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German Pages [596] Year 2016
Tschechisches Glas
Studien zur Kunst 35
Verena Wasmuth
Tschechisches Glas Künstlerische Gestaltung im Sozialismus
2016 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Alexander Tutsek-Stiftung, München, und des Schroubek-Fonds Östliches Europa, München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Standbild aus Pavel Kouteckýs Dokumentarfilm „Dialog“ über die Zusammenarbeit zwischen dem Glaskünstler René Roubíček und dem Glasmachermeister Josef Rozinek von 1982, © Pavel Koutecký
© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Claudia Holtermann, Bonn Satz: Peter Kniesche Mediendesign, Weeze Druck und Bindung: Strauss, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50170-9
Inhalt VORWORT........................................................................................................... 9 1 EINLEITUNG.................................................................................................. 13 1.1 Forschungsgegenstand, Fragestellung und Zielsetzung ............................... 13 1.2 Forschungsstand, Quellen und Quellenkritik............................................. 19 1.3 Zusätzliche Quellen, methodischer Zugang, Begriffsklärung...................... 25 2 ÜBERBLICK: HISTORISCHER STANDORT MIT OPTIMALER INFRASTRUKTUR.......................................................................................... 31 2.1 Nutzung vorhandener Rohstoffe ................................................................ 31 2.2 Der Handel mit Glaserzeugnissen .............................................................. 34 2.3 Exportabhängigkeit.................................................................................... 37 2.4 Glaskunstoffensive in der Zwischenkriegszeit ............................................. 39 2.5 Systematische Ausbildung von Fachkräften – Glasfachschulen und die Kunstgewerbeschule................................................................................... 43 2.6 Glasproduktion in der Protektoratszeit ...................................................... 49 2.7 Die unmittelbare Nachkriegszeit: Deutsche in der Glasregion.................... 58 3 GLASINDUSTRIE UND FORMGESTALTUNG IM PLANWIRTSCHAFTLICHEN SYSTEM ........................................................... 63 3.1 Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen................................................ 63 3.1.1 Nationalisierung der Betriebe und Auswechseln der Funktionäre .... 63 3.1.2 Nach der Vertreibung – Neues Personal in Glasbetrieben ................ 73 3.1.3 Inbetriebnahme der Produktion nach 1945...................................... 83 3.1.4 Parteipolitik und industrielle Formgestaltung – Berührungspunkte und Interessen.................................................... 87 3.1.5 Skloprojekt – Planmäßige Gestaltung von Glaserzeugungsbetrieben.................................................................. 98 3.2 Produktgestaltung im Sozialismus.............................................................. 101 3.3 Ökonomischer Stellenwert für den Export ................................................ 112 3.3.1 Einbindung der Glasindustrie in den RGW – Export in Mitgliedsländer................................................................................ 113 3.3.2 Skloexport........................................................................................ 123
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4 AUSBILDUNGSSTÄTTEN FÜR GLASGESTALTUNG – LEHRZEIT DER GLASKUNSTSZENE ....................................................................................... 138 4.1 Sozialistisches Schulwesen.......................................................................... 143 4.2 Die drei Glasfachschulen ......................................................................... 155 4.2.1 Glasfachschule Kamenicky´ Sˇenov.................................................... 159 4.2.2 Glasfachschule Novy´ Bor................................................................. 174 4.2.3 Glasfachschule Železny´ Brod........................................................... 181 4.3 Die Kunstgewerbehochschule in Prag......................................................... 194 4.4 Ausbildungsförderung und Bildungschancen für Glasgestalter.................... 217 4.4.1 Staatliche und betriebliche Förderprogramme für Studenten der Kunstgewerbehochschule........................................................... 218 4.4.2 Chancengleichheit in einer traditionell männlichen Domäne? – Zur Position weiblicher Glasgestalter ............................................... 224 5 GLASKUNST IM GEFÜGE DER KULTURPOLITIK ........................................ 232 5.1 Kulturpolitische Richtlinien ...................................................................... 233 5.1.1 Stellenwert der Glaskunst im sozialistischen Kulturbetrieb .............. 236 5.1.2 Glaskunst und bildende Kunst ........................................................ 244 5.1.3 Autorenschaffen – Individualisierung der Entwürfe.......................... 246 5.1.4 Politische und politisierte Glaskunst – Zur Verflechtung von Kultur und Politik ........................................................................... 250 5.2 Staatliche Verbände und Fördereinrichtungen für Glaskünstler.................. 274 5.2.1 Künstlerverbände............................................................................. 275 5.2.2 Ehrentitel und staatliche Auszeichnungen........................................ 279 5.2.3 ÚVS und ÚBOK ............................................................................ 284 5.2.4 ÚLUV und ÚURˇ ............................................................................ 293 5.2.5 Tschechoslowakische Fachzeitschriften zur Glasgestaltung ............... 298 5.3 Auftragskunst – Glaskunst im öffentlichen Raum....................................... 304 6 AUSSTELLUNGSWESEN – GLASKUNST IM SPANNUNGSFELD WIRTSCHAFTLICHER UND KULTURELLER IMPULSE ................................ 327 6.1 Akteure des Ausstellungswesens – Institutionelle Präsentationsstrategien .............................................................................. 332 6.1.1 Das Prager Kunstgewerbemuseum ................................................... 340 6.1.2 Glasmuseen in der Tschechoslowakei .............................................. 355 6.2 Kulturdiplomatischer Dialog und Wettbewerb – propagandistische und kommerzielle Ausstellungsstrategien im Ausland................................. 361 6.2.1 Glasexponate im Rampenlicht internationaler Ausstellungen........... 362 6.2.2 Kulturaustausch mit befreundeten Staaten ...................................... 401 6.2.3 Privilegien für Ausstellungsteilnehmer – Reisen zu den Ausrichtungsorten ........................................................................... 412 6.3 Art Centrum – Handel mit Glaskunst........................................................ 422
Inhalt | 7
6.3.1 Ausstellungen als Devisenbringer..................................................... 430 6.3.2 Vermittlung von internationalen Aufträgen ..................................... 434
7 FAZIT .............................................................................................................. 438 ANHANG............................................................................................................. 443 Abkürzungsverzeichnis....................................................................................... 445 Ortsnamenkonkordanz...................................................................................... 446 Quellen- und Literaturverzeichnis ..................................................................... 449 Standorte der Glasarbeiten tschechischer Künstler im öffentlichen Raum aus den Jahren 1950–1989 ................................................................................ 500 Personenregister................................................................................................. 516
Meinen Eltern und meinen Kindern
VORWORT
Das Manuskript zum vorliegenden Band wurde im Februar 2014 unter dem Titel „Tschechisches Glas. Rahmenbedingungen, Interdependenzen und Leitmotive künstlerischer Gestaltung im Sozialismus“ abgeschlossen und Ende September desselben Jahres als Dissertation am Institut für Geschichtswissenschaften, Philosophische Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin angenommen. Für den Druck wurde es geringfügig überarbeitet. Mit fünfundzwanzigjährigem Abstand zum Untersuchungszeitraum liefert die Publikation erstmals eine ausführliche Gesamtdarstellung der Leitlinien und Leitmotive künstlerischer Glasgestaltung in der Tschechoslowakei zwischen 1945 und 1989. Sie zeichnet die Evolution eines künstlerischen Phänomens in dieser hoch ideologisierten Zeit der massiven parteipolitischen Einflussnahme auf alle gesellschaftlichen Bereiche nach. Die Auseinandersetzung mit diesem vergleichsweise unbekannten Kunstgenre begann für mich 1998, als ich für ein halbes Jahr im Düsseldorfer Kunstmuseum1 eine umfangreiche Privatsammlung von Entwurfszeichnungen tschechischer Künstler zu Glasobjekten katalogisieren durfte.2 Im Umgang mit den mehr als 2.000 Skizzen gewann ich einen ersten Eindruck von der Vielseitigkeit der Autoren, mehr aber noch ein Gefühl für den abstrakten Charakter dieser Arbeiten, der meine bestehende Annahme widerlegte, bei Glas aus den böhmischen Ländern handle es sich lediglich um geschliffenes Bleikristall. In kuratorischer Funktion für die Steinberg Foundation betreute ich wenig später die wohl größte Privatsammlung tschechischen Glases der Jahre 1945 bis 1980. Die meisten Glasobjekte dieser Sammlung waren zum damaligen Zeitpunkt unpubliziert und die dürftige Quellenlage stellte sich als Hemmnis für eine wissenschaftliche Archivierung dar. Mein Entschluss, eine Dissertation über tschechische Glasgestaltung der sozialistischen Jahre zu verfassen, entstand in dieser Zeit und sollte mich über die nächsten Jahre beschäftigen. Im Winter 2002 fuhr ich zum ersten Mal nach Prag, um mit der von Anfang an breit angelegten Zeitzeugenbefragung zu beginnen. Die im Zusammenhang mit zahlreichen späteren Reisen in die Tschechische Republik gewonnenen Erkenntnisse – nicht zuletzt durch viele Interviews und die Teilnahme an zwei Symposien in Nový Bor und Kamenický Šenov – beleuchteten für mich anschaulich die Verhältnisse vor Ort. Von Herzen danke ich den Glaskünstlern Prof. Václav Cigler, Jan Fišar (†), František Janák, Vladimír Jelínek, Marta Kerhartová-Peřínková, Vladimír Klein, Prof. Vladimír Kopecký, Miluše Roubíčková und ihrem Mann René Roubíček, Dana Vachtová, Karel Wünsch sowie Jiřina Žertová für ihre Gesprächsbereitschaft und die zahlreichen hilf1 Heute Stiftung Museum Kunstpalast, Glasmuseum Hentrich. 2 Eine Auswahl der Blätter wurde mittlerweile in Form einer CD-ROM als Beilage für den Ausstellungskatalog „Czech Glass 1945–1980, Design in an Age of Adversity“ publiziert. Das Konvolut befindet sich heute im Besitz der Rakow Research Library des Corning Museum of Glass, Corning, New York.
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reichen Hinweise, die sich nicht in schriftlichen Quellen finden ließen. Vor allem dem mittlerweile verstorbenen Prof. Jiří Harcuba bin ich zu großem Dank verpflichtet, da er sich über ganze Tage – und dies wiederholt – meinen Fragen stellte. Der Fachschullehrer und ehemalige Graveur Václav Hubert, wie auch der Glasschleifer Čeněk Michut und der Technologe Rudolf Hais lieferten viele wertvolle Informationen über die Produktionsbedingungen in den Staatsbetrieben und die Tätigkeit des Außenhandelsunternehmens Skloexport. Die langjährig für das moderne Glas zuständige Kuratorin am Prager Kunstgewerbemuseum, Ph.Dr. Alena Adlerová, ließ mich großzügig an ihrem Wissen teilhaben. Ihr Nachfolger in dieser Position, Milan Hlaveš, Ph.D., wie auch dessen Kollege Ph.Dr. Jan Schöttner, Ph.D., ermöglichten mir Zugang zum Depot und Archiv des Hauses, wofür ihnen spezieller Dank gebührt. Wichtige Auskünfte über den Glaskunsthandel erhielt ich von dem 2013 verstorbenen JUDr. Ivo Digrin, Gründer des Art Centrums, dessen langjähriger Mitarbeiterin und Ehefrau Alena Digrinová, seinem Nachfolger, dem 2012 verstorbenen JUDr. Hubert S. Matějček, sowie Jitka Pokorná, die für Art Centrum den Überseemarkt betreute und nach 1989 eine eigene Galerie eröffnete. Eliška Stölting aus Hamburg und Dr. Alfred Dittrich aus Wien gaben mir Einblicke in die Nachwendeentwicklung des Kunsthandels mit Glasobjekten. Am Institut für Ostmitteleuropäische Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin fand ich in Prof. em. Dr. Günter Schödl einen Doktorvater, der mein Promotionsvorhaben mit vielen Anregungen und persönlichem Engagement gefördert hat. Auch nach seiner Emeritierung erklärte er sich freundlicherweise dazu bereit, meine zwecks Familiengründung über längere Zeit unterbrochene Arbeit weiterhin zu betreuen. Dafür bin ich ihm zu außerordentlichem Dank verpflichtet. Des Weiteren gilt mein herzlicher Dank Prof. Dr. Michaela Marek, ebenfalls Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Osteuropäische Kunstgeschichte, die mir mit konstruktivem Rat zur Seite stand und manch hilfreichen Kontakt hergestellt hat. Den Zugang zu Originalzeitschriften für viele der Reproduktionen gewährten mir freundlicherweise Katrin Krell und Thorsten Krause von der Sammlung Industrielle Gestaltung, Haus der Geschichte, Berlin. Bei der Bereitstellung von Bildmaterial und der Erteilung von Reproduktionsgenehmigungen besonders behilflich waren Mgr. Petra Ajšmanová, Vladimír Brok, Mary B. Chervenak, Franco Deboni, Dagmar Dományová, Marie Erml, Ivo Gil, Christian Günther, Andrea von Hafenbrödl, Ivan Hoffmann, Stanislava Kellnerová, Horst Kolberg, Pavel Kopřiva Ph.D, Adéla Krátká Viceníková, Milan Hlaveš, Ph.D, Mag. Thomas Matyk, MgA. Michal Motyčka, Magda Nemcová, Ph.Dr. Petr Nový, Tina Oldknow, Hana Pakrová, Michal Polma, Marie Pospíšilová, Ivana Quilezová, Karel Sieber, Dr. Marcela Stránská, Kristián Suda, Gabriel Urbánek und Pavel Vančát. Für fachlichen Rat danke ich herzlich Eva Schmitt, Freiburg, und Dr. Helmut Ricke, Düsseldorf, der das Manuskript vor der Drucklegung durchlas. Einen großen Dank schulde ich Dr. Lambert von Grasern von der Steinberg Foundation, der mir nicht nur Zugang zu dem Archiv von deren Sammlung gewährte, sondern meine Dissertation mit einem Stipendium unterstützt hat. Der Alexander Tusek-Stiftung und dem Schroubek Fonds Östliches Europa danke ich für die finanzielle Unterstützung mit
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der sie die Drucklegung meiner Dissertation ermöglicht haben. An dieser Stelle möchte ich mich auch für die bewilligten Fördermittel für Archiv- und Forschungsreisen bei der Philosphischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin bedanken. Elena Mohr vom Böhlau Verlag hat mich entgegenkommend betreut und die Drucklegung mit Weitsicht koordiniert, wofür ich ihr verbunden bin. Dr. Daniel Zeise und Claudia Holtermann danke ich für die sprachlichen Korrekturen. Uneingeschränkte Dankbarkeit gilt meinem Mann Felix für seine fortwährende Unterstützung. Berlin, im September 2015
1 EINLEITUNG
1.1 Forschungsgegenstand, Fragestellung und Zielsetzung Die künstlerische Gestaltung von Glas erlebte in der „sozialistischen“1 Tschechoslowakei eine Blütezeit. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich junge Gestalter nach Kriegsende dem freien Arbeiten mit diesem Material zuwandten, war Ausdruck eines innovativen Anspruchs, der sich auf jeden anderen Werkstoff der bildenden Kunst beziehen ließe. Auf dem Weg des experimentellen Industriedesigns von den späten 1940er Jahren bis Mitte der 1950er Jahre entwarfen Glaskünstler eine bildnerische Formensprache, die sich als logische Konsequenz der systematischen Anwendung traditioneller Handwerkstechniken definierte, ohne dem sozialistischen Realismus anzuhaften.2 Teller, Vasen, Schalen oder Becher wurden bemalt, geätzt, graviert oder geschnitten, meist mit abstrahierten und abstrakten Motiven, und damit als unkonventionelle Projektionsfläche für autarke Bildwerke genutzt. Ihr dezidiert künstlerischer Anspruch löste sie aus dem Bereich des Kunsthandwerks. Niemand würde auf die Idee kommen, in diese Objekte Blumen zu stellen oder Äpfel zu legen, obgleich sie als Konsumgüter beworben wurden.3 Im planwirtschaftlichen System sollten diese modernen Gestaltungsmaßnahmen unter der Ägide staatlicher Einrichtungen zeitgemäße Musterkollektionen für die Glasindustrie liefern und so den kommerziellen Absatzmarkt erweitern. Mit Einleitung der Entstalinisierung durch Chruščëv und dem Einsetzen der Reformbestrebungen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre lösten Glaskünstler das Material zunehmend aus dem Diktat der Funktionalität und nutzten es bedingungslos für rein skulpturale Unikate. Sie schufen Plastiken mit einer „vierten Dimension“, der Transparenz, die optische Reflexe zuließen und ein Innenleben besaßen. Sie erkundeten die inspirierenden Eigenschaften des Glases, die Wirkung des Lichts auf seiner Oberfläche, das Verhältnis von Transparenz zum Raum, dessen Verzerren bei Durchsicht, das Durchdringen seiner Haut, seine Formbarkeit und Härte. Der Staat subventionierte die Herstellung dieser den offiziellen ikonografischen Empfehlungen so gar nicht entsprechenden Kunstwerke und bot damit einhergehend 1 Der mittlerweile durch inflationären Gebrauch regelrecht ausgefranste Begriff „sozialistisch“ wird den Zwecken der vorliegenden Untersuchung entsprechend im Regelfall wie „realsozialistisch“ auf die Tschechoslowakei bezogen. Der Begriff wird im Folgenden ohne Anführungsstriche verwendet. 2 Die Sehnsucht nach künstlerischer Freiheit führte in diesen Jahren zu einer umfangreichen Auseinandersetzung mit der Abstraktion, die in der bildenden Kunst mit Prädikaten wie Op Art, Konstruktivismus, Tachismus, Kinetik oder Informel geführt wird. 3 Der Begriff „Konsumgut“ wurde für diese Glasarbeiten vielfach verwendet. Er bleibt jedoch recht vage, denn die Funktionsebene genügt im Grunde nicht als kunsttheoretisches Kriterium, sondern sollte breiter gefasst als Definition der immerhin möglichen Funktionalität gelesen werden.
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eine berufliche Perspektive für Glasgestalter. Er stellte ein umfangreiches Ausbildungssystem zur Verfügung, innerhalb dessen sich eine regelrechte Szene von Glasschaffenden mit dichtem Beziehungsgeflecht formierte.4 Die dauerhafte Präsenz von Glaskunstwerken in zahlreichen öffentlichen Gebäuden, Hotels, Fabrikverwaltungen, Platzanlagen oder Prager U-Bahnhöfen bezeugt ihre Akzeptanz und Anerkennung.5 Künstler lieferten in staatlichem Auftrag zahllose Glaskunstwerke, die als Exponate bei Auslandsausstellungen das kommunistische Regime repräsentierten. Die in wirtschaftlicher Hinsicht werbewirksame und zur Steigerung des öffentlichen Renommees außenpolitisch vorteilhafte Instrumentalisierung des Ausstellungswesens führte damit unbeabsichtigt zur Emanzipation des traditionellen Berufes eines Mustermachers. Er avancierte zum impulsgebenden Gestaltungskünstler, dessen Arbeiten sich für harte Devisen vermarkten ließen. Der kreative Aufbruch der Glaskunstszene folgte auf den umfangreichen politisch-gesellschaftlichen Wandel nach Ende des Zweiten Weltkriegs, der eine Zäsur in der jahrhundertealten Tradition der Glasherstellung in den böhmischen Ländern setzte: Ausweisung der deutschen Glasmacher, Hütteneigner, Exporteure und Fachschuldozenten, Besiedlungspolitik und Personalaustausch, Nationalisierung der Glasindustrie und Handwerksbetriebe, Umstrukturierung des Schulwesens, nationalstaatliche Identitätsbildung, ideologische Neuausrichtung des Kulturbetriebs.6 Gleichzeitig markierte 4 Zeitgleich waren mehr als 200 künstlerische Glasgestalter in der Tschechoslowakei tätig. Die Wege der Protagonisten kreuzten sich immerzu. Viele Glaskünstler konnten auf langjährige Freundschaften aus ihrer Ausbildungszeit an den Glasfachschulen in Nordböhmen oder der Prager Kunstgewerbehochschule zurückblicken. Auch waren nicht wenige ihrer Mitglieder zeitweilig ein Liebespaar oder miteinander verheiratet, wie Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová (deren Vater ebenfalls Glaskünstler und Dozent war), Oldřich Lipsky und Jaromira Lipská-Straková, Václav Cigler und Zdenka Strobachová, René Roubíček und Miluše Roubíčková, Jan Fišar und Eliška Rožatová, Bohumil Eliáš und Kapka Toušková oder Marian Karel und Dana Zámečníková. Außerdem gab es enge Freundschaften zwischen den Mitgliedern der „ersten“ Generation und den jüngeren Gestaltern, die in einer Art Mentorenschaft, wie zwischen Josef Kaplický und Václav Cigler in der Anfangsphase oder René Roubíček und Borek Šípek in späterer Zeit, zum Ausdruck kam. 5 Im Anhang stellt die vorliegende Arbeit erstmalig eine Übersicht der Glaskunstwerke tschechischer Gestalter im öffentlichen Raum zur Verfügung. 6 Die geschichtswissenschaftlichen Standardwerke erlauben einen fundierten Zugang zum Zeitgeschehen, behandeln aber dessen Auswirkungen auf Glasproduktion und künstlerische Glasgestaltung nur peripher (vgl. Rauschning 1960; Bosl 1970; Kaplan 1981; Hacker 1983; Prinz 1988; Teichova 1988; Brandes 1988; Hoensch 1992; Prinz 1993; Schödl 1995; Hoensch 1997; Seibt 1998; Seibt 2002). Eine Ausnahme stellt die breit angelegte Untersuchung von Kurt Pittrof dar, die mit dem Jahr 1939 endet (Pittrof 1987; vgl. auch das Personen- und Firmenverzeichnis: Hartmann C. 2004). Auch die Publikationen zu den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaftssysteme im Reichsgau Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren betrachten diese nicht explizit (vgl. Brandes 1969; Fleischer 1999; Gebhart 1999; Brandes 2001; Glettler/Liptak/Míšková 2004). Jüngere Untersuchungen zu Ansiedlung und neuen Strukturen in den ehemaligen Sudetengebieten nehmen ebenfalls keinen dezidierten Bezug auf diesen Wirtschaftszweig und dessen Rolle im „kulturellen Aufbau“ der ersten Nachkriegsjahre. Allerdings liefern sie ausführliche Informa-
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dieser Wandel den Ausgangspunkt eines künstlerischen Phänomens, dem insbesondere angesichts der historischen Relevanz des Wirtschaftsfaktors Glas eine Sonderstellung innerhalb der zeitgenössischen Kulturszene eingeräumt wurde. Die Einbindung akademischer Künstler in bestehende Betriebsstrukturen sollte einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau einer sozialistischen Kultur leisten.7 Viele Glaskünstler beschäftigten sich parallel zu ihrer Atelierarbeit mit industrieller Formgebung. Als angestellte oder freiberufliche Formgestalter lieferten sie Gebrauchsentwürfe für Trinkgarnituren, Vasen, Aschenbecher und andere funktionelle Haushaltsgläser. Ein zentraler Ansatzpunkt der vorliegenden Untersuchung ist deshalb die Betrachtung aller drei Betätigungsfelder der künstlerischen Glasgestaltung: Industriedesign, Kammerobjekt und Monumentalarbeit.8 In der Überwindung von Fachgrenzen des etablierten Kunstkanons erschließen sich so neue Forschungsperspektiven, die eine ausführliche Reflexion auf das breite Spektrum dieses Phänomens ermöglichen. Die verkrustete Struktur der Kulturszene beiderseits des Eisernen Vorhangs versah Kunst mit Überschriften und ordnete sie nach starren Rastern, in denen scharf unterschieden wurde zwischen bildender und angewandter Kunst.9 Gerade die traditionellen Medien der angewandten Künste, also des Kunstgewerbes und des Kunsthandwerks, wie Glas und Keramik, Buchumschlag-, Schmuck- und Textilgestaltung oder auch Plakatkunst, boten im kommunistischen Regime daher Möglichkeiten für nichtkonforme oder sogar kritische Haltungen. Da den kunstgewerblichen Disziplinen die Fähigkeit zu freiem künstlerischem Ausdruck abgesprochen wurde, standen diese weniger im Fokus der Zensoren. Außerdem förderte der Staat alle Bereiche der sogenannten „Volkskunst“, denn die Erhaltung kultureller Traditionen und die Betonung eines nationalen Stils dienten ideologisch als Legitimationsvehikel.10 Dies begünstigte das Entstehen der Sparte Glaskunst, zumal das Material als einheimisches Kulturgut betrachtet wurde. Ohne sich zu einem „Sammelbecken“ für regimekritische Künstler auszubilden, stellte sie eine Art Schutzraum für kreative Entfaltung in dem für die bildenden Künste viel stärker observierten Kulturbetrieb dar. Der tschechischen Glaskunst gelang es jedoch nicht nur, den gegebenen kulturpolitischen Rahmen zu weiten. Sie nahm die wegbereitende Rolle eines Pioniers in der
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tionen zum Umfang dieses tiefen Eingriffs in die Gesellschaftsstruktur der Region und beleuchten dessen Bedeutung für die gesamtstaatliche Entwicklung. Vgl. Arburg 2008; Wiedemann 2010. Vgl. Aust. In: FuZ 1956/57, o. S.; Šindelář. In: GR 7/1961, S. 204; Kelm 1971, S. 27; Dewetter/ Šimek 1986, S. 29; Wasmuth 2010, S. 485. Das Kombinieren dieser Betätigungsfelder, das Wandern von einem zum anderen, ist charakteristisches Merkmal dieser Kunstgattung. Crowley/Pavitt 2008, Einleitung; Wasmuth 2010, S. 481; Dietrich 2013, S. 29–41. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, auf welche Mechanismen man zugriff, um die böhmische Glastradition für die kulturpolitischen Anforderungen zur Identitätsbildung zu qualifizieren (Siehe Kapitel 5.1.1). Mit einer vergleichbaren Problemstellung sah sich bereits die Kunsthistoriografie der Ersten Republik konfrontiert. Vgl. Marek M. 2006.
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Entwicklung des globalen Glasschaffens ein.11 Sie hebt sich von den zeitgenössischen Erscheinungsformen und Spielarten dieser Kunstgattung in anderen Ländern ab und muss deshalb als eigenständiges Genre betrachtet werden. Maler, Bildhauer und Architekten wandten sich im europäischen Raum der Gestaltung von Glas zu, allerdings ohne sich auf dieses eine Arbeitsfeld festzulegen. Verkürzt dargestellt, lieferten sie Entwürfe für Manufakturen, die einen Gegenimpuls zur maschinellen Produktion setzen wollten und diese – mitunter in semiautomatischer Fertigung – in kleineren Serien auf den Markt brachten.12 Auch experimentierten bildende Künstler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchsweise mit dem Medium, sahen dies allerdings eher als Exkurs zu ihrem eigentlichen Schaffen.13 Vertreter der tschechischen Glaskunstszene hingegen konzentrierten sich in der Regel auf diesen einen Werkstoff.14 Sie beschäftigten sich professionell und zumeist kombiniert mit industrieller Formgestaltung, architekturgebundenen Glasarbeiten wie auch funktionsfreien Kammerobjekten. Überdies waren sie in der Lage, ihre Entwürfe selbstständig auszuführen. Neben einer Fachschulausbildung hatten die meisten von ihnen ein akademisches Studium in Glasgestaltung absolviert und konnten so auf eine fundierte Lehrzeit von mindestens zehn Jahren zu-
11 Dabei beobachteten tschechische Glaskünstler sehr genau, was ihre Mitstreiter in Skandinavien, Italien, England, Deutschland, Frankreich und später auch den USA taten. Im heutigen Verständnis beginnt „Glaskunst“ bereits bei Emile Gallé, Daum Frères & Cie. und Louis Comfort Tiffany, ferner Maurice Marinot und Jean Sala. 12 So entwarfen beispielsweise Tomaso Buzzi, Pietro Chiesa, Ludovico Diaz de Santillana, Anzolo Fuga, Luciano Gaspari, Riccardo Licata, Tyra Lundgren, Napoleone Martinuzzi, Mario Pinzoni, Gino Poli, Gio Ponti, Carlo Scarpa und Vinicio Vianello für zahlreiche Muraneser Glasmanufakturen. Die Plastiken des Kroaten Raoul Goldoni aus den 1960er und 1970er Jahren für Alfredo Barbini näherten sich dabei der Auffassung tschechischer Glaskünstler am meisten an. In Finnland waren Alva Aalto, Gunnel Nyman, Timo Sarpaneva und Tapio Wirkkala für Iittala Glasbruks tätig. Nyman designte neben Kaj Franck auch für Nuutajärvi Lasi. Der Illustrator Vicke Lindstrand arbeitete mehr als 20 Jahre für die schwedische Glashütte Kosta AB, für die auch Erik Höglund und Tyra Lundgren tätig waren. Künstlerische Impulse für die schwedische Orrefors Glasbruk AB kamen von Gunnar Cyrén, Edward Hald, Vicke Lindstrand, Nils Landberg, Ingeborg Lundin, Edvin Öhrström und Sven Palmqvist. In Deutschland sollten die frei am Ofen geformten Gläser des Direktors der Zwieseler Fachschule Bruno Mauder nicht unerwähnt bleiben, wie auch die Werkstatt für Glasschliff von Richard Süßmuth im schlesischen Penzig (Pieńsk). 13 Das in den frühen 1950er Jahren gegründete Centro Studio Pittori (später Fucina del Angeli) in Murano realisierte auf die Vermittlung von Peggy Guggenheim Entwürfe von Jean Arp, Georges Braque, Corrado Cagli, Alexander Calder, Marc Chagall, Max Ernst, Lucio Fontana, Renato Guttuso, Friedensreich Hundertwasser, Oskar Kokoschka, Le Corbusier, Fernand Léger, Sol LeWitt, Riccardo Licata, Pablo Picasso, Gio Ponti und Mark Tobey. Für eine detaillierte Betrachtung siehe Prati, Gianmaria: Egidio Costantini e i suoi artisti: sculture in vetro della Fucina degli Angeli (da Picasso a Fontana). 1954–1996. Ausstellungskatalog, hrsg. von der Fattidarte Associazione Culturale. Piacenza 1996. 14 Ausnahmen stellen Václav Cigler, Jiří Harcuba und Vladimír Kopecký dar, die sich gegen Ende der 1960er Jahre parallel auch anderen Gestaltungsfeldern zuwandten.
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rückblicken.15 Ihre Arbeiten zeichneten sich daher prinzipiell durch einen „zufallsfreien“ Gestaltungsansatz aus. Dabei fand auch das Experimentieren mit der Glasmasse unter Berücksichtigung erlernter technologischer Prozesse und methodisch angeeigneter Techniken statt. Zumeist griffen sie bei der Umsetzung ihrer Entwürfe auf das umfangreiche Netz von Glasmachern und Technologen in den staatlichen Betrieben zurück. In wechselseitig inspirierender Teamarbeit entstanden so Glaskunstwerke unter Bedingungen, die nirgendwo sonst auf der Welt in dieser optimalen Beschaffenheit verfügbar waren, auch angesichts der Zugriffsmöglichkeit auf die Bandbreite der Veredelungsverfahren. Die Inanspruchnahme der betrieblichen Infrastruktur war subventioniert, zumal sie in Einklang mit dem parteipolitisch gewünschten Kollektivschaffen stand. Für freischaffende Glaskünstler, die sogenannte „kalte Techniken“ (Malerei, Ätzen, Kleben, Schliff, Schnitt, Sandstrahl, Diamantriss und Gravur) anwandten, war die Anschaffung von Rohlingen nicht nur mühelos möglich, sondern auch bezahlbar. In diesen zentralen Punkten unterschieden sich die Werke tschechischer Glaskünstler grundsätzlich von jenen der Studioglasbewegung, die in den 1960er Jahren in den USA aufkam. Diese folgte zunächst dem Grundsatz, individuelle Hüttengläser (Dekorations- und Bearbeitungsverfahren am heißen Glas) nach eigenem Entwurf in kleinen Atelieröfen zu realisieren und zwar ohne professionelle Hilfe.16 Ihre Anhänger waren Autodidakten, die das spontane Arbeiten und dessen Unikatcharakter als zentrales Kriterium auffassten. Diese Ideen verfolgte Erwin Eisch in Europa zeitgleich – ab 1960 betrieb er einen kleinen Ofen in Frauenau und gilt als entscheidender Impulsgeber der Bewegung – und sie wurden von den Studioglas-Protagonisten Volkhard Precht in der DDR17 sowie wenig später Åsa Brand in Schweden, Samuel J. Herman in England, Sybren Valkema in den Niederlanden und anderen aufgegriffen. In den 1970er Jahren, als tschechische Glaskunstwerke unterschiedlichster Herstellungsart zunehmend in musealen Ausstellungsprojekten im Westen präsentiert wurden, erweiterte sich der Begriff des Studioglases auf die kalten Techniken und Kleinserien und sprach zahlreiche Kunsthandwerker an.18 Mit zunehmender Aufweichung der ursprünglichen Definition wur15 Viele von ihnen konnten zusätzlich eine dreijährige Betriebslehre, ein dreijähriges Postgraduiertenstudium oder eine langjährige Betriebspraxis vorweisen. Siehe Kapitel 4. 16 Der Begriff leitet sich von dem transportablen Studioglasofen her, den Harvey K. Littleton 1962 in Toledo vorführte. Frantz 1989, S. 206/207; Ricke 1990, S. 15; Schack von Wittenau 2005, S. 9. Zu einer ausführlichen Begriffseinführung siehe auch Dietrich 2013, S. 23–27. 17 Precht hatte keine Kenntnis von der zeitgleichen Bewegung in den Vereinigten Staaten. Ricke 1989, S. 258; Dietrich 2013, S. 13, 27. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Precht gut mit der Entwicklung im Nachbarland vertraut war. Als Leser der Glasrevue (schriftliche Auskunft Sophia Dietrich, 12.05.2009) waren ihm vermutlich die Arbeitsmethoden der Hütte in Škrdlovice bekannt. Ein Umstand, den Dietrich in ihrer Precht-Biografie (Dietrich 2013) nicht benennt. Vgl. Digrin. In: GR 11/1955, S. 21; Kapitel 2.6, Anm. 141, S. 56. 18 Die Exponate tschechischer Autoren gaben Impulse für diese Verschiebung. Auch durch die wachsende Zahl von Exilanten wurden Techniken, die in der sozialistischen Tschechoslowakei Verwendung fanden, Studioglaskünstlern und Kunsthandwerkern im Ausland nähergebracht. Vgl. Petrová 2007, S. 12.
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den Studioglaskünstler in den 1980er Jahren erstmalig mit der Forderung konfrontiert, sich mit den etablierten Maßstäben des Kunstschaffens messen zu lassen. Ihre Arbeiten sollten sich von der materialimmanenten Ästhetik lösen und als „Neues Glas“ eigenständige künstlerische Aussagen formulieren.19 Diese Anforderung hatten tschechische Glaskünstler, unter Anwendung eines universellen Kunstbegriffs, schon 30 Jahre zuvor an ihr Œuvre gestellt.20 Die tschechische Glaskunst entstand in einer hoch ideologisierten Zeit der massiven politischen Einflussnahme auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Ihre Akteure nutzten glücklich das Ineinandergreifen vorhandener Vorurteile gegenüber dem Werkstoff, die rapide Gefährdung der ökonomischen Strukturen und den Bedarf der kommunistischen Regierung an Argumenten für die Legitimation ihrer eigenen Ziele. Durch eine Neuinterpretation überkommener Kunstbegriffe, kulturpolitischer Leitlinien und planwirtschaftlicher Vorgaben konnten systemimmanente Widersprüche zugunsten künstlerischer Tätigkeitsfelder erschlossen und schließlich ausgehebelt werden. Ohne die nationalisierten Glasbetriebe, akademischen Lehranstalten, staatlichen Kulturinstitutionen, die Aufträge für ambitionierte Bauprojekte sowie das Ausstellungswesen als Werkzeug des Exporthandels, des Kulturaustauschs und der Öffentlichkeitsarbeit wäre die tschechische Glaskunst allerdings nie in ihrer Komplexität entstanden. Deshalb soll der zentralen Frage nachgegangen werden, ob die Evolution dieser Kunstgattung von der mannigfaltigen Übereinstimmung staatlicher und individueller Interessen begünstigt und eventuell erst ermöglicht wurde. 19 Für einen Zugang zu den diversen Ansätzen dieser Diskussion siehe Ricke 1983, S. 67–77; Schack zu Wittenau 2005, S. 10–14. Beide Begriffe, „Studioglas“ und „Neues Glas“, wurden seitdem in der Glasliteratur synonym für das moderne Glasschaffen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendet, ohne eine Differenzierung vorzunehmen. 20 Vgl. die Arbeiten der Glaskünstler Jaroslava Brychtová, Václav Cigler, Vladimír Kopecký, Jan Kotík, Stanislav Libenský, Věra Lišková, Jan Novotný, Miluše Roubíčková und René Roubíček, Zdenka Strobachová, František Tejml, Dana Vachtová oder Jiřina Žertová, die in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre – und teils früher – entstanden. Aufgrund der genannten ursprünglichen Definition und andersgearteten Kriterien ist der Begriff „Studioglas“ für die Arbeiten tschechischer Glaskünstler demzufolge nicht geeignet, zumal sie selbst sich nie als Studioglaskünstler bezeichneten (Künstlerinterviews; Petrová. In: NG 2/2004, S. 16). Die Glaskunstwerke Věra Liškovás kommen dem Studioglas noch am nächsten. Sie hatte sich bereits 1964 ein Atelier eingerichtet, in dem sie freigeformte Glasskulpturen aus vor der Flamme geblasenem Borosilikatglas (Laborglas) herstellte. Studioglaskünstler hätten zum damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit gehabt, dieses kostspielige Simex-Glas einzusetzen. Im Unterschied zu ihnen griff Lišková außerdem stets auf die Hilfe eines Assistenten zurück (Vgl. Kapitel 3.2, S. 111). Auch Jiří Šuhájek, der nach seinem Studienaufenthalt in London bei Samuel J. Herman aktuelle Aspekte der Studioglasbewegung aufgriff, nahm für seine Experimente mit Hüttenglas die Unterstützung des Moser-Kollektivs in Anspruch, das ihm in seiner Position als Betriebsgestalter zur Verfügung stand. Der „aufgeweichte“ Begriff der 1980er Jahre ließe sich lediglich auf die Brüder Kepka, die in den 1970er Jahren mit der Sandstrahltechnik in ihrer Familienwerkstatt experimentierten, retrospektiv anwenden (Vgl. Kapitel 6.2.1, Anm. 398, S. 397). Somit ist der Begriff „Glaskunst“ – nicht „Studioglas“ – der einzig richtige für das Genre, das Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. Vgl. Kapitel 5.1.3, S. 246 f.
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Die vorliegende Arbeit liefert eine detaillierte Analyse der Beschaffenheit dieser Interessen, ihrer Motivationen, Rahmenbedingungen und Interdependenzen. Sie stellt die vielschichtige Bedeutung der tschechischen Glaskunst als Forum für freie künstlerische Entfaltungsmöglichkeit in einem restriktiven Regime heraus. Dabei geht es nicht um eine stilistische Bewertung oder Kanonisierung dieses Genres, sondern in erster Linie um eine ausführliche Darstellung seines Unterbaus: der wirtschaftlichen, bildungs-, kultur- und parteipolitischen Leitmotive und Leitlinien. War das zentraladministrative System eine Art „Inkubator“ für die kreative Dynamik der Glaskunstszene? Welchen Anteil hatten staatliche Institutionen an ihrem Vorwärtskommen? Um welche Institutionen handelte es sich dabei und wo lagen ihre Aufgaben? War die Progression des Genres Brüchen unterworfen? Welche Auswirkungen hatten kulturpolitische Vorgaben und Voraussetzungen auf die Alltagskultur21 tschechischer Glaskunstschaffender? Welche Veränderungen brachte der politische Systemwechsel 1989 mit sich?
1.2 Forschungsstand, Quellen und Quellenkritik Die Begleitumstände des Entstehens der tschechischen Glaskunst in der sozialistischen Ära sind auch heute noch in der Tschechischen Republik relativ unbekannt. In Deutschland und auch anderswo weiß man ohnehin wenig über das Genre. Gebrauchsglasentwürfe für die industrielle Produktion und die damit betrauten staatlichen Fördereinrichtungen haben keinesfalls Eingang in zusammenfassende Designdokumentationen gefunden. Die international vorzufindenden Glasarbeiten tschechischer Künstler im öffentlichen Raum sind gegenwärtig ebenfalls zumeist noch unpubliziert. Unter Zeitgenossen war ein allgemeines Desinteresse nicht zuletzt der fehlenden Bereitschaft geschuldet, die Leistungen des gegnerischen Lagers im Kalten Krieg zu würdigen. Die tradierte Mutmaßung, die Kunstszene des jeweils anderen Lagers sei homogen gewesen, hat heute keine Gültigkeit mehr. Einen Anstoß zu diesem Umdenken hat Piotr Piotrowski gegeben, der das Kunstschaffen im östlichen Europa unter der Vorbedingung seiner geografischen und periodischen Vielfalt betrachtete und damit eine grundsätzliche kunsttheoretische und sozialwissenschaftliche Differenzierung zuließ, die den Beobachtungskriterien der westlichen Kunstkritik der Vorwendezeit wie auch der postsozialistischen Kunsthistoriografie flexibel begegnete.22 Der kunstwissenschaftliche Dis21 Die Untersuchung versteht sich nicht als soziologische oder ethnologische Subkultur- und Milieustudie. Im Mittelpunkt stehen die individuellen Lebenswelten, die anhand der Zeitzeugenaussagen veranschaulicht und unter Darstellung der rekonstruierbaren Lebenslage gedeutet werden. „Als Lebenslage gelten die sozialen, ökologischen und organismischen Lebensbedingungen eines Menschen. Als Lebenswelt gilt die subjektive Wirklichkeitskonstruktion eines Menschen.“ Vgl. Kraus, Björn: Erkennen und Entscheiden. Grundlagen und Konsequenzen eines erkenntnistheoretischen Konstruktivismus für die Soziale Arbeit. Weinheim/Basel 2013, S. 153. 22 Piotrowski berücksichtigte dabei allerdings nicht die Arbeiten tschechischer Glaskünstler. Vgl. Piotrowski 2009; vgl. auch Gilly 1980, Piotrowski 1999 und Piotrowski 2006.
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kurs spricht von einer „Zweistimmigkeit“ der Kunstrezeption, die sich nicht nur in der einseitigen Interpretation osteuropäischer Kunst auf Basis westlicher Kunstbegriffe und Theorien äußert, sondern auch auf das Dilemma der Kunstschaffenden hinweist, ihre Arbeiten an diesem Kanon messen zu lassen und selbst zu messen, um einer universellen Kunstauffassung zu entsprechen.23 Heute wird Kunst aus sozialistischen Ländern vielleicht nicht mehr bedenkenlos als „sozialistische Kunst“ wahrgenommen, als politisierte und damit instrumentalisierte Kunst. Die polarisierende Annahme, der Kulturbetrieb sei bis vor einem Vierteljahrhundert entlang der Grenzen des Eisernen Vorhangs geteilt gewesen – im Westen kommerzialisiert24, im Osten zentraladministriert25 – konnte dank einer Vielzahl von Publikationen, Fachsymposien und Ausstellungen zur Kunst des ehemaligen Ostblocks26 revidiert werden. Die künstlerische Gestaltung von Glas wurde dabei wegen ihrer Zuordnung in den kunstgewerblichen Bereich allerdings generell ausgeklammert. Andrzej Turowski wies darauf hin, dass der Diskurs über zentraleuropäische Kunst gerade durch eine Betrachtung der „Werke, die zuvor im Schatten geblieben waren“, erweitert werden könne.27 Oftmals konzentrierte sich der Schwerpunkt der bisherigen Forschung auf eine Betrachtung der Werke von Dissidenten und reduzierte so das Kulturschaffen unbeabsichtigt weiterhin auf dessen politischen Gehalt oder eben dessen Absenz.28 Die Hinwendung osteuropäischer bildender Künstler zur Abstraktion wurde 23 Vgl. Belting 1994, S. 60–67; Klivar 1999, S. 50–53; Piotrowski 1999, S. 35; Piotrowski 2006, S. 42–44, 49, 52–54; Orišková 2008, Einleitung und S. 94/95. 24 „Die Situation der Kunst ist im sozialistischen Staate eine andere als in einem kapitalistischen. Im kapitalistischen Staate ist sie zwangsläufig der Kommerzialisierung ausgesetzt. Sie ist Ware und Gegenstand von Finanzspekulationen und zudem Mittel des gesellschaftlichen Prestiges.“ (Chalupecký 1966, S. 6) Harcuba: „Das Positive war, dass jeder gesteuert wurde, nichts Kommerzielles zu machen. Und nicht einmal wollte. Die Schule hat ja auch gesagt, sie sei nicht dazu da, etwas zu machen, das keinen Wert hat, einen künstlerischen, und das war in dem Sinne eben anders als im Westen, wo jeder alles machen darf und die meisten immer das wählen, wo man mehr Geld bekommt. Man wurde erzogen in dem Sinn, dass man auf die Qualität achtet, nicht auf das Geld so sehr, nicht? Und das war eine gute Entwicklung, die zu etwas führte.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 25 Bei Ankunft der Exponate für die Ausstellung „Glass 1959“ im Corning Museum of Glass zeigten sich die Kuratoren zutiefst überrascht: „It was like receiving household goods from another planet.“ (Buechner 1994, S. 9) Das Konzept der von Tina Oldknow kuratierten Ausstellung „Glass behind the Iron Curtain“ im selben Museum im Jahr 2002 baute noch immer publikumswirksam auf dieser Bipolarität auf. In der Pressemitteilung zur Ausstellung vom 2. Januar 2002 schrieb Oldknow: „The artists worked under highly repressive conditions. To exhibit their work, they needed to cooperate with a political regime that demanded that art follow the dictates of Socialist Realism, a strictly narrative, representational style used to depict politically-approved subject matter. To be true to themselves, they needed the ability to create what they wanted, free from the constraints of political ideologies. And, in glass, they found a way to do this.“ Siehe auch: Oldknow. In: Glass 2/2005, S. 42. Ein Katalog wurde nicht produziert. 26 Als politisches Schlagwort für die Sowjetunion und die Länder unter ihrer Hegemonie bezieht sich der Begriff auf deren in allen gesellschaftlichen Bereichen geschlossen anmutende Formation. 27 Turowski 2006, S. 38–40; vgl. auch Romijn/Scott Smith/Segal 2012, S. 199 f. 28 Die Debatte fordert zu Recht eine differenzierte Betrachtung sogenannter „Dissidentenkunst“ und macht auf die vielfache Annäherung – mitunter hin zum Konsens – staatlicher und künstlerischer
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dabei als Hinwendung zur Tradition der Vorkriegs-Avantgarde begriffen und gleichlaufend als demonstrative Abkehr vom parteipolitisch sanktionierten Figurativem. Die abstrakte Bildsprache tschechischer Glaskunstwerke lässt sich allerdings nicht uneingeschränkt dieser Betrachtung beiordnen, auch wenn ungegenständliche Exponate bei Ausstellungen im Westen als Ausdruck der Rebellion oder des Freiheitsdranges, gar als „Vorboten der Zukunft“ interpretiert wurden.29 Durch ihr Verdienst um die Absatzsteigerung konventioneller Glasprodukte, den Fortbestand eines nationalen Kulturguts und das öffentliche Renommee des Regimes nahm tschechische Glaskunst eine gesonderte Position innerhalb der zeitgenössischen Kulturszene ein. Die kreative Dynamik abstrakter Tendenzen wurde in diesem Kontext staatlicherseits als zweckdienliches Instrumentarium begriffen und geduldet. Deshalb stellte die vermeintliche Dienstfertigkeit von Glasgestaltern bei der Ausführung parteipolitischer Belange durch die Übernahme von Aufträgen für die industrielle Produktion, Ausstellungen oder öffentliche Bauten nicht zwangsläufig eine Konformitätserklärung dar, ihr abstrakter Charakter darf aber auch nicht per se als Ausdruck einer oppositionellen Haltung interpretiert werden. Sie war vielmehr das Ergebnis der Suche nach einem kreativen Tätigkeitsbereich, in dem aktuelle Tendenzen des internationalen Kunstgeschehens nicht nur geduldet waren, sondern bereichert werden konnten.30 So stellte Helmut Ricke in seiner Analyse der damals neueren Glasgeschichte 1995 fest: „Anders als in der großen Kunst, für deren internationale Entwicklung die osteuropäischen Staaten keine bedeutende Rolle spielten, konnte daher in der Glaskunst ein sozialistisches Land die Führung für Europa übernehmen.“31 Als künstlerisches Phänomen mit grenzüberschreitender Geltung stellte das Genre eine Ausnahmeerscheinung im sozialistischen Kulturbetrieb dar und gibt Anlass, Aufnahme in aktuelle Debatten über „Ostkunst“32 zu finden. Indem die vorliegende Arbeit eine erste Gesamtdarstellung dieses Phänomens liefert, versucht sie, einen Anstoß dazu zu leisten. Beachtung fand die tschechische Glaskunst in der westlichen Historiografie lange nur seitens eines kleinen Fachpublikums. In den 1970er Jahren würdigten Ausstellun-
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Leitmotive aufmerksam. Vgl. Haraszti 1987; Piotrowski. In: ARS 2–3/1993, S. 231–242; Piotrowski 1994; Otáhal 2002 und 2011, Orišková 2008, hier besonders Kapitel 2; Piotrowski 2009, hier besonders Kapitel 7 und Kapitel 8, vgl. S. 245, 248–255, 317, 322–333; Bartošová 2010. Vgl. Ricke 2005a, S. 10; Zmeškalová 2012, S. 69. Nicht unberücksichtigt bleiben darf der Umstand, dass sie bei der Realisierung ihrer Entwürfe auf die Fachkräfte und Gerätschaften in den Herstellungsbetrieben sowie auf die Verfügbarkeit von Rohlingen angewiesen waren. Letzteres war für diejenigen Künstler bedeutsam, die ihre Arbeiten im eigenen Atelier ausführten. Ricke 1995, S. 258. Obgleich Ricke seinen Befund nicht weiter kommentiert und der tschechischen Glaskunst insgesamt nur einen Absatz in seiner Abhandlung widmet, gibt er als ausgemachter Kenner des Genres ein verlässliches Urteil. Ricke (geb. 1943) organisierte in den 38 Jahren seiner Tätigkeit am Kunstmuseum Düsseldorf über 70 Ausstellungen, davon allein 25 zu Themen der Glasgestaltung. Vgl. Kerssenbrock-Krosigk 2013, S. 22. Der Begriff wurde für Kunst aus Ländern des ehemaligen Ostblocks in Kontrastierung zur „Westkunst“ eingeführt.
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gen in westeuropäischen und amerikanischen Museen erstmals skulptural aufgefasste Glasarbeiten. Allerdings interpretierte man die in der Tschechoslowakei übliche „Teamarbeit“ bei der Realisierung dieser Werke abwertend als Hemmnis für eine eigenständige künstlerische Leistung.33 Die Begleitkataloge konzentrieren sich in zumeist kurz gehaltenen Texten auf eine stilistische und ikonologische Betrachtung der Exponate. Oftmals verfassten auch Mitarbeiter des Prager Kunstgewerbemuseums Katalogbeiträge für diese Ausstellungen.34 Ein Umstand, der auf den dürftigen Kenntnisstand westlicher Kuratoren der dortigen Szene als auch auf die fehlende Zugangsmöglichkeit zu verlässlichen Informationen aus dem „feindlichen Lager“ hindeutet. Bezeichnenderweise fällt der Beginn der Ausstellungsaktivitäten in den sogenannten „kapitalistischen Ländern“ in die Phase restaurativer Maßnahmen zur Restabilisierung des sozial-politischen Systems, die mit der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings einsetzte. Glasobjekte freischaffender Künstler, die sich konsequent gegen eine parallele Tätigkeit als industrielle Formgestalter entschieden hatten, fehlten nun in diesen Präsentationen.35 Immerhin wurden diejenigen von ihnen nach wie vor beteiligt, die sich im Rahmen der Ausstellungserfolge der 1950er und 1960er Jahre bereits am Kunstmarkt etabliert hatten. Obgleich die tschechische Glaskunst demnach eine internationale Bühne erhielt, repräsentieren die Ausstellungskataloge westlicher Museen der sozialistischen Jahre keinen authentischen Querschnitt der facettenreichen Gestaltungsinitiativen. Sie liefern darüber hinaus nur indiziert Auskunft über die Rahmenbedingungen, unter denen die Exponate entstanden, da staatliche Institutionen zensorisch zwischengeschaltet waren. Auch die Veröffentlichungen tschechischer Autoren aus kommunistischer Zeit schließen diese Lücken keinesfalls, obgleich seit Beginn der 1950er Jahre in beträchtlicher Quantität produziert. Zu den meisten Mono- und Gruppenschauen wurden kurze Kataloge herausgegeben, in denen der Bildanteil überwog. In der Regel gab eine Kurzeinführung Auskunft über die „ruhmreiche Tradition“ der Glasherstellung im Land und stellte die enge Verbundenheit mit dem Handwerklichen in den Mittelpunkt. Diese beiden Aspekte wurden schablonenhaft aufgegriffen und müssen als Hinweis auf eine gezielte Einflussnahme der Herausgeber auf die Verfasser dieser Texte gewertet werden. Die modernen Glasobjekte, eigentlicher Gegenstand dieser Publikationen, wurden lediglich hinsichtlich technologischer Herstellungsmerkmale oder bestenfalls ästhetischer Kriterien besprochen. So etablierte sich die tschechische Kunsthistoriografie nach 1948 als eine „streng wissenschaftliche“ Disziplin, in der ein theoretischer und methodologischer Diskurs wenig Raum fand.36 Als bedeutendste historische Quelle diente der vorliegenden Arbeit die Zeitschrift Tschechoslowakische Glasrevue, welche seit 1946 fortlaufend als Monatsheft publiziert
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Vgl. Netzer 1989, S. 198. Vgl. Kapitel 6.1.1. Vgl. Kapitel 6.2.1. Vgl. Bartlová 2012, S. 311.
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wurde.37 Mit einem Umfang von etwa 360 Seiten pro Jahrgang liefert sie eine annähernd vollständige Dokumentation über innovative Technologien, Produktionssortimente, den Bau neuer Betriebe, das Schaffen einzelner Künstler, Jubiläumsfeiern sowie Ausstellungen und macht den Leser mit den Entwicklungen des Glasschulwesens, Museumssammlungen, den Ergebnissen von Wettbewerben und Symposien bekannt. Als Werbeblatt für ausländische Abnehmer konzipiert, orientiert sich die Themenwahl an wirtschaftspolitischen Beweggründen. Gleichlaufend zeigt die Berichterstattung durch ihre Schwerpunktsetzung – aber auch durch den systematischen Ausschluss abzugleichender Sachverhalte und Künstler – das parteipolitisch gewünschte Bild dieser Kunstrichtung auf.38 Zusätzlich gaben zahlreiche tschechischsprachige Zeitschriften39, der Sammelband Ars vitraria. Sborník studií muzea skla a bižutérie v Jablonci nad Nisou (Jahrbuch der Studien des Museums für Glas und Bijouterie in Jablonec nad Nisou) sowie die Tageszeitung Rudé právo (Rotes Recht) Aufschlüsse über die zeitgenössische Auseinandersetzung mit den modernen Gestaltungsansätzen im Glas und trugen ergänzend zur Rekonstruktion relevanter Begebenheiten bei. Nach 1989 erschienen einige kunstwissenschaftliche Publikationen zum tschechischen Glas, allerdings vornehmlich in tschechischer oder englischer Sprache. Diese konzentrieren sich auf monothematische Schwerpunkte, wie Glastechnik oder Disziplin, bekannte Manufakturen, einzelne Lehrinstitutionen, das Schaffen einzelner Künstler, einer bestimmten Künstlergeneration oder periodisch eingegrenzte Etappen unter stilistischen Gesichtspunkten: Die Veröffentlichungen zu den drei nordböhmischen Glasfachschulen von Antonín Langhamer, teils gemeinsam mit Milan Hlaveš verfasst, dienen als informative Quelle für das Ausbildungssystem.40 Einen Überblick über die technologische und künstlerische Vielseitigkeit der Glasszene vermitteln die Kataloge zu Gruppenausstellungen und 37 Siehe Kapitel 5.2.5 zu dieser Publikation und anderen tschechoslowakischen Fachzeitschriften. Hier werden auch die verschiedenen Titel der Tschechoslowakischen Glasrevue dargestellt, die von 1992 bis 1998 als Neue Glasrevue erschien. Das Fachblatt erschien zunächst auf Englisch und Französisch, in den 1960er Jahren auch auf Deutsch, Spanisch, Italienisch und ab 1977 auf Russisch. Ungeachtet der zeitlichen Namenswechsel wird diese Zeitschrift im Folgenden stringent mit Glasrevue zitiert, als Onlineausgabe mit glassrevue.com. 38 Schwierig war die Suche nach allen Ausgaben dieser Fachzeitschrift, welche ich aber schließlich – fast lückenlos – im Hamburger Weltwirtschaftsarchiv kopieren konnte. 39 Tvář. Časopis pro užite uměni a prumyslove vytvarnictvi (Form. Zeitschrift für angewandte Kunst und industrielle Formgebung), Sklář a keramik. Odborný časopis pro průmysl skla, keramiky a bižuterie (Glas und Keramik. Fachzeitschrift für die Glas-, Keramik- und Schmuckindustrie), Umění a řemesla. Časopis pro otázky lidové výroby a uměleckého řemesla (Kunst und Kunsthandwerk. Magazin für Fragen zur Produktion von Kunst und Kunsthandwerk), Domov. Bytová kultura a technika v domácnosti (Heim. Wohnkultur und Technik im Heim), CID. Design v teorii a praxi (Design in Theorie und Praxis). 40 Langhamer 2002; Langhamer/Hlaveš 2006; Langhamer/Hlaveš 2010. Über die Zusammensetzung des Lehrkörpers an der Kunstgewerbehochschule in Prag gibt das Buch von Martina Pachmanová und Markéta Pražková Aufschluss. Die Glasateliers finden allerdings hier wenig Beachtung, da sich die Schilderung auf die postsozialistische Aktivität konzentriert. Vgl. Pachmanová 2005a.
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einige Monografien zu tschechischen Glaskünstlern.41 Das Werk Stanislav Libenskýs und Jaroslava Brychtovás, der wohl prominentesten Vertreter des Genres, wurde von Susanne K. Frantz, Milena Klasová und Thomáš Vlček ausführlich vorgestellt.42 Dem Beitrag tschechischer Glaskünstler am Erfolg der Brüsseler EXPO 58 sind zwei Aufsätze von Oldřich Palata in dem Ausstellungskatalog zum 60. Jubiläum dieser Weltausstellung gewidmet.43 Kennzeichnend für die postsozialistische Sekundärliteratur ist die Bestandssicherung, das gewissenhafte Referieren von Fakten, zumeist ohne Nennung von Quellen und Bezugnahme auf den historischen Kontext. Eine Ausnahme stellt dabei sicherlich Jan Mergls und Lenka Pánkovás Monografie über die Glashütte Moser dar, die Informationen aus dem firmeneigenen Archiv sowie einen Gesamtüberblick der Unternehmensgeschichte liefert.44 Aber auch hier überwiegt eine eher bruchstückhafte Bezugnahme auf die kulturpolitischen Realitäten, ohne deren Funktionen oder wechselseitigen Bedingungen zu prüfen. Der im Jahre 2001 erschienene bildreiche Band „Czech Glass“ von Sylva Petrová versucht eine Veranschaulichung des Genres unter werkimmanenten Aspekten und stellt einen Überblick über Biografien und Ausstellungen zur Verfügung.45 Dabei werden beiläufig Angaben über gängige Praktiken im Untersuchungszeitraum aus der persönlichen Sicht einer Insiderin geliefert, die zu überprüfen waren. Petrová klammert Entwürfe von Glaskünstlern für die Gebrauchsglasproduktion aus ihrer Untersuchung weitestgehend aus und betrachtet Auftragsarbeiten für Ausstellungen und öffentliche Gebäude vorwiegend unter stilistischen Gesichtspunkten. Die letzten drei Kapitel in Antonín Langhamers „The Legend of Bohemian Glass“ von 2003 beschäftigen sich nur sehr vordergründig mit den Glasarbeiten der genannten Gestalter und stellen im Grunde genommen ein Kondensat seiner Aufsätze der Vorwendezeit dar.46 Obgleich Langhamer architekturbezogene Glasarbeiten nur peripher behandelt, gebührt ihm das Verdienst, den Aspekt der industriellen Formgestaltung in seine Beobachtungen einzubeziehen, wenn auch stark komprimiert. Dessen ungeachtet werfen beide Bände bei konzentrierter Lektüre mehr Fragen zum Beobachtungszeitraum auf als dezidiert Antworten zu liefern. Ein tieferer Einblick in die historischen Zusammenhänge sowie eine Interpretation der Motive und Ursachenverknüpfungen fehlen gänzlich. Darüber hinaus versäumen beide
41 Beispielhaft seien hier genannt: Hošková 1994; Sekera/Šetlík 1998; Adlerová/Robinson/Šetlík/ Roubíček 1999; Erben/Frantz/Matoušek 1999; Warmus 2001; Merker 2003. 42 Frantz 1994; Klasová 2002; Vlček 2002. 43 Palata 2008a und Palata 2008b. 44 Mergl/Pánková 1997. 45 Petrová 2001. Petrová arbeitete langjährig als Kuratorin am Prager Kunstgewerbemuseum (vgl. Kapitel 6.1.1). Als Nachfolgeband ist ihr Buch „Czech and Slovak Glass in Exile“ konzipiert. Es beschäftigt sich mit den Einflüssen tschechischer und slowakischer Glaskünstler auf das internationale Glasschaffen sowie den individuellen Motivationen der Emigration: Petrová 2007. 46 Langhamer 2003. In den ersten neun Kapiteln betrachtet Langhamer historisches Glas. Siehe auch den Band: Langhamer/Vondruška 1991.
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Publikationen einen stringenten Belegnachweis. Da sie eher als Bildbände konzipiert wurden, ist ihnen dies aber auch kaum vorzuwerfen. Das bislang umfangreichste Buch zum tschechischen Glas der sozialistischen Ära ist der Katalog „Czech Glass. 1945–1980. Design in an Age of Adversity“ von 2005, herausgegeben von Helmut Ricke47. In sieben Aufsätzen vermitteln Autoren aus der Tschechischen Republik, Deutschland und den USA fundierte Auskünfte über ausgewählte Themen zum Beobachtungszeitraum. Der im Zusammenhang mit einer Wanderausstellung publizierte Band liefert neben zahlreichen Hintergrundinformationen einen biografischen Anhang und einen reichen Abbildungsteil. Anzumerken ist dagegen der kategorische Ausschluss der Nachkriegsgeneration mit Hinblick auf die hier gesetzten Eckdaten. Auch die beiden Arbeitsfelder Gebrauchsglasdesign und Glas in der Architektur finden nur vereinzelt Würdigung. In der Überblicksliteratur fehlt demnach nach wie vor eine zusammenhängende Darstellung der planwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion künstlerischer Entwürfe. Die Bedeutung der Glaskunst als Exponat im zwischenstaatlichen Kulturaustausch wurde bislang weitestgehend vernachlässigt, so auch ihre Position im Komplex der Auftragskunst und im staatlichen Kunsthandel.48 Alle genannten Publikationen klammern Glasarbeiten im Stil des sozialistischen Realismus grundsätzlich aus und entlarven so einen selektiven Interpretationsmechanismus, der einer systematischen Aufarbeitung des Genres widerspricht.
1.3 Zusätzliche Quellen, methodischer Zugang, Begriffsklärung Die lückenhafte Quellenlage genügte nicht für eine methodisch kontrollierte Untersuchung und Dokumentation des Genres Glaskunst. Da die Archivfonds der zuständigen staatlichen Institutionen, wie ČFVU, SČSVU, SČVU, ÚLUV, ÚUŘ, die der Ministerien für Leichtindustrie und Verbraucherindustrie, selbst der größte Teil des Fonds des Ministeriums für Schulwesen und Kultur nach wie vor unbearbeitet sind, war eine Einsichtnahme nach tschechischem Archivgesetz nicht durchführbar. Im Falle von ÚBOK gelten diese gar als vernichtet. Deshalb erwies sich die Einbeziehung von Zeitzeugeninterviews mit Künstlern, Glasmachern und Mitarbeitern institutioneller Einrichtungen als hilfreiche Ergänzung. Gleichzeitig sind die Interviews Grundlage für eine Analyse subjektiver Erfahrungen bei der Überwindung konkreter Barrieren oder dem Ausloten
47 Ricke 2005a. Die Katalogbeiträge finden sich in deutscher Sprache auf der beigegebenen CDROM. 48 Für einen ersten Einstieg in die Thematik siehe Wasmuth 2005 und Wasmuth 2010. Der ehemalige Generaldirektor der staatlichen Künstleragentur Art Centrum, Hubert S. Matějček, gab im Selbstverlag ein Büchlein mit seinen Erinnerungen heraus, das bei sorgfältigem Studium eine wertvolle Quelle für Umsatzzahlen und Ausstellungsfrequenzen ergab: Matějček 2003.
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systemimmanenter Spielräume im alltäglichen Berufsleben.49 Je nach Gesprächssituation wurde die Befragung leitfadenorientiert oder als narratives, also offenes Interview auf Deutsch oder Englisch geführt und in ihrer vollen Länge transkribiert.50 Ein zuvor entwickelter Fragebogen sollte als Basis für eine systematische Auswertung dienen.51 Doch mitunter verlief der Dialog an der so strukturierten Themensetzung vorbei. In diesen Fällen entfaltete sich das Gespräch zu einem eher monologischen Erzählen über Erlebnisse, die für den Befragten von größerer Bedeutung waren.52 Tatsächlich war es aber sehr schwierig, von Zeitzeugen verlässliche Informationen – insbesondere mit einem Abstand von damals fast 60 Jahren zum Einsetzen des Untersuchungszeitraums – zu erhalten. So erwies sich für eine Auswertung der geführten Interviews eine quellenkritische Analyse als nötig. Die biografischen Angaben waren mit anderen Quellen abzugleichen, dies anhand von Archivmaterial, Fotografien, Gesprächen mit anderen Interviewern und Aussagen anderer Zeitzeugen sowie der Sekundärliteratur.53 Erschwe49 Die Befragungen in der Tschechischen Republik fanden bei Forschungsreisen im Dezember 2002, Juni/Juli und Oktober 2003, Februar 2004, September 2005 sowie in Form von informellen Gesprächen bei zufällig entstandenen Gelegenheiten anlässlich von Symposien, Vernissagen und Archivbesuchen, auch in Berlin, statt. 50 Im Quellenverzeichnis sind diese gelistet. Das Interview mit Dana Vachtová sowie die Gespräche mit Jan Fišar und Vladimír Kopecký wurden auf Tschechisch geführt. Die ab 2003 in tschechischer Sprache in der Onlinezeitschrift glassrevue.com publizierten Interviews, welche in dieser Arbeit zitiert werden, wurden von der Autorin übersetzt. Um dem tschechischkundigen Leser ein inhaltliches Abgleichen zu ermöglichen, sind die URLs in der Bibliografie im Anhang aufgelistet. 51 Dieser Fragenkatalog wurde vor der ersten Interviewreise im Dezember 2002 mit der freundlichen Unterstützung von Dr. Helmut Fehr, seinerzeit als Privatdozent am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, entwickelt. Für die Vorbereitung und die Auswertung wurden folgende Handbücher konsultiert: Strobl, Rainer/Böttger, Andreas (Hg.): Wahre Geschichten? Zu Theorie und Praxis qualitativer Interviews. Baden-Baden 1996; Jureit, Ulrike: Erinnerungsmuster. Zur Methodik lebensgeschichtlicher Interviews mit Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager. Hamburg 1999; Schmidt-Lauber, Brigitta: „Das qualitative Interview oder Die Kunst des Reden-Lassens“. In: Göttsch, Silke/Lehmann, Albrecht (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. Berlin 2001, S. 165–196; Mayring, Philipp: Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim 2002; Fuchs-Heinritz, Werner: Biographische Forschung. Eine Einführung in Praxis und Methoden. 3. Aufl. Wiesbaden 2005, S. 287/288. 52 Ein Großteil der Zeitzeugen war zum Zeitpunkt der Befragung bereits über 70, teils über 80 Jahre alt. So verschob sich die Methodik zunehmend zu offenen Interviews, in denen die Befragten nach Setzen eines ersten Erzählimpulses („Wie sind Sie zum Glas gekommen?“) frei antworten konnten. Alle Angaben mussten unter der Prämisse betrachtet werden, dass sie aus der jeweiligen Gegenwartsperspektive erinnert und daher zwangsläufig als Ergebnis nachträglicher Reflektion geschildert wurden. 53 Die Sekundärliteratur zum Forschungsfeld stand in der Staatsbibliothek zu Berlin, der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin (Jakob-und-Wilhelm-GrimmZentrum), dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, der Sammlung Industrielle Gestaltung in Berlin und der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky in Hamburg zur Verfügung.
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rend für ein methodisches Auswerten der Interviews war zudem die Inhomogenität der befragten Gruppe. Dennoch geben die in Auszügen zitierten Angaben von Zeitzeugen wertvolle Aufschlüsse über den Betrachtungszeitraum, die sich eben nicht anhand von schriftlichen Quellen ermitteln lassen. Dies gilt vor allem mit Blick auf individuelle Motivation und Alltagsbewältigung.54 Die für den Untersuchungszeitraum charakteristische Divergenz von offizieller Lesart und subjektiver Wahrnehmung der zu betrachtenden Kunstwerke kann nur dargestellt werden, indem die vorliegende Arbeit Methoden der Geschichts- und Kunstwissenschaft synthetisiert.55 Am Anfang stand eine werkimmanente Bildanalyse der mehr als 2.000 Entwurfszeichnungen im Archiv des Düsseldorfer Kunstmuseums. Zusätzlich war eine umfangreiche Betrachtung der Glasarbeiten aller in der ehemaligen Tschechoslowakei aktiven Autoren für einen gültigen Querschnitt aller bedeutenden Künstler der Epoche sowie ihrer Œuvres zu leisten. Dabei blieb zu berücksichtigen, interpretatorische Aspekte zunächst auszuklammern, um einen authentischen Überblick über die stilistische und technologische Vielseitigkeit der Szene zu gewinnen. Die kuratorische Arbeit mit den über 400 Glasobjekten der Jahre 1940 bis 1980 im Besitz der Steinberg Foundation ergab einen ersten Eindruck. Wissend um die Gefahr der einseitigen Berichterstattung unter Konzentration auf nur eine Sammlung wurden die Bestände in den Magazinen des Düsseldorfer Glasmuseums Hentrich, des Leipziger Grassi Museums für Angewandte Kunst und des Prager Kunstgewerbemuseums (Uměleckoprůmyslové museum v Praze – UPM) für die vorliegende Untersuchung gesichtet. Die wohl größte Kollektion moderner tschechischer Glasarbeiten der 1940er und 1950er Jahre im UPM-Depot konnte so für die vorliegende Gesamtdarstellung berücksichtigt werden. Auch ein Besuch der Dauerausstellungen in Glasmuseen der Tschechischen Republik, Deutschland und Amerika war unverzichtbar für ein stimmiges Gesamtbild: Im Messepalast (Veletržní palác) der Prager Nationalgalerie (Národní galerie), in den Regionalmuseen von Nový Bor, Kamenický Šenov, Liberec, Brno, Pardubice und Schloss Bezdružice wurden eindrucksvolle Sammlungen tschechischen Glases der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammengetragen, doch deren Präsentation veranschaulicht bislang unzureichend den historischen Kontext ihres Entstehens. Im deutschen Sprachraum haben sich mit dem Glasmuseum Hentrich in Düsseldorf, dem Glasmuseum Frauenau und den Kunstsammlungen der Veste Coburg kleinere Sammlungen mit tschechischen Gläsern etabliert, denen in jüngerer Zeit auch neue Ausstellungsflächen zur 54 Auf inhaltliche Änderungen der Zeitzeugenaussagen wurde verzichtet, nur in begrenztem Ausmaß wurden sie behutsam stilistisch bearbeitet. Kleinste sprachliche Bestandteile wurden nicht berücksichtigt, nur besondere Betonungen, Pausen und Lacher. 55 Der Synthesebegriff ist in diesem Zusammenhang zweifach zu erläutern: Zum einen existiert für die Darstellung des Untersuchungszeitraums und der darin konkret betrachteten Entwicklung einer neuen Kunstform bereits eine klare Vorstellung seitens der Akteure beziehungsweise ihrer Rezensenten, die mit dem Anspruch versehen ist, gesellschaftliche oder kulturelle Wirklichkeitsbereiche angemessen zuzuordnen. Der zweite Synthesebegriff geht wesentlich weiter, denn er umfasst die Addition verschiedener Dimensionen dieser Entwicklung zu einer Gesamtdarstellung.
