die von Trajans Baumeistern festgelegten Regeln, und die karthagischen Bäder wurden zum Vorbild für die vielen anderen in der konsularischen Provinz, etwa in Thuburbo Majus (Abb. 70), in Sbeitla, Dougga (Abb. 80) oder in Maktar (Abb. 92, 93). Wie Thermen architektonisch zu jeder antiken Stadtanlage gehörten, so wichtig waren sie im täglichen Leben. Man ging jeden Tag in die Thermen, das war Tradition, man wusch und rasierte sich dort, verrichtete in den Kloaken seine Notdurft, bereitete sich für einen Theater- oder Zirkusbesuch vor, traf sich mit Bekannten, plauderte, las, machte Geschäfte, politisierte oder trieb Gymnastik, und beim Schirocco verkroch man sich in die unteren Dunkelräume. Hatte kein wohltätiger Spender die Tageseintritts­ gebühren übernommen, dann zahlte man seinen Obulus, meist ein as. Das war der Badeablauf in einer öffentlichen Therme: Spazieren, Spielen, vielleicht ein wenig Gymnastik oder Wettkämpfe in der palaestra, Entkleiden im apodyterium, dann zuerst kräftig Schwitzen im heißen Dampf des sudatorium, danach ein Trocken­ schwitzbad nach Art unserer Sauna mit Heißluft im laconium, jetzt Baden, Waschen, Seifen und Bürsten im heißen Wasser des caldarium, langsames Abkühlen im Lauluft­ raum des tepidarium , zum Schluß Schwimmen im Kaltwasserbecken des frigidarium. Danach ruhte man sich nackt oder in Tüchern gehüllt auf Liegebänken oder den Ter­ rassen des Solarium aus oder schwamm im Meeresfreibad. Hatte man Zeit und genü­ gend Geld, ließ man sich im elatbesium massieren, frisieren und mit duftenden ölen oder Essenzen salben. An solchem Komfort teilzuhaben, war für die Menge durchaus möglich, die Thermen standen im heißen Afrika allen als tägliche Annehmlichkeit jederzeit offen.

Fontaine aux mille Amphores (11). Der Brunnen, benannt nach den vielen Amphoren, die man dort fand, war zur Zeit der Stadtgründung wohl die einzige Trinkwasserstelle für Didos Gefährten. Von der Quelle bis zur Schöpfstelle mußte ein Ganggewölbe gebaut werden, und um Stützmauern und Gewölbe zu entwässern, baute man Am­ phoren ein, das kann man im gesamten Nordafrika, in Tunesien vornehmlich in Guelalla auf Djerba, an den sog. Amphorenmauern, sehen. Ganz in der Nähe steht das 1886 erbaute Kloster Ste-Monique. An dem Platz soll sich Augustinus von seiner weinenden Mutter, der Hl. Monika (exakter Monnika), verabschiedet haben. Hier irgendwo stand auch der römische Ceres-Tempel (?).

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Karthago, Basilika Damous El Karita, Grundriß

Basiliken. Die Basilika des Hl. Cyprian (13) grenzt unmittelbar ans Monika-Kloster;

die einst siebenschiffige Kirche, deren Apsis von zwei Sakristeien flankiert war und deren Altar einen Aufbau auf Säulen, ein Ciborium, hatte, besaß vermutlich ein dreibogiges Atrium, das sog. paradeisos der altchristlichen Basiliken, als Eingang, darunter zwei Zisternen. Neben Architekturbruchstücken mit christlichen Inschriften, meist Grabtexte, fand man eine Votivinschrift, die einen Tempel der Securitas nennt. So liegt die Vermutung nahe, daß die Basilika auf Fundamenten dieses Tempels erbaut wurde. Die Basilika Maiorum (14) ist, wie die des Cyprian, fast nur noch im Grundriß er­ halten. Aber hier fand man die Grabkapelle und sogar den Marmor-Grabstein von Perpetua, Felicitas und ihren Begleitern. Der Kirchenname Maiorum Arearum, »des großen Friedhofs«, weist auf Gottesäcker in dieser Gegend hin, die zu christlicher Zeit ein eng besiedelter Bezirk gewesen sein mag, in dem, sicherlich im Wohnbereich der Gläubigen, die drei großen Kathedralen der Stadt standen. Die Basilika Damous El Karita (10), die größte (etwa j. Jh.), einst mit höher liegen­ der Apsis und elf Schiffen, war ein 65 X45 m großer Zentralbau mit hoher Kuppel über der quadratischen Vierung (Abb. 28). Angebaut ist eine Märtyrerkapelle von kleeblatt­ förmigem Grundriß mit Grabgelegen in den Apsiden. Bis heute weiß man nicht, wer die Märtyrer waren, zu deren Ehre eine so große Basilika errichtet wurde. Vermutlich stimmt die Erklärung des Kirchennamens: domus caritatis (Haus der Barmherzigkeit). Im Südwesten ist ein mehrschiffiger Raum angebaut, 34 x24,55 m groß, mit sechs­ eckigem Taufbecken und einer runden Krypta, 9,15 m im Durchmesser, für den es noch keine Deutung gibt. - Unmittelbar in der Nähe fand man römische Soldatenlisten, aus denen hervorgeht, daß im 2.(3 . Jh. hier die cohors XI I I urbana, später die cohors I zusammen mit der Garde des Proconsuls zur Verfügung des Procurators in Garnison lag. Man kann sie mit der Prätorianergarde in Rom vergleichen, sie machte den zehnten Teil der römischen Legionäre aus, die für Ruhe, Ordnung und Sicherheit in ganz Nord­ afrika eingesetzt waren. Die bewaffneten Einheiten Roms dürften kaum mehr als 27 000 Mann betragen haben, was einen interessanten Rückschluß auf Roms kolonisa­ torische Fähigkeiten (pax romana) erlaubt. Während also für ganz Nordafrika eine einzige Legion genügte, die Legio III Augusta (Hauptquartier in Lambaesis, heute Algerien), waren z. B. für das viel kleinere Britannien vier Legionen erforderlich. 77

K A R T H A G O /U T IC A

Bereits Ende des i. Jh. war neben Antiochia und Alexandrien das römische Karthago zu einer der bedeutendsten Städte im Imperium geworden. Hadrians Besuch 128 n. Chr. bescherte ihr den Beinamen Hadrianopolis und den Bau des großen Aquäduktes aus den Zaghouan-Bergen. In die Zeit des Antoninus Pius (138-161) fiel der erwähnte große Brand, der Wiederaufbau der Stadtmitte und die Errichtung der großen Thermen. Unter Commodus (180-192) nahm Karthago den Titel Colonia Alexandria Commodi­ ana Togata Karthago an - Alexandria, weil jetzt Karthago an dessen Stelle zu treten gedachte, war es doch zum Hauptexporthafen der römischen Kornkammer für die Getreidelieferungen nach Rom geworden. Dafür wurde es, als Kaiser Septimius Severus zu Besuch weilte, 203 mit dem ins italicum geehrt, was Befreiung von der Getreide­ steuer bedeutete. Die letzte Namensgebung erfolgte unter Caracalla: Colonia Felix Julia Aurelia Antoniniana Karthago. Kurz nach der Fertigstellung der Karita-Basilika nahmen Geiserichs Vandalen am 19. Oktober 439 Karthago ein. Es wurde Sitz des germanischen Heerkönigs und blieb es während der folgenden wirren Zeiten, bis am 15. September 534 die byzantinische Armee des Kaisers Justinian unter dem Feldherrn Beiisar einrückte. Außer dem Umbau der Damous El Karita-Basilika entstanden viele kleine Kirchen und Kapellen, u. a. heute im Archäologischen Park —die kleine der Hl. Prima geweihte Kirche, eine der sog. christlichen Basiliken von Dioum^s. Am Platze des Tophet erhob sich der Amtssitz der christlich-byzantinischen Exarchen. Mit dem Ansturm der Araber im Jahre 698 endete Karthagos wechselvolle Historie. Tunis trat die Nachfolge an. Bis zum 11. Jh. aber lebte eine christliche, lateinisch spre­ chende Bevölkerungsgruppe weiter in der Stadt, und für 1073 ist ein Erzbischof von Karthago, Cyriacus, erwiesen.

Utica

Mit der dorischen Wanderung, dem Einfall der >Seevölker< in den Mittelmeerraum, mag im Abstieg der mykenischen Völker sich der Aufstieg Phöniziens vollzogen haben und die Annahme bestätigen, daß bereits vor dem 10. Jh. v. Chr. erste phönizische Kolonien entstanden. Wenn nach antiken Autoren Utica 287 Jahre vor Karthago ge­ gründet wurde, dann ergäbe das das Jahr 1101, was indirekt auch Plinius bestätigt, der berichtet, im Apollo-Tempel von Utica zeigten die Priester Zedernholzstämme vor, die von den ersten Siedlern Uticas im Libanon geschlagen wurden und 1178 Jahre alt seien. Plinius schrieb 77 n. Chr., was also auch zum Gründungsdatum 1101 führt. Altphönizische Funde allerdings reichen nur bis ins 8, Jh. v. Chr. zurück. Mit Karthago war die Schwesterstadt meist freundschaftlich verbunden, wurde nach dessen Zerstö­ rung bis zum Jahre 14 Hauptstadt der römischen Provinz Africa, 36 v. Chr. civitas libera und unter Hadrian colonia mit Amtssitz des Proprätors, eine der sieben phönizischen Städte mit einer gewissen Autonomie. Obgleich Hadrian alles versuchte, Utica

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die Vor- und Nachteile der Unterwerfung unter römisches Recht klarzumachen, wähl­ ten die Uticenser den Status einer colonia gegenüber der weniger geachteten munizi­ palen civitas, was letztlich nur einem Ehrentitel gleichkam, ein Beweis für Stolz und Eitelkeit der Städte und für die Loyalität der Afrikaner Rom gegenüber sowie für die eigenartige Begeisterung, mit der die Alteingesessenen punische Traditionen verwarfen und gegen römische Verfassungsformen eintausditen. Medjerda. Die Stadt, heute in einer alluvialen Ebene versunken, war noch bis in die Römerzeit eine Halbinsel mit einer Insel davor. An der Enge, die beide trennte, ver­ mutlich ein Arm der Medjerda, legten die Punier ihren Friedhof an. Heute ist die Mündungsbucht des Flusses mehr als io km weit vorgeschoben und der antike Hafen unter einer mindestens 5 m dicken Sedimentschicht begraben und nicht mehr zu lokali­ sieren. Bereits Ende des 3. Jh. bedrohten die Anschwemmungen den Hafen. Medjerda und die Nebenflüsse Mellegue, Tessa und Siliana bilden Tunesiens bedeutendstes Fluß­ system. Von den Quellen bei Ras el-Alia in Ost-Algerien beträgt die Lauflänge der Medjerda 450 km, davon 373 km in Tunesien, trotz der kurzen Luftlinie von weniger 79

U T IC A

als 200 km zwischen Quelle und Mündung. Aus im Pliozän endorheisch entwässernden Binnenseen entstanden durch sedimentäre Auffüllungen große Ebenen, wurden von der mittelmeerischen Erosionsbasis angezapft und bildeten schon im Alttertiär, als mehrere solcher Becken sich verbanden, ein zusammenhängendes Flußsystem. Aus die­ sem Einzugsgebiet in Tunesien, etwa 21 000 km2, fließen bei unterschiedlichem Ablauf zwischen 50 bis 370 Millionen m3 im Jahre ab, zu Katastrophenzeiten bis maximal 3200 Millionen m3, was dann in der Mündungsebene mehr als 80 km2 Überschwem­ mungen zur Folge hat (z. B. 1947). Das Mittel liegt bei etwa 300 Liter/Sek. Abfluß. Die unerhörte Ablagerung feinster Korngröße bedingt durch die Flächenbelastung der Mündungsbucht (17 000 Tonnen Sedimente pro Jahr) eine Dauersenkung des gesamten Mündungsbereiches von durchschnittlich o,j mm im Jahr, aus denen zusammen sich seit der Alluvialzeit bereits 600 m mächtige Ablagerungen auf einem Gebiet von ca. 300 km2 abgesetzt haben. Selbst für historische Zeiten nachweisbar ist die Versetzung der Küstenlinie und der heute 10 km von der Küste entfernte Standort der Ruinen von Utica, das in punisch-römischen Zeiten noch Hafenstadt war. Im Medjerda-Projekt mit Staudämmen, Deich- und Dammanlagen und besonders geführten Kanälen wird der Fluß gezügelt und einer geregelten Bewässerung der fruchtbaren Kreide-Tertiär­ Sedimente im unteren Medjerda-Bereich nutzbar gemacht. Ruinenfeld. Man betritt es am Tor der Thermen (Abb. 57), von denen nur Grund­

mauern erhalten sind, dafür aber mehrere sehr feingelegte, farbig ungemein klare Mo­ saike, vorzugsweise als Beckenauskleidungen. Wiederhergestellt wurde eine auffallend weiträumige Römervilla, das >Haus des WasserfallsSeeSchiffahrt< schmücken. Utica war bis zur Vandalen-Zeit ein bedeutender Exporthafen für Salz, Getreide und Holz aus dem gesamten Medjerda-Gebiet, und die Reeder gehörten natürlich als Mitglieder der Schiffahrtsgesellschaften zur Ober­ schicht der Bevölkerung. Ihre Arbeit, der Transport von Getreide und ö l nach Rom, berührte die Wirtschaftspolitik unmittelbar. Überseeschiffe wurden deshalb von Kaiser Claudius bei der Berechnung des erbschaftssteuerpflichtigen Vermögens ausgenommen, ein Anreiz, im Schiffsbau zu investieren. Winterreisen über See blieben selten (erst am j. März, dem Festtag der Schiffer, wurde angesegelt), wurden aber hin und wieder durchgeführt, und seit dem 1. Jh. gab es Tag- und Nachtfahrten, da die von rudernden Galeerensklaven bewegten Schiffe durch schnittige Schnellsegler ersetzt waren. Die Mosaike von Althiburos im Bardo-Museum zeigen 22 Schiffstypen höherer Tonnagen, Segler mit zwei und drei Masten mit Höhen von 20 Ellen, bei einer Schiffslänge von 120, einer Breite von 30 m und einer Tonnage von 1600 Tonnen (nach Lukian). Das Schiff, das den Apostel Paulus nach Italien brachte, hatte 276 Passagiere an Bord, und wenn die Angaben von Aelius Aristides stimmen, gab es im 2. Jh. Segler, die bis 600 Passagiere über See mitnahmen. 80

Phöniziscbe Schiffe

Teilweise blieben Uticas Mosaike in situ, das schönste, der >Triumph des Neptun«, ist im Bardo-Museum. Diese Mosaike gelten als die ältesten figurierten Mosaikdar­ stellungen im römischen Afrika (Abb. 56). Die Fundamente vieler Häuser stehen auf den eingeebneten Gräbern einer punischen Nekropole am einstigen Steilhang der Halb­ insel, dem Hauptwohnviertel Uticas. Das >Wasserfallhaus< haben die Bewohner aus irgendeinem Grunde plötzlich verlassen müssen, sie ließen Lampen in der Küche und

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KERKOUAN

Amphoren im Peristyl zurück, so auch in einem kleineren, angebauten Römerhaus. Beachten Sie: die Kranzgesimse an der Wand, die Marmorplattierung, das opus sectile, den Brunnen im Patio, der ein Nymphäum verkleinert nachbildet, den Brunnen mit dem >Wasserfall< und der Anglerszene im Mosaik und den großen oecus. In der tief unterm heutigen Niveau liegenden punischen Nekropole beeindrucken die monolithischen Grabblöcke mit iocm dicken Muschelsandsteinplatten als Abdekkung (Abb. 58), alles ohne Schmuck, zu datieren in das 6. Jh. v. Chr., wenn nicht früher. In einem Schutzhaus hat man ein Skelett in seinem Sarg und mit den spär­ lichen Grabbeigaben so belassen, wie es gefunden wurde. - Zwei weitere Ruinenbezirke (kaum lohnenswert) gibt es zur Küste hin beim überkuppelten Mausoleum des Sidi El Kouri und eine römische Urnengrabstätte mit guten Fußbodenmosaiken nahe der Straße. Die vielen Steinquader nebenan könnten von einem Theaterbau stammen (?). (Das kleine Museum stellt in drei Abteilungen punische, karthagische und römische Funde aus Utica aus, viele kleine Kostbarkeiten; s. S. 280.)

Kerkouan Kerkouan lag auf der gen Sizilien gerichteten Spitze von Kap Bon, dem Hermänischen Vorgebirge der Alten (Färbt. VI). Sicherlich lange vor Karthagos Gründung war dort ein Anlaufplatz phönizischer Schiffe, die in der Regel nur tagsüber segelten und bei beginnender Dämmerung an Vorgebirgen, in abgelegenen Buchten oder besser noch auf einer vorgelagerten Insel landeten - die typisch punische Landschaft auch für spätere Ortsgründungen. Wegen der flachen Kiellage ihrer Schiffe genügte seichtes Wasser. Meist wurden die Schiffe an Land gezogen und nicht verankert. So entsprechen die phönizischen Landeplätze entlang der nordafrikanischen Küste den >Tagesreisen< von Ankerplatz zu Ankerplatz, und man darf vermuten, daß längs dieser Routen vor der Küste Tausende von Schiffswracks auf dem Meeresgrund liegen. Ruinenfeld. Kerkouan war einer der Landeplätze - Gräber aus dem 6. Jh., auch etwa

50 Kindergräber, beweisen die frühe Besiedlung - und war später Fischer- und Färber­ dorf in gesunder Lage auf leicht abfallendem Felsplateau über dem Meer. 309 nahm den Platz Agathokles ein, im Ersten Punischen Krieg besetzte ihn Regulus, dann wurde Kerkouan wahrscheinlich zusammen mit Karthago zerstört. Die nur noch von wenigen bewohnten Reste des Orts wurden zur Römerzeit aufgegeben, daher präsentieren sich die Ruinen als ursprünglich phönizisch. Straßenzüge, Hausgrundrisse und ein verzweig­ tes Leitungs- und Abwässersystem sind deutlich zu erkennen. Die Mauern der Funda­ mente sind bis 2 m dick, so konnten sie mehrere Obergeschosse tragen. Die Konstruk­ tionen aus Balken und luftgetrockneten Lehmziegeln, mit Lehmmörtel verschmiert, waren weiß gekalkt, ein orientalischer Haustyp um einen Mittelhof mit Brunnen, um den sich die Räume ordnen, der Hauseingang oft über einen langen Korridor zu er­ reichen. Auffallend sind die vielen gut erhaltenen Badewannen in besonderen Bade82

zimmern, die auch im griechischen Argos oder Epidauros stehen könnten (Abb. 61). Beim Bade setzte man sich auf ein Podest in der trogförmigen, bequemen Wanne. Ständig floß in einer kleinen Rinne frisches Wasser zu. Böden und Wannen sind mit rosa Mosaikwürfeln ausgekleidet, die Badezimmerwände mit purpurfarbenem Stuck. Was an Baumaterial nicht am Ort anfiel, wurde in den nur 14 km entfernten Stein­ brüchen von Ghar el Kebir gebrochen, wo Sandsteine, Mergel und Kalke in den riesen­ haften Grottensystemen relativ leicht zu schlagen waren - auch die Karthager und später die Tunesier holten von hier Quaderblöcke zum Bau ihrer Städte und der Um­ wallungsmauern, die Römer insbesondere für das Mauerwerk der Antoninischen Kai­ serthermen. Purpurfärberei. Kerkouans Siedler hatten aus der phönizischen Heimat die Kunst mit­ gebracht, mit Hilfe der Ausscheidung der getöteten Schnecke murex brandaris oder trunculm weißen, mit Schneckensekreten behandelten Baumwollstoff je nach Dauer der Belichtungszeit in der Sonne von zart Rosa bis tief Violett einzufärben. Über das mykenische Ponikija (= rot) oder auch das akkadische ki-nah-hu (= purpurrot) kam im 15. Jh. v. Chr. der Name >Phönizier< für die Hersteller des roten Farbstoffes auf. Kap Bon. 90 km lang und 40 km breit erstreckt sich die Halbinsel Kap Bon, 138 km

entfernt von Sizilien, geradezu ideal für Invasoren aus dem Norden. Am 19. August 310 v. Chr. z. B. landete in der Nähe der großen Steinbrüche Agathokles von Syrakus, verbrannte seine Schiffe und zog gen Karthago, während Hamilkars Truppen in Sizi­ lien seine Stadt belagerten - eine der ungewöhnlichsten Kriegslagen, die in Karthago damals eine Massen-Kinderopferung im Tophet zur Folge hatte. Auf dem fast xoo km langen Fußmarsch durch die Halbinsel kamen die Syrakusaner aus dem Staunen über den Reichtum im Hinterland der befehdeten Stadt nicht heraus, wo auf den Land­ gütern wohlhabender Karthager das Land von Sklaven und Libyern bewirtschaftet wurde. Diodorus Siculus schildert es so: ». . . Es bestand aus lauter Obst- und Ge­ müsegärten mit allen möglichen Baumsorten und wurde durch kanalisierte Wasser­ läufe bewässert. Überall standen prunkvoll ausgestattete, mit Stuck beworfene Land­ häuser, die vom Reichtum ihrer Besitzer zeugten. Die Scheunen strotzten von all den Dingen, die ein luxuriöses Leben ermöglichen, weil die Bevölkerung während einer langen Friedenszeit Gelegenheit gehabt hatte, in Hülle und Fülle Vorräte anzuhäufen. Ein Teil des Bodens war mit Weinreben, ein anderer mit Oliven und anderen frucht­ tragenden Bäumen bepflanzt. Auf den Ebenen weideten Rinder und Schafe, auf den Wiesen wimmelte es von grasenden Pferden . . .« Kap Bon war und ist geprägt von mediterraner Landnutzung in Mehrfachkulturen. Zur Römerzeit, wie auch heute, herrschte auf den ausreichend durch Niederschläge be­ wässerten inneren Gebieten der Getreideanbau vor, in den Randgebieten werden Oli­ ven, Wein und Obst gepflanzt. Das halbfeuchte Klima garantiert eine ziemliche Sicher­ heit beim Anbau auf Böden aus marinen Quartärsedimenten. Schwierigkeiten bringen die verbreiteten Kalkkrusten, die bei Anlage von neuen Kulturen mühsam zerkleinert

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KAP B O N

Kap Bon, Stätten des Fremdenverkeh rs I Hotels Töpfereien Thermalquellen Zitrusfrüchte Thunfischfang Unterwasser­ sport 7 Jagd 8 Archäologische Fundstätten 9 Islamische Bauwerke IO Messe in Nabeul II Internationale Festspiele 12 Falkenjagd­ Festspiele 13 Kunsthandwerk 14 Orangen­ Festival 2 3 4 5 6

und zerpflügt werden müssen. Die von Karthagern und Römern beim Pflanzen von Jungbäumen tief in die Kruste geschlagenen Löcher sind oft noch zu sehen. Karthagos weltberühmter Agronom Mago stammte von der Halbinsel, er lebte zur Zeit der Punisdien Kriege im 2. oder 3. Jh. Seine Anweisungen zur Landwirtschaft wirkten bis ins frühe Mittelalter und trugen zur Verbreitung besonderer Leistungen oder >Erfindungen< der Punier bei, die auch nach ihnen benannt wurden: plostellum punicum hieß der Dreschschlitten mit Kufen und Reißzähnen; die Einführung des Feigenbaumes, der Weinrebe und des Ölbaumes in Nordafrika sowie die des Granat­ apfelbaumes (mala punica) und des Strauchwacholders (juniperus phoenicea) ist ihnen zu danken, ebenso die Getreidelagerung in Silos, der von Ochsen gezogene, radlose Holzpflug, die besonders für pharmazeutische Zwecke verwendete Bienenwachsart cera punica, die kleinen, unregelmäßig im Zementestrich eingelagerten Marmorsteinchen (paviamenta punica), die besonders sorgfältige Fertigung von Möbeln und Hausrat (lectuli punicani und jenestra punicanae, das Rechenbrett abakus, die Purpurfärberei, die Herstellung der Fischsauce garum, schließlich die Einführung des Elefanten als Kriegsmaschinen >Punisch< nannte man, vor allem bei den Römern, auch vieles, was schlecht und nichtswürdig war, wie die Redensart feofragi poeni (vertragsbrüchig wie ein Punier) und punica fides, eine besonders schäbige Treulosigkeit. 84

II

Römerstädte

Thuburbo Majus

Unbekannt ist, wie alt die numidisdi-berberische Siedlung war, als 27 v. Chr. Octavian Augustus unmittelbar neben ihr die Anlage einer Veteranensiedlung, Colonia Julia, befahl. Bereits hundert Jahre später, 128, erhielt sie als Municipium Aelium römisches Stadtrecht durch Hadrian und 188 von Commodus die Würde einer Colonia Aurelia Commoda. Das muß der Anstoß für das außergewöhnliche Aufblühen der Stadt in den nächsten zweihundert Jahren gewesen sein. Allerdings standen zu dieser Zeit bereits Forum, Kapitol und Kurie. Kapitol. Normalerweise sollte der Kapitols-Tempel nahe beim Forum auf einer Höhe

stehen. Eine Höhe gab es nicht, so stellte man ihn auf ein mächtiges Podium aus drei Lagen Quaderblöcken über kräftigen Gewölben, in denen der Schatz der Stadt sicher untergebracht war. Als mit dem erstarkenden Christentum die Tempel nutzlos wurden, richtete sich dort eine Olivenpresse ein. Aus Carrara-Marmor waren die herrlichen korinthischen Säulen (8,50 m hoch) für den Vorbau der Cella, in der einst eine kolos­ sale, 7 m hohe Jupiter-Statue zwischen Juno und Minerva stand. Der Jupiter-Kopf steht heute im Bardo-Museum (Abb. 40). Eingeweiht hat das Kapitol 168 der Procu­ rator von Karthago Salvinus Julianus, ein von Hadrian geförderter praetor peregrini (Schiedsmann), der für den Kaiser u. a. eine Art von Grundsatzurteilen zusammen­ gestellt und kommentiert hatte. Dafür war er erst Gouverneur in Germanien (Köln) und in Spanien geworden, ehe er nach Karthago kam. Ein anderer war vierzig Jahre vor ihm der Ritter Vettius Latro, der unter Trajan zum reichdekorierten (>Lanze ohne SpitzeMauerkroneWas sehe ich?Boxermosaik< im Bardo-Museum) im Jahre 225 von Vater und Sohn Petronius ihrer Stadt gestiftet wurde. Der Platzbestimmung gemäß war ihm ein kleines Äskulap-Heiligtum ange­ baut, dem Gott und Beschützer aller Sportstätten gebührte hier die Ehre. Wie im Tem­ pel von Karthago fand man auch hier eine Anweisung, durch die der Besucher auf­ gefordert wurde, vor jedem Tempelbesuch drei Tage ohne Geschlechtsverkehr zu blei­ ben, weder die Thermen noch den Friseur zu besuchen oder Bohnen und Schweine­ fleisch zu essen - eine Entsprechung zu den Vorschriften der Asklepios-Heiligtümer von Epidauros und Kos. Müde Sportler oder Zuschauer hockten sich am Rande der Palästra nieder, ritzten ein Spielfeld in das Pflaster und zerstreuten sich bei Gesellschaftsspielen. So ein Spiel, Buchstaben in einem Feldersystem, verlangte Kombinationsgabe: aus vor­ gegebenen Buchstaben waren durch andere Zusammensetzung möglichst viele sinnvolle neue Wörter zu formen. Sommerthermen. Sie entstanden, als Thuburbos Stadtanlage im großen und ganzen

fertig war, 2800 m2 groß, entsprachen sie der erprobten Konzeption römischer Bäder. Im frigidarium gab es gleich drei Kaltwasserbecken, Dekoration und Ausstattung waren erlesen, wie im Thuburbo-Majus-Saal des Bardo-Museums an den Statuen von Äskulap, Herkules, Merkur, Venus, Ceres und Vulkan oder den Mosaiken von Neptun und der badenden Venus ersichtlich (Abb. 42). Selbst die Aborte im angebauten u m großen Halbrund - man konnte sie auch von der Petronier-Palästra aus betreten - sind aufwendiger konzipiert als sonst. Thuburbo Majus war niemals von zusammenhängenden Mauern umgeben, die er­ haltenen drei Tore waren Turmbauten an den Zufahrtsstraßen. Im 4. Jh. erst erhielt die Stadt den Namen Res Publica Felix Thuburbo Majus, und schon mit dem Einfall der Vandalen begann sie zu verfallen, aber nur weil die Byzantiner später mehrere Bau­ werke zu kleinen Festungen ausbauten, wurden im Zentrum mehrere alte Baukomplexe großenteils zerstört, wie Baal-Tanit-Tempel, Saturn-Tempel, Amphitheater, Thermen. Als nach 600 die arabische Invasion begann, vergrub ein Vorsichtiger einen Schatz von 151 Goldmünzen. Heute sind sie im Museum zu sehen. Mit dem Arabersturm endete endgültig die Historie der Stadt, sie wurde aufgegeben und verfiel.

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ZAGHOUAN

0 5 Zaghouan, Grundriß des Nymphäums

Zaghouan Vom römischen Ziqua ist außer einem schlecht erhaltenen Triumphbogen nichts mehr zu sehen. Dabei ist die Lage auf einem Gebirgsvorsprung des Djebel Zaghouan (1295 m) vor den Steilhängen der Berge äußerst reizvoll. Im Ort Zaghouan ist sehenswert eigent­ lich nur der Marabut des Sidi Ali Azouz, leicht auszumachen an den grünlasierten Fayencen der Kuppel, die innen auf Säulen ruht mit prachtvollen Kapitellen und reicher Stukkatur. Djebel. Das gewaltige Jura-Kalksteinmassiv des Djebel Zaghouan (s. a. Färbt. V) ge­ hört als nördlichster Ausläufer zur sog. zentralen Dorsalregion, einer östlichen Fort­ setzung des Sahara-Atlas-Systems, das in Tunesien verworfen und gefaltet vorwiegend in Nordost-Richtung zieht. Als typische Übergangsregion liegt die zentrale Dorsale zwischen dem feuchten Norden und dem trockenen Zentralgebiet des Landes, ohne etwa als fest zusammenhängende Gebirgskette die klimatischen Gegebenheiten zu blockieren. Vielmehr gibt es in den südwestlich verlaufenden Tälern genügend aus­ gleichende Durchgänge. Charakteristisch sind steile, schroffe Türme und Kalkwände in einem mehr semiariden, trockenen, als humiden Klimagebiet. Macchien, Zistrose,

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Mastix, wilde Olive, Rosmarin und Aleppokiefern bedecken die Berge besonders an den Nordwestlagen, während die Südhänge wesentlich trockener und mit Dornsträuchern bewachsen sind. Auf den Kulturflächen vor den Berghängen gibt es Ölbaum­ haine, Weinfelder und Gerteideanbau. Der Djebel Zaghouan (mons ziquensis) selbst ist heute von 600 m an aufwärts voll mit Macchien bewachsen, während in der Antike dichte Thuya-Wälder das gesamte Massiv bedeckten und damit den Wasserhaushalt des Gebirgsstocks derart günstig beeinflußten, daß über ein Aquädukt Karthago, später Tunis, mit notwendigem Wasser versorgt werden konnte. Nymphäum. Zwei Kilometer außerhalb des Ortes Zaghouan liegt das römische Nymphäum, ein Wassertempel (Hinweisschild: >Temple des Eauxnationales< Zusammengehörigkeitsgefühl dieser wilden nord­ afrikanischen Berberstämme brachte Massinissa doch zustande, freilich in beständiger Konkurrenz zu Karthago, das letztlich von Numidiern zum Dritten Punischen Kriege gezwungen wurde und unterging. Thugga war eine solche numidische Stadtfestung und vermutlich zeitweise Königs­ sitz, wie etwa Bulla Regia oder Hippo Regius, die das >königlich< schon im Stadtnamen trugen. Thugga dagegen begnügte sich mit seiner unvergleichlichen Topographie, denn tukka (steiler Fels) meint die Stadtlage in 500 bis 600 m Höhe auf einem Plateau, das leicht nach Süden geneigt mit mehreren Hangquellen ins Tal des Oued Khalled abfällt, in dem die wichtige Staatsstraße von Karthago nach Theveste zog (Abb. 75, 76). Aus dieser Zeit stammen Reste einer megalithischen Ringmauer, Dolmen, eines Heiligtums für Baal, eines Tempels für Massinissa und vor allem das numidische Mausoleum. Als nach io j v. Chr. die Römer kamen, war Thugga also bereits eine blühende Siedlung (schon 310 v. Chr. im Heeresbericht des Agathokles von Syrakus erwähnt), in der sich anfangs Roms erste coloni, gracchische Siedler oder Soldaten des Marius, recht und schlecht einrichten mußten. Den historischen Quellen zufolge unterhielten die neuen pagi bald rege und freundschaftliche Beziehungen zu den alteingesessenen Afrikanern, und im Verlaufe weniger Generationen mag es über eine positive Koexistenz zu einer mehr oder weniger innigen Verbindung der Menschen so divergierender Interessen, Glaubensrichtungen, Sitten und politischer Tradition gekommen sein. Jedenfalls be92

Plan von DouggaJThugga

P Parkplatz i Theater 2 Gruft 3 Victoria-Kirche 4 Saturn-Tempel 3 Tempel der Pietas Augusta 6 Platz der Windrose 7 Markt 8 Haus der Mundschenke 9 Haus der Treppen 10 Kapitol i i Forum 12 Triumphbogen des Severus Alexander 13 Ain el Hammam 14 Zisterne Ain Mizeb 13 Tempel der Caelestis 16 Tempel der Tellus /7 Dar el Acheb 18 Haus Omnia tibi felicia 19 Haus des Dionysos und Odysseus 20 Haus des Labyrinths 21 Haus der drei Masken 22 Haus des Trifoliums 23 Thermen der Zyklopen 24 Libyschpunisches Museum 23 Haus der Gorgo 26 Triumphbogen des Septimius Severus 2 j Pluto­ Tempel 28 Concordia-Liber-Tempel 29 Thermen des Licinius

D O U G G A (T H U G G A )

richten im i. Jh. Diodorus von Sizilien und im 2. Jh. Appianus aus Alexandrien be­ geistert von der »schönen Römerstadt Thugga«. Bereits im 1. Jh. gab es ein großartiges römisches Stadtzentum mit gepflastertem Forum und in Terrassen angelegtem Markt; im 2. Jh. erhielt die Stadt die wichtigsten Tempelanlagen und das Theater, im 3. Jh. kamen zwei Triumphbogen, neue Tempel und Prachtvillen wohlhabender Thuggenser hinzu. Sie war damals um 60 Morgen groß. Erst im 4. Jh. setzte der Verfall ein, den dann die Vandalen, die Byzantiner und schließlich die Araber beschleunigten, bis die langsam in Ruinen fallende Stadt, von allen verlassen, bis ins 19. Jh. dahindämmerte; 1891 begannen die ersten Ausgrabungen. Eine Besichtigung der Anlagen in der zeitlichen Abfolge der Stadtgeschichte wäre äußerst kom­ pliziert, daher schlagen wir folgende Reihenfolge der Besichtigung vor, bei der alle wichtigen Plätze besucht werden und das historische Nacheinander trotzdem vermerkt werden kann. In der Regel beginnt der Rundgang am Haupteingang beim Parkplatz P:

Theater (1). Es entstand 166 bis 169 im nun ausgeformten römischen Theatertyp des

Vitruv, das sich vom hellenischen vor allem darin unterscheidet, daß hier ein abge­ schlossener Innenraum entstand, von Mauern und mehrgeschossigen Arkaden umgeben, so daß der Blick des Zuschauers aus den Rängen stets vom architektonischen Dekor der frons scenae, der Schaufassade im Eiintergrund aufgefangen wurde, während beim griechischen Theater der Naturraum zur weiten Fernkulisse wurde. Der Blick heute täuscht also, man konnte nicht in die Khalled-Ebene (Abb. 76) hinabschauen. Der Durchmesser betrug 120 m, die Höhe 15 m, in drei Rängen (maeniana) saßen gut 2500 Zuschauer aus Thugga und Umgebung. Die Spielbühne (proscenium) betraten die Schauspieler durch drei Türen in den vier massiven Mauern des postscenium, einer von meist drei übereinanderstehenden Säulenreihe gebildeten Palastfassade. Das gesamte Bühnenhaus, 36,57 x 5,50 m groß, war unterkellert (Magazin- und Requisitenräume) und abgestützt durch Tonröhrenbogen. Solche dünnwandigen tönernen Röhren ver­ ringerten einerseits das Gewölbegewicht und hatten zum anderen den Vorzug, die Resonanz im Bühnenraum zu erhöhen - daher schlägt Vitruv vor, Keramik- oder Bronzekrüge auch in die Wände oder unter die Sitze der Theater einzufügen. Falltüren ermöglichten zuweilen großartige Effekte. Heute ist die Schaufassade eingefallen und bedeckt die hinteren Bühnenhäuser, stehengeblieben sind die hohen Säulen des Foyers und der Säulengang-Wandelhalle mit kräftigen Architraven. Der Mäzen ließ hier die Inschrift einschlagen: »Publius Marcius Quadratus, der Sohn des Quintus aus dem Ge­ schlecht der Armensis, Priester des Göttlichen Augustus und Herrscher über die Colonia Julia Carthago zu den fünf Decurionen durch Kaiser Antoninus Pius berufen, erbaute für seine Heimat und mit seinem Geld zum Dank für die Würde eines Priesters auf Lebenszeit das Theater von den Grundmauern aufsteigend mit Basiliken, einenf Por­ tikus mit Xystis und mit einer Bühne mit Vorhängen und allem Dekor, zur Übernahme spendete er Theaterspiele, ein Gastmahl, gymnastische Spiele und Lebensmittel« (an­ dere Inschriften am Theater lauten ähnlich). 94

i Forum 2 Brunnenbaus 3 Saturn-Tempel 4 Rostra 3 Kapitol 6 Area ante Capitolinum 7 Merkur-Tempel 8 Platz der Windrose 9 Pietas-Augusta-Tempel 10 Markt 11 Haus der Mundschenke 12 Byzantinische Festung

1 Cavea 2 Proscenium 3 Porta regina 4 Postscenium 3 Porticus 6 Basilica

Mäzene, Ortsobere, Würdenträger und Ehrengäste saßen auf den Orchesterplätzen gleich hinter der niedrigen Mauer (pulpitum). In abwechselnd rechteckigen und halb­ runden Nischen plätscherten kleine Springbrunnen vor Marmorstatuetten, alles war prachtvoll mit schillernden Mosaiken ausgelegt und muß mit der marmornen Archi­ tektur und der Theateratmosphäre ein wunderbares Erlebnis gewesen sein. Während die Orchesterplatzbesitzer jii-^ortikus oder der Xystis::' promenierten, zogen sich die Rangbesucher in den Pausen zum schattigen Bogengang über der cavea zurück oder ließen sich draußen unter den Rangtreppen von Dienern und Platzanweisern (moni­ tores cancelli) mit Wasser aus den Theaterzisternen besprengen. Tragödien und klassische Stüdke verstand das Publikum des 2. Jh. kaum noch, es wurden Komödien, Burlesken oder phantastische Stücke gespielt, beliebt waren solche, bei denen in durchscheinenden Gewändern schöne Mädchen mit ihren Reizen nicht geizten. Apuleius schwärmt: »Venus mit ihrem nackten und unbedeckten Körper trug vollendete Schönheit zur Schau, allein daß sie mit einem hauchdünnen Seidenschal ihre Scham beschattete, doch so, daß sie sichtbar blieb. Denn bald wehte wie liebkosend ein neckischer Wind das Tüchlein verspielt zur Seite, bald wieder blies er es spielerisch an den Körper, so daß die wollüstigen Reize stets zierlich durchschimmerten . . .« Beliebt war immer auch der Mimus, eine Art Operette, die für Musik, Tanz, Spiel und Theater* Xystis = überdachte Promenade, auch Laufbahn im Gymnasion.

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mechanik alle Möglichkeiten offen ließ; der stupidus, ein meist kahlköpfiger Tol­ patsch, mußte immer dabei sein und wurde stets lauthals belacht, aber auch Herkules, Merkur, der Mythos in verspielter Grazie wiedergegeben, wurde lebhaft beklatscht. Gruft, Victoria-Kirche, Saturn-Tempel. Nordwärts vom Theater - man muß hinauf­

steigen (Färbt. IV) - liegt die sog. Gruft (2), ein christlicher Begräbnisplatz auf einer alten heidnischen Nekropole. Sieben Stufen führen hinab in eine Art Höhle wo man schmucklose Sarkophage' fand. - Die Victoria-Kirche (3) war vermutlich das Friedhofskapelldhen, ein kleiner dreischiffiger Bau mit Mosaikresten in den Seitenschiffen, unter dem erhöhten Presbyterium eine Krypta. Ein dort gefundener Sarkophag mit der Inschrift VICTORIA gab der Kirche den Namen. Das Baumaterial, wie auch zum benachbarten sog. Heiligtum, stammt ausschließlich vom Tempel des Saturn. Saturn-Tempel (4). Vom Plateau oberhalb des Tempels geht der Blick in die Tal­ ebene des Oued Khalled, über Dolmen und Megalithgräber aus punischer Zeit und zu den Resten der 5 m dicken Ringmauer, die das numidisch-punische Tukka schützend umschloß. Hier stand das vorrömische Baal-Heiligtum, das die Römer für Saturn usurpierten und in ihrem Tempelschema neu aufbauten: großer gefliester Innenhof, darunter Zisternen, dreiseitiger, überdachter Portikus, Eingangsterrasse und Treppe der Seiteneingang entstand später. Beachtenswert ist auf einem Säulenstuhl, exakt in der Tempelachse, der Platz, an dem Priester und Besucher mit dem Blick nach Westen niederknieten, um Saturn betend zu ehren. Die Fußabdrücke waren früher mit Metall ausgegossen. Eine Saturn-Sitzstatue aus der mittleren Cella und eine andere eines Stadt-Schutzgottes mit Toga und Krone aus der linken Cella sind im Bardo-Museum. Wie am Theater so macht auf dem Portikus-Fries auch hier ein Bürger Lucius Octavia­ nus Victor Roscinus kund, daß er allein aus seinem Vermögen diesen Tempel gestiftet hat »zu Ehren der Kaiser Septimius Severus Claudius Albibus und der Kaiserin Julia Domna«.