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Verfügung gestellt wurden.56 Außerhalb Europas hat das Corning Museum of Glass im Bundesstaat New York einen repräsentativen Querschnitt aus dem Schaffen bekannterer Künstler der Epoche akkumuliert. Für eine methodische Analyse der erworbenen Genreübersicht konnte über das Studium der bereits genannten schriftlichen Quellen hinaus das Archiv des Prager Kunstgewerbemuseums (UPM-Archiv) und das Archiv der Steinberg Foundation ausgewertet werden. Bislang nicht berücksichtigte Schriftstücke, Fotokopien und Fotografien aus diesen Archiven gaben als zusätzliche Quellen Auskunft über Akquisitionen und institutionelle Veranstaltungen.57 Die im UPM-Archiv eingesehenen – zumeist handschriftlichen – Karteikarten und nichtinventarisierten Akten ehemaliger Kuratoren halfen bei der Rekonstruktion biografischer Angaben. Bei der vorliegenden Forschungsarbeit handelt sich also um eine interdisziplinäre Untersuchung, deren Ergebnisse über die persönlichen Deutungs- und Handlungsmuster ihrer Akteure hinausgehen. Der historische Kontext wird dabei nicht nur als zeitgebundene Voraussetzung, sondern zum Verständnis der gesellschaftlichen Funktion und Stellung der tschechischen Glaskunst überprüft. Sie setzt die werkimmanente sowie eine hermeneutische Analyse, also eine „sinnverstehende Deutung und Interpretation sozialen Handelns“ 58, der Anwendung von grundsätzlicher Quellenabgleichung entgegen. Dies war unumgänglich, schon um subjektive und unbewusste Interpretationen zu reflektieren und zu prüfen. Zeitgenössische Quellen offizieller, also staatlicher Provenienz wurden zum Abgleich herangezogen. Deren Auswertung war mit Bedacht vorzunehmen, denn Themensetzung und Duktus verwiesen auf ihre ideologisch gleichgeschaltete Befangenheit. Prinzipiell war deshalb eine historisch-kritische Dechiffrierung der Publikationen aus sozialistischer Zeit unumgänglich. Es stellte sich die Aufgabe, einen Diskursstrang oder auch mehrere interferierende Diskursstränge historisch und gegenwartsbezogen zu analysieren, um so deren Bedeutung für diese Kunstsparte zu erfassen. Einzelne Kapitel beleuchten die Glasproduktion und ihre handelspolitische Stellung in der sozialistischen Planwirtschaft59, organisationsgeschichtliche Aspekte 56 Die grundlegend neugestalteten Räumlichkeiten des Glasmuseum Hentrich in Düsseldorf wurden nach Erweiterung um 450 Quadratmeter im April 2006 wieder für Besucher zugänglich gemacht. Die Leipziger Sammlung des Grassi Museum für Angewandte Kunst eröffnete im Dezember 2007 nach mehrjähriger Sanierung wieder, ist allerdings nur im Besitz weniger tschechischer Gläser aus dem Beobachtungszeitraum. Das Museum in Frauenau feierte die Wiedereröffnung nach umfangreichen Um- und Erweiterungsbauten im Juni 2005. Im Herbst 2008 eröffnete das Europäische Museum für Modernes Glas in Park Rosenau. In diesem neuen Museumstrakt zeigen die Kunstsammlungen der Veste Coburg ihren Bestand an modernem Glas. 57 Außerdem fanden sich dort neben tschechoslowakischen Fachzeitschriften auch zahlreiche Ausstellungskataloge und Art Centrum-Booklets, die in den konsultierten Bibliotheken nicht verfügbar waren. Vor der Drucklegung konnte ebenfalls das Archiv der Berliner Sammlung Industrielle Gestaltung nach Bildmaterial gesichtet werden. 58 Spiritová 2010, Anm. 138, S. 37. 59 Die Sekundärliteratur zum Untersuchungszeitraum 1945 bis 1989 erlaubt einen differenzierten Zugang zu den planwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Glasindustrie: Bosl 1970; Kelm
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der Rekrutierung und Ausbildung60, die Kulturpolitik61, das Ausstellungswesen62 und den institutionalisierten Kunsthandel unter Berücksichtigung aller drei Betätigungsfelder der Glaskunstschaffenden. Das themenbezogene Aufbrechen der chronologischen Zusammenhänge eröffnet einen neuen Blick auf die Strukturen, die den Rahmen der Kunstrichtung tschechisches Glas gebildet haben.63 Im folgenden Kapitel soll zunächst einleitend die historische und infrastrukturelle Ausgangslage für den Beobachtungszeitraum beschrieben werden. In diesem Kontext werden insbesondere die günstige geografische Lage der Tschechoslowakei sowie das förderliche Vorhandensein ihrer Handelsverbindungen und Rohstoffbestände herausgestellt. Die lange Tradition von Glasfachschulen und Genossenschaften mit kunstgewerblichem Engagement bildete das Fundament für die spätere Ausprägung der vitalen Glasszene des Landes. Zur Begriffsklärung sei vorangestellt, dass Ortsnamen in ihrer für den behandelten Zeitraum jeweils gültigen historischen Form verwendet werden.64 Einzige Ausnahme ist die alteingeführte deutsche Bezeichnung „Prag“ für „Praha“. Die Entscheidung für den Begriff „tschechisches Glas“ nimmt Ergebnisse vorweg, die sich aber im Laufe der Lektüre erschließen lassen. So wird der Begriff „böhmisches Glas“ in dieser Arbeit bewusst nicht verwendet. Er umfasst eine Reihe von Konnotationen, die im Zusammenhang mit seiner historischen Verwendung stehen und sich nicht ohne Vorbehalte für die Glasobjekte verwenden lassen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind. Im Übrigen kennzeichnet der Begriff „böhmisches Glas“ in erster Linie die geografische Herkunft des Produktes, wird jedoch traditionell oftmals auch für Glaserzeugnisse aus Mähren, Schlesien und der Slowakei verwendet.65 Die Bezeichnung umfasst jedoch weit mehr als den Herstellungsort, er beschreibt – wie auch der Begriff „böhmisches Kristall“ – ein Erzeugnis, das seit Jahrhunderten in den genannten Regionen manuell
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1971; Levčik/Stankovský 1977; Fojtik/Hartmann B./Schmid 1978; Kotula 1978; Hacker 1983; Brus 1986; Knorr 1988; Teichova 1988; Hoensch 1997; Herbst 1998; Boyer/Skyba 1999; KöhlerBaur 1999; Heumos 1999; Boyer 2006; Boyer 2008. Zum Aufbau sowie den diversen Reformen des Schulwesens der sozialistischen Tschechoslowakei siehe beispielsweise: Hübnerová 1958; Vodinsky 1963; Urban 1972; Jeník 1980; Göring 1992; Connelly 1999; Gawrecká 2011. Vgl. Hoensch 1983; Dau/Svatosch 1985; Dewetter/Šimek 1986; Beyrau/Bock 1988; Vodička 1996; Kadatz 1997; Lemberg/Křen/ Kováč 1998; Ševčík/Morganová/Dušková 2001 (Quellensammlung); Otáhal 2002; Bárta 2008; Bock 2008; Boyer 2008; Crowley/Pavitt 2008; Marek M. 2010b; Otáhal 2011; Zarecor 2011. Für eine Rekonstruktion der Ausstellungsaktivitäten wurde neben einer großen Anzahl von Ausstellungskatalogen, Schriftstücken im UPM-Archiv auch die Berichterstattung beziehungsweise Rezension in der tschechoslowakischen und ausländischen Presse geprüft. Dabei werden unvermeidbare Redundanzen durchdacht eingesetzt. Zur Orientierung dient eine Ortsnamenkonkordanz im Anhang. Der Grund dafür liegt in der historischen Bedeutung des Begriffes als Markenartikel mit kommerzieller Bedeutung. Bereits im Mittelalter wurden Glasprodukte weit über die Grenzen der Region hinaus erfolgreich exportiert.
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erzeugt wurde. Der Begriff „tschechisches Glas“ hingegen bezieht sich auf künstlerische Objekte wie auch kommerzielle Produkte aller Glassorten und -techniken, die in der sozialistischen Tschechoslowakei von tschechischen Entwerfern und Glaskünstlern hergestellt wurden.66 Da es im Tschechischen kein Wort für „böhmisch“ gibt, ist die Bezeichnung „tschechisches Glas“ ohnehin die einzig Richtige für die moderne Glaskunst aus der Tschechoslowakei. Amtlich wurde das Land von 1945 bis 1960 als Tschechoslowakische Republik (ČSR) und von 1960 bis 1990 als Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) bezeichnet. Da diese Differenzierung nicht nur den Textfluss regelmäßig stören würde, sondern auch mitunter Missverständnisse erzeugen könnte, wird aus Gründen der Praktikabilität ausschließlich der Begriff „Tschechoslowakei“ verwendet. Der Begriff „Autor“ neben den Begriffen „Glaskünstler“, „Gestalter“ und „Entwerfer“ bezieht sich auf die tschechische Anwendung und ist als „Urheber des Kunstwerks“ zu verstehen. Gestalter für die Glasindustrie bezeichneten ihren Beruf als „Formgestalter“ – das Aufgabenfeld wird heute durch die gebräuchliche Bezeichnung „Industriedesigner“ umrissen, von Gillo Dorfles bereits 1963 als jemand definiert, dessen Entwürfe folgende drei Voraussetzungen erfüllen: 1.) die Möglichkeit der Serienherstellung, 2.) die maschinelle Produktion und 3.) das Vorhandensein eines ästhetischen Faktors, der in dem ursprünglichen Entwurf enthalten sein sollte.67 Der Begriff des „Industriedesigners“ wurde in der Tschechoslowakei jedoch lange, wie auch in anderen sozialistischen Ländern, nur im Kontext absatzfördernder Marketingkampagnen verwendet, obgleich die meisten entstandenen Garnituren alle drei Forderungen vollständig erfüllten68. Er hätte wohl zu offensichtlich Assoziationen mit der „kapitalistischen“ Arbeitswelt hervorgerufen, welche als ausbeuterisch galt, und wurde deshalb als importierte Bezeichnung westlicher Provenienz abgelehnt.69 Dem Begriff „Formgestalter“ wurde in der Regel Vorzug gegeben.
66 Die Glasproduktion in Mähren und der Slowakei spielte nur eine nebengeordnete Rolle (siehe Die Entwicklung der Glasindustrie in der Slowakei. In: Danielis 1973, o. S.; siehe 30 Jahre. In: GR 8/1974 und Irmscher 1995, S. 28). Der Studiengang Glas in der Architektur an der Kunstakademie in Bratislava unter Leitung von Václav Cigler wurde im Übrigen erst 1965 eingeführt. Zum Begriff siehe auch Kapitel 6.2.1, Anm. 391, S. 395. 67 Vgl. Schack 1971, S. 46. 68 Anlässlich eines alljährlichen Wettbewerbs vergab der Rat für die Produktion bildender Künste (Rada výtvarné kultury výroby) seit 1966 den Titel „Ausgewählt für Czechoslovak Industrial Design“ (Vybráno pro CID) für herausragende Entwürfe aller Bereiche der Form-gestaltung. (siehe Kapitel 5.2.2) Der Begriff „Design“ taucht auch in der Glasrevue, da diese sich an den Einzelhandel im westlichen Ausland richtete, wiederholt auf. 69 Pachmanová 2005a, S. 73.
2 ÜBERBLICK: HISTORISCHER STANDORT MIT OPTIMALER INFRASTRUKTUR Die Anfänge der tschechischen Glaskunst in der sozialistischen Ära können vielschichtig betrachtet werden. Sie wurden von einer Reihe Faktoren begünstigt, mit denen diese Kunstform eng verknüpft war und auf die sie aufbauen konnte. Einerseits muss die moderne Glaskunst ab 1945 als bewusste Loslösung von der ruhmreichen Vergangenheit „böhmischen Kristalls“ gesehen werden1, andererseits gehört sie einer künstlerischen Disziplin an, welche durch die anwendbaren technischen Möglichkeiten der Glasherstellung eingeschränkt ist. Um ein Glaskunstwerk zu realisieren, bedurfte es der mehrjährigen Übung im Umgang mit dem Rohstoff beziehungsweise verlangte nach einem breiten Netzwerk bestehend aus den Zulieferern der Rohlinge, produktionstechnischen Anlagen und ausführenden Glasmachern. Diese Voraussetzungen für die fachmännische Umsetzung künstlerischer Entwürfe existierten traditionsbedingt in optimalem Umfang. Die lebendige Beziehung zwischen den Ausbildungsstätten und der Industrie sowie die langjährig angelegte umfangreiche Schulung von Facharbeitern wie auch Designern heben die moderne tschechische Glaskunst von der zeitgleichen Entwicklung in Italien und Skandinavien, den beiden anderen wichtigen Zentren für diese Kunstgattung im Nachkriegseuropa, ab. Die neuzeitliche tschechische Glaskunst wäre in ihrer expressiven Vielfalt und handwerklichen Qualität nicht entstanden ohne die gewachsene Infrastruktur, welche dem historischen Industriestandort der böhmischen Glasregion in beträchtlichem Ausmaß zur Verfügung stand.
2.1 Nutzung vorhandener Rohstoffe Glas wird aus Quarzsand hergestellt, der mit alkalischen Schmelzmitteln im Hüttenofen verflüssigt wird. In chemischer Hinsicht ist Glas ein kompliziertes Silikat, dessen Hauptbestandteile Kieselsäure, meist in Form von Quarz, ein Flussmittel zur Herbeiführung von Temperaturen um 1.500 °C, Karbonate, Nitrate und Sulfate von Alkalimetallen sind. Ein weiterer zentraler Bestandteil ist ein Stabilisator, der das Glas chemisch beständig macht, wie Blei, Zink oder Kalk. Physikalisch gesehen ist Glas eine überkühlte Flüssigkeit in festem Zustand.2 Die Herstellung von Glas gehört zu den ältesten Industriezweigen der Region. In der Šumava (Böhmerwald), der České středohoří (Böhmisches Mittelgebirge) mit der westlich anschließenden Lužické hory (Lausitzer Gebirge) bestanden bereits seit dem 13. Jahrhundert die ersten nachweisbaren Glashütten. Grundlage für die Ansiedelung 1 Siehe Kapitel 5.1.1. 2 Drahotová 1970, S. 9.
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glasproduzierender Betriebe war die vorhandene umfangreiche Rohstoffbasis. In der ganzen Region existierte reichlich Brennholz, das für die Befeuerung der Öfen unerlässlich war und das in einem zweiten Arbeitsgang zur Herstellung der Pottasche diente. Mit der Holzasche wurde eine Lauge hergestellt, die dann in eisernen Töpfen, sogenannten „Potten“3, eingedampft und zu Pottasche wurde. Holzpottasche diente als für die Schmelze notwendiges Flussmittel. Das Gewichtsverhältnis des Fertigproduktes Pottasche zum Holzeinsatz entsprach einer Relation von 1:2.000.4 Es ist wenig erstaunlich, dass sich die Versorgung der Glashütten mit Pottasche infolge von Holzmangel langfristig als schwierig herausstellte. Hatte eine Glashütte den Holzvorrat in ihrer Umgebung verbraucht, wurde sie an eine andere Stelle verlegt. Solche Umsiedelungen fanden je nach Holzreichtum nach ein bis drei Generationen wiederholt statt. Dass über Jahrhunderte hinweg unbeschränkt Raubbau am Wald betrieben werden konnte, erklärt sich aus den fehlenden Transportmöglichkeiten für diesen Rohstoff. Der einzige wirtschaftliche Nutzen, der aus dem riesigen Waldbesitz gezogen werden konnte, waren Zinsleistungen von Glashütten.5 In der Renaissance kam es unter dem Einfluss der venezianischen Glasindustrie zur Verbesserung der Produktionsverfahren und zur Erweiterung der Veredelungstechniken, vor allem der Malerei mit Emailfarben, deren Bestandteile ebenfalls lokal vorrätig waren. Glashütten wurden nicht mehr zu den Holzvorräten verschoben, sondern hatten nun ihren festen Standort mit dem erforderlichen wirtschaftlichen Hinterland.6 Eine neue Unterbrechung in der Glasproduktion war der Dreißigjährige Krieg, dem eine Etappe der Prosperität in der Barockzeit folgte. Im 17. Jahrhundert begannen Handwerker den Rohstoff aus den Hütten in Heimarbeit zu veredeln und die ersten Zunftvereine der Glasveredler zu gründen. Eine Blütezeit für die böhmischen Glashütten brach gegen 1680 an, als eine neue Art hochwertiger Glasmasse, das „Böhmische Kristall“, ein bleifreies, aber kristallklares Kreideglas, als Konkurrent zum venezianischen „Cristallo“ und dem englischen und französischen „Bleikristall“ erfunden wurde. In Folge konnte Böhmen die Vormachtstellung des Glases aus Murano ablösen und selbst als Marktführer das internationale Glasgeschäft für fast 200 Jahre dominieren.7 Das neue Glas war wegen seiner Härte für die kalte Veredelung durch Schleifen besonders gut geeignet. Da Kreidegläser dickwandig ausgeblasen werden konnten und dabei klar blieben, ermöglichten sie tiefe Gravuren. Beide Techniken wurden von den lokalen Glasarbeitern schnell perfektioniert. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden im Böhmerwald fast 40 neue Glashütten. Aber auch in der Böhmisch-Mährischen Höhe, dem Lausitzer Ge3 Pfeifer, Wolfgang et al.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 6. Aufl., München 2003, S. 1032. 4 Rež, Jaroslav/Gelnar, Michal: Die Glasmachervergangenheit in der Region vom Lausitzer Gebirge, URL: (Stand 04.04.2013). 5 Ebenda. 6 Beispielsweise wurde 1530 neben der schon bestehenden Glashütte in Kreibitz (Chřibská), geleitet damals von der Glasmeisterfamilie Friedrich, eine neue Hütte von Paul Schürer in Falkenau (Falknov) gegründet. Urbancová. In: GR 10/1989, S. 2. 7 Lněničková 1996, S. 24, 31.
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birge und dem Riesengebirge expandierte die Glasproduktion aufgrund des Erfolges des Kreideglases. Vorteilhaft für diese Entwicklung war die räumliche Konzentration von Produktionsanlagen und Heimwerkstätten sowie Zulieferrohglashütten auf begrenztem Raum, die wohl einmalig auf der Welt ist.8 Allein in Hillemühl (Hillúv Mlyn) bei Haida (Nový Bor) waren Ende des 18. Jahrhunderts 14 durch Wasserkraft betriebene Glasschleifereien in Betrieb. 100 Jahre später existierten bereits 46 Betriebe sowie eine Mühle zur Herstellung von Glasmalfarben in der Gemeinde.9 Quarz für das Kristallglas wurde im Wald gesammelt oder in Steinbrüchen abgebaut. Außerdem war die Region des böhmischen Massivs, also Böhmen und Westmähren, eine stabile Vorratskammer vieler nicht erzhaltiger Rohstoffe. Es fanden sich Glasschmelzsande, Quarzsand sowie Jurakalk vor Ort.10 Die Manufakturen reagierten flexibel auf die Bestellungen ihrer Absatzmärkte, waren in ihrem Angebot aufeinander abgestimmt und veredelten nur einen geringen Prozentanteil ihres Rohglases selbst. Dies garantierte eine enge Zusammenarbeit zwischen Zulieferern und Veredelungsbetrieben. Auch konnte so ein hoher Spezialisierungsgrad in Übereinstimmung mit individuellen Kundenansprüchen umgesetzt werden. In den 1870er Jahren begannen kapitalstarke Unternehmen, ihre Betriebe mit neuen Maschinen auszustatten und damit eine Beheizung der Glasöfen mit Kohle einzuführen.11 Im August 1885 erteilte das Handelsministerium die Konzession für den Bau einer Eisenbahn von Böhmisch Kamnitz (Česká Kamenice) mit seinen Textilspinnereien nach Steinschönau (Kamenický Šenov), später wurde sie dann über Parchen (Prácheň) nach Böhmisch Leipa (Česká Lípa) verlängert, Standorte, in denen sich zahlreiche Glasmanufakturen und Raffinerien befanden.12 Die Lokalbahn brachte Steinkohle aus Pilsen (Plzeň) und Braunkohle aus dem nordböhmischen Revier in das Waldgebiet. Die Glashütten wurden in ihrer Standortwahl unabhängiger und Neugründungen ließen sich oftmals direkt an den Eisenbahnlinien nieder. Während sich die Hütten in Deutschland in der Vergangenheit nur in holzreichen Waldgebieten und in der Nähe ergiebiger Roh-
8 Friedrich 2005, S. 22. 9 Hartmann C. 2004, S. 35. Bis 1750 erfuhr die Ortschaft starken Zuzug, da die Glasindustrie im benachbarten Falkenau-Kittlitz sowie der Glashandel gute Erwerbsmöglichkeiten boten. „Compagnien“ (siehe Kapitel 2.2) aus Hillemühl zogen mit ihrem Glaskarren bis Prag, Wien, Ungarn, Siebenbürgen, Krakau, Warschau, Königsberg und Dänemark. Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 10 Durch das Lausitzer Gebirge zieht sich eine wichtige geologische Störung, genannt „Lausitzer Bruch“, in der sich Quarzadern befinden. Zerkleinerter Quarz wurde als einer der Grundrohstoffe für Glasschmelzen benutzt (Irmscher 1995, S. 28). Quarz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in so großen Mengen gefördert, dass nicht nur der Eigenbedarf der einheimischen Industrie voll gedeckt wurde, sondern Überschüsse exportiert werden konnten. Strejc. In: GR 9/1974, S. 8. 11 Adlerová 1972a, S. 5. 12 Hartmann C. 2004, S. 39; Kanowski 2010a, S. 24. Die Stadt Haida (Nový Bor) lag in unmittelbarer Nähe dieser Strecke.
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stoffvorkommen ansiedelten, wurde im 19. Jahrhundert allein die verkehrsgünstige Lage ausschlaggebend.13 In Böhmen war beides schon immer gleichzeitig vorhanden.
2.2 Der Handel mit Glaserzeugnissen Eine grundsätzliche Bedeutung für den Erfolg der Glasindustrie in Böhmen hat der vervollkommnete Glashandel. Die geografische Lage im Schnittpunkt europäischer Handelsverbindungen ermöglichte prosperierende Geschäfte14, so dass das Glasgewerbe bereits im Mittelalter mit dem überregionalen Handel verbunden war.15 Glaserzeugnisse gehörten nicht zu Produkten des täglichen Bedarfs, konnten nicht ausschließlich in der näheren Umgebung verkauft werden. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gründeten einheimische Produzenten deshalb sogenannte „Compagnien“.16 Durch einen Vertrag verbunden organisierten und finanzierten sie effektiv den Einkauf und Transport des Rohstoffes.17 Die Compagnien sicherten auch die handwerkliche Ausführung vor Ort, gewöhnlich nach dem Wunsch des Kunden, und später organisierten sie den Transport und Verkauf der fertigen Ware auch im Ausland, indem sie dort kleine Agenturen, die „Böhmischen Häuser“, eröffneten und die Märkte unter sich aufteilten, um unnötige Konkurrenz zu vermeiden.18 Das Ausgangszentrum befand sich in den Gebieten von Steinschönau und Haida, von wo aus das Glas nach ganz Europa exportiert wurde und auch die Märkte in Nord- und Südamerika sowie im Orient erreichte. Die Handelskompagnien gründeten in den meisten größeren Städten und Häfen Europas 13 Schack von Wittenau 1971, S. 9. 14 Seit 1704 führte die neue Handelsstraße von Hamburg nach Venedig über Dresden, Leitmeritz (Litoměřice), Prag, Budweis (České Budějovice), Böhmisch Krumau (Český Krumlov) und das heutige Österreich, siehe Abbildung in: GR 24, 7/1969, S. 199. 15 In Tagesfrist waren Bautzen, Löbau, Görlitz und Zittau erreichbar. 16 Hartmann C. 2004, S. 48. 17 „Also, die Glasmachercompagnien waren so organisiert, dass die Inhaber nicht beteiligt waren mit Kapital, sondern mit ihrer Arbeit. Die haben also dort gearbeitet und haben ihre Söhne ab einem Alter von 14 Jahren ins Ausland geschickt. Und dort haben sie in den Häusern gewohnt, durften nicht ausgehen, nur immer zu zweit und nur in die Kirche oder zum Kunden, haben auch Konzerte gemacht, aber durften nicht heiraten und sind dort, sagen wir, 10, 15 Jahre geblieben, also das war ein Zölibat. Und erst als sie zurück nach Haida und Steinschönau zurückkamen, durften sie heiraten und wieder an diesen Glasmacherkompanien teilnehmen. Und die Glasmacherkompanien hatten ihre [Niederlassungen] überall, in Amerika, in allen wichtigen deutschen Städten, in Hansestädten, in Russland, in Ägypten und in der Türkei.“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 18 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts operierten die „Böhmischen Häuser“ in 38 europäischen Häfen, von wo aus sie den Überseehandel organisierten. Weiterhin gab es Handelsagenturen in den zwölf größten Städten Europas sowie in Baltimore, New York, Beirut, Kairo, Smyrna und Mexico City. Die Waren aus Steinschönau wurden vornehmlich in die Türkei, jene aus Haida nach Amerika über Spanien, Portugal und die Niederlande vertrieben. Langhamer/Vondruška 1991, S. 23/24.
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und Übersee Filialen, sogenannte „Faktoreien“.19 Die Compagnien existierten bis ins 19. Jahrhundert, als es mit der Kongressakte von 1815 zur Freimachung der Auslandsmärkte und einer neuen Konjunktur kam.20 Glaserzeugnisse gehörten zu den bedeutendsten Exportartikeln der Habsburger Monarchie. Wichtige Handelspartner waren Deutschland, Amerika und Südwesteuropa.21 Die Wirtschaftlichkeit der Glasherstellung verlangte nach einem Sortiment, das einen hohen Profit generierte und gleichzeitig den Kundenwünschen entsprach. Ein innovatives und ansprechendes Sortiment, hergestellt unter niedrigen Produktionskosten, sollte seit Beginn des 19. Jahrhunderts durch regelmäßige Neuerungen bei den Maschinen garantiert werden. Diese drohten die handwerkliche Veredelung zu verdrängen, als mit der Einführung des maschinellen Pressens und Pressblasens der erste erfolgreiche Eingriff in die manuelle Praxis dieses Produktionszweigs gelang.22 Hierin unterschied sich die Glaserzeugung nicht allzu sehr von anderen Produktionssparten in der Epoche der industriellen Revolution, wenn auch die Mechanisierung gemächlicher voranschritt als beispielsweise im Maschinenbau.23 In Böhmen wurden in großem Umfang alle Herstellungs- und Veredelungstechniken der maschinellen sowie manuellen Glasherstellung praktiziert, Letzteres zumeist in Heimarbeit. Das Gewerbe beschäftigte viele Arbeitskräfte. Allein in der Region Steinschönau und Haida waren im Jahr 1871 insgesamt 4.582 Heimarbeiter tätig.24 In ganz Böhmen belief sich die Zahl der von der Glasindustrie abhängigen Berufstätigen einschließlich ihrer Familienangehörigen um die Jahrhundertwende auf etwa 80.000.25 In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gelang es den dortigen Glaswerken, zunächst die Erzeugung von Flaschen und Verpackungsglas, später auch von Tafel- und Spiegelglas zu mechanisieren, so dass die Produkte erschwinglicher wurden. Vor allem der Massenbedarf konnte durch die maschinelle Produktion gedeckt werden, die wegen ihrer technischen und gestalterischen Qualität und Erschwinglichkeit immer mehr zum Konkurrenten für das Handwerk wurde.26 Gemessen an der relativen Geringwertigkeit der Rohstoffe erzielten die fertigen Endprodukte eine hohe Wertschöpfung. Mit fortschreitender Automatisierung reduzierte sich zwangsläufig die Zahl der Glasmacher und Veredler, an deren Stelle nun Arbeitskräfte 19 Fabritius 2003, S. 66. 20 Nach zeitgenössischen Angaben stieg der Umsatz böhmischen Glases von 8.209 Tonnen im Jahr 1805 auf 23.780 Tonnen 20 Jahre später. Adlerová et al. 1981, S. 33. 21 Lněničková. In: AV 9/1989, S. 94. 22 Für die frühe Phase des Pressglases ist bezeichnend, dass die preisgünstige Presstechnik zur Nachahmung kostspieligerer Veredelungsverfahren genutzt wurde und als billiges Gebrauchsglas für den täglichen Gebrauch der breiten Massen Verwendung fand. Adlerová 1973b, o. S. 23 Die kleinen, mit veralteter Einrichtung ausgestatteten Glashütten, deren Vorzug in preisgünstiger hochwertiger manueller Arbeit lag, entschlossen sich nicht zu radikalen Investitionen, wodurch sich die Entwicklung des Pressglases im Vergleich mit den USA, England, Frankreich und Belgien verzögerte. Langhamer. In: Av 5/1974, S. 192. 24 Fabritius 2003, S. 70. 25 Pittrof 1987, S. 142. 26 Danielis. In: GR 8/1971a, S. 226.
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mit einer neuen Qualifikation traten, nämlich Konstrukteure, Forschungsarbeiter und Maschinenbauer.27 Einige Glashütten erkannten die Gefahr einer Übertechnisierung und gleichzeitig das ökonomische Potential, das in einer Fortführung des Einsatzes traditioneller Veredelungstechniken lag. Das Image der Produktion war immerhin gerade auf diesem Gebiet begründet. Diverse Betriebe investierten in ein Sortiment, das einerseits alte Muster und Techniken fortführte28 und andererseits in die Einführung von modernen Entwürfen im Jugendstil und Art Nouveau. Frankreich und Böhmen waren die beiden Achsenendpunkte, in deren Spannungsfeld sich die europäische Glaskunst des Jugendstils entwickelte.29 Die preisgekrönte Glashütte Joh. Loetz Witwe, Klostermühle, stellte irisierte Farbglasvasen her, ähnlich denen von Louis Comfort Tiffany, welche zum Verkaufsschlager wurden.30 Die Glasmanufaktur Moser in Karlsbad war ebenfalls ein Pionier in der Herstellung kleiner Serien im Stil des Art Nouveau und wurde mit etlichen Preisen für ihre floralen Motive auf Vasen und Trinkglasserien ausgezeichnet, unter anderem bei den Weltausstellungen 1897 in Brüssel und 1900 in Paris.31 Die Errichtung eines selbstständigen Staates, also das Entstehen der Ersten Tschechoslowakischen Republik 1918, wirkte sich auf den Glasbereich nicht nur stilistisch, sondern ebenfalls wirtschaftlich aus. 92 Prozent der gesamten Glasindustrie der österreichisch-ungarischen Monarchie verblieben auf dem Territorium der Tschechoslowakischen Republik32, überwiegend in den deutschsprachigen Randgebieten gelegen. Gleichzeitig verringerte sich durch die Neubegrenzung der Binnenmarkt auf ein Viertel der bisherigen Größe. Dies verlangte eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik hinsichtlich der Absatzgebiete,33 aber auch eine Umstellung des Warenangebots für neue 27 Langhamer. In: Av 5/1974, S. 193. 28 Hergestellt wurden diese alten Designs von den Gravurwerkstätten in der Region um Kamenický Šenov. (Adlerová et al. 1981, S. 41). Der Verband der Nordböhmischen Glasindustriellen setzte sich für eine enge Zusammenarbeit mit den regionalen Glasfachschulen ein, welche innovative Muster für Raffinerien lieferten. Vgl. Kanowski 2010a, S. 26–29. 29 Ricke 1989, S. 214. 30 Seit den 1880er Jahren hatte das Unternehmen wichtige Preise in Wien, Chicago, St. Louis und Paris gewonnen. Langhamer/Vondruška 1991, S. 89. 31 Berühmt war damals die Serie „Karlsbader Secession“ mit 60 neuartigen Entwürfen für Vasen, Schalen und anderes Dekorations-, aber auch Gebrauchsglas. Mergl/Pánková 1997, S. 55. 32 Holešovský. In: GR 9/1968, S. 291. „Österreich-Ungarn verlor damit etwa drei Fünftel der Hohlglashütten, nahezu alle Tafelglasfabriken sowie das gesamte Glasveredelungsgewerbe“ seiner Kapazitäten. Irmscher 1995, S. 28. 33 Als Folge wurden alte Absatzgebiete handelspolitisch zum Exportgebiet, was eine große Überkapazität der Industrie auf den heimischen Markt hervorrief. Dieses Missverhältnis begleitete die tschechoslowakische Wirtschaftspolitik bis zum Zweiten Weltkrieg. Da die Habsburger Monarchie alle Bestrebungen der Tschechen, Slowaken und Ungarn nach mehr Selbstständigkeit unterdrückt hatte, setzte der neue tschechoslowakische Staat entgegen kommerziell vernünftiger Gründe bilaterale Abtrennungen im Glashandel durch, die in einem irrationalen Bedürfnis nach Revanche begründet lagen. Kotula 1978, S. 53.
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Handelsplätze. Der Export wurde, mehr als er es ohnehin war, für Glaserzeuger zur Lebensnotwendigkeit.
2.3 Exportabhängigkeit Glasindustrielle erkannten die Dringlichkeit, die Ausbildung neuer Fachkräfte in den traditionellen Techniken zu unterstützen, um so neue Muster für die Auslandsmärkte produzieren zu können. Neben der von ihnen vorangetriebenen Neugründung einer dritten – tschechischen – Glasfachschule in Železný Brod durch das Ministerium für Schulwesen und Nationale Bildung (Ministerstvo školství a národní osvěty)34 1920 formulierten die Produzenten klare Vorstellungen für das Curriculum der bestehenden Fachschulen in Steinschönau und Haida.35 Auch begannen einige von ihnen eng mit der Kunstgewerbeschule in Prag (Uměleckoprůmyslové škola v Praze – UMPRUM) zusammenzuarbeiten und den dortigen Studenten praxisorientierte Aufgaben zu stellen. All diese Bemühungen um eine Modernisierung der Musterkollektionen erzielten schnell positive Resultate. In den 1920er Jahren war die Angebotspalette der Exporteure beeindruckend.36 In Prag existierten spezialisierte Großhandelsfirmen mit eigenen Geschäften, die sich vor allem an Abnehmer aus dem Ausland wandten.37 Das böhmische Glas war auf den Weltmärkten in diesem Zeitraum mit einem Anteil von 10 bis 20 Prozent vertreten und übertraf zeitweise die Glasausfuhr jedes anderen Exportlandes der Welt.38 34 Die Genehmigung für deren Bau hatte die Nationalversammlung bereits am 12. Dezember 1919 gegeben (Langhamer/Hlaveš 2010, S. 14/15). Friedrich Prinz weist mehrfach auf die positiven Aspekte für ein qualifiziertes Bildungswesen hin, die sich durch den Wettbewerb zwischen Deutschen und Tschechen eröffneten. Prinz 1993, S. 18, 20, 432. 35 Siehe Kapitel 2.3.3. 36 In Produktkatalogen aus den Jahren 1922 und 1931/32 finden sich Altmeistergläser, Andenkengläser, Antikgläser, Apothekenartikel, Bäderartikel, Beleuchtungsgläser, Bijouwaren, Bowlen, Flakons, Flaschen und Karaffen, Freundschaftsbecher, Friseurartikel, Gebrauchsglas, Glasbilder, Glas für chemische und medizinische Zwecke, Glaskugeln, Kristall, Kinderspielsachen, Krüge, moderne Gläser nach Fachschulentwürfen, Orientartikel, Pokale, Reklameartikel, Schüssel, Spiegel, Tafelaufsätze, Tintenfässer, Trinkgläser aller Art, Vasen und vieles mehr. Vgl. Sommer 1997, S. 16/17. 37 Die Firmen Václav Radda und Karel Diamant zählten zu den umsatzstärksten. Auch Luxuskaufhäuser, wie das von Jan Pinkava, vertraten nach 1918 führende tschechische Glashütten. Lněničková 2002, S. 142. Das Kaufhaus Václav Radda lag in der Hybernská ulicé 9/11, gegenüber dem Hauptbahnhof. Das Geschäft des Kaufmanns Karel Diamant (1895–1945) an der Ecke Spálené ulice und Lazarské ulice wurde 1940 von den Deutschen enteignet. Er kam 1945 im KZ Blechhammer ums Leben, seine Frau starb in Bergen-Belsen (Dašek, Zdeněk: Pamětní deska rodina Diamantových (Gedenktafel der Familie Diamant), URL: (Stand 11.07.2013). Heute befindet sich in dem Gebäude die Galerie Diamant des Künstlerverbandes Mánes. 38 Pittrof 1987, S. 11; Brandes 1988, S. 21. Bei der Ausfuhr von optischen, medizinischen und wissenschaftlichen Gläsern lag der Hauptmitbewerber Deutschland als Exporteur im Weltmaßstab vorn. Irmscher 1995, S. 28.
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Dabei lag der Schwerpunkt der Produktion auf Hohl-, Schmuck- und Tafelglas. Der Exportanteil der Pressglas- und Flaschenproduktion betrug zu dieser Zeit etwa 70 Prozent, Fensterglas bis 80 Prozent und Kristall sogar bis zu 95 Prozent.39 Vor dem Zweiten Weltkrieg waren die böhmischen Glasorte Haida, Steinschönau und Gablonz (Jablonec nad Nisou), welche auch nach 1945 die Zentren für die Herstellung künstlerisch gestalteten Glases wurden, weltbekannt. Für künstlerisch gestaltete Gebrauchsgläser lag der Prozentsatz, je nach Sorte und Hersteller, zwischen 60 und 80 Prozent, während die Produktion aus Gablonz mit Schwerpunkt auf Dekorationsglas und Bijouterie praktisch vollständig exportiert wurde.40 Diese Konzentration auf den Außenhandel sowie die niedrigen Absatzmöglichkeiten im Inland führten in Folge der Weltwirtschaftskrise zu einem wirtschaftlichen Einbruch, der eine Vielzahl der Angestellten betraf. Im Jahr 1930 waren immerhin 54.737 Personen in der Glasindustrie beschäftigt, zuzüglich 3.217 Hilfshandwerkern, die als Tagelöhner für Großbetriebe tätig waren.41 Mit rückläufigen Absatzzahlen sanken nicht nur die Löhne, auch stieg die Zahl der arbeitslosen Glasmacher signifikant.42 Längerfristige wirtschaftliche Schwierigkeiten erlebten vor allem die Manufakturen, die Luxuswaren aus Glas herstellten, wie Moser in Karlsbad.43 Obgleich die maschinelle Produktion schon in den 1920er Jahren die Handarbeit bedroht hatte, löste erst die Weltwirtschaftskrise eine akute Emigrationswelle aus.44 Zahlreiche böhmische Glasmacher verließen ihr Land und gingen nach Skandinavien, Frankreich, England, Deutschland oder in die USA.45 Auf diese Weise beeinflussten sie die stilistische und technische Entwicklung im Ausland. Auch insgesamt war die tschechoslowakische Volkswirtschaft in hohem Maße vom Export abhängig und erholte sich nur mühsam von der Weltwirtschaftskrise. Der Gesamtwert der Ausfuhren ging von 21 Mrd. CZK im Jahr 192846 auf weniger als 6 Mrd. CZK auf dem Höhepunkt der Krise 1933 zurück. Als Folge davon erreichte die Wirtschaftskraft des Landes im Jahr 1933 nur noch 60 Prozent des Standes von 1928, während in der Glasindustrie die Produktivität mit 48 Prozent noch bedeutend niedriger
39 Mitscherlich 1930, S. 220; Irmscher 1995, S. 28. 40 Langhamer/Vondruška 1991, S. 100. 41 Zählt man die nichtberufstätigen Familienangehörigen der Beschäftigten hinzu, waren 105.014 Menschen im Jahr 1930 von der Glasindustrie Böhmens abhängig (Pittrof 1987, S. 142). Susanne K. Frantz zählt sogar 150.000 Glasarbeiter und Heimhandwerker. Frantz 2005, S. 27. 42 Besonders die Glasmacher in der Slowakei waren betroffen. Langhamer/Vondruška 1991, S. 99. 43 Mergl/Pánková 1997, S. 104, 109. 44 Frantz 2005, S. 99. 45 Auch in Länder, deren Glasindustrie erst in den Anfängen war, wanderten nordböhmische Glasmacher aus: Bulgarien, Jugoslawien, Türkei, Griechenland und Argentinien. Sie bildeten regelrechte Kolonien in der Nähe von Glaswerken und blieben untereinander vernetzt. Langhamer/ Vondruška 1991, S. 99.
46 Heumos. In: Bohemia 1/1988, S. 67.
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lag.47 Die ökonomische Krise der Glasproduzenten und die daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit führten im Gebiet um Haida zu einer Verarmung weiter Bevölkerungskreise48. Deshalb schlossen sich 1939 etliche deutsche sowie tschechische Heimarbeiter und Angestellte der kleinen Gewerbebetriebe der Gablonzer Gegend zusammen, um ihre Lohnforderungen gegenüber den Unternehmern durchzusetzen.49 In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre schienen diese Forderungen realistisch, denn die Glasindustrie erholte sich zunehmend von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und erlebte schon bald eine konjunkturelle Blütezeit.50
2.4 Glaskunstoffensive in der Zwischenkriegszeit Am Anfang des 20. Jahrhunderts dominierten in der nordböhmischen Glasregion der Jugendstil und Secessionsstil als bevorzugter Dekor. Die Glasmacher blickten nach Wien, weil von dort ausgehende kulturelle Strömungen auch den Kundengeschmack beeinflussten. Während des Ersten Weltkriegs stagnierte die industrielle Glasproduktion, doch mit dem Zerfall Österreich-Ungarns und der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei emanzipierte sich die Kunstszene des Landes zunehmend. Prag wurde zu einem wichtigen künstlerischen Zentrum. Von hier aus wurde in den zwanziger Jahren eine regelrechte Renaissance der Glaskunstgestaltung initiiert.51 Nach Rückerlangung nationaler Souveränität war eine Reihe von Künstlern und Kunstgewerbeschaffenden bestrebt, einen eigenständigen „nationalen“ Stil zu entwickeln.52 Der Kunsthistoriker Karel Hetteš kommentierte diese in seinen Augen „überfällige“ Entwicklung 1955 wie folgt: „Aus diesem Chaos der sezessionistischen Verzierung fand sich nur schwer ein Weg zum richtigen Verständnis der Dinge, zur organischen Verbindung des Dekors mit dem Gegenstand, der ihn trägt.“53 In dieser patriotischen Atmosphäre wurden verstärkt Folkloreelemente aufgegriffen, also generell die Entwicklung kunsthandwerklicher Arbeit begünstigt. Anknüpfend an die Formen des Kubo-Expressionismus, wie bei Marie Kirschner54 auszumachen, fanden so stilistische Elemente der 47 Reich 1994, S. 123. 48 Ebenda, S. 129; Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 78. 49 Der Glasschleifer Josef Čepelík verfasste einen Reformantrag an den Ministerpräsidenten Milan Hodža, in dem er ausführlich die Zustände in der Jablonec-Region kritisierte. Grisa. In: Av 5/1974, S. 191. 50 Mergl 2005, S. 74. 51 Siehe auch Frantz 2005, S. 19. 52 „Bis zur Ersten Republik hatten die tschechischen Glasarbeiter keine Möglichkeit, ihre kreativen Fähigkeiten in einem angemessenen Rahmen Ausdruck zu verleihen, obwohl der Anteil der in diesem Industriezweig beschäftigten Arbeiter von jeher groß, und in einigen Abteilungen der vorherrschende gewesen war.“ Übersetzung, Metelák. In: Czechoslovakia Magazine, 12/1946, S. 79. 53 Hetteš. In: GR 11/1955, S. 19/20. 54 Kirschner (Kirschnerová) (1852–1931) besuchte private Kunstschulen in Prag, München und Paris, wo sie mit Zdeňka Braunerová zusammentraf. Von 1902 bis zum Ausbruch des Ersten
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Volkskunst Eingang in die zeitgenössische Ornamentik, beispielsweise bei Zdeňka Braunerová55 (Abb. 1), die sich der Künstlergenossenschaft Artěl angeschlossen hatte. Neben Braunerová reicherten auch weitere Artěl-Mitglieder die Glasgestaltung mit einfachen geometrischen Formelementen an, so der Bildhauer Jaroslav Horejc56 und der Architekt Josef Rosipal57 (Abb. 2). 1908 gegründet, unterstützte die Vereinigung zunächst eine kubistische Formensprache, dem Beispiel des Werkbunds und der Wiener Werkstätte folgend. Arbeiten ihrer Künstlermitglieder waren zwar nur einem kleinen Kreis der zeitgenössischen Prager Elite bekannt, die Artěl-Verbindung beeinflusste aber nach Ende des Ersten Weltkriegs als individuelle Stilbewegung zunehmend die Gestaltung von Hohlglas.58 1919 schrieb sie einen Wettbewerb für Souvenirartikel mit dem Motiv „Prag“ aus, den auch zahlreiche Künstler mit Entwürfen für Glaswaren beantworteten.59 An der „Glaskunstoffensive“ der zwanziger Jahre beteiligten sich auch die Vereinigung Genossenschaftliche Arbeit (Družstevní práce)60 und der 1914 gegründete Tschechoslowakische Werkbund (Svaz československého díla)61, der die Alltagskultur
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Weltkriegs lebte Kirschner in Berlin, kehrte dann in die Tschechoslowakei zurück und arbeitete als Landschafts-, Stillleben- und Porträtmalerin. Die Glaswerke Johann Lötz in Klostermühle (Klášterský Mlýn) realisierten ihre Entwürfe, welche dann vorwiegend in Deutschland verkauft wurden. Langhamer 2003, S. 117. Braunerová (1858–1934) war die Tochter des Politikers František Brauner. Sie studierte Malerei bei Filippo Colarossi in Paris. Ihr Interesse an böhmischer Volkskunst brachte sie 1902 mit Glasmalerei in Berührung. Sie bezog die Rohlinge, die sie oftmals mit Emailfarben veredelte, von den Koppov-Werken im mährischen Janstein (Janštýn), wo sie ein Sommerhaus besaß. Braunerová feuerte die fertig dekorierten Stücke selbstständig in ihrem Studio in Rostok (Roztoky) bei Prag. Frantz 2005, S. 17. Siehe auch Abbildung in: Adlerová 1983, S. 251; Langhamer 2003, S. 117. Horejc (1886–1983) studierte zwischen 1904 und 1910 Metallgravur an der Prager Kunstgewerbeschule unter Stanislav Sucharda und Emanuel Novák. Horejc war Bildhauer sowie Medailleur und interessierte sich nebenbei für Gebrauchskunst. Bereits als Student, 1909, trat er Artěl bei und widmete sich Entwürfen für gravierte Gläser. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Pešatová 1968, S. 32; Langhamer 2003, S. 130. Rosipal (1884–1914) entwarf für Artěl beispielsweise Trinkgläser mit geschliffener kubistischer Ornamentik in Rubinglas, die eine Kollektion der Firma Morawetz Söhne, Ottovice (Otovice) in den 1920er Jahren inspirierten. Vgl. Abbildung in Lněničková 2002, S. 145. GR 2–3/1954d, S. 52; Adlerová 1983, S. 42. Siehe beispielsweise den emailbemalten Becher von Jaromír Krejcar (1895–1949) mit dem Motiv der Karlsbrücke, Abbildung in Lněničková 2002, S. 144. Diese Genossenschaft wird unter ihrem etablierten tschechischen Name zitiert. Die Kulturorganisation wurde von 1922 bis 1957 in Prag in erster Linie als Verlag betrieben. Sie beschäftigte sich aber auch mit der Verbesserung angewandter Kunst und modernem Design, vor allem für Objekte des Massenkonsums. Družstevní práce veröffentlichte seine Empfehlungen in dem Magazin gleichen Namens und in der Zeitschrift Panorama, um einen neuen Lebensstil mit hohen ästhetischen Ansprüchen zu verbreiten: Möbel, Wohnaccessoires, Alltagsgegenstände aus Glas, Keramik, Porzellan, Metallgegenstände, Haushaltswäsche und dekorative Textilien sowie Kleidung. Adlerová. In: Umění a řemesla 4/1977, S. 44, 47; Adlerová et al. 1981, S. 44. Sein erster Vorsitzender war der Architekt Jan Kotěra. Mitglieder des Prüfungsausschusses waren Pavel Janák, Vratislav Hugo Brunner, František Kysela und Dušan Jurkovič. Der Verband erkannte
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durch qualitativ hochwertige Produkte fördern wollte. Seit 1927 vertrieb die Družstevní práce von Künstlern gestaltete preiswerte Gebrauchsgläser und Kunstgläser in seinen eigenen Verkaufsstellen, Schöne Stube (Krásná jizba)62, so von Ladislav Sutnar oder der Firma Rückl.63 Die Genossenschaft beeinflusste erfolgreich die Herstellung von funktionaler Beleuchtung, Glas, Keramik und verschiedene Wohnaccessoires. Schon früh wurden Glasartikel nach Entwürfen von Ludvika Smrčková, Alois Metelák und Antonín Kybal verkauft. Auch ausländische Produkte ergänzten das Sortiment, insbesondere aus dem Bauhaus. Der Begriff „tschechisches Glas“ erhielt in dieser Zeit seine Rechtfertigung mit Hinblick auf den geographischen Ursprung der Erzeugnisse. Das Zusammenleben von Mitgliedern verschiedener kultureller, religiöser und intellektueller Strömungen hatte Prag zu einem Knotenpunkt europäischen Kunstschaffens gemacht. Der freie Austausch künstlerischer Praktiken im pluralistischen Wettbewerb prägte die Zwischenkriegsjahre. Die Publikation von Massenmedien ermöglichte einen neuen Zugang zu einem vielschichtigen kulturellen Diskurs.64 Wesentliche Inspiration für Künstler und Entwerfer waren neben diesen Fachschriften sicherlich die großen Kunstgewerbeschauen, also Weltausstellungen und Messen, auf denen Glas traditionsgemäß im Rahmen von nationalen Sortimentsübersichten gezeigt wurde. Beginnend mit der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900, spielte die bildende Kunst eine ebenso bedeutende Rolle wie Wissenschaft und Technologie. Werke zeitgenössischer bildender Künstler gaben Impulse von weitreichender Bedeutung und wurden zur Inspirationsquelle für die internationale kulturelle Entwicklung. In Prag organisierten die Mitglieder der Gruppen Skupina und Mánes Ausstellungen mit Arbeiten von Picasso, Braque, Gris, Archipenko, Brâncuşi, Russolo, Severini, Heckel, Kirchner, Müller und Schmidt-Rottluff und ermöglichten somit einen Überblick moderner Kunststile. Tschechische Künstler, die mit Glas arbeiteten, besuchten Bildungsinstitute und Kulturveranstaltungen im Ausland und stellten ihrerseits Arbeiten außerhalb des Landes aus.65 Auch fragten Glasindustrielle gezielt bei akademischen Gestaltern an, ob sie Entwürfe für Musterkollektionen beisteuern könnten. Leo Moser nahm nach dem Ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jahren Kontakt mit dem jungen Architekten Rudolf Wels und den Künstlern Rudolf Eschler, Chris Le-
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früh die Bedeutung einer modernen Ästhetik für die Formentwicklung bei Industrieerzeugnissen, ohne sich auf das enge Gebiet der Handwerksarbeiten zu beschränken (Frantz 2005, S. 21). 1936 bezog der Svaz československého díla ein repräsentatives „Kunsthaus“ auf der Národní třída. Der Verband wird im Folgenden unter seinem etablierten tschechischen Namen zitiert. Diese Verkaufsläden werden im Folgenden unter ihrem tschechischen Namen zitiert. Die Firma Rückl beschäftigte vor dem Zweiten Weltkrieg Künstler wie Josef Drahoňovský und Ludvika Smrčková und fertigte deren Entwürfe in Sasau (Sázava n. S.) und Miesenburg (Nižbor) (Arnošt/Drahotová/Langhamer 1985, S. 37). Auch in der Glashütte Rosahütte (Růženín) wurden Gläser für Artěl erzeugt. Lněničková 2002, S. 145. Vgl. Benson 2002, S. 28, 31, 50. Bydžovská 2002, S. 62. Einige von ihnen, so Ludvika Smrčková, prägten nach dem Zweiten Weltkrieg als Dozenten und Werksdesigner das Erscheinungsbild der modernen Glaskunst.
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beau, Tyra Lundgren, Ludvika Smrčková und Heinrich Hussmann auf und begründete so eine lukrative Zusammenarbeit.66 Seine Strategie bestand in der Einführung neuer Glasfarben in Kombination mit neuen Formen parallel zu dem bestehenden traditionellen Sortiment. Manuell gefertigtes Glas wurde folglich aus ökonomischer Überlegung, aber auch als bewusste Konservierung handwerklicher Tradition in kleinen Serien weiterhin produziert. Dieses Geschäftsmodell wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in größerem Umfang fortgeführt.67 Die Offenheit und intellektuelle Aufgeschlossenheit der 1920er und 1930er Jahre zeigte sich also auch in der tschechischen Glasgestaltung dieser Jahre. Das schöpferische Zentrum des dekorativen Stils war die Kunstgewerbeschule in Prag, wo sich Professor Josef Drahoňovský68 mit der Neugestaltung des gravierten Glases beschäftigte. In vielen seiner Gravuren erscheinen weibliche Akte und vegetabile Motive stets stark stilisiert und oftmals auf Glastafeln, nicht nur mehr auf Gebrauchsglasobjekten.69 Zu Drahoňovskýs Studenten zählten Ladislav Přenosil, Alois Hásek, Božetěch Medek, Jindřich Tockstein, Ladislav Havlas und Vladimír Linka, von denen etliche selbst als Dozenten während und nach dem Zweiten Weltkrieg Einfluss auf die Entstehung tschechischer Glaskunst nahmen.70 Der tschechische Künstler Zdeněk Pešánek71 präsentierte auf der Pariser Weltausstellung 1937 neben der vierteiligen Serie „100 Jahre Elektrizität“ und der Skulptur „Radio“ einen Brunnen mit Torsi aus verschiedenen Materialien, für die er mit zwei Goldmedaillen ausgezeichnet wurde (Abb. 3). Diese Pionierarbeit aus gebogenen Neonröhren und Kunststoff nahm Aspekte der Pop Art, aber auch Bemühungen um die Strukturierung einer transparenten Masse vorweg, die sich in den Glasarbeiten tschechischer Künstler 66 Ebenfalls bemühte sich Moser um eine Zusammenarbeit mit Peter Behrens, der auch einige Entwürfe für die Manufaktur anfertigte, welche jedoch nicht in Produktion gingen. Mergl/Pánková 1997, S. 98–107. 67 Siehe Kapitel 5.1.1, S. 236 f. 68 Drahoňovský (1877–1938) hatte von 1890 bis 1902 eine Ausbildung an der Berufsschule für Schmuckherstellung in Turnau absolviert und dann als Gemmengraveur für Dörflinger in Wien gearbeitet. Er entwarf auch Keramiken, die von der Fachschule in Bechin (Bechyně) realisiert wurden. Parallel studierte Drahoňovský seit 1896 an der UMPRUM unter Celestýn Klouček sowie Stanislav Sucharda Bildhauerei und wurde 1908 selbst Professor an der Schule in Prag. Er leitete das Atelier für Glyptik (Steinschneidekunst) seit 1911 und unterrichtete zusätzlich Glasschnitt nach 1920. Damit war Drahoňovský der erste Professor, der sich mit der systematischen Ausbildung von Glasgestaltern an der Kunstgewerbeschule beschäftigte. Biografische Angaben: UPMArchiv; Langhamer 2003, S. 134. 69 Siehe beispielsweise die Abbildungen in Pešatová. In: GR 10/1967; Pešatová 1968, Nr. 88–90; Frantz 2005, Fig. 8, 14, S. 22, 24. 70 Siehe Kapitel 4.1, 4.2 und 5.1.4. 71 Pešánek (1896–1965) studierte von 1914 bis 1917 Bildhauerei und von 1918 bis 1923 an der Prager Akademie der bildenden Künste. Privat nahm er zusätzlich Unterricht in Architektur. 1924 wurde er Mitglied der Künstlervereinigung Devětsil. Er gilt als Erfinder kinetischer Lichtkunst und veröffentlichte 1941 die Studie „Kinetik“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Pešánek am Prager Kunstgewebemuseum tätig. Menšik 2006.
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der fünfziger und sechziger Jahre finden.72 Die Vermittlung von Kultur wurde als Kommunikationsmittel entdeckt und bei allen großen Ausstellungen der folgenden Jahre werbewirksam eingesetzt. Objekte aus Glas bildeten vor dem Zweiten Weltkrieg stets ein zentrales Thema in Auslandspräsentationen der Tschechoslowakei.73 Großes Interesse fand die Produktion der Manufakturen Moser und Lobmeyr, der Prager Kunstgewerbeschule und der drei nordböhmischen Glasfachschulen auf der „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris 1925, der Brüsseler Weltausstellung 1935 und der Pariser Weltausstellung 1937. Die ihnen und dem Kunst- und Gebrauchsglas der zwanziger und dreißiger Jahre von Jaroslav Benda, Vratislav Hugo Brunner, Josef Drahoňovský, Jaroslav Horejc, František Kysela oder Ludvika Smrčková verliehenen Goldmedaillen anlässlich dieser Schauen zeugten von der weltweiten Anerkennung dieser Arbeiten. Die Tschechoslowakei gewann 1935 in Brüssel 14 Preise und war damit einer der erfolgreichsten Aussteller. 1937 erhielt tschechisches Glas aus Harrachov den Grand Prix in Paris, den Gläsern Ludvika Smrčkovás für Rückl wurde eine Goldmedaille zuerkannt.74 Auch die Werkstatt des Graveurs Emil Šprachta aus Prag wurde mit dem Grand Prix geehrt.75 Allein 120 tschechische Glashersteller beteiligten sich an dem Wettbewerb. Für die Ausformung einer neuartigen Ausdrucksweise der Glaskunst im eigenen Land nach 1945 spielten diese Glasarbeiten jedoch keine wesentliche Rolle. Sie repräsentierten im Gegenteil ein Dekorverständnis, von dem sich die junge Nachkriegsgeneration abkehrte. In einer hoch ideologisierten und politisierten Zeit machte sich diese Szene enthusiastisch an die Aufgabe, „ihr“ Glas neu zu definieren.
2.5 Systematische Ausbildung von Fachkräften – Glasfachschulen und die Kunstgewerbeschule Eine wichtige Grundlage für den Erfolg des tschechischen Glases nach dem Zweiten Weltkrieg war zweifellos in erster Linie das gut organisierte Glasschulwesen. Es stützte sich in Böhmen auf eine lange Tradition und ermöglichte den Glasgestaltern, eine Spitzenausbildung nicht nur auf handwerklichem, sondern auch auf gestalterisch-künstlerischem 72 Vor allem in den Werken von Eliaš, Libenský und Brychtová lassen sich Parallelen erkennen. Auch das Künstlerpaar Libenský-Brychtová hat Pešáneks Arbeiten laut eigener Aussage sehr geschätzt. Vlček 2002, Interview, o. S. 73 Frantz 2005, S. 24/25. 74 Smrčková stellte eine Kollektion Gebrauchsglas und geschliffene Unikatvasen aus, die in Folge von der Organisation Družstevní práce (Genossenschaftliche Arbeit), die zwischen Künstlern, Herstellern und Verbrauchern vermittelte, verstärkt abgenommen wurden. Holubová 1961, S. 10. 75 Nach seinem Studium an der Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau und einigen Jahren in Berlin, Odessa und Amsterdam übersiedelte Šprachta (1894–1953) 1924 nach Prag, wo er begann, sich der Glasgravur zu widmen. 1928 eröffnete er dort mit Unterstützung des Volkswirtschaftinstituts (Národohospodářského ústavu) seine eigene Atelierwerkstatt in der Lucerna Passage. Lněničková 2002, S. 146.
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Niveau zu erreichen.76 Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden erste Glasfachschulen. Die 1763 in Haida bei Böhmisch Leipa (Česká Lípa) eröffnete Piaristenschule, in der sich die Söhne der lokalen Händler auf ihre Zukunft als Glasexporteure vorbereiteten, und die Zeichenschule der Gräflich Harrach’schen Glashütte in Neuwelt (Nový Svět)77 waren Vorbilder für das erste spezialisierte Institut in Steinschönau. Hier wurde 1856 die erste außerbetriebliche Aus- und Weiterbildungsschule für das Glasgewerbe Europas gegründet, in der neben theoretischen Fächern und Zeichnen auch die praktischen Grundlagen der verschiedenen Veredelungstechniken unterrichtet wurden.78 Dieser zur damaligen Zeit neue Typ der Fachausbildung zielte auf eine allseitige Schulung von Fachleuten hin, die der zunehmenden internationalen Konkurrenz entgegenwirken sollte. Die Unterrichtssprache war Deutsch. In einer dreijährigen Ausbildung wurden die Studenten in den wirtschaftlichen Grundlagen des Glashandels, Fremdsprachen sowie Gravur, Schleifen, Kugeln oder Malerei ausgebildet. In der Regel spezialisierten sich die Hörer im Anschluss an das erste Jahr auf eine dieser Techniken. Einer der ersten tschechischen Lehrer an der Glasfachschule in Steinschönau war der akademische Maler Jan Dvořáček, der später ihr Direktor wurde und engen Kontakt zur Prager Akademie der bildenden Künste hielt.79 Nachdem die Piaristenschule im nur wenige Kilometer entfernten Haida schloss, wurde auf Initiative der örtlichen Glashersteller 1870 eine Zeichen- und Modellierschule gegründet. Dem Modell der Schule in Steinschönau folgend, sollten sich deren Unterrichtsinhalte besonders auf die Ansprüche der lokalen Produktion konzentrieren, weshalb der Unterricht ebenfalls auf Deutsch stattfand.80 Die Genehmigung für ihre Gründung hatte das Handelsministerium in Wien erteilt.81 In beiden Schulen wird bis heute unterrichtet. Eine weitere Bildungseinrichtung eröffnete 1920 in Železný Brod (damals schon gebräuchlich, zeitgleich mit dem deutschen Namen Eisenbrod), einer Stadt ohne eigene 76 Fast alle in dieser Untersuchung betrachteten Künstler absolvierten eine der drei Glasfachschulen in Kamenický Šenov, Nový Bor oder Železný Brod und besuchten die Kunstgewerbehochschule in Prag. Viele konnten zudem einen Lehrbrief als Glasmacher oder Glasschleifer vorweisen. Der Abschluss einer Fachschule war Voraussetzung für die Aufnahme in eine Kunstgewerbeschule. 77 Sie fand Ende des 18. Jahrhunderts erstmals Erwähnung. Stará/Urbancová. In: GR 7/1990, S. 17. 78 „Die Glasfachschule in Steinschönau (Kamenický Šenov) war eine der ältesten Fachschulen der Welt und die erste mit Orientierung auf das Glashüttenwesen.“ Starosta. In: GR 10–11/1990, S. 18. 79 Dvořáček (1825–1898) wurde als einer von den Deutschen nicht ausreichend wertgeschätzter einheimischer Pionier der Glaspädagogik in sozialistischer Zeit verehrt: „For a full 30 years Dvořáček laboured at Kamenický Šenov. In 1885 he was placed on the retired list. He received, it is true, a gold cross but a small pension which he got as an act of grace. The rest of his life he spent in relatively modest circumstances at Teplice with relations.“ Mikolášek. In: GR 6/1955, S. 24. 80 Langhamer/Vondruška 1991, S. 101. Obgleich ab 1850 parallel der tschechische Name Bor für die Stadt Verwendung fand behielt die Glasfachschule die Bezeichnung „Haida“ bis Ende des Zweiten Weltkriegs bei und führt diese Bezeichnung als „Schule“ im kunsthistorischen Kontext bis heute. 81 Nach Dvořáček waren der Architekt Leo Chilla, dann Heinrich Zoff, Adolf Beckert und Heinrich Strehblow Direktoren in Steinschönau.
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Glasmachertradition. Sie war die erste mit tschechischsprachigem Unterricht.82 Die Anlage dieser Fachschule zielte zunächst auf die Ausbildung von Fachkräften mit dem Schwerpunkt Kostümschmuck und Bijouterie, um eine Konkurrenz zur Gablonzer Produktion aufzubauen. Das Konzept der Einrichtung trug jedoch improvisierte Züge. Das Lehrpersonal brachte weder ausreichende Erfahrung für die Aufgabe mit noch waren die Unterrichtsinhalte langfristig vorbereitet worden. Die Resultate der ersten Jahre stießen seitens der Produzenten durchweg auf Ablehnung, so dass eine Schließung der Schule in Železný Brod in Erwägung gezogen wurde.83 Im Herbst 1924 konnte die Schulleitung den nur siebenundzwanzigjährigen Alois Metelák84 als Dozenten gewinnen. Bereits im Jahr darauf wurde er Direktor. Metelák arbeitete bis zu diesem Zeitpunkt als Architekt und Berufsfachschullehrer in Litomýsl und Mladá Boleslav, nachdem er sein Studium an der Prager Kunstgewerbeschule im Seminar für Malerei beendet hatte. Vordergründig war er hinsichtlich seiner Biographie also nicht unbedingt prädestiniert für den Posten des Leiters einer Glasfachschule. Er bewies jedoch nicht nur schnell seine Eignung, sondern verhalf der Schule in Železný Brod bald zu Ansehen und ihre potentielle Schließung stand nicht mehr zur Debatte.85 Metelák setzte neue Maßstäbe, die auch heute wieder Grundlage der Ausbildungspolitik aller Glasfachschulen in der Tschechischen Republik sind: Neben Finanzbuchhaltung, Geographie und Fremdsprachen wurden die Studenten in allen Techniken unterwiesen, auch in dem in Železný Brod zum ersten Mal eingeführten Fachbereich „Veredelung von Hohl- und Flachglas“. Ein Teil der Studenten arbeitete direkt in Betrieben. Besonderer Wert wurde auf die Zweckmäßigkeit der Entwürfe gelegt. Unter Meteláks Leitung erstellte das Kollegium gemeinschaftlich dieses neu konzipierte Unterrichtsprogramm.86 Eine Ausnahme bildeten die in dieser Gegend typischen Lampenarbeiten, unterrichtet von Jaroslav Brychta87, die das Erscheinungsbild der ersten Produktionszyklen prägten (Abb. 4). Schnell erlangte die Schule von Železný Brod eine maßgebliche Bedeutung 82 Die Stadt trug bereits Ende des 15. Jahrhunderts den Namen Železný Brod. In sozialistischer Zeit wurde diese Glasfachschule stets mit besonderem Blick auf diesen Umstand betrachtet. Siehe Kapitel 4.2.3. 83 Arnošt/Drahotová/Langhamer 1985, S. 35. 84 Alois Metelák (1897–1980) studierte von 1913 bis 1920 Malerei und angewandte Bildhauerei an der UMRPUM unter František Kysela und Jan Plečnik. Direktor der Glasfachschule in Železný Brod war er von 1924 bis 1948, als er im Rahmen der kommunistischen Machtübernahme seinen Posten verlassen musste. Metelák ging zunächst für vier Jahre an die Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnov, bevor er in den 1950er Jahren am künstlerischen Zentrum für die Glas und Keramikindustrie und für das Unternehmen Železnobrodské sklo zu arbeiten begann. Vybíral 1995, S. 528. Siehe auch Kapitel 4.2.3, S. 181, 184. 85 Der Schule wurde eine Reihe von Preisen bei inländischen Ausstellungen und der Weltausstellung 1925 in Paris verliehen. Vojta: In: GR 11/1971, S. 328; Stará/Urbancová. In: GR 7/1990, S. 17. 86 Stará/Urbancová. In: GR 7/1990, S. 17. 87 Brychta (1895–1971) schloss 1911 die Kunstschule in Leitomischl (Litomyšl) ab. Von 1912 bis 1919 studierte er an der UMPRUM unter den Professoren Josef Drahoňovský, Celestýn Klouček und Bohumil Kafka. Von 1920 bis 1960 war Brychta Lehrer, zwischen 1948 und 1952 Direktor, der Schule in Železný Brod.
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für Produktion und Handel und wurde zu einem wichtigen künstlerischen Zentrum der Glasindustrie, denn neue Hütten und Exporteure siedelten sich in ihrer Umgebung an.88 Aber auch Traditionsunternehmen, wie die Gräflich Harrach’sche Glashütte, Neuwelt, realisierten Entwürfe von Meteláks Studenten.89 Während die beiden anderen älteren Fachschulen in Steinschönau und Haida in direktem Kontakt mit der Industrie standen und stilistisch im Art Déco verharrten, entwickelten die Ateliers unter Metelák erfolgreich einen unverwechselbaren zeitgenössischen Duktus.90 Sie verfolgten progressiv einen „typisch tschechischen Charakter“ in der Formensprache.91 Die Schule in Železný Brod setzte sich auch in der Zusammensetzung ihres Kollegiums von ihren Vorgängern ab. Zu den Mitarbeitern Meteláks zählten neben Jaroslav Brychta die Lehrer Zdeněk Juna92, Jaroslav Pipek93, Ladislav Přenosil94 und Oldřich Žák95, ausnahmslos Tschechen, während an den beiden anderen Fachschulen vornehmlich Deutsche unterrichteten.96 1926 fusionierten die Fachschulen in Steinschönau und Haida. Der Rektor des Instituts in Steinschönau, Adolf Beckert, trat zurück und der Leiter der Schule in Haida, Heinrich Strehblow97, wurde zum Direktor der neuen Einrichtung er-
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Pešatová 1968, S. 42. Skarlantová. In: GR 5/1992, S. 13. Palata 2001b, o. S. „Die Arbeit dieser Schule [Železný Brod] hatte es sich von Anfang an und trotz aller Schwierigkeiten, die sich ihr in den Weg stellten, zum Ziel gesetzt, unserer Kunstglasindustrie einen spezifisch tschechischen Charakter zu verleihen.“ Metelák. In: Czechoslovakia Magazine 12/1946, S. 80. Juna (1897–1975) absolvierte seine Ausbildung in der Werkstatt von Josef Novák in Weisswasser (Bělá pod Bezdězem). Von 1915 bis 1917 und von 1919 bis 1921 studierte er Malerei bei Vratislav Hugo Brunner an der UMPRUM. Von 1925 bis 1939 war er Lehrer an der Glasfachschule Železný Brod, von 1939 bis 1947 Leiter der Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau (Turnov), und in den folgenden fünf Jahren Lehrer an der Schule für Kunst und Gewerbe in Brünn (Brno). Pipek leitete die Werkstatt für Glasschliff von 1924 bis 1948. Přenosil (1893–1965) hatte unter Josef Drahoňovský Bildhauerei in Prag studiert, siehe Kapitel 2.3.1, und unter Wilhelm von Eiff in Stuttgart. Von 1922 bis 1942 leitete er das Atelier für Glasgravur an der Fachschule in Železný Brod. Žák (1900–1983), ein Schüler von Jaroslav Horejc, wurde 1928 mit der Leitung der Abteilung für Glasmosaik und Bijouterie betraut. Er war bis 1961 an der Fachschule tätig. Biografische Angaben: UPM-Archiv. Langhamer/Vondruška 1991, S. 102. Strehblow (1862–1942) hatte an der Wiener und Münchner Kunstakademie studiert, bevor er eine private Kunstschule in Wien eröffnete. Er besetzte den Posten des Direktors in Haida von 1907 bis zu seiner Pensionierung 1929. In dieser Funktion führte er eine Reihe von stilistischen Innovationen in das tschechoslowakische Fachschulwesen ein, die stark von seiner Nähe zu der Wiener Werkstätte und dem Österreichischen Werkbund geprägt waren. Unter Strehblow wurde eine Kuglerabteilung und eine eigene Schulglashütte mit angeschlossener Forschungs- und Versuchsanstalt gegründet. Obgleich sein profilbildender Beitrag für die Fachschule in Haida in der Kunsthistoriografie bislang wenig erforscht ist, erfuhr Strehblow doch Würdigung als einer der Ersten, der die praktische Zusammenarbeit mit lokalen Glasmachern unterstützte. Vgl. Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 78; Langhamer 2003, S. 126/127. Siehe auch Kapitel 4.2.1, S. 159.
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nannt.98 Die Schule blieb somit unter deutscher Verwaltung.99 Auch die neu berufenen Lehrer waren in erster Linie im Land geborene Deutsche und der Unterricht fand in deutscher Sprache statt: Alexander Pfohl100 war seit 1928 Fachlehrer für Ent wurf und Zeichnung in Haida und das Verbindungsglied zur Glasmanufaktur Moser in Karlsbad, deren Produkte zur Anschauung regelmäßig in der Schule ausgestellt waren und den Studenten für die technische Veredelung zur Verfügung gestellt wurden.101 Pfohl förderte damit nicht nur systematisch die handwerklichen Fähigkeiten seiner Schüler, sondern reicherte gleichzeitig das Sortiment der Glashütte um zeitgemäße Dekore an. Außerdem entwarf er selbst Glas für Moser auf Honorarbasis, beispielsweise Pokale und Becher für Sportveranstaltungen, Jahrestage oder Staatsbesuche.102 Diese freie Tätigkeit der Fachlehrer für die Glasindustrie, die unabhängig von den Aktivitäten der Schule stattfand, hatte in Haida und Steinschönau Tradition.103 Harcuba: „Das war schon vor dem Krieg. In den Fachschulen wurden die Leute dazu erzogen, einmal selbstständig ein Geschäft zu führen oder in einem Betrieb eine Beschäftigung aufnehmen zu können als Entwerfer oder im Büro. Also die Fachschulen haben ja nicht nur den Zweck, dass die Leute später studieren, weil das sind ja nur wenige, die weiter studieren auf einer Akademie oder auf einer Kunstgewerbeschule. Und dann sprach er [Antonín Langhamer in einem Vortrag] eben darüber, wie oft diese Schulen geschlossen oder vereint wurden. Das war in den zwanziger Jahren. Es gab schon Probleme vor dem Ersten Weltkrieg, weil die 98 Dabei wurde er von Hermann Zeh als Stellvertreter für Steinschönau unterstützt. Pazaurek/Spiegl 1983, S. 119. 99 Da die meisten Glashütten seit dem Mittelalter in deutscher Hand waren und ein enger Austausch zu den Fachschulen für die Ausbildung des Nachwuchses bestand, waren auch die Leiter der Fachschulen von Beginn an zumeist deutsch. Parsche 1977, S. 9. 100 Pfohl (1894–1953) stammte gebürtig aus Haida. Seine Familie war seit Generationen in der Glaserzeugung tätig und so absolvierte auch er die dortige Fachschule. Mit einem Stipendium studierte er an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und diente nach seinem Abschluss als Soldat im Ersten Weltkrieg. Von 1919 bis 1928 leitete Pfohl das Entwurfsatelier der Josephinenhütte in Schreiberhau (Szklarska Poręba). Dann wechselte er als Professor an die Glasfachschule in Haida. Er unterrichtete den dritten Jahrgang und die Meisterklasse im Entwurfs- und Naturzeichnen. Auch war Pfohl zuständig für die Ausbildung der Glasmaler und hatte die künstlerische Aufsicht in den Werkstätten. Eine Vielzahl von nordböhmischen Firmen fertigte Gläser nach seinen Entwürfen an. Von 1945 bis 1948 arbeitete er als Ausbilder in der Glasmalerwerkstatt seines Bruders Erwin in Haida. In dieser Zeit wurden nach seinen Entwürfen Repräsentationsstücke für die Prager Regierung ausgeführt, darunter ein Prunkpokal für Theodore Roosevelt, ein Hochzeitspokal für das Haus Hohenzollern sowie diverse Staatsgeschenke, so für Präsident Truman und den Schah von Persien. 1948 übersiedelte Pfohl ins hessische Hadamar und wirkte ab 1949 in der dort neu eröffneten Glasfachschule als einziger Dozent, bevor er vier Jahre später verstarb. Langhamer 2002, Anm. 15, o. S. 101 Pfohl war während der gesamten 1920er Jahre für unterschiedliche nordböhmische Manufakturen sowie die Josephinenhütte in Schlesien tätig. Mergl/Pánková 1997, S. 110. 102 Ricke 1982, S. 87. 103 Ebenda, Anm. 31, S. 100.
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Betriebe die Schule beschuldigt haben, dass sie nicht zur rechten Zeit Hilfe im Stil der Sezession gebracht hätten und dass die Betriebe dann zu spät auf die Konkurrenz reagiert haben. Er [Langhamer] sagt, die Schulen haben sich nicht gewehrt gegen diese Anschuldigung. Man kann beweisen, dass sie in den Klassen schon erste Entwürfe in diesem Stil anfertigten, nur die Betriebe waren zu langsam, um das zu erkennen und diese neuen Entwürfe zu akzeptieren. Und dann in den zwanziger Jahren hat man gesagt, das ist zu viel, zwei Fachschulen nebeneinander, dann hat man die vereint unter einer Leitung. Aber man hat das immer wieder erneuert [rückgängig gemacht], weil das war ja wichtig, dass zwei Schulen da waren, die miteinander konkurrierten und die in einem Wettstreit nebeneinander waren, das war gesund ...“104
Gegründet 1885, arbeitete auch die Kunstgewerbeschule in Prag seit 1919 extern mit einigen Glashütten zusammen105 und war Vorbild für ein praxisorientiertes Ausbildungsmodell, das die Schule viele Jahre später, nach ihrer Erhebung in den Hochschulstatus im Jahr 1946, erneut praktizierte.106 Zwar wurden nur wenige Designs auch in die Produktion aufgenommen, doch die Umsetzung der gezeichneten Entwürfe in Glasmodelle spielte für die Studenten eine wichtige Rolle bei ihrer Ausbildung. So entwickelten sie schnell ein Gefühl für die Umsetzbarkeit ihrer Designs. Leiter der Schule war Josef Drahoňovský, zu den Dozenten zählten Vratislav Hugo Brunner107, Jaroslav Benda108 und František Kysela109, von denen aber nur Drahoňovský und Kysela die Gestaltung von Glas – und dies nur als Teil der Ausbildung – unterrichteten. Der Besuch des Zeichenunterrichts in den Grafikabteilungen Brunners und Bendas war für alle Studenten obligatorisch.110 Die Fakultät der UMPRUM legte großen Wert auf eine Kombination von ästhetischen und funktionalen Aspekten in den Glasentwürfen ihrer Studenten und ging dabei über die Forderung der Bauhauslehrer wie Wilhelm Wagenfeld hinaus. Un104 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 105 Langhamer 2005a, S. 36. 106 Siehe Kapitel 4.3. 107 Der Grafiker, Illustrator und Karikaturist Brunner (1886–1928) absolvierte sein Studium in München, bevor er als Professor an der Prager Akademie der bildenden Künste Gebrauchsgrafik unterrichtete. Zu seinen bekanntesten Studenten zählt Josef Kaplický. Brunner war Gründungsmitglied von Artěl und Mitherausgeber mehrerer Kulturzeitschriften. Auch entwarf er Banknoten und Briefmarken für die Tschechoslowakische Republik. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 108 Benda (1882–1970) gewann durch einen Briefmarkenwettbewerb die Aufmerksamkeit Kyselas, der ihn an die AVU als Grafikprofessor holte. Zu Bendas bekanntesten Schülern zählt Ladislav Sutnar. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 109 Kysela (1881–1941) studierte von 1900 bis 1904 und von 1905 bis 1908 an der UMPRUM unter Vítěslav Mašek. Im Studienjahr 1904/05 besuchte er das Atelier von Hanuš Schwaiger an der Akademie der bildenden Künste in Prag. Seit 1913 unterrichtete er als Lehrer für Malerei an der UMPRUM, seit 1917 bis zu seinem Tod als Professor. Kysela gehörte zu den Gründungsmitgliedern von Artěl und interessierte sich neben seiner Zusammenarbeit mit Architekten für die Gestaltung von Schmuck und Gebrauchsgegenständen. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 110 Langhamer 2003, S. 123.
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ter Berücksichtigung der seriellen Produktionserfordernisse entstanden Gebrauchsgläser mit hohem gestalterischem Wert, die teilweise heute noch hergestellt werden.111
2.6 Glasproduktion in der Protektoratszeit Das politische Übergewicht der deutschsprachigen Bevölkerungsschichten, die auch überwiegend kapitalkräftiger waren, hatte sich besonders in der Industrie der böhmischen Grenzgebiete, wo sich die Glashütten befanden, geltend gemacht. Auch die Glasfachschulen waren in deutschen Händen.112 Die Arbeitsplätze der Tschechen hingen von den Deutschen ab, und die Firmen in deutschem Besitz waren auf die erschwingliche tschechische Arbeitskraft angewiesen.113 Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 29. September 1938 wurde das tschechische Grenzgebiet mit den größten Produzenten und Exporteuren von Glas und Bijouterie vom Deutschen Reich okkupiert. Die Republik verlor auf einen Schlag alle Fabriken für optisches Glas, 30 von 33 Manufakturen für Lampenglas, 35 von 55 Betrieben, die Gebrauchsglas herstellten, sowie 214 von 239 Dekorationsateliers.114 Ab dem 16. März 1939, dem Tag der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren, übernahmen deutsche „Treuhänder“ die Schlüsselpositionen tschechischer Betriebe. Viele Betriebe wurden konfisziert und wechselten in „reichsdeutsches“ Eigentum. Bereits zwei Monate später bekleideten ausschließlich Deutsche leitende Positionen in der Karlsbader Glashütte Moser . Der Betriebsrat wurde ausgewechselt und die Statuten des Unternehmens deutschem Recht angepasst.115 Insgesamt gingen 234 Großbetriebe mit einem Gesamtwert von fast 1,5 Milliarden CZK und 190 kleinere Unternehmen im Wert von 114 Millionen CZK in deutschen Besitz über.116 Die Glasindustrie verlor ihre traditionellen Märkte in Europa und in
111 Šetlík 1994, S. 16. 112 Siehe Kapitel 2.3.3 und Raban 1963, S. 12. 113 In der Habsburger Monarchie hatte sich diese Praxis gefestigt, da die „Slawen“ oftmals weniger Privilegien besaßen als die deutschen Adligen, Staatsbeamten und wohlhabenden Kaufleute mit Ausbildung an deutschsprachigen Lehrinstituten. Diese tätigten ihre Geschäfte vornehmlich auf Deutsch (Frantz 2005, S. 16). Vgl. zum etymologischen Ursprung tschechischer Fachbegriffe des Glasmacherhandwerks im Deutschen: Freytag. In: GB 4/1939, S. 97–99. 114 Weiterhin gingen Außenhandelsunternehmen in der Region von Haida und Steinschönau verloren. Insgesamt waren etwa 14.700 Angestellte der Glasmacherzunft betroffen. Langhamer 2003, Fußnote 1, S. 147. 115 Vgl. Moser-Vorstandsmitglieder in: Mergl/Pánková 1997, S. 168. Im Zuge der Nationalisierung wurde die Hütte einem „reichsdeutschen“ Treuhänder übergeben, dem ehemaligen Direktor der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin Max Adolf Pfeiffer. 116 Von den leitenden Wirtschaftspositionen waren 36 Prozent von Deutschen besetzt. Viele Bürger wurden aufgrund der Nürnberger Gesetze als „Juden“ bezeichnet und ihr Eigentum von den Besetzern enteignet. Vgl. Ziebart 1999, S. 17.
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Übersee, da nun so gut wie ausschließlich für das Deutsche Reich produziert wurde.117 Kleinere Raffinerien, wie Karel Palda118 in Haida, führten dekorative Auftragsarbeiten mit Hakenkreuzmotiv aus (Abb. 5). Die traditionsreichen Glashütten Riedel fertigten im Rahmen des geheimen militärischen Programms „Tonne“ Großbildröhren für Radargeräte. Als kriegswichtiger Wissenschaftler wurde Walter Riedel nach Kriegsende in die UdSSR gebracht, wo er beinahe elf Jahre lang ein Glaslabor leitete.119 Generell passte sich die Produktion an den Kriegsmarkt an. Schon allein aufgrund der problematischen Rohstoffbewirtschaftung konnten Luxusgläser nicht mehr hergestellt werden. Die Glashütte Kavalier, spezialisiert auf die Herstellung technischen Glases, stellte in diesen Jahren vornehmlich Verpackungs- und Konservierungsglas her.120 An den Glasfachschulen stellte man das Curriculum auf die Kriegssituation um. Hubert: „Wir haben Rüstungsproduktion gemacht in der Schule, Gläser für Flugzeuge haben wir genietet, aus Aluminium, für Flügelteile.“121
Auch slowakische Glasbetriebe waren vom Krieg betroffen. Die Glashütte Lednické Rovne wurde von Stölzle übernommen und modernisiert. 1942, nach der Errichtung eines slowakischen Staates wurde Lednické Rovne unabhängig und änderte seinen Namen in Slovenské sklené huty (Slowakische Glashütten).122 Die leitenden Angestellten der Gräflich Harrach’schen Glashütte, Neuwelt wurden im Winter 1938 ausgewechselt. Graf Jan Harrach, Besitzer des Unternehmens, musste seine Glashütte 1943 an den deutschen Unternehmer Rudolf Ender verkaufen. Er stellte die Produktion auf die Herstellung von Minen und verschiedenen Werkstücken für die Waffenindustrie um.123 Die Spezialisten für Gravur und Feinveredelung erhielten als entbehrliche Arbeitskräfte ihre Kündigung. Der deutsche124 Vater des Künstlers Jiří Harcuba, der mit seiner Familie 117 90 Prozent der Flachglaserzeugung wurde in die Kriegswirtschaft Deutschlands einbezogen (Danielis 1973, o. S.). Die Hohlglaserzeugung und Rohstoffzuweisung unterstand dem neuen Kartell Markt- und Leistungsgemeinschaft der Hohlglasindustrie (Scheiffele 1994, S. 150–152). Allein schon aufgrund der Konfiszierung der Güterwagen war der etablierte Lieferverkehr undurchführbar geworden. Im Anschluss an das Münchner Abkommen erhielt Deutschland 24.000 Frachtwaggons und Ungarn noch einmal 5.000 Stück aus dem Besitz der Tschechoslowakischen Staatsbahn. Kubin. In: GR 1/1946, o. S. 118 Seit 1938 führte Karel Paldas Sohn Jaroslav den Betrieb. 1945 wurde die Familie ausgewiesen. Hartmann C. 2004, S. 245. 119 Spiegl et al. 1991, S. 17. 120 Fürbacher. In: GR 4/1992, S. 16; vgl. Glettler/Liptak/Míšková 2004, S. 10. Vor dem Krieg hatte Kavalier die bekannten Gläser nach Entwürfen von Ladislav Sutnar produziert. 121 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 122 Jackson 2000, S. 117. 123 Hetteš. In: GR 12/1955, S. 19. 124 Harcuba selbst verwendet den Begriff „sudetendeutsch“ vom Tschechischen „Sudetští Němci“ (Sudeten-Deutsche) für seinen Vater. Die Bezeichnung „Sudetendeutsche“ wurde vereinzelt schon im 19. Jahrhundert benutzt, setzte sich vor allem ab 1919 als Sammelbegriff für die über
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einen handwerklichen Betrieb für Glasveredelung in Harrachsdorf (Harrachov) führte, war auch betroffen. 1939 fand er für ein Jahr Arbeit beim Autobahnbau im Deutschen Reich, bevor er als Meister in einer Schleifwerkstatt in Harrachsdorf angestellt wurde.125 Viele tschechische Glasarbeiter aus der Region zogen nach Proklamierung der Teilmobilmachung im Mai 1938, die in der Rede Adolf Hitlers auf dem NSDAP-Parteitag in Nürnberg am 12. September 1938 und dem Putschversuch der Sudetendeutschen Arbeiterpartei erneut angedeutet wurde, in die kleineren Glaszentren im oberen Jizera Tal, die Umgebung von Podiebrad (Poděbrady) und die Böhmisch-Mährische Höhe (Vysočina).126 Zusätzlich musste infolge des Münchner Abkommens ein großer Teil der seit 1910 im Sudetenland angesiedelten Tschechen dieses binnen drei Monaten verlassen. Hubert: „Im Jahr ’38 da sind wir geflohen ins Innere, weil hier war die Ordnerschaft sehr hart, sie haben uns Tschechen so rausgehauen.“ Wasmuth: „Wo sind Sie hingegangen?“ Hubert: „Da sind wir zu meiner Großmutter und meinem Großvater gefahren, Vater, Mutter und ich. Da waren wir ein paar Monate von Mai bis fast November. Na, und dann war es schwierig mit der Arbeit, weil das war wie in der Ersten Republik, es gab viel Arbeitslosigkeit.“127
drei Millionen Deutschen in den böhmischen Ländern durch und ersetzte die bis dahin übliche Bezeichnung „Deutschböhmen“ (Schieder et al., S. 3). In der vorliegenden Arbeit wird er bewusst nicht verwendet. 125 Harcuba: „Na ja, mein Vater war Kommunist. Das geschah aus politischen Gründen. Die einzige Arbeit, die er bekam, war der Autobahnbau zwischen Frankfurt und Koblenz. […] Er war sehr zufrieden, weil da war dieser Hass nicht, der im Sudetenland war. Ob jemand ein Tscheche war im Rheinland, das hat niemanden interessiert, nicht? […] Dann auf einmal war alles anders, weil Hitler hat mit Stalin einen Pakt abgeschlossen. Auf einmal waren die Kommunisten nicht mehr die Erzfeinde und er kam dann zum Urlaub nach Hause und bekam eine Stelle in einer Hütte, in der Glasfabrik. Er wurde dann Meister von einer Mattschliffwerkstatt, wo etwa 20 oder 25 Frauen arbeiteten und er war der Meister von dieser Werkstatt. […] Im Kriege, also gleich nach ’38, da war es sehr schlimm. Der Vater, den hat man halb tot geschlagen, weil die jungen Kerle, ungefähr 12 oder 13, ins Haus kamen und ihn misshandelt haben. Und er bekam keine Arbeit und er ging ins Reich. Und das dauerte bis ’39, und schon ’39 haben die die Polen überfallen […] Stalin und Hitler gemeinsam haben sich Polen geteilt. […] Er arbeitete ein Jahr, dann konnte er wieder in der Hütte arbeiten. Erst wieder, ’40 dann.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 126 Schon am 21.9.1938 meldete die Nachrichtenabteilung des Generalstabs der tschechoslowakischen Armee, dass Sozialdemokraten und Kommunisten – deutsch und tschechisch – aus den Grenzgebieten ins Landesinnere flüchteten. Bis zum 27. September wurden 24.359 Flüchtlinge tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit von den Behörden registriert. Innerhalb von drei weiteren Tagen zogen noch einmal weitere 4.000 in Richtung Südosten. Arnošt/Drahotová/Langhamer 1985, S. 37; Gebhart 1999, S. 14. 127 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003.
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Auch die Familien der später erfolgreich als Glaskünstler tätigen Ladislav Oliva Senior128 und František Vízner129 zog es ins Inland. Nicht alle Umsiedler konnten dort neue Arbeit finden. Die Situation wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass diejenigen Facharbeiter, die sich 1930 bei der Volkszählung als deutsch erklärt hatten,130 schon bald nach Kriegsausbruch an die Front einberufen wurden.131 Eine erstaunliche Initiative unternahm die Glasfabrik Vetter132 in Steinschönau, deren Geschäftsführer Alfred Taube sich erfolgreich darum bemühte, die ins Landesinnere geflüchteten Arbeiter zurückzuholen, indem er ihren Kindern tschechischsprachigen Unterricht versprach.133 Die Glasfachschule des Ortes war 1935 in „Deutsche Staatsfachschule für Glasindustrie, Steinschönau“ umbenannt worden134 und erneut im Oktober 1938 in „Staatsschule für Glasveredelung Steinschönau, Gau Sudetenland“.135 Die Biographie des Graveurs Václav Hubert136 schildert beispielhaft das Schicksal eines tschechischen Jugendlichen aus Steinschönau während der Protektoratszeit. 128 Interview Milan Hlaveš mit Ladislav Oliva, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 10.09.1913). 129 Vízners kamen auf dem Bauernhof seines Großvaters mütterlicherseits in Mezihoří unter. Vízner (1936–2011) besuchte 1951 für kurze Zeit das Lehrlingsinstitut für Glasmacher in Nový Bor, bevor er an die Fachschule in Železný Brod wechselte. Siehe Kapitel 4.2.3, S. 188–190. 130 Der Anteil der ethnischen Deutschen betrug zu diesem Zeitpunkt 22 Prozent. Brandes 1988, S. 20. 131 Eisch 2003, S. 46. Diese Maßnahme war vermutlich ausschlaggebend für die zunehmende Aufnahme junger Praktikanten aus „reichsdeutschem“ Gebiet. Beispielsweise kam Friedemann Großmann (geb. 1922), nach Kriegsende Gestalter beim VEB Sachsenglas, 1939 für ein Jahr an die Fachschule in Steinschönau. 132 Elf Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Glashütte Jílek baute František Vetter 1925 am Oberen Bahnhof in Steinschönau seine eigene Glasfabrik. Die Leitung übertrug er seinem Schwiegersohn Alfred Taube. Gestalter wie Alexander Pfohl, der maßgeblich als Dozent den Stil der dreißiger Jahre an der Haidaer Glasfachschule prägte, lieferten Entwürfe für ihn. Die Vetter-Glashütte wurde 1972 geschlossen (Langhamer 2003, S. 99). Nach dem Krieg wurde das Unternehmen verstaatlicht und die Inhaber ausgewiesen. Taube ließ sich mit einer eigenen Hütte Kristallglasfabrik Alfred Taube in Vohenstrauß in Bayern nieder. Hartmann C. 2004, S. 56, 93. 133 Hubert: „Ja. Da hat der Chef der Glashütte, der hieß Taube, das war die Vetter-Glasfabrik, das war der Schwiegersohn von dem Vetter, der Vetter lebte nicht mehr. Und der Taube hat halt versucht, die tschechischen Glasmacher zurückzubekommen. Weil in diesem Grenzgebiet gab es Glashütten, deren Belegschaft fast nur aus Tschechen bestand. Da war ein Sommer mit seinem Sohn, das waren nur die zwei Deutschen, die in der Glashütte gearbeitet haben, das waren sonst nur Tschechen. Dann war Kröpel, der Schmelzer, der war deutsch. Und alle sind geflüchtet und da hat der Herr Taube geschrieben, kehrt zurück, wir haben für Eure Kinder den tschechischen Unterricht bewilligt bekommen. Auf diesen Brief hin sind fast alle zurückgekommen, ich glaube, nur zwei Familien blieben im Inneren.“ Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 134 Hartmann C. 2004, S. 51. 135 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 31. 136 Hubert (geb. 1928) arbeitete nach seiner Ausbildung an der Glasfachschule Kamenický Šenov als Graveur für Lobmeyr. Ab 1969 war er als fest angestellter Gravurdozent an dieser Fachschule tätig, nachdem er dort zuvor bereits zeitweise unterrichtet hatte. Erst 2006, achtundsiebzigjährig,
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Hubert: „Und da sind wir zurückgekommen, aber da war kein tschechischer Unterricht, vielleicht hat er [Alfred Taube] es versucht und das ging nicht. Jedenfalls, ich war in der vierten Klasse in der deutschen Schule, das waren starke Jahrgänge, 45 Schüler, wir waren drei Tschechen, konnten kein Deutsch. Das war halt sehr schwierig, wenn der Geschichtslehrer etwas erzählt hat, haben wir es nicht verstanden. Aber die haben es nicht so gemacht, dass wir als Anfänger zusätzliche Stunden machen konnten. Sie haben es so gemacht, uns ins Wasser geworfen und jetzt schwimmt mal, so ähnlich. Und das hat gedauert. Da haben die deutschen Buben immer gelacht, wir haben ja gestottert, das war für sie ein Spaß gewesen. Das war halt schwierig. Wir sind in die Bürgerschule gekommen. Wir zwei Tschechen, wir haben nicht auf Deutsch gelernt, wir hatten zu Hause unsere tschechischen Bücher, haben immer auf Tschechisch gelernt. Wir hatten auf die deutsche Schule keine Lust, weil wir oft angegriffen worden waren, Prügelei und so. Kurz und gut, wir mussten zurück in die Volksschule, wir bekamen eine Sechs in Deutsch. Und der dritte Mitschüler hat es anders gehabt, sie waren Angehörige des deutschen Staates. Es war in dieser Zeit eine Völkerbestimmung, es sollte sich jeder melden zu dem Staat, dem er angehörte. Sie haben nicht reagiert, da blieben sie unter deutschem Status und wir haben Protektorat Böhmen und Mähren gewählt und galten als Ausländer. Die haben ihm eine deutsche Privatlehrerin genommen, er hat es [Deutsch] gelernt und wir mussten mühsam in der Volksschule ... Aber obwohl man nicht will, langsam geht es ins Ohr. Dann kam das Jahr 1943, da brauchten wir einen Beruf. Ich wollte Schlosser werden, ein Schmied werden. [...] Und der Kollege wollte Fleischer werden. Aber das Arbeitsamt hat ja alles bestimmt damals. Sie haben gesagt, das gibt’s nicht, ihr könnt wählen: Bergbau, Straßenbau, Kohlenschächte, Eisenhütten, Glasblasen in der Hütte, Maurerarbeiten. Es war damals auch mit den Lebensmitteln schwierig und da sagte der Vater, es wäre am günstigsten, wenn ich Dich mit in die Glashütte nehme, bis der Krieg zu Ende ist, dann machst Du den Schmied.“ Wasmuth: „War Ihr Vater auch in der Glashütte?“ Hubert: „Ja. Der sagte aber, ich will dich nicht in die Hütte nehmen, weil du da Tuberkulose bekommst und krank wirst. Da gehst du in die Fachschule, bis der Krieg zu Ende ist. Der sagte, Hitler wird sowieso den Krieg verlieren, dann wird dies wieder die Tschechoslowakei sein. So haben wir es gemacht und der Kollege auch. Wir haben die Aufnahmeprüfung bestanden. In Deutsch hatte ich eine Zwei und Zeichnen und Malen auch. Da konnten wir studieren, theoretisch. Das war damals die deutsche Glasfachschule in Kamenický Šenov. Dann kam aber der Schuldiener, der hieß Netolický [Lebensdaten unbekannt]. Das war ein ... sein Vater war Tscheche und die Mutter eine Deutsche. Der war auch ein Glasbläser. Und er kam zu uns und sagte zum Vater: Dein Sohn und vom Holík der Sohn [Lebensdaten unbekannt], die dürfen hier nicht studieren, weil ihr seid hier Fremde, ihr seid Protektoratsangehörige, ihr dürft hier nicht studieren. Wir hatten die Prüfung bestanden, im August war der Anfang der Fachschule. Unsere Mütter haben gesagt, das ist eine Dummheit. Zuerst machen sie die Prüfungen und dann dürfen sie nicht studieren. Da sind sie auf die Gemeinde gegangen. ging er in den Ruhestand und wurde mit dem Preis der Czech Glass Association für seine Lebensleistung ausgezeichnet.
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Dort sagte man ihnen, leider ist es so, wir können nichts machen. Der Bürgermeister meinte, fahrt nach Tetschen [Děčín] zum Bezirksamt. Vielleicht könnt Ihr dort etwas ausrichten. Er hat ausrichten müssen, was die Direktion gesagt hat, die zwei tschechischen Schüler dürfen hier nicht studieren. Na, dann sind unsere Mütter wieder gefahren, die Ämter haben sie auf andere Ämter geschickt, zum Heeresamt [Aussig] und dann wieder zum Bürgermeister. Und zum Schluss hat der Bürgermeister es dann entschieden und der sagte, ich sehe es halt als eine Dummheit, wenn die Väter hier als Glasbläser arbeiten, warum sollen die Kinder nicht die Gravur lernen? Da sind wir dann drei Wochen verspätet auf die Schule gegangen und haben angefangen. Dann hat der Fachlehrer Glössner137, sein Sohn wohnt [heute] in Rheinbach, der hat mich in die Werkstatt genommen, das waren so hohe Tische und Fenster, hohe Hocker. Er hat mir gezeigt, wie man eine Kugel macht. […] Also in der Fachschule war es so, die hatten Graveure, die mussten im ersten Jahr auch malen. Wir haben graviert, hatten viele Werkstattstunden, aber wir haben auch in der Malerwerkstatt gemalt, das ganze Jahr. Das war sehr interessant, wir haben auch Steine gemacht, Glasblasen, Ätze, Schablone, das war schön. Nur habe ich es nicht ertragen, weil diese Ausdünstungen von Terpentin haben mir auf den Magen gedrückt. Ich hatte keinen Appetit, war halt so krank, habe das nicht vertragen. Als das eine Jahr Malen beendet war, habe ich Gravur gelernt. Wir haben dabei auch die Steingravur gemacht. Dann kam es dazu, später, dass der Glössner zum Militär musste und wir bekamen einen neuen Lehrer, der hieß Uhlmann, Richard [Lebensdaten unbekannt]. Der war nicht beim Militär, wahrscheinlich dann später erst. Wir haben in dem Fach viel gelernt, im Zeichnen auch, das war alles gut.“ Wasmuth: „Dieser Uhlmann, kam der aus Kamenický Šenov oder wurde er hier her berufen?“ Hubert: „Er war von hier. Sein Vater war ein Graveur. Ich glaube, er hatte noch einen Bruder, der war Graveur und wohnte unter der Glasfabrik Vetter. Seine Mutter hatte einen Tabakladen, da habe ich für den Vater immer Zigaretten geholt. Das war so etwas wie Nachbarschaft. Und dieser Uhlmann hatte eine Krankheit mit den Ellenbogen, weil er sich immer bei der Arbeit da aufstützte. Es gibt solche Polster, da ist Weizenkleie drin. Das ist deswegen, man macht eine Kuhle und da gibt man den Ellenbogen rein. Man stützt den Knochen, das sind die besten. Aber dieser Uhlmann, der hat wahrscheinlich schwere Vasen gemacht, dann kann man Krämpfe kriegen, Entzündungen. Der Uhlmann war sehr muskulös, ein schöner Mann, er fiel auf. Er hat immer bei dem Nachbarn, Mechtel, ein Landwirt, da hat er immer 137 Friedrich Glössner (1907–1986), auch Glößner, war von 1935 bis 1940 als Hilfslehrer in der Gravurabteilung und von 1941 bis 1944 als Fachlehrer für Gravur und Zeichnen an der Schule tätig. Nach seiner Rückkehr aus dem Militärdienst 1945 wurde er inhaftiert und später nach Thüringen ausgewiesen, bevor er nach Kramsach in Tirol zog. 1947 gravierte Glössner für J. & L. Lobmeyr in Wien und unterrichtete erneut Gravur an der Kramsacher Glasfachschule, die jedoch nach Rheinbach verlegt wurde. Glössner erhielt 1948 das Angebot, als Dozent für Glasgravur bei Alfred Dorn (Dorn hatte bis zu seinem Militärdienst 1941 als Direktor der Glasfachschule in Steinschönau fungiert. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 31) anzufangen und übersiedelte nach Rheinbach. 1963 übernahm Glössner die Leitung der Abteilung Gravur, bis er 1970 in den Ruhestand ging (Hartmann C. 2004, S. 137). Die Glasfachschule in Rheinbach begann ihren Lehrbetrieb am 01.04.1948 mit 13 ehemaligen Lehrern der Schulen in Haida und Steinschönau. Braunová/ Werner 1998, S. 2.
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mit den Pferden gearbeitet und als es ihm wieder gut ging, hat er weiter graviert. Er hat immer gewechselt, der Uhlmann. Das war ein sehr guter Lehrer. Seine Frau war eine Tschechin, die waren aber kinderlos. Ich hatte noch einen Mitschüler, der hieß Schimmel Paul und der war herzkrank. Der wurde mit einem Fehler am Herz geboren. Die haben gesagt, er hätte ein Loch im Herz, der hatte die Lippen immer blau. Aber so etwas Liebes! Und der hat so schön graviert. Die Mutter war sehr schön, aber sehr traurig. Weil sie gewusst hat, dass er so keine Zukunft hat. Ich bin von der Fabrik Vetter runtergegangen, zu dem Schimmel, das war auf dem Weg zur Fachschule. Wir haben ihn immer mit dem Dreirad zur Schule gebracht. Entweder ich habe gezogen oder seine Mutter. Den habe ich sehr gemocht. Und einmal ist er umgefallen in der Werkstatt. Da sind wir hingelaufen, der war ohnmächtig. Wie haben den Lehrer geholt, den Malereilehrer, den Hartmann [Lebensdaten unbekannt]. Der war so hart, der hat sich so furchtbar geäußert über den Schimmel: Solche Leute sollen nicht leben! Aber zum Glück war der Paul ohnmächtig, hat es nicht gehört. Da war ich erschüttert. Das waren so harte Sachen. Na, und dann ging es ihm wieder besser. Dann kam das Jahr ’44, da hat sich die Front genähert. Da mussten wir zwei Tschechen und dann noch vier Deutsche aus den Familien der Sozialdemokraten – das waren eigentlich Antifaschisten –, wir mussten nach Polen zum Schanzenbau.“ Wasmuth: „Und die anderen deutschen Schüler durften bleiben?“ Hubert: „Manche von ihnen wurden an die Front geschickt, manche. Die Mehrzahl blieb in der Schule. Und wir sind nach Polen gekommen. [Erzählung vom Schanzenbau und schlimme Erlebnissen während der Zwangsarbeit in Polen, Scharlacherkrankung, Eltern erkannten ihn bei der Rückkehr nicht wieder, Krankenstation, chronische Nierenkrankheit] Darum habe ich viele Stunden gefehlt.“138
Während der Kriegsjahre gestaltete sich die Beschäftigung mit Kunstglas als schwierig. Ebenfalls in Reaktion auf den Einmarsch der Deutschen 1938 verließ Emanuel Beránek139 Blottendorf (Polevsko) bei Haida, wo er während der dreißiger Jahre als Leiter bei den Rudihuť Glaswerken gearbeitet hatte, und eröffnete einen eigenen kleinen Betrieb in seiner ursprünglichen Heimat an der böhmisch-mährischen Grenze.140 Gemeinsam mit seinen Brüdern Bohuslav, Jindřich und Josef gründete er die Beránek Glashütte in Skrdlowitz (Škrdlovice) im Jahr 1941. Diese Hütte unweit der Stadt Źďár nad Sázavou beschäftigte sich ausschließlich mit der manuellen Fertigung von Gläsern. Mit den einfachsten Rohstoffen und selbstgebauten Öfen produzierte die Beránek Hütte zunächst
138 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 139 Beránek (1899–1973) stammte aus Krucemburk und begann 1912 eine Lehre als Glasmacher in Bernsdorf, wo er blieb, bis er ab 1916 als Soldat diente. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ er sich in Polevsko nieder, wo er zunächst für Karl Mühlbauer in der Klarahütte tätig war und sich dann in der Nachfolgerhütte Rudihuť zum Direktor hocharbeitete. Im Jahr 1938 rangierte die Hütte als erfolgreichster Produzent von Farbkristall in der Region. Umění a řemesla 5/1965, S. 190/191. 140 Digrin. In: GR 11/1955, S. 21; Jackson 2000, S. 29.
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in Formen geblasenes antikisierendes Glas mit Lufteinschlüssen.141 Die Glasmacher in der Beránek-Hütte waren angesichts dieser limitierten Bedingungen von Beginn an gezwungen, mit neuen Form- und Farbkombinationen zu experimentieren, um innovative Akzente im Sortiment zu setzen. Zu diesem Zweck erlernten sie frühe Methoden der Glasherstellung, über die sie sich in der Bibliothek und Sammlung des Prager Kunstgewerbemuseums informiert hatten.142 Sie orientierten sich dabei an Glasarbeiten des Altertums, die unter ähnlich primitiven Bedingungen hergestellt worden waren.143 Die Resultate zogen schnell die Aufmerksamkeit einheimischer Fachleute auf sich. Bereits 1943 begann die Glashütte, mit namhaften akademischen Gestaltern, wie Vlasta Lichtágová oder ihrem Ehemann Jan Lichtág, zusammenzuarbeiten. Diese realisierten ihre Entwürfe gemeinsam mit den dortigen Glasmachern. Dank der Mitarbeit von zehn Künstlern entwickelten die Beráneks ein eigenständiges Profil im Bereich des handgeformten Hüttenglases.144 Die Prager Kunstgewerbeschule (UMPRUM) nahm während des Zweiten Weltkrieges eine besondere Funktion bei der Aufrechterhaltung des akademischen Kunstbetriebes ein. Nachdem die deutschen Besetzer die Studentendemonstrationen 1939 zum Anlass genommen hatten, neben der städtischen Akademie der bildenden Künste (Akademie výtvarných umění v Praze – AVU) auch alle anderen Kunsthochschulen zu schließen, wählten viele Kunststudenten die UMPRUM als Alternative.145 Hier wurden sie also eher zufällig mit dem Werkstoff Glas konfrontiert, da dort ein Atelier für angewandte Bildhauerei mit dem Schwerpunkt Glas- und Steinschneidekunst von Josef Drahoňovský etabliert und nach dessen Tod von 1938 von Karel Štipl146 weitergeführt wurde. Leiter einer zweiten Abteilung für angewandte Malerei und künstlerisches Glas war seit 1939 Jaroslav Václav Holeček. Holeček, zuvor Leiter der tschechischen Abteilung an der Glas141 In dem Schuppen, der zu dem Wohnhaus der Familie gehörte, baute Beránek mithilfe seiner Brüder einen kleinen Glashafen. Da kein Geld für den Ankauf von Rohmaterialien vorhanden war, begann Beránek Scherben aus Bier- und Sodaflaschen zu schmelzen, die er in Sammelstellen fand. Geheizt wurde mit einfachem Torf, Pottasche gewann er aus Holzasche. Digrin. In: GR 11/1955, S. 21. 142 Ebenda, S. 22. 143 Hálkovová. In: GR 5/1992, S. 2. 144 Adlerová 1973a, S. 9. 145 Die Deutschen verhafteten insgesamt 1.185 Studenten als „Unruhestifter“. Sie wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert und nur aufgrund der Intervention Mussolinis, des Vatikans und schwedischer und jugoslawischer Gesandter in Berlin sukzessive bis 1941 entlassen. Alle Universitäten blieben während der Protektoratszeit geschlossen. Connelly 1999, S. 84, 328. 146 Karel Štipl (1889–1972) studierte bis 1920 Bildhauerei an der UMPRUM bei Drahoňovský, Klouček und Plečnik. Danach wurde er selbst Dozent für Bildhauerei an der Schule, bevor er 1938 das Institut Drahoňovskýs übernahm. Von 1941 bis 1942 fungierte er als Direktor der Schule. Ab 1945 unterrichtete er erneut an der UMPRUM. 1952 wurde Štipl Professor für Glyptik (Glasschnitt) und technische Skulptur sowie Gravur an der inzwischen zur Hochschule gewordenen Lehranstalt in Prag (Vybíral 1995, S. 536). Zu Štipls Rolle als Nachkriegsdozent siehe Kapitel 4.3.
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fachschule in Haida147, bewirkte infolge der Unterzeichnung des Münchner Abkommens nach persönlichen Verhandlungen mit Jan Kapras, Minister für Bildung und Kultur, einen Transfer seiner Abteilung an die UMPRUM.148 Gegen den Widerstand der Fakultät wurde Holeček zum Professor ernannt.149 Zu seinen Studenten zählten die beiden für die Entwicklung der Glasskulptur nach dem Krieg immens einflussreichen Stanislav Libenský150 und René Roubíček.151 Roubiček: „Ich wollte zur Kunstakademie gehen, nachdem ich meine Matura gemacht hatte. Da hatte der Krieg schon angefangen. Wenn man mich fragt, wie ich zum Glas gekommen bin, sage ich immer, Hitler ist schuld daran! Da die Akademie geschlossen war, bin ich zur Kunstgewerbeschule in Prag gekommen. Dort gab es neben Glas, Keramik und Textil auch ein Atelier für Monumentalmalerei in Kombination mit Glas. Auch Libenský besuchte die Schule, er war ein Jahr über mir. In meiner Klasse war noch Hospodka. Wenn der Krieg nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht nach Paris gegangen. Ich wollte nicht nur Glas machen.“152
Das traditionsgemäß zum Kunstgewerbe zählende Medium Glas wurde so von jungen Künstlern unter der Ägide von Dozenten entdeckt, die ihre Kindheit und frühe Jugend in der Ersten Republik verbracht hatten. Karel Štipl behielt seinen Posten als Dozent bis weit in die Nachkriegszeit. Während des Krieges war er im Konzentrationslager There-
147 Ab 1937 war Holeček zum Vertreter des Schuldirektors ernannt worden und übernahm gleichzeitig die Leitung der seit 1934 bestehenden tschechischen Abteilung (Hartmann C. 2004, S. 56). Holeček interessierte seine Studenten für die Anwendung von Glas in der Architektur. In den Schulwerkstätten entstanden nach seinen Entwürfen mehrere große, gemalte und in Blei gesetzte Fenster. Für weitere biografische Angaben siehe Kapitel 4.2, Anm. 120, S. 156. 148 Petrová 2000, S. 27. 149 Es bestand wenig Verständnis für Holečeks Lehransatz, da an der UMPRUM die traditionellen Techniken wie Gravur und Schnitt im Vordergrund der Ausbildung standen. Langhamer. In: sklář a keramik 12/2004, S. 356. 150 Libenský (1921–2002) besuchte für ein Jahr die Glasfachschule von Haida, bevor er 1938 an die Fachschule in Steinschönau wechselte. 1939 folgte er seinem Lehrer Holeček an die UMPRUM, wo er 1944 seinen Abschluss erhielt. Von 1945 bis 1953 leitete er die Abteilung für Glasmalerei und Ätztechnik an der SOŠS in Nový Bor und lieferte zeitgleich Entwürfe für Umělecké sklo. Von 1949 bis 1950 studierte er unter Kaplický an der VŠUP. 1953 übernahm Libenský den Direktorenposten an der Glasfachschule in Železný Brod, wo er die Zusammenarbeit mit Jaroslava Brychtová begann, die er 1963 heiratete. Libenský leitete von 1963 bis 1987 das Glasstudio an der VŠUP. Bis zu seinem Tod war er freischaffend tätig. Libenský fungierte zeitweilig als Vorsitzender der Abteilung Glasgestaltung des Verbandes Bildender Künstler. Gemeinsam mit Brychtová übernahm er fortlaufend Aufträge für Repräsentationsbauten im In- und Ausland (Biografische Angaben: UPM-Archiv). Nach der Samtenen Revolution war er Mitbegründer und Präsident der Glass Art Association in Prag. Vgl. Kapitel 6.2.2, Anm. 412, S. 401. 151 Siehe Kapitel 3.2, Anm. 254, S. 106 f., und das Klassenfoto von 1941, Abb. 14. 152 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004.
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sienstadt interniert.153 Nach Kriegsende 1945 konnte er aber erneut unterrichten und wurde sogar als Konrektor der UMPRUM berufen. Holeček hingegen wurde 1945 unehrenhaft entlassen.154 Während des Krieges fanden in der Tschechoslowakei mit Ausnahme der Fachschulpräsentationen keine Ausstellungen statt. Glasgestalter konnten sich auch nicht mehr an internationalen Expositionen beteiligen. Die letzten wichtigen Schauen mit Glasexponaten waren die Weltausstellung in New York 1939/40, an der sich unter anderem die Glasfachschule in Železný Brod beteiligte, und die Mailänder Triennale 1940, bei der Glas aus der Karlsbader Hütte Moser im deutschen Beitrag präsentiert wurde. Mit Eingliederung in das deutsche Zollgebiet im Oktober 1940 wurde die Glasherstellung im Protektorat Böhmen und Mähren systematisch auf die Produktion für Kriegszwecke umgestellt.155 Für den Außenhandel hatte diese Umstellung folgenschwere Konsequenzen. Durch die Bindung der tschechischen Krone an die Reichsmark büßte diese ihren internationalen Devisencharakter ein, denn der Wechselkurs lag bei 1:10. Außerdem verlor die Schutzwirkung der Zollgebühren so an Bedeutung für den Export in Drittländer.156
2.7 Die unmittelbare Nachkriegszeit: Deutsche in der Glasregion Die Glasindustrie war seit Jahrhunderten vornehmlich Eigentum der deutschsprachigen Bevölkerungsschichten. Dieses traditionelle Übergewicht verschärfte sich während der Protektoratszeit, als tschechische sowie infolge der Nürnberger Gesetze als „jüdisch“ erklärte Besitzer von Glashütten dazu gezwungen wurden, ihren Besitz an deutsche Eigentümer zu verkaufen. Auch die Glasfachschulen im böhmischen Grenzgebiet standen bis zum Jahr 1918, aber auch danach, vorwiegend unter der Direktion von Deutschen.157 Anfang Mai 1945 lebten in den böhmischen Ländern zwischen 3,1 und 3,2 Millionen Deutsche; einschließlich der „Reichsdeutschen“, „Slowakeideutschen“ und Flüchtlingen aus Schlesien betrug ihre Zahl sogar etwa 3,5 bis 4 Millionen158. Den Vorstoß der russischen Armee nahmen die meisten Tschechen als „Befreiung“ wahr.
153 „Štipl war in Theresienstadt, weshalb er einem Deutschen nie die Hand gegeben hätte.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 17.12.2002. „Viele andere Pädagogen damals, zum Beispiel ansatzweise Štipl, waren Kommunisten und weniger geeignete Pädagogen, er war im KZ und Freimaurer – ihm ging es schlecht zu Hitlers Zeiten.“ Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. 154 Siehe Kapitel 4.3, Anm. 361, S. 197. 155 Vintera. In: AdT 10/1968, S. 11. 156 Eine Ausnahme stellt Jugoslawien dar, dessen Importe aus dem Protektorat beinahe ein Drittel des gesamten Ausfuhrvolumens ausmachten. Kotula 1978, S. 70. 157 Raban 1963, S. 12. Vgl. auch die ideologisch stark gefärbte Darstellung über die kulturelle Dominanz der Deutschen in der böhmischen und mährischen Glasregion in Freytag. In: GB 4/1939, S. 97–99. 158 Staněk 1999, S. 121.
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Hubert: „Und dann kam der Mai ’45, das war etwas Schönes. Das war ein Samstag. Da hat der Prager Rundfunk nach Hilfe gerufen, auf Russisch, Tschechisch, Englisch. Das war der Prager Aufstand, 5. Mai. Dann war Schluss. Hier war eine starke tschechische Minderheit. Wir waren ein Militärstützpunkt von Tschechen. Wir fühlten uns als Soldaten. Ich war 16 und der Vater war um 34 Jahre älter. Wir hatten Gewehre zu Hause, ein jeder hat neben dem Nachtkasten sein Gewehr. Und dann kamen die Russen, das war schön.“159
Eine radikale Energie mit antideutscher Färbung entlud sich seitens der tschechoslowakischen Bevölkerung mit der Forderung nach Vergeltung. Bereits am 4. April 1945 konstituierte sich in Kaschau (Košice) eine neue tschechische Regierung, deren Vorsitz der aus dem Exil zurückgekehrte Edvard Beneš einnahm. Am folgenden Tag entwarf sie in ihrer ersten Sitzung ein umfangreiches Programm für den Neuaufbau der Republik, das sich mit der Ausweisung der deutschen und ungarischen Einwohner befasste, jedoch im Wortlaut ausschließlich jene Bevölkerungsgruppen betraf, die sich als Kriegsverbrecher oder aktive Nationalsozialisten identifizieren ließen.160 Die Behörden beschlossen in Einklang mit der öffentlichen Meinung, sehr hart gegen diese beiden Gruppen, aber auch gegen Kollaborateure vorzugehen.161 Allein im Juni und Juli 1945 wurden bei ersten „wilden Vertreibungsaktionen“ etwa 700.000 bis 800.000 Deutsche aus der Tschechoslowakei ausgewiesen.162 Im Tschechischen benutzte man dafür den Begriff „odsun“, „Abschub“.163 Es kam auch zu Gewalttaten an der deutschen Bevölkerung, die in einigen wenigen Fällen für Glasmacher oder deren Angehörige verbürgt sind.164 In Steinschönau befand sich von September 1944 bis Januar 1945 ein Außenlager des KZ Flossenbürg mit 48 Häftlingen, die Bau- und Instandhaltungsarbeit im Hotel Glasstuben auszuführen hatten.165 Kurz vor Kriegsende führten die „Todesmärsche“ aus 159 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 160 Schieder et al. 1957, S. 184–203; Wiedemann 2007, S. 42/43. 161 Staněk 1999, S. 118; Wiedmann 2007, S. 44/45. 162 Die tschechoslowakische Regierung teilte dem Alliierten Kontrollrat in einer Note vom 16. August 1945 zu den Potsdamer Beschlüssen mit, dass insgesamt 2,5 Millionen Deutsche ausgewiesen werden sollten, von denen 1.750.000 in der amerikanischen und 750.000 in der sowjetischen Besatzungszone angesiedelt werden sollten. Je Monat sollten 200.000 Menschen das Land verlassen. Sommer 1997, S. 159/160. 163 Carmen Sommer hat in ihrer Dissertation nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass Deutsche – selbst wenn sie Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen oder im Widerstand tätig gewesen waren – kategorisch ausgewiesen wurden. Sie liefert in Kapitel II ihrer Dissertationsschrift einen kurzen Überblick über den Umfang und die Auflagen der Ausweisungen, welche sich bis April 1951 erstreckten. Sommer 1997. 164 So wurde 1946 in Hillúv Mlyn die Frau des ausgewiesenen Glasschleifers Franz Marschner getötet. Wikipedia, Stichwort „Kytlice“, URL: (Stand 12.06.2013). Marschner betrieb von 1906 bis 1933 eine eigene Raffinerie in Hillemühl (Hillúv Mlyn). Hartmann C. 2004, S. 272. 165 Homepage der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, URL: < http://www.gedenkstaette-flossenbuerg. de/?id=41&user_flbAußenlager_pi1[id]=071> (Stand 09.08.2013).
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deutschen Konzentrationslagern und Ausschwitz nach Theresienstadt durch die nordböhmischen Glasmacherorte, wie Kreibitz (Chřibská), wo die einheimische Bevölkerung Zeuge wurde, als Massengräber für zusammengebrochene und erschossene Häftlinge ausgehoben wurden.166 Die Aufgebrachtheit der Bevölkerung gegenüber Deutschen war allein schon angesichts dieser Erfahrungen nachvollziehbar und muss als Ursache für die gewalttätigen Handlungen aus Retributionsgerichtsbarkeit gelten, Verfahren mit oftmals standrechtlichem Charakter. In Haida wurden am 2. Juni auf Befehl von Josef Sekáč, Unter-Kommandeur des 47. Infanterie Regiments, der Glasmaler Eduard Hortig, der Besitzer der Raffinerie Brüder Podbira Eduard Podbira167, die Unternehmer Albert und Heinz Rachmann168, Herbert Franz Richter von der Glas- und Metallwarenfabrik und die Unternehmerin Ilsa Werner169 auf dem Marktplatz erschossen.170 Die Exekutionen führten 2006 zu einer kontroversen Debatte, nachdem ein Denkmal für die Opfer in Nový Bor errichtet wurde. Gegner der Gedenkstätte vertraten den Standpunkt, dass die überwiegende Mehrheit der Hingerichteten Mitglieder der NSDAP und SS, also keine unschuldigen Mitläufer, gewesen seien.171 Während das Kaschauer Programm das Grundprinzip der Massenaussiedlung festlegte, bestand zunächst noch Unklarheit über die Umsetzung dieses Beschlusses. Die 166 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Oldřich Lípa vom 21.05.2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.04.2013). 167 Die Raffinerie der Brüder Emil und Eduard Podbira fertigte Gläser aus Bleikristall und in Überfang nach antikem Vorbild sowie Hohlgläser aller Art. Hartmann C. 2004, S. 245. 168 Die beiden Brüder Bruno und Wilhelm Rachmann teilten die Firma Rachmann 1925 unter sich auf. Wilhelm Rachmann stellte Montierungen her, Bruno leitete die Raffinerie Gebrüder Rachmann. Ab 1932 verpachteten sie die Hütte an einen Eduard Knöspel, der sie dann erwarb und bis 1945 führte. Der Familie Knöspel gehörte auch die Theresienhütte in Hillemühl (Hilluv Mlýn), 8 km nördlich von Haida (Hartmann C. 2004, S. 83, 241). Bei Albert und Heinz scheint es sich um die Söhne eines der Firmengründer zu handeln. Der Exekutionsbefehl wurde erteilt, weil in ihren Wohnungen Feuerwaffen gefunden wurden. Doležal, Bohumil: Divoký odsun 1945 v Boru u České Lípy, URL: (Stand 20.06.2013). 169 Vermutlich gehörte Ilsa Werner der Familie des Raffinerie-Besitzers Karl Werner in Haida an. Sie arbeitete als Wirtschaftsprüferin für die Glasfirma Arthur Schöler KG oder nach einem anderen Bericht in Pistors Glasmanufaktur. Am 2. Juni wurde auch die Kino-Kassiererin Martha Werner (41 Jahre) hingerichtet. Ebenda; Hartmann C. 2004, S. 265. 170 Für eine detailreiche Schilderung der Misshandlungen siehe: Doležal, Bohumil: Divoký odsun 1945 v Boru u České Lípy, URL: (Stand 20.06.2013). Laut Doležal lagen die Leichen noch am folgenden Tag auf dem Platz und wurden dann in ein Massengrab auf den Waldfriedhof gebracht. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag seit Kriegsende hatten Vertreter der Stadt erstmals auch der neun deutschen Opfer gedacht. Auf Bitte der Hinterbliebenen hat die Stadt Nový Bor am 25. Januar 2006 für die Errichtung eines Gedenksteines in deutscher und tschechischer Sprache auf dem Waldfriedhof von Nový Bor gestimmt. Jan Gebert dokumentierte die Vorgänge in dem Kurzfilm „Hra o kámen“ (auch: „Stone Games“). 171 Šebelka, Jan: Spor o pomník Němcům v Novém Boru se řeší i v Německu, URL: (Stand: 21.06.2013).
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Regierung beschäftigte sich drei Monate lang wiederholt mit den organisatorischen Aspekten der Umsiedlung. Neben den im böhmischen Grenzgebiet operierenden Revolutionsgarden übernahm die sowjetische Armee diese Aufgabe.172 Nach den ersten Ausweisungen deutscher Bevölkerungsgruppen aus Böhmen folgten weitere in Abständen von je drei Wochen bis November 1946. Die letzte Ausweisungsaktion wurde Ende April 1951 abgeschlossen, bei der auf bundesdeutschen Antrag zur Familienzusammenführung beinahe 17.000 Deutsche die Tschechoslowakei verließen173, von denen viele eigentlich gerne geblieben wären. Hubert: „Josef May, […] war der beste Graveur der Jagdszenen. Der ist ja jeden Tag in den Wald gegangen. Er liebte die Natur. Er hatte eine schlechte Wohnung, das Dach musste repariert werden. Und da habe ich an die Gemeinde geschrieben. Wir haben ein Haus gefunden, das war aus Lehm, das hat er bekommen. […] Dann ist er immer nach Nový Bor gefahren, wie wir. Schließlich ist er nach Deutschland gegangen, weil sein einer Sohn – er hatte zwei Söhne, Karel und Josef – der war Schmied und hatte eine deutsche Frau und Kinder, die waren schon dort. Und die Frau May wollte halt bei den Enkelkindern sein. Der May wollte nicht, er hat geheult. Er sagte, ich will nicht, ich bin hier zu Hause. Ich habe hier Wälder, Tiere, alles. Dann ist er doch gefahren, wegen der Kinder und der Frau, und er hat uns geschrieben, dass er unglücklich sei in Rheinbach. Von der Wohnung aus jedem Fenster sähe man nur Asphaltstraße. […] Ich glaube, es wollte niemand nach Deutschland.“174
In einem relativ kurzen Zeitraum verschwand ein Großteil der im Glasgewerbe tätigen Deutschen aus den nordwestböhmischen Glasgebieten. Ihr Besitz blieb weitestgehend zurück.175 Immobilien und andere Vermögenseinheiten wurden beschlagnahmt.176 Die historischen Glassammlungen und Musterlager der deutschen Hüttenbetreiber, aber auch die von Tschechen und öffentlichen Institutionen, welche zu Kriegszeiten zumeist in Höhlen und Stollen verbracht worden waren, blieben zunächst ohne Bestimmung.177 Nach 1945 gelangten diese historischen Sammlungsstücke in den Besitz der Glasfach172 Staněk 1999, S. 121–123. 173 Sommer 1997, S. 164. 174 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. Josef May (geb. 1905, Todesdatum unbekannt) erhielt seine Ausbildung in der Werkstatt seines Vaters, Josef May Senior, in Meistersdorf (Mistrovice). May unterrichtete von 1937 bis 1938 kaufmännische Fächer an der Glasfachschule in Haida. Hartmann C. 2004, S. 58, 133. 175 Bestimmungen über die Mitnahme von Eigentum erlaubten pro Person maximal 70 Kilogramm Gepäck (Eisch 2003, S. 46). Ausgewiesene Glasfachleute siedelten sich vor allem in Bayern, Hessen, im Rheinland und in Thüringen an. Kanowski 2010a, S. 27. 176 Die Praxis wurde regional unterschiedlich umgesetzt. An Bargeld durften die Aussiedler 100 bis 300, manchmal jedoch nur 50 Reichsmark mitführen. Staněk 1999, S. 126. 177 „Wir haben immer eine Woche Rüstungsbetrieb gemacht, und eine Woche haben wir das gesamte Glas, das in Ausstellungen gewesen war, das haben wir gezeichnet und in Kisten gepackt und das wurde nach Sloup v Čechach in die Höhlen reingegeben, damit es, wenn die Front kommt, nicht vernichtet wird, das historische Glas.“ Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003.
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schulen oder staatlicher Museen.178 Nun sprach niemand mehr öffentlich Deutsch179 und es kam zu Fällen von Vandalismus als Symbol der öffentlichen Abneigung allem Deutschen gegenüber. Auf Veranlassung des tschechischen Verwalters wurden im Lager der Firma Christoph Palme in Parchen die historischen Kronleuchter demoliert.180 Bei der Firma Lobmeyr in Steinschönau gingen alle verbliebenen Gläser im Lager zu Bruch: „Die wollten nichts mehr haben von diesen deutschen Sachen.“181 Auch das im Straßenbild sichtbare kulturelle Erbe der „nationalen Feinde“ wurde zerstört, so eine Plakette am Geburtshaus des berühmten Glasgraveurs Friedrich Egermann182 in Haida. Erst viele Jahre später konnte sie durch eine neue Kupfermedaille von Jiří Harcuba, einem Glasgraveur, ersetzt werden. Harcuba: „Da kam der Egermann auf einen Schutthaufen, hat niemand mehr gefunden, diese Plakette. Und jetzt habe ich sie wieder gemacht. So war die Zeit, die war so furchtbar, der Hass, man konnte nicht einmal Beethoven spielen, 1945.“183
178 Siehe Kapitel 6, S. 328, und Kapitel 6.1.1, S. 341. 179 Eisch 2001, S. 313. 180 Das Gebäude wurde Ende der 1950er Jahre abgerissen, da im Ort Baumaterial benötigt wurde. Sommer 1997, S. 164. 181 Aussage eines nicht namentlich Genannten in: Sommer 1997, S. 165. 182 Der Glastechnologe und Unternehmer Egermann (1777–1864) trug zur Konjunktur des böhmischen Glasgewerbes im 19. Jahrhundert mit verschiedenen Innovationen bei. Egermann, gelernter Glasmaler, hatte in seinem Atelier in Blottendorf, später in Haida, eine Reihe von Veredelungstechniken entwickelt. Zu seinen ersten Entdeckungen im Bereich des gemalten Glases gehörte mattiertes Achatglas, kombiniert mit feiner Malerei und seit 1824 Biskuit- und Perlmuttemail. Im Jahre 1818 wurde auch Gelbbeize in die Produktion eingeführt. In den 1820er Jahren stellte Egermann Lithyalin-Farbglas vor, an Marmor erinnernd, das später erfolgreich erzeugt und verziert wurde. Seine bedeutendste Entdeckung war die Rotbeize 1843. Die vor allem mit Schleifen und Gravieren dekorierte Beize wurde zu einer der beliebten und charakteristischen Techniken der Region von Haida. Egermanns Atelier arbeitete mit den besten Glasmalern seiner Zeit zusammen und seine Werkstatt in Haida gehörte zu den erfolgreichsten im Land. Langhamer 2003, S. 71. 183 „Gleichzeitig ist es das Elternhaus von [Karel] Wünsch. Und ’45 da wohnten die da und da gab’s ein Denkmal mit einer schönen Plakette von Egermann, und das haben die in der Nationaleuphorie ... nach dem Krieg wurde alles Deutsche vernichtet.“ (Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003) Karel Wünschs Familie, Besitzer der Glasraffinerie Karl Wünsch in Haida, kam bei Verwandten in Prag unter, als das Unternehmen 1938 mit dem Einmarsch der Deutschen der Firma Mechold & Co. übertragen wurde. Nach dem Krieg wurde das Wohnhaus nationalisiert. Es wurde 1993 der Familie Wünsch restituiert, woraufhin Karel Wünsch hier eine private Galerie für Glaskunst eröffnete. Interview mit Karel Wünsch, Prag, 26.06.2003; Horneková/Ranšová 2001, S. 95.
3 GLASINDUSTRIE UND FORMGESTALTUNG IM PLANWIRTSCHAFTLICHEN SYSTEM
3.1 Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Der Zusammenhang von Planwirtschaft und sozialistischer Politik bestimmte in allen Ländern des Warschauer Paktes die Struktur der Produktion, die Organisation der Betriebe, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Binnenmarkt und im Ausland wie auch die Konstitution des Außenhandels. Die „sozialistische Gleichschaltung“ aller ökonomischen Bereiche unterzog die lange Tradition der vielschichtig orientierten privaten Glasindustrie in der Tschechoslowakei einer radikalen Umwandlung. Die Entwicklung der tschechischen Glaskunst lässt sich nicht von der sozioökonomischen Situation im Land trennen und muss im Kontext der planwirtschaftlichen Gegebenheiten betrachtet werden, da sich ansonsten ein unvollständiges Bild erschlösse. Hauptgrund für diese Herangehensweise ist die traditionell enge Verknüpfung der Glasproduktion mit Industriedesign sowie die alleinige Umsetzbarkeit der Entwürfe in den Werkstätten der nun verstaatlichten Hüttenbetriebe. Diese war ihrerseits verkettet mit der Bereitstellung von Rohstoffen, Arbeitskraft und Maschinen. Anders als für bildende Künstler stellte diese Abhängigkeit von Produktionsabläufen bei der Herstellung ihrer Arbeiten für Glasgestalter einen fortwährenden Grund dar, sich mit dem Regime zu arrangieren. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Darstellung der für die Erzeugung in den Betriebsstätten und die Handelspolitik der staatlichen Institutionen relevanten Leitmotive und Leitlinien. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, inwiefern planwirtschaftliche Vorgaben für die Glasindustrie Einfluss auf die Evolution des Genres nehmen konnten und inwiefern sie sich gegenseitig begünstigten.
3.1.1 Nationalisierung der Betriebe und Auswechseln der Funktionäre Bereits am 19. Mai 1945 stellte Staatspräsident Beneš im Dekret Nr. 5 das Vermögen „staatlich unzuverlässiger Personen“, also deutscher und ungarischer Nationalität, unter die Verwaltung von staatlichen Treuhändern.1 Alle deutschen Betriebe sowie die von „Staatsfeinden und deren Kollaborateuren“ wurden mit dem 108. Beneš-Dekret vom 25. Oktober in einem „gerechten Akt der nationalen und demokratischen Revolution“
1 Am 24. Oktober 1945 stimmte Staatspräsident Beneš im Dekret über die Nationalisierung der Gruben und einiger Industriebetriebe der Verstaatlichung sämtlicher Großbetriebe mit über 500 Arbeitskräften zu. Dau/Svatosch 1985, S. 140.
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enteignet und zu Staatseigentum erklärt.2 Diese Konfiskationen sollten nicht nur die Errichtung eines Nationalstaates erleichtern. Sie waren ein Eingriff in die bestehende ökonomische und gesellschaftliche Struktur. 3.000 Unternehmen, Banken sowie Versicherungen wurden unter sowjetischer Militärhoheit nationalisiert, die Eigentümer enteignet, denen man gleichzeitig staatsfeindliche Gesinnung oder Verrat am Vaterland im Zweiten Weltkrieg vorwarf. Ende 1945 waren bereits 9.045 Betriebe mit 923.000 Beschäftigten in den staatlichen Besitz übergegangen.3 Damit kontrollierte der Staat schlagartig nicht nur 45 Prozent aller Industrieunternehmen mit beinahe drei Viertel aller in der Industrie Beschäftigten, sondern entledigte sich gleichzeitig oppositioneller Stimmen, denn die traditionellen Wirtschaftseliten galten hinsichtlich ihrer Klassenzugehörigkeit als „Überreste der ausbeuterischen kapitalistischen Ordnung“.4 Die Nationalisierungsmaßnahmen betrafen auch die glasverarbeitenden Betriebe. Wie der berühmten Glashütte Moser in Karlsbad erging es vielen Glasbetrieben: Das Unternehmen wurde infolge des 5. Präsidentendekrets vom bereits am 15. Juni 1945 verstaatlicht, dann einem tschechischen Verwalter, Ladislav Morávek, unterstellt und umbenannt in Staatliche Glasindustrie, vormals Ludwig Moser und Söhne (Státní průmysl skla, dříve L. Moser a synové).5 Betroffen von der ersten Welle der Nationalisierung waren auch die Traditionsunternehmen Rückl6, Stölzle7 und Inwald8, welche entschädi2 Das Dekret verfügte die entschädigungslose Enteignung alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, aller Vermögensrechte der deutschen juristischen Personen und aller natürlichen Personen deutscher Nationalität. Burian 1971, S. 211. 3 Orbis 1980, S. 231. 4 Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6; ungefähr zwei Drittel der Glasindustrie war im deutschen Sprachraum angesiedelt. Seibt 2002, S. 42. 5 Die traditionelle Bezeichnung Moser behielt die Hütte bei. Sie firmierte aber von 1950 bis 1988 unter dem Namen Karlovarské sklo. Mergl/Pánková 1997, S. 192, 291, 318. 6 GR 12/92, S. 11/12. Besonders erfolgreich im Exportbereich war die Niederlassung in Nižbor, welche 1945 dem Nationalunternehmen Český křišťál mit Sitz in Česke Budějovice unterstellt wurde und 1965 dem Monopolbetrieb Sklárny Bohemia in Poděbrady. 1992 erwarb Jiří Rückl den Betrieb zurück und investierte in neue Maschinen. Nach sechs Jahren wurde Rückl in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Homepage der Firma Rückl Crystal, URL: (Stand 02.07.2013). Aktuell verhandelt ein tschechischer Investor über den Kauf der Hütte in Nižbor. 7 Drei Fabriken aus der Unternehmensgruppe Stölzle auf tschechoslowakischem Terrain wurden nationalisiert. Die Hütte Heřmanova huť gehörte seit 1992 wieder zum Unternehmen, brannte Weihnachten 2009 aber vollständig ab und konnte nach sieben Monaten als Stölzle Union neu eröffnet werden. Die Hütte produziert gegenwärtig vornehmlich pharmazeutisches Glas. Homepage der Firma Stölzle Glasgruppe, URL: (Stand 02.07.2013). 8 Die Glashüttenwerke Josefhütte, Elsahütte und Rudolfshütte des Konzerns Inwald wurden unmittelbar nach dem Münchner Abkommen „arisiert“. Demnach wurde nicht die Familie Inwald, sondern ihr „reichsdeutscher“ Nachfolger enteignet (Geiselberger. In: PK 4/2010, S. 195). Die traditionsreiche Rudolfshütte aus dem ehemaligen Inwald-Unternehmen ist heute ein Betrieb der amerikanischen Owens-Illinois Glass Co. mit Sitz in Toledo.
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gungslos in Staatsbesitz wechselten, ferner die im Zusammenhang mit der Kriegsproduktion von Großbildröhren für Radargeräte erwähnten9 Glashütten Riedel.10 Einer ihrer Inhaber, Walter Riedel, wurde als kriegswichtiger Wissenschaftler an die Sowjetunion ausgeliefert. Dort stand er zehn Jahre lang einem Glaslabor vor, bevor er nach seiner Heimkehr 1956 gemeinsam mit seinem Sohn eine Glashütte in Kufstein in Tirol gründete.11 Auch die Firma Curt Schlevogt in Jablonec nad Nisou konnte nach Kriegsende nur für einige Monate weiterbestehen. Der Direktor Henry Günter Schlevogt wollte das Land nicht verlassen, sondern sein Unternehmen weiterbetreiben. Schlevogt, dessen Nationalität als „unklar“ galt12, ersuchte schriftlich beim Innenministerium: „Lassen Sie mich mithelfen am Aufbau der neuen tschechoslowakischen Republik.“13 Er wurde danach aber zu fünfjähriger Haft verurteilt und das Unternehmen einem Treuhänder übergeben. Ingrid Schlevogt: „Ein ‚Spravze‘ [staatlicher Treuhandverwalter] wurde ihnen vorgesetzt, der nichts vom Glasgeschäft verstand, die Nächte in Nachtlokalen verbrachte und tagsüber im Musterzimmer schlief. Wie lange diese Zustände dauerten, weiß ich nicht. Vielleicht drei Jahre, denn Ende April 1948 musste meine Mutter unter Erpressung unterschreiben, dass die Familie auf jeglichen Besitz in der ČSSR verzichtet, also auch auf die Firma Curt Schlevogt. Danach, oder schon vorher, muss wohl ein ziemliches Chaos geherrscht haben: Laut amtlicher Anweisung sollten Formen in Johannesberg [Janov] gesammelt werden. Viele wurden teils von Glasmachern gestohlen, verkauft … Ein Großteil wurde dem staatlichen Unternehmen ‚Glassexport‘ eingegliedert, dessen Ausstellung ich 1950, oder 1951, in Paris besuchte, und wo ich ‚unsere‘ Ware mit dem ‚Ingrid‘-Etikett ausgezeichnet fand. Natürlich hatte der Standhüter keine Ahnung, weshalb ‚Ingrid‘ tschechische Ware bezeichnete. Als ich es ihm sagte, hielt er mich wohl für geisteskrank.“14 9 Siehe Kapitel 2.6, S. 50. 10 Das Gesamtvermögen wurde mit etwa einer Million Reichsmark bewertet. Am 1. Januar 1946 entstanden aus den Betrieben der fünf Riedel-Brüder die Nationalbetriebe Skárny a rafinerie, dříve Josef Riedel, Polubný, Spojené sklárny jablonecké und Krystalerie. Nový 2002, S. 53. 11 Claus J. Riedel, ebenfalls in Kriegsgefangenschaft, sprang 1946 bei einem Transport von Pisa nach Bad Aibling aus dem fahrenden Zug in der Nähe der Stadt Kufstein. Bei der Neugründung der Glashütte erhielt er Unterstützung von der ebenfalls aus Böhmen stammenden Familie Swarovski. Spiegl/Langhamer/Riedel/Urbancová 1991, S. 17. 12 Nový 2002, S. 147. 13 Schlevogt. In: PK 3/2001, S. 5. 14 Brief von Ingrid Schlevogt, der Tochter Henry G. Schlevogts und Namensgeberin der Serie „Ingrid“, an Siegmar Geiselberger. URL: (Stand 14.06.2013). Als nach 1948 Kopien der erfolgreichen Pressgläser von Schlevogt für den Export ins westliche Ausland in der Tschechoslowakei hergestellt wurden, kopierte man auch Gläser der Hütten Rudolf Hloušek und František Halama und vielleicht von anderen Vorkriegsfirmen aus den Jahren vor 1945 und nahm diese in den Katalog „Ingrid“ auf. Außerdem wurden wahrscheinlich auch Gläser in den „Ingrid“-Katalog aufgenommen, die erst nach 1948 entworfen und hergestellt wurden. Da keine vollständigen Musterbü-
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Nach drei Jahren hob man das Urteil auf und wies Schlevogt nach Österreich aus.15 1947 wurde die Firma Curt Schlevogt Bestandteil der ebenfalls nationalisierten Exportfirma Eduard Dressler16 und damit des Nationalunternehmens Spojené sklárny jablonecké. Betroffen von der Verstaatlichung waren aber nicht nur die Glasfabriken, Glasmanufakturen und Exportbetriebe von deutschen und österreichischen Unternehmern, den „Stützen des Faschismus“17, sondern auch die von tschechischen Staatsbürgern, wie beispielsweise František Halama und Rudolf Hloušek, deren Produktion sich auf luxuriöses Pressglas spezialisiert hatte.18 Alle Lagerbestände, Produktionsmittel, Maschinen, unvollendete Erzeugnisse, ferner Gebäude und Grundstücke wurden beschlagnahmt. Kleinere Betriebe fusionierten bereits im ersten Nachkriegsjahr generell mit größeren. Hunderte Fabriken und Veredelungswerkstätten wurden nun zu wenigen zentral geleiteten Nationalunternehmen (národní podniky) zusammengefasst. Auf tschechischem Territorium entstanden so schrittweise 16 dieser Unternehmen, in der Slowakei nur ein Einziges.19
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cher von Rudolf Hloušek und František Halama gefunden wurden, ist es nicht möglich, die Gläser von Halama danach zu unterscheiden, ob sie vor oder nach 1948 entworfen und gefertigt wurden. Die Firma Rudolf Hloušek hat offenbar den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden, der Sohn Leopold übernahm aber wichtige Funktionen bei der Leitung der Nationalverwaltung aller Raffinerien von Nový Bor (siehe Anm. 45, S. 71). Der Betrieb František Halama, der bis 1989 fortbestand, konnte nach dem politischen Wechsel Teile seiner früheren Pressformen erfolgreich zurückfordern und so seit den 1990er Jahren erneut anbieten. GR 3/1973, S. 24; Geiselberger. In: PK 3/2005, S. 3. Der Besitzer einer Glasfabrik in Romilly-sur-Andelle in der Normandie ließ ihn im Herbst 1948 über Regierungsstellen suchen und anfordern, denn Henry G. Schlevogt hatte durch seine Kollektion und den Grand Prix auf der Weltausstellung in Paris 1937 in der Glasbranche internationale Bekanntheit gewonnen. Nicht nur Schlevogt und seine Familie zogen nach Frankreich, auch zahlreiche ehemalige Mitarbeiter schlossen sich ihm an und erhielten Einwanderungspapiere und Unterkünfte in Romilly-sur-Andelle. Cappa 1991, S. 236. Nový 2002, S. 53. Siehe Kapitel 2.7, S. 59 f. Halama (1913–1976), der 1932 seine Glashütte in Alschowitz (Alšovice) bei Železný Brod gegründet hatte, gewann den Grand Prix bei der Exposition Internationale des Arts et des Techniques in Paris 1936. Die Firma exportierte in fast alle europäischen Länder. Nach 1945 bemühte sich Halama durch die Veranstaltungen von Wettbewerben unter den Schülern der Glasfachschule in Železný Brod, neue Produktionslinien zu bekommen. Nach der Enteignung am 25. Februar 1948 arbeitete er als Lohnarbeiter in der Industrie. In den Folgejahren war die Familie – laut Firmenhomepage – wiederholt Verhören und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. František Halama Junior konnte nicht studieren. Nach 1989 stellte er zusammen mit seiner Mutter Olga ein Gesuch auf die Restitution des verstaatlichten Vermögens, das zum Teil bewilligt wurde. Er erhielt auch die alten Pressformen zurück und baute die Manufaktur wieder auf (Homepage der Firma František Halama, URL: (Stand 13.06.2013)). Die ebenso 1948 enteignete relativ kleine Firma von Rudolf Hloušek (1909–1992) in Železný Brod erzielte ebenfalls beachtliche Erfolge bei internationalen Ausstellungen, wie der Brüsseler Weltausstellung 1935. Mit der Verstaatlichung wurde sie – wie auch die Firma Halama – Teil von Železnobrodské sklo. Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6.
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Betroffen von dieser Regelung waren bis 1948 unter anderem die Nationalunternehmen Borské sklárny in Nový Bor, das erwähnte České sklo, dříve Moser in Karlovy Vary (Karlovarské sklo), Sklárny Inwald in Teplice20, Sklárny Český křišťál in České Budějovice, Sklárny a brusírny Bohemia in Havlíčkův Brod, Českomoravské sklárny in Krásná nad Bečvou21, riesige Werke mit teils über 3.000 Mitarbeitern. Die 16 Nationalunternehmen22 und ihre insgesamt 81 Betriebe bildeten jeweils eine selbstständige wirtschaftliche Einheit, die – laut Plan – auf das Prinzip der Rentabilität ausgerichtet sein sollte.23 Alle Industriebetriebe wurden unmittelbar durch die ihnen übergeordneten Ministerien geleitet und damit der weitreichenden strukturellen Umgestaltung der Gesamtökonomien des sozialistischen Staates unterzogen. Planvorgaben bestimmten von nun an die Fabrikationsvolumina der Glaserzeuger und nahmen unweigerlich die gewachsenen komplexen Produktionsprogramme zurück, deren Musterkollektionen zuvor von Angebot und Nachfrage bestimmt waren. An der Spitze eines jeden Nationalunternehmens standen jeweils ein Direktor und ein Vorstandsrat, die der
20 1948 wurden mit dem Unternehmen Inwald mehrere große Kristallglaswerke vereinigt. Das Nationalunternehmen Inwald gehörte danach zu den größten Hütten in der Glasindustrie, nicht nur wegen Umfang und Vielfalt der Produkte, sondern auch durch die Zahl der Mitarbeiter, die 3.000 überstieg. GR 1/1949 III, o. S. 21 Langhamer/Vondruška 1991, S. 114. 22 Bis 1948 entstanden folgende Nationalunternehmen (Quelle: Fanderlik. In: GR 7/1980, S. 10): České sklárny na lahve (Böhmische Glashütten für Flaschenproduktion), Direktion in Teplice, mit vier Betrieben; Sklárny Inwald (Glashütten Inwald), Direktion in Teplice Dubí, mit sechs Betrieben; Spojené České sklárny (Vereinigte böhmische Glashütten), Heřmanova Huť, mit drei Betrieben; Sklárna Osram (Glashütte Osram), Košťany, ein Betrieb; České sklo, dříve Moser (Böhmisches Glas, früher Moser), in Dvory bei Karlovy Vary, ein Betrieb; Sklárny Český křišťál (Glashütten Böhmisches Kristall), Direktion České Budějovice, mit sechs Betrieben; Sklárny Kavalier (Glashütten Kavalier), Sázava nad Sázavou, mit zwei Betrieben; Sklárny a brusírny Bohemia (Glashütten und Glasschleifereien Bohemia), Direktion in Havlíčkův Brod, mit acht Betrieben; Borské sklárny (Glashütten in Nový Bor), Nový Bor, mit zehn Betrieben; Českomoravské sklárny (Böhmisch-mährische Glashütten), Krásno nad Bečvou, mit acht Betrieben; Sklárny Moravia (Glashütten Moravia), Kyjov, mit vier Betrieben; Spojené sklárny na výrobu plochého skla UNION (Vereinigte Glashütten UNION für die Erzeugung von Flachglas), Teplice, mit acht Betrieben; Západočeské sklárny (Westböhmische Glashütten), Sokolov, mit vier Betrieben; Sklárny a rafinerie, dříve J. Riedl (Glashütten und Raffinerien, früher J. Riedl), Dolní Polubný, mit sieben Betrieben; Jablonecký průmysl (Jablonecer Industrie), Jablonec nad Nisou, mit vier Betrieben; Spojené sklárny jablonecké (Vereinigte Jablonecer Glashütten), Jablonec nad Nisou, mit fünf Betrieben. 23 Kaplan 1981, S. 82.