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■$■' Thugga, Grundriß des Saturn-Tempels 1 2 3 4 3 6 7

Cella des Saturn Vestigia Area Zisternen Flur Suggestus Späterer Seiteneingang

Tempel der Pietas Augusta und Platz der Windrose. Vom Theater leicht abwärts

führt die Straße zum Stadtzentrum. Der Pietas-Augusta-Tempel (}) war die Spende eines Pompejus Nahanius für seine Vaterstadt, wurde im 2. Jh. (Hadrians-Zeit) er­ richtet und ist linkerhand leicht auszumachen am Feldsteinsockel, auf dem noch zwei Pfeiler mit korinthischen Kapitellen stehengeblieben sind. Der Platz der Windrose (6) ist ein mit Kalksteinen gepflasterter Platz zwischen dem Markt, dem kleinen Merkur-Tempel und dem Eingang zum Kapitol, mit Säulenhallen an drei Seiten, die, erhöht angeordnet, die Platzfläche bewußt tief erscheinen lassen (Abb. 79). Dort ließ man im 3. Jh. eine Winduhr einmeißeln: drei große konzentrische Kreise mit zwei sich rechtwinklig kreuzenden Durchmessern und zwischen den äußeren Kreisen weitere Unterteilungen in Richtung der zwölf Winde: Septentrio (Nordwind), Aquilo, Euroaquilo, Vulturnus (Ost-, eigentl. Südostwind), Eurus, Leuconotus, Auster (Südwind), Libonotus, Africus, Favonis (Westwind), Argestes, Circius. Nach Norden schließt der kleine Merkur-Tempel die Anlage ab, ein Tempelchen mit drei Cellae, die mittlere größer und rechteckig, eine Besonderheit im Sinne einer afrikanischen Drei­ faltigkeit und einer nur in Afrika bekannten Merkur-Verehrung. Selbst in Rom durfte ihm nur unter Vorbehalt eine zweite Gottheit in seinem Heiligtum zugeordnet werden. Zwischen 180 und 192 wurden Platz und Tempel vom Bürger Paccuvius und seiner Frau Nahania Victoria für 120000 Sesterzien gestiftet, weil der Spender ein ehren­ volles Priesteramt übernommen hatte. Frau Paccuvius war möglicherweise eine ein­ heimische Numidierin, die ihren numidischen Namen Nahania vor den römischen setzte. Markt und Kapitol. Über den Platz blickt man, wie einst Merkur, zu seinem Markt (7), dem macellum, der mit Geldern der Paccuvii vor allem durch die Eingangs-Säulen­ halle verschönt worden war. Um einen Brunnen in der Platzmitte, alles war mit Mar­ morplatten verkleidet, ordneten sich an den Längsseiten unter Arkaden und um eine Stufe erhöht, je zehn Verkaufsstände, jeder 2,70 x 2,80 m groß. Am Südende des Mark­ tes gab es noch ein kleines Merkur-Heiligtum mit nur einer Apsis. Während sich ost­ wärts am Markt ein trinkfreudiger Bürger sein Wohnhaus, um einen 3 x 5 m großen Innenhof angelegt, mit einem großartigen >Trinker-Mosaik< schmücken ließ - deshalb Haus der Mundschenke (8) -, mußte ein anderer, wegen der starken Hanglage an der Südseite des Marktes, in seinem Haus der Treppen (9) die Zimmer maisonettenhaft ge­ treppt bis zum Arkadenhof hinunter anlegen. Das Kapitol (10) Douggas Haupttempel der olympischen Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva steht, wie das Vorbild in Rom, hoch auf einem Podest, auf dem sich, hinter einer zehnstufigen Treppe, ein Portikus mit vier vorderen und je einer seitlichen korinthischen Säule aus Kalksteinmonolithen erhebt (Abb. 75, 77, 78, 81). Sie stützen Giebel und Tympanon, auf dessen leider stark zerstörtem Halbrelief Augustus vom Adler zum Himmel emporgetragen wird: die Vergöttlichung des Kaisers. Nirgendwo sonst in der römischen Welt gibt es eine Tempelfront, die sich so bewußt über das klassische Stadtbauschema hinwegsetzte und Gesichtspunkten der Wirkung dem bloßen 97

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Nutzen unterordnete. Zur Ebene hin gerichtet, bot sie sich den auf der großen Römer­ straße im Tal Vorbeiziehenden dar, und von der Tempelterrasse aus schaute man in die weite Landschaft von Musti, deren blühende Felder Thuggas Wohlstand garantier­ ten. Unmittelbar der Tempelfront gegenüber errichtete man die entzückende kleine Exedra, wo man sitzen, ausruhen und sich am Anblick des Tempels erfreuen oder von der aus man hinaufsteigen konnte bis zum Tempel oder hinunter bis zum Forum oder zum Markt. Beim Bau der Cella arbeiteten die einheimischen Maurer in ihrer von den Puniern eingeführten, eigentlich orientalisch-tyrischen Manier, setzten zwischen das Bruchstein­ mauerwerk in regelmäßigen Abständen vertikal Monolithe und rechtwinklig darüber kürzere Blöcke, sog. >Harfen< oder opus africanum, die, wie ein Fachwerk verzahnt, stützen und stabilisieren. So wundert es nicht, daß viele Steinblöcke noch in der phönizischen Elle von 0,52 m anstatt dem römischen Fuß von 0,29 m behauen sind. Am Ende der Cella, 13 x 14 m groß, war die mittlere, hohe und gewölbte Nische für Jupiters Großstatue bestimmt, die seitlichen für Juno und Minerva; unter dem Podium gibt es eine dreigeteilte Krypta. Von 166 an baute man drei Jahre an diesem Tempel, der zu Ehren der Kaiser Marc Aurel und Lucius Verus errichtet wurde, gestiftet von den Eltern der Theatermäzene,· Trajan zeichnete sie dafür mit dem goldenen Ring aus. Damals müssen in Nordafrika ungemein viele Bürger zu hohem Wohlstand gelangt sein, nicht nur Dougga beweist das; tatsächlich entstanden etwa von der Zeit Trajans an (um 98) bis zum Tode von Severus Alexander (235) die Mehrzahl öffentlicher Ge­ bäude aus großzügigen Spenden, die in der Regel zwischen 200 000 bis um 1 Million Sesterzien lagen, Erträge aus der Überschüssen in Wein- und Ölbaumanbau, Transport, Handwerk und Verkehr. Solche Spenden wirkten sich sozial aus, das gehört zum Selbstverständnis der römischen Gesellschaft; Theater, Thermen, Kloaken, Bibliothe­ ken, Palästren, Plätze usw. ließen so auch die »kleinen Leute< am kulturellen und ge­ sellschaftlichen Leben ihrer Zeit teilnehmen. Freilich mögen darüber nutz- und gewinn­ bringende Zukunftsinvestitionen versäumt worden sein. Forum und Severus-Alexander-Bogen. Das Forum (11) war 24 x 38,5 m groß und der Hauptplatz Thuggas, bis im 2. Jh. der »Platz der Windrose< hinzukam. Einst um­ standen Portiken aus rotgeädertem numidischen Marmor mit weißen Marmorbasen und Kapitellen den Platz, überall konnte man Statuen und Statuetten betrachten, ein Brunnen plätscherte in Platzmitte, und vor der Rednertribüne lauschten Interessierte. Bei einem Erdbeben noch zur Kaiserzeit muß der gesamte nördliche Portikus einge­ stürzt sein, der Schaden war zu groß, das Forum wurde aufgegeben, und als die Byzan­ tiner kamen, brauchten sie nur aus den Trümmern und dem noch voll vorhandenen Steinmaterial mit den Säulentrommeln, Basen und Kapitellen unter Einschluß von Kapitol und der kleinen Exedra wie dem Saturn-Heiligtum ihre Festung aufzubauen, ein massiges Kastell mit zwei Türmen und einer unvergleichlichen Sicht über das Tal, aus dem der berberische Feind zu erwarten war.

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Von hier aus geht man am besten zum Triumphbogen des Severus Alexander (12), den die Numidier auch als >Tor der Christin< bezeichnen, der aber dem Kaiser zum Dank für erlassene drückende Auflagen errichtet worden war, ein von Gurtpfeilern aus 4 m weit gespannter Bogen mit Statuettennischen in den Wänden, der den Blick zum Kapitol freigibt (Färbt. I). Zisternen und Caelestis-Tempel. Gleich dort liegt eine der großen Zisternen der Stadt, Ain el Hamman (13), gespeist vom mäßig warmen Wasser der gleichnamigen Quelle, 12 km westwärts über ein Aquädukt. Man speicherte in fünf Kammern von je 34 x 5 m etwa 6000 m3 Wasser, während die nahe Zisterne von Ain Mizeb (14) in sieben etwa gleich großen Kammern 9000 Kubikmeter Wasser sammelte (Abb. 83). Der Aquädukt ist gut erhalten, die Mauern der Kammern sind 4 m dick und aus Bruch­ steinen mit hartem Beton vermauert, tonnengewölbt mit vorgelegtem Querbecken zum Klären und Verteilen der einlaufenden Wassermassen. N ur für Interessierte lohnt der kurze Aufstieg zu den Resten eines Minerva-Tempels, ver­ mutlich ein Heiligtum im Viertel der Handwerker, und weiter hinan zum Hippodrom, wo man in einer Bodensenke von der 180 m langen spina und den Wendemarken (metae) nur kümmer­ liche Überreste sieht.

Der Tempel der Caelestis (13) ist ein ganz untypisches Bauwerk und zugleich der Beweis, wie bis ins 3. Jh. hinein karthagisch-punische Traditionen nachwirkten. Tanit war gemeint, die himmlische Herrin, dea caelestis, und ihr Hauptattribut, die Mond­ sichel, bestimmte auch die Form der Tempelanlage (Abb. 82): eine halbrunde Ring­ mauer, auf deren Innenseite auf erhöhter Stufe eine Halle mit vierundzwanzig Säulen, beiderseits von einem kräftigen Pfeiler mit Nische abgeschlossen. Im Zentrum erhebt sich auf elf Stufen hohem Podest das Heiligtum, ein Peripteros, also griechisch-römischer Typus, um die Cella Säulenhallen mit Front- und Seitensäulen. Zwischen 222 und 235 wurde das Heiligtum am Platze eines punischen von Julius Gabinius und seiner Frau Julia Gabinia Venusta gestiftet; allein die silberne Statue der Göttin hatte 30000

Thugga, Grundriß des Caelestis-Tempels 1 Ringmauer und Säulenhalle 2 Heiliger Hain 3 Heiligtum, einst mit Silberstatue der Göttin 4 Becken zur rituellen Reinigung

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Sesterzien gekostet. Die Gabinii waren damals die wohlhabendsten Grundbesitzer, zu ihren Ländereien hatten sie noch fast alle kaiserlichen Domänen hinzugepachtet. Sie konnten also spendabel sein und empfingen ebenfalls den goldenen Ring Trajans. Einst zogen wohl feierliche Prozessionen durch die Säulenhalle, während sich im Hof, der wie ein >heiliger Hain< bepflanzt war, die Gläubigen sammelten, die sich zuvor einer rituellen Waschung - Becken zwischen Ringmauer und Nebengebäude - unterzogen hatten. Unterhalb des Caelestis-Tempels und wieder nur für besonders Interessierte lohnend, liegt das Columbarium der Remii, ein Grabbau aus dem 2-/3. Jh. und die Exedra der Juno Regina, vermutlich eine Hauskapelle im einst hier erbauten Wohnhaus der Familie der Magnii, von denen Magnius Felix Rammianus Priester der Caelestis war.

Tellus-Tempel und Dar el Acheb. Man geht zum Marktplatz zurück und findet von hier aus leicht den Tempel der Tellus (16); in unmittelbarer Marktnähe war ja die Muttergöttin und Erzeugerin allen Lebens und Wachstums in der Natur am rechten Platz. 261 hatte eine ihrer Priesterinnen, Botria Fortuna, das Heiligtum gestiftet. In der mittleren Nische der Cella stand wohl einst die Statue der Göttin, wie üblich halb aus dem Boden ragend, neben ihr Gott Pluto zum Segen der Äcker und Ceres für Wachsen und Gedeihen. Im Mosaikfußboden des Portikus ist das Hirsegras abgebildet, Symbol des Tellus-Kultes, bei dem an den Paganalien* der Göttin ein trächtiges Schwein geopfert wurde, um die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres zu garantieren. Dar el Acheb ( i j ) liegt weiter unterhalb, ein gepflasterter Hof, einstmals mit Arkaden beiderseits und Grundmauern von Rechteckräumen, so daß man hier den Vorplatz eines Tempels vermutet (?). Hoch ragt noch das Eingangstor der Fassade: kannelierte Pilaster und korinthische Säulen. Privathäuser und Thermen der Zyklopen. Zwischen Forum, Markt, Thermen und dem unteren Südhang breitete sich das innere Wohngebiet der Stadt, heute ein Gewirr von Hausgrundrissen, Mauern, Säulen- und Pilasterresten, zwischen denen im Hang enge Straßen und Gäßchen bergauf, bergab oder quer zum Gefälle ziehen, meist mit rechteckigen Steinquadern gepflastert, die wegen der Steilheit des Geländes quer zur Straßenrichtung verlegt sind und so in der Regel gleich die Abwässerkanäle abdecken, zu steil und zu eng für Fahrzeuge, begehbar allein für Reit- und Lasttiere, Sänften oder zu Fuß. Im Gegensatz zur strengen Rechtwinkligkeit römischer Ortsanlagen haben Thuggas Stadtväter wohl nie den Versuch gemacht, die natürliche unregelmäßige An­ lage und ihr weiteres Wachstum in ein Stadtbauschema nach Vitruv zu zwingen. Viel­ mehr blieb die dörfliche, nichtrömische, numidisch-punische Tradition bis zum Ende der Stadtgeschichte lebendig. Das Stadtbild lebt vom Neben- und Übereinander der Baugruppen an gekrümmten Straßenzügen an abschüssigen Berghängen, was in auf-

* Paganalien:

bewegliches Fest der alten Gauverbände, der feiert; Schweineopfer.

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p a g i,

nach der Winteraussaat im Januar ge­

fallendem Gegensatz zur klassischen, der Hauptstadt nachempfundenen Architektur der öffentlichen wie der sakralen Gebäude steht. Hier besucht man heute mehrere Häuser, die oft nach den Themenkreisen der dort gefundenen Mosaike benannt sind (die Mosaikbilder sind fast alle im Bardo-Museum). Das Haus >omnia tibi felicia< (18) (Abb. 85) ist nach dieser Grußformel möglicher­ weise das Bordell von Thugga gewesen, den in der Nähe in Steinblöcke geschlagenen Phallus- und Brüste-Symbolen folgend, gelangt man zu dem Haus. Aus dem Haus des Dionysos und des Odysseus (19) stammen berühmte Mosaiken (Färbt. II; Abb. 44). Das Haus des Labyrinths (20) wie das Haus der Masken (21) gehörten vielleicht als Ober- und Unterbau zu einer Hauseinheit. Das größte bisher ausgegrabene Haus der Stadt ist das Haus des Trifolium (22), von dem nur noch die 5 m tiefer liegenden un­ teren Wohnräume (über 21 Treppenstufen zu erreichen) erhalten sind. Rund um einen großen Innenhof gruppieren sich die einzelnen Wohnräume hinter Portiken. Der klee­ blattförmige Grundriß des Speisezimmers gab dem Haus den Namen. Grundsätzlich deckte man Rechteckräume mit Tonnengewölben ab, quadratische Räume mit Kreuz­ gratgewölben und Apsiden und Kuppeln mit Halbkuppelgewölben oder erweiterte große Rechteckräume, die Kreuzgratgewölbe* hatten, mit je einem Tonnengewölbe beiderseits. An vielen offenen Gewölbebogen sieht man deutlich, wie für die Gewölbe­ konstruktionen, besonders in den weiten Thermenwölbungen oder den Magazinräumen im Theater, Tonröhren keilartig mit Muffen ineinandergesteckt wurden. Die privaten Thermen der Zyklopen (23) waren mit dem Trifolium-Haus verbunden und sind in zwei Etagen noch gut erhalten. Die Latrinen waren ähnlich wohl überall in Afrikas Römerorten so angelegt: um eine halbrunde Exedra zwölf Sitze mit Arm­ lehnen in Form von Delphinen, Löcher mit Schlitzen und davor im Boden eine Rinne (Abb. 86). Unterirdische Kanäle folgten derri natürlichen Hanggefälle und sorgten für ständige Leerung, kleine Fontänen übernahmen die Spülung; ein Handwaschbecken gab es an der Wand. Überhaupt sieht man allenthalben unter den Wegeplatten im Stadtgebiet die Kanalisation, die mit Zuflüssen auch aus Privathäusern alle Abwässer in die größeren Straßenkanäle leitete, wobei in Thugga die Hanglage besonders günstig war: es war gesünder als etwa in Rom, wo zur gleichen Zeit noch immer ganze Stadt­ viertel von der Kanalisation ausgeschlossen waren. Libysch-punisches Mausoleum (24). Man steigt hinab zu diesem 21m hohen Bau für

Ataban (372. Jh. v.Chr.), den Sohn des Jepmatath, der wiederum ein Sohn des numidischen Stammesfürsten Palu war (Abb. 87). Er lebte zurZeitMassinissas.Es ist das ein­ zige erhaltene numidisch-punische Bauwerk Tunesiens. Zweisprachig in Libysch-Punisch nennt eine Inschriftentafel der Grabkammer den Namen des Toten, den Baumeister und numidische Facharbeiter. Die Tafel wurde zum Schlüssel für die Entzifferung des Aus den Kreuzgratgewölben entwickelte sich der Kreuzgratbogen, den die islamischen Baumeister auf­ nahmen, um ihn später an die mittelalterlichen europäischen Bauhütten weiterzugeben.

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alt-libyschen Alphabets (heute im Britischen Museum). Seit dem 4. Jh. v. Chr. kam es zur Errichtung solcher Mausoleen orientalischen Ursprungs, die thematisch zu den punischen Ghorfa-Stelen gehören (s. S. 43). Diese Opferstelen bekunden, daß der Ver­ storbene in die vergöttlichte Welt der Gestirne eingegangen ist. König Massinissa soll diese Gedankengänge mit dem alten Cato erörtert haben, der die Ansicht vertrat, der Katasterismus, die Metamorphose glücklicher Seelen in einen strahlenden Stern, wäre für die hervorragendsten Diener des Staates die gerechte Belohnung. Erst als die phönizisdien Kulte ausstarben, gingen auch ihre eschatologischen Lehren unter. So war der Totentempel das Tor zum Übernatürlichen, wo der Verstorbene eine andere Welt be­ trat, die Begegnung mit seinem Gott. Dreigeteilt stellte sich dieser Kosmos dar: das irdische, untere erste Stockwerk und darunter die höllische Welt der bösartigen Mächte (Fabelwesen, Löwen, Schlangen); das zweite Stockwerk der Vitalität, der herrschenden Gottheit über die Menschenbrut, die in der Fruchtbarkeit der Natur zu leben vermag (Früchte, Füllhörner, Statuen der Fruchtbarkeitsgötter); das oberste dritte Stockwerk zuletzt war das Übernatürliche, das Ziel der Guten, die dort der Gottheit ähnlich zu Sternen am Firmament werden wollten. Solcher phönizischen Tradition folgend zeigt der Aufbau des Mausoleums mehrere Stufen: Untergeschoß: fünfstufiges Podium, Eckpfeiler mit äolischen Kapitellen, Voluten und Lotosblumen, Fenster zur Grabkammer (früher verschlossen), mehrere Schein­ fenster; Mittelteil: dreistufiges Podium, drei Lagen aus Steinquadern, Architrav mit ägyptischer Flohlkehle, kannelierte, ionische Säulen, in der Nord- und Ostseite meh­ rere Fenster; Oberteil: dreistufiges Podium, an den Ecken Sockel für Reiterstatuen, die Symbole des Kriegerfürsten, mehrere Lagen Steinquader, Eckpfeiler mit Kapitellen aus Lotosblumen, an jeder Turmseite das Flachrelief eines Viergespanns, Symbole für die letzte, irdische Fahrt des Toten; Pyramide: auf jeder Ecke eine geflügelte weibliche Figur mit einer Kugel in der Linken, das Symbol für die >Seelenträgerin

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43 BARDO Vergil-Mosaik: Der Dichter zwischen Clio (mit Rolle und Griffel) und Melpomene (mit Maske), im Buch Verszeilen aus der Äneis

44>4S

BARDO Mosaik aus Sousse (3. Jh.): Neptun, der Beherrscher der Meere, mit Amphitrite und Triton. Unten: Mosaik aus Utica (2. Jh.): Diana auf der Jagd

46-49

BARDO Fischermosaik aus Sousse (3. Jh.). Mosaik aus Acholla (2. Jh.): Kopf des Oceanus. Mosaik aus El Djem (4. Jh.): Venus. Mosaik aus Gafsa (5. Jh.): Wagenrennen im Zirkus

54

THUBURBO MAJUS Blick vom Portikus der Petronier zum Forum

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68

THUBURBO MAJUS

69, 70

Reich dekorierter Architrav

THUBURBO MAJUS

Eingang zur Kurie. Winterthermen mit der cella media

7i, j i 73, 74

MUSTI Kleines Römerkastell an der römischen Hauptstraße von Karthago nach Theveste. Rechts: Reste eines Jagdmosaiks MUSTI Souterrainanlage eines Römerhauses. Rechts: Auffangschale aus einer Ölmühle

75 DOUGGA Römische Hanganlage, überragt vom Kapitol. Unten in den ölbaum girlen das libysch-punische Mausoleum

77-80

Apotheose des Augustusgetroffen< sehen und seinen Verstorbenen auch in Kleidung und Haartracht wiedererkennen. Kleidung und Haartracht. Das punische Gewand, die Tunika, war wesentlich weiter und länger als das römische, beim Gehen zog man es bauschig über den Gürtel, so daß es nur bis kurz unter die Knie reichte. Die Ärmel waren weit. Darüber trug man bei Bedarf den Mantel, ein Rechtecktuch, auf der Schulter mit einer Fibel festgesteckt. Er war also dem römischen angeglichen, während das karthagische Gewand vor 146 v. Chr. weder Mantel noch Fibel kannte, dafür aber die unerläßliche Mitra oder Kappe. Im i.J h . bevorzugten die Männer ein langes, stark plissiertes Gewand aus Mousseline über einem vorn offenen Unterkleid, ein Schurz wurde von Trägern ge­ halten. Die Frauen trugen ähnliche Kleider, geschmückt mit bestickten Schärpen und Bändern. Tertullians Traktat >De pallioVier Jahreszeiten*. Als auch in Sufetula das Christentum genügend Einfluß und Bedeutung erlangt hatte, entstanden etwa im 5. Jh. mehrere Gotteshäuser gleich nordöstlich vom Forum im zentralen Stadtbereich. Zuerst die Kirche eines Bischofs Bellator, die älteste der Stadt und seine Grabeskirche, anfangs eine einfache Basilika, der nachträglich eine Apsis angefügt und die mit Mo­ saikdekor geschmückt wurde. Mehrere feingliedrige Säulen umstehen das Taufbecken. Dann folgt eine fünfschiffige Basilika als Grabbau für einen 467 unter König Geiserichs Herrschaft gestorbenen Priester Vitalis und schließlich eine K apelle für Bischof Jucun­ dus, der 411 auf dem Konzil der Provinz in Karthago wortgewandt seine Diözese Sufe­ tula vertreten hatte. Er starb als Märtyrer. Noch andere Kirchen im Stadtzentrum ent­ standen, meist durch Umbauten antiker Kultstätten, wie etwa die des Priesters Servas (Abb. 102). Von den benachbarten einstigen Therm en aus dem 2. Jh. ist wenig zu er­ kennen, denn sicherlich mußten gerade ihre Steinblöcke zum Bau der byzantinischen Forts herhalten. Ihre Lage an der Hauptstraße ist bezeichnend, führte von hier doch der Weg weiter direkt zum kleinen Theater, von dessen Rängen man über den Fluß zur hügligen Landschaftskulisse schaute (Abb. 106). Im Bereich um den heutigen Eingang zum Ruinenfeld gibt es mächtige Trümmer von byzantinischen Festungswerken, erbaut in der römischen Großquadertechnik aus hastig von anderen Bauwerken zusammengeholten Steinblöcken aus der Zeit, da Solomon das Stadtgebiet Sufetulas in Verteidigungsforts umgestalten ließ, um (ab 534) die anstür­ menden Nomaden aufzuhalten und die Zusammenschlüsse starker Berberstämme zu verhindern, die mit den in Kairouan stationierten Armeecorps der Araber alles ver­ suchten, um die strategisch wichtige Straße Karthago-Sufetula-Thelepte zu beherrschen. Triumphbogen und Mausoleum. An der Stadtgrenze im Süden betrat man die Stadt

durch ein Tor: einen monumentalen Trium phbogen, errichtet für Diokletian im 3. Jh. (Abb. 103), eintorig, die profilierte Attika über der Kreisbogentonne auf zwei Mauer­ pfeilern und von je zwei Säulen mit korinthischen Kapitellen gegliedert, die Bogen­ stirn als Archivolte, die Gesimse gekröpft, zwei Rechtecknischen an der Außenfront für Statuen des Kaisers. So von der Erhabenheit des Imperator Triumphalis beein­ druckt, gelangte man direkt über die repräsentative Hauptstraße zu Forum und Kapi­ tol. Der Bogen wurde errichtet, wo die Etappenstraße das Stadtgebiet querte, auf der gleichen Trasse, der heute noch die Straße P 13 Sbeitla-Kasserine folgt. Westlich von ihr ist in den angrenzenden Stadtbezirken noch wenig ausgegraben worden. So gibt es bis fast 500 m westwärts nur Trümmer zweier Mausoleen und eine Kirche für zwei Glaubenszeugen, nach einer dort gefundenen Mosaikinschrift (jetzt im Bardo-Museum) zum Gedenken der »Herren Märtyrer Silvanus und Fortunatus«, erbaut um 400 von einem Bonifatius, möglicherweise einem Bischof von Sufetula (?). Christen wie Römer 133

EL D JE M (T H Y S D R U S )

hatten also westwärts der Militärstraße ihre Nekropolen, wie man mit gutem Recht annehmen kann sogar am gleichen Platze, an dem irgendwann einmal punische Siedler eine Begräbnisstätte, vielleicht sogar einen Tophet, hatten. Auf einem Aschenhügel fand man eine Saturn-Stele, die zu solchen Erwägungen berechtigt. Näheres aber ist bis jetzt nicht bekannt.

El Djem/Thysdrus Auf welcher Straße auch immer man El Djem zustrebt, urplötzlich wird man anhalten vor dem Bild des mitten aus der kahlen Steppe aufwuchtenden Amphitheaters (Abb. 113). Bald wird man die drei Stockwerke des Bauwerkes und in seinem Westrand die große Mauerlücke ausmachen können. Im beginnenden 3. Jh. wurde es errichtet, keines­ falls, wie manche meinen, von Gordianus III., sondern sicherlich von den Severern, und war nicht ganz vollendet, als 238 ihre Dynastie endete. Geschichte. Übertrieben hohe Steuerforderungen unter Maximinus Thrax brachten zuerst die Stimmung in der Bevölkerung zum Brodeln, bis es unter der Führung der juvenes von Thysdrus, Maktar und Karthago zum offenen Bruch mit der kaiserlichen Autorität kam, wobei der Procurator den Aufständischen zum Opfer fiel, obgleich sein Legat Capellian mit allen Tricks und üblen Machenschaften die Aufständischen gegeneinander auszuspielen suchte. Der alte Proconsul, jetzt Kaiser Gordianus I., kam an die Macht, ein beredtes Beispiel dafür, in welchem Maße die afrikanische Provinz ihren Einfluß bis nach Rom geltend zu machen wußte. Die Vorgeschichte dazu ist, daß ein Dekret des Septimius Severus seine afrikanischen Landsleute von der Ölabgabe befreit hatte, eine dem römischen Steuersäckel abträgliche Anordnung, die unter Maxi­ minus Thrax wieder rückgängig gemacht werden sollte. Als deshalb der Procurator in Thysdrus, dem Zentrum des Ölanbaugebietes in Africa proconsularis, auftrumpfen wollte, kam es zum Eklat, er wurde umgebracht, Maximinus Thrax verlor Amt und Würden, und Gordianus kam auf den Kaiserthron. Olbaumanbau. Weshalb wurde gerade in Thysdrus ein solch mächtiges Amphitheater

erbaut? Um die Wende vom 2. zum 3. Jh. dehnte sich um Thysdrus bis hin zur Küsten­ ebene beim heutigen Sfax ein riesiges ölbaumgebiet (s. a. Abb. 112), seit die Kaiser in den ersten Jahrzehnten des 2. Jh. befohlen hatten, auch die loci derelicti mit ölbäumen zu bepflanzen. Das waren die nicht unwesentlichen Flächen, die bei der Katasterein­ teilung von den Feldmessern als für den Getreideanbau wegen ihrer ungünstigen Topo­ graphie und wegen des unter 300 mm im Jahr liegenden Niederschlags als ungeeignet ausgespart worden waren. Dort, wo die ölbaumgärten des Kernsahel und die der Sfaxer Region zusammentrafen, mußte sich Thysdrus als zentraler Platz für die ge­ samte Sahelzone rapide entwickeln. So soll die colonia im 2./3. Jh. auf rund 100 ha Fläche bis 30 000 Einwohner gehabt haben. Nicht für sie allein, auch für alle im Sahel134

bezirk lebenden und in der >ölindustrie< Beschäftigten wurde das so auffallend große Amphitheater errichtet. Denn ö l hatte im Altertum nicht nur eine wirtschaftliche, sondern fast noch mehr eine soziale Bedeutung. Es war ein überaus wichtiges Nah­ rungsmittel, wurde zur Körperpflege, statt Alkohol und Seife, benötigt, und war Grundstoff für die Parfümherstellung, war als Brennstoff für die Öllampen unent­ behrlich. Für das italische ö l war das afrikanische im 2./3. Jh. die überlegene Kon­ kurrenz. Gegen sie vertrat Juvenal offen die Lobby der italischen Ölproduzenten und tadelte maliziös die Geizhälse von Gastgebern, die ihren Gästen dieses afrikanische ö l im Bade anböten, das so stinke, daß es selbst schwarze Schlangen in die Flucht jagen könne. In vielen Ölmühlen mit immer verfeinerten Raffiniermethoden gab es im Sahelraum geradezu eine afrikanische Ölindustrie, die mit der der Lampenhersteller in Hadrumetum (Sousse) korrespondierte. Aus dem Hadrumeter Hafen segelten mit ihren typischen Vierecksegeln die speziell für den Amphorentransport gebauten Schiffe nach Ostia, im Schiffsbauch nebeneinander auf dem spitzen Unterteil stehend Am­ phoren, 10 000 Stück zu 25 Kilogramm, also 250 Tonnen Nutzlast pro Schiff. Amphitheater. Neben dem Kolosseum in Rom und dem von Pozzuoli bei Neapel war

das Amphitheater von Thysdrus das drittgrößte im gesamten Imperium, 122 m breit, 36 m hoch mit drei steinernen Geschossen (maeniana) und (Abb. 114). Hinter ihren Bogenjochen fanden bis 60 000 Zuschauer über geordnete Treppenhausblöcke ihre exakt bezeichneten Sitzplätze, die an

148 m lang, 68 Arkaden sinnvoll an­ heißen Son-

Plan von El DjemJThysdrus 1 2 3 4 3

Amphitheater Kleines Amphitheater Museum Römerhäuser Neues Ausgrabungs­ gebiet (alte Wohnviertel) 135

EL D JE M (T H Y S D R U S )

nentagen unter einem weitgespannten velum schattig und kühl waren. Die Tragemasten für diese Sonnensegel waren durch Öffnungen im oberen Gesims geführt und steckten in den Konsolen der Pilasterwand. Der Architekt hat auf Schmuckdetails verzichtet die flächenhafte, nackte Mauersubstanz dominiert, alle römischen oder korinthischen Kapitelle bleiben eigenartig geglättet, die Fassaden in römischer Ordnung wie die Attika feierlich erhaben, weil das flache Halbsäulenrelief ohne Vertikale die die Architravbänder staffelnde Gliederung der Postamente der Mauerfläche unterordnet. In der Arena (Achsenmaße 65 m und 37 m) liegen heute die einst voll überwölbten Regie- und Magazinräume, 16 Tierkäfige und Gefangenenzellen teilweise frei. Man kann hinuntersteigen. Schwieriger ist der Aufstieg über die steinernen Speitreppen (vomitoria) zu den oberen Rängen. Um 670 hatte Okba Ibn Nah, der Neffe Amrs, des Eroberers von Ägypten, die christliche Herrschaft in Nordafrika endgültig gebrochen, 683 wurde er von den Ber­ bern überfallen und umgebracht. Das schien ein Fanal für die anderen Berberstämme zu sein. Einen von ihnen vereinigte Zoheir Ibn Kais, von seiner >Prophetin< der Fürstin Damia Kahena geführt, 689 mit den Byzantinern. Im Oval von Thysdrus als letzter Zufluchtsstätte verschanzten sie sich, es war der letzte vergebliche Versuch der Berber, die arabische Invasion aufzuhalten. - Bis ins 17. Jh. hinein blieb das Amphitheater voll erhalten. Dann ließ ein Bey mit Kanonen brutal eine Bresche in den Mauerring schießen, weil er es überdrüssig war, daß die Bewohner von Thysdrus stets in das Theater flüchteten und sich erfolgreich verbarrikadierten, wenn seine Steuereinnehmer ihre Forderungen eintreiben wollten. Seitdem ist die Statik im Mauerring gefährlich gestört, und es wäre ohne Stützmaßnahmen und Restaurierungen längst eingestürzt. Ein zweites, kleineres Amphitheater ist noch nicht ausgegraben, sehr wenig von den antiken Stadtvierteln, vom Zirkus (als Luftbildaufnahme exakt lokalisiert mit Eingangstoren, Tribünen und 515 m langer, 100 m breiter Arena - wie der des Maxen­ tius in Rom) und von den Thermen des Kaisers Konstantin (2. Jh.), aber ein 1,83 m hohes korinthisches Kapitell, das größte in Tunesien gefundene, kam zutage. Zumindest Teile dieser Thermen müssen also denen des Antoninus in Karthago entsprochen haben. Grundmauern mehrerer einst prächtiger Römervillen, die mit oft großflächigen Mo­ saiken geschmückt waren (Abb. 115), sind im Freigelände hinter und im kleinen Mu­ seum zu besichtigen, (u. a. >Die neun Musern, >Wilde Tiere aus dem Amphitheater^ >Bacchus reitet auf einem TigerDionysos-Zug< aus dem südlichen Wohn- und Geschäftsviertel des alten Thysdrus. Zirkusspiele. Während Wagenkämpfe und Hunderennen wie leichtathletische Wett­

kämpfe, auch Kriegsspiele einzelner Legionärskohorten gegeneinander ohne Blutver­ gießen relativ oft stattfanden, manche als >Feiertagssport< allwöchentlich, waren die Spiele im Amphitheater stets ungewöhnliche Ausnahmen, die dann natürlich die Mas­ sen Neugieriger auf die steinernen Ränge trieb. Vornehmlich wurden in den frühen 136

Zeiten dort Gladiatorenkämpfe veranstaltet. Solche munera gladiatoria waren kost­ spielige Angelegenheiten für die Veranstalter und ein Grausen für jede Stadtverwal­ tung. Aber die Übernahme eines hohen Amtes verpflichtete dazu. Freiwillige Gla­ diatoren (der hoplomachus in voller Rüstung, der retiarius mit Netz oder mit Leicht­ schild und Krummschwert) forderten Stargagen*, Gefangene für die Arenen gab es selten genügend, und zudem bildeten sie stets ein Sicherheitsrisiko, sie hatten ja in keinem Falle mehr etwas zu verlieren. So wich man gerne auf Tierhetzen aus, bei denen stets die Tiere, seltener ein Venator, ihr Leben einbüßten, oder man hetzte Tiere gegeneinander: Elefant gegen Löwe, Nilpferd gegen Leopard, Löwen mußten Strauße oder Giraffen jagen, was dann als >Fest afrikanischer Tiere< galt; Dion meinte, durch Löwen und Stiere gewänne man das Herz des Publikums. Später wurde die Bestrafung von Räubern und Mördern zur öffentlichen Attrak­ tion, wenn sie in der Arena um ihr Leben kämpfen mußten oder, noch schlimmer, einem Tier einfach ausgeliefert wurden. Es gibt genügend Berichte antiker Autoren, die in allen Einzelheiten solch sadistische >Spiele< beschreiben: gefesselt auf den Rücken eines Stieres binden; von Kühen zertrampeln lassen; von Leoparden oder Bären zer­ reißen lassen; bei lebendigem Leibe verbrennen oder entmannen; Frauen der Geilheit von wilden Eseln aussetzen; nackt, in Netze gewickelt, wilden Tieren vorwerfen; auf kleine Wagen binden und wilden Tieren hinschieben usw. Solche Grausamkeiten dien­ ten neben der Sensation auch als Abschreckung: die wenigen Ordnungskräfte im proconsularischen Afrika hätten sich kaum durchsetzen können, wenn nicht der Gesetzes­ brecher vor Augen gehabt hätte, daß die öffentliche Abrechnung im Amphitheater ihm drohte. Die Hinrichtungsform für nicht den oberen Schichten angehörende Personen war das Vorwerfen vor die Tiere in der Arena, munizipale Urkunden nennen be­ lobigend Beamte, die in die Arena soundso viele Verbrecher >gabenBarbaren< mit Sprache, Religion und Verwaltung lateinische Zivilisation so nahe zu bringen, daß * io ooo Denare verlangte ein Gladiator für einen Kampf, zwanzig bis dreißig traten bei den Spielen stets auf; ein Wagenlenker bekam zwischen 8000 bis 15 000 Denaren, und Lukian erwähnt einen, der im Verlaufe seiner Renrijahre mehr als 9 Millionen Denare verdiente.

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GI G H T I Nordafrika unter den vielfältigen Einflüssen bald lateinischer wurde als Italien selbst. Dabei empfand man sich nicht als >KoloniePrivileg< dieser römisch-klassenlosen Gesellschaft. Aus dieser Zeit fand man im Forum von Gighti eine der Concordia geweihte Statue (Bardo-Museum), Symbol der vorbildlichen Eintracht. In der Hand hält sie ein Füll­ horn, wohl als Sinnbild der aus der Einigkeit entstandenen Fruchtbarkeit der Gegend. Um mit diesen Gütern Handel zu treiben, wurde im Bou-Grara-Golf eine Hafen­ mole gebaut. Man hatte es also im Schutze des Limes Tripolitanus (er sollte Einfälle räuberischer Wüstennomaden aufhalten) verstanden, im extensiven Landbau selbst in solchen Extremgegenden nicht nur Oliven, sondern auch Feigen und Datteln zu ziehen, den Unterstockbau zu pflegen und die Tierhaltung zu intensivieren. Überall im heute längst wieder versandeten und versteppten Lande gibt es Ruinen von Einzelhofsied­ lungen, die deutlich genug beweisen, daß der colonus bis in diese unwirtlichen Gebiete hinein durchaus in der Lage war, eine blühende Kulturlandschaft zu entwickeln. Das war keineswegs die Folge eines früher günstigeren Klimas, sondern allein die Frucht der zähen Fähigkeit römischer Siedler und einheimischer Bevölkerung in diesen Jahr­ hunderten politischer Ruhe und Ordnung. Forum, Thermen, Villenviertel. Direkt an der heutigen Straße nach Djorf liegen die

Thermen, 104x66 m groß, einst teilweise mit kostbaren Onyx-Platten belegt, auf­ fallend groß und kostbar eingerichtet für eine so weit vorgeschobene Siedlung. Am besten erhalten ist das Forum. Vermutlich wurde es zur Zeit Hadrians errichtet. Vom Kapitols-Tempel blieben die Stufen zum Podium und die Sockel von sechs Säulen (Abb. 161), gefunden wurde hier ein furioser Zeuskopf aus Marmor. An der Westseite er­ hoben sich vier Tempel, einer für Concordia, von einem Ummidius Sedatus, wo man die oben genannte Statue fand, einer für den Genius des Kaisers Augustus (ein mar­ t 38

Plan von Gighti 1 2 j 4 $ 6 7

West-Thermen Forum Kapitols-Tempel Viertempel-Anlage Kurie Dionysos-Tempel Äskulap-Tempel

8 Zentral-Thermen 9 Markt jo Südliches Villenviertel ix Merkur- und Minerva-T empel

morner Kaiserkopf wurde hier gefunden), einer für Herkules und einer für den Liber Pater. In der Verlängerung gab es einen großen, 20 x 8 m langen Tempel, man weiß nicht für wen, aber sicherlich zur Zeit Marc Aurels errichtet —und weiter südlich eine zweite Tempelanlage mit einer Palästra davor, dann den Marktplatz mit fünf Läden um einen Innenhof mit Brunnen und daneben ein Äskulap-Tempelchen. Nach Süden zu anschließend dehnte sich das Villenviertel. Es lag gut 400 m vom Stadtzentrum entfernt und so am Hang, daß man von den Terrassen und Zimmern hin­ aus aufs Meer schauen konnte. Zwischen den Prachthäusern stand ein Merkur-Tempel mit neunzehn Marmorsäulen und vielen Inschriften aus dem 3. Jh., daneben ein kleiner, fast intimer Minerva-Tempel. Von diesem Viertel der Wohlhabenden blieben Haus­ grundrisse, einer mit zwanzig dorischen Säulen um ein Peristyl, schöne Architektur­ fragmente und sogar Fresken von Amoretten und Kindern und Statuenreste eines Satyrs erhalten. Man muß das Ruinenfeld zuerst vom Podium der Kurie aus über­ blicken und dann bis zum Hafen an der alten Hafenmole gehen, um die außerordent­ lich günstige Lage der Stadt an der heute verlassenen Küste ganz zu erfassen.