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Vorstand eines übergeordneten Generalorgans24 mit Billigung des zuständigen Ministers und der Fachgewerkschaft ernannte. Dieses Generalorgan mit der Bezeichnung Generaldirektion Tschechoslowakischer Glaswerke (Generální ředistelství Československé závody sklářské) wurde mit Beschluss der Regierung als eine Art Hauptverwaltung der Glasindustrie bereits am 28. Oktober 1945 in Prag 2, Revoluční 2, gegründet.25 Den Leitlinien der KSČ Planwirtschaft folgend, hatte diese Maßnahme die Zentralisierung, Modernisierung und Rationalisierung der Produktion zum Ziel, wobei die Wirtschaft unumkehrbar nach dem Schema des sowjetischen Modells restrukturiert wurde, welches die Liquidation der Marktwirtschaft und des hiermit verbundenen privaten Unternehmertums zum Ziel hatte.26 Auch die Glashütten der Gegend um Nový Bor und Kamenický Šenov fusionierten infolge der Beneš-Dekrete in der ersten Nationalisierungswelle zu zwei Nationalunternehmen.27 1928 hatte es noch über 300 Fabriken und Veredelungsbetriebe verschiedener Größe in der Haidaer Region gegeben.28 Viele kleinere Handwerksbetriebe waren betroffen, wie beispielsweise die Werkstatt von Jiří Harcubas Vater Josef, einem Glasschleifer in Harrachov.29
24 Der Vorstandsrat setzte sich zu einem Drittel aus Arbeitnehmern und zu zwei Dritteln aus Fachleuten zusammen, die von der Generaldirektion ausgewählt wurden. Kotula 1978, S. 77. 25 Grundlage war ein Modellgesetz, das die Regierung für alle Nationalunternehmen erließ (Fanderlik. In: GR 7/1980, S. 10). Als erster Generaldirektor fungierte Josef Hrníčko, welcher nach der „Arisierung“ der Glashütte Inwald 1938 als deren stellvertretender Generaldirektor Erfahrung auf dem Gebiet gesammelt hatte. 26 Jančík/Kubů 2006, S. 6. 27 Aus der Zusammenlegung aller Glashütten in der Bor Region entstanden 1949 Borské sklárny und die Nationalverwaltung der Bor Veredelungsbetriebe. 28 Jackson 2000, S. 42–46. 29 Harcuba: „Mein Großvater hat meinem Vater ein Stück Wiese gegeben, damit er sein eigenes Haus bauen kann, in den dreißiger Jahren. Da hat er das Haus gebaut. Gleichzeitig mit einem Laden. Er hat mit dem Großvater in dem alten Häuschen zusammen geschliffen und das, was sie gemacht haben, haben sie dann ausgestellt in dem Laden und verkauft. Der Laden wurde verstaatlicht. Und die Werkstatt wurde aufgelöst, aber nicht, dass es jemand weggenommen hätte. Es wurde nur aufgelöst.“ Wasmuth: „Er durfte da nicht mehr produzieren?“ Harcuba: „Er durfte da nicht mehr produzieren und hat dann nur für sich Sachen gemacht. Auch immer unter der Gefahr, dass ein Angeber [Denunziant] sagen könnte, dass er das erzeugt.“ Wasmuth: „Hat er es denn noch verkauft? Taufbecher und solche Sachen?“ Harcuba: „Ja eben! Über meine Schwester, die hat das immer wieder von ihm verlangt und er hat das gemacht und so verkauft. Eine Zeitlang hat er auch mit mir zusammen etwas verkauft und zwar, als ich schon die Schule beendet hatte. Und das war in der Zeit, als ich beim Militär war, ich lebte in Prag, weil ich in einem Tanzensemble Militärtanz machte. Und dann habe ich immer wieder Entwürfe in diese drei Verkaufsstellen in Prag gebracht. Der Vater hat es ganz einfach geschliffen, über mich hat er das gemacht. Ich hab ihm das Geld gegeben und so war das offiziell, nicht? Und der Versuch, dass er offiziell als Glasschleifer für diese Kunstgewerbezentren arbeitet, das hat ein Glasschleifer zunichte gemacht ... es ist halt nichts draus geworden ...“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003.
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Harcuba: „Ich habe nach der Grundschule in der Glashütte das Gravieren gelernt und nach dem Krieg ging ich in die Fachschule nach Nový Bor, anders Haida. Nach dieser Fachschulzeit sollte ich mit meinem Vater arbeiten, aber der wurde dann verstaatlicht und es kam nicht dazu. Für mich gab’s den freien Weg zum weiteren Studieren. [...]“ Wasmuth: „Hat er in dem Betrieb, der vom Staat übernommen wurde, weitergearbeitet?“ Harcuba: „Nein. Er hat das abgelehnt. Er wollte nicht mehr in die Glashütte gehen. Er hat dann als Verkäufer im Textil gearbeitet, in einer Fabrik für Holz, dann in einem kleinen Elektrizitätswerk, immer für den geringsten Lohn. Als er in Pension ging, hatte er eine viel kleinere Rente als meine Mutter, welche in einem Erholungsheim als Köchin gearbeitet hatte. Er hat es sehr schwer getragen, das ganze Leben, aber wie gesagt, für mich war es eine Befreiung vom Vater.“30
Als Begründung für die Enteignung dieser kleinen Handwerksbetriebe wurde deren Unrentabilität oder das Fehlen von Sanierungsmitteln angeführt. Die dort beschäftigten Glasmacher sollten in einem der großen Nationalunternehmen arbeiten. In manchen Fällen, wie bei der Firma Vele in Železný Brod, blieb der ehemalige Eigentümer Jaroslav Vele im bestehenden Betrieb sogar in leitender Funktion.31 Eine andere kleine Firma, die als zu kleine Produktionseinheit für eine effiziente Inbetriebnahme unter dem Schirm eines großen Nationalunternehmens betrachtet wurde, war die mährische Glashütte in Škrdlovice32, welche Emanuel Beránek33 gegründet hatte. Obgleich Beránek, wie Vele, weiterhin in der Funktion eines angestellten Direktors in seinem Betrieb arbeitete, konzipierte er für Škrdlovice sklářská huť in Eigeninitiative bereits 1947 ein beispielhaftes Sortiment für Gewerbeschauen. Dieses gewann in Stockholm und Zürich breite Anerkennung.34 Damit zählte Emanuel Beránek zu den Ersten, die nach der kriegsbedingten Absenz mit tschechoslowakischen Produkten an internationalen Ausstellungen teilnahmen – ein wichtiger Versuch, Handelskontakte mit westlichen Abnehmern zu knüpfen. Gleichzeitig initiierte er den Umbau der Hütte 30 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 17.12.2002. 31 Die Firma von Jaroslav Vele wurde, gleich denen anderer tschechischer Eigentümer, wie Rudolf Hloušek, Bedřich Pastrnek, František Halama, Antonín Lejsek und František Tom, rückwirkend ab 1. Januar 1948 Teil des Nationalunternehmens Železnobrodské sklo. Langhamer 2003, S. 151, 153; Langhamer 2005c, S. 424. „Dort bekam ich eine Stelle bei einer Firma Vele, Jaroslav Vele, das war ein verstaatlichter Betrieb. Und der frühere Eigentümer blieb dort als Leiter, das war ein lieber Mensch.“ Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. Auch der bekannte Graveur Jindřich Tockstein arbeitete seit Mitte der 1930er Jahre für Vele. Langhamer. In: GR 11/1984, S. 16. 32 Siehe Kapitel 2.6, S. 55 f., und Křen, Ivo: Sklářství na Horácku. Katalog stálé expozicí [Glaskunst in Horácko. Katalog der ständigen Ausstellung] Hrsg. vom Městské muzeum a galerie Polička [Städtisches Museum und Galerie Polička]. k. O. 2009. 33 Beránek verblieb in dieser Position bis zu seiner Pensionierung 1959 (Langhamer 2002, S. 157). 1969 wurde die Leitung der Hütte dem Künstler und ÚUŘ-Direktor Jaroslav Svoboda übertragen. GR 7/1994, S. 8. 34 Langhamer/Vondruška 1991, S. 114.
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und ihre Ausstattung mit moderner Apparatur, so dass nicht nur die Fortsetzung der Produktion gewährleistet, sondern ebenfalls die Möglichkeit geschaffen wurde, Lehrlinge auszubilden. Gerade die intime Größe der Hütte erlaubte in den folgenden Jahren eine individuelle Betreuung von Kunden und die Umsetzung komplizierter oder zeitaufwendiger Objekte. Da die Kapazitäten in keinem Vergleich zu denen der Großbetriebe standen, war Škrdlovice sklářská huť in einer privilegierten Position und konzentrierte sich auf die Herstellung von Kunstglas unter Befolgung strenger Richtlinien.35 1948 dann ebenfalls nationalisiert erhielt die Hütte 1952 den Rang eines Zentrums für Kunst und Gewerbe (Ústředí uměleckých řemesel), war damit offiziell eine Arbeitsstätte mit Orientierung auf die Handfertigung von Glas.36 Er war, anders als andere Betriebe, dem Ministerium für Kultur unterstellt, nicht dem für Leichtindustrie.37 Das hütteneigene Designbüro leitete in diesen Jahren Milena Velíšková38, die mit frei geformtem Glas experimentierte und für die Erstellung der Muster verantwortlich zeichnete (Abb. 6).39 Überwiegend traten an die Stelle von kompetenten Fachleuten in den Betrieben aber parteitreue Nationalverwalter aus der „Klasse der Arbeiter und Bauern“, welche zumeist willkürlich als leitende Angestellte eingesetzt wurden.40 Sie galten neben ihrer Herkunft auch aufgrund der Inhaftierung in Konzentrationslagern oder der Teilnahme an Widerstandsbewegungen während des Krieges als qualifiziert für diese Aufgabe, da sie als „unbescholten“ und „politisch zuverlässig“ kategorisiert wurden.41 Digrin: „Der Generaldirektor von Glassexport42 hieß [Pavel] Růžička, und das war eine interessante Figur, der war im Konzentrationslager [Mauthausen] mit dem [Antonín] Novotný, welcher dann Erster Parteisekretär war. Und der hat ihn unterstützt.“43 35 Kotík. In: Tvar 4/1952, S. 129–137. 36 Siehe auch Kapitel 5.2.4. 37 1954 wurde das Kulturministerium im Rahmen von Dezentralisierungsmaßnahmen aufgelöst. Sein Zuständigkeitsbereich wurde dem Schulministerium übertragen, aus dem 1956 das Ministerium für Schulwesen und Kultur (MŠAK) hervorging. Knapík 2010, S. 100/101. 38 Velíšková (geb. 1917, auch Velíšková-Vokurková) besuchte von 1936 bis 1938 die Architekturfachschule in Prag und arbeitete von 1942 bis Kriegsende für die Mährischen Glashütten in Schönstadt (Krásno nad Bečvou). Im ersten Nachkriegsjahr studierte sie an der Pädagogischen Fakultät der Karlsuniversität. 39 In den fünfziger Jahren wurde die Hütte so erfolgreich, dass die Bestellungen die Liefermöglichkeiten überstiegen (Jackson 2000, S. 29). Velíšková hatte zuvor in den Studios von Stefan Rath eine Ausbildung gemacht. 40 Foulds 1997, S. 50; Wiedemann 2007, S. 143. 41 Vgl. Wiedemann 2007, S. 142, und Aussage Ivo Digrin, Kapitel 3.1.1, S. 70. 42 Bei der Firma Glassexport (Skloexport) handelte es sich um die staatseigene Exportorganisation, die von 1949 bis 1990 allein für den weltweiten Export von Glas und Kristall zuständig war. Siehe Kapitel 3.3.2. 43 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 6.10.2003. Nicht zu verwechseln mit Emil Růžička (geb. 1923), einem gelernten Glasmacher, der ab 1945 für Skloexport tätig war. Zunächst war dieser für die Gütekontrolle von Exportglas zuständig, dann, ab 1949, als Verkaufsleiter für Haushaltsglas. GR 10/1978, S. 15.
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Da die Wirtschaftspolitik von einer autokratisch regierenden Partei betrieben wurde, belohnte diese zwangsläufig nicht die Wirtschaftsleistung, sondern in erster Linie die politische Loyalität und proparteiliche Aktivität der Kader, die für ihre Machterhaltung von existentieller Bedeutung waren. Das Interesse der Partei war beinahe immer anders gelagert als das der Wirtschaft und die KSČ setzte dieses auch unbedingt durch.44 Eine gute Beziehung zu einem Mitglied der internen Führung bedeutete unter Beibehaltung der notwendigen Fassade der parteipolitischen Unbescholtenheit eine sichere Karriere. Fachliche Leistung und Kompetenz waren in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz. Die Leitung von Glashütten übernahmen staatlich bevollmächtigte Manager, die, mit wenigen Ausnahmen45, wenig Erfahrung auf diesem Gebiet besaßen. Digrin: „Sie müssen bedenken, im Jahre ’48, als die Kommunisten zur Macht kamen, haben die die ältere Generation aus der Kapitalistenzeit meistens beseitigt, nicht überall, aber meistens, 90 Prozent, und haben neue Kräfte gefunden. Diese haben sie aus den Fabriken genommen. Und, selbstverständlich, die Fabriken wollten nicht die besten Arbeiter geben, sondern haben immer die minderqualifizierten Arbeiter in die Direktorenschulen geschickt. Die kamen dann aus den Direktorenschulen und waren die Blödesten! Also, die intelligentesten Arbeiter, die blieben Arbeiter, und die Blödesten wurden zu Direktoren! Ja? Und das war etwas Unglaubliches.“46
Die ostentative Begünstigung von Laien hinsichtlich ihrer scheinbar systemkonformen Eignung erwies sich sofort und in den folgenden Jahren als Hemmnis für den ökonomischen Aufschwung. Im ersten Zweijahresplan für die Jahre 1946 bis 1947 sollten die zentralistisch verwalteten Nationalunternehmen das Produktionsvolumen so schnell wie möglich ausbauen, was wegen der starken Nachfrage unmittelbar nach dem Krieg zunächst auch gelang.47 Die Glasindustrie war durch die Kriegsauswirkungen und die nun greifenden Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur jedoch noch längerfristig schwer geschädigt48: 44 Vodička 1996, S. 168. 45 Beispielsweise wurde 1945 Ludvík Konrád zum ersten Direktor von České sklo, dříve Moser ernannt, der zuvor eine der Inwald-Glashütten in Svobodín geleitet hatte (Mergl/Pánková 1997, S. 291). Leopold Hloušek aus der genannten Glasmacherfamilie in Jablonec nad Nisou hatte eine Ausbildung als Glasmacher absolviert, war fünf Jahre als Vertreter für Glasfirmen in Paris tätig und hatte während des Krieges als Exportreferent von Palda in Steinschönau gearbeitet. 1945 übernahm er die Leitung des Nationalunternehmens Borokrystal und war ab 1948 für Skloexport in Prag tätig (GR 3/1973, S. 24). Karel Jindra, der seine Fabrik in Prácheň 1948 dem Staat „geschenkt“ hatte, wurde Hloušeks Nachfolger bei Borokrystal. Petrová 2001, S. 36. Siehe auch die Beispiele Rudolf Bušta in Kapitel 3.1.4 und Karel Peroutka in Kapitel 5.2.3. 46 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 6.10.2003. Vgl. Kalinová 2005, S. 94. 47 Kadatz 1997, S. 83. 48 Außerdem hatten die Vereinigten Staaten einen zur Finanzierung der Gesamtwirtschaft vorgesehenen Warenkredit über 40 Millionen USD storniert und Verhandlungen über eine Anleihe in Höhe von 150 Millionen USD am 26. August 1946 als Reaktion auf offene Pressepolemik gegen die
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„Die durch den Krieg verursachte Zerrüttung der tschechoslowakischen Glas- und Keramikproduktion, die Zerstörungen und die vollständige Entvölkerung einer Reihe von Unternehmen bedeuteten sowohl vom finanziellen Gesichtspunkt als auch von dem der Arbeitskräfte, der Rohstoffe, der Transport- und organisatorischen Probleme aus unvorstellbare Schwierigkeiten.“49
Das Wachstum der Glasproduktion blieb nach einem anfänglichen Boom aus, so dass noch 1948 nur etwa 80 Prozent der Vorkriegswerte erreicht wurden, während diejenigen der Schwerindustrie schon erheblich über denen von 1937 lagen.50 Das sozialistische Wirtschaftssystem, in welchem die Produktionsmittel vergesellschaftet und die gesamte Volkswirtschaft planmäßig geleitet wurden, sollte eine starke Entwicklung der Produktion und ein ständiges Ansteigen des Lebensniveaus der „Werktätigen“ sichern. Dieses System schloss im offiziellen Jargon jegliche Form der „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ aus. Als Grundlage diente die Verschmelzung von wirtschaftlicher und politischer Macht. Ein wichtiges Merkmal der kommunistischen Planwirtschaft war das Übergewicht riesiger Betriebe und die Abwesenheit kleiner oder mittelgroßer Unternehmen. Diese Strukturierung erleichterte die Verwaltung der Betriebseinheiten und sollte den Eindruck einer fortschrittlichen Industrie vermitteln. Im Rückblick beschäftigten über 60 Prozent aller Unternehmen in der ehemaligen Tschechoslowakei mehr als 1.000 Arbeiter, während Betriebe mit unter 100 Angestellten weniger als 1 Prozent aller Produktionsstätten ausmachten.51 Als fundamentaler Stabilitätsfaktor des kommunistischen Regimes diente die zentrale staatliche Planung mit hierarchisch gegliederten Planstellen. 1951 wurde die Generaldirektion Tschechoslowakischer Glaswerke in die zum Ministerium für Leichtindustrie gehörende Hauptverwaltung der Glas- und Keramikindustrie eingegliedert.52 Diese nahm den einzelnen Nationalunternehmen sukzessive alle Entscheidungskompetenzen und degradierte sie zu bloßen Ausführungsorganen ihrer Planvorgaben. Ohne die vorhergehende Zustimmung der Hauptverwaltung durfte in den Produktionsbetrieben nichts verändert werden. Als einzige Zielfunktion blieb die Planerfüllung mit detaillierter Aufschlüsselung darüber, was zu erzeugen war, in welcher Menge und für welche Abnehmer.53 Obgleich die Funktionäre in den Verwaltungsorganen und die Arbeitnehmer in den Betrieben mit
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westlichen „Imperialisten“ abgebrochen. Da Moskau die amerikanischen Investitionen in Osteuropa als Angriff auf das eigene System auffasste und eine beginnende Integration nach Westeuropa verhindern wollte, wurde die Sowjetisierung aller gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereiche dieser Länder offensiv vorangetrieben. Kaplan 1981, S. 107/108; Hoensch 1983, S. 329, 339; Alte 2003, S. 308–315. Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6. Siehe auch Kapitel 2.7. Kotula 1978, S. 75; Mergl 2005, S. 74. Centre for co-operation 1994, S. 24. Mergl 2005, S. 75. Vgl. Kotula 1978, S. 88; Fojtik/Hartmann B./Schmid 1978, S. 93; Teichova 1988, S. 140; Schulze Wessel 2010, S. 5.
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staatseigenen Produktionsmitteln zu wirtschaften hatten, verfolgten sie zunächst ihre eigenen Interessen – Lohnsteigerung, Arbeitszeitverkürzung durch Täuschung bei der Planerfüllung – und handelten nicht zwangsläufig im Interesse der Gesellschaft an der möglichst effizienten Nutzung.54 Das an den Plankennziffern orientierte Prämiensystem für die Beschäftigten war demnach nicht mit rationalem Wirtschaften vereinbar. Sowohl Unternehmensleitung als auch Belegschaft konnte es letztlich gleichgültig sein, welche Waren sie produzierten, wie hoch die Herstellungskosten waren oder ob die erzeugten Produkte überhaupt benötigt wurden.55 Die wenigen qualifizierten Glashüttenleiter mit beruflicher Erfahrung, die konkrete Optimierungsvorschläge im Produktionsablauf hätten machen können, hatten ohnehin keine Handlungsbefugnis. Außerdem wurden etliche dieser Fachleute ausgewechselt, teils durch Versetzung in andere Unternehmen, wie im Falle Leopold Hloušeks von Borokrystal zu Skloexport56, teils angesichts unvorhersehbarer Umstände, wie bei Ludvík Konrád: Der 1945 zum Direktor des Nationalunternehmens Karlovarské sklo, dřivé Moser ernannte Konrád, zuvor in leitender Funktion bei Inwald in Svobodín, musste 1954 aus „politischen Gründen“ seine Position aufgeben57 und war danach bis 1967 nur noch als technischer Leiter für Karlovarské sklo tätig. Ersetzt wurde er durch Pavel Růžička, gegen den Ivo Digrin eine tiefe Abneigung hegte: Digrin: „Dieser idiotische Růžička aus Glassexport, weil er schon nicht mehr tragbar war, wurde [1954] zum Direktor von Moser. Aber der hat sich um die Fabrik überhaupt nicht gekümmert, ist stattdessen immer während der Arbeitszeit mit Ziegen auf eine Wiese hinter der Fabrik gegangen!“ Wasmuth: „Mit Ziegen?“ Digrin: „Ja, Ziegen! Also ein vollkommener Idiot. Aber er durfte nicht weggeschafft werden, weil er im Konzentrationslager mit Novotný war.“58
Die parteikonforme Kaderpolitik und das Motivationsdefizit der Arbeitnehmer stellte bis zum politischen Systemwechsel 1989 ein enormes Hemmnis für den wirtschaftlichen Aufschwung dar.
3.1.2 Nach der Vertreibung – Neues Personal in Glasbetrieben Die Produktionsfähigkeit der glaserzeugenden Betriebe war nicht nur durch ihre radikale Neuorganisation, sondern auch durch die Aussiedlung der deutschen Fachkräfte in ihrem Alltagsbetrieb beeinträchtigt. In der unmittelbaren Nachkriegszeit herrschte in 54 55 56 57
Vgl. Levcik/Stankovský 1977, S. 58/59; Vodička 1996, S. 161. Vgl. Vodička 1996, S. 89. Siehe Kapitel 3.3.2. Konráds Bruder, der als Nationalverwalter die Glashütte in Annín leitete, war in die Schweiz emigriert. Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003; GR 8/1994a, S. 13; Mergl/Pánková 1997, S. 319. 58 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003.
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allen Industriezweigen des Sudetenlandes ein Mangel an geschultem Personal.59 Nach einer Statistik von 1930 hatte der ethnische Anteil der sich als deutsch bezeichnenden Berufszugehörigen der Glasindustrie 53 Prozent betragen.60 Im Herbst 1946 fehlten der nordböhmischen Wirtschaft rund 170.000 Arbeitskräfte, davon allein 50.000 Industriearbeiter und 30.000 Handwerker.61 Am 27. Mai 1946 veröffentlichte das tschechoslowakische Innenministerium einen Beschluss, nach dem deutsche Spezialisten und gelernte Arbeiter, die dringend in der Industrie und in der Wirtschaft gebraucht wurden, nicht ausgesiedelt werden und einen „Schutzausweis“ erhalten sollten, der sie vom „Transfer“ befreite.62 Rund 160.000 deutsche Facharbeiter aller Berufsgruppen wurden so von der Aussiedlung ausgenommen63 und verblieben in den industriell hoch entwickelten und gut erschlossenen Glasbezirken im nördlichen Westböhmen.64 In vielen Gemeinden der Kreise Aš, Karlovy Vary und Nejdek lebten noch bis zum Ende der fünfziger Jahre 90 Prozent Deutsche.65 Zahlreiche deutsche Glasmacher wurden so „wegen ihrer Unentbehrlichkeit in der Glasindustrie“ von der Vertreibung ausgenommen, um die Produktion am Laufen zu halten. Falls diese das Land verlassen wollten, wurde ihnen unter Androhung von Strafe die Ausreise verweigert. Sie waren verpflichtet, so lange zu bleiben, bis ihre Arbeitsplätze von Tschechen oder Slowaken eingenommen wurden. Sie lernten die Neuankömmlinge an und standen den neu zusammengestellten Arbeitsgruppen vor.66 Manche blieben nach Ende des Krieges gerne in ihren Positionen, denn sie hätten im Fall der Ausweisung ihren gesamten Besitz zurücklassen müssen und einer unsicheren Zukunft entgegengeblickt. Außerdem waren viele Deutsche in tschechische Familien eingebunden und fühlten sich ihrem Selbstverständnis nach deutsch und tschechisch.67 Laut Kurt Pittroff war nicht wenigen Facharbeitern „die Heimat [...] zur Fremde geworden, sie setzen sich lieber der Not im zerbombten und hungernden Restdeutschland aus als der scheinbar sicheren Existenz im böhmischen Käfig“68. Viele 59 Im Jahr 1930 arbeiteten 41.900 Menschen in der Glasindustrie, die zu fast 90 Prozent in deutscher Hand lag. Fleischer 1999, S. 568. 60 Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung der Republik machte 1930 nur etwa 22 Prozent aus. Sommer 1997, S. 159. 61 Fabritius 2003, S. 73. 62 Rauschning 1960, S. 56; Wasmuth 2006, S. 116; Wiedemann 2007, S. 213. 63 Insgesamt hatten etwa drei Millionen Deutsche in der Grenzregion der heutigen Tschechischen Republik gelebt. Die ausgenommenen Facharbeiter verblieben aufgrund einer „Antifa-Legitimation“ oder tschechischer Familienangehöriger. In der Volkszählung von 1990 wiesen sich noch etwa 50.000, also knapp 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung, als Deutsche aus. Eisch 2001, S. 309. 64 Der Anteil der Deutschen jeweils in Klammern: Sokolov (40,8 Prozent), Loket (39,4 Prozent), Jablonec nad Nisou (24,5 Prozent), Kraslice (38,4 Prozent), Nejdek (31,8 Prozent), Rumburk (11,3 Prozent), Vejprty (39,5 Prozent), Jáchymov (22,1 Prozent) und Aš (29,3 Prozent). Bosl 1970, S. 323. 65 Ebenda. 66 Pittrof 1987, S. 101. 67 Eisch 2003, S. 46. 68 Pittrof 1987, S. 102.
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Glasmacher fanden in Bayern, Hessen, im Rheinland und in Thüringen eine neue Tätigkeit in Betrieben, die dort von den vertriebenen deutschen Glasexperten gegründet worden waren.69 In der Lenora huť70 wurde eine große Zahl deutscher Arbeiter als fachkundige Spezialisten von der Vertreibung ausgenommen. Zunächst als Teil des Nationalunternehmens Sklárny Český křišťál produzierte die Glashütte mit ihrer Hilfe vornehmlich mundgeblasenes Glas.71 Der Betrieb Hrdina in Prácheň bei Kamenický Šenov, 1946 verstaatlicht und in das Nationalunternehmen Borské sklo eingegliedert, setzte sich auch für das Verbleiben dieser Fachkräfte ein.72 Obgleich sich die Bevölkerung des Dorfes Prácheň durch die Vertreibung in etwa halbierte, lebten um das Jahr 1950 noch 400 deutsche Facharbeiter der Glasindustrie mit ihren Familien im Raum Kamenicky Šenov und Nový Bor.73 Die Firma J. & L. Lobmeyrs Neffe, Stefan Rath in Kamenický Šenov beschäftigte fast alle deutschen Glasmacher und Graveure weiterhin. Stefan Rath, auf dessen besondere Position im Folgenden näher eingegangen wird, sprach direkt mit dem zuständigen Ministerium in Prag, um diese Arbeitskräfte von den Listen zu streichen, ohne Rücksicht auf deren Ausreisewilligkeit zu nehmen. Hubert: „Na, und der Herr Rath konnte halt alle hier behalten, ob sie in der Partei waren oder nicht. Die Stadt hat gesagt, das ist ein guter Betrieb, und es wäre schade, wenn er zerrissen wird. Sollen die Leute dableiben. Da sind alle hiergeblieben. Der Pohl Erich, der ist dann nach Železný Brod, hat dort graviert und dann ist er nach Schweden geflüchtet, mit der Frau und mit dem Buben.“ Wasmuth: „Gab es denn auch Mitarbeiter von Stefan Rath, die sagten, wir wollen lieber nach Deutschland, wir wollen nicht hier bleiben?“ Hubert: „Ich glaube, es wollte niemand nach Deutschland. Es war ja damals schlimm dort. Ich glaube, die waren froh, dass sie hier waren.“74
Die für Lobmeyr als Heimarbeiter tätigen Brüder May aus Mistrovice hatten bereits ihre Ausweisungspapiere erhalten und sich auf die Abreise eingerichtet, mussten dann jedoch bleiben.75 69 Bröhan 1992, S. 19; Kanowski 2010a, S. 27. 70 Um 1859 besaß der Ort Lenora einer der größten Glashütten des Landes. Mit der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach 1945 wurde die Glashütte, die sich zuletzt im Besitz der Brüder Kralik befand, verstaatlicht. 71 Einige der deutschen Glasmacher in Lenora, wie beispielsweise Fritz Hofmann, überquerten in den folgenden Jahren die grüne Grenze illegal. Eisch 2003, S. 46. 72 Wasmuth 2006, S. 116. 73 Sommer 1997, S. 163. 74 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 75 „Sie haben nicht gehungert, nicht gefroren, sie waren bei steigendem Verdienst stets voll beschäftigt. Wir bildeten geradezu eine Familie. Kein Wunder, dass angesichts dieser innigen Zusammenarbeit sich alle in ungeahntem Maße entwickelten. Allerdings haben wir auch Tage erlebt, so furchtbar, dass wir meinten, nie wieder lachen zu können.“, Rath 1995, S. 134.
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Hubert: „Ja, er [Rath] konnte alle behalten. Dort waren mehrere, Josef May, der war kein Nazi, er kam von Stalingrad, hatte da die Finger abgefroren. Er sagte, das war mein Glück, sonst wäre ich dort geblieben. Das war ein tschechischer Deutscher, das war kein Nazi. Der hat mir immer gern geraten, wie ich gravieren sollte. Das war ein sehr guter Mann. Das war der beste Graveur der Jagdszenen.“76
Auch der Graveur Ernst Helzel77, der an der Hochschule in Prag studiert hatte, und sein Vater August78, blieben in Kamenický Šenov. Sie fertigten für Stefan Rath die berühmten Designs von Jaroslav Horejc, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Preise bei internationalen Ausstellungen gewonnen hatten, aber auch neue Entwürfe von diesem Künstler. Diese Arbeiten waren im Ausland sehr gefragt und bedeuteten für J. & L. Lobmeyrs Neffe, Stefan Rath ein wichtiges Ausfuhrprodukt. August Bischoff Junior79 gravierte bereits seit fast 40 Jahren für Lobmeyr erstrangige Unikatgläser und kehrte kurz nach Kriegsende aus Berlin zurück in seine Heimat. 1948 schnitt er eine 60 Zentimeter hohe Kristallglasvase von 13 Kilogramm Gewicht mit der Ansicht des Hradschin (Hradčany) und dem Prager Wappen. Bischoff setzte diverse Designs von Jaroslav Horejc mit Shakespeare-Sujets für Lobmeyr um, wie auch eine Vase mit dem Porträt der Schauspielerin Vivian Leigh80. Zeitgleich entstand in Staatsauftrag eine Porträtvase des ersten indischen Premierministers Jawaharlal Nehru nach einem Entwurf von Erika Hellerová81 bei Lobmeyr.82 „Der Staat und verschiedene öffentliche Korporationen widmen mit Vorliebe Glasvasen, Pokale und Becher als Preis und Geschenke und schaffen so die notwendige Voraussetzung für die weitere und stete Entwicklung der tschechischen Glasgravierkunst.“83 76 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003, siehe auch Kapitel 2.7. 77 Bereits Ernst Helzels (geb. 1908, Todesdatum unbekannt) Großvater August Senior (1851–1931), der aus dem benachbarten Mistrovice (Meistersdorf ) stammte, war Graveur und für Lobmeyr tätig. Er hatte für Josef Drahoňovský und Ludwig Lobmeyr Entwürfe realisiert. Ernst wiederum wurde in den 1930er Jahren Student bei Prof. Drahoňovský an der UMPRUM. 78 August Helzel Junior (geb. 1877, Todesdatum unbekannt) arbeitete also mit fast 70 Jahren noch als Graveur. 79 Bischoff (1889–1977) arbeitete bereits seit 1907 für J. & L. Lobmeyr in Wien. Seine Gravurgläser erhielten bei der Weltausstellung 1925 in Paris ein Ehrendiplom. Während des Zweiten Weltkriegs fertigte er für die Berliner Firma Walter Brendel Kunstgläser und für Lobmeyr unter anderem die Stücke „Prinz Eugen“, „Daphne“ und „Merkur“. Hartmann 2004, S. 151. 80 Pitaš. In: GR 12/1955, S. 4, 5, 7. 81 Neben Graveuren war auch die deutsche Gestalterin Erika Heller (Hellerová) (geb. 1924), die von 1941 bis 1943 bei Elias Palme tätig war, nach Ende des Krieges weiterhin bei Rath beschäftigt und fertigte bis in die siebziger Jahre Entwürfe für Umělecké sklo, Exbor, Betrieb 13 in Nový Bor an, in welche die Lobmeyr-Werkstätten 1948 eingegliedert wurden. 2006 lebte sie in Deutschland (Langhamer/Hlaveš 2006, S. 160). Ein anderer deutscher Gestalter, der nach dem Krieg im Land blieb, war Rudolf Schwedler, der bis 1955 Entwürfe für das Nationalunternehmen in Harrachov anfertigte und die dortige Entwurfsabteilung leitete. 82 Hetteš. In: GR 11/1955, S. 4. 83 Ebenda, S. 16.
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Ein weiterer deutscher Mitarbeiter war Max Rössler, der von Stefan Rath stets der „Kaiser von Parchen“ genannt wurde.84 Ihm wurden Aufträge, wie die Porträtvasen für Juan Domingo und Evita Perón, Iosif Stalin, Edvard Beneš, Abraham Lincoln sowie Haile Selassi und dessen Frau zur Gravur anvertraut (Abb. 7).85 Rössler war mehr als fünfzig Jahre lang für Lobmeyr in Heimarbeit tätig. Auch als die Firma ihren Sitz noch in Wien hatte, übergab sie ihm bereits Aufträge. Parallel wirkte Rössler nach 1948 in den Lobmeyr-Werkstätten in Kamenický Šenov, da die Heimarbeit zugunsten der Arbeit in Betrieben im Rahmen der Liquidierung des privaten Sektors aufgegeben werden musste. Rössler blieb jedoch immer selbstständiger Graveurmeister. Ebenso realisierte Rupert Kolrus86 Entwürfe für Repräsentationszwecke. Auch er war stets Heimarbeiter gewesen, fügte sich nun der neuen Bestimmung und arbeitete ausschließlich in der Manufaktur. Hubert: „Rupert Kolrus, der war ein sehr guter Graveur für Waffen und Schrift, Ornament hat er nicht so oft gemacht […], Architekturen ... er war Heimarbeiter. Er hatte einen Sohn, der ist gefallen im Krieg, der war auch ein Fachschüler, das war ein guter Graveur. Da war der Rupert Kolrus ganz erledigt. Dann haben sie noch einen Buben gehabt, die blieben nicht ohne Kinder. Und der Kolrus blieb da bis Ende, dann ist er in Rente gegangen und bald verstorben, seine Frau auch. Und dann war da noch ein Graveur, das war ... Wilhelm87 ... den Vornamen weiß ich nicht, das war ein taubstummer Graveur, ein lieber Mensch. Der hat nur immer Ornamente geschnitten für Lobmeyr, die Nummer 231. Wir mussten auch mithelfen. Das war nicht gut bezahlt damals, da habe ich ungefähr einen Tag und drei Stunden für das Ganze gebrauchte. Und das hat auch der Wilhelm gemacht und noch der Weidlich Otto. Und dann gab es noch den Lauda Josef. Der ist später nach Deutschland umgesiedelt, sein Vater Tscheche und die Mutter Deutsche. Und er hat eine deutsche Frau geheiratet, eine gewisse Zimmermann. Die sind umgesiedelt im Jahr ’82 oder ’78 ... ’80, sehr spät. Und er hat halt graviert, eigentlich alles, auch Porträts und Ornament.“88
Der bereits erwähnte Österreicher Stefan Rath nahm eine gesonderte Position beim Wiederaufbau der böhmischen Glasindustrie ein. Als einziger „Ausländer“ durfte er auf ausdrückliche Anweisung der Regierung in seiner Position als Direktor einer Glasmanu84 „Dann war der Rössler Max aus Prácheň, das war auch ein ausgezeichneter Graveur. Über den sagte immer der Herr Rath ‚der Kaiser von Parchen‘, weil Prácheň heißt Parchen auf Deutsch. Und der war halt so selbstständig, Heimarbeiter ...“ Interview Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. Stefan Rath schrieb in seinem Nachruf auf Rössler, er sei „zweifellos einer der hervorragendsten Kristallglasschneider unseres Jahrhunderts“ gewesen, und „unter die besten Künstler überhaupt einzureihen“. Baumgärtner 1981, S. 260. Siehe auch Kapitel 5.1.4, Anm.182–184, S. 269. 85 Wasmuth 2006, S. 117; Siehe auch Kapitel 5.1. 86 Kolrus (geb. 1897, Sterbedatum unbekannt) war seit 1925 für Lobmeyr in Steinschönau tätig. Hartmann 2004, S. 153. 87 Der Vorname dieses Graveurs ist unbekannt. Auch lässt sich ihm heute nur eine Arbeit gesichert zuschreiben: Wilhelm gravierte 1946 ein Porträt Stefan Raths auf eine rechteckige Glasplatte mit Tiefschnitt auf der Unterseite, abgebildet in Baumgärtner 1981, S. 270. 88 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003.
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faktur verbleiben, wenn auch nur vorübergehend. Als offizielle Begründung nannte die Fachpresse den Umstand, dass Rath nicht nur Geschäftsmann, sondern in erster Linie ein „kultureller Mensch“ sei, der den eigentlichen Gewinn seines Unternehmens nicht in der „Ausbeutung der Arbeiterklasse“ und der damit verbundenen Profitsteigerung, sondern in der Förderung der künstlerischen Qualität in Zusammenarbeit mit führenden Glasmachern sah.89 Von Beginn seiner Tätigkeit als Leiter der Manufaktur, 1938, war das Lobmeyr-Studio in Kamenický Šenov ein Zentrum für künstlerisches Glas. Stefan Rath richtete ein unabhängiges Atelier mit Werkstatt ein, das in Handarbeit Glas von exquisiter Perfektion herstellte. Er beaufsichtigte die Produktion persönlich und folgte dem Grundsatz, ausschließlich makellose Ware zu liefern. Hubert: „Und der Herrn Rath, der war sehr genau, pünktlich. Ich habe mal ein Staatswappen gemacht, der kam mit dem Abstecher zur Krone: Herr Hubert, hier noch ein Hundertstelmillimeter.“90
Zu Raths internationalem Kundenstamm zählten Staatsoberhäupter, Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses. Seine internationalen Kontakte waren wohl entscheidender Beweggrund, Rath in seinem Amt zu belassen. Harcuba: „Ohne den Rath gab es nicht mehr die Aufträge, nicht? Spezielle Aufträge, als Haile Selassi in Prag war, hat er ihn besucht. Und der Haile Selassi hat viele sehr teure gravierte Sachen gekauft. Und andere Beispiele gäbe es. Und ohne so einen Menschen lebt das nicht mehr.“91
Der Schwerpunkt der Vorkriegsproduktion hatte schon auf handgravierten Repräsentationsgläsern gelegen, welche nach 1945 weiterhin produziert wurden, so die Vasen „Bacchus“ und „Tanzpaar“ von Jaroslav Horejc. Zusätzlich begann Rath, in seinem Studio eine Reihe von jungen Glasautoren zu beschäftigen, Jitka Forejtová, Oldřich Lipský, seine Frau Jaromíra Lipská-Straková, Věra Lišková und andere. Auch beteiligten sich auf Raths Initiative Studenten der Prager Kunstgewerbehochschule (Vysoká škola uměleckoprůmyslové v Praze – VŠUP) während Ferienpraktika mit neuen Designs an der Produktionsvielfalt.92 Die Entwürfe dieser Künstler setzten erfahrene Glasmachermeister
89 GR 1/1951a, S. 7. Obgleich Rath formal weiter als Direktor fungierte, hatte er nurmehr einen Angestelltenstatus inne. Vgl. Kanowski 2010b, S. 100. 90 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 91 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 92 Miluše Roubíčková (geb. 1922) war eine von ihnen (Interview Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004). Auch Václav Hanuš (1924–2009) absolvierte ein Betriebspraktikum bei Rath. (Nový/ Havclíčková 2007, o. S.) Hanuš hatte von 1939 bis 1943 die Schmuckfachschule in Turnau besucht und nach dem Krieg unter Prof. Štipl an der VŠUP ein Studium begonnen, das er 1949 abschloss. Eine Aspirantur folgte. Siehe Kapitel 4.1, S. 147, und Kapitel 5.1.4, Anm. 127, S. 258.
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um. Viele von ihnen arbeiteten schon lange für die Firma und waren ausgezeichnete Handwerker. Harcuba: „Lobmeyr, das war eine Spitzenproduktion, einmalig in der Welt! Das war besser als Steuben Glass oder besser als Daum oder Baccarat, viel besser! Und freilich, das war eine kleine Werkstatt und die konnten sehr teure und sehr gekonnte Gravuren verkaufen. Aber das gab diesem Stefan Rath viel Arbeit. Und er hatte keinen großen Profit, aber er war so begeistert! [...] Das war eine Renaissanceperson. Das gehörte gar nicht in die moderne Industriegesellschaft!“93
Neben den bereits erwähnten Deutschen Max Rössler, Rupert Kolrus, Ernst Helzel und Josef May arbeitete eine neue Generation von Tschechen für Lobmeyr: Čestmír Cejnar, Josef Lauda, Alfred Lorenc (Oppitz), Josef Flek, Václav Hubert, František Jungwirth, Miroslav Plátek und Antonín Vogl. Abgesehen von künstlerischen Unikatarbeiten stellte die Werkstatt dekorative Trinkglasgarnituren in Handarbeit her.94 Für Haile Selassi entstand 1948/49 eine umfangreiche Galagarnitur. Je einem Glasgraveur wurde ein bestimmter Trinkglassatz zur eigenständigen Ausführung zugewiesen. Hubert: „Wir haben ja das große Service für den abessinischen Kaiser gemacht, Haile Selassi, das war ja für 50 Personen, da kam ich von Železný Brod und der Herr Rath sagte, Herr Hubert, wir fangen gerade an, das Service zu machen. Hier haben Sie Champagner, nehmen Sie die Zeichnung von der Heller [Hellerová] und machen Sie eine Probe. Und wenn die Probe gut wird, machen Sie mit, wenn nicht, dann nicht. Dann habe ich eine Probe gemacht, da kam die Heller Erika, die habe ich gekannt, von der Schule, das war eine Deutsche, die war vier Jahre älter. Die sagte, ja, Václav, Du kannst mitmachen.“95
Die zuständigen staatlichen Stellen wollten Raths Aktivität auf die gesamte Glasindustrie ausweiten und ihm nach eigenen Angaben dafür monatlich Aufträge im Wert von 40.000 CZK erteilen. Ein Vertrag wurde aufgesetzt, konnte jedoch wegen des Wahlergebnisses 1948 nicht unterschrieben werden.96 1951, als er nach Wien zurückkehrte, überließ Rath das Lobmeyr-Archiv97, welches kriegsbedingt nach Kamenický Šenov ausgelagert worden war, dem Direktor des Prager Kunstgewerbemuseums Emanuel Poche.98 Digrin: „Merkwürdigerweise, Lobmeyr Steinschönau wurde nationalisiert, aber Rath blieb als Direktor. Eine Ausnahme! Ein ausländischer vormaliger Direktor blieb als Direktor dieser Fabrik und war dort noch zu meiner Zeit. Dann ist er nach Wien gezogen und zwar aus fol93 94 95 96 97 98
Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. Wasmuth 2006, S. 117. Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. Rath 1998, S. 85 Bei diesem Archivteil handelte es sich um etwa 28.000 Zeichnungen und 448 Glasmuster. Siehe Kapitel 6.1.1.
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gendem Grunde: Wir hatten Angst, dass er Krebs hat! Er hatte nicht Krebs, aber damals war er krank. Und damit er nicht dort stirbt, damit man nicht sagt, er wurde umgebracht, nicht, da haben wir ihn nach Wien gelassen und dort hat er noch ein paar Jahre gelebt.“ [...] Wasmuth: „Er wollte gerne bleiben?“ Digrin: „Nein! Er wäre geblieben, aber er hat nicht gewusst, ziehe ich nach Wien zurück, oder nicht? Am Anfang haben wir ihn überredet, aber dann, als wir gesehen haben, dass er krank ist, haben wir uns gesagt, na ja, er wird sterben und man wird sagen, man hat ihn umgebracht, also haben wir ihn nach Wien ziehen lassen!“99
Ebenfalls nach Kriegsende ihrer Posten enthoben, jedoch nicht sofort ausgewiesen, wurden die Dozenten an den Fachschulen der Region.100 Der Deutsche Alexander Pfohl zum Beispiel entstammte einer traditionsreichen Glasmacherfamilie. Von 1919 bis 1928 leitete er das Entwurfsatelier der Josephinenhütte in Schreiberhau im Bayerischen Wald und unterrichtete danach Entwurf und Zeichnung an der Glasfachschule in seiner Heimatstadt Haida. Diese Position behielt er bis zum Kriegsende.101 Obgleich ihm seine Professur entzogen wurde, arbeitete Pfohl bis 1948 als Ausbilder in der Glasmalereiwerkstatt seines Bruders Erwin102, der ebenfalls in Haida (ab 1948 Nový Bor) blieb. Die Villa, in der Alexander Pfohl während seiner Lehrtätigkeit gelebt hatte, wurde konfisziert und zu einer Lehrlingsunterkunft umgestaltet.103 Ihm wurden diverse freie Stellen in Deutschland angeboten: die Leitung der Mitteldeutschen Glasindustrie in Ilmenau, eine Fachlehrerstelle an der Glasfachschule in Rheinbach bei Bonn und die Leitung der Glasfachschule im bayerischen Zwiesel.104 So stellte er wiederholt Anträge auf eine Ausreisegenehmigung, denen drei Jahre nach Ende des Krieges schließlich stattgegeben wurde. Pfohl verließ Nový Bor mit seiner Familie und ging als Professor nach Hadamar in Hessen, wo er die neu gegründete Glasfachschule mit aufbaute und 1953 starb. Harcuba: „Und diese Leute in Haida, die Fachleute, die […] arbeiteten als unentbehrliche Fachleute weiter. Und um diese ging es, ja? Oder der Professor Alexander Pfohl, der war Lehrer an der Fachschule. Aber auch er ging nicht gleich ’46 weg, weil da gab’s ein Gesetz, dass Fachleute, die als unentbehrlich galten, […] die konnten bleiben, die konnten weiter da leben. Freilich, die wollten dann nicht mehr. Die bekamen dann Nachricht, sagen wir 1950 oder 99 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 100 Im Kaschauer Programm wurde unter Punkt XV gefordert: „Es wird eine Säuberung der Schulen und der anderen Kulturinstitute (Theater, Bibliotheken u. ä.) von Personen durchgeführt, welche in diesem Bereich mit den Okkupanten zusammengearbeitet haben.“ Schieder et al. 1957, S. 201. 101 Ricke 1982, S. 62. 102 Erwin Pfohl (1906–1975) hatte die Werkstatt 1938 von seinem Vater (1866–1943), der ebenfalls Alexander hieß (1866–1943), übernommen. Er blieb bis zu seinem Tod in Nový Bor. Hartmann 2004, S. 172. 103 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 104 Ricke 1982, S. 100.
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’51, als der emigriert ist, hatten die schon für ihn eine Stelle als Professor in Hadamar, nicht? […] Und das war auch nicht einfach, weil die hier eine Zeit lang blieben und später auswanderten, das waren aus Sicht derjenigen, die gleich wegmussten, wieder Privilegierte.“105
Bei Kriegsende waren nur wenige hundert tschechische Facharbeiter in der böhmischen Glasregion ansässig, obgleich während der Protektoratszeit viele deutsche Glasarbeiter im Militärdienst durch Tschechen ersetzt worden waren. Wie dargestellt, war eine große Zahl tschechischer Glasmacher nach dem Münchner Abkommen 1938 und während der gesamten Okkupationszeit in den Osten des Landes abgewandert. Diese Glasmacher kehrten nun, zumal sie dringend einer gesicherten Existenzgrundlage bedurften, zurück in ihre Heimat. Auch wurden Glasmacher aus anderen tschechischen Gebieten und der Slowakei angeworben.106 „Obwohl die Einstellung von Arbeitern noch viele Schwierigkeiten verursacht, stieg die Zahl der Beschäftigten stetig und Schwankungen sind selten geworden. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 29.700 im Januar 1947 auf 33.800 im Juni des gleichen Jahres.“107
Ihnen teilte die zuständigen Regierungsstelle, das Besiedlungsamt (Osídlovací uřad), Wohnungen, Spezialausweise und höhere Lebensmittelrationen zu, um einen zusätzlichen Anreiz für die erneute Mitarbeit in den nordböhmischen Betrieben zu schaffen.108 Während im Oktober 1945 noch etwa 22.000 angestellte Glasmacher im Bulletin des Nationalen statistischen Büros in Prag gelistet waren, waren es im Juni des Folgejahres schon über 27.000.109 Insgesamt sollen 25 Prozent aller Tschechen in den Jahren 1945 bis 1950 in die Grenzregionen umgesiedelt sein. Hinzu kamen „repatriierte“ Exilanten.110 Die Glashütte Moser in Karlovy Vary begann bereits 1946 mit der Ausbildung neuer Lehrlinge und richtete 1949 ihr eigenes Wohnheim für 40 Lehrlinge ein.111 Moser beschäftigte auch einen Großteil der deutschen Glasmacher, Schleifer und Graveure weiterhin, während ausschließlich die deutschen Verwaltungsangestellten ausgesiedelt wurden.112 Diese und andere Initiativen unterband der Staat jedoch schon drei Jahre später, weil die 105 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 106 Mergl/Pánková 1997, S. 192. 107 GR 4/1947, S. 4. 108 Pittrof 1987, S. 101. Über Presse, Rundfunk und öffentliche Veranstaltungen propagierte das Amt die Umsiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen, vor allem von Arbeitern. Wiedemann 2007, S. 67–71. 109 Adam. In: GR 2/1947, S. 7. 110 Zarecor 2011, S. 11; Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6. 111 Mergl/Pánková 1997, S. 192, 318. Das alte Lehrlingswohnheim befindet sich auf dem Gelände der Glashütte und wurde auch 2005 noch als solches genutzt. Alle Auszubildenden lernten über fünf Jahre das Glasmacherhandwerk, bevor sie die Meisterprüfung absolvieren konnten. Moser nahm fünf Azubis pro Kalenderjahr in sein Lehrlingsprogramm auf. Informationen gesammelt anlässlich einer Werksbesichtigung am 05.09.2005. 112 Mergl/Pánková 1997, S. 192.
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neu zugezogenen Arbeitskräfte aus planwirtschaftlichen Gründen überwiegend in der Schwerindustrie und dem Bergbau benötigt wurden.113 Eine weitere Gruppe der Heimkehrer stellten ehemalige Glasfachschüler aus der Region, die in den dreißiger und Anfang der vierziger Jahre ihre Studien an der Kunstgewerbeschule in Prag in den Ateliers der Professoren Jaroslav V. Holeček, Josef Drahoňovský und Karel Štipl fortgesetzt hatten.114 Oftmals nahmen diese nun selbst als Dozenten unter der Leitung von Jaromír Špaček115, einem Glastechnologen, Posten an Glasfachschulen ein.116 Špačeks Auftrag lag generell im Vorantreiben der dringenden Ausbildung tschechischer Glasfachkräfte aller Richtungen, die die Produktionsfähigkeit der enteigneten und verstaatlichten Unternehmen gewährleisten sollten. Špaček: „Vor uns sehen wir drei Aufgaben. Zuallererst: Glasmacher heranzubilden, die künstlerisch fühlen und in der Lage sind, eine führende Position in der Produktion zu übernehmen. Auf diese Weise ersetzen wir die deutschen Spezialisten durch tschechische Arbeitskräfte. Der Ruf der unersetzbaren deutschen Spezialisten ist bereits im Schwinden begriffen. Es ist die nationale Pflicht der Glasunternehmen, die Absolventen der Glasfachschulen zu übernehmen, wie das bei Borokrystal117 bereits der Fall ist. Tschechisches Glas müssen tschechische Glasmacher herstellen.“118
Der Kulturpolitik gelang es, die Erneuerung der Glasherstellung in den Grenzgebieten trotz des Verlustes der deutschen Glasmacher und Glastechniker anzukurbeln, indem sie jungen tschechischen Gestaltern vielfältige Chancen eröffnete. Mit der Gründung von staatlichen Instituten, die eine Kooperation von Glasautoren mit den Industriebetrieben organisierten, sowie künstlerischen Zentren direkt in den Hütten119 sollten ab Ende der 1940er Jahre wichtige Impulse für das Erscheinungsbild der Sortimente gesetzt werden. Gleichzeitig kümmerte sich das Regime um die Neuorganisation der Ausbildungsstätten 113 Ebenda, S. 193/194. Zur Ineffizienz der zentralen Verwaltungswirtschaft und sprunghaft betriebenen Industrialisierung vgl. Herbst 1998, S. 138/139; Heumos 1999, S. 119–128; Schulze Wessel 2010, S. 2, 5. 114 Es handelte sich dabei um Miloslav Babický, Miloslav Hudík, Rudolf Kalina, Josef Khýn, Stanislav Libenský, Otokar Novák, Felix Průša, Jan Štibych und andere aus dem Atelier von Prof. Holeček. Sie brachten ihre Kommilitonen Benjamin Hejlek, Josef Hospodka und René Roubiček mit. Aus der Klasse von Prof. Drahoňovský und Prof. Štipl kamen folgende Studenten in die Glasregion: Alois Hásek, Ladislav Havlas, Karel Hrodek, Emanuel Mařík und Antonín Vodháněl. Langhamer 1985, S. 40. Siehe auch Kapitel 5.1.4, S. 253. 115 Špaček (1911–1988) war selbst Mitte der 1930er Jahre an die Haidaer Schule als Glastechniker gekommen. GR 7/1971, S. 206. Siehe Kapitel 4.2.1, S. 160; Kapitel 5.1.4, S. 252. 116 Langhamer 2005b, S. 38. 117 Am 1. Juli 1946 wurden die Glaswerke Hantich und Vetter als neues Unternehmen Borokrystal in Nový Bor zusammengeschlossen. Es ging am 1. Januar 1953 im Nationalunternehmen Borské sklo auf. 118 Langhamer 2005b, Zitat S. 39. 119 Siehe Kapitel 3.1.3.
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für Gestalter und Glasmacher.120 Ein Regierungsbeschluss aus dem Jahr 1953 betonte außer der technischen und technologischen Entwicklung der Glasindustrie auch die unerlässliche Notwendigkeit der Sorge für den gestalterischen Wert der Erzeugnisse.121 Die Glasszene der Tschechoslowakei umfasste Ende der 1950er Jahre bereits an die 60 Künstler.122 Sie waren aufgrund des zweistufigen Ausbildungssystems und der zunehmend dynamischen Stimmung des beginnenden Demokratisierungsprozesses mit idealen Bedingungen für die Realisierung ihrer Entwürfe ausgestattet. Die staatlichen Programme zur Förderung einer ganzen Generation junger Glasgestalter, die zunächst so vielversprechend gestartet waren, liefen für die Künstler selbst jedoch bald in eine Sackgasse. Schon Mitte der 1960er Jahre wurde ersichtlich, dass es viel mehr Glasautoren gab als benötigt wurden. Mit fortschreitender Automatisierung der Produktion in den 1960er Jahren verschob sich die Relation zwischen maschinell erzeugtem und handgefertigtem Haushaltsglas radikal und Entwürfe von Künstlern wurden nur noch begrenzt benötigt. Zeitgleich waren in den 1960er und 1970er Jahren mehr als 200 Glasgestalter in der Tschechoslowakei tätig. Die wenigen, die feste Anstellungsverhältnisse fanden, konnten nicht die gesamte Breite ihrer Fähigkeiten einsetzen, denn die waren gar nicht gefragt. Am Ende ihrer Studien sahen sie sich einer Karriere in einer von der Rezession gezeichneten Industrie gegenüber. So wandten sich viele von ihnen dem freien Atelierschaffen zu und lebten von Aufträgen für Architekturelemente aus Glas.123
3.1.3 Inbetriebnahme der Produktion nach 1945 Neben der Anwerbung von neuen Arbeitskräften und deren Ausbildung war eines der schwierigsten Probleme des Wiederaufbaus zweifellos der marode Zustand der Produktionsstätten. Die Glasbetriebe waren, wie viele andere böhmische Industrieanlagen, von Kriegsschäden und Plünderungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit gezeichnet. Allein durch Kriegshandlungen wurden Schäden in Höhe von 50 Milliarden Kronen verursacht.124 Die Einrichtung und Maschinenbestände waren demoliert worden und ganze Archivbestände einfach verfeuert.125 Teilweise wurden die Betriebsgebäude als La120 Diese komplexe Thematik wird in Kapitel 4 dargestellt. 121 Panc. In: GR 6/1974, S. 2. Später trug die Regierung auch für die Ausbildung von Maschinenbauingenieuren für den Glasbereich Sorge. Ab 1961 existierte an der Maschinenbaufakultät in Liberec eine Abteilung „Glasmaschinen und Ausrüstungen von Glashütten“. GR 6/1973, S. 2. 122 Adlerová. In: NG 1/1988, S. 9; vgl. Kudela 1990, S. 105, für die Überzahl an Qualifizierten. 123 Siehe Kapitel 5.2.3. und 5.3. 124 Vintera. In: AdT 10/1968, S. 4. 125 „Die Glasveredelung verfiel von einer Woche zur anderen, ein für den Außenhandel und die Devisenwirtschaft außerordentlich lukratives Potential lag bald darnieder.“ Pittrof 1987, S. 101. Interessant ist der Eintrag „Böhmen“ des dritten Bandes, 17. Aufl., im Brockhaus von 1967: „[...] daher kam es nach 1945 zu Veränderungen der Industriestruktur, z. B. zum Erlöschen der Glasindustrie im tschechischen Teil des Böhmerwaldes und zur späteren Industrialisierung der Böh-
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gerräume umfunktioniert, so in Nový Bor bei den Firmen Elias Palme und Theodor Palme.126 Die Herstellung und Anlieferung von Rohmaterialien stagnierte ebenfalls, so dass die ersten Produkte vieler Hütten über einen längeren Zeitraum aus Vorkriegsrohlingen gefertigt werden mussten. Für den Aufschwung der tschechoslowakischen Glasindustrie bestand unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst die Notwendigkeit, zerstörte und technisch veraltete Anlagen zu modernisieren und zu rationalisieren. Mit der Losung „Bringt die Räder der Produktion wieder in Schwung“127 machten sich die Glasmacher zunächst daran, ihre Arbeitsstätten von Trümmern zu reinigen und instand zu setzen. Die Produktion war in jeder Hinsicht auf ein einfaches Sortiment von notwendigen Gebrauchsgläsern, Haushaltsglas sowie verstärkt auf Flachglas für Fenster beschränkt, da jegliches „Luxusglas“ unerschwinglich in der Herstellung, aber auch für die Abnehmer, geworden war. Bereits am 22. Juli 1945 konnten die ersten 100 Waggons mit Glas für den Export beladen werden.128 Die Wiederaufnahme der Erzeugung schritt demnach relativ schnell vonstatten. Schon im März 1946 wurden 8.779 Waggons mit Hohlglas für den heimischen Markt geliefert im Wert von mehr als 450 Millionen Kronen.129 Die ersten Lieferungen für den Export gingen wohl zum Großteil in die Sowjetunion, welche hohe Reparationsforderungen als Ausgleich und „Dank für die Befreiung“130 stellte. Deren Nachfrage nach Glaswaren war enorm, denn die eigene Gebrauchsglasproduktion war von 1941 bis 1945 komplett eingestellt worden.131 Wie auch in der Tschechoslowakei wurde dort zunächst in erster Linie einfaches Flaschen- und Haushaltsglas hergestellt. Die Betriebsanlagen deckten jedoch bei weitem nicht den umfangreichen Bedarf an Fensterglas des von Kriegsschäden viel stärker betroffenen Landes. Bis 1946 gingen noch Reparationsabgaben als Kriegsbeute der Roten Armee in die UdSSR, doch nach Verhandlungen im Juli des gleichen Jahres war Stalin bereit, die bis dahin noch nicht demontierten Industrieanlagen und Güter als unentgeltliches Eigentum der
misch-Mährischen Höhe“, während unter demselben Schlagwort in Band 22 in der 19. Aufl. von 1993 über dieses „Erlöschen“ schon gar nichts mehr erwähnt wird. 126 Sommer 1997, S. 164/165. Auch die dort ansässige Firma Rasche wurde sukzessive zur Poliklinik umgebaut. Die Eigentümer gründeten nach ihrer Vertreibung 1948 eine neue Hütte in Euskirchen. Hartmann 2004, S. 253. 127 Orbis 1980, S. 229. 128 Langhamer/Vondruška 1991, S. 115. 129 Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6. 130 Kaplan 1988, S. 96–99. 131 Voronow 1981, S. 21. In diesem Text werden keine Angaben über Glasimporte aus der Tschechoslowakei gemacht. Betont wird jedoch der schnelle Wiederaufbau der russischen Glasproduktion sowie die rasche Inbetriebnahme der beiden kunstgewerblichen Lehranstalten in Moskau (ehemalige Stroganow-Schule, umbenannt in die Hochschule für Kunstgewerbe) und St. Petersburg, damals Leningrad (1953 umbenannt in die Muchina Hochschule für Kunstgewerbe), die angeblich mit der Herstellung von Kunstglas beginnen konnten, sobald der Bedarf an Gebrauchsglas gedeckt war.
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Tschechoslowakei zu übertragen.132 Der Anteil der UdSSR am tschechoslowakischen Gesamtexport erhöhte sich von 0,8 Prozent im Jahr 1937 auf 13,4 Prozent im Jahr 1945, der Importanteil sogar von 1,3 Prozent auf 32,6 Prozent.133 Die traditionellen Handelsstrukturen des Landes verschoben sich in den Folgejahren noch stärker zu einem semikolonialen Verhältnis mit der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten, so dass sich der Exportmarkt für Glaswaren zunehmend von West nach Ost umkehrte. Der Gesamtwert des exportierten Hohlglases von Juli 1945 bis zum 31. März des folgenden Jahren betrug bereits 140 Millionen Kronen. Die Glasproduktion nahm zu diesem Zeitpunkt den zweiten Platz in der Exportliste von Industriegütern ein.134 Dennoch muss man davon ausgehen, dass 1947 das Exportvolumen der Hohlglaserzeugung nur etwa ein Fünftel der Menge von 1937 betrug und 1948/49 sogar noch mehr abnahm.135 In dem Zeitraum von 1919 bis 1938 wurden immerhin Glaswaren im Wert von beinahe 23 Milliarden Kronen ausgeführt.136 Die verstärkte Produktion von Flachglas in dieser ersten Phase hatte Priorität, um den Bedarf an Fensterglas für zerstörte Gebäude und Neubauten decken zu können. Im Vergleich zu Deutschland und Polen waren die Städte in der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg kaum von Zerstörung betroffen, weshalb Flachglas hauptsächlich exportiert wurde. Baupolitisch hatte vor allem die Erhaltung und Modernisierung der Altstädte und deren städtebauliche Weiterentwicklung Vorrang. Erst ab 1947 benötigte die Bauindustrie verstärkt große Mengen Glas für typisierte Neubauten, zumal deren Architektur – in Anlehnung an funktionalistische Ideen der Vorkriegsavantgarde – verstärkt mit Glaselementen arbeitete.137 Die Produktion von Flachglas überschritt in diesem Jahr dann auch schon das Vorkriegsvolumen.138 Am dringlichsten fehlte nach 1945 Kohle für die Beheizung der Schmelzöfen, da sie zunächst nur eingeschränkt importiert werden konnte. Die ersten Lieferungen von Glaswaren in die Schweiz konnten angeblich nur produziert werden, weil mühsam ausgegrabene Baumstümpfe für die Befeuerung der Öfen verwendet wurden.139 Immerhin erhöhte sich der Wert der Käufe von Roh- und Brennstoffen allein für die Glasindustrie von 32 Millionen Kronen im Januar 1946 auf 92 Millionen Kronen im November des Jahres.140 In den ersten Monaten des Jahres 1947 blieb die Zahl der Käufe relativ stabil. Der erforderliche Import von Roh- und Brennstoffen für den Aufbau und Betrieb der Schwerindustrie steigerte jedoch grundsätzlich die Abhängigkeit von der UdSSR, die als einziger Zulieferer im Rahmen des bilateralen Außenhandels ebenfalls die Aus132 Jens Hacker, S. 278. 133 Kotula 1978, S. 82. 134 Langhamer/Vondruška 1991, S. 115. 135 Pittrof 1987, S. 102. 136 Šindelář 1970, S. 11. 137 Kadatz 1997, S. 89. Siehe auch Kapitel 5.3. 138 Holešovský. In: GR 9/1968, S. 292. 139 Digrin. In: GR 7/1961, S. 215. 140 Adam. In: GR 2/1947, S. 7.
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richtung des Fertigwarenexports der Tschechoslowakei bestimmte. Die Probleme der Ressourcenaufbringung wurden durch exogene Umstände wie die Systemkonkurrenz, die rapide Verschlechterung der Geschäftsbedingungen in den Handelsbeziehungen zur UdSSR sowie die steigenden Preise für Rohstoffe und Energie auf den Weltmärkten verschärft.141 Die einseitige Bevorzugung der Schwerindustrie und des Schwermaschinenbaus – durch den ersten Fünfjahresplan 1949–1953 vorgegeben – führte neben der Benachteiligung von Infrastruktur, Dienstleistungsbereich und Landwirtschaft auch zu einer Vernachlässigung der Glasindustrie und anderer Konsumgüterproduzenten in der tschechoslowakischen Wirtschaftslandschaft. Kurzfristig verzerrten sich so die vielschichtigen ökonomischen Strukturen der Leichtindustrie. Auch der Zustand des Maschinenparks erwies sich als unzureichend für eine effiziente Wiederaufnahme der Glaserzeugung. In der Glashütte Moser in Karlsbad zum Beispiel wurde noch mit Maschinen aus der Vorkriegszeit gearbeitet, da seit 1922 keine wesentlichen technischen Innovationen vorgenommen worden waren.142 Allein während der Protektoratszeit wurden diese nötigen Investitionsmaßnahmen zugunsten der Kriegsproduktion ignoriert: „For seven years there was no capital investment, no replacement of worn-out machinery, so that there is no wonder that a state of technical devastation and administrative chaos existed.“143 Noch im Jahr 1953 sollten etliche Glaswerke geschlossen werden, doch in den folgenden Jahren erhielt die Glasindustrie wieder staatliche Investitionen.144 Auf Grundlage zweier Regierungsbeschlüsse von 1955 erfolgte der Um- und Aufbau von Glasfabriken sowie der Ankauf neuer Maschinen aus dem Ausland. Die Werke in Jablonné v Podještědí, Mšeno nad Nisou und Zásada v Líšné wurden wiederaufgebaut. Ein Regionales Nationalkomitee (KNV) stellte in Liberec ab 1956 Maßnahmen zur Verbesserung der Glasproduktion zusammen. Ein offizielles Schreiben sammelte diese Vorschläge und formulierte konkrete Schritte für die Umsetzung der durchzuführenden Abläufe in den einzelnen Betrieben.145 Die Investitionsvorhaben liefen jedoch 1958 aus, weshalb sie sich in dem genannten Zeitraum nicht besonders stark auswirkten. Eine neue Organisationsanordnung vereinigte Betriebe gleicher Ausrichtung zu größeren Unternehmen, sogenannten Fachzweigunternehmen, was die Effizienz stark erhöhte.146 Verglichen mit dem Jahr 1949 nahm die Bruttoproduktion insbesondere in den Jahren 1954 und 1958 zu. Der Wachstumsindex für die Glasindustrie überschritt im zweiten Fünfjahresplan
141 Boyer 2006, S. XXXVII. 142 Auch grundlegende Baumaßnahmen waren seit diesem Datum nicht durchgeführt worden. Mergl/Pánková, 1997, S. 192. 143 GR 1/46 I, o. S. 144 Marek F.. In: Av 5/1974, S. 120, 192. 145 Siehe Auflistung in: ebenda, S. 121. 146 Anfang April 1958 wurde eine Genossenschaft für die Herstellung von Gebrauchsglas (Sdružení podniků užitkového skla) errichtet, eine für die Herstellung von Verpackungs- und Pressglas, ein Unternehmen zur Erzeugung von technischem Glas usw. Hollas. In: GR 1/1961, S. 2/3.
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1953–1958 markant den Index der Jahre 1949 bis 1953 und wies von allen durch das Nationalkomitee geprüften Industriesparten das rascheste Wachstum auf.147
3.1.4 Parteipolitik und industrielle Formgestaltung – Berührungspunkte und Interessen Das Parteiprogramm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (Komunistická strana Československa – KSČ) definierte durchgehend die Rahmenbedingungen der Kooperation zwischen Gestaltern und staatlichen Einrichtungen. Bei den ersten Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg am 26. Mai 1946 erhielt die KSČ eine große Mehrheit der Stimmen. Damit war die Tschechoslowakei das einzige Land, in dem die kommunistische Partei freie und geheime Wahlen gewann.148 Als hochentwickeltes Industrieland verfügte sie über eine qualifizierte Arbeiterschaft und Intelligenzija, die zum großen Teil aus Tradition kommunistisch waren. Nach den Jahren deutscher Okkupation erschien der Sozialismus vielen als echte Alternative. Auch auf junge Glaskünstler traf dies in der ersten Nachkriegszeit zu.149 Žertová: „Junge Leute sind mit Idealen in die Partei gegangen. Diejenigen, die mit einem Profitgedanken eingetreten sind, kamen erst viel später.“150
Eine bedeutende Rolle für die Loyalität der Wähler spielte auch das Gefühl der Dankbarkeit gegenüber der UdSSR, dem „Land des Sozialismus“, als Befreier.151 Schlüsselpositionen in der Armee und Polizei sowie die eigens gegründete Volksmiliz Lidové milice besetzten Kommunisten oder deren Sympathisanten. Der KSČ gelang es in erstaunlich kurzer Zeit, ihren Einflussbereich zu stärken und ihre Mitgliederzahl zu erhöhen.152 147 Marek F. In: Av 5/1974, S. 123, 192. 148 In den tschechischen Ländern (ohne Slowakei) erhielten die Kommunisten 40,17 Prozent der Stimmen. Die Partei hatte zu diesem Zeitpunkt 1.007.000 Mitglieder, gegenüber 80.000 im Jahr 1938. Hoensch 1997, S. 437; Krejčiřík, Milan: Volby 1946 (Wahlergebnis 1946), URL: (Stand 03.07.2013). 149 Mitglied in der KSČ waren unter anderem Jiří Harcuba, Pavel Hlava, Miloslav Klinger, Stanislav Libenský, René Roubíček und Vratislav Šotola aus der ersten Nachkriegsgeneration. 150 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003. 151 Kaplan 1981, S. 86, 93. 152 Nach offiziellen Quellen stieg der Mitgliederbestand von etwa 20.000 bis 22.000 im Frühjahr 1945 auf mehr als eine halbe Million im Herbst des gleichen Jahres an. Auf ihrem Parteikongress im März 1946 wurde die Mitgliederzahl mit knapp 1,1 und im Juni 1948 mit 2,15 Millionen Mitgliedern angegeben. Nach dem Anschluss der Sozialdemokratischen Partei am 27. Juni 1948 stieg die Mitgliederzahl der Kommunistischen Partei auf 2.513.000. Damit war die KSČ zu diesem Zeitpunkt die stärkste aller kommunistischen Gruppierungen in den Ländern Ostmittel- und Südosteuropas. Die Einwohnerzahl belief sich 1947 auf 12,16 Millionen. Hacker 1983, S. 218.
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Aus ihrem Selbstverständnis heraus beanspruchte sie die führende Rolle als Instrument der Arbeiterklasse beim „Aufbau des Sozialismus“. Dazu veranlasste sie weitreichende ökonomische Maßnahmen, denen der Anschein einer berechtigten nationalen Selbsterhaltungsreaktion verliehen werden konnte153, denn „vielmehr glaubte man in der tschechischen Öffentlichkeit, der Aufbau eines sozialistischen Staates weise den Weg in eine friedliche Zukunft“.154 1947 setzte die KSČ unter Führung von Gustáv Husák die teilweise Auflösung der demokratischen Partei durch. Die endgültige Übernahme der Regierungsgewalt erreichten die Kommunisten am 25. Februar 1948, als die Nationalversammlung dem neu gebildeten Kabinett mit Klement Gottwald das Vertrauen aussprach.155 Ende 1954 unterlagen bereits 99,7 Prozent aller Gewerbe der staatlichen Aufsicht. Die Partei verharrte als der faktische Machthaber bis 1989, wenn auch eine ihrer größten Anstrengungen dauerhaft darin bestand, die gewonnene Loyalität zu bewahren. Die Glasindustrie, dem Ministerium für Leichtindustrie untergeordnet, wurde direkt nach Machtübernahme der KSČ mit diffus formulierten ideologischen Aufgaben betraut. Sowohl die Produktion von Gebrauchs- und Haushaltsglas als auch die Herstellung von dekorativen Gläsern sollte nach dem damaligen Industrieminister Gustav Kliment offiziell zu der „Verbesserung des materiellen und kulturellen Reichtums des Volkes beitragen“.156 Klement Gottwald stellte in seiner Rede anlässlich des Parteitags der Nationalen Kultur 1948 fest: „Der Parteitag gehört erst seit kurzem nach seiner Bedeutung zu dem Kongress der gewerkschaftlichen Organisation und landwirtschaftlichen Kommission. Ich halte es für wichtig, diese Tatsache hervorzuheben, denn bereits sie allein charakterisiert eindrucksvoll die Position der Intelligenz und Kultur der Volksdemokratie. Schon diese Tatsache allein ist wegweisend, weil die Intelligenz der Volksdemokratie nicht mehr in erniedrigender Position im Dienste des Kapitals steht, [...] sondern weil sie Bestandteil des herrschenden Volkes ist, weil sie gemeinsam mit den Arbeitern, Bauern und Gewerbetreibenden Herrin des Landes ist. [...] Auch die Sache der Kultur hervorzuheben, ist erstrangiges Anliegen Eures Parteitages, weil die Kultur der Volksdemokratie nicht in Asche liegen wird, wie sie es tat während des Kapitalismus, sondern weil sie bedeutender Bestandteil der nationalen Bemühung ist, ein nationales Bedürfnis.“157
Die Bewertung der Leichtindustrie und damit der Glasgestaltung als essentieller Bestandteil des Kultursektors ging einher mit systematischen Steuerungs- und Fördermaßnahmen wirtschaftspolitischer Ausrichtung. Einerseits überzeugte diese Politik dadurch, 153 Die weitverbreitete negative Reflexion der Ersten Republik in der Zwischenkriegszeit, die Fremdbesetzung und der Krieg legitimierten in den Augen einer Mehrheit die Forderung nach grundlegenden Reformen. Kučera 2001, S. 18. 154 Mauritz 2002, S. 157. 155 Die nichtkommunistischen Parteien wurden nun aufgelöst. Kaplan 1981, S. 9, 105, 240, 241. 156 Vaněk. In: Tvar 1/1948, S. 173. 157 Übersetzung: Gottwald. In: Výtvarné umění, 1/1950–1951, S. 4.
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dass sie die Sicherstellung von Arbeitsplätzen in der Glasindustrie sowie im Bereich der veredelnden Manufakturen gewährleistete. Andererseits bedeutete sie das Versprechen, die Bevölkerung ausreichend mit Gebrauchsglas zu versorgen, erneut ein wichtiger Bestandteil des Prinzips zur Loyalitätssicherung des Regimes. Als ein wesentlicher Beweggrund muss zudem die Tatsache gewertet werden, dass durch den Handel mit Glaswaren traditionell ein nicht zu unterschätzender Anteil des Bruttoinlandproduktes gedeckt wurde158 und dies vor allem durch den Absatz in den Westen. An diese Tradition wollte der sozialistische Staat anknüpfen, nicht zuletzt, weil er dringend Devisen generieren musste, um nötige Investitionen und Brenn- sowie Rohstoffimporte zu finanzieren.159 Besonders erkennbar wurde die staatliche Subventionierung in politischen Entscheidungen, die der einheimischen Glasindustrie direkt zugutekamen. Das Nationalunternehmen Jablonecké sklárný beispielsweise, das Modeschmuck und Dekoartikel aus Glas herstellte, wohl kaum „unentbehrlich für den täglichen Bedarf“, wurde dank staatlicher Kredite und Finanzhilfen wieder saniert, so dass es schon 1952 den dritten Platz in der bayerischen Außenhandelsbilanz einnahm.160 Bei den verantwortlichen Funktionären entwickelte sich die Einsicht in die Notwendigkeit, neue Entwurfspaletten in die Produktion aufzunehmen, deren Stärke zum einen in der qualifizierten Gestaltung durch junge Künstler von der Kunstgewerbehochschule in Prag und zum anderen in der Ausführung und Veredelung ihrer Designs durch die vorhandenen geschulten Facharbeiter lag. Vordenker dieser Reformen war der Kurator des Prager Kunstgewerbemuseums Karel Hetteš.161 Er war es auch, der die Teilnahme an internationalen Ausstellungen als wirksames Wettbewerbsforum für Glasautoren anregte und damit verantwortlich für den großen Erfolg bei der EXPO 58 in Brüssel 158 1929 betrug der Anteil von Glaswaren am Gesamtexport der Republik 4,6 Prozent, 1932 bereits 5,7 Prozent. Langhamer/Vondruška 1991, S. 100. 159 Danielis 1973, o. S. 160 Heumos 2001, S. 210/211. 161 Hetteš (1909–1976) muss als treibende Kraft hinter der zeitgenössischen Glaskunstbewegung bezeichnet werden. Als Kunsthistoriker mit fundierter Allgemeinbildung entwickelte er als Erster ein Verständnis für die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Industrie. Angeblich hatte er als junger Mann einmalig eine Versammlung der damals gerade entstehenden faschistischen Partei besucht. Da dies bekannt geworden war, durfte er unter den Kommunisten keine leitende Position einnehmen, obgleich er sich schon längst distanziert hatte (Interview Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003, Kapitel 5.2.5). Hetteš arbeitete beim Zentrum für Volkskunstproduktion (Ústředí lidové umělecké výroby ), als Kurator am UPM in Prag (Kapitel 6.1.1) und als Mitherausgeber verschiedener Fachzeitschriften sowie in den frühen 1970er Jahren kuratorisch an der Slowakischen Nationalgalerie (Slovenská národná galéria – SNG) in Bratislava. In dieser Funktion initiierte er die Einrichtung einer Abteilung für Glas in der Architektur an der Kunstakademie in Bratislava, deren Leitung Václav Cigler übertragen wurde (Kapitel 5.3, S. 322 f.). Hetteš war auch Mitglied in ausländischen Organisationen wie L’Association internationale pour l’histoire du verre, der Association internationale des critiques d’art und dem World Crafts Council. Er publizierte zahlreiche Aufsätze in nationalen und internationalen Magazinen (Langhamer 2003, S. 257), teils unter dem Namen eines anderen Autors (Kapitel 5.2.5, S. 300).
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zeichnete.162 Erst der auswärtige Wettbewerb gab dem heimischen Formdesign die entscheidenden Impulse für eine ästhetische Aufwertung. Die Gestaltung von industriell gefertigtem Glas verlangte in der manuellen Herstellung eine stringent künstlerische Leistung, um den Mitbewerbern Konkurrenz zu bieten. Hier ist klar zu unterscheiden zwischen den Atelierarbeiten von Künstlern, welche in Eigenregie oder gemeinsam mit einem Glasmacher entstanden, und den von Großbetrieben umgesetzten Produkten nach künstlerischen Entwürfen, die als Serien in Handarbeit oder als Massenware maschinell hergestellt wurden. „Der künstlerische Entwerfer ist kein Akkordarbeiter, dessen Leistung mit der Stoppuhr gemessen wird [...] Man muss den Mut haben, diesen Kräften eine Sonderstellung einzuräumen, wenn sie etwas Hervorragendes schaffen sollen, sonst wird es nicht gelingen, den von den Massen unserer Werktätigen dringend gewünschten Umschwung in der industriellen Formgestaltung zu erreichen.“163
In den 1950er und 1960er Jahren wurde die Konsum- und Sozialpolitik der KSČ ein zunehmend wichtiger Mechanismus ihrer Herrschaftssicherung, zum Beispiel in Form besonderer Zuteilungen zugunsten der Industriearbeiterschaft.164 Auch Glasmacher profitierten von dieser Form der staatlichen Subventionierung. Um deren Leistung zu erhöhen, wurde beispielsweise eine Prämie von zusätzlich 30 CZK bei Erreichen des festgesetzten täglichen Plans von 60 CZK Warenwert ausgelobt.165 Ein kontinuierliches Auswechseln der außer Mode gekommenen Vorkriegsdesigns gegen zeitgemäße Entwürfe sollte die Verkaufszahlen erhöhen und das Erscheinungsbild der tschechischen industriellen Formgebung prägen. Seit Mitte der fünfziger Jahre war die Situation demnach besonders günstig, sich experimentell mit dem Entwerfen von Gebrauchs- und Luxusglas zu beschäftigen. Dies im staatlichen Interesse, denn die konsequente Verfolgung dieser Absicht war ein nicht zu unterschätzendes politisches Motiv, um das Prosperieren 162 Siehe Kapitel 4.2.1. 163 Aust. In: fuz 1956/57, S. 19. 164 Diese Privilegierung der Arbeiter und die Konzentration auf den Konsum habe die tschechoslowakische Gesellschaft immerhin Ende der 1950er Jahre stabilisiert. Zu einer Bewährungsprobe für die „Managementfähigkeit“ seien aber die wirtschaftlichen Krisen der beginnenden 1960er Jahre geworden (Franc, Martin: Loyalität, Konsum- und Sozialpolitik in der Tschechoslowakei in den 1950/60er Jahren. In: Tagungsbericht Loyalitäten im Staatssozialismus – DDR, Tschechoslowakei und Polen, 25.09.–26.09.2008, Prag. In: (Stand 10.07.2013)). Eine vergleichbare Situation stellte sich zeitgleich in der DDR ein. Siehe Merkel, Ina: Der aufhaltsame Aufbruch in die Konsumgesellschaft. In: Wunderwirtschaft. DDR-Konsumkultur in den 60er Jahren, hg. von Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Köln/Weimar/Wien 1996, S. 8–20. 165 Interview mit Čeněk Michut, Kamenický Šenov, 09.09.2005. Michut (geb. 1922) besuchte von 1943 bis 1946 die Glasfachschule in Kamenický Šenov (Steinschönau). Danach arbeitete er als Graveur für verschiedene Nationalunternehmen, zuletzt für Crystalex, und bildete zeitweise Graveure an der Berufsschule in Nový Bor aus.
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der Planwirtschaft zu gewährleisten. Die künstlerische Produktion von Konsumgütern aus Glas förderten staatliche Institutionen wie ÚVS, ÚBOK, ÚLUV und ÚUŘ intensiv und wurde von neu ins Leben gerufenen Zeitschriften publiziert.166 1960 – sicherlich nicht zufällig im Schatten der Erfolge bei der EXPO 58 – ergänzte Artikel 15 § 1 die neue Verfassung auch formell um dieses Ziel: „Der Staat führt eine solche Wirtschafts-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturpolitik durch, die es ermöglicht, mit dem Wachstum der Produktion, mit dem Ansteigen des Lebensniveaus der Bevölkerung und mit der allmählichen Verkürzung der Arbeitszeit zugleich die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des ganzen Volkes ständig zu entfalten.“167
Neben dem propagandistischen Interesse an der Versorgung inländischer Abnehmer mit zeitgemäßen langlebigen Glaswaren und an einer Erhöhung der Exportzahlen war die offizielle Förderung einer durchweg kollektiven Produktion unter Ausnutzung einheimischer Rohstoffe ganz Teil parteipolitischer Ideologie.168 Für die Herstellung von Glas ist die Zusammenarbeit einer großen Anzahl von Fachkräften erforderlich, die den Entwurf des Gestalters umsetzen. Es liegt also in der Natur des Produktionsprozesses, dass er die Anliegen sozialistischer Kulturpolitik besonders eindrücklich veranschaulicht.169 Aus ideologischer Sicht eignete sich dieser Industriezweig somit auch hervorragend als Instrument zur Propagierung der sozialistischen Lehre. Allerdings fanden letztendlich nur wenige der zahlreichen innovativen Designs Eingang in die Produktion, zumal die verfassungsrechtlich vorgesehenen Selbstverwaltungskompetenzen der Betriebe durch die reale Praxis weiter eingeengt wurden.170 Rudolf Bušta171, Generaldirektor der Genossenschaft der Gebrauchsglasunternehmen in Nový Bor, bilanzierte anlässlich einer Diskussion über die Teilnahme an der XII. Mailänder Triennale 1960: „Bislang begnügen sich unsere Künstler vornehmlich mit der Mustererstellung exklusiver Typen mittels komplizierter Techniken, die in unserer Produktion kaum Verwendung
166 Siehe Kapitel 5.2.3, 5.2.4 und 5.2.5. 167 Dewetter/Šimek 1986, S. 29. 168 „Eines der hervorragenden Merkmale der Tätigkeit des Gestalters ist daher die Kollektivität. Die Realisierung der theoretischen Erkenntnisse durch gestalterische Praxis ist nur auf Grund planmäßigen Zusammenwirkens der an der Produktionsentwicklung Beteiligten möglich.“ Bartsch. In: fuz, 2/1967, S. 11. 169 Siehe auch Kapitel 5.1.1. 170 Vodička 2005, S. 238. 171 Bušta (geb. 1909, Todesdatum unbekannt) hatte seine Ausbildung als Glasmacher in Chlum gemacht und dort als Betriebsleiter gearbeitet. 1951 wurde er zum Direktor der Hauptverwaltung der Glas- und Keramikindustrie (Generální ředistelství Československé závody sklářské) in Prag ernannt und 1958 zum Generaldirektor der Fachzweigvereinigung der Gebrauchsglasunternehmen in Nový Bor berufen. 1971 ging er mit 62 Jahren in den Ruhestand. GR 8/1971a, S. 241.
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finden können; können sie aber realisiert werden, dann sind sie kommerziell wie ökonomisch uninteressant.“172
Inwiefern diese Einschätzung berechtigt war, lässt sich rückblickend schwerlich klären. Die planwirtschaftlichen Hierarchien und starren Strukturen waren wohl eher ausschlaggebend für ein Ausklammern neuartiger Prototypen. Die Fertigung von kleinen Serien dekorativer Gegenstände, aber auch von künstlerisch gestaltetem Gebrauchsglas nutzten Künstler jedenfalls in den 1950er und zunehmend in den 1960er Jahren als wichtiges Betätigungsfeld. Harcuba: „So entstanden Prototypen und die Prototypen wurden dann eingeführt, manchmal. Aber nicht oft.“ Jelínek: „Aber, die Realität war ganz anders! Hauptdirektor [Rudolf] Bušta hat uns gesagt, machen Sie, was Sie wollen. Aber Sie dürfen nicht mit der Industrie, mit meiner Produktion, machen, was Sie wollen.“ Harcuba: „Die Geschäftsleute, die sahen ihr Programm, die hatten ihre Pläne, die sie erfüllen mussten, die hatten ganz andere Direktiven. Es war schwer, Wasser mit Feuer zu verbinden.“173
Mit dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1963 wurden schließlich reformerische Stimmen innerhalb und außerhalb der Partei lauter. Unter der Führung des Wirtschaftswissenschaftlers Ota Šik, Direktor des Ökonomischen Instituts an der ČSAV und Mitglied des Zentralkomitees der KSČ, bildete sich eine Opposition, die grundlegende Reformen forderte. Nach Ansicht Šiks sollte die Planwirtschaft mit zentralistischer Planung zugunsten eines neuen „System[s] der planmäßigen Leitung“, einer „sozialistischen Marktwirtschaft“, aufgegeben werden, welche eine Rücknahme der staatlichen Betriebsführung und den Abbau von Bürokratie vorsah.174 Innerhalb der glasproduzierenden Betriebe äußerte sich diese Reformbewegung prompt in der Einrichtung künstlerischer Beiräte als Beratungsorgane der Betriebsdirektoren und in neuen Musterkollektionen sowie technologischen Innovationen.175 Zahlreiche neue Betriebe wurden nun errichtet,
172 Übersetzung: Bušta. In: Tvář 12/1961, S. 5. 173 Interview mit Jiří Harcuba und Vladimír Jelínek, Prag, 16.12.2002. Jelínek (geb. 1934) besuchte von 1949 bis 1952 die Glasfachschule in Kamenický Šenov. Danach absolvierte er die VŠUP und arbeitete ab 1951 als Gestalter für die Industrie und für ÚBOK. 174 Betriebsleiter sollten selbst über Produktionsvolumen, Sortimente, Preise und dergleichen entscheiden können. Köhler-Baur 1999, S. 117; vgl. auch Köhler-Baur 2004, Boyer 2004. 175 Der Glastechnologe Jaromír Špaček beispielsweise experimentierte in den 1960er Jahren mit verschiedenen neuen Farben und Techniken, wie dem Einschmelzen von Silber, dem Einblasen von Glas in eine Drahtform oder auch einer Kombination von Glasmasse und Granatsteinen. GR 7/1971, S. 206. Siehe auch Kapitel 5.1.4.
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ferner bestehende Betriebsstätten modernisiert, so dass das Produktionsvolumen vervierfacht werden konnte.176 Mit Blick auf die Glasgestaltung sind wiederkehrende Mechanismen über den gesamten Zeitraum des kommunistischen Regimes zu erkennen, die eine passive Billigung seiner Politik seitens der tschechoslowakischen Bevölkerung und damit auch der Künstler selbst begünstigten. Der Staat subventionierte nämlich nicht nur die industrielle Fertigung von Konsumgütern, was diese konstant erschwinglich machte, sondern ebenfalls die Realisierung künstlerischer Entwürfe in den nationalisierten Werkstätten. Selbst wenn Glaskünstler – dies trifft ab Mitte der 1960er Jahre auf eine wachsende Gruppe zu – freischaffend in Heimateliers ihre Werke herstellten, konnten sie Rohlinge, Maschinen und Werkzeuge zu bezahlbaren Konditionen erwerben. Dieses Abhängigkeitsverhältnis versetzte die Führung wenigstens formal in die Lage, das Tätigkeitsfeld der Glasgestalter dauerhaft zu kontrollieren. In der Realität genügten allerdings persönliche Beziehungen zu Betriebsfunktionären aus, um sich mit den nötigen Produktionsmitteln einzudecken oder eigene Entwürfe direkt in den Staatsunternehmen fertigen zu lassen.177 Die Glasgestaltung übernahm in diesen Jahren zunehmend Attribute der freien künstlerischen Ausdruckskraft und löste sich vom Dogma der Funktionalität. Anlässlich der Ausstellung „Angewandte Kunst der sechziger Jahre“ in der Mährischen Galerie in Brno 1996 fasste die Kuratorin Alena Křížová zusammen: „Die stürmischen Ereignisse in der Welt Anfang der sechziger Jahre spiegelten sich bei uns durch eine relative Lockerung wider, die eine etwas größere Redefreiheit, die Möglichkeit zu diskutieren und zu reisen, neue Kontakte mit dem Ausland zu knüpfen und internationale Veranstaltungen zu organisieren, bedeutete. Ein buntes Kulturleben […] war zwar verhältnismäßig liberal, spielte sich gleichzeitig jedoch unter Kontrolle und Aufsicht der offiziellen Strukturen ab und forderte von den Künstlern […] gewisse Kompromisse. […] Je hektischer die Aktivitäten in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und hauptsächlich die der Wende 1967–1968 mit vielen Hoffnungen verbunden waren, um so bitterer war die Ernüchterung in den Wochen, Monaten und Jahren nach August 1968. Aber auch in diesem schwierigen Zeitraum wurde die Kontinuität nicht völlig unterbrochen.“178
Als im April 1969 Alexander Dubček als Parteichef abgesetzt und eine neue Parteiführung mit Gustáv Husák an der Spitze gewählt wurde, beschloss das ZK-Plenum sukzessive Schritte zur „Stabilisierung und Konsolidierung“ der Wirtschaft, die sich zu einigen Grundelementen des Reformkonzepts in deutlichem Widerspruch befanden. Die in die Wege geleitete Erweiterung der organisatorischen und ökonomischen Selbstständigkeit
176 Holešovský. In: GR 9/1968, S. 292. 177 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 178 Übersetzung: Křížová 1996, S. 8.
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der Betriebe wurde gestoppt.179 Die 1970er und 1980er Jahre wurden von der sogenannten Normalisierung (normalizace)180 geprägt. In dieser Phase verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen der Künstler in den Unternehmen merklich. Viele lösten sich aus ihrer Einbindung in die industrielle Gestaltung, einige wurden entlassen und manche widmeten sich nun dem freien Atelierschaffen.181 Hanuš: „Ein Designer, der direkt in der Industrie angestellt ist, hat einigermaßen schwierigere Aufgaben als ein freischaffender Designer, der sein Design einzelnen Herstellern anbietet. Dieser wählt eine Aufgabe und löst sie irgendwie. Ein Designer in der Industrie muss leider alle vorgegebenen Aufgaben lösen, das ist die Besonderheit. Ein Designer in der Industrie hat in vielen Richtungen Grenzen. Es handelt sich um das technologische Niveau, um Möglichkeiten der Mitarbeiter, die sich an dem ganzen Karussell der Produktion beteiligen.“182
Die Loyalität zum Regime sollte durch materielle Angebote erkauft werden. Schon 1969 wurde eine fiktive Währung, der Tuzex183, in Form von Gutscheinen eingeführt. Auch Glaskünstler profitierten von dieser Reform. Wann immer ihre Arbeiten für westliche Devisen veräußert wurden, erhielten sie Tuzex-Bons ausbezahlt. Mit diesen Gutscheinen, aber auch mit konvertierbaren Währungen, konnte man in speziellen Geschäften gleichen Namens Waren ausländischen Fabrikats kaufen, die sich normalerweise nicht in tschechoslowakischen Regalen finden ließen.184 Laut Christoph Boyer führte das Erkaufen von Loyalität durch materielle Zugeständnisse tatsächlich dazu, den Lebensstandard der Bevölkerung Anfang der 1970er Jahre merklich zu erhöhen.185 Dass dies nicht 179 Kučera 2006, S. 348. 180 Der Begriff bezeichnet die Phase der Restauration, die der als Prager Frühling bekannt gewordenen Reformzeit und deren abruptem Ende durch die sowjetische Invasion folgte, demnach die Zeit zwischen 1968 und 1989. Er meint die „gewaltsame Restaurierung des sozial-politischen Systems sowjetischen Typs“ (Spiritova 2010, S. 65; siehe auch: Boyer 2008, S. 472). Andere Historiker datieren den Beginn der Normalisierung auf April 1969, als Alexander Dubček durch Gustáv Husák ausgewechselt wurde (Vgl. Bock 1992, S. 94; Otáhal 2002.). Grundsätzliches Merkmal der Normalisierung sind die Rücknahme von Reformen, der Einsatz sozialpolitischer Maßnahmen primär zur Machtsicherung, die Installation von Kontrollsystem, die Rezentralisierung der Lenkung sowie das Abhandenkommen des visionären Gehalts in den politischen Zielen. Emtmann 1998, S. 152; Boyer 2008, S. 471–474. 181 Siehe Kapitel 5.1.4. 182 Havlíčková/Nový 2007, o. S. 183 Der Name leitet sich von TUZemský EXport (inländischer Export) ab. Siehe auch Kapitel 6.2.2. und 6.3. 184 Die Handelskette war am 1. Januar 1969 gemäß der Verordnung 202/1968 Sb. des Außenhandelsministers gegründet worden. Die Vorgängerorganisation war die 1949 gegründete Firma Tuzex Darex (Geschenk Export). Geschäfte dieser Art gab es auch in anderen kommunistischen Ländern, in Bulgarien die Corecom, in Polen die Pewex, in der UdSSR die Berjozka, Intertourist in Ungarn, Comturist in Rumänien und in der DDR die Intershops. URL: (Stand 10.07.2013). 185 Boyer 2008, S. 497–509.
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dauerhaft funktioniert habe, ließe sich zwar auch mit einer „Schuldenfalle“, vor allem aber mit dauerhaften strukturellen Problemen, mangelnden technischen Innovationen, schlechter Produktqualität und daraus resultierenden sinkenden Absatzmöglichkeiten im Exportbereich erklären. Auch in anderen sozialistischen Ländern wie der DDR und Polen gehörte diese Entwicklung zum Standardrepertoire der Wirtschaftspolitik.186 Wenn multilaterale Beweggründe mit in die Subventionspolitik hineinspielten, wie beim Außenhandel mit dem Ostblock, war die Qualität der Glaswaren nicht von vornehmlichem Interesse und diese wurden weit unter Wert verkauft. Der russische Markt stellte im Allgemeinen geringere Qualitätsanforderungen als der Weltmarkt187, so dass immer mehr Glaserzeugnisse aus tschechoslowakischen Hütten ihren Absatzmarkt im Westen verloren, denn die Herstellung von qualitativ hochwertigen Waren rückte in den Hintergrund. In Kamenický Šenov gravierten die Arbeiter im Kombinat Umelěcké sklo von Hand einfache Schliffe für Russland, Ungarn oder Rumänien. Im Akkord produzierten sie in mühevoller Arbeit 500 Likörgläser für 11 Heller das Stück, um den Plan zu erfüllen.188 Diese unwirtschaftliche Erzeugung hochwertiger Handarbeitserzeugnisse konnte natürlich nicht die Kosten der Arbeitszeit decken. Laut Martin Franc ließe sich für den genannten Zeitraum insgesamt bilanzieren, dass das Regime lieber eine verminderte Qualität von Produkten in Kauf genommen habe, anstatt die Preise anzuheben. Auf diese Weise sollte größerer Unmut verhindert werden.189 Die mangelhaften Erzeugnisse wurden einfach auf dem Binnenmarkt angeboten. Hanuš: „War es nicht gelungen, Glasschmelze in erstklassiger Qualität herzustellen, kam das Inland an die Reihe. Der inländische Markt musste auch beliefert werden. Auf den inländischen Markt wurden aber Produkte geliefert – ich sage es nicht gern - die von der Qualität her nicht so gut waren.“190
Für Glasprodukte scheint diese These jedoch nachweisbar erst ab den 1970er Jahren zuzutreffen. Im Kombinat Crystalex in Nový Bor beispielsweise sollten die vorgegebenen Dekore auf Bestellung angefertigt werden. Die Schleifräder der Maschinen waren jedoch so weich, dass „keine gerade Linie“ geschliffen werden konnte und „eine fürchterliche Qualität der Dekore“191 nicht zu vermeiden war. Auch die Minderwertigkeit des 186 Siehe hierzu die zahlreichen zeithistorischen Forschungsbeiträge in: Boyer/Skyba 1999; Boyer 2006; Hübner, Peter/Hübner, Christa: Sozialismus als soziale Frage: Sozialpolitik in der DDR und Polen. 1968–1976. Köln, Weimar, Wien 2008 (Zeithistorische Studien. Bd. 45). 187 Herbst 1998, S. 139. 188 Interview mit dem Glasschleifer Čeněk Michut, Kamenický Šenov, 09.09.2005. 189 Franc, Martin: Loyalität, Konsum- und Sozialpolitik in der Tschechoslowakei in den 1950/60er Jahren. In: Tagungsbericht Loyalitäten im Staatssozialismus – DDR, Tschechoslowakei und Polen, 25.09.–26.09.2008, Prag. In: H-Soz-u-Kult, 10.01.2009, (Stand 10.07.2013). 190 Havlíčková/Nový 2007, o. S. 191 Interview mit Čeněk Michut, Kamenický Šenov, 09.09.2005.
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Rohglases wurde für diesen Zeitraum bemängelt. Für den Export bestimmtes Kristall wurde inzwischen meist maschinell hergestellt und schlichtweg als handgeschliffen ausgegeben, indem man für zusätzlichen Glanz den Bleianteil erhöhte.192 Der binationale Handel von Bleikristall mit westeuropäischen Ländern wurde ebenfalls handelspolitisch gesteuert, auch von auswärtiger Seite. So genügte der Bleianteil des tschechoslowakischen Glases nicht den französischen Bestimmungen, welche mindestens 28 Prozent Blei als Zusatz verlangten.193 Mit dieser Importschranke konnte die Einfuhr von Kristall aus tschechoslowakischen Glashütten nach Frankreich erfolgreich eingedämmt werden, denn die am Markt eingeführte traditionelle Bezeichnung „Böhmisches Bleikristall“ war nun nicht mehr zulässig.194 Digrin: „Schlimm war es zum Beispiel mit Frankreich. Nach Frankreich durchzudringen war nicht einfach. […] Ich habe mit den Franzosen heftig gekämpft. Ich hatte dort Kontakte, war zuständig für diese Handelspolitik […] und die haben [dafür] gekämpft, dass man tschechisches Glas zur Seite drängt. Und eines Tages ist [es] den Franzosen gelungen, zur Ferienzeit, als unsere Abgeordneten im Urlaub waren, schnell ein neues Gesetz durchzubekommen, das als Kristall nur Glas benannt werden darf, welches 28 Prozent Bleigehalt hat, ein Blödsinn! Der beste Glanz [bei Bleikristallglas] entsteht bei 24 Prozent Bleioxid. [Das Böhmische Kristall ist ein Kreideglas und enthält überhaupt kein Blei.] Aber die haben gesagt, nur 28 Prozent. Und dann durfte tschechisches Kristall nicht Kristall benannt werden ... also, da hatten wir mit den Franzosen große Schwierigkeiten …“195
Bei der Festlegung des Exportumfangs von Glaswaren auf binationaler Ebene wurden inoffiziell mitunter fragwürdige Methoden angewandt, die nicht schriftlich dokumentiert sind, vermutlich aber von politischer Seite still geduldet wurden.196 Üblicherweise 192 Ebenda. 193 Moser-Glas wurde zum Beispiel gänzlich ohne Bleianteil gefertigt und aufgrund seines hohen Reinheitsgrads und seiner außergewöhnlichen Qualität trotzdem stets als Kristallglas verkauft. Foulds 1995, S. 13. 194 „Im Französischen bedeutet das Wort ‚Kristall‘ bisher einen qualitativen Begriff. Den aus Böhmen stammenden Glaserzeugnissen hoher Güte, die nicht 24 % Bleimonoxid enthalten, das Recht auf die Bezeichung ‚Böhmisches Kristall‘ streitig zu machen, bedeutet so viel, wie wenn man erklären würde, dass ein Bild von Picasso nur dann Wert besitzt, wenn es auf normalisiertem Format gemalt ist.“ GR 9/1971, S. 270. 195 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 196 Digrin: „Ich war Experte im Bestechen, zum Beispiel in Österreich habe ich den Chef der österreichischen katholischen Jugend, den habe ich total bestochen, nicht?“ Wasmuth: „Wer war das?“ Digrin: „Ich bin in die Kirchen gegangen und habe ihm Sachen besorgt, dass er ein Auto bekommen hat und Gläser und Porzellan und so weiter und die haben uns dann geholfen, Kontingente zu bekommen. Damit wir Kontingente für Glas bekommen, für den Export. […] Wenn wir nach Österreich ausführen wollten, zum Beispiel Flachglas, musste im Handelsvertrag stehen Kontingent für Flachglas so und so viel Meter oder so und so viel Dollar, ja?“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003.
Abb. 1 Zdeňka Braunerová, um 1920, Fantasiewesen, Farbloses Glas, geblasen, am Ofen bearbeitet, abgebildet in: Tvář 5/1949, Abb. 364, S. 162, © OOA–S, 2015
Abb. 2 Josef Rosipal, Bowleschale und Gläser, 1914, Josef Inwald AG, Dobrenz (Dobronín), Werk-Nr. 36 R (Artěl), Kristallglas, rot überfangen und geschliffen, H. 40,3cm, D. 31,2 cm (Bowle mit Deckel), H. 15,7 cm, D. 7,2cm (Gläser), Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, Inv. Nr. WI 1523, © Gerald Zugmann/MAK
Abb. 3 Zdeněk Pešánek, 1936, „Männlicher und Weiblicher Torso“, beleuchtete Brunnenskulptur „Světelně kineticka fontána“ für die Pariser Weltausstellung 1937, Acrylglas, Gips, Metall, Holz, synthetisches Material und gebogene Neonröhren, Farbe, H. 140 cm, Národní galerie v Praze, Inv. Nr. P7145, © National Gallery in Prag, 2015
Abb. 4 Jaroslav Brychta, 1937, Detail der Lampenarbeit „Glasparadies“, ausgezeichnet mit einem Grand Prix bei der Pariser Weltausstellung 1936, H. 17,8 cm, UPM Prag, Inv. Nr. 21 409/11, Fotograf: Gabriel Urbánek
Abb. 5 Karel Palda, Haida, 1942, Likörset, gepresst, geschliffen, bemalt mit schwarzer Lasur, H. 25,5 cm / 6,5 cm, © Auktionshaus Walldorf
Abb. 6 Milena Velíšková, Vasen, 1954, ofengeformtes Glas, Škrdlovice sklářská huť, abgebildet in GR 5/1956, o.S., Fotograf: Jindřich Brok
Abb. 7 Max Rössler, 1948/1949, Lobmeyr, Porträtvase Edvard Beneš, H. 20 cm, abgebildet in Baumgärtner 1981, Abb. 385, S. 264
Abb. 8 Emil Zátopek und seine Frau Dana überreichen Vasen mit deren gravierten Portraits an Vivian Leigh und Sir Laurence Olivier, London Tea Center, 1955, abgebildet bei Hájek. In: GR 1/1956, © OOA–S, 2015
Abb. 9 Václav Plátek, Maria Stáhlíkova, Lobmeyr, 1950, Glasvase für Klement Gottwald, geschliffen und graviert, abgebildet bei Hetteš. In: Tvář 4/1950, Abb. 312, S. 119, © OOA–S, 2015
Abb. 10 Václav Plátek, 1950, Lobmeyr, geschliffene Schalen und Aschenbecher, abgebildet bei Hetteš. In: Tvář 4/1950, Abb. 314 und Abb. 315, Fotograf: Jindřich Brok
Abb. 11 Stanislav Libenský, Schale „Spirograph“, 1948, Borokrystal, Umĕlecké sklo, Borské ateliéry, Nový Bor, formgeblasenes Glas mit feiner Nadelätzung, H. 10,3 cm, D. 15,2 cm, © The Steinberg Foundation, Inv.Nr. SF 287
Abb. 12 František Vizner, 1968, Briefbeschwerer aus Hüttenglas, Ausführung: Rudolf Beránek, Škrdlovice sklářská huť, Modellnrn. 6761 und 6764, abgebildet bei Maršiková. In: GR 6/1968, Abb. 1, S. 192, Fotograf: Jind#ich Brok
Abb. 13 Adolf Matura mit der Schauspielerin Carroll Baker bei den Filmfestspielen in Cannes 1965, The Steinberg Foundation-Archiv, Fotograf: Lèo Mirkine, © Yves Mirkine, Collection Mirkine
Abb. 14 Atelier Holeček an der UMPRUM, Klassenfoto 1941, hinten v.l.n.r.: Josef M. Hospodka, Miloslav Babický, [?], [mit Brille: Jaroslav V. Holeček], Rudolf Kalina, Otokar Novák, Miloslav Hudík, František Pavel Dvořák, Stanislav Libenský, Jan Štibych, Sammlung Sklářské muzeum Nový Bor, aus den nicht durch gearbeiteten Sammlungsmaterialien, © Sklářské muzeum Nový Bor.
Abb. 15 Věra Koslerová, Stangenvase, 1959, Glasfachschule Kamenický Šenov, Farbloses Glas, modelgeblasen, Malerei mit schwarzer Flachfarbe auf farbloser Bildreserve, Grundierung in gelber Schmelzfarbe, H. 31,8 cm, D. 7,7 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 615
Abb. 16 Jana Rejlová, Stangenvase, 1961, Glasfachschule Kamenický Šenov, Farbloses Glas, modelgeblasen, Malerei in dunkelgelber Schmelzfarbe, H. 31,8 cm, D. 7,7 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 613
Abb. 17 Alexandra Zumrová, Vase, 1963, Glasfachschule Kamenický Šenov, Farbloses Glas, modelgeblasen, Dekor in rauher Nadel ätzung, H. 38 cm, D. 16 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 621
Abb. 18 Vlasta Grünwaldová, Teller, 1968, Glasfachschule Kamenický Šenov, Farbloses Glas, geschliffen, D. 27 cm, abgebildet in Langhamer/Hlaveš 2006, Abb. 74, S. 63; © SUPŠS Kamenický Šenov
Abb. 19 Václav Hubert als Dozent in der Gravurabteilung der Fachschule in Kamenický Šenov, abgebildet in Drdácká. In: GR 11/1981, S. 7, © OOA–S, 2015
Abb. 20 Stanislav Libenský, Schale „Das Letzte Abendmahl“, Studentenarbeit von Věra Gottwaldová an der Glasfachschule in Nový Bor, 1947, Farbloses Glas, modelgeblasen. Dekor partiell in Nadelätzung und in Malerei mit transparenten Schmelzfarben, H. 16,2 cm, D. 22 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 307
Abb. 21 René Roubíček (Mitte), VIII. International Glass Symposium, Nový Bor, 09.10.2003, Foto: V. Wasmuth
Abb. 22 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, „Kopfschale“, 1954, Železnobrodské sklo, Olivgrünes Glas, formgeschmolzen. Innenseite vollständig, Außenseite partiell überschliffen und poliert, H. 12,3 cm, B. 29,5 cm, T. 13,9 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 79
Abb. 23 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Glasplastik „Strom“, Modell für die Strojimport–Skulptur, 1956, Železnobrodské sklo, Formgeschmolzenes Glas, partiell überschliffen und poliert, H. 44,8 cm, B. 28.5 cm, T. 6,5 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 298
Abb. 24/25 Bohumil Eliáš, Entwurf, Gouache und Wasserfarben auf Papier, um 1960, 45 cm x 27 cm ohne Passepartout, VŠUP Studentenarbeit, The Rakow Research Library, Corning, Inv. Nr. CMGL 79362 (SF 1285), © The Rakow Research Library, The Corning Museum of Glass, Corning, New York
Abb. 26 Karel Wünsch, Entwurf, 1957, Wasserfarbe und Bleistift auf Papier, 42 cm x 30 cm, VŠUP Studentenarbeit, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 2685/2
Abb. 27 Karel Wünsch, Vase, 1957, Farbloses Glas, modelgeblasen. Malerei in Lüster- und Flachfarbe, H. 34 cm, VŠUP Studentenarbeit, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 2685/1
Abb. 28 Bohumil Eliáš, Vase, 1959, VŠUP Studentenarbeit, H. 38,3 cm, D. 14,4 cm, Farbloses Glas, modelgeblasen. Sandgestrahlter Dekor einer abstrahierten weiblichen Figur, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 402
Abb. 29 Bohumil Eliáš, Vase, 1960, VŠUP Studentenarbeit, H. 38,3 cm, D. 14,4 cm, Farbloses Glas, modelgeblasen. Abstrahierte Reiterszene, Malerei mit opaken und transparenten Schmelzfarben, Mattemail und Schwarzlot. Binnenzeichnung partiell graviert, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 401
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wurden Handelsverträge im Zusammenhang mit offiziellen Leistungsschauen und Messen verhandelt, über welche die Glasrevue dann in beinahe jeder ihrer Ausgaben berichtete. 1955 kam es zu einer großen Ausstellung von Kronleuchtern aus der Tschechoslowakei in der Londoner Messehalle Olympia und wenig später von gravierten Gläsern im London Tea Centre.197 Diese zweite Ausstellung muss als erste auswärtige Nachkriegspräsentation künstlerisch gestalteter Gläser gewertet werden und leitete erfolgreich ein Abkommen über Glasimporte ein.198 Speziell für diese Schau wurden Motive aus Shakespeares Dramen, Porträtgravuren populärer englischer Schauspieler oder Londoner Architekturen wie das Victoria Memorial graviert. Es ist nachvollziehbar, dass eine derart auf den Ausrichtungsort zugeschnittene Ausstellung viel Medienpräsenz erhielt.199 Selbstbewusst entsandte die Tschechoslowakei deshalb auch ihre eigenen Prominenten zu der Veranstaltung (Abb. 8). Digrin: „Einen großen Erfolg hatten wir in London, da haben wir Steuben Glass200 geschlagen. Da war eine Ausstellung im Jahre ’55 […] im [London Tea Centre]. Das war eine Ausstellung von Steuben Glass und eine Ausstellung des tschechischen Glases. Dort haben wir Porträts von Laurence Olivier und Vivian Leigh gemacht und die haben das als Geschenk bekommen von Emil Zátopek und seiner Frau [Dana].“201
Die internationalen Marktmechanismen waren für den Glasexport der Tschechoslowakei genauso relevant für den jedes anderen Herstellerlandes. Das Ausstellungswesen war demzufolge zügig aktiver Teil des handelspolitischen, aber auch kulturdiplomatischen Instrumentariums und blieb es über den gesamten Zeitraum der sozialistischen Autokratie. Nebenbei übernahm Glas als Exponat aber auch als individuell gestaltetes Präsent bei Ausstellungsanlässen eine parteikonforme Propagandafunktion. Es erfüllte als traditionsreiches Kulturgut diese Rolle wohl aktiver als manch andere Werbeträger. In einer zweiten Bewegung begannen Glaskünstler, Entwürfe für die Architektur und öffentliche 197 Manning. In: GR 6/1955, S. 41; Pitaš. In: GR 12/1955, S. 4–10. Siehe auch Kapitel 6.1, S. 334 f. 198 Veredelte Glaswaren aus der Tschechoslowakei nahmen den zweiten Platz hinter Frankreich bei englischen Importen ein. Holešovský. In: GR 7/1968, S. 216. 199 Anlässlich der feierlichen Vernissage am 4. Oktober 1955 wurde der Schauspielerin Wendy Hiller eine Kristallvase mit einer Gravur der Mařenka aus Smetanas „Die verkaufte Braut“ von einem Skloexport-Mitarbeiter übergeben, da die Oper vom Londoner Covent Garden Theater gerade neu inszeniert worden war. Der Entwurf für diese Vase stammte von Ludmila Jiřinková (1912–1994) und wurde von Jan Lauda bei Lobmeyr ausgeführt. Abgebildet in Pitaš. In: GR 12/1955, S. 6. 200 Steuben Glass gehörte zu den Corning-Glaswerken im Bundesstaat New York und stellte künstlerisch gestaltetes, vor allem klares Kristallglas von hoher Qualität her (Scheiffele 1994, S. 135). Der Maler Donald Pollard und der Architekt George Thompson entwarfen in den 1950er Jahren Gläser für Steuben, die bei zahlreichen Ausstellungen Anerkennung fanden. 201 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. Das Porträt von Sir Laurence Olivier wurde von Max Rössler, das von Vivian Leigh von František Brabec, Kurt Bischoff, Rupert Kolrus graviert. Pitaš. In: GR 12/1955.
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Interieurs zu schaffen, die zunehmend einem freien Kunstbegriff entsprachen.202 Die politische Normierung aller ökonomischen Bereiche führte zu einer unreflektierten Autorisierung künstlerischer Gestaltungsbestrebungen, die daraufhin keiner Prüfung unterzogen wurden. Die Partei autorisierte durch ihre Aufträge an Glasgestalter deren Kunstschaffen per se. Da den kunstgewerblichen Disziplinen allerdings die Fähigkeit zu kritischer Meinungsäußerung abgesprochen wurde, standen diese auch nicht im Fokus der Zensoren. Glasgestalter nutzten die staatlich in Auftrag gegebenen Präsentglas- und Architekturentwürfe nur in seltenen Beispielen für Zwecke des offenen Protests.203 Hinsichtlich ihrer oftmals abstrakten Stilistik und ikonographisch unstimmigen Sujets hingegen traten diese Werke aus der bekannten Auftragskunst visuell hervor. Umgekehrt diente die Erfüllung formeller Anfragen vielen Gestaltern dazu, abseits der industriellen Produktion ihren individuellen Anliegen nachzugehen.
3.1.5 Skloprojekt – Planmäßige Gestaltung von Glaserzeugungsbetrieben Als Inhaber der neu geschaffenen Nationalunternehmen delegierte der Staat nach 1948 wesentliche Teile seiner Eigentums- und Nutzungsrechte auf seine Verwaltungsorgane. Einen fundamentalen Stabilitätsfaktor des kommunistischen Regimes stellte die zentrale staatliche Planung mit hierarchisch gegliederten Planstellen dar. Auch für die Konzeption und Erbauung von Glasindustrieanlagen war eine solche Planstelle vorgesehen. 1948 wurde Skloprojekt gegründet, ein Institut, das sich auf die Ausarbeitung von Projekten für den Aufbau neuer und den Umbau sowie die Modernisierung bereits bestehender Betriebe im Bereich der Glasindustrie spezialisierte. Seine Aufgabe war ebenfalls, die Überwachung des Auf- und Umbaus der Industrieanlagen sowie neue Produktionsmethoden in der Praxis zu erproben.204 Als Organisation von Ingenieuren und Projektierern übernahm Skloprojekt im ersten Fünfjahresplan (1949–1953) vornehmlich die Aufgabe, die Voraussetzungen für die Errichtung von Glaserzeugungsbetrieben an neuen Standorten, aber auch den Wiederauf- und Umbau bestehender Glashütten zu überprüfen und die gesamte Strategie dazu auszuarbeiten.205 Das Projektierungsbüro beschäftigte neben Fachleuten der Glas- und Feinkeramikindustrie auch Spezialisten aus den Bereichen der Mess- und Regeltechnik, der Energiewirtschaft, der Vakuumtechnik, des innerbetrieblichen Transports, der Arbeitshygiene, der Arbeitspsychologie, der Wirtschaftswissenschaft und der Arbeitsorganisation.206 1953 wurde über die Schließung einiger Glasfabriken verhandelt, doch 202 Siehe Kapitel 5.3. über Auftragskunst. 203 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 260, und Kapitel 6.2.1, S. 392 f. 204 Synek/Suchánková. In: GR 6/1968, S. 184. 205 Fink/Sequens. In: GR 7/1965, S. 184, 203. 206 Synek/Suchánková. In: GR 6/1968, S. 189.
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in den anschließenden Jahren bestand verstärktes Interesse an der Erhaltung der Vielschichtigkeit in der Produktion der Glasindustrie, welches sich auch in der Leistungsvielfalt von Skloprojekt niederschlug.207 Im zweiten Planjahrfünft wurden mehr Mitarbeiter eingestellt und eine Reihe weiterer Dienstleistungen angeboten, wie beispielsweise Marktstudien, Hilfe bei der Inbetriebnahme neuer Anlagen, technische Hilfe, Vermittlung von Know-how, die Beschaffung ausländischer Maschinen oder Ausrüstungen und anderes mehr.208 Dieser Trend setzte sich mit der planmäßig festgeschriebenen Erhöhung des Produktionsvolumens für die einzelnen Nationalunternehmen in den 1960er und 1970er Jahren fort, da deren Kapazitäten kontinuierlich modernisiert und ausgebaut werden sollten.209 Insbesonders die Werke in Nový Bor und Světlá nad Sázavou standen im Fokus, weil sie Trinkgläser in voll- und halbautomatischer Produktion in großem Umfang herstellten.210 Auch der Betrieb Karlovarské sklo muss hier genannt werden, denn Skloprojekt überwachte ab 1963 dessen Rekonstruktion und Modernisierung an den Standorten in Mstišov und Karlovy Vary.211 Skloprojekt-Architekten hatten neben der sorgfältigen Auswahl eines neuen Standorts aufgrund städtebaulicher Studien und infrastruktureller Anbindung auch die „Eingliederung der Fabrikanlagen und -gebäude in die Landschaft [und] die Tradition und Kultur des betreffenden Landes“ in Betracht zu ziehen. Weiterhin hatten sie auf die „Gestaltung des Interieurs der Arbeitsräume, ihre Anordnung, die Farbgebung, die Beleuchtung, die Harmonie der Gebäude mit der sie umgebenden Natur“ zu achten. Das sozialistische Arbeitsmilieu sollte gezielt gestaltet werden und eine leistungssteigernde Wirkung haben, damit es „günstig, freundlich und einladend auf den Menschen wirkt und so zur Hebung der Produktivität und Güte der geleisteten Arbeit beiträgt“.212 Wie in allen sozialistischen Ländern förderte der tschechoslowakische Staat das gestalterische Erscheinungsbild des Arbeitsplatzes wie auch aller betrieblichen Einrichtungen planmäßig.213 „Die sozialistische Gesellschaft ist daran interessiert, dass ihre Mitglieder in einer solchen Umwelt leben, in welcher sie positive Emotionen erhalten, die sie gesund erhält, die Gemeinschaftsbeziehungen fördert und sie anregt, schöpferische Leistungen zu vollbringen. 207 Unter anderem sollten die Werke in Oldřichov, Okrouhlá und Skalice (ehemals Rückl) aus dem Nationalunternehmen Borské sklo geschlossen werden. Marek F. In: Av 5/1974, S. 192. 208 Synek/Suchánková. In: GR 6/1968, S. 189; Hollas. In: GR 1/1961, S. 3. 209 Siehe Kapitel 3.3.1, S. 118 f. 210 Langhamer/Vondruška 1991, S. 119. 211 Karlovarské sklo wurde 1958 unter die Schirmherrschaft der Genossenschaft gebrauchsglasproduzierender Unternehmen (Sdružení podniků užitkového skla) in Nový Bor gestellt. Im Zusammenhang mit seiner Kapazität wurde es mit Borské sklo in Nový Bor vereinigt. Mergl/ Pánková 1997, S. 319, 326. 212 Synek/Suchánková. In: GR 6/1968, S. 190. 213 „Die Parteien und Massenorganisationen trugen entscheidend dazu bei, dass jeder Schritt, den die Menschen außerhalb ihrer vier Wände taten, von Kunst begleitet wurde.“ Flacke 1994, S. 16.
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Deshalb erwächst immer mehr die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Schönheit im Arbeits- und Wohnbereich sowie in allen anderen Lebensbereichen als Ausdruck und Bedingung kulturvoller sozialistischer Lebensweise herauszubilden.“214
Die wohlgestaltete Beschaffenheit des Arbeitsplatzes wurde demnach als motivationsförderndes Mittel für Arbeiter und Angestellte instrumentalisiert. So entstand im Schloss des Glasmacherortes Chlum u Třeboně ein Club für Angestellte der ansässigen Betriebe mit angeschlossener Bücherei.215 Das Nationalunternehmen Jablonecké sklárny in Desná baute für seine Beschäftigten 300 neue Wohnungen sowie drei „Erholungszentren“.216 Die Mitarbeiter des Großunternehmens Crystalex und deren Familien konnten das Erholungszentrum „Svonost“ in Harrachov ganzjährig für einen ein- bis zweiwöchigen Urlaub nutzen. Zur Ausstattung gehörte eine Rehabilitationseinrichtung einschließlich beheiztem Schwimmbecken.217 Aber auch für Lehrlinge veranlassten die Nationalunternehmen allerlei Annehmlichkeiten, die in der Vergangenheit nicht existiert hatten. So wurden sie in neu errichteten Internaten mit kompletter Verpflegung untergebracht, ihre Lehrstätten waren modern eingerichtet, die Freizeit verbrachten sie „auf dem Sportplatz oder im Klubraum, winters [fuhren] sie ins Gebirge, im Sommer in Bungalowlager oder ans Meer“.218 Ökonomen gingen davon aus, dass Betriebe effektiver produzieren könnten, wenn das Arbeitsumfeld mittels künstlerischer Elemente und angenehmer Farb- und Lichtgebung geprägt wäre. In Kantinen, Aufenthaltsräumen, Kultureinrichtungen, Unterrichtsräumen und Unterkünften wurden diese Gestaltungsprinzipien realisiert, ganz gleich um welche Art von Betrieb, Behörde, Verkaufsstelle oder Institution es sich handelte. Die Modernität der Architektur fungierte nicht allein als Ausdruck für die überlegene industriell-technische Leistung des neuen Systems und als klar zu erkennender Bruch mit der Vergangenheit, sondern ebenfalls als leistungssteigerndes Moment. „Ein Beweis dafür ist der Einsatz der bildenden Kunst beim Bau der Prager Metro, beim Kulturpalast und weiteren Objekten im ganzen Land ebenso wie beim Bau von Wohngebieten, Betrieben, gesellschaftlichen Einrichtungen.“219
Die Förderung von Architektur und Kunst im Arbeitsumfeld verfolgte also zeitgleich einen gesellschaftlichen Nutzen und auch Glasgestalter wurden in diese Pflichterfüllung eingebunden. Skloprojekt forderte Ingenieure und Architekten auf, eine progressive Innenraumgestaltung in Produktionsbetrieben konsequent durchzusetzen. Dabei war die Beauftragung von Glaskünstlern naheliegend, die Entwürfe für Beleuchtungskör214 Kelm. In: fuz 2/1970, S. 2; vgl. auch Kelm 1971, S. 114, 116. 215 Digrin. In: GR 7/1961, S. 217. 216 Hanuš. In: GR 5/1976, S. 4. 217 Pokorný. In: GR 1/1991, S. 20. 218 Vojta. In: GR 2/1976, S. 22. 219 Šeda/Musílek 1983, S. 188.
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per oder Schmuckelemente anfertigten. Tatsächlich profitierten aber vor allem leitende Funktionäre von dieser Maßnahme, zumal kunstgebundene Architekturaufträge mehrheitlich in deren Büros und Repräsentationszimmern installiert wurden. Beispielhaft sind zwei in die Betonarchitektur integrierte Glaswände im Verwaltungsgebäude des Exportunternehmens Jablonex von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová220, die geschliffene Deckenbeleuchtungsplastik von Vladimír Svoboda im Empfangsraum der Borské sklo Glaswerke221, aber auch die Plastik „Eingang“ im Foyer und die Kronleuchter im Direktorenbüro des Kombinats Crystalex in Nový Bor von Werksgestalter Ivo Rozsypal. Lediglich das monumentale Glasrelief von Karel Wünsch für die Crystalex-Kantine (Abb. 41)222 schmückte einen allgemein zugänglichen Aufenthaltsraum.
3.2 Produktgestaltung im Sozialismus Gleichzeitig mit der systematischen Steuerung aller Bereiche der Leichtindustrie fiel auch die Formgestaltung, das Erscheinungsbild der Produktion, in die Kompetenz des sozialistischen Staates. Gebrauchsglasprodukte, also Glas aus der Serienfertigung, entwarfen sowohl angestellte als auch freiberufliche Gestalter. Die überwiegende Zahl der Glasarbeiten, die in dieser Untersuchung betrachtet werden, weisen einen unumstößlich künstlerischen Anspruch auf und dies bereits in den späten 1940er Jahren. Der Anteil an manueller Veredelung war in diesen Nachkriegsjahren besonders hoch, wobei Gravur und Schliff die überwiegend verwendeten Techniken waren. Anfang der 1950er Jahre kamen progressive künstlerische Tendenzen in alten Techniken hinzu. Vor allem die Bemalung und das Ätzen auf vorgegebenen Glasformen oder Gefäßen mit meist abstrakten Symbolen und Mustern setzte sich in der Studienklasse Professor Josef Kaplickýs an der Prager Kunstgewerbehochschule durch. In den späten 1950er und frühen 1960er Jahren sprengten Künstler die Grenzen des Kunsthandwerks und formulierten die tschechische Glasskulptur mit ersten großformatigen Raumobjekten neu. Techniken wie die Formschmelze oder die Arbeit vor der Lampe fanden verstärkt Eingang in die Ateliers der Gestalter. Diese rein künstlerische Herangehensweise an das Medium Glas muss – obgleich meist in staatseigenen Betrieben realisiert – unabhängig von der Gebrauchsglasproduktion betrachtet werden. Deren Bedürfnisse spielten in der Rückkopplung jedoch impulsgebend eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der Entstehung der modernen tschechischen Glaskunst. Zum einen, weil ein Großteil der Künstler als festangestellte Designer oder freiberuflich für Betriebe tätig waren, zum anderen, weil sie im Rahmen von öffentlichen Ausstellungsausschreibungen oder Wettbewerben und
220 Siehe Abbildungen in Frantz 1994, S. 100–103. 221 Abgebildet in Stehlík. In: GR 10/1969, Nr. 17, S. 300. 222 Es wurde mit dem Nordböhmischen Kulturpreis ausgezeichnet. Interview mit Karel Wünsch, Prag, 26.06.2003; siehe auch Kapitel 5.3, S. 268.
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in der Alltagspraxis der Ausbildung Entwürfe anfertigten, die industriell gefertigt werden sollten. Direkt nach 1945 war die Nachfrage nach Glaswaren so hoch, dass sich die Industrie nicht mit derart „unwichtigen Überlegungen“ auseinandersetzte223, sondern sich ausschließlich auf den Wiederaufbau und die Gewährleistung der laufenden Produktion konzentrierte. Die Herstellung von traditionellen Mustern und die Fortführung des laufenden Sortiments war gleichzeitig eine Notwendigkeit, da die Ausbildung von neuen Fachkräften nach der Ausweisung der deutschen Glasmacher noch nicht beendet war. Auch deuteten die Umsatzzahlen der Jahre 1946 und 1947 auf eine viel versprechende Konjunktur hin, so dass einstweilen niemand an neue Musterkollektionen denken musste. Der Exportumsatz der tschechoslowakischen Glasindustrie lag bereits 1947 wieder 15,7 Prozent über dem des Vorkriegsjahres 1937. Erstaunlich schnell erholte sich die angeschlagene Branche damit von den Kriegsschäden. Doch bereits im folgenden Jahr fiel dieser positive Trend um 13,4 Prozent und lag damit nur 2,3 Prozentpunkte über dem Vorkriegsniveau.224 Einerseits beruhte diese Negativentwicklung sicherlich auf der allmählichen Sättigung des Marktes mit einfachem Gebrauchs- und Fensterglas. Andererseits spielte wohl ebenfalls die veränderte politische Situation nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 eine wesentliche Rolle bei dem Absatzeinknick, da viele Stammkunden am sogenannten kapitalistischen Markt verunsichert waren.225 Allein ihr Anteil am Gesamtexport von Glaswaren hatte 1947 noch bei 73,4 Prozent gelegen, während die verbleibenden 26,6 Prozent nach Südamerika, Afrika, Indien, in die Türkei, nach Polen und in die Sowjetunion gingen. 1948 betrug der Anteil am Gesamtexport in kapitalistische Länder nur noch 63 Prozent.226 Offiziell wurde dieser Abwärtstrend mit der wenig nachvollziehbaren Behauptung begründet, dass es ja notgedrungen zu einer „Stabilisierung“ des Marktes mit einem Mittelwert der Jahre 1946 und 1947 kommen müsse.227 Unmittelbar nach dem Krieg war die Nachfrage nach Glasprodukten aller Art nicht nur in der Tschechoslowakei, sondern in ganz Europa und in Übersee sehr groß. Stattdessen ging nach dem Regierungsantritt der KSČ 1948 das branchenübergreifende Außenhandelsvolumen mit dem westlichen Ausland innerhalb von sechs Jahren auf 22 Prozent (1954) zurück.228 Die westlichen Abnehmer verlangten nach innovativen Designs und qualitativ hochwertiger Ausführung, außerdem nahm der Druck internationaler Konkurrenz zu. Erschwerend stellte sich auch der nun von oben geforderte Abbruch direkter Verkaufsverhandlungen mit langjährigen Kunden im „nichtsozialistischen“ Ausland 223 Hrodek. In: GR 4/1949, S. 8. 224 GR 2/1949 II, S. 15. 225 Siehe auch Kapitel 3.3.1. 226 Nach Deutschland, dem traditionell stärksten Abnehmerland, wurden in den ersten vier Jahren nach dem Weltkrieg gar keine Glaswaren ausgeführt. GR 2/1949 II, S. 16. 227 Ebenda, S. 15. 228 Šik 1988, S. 54.
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dar.229 Die Übernahme aller Exportaufgaben seitens des Staatsunternehmens Skloexport 1949230 untersagte endgültig das Festhalten an betriebseigenen Geschäftskontakten und verstellte langfristig die bis dahin bestehende Möglichkeit, die Erzeugung auf individuelle Wünsche und neue Trends auszurichten. Intern suchte das Ministerium für Industrie und Handel gemeinsam mit der Handelskammer und der Leitung des Kunstgewerbemuseums nach einer Möglichkeit, die Stagnation der Verkaufszahlen ins Ausland aufzuheben.231 Die Verantwortlichen erinnerten sich an die Erfolge des tschechischen Glases bei den großen Weltausstellungen der 1920er und 1930er Jahre. Die mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Exponate hatten zu dem positiven Prestige der heimischen Produktion beigetragen, die nach der Weltwirtschaftskrise verhältnismäßig schnell wieder erfolgreich exportiert werden konnte.232 An diesen ökonomischen Nebeneffekt wollte man nun anknüpfen. Hrodek: „These authorities recognize, it is true, the need for new models but they would prefer to arrive at them through traditional variations of established models. It became clear that it was essential to put an end to this old method of creating new samples by means of a mere transfer of individual parts of the old, and that it was above all necessary to go to the root of the beauty of glass, to its form.“233
Demnach setzte sich diese Erkenntnis bei den Funktionären allmählich durch. Sie erfassten nun den indirekten Nutzen, der sich aus der Auswechselung des Lehrpersonals an den Glasfachschulen ergeben hatte. Die erst kürzlich eingesetzten jungen Dozenten wagten stilistisch Neues und vermittelten ihren Studenten den Anspruch auf Originalität verbunden mit gleichzeitiger Funktionalität der Entwürfe und deren sorgfältiger Ausführung. Ihre moderne Pädagogik sollte untermauert werden, indem Praktika direkt in den Glashütten angeboten wurden. Vermittelt wurden diese Praxiszeiten ab 1948 durch ÚLUV, das mit der Leitung des selbstständigen „Kollegiums für die Pflege des Künstlernachwuchses“ betraut worden war.234 Ebenso regte das Ministerium gemeinsam mit den genannten beratenden Organen die dauerhafte Einbindung von Künstlern in die Betriebsstrukturen an. Anders als in der Vergangenheit sollten Entwürfe für die Produktion nicht ausschließlich von auswärtigen Künstlern geliefert, sondern zusätzlich von fest angestellten Gestaltern angefertigt werden. Man versprach sich einige Vorteile von dieser engen Zusammenarbeit: Die fest angestellten Glaskünstler konnten ihre Designs speziell auf die vorhandenen Produk229 Mergl 2005, S. 74. 230 Siehe Kapitel 3.3.2. 231 Hetteš. In: GR 4/1949, S. 9. 232 Siehe Kapitel 2.3. 233 Hrodek. In: GR 4/1949, S. 10. 234 Siehe Kapitel 4.1, S. 147, und Kapitel 5.2.4, S. 295. Im ersten Jahr erhielten bereits 44 Glasmacher Stipendien für Betriebspraktika, 1949 waren es schon mehr als 600 Stipendiaten. Raban 1963, S. 14.
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tionsmechanismen zuschneiden und arbeiteten eng über einen längeren Zeitraum mit den gleichen Glasmachern zusammen. Diese Zusammenarbeit führte mitunter zu neuartigen Entwürfen, da sich ihre Handschriften in gestalterischer Hinsicht während des Herstellungsprozesses vermengten. Zu den ersten Glaskünstlern, die eine Festanstellung eingingen, zählte Ludvika Smrčková235, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg als externe Gestalterin für die Rückl Glaswerke in Nižbor tätig gewesen war. Sie arbeitete nun von 1948 bis 1952 als Chefdesignerin bei den Glaswerken Inwald in Teplice. Bereits ab 1948 begann man, Werkstätten in den Betrieben einzurichten, sogenannte künstlerische Zentren (umělecké středisko) mit Experimentalcharakter, welche fest angestellten Künstlern ermöglichen sollten, Entwürfe vor Ort auszuprobieren und in die Produktion einzubringen.236 Diese wurden vorab von einem künstlerischen Beirat (umělecké komise), bestehend aus Mitgliedern des Betriebs und Sachverständigen, also externen Künstlern und Mitarbeitern von ÚBOK237 sowie Kunsthistorikern bemustert. Bereits 1961 besaß „jedes einzelne Unternehmen“ einen solchen Beirat, ließ das Konsumgüterministerium mitteilen.238 Die Glasmacher, Graveure, Schleifer oder Kugler, die dann diese Entwürfe in den Betrieben ausführten, hatten oftmals ebenfalls eine künstlerische Ausbildung an einer der drei Glasfachschulen absolviert, so dass die handwerkliche Umsetzung der Designs auf höchstem Niveau umgesetzt wurde. Diese Kombination von innovativen Ideen und perfektionistischer Ausführung sollte zur Grundlage des Erfolges tschechischer Glasprodukte werden, wie sie schon Grundlage des Erfolges böhmischen Glases im 19. Jahrhundert gewesen war.239 Teil der Strategie zur Qualitätssteigerung des Ministeriums für Industrie und Handel war die Gründung einiger Nationalunternehmen im Jahr 1948, die sich explizit in eigens dafür eingerichteten Werkstätten um innovative Glasdesigns für die Produktion bemühen sollten. Am 1. Juli 1948 wurde Umelěcké sklo errichtet, das die Lobmeyr Studios in Kamenický Šenov und eine Reihe von Bleiverglasungs- und Mosaikwerkstätten vereinte. An Umelěcké sklo gekoppelt entstanden die Bor Studios240, zu denen insgesamt fünf Werkstätten mit fest angestellten Glasgestaltern gehörten. Die eine war für frei ge235 Siehe Kapitel 2.4 und Anm. 73 in Kapitel 2.5. Smrčková (1903–1991) hatte von 1921 bis 1927 unter Vratislav Hugo Brunner und František Kysela an der UMPRUM studiert. Von 1930 bis zum Ende des Kriegs lieferte sie durchweg Entwürfe für Rückl und ab 1943 auch für Moser in Karlsbad. Auch war sie parallel ab 1928 als Dozentin an pädagogischen Lehranstalten in Přibor, Litomyšl, Kladno und einer Grundschule in Prag tätig. Ab 1949 beriet Smrčková das Außenhandelsunternehmen Skloexport. Für Umelěcké sklo entwarf sie im Jahr 1952 Gebrauchsgläser und begann zeitgleich bis 1958 als Chefdesignerin für die ÚVS (Kapitel 5.2.3) zu arbeiten. Nach 1958 war Smrčková als freischaffende Künstlerin tätig. 1978 wurde ihr der Titel „Nationalkünstlerin“ zuerkannt, siehe S. 225. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 236 Petrová 1989, S. 12; GR 8–9/1991, S. 12. 237 Siehe Kapitel 5.2.3, S. 290. 238 Hollas. In: GR 1/1961, S. 3; vgl. Kudela 1990, S. 105. 239 Schon 1830 hatte Christian Benjamin Preußler eine Sonntagszeichenschule für die Lehrlinge der Josephinenhütte gegründet, deren Besuch Pflicht war. Schack von Wittenau 1971, S. 11. 240 Siehe Kapitel 5.3, Anm. 368, S. 307.
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formtes Glas zuständig und wurde von Josef Michal Hospodka241 geleitet. Ein weiteres Studio, von Václav Plátek242 geführt, war für die Herstellung von geschnittenem Glas verantwortlich. Ein drittes, unter Karel Hrodek243, spezialisierte sich auf Glasgravur. Ein viertes Studio widmete sich dem bemalten und ein fünftes künstlerisch gestaltetem Fensterglas, beide unter der Führung von Stanislav Libenský. Eine enge Zusammenarbeit mit der Kunstgewerbehochschule in Prag wurde unter Professor Josef Kaplický ins Leben gerufen, so dass seine Studenten die Werkstätten für die Realisierung ihrer Entwürfe nutzen konnten.244 Umgekehrt profitierten ebenfalls die Werkstätten von den kreativen Vorschlägen dieser jungen Gestalter und denen anderer Künstler, wenn auch viele Entwürfe, die in den Bor Studios verwirklicht wurden, einen experimentellen Charakter besaßen, so dass die Mehrheit der realisierten Stücke einmalig blieb und nicht in Produktion ging. Absolventen der Glasfachschulen in Nový Bor und Kamenický Šenov arbeiteten in den Bor Studios, bevor sie an die VŠUP gingen und regelmäßig für weitere Lehrgänge während der Sommerferien zurückkehrten.245 Innerhalb weniger Jahre hatten die Umelěcké sklo-Werkstätten ein anspruchsvolles und vielfältiges künstlerisches Profil ausgebildet, für das sie bei zwei Ausstellungen im Jahr 1950 Anerkennung erhielten.246 Zum einen fand Anfang des Jahres im Topič Salon in Prag die Präsentation „Sklo a výtvarník“ (Glas und Gestalter) unter ihrer Mitwirkung statt, zum anderen beteiligten sich die Studios an der großen Ausstellung der ange241 Siehe auch Kapitel 2. und Kapitel 4.2.1, Anm. 205, S. 170. 242 Plátek (1917–1994) studierte unter Zdeněk Juna an der Glasfachschule in Železný Brod von 1932 bis 1935, in den fünf folgenden Jahren an der Prager Kunstgewerbeschule unter Kysela. Von 1940 bis Anfang 1948 beschäftigte er sich vor allem mit Buchillustration, Steinschnitt und Diamantgravur – Techniken, die auch während der Kriegsjahre mit einfachen Mitteln ausgeführt werden konnten. Plátek hatte von März bis Juni 1948 bei Stefan Rath als Stipendiat des UPM studieren können, bevor er als Chefdesigner an das Umelěcké sklo-Studio kam. Von 1950 bis 1951 war er als Künstler bei Železnobrodské sklo fest angestellt und dann bei dem Zentrum für die Glasund Leichtkeramikindustrie in Prag. Von 1954 bis 1957 arbeitete Plátek als Assistent von Karel Štipl an der VŠUP in Prag. Im Anschluss unterrichtete er hier selbst als Professor und entwarf zeitgleich Flakons und Behälter für Jablonecké sklárny (1957–1960). Während der 1960er Jahre konzentrierte sich sein künstlerisches Schaffen auf die Glasgravur, während Plátek sich in den 1970er Jahren wieder dem Steinschnitt zuwandte. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Langhamer 2003, S. 179. 243 Hrodek (1915–1990) hatte von 1933 bis 1936 die Glasfachschule in Železný Brod besucht, bevor er als Student unter Štipl an die UMPRUM kam, die er 1941 abschloss. Bis Kriegsende arbeitete Hrodek für die Glashütten Rückl in Nižbor und Českomoravské sklárny. 1945 ging er für fünf Jahre als Dozent an die Glasfachschule nach Nový Bor und arbeitete nach 1948 zeitgleich als Designer für die Bor Studios. Von 1952 bis 1954 war Hrodek Direktor der Glasfachschule in Železný Brod und im Anschluss kontinuierlich als Inspekteur für Fachschulen tätig. Er nahm regelmäßig an wichtigen Ausstellungen im In- und Ausland teil. Biografische Angaben: UPMArchiv; Hlaveš 2005, S. 378/379. 244 Mergl 2005, S. 76. 245 Langhamer 2005c, S. 417. 246 Siehe Kapitel 6.1, S. 332.
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schlossenen Lobmeyr-Ateliers anlässlich des 75. Geburtstags von Stefan Rath im Prager Velkopřevorský palác. Zu den gezeigten Entwürfen im Topič Salon zählten neben einigen ausgewählten Darstellungen im Stil des sozialistischen Realismus247 – beispielsweise eine Vase von Václav Plátek und Maria Stáhlíková, auf der ein Arbeiter neben einem Fahnen schwenkenden Partisanen dargestellt war (Abb. 9) – von den gleichen Künstlern auch elegante Schalen, Vasen und Aschenbecher, welche unter Zeitgenossen sicherlich als en vogue galten (Abb. 10). Karel Hrodek präsentierte schlichte Vasen mit reliefgravierten figurativen Darstellungen von Flora und Fauna, während Stanislav Libenský einfache Schalenformen mit abstraktem Gravur-, Malerei- und auch Ätzdekor (Abb. 11) zeigte. Auch Josef M. Hospodka, Milena Velíšková und Miluše Kytková (später Roubíčková) beteiligten sich mit freigeformten Entwürfen an der Ausstellung „Glas und Gestalter“. Die Lobmeyr-Studios hingegen präsentierten vornehmlich gravierte Gläser und Trinkglasservice, welche auf Bestellungen aus dem Ausland angefertigt wurden.248 An böhmischen Vorbildern ausgerichtete Modelle wurden hier neben aktuellen Designs von Věra Lišková, Oldřich Lipský und František Brabec, um die wichtigsten Gestalter zu nennen, teils an gedeckten Tischen in den historischen Räumen des Barockpalastes gezeigt. Zwei Jahre später, 1952, veranstalteten die Kunstgewerbemuseen in Prag und Brno gemeinsam erneut eine Ausstellung mit Arbeiten von Umelěcké sklo.249 Die nationalisierte Verwaltung der Glaswerke in Nový Bor und Kamenický Šenov wurde am 1. Juli 1948 abgeschafft und insgesamt 55 kleine Betriebe und Glashütten, wie Hantich und Vetter250, demzufolge in dem neu gegründeten Nationalunternehmen Borokrystal in Nový Bor zusammengelegt. Nachdem 1951 bereits 30 dieser Werkstätten wieder geschlossen und weitere neun aus der Gruppe herausgetrennt wurden251, fusionierte Borokrystal 1953 mit Umelěcké sklo und Borské sklárny. Gemeinsam wurden sie in das Nationalunternehmen Borské sklo eingebracht.252 Als fest angestellter Designer arbeitete gleich zu Beginn René Roubíček253 im Entwurfszentrum für den Betrieb. Ein 247 Siehe Kapitel 5.1. 248 GR 1/1951a, S. 6–9. Siehe auch Kapitel 3.1.2. über das Lobmeyr-Service für Haile Selassi, an dessen Herstellung der Graveur Václav Hubert mitwirkte. 249 Siehe Katalog Hetteš 1952 und Kapitel 6.1, S. 333. 250 Siehe Kapitel 2.6, S. 52. 251 Langhamer 2005c, S. 417. 252 Langhamer 2005b, S. 412. Die bedeutendste Glashütte des Unternehmens war Egermann, gegründet von Friedrich Egermann 1832. In Folge der Nationalisierungsmaßnahmen wurde sein Name als etablierter Firmenname beibehalten und der Betrieb firmierte unter dem Namen Egermann-Exbor, aufgrund seiner Verbindung mit den Exbor Studios, Nachfolger der Umelěcké Sklo-Werkstätten. 253 Roubíček wurde 1922 als Sohn eines Musikers in Prag geboren. Er besuchte von 1940 bis 1944 das Atelier von Professor Holeček an der UMPRUM. Von 1945 bis 1951 leitete er als Dozent die Abteilung Glasschliff an der Glasfachschule in Kamenický Šenov. Danach wechselte er als Designer zum Atelier Železnobrodské sklo. Ab 1953 arbeitete er als Gestalter für Borské sklo in Nový Bor, wo er nach zwei Jahren zum Chefdesigner ernannt wurde (Hetteš. In: GR 9–10/1960, S. 13). Bis 1965 blieb Roubíček in dieser Position, war aber parallel für die ÚVS und als Ku-
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Jahr später wurde zusätzlich Bohumil Čabla254 verpflichtet. Als Čabla sich anders orientierte, übernahm ab 1957 Ladislav Oliva Senior seine Aufgabe sowie zusätzlich ab 1958 Vratislav Šotola255 und ab 1959 Karel Wünsch256. Roubíček hingegen blieb bis 1965 leitender Formgestalter bei Borské sklo und arbeitete auch anschließend noch eng mit dem Unternehmen zusammen. Roubíček: „Ich habe dort nicht viel Gebrauchsglas gemacht, obzwar ich künstlerischer Leiter in Nový Bor war. Eigentlich habe ich nur meine eigenen kreativen Entwürfe realisiert, niemand hat sich aufgeregt. Ich war 20, 30 Jahre dort, aber die Industrie hat sich ohnehin nicht weiter bewegt – Stillstand im Sortiment. Zu langsam!“257
Jiří Řepásek und Vladimír Žahour übernahmen diese Aufgabe von 1954 durchgängig bis in die 1980er Jahre in Werk 1 des Nationalunternehmens Poděbradské sklárny (ab 1965 Sklárny Bohemia). Wie die meisten Betriebe beauftragte diese Hütte zusätzlich externe Gestalter mit Entwürfen.258 Auch das Nationalunternehmen Karlovarské sklo in Karlovy Vary beschäftigte Glaskünstler fest als Designer, so ab 1955 bis 1981 Oldřich
rator für Ausstellungen tätig. Von 1966 bis 1968 lehrte er an der AVU und saß im beratenden Ausschuss bei der staatlichen Künstleragentur Art Zentrum. Nach 1969 war er als freischaffender Künstler tätig und realisierte zahlreiche Auftragsarbeiten für den Architekturbereich. Nach der politischen Wende 1989 nahm er gelegentlich seine Dozententätigkeit wieder auf. Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 254 Čabla (1926–1993) besuchte von 1945 bis 1947 die Fachklasse für Glasmalerei und Ätztechnik an der SOŠS in Nový Bor, bevor er in Olomouc unter Jan Zrzavý studierte. Von 1951 bis 1953 arbeitete er als Glasmaler für Borokrystal in Nový Bor und wechselte 1954 als fest angestellter Designer zu Borské sklo. Ab 1957 unterrichtete er Glasmalerei und Glasätze an der Glasfachschule in Kamenický Šenov, wo er bis zu seiner Pensionierung 1986 blieb. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 371. 255 Šotola (1931–2010) absolvierte 1948 die SOŠS Kamenický Šenov und wechselte dann an die VŠUP ins Atelier von Professor Kaplický. Von 1958 bis 1962 arbeitete er als Betriebsgestalter für Borské sklo und ab 1962 fest angestellt für ÚBOK. Šotola lieferte zahlreiche Entwürfe für Pressglas. Ab 1979 war er für Sklo Union, OBAS in Teplice als Gestalter tätig. Nach der politischen Wende kehrte er zu ÚBOK zurück und widmete sich dann ab 1995 ausschließlich dem freien künstlerischen Schaffen. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 399. 256 Wünsch (geb. 1932) besuchte von 1946 bis 1950 die SOŠS in Nový Bor und arbeitete dann als Glasmacher für verschiedene Nationalunternehmen. Ab 1953 studierte er unter Kaplický an der VŠUP. Nach seinem Abschluss 1950 wurde er Betriebsgestalter bei Borské sklo. 1970 wechselte Wünsch in die Selbstständigkeit. Interview mit Karel Wünsch, Sloup v Čechach, 11.10.2003. 257 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 258 Gleich zu Beginn, 1954, Adolf Matura, Jiřina Žertová von 1956 bis 1957, Pavel Hlava von 1959 bis 1960, Ladislav Oliva Senior (Borské sklo), Václav Cígler und Václav Horáček in den 1960er Jahren. Als fest angestellte Designerin war bereits ab 1948 Ludvika Smrčková für die Hütte Inwald des Unternehmens tätig. Später, ab 1974, kam Dagmar Kudlová als Betriebsgestalterin nach Poděbradý. Jackson 2000, S. 38.