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Seite in maghrebinischer Schrift aus dem >Dalil Al-Hayrat< (Handbuch der himmlischen Segnungen)

Islamisch-arabisches Tunesien III

Hauptorte des Islam

Tunis

Schon als Elissa/Dido mit ihrer Tyrer-Schar ans afrikanische Festland stieg, gab es den Ort Tunes als Stammessitz der numidischen Maxitani; ihr sagenhafter König Hierbas soll den Tyrern anfangs Landparzellen verkauft haben, er war es, der mit seiner stürmischen Werbung um die Prinzessin deren Feuertod heraufbeschwor. Nur zwei­ hundert Jahre später gehörte Tunes bereits zum karthagischen Einflußbereich, wurde befestigt und so im Jahre 310 v. Chr. zum ersten Male Ziel gegen Karthago einge­ setzter Truppeneinheiten, der des Agathokles von Syrakus. So war die natürliche Stoß­ richtung gegen Karthago aufgezeigt, die 245 Regulus wiederholte. Er belagerte und nahm Tunes, um Karthago zu erobern, vergeblich zwar noch, solange die Metropole zu nahe und zu stark war. Dann folgte aufständischen Söldnern, die Hamilkar in Tunes ausräuchern konnte, der Römer Scipio >der Afrikaner und zuletzt Scipio Aemilianus, die beide von Tunes aus Karthagos Fall vorbereiteten. In ihrem letzten römi­ schen Hauptquartier in Tunes wurden schließlich die Pläne geschmiedet, die 146 v. Chr. zum Untergang Karthagos führten. Tunes ging mit unter - erstand aber ebenso neu mit der mächtigen, jetzt römischen Schwesterstadt als Thuni, aus dem unser Tunis wurde. Lage. Solche Beständigkeit ist die Folge der überaus günstigen verkehrsgeographischen

Struktur des Großraums Tunis, dessen westlich in den Golf vorgeschobene Halbinsel die Tyrer zur Gründung von Karthago bewogen hatte. Tunis dagegen liegt 10 km vom Meer entfernt, aber an einer Lagune, die bei La Goulette über eine Fahrrinne mit dem Meer in Verbindung steht, die natürliche Voraussetzung für einen Hafen, für den die zwar seichte, für antike und mittelalterliche Schiffe mit geringem Tiefgang aber durchaus genügende Lagune, der See von Tunis oder El Bahira, in Frage kam. Erst 1888-93 mußte, um auch Schiffen mit mehr als 6 m Tiefgang den Weg zum In­ nenhafen zu ermöglichen, durch den Lagunensee ein Kanal (10 km lang, 45 m breit) gebaggert werden - sein Aushub wurde der Damm Tunis-La Goulette (Autostraße •und Schnellbahn) zum Außenhafen, genau dort, wo in der Antike der Durchbruch der Lagune geschaffen worden war.

TUNI S

Der Großraum Tunis Wie heute von Tunis aus radial Eisenbahnen und Straßen fortstreben, so war in antiker Zeit der Platz Tunes Ausgangspunkt der Wege nach Utica, Thugga und Hadrumetum. Eingeengt zwar, aber geschützt, genügte der Stadt bis ins letzte Jahr­ hundert hinein das Areal zwischen El Bahira im Osten, der Sebkha Sedjoumi im Süden und den Vorstadtgebieten auf dem nördlichen Küstensaum Karthago-Gammarth, be­ vorzugten Wohngegenden an weiten Sandbuchten und vor den Ruinenfeldern Kartha­ gos. Neuerlich wachsen moderne Wohnviertel nach Westen über Bardo hinaus bis Manouba, im Norden in Ariana, der Nähe zum Flugplatz El Aouina (Carthage). Dort gerade wäre noch genügend Platz für eine städtische Bebauung großen Stils, wenn vorher ungesunde, flache Lagunenrandstreifen siedlungsreif gemacht würden. Schon im 3. Jh. gab es in Tunis eine christliche Gemeinde und einen Bischof als Vertreter des in Karthago residierenden Primas des Landes. Mit Karthagos zweimali­ ger Eroberung (695 und 698) durch die Truppen des Hassan Ben Nomane begann der Aufstieg von Tunis, und während Karthago verfiel, entstand in der Lagune vor der Stadt die erste moslemische Flottenbasis für das arabische Ifrikia, in die 894 aus Kairouan der Aghlabide Ibrahim II. seine Residenz verlegte. Schon 905 wurde sie fatimidisch und war seit 1160 faktisch Ifrikias Hauptstadt, blühte mächtig auf, vor allem, 14z

als die Hafsiden ihre langdauernde Macht angetreten hatten. Sie war, zeitweise noch vor Kairouan, Nordafrikas Metropole. Ibn Khaldoun. Am 27. März 1332 wurde der große Philosoph, Historiker und Denker

in Tunis geboren, der die Ursachen aller Ereignisse zu erkennen versuchte, nicht nach theologischen oder philosophischen Prinzipien, sondern durch die Synthese objektiv auf ihren Wahrheitsgehalt geprüfter Tatsachen. Wie vor ihm Augustinus, so nimmt Ibn Khaldouns Denken Roger Bacon, die Spätscholastiker oder Meister Eckart vorweg und spannt den Bogen fast bis zu Rousseau, wenn er äußert: ». . . der Mensch neigt viel eher zum Guten als zum Schlechten«. Fantastisch ist seine Lebensgeschichte: Höf­ ling, Sekretär, Verschwörer, General, Minister, Bandenführer, Botschafter, Großkadi, Wissenschaftler, Poet, zu Hause in fast allen islamischen Fürstenhäusern zwischen Euphrat und Guadalquivir. Seine >Geschichte der Berber und Araber< bleibt das Stan­ dardwerk zum geistigen Panorama des mohammedanischen Nordafrika. Ibn Khaldoun starb am 16. März 1406, im Jahre 808 der Hedschra. Medina. 732 wird vom arabischen Historiker El Bekri die Moschee des Ölbaumes, die Djama Ez-Zitouna, erwähnt, die der Omaijaden-Gouverneur Obeid Allah Ibn El Habbab gegründet habe (Abb. 1). Ihre dem ersten bescheidenen Gotteshaus gegenüber grundlegenden Änderungen und Umbauten zur Freitags- und Hauptmoschee entspre­ chen dem Wachsen der Stadt und gehen zurück auf den Aghlabiden Abu Ibrahim Achmed und den Abbassiden El Mostain. Wie im frühen Islam üblich, wurden Grund­ risse, Bautechniken und Architekturelemente von antiken Vorbildern übernommen und vermischt mit neubabylonisth-sassanidischen Komponenten. Auch später wurde die Ölbaummoschee noch mehrfach umgebaut, so erhielt sie im 10. Jh. die vieleckige Kuppel, im 17. Jh. die Doppelgalerien und neue Decken, im 18. Jh. erhielt das Mina­ rett seine Form, im 19. Jh. wurde es erhöht auf 44 m; es entstand fast eine kleinere Kopie der aghlabidischen Okba-Moschee in Kairouan. Im Gebetssaal tragen in fünf­ zehn Schiffen mit je sechs Jochen einfache oder Zwillingssäulen (erstes Joch) unter ge­ stelzten Hufeisenbogen die überaus stilvolle Holzbalkendecke (Färbt. V III; Abb. 5). Es sind meist antike Säulen mit viereckigen Deckplatten, darauf hohe mit geometrisch gemusterten Stukkaturen gezierte Kämpfer, denen die Kapitelle vielformig und im Muster variabel entsprechen. Fenster im Wechsel mit Nischen rund um die Gewölbe­ trommel belichten die aus zweifarbigem Gestein gearbeitete Rippenkuppel und nach unten den Mihrab unter einer Halbkuppel (Abb. 4). Große venezianische Lüster be­ leuchten den Innenraum und die hohen Schränke mit teils noch aus dem 15. Jh. stam­ menden kolorierten Koranhandschriften. - Auch die Kolonnaden um den Hof werden von antiken Säulen - alle vermutlich aus Karthago - getragen. Zur Moschee gehören eine Theologen- und Juristenhochschule, die nach wie vor, neben der Azhar-Universität in Kairo und der marokkanischen Kairouine in Fes, für den Weltislam höchste Autori­ tät haben.

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Tunis, Plan der Medina i Porte de France 2 Kirche des Hl. Kreuzes j Nationalbibliothek 4 Hauptmoschee EzZitouna y Dar Hussein 6 El Ksar-Moschee 7 Sidi Bou Krissan 8 Moschee der Kasbah 9 Dar El Bey 10 Sidi Youssef-Moschee 11 Mausoleum des Sidi Ben Arous 12 Grabmal der Aziza Othmana 19 Tourbet El Bey-Moschee 14 Färbermoschee 15 Dar Othman 16 Sidi Mahrez-Moschee i j Mausoleum des Sidi Ibrahim 18 Diwan

Mit dem Bau der Ölbaummoschee (nach einem einst dort stehenden legendären hei­ ligen Ölbaum) vermutlich am Platz des alten römischen Forums, war, wie immer im islamischen Bereich, der Kern einer Medina gelegt, um die sich (nur für den fremden Besucher unübersichtlich) im Verlaufe der Stadtentwicklung Laden- und Marktstraßen, andere Moscheen und Heiligtümer, Zünfte und Wohneinheiten organisch im Kreise ordneten. In der Frühzeit des Islam durfte eine Moschee für das Freitagsgebet, mit einem Minbar also, als Hauptmoschee gelten. Und um diese Moschee herum, je nach dem Grad ihrer Vornehmheit oder Bedeutung, entstanden die Häuser und Läden der Ge­ werbetreibenden und Handwerker: unmittelbar am Gotteshaus die Buchhändler und Parfümhersteller, dann die Drogisten, Weber und Tuchhändler, weiter weg die Schnei144

der, dann die Lebensmittelhändler und Obstverkäufer und an der Peripherie, distan­ ziert von Moschee und ruhiger Stadtmitte, die lauten Schmiede und Kupferschläger, und an den Stadtmauern oder sogar schon außerhalb die luftverpestenden Fellschaber, Gerber und Färber. In der Medina von Tunis, eine der besterhaltenen von ganz Nord­ afrika, läßt sich dieses gewachsene ständische Ordnungsprinzip noch gut beobachten. Vom io. Jh. an wurden alle Hauptstraßen nachts mit Kupferlaternen und ö l beleuch­ tet. Eine Besonderheit waren - und sind —die Hammams, heiße Bäder, in jeder Me­ dina, meist aus Ziegelwerk gebaut und innen mit Marmor verkleidet. H at man sich entkleidet und die Sachen in einem Holzfach verstaut, bindet man einen Schurz um und säubert sich mit heißen Wassergüssen, einer Bürste und Seife (früher Efeu, Seifen­ kraut und Judendorn) erst in den Heißräumen, dann mit lauwarmem und zuletzt kal­ tem Wasser. Ein Masseur bearbeitet intensiv alle Muskelpartien, Helfer säubern die Holzzuber, füllen Wasser in die Becken nach oder räuchern mit Mastix und Weih­ rauch die Räume - Prozeduren, die zwar der Raffinesse römischer Thermenbräuche nicht entsprechen, aber alle eines Besseren belehren, die meinen, der Islam legte auf Hygiene keinen Wert. (Man kann Tunesien-Reisenden nur raten, das übliche Hotel­ badezimmer wenigstens einmal mit einem Hammam-Besuch zu vertauschen.) Zuletzt ruht man in einem kühlen Kuppelraum solange man will, trinkt eine Limonade, plau­ dert, liest ein Buch oder schläft. El Ksar-Moschee und Kasbah. Nach 944 war Tunis zum ersten Male von einer Stadt­

mauer umgeben, die Sidi Mohammed Mahrez errichtet hatte. Als nach dem Fall Kairouans 1148 und dem Ende der Ziriden-Dynastie die Hammaditen aus Kalaa (bei M’Sila in Algerien) sich der Herrschaft für kurze Zeit bemächtigten - Ibn Khaldoun sagt: »wie Heuschrecken auf das Land stürzten« -, entstand ihre El Ksar-Moschee, ein einfacher Bau, in dem auf antiken Säulen schmucklose Hufeisenbogen die Holz­ balkendecke stützen. Später erst verfeinerten Dekors in Flechtmustern, Marmorinkru­ stationen und Email, spanisch-maurische Details und Inschriften an den Blendarkaden das schöne Minarett aus dem Jahre 1647. Da stießen aus Marokko die Almohaden nach Osten vor, und Tunis geriet in ihren Herrschaftbereich. Die Schwäche ihrer entfernten Führung ausnutzend, machte sich der almohadische Statthalter Abu Zakkaria selbständig, die Stadt Tunis wurde auf diese Weise, bis 1574, Residenz der neuen Hafsiden-Dynastie, eine der glänzendsten Epo­ chen der Stadtgeschichte. Am Westrand entstand jetzt die hafsidische Kasbah, von der nur das alte Minarett erhalten blieb, quadratisch und mit feinem almohadischem Ge­ flechtwerk an den Außenmauern geschmückt (1235). Mit dem Stauferkaiser Fried­ rich II. wurden enge Handelsbeziehungen geknüpft, und Mustansir I. nahm sich die Freiheit, staufische Vorstellungen dem Frankreich Ludwigs IX. gegenüber zu vertreten. Als die Toleranz gegenüber den noch immer lateinisch sprechenden Christen aufge­ hoben wurde, war das dem französischen König endlich der gesuchte Anlaß, und in Kreuzzugstimmung landete Ludwig der Heilige 1270 in Karthago und belagerte Tunis.

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Typische Kapitellformen in tunesischen Moscheen

Als unter den Mauern der Stadt der König starb, übernahm Karl von Anjou den Oberbefehl, bis in einem Friedensvertrag feierlich die volle Freiheit und Gleichberech­ tigung für alle Christen ausgehandelt werden konnte. Bab-ed-Djedid und Mausoleum des Sidi Ben Arous. Nach solchen Erfahrungen

wurde 1276 mit dem Bau einer neuen Mauer um Tunis begonnen, Bab-ed-Djedid, das >Neue Tor< bei der Gasse der Schmiede, erinnert daran, ein mächtiger Flufeisenbogen in hafsidischer Manier mit kräftigen Kreuzgratgewölben. Jetzt wurden auch die Soukgassen überdacht (die langen Tonnenschlangen; Färbt. IX) und die einzelnen Hand­ werkergassen, nach Zünften geordnet, in ihren Basarbezirken durch verschließbare Tore getrennt, eine Besonderheit von Tunis. Überhaupt ließen die Hafsiden dem Handel alle Hilfen zukommen, förderten die Zünfte, erbauten neue Souk-Viertel rund um die Ölbaummoschee, errichteten Brunnen und Zisternen, Hospitäler und Moscheen. Solch offensichtlicher Wohlstand rief eifernde Kritiker auf den Plan, vor allem eine Bruderschaft des Sidi Ben Arous, der nach erfolgreicher Missionierung zu Einfachheit, Anstand und Besinnung auf die islamischen Glaubensgüter 1463 verstarb und in der für ihn von Al Muntasir errichteten Moschee begraben wurde. Sein von grünglasierten Ziegeln abgedecktes, quadratisches Mausoleum ist sehenswert vor allem wegen des polychromen Marmordekors und der vielgliedrigen Gipsstukkaturen in den Bogen­ laibungen, die höchste Verfeinerung der Kunstfertigkeit des 15. Jh. bezeugen. Das Minarett ist sicherlich das schönste der Stadt, achteckig im Grundriß, im syrischen Stile überhoch und schlank, mit Balkon. Nach Leo Africanus, der es im 16. Jh. besuchte, war Tunis eine »der eigenartigsten und prachtvollsten Städte Afrikas«. Das mußte die berüchtigsten, weil erfolgreichsten Seeräuber des Mittelmeeres, die türkischen Brüder Barberousse, die ganz offiziell im Namen des Sultans von Konstantinopel auf See operierten, anlocken, und im Hand­ streich nahm einer von ihnen, Khereddin, 1534 Tunis ein, raubte, was zu rauben war, mußte jedoch, als ein Jahr später, im Juni I535, Karl V. mit einer Flotte von 400 Seg146

lern seine 33 000 Soldaten auf der Taenia-Halbinsel bei La Goulette landete, Tunis wieder aufgeben. Karl von Spanien zog in Tunis ein, und Hafsidenfürsten nahmen, nominell selbständig, in Wirklichkeit aber für die Spanier, die Regentschaft wahr, ver­ suchten mehrfach, sich wieder unabhängig zu machen, bis der Vizekönig von Neapel und Sizilien, Don Juan d’Austria, Tunis noch einmal in spanischen Besitz zurückholte. Nicht lange, denn in den spanisch-türkischen Rivalitäten dieser Epoche siegten die Türken, Tunis wurde ab 1574 zum türkischen Pachalik mit einem Janitscharengeneral als Statthalter für den ottomanischen Sultan. Er nannte sich Dey und hatte im Diwan eine ihn beratende Regierungsversammlung, dazu einen Bey, der die Steuern eintrieb und auf dem Lande bei den Berberstämmen Recht sprechen mußte. Moscheen Sidi Youssef, Othman und Sidi Mahrez. Der folgende Zeitabschnitt war geprägt von dynastischen Streitigkeiten, Neid, Mißgunst, Verfolgungen und blutigen Kämpfen und ist bezeichnenderweise als »Revolution von Tunis< in die Geschichte ein­ gegangen. Trotz der Rivalitäten wurde Tunis weiter ausgebaut. Dey Sidi Youssef er­ richtete 1616 seine Moschee mit einer Medrese im von ihm angelegten Souk-Viertel der Tuchmacher und Schneider (Färbt. VII). Ihr geräumiger Gebetssaal hinter einer Galerie hat 48 Säulen, viele mit antiken Kapitellen. Im Hafsidenstil wölbt sich hoch über dem Mihrab eine achteckige Trompenkuppel, das Minarett bleibt achteckig. Sein Sohn er­ richtete ihm ein Mausoleum in Quadratform und grün abgedeckt. Innen bestechen weite Hufeisenbogen, vielfarbig aus mehreren Steinarten, und mit Koraninschriften ge­ schmückt. Das Minarett steigt aus einem Quadratsockel oktogonal auf, ein vorkragen­ des Holzschnitzdach deckt den Eingang, die Dachhaube liegt pyramidenförmig auf. Selbst einen Sklavenmarkt richtete Sidi Youssef ein. Am kleinen quadratischen La

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Tunis, Grundriß von Moschee und Medersa des Sidi Youssef Berka-Plätzchen ist das hübsche Säulenarrangement mit Kreuzgratgewölben aus Bade­ steinen zu finden (heute Souk el Berka). Und dann begann, weil jeder neue Dey oder Bey den anderen zu übertrumpfen wünschte, in Tunis eine atemberaubende Bautätig­ keit, die letztlich das Bild der heutigen Medina geprägt hat. Als Fatima, die Tochter des Bey Othman, 1646 starb, bekam sie ihre Grabmoschee, in der später die anderen Fa­ milienmitglieder ebenfalls ihre letzte Ruhe fanden. Aziza, die >VielgeliebteSoltan El Medinader Asket«, genannt. Ganz den türkischen Moscheen nachempfunden, hat seine Moschee neun Kuppeln und muß eingeordnet wer­ den etwa zwischen den Typus einer frühosmanischen und einer Zentralkuppelmoschee mit weiten Zwickeln, in der alle Wandflächen mit Stuck, Keramiken und Farbenkombi­ nationen in persischen Mustern überzogen sind.

Fonduk der Franzosen, Paläste, Belvädere-Kiosk. Überall in der Medina entstanden jetzt neue Palastbauten, viele sind wieder verschwunden, der des Othman und andere blieben erhalten. Europäer und Juden wohnten stets am Rande, aber innerhalb der

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Tunis, Grundriß vom Palast des Bey Hammouda Pascha und vom Kiosk von Manouba im Belvedere-Park

Stadtmauern; der Fonduk der Franzosen mit der kleinen Heilig-Kreuz-Kirche (1662) am Anfang der Rue Djama Ez-Zitouna (Nr. 14) ist noch zu sehen. Seit 170s, jetzt kaum noch vom türkischen Sultanat in Konstantinopel abhängig, begann als erbliche BeyDynastie die der Husseiniten, und sogleich entstand die hanafitische Färber-Moschee 1717 in den Geschäftsvierteln der Färber, vierschiffig mit je fünf Jochen, achteckigem Minarett (vgl. Abb. 2) mit Balkon und Pyramidendach, innen im Schmuckdekor voll italienisierender Formen, wie es eben in Mode gekommen war. Die Paläste des Bey Hammouda und Dar Hussein wurden gebaut mit Arkadenhöfen und schwungvollem Prachtdekor in den bemalten Holzdecken und im etwas bombastischen türkischen Rokoko. Man kann sie besichtigen, da dort das Museum für Islamische Kunst unter­ gebracht wurde. Zu viel Dekor folgte dem Trend zum Italienisieren, ein eigenartiges Gemisch aus Renaissance mit orientalischen Halbkugeln wie in Moschee und Mausoleum des Tourbet Bey. Ganz anders gelungen, und ohne fremdländischer Mode zu folgen, steht aus einem Palastbezirk in Manouba ein auf die Belvedere-Höhe versetzter kleiner Kiosk, ein überaus eleganter Pavillon auf zierlichen Einfach- und Zwillingssäulen (Abb. 7). Schwerelos scheint es, tragen sie auf Pendentifs eine Kuppel mit Kreuzgrat­ gewölben und drei Seitengalerien mit Dreipaßarkaden, die in ihren Füllungen mit Muschelgewölbe, verklöppeltem Gipsschneidewerk und verwunschenen Stukkaturen 149

TUNI S über alle Bogenfelder verziert sind. Weißer Marmor und blaugrünrote tunesische Fayencen ergänzen harmonisch diese Pracht. Der tunesische Stukkateur legt auf die geputzte Wand Schichten aus Leim, Gips und Marmorstaub. Dann werden die Ornamente entweder mit Formen ausgestochen, ge­ schnitten oder geprägt, was eine fortlaufende Musterung ganz nach Wunsch ergeben kann. Während bei Marmorarbeiten stets die Fugenschnitte zu sehen sind, gibt es sie in Gips nicht, dafür aber meist feine Spannungsrisse. Aufgesetzte Stege rahmen und ver­ tiefen gleichzeitig Einzelformen und das Gesamt. Bab el Bahari, Av. Habib Bourguiba, Bardo-Museum. Nach der Errichtung des See­ tores Bab el Bahari, heute Porte de France, begann ab 1858 die Erschließung einer neuen Stadt vor dem unregelmäßigen Oval der Medina, entlang der jetzt Avenue Habib Bourguiba genannten Pracht-Straße, die im Damm nach La Goulette ihre Fort­ setzung findet. Mit der Avenue de Carthage und der Avenue de la Liberté bildet sie das Achsenkreuz, um das sich das moderne Tunis entfaltet, zwischen Medina und See­ Esplanade, Bahnhofsviertel und Belvédère-Park. Eine Besichtigung von Tunis (siehe dazu die Vorschläge S. 277 ff.), dem modernen wie der Medina und den Souks, muß auf alle Fälle den Besuch des Bardo-Museums im Vorort Bardo und den des Ortes Sidi Bou Sa'id auf der Karthago-Halbinsel mit ein­ schließen. Das Bardo-Museum und das Ägyptische Museum in Kairo sind zweifellos die beiden bedeutendsten Museen in Nordafrika, wenn nicht auf dem gesamten schwarzen Kon­ tinent. Untergebracht ist das von Bardo im Palast der letzten Beys. Es gibt in sechs Ab­ teilungen, beginnend mit Fundstücken aus prähistorischer Zeit, einen Querschnitt durch die wechselvolle Geschichte Tunesiens:

i

Vorgeschichtliche Abteilung

2 Punisch-karthagische Abteilung

4

5 Arabisch-islamische Abteilung 6

3 Römische Abteilung

Altchristlich-byzantinische und vandalisch-byzantinische Abteilung

Griechische Abteilung (Mahdia-Schiff)

Im Erdgeschoß beeindrucken vor allem die punisch-karthagischen Funde, Stelen, Sarkophage, und die Fundstücke aus frühchristlicher Zeit wie das große Taufbecken aus Kelibia. Im Ober­ geschoß findet man die großartigen Mosaiken, derentwegen allein eine Reise nach Tunesien lohnte; in der arabisch-islamischen Sammlung gewinnt man eine Übersicht über den moslemi­ schen Kunst- und Kulturkreis, dort sind auch die einzigartigen Fundstücke aus dem bei Mahdia gesunkenen Römerschiff zu suchen (s. dazu S. 215).

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August Macke: >Begegnung vor dem Cafés, Zeichnung von der Tunisreise 1914

Sldi Bou Said. Macke, Klee, Moilliet. Sidi Bou Sa'id könnte, wäre es nicht zum Vorzeigeobjekt für den Massentourismus geworden, Tunesiens reizvollster Ort sein, eine entzückende Terrassenanlage vom Strand bis hinauf zur Koubba Sidi Djebel (Abb. 9), Gassen, Treppen, gewundene Straßen, Durchgänge, weiße Hauskuben und blaue Fen­ sterläden, steinerne Tore und blaue Tür- oder Toreinfassungen, naive schwarze oder messingfarbene Nagelmuster auf Haustüren und das berühmte Café des Nattes, von dem August Mache zwei Bilder auf seiner Tunesienreise gemalt hat (Abb. 8; Färbt. X). Walter Holzhausen schreibt dazu: »Die Reise der drei Maler Macke, Klee und Moilliet nach Tunis 1914 war eine Sternstunde der Menschheit. Wie ließe sich das Beglückende und Entscheidungsvolle der Unternehmung anders als in unzulänglicher Vereinfachung mit­ teilen? Allen war die Einmaligkeit des Geschehens, ja seine Bedeutung bewußt. Jedem verschieden, Macke gab der europäischen Kunst der sichtbaren Welt augenblicklich den feinsten Ausdruck durch Vollendung in der leuchtenden Durchsicht des Aquarells. Klee erkannte sich endgültig als Maler. Für Moilliet eröffnete sich eine geahnte, bis dahin verschlossene Freiheit .. . Sie ließen die afrikanische Luft zwischen dem Einsich­ tigen und dem Humorigen erzittern . . . Jede Annäherung an den Kern der Dinge, sei sie noch so untadelig, zeitigt neue Illusionen. In den Erinnerungen mischt sich das kleine Ereignis des Alltags mit dem Entscheidenden, das allzu Menschliche mit dem Zeitlosen. Hier geht es um die Beschwörung der damaligen Vorgänge aus jedem Stein des großen Mosaiks.« Und im >Tagebuch über die Tunisreise< von Paul Klee (April 1914) heißt es: »Die Vorgeschichte ist die, daß der Louis Moilliet, jener schweizerische Graf, schon ein­ mal dort war (natürlich). Und zwar indem, daß dort ein Berner Arzt sich niederließ, namens Jäggi, welcher ihn aufnahm. Nun ist jener Graf nicht nur unverschämt an­ maßend seinem Glück gegenüber, sondern auch ein guter Kerl zu denen, die er mag. Und er mag zwei Leute, das ist August Macke und das ist: mich. (Außerdem mag er viele junge Damen.) Jener Macke lebt seit kurzem am Thunersee, und letzten Dezember haben wir zu drei geschworen, daß es sein soll. Louis gönnt es mir, will für Geld sorgen gegen Bilder von mir. Macke sorgt für sich selber, der verkauft ganz gut.«

Ui

TUNI S Historische Epochen der Stadt Tunis und besonders wichtige Bauten

2. Jahrtausend bis 146 v. Chr. 146 v. Chr. bis 439 n. Chr. 439 bis 534 534 bis 648 648 bis heute

Phönizisch-karthagische Zeit Römische Zeit Vandalische Zeit Byzantinische Zeit Islamische Zeit

0 0

OO

909 972 I 160

OO

bis 8 0 0 bis 9 0 9 bis 9 7 2 bis 1160 bis 1 2 2 9

4~

648

OO

islam. Zeitrechnung nach der Hedschra

(184-296) (296 -3 6 2 )

(362-555) (5 5 5 - 6 2 7 )

1229 bis 1574

(627-982)

1574 bis 1705

(982-1117)

1705 bis 1957

(1117-1376)

Seit 25. Juli 1957

H*

Zeit der omaijadischen Heerführer Zeit der Aghlabiden (Ölbaummoschee) Zeit der Fatimiden (El Ichbili-Moschee) Zeit der Ziriden/Sanhadjiden (El Ksar-Moschee) Zeit der Almohaden (Taufik-Moschee, Abu M’Hammad Al’hafsi-Moschee, Aquädukt) Zeit der Hafsiden, zugleich ab 1534-74 Zeit der spanischen Herrschaft (Kasbah-Moschee, Zararaia-Moschee, El Halik-Moschee, Fonduk der Franzosen, Bab ed-Djedid, Melassine-Moschee, Bab el-Khadra) Zeit der türkischen Herrschaft (Al JaziraMoschee, Sidi Youssef-Moschee, Hammouda Pascha-Moschee/Mausoleum, Sidi Mahrez-Moschee, Prinzessin Aziza Othmana-Mausoleum, Koubba) Zeit der Husseniniten (Diwan, El Jdid-Moschee, Sahib Et Taba-Moschee, Dar Hussein­ Palast, Dar El Bey-Palast, Sidi Ibrahim­ Mausoleum, Dar Ben Abdallah-Palast, TurbetElBey-Mausoleum, Fort de laRabta, Belvedere-Park, Bardo-Museum, Kathedrale, Porte de France, Flughafen, Neuer Hafen, TGM-Schnellbahn) Zeit der RepuhlikTunesien (Ausstellungsgelände Esplande, viele Hotels, moderne Straßen)

8i

DOUGGA

Blick durch das Tor von Dar El Acheb hinauf zum Kapitol

82,83

DOUGGA Tempel der Caelestis, der himmlischen TanitDamen< im >Alles Gute-Haus 89

BULLA REGIA Oberbau eines römischen Patrizierhauses >

87 DOUGGA Das vierteilige libysch-punische Mausoleum für Ataban, einen numidischen Prinzen

90,91

BULLA REGIA Unterbau des römischen Patrizierhauses Abb. 89. Rechts: Räume unter der Erde im Amphitrite-Palast

MAKTAR Noch 15 m hoch stehen die Mauern der großen Caracalla-Thermen. Rechts: die Eingangsbögen MAKTAR Forum und Triumphbogen des Trajan

92,93

94

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,

H - ·

95»9^ MAKTAR Denkmal der Pisones (2. Jh.): Vögel im Getreide und aus einer Vase sprießende 97, 98

Weintrauben MAKTAR Fenstergittcr und Rosetten von einer Deckentäfelung

99

MAKTAR

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Schola der Juvenes, kleiner Collegraum

MAKTAR

Mausoleum. Redits: punische Grabstele, im Bogenlauf Weintrauben

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ioi SBEITLA Zentralgebiet des Ruinenfeldes um Forum und Servas-Kirche 103, 104 SBEITLA Triumphbogen für Diokletian. Blick von der Cella des Kapitol-Tempels über das Forum zum Tor des Antoninus Pius

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SBFITLA

Die drei Kapitol-Tempel für Jupiter, Juno und Minerva

106

SBEITLA

Rest der Cavea des kleinen Theaters am Flußtal

107 LE KEF Sidi Bou Maklouf-Moschee 108 KBOR KLIB Mausoleum oder Wachtturm 109 KBOR KLIB Relikte eines monumentalen Altarblocks, Siegesdenkmal Cäsars über Juba oder Scipios über Hannibal (?)

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KALAAT ES SENAM Tisch des Jugurtha, Naturfestung auf einem Bergplateau. Hier gibt es mehrere in den anstehenden Fels geschlagene Wasserbecken 112 EL DJEM Ölbaumpflanzung

ii3> 114

EL DJEM

115 EL DJEM

Das Amphitheater (3. Jh.), dessen Stützmauern bis zu 36 m Höhe aufstreben

Bodenmosaik (2. Jh.): Löwen reißen einen Eber

n 6 , 117

SOUSSE Blick vom Ribat zur Großen Moschee und zum Hafen. Zawija Zakkak mit acht­ eckigem Minarett aus der Türkenzeit i i 8, 119 SOUSSE Ksar Er Ribat, der große Wachtturm, und die Vorhalle am Haupteingang

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I IV S

MFRlTVWHA'Daniel in der Löwengrube< und einem Mosaik-Sarkophag. Nirgendwo hat man so viele Bodenmosaike gefunden wie in Tunesien, in ihrer Qualität stehen sie, auch als >provinzielle< Kunst, mindestens gleichwertig neben den aus griechischen Werkstätten stammenden in Rom oder Neapel. Das Museum von Le Bardo bei Tunis beherbergt der Welt größte und beste Mosaikensammlung; hinzu kommen die Bestände in Sousse, Sfax, Karthago und El Djem oder die Mosaike, die sich noch in situ an vielen Plätzen im Lande befinden. Der Islam in Tunesien

Tunesien ist ein islamisches Land, die Moscheen dienen dem Gebet, zu dem ein gläubiger Moslem fünfmal am Tage verpflichtet ist. Vom Minarett herab ruft der Muezzin zum Gebet (salât): vor Sonnenaufgang, mittags, spätnachmittags, vor und nach Sonnen­ untergang. Die Gebete sind eine der >Fünf Säulem der islamischen Glaubenslehre mit dem Glaubensbekenntnis (». . . es ist kein Gott als Gott, und Mohammed ist sein Prophet . . .«), der Armensteuer (sakat), dem Fasten im Monat Ramadan und der hadsch, der 'Wallfahrt nach Mekka. Alle Gebote stammen vom Gründer des Islam, Mohammed, 570 in Mekka geboren, von seinem Onkel im hanafitischen Sinne erzogen, Kameltreiber, dann Geschäftsmann. Auf Reisen lernte er die Grundzüge der jüdischen und christlichen Religionen kennen und konnte nach der Heirat der reichen Witwe Chadîscha ganz seinen religiösen Neigungen leben. In einer Höhle empfing er Gottes Befehle, gründete eine Gemeinde und entwickelte seine Lehre. Das setzte ihn schnell in Opposition zu seinen Mitbürgern, die ihn 622 zwangen, mit nur siebzig Anhängern nach Medina überzusiedeln: die >Flucht< (hedschra), der Beginn der islamischen Zeit­ rechnung. In Medina ging sein Stern auf, er konnte einen Heerhaufen zusammenstellen und 630 Mekka erobern, dort seine Lehre instituieren und Mekka zum Zentrum und Wallfahrtsort des späteren Welt-Islam machen. Er starb 63 2 in Medina. Sein Nachfolger Abu Bekr nahm die Würde eines Kalifen an, dessen Nachfolger Omar begann mit der kriegerischen Eroberung im Sinne der neuen Lehre, nahm 636 Persien, 638 Syrien, 642 Ägypten und von dort aus in der Folgezeit ganz Nordafrika. Seine ihm von Gott unmittelbar geoffenbarte Lehre wurde unter Kalif Abu Bekr niedergeschrieben, die endgültige Fassung von 644-54 unter Othman. 144 solcher Lehrstücke bilden den Koran (Vorlesung), eingeteilt in Suren (Abschnitte); fromme Moslems glauben, daß der Koran bereits vor der Weltenschöpfung als immanentes Attribut der Allmacht existent war. Es sind Glaubenssätze, Sittenlehren, Gebete, Vorschriften zum Ritus, juristische, politische und sogar hygienische Gedanken und Vorschriften. Danach hat Allah aus Ton die Menschheit erschaffen, und sie hat ihm 173

D E R IS L A M /K A IR O U A N

in unbegrenzter Hingabe (islam), zu folgen. Über der menschlichen Willensfreiheit steht stets die göttliche Vorherbestimmung (qadar). Boten Allahs sind seine Engel, zwei jeweils begleiten den Moslem schützend durch sein ganzes Leben, weshalb er beim Beten auch immer nach beiden Seiten hin grüßt. Wieder zwei, sog. Frageengel hocken auf den Grabsteinen und hören gleich nach der Beisetzung die Bekenntnisformeln ab. Böse Geister werden statt zu Engeln zu Teufeln (dschinnen). Um sie nicht zu erzürnen, murmelt der Moslem, hat er sich verschrieben, versprochen, Wasser verschüttet oder ausgespuckt >destur* (verzeih). Allahs Propheten haben der stets sündhaften Menschheit das Gute gepredigt, Abra­ ham als erster Prophet, dann Ismael, der Sohn der arabischen Hagar, welcher Allah, gerade noch ehe sie verdurstete, persönlich den heiligen Brunnen bei Mekka zeigte. Genau dort gründeten Abraham und Ismael Mekkas Heiligtum. Als Propheten kom­ men aber auch Moses, Johannes der Täufer, Jesus und sogar Maria im Koran zu Ehr’ und Würden, aber Erbsünde, Kreuzestod und Gottessohnbotschaft werden strikt abge­ lehnt. Zwar ist Allah ein gütiger, barmherziger Gott, doch im jüngsten Gericht werden die Guten im Paradies das Glück, die Bösen in einer Feuersglut alle Qualen erdulden müssen. Vor dem Weltenende führt ein Mahdi noch einmal in ein Goldenes Zeitalter; dann wird erst der Antichrist und nach ihm Jesus (Isa) erscheinen, den Antichrist über­ winden, heiraten und den Islam verkünden, ehe er vierzigjährig später in Medina sterben muß. Jetzt kann ein Posaunenstoß des Engels Israfil das Weltgericht einleiten und die Toten auferstehen lassen, die nun über eine rasiermesserscharfe Brücke ins Paradies balancieren können, so sie zu den Guten gehören, aber ausgleiten und in die Hölle fallen, wenn sie böse waren - alles also eine Zusammenschau des jüdischen, per­ sischen und christlichen Glaubens und apokrypher Stoffe der alten Religionen. Der Islam ist eine Glaubensgemeinschaft, aber keine Kirche in unserem Sinne, er hat weder Klerus noch Sakramente, dafür aber einen leichtverständlichen, einfachen Kult ohne Bilder, Musik oder andere veranschaulichende Funktionen. Die Moschee (maschid; als Freitagsmoschee djami) ist Versammlungs- und Gebets­ raum, in dem der Vorsteher (imam) und der Prediger (chatib) zusammen mit den Gläubigen den Kultus pflegen. Da Moscheen nur mit Teppichen ausgelegt und weder Stühle noch Bänke vorhanden sind, zieht man auch aus Ehrfurcht vor dem heiligen Ort seine Schuhe am Eingang aus, das gilt auch für den Fremden, den Nichtmoslem. Während der Koran auf den x-förmigen Pulten (rahla) auf geschlagen liegt, skandieren die Gläubigen rhythmisch und abwechselnd mit dem Vorbeter ihre Gebete, stehen, knien, hocken sich nieder und berühren mit der Stirn den Boden. In einer Moschee prangt, meist dem Haupteingang gegenüber, der Mibrab, die Ge­ betsnische in der Kibla-Wand, oft mit dem Predigtstuhl das einzige Schmuckelement der Moschee, eine Nische, exakt ausgerichtet nach Mekka. Hier betet der Imam zwischen zwei Leuchtern. Rechts daneben verliest der Prediger das Glaubensbekenntnis (schahada). Wie die Gebetsnische, so ist der Predigtstuhl in der Regel kunstvoll geschmückt, aus Holz geschnitzt oder aus Marmor und dann phantasievoll inkrustiert. Er hat meist 15, 174

20 oder 23 Stufen unter einer spitzen Kuppel. In später Zeit ergänzten Schmuckelemente wie Kufi-Inschriftenfriese, Schilde mit den Namen Allah, Mohammed, Abu Bekr und Ali, farbige Kacheln, mit Stukkatur netzartig überzogene Kapitelle oder Kuppel­ wölbungen, Kandelaber oder venezianische Kristall-Lüster das Interieur zahlreicher Moscheen. In Tunesien gibt es mehr als vier Millionen Moslems, die in der Mehrzahl dem orthodoxen, malekitischen Ritus angehören und strenggläubig den Koran auslegen, ihnen gegenüber gestattet die zahlenmäßig kleinere Gruppe der Hanafhen großzügig auch rationale Auslegungen der Weisheiten des Koran. Ihre Minarette (Abb. 2) steigen stets vom Quadratgrundriß auf als prachtvolle Achtecktürme, die der Malekiten blei­ ben wuchtig, starr, quadratisch. Alle Moschee-Außenanlagen, d. h. auch die Innenhöfe um den Waschbrunnen zur rituellen Reinigung (hanafija) dürfen vom Tunesien-Besucher betreten werden. Die großen, meistens weit geöffneten Tore lassen stets den Blick auch in die Gebetssäle zu, die vor Jahren generell noch betreten werden durften - heute kann nur noch der Muezzin der Moschee die Erlaubnis erteilen, was bei den kunsthistorisch wertvollen Moscheebauten im Lande auch meistens geschieht. Natürlich muß der Besucher sich der Würde des Gebetshauses entsprechend benehmen.

Kairouan Wenn auch der in Damaskus residierende Omaijaden-Kalif Muawijah sich im Kampf gegen Byzanz nicht durchsetzen konnte - 679 mußte er die Belagerung Konstantinopels aufgeben und Frieden schließen -, hatte er doch auf dem zweiten Kriegsschauplatz, Nordafrika, Erfolg. Okba Ibn Nah, ein Neffe Amrs, des Eroberers von Ägypten, rückte von dort aus nach Westen vor, und es gelang ihm, verbündet mit den Berbern, die christliche Vorherrschaft in Nordafrika völlig zu brechen. 671 kam er in die Gegend von Kairouan, und hier soll er, der Legende nach, an dem Platze, wo heute der BarutaBrunnen fließt, seine Lanze in den Boden gepflanzt und den Bau eines festen Lagers (Kairouan) befohlen haben. Andere berichten, daß vor seinen Füßen eine Quelle ent­ sprang, in der er seinen goldenen Becher, den er in Mekka verloren hatte, wiederfand. Lage und Geschichte. Für den erfahrenen Militär bestimmten allein strategische Ge­ sichtspunkte die Platzwahl: Mittellage zwischen den Schotts im Süden und Cap Blanc im Norden, zu den Gebirgen der tunesischen Dorsale im Westen und der zeitweise noch von den Byzantinern gehaltenen Küste im Osten. Das unwirtliche Wüstenplateau ent­ sprach der arabischen Reitermentalität, auch wenn Wasser fast ganz fehlte (nur eine Süßwasserquelle), keine Oase Schatten spendete und es im Sommer unerträglich heiß, im Winter wegen der nördlichen Fallwinde aus den Bergen sehr kalt werden konnte (absolut: Minimum — 4,5 °C, Maximum + 49 °C, Schwankung 53,5 °C). So ist

WS

K A IR O UAN von Kairouan Plac de VIndependance Bab El Khoukha Djama Sidi Okba Museum Djama Tleta Bibane Zawija des Sidi A bid El Ghariani Bir Barouta Souks Porte de Tunis Zawija des Sidi Amor Abada Zawija des Sidi Sabab Bassins der Aghlabiden

Kairouan, ohne daß es an diesem Platze antike oder andere Vorgänger gab, eine aus dem Nichts entstandene rein arabische Stadt (wie 1070 auch Marrakesch), im Verlaufe ihrer Geschichte wurde sie neben Mekka, Medina und Jerusalem eine der vier heiligen Städte des Islam. Noch der Gründer Okba Ihn Nah errichtete seine kleine Moschee erhalten blieb von ihr der Mihrab, heute eingemauert hinter der Maksura in der Bibliothek. Fast hundert Jahre später stand Afrika unter der Herrschaft der Aghlabiden. Gegen einen Tribut hatte im Jahre 800 Harun ar-Raschid seinem Statthalter Ibrahim Ibn alAghlab die Provinz Ifrikia überlassen. Das Amt wurde nach den Berberaufständen erblich. Im Zeichen des Wohlstands und der enormen Machtfülle begann Emir Ziyadat Allah I. sogleich mit dem Bau einer großen Moschee mit siebzehn Schiffen quer zur Kibla-Wand, die sein Nachfolger Abu Ibrahim Ahmad mit Fayencen schmücken und noch weiter ausbauen ließ. So wurde die wachsende Stadt um diesen Prachtbau schnell zum Zentrum ganz Nordafrikas, in das die folgende Fatimiden-Dynastie ihre erste Residenz verlegte, ehe sie nach Mahdia und nach der Eroberung von Kairo, 973 dorthin übersiedelte. Zurück in Kairouan blieben die Sanhajiden, eine aghlabidische Seitenlinie. Begünstigt vom Ruhm der heiligen Stadt, ihrem reichen Hinterland und seinem den Mittelmeerhandel mit beherrschenden Seeverkehr, besonders über Mahdia (Sizilien war unter Ziyadat Allah erobert worden), etablierte sich mehr und mehr das an sich kleine Sanhajiden-Reich, von den Fatimiden in Kairo äußerst mißtrauisch beobachtet. Um die in Ägypten berüchtigten Beduinenstämme der Beni Hilal und Ssulaim, die der Kalif Al Aziz zwar nach Oberägypten hatte abdrängen können, die aber von dort aus zu-

176

sammen mit nicht minder aufsässigen Karmaten-Gruppen ständig das fatamidische Kalifat bedrohten, endgültig los zu werden, hetzte er sie, damit sie neue Wohngebiete fänden, nun gegen Kairouan. Gleichzeitig konnte er so den Ziriden El Moeizz Ihn Badiz bestrafen, der sich fatimidischer Oberhoheit entzogen und sogar das schiitische Bekenntnis wieder abgeschafft hatte. Trotz der io$2 errichteten mächtigen Stadtmauer und obwohl sie von Mahdia und Tunis, die sich der gleichzeitig anstürmenden Nomaden erwehren mußten, im Stich gelassen wurden, nahmen die Hillal Kairouan, zerstörten es und verheerten das Land ringsum. Die damals nach Fes flüchtenden Kairouaner gründeten dort die nach ihnen benannte Moschee Kairouine. Kairouans Wiederaufbau begann unter dem Hafsiden Mustansir II. Die noch heute stehende Stadtmauer wurde errichtet, das Minarett der Okba-Moschee und das Lalla Rihana-Tor erbaut. Mit den Husseiniten von Tunis begann im 17./18. Jh. ein bis heute kaum abreißender Aufschwung, der in der besonderen Marktfunktion von Kairouan seine Begründung hat. Heute setzt der Tourismus noch neue Akzente. Auf den schweren, oft tonhaltigen Böden der Umgebung gedeiht Getreide, Gerste und Hartweizen und erst in neuerer Zeit und mit Hilfe von Pumpenbewässerung oder in Überschwemmungskulturflächen (Staudämme am Oued Marguellil und Zeroud) auch Obst in großen Plantagen. Erddämme halten die Flutwasser ab oder leiten sie um, so daß bei gelenkter Überflutung größere Flächen (um 6000 ha) mit fruchtbarem Schlamm bedeckt werden. Wie gefährlich allerdings im Kairouaner Becken die vielen oft kilometerbreiten, aber flachen Wadis bei plötzlich vom Himmel stürzenden Wasser­ massen werden können, zeigten in den letzten Jahrzehnten die Überschwemmungs­ katastrophen, bei denen Hunderte von Menschen ertranken, eine Auswirkung der Fluß­ entwässerung in das jungtertiär-altquartäre Becken, das in geologischen Zeiten durch Riesenmengen von Flußsedimenten mehrere hundert Meter aufgefüllt wurde. Kairouan liegt nur um 70 m über NN. Von den um die Stadt wohnenden Voll- und Halbnomaden wurde und wird ständig zum Marktzentrum Kairouan Wolle angeliefert, was die Entwicklung der Teppichknüpfereien stark gefördert hat. Heute gilt Kairouan als deren Zentrum. Djama Sidi Okba. Hauptsehenswürdigkeit nicht nur Kairouans, sondern des ganzen

islamischen Tunesien ist die Djama Sidi Okba, die Große Moschee (Färbt. XIV, XV; Abb. 136-139), der älteste Moscheebau im Maghreb, an dem von 672 an bis in die heutige Zeit umgebaut, abgerissen, erneuert und angesetzt worden ist. Die wichtigsten Baudaten beginnen mit der ersten Erneuerung unter Ben Noman 695 und einer Er­ weiterung durch Yazid Ben Halim 774. Als die Moschee zu klein wurde, ließ sie Ziyadat Allah radikal abtragen und bis 836 neu errichten um einem 72 m breiten Gebetssaal mit sechzehn Schiffen zu je sieben Jochen und einer Mihrab-Kuppel. Zum ersten Male tauchte in Afrika das T-förmige Grundrißschema auf, das im wesentlichen, trotz späterer Vergrößerungen und Umbauten (862, 875, 1025, 1294, 1618, 19. Jh., 20. Jh.) erhalten blieb.

177

K A IR O U A N

Kairouan, Grundriß der Djama Sidi Okba und Ansicht des Minaretts i 'W esttor 2 Innenhof 3 Mihrab 4 Minbar 6 Minarett 7 Tor der Lalla Rihana

3 Maksoura

Der gesamte Grundriß der Anlage, ein Rechteck 135 x 80 m, ist auffallend verschoben und unregelmäßig. Entweder handelt es sich dabei um eine falsche Berechnung, oder man beabsichtigte, in der Achse des Mihrab ein großes Portal zu errichten. Die Außen­ mauern werden von Strebepfeilern gestützt, mehrere Tore führen in den großen Hof, während das Lalla Rihana-Tor als ursprüngliches Moscheeportal direkt von der Ost­ seite in den Gebetssaal führt. Benannt wurde es nach einer frommen Muselmanin; es ist ein gefälliger Quadratresalit, den eine auf muschelförmigen Ecknischen aufsitzende Kuppel mit strahlenförmiger Kannelierung deckt. Die Jkssaden gliedern antike Säulen und kräftige Kämpfer, denen vorn in der Mitte ein Hufeisenbogen aufliegt, während seitwärts die Bogen direkt auf den Säulen ansetzen. 1224 im spanisch-maurischen Stil errichtet, zeigen vor allem die Dekordetails in den Bogenlaibungen aus Geometrie und Rankenwerk in Gips diese elegant komplizierte Stilgebung. Den Hof betritt man heute durch das Westtor von Ziyadat. Er mißt 95 x 80 m und ist mit Marmorplatten (früher einfachen Steinquadern) belegt, unter denen sich mehrere Zisternen befinden. Man sieht deutlich die marmornen Einlauföffnungen in der Hof­ mitte, daneben drei Brunnenöffnungen zum Hochziehen der Schöpfeimer für die rituellen Waschungen und die erhöhte Plattform der Sonnenuhr zum Bestimmen der Gebetsstunden. Doppelte Säulengänge auf gemauerten Backsteinpfeilern, Einzel- oder Doppelsäulen säumen den Hof (Abb. 138), meist antike Säulen mit Sockel, Schaft und Kapitell, darüber oft klotzig verblockte Kämpfer als Bogenlager, alles ein überaus har­ monischer Aufbau im Innenbereich, ganz im Gegensatz zu der abweisenden, schmuck­ losen Außenfront des Bauwerks. Das ist typisch für die Sakralarchitektur des Islam, 178

Kairouan, Djama Sidi Okba, Tor der Lalla Rihana

ursprünglich bildeten die Innenanlagen einen rechteckigen Gesamtraum, von dem ein Teil überdacht war. Später erst gliederte man auf in Hof, Säulengänge und Gebetssaal. In den Gebetssaal führen vom Hof aus siebzehn hohe, schwere Tore aus Zedernholz, die im Balkenwerk, den Holzverbindungen und dem Schnitzwerk meisterliche Beherr­ schung des islamischen Handwerks wie vollkommenes Geschick im Umgang mit dem Werkstoff beweisen. Auf 40 x80 m beeindrucken den Besucher in siebzehn Schiffen mit je acht Jochen 414 wiederverwendete antike Säulen oft verschiedenartiger Gestalt und Höhe und aus verschiedenen Materialien. Herbeigeschafft wurden sie aus Hadrumetum und Karthago und dann mit unterschiedlich hohen Kämpfern eingepaßt in skulptierte Gurtgesimse über behauenen Deckplatten auf den Kapitellen. So tragen sie die vielen hundert massigen, gemauerten Rundbogen der Halle (Stützmoschee). Das zum Mihrab führende Mittelschiff ist breiter und höher, Zwillingssäulen tragen seine Doppelbogen und treffen auf das senkrecht dazu verlaufende weite Schiff längs der Kibla-Wand. Beide bilden so das T-förmige Rückgrat der Moschee, um das sich die Gesamtform gewünscht war ja ein variabler, flexibler Raum - entwickelt hat, das Transeptschema, die für die Abbassiden-Kunst typische Bauform (Abb. 137). Als nordafrikanisches Standardschema hat es mit den rechtwinklig zur Kibla-Wand ausgerichteten Schiffen in den Moscheen, aber auch in den querliegenden Empfangshallen in vielen Palästen bis nach Algerien und Marokko hin gewirkt. Den Schnittpunkt der Achsen vor dem Mihrab deckt eine Kuppel, und um optisch ein Gleichgewicht herzustellen, deckt eine Schwesterkuppel den Raum über dem mittleren großen Eingangsportal. Diese Stein­ kuppeln gehören zu den ältesten Nordafrikas, ihre Besonderheit ist der Übergang vom Quadrat zum Achteck und über die folgende sechzehnseitige Zone zur runden Trommel, 179

KAI R O U A N

Kairouan, Djama Siili O kba, abbassidiscbe Konsolen

der die Kuppelschale mit vierundzwanzig Kannelierungen aufliegt, sie ist robust im Konstruktiven, klar im Aufbau, nüchtern im Ornamentschmuck, der auch die großen Rippen mit einschließt, welche die sphärischen Innenflächen der Wölbungen teilen und gliedern. Den Mihrab schmücken hundertdeißig Keramikflächen, Fayenceplatten, schillernde Lüsterfliesen, die Goldtöne erzielen oder Gold imitieren oder mit Lasuren von Kobalt­ blau das Himmlische symbolisieren. 862 wurden sie aus dem Irak nach Kairouan ge­ bracht und an der Rückwand und den HufeLsenbogen der Mihrab-Nische befestigt. Sie akzentuieren als Rauten oder mit geometrischen Feldern und durchsetzt von Halb­ palmetten und Flügelmotiven die Heiligkeit dieser Nische. Ihr Grund ist undurch­ sichtige, weiße Zinnlasur, bemalt mit braungelben Farben, die man mit Silber- und Kupferlösungen zum Ocker auftrug, den typischen Lüsterglanz erzielte man dann mit einem zweiten Brand in einem rauchigen Ofen - ein geheimes, streng gehütetes Ver­ fahren in Bagdads Töpferwerkstätten. Rote Mamorsäulen tragen den Rundbogen dar­ über, ein Vielpaßfenster aus durchbrochenen Steinplatten bezeichnet die Mitte zwischen Kairouan , Djama Sidi O kba, ältere Mibrab-Nischen

180

Kairouan, Djama Sidi O kba, Mihrab und Minbar

Vielpaß- und Blendarkaden an beiden Seiten. Die abbassidischen Lüsterfliesen gehören zu den ganz frühen Fayenceverkleidungen in der Kunst des Islam, die rein ornamentale Ausstattung der Mihrab-Nische aber basiert auf omaijadischen Vorbildern, typologische Motivdefinitionen, Pflanzenformen, vergoldetes Rankenwerk, keine Neuentwicklung, sondern eher eine bestimmte Behandlung der Formen, mehr Struktur denn Stil —was in der hölzernen Halbkuppel über dem Mihrab besonders deutlich wird. Minbar und Maksura wurden in den Drechsel- und Holzschnitzerwerkstätten Bag­ dads gearbeitet (Abb. 139). Aus Platanenholz gefertigt, steigt die älteste noch erhaltene altarabische Kanzel (Minbar) mit siebzehn Stufen auf und ist allseitig im Dekorations­ stil der Abbassiden überreich geschmückt: Weinblattgeflecht und üppiges Ranken werk, 181

K A IR O U A N

Kairouan, Djama Sidi Okba, innere MihrabKuppel

Palmetten gefiedert oder S-förmig geschwungen, Kreislappeneinwölbungen, Vielpaß­ bogen, eine kostbare >Haut< aus Ornamenten in einem organisch anmutenden Flächen­ wachstum, eine zwar ausgewogene, aber noch längst nicht assimilierte Mischung aus östlichen wie westlichen Motivkreisen der frühislamischen Kunst. Wer sich hier durch zwei enge Säulen zwischen Minbar und Maksura hindurchzwängen kann, der wird einmal ins Paradies gelangen - besagt eine Fama in Kairouan; auch Nichtmoslems dür­ fen das versuchen. (Maksura ist die Trennwand hinter der der Herrscher ungesehen den öffentlichen Gebeten beiwohnen konnte. Sie steht stets rechts vom Minbar, der Kanzel.) Das Minarett stammt noch aus der omaijadischen Zeit und wurde von Kalif Hischam von 724 bis 727 in Auftrag gegeben und wuchtig und untersetzt aus drei übereinandergefügten, sich nach oben zu verjüngenden, rechteckigen Steinkuben erbaut. Es ist das älteste in Nordafrika und dem Typus nach ein syrischer Viereckturm (Gegensatz: der spiralförmige Samarra-Typ und der zylindrische Iran-Typ), der wieder zurückreicht auf römische und hellenistische Bauten und der auch die quadratischen Türme christ­ licher Kirchen zum Vorbild hat. Sein Zweck ist eindeutig Aufruf der Gläubigen zum 182

Gebet. Blendnischen, gerundete Zinnenkränze, Rund- und Überhalbkreisbogen und seit dem 13. Jh. eine gerippte Kuppel mit drei Kupferkugeln als Abzeichen der Haupt­ moschee lösen optisch die Sdiwere des massigen Baugefüges ein wenig auf. Das Minarett steht richtungsorientiert nicht in der Achse des Hauptschiffes. 128 Stufen führen hinauf zur Plattform (35 m) - empfehlenswerte Rundsicht über die Stadt und die Kulturland­ schaft des Kairouaner Beckens bis zur Steppenregion des zentralen Hochlandes. Djama Tleta Bibane, Zawija Ghariani, Bir Barouta. Im Medina-Zentrum gibt es noch mehrere sehenswerte islamische Gotteshäuser, die man auf dem Wege zu den nördlichen, außerhalb der Stadtmauern liegenden Sehenswürdigkeiten, aufsuchen sollte. Djama Tleta Bibane ist die >Moschee der drei Tore< (Abb. 135), erbaut als Stiftung von Mohammed Ben Khairoun El Maafari aus Andalusien (er lehrte als Professor islamische Gelehrsamkeit) und deshalb geschmückt in der unerhörten Dekorationskunst der spanischen Mauren aus dem 9. Jh., Stein und Stuck übersät mit blumig wuchern­ den Zierformen, ziselierter Ornamentik und Stalaktitenwerk, Ranken und Rosetten und altmoslemischen Schriftbändern in bewegtem Kufi. Nur das Minarett blieb ohne Dekor. Vermutlich stammt es erst aus dem 15. Jh., denn ursprünglich hatte die Moschee kein Minarett. Die Zawija des Sidi Abid El Ghariani in der Nähe stammt aus dem 14. Jh. und ist der Grabbau für den Heiligen, der in einem kleinen Mausoleum unter einer Kuppel

Kairouan, Djama Tleta Bibane (Moschee der drei Tore)

K A IR O U A N

ruht. Man gelangt dorthin über den Moscheehof, den Säulengänge und eine Geschoß­ galerie umgeben. (Museum, u. a. Fassadenbruchstücke aus der Zeit der Aghlabiden und Ziriden und alte Koranmanuskripte.) Bir Barouta, der sehenswerte Schöpfbrunnen (Abb. 143), liegt inmitten der maleri­ schen Souks, ein Turmbrunnenbau, in dessen Obergeschoß ein weißes, mit bunten Bän­ dern geschmücktes Kamel mit verbundenen Augen ständig im Kreis herumtrottet und dabei mit einem Deichselbalken ein Göpelwerk aus krummen Olivenstämmen antreibt. Über hölzerne Zahnräder bewegt sich vertikal ein mächtiges Schöpfrad durch die Brun­ nensohle und hebt in Tonkrügen Wasser in einen Steintrog, aus dem es über Kanäle weitergeleitet wird zu den Häusern der Medina. Nach der Legende hat General Okba Ben Nafi hier seine Lanze in den Boden gespießt und ist der Brunnen unterirdisch mit dem heiligen Zem-Zem-Brunnen in Mekka verbunden, was seine Heiligkeit unter­ streicht. Medina, Tore, Zawija Abada. Nur gut 1 km lang und um 500 m breit ist Kairouans Medina. Noch wird sie voll von der alten Stadtmauer des El Moezz von 1052 um­ geben (restauriert im 18. Jh.), 3,13 km lang aus im Durchschnitt 10 m hohen Backstein­ wällen, von gerundeten Strebepfeilern abgestützt, mit Wehrgang, Zinnen und dreiund­ zwanzig runden Türmen (von einst achtundfünfzig). Es gibt nur die alten Stadttore des Moezz, neue wurden nicht gebrochen. Vor der Okba-Moschee liegt die >SchlupfpforteBarbiermoschee< (nach dem Gefährten, sahab, des Propheten Mohammed, El Balaoui, der stets drei Barthaare seines Herrn bei sidi getragen haben soll) steht im Norden der Stadt. Trotzdem war er nicht Mohammeds

184

123,

I24 SOUSSE Mosaike (3. u. 2. Jh.): Neptun in seinem Wagen und Satyr und Bacchantin

126

SOUSSE

Mosaik (2. Jh.): Landleben, Jagden usw. in ägyptischer Landschaft >

titiem

j-~ ; 127, 128

MEDENINE

129, 130

GABES

Ein- und mehrstöckige Ghorfa, Vorratshäuser der Djeffara-Nomaden

Moschee für Sidi Boulbaba, den Barbier des Propheten. Rechts: Oasenbrunnen

i 3i

GIGHTI

132, 133

Reste des Kapitol-Tempels am Forum

GIGHTI

Gedenkstein vom Forum. Rechts: Laudatio für die Res Publica Gightiensis

134 KAIROUAN Bassins der Aghlabiden, 9. Jh. 135, 136 KAIROUAN Djama Tleta Bibane, »Moschee der drei Tore k. * V* *< J V

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142, 143 M4· H 5

KAIROUAN Zawija des Sidi Amor Abada, >Säbelmoscheei: Utensilien des Heiligen. Rechts: Bir Barouta, ein weißes Kamel schöpft im Göpelbetrieb Wasser in den Turmbrunnen MONASTIR Ribat des Aghlabiden Ibn Ayoun (796) und Walken von Schaffellen mit einem Esel-Schulterblatt

148,

149 MAHDIA Mesopotamische und sassanidische Details in der Vorhalle der Mahid Obeid Allah-Moschee. Rechts: Skiffa El Khala, monumentale Torburg vor der Altstadt

Hermes-Katakombe< belegt (2500 Grä­ ber), im 4. Jh. die des >Severus< (jooo Gräber). Altchristlich hießen sie caemeteria (Rastplatz), das Wort Katakombe entstand aus ad catacombas, dem Friedhofsnamen in Rom, wo man die Gebeine der ersten Apostel beigesetzt hatte. Heute meint es stets unterirdische Grabanlagen, labyrinthisch verzweigte Gangsysteme oft in mehreren Stockwerken und Galerien übereinander. Hier begrub man die in Leintücher und mit Kalk bestreuten Toten in Bodenschächten oder/und in den Wänden, oft dreifach über­ einander. Gips, Marmorplatten, Mosaike oder Flachziegel mit eingravierter, eingeritzter oder in Holzkohle oder Rötel aufgetragener Schrift - Name, Lobsprüche, Dekor schlossen die Grabgelege ab. Die Katakomben von Sousse sind besser erhalten als die von Rom, Neapel, Melos oder Alexandrien, weil man bei jeweils notwendig werdenden Erweiterungen mit dem ausgehobenen Erdreich die bereits voll belegte Galerien einfach zuschüttete. Erst heute gefährden Sickerwasser und Bodenfeuchte Grabplatten und Mosaike. Die besten sind jetzt im Museum besser aufgehoben. Villen, Vergil-Mosaik. Auch von weitläufigen Villenanlagen gibt es Reste, denn gerade

der Seehandel hat immer große Vermögen erwirtschaftet. Das Haus des Reeders und Rennstallbesitzers Sorothus hatte zwanzig Zimmer (Abb. 121), allein der Oecus war ein Quadrat von 130 m Seitenlänge. In einem anderen, etwa zur Zeit des Kaisers Septimius Severus erbauten Hause wurde das berühmte Vergil-Mosaik gefunden (Bardo-Museum; Abb. 43), gelegt von einem Mosaikkünstler, der um 210 dort arbeitete, was man an der

Sousse, Katakomben A des Guten Hirten B des Hermes C des Severus

205

SOUSSE

Tunika-Mode ablesen kann (und was die alte Datierung I. Jh. widerlegt). Damals trug man schwere, gut 2,70 m weite Halbrundtogen, die über der linken Schulter in Falten gerafft waren, rechts aber gerade herunterfielen, wie auf dem Bild. Es zeigt den von den Musen inspirierten Vergil beim Schreiben der Äneis zwischen Clio, der lorbeergeschmück­ ten Muse der Geschichte und Künderin ruhmreicher Taten, und auf der anderen Seite Melpomene, der Muse der Tragödie mit einer Maske - ein eigentlich griechisches Motiv, das der Mosaikleger dem afrikanisch-mystizistischen Geschmack angepaßt hat: nicht mehr römisch in Schwarz-weiß, sondern polychrom. Ähnlich ein >Triumph Neptuns* von einem Mosaik aus dem Hause des genannten Sorothus: ungestüme, aber pittoresk stilisierte See-Pferde vor dem Kampfwagen, steil abfallende Felsen, eine bewegte Land­ schaft mit wenig Perspektive, geradezu Auflehnung gegen die Formen des italischen Klassizismus, wie übrigens gleichzeitig in der Literatur, z. B. Tertullian, alles in allem eine selbständige Entfaltung des Menschlichen, Wirtschaftlichen und Sozialen, ein latei­ nisch-afrikanisches Phänomen. Als die Byzantiner ins Land kamen - Justinian war am Kapud Vada, heute Rass Kapoudia, das östlichste der tunesischen Küste zwischen Sousse und Sfax, gelandet -, wurde die Stadt in Justinianopolis umbenannt, blühte nach der Vandalenzeit noch ein­ mal auf und wurde bereits am Ausgang des 6. Jh. von den anstürmenden Arabern ge­ nommen und zerstört. Zweihundert Jahre blieben die Ruinen stehen, dann erkannten die Aghlabiden den Nutzen dieses Hafenplatzes für Kairouan, und so begann im 9. Jh. der Neubau der jetzt Sousse genannten Stadt. Ksar Er Ribat. Vor allem entstand 821 die Klosterburg des Ribat, die Basis im Heiligen Krieg der islamischen Mönchssoldaten des Ziyadet Allah gegen Christen und sizilische

Sousse, Ksar Er Ribat

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Sousse, Grundriß der Großen Moschee

Normannen. 850 wurde die ihm benachbarte Große Moschee erbaut (Abb. 116), von diesen Kristallisationspunkten aus entwickelte sich das Medina-Viertel etwa so, wie es noch heute steht, in leichter Hanglage auf der Diagonalen vom Ribat hinauf zur Kasbah. Nach einer spanischen Episode im 16. Jh. besetzten die Franzosen 1881 Sousse. Der moderne Hafen und die Neustadtviertel entstanden. Zwar zerstörten alliierte Luftangriffe während des Afrikafeldzuges viel; neu aufgebaut besticht heute Sousse mit einer auffallend sauberen, gelbbraunen Quaderarchitektur, ein Erbe der römischen Ruinenfelder und jeweils prägnante Beispiele der Sousser Bauschule aus dem Zusam­ menspiel von Berbern, Arabern, orientalischen Christen und Juden, Syrern, Persern und Maltesern, das bis heute die kosmopolitische Bevölkerung von Sousse prägt. Während am Platze der spätantiken Burg oben auf dem Mamär-Hügel die Kasbah entstand, wurde unten am Hafen von den Aghlabiden noch vor 796 eine befestigte Kaserne für ihre islamischen Mönchssoldaten errichtet, vornehmlich zum Schutze des Hafens, über den der gesamte Export aus Kairouan lief. Ursprünglich stand hier ein römischer Tempel (vielleicht auf punischen Fundamenten), es folgte eine christliche Kirche, die nach der Zerstörung durch die Vandalen im 5. Jh. Kaiser Justinian erneuern ließ, und die von den Arabern endgültig in Schutt und Asche gelegt wurde. Ihre Reste genügten noch eben zum Bau des Ribat - man sieht es an den schon mehrfach benutzten Hausteinen. Der Ksar Er Ribat ist ein befestigtes, eingefriedetes Quadrat von 34,50 m Seiten­ länge, geschützt durch runde oder halbrunde Türme auf quadratischen oder recht­ eckigen Basen und mit einem Vorgesetzten, mächtigen Südportal (Abb. 119). Der Vor­ bau ist jünger und stammt von 1847. Er hat den Charakter einer Wehranlage. Antike Säulen stützen das Gewölbe im quadratischen Turm. Durch Schlitze und Wurf­ öffnungen konnten Angreifer mit Wasser, siedendem ö l oder Pech, Steinen und Unrat beworfen werden, durch Fallgatter konnte man sie aussperren. Meist Freiwillige, die in Kampfpausen sich religiösen Übungen unterwarfen, hielten Wache oder trugen von hier aus (seit 827) Angriffe gegen die christlichen Normannen in Sizilien vor, denn »der 207

SO U SSE

Ribat ist ein Produkt der mohammedanischen Grenze, jener eigenartig-faszinierenden Welt am Saume des Reiches, wo eine mohammedanische Elite die Ungläubigen zu be­ kehren versuchte und dabei mit einer erstaunlichen Vielfalt von ethnischen und kulturel­ len Gruppen in Beziehung trat«. (O. Grabar, >Die Entstehung der Islamischen Kunst< S. 206.) Der Innenhof ist umgeben von einem Kreuzgang mit Terrasse darüber und zwei Zellengeschossen mit feinen Tonnengewölben (in einem ist heute das kleine Mu­ seum). Fast die gesamte Südseite nimmt im zweiten Stockwerk eine Moschee ein, zwei Joche tief mit elf tonnengewölbten Schiffen, die rechtwinklig zur Kibla-Wand stehen, Transeptschema also; die Mihrab->Kuppel< hat zwar keine Verbindung zum Gebets­ raum, bezeichnet aber exakt die Kultstelle und überhöht optisch den Monumentalein­ gang. Vier Portale führen auf die Terrasse. Erst 821 ließ Ziyadet Allah I. auf einer umgebauten Quadratbasis den hohen zylindrischen Turm mit Kuppel und Laterne im Südosteck aufsetzen, vermutlich ein Signalturm (Abb. n8).E s soll möglich gewesen sein, von Turm zu Turm über Lichtsignale in einer Nacht eine Nachricht von Alexandria bis Ceuta zu übermitteln. Gleichzeitig diente er als Moschee-Turm für den Gebetsausrufer, auch für die benachbarte große Freitagsmoschee. Alle Bogen sind rund oder überhalb­ kreis gewölbt, wenige nur angespitzt. Empfehlenswert ist der Rundblick vom Turm. Große Moschee, Zawija Zakkak, Medina. Als unter den Aghlabiden Wohlstand ein­ gezogen und Ifrikia nicht mehr gefährdetes Grenzland war, entstand um 850 die Große Moschee im Auftrag von Abu El Abbas Mohammed (Färbt. XIII). Ihr Grund­ schema entspricht dem der Okba-Moschee in Kairouan. Beachtenswert sind die fast doppelt so hohen Hufeisenbogen gegenüber den sie stützenden, niedrigeren, massig wirkenden Pfeilern. Im dreischiffigen Gebetssaal sind die drei mit Tonnengewölben auf massigen Kreuzpfeilern gedeckten Schiffe älter als die drei von Kreuzgratgewölben abgedeckten. Den Mihrab flankieren feine sanhaijenische Säulen. Einzigartig in ganz Tunesien ist die offene Treppe, die vom Hof zum Mihrab-Turm führt, eine kleine Kopie der Spindeltreppe an der Außenseite der Ibn Tulun-Moschee in Kairo, hier aufgerollt zu denken. Ziemlich benachbart liegt, aus der Türkenzeit stammend, die Zawija Zakkak: um einen quadratischen Innenhof eine Bogengalerie auf antiken Säulen, ein Brunnen, ein kleines Mausoleum und an der Straßenecke ein wunderliches Minarett, das eher wie ein Stück Renaissance anmutet (Abb. 117). In der mählich ansteigenden Medina gibt es einen Ziehbrunnen (Rue El Aghalba), wo ein Maultier stumpfsinnig eine steile Steinrampe bergauf bergab laufen und müh­ sam über ein vertikales Göpelsystem Wasser aus einem Tiefbrunnen schöpfen muß. Empfehlenswert ist eine Pause im berühmten Kalaout El Koubba-Cafe, ein etwas ver­ wunschenes Dorado in einer Kuppelanlage aus dem 11. Jh. mit viel buntem Dekor und ein Besuch in der kleinen, nur 8 m im Quadrat messenden Bou-Ftata-Moschee, die der Baumeister der Großen Moschee als Probebau zwanzig Jahre zuvor mit drei kleinen Schiffen errichtet hat. Außerordentlich ist die Fayencedekoration am Minarett.

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Stadtmauer, Kasbah, Museum. Oben am Bab El Gharbi durchschreitet man die alte Stadtmauer. Noch heute umgrenzt sie die Bezirke, die einstmals zum antiken Hadrumetum gehörten. 859 wurde sie errichtet, 874 und 1205 erneuert und verstärkt mit Wachttürmen und Wehrgängen, eine byzantinisch-mesopotamischen Vorbildern nach­ empfundene Anlage. Sie trifft auf die Kasbah, die 40 m über dem Hafen mit ihrem Khalef El Fatah-Turm (30 m hoch) das Stadtbild beherrscht. Dort fand man Relikte eines Grabmals mit der Inschrift FATAH (Eroberer). In zwei Stockwerken reihen sich diverse Räume, alle, wie auch die im Turm, mit Tonnen- oder Kreuzgratgewölben gedeckt. In Teilen der Kasbah ist heute das zweitwichtigste Museum des Landes unter­ gebracht - ein >Muß< für jeden Tunesien-Reisenden (Abb. 122-126; s. a. S. 284).

Monastir Geschichte, Ribat. Der an der Corniche aufragende Ribat gab der Stadt den Namen (von monasterion = Kloster, deren es in Monastir einst gleich drei gab; möglicher­ weise hat der Name aber auch mit einem unbekannten spätantiken Bauwerk zu tun?). Der Platz, ein Kap, ist wieder typisch für punische Küstenfaktoreien. Tatsächlich gab

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M O N A S T IR

Plan von Monastir 1

Große Moschee

2 Artisanat 3 Markt 4 Geburtshaus von Präsident Habib Bourguiba 3 Moschee Bourguiba 6 Ribat 7 Sidi Makhlouf 8 Friedhof Sidi El Mezri 9 Mausoleum Bourguiba

es hier einst ein phönizisches rm-penna (aus dem die Römer Ruspina machten). Erhalten blieb von alledem kaum etwas, Relikte einer dreifachen Umwallung, Zisternen, Klein­ funde. Anfangs zusammen mit Sousse Hafen von Kairouan, wurde der feste Platz mit seinen Mönchsburgen bald zum Zentrum des Glaubenskampfes militanter Islamiten gegen die christlichen Sizilianer. Im Angesicht dieser heiligmäßigen islamischen Mönchs­ ritter zu beten, wurde Ziel unzähliger Wallfahrer, und gar im Schatten der RibatMauern begraben zu werden, der innigste Wunsch vieler Gläubiger - daher die weit­ läufigen Friedhöfe. »Drei Tage Garnison in Monastir öffnen die Tore ins Paradies« hieß es sogar, und im n . Jh., als Kairouans Stern zu sinken begann, wurde Monastir zur heiligsten Stadt Tunesiens. 796, kurz bevor der Aghlabide Harthama Ibn Ayoun die nach ihm benannte Dynastie gründete, wurde der große Ribat erbaut (Abb. 144). Im wesentlichen wiederholt er den Bauentwurf des Ribats von Sousse, nur wurde hier im Verlaufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und verändert. Zwei mächtige, mit massigen Flügeln verschließbare Tor führen in den Innenhof, um den in mehreren Stock­ werken die Mönchszellen, Gebets- und Wirtschaftsräume, die Kammern und Kase­ matten liegen. Unter dem heutigen Museum im M'änner-Ribat (Abb. 146) führt ein Tor zum Hof der Frauen, aus dem sich das zweite Haupttor zur Großen Moschee gegenüber öffnet. Den hohen Nordturm, Nador, kann man besteigen. Die Aussicht ist lohnend. Hinunter schaut man direkt zur Großen Moschee aus dem 9. Jh. mit Veränderungen im io ./n .J h ., das übliche Moscheebauschema mit Säulengang und von Kreuzgrat­ gewölben auf gedrungenen kreuzförmigen Pfeilern und antiken Säulen gestütztem 210

Monastir, der Ribat im ix. Jh.

Gebetsraum. Reste der anderen Ribat-Bauten sind gut auszumachen. In den angrenzen­ den Nekropolen der Moslems gibt es mehrere Koubbas, die schon im 12. Jh. errichtet wurden, Grabstätten heiliger Muslime, alle mit Kufi-Schriftbändern, Kuppeln und reichem polychromen Fayenceschmuck dekoriert, wie die Koubba Sidi el Mazeri, die des Sidi Bou Zid oder die der Familie des Präsidenten Bourguiba (s. Umschlagvorder­ seite). Insel Djeziret und Thapsus. Den sicherlich schönsten Blick zur Stadt hat man von der jetzt durch einen Damm mit dem Festland verbundenen Insel Djeziret. Präsident Bourguiba wurde in Monastir geboren, seine Liebe gilt seiner Heimatstadt, und hier wurde ihm zu Ehren 1936 von Taleb Bouzguenda die Bourguiba-Moschee errichtet, eine sehenswerte moderne Anlage um ein 41m hohes Minarett, modern im Baumaterial

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M O N A S T IR /M A H D IA

und in Dekordetails, konservativ aber im Beibehalten der klassischen Bauschemata, in denen Hof, Arkadenumgänge und Gebetssaal einen Komplex bilden, ohne daß dies durch Neues ergänzt worden wäre. Auf halbem Wege südwärts von Monastir liegt, wieder in phönizischer Kaplage, Rass Dimasse, ein Dorf am Ort des einstigen Thapsus, Schiffsanlegeplatz und seit dem 4. Jh. feste punische Siedlung. Hier kam es am 6. April 46 zur Schlacht zwischen Cäsar und auf der Gegenseite den Pompejanern und König Juba I. Sie brachte Cäsar den Sieg, Cato stürzte sich in sein Schwert*, Metellus Scipio, Petreius und Juba folgten seinem Beispiel, die Söhne des Pompejus und Labienus, der römische Heerführer, ent­ kamen, das numidische Königreich wurde teilweise in die Provinz Africa nova, teils an Bocchus von Mauretanien aufgeteilt und unter Augustus vereinigt mit Africa vetus, aus denen dann Africa proconsularis entstand. Von Thapsus geblieben sind muschel­ überwachsene Reste der Hafenmole und —nicht ausgegraben - in den Feldern verstreut kümmerliche Ruinenreste, Mauerrelikte, Gewölbe, Zisternen, ein paar Mosaike. 195 war Hannibal in Karthago Sufet geworden und sogleich versuchte er, mit Hilfe einer Finanzreform die Tributlasten an Rom auszugleichen. Als die deshalb am meisten betroffenen Grundbesitzer sich besdiwerdeführend an Rom wandten, führten Anschul­ digungen, er schmiede mit Antiochus Kriegspläne gegen Rom, zu seinem Sturz. Gerade als eine römische Finanzkommission nach Karthago reiste, floh Hannibal nach Thapsus. Hier in der Nähe hatte er einen Wohnturm, ein kleines Herrenhaus vom Bautyp der heutigen arabischen bordjs. In Thapsus bestieg er ein Schiff, segelte nach Tyros und von dort zu König Antiochus nach Ephesus. Bündnisse gegen die Römer schlugen fehl, nach der Niederlage verlangte Rom die Auslieferung des prominenten Gegners, und Hanni­ bal entwich zu König Prusias II. von Bithynien. Doch auch von ihm forderten, nach Kämpfen mit dem Römerfreund Eumenes von Pergamon, die Römer Hannibals Aus­ lieferung. Als Prusias nachgeben wollte, tötete sich Hannibal 182 durch Gift. Beim heutigen Ismit (Nikomedia) am Marmarameer liegt er begraben.