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Lípa und von 1961 bis 1964 sowie von 1972 bis 1978 Jiří Šuhájek.259 Für das Unternehmen Chříbska arbeitete ab 1949 František Zemek, der aber schon 1950 zu den Glaswerken Mstivšov260 bei Teplice wechselte, wo er erfolgreich die Serien „Rhapsody“ und „Romana“ entwarf. In ihrem Beschluss 33/1954 Sb. forderte die Regierung ganz offiziell die qualitative Aufwertung von Glasprodukten, sowohl in technischer als auch ästhetischer Hinsicht. Zusätzlich zu dem System der Betriebsdesigner legte Gesetz 14/1955 Sb. im Folgejahr die Einrichtung von Gestaltungszentren innerhalb der einzelnen Nationalunternehmen mit einem Schwerpunkt auf Gebrauchsglaserzeugung fest. Glasentwicklungszentren entstanden in den Unternehmen Borské sklo, Karlovarské sklo und Železnobrodské sklo.261 Die Zusammenarbeit mit Künstlern versprach eine Reihe von Vorteilen neben dem wirtschaftlichen Aspekt, die von offizieller Seite propagandistisch genutzt wurde. So müsse dem tschechoslowakischen Glas eine „nationale Prägung“, ein „sozialistisches Erscheinungsbild“ gegeben werden, Formulierungen, die sich wiederholt in Publikationen finden.262 Der ultimative Bruch mit der deutschen Vergangenheit und damit dem bestehenden Sortiment sollte vollzogen werden. Jedoch richtete sich im Sprachjargon der kommunistischen Führung die Einbeziehung von Künstlern in die Entwurfsphase auch auf eine „Verschönerung des Arbeitsmilieus“ und die Einwirkung auf die „Wohnsituation der Werktätigen“. Immer mehr Betriebe begannen, eng mit Künstlern zusammenzuarbeiten. Die offizielle Darstellung hob stets hervor, dass es sich bei diesem Beschäftigungsmodell um einen Gegenentwurf zum marktwirtschaftlichen Ausbeutungsprinzip kreativer Handlanger handelte, welche unterbezahlt und wenig geschätzt würden: „Für den Kapitalismus der freien Konkurrenz ist die fast unbegrenzte Zahl von Konkurrenten charakteristisch, viele Zehntausende von kleinen, mittleren und großen Industriebetrieben, die sich durch das Herausbringen von möglichst zahlreichen, immer wieder neuen Mustern gegenseitig den Rang abzulaufen suchen. Sie unterhalten Scharen von niedrig bezahlten, gering geachteten und zumeist wenig befähigten Musterzeichnern, die sich nicht scheuen dürfen, die Entwürfe der Konkurrenz zu kopieren oder mit geringfügigen Änderungen nachzuahmen. Mit der Konzentration der Produktion und dem Entstehen der großen monopolistischen Industriebetriebe wird das anders. Sie können es sich leisten, hoch besoldete Künstler, Werbeberater und Marktanalytiker heranzuziehen, die in zentralen Entwurfswerkstätten künstlerisch bessere Modelle schaffen, als es den Dessinateuren der Kleinindustrie möglich ist.“263 259 Šuhájek ging 1964 als Stipendiant von Karlovaské sklo an die VŠUP nach Prag. Als externe Gestalter waren neben anderen Věra Lišková (1949–1961), František Zemek (1956–1958), Jiřina Žertová (ab 1956) und Adolf Matura (1953, 1956–1960) dort tätig. 260 Mstišov, ursprünglich Eintrachthütte, wurde 1958 dem Nationalunternehmen Borské sklo eingegliedert. 261 Vgl. Langhamer 2005b, S. 412. 262 Vgl. Kapitel 5.1.1. 263 Aust. In: Form und Zweck 1956/57, o. S.
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Viele künstlerisch wertvolle Designs blieben zwar nur als Unikat bestehen und fanden keinen Einlass in die Serienfertigung. Diejenigen Entwürfe hingegen, die tatsächlich produziert wurden, gliederten sich – wie auch die traditionellen Modelle – in das planwirtschaftliche System ein. Mit Beginn der Normalisierung wurde die Konstellation der Zusammenarbeit von Betrieben mit Künstlern immer verworrener, denn einige Fabriken wurden nun von einem Nationalunternehmen zum anderen transferiert. Auf Veranlassung des Industrieministeriums wechselte die Verwaltung der Gebrauchsglashersteller ab 1972 in das umstrukturierte Unternehmen der Gebrauchsglashersteller. Die unabhängige Unternehmensleitung von Borské sklo löste man zeitgleich auf.264 Mit der Gründung der noch größeren Schirmorganisation Crystalex in Nový Bor im Jahr 1974 entstand ein Konglomerat mit über 12.000 Beschäftigten und zehn Standorten, von denen 1.800 allein im Werk in Nový Bor tätig waren, wo ebenfalls ein neues Wohnheim entstand.265 Hier waren sämtliche Betriebe aus dem Erzeugungsbereich der Region in einem Verbund konzentriert und in einigen wurden neue Forschungsinstitute eingerichtet. Die Werksgestalter, wie Alois Metelák in der Hütte bei Borské sklo in Harrachov oder Jan Gabrhel bei Český křisťál in Chlum u Třeboně, wechselten innerhalb ihrer Betriebe an das neue Unternehmen und arbeiteten in ihrer alten Position weiter, während andere, wie Josef M. Hospodka oder Vilém Veselý, sich neu orientierten.266 Vornehmlich wurden nun neue Designer eingestellt: Marie Glückhaufová, Antonie Jankovcová, Ivo Rozsypal, Eva Švestaková oder Jaromír Urbánek. Die Verantwortlichen setzten gezielt auf technologische Innovationen. Der Glastechnologe Rudolf Hais experimentierte 1972/73 beispielsweise im Glasinstitut bei Crystalex mit 150 Laborproben selbstständiger Uranverbindungen, um interessante Farbeffekte mit gedämpfter Fluoreszenz für Industrieschmelzen zu ermitteln.267 Auch veröffentlichte das Industrieministerium 1972 einen sogenannten INOVER-268 und 1977 einen INOGLAS-Plan, welche die künstle264 Langhamer 2005b, S. 414. 265 Der Grundstein für das Kombinat wurde bereits am 20. August 1965 gelegt. Im Oktober 1965 ging das Werk in Betrieb und 1972 konnte die erste automatisierte Fertigungsstraße für Kelchgläser angefahren werden, womit sich das Produktionsvolumen rasch vergrößerte. Der Name Crystalex wurde ab 1. Januar 1974 eingeführt. Das Unternehmen vereinte nun den Großteil der Gebrauchsglashersteller des Landes. Am 1. Januar 1994 wurde es in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, im Mai 1997 privatisiert. Das Crystalex-Werk in Nový Bor schloss 2008 und die verbliebenen 1.000 Angestellten wurden entlassen. 2009 kam es zu einem Eigentümerwechsel. Eisch-Angus, Katharina: Das Glas im Blick nach vorn. Bericht aus der nordböhmischen Glasregion Nový Bor und Kamenický Šenov, URL: (Stand 16.08.2013). 266 Hospodka (1923–1989) übernahm 1970 den Posten des Direktors an der Glasfachschule in Kamenický Šenov und Veselý (1931–2003) arbeitete ab 1972 als unabhängiger Künstler. Er hatte zuvor, von 1967 an, als fest angestellter Designer bei Borské sklo gewirkt. 267 Pavel Hlava nutzte einige dieser neuen Farben bei dem Entwurf neuer Erzeugnisse. Hais 2003, S. 115/116; Gepräch mit Rudolf Hais, 09.10.2003. 268 Im Rahmen des INOVER-Plans suchten die Gestalter eine optimale Lösung für die automatisierte Herstellung von Trinkglasgarnituren. Im Ergebnis wurde Pavel Hlavas „Elisabeth“- und
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rische Entwicklung im Bereich der industriellen Glasgestaltung fördern sollten. So entstanden neue Entwürfe in Zusammenarbeit mit ÚBOK-Künstlern bei den Betrieben in Mstišov und Karolovy Vary.269 Ab 1974 unterstützte eine „Gestalter-Kommission“ bei Crystalex die Direktion als beratendes Organ.270 Pavel Hlava271 leitete diesen Ausschuss, der auch aus Repräsentanten der VŠUP, der Kunstakademie Bratislava, von ÚBOK, Skloexport und der lokalen Glasfachschulen bestand. Er empfahl Entwürfe von ÚBOK-Gestaltern wie Vladimír Jelínek, Adolf Matura, Vratislav Šotola oder Jiří Šuhájek für die Produktion. Aber auch externe Glaskünstler reichten Gebrauchsglasentwürfe ein und wurden berücksichtigt.272 Die starke Position dieser Gestalter-Kommission, aber auch ihrer Vorgänger, der „künstlerischen Beiräte“, führte zu einer engen Einbindung der Betriebsgestalter selbst in Produktionsabläufe. Viele Glaskünstler entschieden sich trotzdem in den 1960er und 1970er Jahren für einen Bruch mit der Industrie. Sie wollten sich aus dem starren Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses lösen, das einer indirekten Zensur gleichkam273. Sie richteten sich Ateliers ein. Hier konnten unter einfachen Arbeitsbedingungen zwar nur wenige Techniken wie Gravur, Schliff oder Glasbläserei vor der Lampe eingesetzt werden, doch gewannen sie ihre Unabhängigkeit zurück. Einige Künstler verkauften die so entstandenen Unikatobjekte über das Art Centrum derart erfolgreich, dass sie ganze Teams von Glasmachern in den Fabriken für die Realisierung ihrer Entwürfe in komplexen Techniken bezahlen konnten. Zdenka Strobachová und František Tejml274 waren wohl die Ersten. Beide be„Ideal“-Garnitur produziert. Diese beiden Garnituren wurden erfolgreich in der BR Deutschland verkauft und Hlava konnte, wie auch Vladimír Jelínek, eine mehrjährige Zusammenarbeit mit der Firma Rosenthal anknüpfen. Frídl. In: GR 11/1989, S. 23; Fotografien von Hlavas Entwürfen für Rosenthal befinden sich im UPM-Archiv. 269 Mergl/Pánková 1997, S. 238. 270 Langhamer 2005c, S. 418. 271 Hlava (1924–2003) hatte von 1939 bis 1942 die Glasfachschule in Železný Brod besucht und wechselte dann in das Atelier von Karel Štipl an die UMPRUM, wo er 1948 seinen Abschluss machte. Von 1948 bis 1959 war Hlava als freischaffender Künstler tätig, parallel lieferte er Entwürfe für die ÚVS. Von 1959 bis 1985 arbeitete er fest angestellt als leitender Gestalter für ÚBOK und ab 1966 eng mit Crystalex, Nový Bor, zusammen. Als Mitglied zahlreicher Kunstund Ausstellungskommissionen (auch für Auslandspräsentationen) nahm Hlava über diesen gesamten Zeitraum eine einflussreiche Position ein. Von 1985 bis zu seinem Tod widmete er sich der freien künstlerischen Arbeit. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Petrová 2001, S. 244; Hlaveš 2005, S. 376. 272 So arbeiteten Ladislav Oliva Senior, René Roubíček und Karel Wünsch wiederholt mit dem Unternehmen zusammen. 273 Vgl. Haraszti 1987, S. 65 f. 274 Strobachová (1932–2005) und Tejm (1933–2004) wechselten sofort nach ihrem Abschluss an der VŠUP im Atelier von Kaplický in den Freiberuf (Hlaveš 2005, S. 399). Strobachová war zu dieser Zeit mit Václav Cigler verheiratet. In den 1970er Jahren beschäftigte sie sich dann mit Textilkunst. Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003.
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gannen bereits 1957, freischaffend zu arbeiten. Vladimír Kopecký275 gehörte ebenfalls zu den Protagonisten dieser Bewegung, als er sich 1961 selbstständig machte. Bohumil Eliáš276 ging diesen Schritt 1962, Dana Vachtová277 im Jahr darauf und Věra Lišková278 richtete sich 1964 eine Heimwerkstatt für die Arbeit vor der Sauerstoffflamme ein, die sie mit der Hilfe eines Assistenten betrieb. Jiří Harcuba279 baute sich 1969 mithilfe eines Freundes ein Atelier in der Nähe seiner Wohnung, in das er die Maschinen und Werkzeuge brachte, die er von seinem Vater geerbt hatte, welcher ebenfalls als Graveur
275 Kopecký (geb. 1931) hatte seine Ausbildung an der SOŠS in Kamenický Šenov nach dem Krieg absolviert und wechselte dann nach Prag auf die VŠUP, wo er unter Kaplický studierte und sein Aspirant wurde. Direkt nach seinem Abschluss 1961 machte er sich selbstständig (Langhamer 2003, S. 244). Damit ist er wohl der einzige heute noch erfolgreich tätige tschechische Glaskünstler, der nie Entwürfe für die Industrie angefertigt und auch keiner Künstlerorganisation oder Gruppe angehört hat. Von 1990 bis Herbst 2006 war Kopecký von den Studenten gewählter Leiter der Glasabteilung an der VŠUP. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 383. 276 Eliáš (1937–2005) studierte nach seiner Ausbildung an der SOŠS in Nový Bor bei Kaplický in Prag. Wie Strobachová und Kopecký wechselte er direkt in die Selbstständigkeit und arbeitete nie für die Industrie. Eliáš war Mitglied der Gruppe Rubikon. Personalia. In: NG 3/2005, S. 58. 277 Vachtová (geb. 1937) machte sich – wie Kerhartová-Peřínková – ebenfalls unmittelbar nach ihrem Abschluss bei Kaplický selbstständig. Interview mit Dana Vachtová, Prag, 26.06.2003. 278 Lišková (1924–1985) hatte unter Štipl und Kaplický an der VŠUP studiert, wo sie 1949 ihren Abschluss machte. Sie lieferte von 1946 bis 1949 Entwürfe für die Lobmeyr-Werkstätten in Kamenický Šenov. Lišková entwarf dann 15 Jahre lang Gebrauchsgläser für Karlovarské sklo. Ihre Trinkglasgarnituren erhielten zahlreiche Preise auf in- und ausländischen Ausstellungen. Seit 1952 arbeitete sie eng mit der ÚVS zusammen. Nach ihren Mustern fertigten die Glashüttenbetriebe Sklárny Kavalier in Sazava jahrelang Weihnachtsschmuckkugeln aus Glas. In Liškovás Atelierschaffen dominierten Skulpturen, Architekturelemente und Kammerobjekte aus vor der Flamme geblasenem chemischem Glas (Simax). Rejl. In: GR 2/1968, S. 47–49; Maršiková. In: GR 10/1968, S. 335–338. 279 Harcuba (1928–2013) machte von 1942 bis 1945 eine Graveurlehre in Harrachsdorf (Harrachov). Nach Kriegsende besuchte er die SOŠS in Nový Bor ab 1949 die VŠUP in Prag im Atelier von Štipl, dessen Aspirant er von 1958 bis 1961 war. Er blieb zehn Jahre lang als Dozent an dem Institut, zunächst „Lektor“ bei Štipl, dann, bis 1971, bei dessen Interimsnachfolger Václav Plátek. 1965/66 hatte Harcuba einen Lehrauftrag am Royal College of Art in London. Ab 1966 war er Leiter der Bereiche Bildhauerei und Gravur im Glasatelier von Libenský, das seit 1965 die ehemaligen Glasabteilungen von Štipl und Kaplický vereinte. 1970 habilitierte sich Harcuba und wurde Dozent an der Kunstgewerbehochschule. Er war Mitglied des künstlerischen Rates der Glaskommission, des SČVU und außerdem Gerichtssachverständiger für zeitgenössisches Glasschaffen. 1971 wurde Harcuba aus allen Ämtern fristlos entlassen, weil sein Entwurf einer Silbermedaille als provozierend eingestuft worden war. Er war von September 1972 bis Januar 1973 in Haft. In den folgenden Jahren arbeitete Harcuba als freier Künstler, erhielt aber wiederholt staatliche Aufträge und konnte an Auslandsausstellungen teilnehmen. Nach seiner Rehabilitierung wurde er 1991 von Václav Havel zum Kanzler der VŠUP ernannt. Er nahm seitdem mehrere Lehraufträge an Instituten im Ausland an. Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002 und 28.06.2003; vgl. Kapitel 5.1.4, S. 261 f., und Kapitel 4.3, S. 212.
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gearbeitet hatte. Auch Jan Fišar280 wandte sich in diesem Jahr der Selbstständigkeit zu. So wurden diese und andere Künstler281 unabhängig von den Arbeitsmöglichkeiten in staatlichen Werkstätten oder Institutionen. Das Material und die Rohformen für die Heimarbeit mussten sie aber nach wie vor in den Betrieben ordern. Nur Künstler mit guten Kontakten zur Glasindustrie, also meist Künstler, die ehemals in Betrieben angestellt gewesen waren, und solche, die ein Auto für den Transport der Rohlinge besaßen, hatten diese Möglichkeit. Immerhin konnten sie hierfür außerordentliche steuerliche Vorteile nutzen. So erlaubte Erlass 36/1965 § 7 des Finanzministeriums vom 25. März 1965 den sechzigprozentigen Abzug aller Materialkosten vom zu versteuernden Einkommen. Manche Glaskünstler blieben bis 1989 parallel zum Atelierschaffen als Designer auf Honorarbasis für Produktionsbetriebe tätig.282
3.3 Ökonomischer Stellenwert für den Export Der Export von Glas nahm im Außenhandel der Tschechoslowakei stets eine Sonderstellung ein. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war der Absatz von Glasprodukten enger mit den Weltmärkten als mit dem inländischen Markt verknüpft.283 Die Kapazitäten gingen über die Bedürfnisse des Binnenmarktes hinaus und waren folglich auf den Export ausgerichtet. Bei veredeltem Glas lag die Exportquote 1930 zwischen 80 und 95 Prozent der Gesamtproduktion.284 Glasprodukte hatten das Land auf Auslandsmärkten berühmt gemacht und diese konnten angesichts ausreichender heimischer Rohstoffe unabhängig von Importen hergestellt werden. Damals waren die Handelsstrukturen der Tschechoslowakei einfach zu skizzieren: Fertigprodukte und Konsumgüter wie Glas wurden in erster Linie nach Deutschland, Österreich, die USA, die Schweiz, Frankreich und Großbritannien exportiert, wohingegen Rohstoffe und Lebensmittel vor allem aus Polen, Jugoslawien und Rumänien importiert wurden.285 Dieses Nebeneinander ging ab 1945 schon allein deshalb verloren, weil durch die Gleichschaltung aller ökonomischen Bereiche die lange Tradition der vielseitig orientierten tschechoslowakischen Industrie einer radikalen Umwandlung unterzogen wurde. Die Einführung der Planwirtschaft be280 Fišar (1933–2010) machte 1960 seinen Abschluss an der VŠUP im Atelier für Skulptur bei Josef Wagner. Dann arbeitete er sechs Jahre lang als freier Bildhauer in Stein und Holz, bevor er fünf Jahre als fest angestellter Gestalter in dem Betrieb Železnobrodské sklo anfing. Seit 1971 war Fišar als freischaffender Künstler in Nový Bor tätig. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Gespräch mit Jan Fišar, Nový Bor, 10.10.2003. 281 Zum Beispiel Ivan Waulin im Jahr 1964, René Roubíček 1969, František Vízner 1977, Karel Wünsch 1970. Hlaveš 2005, S. 394, 403, 404. 282 Beispielsweise Jiřina Žertová und Miluše Roubíčková. Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003, und Miluše Roubíčková, 02.02.2004. 283 Langhamer/Vondruška 1991, S. 100. 284 Pittrof 1987, S. 143. 285 Alte 2003, S. 312.
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stimmte die Produktionsstrukturen der Betriebe, ihre Wettbewerbsfähigkeit als auch die gewünschte Ausrichtung des Außenhandels. Die sozialistische Tschechoslowakei bewertete ihre Exportprodukte vor allem nach deren Eignung, Devisen einzubringen, mit denen die traditionell notwendigen Importe wie Rohstoffe für die Schwerindustrie, Waffenproduktion oder auch Nahrungsmittel, finanziert werden konnten. Diese Importe waren für die ökonomische Entwicklung des Landes von ausgeprägter Bedeutung und das wesentliche Ziel des Außenhandels.286 Zwar besaß das Land erfahrene und hoch qualifizierte Facharbeiter sowie eine entwickelte Verarbeitungsindustrie, verfügte jedoch über keine ausreichende Brennstoff- und Rohstoffbasis. Glas war als wichtiges Ausfuhrprodukt ein wesentlicher Faktor dieser planwirtschaftlichen Dynamik. Hinsichtlich der Beschränkungen des Binnenmarktes war der Export also eine unerlässliche Bedingung für die Existenz und den Aufschwung der Glasproduktion. Und selbst auf dem Binnenmarkt kauften nicht nur einheimische Verbraucher, sondern vor allem ausländische Touristen Glaserzeugnisse ein, was einem indirekten Export gleichkam.287
3.3.1 Einbindung der Glasindustrie in den RGW – Export in Mitgliedsländer Die Wiederaufnahme der Handelskontakte mit ehemaligen Abnehmern in Westeuropa und Amerika nach Ende des Krieges führte zu ersten Exporten von Glaswaren. Vorerst blieb die Umorientierung der Außenpolitik auf die UdSSR also noch ohne Auswirkung auf die Exportausrichtung, denn allein 84,5 Prozent aller Glasausfuhren wurden in die sogenannten „kapitalistischen“ Länder geliefert.288 Der Umsatz von Glasverkäufen stieg von 35 Millionen CZK im Jahr 1945 innerhalb eines Jahres auf 304 Millionen CZK im Dezember 1946 an.289 Čestmír Adam290, der diese Kennziffern aus dem Büro für
286 Vgl. Levcik/Stankovský 1977, S. 64. 287 Der Anteil von Einkäufen ausländischer Touristen betrug schätzungsweise drei Viertel des Einzelhandelsumsatzes (Hálkovová. In: GR 4/1993, S. 3). Die Preise für künstlerisch gestaltete Gebrauchsgläser lagen wohl ohnehin außerhalb des verfügbaren Budgets der inländischen Bevölkerung. So wurde beispielsweise das Trinkglasservice von Dana Vachtová, gefertigt 1966 für ÚBOK unter Modelnr. Ú-1201/CH, zum Verkaufspreis von 2.650 CZK angeboten. Siehe Abb. 48. 288 USA (38,8 Prozent), Schweiz (11,3 Prozent), Niederlande (5,7 Prozent), Belgien (5,4 Prozent), Großbritannien (4,7 Prozent), Schweden (4,6 Prozent), Kanada (3,7 Prozent), Südafrika (2,9 Prozent), Dänemark (2,3 Prozent), Norwegen (2,1 Prozent), Österreich (1,5 Prozent), Frankreich (1,5 Prozent). GR 2/1949 II, S. 16. 289 Adam. In: GR 2/1947, S. 7. 290 Adam (1924–1999) war von 1945 bis 1946 Mitglied der provisorischen Nationalversammlung. Ab 1947 bis 1990 fungierte er in diversen Abteilungen als hochrangiger Funktionär der Tschechoslowakischen Sozialistischen Partei (Československé strana socialistická).
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nationale Statistik in Prag in einem Beitrag für den zweiten Jahrgang der Glasrevue291 veröffentlichte, verfolgte laut eigener Aussage das Ziel aufzuzeigen, „dass einerseits ausländische Kunden auf der Grundlage der wirtschaftlichen Daten die Genauigkeit bei den angegebenen Quellen und damit die Entwicklung der Glasindustrie nach dem Krieg überprüfen können, und zweitens will ich ungenaue und manchmal erfundene Informationen widerlegen und beweisen, dass die tschechoslowakische Wirtschaft sich nicht hinter einem Eisernen Vorhang befindet, wenn sie sich leisten kann, detaillierte Statistiken zu veröffentlichen.“292
Da die Glasrevue in ihren ersten Jahrgängen ausschließlich in englischer und französischer Sprache erschien und sich an den internationalen Einzelhandel richtete, kann diese Aussage als selbstbewusster Hinweis darauf gewertet werden, dass die sozialistischen Funktionäre den steigenden Umsatz als ihre ökonomische Kompetenz verbuchen und die Dominanz der Ostausrichtung im Wirtschaftsleben behaupten wollten. Stalin setzte zielstrebig und konsequent den ökonomischen Faktor für die allmähliche Gleichschaltung aller unter sowjetische Militärhoheit gefallenen ostmitteleuropäischen Länder ein. Die Außenhandelsbeziehungen der damals noch demokratischen Tschechoslowakei waren ja nicht nur ein Sektor der Ökonomie, sondern auch Teil der Außenpolitik. Der Staat befand sich nunmehr in dem scheinbar unlösbaren Konflikt, sich außenwirtschaftlich auf den West- und außenpolitisch auf den Ostblock orientiert zu haben. Diese zwiegespaltene Situation stellte sich in den ersten Nachkriegsjahren besonders kompliziert dar. Finanzielle Hilfen aus den USA wurden von der KSČ einstweilen noch gerne akzeptiert, da mit ihrer Hilfe der Zweijahresplan 1946/47 angeschoben werden sollte.293 Auf Verlangen Moskaus musste nun der tschechoslowakische Versuch einer partiellen Integration in das westeuropäische Wirtschaftssystem durch die Marshallplanhilfe 1947 ausgeschlagen werden.294 Die optimistischen Exportzahlen von Glas aus den Jahren 1946 bis 1947, in denen die einzelnen Nationalunternehmen der Glasindustrie noch weitgehende Entscheidungsfreiheiten behielten295, konnten nur kurzfristig gehalten werden. Im Vergleich zu den gleichen Monaten des Jahres 1946 stieg der Wert von exportierten Glaswaren bis Juni 1947 um 186 Prozent296, von denen zwar noch immer ein Großteil an ehemalige Kunden in kapitalistischen Ländern geliefert wurde, aber zunehmend weniger.297 Der Hauptabnehmer USA hatte 1946 noch 38,8 Prozent aller Glasausfuhren bezogen, 1948 291 Siehe auch Kapitel 5.2.5. 292 Adam. In: GR 2/1947, S. 8. 293 Alte 2003, S. 330. 294 Kadatz 1997, S. 83. 295 Kotula 1978, S. 77. 296 GR 4/1947, S. 4. 297 Die Exportwerte für kapitalistische Länder reduzierten sich von 82,2 Prozent im Jahr 1945 auf 60,5 Prozent 1948. Kotula 1978, S. 81.
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waren es nur noch 17,9 Prozent. Auch die Schweiz reduzierte die Einfuhr tschechoslowakischer Glasprodukte von 11,3 Prozent im Jahr 1946 auf 4,2 Prozent im Jahr 1948. Ähnlich verfuhren die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Schweden. Die Exporte von Glaswaren in die Sowjetunion stiegen hingegen kontinuierlich von 2,2 Prozent im Jahr 1946 auf 8,3 Prozent zwei Jahre später an.298 Die kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei im Februar 1948, die Berlin-Blockade und der steigende Druck der Sowjetunion auf Finnland führten zur Verschärfung des Ost-WestKonflikts und zur Aufstellung von Handelsbeschränkungen. Die Ausfuhr von Glaswaren nach Amerika war von 1946 bis 1948 allein um 20 Prozentpunkte gesunken.299 Mit dem Export Control Act vom 28. Februar 1949 erklärten die USA den Außenhandel zu einem Teil ihrer Außen- und Sicherheitspolitik und veranlassten umfangreiche Embargolisten für die Tschechoslowakei.300 Die Produkte der tschechoslowakischen Glasindustrie waren aber – sofern sie keinen Rüstungszwecken dienten – von diesem Embargo ausgenommen, so dass zum Beispiel Großbritannien Ende 1949 ein neues Handelsabkommen über dekoratives Hohlglas mit der tschechoslowakischen Regierung abschließen konnte.301 Ein am 12. Dezember 1948 in Moskau unterzeichnetes Handelsabkommen mit einer tschechoslowakischen Regierungsabordnung beinhaltete die Einräumung einer Vormachtstellung der UdSSR in allen wirtschaftlichen Bereichen. Die benötigten Roh- und Brennstoffimporte wurden nun beinahe vollständig von der Sowjetunion gedeckt.302 Bei einer Betrachtung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und der UdSSR in der Folgezeit wird die starke Abhängigkeit vom „großen Bruder“ offensichtlich. Die Tschechoslowakei lieferte neben Glaswaren auch Maschinenbauund metallurgische Erzeugnisse sowie elektrische Geräte oder Formstahl, die beinahe ausschließlich mit importierten Rohstoffen aus der Sowjetunion hergestellt wurden.303 Mit Gründung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, auch Comecon) am 25. Januar 1949 und der damit einhergehenden Einbindung in den Ostblock wurden die Handelsstrukturen methodisch neu ausgerichtet. Ziele dieses Bündnisses sollten 298 Alle Zahlen in: GR 2/1949 II, S. 16. 299 GR 2/1949 II, S. 16. 300 Bonenberger 2006, S. 10, 17. Weiter verschärft wurde die Situation durch den sogenannten Battle Act von 1951, durch den die USA die Hilfslieferungen des Marshallplans mit der Einhaltung der Embargobestimmungen gegenüber den RGW-Staaten verknüpften. Der Battle Act vom 26. Oktober 1951 sah die grundsätzliche Beendigung von Auslandshilfen vor, wenn Handelsbeziehungen die Sicherheitspolitik der USA gefährdeten. Stöver 2002, S. 472. 301 GR 1/1950, o. S., erste Seite, Glassexport-Inserat „News from Crystalland“. Importe veredelter Hohlglaswaren besteuerte der tschechoslowakische Staat mit 76 CZK je 100 Kilogramm Gewicht, vgl. Gesetz 254/1949, Absatz 372a/Nr. 1. 302 Dieser Trend setzte sich zunehmend fort. 1977 importierte die Tschechoslowakei 95 Prozent ihres Bedarfs an Erdöl, 99 Prozent an Erdgas, 87 Prozent an Eisenerz und 43 Prozent an Buntmetall aus der Sowjetunion. Nekvasilová. In: GR 10/1977, S. 2. 303 Außerdem wurden exportiert: Koks, Saugbagger, Binnenschiffe, keramische Erzeugnisse, Textilien, Papier, Schuhe, Bier, Hopfen, Holz. Knorr 1988, S. 47.
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die „planmäßige Entwicklung der nationalen Volkswirtschaften, das Wachstum an Arbeitsproduktivität“ sowie „die Erhöhung des Lebensniveaus der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten“ sein.304 Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben der UdSSR die Tschechoslowakei, Ungarn, Polen, Rumänien und Bulgarien. Andere sozialistische Staaten wie Albanien (1949), die DDR (1950), die Mongolei (1962) und Kuba (1972) wurden später Vollmitglieder. 1964 schloss auch Jugoslawien einen Assoziierungsvertrag ab.305 Als wirtschaftlicher Zusammenschluss der sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion war der RGW das sozialistische Pendant zum Marshallplan und zur Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD). Bis zu Stalins Tod am 5. März 1953 waren die beiden grundlegenden Ziele seiner Außenpolitik, die Ausrichtung der sozialistischen Satellitenstaaten auf die Sowjetunion sowie die Umsetzung der vom Kreml verkündeten politischen und ökonomischen Leitsätze, annähernd realisiert.306 Seit 1948 stieg der Außenhandelsumsatz für den RGW-Raum für den Beobachtungszeitraum um das Fünfundzwanzigfache. Während der Handel mit späteren RGW-Mitgliedsstaaten vor dem Zweiten Weltkrieg nur 15 Prozent und mit westlichen Nationen 65 Prozent betrug, hatte sich das Verhältnis bis 1989 umgekehrt: 65 Prozent RGW und nur 20 Prozent Westhandel.307 Da die Industrie der Tschechoslowakei über eigene Rohstoffe zur Glasherstellung in ausreichender Menge und darüber hinaus über eine lange Tradition der Glaserzeugung verfügte, nahm sie eine zentrale Stellung innerhalb der Organisation in dieser Wirtschaftssparte ein. Innerhalb des RGW wurde der Bereich der Glaserzeugung von der Ständigen Kommission für Bauwesen beaufsichtigt, denn in den meisten RGW-Ländern wurden die Gewinnung und Aufbereitung von Glasrohstoffen, die Flachglas- und Bauglasindustrie sowie alle Arten der Hohlglaserzeugung von den Ministerien für Bauwesen geleitet.308 Eine Ständige Arbeitsgruppe für Glas und Keramik beschäftigte sich ausschließlich mit Fragen des Wachstums der Glas- und Keramikindustrie und gab Anregungen für die Spezialisierung und Kooperation auf Basis des wechselseitigen Nutzens und des Interesses der einzelnen Mitgliedsstaaten.309 Diese Arbeitsgruppe war in ständigem Austausch mit den Außenhandelsorganisationen in den Mitgliedsländern. Nötig war diese Aufsicht allein schon deshalb, weil es manchmal zu kontraproduktiven Handelsabkommen einzelner RGW-Staaten mit westlichen Abnehmern kam, die in Konkurrenz zu denen ihrer Bündnispartner standen. So veräußerte beispielsweise Polen eine umfangreiche Ladung geschliffener Gläser aus Vorkriegsproduktion weit unter
304 Zum Beispiel Dau/Svatosch 1985, S. 181. 305 Glastetter 1979, S. 314. 306 Hacker 1983, S. 471. 307 Schmid 1978, S. 104. 308 Housa. In: GR 5/1974, S. 2. 309 Ebenda.
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Marktwert an die USA und verursachte damit für mehrere Jahre einen Absatzstau für tschechoslowakische Ausfuhren dieser Produkte.310 Der Vertrieb von Glasprodukten in Ostblockländer wurde in der Regel als Kompensationsgeschäft getätigt, also Ware gegen Ware und nicht gegen Devisen, so dass der Umsatz trotz steigender Produktionsmenge zwangsläufig unberührt von diesen Transaktionen blieb. Die Ähnlichkeit der Fabrikationsstrukturen in den sozialistischen Ländern aufgrund von oben verfügten Planvorgaben führte daher auf dem RGW-Markt manchmal zu einem Überschuss an bestimmten Erzeugnissen, wohingegen Rohstoffe durchweg zur Mangelware wurden.311 Die Rohstoffe zur Herstellung von Glas benötigte der ehemalige Exporteur Tschechoslowakei nun für die eigene Industrie. Außerdem gehörten sie – neben den Fertigprodukten – zu den auf den kapitalistischen Märkten absetzbaren Gütern, wodurch der chronische Mangel an Devisen ausgeglichen werden konnte. Die Tschechoslowakei war jedoch nicht nur Exporteur, sondern auch Importeur einer ganzen Reihe von Glaserzeugnissen. Von 1960 bis 1973 stieg der Import von Glaserzeugnissen aus sozialistischen Ländern auf das Vierfache. Die Tschechoslowakei deckte im RGW-Rahmen sieben Achtel ihres Bedarfs im Import von Glaswaren, und zwar vor allem solcher, die sie selbst nicht herstellte, oder „wo es im Rahmen der sozialistischen internationalen Arbeitsteilung angezeigt erschien, die Erzeugung in anderen Ländern zu spezialisieren“.312 Die Handelskontakte zum „nichtsozialistischen“ Ausland festigten sich Mitte der 1950er Jahre erneut. So schloss die Tschechoslowakei im September 1956 einen Handelsvertrag mit Italien ab, der umfangreiche Lieferungen von Glasprodukten umfasste, als „Bezahlung für italienische Waren“ wie Früchte, Gemüse, Rohstoffe und 310 Digrin: „Einmal ist uns etwas passiert, eine Tragödie. Die Polen haben in den Fabriken in Schlesien riesige Quantitäten von geschliffenem Kristall gefunden ...“ Wasmuth: „Von vor dem Krieg noch?“ Digrin: „Aus der Kriegszeit und Vorkriegszeit. Und die haben das alles nach Amerika verkauft. Da hab ich die amerikanischen Zeitungen gelesen, stellen Sie sich vor, in den amerikanischen Zeitungen, die sind so groß, und auf beiden Seiten stand also, dass Kristall verkauft wird. Und das hat uns vollkommen ruiniert. Die haben das für einen Viertel des Preises verkauft!“ Wasmuth: „Und wann war das?“ Digrin: „Na, das war im Jahre ’48, ’49, ’50 oder so was. Also und da haben wir uns also mit den Polen und Ungarn in Kontakt gesetzt und gesagt, wir müssen uns abstimmen, damit wir zu ähnlichen Preisen verkaufen und nicht so was. Die Polen haben sich entschuldigt und gesagt, wir haben das nicht gewusst, hatten so viel Waren, brauchten Geld, also haben wir das einfach verkauft. Und das hat ein paar Jahre angedauert. Und da haben wir uns immer getroffen, entweder in Polen oder hier bei uns und da war ich in Kontakt mit den Generaldirektoren, weil ich die Vorschläge gemacht habe. Das musste geheim gehalten werden, wissen Sie? […] Damals war alles geheim. Wie sich die volksdemokratischen Staaten also vereinen gegen den Westen ... nicht?“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 311 Kotula 1978, S. 116. 312 In die Tschechoslowakei wurden Glasprodukte aus der DDR, der UdSSR, Rumänien, Ungarn und zu einem kleinen Teil auch Polen geliefert. Housa. In: GR 2/1983, S. 4.
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andere Güter.313 Dieses Kompensationsgeschäft wurde sicherlich durch die erste Mailänder Triennale-Teilnahme nach Kriegsende im Folgejahr vertieft. Seit Gründung des RGW lieferten die tschechoslowakischen Nationalunternehmen zwar Glasprodukte in ihre sozialistischen Bruderländer, setzten aber fortlaufend einen Großteil ihrer Exporte außerhalb des Bündnisses ab: 1960 hatten die sozialistischen Länder am gesamten tschechoslowakischen Glasexport einen Anteil von 21,4 Prozent, während noch immer 78,6 Prozent in die westlichen Industriestaaten und in Entwicklungsländer gingen.314 Diese Entwicklung dauerte mit wenigen Schwankungen bis 1965 fort, also ein ganzes Planjahrfünft. Im nächsten Planjahrfünft stieg der Exportanteil von Glaswaren in die sozialistischen Länder sukzessive auf 27,8 Prozent (1966), 34 Prozent (1968) und dann schlagartig auf 51 Prozent (1970). Offensichtlich lag dieses Wachstum in der sowjetischen Invasion im August 1968 begründet und war außenpolitisch motiviert, es wurde offiziell als logische Folge planwirtschaftlicher Systematik interpretiert: „Die hohen Exportzuwächse in die sozialistischen Länder spiegeln zweifellos nicht nur die günstige Situation in der Entfaltung des Warenaustausches als ein positiver Faktor des RGW, sondern auch die Beständigkeit und langzeitige Sicherung der Handelsbeziehungen wider, die nicht durch Konjunkturschwankungen beeinflusst, sondern planmäßig entfaltet und ausgebaut werden.“315
Die Ausweitung des Glashandels mit RGW-Partnern hatte offensichtlich aber auch einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Verunsicherung westlicher Abnehmer nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings.316 Diese gehörten nämlich nach wie vor zu den wichtigsten Abnehmern, obgleich die Lieferungen in kapitalistische Länder nach 1968 um beinahe 15 Prozentpunkte zurückgingen. Von August 1968 bis April 1969 konzentrierten sich die Bemühungen der Sowjetunion darauf, die politische Pluralisierung, welche die Wirtschaftsreform begleitet hatte, rückgängig zu machen. Die einzigen bedeutenden praktischen Maßnahmen zur Beendigung des Reformprozesses zielten auf Aspekte hin, die eng mit politischen Strukturen zusammenhingen, und das grundsätzlich zentralistische Wirtschaftssystem blieb bestehen. Somit wurden einige Ideen für den ökonomischen Aufschwung, wie die Übertragung vieler Entscheidungskapazitäten auf die Branchenverwaltungen und die engere Kommunikation von Herstellerbetrieben und Exportunternehmen unter strenger Einhaltung des sozialistischen 313 Schon 1952 waren Waren im Wert von 871 Millionen GBP nach Italien ausgeführt worden, 1956 stiegen die Glasausfuhren auf einen Wert von über eine Milliarde GBP. Marcha. In: GR 6/1957, S. 2, 4. 314 Housa. In: GR 5/1974, S. 2. 315 Ebenda. 316 Noch 1973 versicherte Jaroslav Martilík, der Stellvertreter des Ministers für Industrie, in der Glasrevue: „Dank möchte ich unseren Abnehmern im Ausland aussprechen und ihnen die Zusicherung geben, dass wir uns bemühen werden, unsere Handelsbeziehungen von Tag zu Tag fester zu gestalten.“ GR 1/1973a, S. 2. Siehe auch Kapitel 3.2.
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Planungsmodells auch nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings verfolgt317, was zu einem stetigen Anwachsen des Produktionsvolumens von Glas führte. Außerdem wurde im Rahmen des „neuen ökonomischen Systems“ die Stärkung der Verbrauchsgüterindustrie durch neue Produktionskapazitäten gefördert, „insbesondere auf der Basis der Nutzbarmachung einheimischer Rohstoffe“, also vor allem der Glasherstellung.318 Da also in der Phase der Normalisierung das Exportvolumen von Glas grundsätzlich zunahm, wurden im Jahr 1973 abermals übergewichtige 62 Prozent in die kapitalistischen und 38 Prozent in sozialistische Länder ausgeführt, womit sich der Umfang der Ausfuhren in kapitalistische Länder seit 1960 verdoppelt und in RGW-Mitgliedsstaaten verachtfacht hatte.319 Zu Beginn der 1970er Jahre gehörte die Tschechoslowakei mehr denn je zu den konservativen Statthaltern der etablierten Ordnung, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Das Funktionssystem der Wirtschaft hatte sich sehr wenig verändert, direkte Zielplanung und Kontrollen wurden sogar noch verstärkt. Der quantitative Anstieg des Produktionsvolumens für Glas war im fünften Planjahrfünft, bis 1975, festgelegt worden. Gegenüber 1970 sollte der Export in die sozialistischen Länder um 58,4 Prozent und in die kapitalistischen um 44,6 Prozent gesteigert werden.320 Trotzdem zählte die veränderte Form des Außenhandelsmonopols zu den am deutlichsten spürbaren, überdauernden Elementen der ansonsten gescheiterten Reform. Das Exportunternehmen Skloexport, welches seit August 1969 als Aktiengesellschaft firmierte und nun über direkte Außenhandelsrechte verfügte321, konnte die Geschäfte mit Partnern im Westen und in Entwicklungsländern ausweiten. Die wirtschaftlichen Beziehungen nahmen außerhalb des RWG, vor allem mit westlichen Industrieländern, von 1970 bis 1975 zu. Das Übergewicht der Ausfuhren in sozialistische Länder um das Jahr 1970, wie oben beschrieben, wurde also wieder zugunsten einer Westausrichtung aufgefangen. Die steigende wirtschaftliche Komplexität übte Druck auf eine größere Beweglichkeit bei der Erzeugung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen aus, so dass die Abnehmer innerhalb des RGW eine größere Rücksichtnahme auf die individuellen Bedürfnisse und Kapazitäten ihrer Ökonomie forderten.322 317 Šimerdová. In: GR 12/1969, S. 353. 318 Černík. In: AdT 5/1968, S. 3. 319 Suska. In: GR 1/1973a, S. 3. 320 Ebenda. 321 Siehe Kapitel 3.3.2, S. 133 f. 322 Die Beziehungen zwischen Volkswirtschaften in Osteuropa sollte mittels der Übernahme der – obgleich zuvor korrigierten – Weltmarktpreise als Basis für gegenseitige Abmachungen angeregt werden. Die RGW-internen Preise mussten an die ökonomischen Entwicklungen in der Welt angepasst werden. Auch die Ölkrise der frühen 1970er Jahre veranlasste das Exekutivkomitee des RGW, die Preissetzungsprinzipien umzustellen. 1975 ging man auf eine jährliche Preisrevision anhand der Weltmarktbasis über. Orientiert an statischen Produktionsziffern blieb sie eine Verrechnungseinheit ohne die Fähigkeit, normale Funktionen einer internationalen Währung erfüllen zu können. Brus 1986, S. 278, 406.
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Der Außenhandel mit sogenannten „blockfreien Ländern“ spielte ab den frühen 1960er Jahren zunehmend eine ausgleichende Rolle für die Wirtschaftspolitik der Tschechoslowakei. Dabei sollte die Neutralität einiger nord- und mitteleuropäischer Staaten im Ost-West-Konflikt, wie Finnland, Schweden oder Österreich, stärker genutzt werden.323 Zwar strebte die Tschechoslowakei weiterhin danach, ihren Absatz auf den Märkten der EWG-Länder zu erhöhen, allerdings stiegen deren Zutrittsbarrieren nach 1968 immer mehr an. Auch der wachsende Umfang vollautomatisch produzierter Glaswaren stellte eine Schwierigkeit für den Absatz dar. Auf Grund dieser Probleme bemühte sich die Tschechoslowakei in den siebziger Jahren, ihre außenwirtschaftlichen Beziehungen zu Entwicklungsländern zu intensivieren. Während der Export von Glasprodukten wie Modeschmuck aus Jablonec nad Nisou in diese Länder in den 1950er Jahren noch mit einer gewissen Überheblichkeit betrieben wurde324, zogen nun vor allem marxistisch orientierte Drittweltländer große Aufmerksamkeit der Außenhandelsunternehmen auf sich. Dies betraf nicht nur die „Bruderländer“ Äthiopien325, Angola, Mozambique oder Südjemen, sondern auch „kapitalistische“ Länder wie etwa Nigeria unter Yakubu Gowon, obwohl das Engagement in diesen Staaten finanziell wenig erfolgreich war. Auch Monarchien, wie das mit den USA kooperierende Marokko oder der Iran, unterhielten Handelsbeziehungen mit Skloexport. Bei diesen überwogen die ökonomischen Interessen, besonders da diese Länder über wichtige Rohstoffe verfügten.326 Der Haupthandelspartner am sozialistischen Markt war die Sowjetunion, deren Glasimporte aus der Tschechoslowakei in den 1970er Jahren bis zu 50 Prozent des Exports im RGW-Raum erreichten, dann folgten Ungarn, die DDR327, Polen328, Bulgarien und Rumänien. Generell spielten „Konsumgüterlieferungen“ im wechselseitigen Handel eine „besondere Rolle“, denn sie dienten „dem unmittelbaren Bedürfnis des werktätigen Menschen, verschönern sein Leben und [halfen] gemeinsam mit dem Wachstum des allgemeinen materiellen und kulturellen Niveaus seinen Lebensstil [zu] gestalten“.329 In 323 Jajeśniak-Quast. In: PBfZS 36–37/2006, S. 51. 324 „A big proportion of the Jablonex Company’s customers are recruited precisely from the Near and Far East and from Africa. Among the native populations there are not many who know where Czechoslovakia is situated, but they are certainly well acquainted with Czechoslovak beads, brooches, bracelets, rings and necklaces with which they proudly adorn themselves. Numerous devotional articles also are used by the faithful in the observance of their religious rites. The people of these countries make no special demands of their own upon fashion.“ GR 6/1953, S. 20. 325 Über die Handelskontakte mit Haile Selassi wurde schon berichtet, siehe S. 78. 326 Vgl. die umfangreichen Monografien von Petr Zídek und Karel Sieber über die Außenpolitik gegenüber Entwicklungsländern. Am Beispiel Afrikas und des arabischen Raumes liefern die Autoren Erkenntnisse über die Außenbeziehungen der Tschechoslowakei für den Zeitraum 1948 bis 1989: Sieber/Zídek 2007 und Sieber/Zídek 2009. 327 Im Jahr 1960 war die DDR mit 7 Prozent, 1965 mit 13,1 Prozent, und 1970 sogar mit 30 Prozent am tschechoslowakischen Export in sozialistische Länder beteiligt. Housa. In: GR 5/1974, S. 2. 328 1973 importierte Polen 11,5 Prozent der gehandelten Glasprodukte im RGW. Ebenda. 329 Nekvasilová. In: GR 10/1977, S. 3.
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diesem Jahrzehnt stieg der Umfang der Glaserzeugung aufgrund des Baus neuer Betriebe, der Modernisierung von Arbeitsstätten und der Inbetriebnahme effizienterer Maschinen insgesamt an. Der Umbau alter Glashütten wie Karolinka und Vrbno in Května oder in Chřibská sowie die Inbetriebnahme neuer Kombinate, zum Beispiel Crystalex in Nový Bor mit einer Jahreskapazität von 4.000 Tonnen, förderten diesen Anstieg.330 Bei Sklo Union in Rosice wurde nicht nur die Gemengekammer rekonstruiert und ein neues Metalldach über der Hüttenhalle errichtet, sondern auch die Klimatisierung der Ofenumfelder, eine Absaugeinrichtung zur Ableitung der Verbrennungsgase und zusätzliche Schmelzaggregate installiert sowie generell die Erzeugungsverfahren modernisiert.331 Michut: „Die Handarbeit wurde immer mehr abgebaut. Etwa 1971 sind aus Westdeutschland acht Pettingmaschinen eingebaut worden [bei Crystalex, Nový Bor] mit einem Gewinde von 6 Zentimeter großen Rädern. Damit konnten wir zwar grobe Karoschnitte und Oliven machen, aber feine Blumen ging nicht mehr. Das ging fast automatisch und konnte sogar von Frauen bedient werden.“332
Auch die Ausweitung halb- und vollautomatischer Herstellungsprozesse unter Benachteiligung der traditionellen Handfertigung führte zu diesem Wachstum im Produktionsvolumen. So verfolgten die Unternehmen in den späten 1960er und in den 1970er Jahren die Einführung neuer Entwürfe für Pressglas, weil dieses vergleichsweise kostengünstig in großen Mengen herstellbar war.333 Sowohl an den drei Glasfachschulen, der VŠUP in Prag und der Kunstakademie in Bratislava wurde die Gestaltung von Pressglas in den Lehrplan aufgenommen, so dass bald neue Prototypen für die Produktion entstanden.334 „Ein großer Teil der Pressglasproduktion ist heute [1973] von eindrucksvoller Qualität, die den kommerziellen, technologischen und soziologischen Gegebenheiten entspricht.“335 Besonders hervorzuheben ist der Beitrag der Abteilung Professor Karel Štipls in diesem Zusammenhang, in der neben Rudolf Jurnikl auch Adolf Matura und František Vízner bereits Ende der 1950er Jahre an das Thema Pressglas herangeführt wurden.336 Manchmal kamen auch aus dem westlichen Ausland Impulse für die industrielle Produktion im Rahmen von Bestellungen. Wegen einer konkreten Anfrage nach Briefbeschwerern beschäftigte sich František Vízner 1968 als Formgestalter für 330 Suska. In: GR 1/1973a, S. 3. Suska zählt eine Reihe weiterer Beispiele auf. 331 GR 1/1973b, S. 27/28. 332 Interview mit Čeněk Michut, Kamenický Šenov, 09.09.2005. 333 Siehe auch Kapitel 6.2.2, S. 410. 334 Pressglas nahm 1973 immerhin schon 10 Prozent des Exportumfangs ein. Maršiková. In: GR 2/1973, S. 25/26. 335 Adlerová 1973a, S. 9. 336 Siehe Kapitel 4.3, S. 209. Matura (1921–1979) besuchte von 1938 bis 1940 die Glasfachschule in Železný Brod und studierte dann an der UMPRUM im Atelier von Štipl. Nach seinem Abschluss 1947 arbeitete Matura als Gestalter zunächst für Morávské sklárný, ab 1954 dann für die ÚVS. 1959 wurde er zum künstlerischen Leiter von dessen Nachfolger ÚBOK ernannt.
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Škrdlovice mit einem Entwurf aus Hüttenglas, der durch unregelmäßige Ansammlungen von Bläschen belebt wurde (Abb. 12).337 Adlerová: „Das tschechische Pressglas hat einen besseren künstlerischen Wert als in den anderen Ländern, wo das nur Gebrauchsware war, aber hier war das auch ein bisschen Kunst.“338
Zwar wurden gestalterische Beiräte beispielsweise schon 1955 in der Glashütte Rudolfova huť in Teplice und 1959 bei Bohemia in Poděbrady eingerichtet, die veraltete Pressglasformen ausmustern und innovative Modelle einführen sollten339, doch wegen der beschriebenen systemimmanenten Verkrustung340 konnten diese Initiativen keine breite Produktionspalette schaffen. Zunächst entstanden meist kleine Serien aus von Hand erzeugtem Pressglas.341 Die Prototypen, welche nicht in Produktion gingen, fanden oftmals Verwendung bei Ausstellungen oder wurden von Art Centrum an Museen und Sammler verkauft.342 Erst als in den 1970er Jahren sukzessive vollautomatische Prozesse in den Betrieben eingeführt wurden und ein neues Metallpressform-Verfahren entwickelt wurde, fanden zunehmend künstlerisch gestaltete Modelle Eingang in die Pressglasproduktion, die eben auch ansprechend für ausländische Kunden waren. Die Tschechoslowakei führte diese maschinellen Herstellungsprozesse später ein als ihre Mitbewerber, doch da deren Qualität überwiegend minderwertiger war, konnte die tschechoslowakische Produktion im Wettbewerb mithalten: „[T]hanks to the ideas of technicians and technologists, better results were obtained on automatic lines than the designers had visualized.“343 Bemerkenswert ist dabei der Umstand, dass noch immer zahlreiche Entwürfe, wenn auch nur zu einem bestimmten Anteil, die manuelle „Veredelung“, also eine Überarbeitung oder Zwischenberichtigung per Hand, erforderten. Die Besonderheit der tschechoslowakischen Glasproduktion der 1970er und auch 1980er Jahre lag nach wie vor in diesem Manufakturanteil, der bei den Mitbewerbern in der BR Deutschland, Skandinavien und Italien vernachlässigt wurde, aber für zahlreiche Abnehmer ein wichtiges Kaufargument darstellte.344 Während also die automatisierte 337 Maršiková. In: GR 6/1968, S. 195. 338 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 339 Ihm gehörten Vertreter der Gestalter, der Betriebe, von Skloexport und leitende Funktionäre an. Matura. In: GR 3/1973, S. 5. 340 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 64 f. 341 Adlerová. In: GR 3/1973, S. 10. 342 In der Sammlung der Steinberg Foundation befinden sich eine Reihe solcher Prototypen. Einige Stücke wurden als Schenkung an das Museum stiftung kunst palast in Düsseldorf gegeben. Vgl. Inventar Nummern SF 765 von Jiřina Žertová für Škrdlovice, Vase mit zweifarbiger Zwischenschicht aus flächiger Pulvereinschmelzung in Orangerot mit Rosaviolett, frei geformt; SF 803 von František Zemek für Karlovarské sklo, geschliffende Vase in Aquamarin-Glas; SF 1314 von Oldřich Lípa für Karlovarské sklo, Vase mit vertikalen Linien; SF 2040 von Adolf Matura, Service; SF 2689 für von Pavel Hlava für Borské sklo, Vase mit Intaglio-Schnitt. 343 Langhamer/Vondruška 1991, S. 119. 344 Adlerová 1973b, o. S.
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Herstellung einen wachsenden Marktanteil bildete, stellten die manuell überarbeiteten und auch gänzlich in Manufaktur produzierten Glaswaren einen nicht unbedeutenden Teil der tschechoslowakischen Ausfuhren dar. Die Abhängigkeit vom Außenhandel blieb gleichbleibend bestehen und drängte ebenfalls in den 1980er Jahren zur Produktion qualitativ besserer, technisch fortschrittlicherer Industriegüter nicht nur für westliche, sondern wegen des amerikanischen Wirtschaftsboykotts zunehmend auch für östliche Märkte. Anlässlich einer „Kontraktausstellung“ in Moskau 1987 wurde festgestellt, dass „vor allem das Interesse für handgefertigte und anspruchsvoll veredelte Gegenstände“ seitens der russischen Kunden gestiegen sei.345 Zu diesem Zeitpunkt gingen die größten Mengen exportierten Glases nicht mehr an die ehemaligen Hauptabnehmer im Westen, sondern in die Sowjetunion.346 Politische Überlegungen gaben aber stets den Ausschlag bei der Festlegung der Beschaffenheiten von Lieferungen an RGW-Mitglieder, die jeweils zu Beginn der Fünfjahrespläne mit Spezialisierungsabkommen geregelt und mit detaillierten Planzielen und Zuweisungen festgelegt wurden. So traten langfristige Normen in Kraft, die jegliche unabhängige Unternehmenspolitik mit Blick auf die Sortimentsauswahl der letztendlich lieferbaren Modelle bremsten. Angesichts des internen Planungssystems und der Isolierung von Binnen- und Außenpreisen – selbst zwischen den Mitgliedern des RGW – überrascht es nicht, dass Importe nach wie vor durch die Bereitstellung von Gütern für den Export gesichert werden sollten. Die Kaufkraft des Geldes durfte also keine aktive Rolle spielen. Die Logik dieser Leitlinie verwandelte jeden Versuch der Multilateralisierung in Warentauschvereinbarungen.347
3.3.2 Skloexport Die Wiederaufnahme der internationalen Handelskontakte nach 1945 war für die nationalisierten Glasproduzenten von existentieller Bedeutung. Traditionell auf den Absatz im Ausland ausgerichtet, knüpften die noch firmierenden privaten Glasverleger wie Eduard Dressler348 oder Gabex349, aber auch Manufakturen wie České sklo, dřive Moser350, 345 Kalabisová. In: GR 2/1988, S. 13. 346 An zweiter Stelle der Abnehmer standen die BR Deutschland, gefolgt von Polen, Italien, Ungarn, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Japan, den USA, Australien, Jugoslawien, der DDR, Schweden, Kanada, Griechenland und Belgien. Housa. In: GR 8/1988, S. 8. 347 Somit erhielt dasselbe Produkt in verschiedenen bilateralen Transaktionen unterschiedliche Preise. Brus 1986, S. 211. 348 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 66. 349 Gabex in Jablonec nad Nisou stand für GABlonz EXport und existierte seit 1870. 1945 kehrten die beiden jüdischen Inhaber Charles und Alexander Leder aus der Emigration zurück und exportierten bis zu ihrer Enteignung 1948 erfolgreich Bijouterieprodukte. GR 1/1948, S. 18. 350 Die Glashütte Moser in Karlový Varý besaß schon vor dem Krieg Niederlassungen in einer Reihe europäischer Länder wie auch in Nord- und Südamerika. 1934 und 1935 exportierte Moser in mehr als 25 Länder. Zu den wichtigsten Abnehmern von Moser-Glas zählten die Schweiz, Fran-
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Sklárný Inwald oder J. & L. Lobmeyr’s Neffe, Stefan Rath351, in denen für diese Aufgabe Exportabteilungen eingerichtet wurden, an die Vorkriegsbeziehungen an. Mit der sukzessiven Verstaatlichung der Betriebe und Exportunternehmen nach dem kommunistischen Umsturz im Februar 1948 wurde auch der Glashandel im Ganzen nationalisiert. Alle Ausfuhren tschechoslowakischen Glases, sei es Haushaltsglas, Trinkglas, dekoratives Glas, Flach-, Fenster- und Spiegelglas, Glasschmuck oder Technik- und Laborglas wurden nun von einer zentralen staatlichen Exportgesellschaft geleitet. Diese wurde am 1. August infolge des Regierungserlasses über die staatliche Organisation des Außenhandels als Tschechoslowakische Aktiengesellschaft für den Glasexport (Československá akciová společnost pro vývoz skla) in Prag installiert.352 Schon am 5. April 1949 wurde sie umbenannt in Skloexport (auch Glassexport) und firmierte unter Revoluční 2 in Prag als Monopolunternehmen. Im gleichen Gebäude, direkt neben der später eröffneten U-Bahn-Station Naměstí Republiky, war auch die Generaldirektion Tschechoslowakischer Glaswerke untergebracht. Skloexport inszenierte in Inseraten insbesondere seine Monopolstellung als vorteilhaft für ausländische Abnehmer: „The Czechoslovak Glass Export Co. is the sole company entrusted with the sale of Czechoslovak glass to every part of the globe. Its position as the one concern engaged in the export of this glass presents invaluable advantages for its customers in all parts of the world, for thanks to its comprehensive range of operations it can meet the requirements of buyers far better than a small firm engaged in the sale of merely a few specific glass articles, or a group of glass manufacturers with only a limited range of output.“353
Die Ausfuhrabteilungen der einzelnen Nationalverwaltungen wurden aufgelöst und Skloexport installierte fünf Unterabteilung, auch „Divisionen“ oder „Departements“ genannt, die sich auf den Vertrieb der Sortimente der unterschiedlichen Glassparten spezialisierten354. Zu diesem Zweck errichtete man Musterräume in den Verkaufsstellen der kreich, Schweden, Palästina und Ägypten. Bestellungen aus dem Ausland konnten aufgrund persönlicher Beziehungen nach 1945 somit schnell wieder aufgenommen werden. In einem Musterraum der Industrie und Handelskammer in Cheb stellte die Hütte ab 1947 ein Sortiment für den Export aus. Mergl/Pánková 1997, S. 93, 96, 192. 351 Siehe Kapitel 3.1.2. 352 Aufgrund des Gesetzes wurde ihr das Monopolrecht für die Außenhandelstätigkeit in allen Domänen der Glasausfuhr zuerkannt. Housa. In: GR 2/1983, S. 4. 353 GR 2/1953, Vorwort, o. S. 354 Diese fünf „Divisionen“ waren unterteilt nach Hohlglas, Flachglas, Laborglas und technisches Glas, Flaschen und Haushaltsglas (Vitrea, die schon seit 1946 existierte) sowie Glasschmuck. Die Abteilung Hohlglas bestand zusätzlich aus 15 Unterabteilungen, die ausschließlich in den großen Kombinaten zu finden waren: Inwald in Lázně Teplice, Karlovarské sklo in Karlovy Vary, Harrachov, Bor Werk in Nový Bor, Moravia in Kyjov, Sklárny a brusírny Bohemia in Havlíčkův Brod, Spojené sklárny jablonecké in Jablonec nad Nisou, Kristal in Źelezný Brod, Czechocrystalla in Poděbrady, Spojené Lustrý sklárný (Vereinte Lüster Werke) in Kamenický Šenov und Slowakische Glaswerke in Bratislava. In Prag selbst wurden folgende Nationalunternehmen mit Produktions-
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Betriebe vor Ort und in den Verwaltungszentren in Prag. Innerhalb der Departements existierten nach Ländern unterteilte Gruppen, die sich um die Abwicklung der Ausfuhren kümmern sollten. Zusätzlich wurde eine Abteilung für Handelspolitik ins Leben gerufen, in die Ivo Digrin 1949, direkt nach seiner Promotion in Rechtswissenschaft, eintrat.355 Digrin: „In den Glaswerken war es eingeteilt, es gab Flachglas und Laborglas und Bleikristall und Pressglas und so weiter und in jeder dieser Gruppe existierten dann wieder Territorien, nicht? England und Südamerika und so weiter. Daneben gab es eine handelspolitische Abteilung und die hat sich um Verträge und Kontingente gekümmert.“356
Alle Verkäufe wurden zunächst von dem bestehenden Personal, das nach dem Krieg diese Arbeit aufgenommen hatte und nun in die Departements übernommen worden war, weitergeführt. Größtenteils handelte es sich dabei um Funktionäre, die keinerlei oder nur wenig Erfahrung auf dem Gebiet des Außenhandels mitbrachten.357 Die erste Lieferung, die Skloexport für eine Messe in Brüssel 1949 vorbereitete, erwies sich als Misserfolg aufgrund von mangelhaftem Management. Die fehlende Erfahrung seitens der Mitarbeiter und deren Unkenntnis der unterschiedlichen Sortimente der Glashütten hatten dazu geführt, dass sie eine Auswahl zusammengestellt hatten, die ausschließlich aus kommerziellen, teils minderwertigen und oftmals kitschigen Waren bestand. Außerdem behinderte Skloexport indirekt die Bemühungen der Glashütten, steigende Absatzzahlen zu erwirtschaften, indem es versäumte, geschützte Patente für Farben und Technologien zu erneuern.358 Im Ergebnis fielen die Umsatzzahlen im Exportbereich der gesamten Glasindustrie für einen Zeitraum von vier Jahren. Erst ab 1953 stiegen die schwerpunkt Hohlglas repräsentiert: Spojené České sklárny (Vereinte Tschechoslowakische Glaswerke), Bohemia Crystal und Českomoravské sklárny (Böhmisch-Mährische Glaswerke). Die Divisionen für Flachglas, Laborglas und technisches Glas sowie für Flaschenglas mit Angeboten für Weihnachtsdekorationen aus Glas und Spiegeln waren ebenfalls in Prag stationiert. Die fünfte Division Vitrea mit Bijouterieprodukten aus Jablonec vereinigte alle ansässigen Exportfirmen der Region in Jablonec nad Nisou (GR 2/1949, S. 2). Ab 1952 wurde der neu errichtete Nationalbetrieb Jablonex mit Sitz in Jablonec nad Nisou mit der Ausfuhr von Bijouterie beauftragt. 355 „Mit Jura habe ich mich überhaupt nicht befasst! Und ich habe dort die Handelspolitik gemacht und dabei habe ich selbstverständlich alles da studieren müssen. Hatte Kontakt mit Leuten aus allen Branchen.“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 356 Ebenda. Digrin selbst war für die Kontakte mit Deutschland, Österreich, der Schweiz, Ungarn und Polen zuständig. Da er neben Deutsch auch Französisch und Englisch beherrschte, eignete Digrin sich – nach eigener Auskunft – für diesen Posten. 357 Der erste Direktor von Skloexport war Pavel Ružička, der 1954 zu Karlovarské sklo wechselte. Siehe Kapitel 3.1.1. 358 Mergl/Pánková 1997, S. 194. Stattdessen führte es 1959 und 1963 die beiden neuen Marken „Bohemia Glass“ und „Bohemia Crystal“ neu ein, welche 1990 in ihrem Eigentum verblieben sind, aber zunächst keinerlei Anreiz für Käufer boten, da deren Renommee erst aufgebaut werden musste.
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Verkaufserlöse sukzessive wieder an.359 Trotzdem proklamierte Skloexport während dieses wirtschaftlich wenig rentablen Zeitraums in diversen Marketingkampagnen in der seit 1946 erscheinenden und ab 1949 von ihr herausgegebenen Fachzeitschrift Glasrevue: „The retailer is the agent in the promotion of better living. The retailer’s position makes him the most important link between the manufacturer and the consumer. It is his knowledge of the taste and needs of the public and his extensive studies of what is best, which determine what importers and wholesalers will buy.“360
Das Unternehmen platzierte in seinem Leitorgan diverse Artikel mit gezielten Informationen zur Klientenwerbung mit Distributionsinformationen, wie „we should like to recommend to your notice the advantages accruing from business connections with this Company, which is the largest glass export concern in the world. Through this Company you have an opportunity of ordering from Czechoslovakia everything in which the markets of your country display interest. We are convinced that the business methods and terms of the Glass Export Co. will prove identical with your own interests“.361
Ebenfalls wies Skloexport wiederholt auf den vergleichsweise niedrigen Preis tschechoslowakischer Pressglasprodukte hin, „another important feature of Czechoslovak pressed glass is its moderate price which in view of the excellent quality of the articles enables it to command big sales and to fill the markets wherever the import of cut glass is not permitted“.362
Mit diesen beinahe schulmeisterlichen Hinweisen bemühte sich Skloexport den Stil kapitalistischer Marketingstrategien zu kopieren, um neue Kunden im westlichen Ausland anzuwerben. Wichtiger und effektiver wäre vermutlich eine stringente Beweisführung des Gebrauchswertversprechens gewesen. Während der 1950er Jahre professionalisierte sich das Unternehmen sukzessive. Da sich die Konkurrenz auf dem internationalen Markt mit Glasartikeln ausländischer Hersteller, die als „böhmisch“ deklariert wurden, erhöht hatte, verfolgte Skloexport eine Kampagne mit dem Slogan: „Bohemian Glass only from Czechoslovakia“.363 Das Exportunternehmen stellte seinen ausländischen Kunden dezidierte Beratungsleistungen 359 Kotula 1978, Abb. 3, S. 193. 360 GR 1/1950, o. S. 361 GR 7/1953, S. 15. 362 GR 6/1953, S. 10; ebenso „A second feature of Czechoslovak pressed glassware is its notable cheapness despite its quality; its low price facilitates big sales and puts it in the market in large quantities where the import of cut glass is not allowed.“ GR 4/1952a, S. 28. 363 Vondra. In: GR 1/1962, S. 3.
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für Verkaufsmethoden zur Verfügung.364 Seine Mitarbeiter studierten nun die spezifischen Bedürfnisse der Exportmärkte. Skloexport gab auf deren Geschmack individuell zugeschnittene Ausschreibungen an Glasfachschulen, die Prager Kunstgewerbehochschule und Betriebsdesigner heraus, welche entsprechend mit Entwürfen für die Produktion beantwortet werden sollten.365 Auch bei Skloexport beschäftigte Gestalter, wie Václav Hanuš oder Karel Koňák366, lieferten Muster für derartige Anfragen. Wegen der beschriebenen Abgeschlossenheit des planwirtschaftlichen Systems367 wurden jedoch nur wenige dieser Designs letztendlich hergestellt. Trotzdem veranstaltete Skloexport mit diesen partiell-innovativen Produktpaletten, welche noch immer traditionell etablierte Muster beinhalteten, zahllose kommerzielle Ausstellungen zu Werbezwecken und dies oftmals erfolgreich, wie die Exportzahlen dieser Jahre zeigen.368 Auch intensivierte das Unternehmen seine Teilnahme an internationalen Messen.369 Jiří Harcuba, der selbst wiederholt Entwürfe für Ausschreibungen und Wettbewerbe von Skloexport eingereicht hatte, hielt die Auslandsmärkte noch in den 1960er Jahren nicht für „reif“, moderne Glaswaren zu ordern: „Ich muss sagen, als ich gerade nach London kam ’65, hat mich der Leiter von der Verkaufsstelle des Glassexport da durchgeführt. Die hatten große Säle, und er sagte mir, das alles wird verkauft, und das waren die ‚Pařiž‘ Gläser [Anmerkung Wasmuth: geschliffenes Trinkglasservice aus den 1920er Jahren]. Und dann zeigte er mir Sachen aus Poděbrady, [Vladimír] Žahour370, wunderbare Sachen, die werden nicht verkauft. Und damit eigentlich konnte man sehen, dass es ein schöner Gedanke war, wie vieles in dieser Zeit, es gab schöne Gedanken, aber in der Praxis, ging es nicht … bevor man einen guten Markt findet, einen guten Käufer, da muss man viel investieren für Reklame.“371
364 Hnízdo/Šmejkal. In: GR 5/1955, S. 18. 365 Panc. In: GR 6/1974, S. 2. 366 Zu Hanuš siehe S. 78, 133, 291. Koňák (geb. 1926) hatte von 1939 bis 1942 an der Glasfachschule in Železný Brod sein Handwerk gelernt und dann die Meisterschule für Kunstgewerbe in Jablonec nad Nisou besucht. Ende der 1950er Jahre entwarf er als Angestellter von Skloexport zum Beispiel kleine Aschenbecher in stilisierter Tierform und Aschenbecher mit Kartensymbolen sowie Vasen, Salz- und Pfefferstreuer mit Deckeln, die Fliegenpilze und Hühner darstellen sollten. Adlerová 1973b, S.23; Havlíčková/Nový 2007, o. S. 367 Siehe Kapitel 3.1.1. 368 Siehe Kapitel 3.1.4. 369 1961 nahm Skloexport an 27 kommerziellen Schauen teil, 1962 waren es 30. Zusätzlich organisierte das Unternehmen individuelle Präsentationen im Rahmen von wichtigen Anlässen, wie den Olympischen Spielen oder Filmfestivals. Vondra. In: GR 1/1962, S. 3. 370 Žahour (geb. 1925) hatte von 1984 bis 1984 als Werksgestalter in Poděbrady gearbeitet und Mitte der 1960er Jahre eine Kollektion formgeblasener und geschliffener Vasen und Schalen mit abstrakten geometrischen Mustern entworfen. Vgl. Ricke 2005a, Kat.-Nrn. 339–341, S. 361. 371 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002.
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Skloexport rekrutierte neue Mitarbeiter nun unter den Absolventen der Handelsakademie (Vysoká škola ekonomická v Praze)372 und die Direktion zog 1960 von Prag nach Liberec um, wobei der Prager Standort weiterhin als Büro erhalten blieb. Offiziell begründet wurde dieser Umzug mit der so gewonnenen Nachbarschaft zu den größten glasproduzierenden Betrieben.373 Das Unternehmen nutzte den Neuen Flügel des Liberecer Schlosses und verwandelte ihn in einen Musterraum. Dieses Repräsentationszentrum mit dem Namen Bohemia Crystal Trade Centre beherbergte die größte ständige Ausstellung von Haushalts-, Kunst- und Beleuchtungsglas weltweit. Vorrangig diente der Musterraum für Geschäftsverhandlungen mit ausländischen Handelspartnern. Aber auch Regierungsdelegationen, international bekannte Schriftsteller, Künstler, Schauspieler, Sportler und Journalisten besuchten das Schloss Liberec.374 Die ausgewählten Verhandlungs- und Gesellschaftsräume wurden im Rahmen einer Sanierung Ende der 1980er Jahre mit Möbeln und Einrichtung ausgestattet, die ausländische Partner Skloexport zur Verfügung stellten. So konnten Gespräche im typisch tschechischen, aber auch im englischen, deutschen, spanischen oder italienischen Salon geführt werden.375 Mehr als die Hälfte des Verkaufs im Ausland wurde seit Mitte der 1960er Jahre durch ein Netz von eigenen Vertretungen und Kapitalbeteiligungen an ausländischen Distributoren gesichert. Mit dieser Maßnahme sollte sich der „Weg vom Produzenten zum Kunden markant verkürzen“ und neue Markttrends zurück in die Herstellerbetriebe getragen werden.376 Skloexport kaufte beispielsweise 1967 die traditionell mit tschechoslowakischen Produkten handelnde Firma Henry Marchant Ltd. in London auf.377 Diese belieferte etwa 800 Kunden, zu denen die namhaften Kaufhäuser Harrod’s, Debenhams, House of Fraser, Argos und Allders zählten, und veröffentlichte regelmäßig Hochglanzkataloge mit dem aktuellen Sortiment.378 Am 1. Januar 1974 wurde die Niederlassung Cevitrum AG ins schweizerische Handelsregister eingetragen.379 Die Cevitrum AG nutzte das Lager von Bohemia Cristal GmbH im bundesdeutschen Selb, ebenfalls eine Skloexport-Kapitalbeteiligung. Diese wurde 1975 gegründet und unter anderem von 1979 bis 1986 von Jiří Novotný, Absolvent der Handelsakademie und langjähriger Mitarbeiter
372 So begann zum Beispiel Karin Cinibulková 1960 in dem Unternehmen und bekleidete während ihrer mehr als dreißigjährigen Tätigkeit diverse Funktionen, bis sie 1992 zur stellvertretenden Direktorin der Handelsgruppe 5, Beleuchtungsglas, ernannt wurde. Hálkovová. In: GR 1/1994, S. 2. 373 GR 11–12/1960, S. 37. 374 Verantwortlich für den Umbau zeichneten der Architekt Josef Jiřičný und der Grafiker Jaroslav Fišer. Langhamer. In: GR 1/1986, S. 7. 375 Am 1. Februar 1986 wurde die Skloexport AG Eigentümerin des Schlosses. Pekař. In: GR 5/1990, S. 3. 376 Hálkovová. In: GR 12/1993, S. 3. 377 Anfang der 1980er Jahre eröffnete die Firma ein Distributionszentrum in Bedford. GR 11/1994, S. 26. 378 Pokorný. In: GR 1/1993, S. 3. 379 Hálkovová. In: GR 11/1994, S. 2.