Mahdia Kothon, Skiffa El Khala. Der Tunesien-Reisende, der sich mit dem Standardbild phöni­ zischer Siedlungen vertraut gemacht hat, wird in Mahdia geradezu ideale Bedingungen für eine phönizische Seeroutenstation erkennen. Der phönizische Kotbon, ein Rechteck, 126 x 57 m groß, mit einer 15 m breiten, von Wachttürmen gesicherten Fahrrinne ins Meer vorn auf der Halbinsel, ist erhalten und wird noch heute von den Küstenfischern benutzt. Von der römischen Nachfolgesiedlung ist nicht einmal der Name bekannt. Die besondere strategische Lage am Kap Ifrikia erkannten schnell die Fatimiden. Im späten 9. Jh. stachelten sie die Berber von Ketama (heute Marokko/Rifgebirge) zum * Cicero: »Es entsprach ihm mehr zu sterben, als zu einem Tyrannen aufzublicken.« 21 2

Mahdia, Skiffa El Khala, das >$chwarze TorTrockenfarmem zur besseren Feuchtigkeitsaufnahme mehrfach gepflügt und gelockert und dann, nach dem Eindringen der Feuchtigkeit in den Boden, festge­ walzt, um so die einsetzende Verdunstung zu vermindern. Thaenae. Von den antiken Vorgängern von Sfax, dem libyschen Taparura und dem

12 km südlich gelegenen Thaenae (Thyna) ist wenig erhalten. (Vielleicht liegen die sich kreuzenden Hauptstraßen der Medina in Sfax auf den römischen Straßen von Taparura?) Bedeutend muß der Platz Thaenae gewesen sein, lag er doch direkt an der Hauptstraße von Karthago nach Alexandrien. Hier am Ende des numidischen Reiches von König Juba endete auch der Numidien von Karthago trennende Graben (fossa) des Scipio. Punischen Einfluß bezeugt die alte punische Namensform Thainat; die Ableitung vom griechischen τάφρος (Graben) ist eine spätere Kombination. Im Gegen­ satz zu Hadrumetum stellte sich Thaenae im Bürgerkrieg auf Cäsars Seite. Wohlhabend wurde die Stadt aber erst unter Hadrian und erhielt die Rechte der colonia. Thermen­ reste und Mosaikfußböden (Abb. 153), Wasser- und Heizungsanlagen, Zisternen, Haus­ grundrisse und ausgedehnte Nekropolen (vgl. Abb. 154) sind erhalten, auch Fresken aus dem 4. Jh. Zur Severer-Zeit gelang einem Aemilius Pudens aus Thaenae nach seiner Militärdienstzeit als Offizier in der Legio III Augusta der Sprung in den persönlichen Stab des Kaisers, was nun den Thaenaern viele Möglichkeiten öffnete, am römischen Kaiserhof mit Erfolg zu antichambrieren oder Vorteile für ihr Gemeinwesen auszu­ handeln. Am Sockel seines Reiterstandbildes bezeugten ihm die Stadtväter ihren Dank »ob in singulos universosque examinatam affectionen...« (wegen seiner so wohlwollen­ den Güte, die er jedem und allen bewies. . .). Sein Bruder Laetus wurde sogar Präfekt der Prätorianergarde, zwei römische Legionen im Rücken, glaubte er sich stark genug, eine Rolle als >Kaisermacher< zu spielen. Er stürzte den Psychopathen Commodus, hob Pertinax auf den Kaiserthron, und nach dessen Ermordung Didius Julianus, der jedoch dem Emporkömmling Laetus und seiner Garde ein Ende setzte. Medina, Bab Diwan, Große Moschee. Neustadt und Medina von Sfax liegen an­ nähernd parallel zwischen Hafen und offener See. Vollkommen umschließt die aghlabidische Stadtmauer aus dem 9. Jh. die malerische, nur etwa 400 x 600 m große Altstadt mit der Moschee fast genau in ihrem Mittelpunkt an der Rue du Bey, die südost­ nordwest von Bab Diwan zum Bab Djebli die Souks quert. Bab Diwan (Abb. 152)

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wurde nach alliierten Luftangriffen 1943 fast vollständig zerstört, steht heute nach dem Wiederaufbau (ohne Uhraufsatz), aber so, wie es 1346 errichtet worden war, drei­ stöckig, mit Hufeisenbogen über den Torwegen, ein wenig monumental in der Stadt­ mauer mit Wehrgängen, eckigen Türmen, Kranzgesimsen und Mauerbekrönung und dazu über Eck zwei Kasbah-Bauten, einer alten aus dem 12. Jh. und der jüngeren aus dem 17. Jh. Ursprünglich war sie ein Stampflehmbauwerk und wurde erst später, jeweils bei Renovationen, in ein Hausteinmauerwerk umgearbeitet. Salem El Djebiniani legte 849 den Grundstein zum Bau der Großen Moschee, die Fatimiden bauten weiter und die Türken vollendeten sie. In einem Rechteck von 52 x 4 1 m liegt am großen Hof der Gebetssaal mit neun Schiffen zu je sechs Jochen und je sechs weiteren entlang dem Hof. Alle Säulen sind antik und stützen unter Hufeisen­ bogen schöne Kreuzgratgewölbe. Zwei Kuppeln in der Moscheeachse krönen die Ter­ rasse. Das Minarett aus drei sich verjüngenden Kuben entspricht dem von Kairouan, die Verzierungen im Oberteil sind beachtlich: Eierstäbe, Zahnfriese, Mauerzacken mit fatimidischem Blumendekor, geometrische Schnitte und eine Rippenkuppel. Türkisch ist das Fassadendekor der Moschee, und an der Ostseite gibt es eine interessante byzan­ tinische Marmortafel mit zwei Pfauen und dem erbaulichen Text »Schenke uns die Tugend und das Glück, ihre Gefährtin, damit beide das Dir geweihte, ehrwürdige Haus zieren.« Moschee Hassan, Zawija El Kader, Fischerhafen. Koranverse und variables Stück­ werk schmücken die Fassaden der beiden anderen, kleinen Moscheen, der des Sidi Bel Hassan und der Zawija des Sidi Abd El Kader. Typisch für die Medina von Sfax sind

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S F A X /G A B E S

die meist aus Gabes stammenden steinernen Tür- und Torumrandungen, Futter und Stürze mit kufischen Inschriftenbändern oder mit blumigen Ranken- oder Ornament­ motiven. Man findet sie an vielen Häusern. Im alten Fischerhafen kann man abends bei der Schwammversteigerung zuschauen. Die neuen, modernen Hafenanlagen aber sind mit denen von Tunis die größten des Landes, hier werden verladen ö l, Getreide, Salz und vor allem Phosphat aus den mit Sfax über eine Schmalspurbahn verbundenen Abbaugebieten der Phosphatregion um Metlaoui und westlich von Gafsa, das für Tunesien zweifellos wichtigste Montan­ produkt. So steht in Sfax auch das größte Phosphatwerk Tunesiens zur Produktion von pulverisiertem und Superphosphat. Kerkennah-Inseln. Von Sfax aus besucht man die Kerkennah-Inseln. Der die beiden Inseln Gharbi und Chergui verbindende Damm (etwa 500 m lang) ruht auf römischen Fundamenten. Hannibal lebte nach seiner Niederlage bei Zama eine Zeitlang incognito auf Kerkennah, und zur Zeit des römischen Bürgerkrieges organisierte Cäsars Intimus Sallust von hier aus den Kampf gegen den Pompejus-Freund Metellus Scipio. Als Christen und Moslems und später die Spanier und Türken sich permanent um die Inseln und auf ihnen bekriegten und sie verwüsteten, flüchteten die Bewohner. Erst im 17./18. Jh. begann eine zaghafte Wiederbesiedlung.

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Die beiden flachen Inseln zusammen sind etwa iBo km2 groß und erheben sich kaum mehr als io m über die submarine Bank. So ist im seichten Küstenwasser besonders der Fischfang mit Reusen (charfia-Fischfang) unter Ausnutzung der Gezeitenströme weit verbreitet. Tintenfische fängt man in eigenartigen Kalksteinbehältern. Neben der Fischerei sind die Erträge aus der Schwammfischerei mehr als gering. Auf dem Lande geben die Dattelpalmen wegen der Luftfeuchte nur Lrüchte geringer Qualität, ihre Blattwedel werden fast ausschließlich zum Flechten der Fischreusen geschnitten. Die agrare Nutzung der Inselfelder (Feigen, Gemüse, Wein) muß sich wegen der geringen jährlichen Niederschläge (unter 200 mm) und dem allein vorhandenen Brackwasser mit mäßiger Qualität wie Quantität bescheiden. Im Gegensatz zu den lockeren Streusied­ lungen auf Djerba, fallen hier die Siedlungsballungen als Weiler oder Dörfer ins Auge, aus denen, trotz der beginnenden touristischen Erschließung, ständig viele junge Men­ schen nach Sfax oder in andere Arbeitszentren Tunesiens abwandern. Im übrigen trifft zu, was die tunesischen Fremdenverkehrsprospekte behaupten: »Von jeder Insel geht ein unvergleichlicher Zauber aus. Ruhe, Stille, Zurückhaltung. Da sind auch die end­ losen, einsamen Strände, der strahlend blaue Himmel und die Möglichkeit, mit einer sehr anhänglichen Bevölkerung in Kontakt zu kommen.« Die Inselkette entlang (20 km) zieht eine ausgebaute Hauptstraße von Sidi Youssef nach El Attala (Überfahrten mehrmals täglich von Sfax aus, 45 Minuten).

Gabes Lage und Geschichte. Die Linie Gabes-Gafsa-Medes an der algerischen Grenze kann als Trennlinie zwischen den zentral-tunesischen Steppenlandschaften und dem ariden Süden des Landes gelten und folgt ziemlich exakt der vom Gabes-Golf westwärts streichenden Gebirgskette. Nur im Küstenbereich vor den Bergen der Dahar-Gebirgskette im Süden breitet sich eine leicht wellige Küstenebene, die Wüstensteppe der Djeffara (nur etwa 175 mm Jahresniederschlag) mit der Litoralzone direkt am Bogen des Golfes. Als >Tor zur Sahara< verkehrsgeographisch so günstig im küstennahen Durchzugsgebiet gelegen, mag es sicherlich bereits zu phönizischen Zeiten Handels- und Stapelplatz für Waren der vorbeiziehenden Karawanen gewesen sein, die Güter aus dem saharischen und sudanesischen Afrika brachten und hier tauschten mit den Phöni­ ziern. Dann wurde der Platz zur römischen Kolonie Tacapae an der Handels-Küstensträße von Leptis Magna nach Hadrumetum wie zu den saharischen Randgebieten am Schott. Leicht konnte von hier aus auch der Küstenschiffsverkehr in der Kleinen Syrte zwischen Hadrumetum-Thaenae-Oea (Tripolis) und der Zyrenaika kontrolliert und beherrscht werden. Diese Gunst der Lage wurde aber zum Verhängnis: im Durchzugs­ gebiet aller möglichen Invasoren in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten sahen die Bewohner sich bald gezwungen, ihre Stadt zu verlassen. Im 11. Jh. gab es nach Leo Africanus nur mehr Mauerreste der »sehr reizvollen Römerstadt«. (Auch im Zweiten

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GABES Weltkrieg hatte Gabes, so nahe an der strategisch bedeutenden Mareth-Linie gelegen, unter Zerstörungen schwer zu leiden, als es zuerst im Besitz des Deutschen Afrikakorps war und dann in die Hände der Alliierten fiel.) Im 7. Jh., in arabisch-islamischer Zeit, setzte ein Wiederbeginn ein, als der alte Sidi Boulbaba, der echte Barbier des Propheten Mohammed, Gabes zum Altersruhesitz er­ wählte. Seine Moschee (Abb. 129) steht auf dem höchsten Hügel am Stadtrand. Sehr schön mit Flechtmuster skulptierte Kapitelle schmücken die Säulen des fünfbogigen Portikus mit Kreuzgratgewölben vor dem kleinen Heiligtum. Den Innenraum decken einfache Gewölbe auf sechs Säulen, und gegenüber dem Mihrab bedecken den durch eine hölzerne Schranke abgeteilten Grabraum des Boulbaba unzählige Votivtafeln und Exvotos, ein buntes Zeugnis naiv-frommen Volksglaubens. Das Fehlen eines wirtschaftlich bedeutenden Hinterlandes bedingte es, daß Gabes sich mit der Funktion eines wichtigen Verwaltungs- und Schulortes begnügen mußte, auch der Hafen entwickelte sich nicht, und die Küstenfischerei erwies sich als unergiebig. Neuerlich scheint der Tourismus hier einige Lücken zu schließen. »Wenn man die Syrten und Leptis Magna erreicht, trifft man auf eine afrikanische Stadt namens Tacapae. Ihr bewässerter Boden von etwa 3000 Schritten im Durch­ messer hat eine erstaunliche Fruchtbarkeit. Zwar spendet eine Quelle reichlich Wasser, aber die Einwohner dürfen nur zu festgesetzter Stunde Wasser schöpfen. Im Schatten köstlicher Palmen wächst die Olive, unter der Olive der Feigenbaum, dann der Granat­ apfel und der Wein, unter dem Wein das Getreide und das Gemüse - und alles bringt Frucht hervor im selben Jahre, und alle diese Früchte leben in ihrem gemeinsamen Schatten.« - mit diesen Worten preist Plinius der Ältere die Oase von Gabes und den in allen Sahara-Oasen praktizierten Mehrstockbau. Oase. Der Oasenkomplex (Abb. 130) schließt neben dem Zentrum, das aus den Orts­

teilen Djara und Menzel besteht, innerhalb der Palmengärten noch neun kleine Sied­ lungen ein, deren Gärten und Felder teils vom Gabes-Fluß (Quellen 10 km landein­ wärts), teils durch weit intensivere Quellbohrungen mit mehr als i20ol/sek Fließ­ wasser bewässert werden. Ungünstig wirken sich die Salzrückstände der verdampften Wassermengen aus, die zwischen zwei bis sechs Gramm pro Liter Oberflächenwasser schwanken. Gerade sie beeinträchtigen die Fruchtbarkeit sichtlich. Die Wachstumsinten­ sität nimmt vom Zentrum der Oase mit gut stehenden Feigen-, Granatapfel- und Aprikosenbäumen zu den weiter am Rand unter Palmen angebauten Gemüsekulturen im Mehrstockbau, den Plinius so anschaulich beschrieb, mit Luzerne, Tomaten, Zwie­ beln, Möhren usw. beträchtlich ab. In einem unbewässerten Ölbaumgürtel laufen die Oasenkulturen zur Wüstensteppe hin aus. Das gehört heutzutage bereits zum agraren Oasentyp, um zusammenhängende Palmengärten wird stets ein schützender Kranz von Ölbaumpflanzungen angelegt. Fast 1500 ha sind heute intensiv bewässert und bebaut, zusätzlich im Umkreis der Oase etwa 1000 ha Gerstenfelder im Trockenfeldbau, die mit knapp 4 Zentner pro ha aber nur geringe Erträge bringen. Auch die rund 300000 Pal220

men liefern recht mittelmäßige Dattelqualitäten, da Luftfeuchtigkeit die Güte der Früchte mindert. In der Nähe des Marktes von Gabes gibt es einige malerische Souk-Viertel, im Petit Djara exotisch überdachte Marktgassen, El Bekris enthusiastisch gepriesene >Seidenstadtv_— .

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Insel Djerba, Stätten des Fremdenverkehrs

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1 Islamische Bauten 2 Archäologische Stätten j Museum 4 Israelitische Bauten j Hotels 6 Unterwasser­ fischfang 7 ° lfice de l’Artisanat 8 Töpferei 9 Weberei io Schmuck

Djerba Schon im 9. Jh. v. Chr. schrieb Homer (Odyssee IX, 62-104) von einer Insel in der Kleinen Syrte, deren friedliche, gastfreie Bewohner sich von den honigsüßen Früchten einer dort wadisenden Lotosart ernährten - die Gefährten des listenreichen Odysseus vergaßen nach dem Genuß des süßen Lotos Vaterland und Heimkehr. Die >Lotosesserkleinen< Judendorf und in Hara Kebira = dem >großenWundertätige< heißt sie nach einer Sage um eine wunderbare Errettung einer heiligmäßigen Einsiedlerin. Andere meinen, La Ghriba sei am Platze eines vom Himmel gestürzten Meteoriten errichtet worden, möglicherweise auch am Platz eines uralten Tempels, oder aber ein Stein vom zerstörten Jerusalemer Tempel sei der Bauanlaß gewesen. Alljährlich, 33 Tage nach Ostern, reisen aus dem gesamten Maghreb fromme Juden zu einer großen Wallfahrt und zu Feierlichkeiten um La Ghriba an. Den Römern folgten Vandalen, Byzantiner, Araber und Normannen, und Peter von Aragonien ließ durch seinen Admiral Roger Doria in Houmt-Souk die erste Hajen­ festung errichten (Abb. 158). Etwa gleichzeitig, an der Wende vom 13. zum 14. Jh., ent­ stand Bordj Castille. So wie es heute steht, ist es das Ergebnis eines Umbaus im 16. Jh. durch den Korsaren Dragut, der damals dreißig Karavellen der Flotte Philipps II. unter den Mauern der spanischen Festung in Houmt-Souk verbrennen und 5000 Mann der spanischen Garnison im Aufträge des Türkenadmirals Piali Pascha niedermetzeln und aus ihren Gebeinen einen grausigen Schädelturm am Hafen errichten ließ. Erst 1848 wurden die Gebeine den Franzosen zuliebe, deren Gunst der Bey nötig hatte, in Houmt-Souk christlich beigesetzt. Wasserversorgung. Heute scheint die Insel zweigeteilt: in die Sektion der Touristen

mit ihren Luxushotels an den Strandbogen des >Goldsandes< von Sidi Mahrez und von 123

D JE R B A /D E R W E IT E S Ü D E N

Houmt-Souk über Ras Tourgueness nach Aghir - und den größeren, ursprünglicheren restlichen Inselbereich. Eine maximale Höhe von nur 52 m erreicht das 514 km2 große flache Inselgeviert, in dem etwa 64 000 Menschen leben: abgesehen von den jüdischen Haufendörfern (menzel) und von Houmt Souk in Streusiedlungen, Einzelhöfen (dar) oder kleinen Hausgruppen (haouch). Da wegen des flachen Inselreliefs sich nirgendwo ein Gewässernetz bilden konnte (es gibt keine einzige Quelle), blieb die Landbevölke­ rung zur Trinkwasserversorgung allein auf Zisternen und Brunnen angewiesen (heute Trinkwasserleitung vom Festland). Houmt-Souk und die Hotelzone sind heute über eine Rohrleitung an die Festland­ Wasserversorgung angeschlossen. Mehr als 2000 Zisternen und 3700 Brunnen gibt es noch immer, und allenthalben fallen die bis 300 m2 großen flachen und grell weiß ge­ kalkten Regenfangbecken auf, auch bei den Moscheen (keine Gebetsplätze). Ob die Art und Weise, Siedlungen verstreut und auseinanderliegend anzulegen, in der Wasser­ verteilung oder im stark ausgeprägten berberischen Individualismus begründet ist, bleibt offen. Während der Inselsaum auf salzigen Sandböden Datteln mit Früchten minderer Qualitäten trägt (weitständig gepflanzt, um darunter Gerste und Hülsen­ früchte im Wechselbau zu ziehen), folgen zur Inselmitte hin ausgedehnte Ölbaumhaine (frawa). Erst im zentralen Teil Djerbas, wo die tiefen Brunnen den - meist eisen- und salzhaltigen - Süßwasserhorizont erreichen, liegen die Obstbaumkulturen in den djnän genannten Fruchtgärten mit Birnen, Pfirsichen, Äpfeln, Aprikosen und Wein, und die sania, Gemüseparzellen, meist innerhalb von dichten Hecken aus Opuntien. Solchem Naßfeldbau dienen die bis 10 m tiefen, birnenförmigen Zisternen (majen) oder die rechteckigen Kammern (faquia), 8 m tief in den Maßen um 10 x 3 m. Die berberischen Djerbi gehören zwei islamischen Richtungen an: den Ibaditen, einer von den strenggläubigen Kharedjiten abgesplitterten, streng orthodoxen Gruppe, die an der Urform des Korans bedingungslos festhält und zu den saharisch-algerischen Mozabiten in der Oase Ghardaia in enger Beziehung steht, und den ebenfalls purita­ nisch-orthodoxen, besonders sittenreinen Malekiten. Ihre Moscheen betonen die puri­ tanische Einfachheit auch in den fast primitiv anmutenden, schmucklosen Gebetssälen und sogar im Fehlen eines hochstrebenden Minaretts, das entweder ganz fortfällt oder als Stummel nur noch eben das Moscheedach überragt (Abb. 157). Anders die ibaditischen Moscheen, die an hohen, oben oftmals spitz zulaufenden Minaretts zu erkennen sind und Vorbilder in Ghardaia haben*. In Houmt-Souk wie in Mahboubine hat sich die türkische Moscheeform durchgesetzt, oft um eine Zentralkuppel zierliche Kalotten wie etwa bei der >Türkenmoschee< mit sieben Hauben (Färbt. XXVII). Guellala. Neben der landwirtschaftlichen Nutzung spielt der Fischfang, und bei Adjim die Schwammfischerei, eine mäßige Rolle. Dagegen hat das Handwerk noch goldenen Boden vor allem bei den gut dreihundert Töpfern von Guellala, deren Keramiken, im * Siehe: Hans Strelocke, Algerien. Kunst, Kultur und Landschaft, Köln 1974, S. 184ff.

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Gegensatz zur bemalten Töpferei von Nabeul, in der Regel roh und ursprünglich bleiben, viel Gebrauchstöpferei und noch immer in den feinen, ansprechenden Formen der ägäischen Keramik modelliert (Abb. 160). Ihre unterirdischen Brennöfen - ober­ irdisch sieht man nur Scherbenhaufen auf mäßig hohen Schutthügeln: vorzügliche Iso­ lierungen - werden mit Oliven- und Palmenholz geheizt. Schließlich ist die Weberei ein heute im Zeichen des Tourismus aufstrebender Er­ werbszweig der Djerbi: meist rote Wolldecken mit eingewebten geometrischen Mustern, oft das Dreieckssymbol der Berber, oder harmonisch drapierte Streifen. Die wenigen Goldschmiede löten filigrane, gebogene Drähte nach überlieferten byzantinischen Mu­ stern zu erlesenem Schmuck. Auf Djerba, sagt man, ist die Kunstfertigkeit Ausdruck des Lebens, und beide unter­ scheiden sich kaum voneinander. Zuletzt bleibt blaues Meer, schimmernder Sand und eine bezaubernde Fremdartigkeit, der besondere Reiz der Ferieninsel Djerba. Zarzis, auf der anderen Seite des Meeres, bildet heute touristisch eine glückliche Ergän­ zung zu Djerba. Über den Römerdamm, in den 1515 der türkische Pirat Dragut eine Bresche schlagen ließ, um die Blockade der Schiffe Roger Dorias zu durchbrechen, ge­ langt man schnell zur Zarzis-Oase. Sie ist kulturgeographisch ein weit nach Süden Vor­ gesetzter Part des Sahel von Sfax und entspricht mit über 200 mm mittlerem Nieder­ schlag im Jahr und erhöhter Luftfeuchtigkeit etwa den dortigen Gegebenheiten. So ist, unterstützt durch Tiefbrunnen, inmitten einer trostlosen Wüstensteppe, eine blühende, oasenverwandte Insel entstanden. Die ehemaligen, jetzt seßhaften Djeffara-Halbnomaden der Akkara bearbeiten in Trockenkulturen auf Kleinparzellen zwischen weit­ gesetzten ölbäumen Gerste- und Sorghum(Hirse)-Felder und intensiv den ständig weiter anwachsenden Ölbaumbestand zur Olivenproduktion in eigenen Ölmühlen. Genügend Wasser fördern auch die Brunnenbohrungen, so daß man selbst in kleinen Gärten Gemüse und Obst ziehen kann. Die Früchte der mehr als 120 000 Dattelpalmen sind allerdings nur als Viehfutter geeignet. Diese Palmen aber bilden die herrlichste Kulisse hinter den weiten Sandstränden, an denen von Jahr zu Jahr neue, moderne Hotels entstehen. Der Biban-See, wie dieser Meeresabschnitt bei den Eingeborenen heißt, gehört zu den fischreichsten des Mittelmeeres.

Der weite Süden Aus der Djeffara-Küstenebene, die in ihrem Südabschnitt typische salzhaltige SebkhaSenken oder sandige Garaa-Mulden als Mündungsgebiete der das Meer einst nicht mehr erreichenden Wadis aufweist (Strauchsteppenvegetation), steigen jäh die Kalksandstein­ stufen der Dahar-Vorberge auf. Charakteristisch sind ihre gara oder guel benannten Zeugenberge mit Schichtkämmen, Flexuren und Brüchen. Dort leben in Ksar-Siedlungen die Djebalia-Bergbewohner (Färbt. XXV). 225

D E R W E IT E S Ü D E N

Der weite Süden M&tameur, Medcnine, Foutn T a ta h o u in e. Ein Ksar ist ein aus neben- und überein­ ander gesetzten, wabenartigen Nischen gefügter Viereckbau, er diente früher als sicheres Getreidedepot und Zufluchtsort in Kriegszeiten, in Friedenszeiten ist er Handelsplatz und gesellschaftlicher Treffpunkt. In Medenine und Metameur gibt es solche Ksar. Hier gruppieren sich um zwei große Höfe zwei- und dreistöckige Ghorfas, Vorratshäuser der Djeffara-Nomaden (Färbt. XXI), in denen während der Zeit, da die Erwerbs­ bevölkerung die Fernweiden aufsuchte, Kranke, Alte und die Wachen die Stammes­ vorräte hüten mußten. Über aus dem Mauerwerk vorkragende Steine oder hochstufige Steinblocktreppen steigt man zu den 3-4 m tiefen, etwa 2 m hohen Wabenzellen aus Füllsteinen und Lehm mit einfachen Tonnengewölben auf.

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In Medenine, unterhalb der Moschee, lag einstmals das Ghorfa-Zentrum der Querhamma, früher siebenundzwanzig, heute nur noch drei Höfe mit bis zu fünf Stock­ werken übereinander geschachtelten Ghorfa-Tonnenwaben. In den oberen Zellen findet man überall noch Hand- und Fußabdrücke der Bauhandwerker, oftmals sogar die Namen und das Erbauungsdatum eingeritzt. Im Bereich von Foum Tatahouine haben die Berber ihre Ksar-Höhlenwohnungen horizontal in die weichen Zwischenschiditen der Kreidestufen hineingebaut. Die ge­ samte Dorfanlage gruppiert sich um einen hochgelegenen Ksar mit den Vorratsburgen der Ghorfas, die mehr und mehr verfallen, seitdem Nomaden zu Halbnomaden und schließlich teilweise seßhaft wurden. Damit verloren die Ghorfas ihre Schutzfunk­ tionen; erst der Tourismus hat den Abriß der noch erhaltenen Anlagen verhindert, heute wird sogar restauriert. Chenini, Douiret, Guermessa, Ghoumrassen. Typische und für den Tourismus noch relativ einfach zu erreichende Berberdörfer gruppieren sich um Foum Tatahouine: Beni Barka mit alter Kasbah, Chenini (Färbt. XXVIII), Douiret, Guermessa (Färbt. XXVI), Ghoumrassen (Abb. 163). Als die Phönizier nach Nordafrika kamen, fanden sie ein ackerbautreibendes Volk vor. Weder Karthagos Vorherrschaft, noch Roms Macht wurde von ihnen akzeptiert, aber sie brachten es fertig, sich durch Bündnisse mit beiden zu behaupten. Herodot nannte sie die Libyer, bei den Römern hießen sie die Barbaren. Vor den Hilal flüchteten sie im 11. Jh. in die Berge. Die dort blieben, haben Sprache und Sitten bis heute bewahrt; diese Traditionen werden besonders von den Frauen gepflegt, da die meisten Männer irgendwo auswärts Geld verdienen müssen. In ihren höhlenartigen Behausungen sitzen sie beisammen, weben Schals aus blauer und roter Wolle mit bakhnoug, geometrischen Mustern, fertigen Burnusse, mantelartige Um­ hänge, flechten aus Haifagras Körbe und Matten oder arbeiten in den kleinen DjessurObst- und Olivenhainen. Die zunehmende Aridität mit Niederschlagsmengen, die selbst für einen Trocken­ feldbau normalerweise nicht ausreichen, haben eine spezielle Landbauform geschaf­ fen: Erd- und Steindämme, die vor kleinen und kleinsten Senken und Mulden die Abflüsse sporadischer Niederschläge hemmen und sie filternd zur Sedimentabgabe zwin­ gen. Auf solchen, von stetig wachsenden Sedimentschichten durchsetzten Dammböden, die treppig in Terrassen hintereinander einer Muldenniederung folgend angelegt sind, wachsen Dattelpalmen, Oliven, Granatapfel- und Feigenbäume, welche, damit nach feuchten Winterperioden auch Getreide angebaut werden kann, auffallend weitstämmig gesetzt werden. Von arabisch djessur (Damm, Bresche) heißen solche Feldkulturen Djessur-Felder. Gerade sie haben in der nahen Vergangenheit mit dazu beigetragen, daß das Nomadentum der Djeffara sich zumindest zu einer halbnomadischen Lebens­ form entwickelt hat: Fern Weidewirtschaft und also temporäre Abwesenheit mit den Schaf-, Ziegen- und Kamelherden in den Wüstensteppen zur Sommerzeit, und Anbau und Ernte auf den Feldern mit Beginn der Regenfälle bis zum Abernten der Bäume.

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DER WEITE SÜDEN/GAFSA

Wie von Zinnen umgeben scheint das auf und um einen Bergkegel halbkreisförmig gelegene Dorf Chenini (Färbt. X X V III; Abb. 161). Ksar und Ghorfas verfallen, aber alles ist unsagbar malerisch und großartig. Von der Höhe der weißen Moschee blickt man hinüber zum alten, jetzt verlassenen Chenini, einem Grotten-Höhlenkonglomerat mit mehreren, gut 4 m langen Christengräbern bei einer Moschee, die zum Teil in den Fels gebaut ist. Von den römischen Kaisern verfolgte Christen hatten sich hierher ge­ flüchtet, wurden entdeckt, gefangen und eingemauert. Aber ihre Körper wuchsen auch im Grabe weiter; nach vier Jahrhunderten erwachten sie wie aus einem langen Schlaf, jetzt fanden sie ein anderes Land vor, sie traten zum Islam über, und als sie gestorben waren, begrub man sie in der Nähe der alten Moschee in den ihrer Riesengestalt ge­ mäßen Gräbern - so berichtet die Legende. Douiret ist der Hauptort der etwa 4000 Douiri, die in Wohnhöhlen hier und weit­ verstreut in den Dahar-Bergen wohnen. Das Dorf gruppiert sich, auf zehn Bergspitzen gelegen, um die Moschee auf der höchsten. Gratwege verbinden einzelne Ortsteile und die Ruinen des Ksar. In der alten Ölmühle treibt ein blindes Kamel die schweren steinernen Walzen zum Auspressen der Früchte. Steintröge und Sammelbecken sind aus dem gewachsenen Fels geschlagen, aus Palmen- und Olivenholz wurden Gestänge und die Zahnräder des Antriebs gearbeitet, aus Haifagras die Körbe für das Preßgut. Auf einem Grat stehen die Ruinen der größten Ghorfa-Bauten im tunesischen Süden. Guermessa ist ein Grotten- und Höhlendorf um einen befestigten Platz, die kalaa. Jeder Bräutigam aus dem Dorf muß hier - nach einer siebentägigen Klausur in einer Ksar-Höhle, im Kreise seiner besten Freunde - hinaufsteigen und seinen Fußabdruck wie das Hochzeitsdatum in den Stein schlagen, ehe er so viele schwere Steinbrocken wie nur möglich vor kritischem Publikum aufeinanderschichtet. Je mehr und je schwerer, desto eher garantieren sie das Glück seiner Ehe. 228

Ghoumrassen. Unter drei hohen Felszinnen zwängt sich das Dorf in einem Tal ent­ lang (Abb. 163). Neben den hochgelegenen kalaa-H.\iinen steht die kleine Moschee eines Sidi Arfa, der mit dem tunesischen Historiker Ibn Khaldoun verwandt war. Interessant ist, daß der Abraum aus dem Wohnhöhlenaushub hier das Fundament für viele Ghorfas abgab. Im etwa 6 km entfernten Ksar Haddada hat man alte Ghorfas zu gastlichen Her­ bergen umgestaltet - wie in Matmata einige Wohntrichter.

Gafsa Das Capsien. Dort, wo die noch zum nordafrikanischen Atlassystem gehörenden Ge­ birgsketten als Barriere quer zur Abflußrichtung zentraler Wassersysteme vor der Schottsenke liegen, siedelten am Durchbruch von Gafsa bereits in vorgeschichtlichen Zeiten Menschen. Nach dem Fundort Gafsa (Capsa) wurde diese Menschheitsepoche das >Capsien< genannt. Sie begann zu Ende und verzahnt mit dem europäischen Aurinacien und wurzelt im afrikanischen Altpaläolothikum, als am Ausgang der endquar­ tären Phase eine konstante Austrocknung einsetzte, welche die Lebensbedingungen des Capsien-Menschen völlig veränderte, weil sein Gras- und Strauchland versteppte und dann zur Wüste wurde. Von Tunesien aus verbreitete sich das Capsien über gesamt Nordafrika, zur Pyrenäenhalbinsel, nach Ägypten und Palästina-Syrien. Die Funde bei Gafsa in den spätquartären Sanden von Sidi Mansur lagen oft in kohligen Durch­ setzungen der Erde, wo man an angebrannten Knochen- und Steinsplittern alte Lager­ plätze der Capsien-Menschen zu erkennen meint: Knochenreste von Hirsch, Gnu, Gazelle, Antilope, Eber, Muflon, Zebra, Elefant, Nashorn, Strauß. Knochenreste von Menschen fand man bei Gafsa ebenfalls, leicht negroide Skeletteile von zwei Frauen, einem Mann und einem Kind, dazu viele feine Klingen, Gravettespitzen, Hoch- und Kielkratzer, Bogenstichel, Klingen mit Kerben, Knochenpfriemen, Glätter und Meißel aus Bein, Nadeln, angeöhrte Muscheln und lange, gekerbte Klingen.

GAFSA

Römische Bäder, Stadtmauer, Kasbah, Große Moschee. Nördlich der Gebirge

(Djebel Orbate i i 6 j m, Djebel Bou Ratnli 1156 m, aufgewölbte Antikline der Kreide, charakteristische Schichtrippen- und Kämme) stauen weitflächige Sandebenen Grund­ wasserhorizonte, die im Durchbruch bei Gafsa hydrogeographisch zum Tragen kommen (hydraulische Schwelle), der ideale Platz zum Siedeln. Sallust preist die Stelle und meint, der punische Herakles sei der Gründer der >herrlichen Oase< gewesen. Das numidische Capsa ging im jugurthinischen Kriege - es war 107 v. Chr. Marius in die Hände gefallen - unter. Alle wehrfähigen Männer wurden umgebracht, die Stadt nieder­ gebrannt. Aber die Kaiser bauten sie wieder auf, Trajan gab ihr den Rang der civitas, dann der colonia. Aus dieser Zeit stammen die Schwimmbäder und wenige Architektur­ bruchstücke (Abb. 167, 168). In zwei etwa 4 m tiefe Becken aus Großquaderwerk strö­ men mäßig warme Quellen unterirdisch ein. Beide verbindet ein niedriger Tunnelgang. Mehrere Quader zeigen noch Fragmente römischer Inschriften. Antike Säulen mit ein­ fachen Kapitellen tragen das dreibogige Gewölbe des ehemaligen Dar El Bey-Palastes unmittelbar an einer Beckenseite. Als die Byzantiner 540 kamen, ließ Solomon, Kaiser Justinians Feldherr, die erste Stadtmauer anlegen. Verbessert und erneuert wurde sie im Jahre 1434 vom Hafsiden Abu Abdallah Mohammed, der in der Stadtmitte eine Kasbah zum Schutze vor räube­ rischen Wüstennomaden errichten ließ. Sie konnte später der Pirat Dragut für seine türkischen Herren erst nach zwei vergeblichen Versuchen einnehmen. Nach erneuter Zerstörung im Zweiten Weltkrieg - dort eingelagerte Munition explodierte - ist sie heute restauriert und in einem vorzüglichen Bauzustand. In der Großen Moschee wird der malekitische Ritus geübt. Neunzehn Schiffe mit je fünf Jochen gliedern den sehr großen Innenraum, der auffallend an Kairouan erinnert: wie dort, wird die Decke von antiken Säulen mit römischen und byzantinischen Kapi­ tellen gestützt. Prachtstücke sind der mit geometrischen blauen Fayenceplatten ge­ schmückte Mihrab wie die großartig geschnizte Predigtkanzel. Kein Besucher sollte es versäumen, vom Minarett herab auf Stadt (Abb. 169) und Oase, zu den Bergen und zur Schottsenke zu schauen. Die absolute Temperaturschwankung zwischen + 5 9 ° C und —6 °C (Maximal­ werte) ist nur noch in Kebili so groß wie in der Gafsa-Oase. 1500 mm mittlerer Jahresniederschlag blieben da wirkungslos, würden nicht Grundwasserreservoire jen­ seits der Gebirgsriegel eine permanente, gute Schüttung von etwa 600 Liter pro Se­ kunde bei mehreren artesischen Brunnen die Wasserversorgung für Ort und Oase sichern. Den gleichen Weg wie das Wasser nehmen von Norden her oft kalte Winde aus den zentralen Hochsteppen, mindern damit die Qualität der Früchte von rund 100 000 Dattelpalmen und zwingen den Oasenbauern zur intensiven Mehrstockkultur: Mais, Zwiebeln, Möhren und Bohnen unten, darüber mittelhoch Granatäpfel- und Feigen­ bäume, dann weitstämmig die Palmen. Das bedingt einen komplizierten Wasserver­ sorgungsplan und Dammbauten, damit kein Tropfen Wasser verloren geht. Auf diesen 230

Dammwegen kann man bequem kreuz und quer durch die Oase wandern oder fahren. Um die Palmenhaine gruppieren sich, ebenfalls weitstämmig, Ölbaumkulturen, teils bewässert, teils im Trockenfeldbau und, wenn möglich, mit untergepflanzter Gerste oder Weizen. Neuerdings schützen Eukalyptusalleen die Peripherie der Oasengärten.

Oase El Guettar, Foggara-System. io km ostwärts von Gafsa, an der Straße nach Gabes, liegt die Oase El Guettar, deren Bewässerung im sogenannten Foggara-System den niedrigen Grundwasserspiegel in 8 bis io m Tiefe nicht über artesische Brunnen, sondern mit einem Stollen-Brunnensystem anzapft. Das sind Brunnenschächte im Ab­ stand von 12 bis 15 m, die unterirdisch durch Stollen mit leichtem Gefälle (j mm pro lfd. Meter) so verbunden sind, daß ohne Pumpen das Wasser natürlich fließen kann. Insgesamt soll es achtundzwanzig solcher, etwa je 1000 m lange Foggaras geben, denen beim Durchfließen der Oasensiedlung über Ziehbrunnen auch Wasser für Haus und Gärten entnommen wird. In den Oasenhainen unmittelbar am Fuße der Djebel OrbataHänge reifen, vor den Nordwinden geschützt, die Datteln zu ungleich besserer Qualität als in Gafsa.

Metlaoui, Seldja-Schluchten. Da die Erträge der Gafsa-Oase nur knapp ein Drittel der Oasenbewohner ernähren können, müssen die anderen entweder im Kunsthand­ werk (typische Wolldecken, battanias, weiß mit roten Streifen, und die berühmten >Gafsa-TeppicheSüßwasser< als Quelle (ain, Plural aioun) oder in Form von Quelltöpfen oder -kuppen austritt, bilden sih interessante, farbig glitzernde Salzaureolen um offene Wasserstellen, gefährlihe Plätze bei einer Shottüberquerung. Die Straße P 16 Kebili— 232

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___________ 158, 159 DJERBA HoumtSouk, diespanische Küstenfestungaus dem 13.Z14.Jh. Rechts: Die Ortschaft 160 DJERBA Guellala, Töpferdorf der Insel 161 CH EN IN I Berberfamilie


*f>4 GHOUMRASSEN Berberdorf am Ksar Rsifa. Um den Marabut des Sidi Arfa wohnen in Hanghöhlen die Bergberber 162 CH EN IN I Dorf der Djerbalia-Bergberber

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NEFTA

166 TOZEUR

Oasenarbeiter in der volkreichen Djerid-Oase am Schott Saharisches Flächendekor aus vor- und zurückgesetzten Backsteinen

167, i68 169

GAFSA Altes Gewölbe bei den römischen Bädern. Rechts: Die im Großquaderwerk er­ richteten Bäder. Inschriften über dem Abflußbogen GAFSA Konglomerat kubischer Häuser in diesem wie in allen Oasenorten

170 BISERTA Spanisches Fort und Kasbah am Hafen 71 TABARKA Genuesen-Festung der Lomellinis, Hafenmole und die bis 25 m hoch aufstrebenden Monolithen der Aiguilles

172-177 Tunesische Berber und Araber

178

Gasse in Hergla

Kriz kreuzt, genau in Schottmitte vor der Insel El Menssof, ein solches Grundwasser­ Quellgebiet. Da alles Wasser zur Bewässerung der Djerid- wie der Nefzaoua-Oasen dem fossilen Vorrat der letzten Pluvialzeit entstammt, hängt, ohne daß bei den heute herrschenden klimatischen Verhältnissen ein Ausgleich getroffen werden kann, die ver­ minderte Nutzungskapazität der fossilen Grundwassermengen vom klimatisch-hydro­ logischen Ungleichgewicht ab. Das heißt, daß in den Oasen jede Erweiterung der Fruchthaine ohne gleichzeitige Vermehrung der Wasserförderung entweder an der Quantität scheitern oder daß der Bewässerungsturnus möglichst gedehnt werden muß. Djerid-Oasen. Unmittelbar dem Schottrand folgend, gliedert sich Tunesiens bedeu­ tendste Oasengruppe von Ost nach West in die der El Oudiane-Oasen, die El HammaOase und Tozeur und Nefta, die beiden Hauptoasen. Allen gemeinsam ist der Wasser­ reichtum aus den oben genannten Kreide-Tertiärschichten, die hier nur um 6o bis ioo m tief fossiles Wasser speichern. Zusammen mit dem Abfluß aus erbohrten Brunnen er­ geben die unter artesischem Druck fließenden Quellen die beachtliche Leistung von fast 1900 Litern pro Sekunde im Durchschnitt für die Djerid-Oasengruppe. Vornehmlich sind es hier die um 30 Millionen kg Früchte der etwa 1,5 Millionen Dattelpalmen, die bei excellenten Qualitäten die Mehrzahl der Djerid-Bewohner ernähren können. Die Dattelpalme (phoenix dactilifera), muß, um voll zur Spitzenqualität ausreifen zu können, den Fuß im Wasser und das Haupt in der glühend heißen Luft haben, sagt man in den Oasen. In gut 1 m tiefe, mit Dung gefüllte Pflanzlöcher, die untereinander etwa 8 m entfernt gegraben werden, setzt der Oasenbauer die Schößlinge, und nach fünf Jahren trägt der Baum die ersten Früchte. Im Frühjahr bestäubt man die weib­ lichen Blütenstände per Hand aus Blütenkolben und spricht dabei Gebete zum Pro­ pheten. Später werden die heranreifenden Fruchtstände laufend verlesen, schlechte oder wenig entwickelte ausgeschnitten und dabei bis täglich 10 Liter süße Dattelmilch aus dem Zentrum der Krone, dem Herz, abgezapft. Wird der zur vollen Reife notwendige Wasserbedarf von mindestens 0,8 1/sek pro ha Dattelpflanzung eingehalten, dann kön­ nen im Mittel 70 kg, maximal 120 kg pro Baum geerntet werden. Während auf dem Inlandmarkt und zur Viehfütterung die Mittel- und Mindersorten verbleiben, streben die Oasenbauern im Djerid wie Nefzoua stets die Deglet Nour-Qualitäten an, die Sorte mittelsüß, halbweich, halbsaftig mit einem leichten Muskatbouquet im Geschmack. Allein das kontinental-saharische Klima garantiert solche Spitzenqualitäten, die schon geringste Luftfeuchtigkeit (Djerba) oder kühle Nordwinde (Gafsa) negativ beeinflussen können. Alle zwei Jahre wird mit Kamelmist, kompostiertem Stroh, Eukalyptus­ blättern oder Superphosphat gedüngt. Erntezeit ist im September/Oktober, die Palmen­ feste finden anschließend meist Mitte November statt. Aus steuerlichen Gründen wer­ den alle paar Jahre die Baumbestände peinlich genau gezählt, nach etwa fünfzig Jahren die alten Bäume gefällt. Das Stammholz wird zu Balken, die Blattwedel zu Brennholz, Besen und Zäunen verarbeitet, der Palmbast ergibt Stricke und Polstermaterial, und aus den Palmblattfasern werden Teller, Körbe und Matten geflochten.

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SCHOTTREGION

Der Tunesien-Reisende wird bei seinen bedingt kurzfristigen Oasenbesuchen zwar das Gefüge der Oasenbetriebe beobachten können, kaum jedoch die oftmals verzwick­ ten Besitzverhältnisse zwischen Palmhainbesitzern, Pächtern und Unterpächtern und ihrer sozialen Struktur, die durch Abhängigkeiten von Nomaden oder halbnomadischen Hirtenfamilien noch kompliziert werden, überschauen. El Oudiane, von El Oued (Wasser), ist ein Oasenkranz zwischen Schott und Djebel Sidi Bou Hellal, mehrere Dörfer zwischen Degache und Kriz mit vielen schwach rin­ nenden Quellbächen, von denen.225 000 Palmen, Oliven- und Feigen-, Orangen- und Zitronenbäume leben. Im Ortsteil Degache steht bei Ouled Majed das Minarett der alten Moschee aus dem 9. Jh. auf römischen Fundamenten. Bis hierher an die Ufer des Schotts, zum Triton-See der Antike, zogen seit 120 v. Chr. Roms Katasterbeamte und teilten das Gesamtgebiet des heutigen Tunesiens in fechteckige Zenturien von jeweils 50 ha ein, eine Grundeinheit, die, in verschieden große Parzellen (20 bis 100) auf geteilt, den Zusammenschluß der Kolonen erzwang, um schön damals die gemeinsame N ut­ zung und Verteilung des Wassers zu regeln. Viele Grenzsteine der römischen Zenturieneinteilung wurden gefunden (Bardo-Museum). Daßrvön den Djerid-Oasen aus auch die gesamte Sahara mit dem Imperium in engster wirtschaftlicher Verbindung stand, er­ härten Funde römischer Münzen hier und sogar bis ins Hoggar und bis nach Maure­ tanien hinein. Überall dort sind sie offensichtlich als Zahlungsmittel angenommen worden. 242

El Hamma du Djerid (die andere Oase El Hamma liegt bei Gabes) ist wie jene nach den knapp 40 °C warmen Quellen benannt, Kochsalz-Thermalen, in denen bereits die Römer Heilung bei Dermatosen, Arthritis und Neuralgien suchten. Von den römischen Badeanlagen ist bisher nichts gefunden worden - heute gibt es bei jeder Therme ein­ fache Badehäuser -, dafür aber im Oasendorf Nemlet (nördlich Richtung Tamerza) Reste der Römersiedlung Aquae aus behauenen Quaderblöcken, die jetzt in viele Hütten verbaut sind. In den drei Oasendörfern werden etwa 600 ha Palmenhaine nach den traditionellen Methoden der alten Oasen-Agrarwirtschaft bewirtschaftet, also etwa 300 Palmen und etwa 1000 Fruchtbäume je ha Anbau. Dagegen pflanzt die staatliche Cooperative >Oasis< ihre Palmen extrem weitstämmig in doppelt so großen Abständen, 150 je ha, und erreicht einen um fast sechsmal so hohen Ertrag. Das beweist zwar die Überlegenheit moderner Agrarwirtschaft in Großbetrieben, doch läßt sich diese Me­ thode der komplizierten Besitzverhältnisse wegen nicht so einfach auf alles Oasenland übertragen. Vielmehr liegt hier, bei niedrigeren Erträgen, der Verrechnung noch das uralte Khamsa-System zugrunde (von arab. khamsa = fünf, daher auch KhamessatSystem, wovon der Beiname Khammes für den Oasenbauern stammt), bei dem nach Abzug von z. B. einem Fünftel der Ernte für Pacht, einem anderen Fünftel für das Stellen von Arbeitstieren oder für den Geldverleiher usw. dem Endpächter (schenk) nicht allzuviel von seiner Ernte verbleibt. Und gerade die scherik bilden die Mehrzahl der unteren Schicht in einer Oase zwischen Landbesitzer, Handwerker und Klein­ händler. Tozeur, die Hauptstadt und Provinzzentrale des Bled El Djerid (Land der Palmen/ Datteln), römisch Thusuros, ist wie Capsa (Gafsa), Aquae (El Hamma), Thigae (Kriz) und Aggasel Nepte (Nefta) zum Schutze der Südgrenze der römischen Provinz Afrika aus einem Kastell entstanden. Zwangsläufig mußte die Urbarmachung durch römische Siedler die Nomaden stetig zurückdrängen, ein colonus konnte nicht leben, wenn der Nomade ihm seine Vorräte oder Tiere raubte. Schon die Karthager hatten deshalb den südlichen Nomaden alle Streifzüge ins nördliche Tunesien untersagt, Massinissa ließ gegen sie entlang dem Dorsalrücken eine Reihe Sperrforts errichten, und die weitere Ausdehnung der römischen Herrschaft nach Süden mußte den Freiraum für die noma­ dische Hirtengesellschaft weiter einengen. Letztlich blieb den Stämmen der Nasomanen, Garamanten, Gätuler usw. keine andere Wahl, als sich nolens volens der Gemeinschaft der coloni einzugliedern, was nach dem 3. Jh. spätestens erreicht war. Aus der Zeit des frühen Christentums ist ein Bischof Asselicus von Thusuros über­ liefert, der sogar mit dem Heiligen Augustinus in Briefwechsel stand; ein Seelenhirte Laetus, Bischof von Aggasel Nepte, erlitt zur Vandalen-Zeit den Märtyrertod. Nach blutigen Auseinandersetzungen der vordrängenden Moslem mit den seßhaften, christ­ lichen Berbern setzte sich im 8. Jh. schließlich der Islam durch; seitdem herrschen Friede und ein beständiger, wenn auch mäßiger Wohlstand im Dattel-Land. 100 000 Einwohner soll Tozeur im 14. Jh. gehabt haben. Bis in die heutige Zeit galt ein damals von Ibn Chabbat eingeführtes, geniales Wasserverteilungssystem nach Zeit-

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SCHOTTREGION einheiten, das von einem Rat der Vornehmen (myad) überwacht wurde. Heute ist der Gouverneur zuständig. Neben der administrativen und der Marktfunktion Tozeurs ist die agrare Dattelpalmenwirtschaft mit Obst- und Gemüseanbau im Unterstock, die Erwerbsgrundlage der Oase, die des geringen Wasserausstoßes ihrer etwa 200 Quellen mit 700 1/sek wegen nur mit Mühe die etwa 1000 ha Feuchtkulturen mit rund 200 000 Palmen bewässern kann. In sechs Dörfern leben gegen 14 000 Menschen. Sie ernten etwa 7500 Tonnen der hochqualitativen Exportdattel Deglet Nour von Beständen, die zu 70 Prozent im Besitz von Notablen und einer islamischen Kirchengemeinde sind, während sich die restlichen 30 Prozent auf Kleinbauern verteilen, denen ihre oft nur fünfzig Dattelpalmen nicht genügen und die deshalb in Metlaoui im Phosphatbergbau einem Zusatzerwerb nachgehen müssen (Stichlinie der Phosphatbahn bis Tozeur). Neben dem Besuch der Oasengärten ist der Ortsteil Bled El Hadar am Platze des Römerkastells wichtig. Auch hier steht das Moschee-Minarett auf römischen Funda­ menten. Die Kuppelwölbung über dem Gebetsraum ist großartig im spanisch-mauri­ schen Dekorstil geschmückt, und der mit Stukkaturen gezierte Mihrab aus dem Jahre 1193 stammt vom letzten Herrscher der Almoraviden. Hier ist der genannte Ibn Chabbat beigesetzt (f 1282), der mit mehreren klugen Traktaten zu Anbau und Be­ wässerung von Palmengärten viel zur blühenden Oasenwirtschaft im Djerid beigetra­ gen hat. In den alten zentralen Halef-Vierteln aber sollte man sich die für saharische Oasenbauten typischen Wandverkleidungen ansehen, bei denen Ornamente meist geo­ metrischer N atur durch Vor- und Zurücksetzen einzelner oder ganzer Lehmziegel­ gruppen erzielt werden (Abb. 166), die im Spiel von Licht und Schatten ein zauber­ haftes Gewebe von Mustern ergeben: ein eindeutiger Hinweis auf den saharischen Kul­ turkreis. Beziehungen bestanden bis in jüngste Zeit über Karawanenzüge zu den heute algerischen Oasen, wie sich im Warenumschlagsplatz Neft besonders zeigt. Noch heute handelt man auf dem Markt saharische Töpfereien, Leder und Textilien mit streng ornamentaler Musterung in Schachbrett, Zickzack oder dem magischen Dreieck. Um die Djerid-Oasen dem Wintertourismus zu erschließen, wurde neuerlich im Tozeur ein Internationaler Flughafen eingerichtet. Nefta, das antike Aggasel Nepte, hat mehr als 15 000 Bewohner, es ist seit Jahr­ hunderten religiöses Zentrum der Djerid-Oasen (Färbt. X X V II-X X IX ; Abb. 165). So gibt es dort vierundzwanzig Moscheen - allein acht für das Freitagsgebet - und mehr als hundert Marabuts. Aus dem 16. Jh. stammt die schöne Moschee El Kebir. Ihr Minarett darf bestiegen werden (lohnend!). In der Nähe finden sich auch hier in male­ rischen Stadtgassen wieder Lehmziegelornamente wie in Tozeur. Wie sich aus gut hundertfünfzig augenscheinlich winzigen Quelltöpfen über ganz kurze Wege Rinnsale und dann strömende Bäche bilden, wird einem überraschend deutlich beim Blick von der Höhe am sog. >Gartenkorb< (Corbeille de Nefta). Mit etwa 380 000 Dattelpalmen auf 800 ha Oasengärten (mit Mehrstockbau) ist längst ein Maximum erreicht, das ohnehin während der heiß-trockenen Sommermonate nur mit großer Mühe aus den zur Verfügung stehenden Vorräten bewässert werden kann. 244

Man muß entlang der alten Karawanenroute in Richtung der algerischen SoufOasen nur wenige Kilometer gen Westen fahren, um das Erlebnis der großen, gelbroten saharischen Sanddünen zu haben (vgl. Färbt. XX) oder hinunter zum Sdiottrand, wo bei hochstehender Sonne die Luftspiegelung (Fata Morgana, von ital. Fee Morgana für einen arab. Namen) diese Sanddünen wie eine spiegelglatte Wasserfläche erscheinen läßt: atmosphärische Luftschichten haben sich verschieden stark erwärmt und dement­ sprechend ihre Dichte verändert, wodurch die von den Sanddünen ausgehenden Strah­ len unterschiedlich gebrochen werden. Nefzaoua-Oasen. Den Djerid-Oasen diagonal gegenüber auf der anderen Seite des

Schotts gelegen, beginnen sie am Schott Fedjedj und den Ausläufern des Djebel Tebaga und ziehen sich an den Sandfeldern des östlichen großen Erg nach Süden bis hinunter nach El Aouina und der Oase Sabria. Kebili ist ihr Haupt- und Verwaltungsort. Am Haus der Bezirksverwaltung gibt es ein paar römische Architekturfragmente und Kapitelle zu sehen. Der Quellteich der Oase ist besonders groß und wird von artesisch komprimiertem Wasser aus dem Grundwasserreservoir gespeist, das von Tozeur/Kriz unter dem Schott hindurch bis zu den Nefzoua-Oasen reicht und nur 6o bis ioo m tief liegt. Teils von der Grundwasserspannung aufgetrieben, füllt das Wasser eigenartige Quelltöpfe (um 80 cm im Durchmesser weit, fast io m tief), von denen es in Gräben zu den Fruchthainen geleitet wird, keine Riesenschüttungen zwar, aber konstante Mengen für kleinere Parzellen. Um solche oioun (Quellen) zu schützen, hat man meter­ hohe Sand-Lehm-Wälle um sie aufgeschüttet. Tiefbohrungen mit Förderpumpen da­ gegen erreichen Schüttungen bis 200 1/sek. Wo das Grundwasser, besonders am Fuße des Djebel Tebaga, nicht tief liegt, werden über mehr als fünfzig Foggara-Stollensysteme (hier khraig genannt) angezapfte Reserven direkt in die Fruchtgärten geführt. Das Klima ist mit 70/80 mm Niederschlag im Jahresmittel als fast vollarid anzu­ sprechen, die daraus resultierende Landnutzung die übliche Oasenwirtschaft im Naß­ feldbau mit Palmengärten und Fruchtständen im Unterstock und randwärts mit Oliven­ baumgürteln im Trockenfeldbau. Hinzu kommt als Charakteristikum gerade der Nafzaoua-Oasengruppe das noch stark vertretene Nomadentum. Die Zelte der Voll- oder Halbnomaden stehen periodisch am Rande der Oasen, bei längerem Aufenthalt werden sie von Palmblatthütten (zeriba) ersetzt. Dann mischen sich die Nomaden unter die Oasenbevölkerung, meist im Oktober zu Beginn der Dattelernte, verdingen sich als Helfer und ergänzen ihre Dattelvorräte, während ein Teil des Stammes zu den Trokkenfeldern der nördlichen Schotts zieht, um Getreide anzubauen, das im kommenden Juni/Juli zur Erntezeit alle Nomaden dort wieder vereint. Haben die Winternieder­ schläge den Wüstenrand zum >Blühen< gebracht, dann ziehen sie, meist im Februar, samt ihren Herden zur Wanderung aus, weiden ihre Tiere und bauen gelegentlich in Wadis oder feuchten Randgebieten sogar kleine Getreidefelder an. Sie sind also eher Halbnomaden und tendieren zur Zeit mehr und mehr zum Seßhaftwerden. Dabei fällt den Oasenschulen für die Nomadenkinder eine besondere Rolle zu, hinzukommt das

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S C H O T T R E G I O N / L E KEF Aufgeben der Karawanentransporte und die Tatsache, daß ein genügend gefädhertes und billiges Angebot aller notwendigen Waren vom Nomaden hoch eingeschätzt wird. Zwar gilt nach wie vor in nomadischer Überlieferung jede Landarbeit als verwerflich, die Zwänge aber scheinen stärker zu sein. Eine Folge davon ist allerdings schon heute die Überbevölkerung der Nefzaoua-Oasen, die zusammen mit sozialen Umschichtun­ gen sowohl die alte Oasenwirtschaft wie das Nomadentum im tunesischen Süden zu tiefgreifenden wirtschaftlichen und administrativen Neuregelungen zwingen wird. Schottüberquerung. Die Straße P 16 überquert den Schott und ist jetzt so befestigt, daß man den Schott während des ganzen Jahres überqueren kann, dennoch sollte man vorher Erkundigungen bei der Polizei in Kebili einholen. Zuerst befährt man, auf der Fußfläche des Schwemmlandes, die Halbinsel zwischen den Schotts El Djerid und El Fedjedj, eine Oasenkette, die über alluviale Sandsenken allmählich übergeht in die Gips-Salz-Kruste der Schottoberfläche. Bei Telmine hatte Kaiser Hadrian 150 den vorgeschobenen Posten Turris Tamatteni anlegen lassen; nur Mauerreste und ein Badebassin sind erhalten. Hinter Fatnassa, bereits außerhalb der Oasenlandschaft, strebt auf schmierig-tonigen Gipsböden die Piste direkt dem Schott zu. Wir raten, jetzt keineswegs die abgesteckte Fahrspur zu verlassen. Sie zeichnet sich weiß auf der Oberfläche des meist vom Wüstenstaub braungelb gefärbten Salzes ab. 60 km lang ist der Weg, 36 km davon direkt auf dem Salz des Schotts. Wer hier ein­ bricht oder einsinkt, wird sein Fahrzeug abschreiben müssen, bis Hilfe bei Pannen oder Unglücksfällen kommt, können viele Stunden vergehen. Vermeiden Sie es, unmittel­ bar neben offenen Wasserstellen mit Salzaureolen anzuhalten. Aber beachten Sie während der Überfahrt die oft zauberhafte Fata Morgana.

LeKef Geschichte. Während die Phönizier ihre Städte vorzugsweise isoliert längs den Küsten anlegten, bevorzugten die vorkarthagischen Libyer in Quellnähe oder an Hängen ge­ legene Plätze zum Bau ihrer Festungsorte, um die Nomaden in Schach zu halten und ihre Habe zu schützen. Cirta (Constantine in Algerien) und Sicca Veneria sind typische Beispiele. Aus Chikka Banara über Chakbanaria wurde Sicca Veneria, nach der (einst minoischen?) orientalischen Göttin Astarte, der Aphrodite der Griechen, Venus Erycina bei den Römern, erstmals erwähnt von Polybios. Ihr Haupttempel stand in Eryx (Si­ zilien) und soll von dem gleichnamigen Sohn der Aphrodite gegründet worden sein. In diesem Tempel und den anderen Heiligtümern huldigten ihr auf ihre im gesamten Al­ tertum übliche Art Tempelprostituierte, die ja auch mit Elissa Dido von Zypern nach Karthago gekommen waren. Ein Tempel stand später in Karthago. Es ist anzunehmen, daß Leute aus Eryx die Stadt Sicca Veneria gegründet haben, standen die Sizilier doch seit dem 4. Jh. in engster Beziehung zu Tyros und Karthago. Wie in Eryx, so waren die Tempelprostituierten hier nicht mehr Sklavinnen, sondern freie Frauen (fanum

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Veneris). Von ihnen sagt Sueton, daß die, »welche dorthin kamen, das Heiligtum mit kostbaren Weihegeschenken ehrten, Strenge und Würde ablegten und sich mit den Frauen in gehobener Stimmung zusammentaten, um auf diese Weise der Göttin zu ge­ fallen« - für Tunesien der einzige beglaubigte Hinweis auf diese Sitten. 241 brach in Sicca der karthagische Söldneraufstand aus. Nach dem Jugurthinischen Krieg unterwarf Sicca sich freiwillig den Römern, und Octavian erklärte sie auch sogleich zur colonia mit dem Namen Colonia Julia Veneria Cirta nova Sicca, wobei Veneria das erwähnte Venus-Heiligtum meint. Im j. Jh. war ein regierungsamtlicher Curator sogar gleichzeitig Curator Veneris. Bereits 255 wird für den O rt ein Bischof genannt. Die byzantinisch-christliche Epoche war eine glückliche Zeit, doch nach der arabischen Invasion verfiel der Ort rasch. Erst 1679 erkannte Mohammed, Bey von Algier, die strategisch günstige Lage und begann im Nachfolgestreit der Husseiniten den Platz zur Sperrfeste gegen den Bey von Tunis auszubauen. Aus dieser Zeit stammt die über der Stadt gelegene Kasbah. Zisternen, Nymphäum, Basilika. Le Kef liegt am steilen Fuß des Dyr el-Kef zwischen

700 und 850 m Höhe amphitheatergleich an den Schichtkammstufen der Vorberge zur Teboursouk-Bergkette, die zum Bereich des Hohen Teil gehört (Teil, Teil-Atlas von arab. telul = Berg), ausgedehnten Hochflächen mit kahlen Hügelkuppen, durch die, nach Norden zu abgedacht, die Entwässerungstäler zum Medjerda-System ziehen. Es ist ein fruchtbares Getreideland auf Alluvialböden, die auch Oliven, Mandeln und Gemüse tragen. Aus antiker Zeit stammen elf Zisternen nördlich der alten Stadtmauer, jede 6 m breit, 28 m lang, die noch heute von der Ortsfeuerwehr als Wasserreservoir benutzt werden. 1966 grub man dort auch ein spätantikes Nymphäum in Sechseckform frei, so groß etwa wie das weitberühmte im algerischen Timgad. Aus der byzantinischen Epoche blieb allein die dem Hl. Petrus geweihte Basilika Dar El Kous übrig, eine dreischiffige Kirche mit Apsis und darüber gesetzter, von feinen Rundstäben gezierter Halbkuppel. Moschee Mizouni, Zawija Ben Aissa, Moschee Maklouf, Moschee El Kebir. Steigt man hinauf zur Altstadt, lohnt der Blick zur Moschee Sidi Mizouni, um eine zentrale Kuppel vier Nebenkuppeln; heute beherbergt sie die Stadtbibliothek, etwa gegenüber vom Präsidentenpalast (nicht zu besichtigen, wie auch die Kasbah). Oben, zwischen verwinkelten Gassen, Bogen und Treppenstufen am Hang steht die Zawija des Sidi Ali Ben Aissa (am Platz antike Säulen mit korinthischen Kapitellen) und vor allem die Moschee des Sidi Bou Maklouf (Abb. 107). Das auffallend klare, achteckige Minarett mit Plattendekor weist den Weg. Zwei prächtige Rippenkuppeln mit plastischem Rund­ stabdekor decken weitgespannt den Gebetssaal. Polychrom ist die Mittelkuppel, so mit filigranem Stuckdekor, Schriftenfriesen und an der Basis mit Kuppelnischen geschmückt, daß man meinen könnte, sie schwebe schwerelos. Antike Säulen von Ruinenorten der Umgebung tragen die beiden Schiffe, verbinden diffizil verblendete Halbkreisbogen.

247

LE K E F / B I S E R T A

Benachbart steht die Moschee El Kebir mit quadratischem Minarett auf den Funda­ menten eines antiken Bauwerks. Beachtenswert, weil selten, ist der Gebetssaal in Kreuz­ form mit Nischen, deren Bedeutung noch unbekannt ist. Vermutlich wurde die Anlage unter Verwendung von Bauteilen antiker oder frühchristlicher Gebäude und auch über solchen Fundamenten hochgezogen. Tisch des Jugurtha. Gut 50 km südlidi von Le Kef (über Tadjerouine) gibt es noch einmal Berberisches. Hier überragt ein klobiger, eigenartig eckig geformter Bergklotz das Dorf Kalaat es Senam. Solche Tafelberge sind typische Formen verkrusteter Tafeln aus eozänen Kalken, die mit Steilabfällen unmittelbar aus der Fußregion auf­ steigen, neben den Dyr-Schichtkämmen, die mit den kalaat das Bild der Hochflächen­ landschaft bestimmen. Hier ist es der sog. Tisch des Jugurtha, 1271 m hoch, den man ein wenig mühevoll über 150 steile Stufen besteigen kann (Abb. 110). Überrascht ist man oben vom wirklich tischebenen, gut 100 ha weiten Gipfelplateau, von dem allseitig die Wände senkrecht abstürzen. Zwar hatte der Berg im Jugurthinischen Kriege seine Bedeutung, konnte des fehlenden Wassers wegen aber nicht zur Festung ausgebaut werden. Erst im 7. Jh. versuchte das der Berberfürst Senam nach byzantinischen Vor­ bildern, befestigte lose die Höhe und den Zugang mit Mauern und ließ in den weichen Kalkfels Schwimmbecken ähnelnde Zisternen und Wasserbehälter einschlagen (Abb. 111) - eines der letzten berberisdien Widerstandsnester gegen die arabischen Invasoren. Der Zusammenhang mit dem Namen Jugurthas scheint also mehr eine berberische mystische Erinnerung an ihren großen König zu sein (Kalaat = Festung, Zitadelle, stets auf einer Anhöhe).

Biserta Geschichte. Vermutlich kurz nach Karthago von den Phöniziern gegründet, lag die erste Siedlung auf dem Koudiat-Hügel und hieß Hippo Diarrhytus, was sich auf den damals schon Meer und Landsee verbindenden Kanal bezog, den auch die Phönizier gegraben haben. 310 v. Chr. nahm Agathokles von Syrakus die Stadt wegen ihrer strategisch günstigen Lage im Kampfe gegen Karthago und zog sie so für die nächsten Jahrhunderte in die römisch-karthagischen Auseinandersetzungen mit hinein. Die Römer machten sie später zur colonia, eine Handvoll Legionäre lag hier in Garnison, und der kleine Hafen wurde auch von römischen Getreidefrachtern angelaufen. 661 kamen die Araber, sie nannten den Platz, der ohne Bedeutung blieb, Binsert (Benzen). Erst als der Hafside El Mostansir Bihillah (1249-54) seine Sommerresidenz hierher verlegte, begann ein neuer Abschnitt der Stadthistorie. Jetzt wurde gebaut, Gärten wurden angelegt und für das Stadt- und Landvolk entstand der verwinkelte Souk. Andalusier-Viertel, Spanisches Fort. Als im 15./16. Jh. aus Spanien vertriebene

Mauren ins Land und auch nach Biserta kamen, errichteten sie ihr Andalusier-Viertel

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Plan von Biserta i Andalusier-Moschee 2 Spanisches Fort 3 Jugendherberge 4 Kongreßhalle 3 Krankenhaus 6 Katholischer Friedhof 7 Stadion 8 Moschee 9 M arkt 10 Artisanat 11 Kasbah-Moschee 12 Tennisclub 13 Banken 14 Fremdenverkehrsamt 13 Wassersport 16 Bahnhof

im Nordteil der Stadt mit den vielen persönlichen spanisch-maurischen Accessoires im sonst wenig malerischen Stadtbild. Die Andalusier brachten vor allem in die frucht­ baren Medjerda-Mündungsebenen ihre Kulturpflanzen mit, Tomaten, Kartoffeln, Paprika usw., und machten die Eingeborenen mit speziellen Anbaumethoden vertraut. 249

B IS E R T A

Nach den Kriegszügen Karls V. wurde Biserta 1535 spanisch. In drei Jahren errichte­ ten die neuen Herren von 1570 an ihr Spanisches Fort am alten Hafen (Abb. 170). Dann lösten für die ottomanischen Sultane die rücksichtslosen Piraten und Korsaren Spaniens Besatzungen ab. Fort Sidi Salem, Brunnen, Souk, Alter Hafen. Einzig bemerkenswert aus der drei­ hundertjährigen türkischen Herrschaft bleibt die grundlegende Erneuerung der Fe­ stungsanlagen, des Forts Sidi Salem weiter nordwärts und der Bau einiger hübscher Brunnen durch Bey Youssef. Zweifellos der schönste liegt gleich beim alten Hafen­ becken (Place Slaheddine-Bouchoucha), ist von Säulen flankiert, die über einem Huf­ eisenbogen das mit grünglasierten Ziegel gedeckte Schutzdach stützen und eine zwei­ sprachige Inschrift schützen, die da meint, viel besser noch als das Wasser des Stromes im Paradiese (des El Kaouthari-Fluß) sei das von Biserta, wenn man davon erst ein­ mal gekostet habe. Dort spaziert man in die labyrinthischen Soukgassen, zur Rue des Forgeras zu den Kunstschmieden, zu den Rundtürmen und Kasematten des Spanischen Forts zwischen unsagbar verwinkeltem Gang-, Torbogen- und Arkadenwirrwarr, schaut vielleicht zur Großen Moschee aus dem 17. Jh. und genießt dann lieber das etwas schläfrige, vielleicht verträumte Fluidum rund um den Alten Hafen, der längst nicht ganz arabisch-muselmanisch, sondern noch immer ein wenig französisch-provinzlerisch dahindämmert. Denn als ab 1895 die Franzosen bei Biserta ihren gigantischen Flottenstützpunkt anlegten, blieben sie nicht etwa in der Stadt, sondern zogen mit Werften, der Admiralität und dem Kriegshafen etliche Kilometer weiter westwärts in den geschützten Trichter von Goulet, den Blinddarm des Biserta-Sees. Sicherlich lohnt es, hinaufzusteigen zur Place des Martyres (neue moderne Gefallenen-Gedenkstätte mit weitem Fernblick) und die Stahlbetonwölbungen der Kirche Notre-Dame de France zu besuchen, wo die in Beton gefaßten gläsernen Bildgeschichten zur Bibel wirklich interessant sind. ' Rundfahrt Cap Blanc, Raf Raf, Ghar El Melh, Sidi El Mekki. Ganz im Gegensatz zur Stadt Biserta ist die Umgebung mehr als reizvoll, abwechslungsreich und inter­ essant. Unbedingt empfehlenswert ist eine Rundfahrt zu Cap Biserta - Cap Blanc Djebel Nador - Djebel Kebir und über den Sfaiat Paß zurück zur Stadt. Wer nach Tunis will, darf einen Abstecher nach Raf Raf ins Gebiet der Muskateller­ trauben und zur glitzernden Sandstrandbucht wie nach Ghar El Melh, dem alten Porto Farina, nicht auslassen. Der Hafen ist verfallen wie die Kulisse eines längst abgedreh­ ten Malerfilms, die Bucht brakig und versandet, aber nur einige Kilometer am Ende der Fahrstraße wiegt der besonders schöne Feinsandstrand von Sidi Ali El Mekki jeden Zeitverlust auf. Korallenküste, La Galita. Zwischen Biserta und Tabarka, der Nordküste Tunesiens

entlang, folgen erst das Bergland des Mogod, dann der Kroumir, Abschnitte des Kü-

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sten-Tell, den auf numidischen Sandsteinböden mit vereinzelt durdhgebrochenen kri­ stallinen Vulkaniten tiefe Talschnitte, dichte Wälder, Macchien und am Meer oft haushohe Dünenfelder, Steilküsten und eingeschlossene Sandbuchten kennzeichnen. Als recht humide Küstengebirge (stets über 1000 mm mittlere Jahresniederschläge) sind sie für den Wasserhaushalt Nordtunesiens bedeutsam (Stauseen), den überaus dichten Waldbestand (Wildschwein- und Schnepfenjagd) auf den kalkfreien Sandsteinböden machen vor allem Kork- und Zenneichen aber auch viele Cistus-Arten aus, ein Forst­ wirtschaftsgebiet von etwa 130 000 ha. In den Tälern werden auf meist kleinen Par­ zellen - der grüne Norden Tunesiens ist mit der ärmste Teil des Landes - ein wenig Getreide, Bohnen, Hirse, seltener ölbäume angebaut, neuerlich Tabak, Reis und Rhizinus. Man vergrößert jetzt die Rinderhaltung, weil die Ziegenzucht wegen des Verbeißens der Neutriebe gesetzlich stark beschnitten wurde. Korallenküste nennt der Tourismus Tunesiens Nordabschnitt: ideale und noch ganz abgelegene, kaum erschlos­ sene Küstenstriche mit schattigen Kiefern im Hinterland, unbewohnten Kaps, reichten 251

B IS E R T A

Fisdigründen mit den roten Korallen, ein Ferien-Dorado, mehr als ijo km lang, für Unterwasserjäger, Sporttaucher, Faulenzer. 35 m vor Kap Serrat liegt die Felseninsel La Galita, der Geheimtip für Individualisten, wo man stundenlang dem Spiel der seltenen, bis 2 m langen, gutmütigen Mönchsrobben Zusehen kann. An den steilen Fels­ hängen grasen Ziegen um die Reste punischer Gräber und römischer Bauten.

Bildnachweis (s. a.

s. 4)

Abb. 50: Conservation des Musées Archéologiques et Historiques, Tunis Fig. S. 90: Propyläen-Verlag, Berlin Fig. S. 140, 151: DuMont Buchverlag, Köln Fig. S. 146-149, 179, 180, 181, 182, 183, 206, 209, 211, 213, 214 und 218 aus: Georges Marçais, >L’Architecture muselmane d’Occident (Tunisie, Algérie, Maroc, Espagne et Sicile)goldenen Reise­ regelno Ausgeruht die Reise antreten Magen und Darm vorher nicht belasten mit Kaffee, Alkohol und Nikotin - Bei Anfälligkeit für Reisekrankheiten am be­ sten vorher Zäpfchen oder anderes Mittel nehmen - Im Flugzeug Bonbons lutschen oder schlucken, um den Druck in den Ohren auszugleichen. Hinzukommt im Schiff: Bei unruhiger See mittschiffs blei­ ben, dort sind die Schlingerbewegungen am geringsten. Wer im Winter nach Tunesien reist, kommt oft innerhalb von Stunden mitten in den >SommerSylt-MethodeNachschau< aufgesucht werden.

Kleidung

Leichte Kleidung, aber Woll­ sachen und Wettermantel nicht vergessen, gutes Schuhwerk für Spaziergänge. S o m m e r : Sehr leichte, bequeme und gut waschbare Kleider, abends eine dünne Jacke. H e r b s t : Leichte Kleidung, Wollpullover für die Abende, Wettermantel. F r ü h ja h r :

W i n t e r : Herbstkleider, Wollsachen und Wettermantel.

Und immer Sonnenbrille und Kopfbe­ deckung. Unterwäsche besser aus Baum­ wolle, sie ist saugfähiger als Kunstfaser. Reine Kunstfaserstoffe behindern die na­ türliche Transpiration. Wäsche sollte man möglichst zweimal am Tage wechseln.

Klima

Temperaturtabelle für ausgesuchte Plätze in Tunesien Januar

U m gebung

3 m über N N B is e r ta , n ö r d l. K ü s t e

2 m über N N C a p B on und H am m am et

4 m über N N S a b e lz o n e u n d S o u sse 6

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I N F O R M A T I O N E N V O N A -Z

Museen und archäologische Stätten A TUNIS

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R e g io n a lm u s e u m

Das bedeu­■ tendste Museum von Tunis enthält eine: reiche Mosaiksammlung. Die Sammlungeni stammen aus allen Gebieten des Landesi und sind folgendermaßen eingeteilt: • Vorgeschichtliche Abteilung • Punische Abteilung /*· • Römische Abteilung , , ·» • Christliche Abteilung • Arabisch-islamische Abteilung

N a tio n a lm u s e u m

N a tio n a lm u s e u m

stände der hier ansässigen Kunst und wertvolle Stücke aus dem Orient.

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K u n s tt

4, Place du Chateau, Tunis.. Dieser ehemalige Palast in echt tunesischerr Architektur beherbergt typische Gegen--

D a r H u s s e in :

Historische M onumente und Museen in Tunesien

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V o lk sk u n st

und

In einem sehr schönen Palast aus dem 18.-19. Jh. enthält dieses Museum Trachten, Schmuck, Truhen; Überblick über das tra­ ditionelle Leben von Tunis. M ü n z m u s e u m : 27, Rue de Rome. Dieses Museum beschreibt die Geschichte der tunesischen Münzen von der karthagischen Epoche an. Alle Tage geöffnet von 10 bis 12 Uhr und von i j bis 18 Uhr. B r ie f m a r k e n m u s e u m : 29, Rue Gamel Ab­ del Nasser. Die Geschichte der tunesischen Post seit ihren Anfängen. Reform des Postmaterials, Dokumente und Briefmar­ kensammlungen. Verkauf der in der letz­ ten Zeit herausgekommenen Briefmar­ ken. - Öffnungszeiten: Winter: 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr und 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Sommer: 7 Uhr bis 13 Uhr und 16.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Eintritt frei. V o lk s tr a d itio n e n D a r B en A b d a lla h :

— I -jjvBiserta VA T AEI Haouaria AUtica · kKarthago'*\ W is s e n s c h a ftlic h e s u n d tec h n isch es N a t i o ­ ‘ Kgrkouan n a l i n s t i t u t f ü r O z e a n o g r a p h i e u n d F isch ­ 0 1 1 „ » T U N IS ■ BuligRegiaA a· Neapolis f a n g - S a l a m m b o : Ein ozeanographisches ADougga.AThubuitw ‘ ZaghouanA Forschungsinstitut mit vielfältiger Mee­ i’ AMus"· Ma|US □•Enfidaville resfauna. ·' □■A^Sousse ;AMedema AM*aktar ^Monastir / KARTHAGO ·. · ' > □■Kairouan « A B LU N a t i o n a l m u s e u m v o n K a r t h a g o : Punische ! A#Haidra Mahdia er UJ ' und römische Überreste sowie ein Garten, □ A # ) A *Sbeitla DeglaAlig
Meschwija< Thunfisch Eier

2

Olivenöl

i Deziliter

Tomaten

200 g

Milde Pfefferschoten Vs Pfund Scharfe Pfefferschoten 2 oder 3

Frische Paprikaschoten Vs Pfund

Zwiebel

Mittelgroße Zwiebeln

2

100 g

Kapern

I k le in e

i Suppenlöffel

Flarissa

Vs Eßlöffel

In Salzwasser eingelegte i kleine Zitrone

Paprikapulver

V2 Eßlöffel

Zitrone

i k le in e

nach Geschmack

Salz

Salz

Z u b e r e i tu n g

Z u b e r e i tu n g

Die Zwiebeln werden geschält, kleingeschnitten und

Tomaten und Pfefferschoten werden auf einem Grill ge-

271

IN F O R M A T IO N E N VON A-Z röstet, dann geschält und entkernt. Auch die Zwiebel wird geröstet und geschält und alles in kleine Stücke geschnitten. Die eingelegte Zitrone, ein Eßlöffel Ka­ pern und der Saft einer Zi­ trone werden hinzugegeben; dann gut umrühren und sal­ zen. Vor dem Servieren be­ gießt man den Salat mit etwas Olivenöl und verziert ihn mit kleinen Thunfisch­ stücken und in Viertel ge­ schnittenen harten Eiern.

Tajin malsouka Hammelfleisch

I

Pfund 6

Eier Geriebener Käse

5° g

Gesalzene Butter

fio g

Weiße Bohnen

I

Handvoll

Olivenöl

Vs Deziliter

Blätterteig (Malsuka) 12 Stück Schwarzer gemahlener Pfeffer V2 Teelöffel Safran Salz

I Prise nach Geschmack

Zubereitung Das Fleisch von den Kno­ chen entfernen und in regel­ mäßige nußgroße Stücke schneiden. Salzen, pfeffern und in ö l 5 bis 6 Minuten anbraten. Die am Vorabend eingeweichten Bohnen hin­ eingeben und mit Wasser auffüllen, bis die Bohnen ge­ rade bedeckt sind. Bei klei­ ner Flamme ungefähr eine Stunde kochen lassen. Kalt werden lassen.

Getränke: Trinken kann man klares Wasser, Buttermilch, Kaffee, Tee schwarz oder Minztee, Bier, Schnaps (Boukha aus Feigen und Rosinen, aber niemals mit Wasser verdünnen!) und Wein. Von den bekannten Weinen, die man alle auch bei uns kaufen kann, nennen wir Edler vom Mornag (gehobene Qualität,

Dann die rohen Eier, den geriebenen Käse darüberge­ ben, gut vermischen und sal­ zen. Eine irdene oder metalle­ ne Backform mit der gesal­ zenen Butter einfetten, und auch die Malsuka-Blätter mit der Butter gut einfetten, um sie geschmeidiger zu ma­ chen. Auf den Formboden werden 4 Malsuka-Blätter gelegt, darüber kommt eine Schicht der Füllung, dann weitere 4 Blätter, wieder Füllung und obenauf die restlichen 4 Blätter. Etwas Butter daraufstreichen und ein wenig in Wasser aufge­ lösten Safran darübergießen. Die Form in den Backofen schieben. Das Gericht wird in Scheiben geschnitten und heiß serviert.

vollmundig, weich, samten), Carigncm (feinmundig, weich, feines Bukett), Sidi Saad (voll­ samten), Arianer Rosé (lieblich, feinmundig), Gralsbecher Muskateller (vollmundig, Muskat­ Bukett), Carthagéner Rosé (trocken, feinmun­ dig) und Thibar, Koudiat, Rossel, alle rot und weiß und nie unter 12 Prozent Alkoholgehalt.