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von Skloexport, mitverwaltet.380 Auch in Australien gründete das Unternehmen im November 1975 eine Dependance, die Bohemia Crystal Pty. in Sydney und in Kanada die Belfor & Co. Ltd. in Ottawa381 sowie Superlux Ltd. in Montreal. Die Leitung dieser Niederlassungen übernahmen Skloexport-Manager, wie Jaroslav Lys, Jiří Valenta oder Milan Hrtan.382 Skloexport beteiligte sich ebenfalls an ausländischen Importfirmen wie der Mailänder Bohemia Rappresentanze S.r.l.383 Von diesen insgesamt zwölf Niederlassungen mit existierendem Kundennetz versprach sich das Exportunternehmen einen zielgerichteteren Absatz. Skloexport organisierte Praxisaufenthalte für heimische Betriebsentwerfer in italienischen Manufakturen, um ihnen die Ansprüche des dortigen Marktes und Konkurrenzproduktion näherzubringen.384 So verbrachte beispielsweise Jiří Šuhájek 1971 einige Monate bei Venini & C. auf Murano. Dagmar Kudrová kam in den 1980er Jahren für einen Studienaufenthalt nach Italien. Kudrová: „Ich war erstaunt, und ich meine, es war sehr informativ. Ich sah, welch andere Dinge in der Welt gemacht wurden und nicht nur, wie bei uns präsentiert, dass das böhmische Glas das Schönste in der Welt war. Ich wusste nun, wie es an anderen Orten gemacht wurde. Der Wettbewerb war groß! In vielerlei Hinsicht war es inspirierend.“385 380 Bohemia Cristal wurde am 19. April 1975 von dem deutschen Unternehmer Günter Weidemann und Skloexport Liberec gegründet. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte im Mai 1975 in Hannover. 1978 erwarb Bohemia Cristal die Gebäude der ehemaligen Porzellanfabrik Christoph Krautheim in Selb und verlagerte daraufhin seinen Standort im Februar 1979 von Hannover nach Selb. Die Mitarbeiterzahl stieg innerhalb von fünf Jahren von vier auf 34 Mitarbeiter und der Umsatz betrug 1982 bereits 25 Millionen DM. 1989 hatte sich der Umsatz bereits verdoppelt. 1993 arbeiteten 102 Beschäftigte für das Unternehmen. 2010 zählte es umsatzmäßig zu den größten Glashandelsunternehmen in Deutschland. Homepage der Firma Bohemia Cristal, URL: (Stand 21.11.2013). 381 Die 1953 gegründete Firma blieb bis Ende der 1980er Jahre größter Importeur für tschechoslowakische Glasprodukte. GR 8/1988, S. 30. 382 Lys und Valenta hatten nach ihrem Studium an der Prager Handelsakademie 1963 für das Unternehmen zunächst in verschiedenen Handelsabteilungen gearbeitet. Lys ging 1974 für sieben Jahre nach Sydney und übernahm nach seiner Rückkehr die Warengruppe für Haushaltsglas als Direktorstellvertreter. Valenta ging nach 25 Jahren bei Skloexport 1990 als Direktor der Firma Henry Marchant Ltd. nach London (GR 3/1995, S. 29; Hálkovová. In: GR 5–6/1993, S. 4). Milan Hrtan kam nach dem Studium an der Handelsakademie, langjähriger Tätigkeit für die Handelskammer und das Ministerium für Außenhandel 1981 zu Skloexport. Anfang der 1980er Jahre leitete er die Firma Superlux Ltd. in Montreal. Hálkovová. In: GR 4/1993, S. 2. 383 Die Firma wurde 1973 gegründet und von einem Verwaltungsrat geleitet, der aus zwei italienischen Repräsentanten und zwei Skloexport-Mitarbeitern bestand. GR 8/1988, S. 30; GR 4/1992, S. 31. 384 In der tschechoslowakischen Fachpresse, wie den Zeitschriften Glasrevue oder Tvář, wurden diese Reisen nicht publiziert. Nur im Gespräch mit den Künstlern selbst wurden diese Informationen kommuniziert. 385 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Dagmar Kudrová vom Oktober 2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 22.07.2013).
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Karel Wünsch reiste auf Vermittlung von Skloexport in der ersten Hälfte der 1960er Jahre nach Finnland. Wünsch: „Ich wollte dort Tapio Wirkkala kennenlernen und die Glashütten besuchen. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich die notwendigen Dokumente für die Reise erhielt. Glassexport unterstützte mein Anliegen und organisierte für die Reise den Flug, Unterkunft und Reiseroute sowie den Kontakt zu den finnischen Künstlern und den Hütten. Ich besuchte dort eine Glasfabrik im Norden, wo Spiegel produziert wurden. Diese waren nahezu perfekt und die moderne Anlage beeindruckte mich sehr. Sie inspirierte mich zu dem gebogenen Spiegel für Ještěd. Weiterhin war ich in Nuutsjäärvi und Lasi Oy. Auch traf ich, wie erhofft, Tapio Wirkkala, dem ich Photos meiner Arbeiten zeigte. Wirkkala kommentierte und riet mir zu bestimmten Richtungen, das heißt, gewisse Einflüsse zu vervollkommnen. Auch schenkte er mir ein Mannheim-Messer […]. Wirkkala sagte von sich selbst, ‚ich bin kein Künstler, ich bin ein Designer‘, also er experimentierte mit unterschiedlichen Materialien. Das gab mir wiederum Inspiration für die Ještěd-Kaffeetassen mit Holzuntersetzern und anderes.“386
Auch in Frankreich, in Spanien, in Österreich, den USA und in der UdSSR waren Distributoren auf den Import tschechoslowakischen Glases spezialisiert: Transexim S.A., Ceyreste bei La Ciotat; Cecomex, Madrid; BIMA, Wien; Superlux-Bohemia-Crystal Ltd., New York und Raznoexport, ab 1995 Bohemia Steklo, Moskau. Ferner arbeiteten ausländische Vertretungsfirmen für Skloexport: in den Niederlanden die Bouma Ag, Heeze, in Oslo die Opal AG, in Stockholm die AB Böhmiskt Glas AG 387, in Venezuela die Dynamco und in Singapur die ZLIN Co Ltd.388 Doch nicht nur die Vertreterfirmen und Niederlassungen, an denen Skloexport wirtschaftlich, organisatorisch und – sofern es sich um die Leitung handelte – unmittelbar beteiligt war, knüpften Handelskontakte vor Ort in den Exportländern, auch arbeiteten Fachmitarbeiter des Unternehmens in den Handelsabteilungen der Botschaften der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik.389 Transexim, die französische Vertretung, war von einem Exiltschechen gegründet worden und vertrieb ab den fünfziger Jahren Glaswaren für Skloexport. 1988 übernahm Skloexport die Firma Transexim und errichtete somit ihre eigenen Filialen in Frankreich.390 Neben Einzelausstellungen organisierte Transexim vor allem den werbewirksamen Auftritt bei den Filmfestspielen in Cannes zusammen mit seinem tschechoslowakischen 386 Interview mit Karel Wünsch, Sloup v Čechach, 11.10.2003. Für eine Abbildung siehe Adlerová. In: GR 6/1976, Nr. 4, S. 5; siehe auch Kapitel 5.3. 387 Die Firma wurde 1959 gegründet und vermittelte zunächst ausschließlich Leuchten, wobei sich das Sortiment rasch vergrößerte. 1988 betrug der Umsatz 22 Millionen CZK im Jahr. GR 8/1988, S. 30. 388 GR 11/1993, S. 5. 389 Housa. In: GR 8/1988, S. 8. Auf S. 30–35, GR 8/1988, werden einige Partnerorganisationen genannt. 390 Der Inhaber, Zdeněk Gaigher, vertrat seit Gründung seiner Firma 1938 Glasprodukte aus der Tschechoslowakei. GR 8/1994b, S. 22/23.
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Partner. Skloexport experimentierte seit Anfang der 1960er Jahre mit einer Reihe von Marketingstrategien, die zu damaliger Zeit Aufsehen erregten. Im Mai 1961 fand auf Vermittlung von Transexim ein Festival des böhmischen Kristalls und der Schmucksteine (Festival du Cristal et des Pierres de Bohême) im städtischen Casino von Cannes statt, das in der tschoslowakischen Presse als kulturelles und gesellschaftliches Ereignis gefeiert wurde.391 Eine Kommission, die aus Glaskünstlern und Vertretern der Betriebe bestand, stellte unter Leitung von Skloexport-Generaldirektor Lubomír Šilhavý eine Ausstellung zusammen, die in einer speziell zu diesem Zweck entworfenen Architektur präsentiert wurde. Neben Lokalpolitikern besuchten Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Simone Signoret, Yves Montand und viele andere Prominente die Präsentation und stellten sich bereitwillig für illustre Bildaufnahmen zur Verfügung.392 1965 kam es zu einem zweiten solchen Festival im Hotel Martinez.393 Schenkt man den Artikeln in der Zeitschrift während dieser Jahre Glauben, so „wetteiferte der Schimmer der silbernen Bildwand mit dem Glanz des Kristalls“.394 In jedem Fall war das Spektakel ein einschneidender Erfolg, denn viele prominente Persönlichkeiten, die wegen des Filmfestivals nach Cannes gekommen waren, nahmen an der Eröffnungsfeier teil. Der Glasgestalter Adolf Matura gravierte vor ihren Augen Vasen mit floralen Motiven (Abb. 13).395 Der „Preis für die beste weibliche und männliche Schauspielleistung im Namen der tschechoslowakischen Glasmacher“ wurde ab 1966 parallel zu dem Festivalpreis in Form einer großen, 60 Kilogramm schweren Kristallvase vergeben.396 Anlässlich dieser Veranstaltungen erschienen in der Glasrevue jährlich einnehmende Photos von internationalen Filmstars, die Glaswaren aus tschechoslowakischer Produktion in den Händen hielten. Selbst nach 1968 wurde die Tradition zunächst fortgesetzt. Anlässlich des zehnten Jubiläums des Festivals des böhmischen Kristalls und der Schmucksteine, 1971, fand die Ausstellung direkt im Palast des Filmfestivals statt.397 Die Glasrevue druckte aber nur ein einziges Photo in ihrer nur einseitigen Reportage ab: Jean Seberg, die ihren Film „Jeanne d’Arc“ präsentierte, beim Besuch der Ausstellung.398 Auch 1972 und 1973 fand das Kristall-Festival in Cannes statt, dann stellte die Glasrevue ihre Berichterstattung ein, ein Hinweis auf dessen Beendigung.
391 Fiala. In: GR 8/1961, S. 265. 392 Vgl. Müller, F. In: GR 8/1961, S. 268/269. 393 Leroux. In: GR 5/1965, S. 144. 394 GR 1/1966a, S. 32. 395 GR 1/1966b, S. 38. 396 Sophia Loren bekam den Preis 1961 (Leroux. In: GR 5/1965, S. 144). 1966 ging der Preis an Samantha Eggar. Die schwedische Schauspielerin Pia Dagermark und der französische Schauspieler und Sänger Charles Aznavour erhielten diese Ehrung 1967. Šimerdová. In: GR 12/1967, S. 365. 397 Die Sängerinnen Duperrey und Nicolette gaben am Eröffnungsabend ein Konzert und auch Stars kamen erneut zu der Veranstaltung, an der angeblich 150 „namhafte Persönlichkeiten der Filmwelt“ teilnahmen. GR 12/1971, S. 379. 398 Ebenda.
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Die Mitarbeiter der Handelsorganisation gaben kleine Publikationen zu einzelnen Künstlern heraus399 und halfen auch mit eigenen Werbekonzepten, das Image der Glaserzeugnisse mitzugestalten. So organisierte Skloexport Liberec 1966 die Bereitstellung eines Meistergraveurs, Václav Hubert, der in dem bundesdeutschen Horten-Kaufhaus in Düsseldorf direkt neben dem Verkaufsstand für Glas als Promotionsaktion die Technik vorführen sollte.400 Auf Wunsch von Horten regelte Skloexport seinen Einsatz in zwei weiteren Städten. Hubert: „Die erste Stelle war Düsseldorf, Geschäftshaus Horten. Und das war so eine Probeaktion. Das war eigentlich das erste Mal, dass Skloexport versucht hat, mit Horten zusammenzuarbeiten. Horten hat gesagt, wir wissen nicht, wie unsere Klienten das annehmen. […] das hatte einen großen Erfolg bei Horten in Düsseldorf. Da kam der Direktor und – wie hieß der noch? – sagte, wir hätten Interesse, dass wir die Ausstellung nach Nürnberg und Stuttgart weiterschicken. […] Ich habe auch Leute gravieren lassen. Kollegen kamen, drei Graveure, die früher in der Tschechoslowakei waren ... der eine hat Spiegelmattschliff gemacht, und der andere in der Eisenfabrik was gemacht und der letzte in einer Schreinerei, und die waren so traurig, sagten, wenn wir gravieren könnten! Da habe ich gesagt, ja, wenn ihr wollt. Und da kamen auch die jungen Leute, Schüler und so. Dann kam ein Urologe, das war ein riesiger Mensch. […] Dann, ein Lehrer hat mich eingeladen ... viele Leute! […]“ Wasmuth: „Und Glassexport hat das organisiert?“ Hubert: „Das war ein riesiger Erfolg, nur haben es unsere Leute zu billig angeboten. Die Preise waren zu günstig.“ Wasmuth: „Und Sie haben Ihre eigene Werkbank mitgenommen?“ Hubert: „Das war vom Betrieb. Das war das mobile Werkzeug.“ Wasmuth: „Was haben Sie graviert? Erinnerungsbecher?“ Hubert: „Ich habe eigentlich auf Wunsch der Leute, die dort eingekauft haben, habe ich das graviert, was sie mochten. Ein Monogramm oder Architektur. Verschiedenes. Da waren auch meine Arbeiten dabei. Damals hatte ich den ... von Horejc hatte ich dabei das Tanzpaar, damit die Leute sehen, dass auch anspruchsvolle Sachen gemacht werden.“401
Am 4. Dezember 1970 meldete die Sudetenpost, dass Skloexport „in den kommenden Monaten eine Reihe von Ausstellungen in Kaufhäusern westlicher Länder veranstalten [will], beginnend mit der Schweiz“.402 Auch fing das Unternehmen an, in ausländischen Fachzeitschriften, wie der englischen Pottery Gazette and Glass Trade Review403, zu inserieren. Das Prinzip des „Live-Gravierens“ wurde nun und auch in den 1980er Jahren regelmäßig bei Vernissagen gewerblicher Glasausstellungen als Werbestrategie eingesetzt. 399 Interview mit Vladimír Jelínek, Prag, 16.12.2002. 400 Schon bei der Glaspräsentation in Moskau, 1959, zeigten zwei Graveure ihr Handwerk als Teil des Ausstellungskonzepts. Siehe Kapitel 6.2.1, S. 380. 401 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 402 Sudetenpost, 04.12.1970, S. 5. 403 Vgl. Ausgaben von 1960: Januar, S. 58; Februar, S. 199; März, S. 353; April, S. 485.
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Oftmals schickte Skloexport Künstler-Graveure, wie Pavel Ježek, zu diesen Präsentationen. Für ihn war diese Art von Arbeitseinsatz vermutlich ein willkommener Anlass, um ins westliche Ausland zu reisen.404 Skloexports Hauptaufgabe war aber die Organisation von zahlreichen Auslandsausstellungen zu Werbezwecken und die Teilnahme an Messen, wie der ab 1969 jährlich stattfindenden „Internationalen Konsumgütermesse“ in Brno, welche sie selbst mit ausrichtete.405 In ihrem Leitorgan Glasrevue finden sich unzählige Berichte über solche „Kontraktausstellungen“. Teil dieser Schauen war stets die Präsentation von künstlerisch gestalteten Glaswaren und auch Glaskunstwerken, welche ganz generell für die Güte der heimischen Produktion werben sollten. Die Abteilung Sodapottasche (sododraslo) bei Skloexport beschäftigte sich in einer Unterabteilung mit Glaskunst-Exponaten für solche Anlässe und stand in engem Kontakt mit ÚBOK406 und Unternehmen wie Škrdlovice, die zu der Zentrale der Kunsthandwerke (ÚUŘ) gehörten. Hanuš: „Ich höre heute oft Kritik der damaligen Firma Glassexport. Meiner Meinung nach waren jedoch bei Glassexport seiner Zeit Menschen beschäftigt, die meistens aus der Praxis einzelner Betriebe stammten und eine innige Beziehung zu ihnen hatten. Sie waren selbst daran interessiert, dass die Impulse, die sie bei ihren Geschäftsreisen eingeholt hatten, in irgendeiner Form zurück in die Produktion gelangten. Ungeachtet dessen, dass sie eine Menge Arbeit für die Werbung leisteten. Glassexport investierte eine Menge Geld in ausländische Ausstellungen von böhmischem Glas. Das waren keine kleinen Summen. Das wird insgesamt wenig geschätzt. Unter anderem tauchten Meinungen auf, dass Glassexport nicht kompetent war, dass es die Entwicklung der Industrie und Gestaltung behinderte. Aber meines Wissens hat Glassexport viel getan.“407
1969 endete Skloexports Status eines Außenhandelsunternehmens und es wurde unter Beteiligung der Tschechoslowakischen Handelsbank ČSOB (Československá obchodní banka) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der damalige Generaldirektor Jan Krejsa begründete diesen Schritt wie folgt: „Die strenge Absonderung der Glasproduktion von den ausländischen Märkten war in keinem Fall nutzbringend. Die Erzeugung hatte nämlich nicht die Möglichkeit, die Technik und die Leitung des Außenhandels entsprechend zu beeinflussen, und rückwirkend wurden die Anforderungen des Außenhandels häufig ziemlich umständlich und schwerfällig in die Produktion übertragen, natürlich zum Schaden der Sache selbst. Wir vergegenwärtigen uns, dass im Einklang mit den Intentionen des neuen ökonomischen Systems in unserer Volkswirt404 Vgl. Šilhavý, Bohumír: Artikel über Ježeks Einsatz in Los Angeles 1980. URL: (Stand 20.06.2013). 405 Vaňková. In: GR 9/1978, S. 14. 406 Siehe Kapitel 5.2.3. 407 Interview mit Hanuš in: Havlíčková/Nový 2007, o. S.
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schaft versucht werden muss, auch auf unserem Abschnitt eine Lösung zu finden. Und das Ergebnis dieser Bemühungen ist also die Aktiengesellschaft.“408
Bemerkenswert an dieser Aussage ist zunächst die offene Kritik an der Exportstruktur der 1960er Jahre seitens eines Insiders. Demnach war die Erkenntnis, einen direkteren Kontakt mit den Märkten ermöglichen zu müssen, um effektive Handelsstrategien erstellen zu können, scheinbar ausschlaggebend für diese Umstellung. Da alle glasproduzierenden Unternehmen Mitgesellschafter des neuen Aktienunternehmens wurden, sollten diese so besser ihre Interessen wahren und durchsetzen können. Dementsprechend waren die Betriebe nun allein für die Verpackung und den Versand ihrer Waren ins Ausland zuständig.409 Außerdem verschob die Umstellung der Unternehmensstruktur in eine Aktiengesellschaft die Haftungsrechte vom Staat auf die Produzenten, jedenfalls auf dem Papier. Diese organisatorische Umstellung erweiterte aber auch deren Kompetenzen im direkten Kontakt mit ausländischen Kunden, so dass sich der Umsatz durch Glasausfuhren in den 1970er Jahren sukzessive erhöhte.410 1972 wurde Skloexport in Rom sogar mit dem Mercurio d’Oro für die „langjährige progressive Handelstätigkeit“ im Rahmen einer feierlichen Zeremonie mit 1.000 Gästen ausgezeichnet, „die bei der Übernahme der Auszeichnung für Glassexport lebhaft Beifall spendeten“.411 Ab 1986 veranstaltete die Skloexport AG alle zwei Jahre Konferenzen mit Vertretern der Aktienhalter zur Festlegung seiner Handelspolitik. Üblicherweise nahmen leitende Mitarbeiter der Aktiengesellschaft, aber auch Repräsentanten der Distributionsfirmen teil.412 Nach 1989 verlor Skloexport seine Monopolstellung im Außenhandel und durch den Zerfall des RGW die Märkte in den einzelnen sozialistischen Ländern einschließlich der Sowjetunion. Damals änderte sich die Exportausrichtung grundsätzlich: mit Bildung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes am 1. Januar 1993 und dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU. Die tschechischen Hersteller mussten sich nun auf dem wirtschaftlich globalisierten Markt behaupten, auf dem zahlreiche Mitbewerber für Haushaltsglas auftraten, die in der Vergangenheit keine oder nur eine geringe Rolle gespielt hatten.413 In den 1990er Jahren gründeten einige privatisierte größere Glaswerke – meist mit Schwerpunkt technisches Glas, Laborglas, Flachglas und Glasfasern – ihre eigenen Exportorganisationen, teils unter finanzieller Beteiligung von Skloexport. So entstand 1991 die Kavalier-Glassexport Aktiengesellschaft in Liberec, die bereits drei Jahre 408 Interview mit Krejsa in: Šimerdová. In: GR 12/1969, S. 353. 409 Die gängige Verpackung in Sperrholzkisten mit Holzwolle entsprach nicht mehr den Anforderungen der Abnehmer. In den 1970er Jahren errichteten beispielsweise die Glashüttenwerke Bohemia eine eigene Kartonagefabrik für zeitgemäßere Verpackungen. Šedina. In: GR 9/1976, S. 6. 410 Siehe Kapitel 3.3.1. 411 Šimerdová. In: GR 6/1972, S. 183. 412 Procyková. In: GR 2/1993, S. 17. 413 Die internationale Konkurrenz bestand in den frühen 1990er Jahren bereits aus Produzenten aus über 25 Ländern, neben den europäischen auch Mexiko, Brasilien, Taiwan, Thailand, Südkorea oder Indonesien. Hálkovová. In: GR 4/1993, S. 3.
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später 270 Kunden in 67 Ländern belieferte.414 Auch die Glashütte Moser in Karlovy Vary entschied sich für eine eigenständige Exportabteilung. 1993 eröffnete Moser seine frisch renovierte Verkaufsstelle im Haus zur Schwarzen Rose (Dům Černá růže) in Prag, in dem seit 1925 Gläser der Manufaktur angeboten wurden. Die Hersteller Preciosa und Sklo Union Teplice gingen nun ebenfalls eigene Wege. Das Sortiment von Skloexport wurde somit zwangsläufig schmaler und konzentrierte sich auf Beleuchtungsglas415 sowie kostengünstiges Haushaltsglas, dessen größter Lieferant Crystalex in Nový Bor war.416 1993 blieben noch 60 Prozent der ursprünglichen Verkaufskapazität erhalten, was sich in der Auflösung und Reduzierung einiger Abteilungen um etwa 280 Mitarbeiter äußerte.417 Das Unternehmen Skloexport war Mitte der 1990er Jahre noch immer der größte tschechische Exporteur von Glaswaren. 1994 wurde es privatisiert und die Familie Rázlo übernahm alle seine Marken als Skloexport-Gruppe. Dieses Unternehmen mit etwa 10.000 Mitarbeitern sollte mit dem Stammkapital in Höhe von 413 Millionen Kronen, welches am 25. Mai 1994 ausgezahlt wurde, ausstehende Schulden tilgen und die Glasindustrie „revitalisieren“.418 Noch 1995 schloss die Skloexport-Gruppe einen Vertrag über 3,7 Milliarden USD ab und erwirtschaftete einen Gewinn von rund 58 Millionen EUR. Drei Jahre später fiel der Umsatz auf weniger als ein Zehntel.419 Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Mantel-Gesellschaft mit einem enormen Schuldenberg handelte. Ab 2001 firmierte sie als „Aktiengesellschaft in Liquidation“ und hunderte Mitarbeiter wurden entlassen.420 Das Stadtgericht Prag erklärte die Skloexport-Gruppe am 2. Januar 2006 für insolvent. Die Insolvenz wurde von der Bohemia Crystal Group, Kavalier-Glaswerke und dem Insolvenzverwalter des Unternehmens eingereicht. Als Grund wurde die Überschuldung in Höhe von mehreren 100 Millionen Kronen genannt.421 Laut Handelsregister hatte das Unternehmen zwar ein eingetragenes Kapital von 3.179 Milliarden Kronen, welches laut Insolvenzverwalter jedoch nicht existierte. Das Schloss Liberec wurde offenbar bald nach Abschluss der Rekonstruktion 1991 aufgegeben. 2007 kaufte das Unternehmen Ustí Development das Gebäude inklusive der 414 GR 12/1994, S. 25/26. 415 Hálkovová. In: GR 2/1993, S. 5. 416 Crystalex war Aktionär der Skloexport AG, wie die meisten Unternehmen, deren Waren die Handelsorganisation vertrieb. Hálkovová. In: GR 4/1993, S. 4. 417 Procyková. In: GR 2/1993, S. 18. 418 URL: (Stand 10.07.2013). 419 Kohoutová, Marie: Pražský soud vyhlásil konkurz na firmu Skloexport Group, Ausgabe 1/2006 der glassrevue.com, URL: (Stand 10.07.2013). 420 Frouzová, Kateřina/Šebelka, Jan: Kauza Skloexport stojí. Herečka Rázlová je nemocná a nikdo na ni nemůže, Onlinezeitung Idnes vom 29.07.2010, URL: (Stand 10.07.2013). 421 Kohoutová, Marie: Pražský soud vyhlásil konkurz na firmu Skloexport Group, Ausgabe 1/2006 der glassrevue.com, URL: (Stand 10.07.2013).
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etwa 40.000 verbliebenen Mustergläser von Skloexport, welche es sofort über das Auktionshaus Hessink’s in Zwolle versteigern ließ.422 Die Auswirkungen der planwirtschaftlichen Vorgaben auf die tschechoslowakische Glasproduktion hatten nach 1948 maßgeblich dazu beigetragen, den Export von bis dato landestypisch hochwertigen Waren in die traditionellen Abnehmerländer innerhalb weniger Jahre so gut wie unmöglich zu machen. Die Nationalunternehmen fluteten den Markt mit enormen Mengen billigen Haushaltsglases und reagierten nahezu apathisch auf jegliche wettbewerbstaugliche Innovation durch neue Designs. Die Betriebsfunktionäre sahen sich keinerlei fremdländischer Konkurrenz ausgesetzt, so dass die Qualität ihrer Glasprodukte schlichtweg nicht den Bedürfnissen des globalen Wettbewerbs entsprach, von dem sie durch die zentrale Steuerung abgekoppelt waren. Obgleich staatliche Institutionen über Wettbewerbe und Ausschreibungen die Anfertigung interessanter Prototypen durch akademisch ausgebildete Designer voranbrachten, wurden diese selten in die Erzeugung aufgenommen. Die staatlichen Planungskommissionen hatten diesbezüglich keine Leitlinien herausgegeben. Eine Ausnahme stellte der Bereich des Pressglases dar, wobei auch in dieser Sparte im Verhältnis zur Masse an Entwurfsvorschlägen nur relativ wenige tatsächlich in Produktion gingen. Behindert wurde eine systematische Einführung innovativer Kollektionen allein durch den Umstand, dass die institutionellen Ausschreibungen auf konkrete Bestellungen der Nationalunternehmen zugeschnitten sein mussten. Die Auswahl der von den Kommissionen vorgelegten Gewinnerentwürfe lag demnach bei Betriebsfunktionären.423 Die Prototypen endeten bestenfalls – wenn sie nicht entsorgt wurden424 – in Betriebsarchiven, der Mustersammlung von Skloexport auf Schloss Liberec oder in Museumsmagazinen. Im Ergebnis wandten sich die vom ökonomischen System desillusionierten Glasgestalter dem experimentellen Studioschaffen zu und befreiten das Material von seiner tradierten Verhaftung im Bereich der Industrieerzeugung. Damit eröffneten sie der Planwirtschaft allerdings einen neuen Handelsplatz, den Glaskunstmarkt im westlichen Ausland, der von Art Centrum bedient wurde.425 Für die Glaskünstler in der sozialistischen Tschechoslowakei hatte das planwirtschaftliche Modell demnach tatsächlich eine Art ideelle Schutzzone vor diesem kommerziellen Markt, aber auch eine rückfinanzierte Realisierungsmöglichkeit für ihre Entwürfe geboten. Nach 1989, als in der Tschechischen Republik wieder zahlreiche kommerzielle Galerien und Auktionshäuser entstanden, fanden diese Glaskunstwerke dann allerdings nur langsam Zugang in deren An-
422 Die Versteigerung war in zwei Abschnitten geplant, von denen der erste Abschnitt mit etwa 3.000 Losnummern Ende März 2007 stattgefunden hat (Geiselberger. In: PK 4/2009, S. 302). Wann und ob der zweite Abschnitt versteigert wurde, ließ sich vor der Drucklegung nicht ermitteln. Das Auktionshaus beendete seine Aktivität 2009. 423 Vgl. Danielis. In: AdT 5/1968, S. 16; Lamarová 1985, S. 7. 424 Petrová 2007, S. 11. 425 „Wir hatten 95 Prozent des Volumens im Westen abgesetzt, 95 Prozent!“ Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. Siehe Kapitel 6.3.
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gebot426, zumal die Herstellung dieser Arbeiten nun aus eigener Kraft bezahlt werden musste und auch das Rohglas nicht mehr subventioniert bezogen werden konnte. Die Glaskünstler mussten sich nicht nur im internationalen Wettbewerb, sondern auch gegen den neuen Zeitgeist behaupten, der zunächst das Kulturschaffen der sozialistischen Ära kategorisch verschmähte oder zumindest infrage stellte.
426 Siehe Kapitel 6.3, S. 429.
4 AUSBILDUNGSSTÄTTEN FÜR GLASGESTALTUNG – LEHRZEIT DER GLASKUNSTSZENE
Direkt nach Kriegsende hatte das Auswechseln des deutschen Lehrkörpers und die Wiederaufnahme eines regulären Schulbetriebs in tschechischer Sprache an den Glasfachschulen Priorität.1 Zügig sollte in einem nächsten Schritt die bestehende Aufteilung nach einfacher Ausbildung in der Bürgerschule für den Großteil der Kinder einerseits und dem Besuch des Gymnasiums für nur eine kleine Elite beseitigt werden. So hatte es das Regierungsprogramm von Košice hatte bereits im April 1945 als eine seiner Grundforderungen formuliert.2 Dabei berief man sich auf die „Lucis via amplissima“ Jan Amos Komenskýs, alle Schüler „gemeinsam auf einen Weg zu allem Menschlichen zu führen“.3 Die einheitliche Schule für sämtliche Kinder bis zum 15. Lebensjahr sollte obligatorisch werden und so einer wachsenden Zahl von Absolventen den Besuch einer weiterbildenden Einrichtung ermöglichen. Sozialstaatliche Fürsorge war im Bildungsbereich auch nach 1948 eine logische Folge der Ziele, die der „Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung“ durch die KSČ verfolgte.4 Die Regierung ging davon aus, dass der volkswirtschaftliche Wohlstand in der steigenden Arbeitsproduktivität der Landwirtschaft sowie der Industrie und damit auch aller glasproduzierenden Nationalunternehmen läge. Neben der Ausbildung von Glasmachern spielte in diesem Kontext die Ausbildung von Glasgestaltern eine zentrale Rolle. In der Bildungspolitik der sozialistischen Tschechoslowakei sind Bezüge traditioneller Lehrmodelle auszumachen, die ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Das Regime propagierte den neuen Typus der praxisnahen Ausbildung, andererseits führte es aber auch Aspekte des bereits existierenden Lehrsystems der Fach- und Kunstschulen fort und sicherte so dessen Kontinuität. Die Aufrechterhaltung kultureller Tradition wurde als Legitimationsgrundlage herangezogen.5 Zur Ausbildung von Glasgestaltern existierten zwei Institutionsarten, die drei nordböhmischen Glasfachschulen, sogenannte „Mittelschulen“ oder „Glasgewerbefachschulen“, „die zu ihrer Zeit in der Welt nicht ihres gleichen hatten“6, und die Kunstgewerbehochschule in Prag, an der in zwei Studios unter der Leitung der Professoren Karel Štipl und Josef Kaplický die künstlerische Arbeit mit Glas unterrichtet wurde.7 Besonders begabte Absolventen der Glasfachschulen konnten nach bestandener Aufnahmeprüfung 1 2 3 4 5 6 7
Siehe Kapitel 3.1.2, S. 80 f. und Kapitel 5.1.4, S. 252 f. Jeník 1980, S. 19. Ebenda, S. 102. Vodinský 1963, S. 6. Siehe auch Kapitel 5.1.1. Skarlantová. In: GR 8/1989, S. 7. Siehe auch Kapitel 4.2. Siehe Kapitel 4.3.
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an die VŠUP wechseln.8 Ein Großteil der in dieser Arbeit vorgestellten Glaskünstler besuchte beide Institutionen und konnte zudem einen Lehrbrief als Glasmacher vorweisen. Durch ihre langjährige Ausbildung erhielten sie nicht nur das handwerkliche, sondern auch theoretische Rüstzeug, um ihre Arbeiten eigenständig zu realisieren. Auch konnten sie deren Herstellung in allen Produktionsschritten hinsichtlich der gewonnenen technologischen Kenntnisse überwachen. „Das Resultat dieser unablässigen Bemühungen um Heranbildung einer Elite ist die ungewöhnlich hohe Zahl von Künstlern, von denen manche Weltruhm erlangt haben.“9
Insofern die Glasgestalter ihre Entwürfe nicht selbstständig ausführten, waren sie auf die handwerkliche Geschicklichkeit von Glasmachern in den Betrieben der Nationalunternehmen angewiesen. Nicht wenige dieser Facharbeiter beeinflussten mit ihrer Interpretation der vorgelegten Entwürfe die Kreation von Glaskunstwerken, auch ohne die Kunstgewerbehochschule besucht zu haben. In diesem Zusammenhang sind Petr Novotný10, Antonín Vogl und insbesondere Josef Rozinek11 zu nennen, auf deren Hilfe zahlreiche Glaskünstler langjährig zurückgriffen. Manche, wie das Ehepaar Roubíček, realisierten alle ihre Entwürfe in Gemeinschaftsarbeit mit diesen Glasmachermeistern.
8 Langhamer. In: GR 11/1975b, S. 10. 9 GR 9/1971, S. 268. 10 Novotný (geb. 1952) arbeitete schon in den 1970er Jahren regelmäßig mit Glaskünstlern zusammen und übernahm nach dem Tod seines Lehrmeisters Rozinek die meisten seiner Auftraggeber (Langhamer 2003, S. 225, Anm. 4). 1989 eröffnete Novotný gemeinsam mit Borek Šípek als künstlerischem Leiter die Glasmanufaktur Ajeto in Lindava. „Novotný war nicht überrascht, dass wir Künstler etwas Spezielles wollten. Er war auch in Japan, Amerika etc. und arbeitet heute für Ajeto, Bořek Šípek, der übrigens Waise und mein Pflegesohn ist. Er war auch Mitschüler von unserer Tochter Michaela. Šípek ist Architekt. 1968 ging er nach Westdeutschland, dann nach Holland und nach der Revolution fragte ich ihn, ob wir etwas zusammen machen wollen. So entstand der Kontakt zwischen Šípek und Novotný, der selbst in dieser Zeit eine Hütte eröffnen wollte und mitmachte. Viele Künstler aus der ganzen Welt lassen heute ihre Entwürfe bei Ajeto fertigen.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 11 Der Glasmachermeister Josef Rozinek (1911–1992) arbeitete seit Anfang der 1950er Jahre über viele Jahre eng mit Glaskünstlern zusammen. Aufgrund seiner handwerklichen Befähigung setzte er Entwürfe für Pavel Hlava, Miluše Roubíčková und René Roubíček, Karel Wünsch, František Zemek und zahlreiche andere um. „Die Künstler haben sich daran gewöhnt, ihn zu Hause aufzusuchen, um mit ihm gemeinsam in Ruhe durchführbare Realisierungsverfahren ihrer Werke auszudenken. […] Seine Kenntnis und meisterhafte Beherrschung verschiedener Techniken […] sein Einfallsreichtum und die erfahrenen Ratschläge regten viele Autoren zu neuem Schaffensstil und neuer Einstellung zum zeitgenössischen Glas an.“ Rozinek erhielt 1965 die „Auszeichnung für hervorragende Arbeit“ und 1970 den Titel „Meister der kunsthandwerklichen Arbeit“. Noch Anfang der 1980er Jahre unterrichtete er zweiundsiebzigjährig Hüttenformung an der Glasfachschule in Nový Bor. Gelnar. In: GR 5/1984, S. 13; für Angaben zu den diversen staatlichen Auszeichnungen siehe Kapitel 5.2.2.
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Roubíček: „Als [Roberto] Niederer dann das Symposium [in Zürich 1980] organisiert hat und meine Frau und ich beide dorthin eingeladen wurden, nahmen wir Josef Rozinek und Petr Novotný mit.“12
Ab 1946 wurden Berufsschulen für Glasmacher (Odborné učiliště sklářské) ins Leben gerufen, welche die traditionelle Lehrlingsausbildung in Privatbetrieben ersetzen und die althergebrachte „Vererbung des Glasmacherhandwerkes vom Vater auf die Söhne“ aufbrechen sollten.13 In Chřibská14 widmete man die älteste tschechoslowakische Glashütte aus dem frühen 15. Jahrhundert in einem symbolischen Akt zu einer Lehrlingswerkstatt für Glasbläser um.15 Mit dieser „Ausbildungshütte“ entstand die erste Ausbildungsstätte allein zur Lehrlingsausbildung. In ihrer „Mutterhütte“, einem der Nationalbetriebe, absolvierten diese Lehrlinge unter Leitung von Glasmachermeistern eine zweijährige praktische Lehrzeit, in deren Anschluss sie für drei Monate dann die Schulhütte in Chřibská besuchten, um eine theoretische Ausbildung und ihre Prüfungen abzulegen.16 Für Schleifer, Graveure und Glasmaler wurde 1947 eine Berufsschule in Nový Bor17 und für Figurenbläser, Schleifer und Glasmaler in Železný Brod gegründet.18 Später entstanden ähnliche Lehrlingszentren in Světlá nad Sázavou19, Chlum u Třeboně, Poděbrady, 12 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Auch Stanislav Libenksý und Jaroslava Brychtová betonten stets den nicht zu unterschätzenden Anteil, den das Glasmacherteam in Železnobrodské sklo an der Realisierung ihrer Entwürfe übernahm. Barten 1990, S. 11. 13 Skarlantová. In: GR 10/1990, S. 9. 14 Die erste urkundliche Erwähnung der Hütte von Chřibská (Kreibitz) datiert von 1426, sie soll jedoch bereits 1414 bestanden haben. 1945 wurde ihr letzter Eigentümer, die Familie Mayer, enteignet und sie wurde in das Nationalunternehmen Borske sklárný, eingegliedert. (Urbancová. In: GR 10/1989, S. 2, 6). Kurz vor ihrem sechshundertjährigen Bestehen im Jahr 2009 meldeten die Besitzer Black & spol. Ltd., welche die Hütte 1993 im Privatisierungsverfahren erworben hatten, Konkurs an und der Betrieb wurde eingestellt. 15 Die Leitung der Tschechoslowakischen Glaswerke (Československé sklářské závody) gründete diese Werkstatt im Herbst 1946. Langhamer/Vondruška 1991, S. 132; Skarlantová. In: GR 8/1989, S. 8. 16 Skarlantová. In: GR 10/1990, S. 10. 17 Die Berufsschule in Nový Bor eröffnete am 1. April 1947. Ihre Schüler lernten alle Veredelungstechniken nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in den Schulwerkstätten, wobei Glasmalerei und Glasgravur eine zentrale Stellung einnahmen. Nach den damaligen Lehrplänen wurde im Wesentlichen bis in die späten 1980er Jahre unterrichtet, als 500 Schüler die Lehrstätte besuchten. Später wurde das Curriculum erweitert auf das Glasblasen, Kugeln, Eckschleifen und Formenmachen, also ein komplexes Ausbildungssystem für Lehrlinge aller Glasmacherberufe. Ab 1987 konnten die Schüler einen vierjährigen Kurs mit Matura-Abschluss für „kunsthandwerkliche Bearbeitung des Glases“ belegen (Skarlantová. In: GR 8/1989, S. 8). Der Glaskünstler Bohumil Eliáš war von 1952 bis 1954 Schüler an der Berufsschule und wechselte dann – ohne Matura – auf die Fachschule in Železný Brod. 18 Langhamer 2005a, S. 36. 19 Die ursprüngliche Glasschule erhielt Ende der 1960er Jahre einen modernen Campus mit großer Mensa, voll ausgestattetem Fitnessraum und Wohnheim, alle in separaten Gebäuden untergebracht, aber durch Gänge miteinander verbunden. Für die praktische Ausbildung entstand eine
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Valašské Meziříčí und im slowakischen Lednické Rovne. Alle diese Maßnahmen zielten darauf hin, die ausgewiesenen deutschen Glasmacher zügig zu ersetzen. Die Ausbildung dauerte drei Jahre. Der praktische Unterricht erfolgte zumeist in den eigenen Werkstätten, während die Fachausbildung in bestimmten Glasmacherberufen in den Betrieben stattfand.20 Aber auch einige Nationalunternehmen mit hohem Manufakturanteil, wie Karlovarské sklo und Moravské sklárný, bildeten nach wie vor direkt in ihrem Betrieb Lehrlinge als Glasmacher aus.21 Eigentlich waren alle Glashütten an der Lehrlingsausbildung beteiligt, denn die Schüler der Lehrlingsanstalten und Fachschulen absolvierten Praktika bei ihnen. Die Ausbildung von Lehrlingen unterschied sich allerdings grundsätzlich von jener ihrer Meister und älteren Kollegen, die in der Vorkriegszeit ihr Handwerk erlernt hatten. Sie wohnten nicht mehr bei ihren Eltern, die oftmals selbst als Glasmacher tätig gewesen waren, sondern in „bequemen, modern ausgestatteten Internaten, wo die Lehrlinge außer Wohnung auch komplette Verpflegung“ erhielten. Ihre Arbeitszeit war verkürzt, sie bekamen Taschengeld und verdienten „im letzten Jahr bereits schön“.22 Ferner erhielten Lehrlinge kostenlose Arbeitskleidung und Arbeitsschutzmittel wie Asbesthandschuhe und Schutzbrillen für die Arbeit am Glasofen sowie Fahrgeldsubstitutionen.23 Im Anschluss an ihre Abschlussprüfung konnten die Besten an eine Glasfachschule wechseln, wo ihnen in der Regel ein bis zwei Jahre auf die dortige Ausbildung angerechnet wurden. An eine Fachschule gingen auch interessierte Abiturienten der Oberschulen.24 Die Glasfachschüler erhielten eine praxisnahe fachliche und künstlerische Vorbereitung auf ihren Beruf. Für die Ausbildung von Glastechnologen existierte an der Glasfachschule in Nový Bor bereits seit 1910 eine „Versuchs- und Untersuchungsanstalt“, die erste in der ehemaligen k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn. Zum 1. Januar 1960 wurde hier ein Forschungsinstitut zur Hafenherstellung und Wirtschaftsglasentwicklung (Výroba pánví a vývoj užitkového skla – VPUS) eingerichtet, das ab 1965 als Forschungsanstalt für Wirtschafts-
Werkstatt im nahe gelegenen Josefodol. Dieses Institut unterrichtete Glasschnitt und Industriedesign in einem Drei-Jahres-Programm. Seit 1978 wurde ein berufsbegleitendes Gymnasium für Arbeitnehmer hinzugenommen. Aufgrund der hohen Zahl der Schüler, um also nicht in zwei Schichten unterrichten zu müssen, wurde das Gebäude in den Jahren 1981 bis 1982 um ein Stockwerk erhöht. Zur gleichen Zeit wurde die Schule um zwei Niederlassungen in Poděbrady und Chlum u Třeboně erweitert. Velínská. In: Keramika a sklo 6/2006, S. 24/25. 20 Vor der Abschlussprüfung absolvierten die Lehrlinge eine viermonatige Praxiszeit in ihren Stammbetrieben. Skarlantová. In: GR 8/1989, S. 8. 21 Mergl/Pánková 1997, S. 192, 318. 22 Vojta. In: GR 2/1976, S. 22. 23 Jeník 1980, S. 53. Die Verwendung von Asbesthandschuhen blieb auch nach dessen Verbot üblich. „Asbest wurde für die Kleidung und Handschuhe immer als Isolationsmittel benutzt. Die Leute heute sind hysterisch. Jeder Materialersatz ist untauglich. Wir holen uns die Arbeitshandschuhe einfach aus China, dort ist das kein Problem.“ Gespräch mit Rudolf Hais, seit 1961 Chef-Techniker bei Crystalex, Nový Bor, 09.10.2003. 24 Urban 1972, S. 114.
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glas (Výzkumný ústav užitkového skla – VÚUS) diente.25 In Hradec Králové bestand ebenfalls seit 1923 ein Forschungsinstitut für die Glasindustrie, das Sklářský ústav Dr. E. Beneše, später umbenannt in Nationales Forschungsinstitut für Glas (Státní výzkumný ústav sklářský – SVÚS), welches 1945 aufgrund von Kriegsschäden zunächst wieder aufgebaut werden musste und ab dem 15. Mai 1946 der Generaldirektion der Glasindustrie in Prag unterstellt wurde.26 1951 erhielt es das Recht, Aspiranten auszubilden.27 Die hier ausgebildeten Glastechnologen berieten die Betriebe vor Ort. Auch in Prag wurde 1946 eine Forschungsanstalt für Glastechnik eingerichtet, die über lange Jahre neue Technologien in Arbeitsteams entwickelte.28 Zudem entstanden an der seit 1909 bestehenden Prager Chemisch-Technischen Hochschule (Vysoká škola chemicko-technologická v Praze) Speziallehrstühle für Silikate, in denen qualifizierte Technologen ausgebildet wurden.29 In dem vergleichsweise kleinen Land bildete sich trotz der Vielschichtigkeit der Lehrinstitute eine eng verschmolzene Dozenten- und Professorenclique heraus. Man kannte sich. Die Neubesetzung von offenen Lehrstellen erfolgte meist durch ehemalige Kollegen, Kommilitonen oder gar Schulfreunde. Von wenigen Protagonisten zusammengehalten, setzten sich die jeweiligen Kollegien aus wechselnden, oftmals wiederkehrenden Künstlerdozenten zusammen. Allerdings war deren Pädagogik genauso wenig homogen wie das künstlerische Schaffen ihrer Studenten. Die tschechische Glasszene praktizierte zu sozialistischer Zeit als kompakt verwobene Gemeinschaft, man hätte von einem „Kollektiv“ gesprochen, das in seiner Ungleichförmigkeit die Entstehung einer eigenständigen Kunstrichtung bewirkte. In diesem Kapitel wird zunächst ein Überblick der allgemeinen Struktur des tschechoslowakischen Ausbildungssystems mit Relevanz für den Glasbereich gegeben, welcher sich anhand der staatlichen Schulreformen chronologisch aufzeigen lässt. Im Folgenden werden in einzelnen Unterkapiteln die drei Glasfachschulen des Landes vorgestellt sowie die Kunstgewerbehochschule in Prag. Ausbildungsförderung und Bildungschancen sind zentraler Gegenstand eines abschließenden Unterkapitels. Dabei werden zunächst staatliche und betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen und Förderprogramme für Studenten der VŠUP vorgestellt. Zum Abschluss wird der Frage nach akademischer und beruflicher Chancengleichheit für weibliche Glasgestalter nachgegangen.30
25 Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit endete nach 35 Jahren zum 1. Januar 1995 im Rahmen der Umwandlung der Gesellschaft Crystalex in eine Aktiengesellschaft. Hais. In: Sklář a keramik, 10–12/2010, S. 205-207. 26 Fanderlik. In: GR 7/1980, S. 10. 27 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 258. 28 Lehner. In: GR 11/1971, S. 330/331. 29 Panc. In: GR 6/1974, S. 3. 30 Diese knappe Einführung versucht eine erste gesonderte Darstellung weiblicher Präsenz im Genre tschechische Glaskunst, ohne eine systematische Verknüpfung mit gendertheoretischen Forschungsansätzen vorzunehmen.
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4.1 Sozialistisches Schulwesen Nach seinem Selbstverständnis gewährleistete das tschechoslowakische Schulsystem seit der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 den einheitlichen Zugang zu Bildung. Indem das private, meist kirchliche, Schulwesen verstaatlicht und der kostenfreie Pflichtschulbesuch für alle Kinder und Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr ermöglicht wurde, brach es mit der dualistischen und selektiven Bildungstradition der Vorkriegszeit.31 Das Gesetz 95/1948 Sb. vom 21. April 1948 formulierte die Grundlagen der marxistischen Erziehung und setzte damit ein neues pädagogisches Ziel im Hinblick auf den „Aufbau des Sozialismus“. Alle Schulen sollten beginnen, Personal nicht für private Unternehmen auszubilden, sondern als Angestellte für die nationalisierte Industrie mit ihren Großbetrieben.32 Die Lehre an Schulen, weiterbildenden Einrichtungen und Universitäten erhielt generell einen „polytechnischen Charakter“, welcher sich auf die Vermittlung praktischer Kenntnisse konzentrierte. Der Besuch von Glasfachschulen fügte sich aus ideologischer Sicht nahtlos in diese Programmatik ein, zumal der handwerkliche Unterrichtsanteil in diesen Einrichtungen zwangsläufig sehr groß war.33 Man differenzierte zwei Arten von Fachschulen, die Glasfachschule (Stredná o dborná škola sklářská – SOŠS) und die Kunstgewerbefachschule für Glas (Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská – SUPŠS), später kam noch der Typus der Höheren Glasfachschule (Vyšší odborná škola sklářská – VOŠS) dazu. Die Ausbildung an Glasfachschulen dauerte in der Regel drei Jahre und für Schüler mit abgeschlossener Lehre ein bis zwei Jahre. An Kunstgewerbefachschulen für Glas, die mit der Reifeprüfung (Matura) abgeschlossen wurden, dauerte die Ausbildung vier Jahre, allerdings nur zwei für Studenten, die bereits auf einer allgemeinbildenden Mittelschule oder auf einer „Mittelschule für Werktätige“ das Abitur erworben hatten.34 An diesen Instituten konnten die „fähigsten ausgebildeten Lehrlinge ihre Bildung durch besonders beauftragte Meister vertiefen“35 und sie bildeten auch ein Sprungbrett zu weiteren Studien an der VŠUP. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass man „den besten Söhnen der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauern den Besuch von Oberschulen und das Hochschulstudium“36 ermöglichen müsse, während „Töchter“ generell und die „Söhne“ aus der Schicht der „Intelligenz“ unerwähnt blieben. Das Par31 Damals erlangten nur etwa 8 Prozent der Schüler die „Matura“, welche ihnen den Hochschulzugang ermöglichte, alle anderen hatten nach Beendigung der Bürgerschule nur die Wahl eines praktisch orientierten Berufes. Das „Gesetz über die einheitliche Schule“ vom 21. April 1948 legte eine neunjährige Schulzeit fest (Fürmann 2009, S. 44). Die Ausbildung an Mittelschulen und Gymnasien war zuvor schulgeldpflichtig. 32 Kurfiřtová 2010, S. 47. 33 Etwa ein Drittel der Unterrichtszeit wurde der praktischen Ausbildung unter der Anleitung eines Gestalters oder Meisters in den Hütten gewidmet. GR 10/1971, S. 294. 34 Urban 1972, S. 114. 35 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 4. 36 Orbis 1980, S. 266.
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teidiktat bestimmte von nun an die Lehrinhalte in allen Bildungsstätten. Nach dem Vorbild der sowjetischen Schule fungierten die Dozenten als „Dolmetscher“ der Politik der kommunistischen Partei. Sie wurden wegen ihrer Herkunft und politischen Haltung als für diese Rolle geeignet befunden.37 Für den Bereich der Glasfachschulen und den beiden Ateliers für Glasgestaltung, aber auch für die Fachbereiche Textildesign, Metall oder Keramik an der Kunstgewerbehochschule traf dies jedoch im Gegensatz zu den etablierten Universitäten38 nur bedingt zu, selbst das Dogma der „Einheitskunst“ wurde hier nicht stringent vermittelt.39 Die Besetzung der Dozentenstellen oder auch Direktorenposten erfolgte in der Regel aufgrund der vorhandenen Erfahrung im Bereich des Glasmacherhandwerks. Dies nicht nur im Hinblick auf eine derartige Berufsausbildung, sondern in den meisten Fällen, weil sie schon langjährig eine Lehrtätigkeit innerhalb der bestehenden Ausbildungsstätten bekleideten.40 Glasdozenten waren also nicht per se Parteimitglieder.41 Dozentenstellen wurden ab 1953 durch öffentliche „Konkursausschreibungen“ besetzt.42 An den Hochschulen wurde der Numerus clausus mit Aufnahmeprüfung durch eine Kommission eingeführt. Die Aufnahmeprüfung lief über drei Tage. Die Bewerber hatten ein Porträt zu zeichnen, aus Ton einen Kopf zu formen und einen Entwurf entsprechend klarer Vorgaben für einen Gebrauchsgegenstand anzufertigen.43 Die Zulassung erforderte zusätzlich eine Empfehlung der Schule, also den bisherigen Lehrern und die von diesen während der Schulzeit erarbeitete „Persönlichkeitscharakteristik“44, seitens 37 Connelly 1999, S. 116, 117, 127–129. 38 Karlsuniversität in Prag (Univerzita Karlova v Praze), Masaryk-Universität in Brno (Masarykova univerzita v Brně), Comenius Universität in Bratislava (Univerzita Komenského v Bratislave). 39 „Following the communist putsch in February 1948, the academy organization and orientation was substantially transformed. The dogmatic emphasis on ideology and political aspects prevailed over artistic demands and the need to train and educate open-minded and independent artists. A number of new teachers unconditionally conformed and adapted the social realism and the only studios which preserved their independence were the technical ones (textile, glass, metal, ceramics).“ Homepage der Vysoká škola umělecko průmyslová v Praze, URL: (Stand 04.08.2013). Siehe auch Kapitel 5.1.1, S. 237 und Kapitel 5.1.4, S. 273. 40 Siehe Kapitel 4.2.3, S. 185. 41 Die Dozenten Jiří Harcuba, Karel Vaňura und René Roubíček traten schon in den 1950er Jahren aus der KSČ aus, obgleich sie in den 1960er Jahren und teilweise lange danach noch als Professoren tätig waren. Stanislav Libenský gab 1970 seinen Parteiausweis ab. Die Professoren Josef Kaplický und Vladimír Kopecký wie auch Václav Cigler, Leiter der Glasabteilung an der Universität in Bratislav, waren nie Mitglied der Partei. 42 Hübnerová 1958, S. 123. 43 Petrová 2007, S. 15. 44 Glaskünstler erwähnen in Gesprächen noch heute, auf wessen Empfehlung ihnen die Aufnahme an der VŠUP ermöglicht wurde. Kopecký beispielsweise wurde von Libenský empfohlen (Libenský/Nakama 1990, o. S.), Oliva Senior auf die von Roubíček (Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ladislav Oliva, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: , [Stand 09.08.1913]) und Jiří Harcuba von seinem Lehrer Karel Hrodek. Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002.
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einer Behörde des Wohnorts, einer Jugendorganisation oder der Partei.45 Überhaupt war ein Parteiausweis förderlich für die erfolgreiche Immatrikulation. 46 Žertová: „Meine Kommilitonen waren oftmals in der Partei. Ich verstehe das irgendwie, denn sie sind nur auf der Hochschule angenommen worden, weil sie schon in der Partei waren und nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten. Junge Leute sind ja auch mit Idealen in die Partei gegangen. Die, die wegen des Profits eingetreten sind, kamen erst viel später.“47
Grundsätzlich sollte aber die Quote von Hochschulstudenten aus der Arbeiterschicht erhöht werden und nicht wenige Studenten der Glasateliers an der VŠUP stammten aus Arbeiterfamilien.48 Die Idee von der „führenden Rolle der Arbeiterklasse in der Gesellschaft“ war Legitimitätsgrundlage des sozialistischen Systems.49 1955 studierten an 40 Hochschulen mit 106 Fakultäten bereits 48.534 Hochschüler.50 Zum Studium in den beiden Ateliers für Glasgestaltung an der Prager Kunstgewerbehochschule wurden so bevorzugt Absolventen der Glasfachschulen zugelassen, die zwar keine reguläre Matura, jedoch eine abgeschlossene Fachschulausbildung mitbrachten51, also entsprechend der Klasseneinteilung zu den Arbeitern gehörten.52 Jiřina Žertová53 wurde 1950 sogar aufgenommen, obgleich sie bei ihrer Bewerbung erst 17 Jahre alt war und weder die Matura noch einen Mittelschulabschluss mitbrachte. Ihr Vater arbeitete zu dieser Zeit als Agraringenieur bei einem Ministerium.54 Ein Gegenbeispiel liefert Dagmar Kudrová, der die Aufnahme an die VŠUP 1952 verweigert wurde, da ihr Großvater Fabrikbesitzer gewe45 Urban 1972, S. 1. 46 Zugang zu den Hochschulen erhielten auch von der KSČ positiv beurteilte Absolventen von „Arbeiterkursen“, denen ein halbjähriger Lehrgang die Gymnasialzeit ersetzte. Diese fanden sich jedoch nicht unter den Glasautoren. Vgl. Gawrecká 2011, S. 98. 47 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003. Žertová studierte von 1950 bis 1955 an der VŠUP. 48 Spiritová 2010, S. 145; Siehe auch Kapitel 5.1.4. 49 Die „führende Rolle der Arbeiterklasse“ wurde nach 1948 so ausgelegt, dass ausgewählte Arbeiter von der KSČ in fachlich spezialisierten Positionen eingesetzt wurden. Da die qualifiziertesten Arbeitskräfte dringend in den Nationalunternehmen und Betrieben benötigt wurden, fielen diese Positionen meist einfachen Hilfsarbeitern zu. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde der Zugang zu einem Hochschulstudium wie auch zu Mittel- und Fachschulen für junge Arbeiter und Kinder aus Arbeiterfamilien erleichtert. Kalinová 2005, S. 94. 50 1938 existierten neun Hochschulen mit 42 Fakultäten, an denen etwa 19.000 Studenten immatrikuliert waren. Hübnerová 1958, S. 104. 51 Vodinský 1993, S. 60. 52 Zu diesen zählten beispielsweise die Glaskünstler Bohumil Čabla, Vaclav Cigler, Bohumil Eliáš, Jiří Harcuba, Pavel Hlava, Stanislav Libenský, Oldřich Lípa, Felix Průša Junior, Vratislav Šotola, František Vízner und Karel Wünsch. 53 Žertová (geb. 1932) besuchte von 1947 bis 1950 die SGŠ und dann bis 1955 das Atelier von Kaplický an der VŠUP. Danach arbeitete sich als freischaffende Künstlerin, lieferte aber regelmäßig Entwürfe für Glasbetriebe. 54 „Der Vater musste unterschreiben, er arbeitete im Sudetenland, war also nicht zu Hause. Ich habe einfach die Unterschrift meines Vaters gefälscht, denn ich wusste, dass er dagegen gewesen wäre. Er hatte Angst, dass
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sen war.55 Sie besuchte stattdessen von 1953 bis 1957 die Glasfachschule in Nový Bor und lieferte später, auch ohne Hochschulstudium, Entwürfe für die Glaswerke Spojené sklárný im slowakischen Lednické Rovne, für Borské sklo, arbeitete an der Forschungsanstalt für Wirtschaftsglas (Výzkumný ústav užitkového skla) in Nový Bor, wo sie für die Revitalisierung historischer Glastechniken zuständig war, und ab 1974 fest angestellt für Sklárný Bohemia in Poděbradý. Andere emigrierten, weil ihnen der Zugang zum Studium verweigert wurde, so Michael Pavlik und Martin Rosol.56 Mit dem Schuljahr 1948/49 wurde die vormals dreijährige Fachschulausbildung an den Glasgewerbeschulen in Nový Bor und Železný Brod um ein Jahr auf Weisung des Regierungsbeschlusses 95/1948 Sb. verlängert57, was ihnen die Einstufung als Kunstgewerbefachschule und damit den Studenten den erweiterten Maturaabschluss mit Hochschulqualifikationskriterium einbrachte. Die Schule in Kamenický Šenov hingegen musste trotz Petition des Nationalausschusses und ansässiger Betriebe an das Ministerium für Schulwesen und Kultur an einer dreijährigen Ausbildung festhalten.58 Erst 1961 verlängerte sich dort das Studium auf vier Jahre.59 Lubomír Blecha60, Vladimír Jelínek, Rudolf Jurnikl61, Vladimír Kopecký62, Jan Novotný, Ladislav Oliva Senior und František
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man mich nach einem Jahr herauswirft – habe es trotzdem gemacht! Ich brauchte eine Ausnahme, denn ich war ohne Matura und war noch keine 18 Jahre alt.“ Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. Vgl. Interview Milan Hlaveš mit Dagmar Kudrová vom Oktober 2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 19.08.2013). Kudrová (auch Kudrová-Seifertová, geb. 1934) stammte aus Poděbrady. Sie absolvierte die SOŠS von Nový Bor, bevor sie von 1953 bis 1957 die Schule in Železný Brod besuchte. Danach arbeitete sie als Gestalterin in diversen Glasbetrieben. Ihr Trinkglasservice wurde bei der Mailänder Triennale 1960 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Petrová 2001, S. 246. Petrová 2007, S. 32, 36, 37. Langhamer/Hlaveš 2010, S. 41. Langhamer 2005a, S. 40. Das Studium wurde nun für diejenigen Schüler, die für volle vier Jahre studierten, mit einer Abiturfachprüfung abgeschlossen. Die Schule wurde in die Reihe der Kunstfachschulen (Kunstgewerbefachschule für Glas - Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská) aufgenommen und auf die Veredlung von Hohlglas sowie das Entwerfen von Leuchten orientiert. GR 8/1971a, S. 228. Blecha (1933–2009) besuchte ab 1948 die SOSŠ Kamenický Šenov, bevor er 1952 an die VŠUP ins Atelier von Kaplický wechselte. Nach seinem Abschluss 1958 arbeitete er als freischaffender Glaskünstler in der Slowakei und unterrichtete dort für mehrere Jahre an der Kunstfachschule in Zvolen. Blecha unterhielt zuletzt ein privates Atelier in Sliač Kúpele. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 371. Jurnikl (1928–2010) erhielt während des Krieges eine Ausbildung zum Glasschneider in der Firma Karel Matušek. Von 1945 bis 1948 absolvierte er die SOŠS in Kamenický Šenov und wechselte im Anschluss bis 1953 an die VŠUP zu Professor Štipl, dessen Aspirant er wurde. Von 1960 bis 1988 war er Gestalter an der Glashütte Rudolfova huť in Dubí u Teplice, Nationalunternehmen Sklo Union, wo er sich auf handgepresstes Glas spezialisierte. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 381. Kopecký (geb. 1931) wechselte zuvor noch von Kamenický Šenov, wo er unter René Roubíček erste Impulse für künstlerische Glasgestaltung erhalten hatte, nach Nový Bor an die Fachschule. Ein Schulfreund von ihm war Václav Hubert.
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Tejml, die ihre Ausbildung in Kamenický Šenov absolvierten, konnten trotzdem an die Kunstgewerbehochschule wechseln. Sie hatten erfolgreich die obligatorische Aufnahmeprüfung bestanden und scheinbar benötigten sie den Maturanachweis nicht. Im Jahr 1952, dem letzten Abschlussjahrgang der Schule vor ihrer temporären Schließung, machten 380 Bewerber diesen Test, welcher aus mehreren Durchgängen bestand.63 Der Zwischenschritt eines praxisbezogenen Lehrgangs wurde staatlicherseits ermöglicht durch einen bereits 1946 gegründeten Ausschuss für die Pflege künstlerischen Nachwuchses (Výbor pro péči mladých umělců), der zwei Jahre später das Zentrum für Volkskunstproduktion (Ústředí lidové a umělecké výroby – ÚLUV)64 angegliedert wurde.65 Dieser Ausschuss gewährte die außerschulische Ausbildung für Studenten und Absolventen der Fach- und Kunsthochschulen direkt in ausgesuchten glasproduzierenden Betrieben wie den Lobmeyr-Studios in Kamenický Šenov, den Atelierverbänden Borské atelierý (Bor Studios)66, in Nový Bor und Železnobrodské sklo in Železný Brod. Aber auch in den Glaswerken Sklářské Inwald in Dubí u Teplice, Poděbradý und Josefodol erwarben die Studenten praktische Erfahrungen in der Glasherstellung seitens qualifizierter Glasmacher.67 Üblicherweise liefen diese Praktika einen Monat lang während der Semesterferien und dies einmal jährlich. Die Studenten sollten in diesem Zeitraum verschiedene Abteilungen in den Betrieben kennenlernen.68 Václav Hanuš erinnert sich an sein Praktikum bei Sklářské Inwald, Josefodol, wie folgt: Hanuš: „Dort hat uns die Geschäftsleitung nicht verwöhnt, sie stellten mich mit einer Kollegin vor den Ofen und drückten uns das Basiswerkzeug – das bedeutet eine Pfeife und Schere – in die Hand. Sie belehrten uns, wie man was tut und ließen uns basteln. Und dann haben wir einen Monat gebastelt.“69
Das Praktikum diente den Studenten der VŠUP demnach auch als Experimentierwerkstatt für die Umsetzung ihrer Ideen außerhalb des akademischen Betriebs. Sie konnten 63 Interview Milan Hlaveš mit Vladimír Jelínek, Teil 1, Ausgabe 16/2007 im Fórum S der glassrevue. com, URL: (Stand 08.08.1913). Oldřich Lipský hatte nach seiner Fachschulausbildung in Kamenický Šenov von 1948 bis 1950 als Graveur und Schleifer für die Lobmeyr-Werkstätten gearbeitet, bevor auch er an die VŠUP wechselte. 64 Das ÚLUV war mit Präsidentendekret im Oktober 1945 ins Leben gerufen worden, um die Organisation und die Unternehmensführung von ausgewählten Betrieben zu überwachen. Siehe Kapitel 5.2.4. 65 Langhamer 2005a, S. 36. 66 Am 1. Juli 1948 wurden diese Werkstätten gemeinsam mit der Firma Lobmeyr, den Prager Mosaikwerkstätten (Česká mosaika) und den Vačkář-Glaswerkstätten (Sklenářská dílna) in Brno in das Nationalunternehmen Umělecké sklo (Kunstglas) eingegliedert. Dieses sollte sich explizit um innovative Glasdesigns bemühen. Siehe Kapitel 5.3, S. 307. 67 Im ersten Jahr erhielten bereits 291 Studenten Stipendien für solch ein Betriebspraktikum, davon 44 Glasmacher. Raban 1963, S. 14. Siehe Kapitel 3.2., S. 78, und Kapitel 5.2.4, S. 223. 68 Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. 69 Interview mit Václav Hanuš in: Havlíčková/Nový 2007, o. S.
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den Betrieb für diese Zwangsaufenthalte während ihrer Ferien offenbar auch frei wählen.70 Jiřina Žertová absolvierte gleich drei Mal eine Praxiszeit bei Karlovarské sklo, Moser in Karlovy Vary, denn sie war dort jede Woche in einer anderen Abteilung und konnte die unterschiedlichsten Techniken ausprobieren.71 Mit Gründung des Instituts für Wohnund Bekleidungskultur (Ústav bytové a oděvní kultury – ÚBOK)72 1959 wurde der Ausschuss aufgelöst und seine Aufgaben dem neu errichteten Institut übertragen. Fünf Jahre nach der ersten Schulreform wurde am 24. April 1953 das reformierte Schulgesetz 31/1953 Sb. erlassen. Es verkürzte die Schulpflicht um zwei Jahre, die der allgemeinen Grundschule von neun auf acht und des Gymnasiums von vier auf drei Jahre73. Die Hochschulreife konnte demnach bereits nach elf Schuljahren erworben werden. Diese Strukturveränderung hatte vornehmlich wirtschaftliche Beweggründe, denn der herrschende Nachwuchs- und Facharbeitermangel sollte so zügig aufgefangen werden74. Pädagogische Gesichtspunkte blieben bei der Schulreform 1953 unberücksichtigt. Eltern und Lehrer wurden vor vollendete Tatsachen gestellt75 und im Resultat führte der stark komprimierte Unterricht zu einer Überbelastung der Schüler.76 Nach wenigen Jahren wurde ersichtlich, dass es immer weniger von ihnen gelang, die Abschlussprüfung der Grundschule zu bestehen und die Zulassung für den Besuch weiterführender Schulen und die Hochschule zu erlangen. Die Qualität der Ausbildung und damit die Qualifikation der Berufseinsteiger nahmen merklich ab.77 Gleichzeitig erreichte man den gewünschten wirtschaftlichen Effekt, denn immer mehr Schüler hatten keine andere Wahl, als sich für eine Lehrlingsausbildung zu entscheiden, anstatt ein Hochschulstudium zu verfolgen.78 Eine Veröffentlichung des Pädagogischen Staatsverlages in Prag von 1958 stellte fest: „Damit alle Schüler an den Elfjahresschulen studieren können ist es unumgänglich notwendig, das leidige Durchfallen der Schüler zu beseitigen. In der heutigen Tschechoslowakei ist [der schulische Erfolg] eine Angelegenheit von erstrangiger politischer und wirtschaftlicher Wichtigkeit. Beim großen Werke des sozialistischen Aufbaus rechnet der 70 „Die Studenten mussten sich selbst um diesen Platz kümmern.“ Interview mit Miluše Roubíčková, 02.02.2004. 71 „Ich war dort in der Hütte, Schleiferei und der Malerei. Am Ende war ich noch bei Ertl in Novy Bor, wo alles gemacht wurde in einem Experimentalatelier hinter der Kirche.“ Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. 72 Siehe Kapitel 5.2.3. 73 Kudela 1990, S. 45. 74 Köhler-Baur 1999, S. 113. 75 In der Tschechoslowakei war die Rolle der Eltern bei der schulischen Ausbildung eher nebensächlich. OECD 1996, S. 20. 76 Göring 1974, S. 35. 77 Im November 1951 wurde offiziell festgestellt, dass eine alarmierende Anzahl von Studenten aus der Arbeiter- und Bauernklasse ihr Studium aufgab. Der Grund hierfür seien die „verkürzten Vorbereitungskurse für Arbeiterkader“. Connelly 1999, S. 270. 78 1963 machte zwei Drittel aller Jugendlichen eine Lehre. Vodinský 1963, S. 36.
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Staat mit jedem Bürger – und der junge Mensch, der nicht genügend Kenntnisse und keine abgeschlossene Bildung erworben hat, bedeutet einen großen Verlust für das Kollektiv. Vom Bürger verlangt man, daß er nicht nur arbeitet, sondern daß er gleichfalls die Arbeitsproduktivität erhöht, damit durch sein Zutun und seine Mühe mehr, besser, und billiger erzeugt und dadurch der Wohlstand des ganzen Volkes erhöht wird. Für solche Aufgaben sind gebildete Menschen notwendig. Die tschechoslowakische Schule will keine außerordentlichen Individuen erzeugen, sondern allen Schülern einen hohen Bildungsdurchschnitt bieten.“79
Das Gesetz von 1953 regelte auch das „außerordentliche Studium für Werktätige“, äquivalent mit dem heutigen berufsbegleitenden Studium, das bereits seit 1951 angeboten wurde.80 An diversen Schulen, von den Elfjahreschulen und Fachschulen angefangen bis zu den Hochschulen, studierten 1956 neben ihrer Beschäftigung fast 52.000 Hörer, entweder im Abend- oder im Fernstudium.81 Gerade in den naturwissenschaftlichen und technischen Fachbereichen war der Anteil der werktätigen Studenten hoch und wurde zweifellos durch das nachträgliche Studium vieler Funktionäre in den Betrieben verursacht. Diese hatten ihre Stellungen aufgrund politischer Entscheidungen erhalten und mussten dann häufig die fehlende Fachqualifikation nachholen.82 Die vermeintlich großzügige staatliche Förderung der Bildungschancen für Erwerbstätige darf also nicht als Möglichkeit zur Weiterbildung persönlicher Fähigkeiten und Interessen verstanden werden, sondern diente ausschließlich der Unterstützung planwirtschaftlich festgelegter Ziele. Der einzig bekannte Glasgestalter, der diese Art der Weiterbildung nutzte, allerdings erst in den 1960er Jahren, war Jaroslav Svoboda.83 Die Beschäftigten der Schwerindustrie sowie einfache Arbeiter wurden lohnpolitisch bevorzugt, um die planwirtschaftlich geforderten Arbeitskräfteverhältnisse zu gewährleisten.84 Viele Schulabgänger wählten also einen Ausbildungsplatz, der ihre finanzielle Zukunft sicherstellte, anstatt über ihren Berufswunsch nach persönlichen Interessen und Fähigkeiten zu entscheiden. Die propagierte Gewährleistung einheitlicher Bildungschancen in allen Bereichen der Industrie, Landwirtschaft, Kultur und Dienstleistungsgewerben wurde wegen der ungerechten Gehälterverteilung bereits im Keim 79 Hübnerová 1958, S. 34/35. 80 Vodinský 1963, S. 68. 81 Göring 1974, S. 34. Regierungsverordnung 2/1954 Sb. hatte ursprünglich 50.000 Hörer an Hochschulen als Ziel gefordert, die Zahl würde demnach überschritten. Kudela 1990, S. 57, 69, 70, 105. 82 Rund die Hälfte aller Fachmittelschüler waren „ältere Hörer, die häufig exponierte Stellungen in den Organisationen einnähmen“. Göring 1974, S. 66/67. 83 Svoboda absolvierte von 1966 bis 1970 ein Studium in Geschichte und Philospohie an der Pädagogischen Fakultät der Karlsuniversität parallel zu seiner Anstellung bei Škrdlovice. Adlerová 1981, S. 173. Zu Svoboda siehe auch Kapitel 4.3, S. 213 f. 84 Die Regierung versuchte durch eine einseitige Nivellierung der Löhne die Berufswahl der Schulabgänger in die jeweilige Richtung zu lenken, die der Ökonomie des Landes am zuträglichsten war. Heumos 1999, S. 125.