Unterkunft

Hotels. Alljährlich erscheint im Auftrag des Commissariat Général au Tourisme et au Thermalisme in Tunis, Av. Moham­ med V. der offizielle Hotelführer des Lan­ des mit der Hotel-Klassifizierung L = Luxus, **** = i. Klasse, *** = 2. Klasse, = 3. Klasse und * =*> 4. Klasse, dabei Angabe der z. Zt. geltenden Durch­ schnittspreise je nach Ausstattung und Lei­ 272

stung. Anzufordern beim Tunesischen Fremdenverkehrsamt in Frankfurt/Main, Am Hauptbahnhof 6. Marbalas (M) sind mehr oder weniger komfortable Unterkünfte in aus- oder umgebauten Oasenbauten (Douz, Nefta), in alten Festungen (Ksar Haddada, Ksar Ouled Debbab, Bordj Kebili), in ehemali­ gen Fonduks (Houmt Souk) oder in Höh-

len (Chenini, Matmata). Sie haben meist nur um ioo Betten; nur in der Saison sind Zimmervorbestellungen notwendig, da die Unterkünfte weitab vom Touristen­ strom liegen. Übernachtungen in Marhalas bleiben unvergeßliche Erlebnisse. Jugendherbergen gibt es in mehreren Städten Tunesiens. Sie stehen allen Ju­ gendlichen zur Verfügung, die zum Inter­ nationalen Verband der Jugendherbergen gehören. Besonders Gruppen und wäh­ rend der Hauptsaison wird Reservation im voraus empfohlen: Rades: Jugendhaus (9 km von Tunis), mit dem Zug zu erreichen: Place Mongi Bali, Tu­ nis - Mahlzeiten. Nabeul: Jugendherberge, im Stil des Landes erbaut, am Meer gelegen (65 km von Tunis); zu erreichen mit dem Zug - dreimal täglich -, mit Autobus Nabeul/Korba, Mietwagen Mahlzeiten. Gabes: Jugendherberge, 200 m von der Oase und 2 km vom Strand entfernt (405 km von Tunis); zu erreichen mit Autobussen-Süd, Mietwagen, Zug 2 mal tägl. - Mahlzeiten. Djerba: Jugendherberge in Houmt Souk (550 km von Tunis) - Tel. (05) 5 02 04; Autobusse und Mietwagen zur Anreise - Mahlzeiten. Biserta: Jugendhaus, route de la corniche (64 km von Tunis) - Tel. (02) 3 16 08. Anreise: Zug viermal am Tag, Mietwagen-Mahlzeiten. Sousse: Jugendhaus, modern. Strand Boujaffar (140 km von Tunis), Tel. (03) 2 12 60. Anreise: Zug dreimal täglidi, Mietwagen Mahlzeiten. Monastir. Jugendhaus, modern (164 km von Tunis), Tel. (03) 6 12 16. Anreise: Autobus und Mietwagen - Mahlzeiten. Kairouan: Jugendhaus (16 km von Tunis), Tel. 3 09. Anreise: Autobus und Mietwagen Mahlzeiten. Sfax: Jugendhaus (270 km von Tunis), Tel. (04) 23207. Anreise: Zug dreimal täglich,

Autobus, Mietwagen - Mahlzeiten. Le Kef: Jugendhaus, in der Stadt (175 km von Tunis). Anreise: Mietwagen, Autobus täg­ lich - Mahlzeiten. Gajsa: Jugendhaus. Schwimmbad (355 km von Tunis), Tel. 2 68. Anreise: Züge und Busse täglich - Mahlzeiten. Kasserine: Jugendhaus, in der Stadt, Tel. 53. Anreise: Busse und Mietwagen - Mahlzeiten. Ferienzentren für Jugendliche: ‘Les Pinedes’ in Bordj Cedria (22 km südl. von Tunis, Sand­ strand) und ‘Baie du Soleil’ in Hammamet, Sandstrand; Informationen tunesisches Frem­ denverkehrsamt Frankfurt/Main.

Camping Campingplätze sind in Tunesien relativ selten. Freies Zelten ist nach Einholung der Erlaubnis durch die zuständige Stadt­ verwaltung bzw. Polizeibehörde gestattet. Es wird empfohlen, in unmittelbarer Nähe von Dörfern und Städten zu zelten. Campingplätze gibt es in: Hammamlif: Le moulin bleu Hammam-Plage: Les Pins Nabeul: L’Auberge des Jasmins Hammamet: LTdeal Camping Biserta-Camping Cap Bon: El Haouaria Djerba: Camping Sidi Slim Zarzis: Sonia Camping Gabes: Camping Caravaning Gabes Gafsa: Camping Hotel Beach Sbeitla Camping

Ferienanlage Neuangelegt in Port Kantaoui, 7 km nördl. von Sousse, ein maurisch-arabisches ‘Dorf’ mit allem Komfort und Yachthafen; Häuser oder Wohnungen zu mieten oder zu kaufen - ähn­ liche Anlagen im Bau in Monastir, Gammarth und zwei auf der Insel Djerba.

273

R E ISE N IM LANDE Zollbestimmungen

Neben dem üblichen Reisebedarf dürfen zollfrei eingeführt werden: 2 Fotoappa­ rate verschiedener Formate und Marke mit insgesamt 20 Filmen, 1 Tonbandgerät mit 2 Rollen, 1 Schmalfilmkamera, 1 Kof­ ferradio, Schmuck bis 500 Gramm, 1 Kof­ ferschreibmaschine, i Fernglas, Kinder­ wagen und Sportausrüstung, 100 Zigarren

oder 400 Zigaretten oder 500 Gramm Ta­ bak, eine geöffnete Flasche Alkohol. Alkohol: bis 25 Prozent, 2 Liter; über 25 Prozent, 1 Liter; V4 Liter Parfüm, i Liter Kölnisch Wasser. - Ausländische Reisende können ohne Formalitäten die Gegenstände ausführen, die sie für persön­ liche Zwecke in Tunesien gekauft haben.

Reisen im Lande Auto. Das Reisen im eigenen Fahrzeug ist im Reiseland Tunesien geradezu ideal.

Alle wichtigen Straßen sind in einem ausgezeichneten Zustand, die meisten Haupt­ pisten selbst mit einem normalen Pkw noch befahrbar, wenn man nur ein wenig Vor­ sicht walten läßt und das Fahrzeug sich in technisch einwandfreiem Zustand befindet. Einreise: kostenlos wird ein für 3 Monate gültiger Einfuhrschein (auch für Cara­ vans) beim Einreisezollamt ausgestellt. (Für Boote benötigt man ein Carnet de Pas­ sages.) Es kann für weitere 3 Monate verlängert werden. Gültiger Führerschein, Fahr­ zeugzulassung, grüne Versicherungskarte (auf Tunesien erweitert) nationales Kenn­ zeichen D, CH, A sind erforderlich. Eine Zusatzversicherung für 2, 7 oder 21 Tage kann abgeschlossen werden. Die Verkehrsvorschriften entsprechen denen in Mittel­ europa gültigen, Rechtsverkehr, Vorfahrt, auch im Kreisverkehr, hat stets der von rechts Kommende. Geschwindigkeitsbegrenzung im Stadtverkehr 40 km/h, auf den Landstraßen 90 km/h, wenn nicht anders angegeben. In Tunesien erhält man alle Auskünfte beim Automobilclub von Tunesien in Tunis, Av. Habib Bourguiba 29, Tel. 24 39 21; Pannenhilfe durch die jeweiligen, örtlichen Dienststellen der National­ garde. Sahara-Fahrten sind vorher bei der Nationalgarde in Medenine oder in Gabes zu melden. Vorsichtsmaßnahmen müssen unbedingt eingehalten werden: genügend Wasser, Treibstoff und ö l, Ersatzteile, Lebensmittel usw.; Pistenzustand vorher genau erfragen, möglichst in Kolonne mit zwei oder mehreren Fahrzeugen fahren, alle Rou­ ten einhalten und Ankunft wie nächstes Ziel den jeweiligen Militärposten melden. Merke: Straßen P bedeutet Parcour; G.P. Grands Parcours = Hauptstraße mit gutem Teerbelag (Begrenzungssteine mit roten Köpfen); M.C. Moyennes Communications = Straße mit festem Belag, gute Sandpiste (Begrenzungssteine mit grünen Köpfen). Autobus, Schnellbahn, Eisenbahn. In Tunis sind für den Touristen wichtig die

Autobusse vom Stadtzentrum zu den Außenbezirken und Bardo Nr. 3; zum Belvédère Nr. 5, j A, j B, 5 C; um die Medina Nr. 1,2; zum Flughafen Nr. 35. Die elektrische Schnellbahn T.G.M. fährt zu den nördlichen Vororten von Tunis im Abstand von 20 bis 30 Minuten von früh 5 bis abends 20 Uhr ab Place d’Afrique

*74

über La Goulette und Sidi Bou Said nach La Marsa, die ideale Verbindung zum Be­ such von Karthago. Stationen: La Goulette (neuer Hafen, Seebadeort); Le Kram (Seebadeort, Sommerfrische); Salambo (aussteigen zum Besuch des Tophet); Dermesch (aussteigen zum Besuch des Tophet und der alten karthagischen Urnenstätten); Carthage-Byrsa (Villenort auf dem Gelände der einstigen Innenstadt von Karthago, Besuch des Byrsa-Hügels und des Museums hinter der Kathedrale); Carthage-Hannibal (Besuch der Häfen, wenn nicht schon im Anschluß an den Besuch der Tophet-Anlagen); Carthage-Présidence (Besuch der Antoninus-Thermen, des Archäologischen Parks, des Theaters, des Odeons und des antiken Villenviertels); Carthage-Amilcar (Besuch des Klosters St-Monique, Cyprians Basilika, Basilika Majorum); Sidi Bou Said (Terras­ senort in reizvoller Lage, Koubba mit einzigartigem Fernblick, maurisches Café >des NattesSeetor< Bab el-Bahari (1) -> Rue Djama Ez-Zitouna mit der alten Hl. Kreuz-Kirche (2) im Haus Nr. 14 und der Na­ tionalbibliothek (3) Djama Ez-Zitouna (4) (Hauptmoschee der Stadt) -*■ Dar Hus­ sein (5) (Museum für islamische Kunst, Institut für Kunst und Archäologie) -> Mo­ schee El Ksar (6) (12. Jh., spanisch-maurisches Minarett) -> Sidi Bou Krissan (7) (Stein­ museum, besonders viele schöne islamische Grabsteine) Kasbah-Moschee (8) (andalusisch-maurisches Minarett, typischer Moscheeturm mit Flechtbandornarhentik) -> Dar el Bey (9) -> Moschee Sidi Youssef (10) (und sein grün abgedecktes Mausoleum mit pyramidenförmig gedecktem, achteckigem Minarett) -> Moschee Sidi Arous (11) (da­ neben Mausoleum des Hammouda Pascha mit sieben Eingangstoren) -*■ Mausoleum der Prinzessin Aziza Othmana (12) ->■ und zurück zur Porte de France. B Altstadt - Nord

Ausgangspunkt: Djama Ez-Zitouna (4) Rue Sidi Ban Arous/Rue Sidi Brahim zum Mausoleum des Sidi Ibrahim (17) (Kuppel mit Stukkaturen und Stalaktiten) über Rue El Monastiri zur Moschee Sidi Mahrez (16) (ähnelt einer türkischen Zentralkup-

277

TUNIS: VIER BESIC HTIGUNGSW EGE

pelmoschee, Dekor überladen mit Stuck und Keramiken) Bab Souika (altes Stadt­ tor, jetzt belebter Platz mit mehreren hübschen Cafes) — über Rue du Diwan zum Diwan (18) (Sitz des Staatsrates während der Türkenzeit, heute Bibliothek in sehr schönen Sälen, beachtenswerte Decken) Djama Ez-Zitouna. C

Altstadt - Süd

Ausgangspunkt: Porte de France (4) -> Rue de la Commission zum Dar Othman (15) (eigentlich >Vorratshaus Färbermoschee (14) (Djama El Djedid, yierschiffig, achteckiges Minarett, Name, weil im Färbersouk gelegen) -* Moschee Tourbet el Bey (13) (Mau­ soleum der Husseiniten-Beys mit sehr kalienisierender Fassade, im Fürstensaal Sar­ kophage, schöne Stuckkuppel) -> Bab Djedid (>Neues Tor Rückweg an der Stadtmauer ent­ lang entweder nach Norden zur Kasbah-Moschee (8) und Anschluß an Weg A oder über Bab Al Djazira zurück zur Porte de France. D

Belv6dere-Park

Mit Autobus Nr. j, 5 A, jB ab Avenue Habib Thameur bis Place Pasteur Eingang in die etwa 100 ha große Parkanlage um einen 82 m hohen Hügel. Der Park ist ein riesenhaftes Arborium bekannter und exotischer subtropischer Gewächse, hat ein Ca­ sino, einen Zoo und aus dem 17. Jh. eine Midha, eine typische Wasch- und Erholungs­ stätte. Sehenswert ist die Koubba unter der Höhe am Südhang, der elegante Pavillon aus Bardo mit Arkaden, Muschelgewölben und zartesten Stukkaturen und Gipsschnei­ dereien. Schöner Blick über Tunis. Zu empfehlen sind Spaziergänge im Park. (Zur Zeit ist eine moderne Stadtbahn im Bau, die dann aus der Stadtmitte in vier Rich­ tungen zu neuen Vororten von Tunis führen wird.)

Vierzehn Routenvorschläge Die folgenden Routenvorschläge mit vielen Abstechern sollen es dem Reisenden er­ leichtern, Tunesien auf erprobten Wegen kennenzulernen, die alle kunsthistorisch be­ deutenden oder touristisch wichtigen Plätze berühren. Welche Routen aneinanderge­ reiht oder zu kleineren oder großen Rundfahrten zusammengestellt werden, muß dem Reisenden, seinen Interessen und der zur Verfügung stehenden Zeit überlassen blei­ ben. Neben den Stichworten zu Sehenswürdigkeiten geben in Klammer gesetzte Seiten­ zahlen Hinweise zu näheren Erläuterungen im Text.

278

Route 1: Tunis-Kap Bon-Hammamet (212 km)

Route 2: Tunis-Utica-Ghar El MelhBiserta (115 km)

Tunis -*· Av. de Carthage -*■ Hammam Lif (See- und Thermalbad, Djebel Bou Kornine, gute Aussicht) -> Soliman (andalusische Siedlung, Moschee mit antiken Säulen) -> Ain Okteur (Trinkhalle einer Kochsalzquelle) Korbous (altes Aquae Calidae Carpitanae, radioaktives Wasser, Zarziha-Stein der Berberfrauen gegen Unfruchtbarkeit) Sidi Daoud (Fischer­ dorf, Mai/Juni Mantaza: Thunfischfang) -*■ El Haouira (84) (Steinbrüche von Ghar el Kebir) -*■ Kap Bon (393 m Gipfel Djebel Abiod, in den Klippen Unter­ wassersportgebiet, 10. Mai Eröffnung der Falkenjagd) -¥■ Kerkouan (82 ff.) (phönizische Siedlung, Ruinen am Meer)-+Kelibia (röm. Clupea, 126 zerstört, Hafsidenfestung am großen FFafen, Umgebung: Anbau von Muskatellertrauben) Marabut des Sidi Salem (in den Sanddünen; Aussicht!) Korba (Reste von Zisternen und eines Aquäduktes vom röm. Curubis) Nabeul (altes Neapolis, Kunsthand­ werkzentrum, Seebad, April Orangenfest, freitags Kamelmarkt) -> Hammamet (>FFauptstadt des Tourismus Le Bardo oder Ariana Protville (siebenbogige Brücke von Bey Flus­ sein 1824/58) -»■ Utica (78) (Phönizier/ Römersiedlung, Ruinenstadt, Museum: Phönizische Abteilung = Münzen, Öl­ lampen, Keramiken, Statuetten, Reliefs, FFolzsarg mit Grabbeigaben; Karthagische Abteilung = Vasen, Töpfereien, Lampen, Statue eines Äskulap, Grabstelen; Römi­ sche Abteilung = Münzen, Lampen, Mo­ saikreste, Statuetten, diverse Marmor-

Plan von Nabeul 1-1} Hotels: / Maamoura 2 Lido 3 Ramses Résidence 4 R iadh } Club Voile 6 Nabeul Page 7 Pyramides 8 Club Farah 4 Pension Ben Sedrine 10 Neapolis 11 Les deux Oueds 12 Mimoses ij Narcisses 14 H am m am et Beach 1} Jasmine; 16 Restaurant M onta Club / 7 Re­ staurant Moderne 18 Restaurant le Rossignol 19 Souk 20 Jugendherberge 21 Frem denverkehrsamt

279

ROUTENVORSCHLÄGE Plan von Hammamet 1—3 0 H o te ls : 1 2 3 4 3 6

7 8 9 jo U 12 13 14 13 16

/7 18 19 20 21 22 23 24 23 26 2·] 28 29 30 31 32 33 34 33

köpfe, Statuen, Kapitelle) -> Ghar El Melh (250) (altes Porto Farina, Hafen, Andalusier-Siedlung, Feinsandstrand Sidi Ali El Mekki -*■ Abstecher nach Raf Raf, Strand, rotviolette Trachten der Frauen, Muskatellerwein) -> Biserta (248 ff.) (Alt­ stadt, alter Hafen, spanisches Fort, Cor280

B e a u r iv a g e P a ra d is T a n fo u s S a m ir a E m ir T a n it B o u s te n S h e r a to n P h e n ic ia S a m a r is L es O rangers H a m m a m e t H ô te l L e C a c tu s M ir a m a r C o n ti n e n ta l P a rc P la g e A l a d in S in d h a d G o lfe Y a s m in a H a m i lto n H o u s e B a ie d u S o le il Bel A zu r G ra n d H o te l M e d ite r r a n é e R é s id e n c e J e n n e t O m ar K hayam D ar K hayam C o lo m b e s H a m m a m e t- B each R e s ta u r a n t A c h o u r I d e a l R e s ta u r a n t F rem d en ve rk eh rsa m t R e s ta u r a n t L e P acha R e s ta u r a n t L a M a m m a

niche, Rundfahrt zum Cap Blanc, statt Fährverkehr G.P. 8 Biserta—Tunis jetzt Zugbrücke; Verkehrsmittel in der Stadt: kleine Taxis Rue de Alger und Boulevard Bourguiba, große Taxis Platz Tarak Ibu Ziad nach Ghar El Melh, Mateur, Tabarka).

Route 3: Biserta-Mateur-SedjenaneAin Sebaa, Tabarka (132 km)

Biserta Av. du President Habib Bour­ guiba Mateur (Getreidefelder auf allu­ vialen Böden, Übergang ins Mogod-Bergland (250), Berberkinder bieten an der Straße selbstbemalte und gebrannte Ke­ ramiken an) -> Sedjenane (Eisen-, Bleiu. Zinkhütten, Korkeichenwälder, um die Gourbi-Hütten der Bewohner dichte Dor­ nenhecken. Abzweige zu den Strandplät­ zen Kap Serrât, 30 km, Leuchtturm; von Tamara zum Strand von Sidi Mechrig, 18 km, römische Ruinenreste; Kap Negro, 20 km, nur mit Reittier oder zu Fuß, da stark versandet) Nefra-Ebene (die Ver­ bindung vom Mogod- zum KroumirBergland, reiches Landwirtschaftsgebiet, Obst, Erdbeeren) Ain Sebaa (Abzwei­ gung zum kleinen Umweg, ratsam >Route des Sept Cheikats< im Waldgebiet von Mekna über den Paß Er Rouine) ->■ Ta­ barka (Fischerhafen am Talausgang des Oued el Kebir, als Thabraca erst spät in der antiken Literatur beschrieben, lag an der Grenze zwischen numidischem Gebiet und dem römischen Afrika, die der Fluß Tusca, heute Seibouse, bildete. Daß der Ort älter ist, sagt schon der phönizisdie Name - sie fangen meistens mit T an sowie zwei einst karthagische Hafendäm­ me zwischen der Insel Tabarka und dem Festland. Der westliche ist wiederherge­ stellt. Aus römischer Zeit außer Zisternen­ resten nichts erhalten. In christl. Zeit Klo­ ster, Sitz einer Äbtissin, später Hl. Maxi­ mia; viele Mosaike von Deckplatten stei­ nerner Särge, jetzt im Bardo-Museum; auf der Insel Festung des genuesischen Grafen Lomellini 1540 (Abb. 171); Ausfuhrhafen von Marmor; an der Hafenmole Aiguil-

les, bis 25 m hohe Felsnadeln, kilometer­ lange Strände, Wassersportbasis, Tauchen an den Korallenküsten). Route 4: Biserta-Mateur-BejaBulla Regia (113 km)

Biserta Av. President Habib Bourgui­ ba -* Mateur (flachwelliges Hügelland, Getreideanbaugebiet) -*■ Beja (»Kornkam­ mer Roms Doug­ ga (92 ff.) (antikes Tukka/Thugga, Tune­ siens besterhaltene Römerstadt, numidische Gründung auf einem Plateau über dem Khalled-Tal, einzigartige römische Stadtkonzeption, libysch-punisches Mau­ soleum) -> Le Krib (Ruinenfeld von Mu­ sti, Ladenstraße, Höfe, Ölmühlen, einbogiger Triumphbogen, Grabsteine, Skulp­ turenrelikte, Zisternen, Souterrainanla­ gen, entstanden aus einem Legionskastell an der wichtigen Militär- und Handels­ straße Karthago-Theveste-Tebessa in Al­ gerien) -> Le Kef (246 ff.) (alte Phönizier­ siedlung Sicca Veneria, Tempelprostitu­ tion im Venus-Tempel, Grenzfeste wäh­ rend der Türkenzeit, Moscheen El Kebir und Sidi Bou Maklouf, Basilika Dar El Kous, Zisternen. Ausflug zur Talsper­ re von Oued Mellegue, 20 km, Stausee 18 km lang). Route 6: Tunis-Hammamet-Bou Ficha-EnfidavilleZaghouanThuburbo Majus (205 km)

Tunis Av. de Carthage -*■ Hammam Lif (See- und Thermalbad am Djebel Bou Kornine, Aussicht) -*■ Soliman (andalusische Siedlung der Moriscos) -> Grombalia (Landwirtschaftszentrum) -* Ham282

mamet (Kasbah und Altstadt, Große Mo­ schee, Fischerhafen, Strände) -*· Bou Ficha (mehrere Kilometer vorher an der Kü­ stenstraße Ksar Menara, auch >Leuchtturmschlößchem, antikes Mausoleum, mo­ numentaler Rundturm mit tonnengewölb­ ter Grabkammer innen, wie die moles in Rom für Augustus und Hadrian oder das Grab der Caecilia Metella an der Via Appia) ->■ Enfidaville (Museum rund um und in der Kirche: christliche Grabmosaike mit Name, Beruf und Alter von der 6 km entfernten Basilika von Upenna aus dem 4. Jh., dreischiffig mit Doppelapsis, In­ schrift ». . . Dem Kaiser Caesar Valerius Konstantinus dem Frommen, Unbesieg­ ten, dem Augustus, oberstem Priester, dem mit der Macht des Tribunats Ausge­ statteten hat die Colonia Upenna aus eigenen Mitteln gegeben . ..«, was, in Verbindung mit einem Bischof Honorius, der vom Vandalenkönig Hunerich ver­ bannt worden war, die Ortsbestimmung Upennas möglich machte.) Takrouna (berberische Fluchtsiedlung auf einem 195 m hohen Felssporn, den schon die Rö­ mer als Militärposten nutzten, einzig­ artige Aussicht auf Unterdorf, die Oliven­ gärten und bis zur Küste nach Hergla (17 km, das mit Takrouna zu den schön­ sten Orten Tunesiens zählt, ganz typisches Fischerdorf am Meer, ungemein reizvolles Ortsbild [Abb. 178]; das Flechten der schouami, runder, kissenähnlicher Behälter aus Haifagras zum Auspressen der Oliven, kann man dort sehen. Horraca Caelia war Grenzstation der römischen Provinz Byzacium und Zengitanum im Norden, kleines Ausgrabungsfeld punischer und römischer Mosaike am Ortsrand) ->■ Zaghouan (90 f.) (röm. Ziqua, Triumphbogen,

Marabut Sidi Azouz, Nymphäum am Fuße des Djebel Zaghouan. Ausflug auf den Djebel (1295 m), 17 km zu Fuß, ein­ facher zum Poste Optique 960 m hoch, schwieriger Fahrweg, beste Aussicht) — Thuburbo Majus (8 5 ff.) (numid. Sied­ lung, seit 128 römische Stadt, bemerkens­ wertes Ruinenfeld vom Forum bis zum Heiligtum des Baal-Saturn, besonders der Portikus der Petronier) - Rückfahrt nach Tunis über La Mohammedia und vorbei am Aquädukt des Kaisers Hadrian (91). Route 7: Hammamet-SousseKairouanSbeitla-KasserineThala-Maktar-SilianaDougga (499 km)

Hammamet -*■ G.P. 1 an der Küste ent­ lang Bou Ficha (s. Route 6) Enfidaville (s. Route 6) -> direkt nach Sousse, schöner über Hergla (s. Route 6) und an der Küste entlang über Sidi Bou Ali (im Zentrum El Bordj mit folkloristisdien Vorführungen) El Kantaoui (Ferien­ dorf, 13000 Betten) -> Sousse (202 ff.) (drittgrößte Stadt Tunesiens, am Hafen der Ribat, die Große Moschee, anschlie­ ßend die von Mauern umgebene Altstadt und hinauf zur Kasbah mit Museum - s. unten - und zu den Katakomben; im Au­ gust Volksfest von Aoussou) -*■ zwischen den Salztonsenken Sebkha Kelbia im Norden und Sebkha de Sidi El Hani wei­ ter nach Osten — Kairouan (175 ff.) (Tu­ nesiens heiligste Stadt, innerhalb der alten Stadtmauer die Okba-Moschee, die Mo­ schee der drei Tore und der Bir Barouta, außerhalb Säbelmoschee, Barbiermoschee und die Bassins der Aghlabiden; Teppidimesse am Tage des Mouled) Hadjeb El Aioun (Steppendorf im zentralen

Hochland, Haifagrasflächen um den was­ serreichen Ort, daher Oliven- und Man­ delbäume auf hier fruchtbaren Quartär­ böden, Stammesgebiet der Madjeur-Nomaden) Sbeitla (130 ff.) (röm. Sufetula, Diokletiansbogen am Eingang zum Rui­ nenfeld, kleines Theater, Forum mit drei erhöhten Tempeln, mehrere byzantini­ sche Kirchen und Festungen, Mausoleen) -> Kasserine (Ruinen der röm. Colonia Cillium, gut erhalten auf der Höhe ein Triumphbogen, am Hang des Oued Derb kleines Theater, an der Straße ein Mau­ soleum ohne Pyramidendach für Flavius Secundus und seine Familie, mit einer langatmigen Laudatio über fast die ge­ samte Vorderfront, anderes, fast zerstörtes Mausoleum am gegenüberliegenden Fluß­ ufer; beide gaben dem Ort den Namen, >die beiden PalästeBellum Jugurthinum< erwähn­ te Thala?) Maktar (122 ff.) (erst numidische Königsfestung, dann Phönizierort und besiedelt von aus Karthago vertrie­ benen Puniern, die bis ins 2. Jh. Sitten und Sprache beibehielten, wurde im Jahre 180 römische Colonia, großes Ruinenfeld mit Amphitheater, Forum, Trajansbogen, großen Thermen und Schola der Juvenes) Kbor Klib (129) (am Wege nach Silia­ na, Siegesdenkmal Cäsars über Juba L, dreifach gegliederter Denkmalsblock mit Vorgesetztem Altar) -> Siliana (in der Nähe Zama, das alte Zama Minor, Zister­ nen- und Aquäduktreste) — Dougga (92 ff.) (Theaterfestival im Juni) 283

ROUTENVORSCHLÄGE Museum Sousse:

A hinter dem Eingang: Bodenmosaik »Medusenkopf< aus den römischen Thermen; Kopf Trajans; Apollo-Statue; Hochrelief eines Kai­ sers (Augustus?) im Triumphwagen; Thron des Gottes Baal; diverse punische und römische Architekturfragmente. Innenhof B Süden: geometrisch gemusterte Mosaike, 2.Jh.; Gazellenmosaik, 3. Jh.; Mo­ saik zu Tierkämpfen, 2. Jh.; antike Fresken. C Osten: Kaiser-Torso; Kopf einer Minerva in Stuck; Stelen und Basreliefs, Funde aus dem Hafenbecken; Grabmal eines Pescasius; Sarkophag einer Theodora; byzantinische und christliche Keramikplatten >Adam und EvaDaniel in der Löwengrube< und zu anderen biblischen Themen. D Norden: aus den Kata­ komben Ritz- und Schreibinschriften auf Grabplatten; diverse Stelen; Agrippa-Mosaik mit Anker, 3. Jh. E Westen: christliche Fun­ de aus den Katakomben und verschiedenen Plätzen um Sousse; Meeresmosaik zum The­ ma des bärtigen >Oceanus zwischen meerischen Pflanzen und TierenPferde des Rennstallbesitzers Sorothus< aus Hadrumetum. F Büste von Faustina und Antonius; kleine Mosaike und großes Mosaik mit Vasen. G Punische Funde aus der Zeit vom 6. Jh. v. Chr. bis zum i.J h . n. Chr.; Keramiken, Lampen, Statuetten aus Kindergräbern; eine Folge von Tanit-Symbolen auf Stelenfronten zur Entwicklung des Symbols. H/i/K Funde aus den Katakomben; Kleinteiliges; Mosaike; Inschriften. L/Nl/N Säle der Mosaike, beste Ergänzung zu den Sammlungen des Bardo-Museums, hier etwa 50 der besten aus der Umgebung von Sousse, z. B. >Nere'iden und Triton», Fisch­ fang in Landschaft ÄgyptensLeda und Ju­ piter», >Jagd und SpieleSpiele im Amphi­ theaters >Satyr und Bacchantin», alle aus dem 2. Jh.; »Wagen des N eptuns »Entführung des Ganymed», »Bacchus und Ariadne», »Großes Bild mit zwanzig Medaillons», »Siegende Pferde», »Triumph des Bacchus», alle 3. Jh.

284

Großer Hof: Marmorbruchstücke, Säulen, Ka­ pitelle, Statuenreste, Stelen, Grabplatten.

Route 8: Sousse-Monastir-MahdiaEl Djem-Sfax (224 km)

Sousse Av. Mohammed Ali am Hafen Skanes (mondänes Seebad, Flugplatz) Monastir (209 ff.) (antikes Ruspina, Ra­ bat, Minarett besteigen!, Große Moschee, Insel Djeziret, Stadtmauer, moderne Mo­ schee Bourguiba, Sandstrände vor der Corniche, Folklore-Festival 3.-6. August) Ksiba El Mediouni (interessanter Tep­ pichmarkt) Ras Dimasse (5 km an der Küste Platz des antiken Thapsus (212), wo Cäsar König Juba und die Pompejaner besiegte, große Hafenmole, wenige Ruinenreste, feiner Sandstrand) -*■ Mahdia (212 ff.) am Kap Afrika, phönizischer Kothon, Monumentaltorbau, Große Mo­ schee von Obeid Allah, Kasbah, Halbin-

sei mit Resten der alten Stadtmauer; Fi­ scherfest in den ersten zwei Wochen im August) über Ksour Essaf durch den Ölbaumgürtel na.dn.El Djem (134 ff.) (altes Thysdrus, Amphitheater, fast so groß wie Roms Kolosseum, anderes kaum ausge­ grabenes Theater, Zirkus, mehrere Villen­ grundrisse, kleines Museum mit guten Mo­ saiken und Kleinteiligem aus El Djem) Sfax (215 ff.) (Altstadt im erhaltenen Mauerring der Aghlabiden, Große Mo­ schee im Zentrum zwischen Bab Diwan und Bab Djebli, malerischer alter Fischer­ hafen und neue Hafenbecken, im Rathaus der Neustadt Museum: Halle: prähistorische Funde, viele Gefäße; Bodenmosaike; Figurenfragmente. Ras-Botria-Saal: mythologische Mosaike; Venus­ Statue aus El Djem; Grabmosaike; Kerami­ ken; Öllampen; Mosaik der Musen; Jahreszeiten-Mosaik; christliche Grabmosaike; Glä­ ser. Skbira-Saal: Grab des Verrius Petronius Candidus; Terrakotten; Lampen; Schmudc; Grabgefäße; Stelen; viele christliche Mosaike mit Heiligen und Heilszeichen. Gänge: Mo­ saike zum Themenkreis Fischfang und Meer, dazu Gefäße und Lampen aus Thyna).

— Abstecher zu den Kerkennah-Inseln (218) (Fähre im Hafen, Rue A. Dumas, zweimal täglich für Autos und Personen). Route 9: Sfax-Thyna-MaharesCekhira-Gabes-MarethMetameur-Medenine (210 km)

Sfax -*■ über Picville -*■ Thyna (Leucht­ turm, Ruinen von Thaenae mit Mosaik­ fußböden in den Thermenresten, sonst wenig erhalten) -* Mahares (kurz vorher bei Nakta Abzweigung zum Sandstrand von Chaffar, hier Abzweigung 10 km zum Bordj Younga, auf byzantinischen

Fundamenten voraghlabidische Festungs­ bauten mit schönen, frühislamischen Schmuckdetails) -*■ Cekhira (Industriean­ lagen, Rohölverladeeinrichtungen am Ende langer Pipelines von den algerischen Inamenas-Erdöllagern. Die Basilika von La Skhirra liegt im Sperrgebiet und kann nicht besucht werden, Pläne, Karten und Funde aber im Museum Sfax) Gabes (219 ff.) (>Pforte zur Wüste Straße P 1, interessante Fahrt in die Strauchsteppenlandschaft der Djeffara-Ebene, Weiden für Schaf-, Zie­ gen- und Kamelherden, Haifagräser, im fast quadratisch angelegten Kirchaoua eine typische Speicherburg -*■ Ben Gardane (Grenzort zur Weiterfahrt nach Li­ byen, schüttere Palmen- und Olivengär­ ten, Marktzentrum der mehr als 30 000 Touazine-Halbnomaden -> Weiterfahrt 285

RO U T E N V O R S C H L A G E

nach Norden. Am H aff Bahiret El Bibane hin und wieder gute Badeplätze -*·Zarzis (225) (Palmenoase, kleiner Hafen, am Sandstrand neue Hotelbauten) El Kantara-Continent (Bordj am Meer, Beginn des Römerdamms, 6360 m durch das flache Wasser der kleinen Syrte) -> El Kantara-Ile (Endpunkt des Römer­ damms, Säulen- und Kapitellreste, Archi­ tekturbruchstücke am Hause des ehemali­ gen Zollpostens, etwa 300 m rechts der Straße die kümmerlichen Überbleibsel der alten phönizischen Faktorei Meninx und Relikte einer frühchristl. Basilika) Djer­ ba (222 ff.) Hauptort Houmt Souk (Fe­ stung am Hafen, i ^ / i j . J h ., malerische Marktgassen, Türkenmoschee mit sieben Kuppeln, Fremdenmoschee, Zawija Sidi Brahim El Djamni, Folklore-Fest im Juli, Märkte montags und donnerstags); Adjim (größter Fischerhafen Djerbas, Schwamm­ Markt, Fähre nach Djorf, von 5 bis 19 Uhr, alle 20 Minuten); Aghir (Fischerha­ fen, Reusenfischfang); Bordj Castille (Ka­ stell 15. Jh. auf einer Landzunge weit im Meer, kein Fahrweg, Fußmarsch oder Reittier mieten); Bordj Djillidj (Festung Ali Paschas 1743/94, Leuchtturm, kann bestiegen werden); Cedriane (Ruinen einer Festung, Moschee mit einem hier seltenen spitzen Minarett); El May (schöne kharedjitische Moschee, alte Öl­ pressen); Guellala (Töpferdorf mit Hun­ derten meist unterirdischen Brennöfen); Hara Kebira und Har a Srira (jüdische Dörfer, Mittelpunkt die alte Synagoge La Ghriba, 33 Tage nach Ostern Judenwall­ fahrt, freitags kleiner Markt mit filigra­ nen Schmuckstücken); La Segbia (Sand­ strand, Palmenhaine, Dorf des Club Mé­ diterranée); Mahboubine (der Istanbuler

286

Hagia Sophia nachgebaute kleine El Kateb-Moschee, 19. Jh.); Mellita (Inselflug­ platz); Midoun (sehr malerischer Markt­ platz, mehrere Moscheen); Ras Tourgeness (Leuchtturm an der Ostseite der Insel); Sidi Mahrez (Djerbas >Goldstrand mit dem Goldsands fast vollgebaut von Lu­ xus- und Erster-Klasse-Hotels). Route 11: Medenine-Foum Tatahouine-Ksar DörferMedenine-T oujaneMatmata (230 km)

Medenine Straße G.P. 19 zur Fußre­ gion des Dahar-Gebirgsrückens Foum Tatahouine (vorsaharischer Markt mon­ tags und donnerstags, im Garten des Gouvernorats Bruchstücke eines römi­ schen Triumphbogens, Kapitelle, neopunische Inschriften und ein versteinerter Baumstamm) -> Pistenfahrt zu den Ksar Dörfern (226), Vorschlag: Douiret -> Chenini Guermessa -*■ Ghoumrassen Ksar Haddada Ksar Hallouf -*■ Medenine. Wer sich und seinem Fahrzeug Stra­ pazen zumuten kann, sollte ab Medenine/ Metameur auf der Straße C 104 die phan­ tastische Fahrt in den Höhenstufen des Dahar über Toujane nach Matmata wäh­ len. Es ist das Stammesgebiet der Djeffaras, die in Höhlenwohnungen, Erdtrich­ tern oder Steinhütten leben, ihr Grundbe­ sitz ist stets von Dornstrauchhecken umge­ ben. Ringsum Zeugenberge und tiefe Wa­ dis in der zerstückelten Jura-Kreidetafel. Route 12: Gabes-El Hamma-KebiliSchott El Djerid-TozeurNefta (316 km)

Gabes G.P. 16 -*■ El Hamma (Oasen­ gruppe, Pflanzungen ohne Unterkultu-

ren, 45 °C heiße Schwefelquellen, röm. Aquae Tacapitanae) -> durch Salzsteppen am Fuße des Djebel Tebaga nach -> Kebili (245) (Hauptoase der NefzaouaOasenregion, Foggara-Systeme, am Haus der Bezirksverwaltung wenige römische Architekturbruchstücke, ratsam ein Ab­ stecher nach Douz, 28 km. H at man Glück, so kann man Tuareg und Kamel­ karawanen sehen. Kamelfest im Mai, Dat­ telfest im November, Markt donnerstags. Wenn die Piste nicht zu stark versandet ist, lohnt eine >Wüsten-Rundfahrt< Douz -*■ Sabria -> El Faouar -> Bildet -> Kebili, 112 km. Auf jeden Fall vorher Pi­ stenzustand bei der Polizei erfragen. Ebenso dort Nachfrage über den Zustand der Schottpiste, wenn notwendig, einen >Führer< ins Auto laden, Preis vorher aus­ machen. Abgesteckte Schottpiste unbe­ dingt einhalten, keine Experimente. Kriz -*■ Degache (242) -*■ Tozeur (243) (im Viertel Ouled Hadef saharische Lehmziegelbauten mit Ziegelornamentik; Oasenfahrt: Aussichtspunkt, Marabut Sidi Bou Lifa, davor ein großer Brust­ beerbaum, 10 m Umfang, den der Heilige noch selbst gepflanzt haben soll; Paradies, Oasengärten; Ras El Aioun, Spuren eines römischen Staudammes, Vereinigung mehrerer Bäche, Verteiler in die Oasen­ Bewässerungskanäle; Palmenfest Mitte November) Nefta (244) (24 Moscheen, über 100 Marabuts; -> Oasenfahrt: Zawija Kadria, davor oft Säbeltänze der Djerid-Neger; Corbeille de Nefta, Gar­ tenkorb, Schlucht, in der mehr als 150 Quellen entspringen; Marabut Sidi Bou Ali, Wallfahrtsziel, um die Kuppel des Heiligengrabes schönes Kufi-Inschriftenband).

Route 13: Tozeur-Metlaoui-GafsaFeriana-Kasserine (200 km)

Tozeur -* Straße P 3 ->■ El Hamma du Djerid (243) (lohnender Abstecher, min­ destens zwei Tage, zu den Bergoasen Tamerza und Medes, 1jo km. Ab El Hamma durch Wüstensteppe, dann über einen Zipfel des Schotts El Rharsa in die fahl­ roten Gebirge des Djebel En Negueb, 907 m, nach Chebika, Platz des römischen Kastells Ad Speculum, eines in der Reihe von Feldlagern, die hier Siedlungszeugen dieser Gebirgsoasen waren (»praesidia et propugnacula imperii« nach Cicero); Tamerza hieß Ad Turres, Medes war Ma­ des, alle angelegt im Vorfelde des limes tripolitanus. Auffallend ist der üppige Wasserreichtum, es gibt sogar kleine Was­ serfälle und schäumende Bäche in gigan­ tischen Canyons, viel Grün vor rotbrau­ nem Fels. Diesen Wasserreichtum verdan­ ken die Oasen den Grundwasserstau vor der Sperre der südlichen Randketten von Chebika und Aioun Ameur, wo in schwammig-porösen Grundwasserschich­ ten gespeicherte Wasserkörper in den Oasen einfach angezapft und das Wasser über seguias (Kanäle) zu den gut 40 000 Dattelpalmen geleitet wird. Die Qualität der Datteln ist gut und erreicht fast die der Deglet Nour-Sorten. -*■ Rückfahrt oder Weiterfahrt über Redeyef und Moulares nach Gafsa möglich). -*■ SeldjaSchluchten (231) (Durchbruchstal des Seldja durch die Schichtkammstufen der süd­ lichen tunesischen Hochlandketten) -> Metlaoui (231) (Sitz der Phosphatgesell­ schaft, interessantes kleines naturkund­ liches Museum mit hervorragenden Fun­ den zur Erdgeschichte; auch römische Mo­ saike) -> Gafsa (230) (Oasenstadt, Kas287

RO U TENV O RSCH LÄ GE

bah, römische Bäder, Große Moschee, Oasenrundfahrt, im Artisanat Herstel­ lung der gefelderten Gafsa-Teppiche) Durch die Haifagrassteppe nach Norden.

Route 14: Kasserine-ThalaTadjerouine-Le Kef-Jendouba-Bulla Regia Ain Draham-Tabarka (270 km)

Die stipa tenacissima ist stark genug, um durch die gipsreiche Kalkkruste des Steppen­ hochlandes zu brechen; zur Erntezeit sind etwa ioo ooo Menschen für zwei bis drei Mo­ nate beschäftigt, Seßhafte und verdingte Halbnomaden; in großen Ballen zusammenge­ preßt, sieht man das Gras überall im Som­ mer längs der Bahnlinie lagern; in Zellstoff­ Fabriken, besonders in Kasserine, werden aus Ernten von über ioo ooo Tonnen Haifagras 30 ooo Tonnen Papiermasse für den Export aufbereitet, der Rest als Rohmaterial ausge­ führt, kleine Mengen zum Flechten von Ge­ brauchsgegenständen verwertet. Staatliche Maßnahmen sorgen neuerlich dafür, daß nicht durch periodisch zu starkes Schneiden die H ai­ fagrasdecke vernichtet wird, sondern im Rundumverfahren jeweils Schnittgebiete aus­ gespart bleiben und sich erholen können.

Kasserine -*■ Straße P 17 -> Thala (Ab­ stecher zu den römischen Ruinen von Am­ madera bei Haidra, t8 km, Winterquar­ tier der Legio III Augusta, dann Vetera­ nensiedlung, weitläufiges, nur teilweise gut erhaltenes Ruinenfeld: Bogen des Se­ verus 195, von den Byzantinern zum Teil verbaut, Ruinen einer dreischiffigen Basilika, gut erhaltenes Theater, ein Mau­ soleum mit korinthischen Pilastern, an der Straße ein dreischiffiger Apsisbau, Zweck unbekannt. Die byzantinische Zi­ tadelle beherrscht mit zehn Türmen das Gelände, in dem verstreut andere, teils zweistöckige Mausoleen aus dem Trüm­ merfeld aufragen). ->■ Tadjerouine (Berg­ dorf, Abstecher zum >Tisch des ]ugurtha< (248) -»· Le K ef (246 fr.) -> Jendouba (wichtiger Getreidehandelsplatz) -> Bulla Regia (104 ff.) -*■ Les Chenes (Abstecher, 6 km, zur Talsperre von Ben Metir)-+Ain Draham (Wald-Berg-Erholungsgebiet, Wintersportplatz mit etwa zehn Schnee­ falltagen, Schnepfen- und Wildschwein­ jagd, Weben der typischen schwarzwei­ ßen Kroumir-Teppiche, Schnitzereien und Wurzelarbeiten, viele bezeichnete Wan­ derwege, u. a. zur Paßhöhe Col des Rui­ nes, 726 m hoch, Bordj Hammam, 7 km, Schwefelquellen, römische Badebecken, Zisternen und Thermenreste) ->■ Tabarka (281) (Korallenfest im Juli).

Feriana (Hauptsammelplatz für H ai­ fagras; für Interessierte Abstecher, 20 km, ostwärts zum noch gut erhaltenen Römer­ kastell Tamesmida (Umwallung mit vier Türmen, innen alte Ölmühle mit acht Pressen, im Tal allenthalben Ruinenreste) Thelepte (auf der Höhe wirre Trüm­ merfelder der Überreste diverser Bauten von Römern, Byzantinern und Christen, alles kaum noch übersichtlich, interessant nur für Fachleute) Kasserine (283) (röm. Colonia Cillium, Triumphbogen, Theater, Mausoleum des Flavius Secun­ dus an der Straße).

Tierschutzgebiete (staatlich gefördert und eingerichtet) gibt es im Medjerda-Gebirge (Berber- und Atlashirsche, Wildschweine, Stachelschweine, Fischottern), bei Kasserine und bei Bou Heiner (Gazellen, Wildziegen, Mähnenspringer) und am Lac Uzküll (tunesische Wasserbüffel, Störche, Reiher). 288

Glossar

Agora Einst Marktplatz einer griechischen Stadt Akanthus Distel, Bärenklau-Blattform als Schmuckform für Kapitelle Ain Quelle Aquädukt Wasserleitung meist auf Stützbo­ gen, die mit natürlichem Gefälle Wasser in die Siedlung führt Arabeske Schmudcornament, plastisches Blattund Rankendekor Architrav Waagerecht auf Säulen liegender Balken Archivolte Laibung eines Rundbogens Bab Tor Bir Brunnen Blau Farbe der Weisheit Bordj Festung, Burg Dar Haus Djama Große Moschee Djebel Berg (auch Dahar, Adrar) Erg Weites Sandfeld, Dünen Fanus Laterne in einer Moschee Fisch Glückssymbol Forum Einst Marktplatz einer Römerstadt Fonduk Gasthaus Ghorfa Tonnengewölbter berberischer Vor­ ratsspeicher Hypokausten Antike W armluftheizung unter dem Fußboden Hanafija Moscheebrunnen für rituelle Wa­ schungen Hammam öffentliches Bad Hara Viertel der Juden Harim Raum für Frauen, Harem Imam Vorbeter in der Moschee

Kalaa Festung Kapitell Säulen- und Pilasterkopf Koubba Meist gekuppeltes Mausoleum Ksar Palast, Haus, auch Burg Marabout Islamischer Heiliger; auch sein Grabbau Medersa Islamische Hochschule Medina Altstadt Mihrab Gebetsnische in der Moschee Minbar Gebetskanzel Maksura Trennwand vor dem Raum für den Herrscher, von wo aus er ungesehen dem Gebet beiwohnen konnte Maschrabija Gitter aus gedrechselten Holz­ stäben, oft vor Fenstern Nador Meist Rundturm islamischer Festun­ gen Oued Flußtal (auch Wadi) Quibla/Kibla Gebetsrichtung nach Mekka (Kibla-Wand, Kibla-Mauer) Ribat Islamisches Wehrkloster Risalit In seiner gesamten Höhe bis zum Dach vorspringender Gebäudeteil Sahel Uferzone Sakija Schöpfrad Schott Salzsee Sebkha Salztonsenke Sefsari Umhang der Berberfrauen Sidi Meister, Herr Souk Markt (niemals in Tunesien etwa Basar) Stele Aufrechtstehende Steinplatte als Grab­ denkstein, oft mit dem Bild des Toten Zaouia/Zawija Sitz einer religiösen Bruder­ schaft, Raum zum Beten

289

Register

Personen, Stämme, Völker

Antoninus Pius 47,56,73,76, 78, 94, 104, 131, 132, 136, 138, 172 Aphrodite 43, 246 Apollo 14, 46, 56, 125, 126,

Abada 184 Abbassiden 143, 179, 181 Abd el Moumen 213 Abraham 15, 174 127 Appian 44, 46, 47, 50, 51, 94 Abu Abd Allah Mohammed Apuleius 53, 56, 74, 88, 95, 213, 230 Abu Bekr 173,175 129 Araber 78, 89, 94, 129, 130, Abu El Abbas Mohammed 208 133, 140g., 143, 169, 206, 207, 223, 248 Abu Ibrahim Ahmad 176 AbuYazid 148 Ares 14 Aristoteles 48 Abu Zakkaria 145 Adierbas 10, 11 Äskulap 14, 43, 89 Aelius Aristides 80 Asselicus 243 Aemilius Pudens 216 Assurnasirpal 10 Agathokles 15, 82, 83, 92, Assyrer 10 Astarte 10, 14, 246 141, 248 Aghlabiden 142, 143, 152, Ataban 101 176, 202, 207, 208, 210, 213, Augustinus, Hl. 47, 54, 76, 285 143. 243 Ägypter 12 A ugustus 53, 85, 94, 97, 138, Akrisios 222 212, 247, 282 Austria, Don Juan d’ 147 Al Abid 148 Al Aziz 176 Aziza 148 Ali 175 Baal Hammon 12, 14, 41, 42, Ali Pascha 286 Almansur 231 43» 76, 88, 92 Almohaden 145, 152, 213 Baal Saphon 14 Bacchus (Liber Pater) 73, Almoraviden 244 Al Muntasir 146 103, 126, 127, 139, 205 Amor 73 Bacon, Roger 143 Amphitrite 91 Barberousse, Brüder 146,213 Amr 136, 175 Beiisar 78 Andalusier 249 Bellator 133 Äneas 11 Beni Hillal 176, 177 Antiochus 212 Beni Ssulaim 176 290

Ben Noman 177 Berber 133, 136, 143, 147, 172, 176, 207, 212, 221, 224, 225, 227, 231, 243 Bocchus 212 Boethos Kalchedonios 215 Bonifatius 133 Bourguiba, Habib 211 Bouzguenda, Taleb 211 Byzantiner 89, 94, 98, 130, 136, 175, 206, 223, 230, 288 Caecilia Metella 282 Capellian 126, 134 Caracalla 73, 78, 102, 127,

Ï38 Casar 53, 129, 202, 212, 216, 218, 283, 284 Cato 102, 129, 169, 212 Ceres 88, 89, 104 Chadischa 173 Cicero 287 Claudius 80 Clio 206 Commodus 78, 85, 127, 216 Concordia 138 Cornelius Saturninus 74 Cyprian, HI. 54 Cyriacus 78 Damia Kahena 136 Dammak, Jameleddine 4 Diana 125, 127 Didius Julianus 203,216 Dido (Elissa) 10, 11, 12, 14, 41, 76, 141, 246 Diodorus Siculus 9, 16, 46, 83» 94

Diokletian 133 Dionysos 43, 103 Djeffara 226, 227, 285, 286

(Färbt. XXI) Doria, Roger 223, 225 Doris 91 Douiri 228 Dragut 213, 223, 230 El 14 El Balaoui 184 El Bekri 73, 143, 221 El Moezz Ibn Badiz 177, 184 El Mostain 143 El Mostansir 92, 248 Elissa s. Dido Eshmun 14, 43, 50, 56 Eumenes 212

Hannibal 14, 15, 92, 129, 130, 202, 212, 218 Hanno 46, 49 Harthama Ibn Ayoun 210 Harun ar-Raschid 176 Hasdrubal 14, 47, 51 Hassan Ben Nomane 142 Hebräer 15 H era 14 Herkules 14, 89, 96, 139, 230 Herodot 47, 227 Hierbas 10, 11, 141 Hilarianus 54 Hiram 9 Hischam 182 Homer 52, 222 Huneridh 282 Husseiniten 149, 152, 177, 2 4 7 . 278

Fatima 148 Fatimiden 152, 176, 212, 217 Felicitas, Hl. 54, 77 Flaminius, T. C. 46 Flaubert, Gustave 16 Flavius Secundus 283, 288 Fortunatus 133 Franzosen 152,207,223,250 Friedrich II. 145 Gabinii 99, 100, 103 Garamanten 243 Gätuler 243 Geiserich 78, 133 Geta 102 Gordianus I. 126, 134 Gordianus III. 134 Gracchus, C. 46 Gracchus, Sempronius 46, 53 Gregorius 131 Griechen 9, 50, 169 Hadrian 55, 73, 78, 85, 97, 129, 138, 204, 216, 246, 282, 283 Hafsiden 143, 145, 146, 147, 152, 177, 230, 248, 278, 279 Hagar 174 Hamilkar 47, 83, 141 Hammaditen 145 Hammouda 149

Ibaditen 224 Iberer 9 Ibn Chabbat 243, 244 Ibn Khaldoun 143, 145, 229 Ibrahim Ahmed 202 Ibrahim II. 142 Ibrahim Ibn al-Aghlab 176 Iolaos 14 Isaak 15 Isaias 9 Ismael 174

Jäggi Hi Jepmatath 101 Jesus Christus 131,174 Johannes d. Täufer 174 Josua 15 Juba I. 53, 129, 212, 216, 283, 284 Jucindus 133 Juden 148, 207, 223, 265 Jugurtha 53, 248 Julia Domna 96, 102 Julier 127, 128 Julius Victor, S. 127 Juno 85, 97, 98, 100, 131 Jupiter 11,85,97,98,124,

Hi

Justinian 78, 130, 131, 207, 230, 281

Justinus Juvenal

16, 46 135

Kanaaniter 15 Karl V. 146, 147, 250 Karl von Anjou 146 Karmaten 177 Karthager 9 ff., 52 ff., 243 Kelten 9 Khereddin 146 Klee, Paul 151 Konstans II. 131 Konstantin d. Gr. 136 Kronos 14 Latona 127 Lavigerie 51 Laetus 216 Laetus (Bischof) 243 Leo Africanus 146, 219 Libyer 83, 227, 246 Licinius 103 Livius 92 Lomelini 281 Lucius Verus 98 Ludwig IX. d. Heilige 145 Lukian 137 Mache, August 4,151 Madjeur 283 Magnii 100 Mago 84 Magoniden 48 Malekiten 224 Marjais, Georges 252 Marc Aurel 86, 98, 139 Maria 174 Marius 92, 230 Mars 128 Marsyas 125 Massinissa 92, ιο ί, 102, 129,

243

Matho 55 Mauren 248, 281 Maxentius 136 Maximia, Hl. 281 Maximinus Thrax 134 Maxitani 141 Meister Eckart 143 Melkart 10, 14

291

R E G IST E R : P E R S O N E N , STÄMME, VÖLKER Melpomene 206 Menandros 10 Merkur 43, 74, 86, 89, 96, 97, 128 Metellus Scipio 218 Metellus Vaga 104 Minerva 85, 97, 98, 131 Miskar 14 Mohammed (Prophet) 173, 175, 184, 220, 241, 265 Mohammed (Bey) 148, 247 Mohammed Ben Khairoun El Maafari 183 Moilliet, Louis 151 Moloch 16 Monika, Hl. 76 Moses 174 Mozabiten 224 Muawijah 175 Mustansir I. 146 Mustansir II. 177 Nasomanen 243 Nebukadnezar 223 Necho 49 Neptun 89, 91, 172 Nereiden 91 Nereus 91 Nero 75, 104 Normannen 206,207,213,223 Numidier 10,11,52,91,92, 99, 129, 130 Obeid Allah El Mahdi 213 Obeid Allah Ibn El Habbab

M3

Odysseus 222 Okba Ibn Nafi 136,175, 176, 184 Omaijaden 143, 152, 175 Omar 173 Othman 148, 278 Paccuvii 97 Palu 101 Panaitios 51 Paulus, Hl. 80 Perpetua, Hl. 54, 77, 88 Perser 207 Perseus 222

292

Pertinax 216 Peter v. Aragonien 223 Petreius 130 Petronius 89 Petrus, Hl. 247 Philipp IV. von Mazedonien

14 Philipp II. von Spanien 223 Phönizier, Punier 9 ff., 79, 83, 84, 98, 122, 215, 219, 227, 246, 248, 283 Piali Panha 223 Pisones 126 Plinius d. Ä. 78, 104, 169, 171, 220 Plutarch 46, 53 Pluto 100 Polybios 14, 51, 52, 246 Pompeius 218 Poseidon 14 Prima, Hl. 78 Priamos 52 Prusias II. 212 Pygmalion 10 Querhamma

227

Regulus 82, 141 Remii 100 Revocatus 54 Römer 12,46,51,52^., 8j ff., 169, 212, 215, 223, 227, 231, 243, 247, 248, 282, 288 Romulus 54 Rousseau, J. J. 143 Sakkon 14 Salem El Djebianiani 217 Sallust 230, 283 Salomon 9 Salvius Julianus 85,203 Sanhajiden 152, 176 Saturn 14, 76, 86, 88, 96, 128, 134, 202 Saturnius 54 Saturnus 54 Scipio Africanus 45, 46, 51, 52, I30, 141, 202, 216 Scipio Aemilianus 141

Scorpianus 55 Senam 248 Septimius Severus 54, 78, 96, 102, 134, 205 Servas 133 Severus Alexander 98, 281 Shadrapa 14 Sidi Abid EI Ghariani 184 Sidi Abd El Kader 217 Sidi Arfa 229 Sidi Bel Hassan 217 Sidi Ben Arous 146 Sidi Boulbaba 201, 220 Sidi Bou Zid 211 Sidi El Kouri 82 Sidi Mohammed Mahrez i_45. Η* Sidi Sahab 184, 201 Sidi Youssef 147 Sijahid Allah I. 176 Silvanus 133 Solomon 131,133,230 Sorothus 205, 206 Spanier 147, 152, 213, 218 Spendius 55 Strabo 47 Sueton 247 Sufeten 202 Syrer 207 Tanit 12, 14, 42, 43, 88, 99 Talius 100 Tertullian 128, 137, 206 Tiberius 104, 281 Timaios 10, 11 Titus 223 Tuareg 287 Touazine 285 Tourbet Bey 149 Trajan 76, 85, 98, 100, 125, 130, 230, 281 Triton 14 Türken 147,209,213,217,218 Tyrer 9, 10, 15, 14t Ummidius Sedatus

138

Valerian 54 Vandalen 78, 80, 89, 94, 207, 223, 243, 281, 282

Venus 73, 89, 93, 129, 246 Vergil 206 Vespasian 203 Vettius Latro 85 Virius Audentius Aemilianus

56 Vitalis 133 Vitruv J3, 94, 100, 171 Vulkan 89 Yazid Ben Halim Youssef 250

177

Zeus 14 Ziriden 145, 152, 177 Ziyadat Allah I. 176, 177, 206, 208

Orte, Länder Adjin 224 Agbia 282 Aghir 244,286 Ägypten 12, 50, 136, 173, 175, 176, 213, 229 Aiguilles 281 Ain Aied-Quelle 91 Ain Djoukal-Quelle 91 AinDraham 288 Ain El Hammam 103 Ain Mizeb 99 Ain Okteur 279 Ain Sebaa 281 Ain Tounga 281 Aioun Ameur 287 Alexandrien 78, 94, 169, 205, 208, 216 Algerien 77, 79, 145, 179 Algier 247 Amadera 288 Andalusien 183 Antiodiia 78 Argos 82 Ariana 142, 280 Athen 47,56,215 Atlas-Gebirge 232, 247, 257 Bagdad 180,181 Bardo 142, 150, 173, 280 (Museum s. Tunis)

Beja 281 Beja, Fluß 104 Ben Gardane 285 Beni Barka 227 Ben Metir 288 Biban-See 225 Biserta 248 ff., 258, 261, 264, 265, 273, 280 (Abb. /70) Bildet 287 Bordj Castille 223, 286 Bordj Cedria 275 Bordj Djillidj 286 Bordj Hammam 288 Bordj Younga 285 Bordj Kebili 272 Bordsdi Dschedid 55 Bou Ficha 282 Bou-Grara-Golf 138,223 Britannien 9 Bulla Regia 92, 104 ff., 281, 288 (Abb. 89-91) Cagliari 258 Cap Blanc 175,250,280 Capsa s. Gafsa Cedriane 286 Cekhira 285 Ceuta 208 Chaffar 285 Chebika 287 Chemtou 75 Chenini 227, 228, 273, 286 (Färbt. X X V II I, Abb. 161, 162) Chergui 218 Cirta 92, 124, 246

Djebel Nador 250 Djebel Orbate 230 Djebel Rebia 104 Djebel Sidi Bou Hellal 242 Djebel Tebaga 232, 245, 287 Djeffara-Ebene 219, 225,

*57. 285 Djerba 222 ff., 241, 258, 261, 269, 264, 265, 273, 277, 285, 286 (Färbt. X X V II ; Abb. 198-160) Djerid-Oasen 241 ff. Djeziret 211 f. Djorf 138, 285, 286 Dougga (Thugga) 76,92 ff., 123, 131, 132, 142, 282, 283 (Färbt. I, II, IV; Abb. 79-87) Douiret 227, 228, 286 Douz 265,272,287 (Färbt. X X ) Dyr el-Kef, Berg 247 El Aouina (Flughafen)

142,

El Attaia 219 El Bahira 141, 142 El Djem (Thysdrus) /94 ff., 173, 202, 203, 269, 265, 284, 285 (Abb. 112-119) El Faouar 287 El Guettar 231 El Hamma bei Gabes 243, 286 El Hamma du Djerid 241, 243, 287 El Haouira 279 (Abb. 60) El Kantaoui 283 Dahar-Gebirge 219, 221, El Kantara-Continent 286 225, 228, 286 El Kantara-Ile 223, 286 Damaskus 175 El May 286 Degache 242, 287 El Menssof 241 Delphi 56 El Oudiane 241, 242 Enfidaville 263, 282, 283 Dermesch 275 Djebel Abiod 279 Ephesus 212 Djebel Bou Kornine 279, 282 Epidauros 82, 89 Djebel Chambi 257, 283 Eryx 246 Djebel Cherichera 202 Es-Zahra 275 Djebel En Negueb 287 Fatnassa 246 Djebel Goraa 282 Feriana 130,287,288 Djebel Kebir 250

293

R E G IS T E R : O R T E , L Ä N D E R Fes 143 Foum Tatahouine 265, 286

226,

227,

Gabes 219ff., 232, 258, 264, 265, 273, 274, 285, 286 ( A b b . 129, i 30)

Gades (Cadiz) 9 Gafsa (Capsa) 218, 219, 229ff., 232, 241, 258, 264, 265,273,287 ( A b b . 1 6 7 - 1 6 9 ) Gammarth 47, 142 Genua 258 Gharbi 218 Ghardaia 224 Ghar el Kebir 83, 279 Ghar El Melh 250,280 Ghoumarassen 227, 229, 286 ( A b b . 16 j , 1 6 4 )

Gighti

ij7ff-, 285

(Abb. 131-133)

Girba 222, 223 Griechenland 203 Grombalia 282 Guellala 76,224/., 286 Guermessa 227, 228, 286 (F ärbt. X X V I )

Hadjeb El Aioun 283 Hadrumetum s. Sousse Hammada 123 Hammam-Lif 275,279,282 Hammamet 261, 273, 279, 280, 282, 283 (F ärbt. X I , X I I )

H ara Kebira 223, 286 H ara Srira 223, 286 Hergla 282, 283 ( U m s c h l a g ­ rückseite; A b b . 178)

Himera 15 Hippo Diarrhytos 248 Hippo Regius 92 Hirbat al-Mafgar 214 Hoggar-Gebirge 242 Houmt-Souk 222, 223, 224, 258, 272, 286 (F ärbt. X X V I I )

Italien 203,215 Ismit 212

294

Jendouba 281, 288 Jerusalem 15, 176, 223 Kairo

143, 150, 176, 209,

214

Kairouan 142, 143, 145, 1 73 ff., 206, 208, 210, 212, 214, 217, 2 6 3 , 264, 265, 273, 283 ( F ä r b t . X I V - X V I ; A b b . 13 4 - 1 4 3 )

Kalaa 145 Kalaat es Senam

248

(A bb. i i o , i n ) Kap Bon 82, 8 3 f . ,

261, 279 ( F ä r b t .

257, 258,

V I;

A b b . 39)

Kap Negro 28 t Kap Serrat 252, 281 Karthago 9 ff., 3 2 g . , 82, 83, 84,91,92,104,122,125,129, 133. 134. l l 6>x37>H 1. x43> 145, 150, 169, 172, 173, 1)79, 212, 216, 227, 246, 248, 2 6 2 } . , 275, 283 ( F ä r b t . I I I ; A b b . 10-28)

Kasserine 133, 273, 283, 287, 288 ( A b b . 8 8 ) Kbor Klib 283 ( A b b . 108, 109)

Kebili 230,232,245,246,287 Kelibia 150,279 Kerkennah-Inseln 2 1 8 /., 285 Kerkouan 8 2 j f . , 2 7 9 ( A b b . 6 i ) Ketama 212 Khalled-Ebene 94, 96, 282 Kirchaoua 285 Köln 203 Konstantinopel 131, 136, 149 . 175

Korba 279 Korbous 279 ( A b b . 3 9 ) Kos 89 Kreta 169 Kriz 241, 242, 245, 287 Kroumir 257 Ksar Haddada 272, 286 Ksar Hallouf 286 Ksar Ouled Debbab 272 Ksour Essaf 285

La Galita 250,252 La Goulette 56,141,147, 150, 258, 275 La Malga 54,55 La Marsa 274,275 La Seghia 286 Lambaesis 130 Le Kef (Sicca Veneria) 92, 2 4 6 ff., 273, 281, 282, 288 (Abb. 1 0 7 ) Le Kram 10,12,47,275 Le Krib 282 Leptis Magna 169, 219, 220 Les Chenes 288 Libyen 285 Lixus 9 London, Britisches Museum 102 Lyon 56 Mahares 285 Mahboubine 224,286 Mahdia 150, 176, 177, 2 1 2 g . , 264, 284 (Abb. 1 4 7 - 1 3 1 ) Maktar (Mactaris) 76, 92, 1 22 ff., 134, 172, 2 6 3 , 283 (Abb. 9 2 - 1 0 1 ) Manouba 142, 149 Mareth 285 Marokko 9, 145, 179, 212,

2I3

Marrakesch 176 Marseille 258 Mateur 280 Matmata 122, 221, 273, 285, 286 (Färbt. X X I I - X X I V ; Abb. 133-137) Mauretanien 104, 242 Medewine 226, 227, 274, 285, 286 ( A b b . 1 2 7 , 1 2 8 ) Medes 219, 287 Medina 173, 174, 176 Medjerda, Fluß 10, 79 ff., 89, 122, 247, 249, 257, 281 Medjez el Bab 281 Mekka 173, 174, 175, 176, 184 Mekna 281 Mellegue, Fluß 79 Mellita 286

Melos 205 Meninx 222, 223, 286 Mergoum 265 Metameur 226, 285 Metlaoui 231,244,287 Mezzouna 232 Midoun 286 Mogod 250, 257 Mohammedia 91 Moknine 263 Monastir 209 ff., 263, 264, 273, 284 CUmschlagvorder­ seite; Abb. 144-146) Moulares 231, 287 M’Sila 145 Musti 98, 282 (Abb. 71-74) Mzara 281

Persien 173 Phönizien 50, 78 Piräus 215 Pompeji 121 Porto Farina 184,250 Pozzuoli 135 Protville 280 Rades 273,275 Raf Raf 250, 280 Ras Dimasse 284 Ras El Aioun 287 Ras el-Alia 79 Ras Tourguenes 224, 286 Redeyef 231, 287 Rom 46, 51, 54, 74, 77, 78, 80, 97, 101, 125, 130, 132, 135. 136> 137. i 3 8>

Nabeul 225, 258, 264, 265, 273. 2 7 9 (Abb. 62, 63) N akta 285 Neapel 135,147,173,205, 258 Nefta 241, 244/., 261, 265, 272,287 (Färbt. X V I I - X I X ; Abb. 163) Nefzaoua-Dasen 241,244/.,

f 8?.

Négrine 232 Nemlet 243 Numidien 53, 124 Olympia 11 Ostia 121, 130, 135, 202 Oudna 91 Oudref 232, 265 Oued Derb 283 Oued el Kebir 281 Oued Marguellil 177 Oued Melah 231 Oued Mellègue 282 Oued Nonta 202 Oued Sbeitla 131,132 Oued Seldja 231 Oued Zeroud 177 Ouled Najed 242 Palästina 229 Palermo 258 Peloponnes 169

173, 202, 205, 212, 227, 242 Sabria 245, 287 Sahara 122, 219, 232 ff. (Färbt. X X , X X I, X X V ) Salambo 12, 275 Samarra 214 Sardinien 203 Sbeitla (Sufetula) 76, 130 ff., 172,231,283 (Abb. 102-106) Schott El Djerid 232, 246, 260, 286, 287 Schott El Fedjedj 232,245, 246 Schott El Rharsa 231,232, 287 Sebkha Kelbja 283 Sebkha er Riana 47 Sebkha Sedjoumi 142 Sebkha Sidi El Hani 283 Sedjenane 280, 281 Seibouse 281 Seldja-Schludit 231, 287 Sfax 132, 134, 173, 2i;ff., 225, 231, 258, 263, 264, 265, 273,284,285 (Abb. 132-134) Sicca Veneria s. Le Kef Sidi Ali El Mekki 250, 280 Sidi Bou Ali 283 Sidi Bou Said 150, 131, 275 (Färbt. X; Abb. 8,9) Sidi Daoud 279

Sidi Mahrez 223, 286 Sidi Mansur 229 Sidi Mechrig 281 Sidi Youssef 219 Sihana, Fluß 79 Sijilmassa 213 Siliana 128, 129, 283 Sizilien 15, 49, 83, 94, 147, 176, 203, 207 Skanes 284 Soliman 279, 282 Sousse (Hadrumetum) 130, 135, 142, 173, 179, 202)}., 209, 214, 216, 219, 231, 258, 261, 263, 264, 273, 283, 284 (Färbt. XIII; Abb. 116-126) Spanien 248, 250 Sufetula s. Sbeitla Syrakus 47, 83, 141, 248 Syrien 173, 229 Tabarka 250, 265, 281, 288 (Abb. i j i ) Tacapae 219, 220 Tadjerouine 248, 288 Taenia-Halbinsel 147 Takrouna 282 Tamara 281 Tamerza 243, 287 Tapurura 216 Tartessos 9 Tebessa (Theveste) 92, 104, 130, 282 Tebourba 89 Teboursouk 104, 282 Teboursouk-Berge 247 Telmine 246 Tessa, Fluß 79 Thabraca 52 Thaenae 52, 216, 219, 285 Testour 281 Thala 283, 288 Thapsus 129, 212, 284 Thelepte 130,133,288 Theveste s. Tebessa Thigibba 123 Thuburbo Majus 76, 83 ff., 131, 172, 204, 282, 283 (Abb. 66-jo) Thuburbo Minor 89

295

R E G IS T E R : O R T E , L Ä N D E R Thugga s. Dougga Thyna 285 Thysdrus s. EI Djem Timgad 130,247 Tipasa 223 >Tisch des Jugurtha< 248, 288 (Abb. 110, m ) Toujane 221, 286 Tozeur 241, 249/., 245, 261, 265, 287 (Abb. 166) Trapani 258 Tripolis 219 Tripolitanien 53, 104 Troja 11

296

Tunis 78, 91, 92, 141 ff., 132, 177, 218, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 274, 277}·, 279. *8° (Färbt. V II-IX ; Abb. 1-7) - Bardo-Museum 12, 80, 85, 89, 92, I O I , 103, 122, 128, 133, 136, 138, i j o, 173, 20s, 2 I J , 242, 262, 281 (Abb. 29-36) Tyros 9, 10, 76, 212, 246 Ugarit 14 Upenna 282

Uruk 169 Utica 9, 10, 53, 78ff., 129, 142, 263, 280 (Abb. 37, 38) Wadi Saboun

127

Zaghouan 90 ff., 282 (Farbt. V; Abb. 64, 63) Zaghouan-Berge 55,78,90/., 283 Zama 92, 129, 130, 202, 218, 283 Zarzis 223, 223, 261, 285, 286 Zypern 10, 246 Zyrenaika 219

Zeittafel zur Geschichte Tunesiens

Vorzeit und karthagische Epoche bis um 146 v. Chr.

Altpaläolithische Ctfpsien-Kultur im Gesamtgebiet Tunesiens. Um ioooo v. Chr. Auftreten des Volksstammes der Berber mit hamitischer Sprache, ihre Siedlungsgebiete längs der Nordafrikaküste und im Hinterland. Um 1200 v. Chr. erste tyrische Handelsfaktoreien bis Lixus, Cadix und im Zinnland Britannien. 814 v. Chr. Gründung Karthagos, Beginn der Welt­ stadt Karthago, die seit dem 2. Jh. v. Chr. mit Rom um die Vormacht im westlichen Mittelmeer kämpft. Drei Punische Kriege (264/241; 218/202; 149/146). 146 wird Karthago zerstört.

Römer ab 146 v. Chr bis 439 n. Chr.

Karthagos Staatsgebiet wird römische Provinz Africa. Der Numidier Ju­ gurtha wird 105 v. Chr. besiegt, Juba I. und II. bleiben unter Roms H err­ schaft quasi selbständig, bis 46 v. Chr. Numidien römische Provinz wird, Cäsar und Augustus bauen Karthago neu auf, es wird Provinzhauptstadt der Getreideprovinz Africa proconsularis. Aufschwung und Blüte zur Kaiserzeit. Das römische Nordafrika überragt kulturell zeitweise selbst die italischen Provinzen. Römerorte entstehen allenthalben mit Theatern, Thermen und pompösen Villen, prachtvollste Mosaike werden gelegt. Seit dem 2. Jh. hat das Christentum großen Einfluß. Erste Bistümer bis in die Oasenorte entstehen.

Vandalen und Byzantiner von 439 bis um 640

439 nehmen König Geiserichs Vandalen Karthago, machen es zur H aupt­ stadt und plündern von hier aus 455 Rom. In die Unruhen und Zwistig­ keiten mit aufsässigen Berberfürsten stoßen die Heerhaufen des oströmi­ schen Kaisers Justinian unter dem Feldherrn Beiisar und nehmen 534 Karthago, das jetzt zum Exarchat Ostroms wird. Viele Kirchenbauten oft auf antiken Fundamenten und mit antiken Bauteilen entstehen.

Araber

Um 647 Einmarsch der Araberheere unter Okba ben Nafi von Ägypten aus, Gründung von Kairouan 671; die Berber werden oft gewaltsam islamisiert. Ab 800 bis 909 Kämpfe mit Sizilien. Ribats, Wasserbehälter, Moscheen entstehen, in der Religion herrscht die strenge malekitisch-orthodoxe Glaubensauffassung vor.

Fatlmlden und Ziriden von 910 bis 1140

Emir Obeid Allah Mahdi verlegt 910 seine Residenz nach Mahdia, von da 969 nach Kairo. Die arabische Provinz Ifrikia wird ziridisch und wohlhabend trotz gelegentlicher Einfälle räuberischer Hillal. Erst die sizilischen Normannen nehmen rr48 Mahdia.

Almohaden und Hafsiden von 1141 bis 1529

Aus Marokko kommend erobert El Mumen ganz Nordafrika, im tunesi­ schen Teil des Großreiches macht sich 1230 der Hafside Mostansir selb­ ständig und wird später Kalif. Das Land blüht auf, es gibt bald rege H an­ delsbeziehungen auch mit Europa. Bald aber wird das Hafsidenreich in den Machtkampf zwischen Spanien und der Türkei gezogen.

Husseiniten ab 1529 bis um 1878

Die im Aufträge des Sultans in Konstantinopel operierenden Seeräuber Barberousse nehmen 1529 erst Algier, dann Biserta und Tunis. Im Gegen­ zug erobern christliche Heere 1535 Tunis und Nordafrika, der Hafside Muley Hassan kommt an die Macht, bis 1569 die Türken Tunis erobern, 1573 Don Juan d’Austria, 1574 wieder die Türken. Sie bleiben die näch­ sten 300 Jahre. Paschas und Deys (Beys) regieren und powern das Land aus. 1702 entsteht nach einem Staatsstreich eine türkische Janitscharenrepublik. Weder sie noch die folgenden husseinitischen Herrscher können den wirtschaftlichen Niedergang aufhalten.

Französisches Protektorat ab 1881 bis 1956

Deutschland und England stimmen auf dem Berliner Kongreß 1878 einer französischen Besetzung von Tunesien zu. Das zerrüttete tunesische Fi­ nanzwesen wird in Ordnung gebracht, das Land modernsiert und zu einem relativen Wohlstand geführt. Ein neu erwachtes arabisches National­ bewußtsein fordert in der Neo Destour-Partei für Tunesien die staatliche Unabhängigkeit. Während des 2. Weltkrieges besetzen 1942/43 deutsche Truppen des Afrikakorps das Land. Nach ihrem Abzug verstärkt sich die Opposition gegen Frankreich.

Republik von 1956 bis heute

Unter dem Führer der Neo Destour-Partei, Habib Bourguiba, wird am 20. März 1956 Tunesien unabhängig und unter seiner Führung zu einer präsidialen Republik. Seit 1969 gibt es einen Ministerpräsidenten. Die neue Verfassung seit 1957 bestimmt, daß Tunesien ein freier, unabhängiger und souveräner Staat ist, der Islam Staatsreligion, das Arabische Staats­ sprache und seine Regierungsform die republikanische.

Über das Buch: Tunesien gehört seit je zu den beliebtesten Urlaubsgebieten. Der Erholungssuchende findet einen strahlend blauen Himmel und weite Sandbuchten, dazu den Zauber orienta­ lischen Lebens und die Faszination der Wüste mit ihren Palmen-Oasen und Salzseen. Wer dieses Land und seine Menschen näher kennen und verstehen lernen will, sieht sich mit den Zeugnissen einer 3000jährigen Geschichte konfrontiert: Um 1100 v. Chr. drangen aus Tyros stammende Phönizier in das von Ber­ bern bewohnte Gebiet ein; ihre Nach­ fahren gründeten Karthago, das, im 2. Jh. v. Chr. schon eine Weltstadt mit 70 000 Einwohnern, selbst Rom gefähr­ lich wurde. Im Dritten Punischen Krieg wurde Karthago von den Römern er­ obert und zerstört, Tunesien wurde rö­ mische Kolonie und eine der Kornkam­ mern Roms. Karthago war bald ein Mit­ telpunkt römischer Kultur und neben Alexandria die bedeutendste Stadt in Afrika; Augustinus predigte hier. Im 7. Jahrhundert beginnt mit dem An­ sturm der Araber die islamische Epoche in der Geschichte Tunesiens; Kairouan, eine der vier heiligen Städte des Islam und bedeutender Wallfahrtsort, wird gegründet, Tunesien wird Ausgangs­ punkt der Eroberungszüge des Islam. Die Stadt Tunis ist im Mittelalter ein Zentrum islamischer Gelehrsamkeit. 1574 erobern Türken das Land und herr­ schen dort für 300 Jahre. 1871 erst wird Tunesien wieder autonom, seit 1957 ist es Republik. Entsprechend den drei großen Kultur­ epochen des Landes, sind die Reiserou­ ten angelegt: die erste führt zu den phönizischen Städten Karthago, Utica und Kerkouan - faszinierende Stelen, Sarko­ phage, Masken, Schalen und Terrakot­

ten bezeugen ihre einstige Bedeutung. Der zweite Reiseweg gilt den Römer­ städten und ihren Tempeln und Ther­ men, Theatern und Villen mit den kost­ baren Mosaiken. Der dritte Weg führt zu den Hauptorten des Islam - Tunis, Sidi Bou Said, Sousse, Kairouan, die Insel Djerba und vielen anderen - mit ihren Moscheen und Basaren, Märkten und Gassen und weiter bis zu den Höhlensiedlungen im Gebiet der Vor­ sahara. —Seine besondere Aufgabe hat der Verfasser darin gesehen, Querver­ bindungen herzustellen zwischen Ge­ genwart und Vergangenheit, die kultu­ rellen Zeugnisse einzuordnen in den lebensvollen Hintergrund. Der Gelbe Teil des Buches bietet neben einer Landeskunde und Vorschlägen für Einzelrouten Hinweise auf Klima, Kleidung und Ausrüstung sowie Essen und Trinken nebst Gesundheitsregeln und gibt Ratschläge, wie man im Lande praktisch reist.

Über den Autor: Hans Strelocke lebt zur Zeit in Berlin, studierte in Heidel­ berg und ist Mitarbeiter zahlreicher Zeitschriften und beim Funk. Viele Rei­ sen führten ihn durch Europa, vor allem in den Mittelmeerraum und nach Nordafrika, nach Nordamerika, zu den Antillen und nach Südostasien. In der Reihe DuMont Kunst-Reiseführer er­ schienen von Hans Strelocke die Bände: Algerien. Von den Stätten der Römer zu den Tuaregs der zentralen Sahara (1974), Ägypten. Geschichte, Kunst und Kultur im Niltal, vom Reich der Pharaonen bis zur Gegenwart (1976), Mallorca/Menorca. Ein Begleiter zu den kulturellen Stätten und landschaftlichen Schönheiten der gro­ ßen Balearen-Inseln (1981) und Portugal. Vom Algarve zum Minho (1982).

100 Seiten mit 28 mehrfarbigen und 178 einfarbigen Abbildungen, 78 Zeichnungen und Plänen im Text