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erstickt. Eine Folge der Egalisierung der Löhne, welche im Rahmen einer Gesamtstaatlichen Konferenz der KSČ im Juli 1960 als „Sieg des Sozialismus in der ČSSR und dem allmählichen Übergang zum Kommunismus“ festgelegt wurde85, war das zunehmende Desinteresse an einem Studium oder beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen. Dies betraf vor allem die wissenschaftlich-technischen Fachrichtungen, so dass 1963 weniger als ein Viertel aller Betriebsdirektoren und deren Stellvertreter eine Hochschulausbildung mitbrachten.86 1965 waren rund ein Drittel aller Lehrlinge ohne Grundschulabschluss, von denen die Mehrheit aus Arbeiter- und Bauernfamilien stammten. Bei einem Vergleich des Schulerfolgs in verschiedenen südböhmischen Bezirken wurde festgestellt, dass auch die überwältigende Mehrheit der Sitzenbleiber aus Arbeiter- und Bauernfamilien kam, während fast die Hälfte aller Kinder, die die Schule mit Auszeichnung besuchten, aus Funktionärs- beziehungsweise Akademikerfamilien stammten.87 Somit erreichte man mit der Schulreform von 1953 politisch-ideologisch genau das Gegenteil des sozialistischen Gleichheitsanspruchs, denn infolge ihrer sinkenden Qualifikation wurde der Zugang zu den Hochschulen immer mehr Kindern erschwert, deren Eltern der „Arbeiterklasse“ angehörten. Als Gegenmaßnahme wurden in den Aufnahmeverfahren der Hochschulen diese Jugendlichen unabhängig von ihrer Eignung bevorzugt zugelassen, so dass ihr Anteil an den Immatrikulierten stetig wuchs.88 Das neue Schulgesetz 186/1960 Sb. sollte im Einklang mit dem Verfassungsgesetz der Nationalversammlung vom 11. Juli 1960, in dem Bildung und Kultur zum „Gemeingut aller Werktätigen“ bestimmt wurde, die beschriebenen Qualifikationsverschlechterungen reformieren. Zunächst wurde die Grundschulzeit erneut auf neun Jahre verlängert, wobei der Unterricht generell auf dem „fakultativen und polytechnischen Prinzip“ aufgebaut sein sollte.89 Dieses Prinzip beinhaltete eine systematische Arbeitserziehung, die sich vom ersten bis fünften Schuljahr auf Handarbeitsfächer konzentrierte und vom sechsten bis neunten Jahr auf konkrete Produktionsbedingungen. In den dreijährigen Mittelschulen waren die einschneidenden curricularen Reformen am deutlichsten spürbar, denn neben der Vorbereitung auf die Matura sollten Facharbeiter für die Wirtschaft herangebildet werden. Ein Drittel der Unterrichtszeit war für die „Produkti85 Orbis 1980, S. 311–313. 86 Von 176.546 Ingenieuren hatten 37.772 nur eine Grundschulausbildung. Fojtik/Hartmann B./ Schmid 1978, S. 86. 87 Die Erhebung untersuchte 58 verschiedene soziale Faktoren wie die Beschäftigung der Eltern, Eigentums- und Wohnverhältnisse, Familienleben und die Anfahrt zur Schule. Dabei wurden 136 Sitzenbleiber und 330 Schüler mit Auszeichnung ermittelt. Über ähnliche Ergebnisse einer Untersuchung der Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Stellung der Eltern und den schulischen Erfolgen wurde auf einer Pädagogentagung 1966 diskutiert. Im Bezirk Karlovy Vary stammten 68 Prozent der Sitzenbleiber aus Arbeiterfamilien. Dagegen stammten von den Schülern mit Auszeichnung 50,8 Prozent aus „Nichtarbeiterfamilien“ und nur 3,4 Prozent aus „Bauernfamilien“. Urban 1972, S. 48. 88 Von 36,8 Prozent im Studienjahr 1950/51 auf 41,5 Prozent 1958/59 (Connelly 1999, S. 252). Die Ausbildung an der Prager VŠUP erhöhte sich mit Gesetz 46/1956 Sb. von fünf auf sechs Jahre. 89 UPM 1973, S. 73.
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onsarbeit“ und den theoretischen Unterricht in den „Grundlagen der Produktion“ vorgesehen.90 Mit diesem Doppelauftrag verlor das altbewährte Gymnasium (gymnázium) vollends seinen Charakter, griff aber schon viele Aspekte der aktuellen Diskussion infolge der Pisa-Studie auf mit einer Forderung nach mehr Praxisnähe in der schulischen Ausbildung. Immerhin konnten so mehr Lehrlinge die Qualifikation für einen späteren Hochschulbesuch erreichen.91 Für die heranwachsende Generation von Glasgestaltern der 1970er Jahre brachte diese Ausrichtung ebenfalls – wenn auch meist nur formal – Vorteile, denn sie beschäftigten sich ansatzweise schon in ihrer Schulzeit mit Fragen, die sie in ihrer späteren Tätigkeit als Industriegestalter für Gebrauchsglas anwenden konnten.92 Die Vereinheitlichung der Schulstruktur führte aber gleichzeitig zu einer Verhinderung einer Differenzierung. Der Begabungsdurchschnitt ging zurück, weil die fähigeren Schüler den Besuch einer vierjährigen Fachmittelschule dem der dreijährigen Fachschulen vorzogen. Diese Tendenz mag ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen sein, neben den Glasfachschulen in Nový Bor und Železný Brod auch die Gewerbeschule in Kamenický Šenov 1961 zu einer Höheren Glasfachschule (VOŠS) zu erheben.93 Schon 1964 kam es zu einer erneuten Reform des Schulsystems. Der polytechnische Unterricht wurde um etwa die Hälfte eingekürzt und kehrte zu einer eher traditionellen Lehrform zurück. Die militärische Intervention 1968 unterbrach alle weiteren Reformansätze. Grundsätzliche Veränderungen in den staatlichen Befugnissen der Bildungsstätten bewirkte das Verfassungsgesetz 143/1969 Sb., das die legislative Verwaltung dem Ministerium für Schulwesen und Kultur (MŠAK) übertrug. Die Schulzeit an den allgemeinbildenden Mittelschulen wurde wieder auf vier Jahre verlängert und sie erhielten den Titel „Gymnasium“ zurück, deren Matura nicht nur zum Hochschulbesuch, sondern auch für die Karriere in der Staats- und Wirtschaftsverwaltung berechtigte.94 Am 22. August 1969 ordnete die KSČ in einer Sondersitzung Strafen für „Vergehen gegen die öffentliche Ordnung“ an und ermöglichte die Entlassung aus Lehranstellungen mit sofortiger Wirkung ohne Berufungsmöglichkeit und Rücksicht auf geltende Arbeitsbestimmungen.95 Die an den meisten Hochschulen greifenden „Säuberungen“ im Bildungsbereich während der Phase der Normalisierung beschränkten sich für die VŠUP allerdings auf die Entlassung Jiří Harcubas als Professor.96 90 Urban 1972, S. 49. 91 Kudela 1990, S. 45. 92 Den „Arbeitsunterricht“ an den Grundschulen kritisierten tschechoslowakische Pädagogen aber schon in den 1960er Jahren: „Wir haben der Ausbildung einiger handwerklicher Geschicklichkeiten den Vorzug gegeben, ohne allgemeine und tiefere theoretische Vorbereitung.“ Die Ausstattung für diesen Unterricht war in vielen Fällen mangelhaft, die Lehrer nicht genügend geschult. Urban 1972, S. 34, 26 f. 93 GR 8/1971a, S. 228. 94 Kudela 1990, S. 46. 95 Tůma 1999, S. 133. 96 Siehe Kapitel 4.3, S. 212, und Kapitel 5.1.4, S. 261f.
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Anlässlich des XIV. Parteitages der KSČ im Mai 1971 wurde dem Schulsystem eine „neue Aufgabe“ erteilt, indem in einem Erlass betont wurde, „dass ein modern konzipiertes Schulwesen, das den wissenschaftlich-technischen Fortschritt mit den Gesetzmäßigkeiten des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft verfolgt, ein wertvoller Beitrag für die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft ist, zur Vertiefung der ideologischen und kulturellen Werte beiträgt und sich an der Formung der sozialistischen Lebensweise beteiligt“.97
Diese phrasenhafte Bestimmung legitimierte im Grunde genommen nur die nun greifende strengere Auswahl bei der Zulassung von Schülern und Studenten in die Glasund Kunstschulen, da diesen mit dem Dokument offiziell die Aufgabe übertragen wurde, für die „Kultivierung des Lebens-, Arbeits- und Wohnmilieus der Menschen“ zu sorgen, und die Ausrichtung der Lehrpläne einerseits auf Traditionstechniken wie die Gravur98 und andererseits auf die Ausbildung in allen Bereichen der maschinellen Produktion. Da als Grundvoraussetzung für die Zulassung an den Glasfachschulen und der Kunstgewerbehochschule ein „unzweifelhaftes künstlerisches Talent“99 vorhanden sein musste, welches durch eine Aufnahmekommission zu beurteilen und demnach zwangsläufig subjektiv war, wurden abgewiesene Bewerber bis heute nicht förmlich als Opfer der Normalisierung wahrgenommen und blieben namenlos. Am 21. Juni 1978 wurde ein neues Verfassungsgesetz erlassen, das erneut substantiell in das Ausbildungssystem eingriff. Die Pflichtschule wurde mit acht Jahren Grundschulzeit und zwei Jahren Oberschule auf insgesamt zehn Jahre verlängert, wobei der Unterricht „markant polytechnisch“ ausgerichtet war.100 Mit diesem Zusammenschluss der beiden Schultypen unter Abschaffung des Gymnasiums erreichte jeder Absolvent die Zulassung zu einem Studium an einer Mittelschule. 1980 besuchten bereits etwa 28 Prozent der Pflichtschulabgänger eine Fachschule und mehr als 20 Prozent der Fachschulabsolventen setzten ihr Studium an einer Hochschule fort.101 Die Schülerzahlen an den beiden Kunstgewerbefachschulen für Glas in Nový Bor und Železný Brod und auch der VŠUP nahmen zwar nur unwesentlich zu, aber die Bewerberzahlen stiegen wegen der neuen Gesetzgebung signifikant. Wenig später, 1981, erhielt auch die Fachschule in Kamenický Šenov den aufgewerteten Status einer SUPŠS, wohl um die wachsende Zahl der Kandidaten aufzufangen.102 Als letzte wichtige Änderung vor 1989 wurde noch das Gesetz 29/1984 Sb. erlassen, in welchem unter anderem an den Grund- und Oberschulen zusätzliche technologische Unterrichtsfächer eingeführt wurden, an den Oberschulen ganz konkret für die Vorbe97 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 3. 98 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 268 f. 99 Vodinský 1963, S. 68. 100 Jeník 1980, S. 91. 101 Ebenda, S. 50. 102 Langhamer 2005a, S. 43.
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reitung auf den Beruf des Kunstpädagogen.103 Schon kurz nach dem politischen Umbruch wurde im März 1990 das Schulgesetz von 1984 überarbeitet. Neben der Zulassung privater und kirchlicher Bildungsstätten und der Wiedereinführung der Schulform Gymnasium wurde die marxistische Doktrin aus den Lehrbüchern entfernt.104 Etwa drei Viertel der Professoren an der VŠUP wurde entlassen und durch Alumnimitglieder ersetzt, die an ihre Alma Mater zurückkehrten.105 An den Glasfachschulen wurden zwar die Direktoren ausgewechselt und auch einige Dozenten, doch ein Großteil des Kollegiums verblieb in seiner Position. Sowohl die Schulleiter als auch die neuen Lehrer rekrutierten sich zumeist aus ehemaligen Professoren oder Absolventen.106 Auch die Lehrpläne änderten sich zugunsten einer vermehrt künstlerischen und individualistischeren Ausrichtung, selbst in den glastechnologischen Fächern. Der technische Unterricht, beispielsweise an der Glasfachschule in Železný Brod, wurde in ein Fach für Angewandte Chemie umgewandelt.107 Zusätzlich richtete die Schule eine Abteilung für industrielle Formgestaltung ein, die Fachschule in Kamenický Šenov eine für Vitrographie. Innerhalb der tschechischen Republik eröffneten sich nach der Samtenen Revolution zudem neue Möglichkeiten der Ausbildung zum Glasgestalter. An der Jan-Evangelista-Pukyně-Universität (Univerzita Jana Evangelisty Purkyně – UJEP) in Ústí nad Labem bestand seit 1992 ein Glasatelier, dessen Leitung zunächst Pavel Mizera und danach der Libenský-Schüler Ilja Bílek übernahm, der es auch heute noch führt.108 Seit September 1993 besuchten die Studenten der Berufsschule für Glasmacher in Světla nad Sázavou vierjährige Studiengänge. Die Schule wurde von einem freien Träger übernommen. Drei Jahre später erhielt sie den Status einer Glasfachschule mit einer eigenen Schleiferei und kleinem autarkem Hüttenbetrieb, wodurch sie von der hiesigen Glashütte unabhängig wurde. Im Jahr 2000 fusionierte die Schule von Světlá nad Sázavou mit der Steinmetzschule in Lipnice. In neuen Werkstätten wurde nun auch Glasmalerei und Keramikkunst, seit 2004 Restaurierung unterrichtet. 2006 änderte sie ihren Namen in Akademie, Fachoberschule und Kunstgewerbefachschule Světlá nad Sázavou (Akademie – Vyšší odborná škola, Gymnázium a Střední odborná škola uměleckoprůmyslová Světlá nad Sázavou).109 Die „Akademie“ in Světla nad Sázavou bietet in getrennten Zweigen diverse Ausbildungen an, die in der „Akademie“ zur Lehrlingsprüfung, im „Gymnázium“ zum Abitur und der Kunstgewerbeakademie (Uměleckoprůmyslové akademie) zum Bachelorabschluss führen. In Letzterer existiert ein Glasatelier. Auch die Berufsschule für Glasmacher in Valašské Meziříčí, die 1980 zu einer Höheren Glasberufsschule (Střední odborné učiliště sklářské) bestimmt wurde, erweiterte ab 1994 103 Kudela 1990, S. 48, 55. 104 Jobst 2004, S. 57. 105 Siehe Kapitel 4.2. 106 Siehe Kapitel 4.2.1, 4.2.2 und 4.2.3. 107 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 212. 108 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 149. Das Atelier verfügt nicht über einen eigenen Showroom, gewährt dem interessierten Publikum aber zu Examenszeiten Einblick in seine Arbeit. 109 Homepage der Schule, URL: (Stand 25.09.2013).
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ihr Curriculum. Neben der handwerklichen Verarbeitung von Glas, zu Beginn unterrichtet von Jiří Šuhájek, Petr Tichánek und Jan Votava110, bot diese Einrichtung auch einen speziellen wirtschaftswissenschaftlichen Unterricht in der Abteilung Glasmanagement an. Die seit 1997 als Kunstgewerbefachschule (Střední uměleckoprůmyslová škola) geführte Einrichtung eröffnete 1999 ein Glasscentrum, in dem Glastechnologen in Laboratorien ausgebildet wurden sowie Workshops zu diversen Glastechniken angeboten werden konnten. Ab 2001 verfügte das Lehrinstitut über eine eigene Schulglashütte und erhielt 2002 den Titel einer Kunstgewerbefachschule und Berufsglasfachschule (Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská a Střední odborné učiliště sklářské). Dabei reihte sie sich als einzige mährische Bildungsstätte dieser Art in die Gruppe der drei vorgestellten nordböhmischen Glasfachschulen ein. In den vergangenen zehn Jahren erweiterte sie ihr Unterrichtsangebot sukzessive um mehrere künstlerische Disziplinen, wie angewandte Malerei, industrielle Formgestaltung, industrielles Design und Buntglaskunst. Die staatlichen Subventionen für die Glasfachschulen und die Kunstgewerbehochschule wurden seit 1989 insgesamt stark reduziert. Stattdessen erhielten sie verlässliche Entscheidungsbefugnis bei Lehrplänen und Organisationsabläufen. Generell verlagerte sich ihre künstlerische Orientierung weg von der heimischen Tradition und dem einheitlichen Programm der umfassenden Ausbildung in allen Einzelaspekten der Glasmacherkunst zugunsten einer eher kosmopolitischen Ausrichtung und Suche nach Indiviualität in der Formensprache.111 Betrachtet man die aktuellen Arbeiten tschechischer Glasstudenten in ihrer nahezu anarchistischen Vielschichtigkeit und obligatorischen Kombination mehrerer Materialien, kann man nicht umhin zu bemerken, dass diese Liberalisierung zu einer gewissen Beliebigkeit und Auswechselbarkeit geführt hat. Schon 2003 stellte die ehemalige Kuratorin für Modernes Glas am Prager Kunstgewerbemuseum Alena Adlerová fest: „Also, diese breite Glas-Generation, die gibt’s nicht mehr. […] Ich gehe immer am Ende des Schuljahres auf diese Ausstellung, aber es ist fast nichts dort. Ich denke, es gibt auch keine Möglichkeiten, diese unikalen Sachen irgendwie zu verkaufen, Ausstellungen zu machen.“112
In der Jubiläumsschrift der Glasfachschule von Kamenický Šenov von 2006 wies Adlerovás Nachfolger Milan Hlaveš auf die derzeitige wirtschaftliche Krise der Glasindustrie, aber auch der Glasinstitutionen mit Blick auf die wachsende Konkurrenz aus Asien hin. Er benannte den Transformationsprozess nach 1989 mit der einhergehenden Privatisierung der Staatskonzerne, die Auflösung der Vertriebskanäle und den Verlust traditioneller Märkte als Grundproblem. Der Weg aus dieser Sackgasse könnte, laut Hlaveš, in einer Rückbesinnung auf die spezialisierte Glasmacherausbildung liegen, welche „mas-
110 Langhamer 2003, S. 250. 111 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 149. 112 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003.
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terful artisans, expert technologists, talented artists and – last but not least – the experience and dedication of the glass schools’ teachers“ hervorgebracht hatte.113
4.2 Die drei Glasfachschulen Die Bedeutung einer fundierten Fachausbildung von Glasmachern wurde schon in der Vergangenheit als eine der Voraussetzungen für den erfolgreichen Handel mit Glasprodukten erkannt. Die sukzessive Gründung dreier Glasfachschulen in der nordböhmischen Region, wo sich ein Ballungsraum glasproduzierender Betriebe befand, konnte ab Mitte des 19. Jahrhunderts langfristig für die Bereitstellung qualifizierter Glasarbeiter und Hüttenmeister sorgen.114 Bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs begannen die einzelnen Glashütten, Nachwuchs auszubilden und die aus den Ostgebieten zugezogenen Arbeitswilligen umzuschulen.115 Auch an den staatlich subventionierten Glasfachschulen wurde der Unterricht zügig erneut aufgenommen. Die Glasfachschulen in Kamenický Šenov und Nový Bor öffneten im September 1945, die Fachschule in Železný Brod kurz darauf. In einigen von ihnen, so in Kamenický Šenov und Nový Bor, musste der gesamte deutsche Lehrkörper gegen tschechische Professoren ausgewechselt werden. Neben dem bereits erwähnten Alexander Pfohl116 in Nový Bor verblieb in Kamenický Šenov nur der Deutsche Max Tischer117 bis 1951 in einer Lehrposition. Übernommen wurde das bewährte Prinzip der Unterrichtsaufteilung zwischen jeweils einem gestalterischen und einem technischen Leiter in jeder Abteilung. Einer wesentliche Veränderung unterlief der Lehrplan: Wurden vor dem Krieg an den Fachschulen auch Buchhaltung und westliche Fremdsprachen gelehrt, so konzentrierte sich der Unterricht nun ausschließlich auf die handwerkliche Technik und selbstständige Entwurfsarbeit.118
113 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 157. 114 Siehe Kapitel 2.5. 115 Siehe Kapitel 3.1.2, S. 81. 116 Siehe Kapitel 2.5, Anm. 100, S. 47. 117 Tischer (1888–1956) lehrte bereits seit 1910 an der Schule. In den 1930er Jahren führte er die von ihm entwickelte Tiefsandstrahltechnik in den Lehrplan ein. 1951 ging Tischer nach Hadamar, wo er als Mitbegründer und Professor an der Glasfachschule wirkte. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 19, 30, 31, 276. 118 Ab 1949 führten die Schulen Tschechisch als Unterrichtsfach ein. Womöglich ist dies ein Hinweis auf die damalige Notwendigkeit, tschechischen Fachschülern, die während der Protektoratszeit eine deutsche Schule besucht hatten, ihre Muttersprache auch in geschriebener Form näherzubringen (Vgl. Wiedemann 2010, S. 53, 55, 56). Seit den 1950er Jahren gehörte auch „Körpererziehung“, also Sport, zum Lehrplan. Anfang der 1960er Jahre wurde das Fach „Ökonomie“, um 1965 Russisch eingeführt. Erst Mitte der 1980er Jahre wurden wieder westliche Fremdsprachen wie Englisch, Deutsch und Französisch angeboten. Langhamer/ Hlaveš 2010, S. 184, 187.
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„Es war dringend nötig, in der Praxis eine progressive Ansicht über Glas und seine Funktion im Leben sowie in der materiellen Kultur zu veranschaulichen. Diese Linie konnte nur von neuen, jungen Kräften konsequent durchgesetzt werden. Zu den glücklichen Umständen der damaligen Zeit ist zu rechnen, dass es diese Menschen wirklich gab.“119
Ehemalige Glasfachschüler aus der Region, die in den dreißiger und Anfang der vierziger Jahre ihre Studien an der Kunstgewerbeschule in Prag in den Ateliers der Professoren Jaroslav Holeček120, Josef Drahoňovský und Karel Štipl fortgesetzt hatten, kehrten an ihre Ausbildungsstätten in Kamenický Šenov und Nový Bor zurück. Es handelte sich dabei um Miloslav Babický121, Miloslav Hudík122, Rudolf Kalina123, Josef Khýn124, Stanislav Libenský, Otokar Novák, Felix Průša Junior125, Jan Štibych und andere aus dem Atelier von Professor Jaroslav Holeček (Abb. 14). Sie brachten ihre Kommilitonen Benjamin Hejlek, Josef M. Hospodka und René Roubíček mit. Roubíček: „Nach dem Krieg plante ich zunächst, ein eigenständiges Glasatelier zu eröffnen. Aber ich bekam die Möglichkeit, nach Nordböhmen zu gehen, nach Nový Bor und Kamenický Šenov zu den Glasfachschulen. Gemeinsam mit mir gingen Libenský und Hospodka.“126
119 Stehlík. In: GR 7/1966, S. 193. 120 Jaroslav V. Holeček (1907–1982) ging 1918 in die Glasmalerwerkstatt seines kinderlosen Onkels Josef Novák, wo er sein Handwerk erlernte. Im Anschluss wechselte er auf Vermittlung seines Onkels an die Glasfachschule in Haida, wo er zunächst abgelehnt wurde, da er kein Deutsch sprach. Holeček holte dies während seiner dortigen Ausbildung rasch nach und schloss mit Auszeichnung seiner Dozenten ab. Nun begann er ein sechsjähriges Studium an der UMPRUM unter Professor František Kysela. Aufgrund seines hervorragenden Abschlusszeugnisses wurde Holeček 1934 der erste tschechische Professor an der Glasfachschule Haida und 1937 zu deren Konrektor ernannt. Er verließ den Ort im Herbst 1938 und arbeitete für eine Weile in Železný Brod, bevor er als Professor für technisches Gestalten und kreatives Glasschaffen an die UMPRUM nach Prag berufen wurde. Nach Kriegsende wurde er der Kollaboration beschuldigt und unehrenhaft entlassen. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Langhamer 2003, S. 150/151. Siehe auch Kapitel 2.6, Anm. 147, S. 57. 121 Babický (geb. 1922) unterrichtete in Nový Bor gemeinsam mit Josef M. Hospodka, Karel Hrodek, Stanislav Libenský und Otokar Novák. 122 Über Hudík (geb. 1921) ist wenig bekannt. Seine Ausbildung erhielt er an der Fachschule in Nový Bor. Er besuchte während des Weltkriegs das Studio Holečeks an der Kunstgewerbeschule in Prag und blieb von 1945 bis 1951 Lehrer an der SOŠS in Kamenický Šenov. Biografische Angaben, UPM-Archiv. 123 Rudolf Kalina unterrichtete an der Berufsfachschule für Glasmacher in Nový Bor und wurde später ihr Direktor. Hartmann 2004, S. 61. 124 Neben Khýn (1918–1993) lehrten auch Alois Hásek (1906–1960) und René Roubíček (geb. 1922) in Kamenický Šenov. 125 Průša (1922–1999) wirkte nur für einige Monate als Lehrer für Gravur an der Schule in Kamenický Šenov. Langhamer 2005a, S. 38. 126 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004.
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Aus der Klasse von Professor Josef Drahoňovský und Professor Karel Štipl kamen Alois Hásek127, Ladislav Havlas, der als Fachlehrer unter Štipl gearbeitet hatte und die traditionelle Technik der Glyptik beherrschte, Karel Hrodek, Emanuel Mařík und Antonín Vodháněl128 in die Glasregion.129 Viele dieser jungen Männer, die gerade erst ihr Studium beendet hatten – einige von ihnen waren sogar noch ohne Abschluss – wurden nun selbst Lehrer an den Glasfachschulen. Sie wurden ohne abgeschlossenes Hochschulstudium, ohne Promotion und ohne Habilitationsverfahren zu Professoren ernannt.130 Harcuba: „Es gab diese totale Wende in den Schulen. Ich glaube, nur der Schulmeister, der war auch im Krieg da, aber sonst alle, vom Direktor bis zu dem letzten Lehrer, wurden ausgewechselt. Das war diese junge Generation, die schon vorbereitet war, weil sie studierten. Die Hochschulen waren geschlossen, niemand konnte studieren, nur diese Kunstgewerbeschulen, die keine Hochschule war, da konnte man noch auf relativ hohem Niveau Vorlesungen hören und arbeiten. Roubíček ging dann in diese Schule und viele andere, ich glaube auch Kotík und Hospodka und Libenský. Und die haben nicht einmal die Schule beendet ’45 und die sind gleich dem Ruf des Vaterlandes gefolgt. Die gingen für die Erneuerung des Glases in diese verschiedenen Schulen. Sie waren sehr jung, ich war 17 und Libenský war 23 äh 24 und Hospodka war erst 23 oder 22 Jahre alt. Der war der Jüngste in der ganzen Republik. Die wurden gleich zu Professoren ernannt. Man hätte denken können, also jetzt musste das bergab gehen, weil die besten Lehrer gingen fort in die Bundesrepublik.“131
Mit den jungen Absolventen der Prager Kunstgewerbeschule als Dozenten trat nun eine Wandlung in der gestalterischen Orientierung ein. Die neu ernannten Glasdozenten wurden seitens des Schulministeriums angehalten, den ideologischen Bruch mit traditionellen Ausbildungsrichtlinien zu verfolgen und erhielten, weil keine Vorgaben formuliert waren, absolute Entscheidungsbefugnisse in der Ausrichtung ihrer Lehrtätigkeit.132 Viele von ihnen waren nicht nur jung und idealistisch, sondern auch bereit, zu experimentieren und künstlerische Elemente in die Serienproduktion einzubeziehen. Die Konzentration auf die qualitative Verbesserung der handwerklichen Perfektion im Lehrplan wich der intensiven Suche nach neuen gestalterischen Konzeptionen. Bis dahin brauchte die Produktion Arbeitskräfte für den Einsatz in traditionellen Techniken und 127 Hásek (1906–1960) war ein Student Josef Drahoňovskys und Karel Štipls an der UMPRUM. Bis 1952 blieb er als Dozent in Kamenický Šenov und wechselte dann an die SOŠS in Železný Brod, wo er bis zu seinem Tod unterrichtete. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 128 Mařík und Vodháněl wirkten beide an der Berufsschule in Nový Bor und beteiligten sich in der Künstlergruppe Block des tschechischen Glases (Blok českého skla). Langhamer/Vodruška 1991, S. 132. 129 Langhamer 1985, S. 40. 130 Die Bezeichnung „Professor“ konnte vor 1953 als wissenschaftlich-pädagogischer Titel auch „hervorragenden Fachleuten aus der Praxis“ verliehen werden. Hübnerová 1958, S. 123. 131 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 132 Wasmuth 2006, S. 116.
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forderte vor allem manuelle Geschicklichkeit seitens der Fachschulabsolventen, was sich im Curriculum widerspiegelte.133 Die Schüler kopierten meist repetitiv Musterzeichnungen, bis sie die Technik perfektionierten, während der eigenen künstlerischen Tätigkeit nur wenig Raum geboten wurde. Unter der Ägide der jungen Dozenten sollten sie nun selbst kreativ entwerfen. Sie kamen aus der ganzen Republik an die Glasfachschulen, so dass die in der Vergangenheit übliche Weitergabe des Berufes innerhalb der ansässigen Glasmacherfamilien aufgebrochen wurde.134 „In dieser Schicksalsstunde strömten aus Prag und anderen Landesteilen begeisterte Glaskünstler in diese Region. Sie hatten feste Vorstellungen und Pläne für die Neuorganisation und die thematische Ausrichtung des Lehrstoffes an den Schulen. In erster Linie wollten sie die traditionelle deutsche Auffassung der Glasproduktion, der Ausbildung und künstlerischen Gestaltung überwinden. Sie wollten die wesentlichen Eigenschaften des Glases wieder zur Geltung bringen – seine Durchsichtigkeit, seine optischen Merkmale, seine Räumlichkeit usw. Was sollte man sich mehr wünschen? Damals handelte es sich vielleicht um die größte Revolution in der künstlerischen Glasauffassung, seitdem wurde daran nur noch verbessert oder perfektioniert.“135
Bemerkenswert war die Tatsache, dass die neuen Lehrer nicht nur Glasmacher mit eigenem Fachschulhintergrund, sondern in erster Linie Maler und Bildhauer waren. Auch in der Vergangenheit hatten bildende Künstler den Glasfachschulen in Nordböhmen vorgestanden. Nach ihrer Gründung 1856 hatte der Maler Jan Dvořáček die Position des Direktors der Schule in Steinschönau (Kamenický Šenov) inne.136 Dvořáček nahm sich ausschließlich den damaligen Richtlinien für die Glasveredelung an, führte jedoch keine innovativen zeitgenössischen Tendenzen der Malerei in den Lehrplan ein. Die jungen Nachkriegslehrer hingegen orientierten ihre Unterrichtsinhalte sehr wohl an modernem Kulturgeschehen. Sie hatten ihre Kindheit und Jugend in einer demokratischen Gesellschaft verbracht und zu jener Zeit Zugang zu internationalen Kunstströmungen. Harcuba: „Und die neuen Lehrer hatten keine Erfahrung, es war eben anders. Die alten Lehrer waren schon alt und die hatten ihren Höhepunkt im Art Déco, in den zwanziger Jahren, ja? Und von dem lebten sie. Und was im Kriege neu geschaffen wurde war nichts Besonderes, das war beeinflusst von diesem Realismus, nicht? Der Faschismus hat einen ähnlichen Realismus wie der Stalinismus, die waren sich sehr ähnlich. Dann kam diese junge Generation, 133 GR 8/1971a, S. 228. 134 Langhamer 2005a, S. 38. 135 Zitat Karel Rýbacek. In: Langhamer 2005a, S. 37. 136 Karel Hetteš gibt einen umfangreichen Überblick zur Organisation der Schule in ihrer Entstehungszeit: Hetteš. In: GR 6/1966, S. 161–163. Eine Bronzetafel zum Gedenken an Dvořáček wurde im Rahmen der 110-Jahr-Feier der Schule 1966 am Portal angebracht. Diese Tafel von 1906 war in der Protektoratszeit entfernt worden. Mikolášek. In: GR 6/1955, S. 24; Langhamer. In: Av 2/1968, S. 167. Siehe auch Kapitel 2.5, S. 44.
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die das alles ablehnte. Das war zwar immer noch zu sehen, in den Ausstellungsräumen der Schule. Aber es wurde nicht mehr als Vorbild gezeigt, höchstens, als Vorbild in der handwerklichen Hinsicht, das war ausgezeichnet für Gravuren, aber künstlerisch, gestalterisch, da kam eine ganz andere Ästhetik. Das war Frankreich, das waren die Impressionisten, die Expressionisten, und vielleicht noch weiter. Das war eine Wende.“137
4.2.1 Glasfachschule Kamenicky´ Sˇenov Die Staatliche Glasfachschule in Kamenický Šenov (Steinschönau) ist die älteste Schule dieser Art weltweit. Sie wurde am 31. März 1856 in diesem traditionellen Zentrum der Glaserzeugung mit über 560 Glasmacherfamilien als Fachzeichen- und Modellierschule eröffnet138 und sollte „zur besseren artistischen Ausbildung der mit der Glasindustrie beschäftigten Bewohner dieser Gemeinde und der Umgebung“ dienen.139 Bereits in ihrem Gründungsjahr besuchten 154 Schüler die Einrichtung und diese wurde sukzessive ausgebaut, sowohl in ihren Räumlichkeiten als auch in ihrem Lehrangebot.140 Die Unterrichtssprache war auch nach 1918 Deutsch, als die Deutsche Staatsfachschule für Glasindustrie dem Ministerium für Schulwesen und Kultur der neu gegründeten Republik unterstellt wurde. In den Folgejahren errang sie einige wichtige Ehrungen bei internationalen Ausstellungen, so die Goldmedaille bei der „Exposition de L’Art Décoratif“ in Paris 1925. 1926 fusionierten die beiden Glasfachschulen von Steinschönau und Haida (Nový Bor). Dieser Zusammenschluss endete aber schon nach zwei Jahren wieder und die beiden Schulen agierten wieder getrennt. Eine Entscheidung des Ministeriums führte 1937 zu einer zweiten Zusammenlegung der beiden Institutionen. Wilhelm Rössler fungierte kurzzeitig als Direktor in Steinschönau. Mit der deutschen Besetzung der tschechischen Grenzgebiete im Oktober 1938 verloren die Tschechen, obwohl ihnen eingeschränkt Autonomie in der Verwaltung, Rechtsprechung und Kultur zugesagt worden war, ihre Selbstständigkeit in jeder Hinsicht. Die Anträge auf die Einrichtung eines vierten Jahrgangs zu Erlangung der Matura sowie einer Abteilung für Leuchtengestaltung wurden abgelehnt141, nach dem Krieg aber wieder aufgegriffen, wie nachfolgend dargestellt. Anfang 1939 teilte man die beiden Schulen erneut und Alfred Dorn, zuvor Leiter der Schule von Haida, ersetzte Rössler.142 Die Protektoratsverwaltung verwehrte tschechischen Kindern eine weiterführende Ausbildung, so dass die Glasfachschulen nur 137 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 138 Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 80; Hetteš. In: GR 9/1956, o. S.; Langhamer/Hlaveš 2006, S. 12. 139 Österreichischer Schulbote, 04.04.1856, zitiert in: Hetteš. In: GR 9/1956, o. S. 140 Für eine tabellarische Übersicht der einzelnen Fachklassen und ihrer Dozenten seit ihrer Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs siehe Langhamer/Hlaveš 2006, S. 10–31. 141 Braunová/Werner 1998, S. 7. Siehe auch Kapitel 2.5. Anfang der 1930er Jahre hatte Pešánek bereits eine vergleichbare Abteilung für die UMPRUM angeregt. Vgl. Pečinková 2005, S. 51. 142 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 31. Siehe auch Kapitel 4.2.2, S. 175.
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noch einige wenige Tschechen mit sehr guten Deutschkenntnissen aufnahmen.143 Die Schule von Steinschönau lieferte nun einen Beitrag zur deutschen Kriegswirtschaft. Das Curriculum wurde auf die Produktion von Rüstungsteilen umgestellt.144 Parallel wurde der Unterrichtsbetrieb in den unterschiedlichen Glastechniken aufrechterhalten, wenn auch die Lehrer wegen ihres Einsatzes an der Front regelmäßig wechselten.145 Nach Kriegsende, im Sommer 1945, begann der Glastechnologe Jaromír Špaček146 auf Veranlassung des Schulministeriums, als Direktor der Glasfachschule in Nový Bor die Ausbildung tschechischer Glasfachkräfte aller Richtungen anzukurbeln147. In seinen Aufgabenbereich fiel auch die Reorganisation des Kollegiums in Kamenický Šenov. Am 1. September 1945 konnte die Glasfachschule als Kunstgewerbefachschule für Glas (Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská – SUPŠS) wiedereröffnet werden, zunächst unter der kommissarischen Leitung von Zeichenlehrer Josef Khýn148, vorläufig mit elf Schülern. Schon nach wenigen Tagen erhöhte sich ihre Zahl auf 26 und bald konnten sie in zwei Klassen aufgeteilt werden.149 Ladislav Havlas150 wurde am 1. November 1945 zum ersten Direktor ernannt. Zuvor hatte er als Professor für Steinschnitt an der Kunst143 Wiedemann 2010, S. 55. „Dein Sohn und vom Holík der Sohn [Lebensdaten unbekannt], die dürfen nicht studieren, weil ihr seid hier Fremde, ihr seid Protektoratsangehörige, ihr dürft hier nicht studieren. Wir haben die Prüfung bestanden, im August [1943] war der Anfang der Fachschule. Unsere Mütter haben gesagt, das ist eine Dummheit. Zuerst machen sie Prüfungen und dann dürfen sie nicht studieren. Da sind sie auf die Gemeinde gegangen, die sagte, leider ist es so, wir können nichts machen.“ Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003, Kapitel 2.6, S. 53 f. 144 „Wir haben Rüstungsproduktion gemacht in der Schule. Gläser für Flugzeuge haben wir genietet, aus Aluminium, für Flügelteile.“ Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 145 Direktor Alfred Dorn (1892–1975) verließ die Schule 1941 und wurde bis zu seiner Rückkehr 1945 durch seinen Vorgänger Rössler vertreten. Zeichen- und Gravurlehrer Friedrich Glössner erhielt den Marschbefehl 1944. Siehe Kapitel 2.6, Anm. 137, S. 54. 146 Siehe auch Kapitel 3.1.2, S. 82. 147 Langhamer 2005b, S. 38, und Zitat S. 39. 148 Khýn (1918–1993) machte von 1935 bis 1938 eine Ausbildung zum Glasmaler an der Fachschule in Haida. Von 1939 bis 1940 und dann von 1943 bis 1944 studierte er unter Holeček an der UMPRUM. Khýn wurde – laut Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003 – im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. 1945 begann er als Abteilungsleiter des Ateliers für Malerei in Kamenický Šenov. Nachdem Khýn als Gestalter bei Železnobrodské sklo für ein Jahr arbeitete, ging er 1953 als Grundschullehrer zurück nach Kamenický Šenov. An der dortigen Glasfachschule nahm er nach Wiedereröffnung 1957 erneut den Posten als Dozent für Glasmalerei ein und wurde 1962 selbst zum Direktor ernannt. 1969 wurde er abberufen und arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1977 nur noch als Lehrer in der Entwurfsklasse für Zeichnen. Langhamer/ Hlaveš 2006, S. 161. 149 Die erste Klasse bestand aus Lehrlingen, die nach zwei Jahren ihre Ausbildung beenden konnten, die zweite Klasse aus Schülern mit einer dreijährigen Ausbildung. Langhamer 2005a, S. 38. 150 Havlas (1907–1988) hatte von 1921 bis 1925 an der Berufsschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau studiert und dann bis 1932 unter Josef Drahoňovský an der Kunstgewerbeschule in Prag. Im Anschluss wirkte er für sieben Jahre als freischaffender Steinbildhauer. Von 1939 bis 1945 war Havlas Instrukteur für Steinschnitt an der UMPRUM im Atelier von Karel Štipl. „Havlas war Assistant bei Štipl, einer der letzten, die Drahoňovskýs Technik der Gemmenschnei-
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gewerbeschule in Prag gelehrt. Gemeinsam mit Direktor Havlas unterrichtete Alois Hásek die Klassen für Gravur, Josef Khýn die für Malerei. Viele tschechische Schüler, die ihre Studien schon während des Zweiten Weltkriegs begonnen hatten, begrüßten die Umstellung des Unterrichts auf ihre Muttersprache wie auch die Ankunft der neuen Lehrer. Václav Hubert, der die Glasfachschule in Kamenický Šenov besuchte, war während des Krieges von den Lehrern Friedrich Glössner und Richard Uhlmann151 unterrichtet worden. Hubert: „Und dann kam die tschechische Schule, dass war halt, Verena, Sie können es nicht ganz begreifen. Wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, die ganzen Jahre, keinen Unterricht in der Muttersprache und dann kommt endlich die tschechische Schule, das ist ja wie wenn die Sonne aufgeht! Und die Lehrer, die waren so gut, die haben viel mitgemacht. Wir bekamen so einen Professor, in der Gravur, der war so schlank und schmal, Hásek hieß der, Alois Hásek, das war ein lieber Mensch. Der hat immer nur gesagt, ‚Guten Morgen, wie geht’s‘, hat auch so gelacht, nicht das Strenge, so wie früher, der hat geholfen. Und ich war ja im Tschechischen schlecht. Wenn man sieben Jahre nur im deutschen Unterricht ist, dann vergisst man viel! Immer habe ich die Bergleute verehrt, und da habe ich einen Entwurf gemacht für eine Lampe von Bergleuten, wie sagt man das?“ Wasmuth: „Grubenlampe.“ Hubert: „Ja, Grubenlampe und dann den Spruch, ‚Glück Auf‘! Und in der tschechischem Sprachen sagt man ‚staš‘, das ist ja das ‚Auf‘. ‚Bůh‘ ist ‚Gott‘ und man sagt ‚buch‘, aber man schreibt es nur mit ‚H‘, B-ů-h, aber ich habe es geschrieben mit ‚C‘. BUCH! Weil ich die tschechische Schule nicht besucht hatte. Jetzt kam der Hásek und hat gelacht. Dann sagt er, ‚Entschuldige, dass ich lache, dass schreibt man nur mit H, aber ich weiß, Du warst nur in der deutschen Schule‘. Da hat er sich entschuldigt. Das war so ein lieber Mensch! Na, und die haben uns halt viel beigebracht. Die Fachschule, die deutsche, war nicht ganz beendet. Das waren nicht ganz drei Jahre, sonst wären wir ja fertig und dann hat man die drei Jahre als ein Jahr gerechnet und wir blieben noch zwei Jahre, das war gut!“152
In der Abteilung für Glasschliff arbeitete für kurze Zeit Felix Průša Junior, wie schon zuvor sein Vater, als Fachlehrer.153 Die Leitung dieser Abteilung übernahm der nur dreiundzwanzigjährige René Roubíček, der parallel als Gestalter für Umělecké sklo (Kunstglas) tätig war.154 Seine Bedeutung als Pädagoge bewertete nicht nur Sylva Petrová als besonders einflussreich: derei, des Kristallschnitts aus Turnov, der sehr traditionell war, noch beherrschte.“ Interview mit Dana Vachtová, Prag, 26.06.2003; Langhamer/Hlaveš 2006, S. 160. 151 Siehe Kapitel 2.6, S. 54 f. 152 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 153 Langhamer. In: GR 7/1977, S. 5. 154 Von 1949 bis 1950 besuchte er als Teilzeitstudent das Atelier von Josef Kaplický an der VŠUP und schloss sein unter Holeček im Krieg begonnenes Studium ab. Adlerová/Robinson/Šetlík/ Roubíček 1999, S. 206.
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„Roubíček’s role in this period was crucial. He was able to come up with revolutionary ideas, was well-educated, charming, and he was an excellent jazz piano player, which made a great impression on the young generation of students who considered jazz to be a highly modern music. René Roubíček was a decisive personality for the school.“155 Auch Antonín Langhamer stellte dessen besondere Bedeutung heraus: „Die alles überragende Gestalt war ohne Zweifel René Roubíček.“156
Der damalige Glasfachschüler Vladimír Jelínek, der später als Gravurglaskünstler wirkte, erinnert sich an seine Ausbildung in Kamenický Šenov: „Uns faszinierte am meisten das Zeichnen, das lehrte Roubíček. Die Entscheidung für das gravierte Glas bestimmte tatsächlich unsere ganze Karriere. Wir blieben dabei. Es war perfekt, denn der Werkstattlehrer war Professor Alois Hásek – ein unendlich sanfter und freundlicher Mann, im Gegensatz zu Professor Khyn aus der Malabteilung. Der sah mich für zwei Stunden beim Verschmieren von den Farben, dem Reiben und Malen von Punkten, fasste sich an seinen Kopf, und dann jagte er mich aus dem Malzimmer und sagte: ‚Schauen Sie sich Marie [?] an, die malt drei Tage lang und immer noch makellos, und schau, wie du aussiehst!‘ Alois Hásek war geduldig, auch wenn dies unmöglich war. Gravur haben wir zumindest gelernt.“157
Ladislav Oliva Senior besuchte die Klasse von Josef Khýn, den er als „technisch versierten Maler mit einer meisterhaften Fähigkeit, den Pinsel zu lenken und die ganze Bandbreite der Technik der Glasmalerei zu steuern wusste“, beschrieb.158 Neben ihrer Lehrtätigkeit arbeiteten die Dozenten für die „örtliche Erzeugung und waren auch die einflussreichsten Agitatoren des ganzen dortigen Kulturlebens“.159 Die Dozenten der Fachschulen in Kamenický Šenov und im benachbarten Nový Bor160 sowie ihre ehemaligen Kommilitonen an der UMPRUM, Ctirad Smolka und Jan Štibych161, schlossen sich zu der Gruppe Block des tschechischen Glases (Blok českého skla) 155 Petrová 2001, S. 29/30. 156 Langhamer 2005a, S. 39. 157 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Vladimír Jelínek, Teil 1, Ausgabe 16/2007 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.08.1913). 158 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ladislav Oliva, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.08.1913). 159 Hetteš. In: GR 5–6/1960, S. 5. 160 Ladislav Havlas, Josef M. Hospodka, Karel Hrodek, Rudolf Kalina, Josef Khýn und René Roubíček. 161 Štibych (geb. 1922) besuchte die Glasfachschule von Železný Brod von 1936 bis 1939 und studierte dann bis 1942 an der UMRPUM unter Jaroslav Holeček. Nach dem Krieg ging er zurück nach Nordböhmen und wirkte als Gestalter für dortige Betriebe, während er in Teilzeit seine Studien an der VŠUP in Prag im Studio von Professor Josef Novák abschloss. Štibych ging dann nach Nový Bor und arbeitete als Designer für Borokrystal und die Bor Studios. 1947 gewann er den
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unter dem Vorsitz von Benjamin Hejlek zusammen.162 Sie lehrten an den Schulen, organisierten Ausstellungen und Wettbewerbe und beschäftigten sich mit avantgardistischen Entwürfen für Umělecké sklo oder die Werkstätten von Stefan Rath. So waren sie nicht nur maßgeblich an der Wiederbelebung der Aktivitäten der dortigen Glasfachschulen beteiligt, sondern auch an der Erneuerung der Produktionssortimente der nationalisierten Industrie. 1946 feierte die Schule ihr neunzigjähriges Bestehen mit einer Ausstellung, die von Roubíček kuratiert wurde. Sie präsentierte sich zum ersten Mal als rein „tschechische Institution“, welche sich darauf konzentriere, einen neuen Zugang zu den dort gelehrten Glastechniken zu vermitteln.163 Hubert: „Im Jahr ’46 haben wir eine riesige Ausstellung gemacht, und da haben wir gearbeitet, immer immer, und dann kam der Schuldiener, der Netolický, wir waren in der Schule und der sagte, ‚Geht schon nach Hause, ich muss doch mit der Rosa‘, er hatte eine deutsche Frau, ‚ich muss doch die Asche aus dem Ofen rausnehmen, ich muss doch früh heizen‘. Da sind wir gegangen und da haben wir von weitem geschaut, er wohnte im zweiten Stock und wir wussten, wenn er raufgeht, kommt er nie zurück. Und wir haben gewartet, dann sind wir rein geschlichen in die Werkstatt und haben weitergearbeitet. Wir haben einmal die ganze Nacht gearbeitet, das war die Nacht vor der Eröffnung.“ Wasmuth: „Um für die Ausstellung alles fertigzubekommen?“ Hubert: „Ja. Wir haben so viel Glas graviert, das war was Wunderschönes! Und die Ausstellung war wunderschön gewesen!“ Wasmuth: „Wo war die Ausstellung?“ Hubert: „In der Schule.“ Wasmuth: „Auf wessen Initiative ist diese Ausstellung entstanden?“ Hubert: „Das war so ... es gab eine Versammlung, der Direktor und die Lehrer. Da wurde gesagt, wir sind jetzt wieder frei. Wir wollen zeigen, dass wir etwas bringen [schaffen]. Es kamen ja Schüler zusammen, die waren im Krieg eingesetzt. Der eine war im Bergbau, Kohle, er war dann krank mit der Lunge, der war 24 Jahre alt, der andere, Čeněk Michut, der war 24, der war so alt wie Roubíček damals. Roubíček war der erste Lehrer an unserer Schule und der Mitschüler war gerade so alt wie er. Und da waren meistens ausgewählte Leute, entweder Kugler oder Maler, und das war gut, denn sie haben viel gebracht. Und wir waren eigentlich die Jüngsten. Da war noch einer, der war zwei Jahre jünger als ich. Und da waren wir froh,
Hauptpreis des Industrieministeriums für eine geschliffene Vase (Langhamer. In: GR 10/1976, S. 10). Später konzentrierte er sich auf die Gestaltung von Glas für die Architektur, siehe Kapitel 5.3, Anm. 384, S. 310. 162 Hejlek (1924–1993) studierte von 1940 bis 1942 an der Staatsfachschule für Grafische Kunst in Prag. Von 1942 bis 1943 hatte er in Holečeks Klasse an der UMPRUM gegonnen, mit Glas zu arbeiten. Gemeinsam mit Štibych studierte Hejlek nach Kriegsende an der VŠUP im Studio von Professor Josef Novák bis 1948. Petrová 2001, S. 244. 163 Ebenda, S. 30, und Langhamer/Hlaveš 2006, S. 40.
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dass wir etwas zeigen können und etwas machen können. Da war eine Begeisterung, das kann man gar nicht beschreiben.“164
Die Ausstellung war so erfolgreich, dass sie nach Prag transferiert und in der Halle der Družstevní práce erneut gezeigt wurde.165 Nun gingen zahlreiche Bestellungen für Kopien der Exponate bei der Schule ein.166 Auch die von René Roubíček gegründete Kooperative der Fachschüler von Kamenický Šenov (Družstvo absolventů školy v Kamenickém Šenově), die künstlerische Gebrauchsglasentwürfe an die Verkaufsläden der Družstevní práce lieferte, förderte moderne Tendenzen in der kreativen Ausrichtung der Fachschule.167 Diese Vereinigung diente auch der Weitervermittlung ihrer Mitglieder in interessante Posten als Gestalter für die Industrie. Die Schüler konzentrierten sich in ihrem Curriculum vorwiegend auf die Veredelung gelieferter Glasformen durch Schliff, Gravur und Malerei nach eigenen Entwürfen, was sie von ihren Kommilitonen an den Glasfachschulen in Nový Bor und Železný Brod unterschied. „Der Vorteil dieser Schule bestand allerdings darin, dass sie meistens eigene Entwürfe durchführten und dadurch die eigene schöpferische Einstellung verfeinerten und sich bessere Kenntnisse über den Werkstoff Glas aneigneten.“168 Das Entwerfen der Formen des Glases war nicht Teil der Ausbildung. Ihre für die Zeit progressiven und mitunter avantgardistischen Entwürfe flossen in die Produktionssortimente der künstlerisch ausgerichteten Glashütten, vor allem des Atelierverbandes Umělecké sklo, ein und waren damit der industriellen Erzeugung traditioneller Muster in den großen Nationalunternehmen gestalterisch weit voraus. Die später bei den für die Entwicklung der tschechischen Glaskunst wegweisenden Mailänder Triennalen 1957 sowie 1960 und der Brüsseler Weltausstellung 1958169 sehr erfolgreichen Glaskünstler Lubomír Blecha, Václav Cigler, Jiří Harcuba, Vladimír Jelínek, Vladimír Kopecký, Oldřich Lípa, Oldřich Lipský, Jan Novotný, Ladislav Oliva Senior, Vratislav Šotola, František Tejml, Vilém Veselý und František Vízner studierten innerhalb der ersten acht Nachkriegsjahre in Kamenický Šenov und Nový Bor. Sie alle wechselten nach ihrem Abschluss an die VŠUP.170 164 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 165 Siehe Kapitel 2.4 für die Družstevní práce. 166 „Ich saß während der Sommerferien und nahm die Bestellungen entgegen.“ Übersetzung des Interview Petr Volf mit René Roubíček, URL: (Stand 09.08.2013). 167 Langhamer 2005c, S. 411. Siehe auch Kapitel 5.1.4 für die Družstevní práce. 168 GR 8/1971a, S. 231. 169 Siehe Kapitel 6.2.1. 170 „Ich ging auf Roubíčeks Empfehlung. In meinem Antrag auf die Aufnahmeprüfung erwähnte ich Kaplickýs Abteilung. Im Jahr 1951/52 wurde ich zusammen mit Václav Cigler und František Tejml zugelassen. Zu Štipl kamen [František] Pazdera, Antonín Oth und andere – ein Jahr nach uns wurden Lubomír Blecha, Vladimír Jelínek und Rudolf Volráb zugelassen.“ Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ladislav Oliva, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 09.08.1913).
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Mit der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 änderten sich die Rahmenbedingungen für die enge Zusammenarbeit der Glasfachschulen mit den Erzeugern. Nicht nur der personelle Wechsel in den Geschäftsleitungen führte zu einer Unterbrechung der gerade etablierten Kooperationen, auch die Auflösung vieler kleiner Betriebe und die Bündelung aller Vertriebskanäle in zentralisierten Institutionen erschwerten die eingeschlagene Richtung einer individuell aufeinander abgestimmten Experimentierfreudigkeit bei der Gestaltung neuer Musterkollektionen. Die neu eingesetzten Funktionäre in den Betrieben verfolgten eine ganz andere Linie. Sie waren dazu angehalten, den Profit der Nationalunternehmen aufgrund klarer Plankennziffern zu steigern und hielten an traditionellen Absatzprodukten, meist nach Vorkriegsmodellen gefertigt, fest, da hier keinerlei Risiko eingegangen werden musste.171 Die Glasfachschulen arbeiteten demnach enger mit einigen wenigen künstlerisch verpflichteten Betrieben wie den Borské ateliéry (auch Bor Studios), Škrdlovice172 und Borokrystal173 zusammen. Anfang der 1950er Jahre kam erschwerend der Umstand hinzu, dass die staatlicherseits verordnete Konzentration auf die Förderung der Schwerindustrie die Leicht- und Konsumgüterindustrie zunehmend benachteiligte. Initiativen an den nordböhmischen Glasfachschulen zur Heranbildung des Glasmachernachwuchses wurden unterbunden, weil diese neuen Arbeitskräfte aus planwirtschaftlichen Gründen überwiegend in der Schwerindustrie und dem Bergbau benötigt wurden.174 1951 schloss die Schule in Kamenický Šenov und im Jahr darauf die von Nový Bor. Gleichzeitig wurden die Dozenten entlassen. Als offizielle Begründung wurde ein „Mangel an Studenten“ angeführt.175 Harcuba: „Das war die Verstaatlichung. Die Rolle der Schulen hat sich geändert, weil diese Einzelbetriebe, die einzelnen Werkstätten, wurden aufgelöst, wurden verstaatlicht und die Absolventen, die wurden erzogen für Staatsbetriebe, aber das waren nicht so viele. Und als Entwerfer, die Positionen waren ja sehr schnell besetzt, außerdem kamen noch die Leute hinzu von den Hochschulen, die auch als Entwerfer angestellt wurden und dann hat man gesagt, das ist zu viel, und dann hat man eine geschlossen, nicht?“176
Die Fachlehrer Hásek, Khýn und Roubíček wechselten als Designer zum Atelier Železnobrodské sklo. Direktor Havlas ging als Gestalter an das künstlerische und technische Entwicklungszentrum in der Glasfachschule Železný Brod, bevor er von 1953 bis 1970 als Lehrer für Innenarchitektur an die Berufsfachschule für angewandte Kunst (Vyšší odborná školá uměleckoprůmyslová – VOŠUP) nach Prag wechselte.177 Während die Glas171 Siehe Kapitel 3.1.1, Anm. 14, S. 65 und S. 73. 172 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 69 f., und Kapitel 3.2, S. 104. 173 Langhamer 2005a, S. 39. 174 Mergl/Pánková, 1997, S. 194. 175 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 42. 176 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 177 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 160.
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fachschule in Železný Brod weiter geöffnet blieb, musste auch diese für ein Jahr die Aufnahme neuer Studenten aussetzen. Die Berufsschulen für Glasmacher blieben hingegen unverändert in Betrieb. Kurz nach Schließung der beiden Glasfachschulen von Kamenický Šenov und Nový Bor begannen Überlegungen, wenigstens eine von beiden wieder zu eröffnen. Die Staatliche Planungskommission (Státní plánovací komise) in Prag empfahl die Wiedereröffnung der Schule in Kamenický Šenov, da laut einer Studie „beinahe 2.000 Arbeitskräfte in der regionalen Glasindustrie ohne Ausbildungsstätte [seien], in der Spezialisten eine schulische Ausbildung und Unterstützung in künstlerischer Hinsicht“ erhalten könnten.178 1956 verfassten anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Schule ehemalige Absolventen, die sich zuvor bei einem Treffen in der Schulturnhalle über dessen Inhalte verständigt hatten, gemeinsam mit Mitarbeitern des MŠAK sowie Leitern der Betriebe im Ort und aus Nový Bor eine Petition, die eine Wiedereröffnung der Schule in Kamenický Šenov mit einem eigenständigen Profil vorantreiben sollte.179 Sie sollte sich stärker von der 10 Kilometer entfernten Fachschule in Nový Bor abheben, indem sie sich weiterhin auf den individuellen Entwurf von Gebrauchsglas, aber auch auf neue Produktionssparten konzentrieren sollte. So konzipierte das Gremium die Einrichtung einer Abteilung für die Gestaltung und Konstruktion von Leuchten, die als einzige im Land diesen Unterricht in enger Zusammenarbeit mit dem im Ort ansässigen Nationalunternehmen Spojené Lustrý sklárný (Vereinte Lüsterwerke) anbieten sollte. Die Argumente für ein Wiederaufnehmen der Lehrtätigkeit wurden gefördert durch das seit Mitte der 1950er Jahre aufkommende staatliche Interesse an einer Teilnahme an wichtigen ausländischen Ausstellungen. Die Ausbildung künstlerisch orientierter Glasgestalter erhielt in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung. Außerdem benötigte man gut geschulte Glasmacher für die Ausführung der nun florierenden Anzahl von Entwürfen für Ausstellungsexponate. Mit Blick auf die laufenden Vorbereitungen auf die XI. Triennale in Mailand und die Weltausstellung in Brüssel wurden in vielen Betrieben künstlerische Beiräte eingerichtet und Aufträge für Exponate bei Glasfachschulen und der Kunstgewerbehochschule ausgeschrieben.180 So erhielt auch die Petition für die Wiedereröffnung der Glasfachschule in Kamenický Šenov ausreichend Rückenwind. Als die Schule 1957 neu eröffnet wurde, blieb sie allerdings eine Dependance der Glasfachschule von Nový Bor. Mit Ausnahme von Josef Khýn, der als administrativer Verwalter der Schule und Leiter ihrer Abteilung für Glasmalerei eingesetzt wurde, kamen zeitgleich mit den neuen Schülern auch neue Dozenten nach Kamenický Šenov. Die neuartige Abteilung für Leuchtenkonstruktion und -gestaltung übernahm Stanislav Kučera181, der zuvor als Entwerfer bei Spojené Lustrý sklárný tätig gewesen war. Als Lehrer für Malerei und Ätztechnik wurde Bohumil Čabla und im Folgejahr für 178 Ebenda, S. 43. 179 Stehlík. In: GR 7/1966, S. 196; Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 180 Siehe Kapitel 6.2.1. 181 Kučera (1924–1994) leitete diesen Schulzweig bis zu seiner Pensionierung 1987. Hartmann 2004, S. 53.
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Glasschnitt Oldřich Lipský verpflichtet.182 Sie ließen ihre Studenten mit verschiedenen Dekorationsvarianten für ein und dieselbe Vase oder Schale experimentieren (Abb. 15, Abb. 16). Zusätzlich wurde eine Abteilung für technische Fächer eingerichtet.183 Teil des Stundenplans war auch der Unterricht von Fremdsprachen. Neben Russisch wurde auch Englisch angeboten.184 Schon 1958 erweiterte Khýn das Curriculum um Glasschleifen, unterrichtet von František Pazdera185, der 1961 von Stanislav Zemek186 abgelöst wurde. Das ursprünglich auf drei Jahre angelegte Studium wurde in diesem Jahr auf vier Jahre verlängert und die Schule erhielt damit den gleichen Status wie die beiden Einrichtungen in Nový Bor und Železný Brod.187 Am 1. Januar 1962 erhielt die Schule auch formal ihre Eigenständigkeit als eine Kunstgewerbefachschule für Glas zurück und Josef Khýn fungierte nun als ihr ordentlich bestellter Direktor. Die zuvor von ihm geleitete Abteilung für Glasmalerei und Ätztechnik wurde bereits 1960 von Karel Rybáček übernommen, der auch als Konrektor amtierte. Rybáček, Absolvent der Fachschule von Nový Bor und von Kaplickýs Studio an der VŠUP, war zu diesem Zeitpunkt erst 29 Jahre alt. Rybáček: „Für mich stand im Vordergrund, den Studenten das selbstständige Arbeiten zu vermitteln, so dass sie im späteren Arbeitsleben keine Probleme haben würden. Ich versuchte, ihnen unauffällig zu helfen, so dass sie ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln könnten. Ob-
182 Stehlík. In: GR 7/1966, S. 196. Zu Bohumil Čabla siehe auch Kapitel 3.2, Anm. 254, S. 107. Oldřich Lipský (1922–1987) absolvierte eine Lehre in Glasschnitt bei Ludvík Postředník in Neustadt an der Mettau (Nové Město nad Metují). Von 1945 bis 1948 besuchte er die SOŠS in Kamenický Šenov und arbeitete im Anschluss bei J. & L. Lobmeyrs Neffe, Stefan Rath. Ab 1950 studierte er für fünf Jahre in der Abteilung von Professor Štipl an der VŠUP in Prag, bevor er selbst als Dozent zurück nach Kamenický Šenov ging. Lipský leitete die Abteilung für Glasschnitt bis 1964 und unterrichtete dann Hüttenglasarbeit an der Schule in Nový Bor. 1972 wurde er zum dortigen Direktor ernannt. Sechzigjährig, 1982, ging er in Pension. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 388. 183 Ihr Dozent war Vítězslav Dědek. Vladimír Volšický arbeitete als Instrukteur in der Abteilung. 184 Interview mit Václav Hubert, 11.10.2003. 185 Pazdera (1932–1997) besuchte selbst von 1947 bis 1951 die SOŠS in Kamenický Šenov und wechselte dann ins Atelier von Karel Štipl an die VŠUP. Danach arbeitete er als Gestalter und Glasschleifer bei Borské sklo und unterrichtete von 1959 bis 1961 an seiner ehemaligen Schule. Dann wechselte er bis 1967 an die VŠUP ins Atelier von Stanislav Libenský. Pazdera war im Anschluss Gestalter für Dílo und Angestellter des ÚUŘ. Von 1995 bis zu seinem Tod leitete er die Abteilung für Glasschliff an der Schule von Kamenický Šenov. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 186 Zemek (1923–1986) hatte eine dreijährige Lehre in Glasschliff an der Berufsschule für Glasmacher in Nový Bor 1952 abgeschlossen. Im Anschluss war er Student an der SOŠS in Železný Brod und arbeitete als Schleifer bei Borské sklo. Zemek leitete die Schliff-Abteilung in der Schule von Kamenický Šenov bis zu seiner Pensionierung 1984. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 165. 187 GR 8/1971a, S. 228.
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gleich ich und meine Kollegen Čabla und Kochrda ihnen sagen mussten, dass ein wenig Bescheidenheit nicht schaden könnte.“188
Mit der VŠUP nahm die Glasfachschule nun eine enge Zusammenarbeit auf und Professor Kaplický besuchte die Schule häufig.189 Die Prager Studenten seines Ateliers und des von Professor Štipl realisierten ihre Jahresabschluss- und Examensarbeiten in den Schulwerkstätten von Kamenický Šenov. Für sie war dieser Kontakt schon allein deshalb entscheidend, weil sie ihre Entwürfe nicht hätten eigenständig umsetzen können. Umgekehrt eröffnete sich für Glasfachschüler die Möglichkeit, die Lehrmethoden an der VŠUP anhand der Prototypen, die so entstanden, kennenzulernen. Mit Ausnahme von Leuchtendozent Stanislav Kučera kamen alle neuen Lehrer aus dem Nationalunternehmen Borské sklo an die SUPŠS. Sie hatten am dortigen Entwurfszentrum unter René Roubíček190 nicht nur die praktischen Aspekte der Glasherstellung ausgelotet und ihre eigenständigen künstlerischen Ausdrucksweisen ausgebildet, sondern quasi eine gemeinsame Herangehensweise an die Gestaltung von Glas entwickelt. Sie galten als „erstaunlich einmütiges Kollektiv“.191 Ihr Stil äußerte sich vordergründig in der meist abstrakten Dekoration von plastisch ausgeschliffenen Motiven, welche die Glasoberfläche eher roh und fragmentarisch wirken ließ, oder in der Bemalung von Gebrauchsglas mit abstrakt-geometrischen Figuren. Generell setzte sich die Schule von ihrem deutschen Vorgänger in der Vermeidung jeglicher Symmetrie ab, welche in der Vergangenheit als Ausdruck handwerklicher Perfektion galt. Die neuen Schüler waren offenbar nahezu verpflichtet, ihren Entwürfen einen asymmetrischen Charakter zu geben (Abb. 17), bei figurativen Sujets wenigstens in der Oberflächenbearbeitung oder Konturierung. Insofern übte wiederum Roubíček, wenn auch indirekt, seinen Einfluss auf die zukünftige Orientierung der Glasfachschule in Kamenický Šenov aus.192 Zu den Studenten des ersten Abschlussjahrgangs 1961 gehörten Ivo Roszypal und Jiří Šuhájek, welche heute zu den populärsten tschechischen Glasautoren zählen und deren Arbeiten sich in den Sammlungen internationaler Museen befinden.193 Oldřich Lipský, Leiter der Abteilung Glasschnitt, wechselte 1965 als Dozent an die Fachschule von Nový Bor, wo er nun Formglas unterrichtete. Seine Position nahm
188 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 77. 189 Ebenda, S. 45. 190 Siehe Kapitel 5.3, S. 307. 191 Langhamer. In: GR 7/1976, S. 6. 192 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 44. 193 Beide Künstler arbeiteten nach ihrem Abschluss zunächst als Gestalter bzw. Glasmacher in Betrieben und studierten dann an der VŠUP in Prag. 1968 ging Šuhájek (geb. 1943) für drei Jahre an das Royal College of Art nach London, Rozsypal (geb. 1942) an die Université de Caen nach Frankreich und an die Kölner Universität. In den 1970er Jahren waren beide fest angestellte Gestalter für heimische Nationalunternehmen, von denen sie für ihre Studienzeit ein Stipendium erhalten hatten. Petrová 2001, S. 250.
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ein junger Absolvent der VŠUP ein, der fünfundzwanzigjährige Pavel Werner.194 Werner hatte dort das Atelier von Kaplickýs Nachfolger Stanislav Libenský besucht, wo er sich mit geschmolzenen Glasskulpturen und Glas als Architekturelement befasst hatte. Von dort brachte er einen eher spielerischen Kunstanspruch mit, dem Zeitgeist der „Wilden sechziger Jahre“ entsprechend. Als Künstler-Lehrer betonte Werner den „freien Schliff“, großzügig geschnittene Teller oder Schalen, die sich stilistisch stark von jenen Entwürfen abhoben, die vor seiner Ankunft an der Schule entstanden (Abb. 18). Hierzu organisierte er dickwandige Rohlinge aus Bleikristall.195 Werner verließ seinen Posten an der Schule 1977 und entschied sich für die Arbeit als freischaffender Künstler. Anlässlich des einhundertzehnjährigen Jubiläums der Schule 1966 wurden Feierlichkeiten in Kamenický Šenov und eine Ausstellung mit Schularbeiten in Jablonec nad Nisou organisiert. Zum Rahmenprogramm gehörte ein Kongress der ersten Nachkriegsabsolventen. Allein 82 Exponate der Ausstellung stammten von Schülern der Jahre 1945 bis 1952.196 In einem zweiten Teil präsentierten die gegenwärtigen Jahrgänge repräsentative Kollektionen von Glasarbeiten in unterschiedlichen Techniken. Die umfangreiche Vorbereitung dieser Schau und die hohe Qualität der Exponate wurden mit einem Řád Práce (Orden der Arbeit) vom Ministerium der Konsumgüterindustrie ausgezeichnet, obgleich dieser nicht beantragt worden war.197 Der Řád Práce konnte für bahnbrechende Taten bei „dem Aufbau und Sieg des Sozialismus in der Volkswirtschaft“ zuerkannt werden, insbesondere für den Verdienst um die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Entwicklung des Staates. Dank dieser Ehrung erhielt die Schule mehr Aufmerksamkeit seitens regionaler Nationalbetriebe, die einige Entwürfe in ihre Produktionssortimente mit aufnahmen. Generell lehnten diese die Umsetzung von eingereichten Prototypen aus Glasfachschulen jedoch zumeist ab.198 Die Exponate der Jubiläumsausstellung hingegen wurden in anderen Präsentationen erneut und eine Auswahl, wie die kleinen Vasen von Vlasta Grünwaldová und Marie Stará, bei der Weltausstellung in Montreal im Folgejahr gezeigt.199 Von den Hörern der Schule, die an der VŠUP weiterstudierten, bewährten sich viele mit erfolgreichen Entwürfen für die Industrie oder auch mit individuellen Arbeiten.200 194 Werner (geb. 1942) besuchte von 1956 bis 1960 die Glasfachschule in Železný Brod, bevor er ins Atelier von Prof. Kaplický wechselte, das Libenský und Plátek ab 1962 leiteten. Nach seinem Abschluss 1966 arbeitete Werner als Fachlehrer in Kamenický Šenov. 1976 wandte er sich dem selbstständigen Schaffen zu. Nach der Samtenen Revolution übernahm Werner die Leitung der Abteilung für Glasschliff an der Glasfachschule in Nový Bor und fungierte ab 1997 als Direktor der Schule in Kamenický Šenov. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 195 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 67. 196 Vgl. Langhamer. In: Av 2/1968, S. 167. 197 Langhamer. In: GR 8/1986, S. 25; Langhamer 2005a, S. 43. 198 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 73. 199 Stehlík. In: GR 7/1966, S. 198. Zu den namhaften Absolventen der SUPŠS der zweiten Hälfte der 1960er Jahre gehörten Vladimír Klein, Jaroslava Severová und Dalibor Tichý. 200 So Blecha, Jurnikl, Kopecký, Lipský, Oliva Senior, Šotola, Tejml und Volráb.
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In der Zeit der Normalisierung mischte sich das Ministerium für Schulwesen und Kultur verstärkt in das Programm der Glasfachschule ein. Diese sollte ab 1969 beispielhaft die „nationale“ Handwerkskunst pflegen und somit einen „Beitrag für die materielle und gesellschaftliche Entwicklung der Republik“ leisten.201 So kam als vierte Abteilung der Schule Glasgravur als Unterrichtsfach dazu, eine Technik, die zuvor nur als Teilbereich der Abteilung Glasschnitt von Václav Hubert202 gelehrt wurde (Abb. 19). Diese neue Abteilung leitete bis 1990 durchgängig Josef Kochrda, ein ehemaliger Schüler der Glasfachschule in Železný Brod und Student der VŠUP unter Kaplický.203 Václav Hubert unterrichtete von 1973 bis 1988 fest angestellt in Kochrdas Abteilung. 1969 wurden der amtierende Direktor Josef Khýn und sein Konrektor Karel Rybáček wegen ihrer „politischen Unzuverlässigkeit“ abgesetzt. Offiziell hieß es, Khýn sei in den Ruhestand getreten204, allerdings unterrichtete er fortan als einfacher Lehrer für Entwurfszeichnung an der Schule. Rybáček behielt immerhin seinen Posten als Abteilungsleiter für Glasmalerei und Ätztechnik. Zu Khýns Nachfolger wurde 1970 Josef M. Hospodka ernannt.205 Dieser verbürgte sich für seine Kollegen, so dass es zu keinem weiteren Personalwechsel kam.206 Der Leiter der Abteilung für technische Fächer, Vítězslav Dědek, übernahm den Posten seines Stellvertreters. Im Schuljahr 1971 besuchten 103 Schüler die Lehranstalt.207 Kennzeichnend für die einsetzende Normalisierung war Antonín Langhamers Behauptung, es sei in dieser Phase gelungen, „Dutzende junger Fachleute mit sozialistischer Einstellung zur Arbeit heranzubilden“.208 Hospodka bewirkte den Bau eines neuen Flügels mit größeren Werkstätten für die Abteilungen Leuchtenkonstruktion und -gestaltung sowie Entwurfszeichnung, einem technischen Labor und einem Kinosaal. Diese wurden im Rahmen der 120-Jahr-Feier 1976 eröffnet.209 Auch setzte er sich erfolgreich dafür ein, dass das ehemalige Gebäude der Manufaktur J. & L. Lobmeyrs Neffe, Stefan Rath zu einem Museum „für den Anschauungsunterricht“ umgebaut werden konnte.210 201 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 274. 202 Hubert wirkte ab 1961 als externer Lehrer für Gravur in Kamenický Šenov und zeitgleich an der Berufsschule in Nový Bor. Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 203 Kochrda (1939–1995) übernahm 1990 die Leitung der Abteilung Malerei und Ätztechnik an der Schule, bis er 1994 aus Krankheitsgründen ausschied. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 162. 204 GR 8/1971a, S. 231. 205 Hospodka (1923–1989) hatte während des Zweiten Weltkriegs an der UMPRUM unter Jaroslav Holeček studiert. Ab 1945 unterrichtete er an der SOŠS in Nový Bor (Siehe Kapitel 4.2.2). Er bekleidete ab 1951 das Amt des Direktors der Berufsschule für Glasbläser in Chřibská und wurde 1958 leitender Gestalter des Nationalunternehmens Borské sklo, zwei Jahre später Direktor des Betriebs Chřibská. Andres. In: GR 8/1989, S. 26. 206 Langhamer 2005a, S. 43. 207 GR 8/1971a, S. 231. 208 Langhamer. In: GR 7/1976, S. 8. 209 Langhamer. In: GR 8/1986, S. 26. Hier fanden nach der politischen Wende die Vorträge im Rahmen des Gravursymposiums statt. 210 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 46.
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1981 erhielt die Schule den aufgewerteten Status einer Kunstgewerbefachschule für Glas.211 Hospodka blieb bis zu seiner Pensionierung 1985 im Amt und wurde von Vladimír Klein abgelöst, der seit 1977 als Nachfolger von Pavel Werner die Abteilung für Glasschnitt an seiner alten Schule übernommen hatte.212 Kleins Zeit als Schulleiter war geprägt von seiner innovativen Herangehensweise an den Schnitt. Als er 1991 einen Lehrauftrag im japanischen Toyama annahm, wurde Karel Rybáček sein Nachfolger als Direktor, seit über 30 Jahren Leiter der Abteilung für Glasmalerei und Ätztechnik. Auch nach dessen Pensionierung 1997 unterstützte er die Schule, die nun wieder als SUPŠS bezeichnet wurde, bei der Organisation von Ausstellungen und Symposien.213 Während Rybáčeks Amtszeit war er für die zügige Rekonstruktion des Schulgebäudes zuständig und sorgte zudem für die Einrichtung einer neuen Werkstatt für Glasarbeit vor der Lampe. Die drei Schulgebäude wurden mit einem Tunnel verbunden, neue Ausstellungsräume und ein Photostudio gebaut. Unter Rybáček kamen einige neue Dozenten an die Schule und eine rege Fluktuation des Lehrkörpers setzte ein.214 211 Langhamer 2005a, S. 43. 212 Nach seinem Abschluss an der Schule 1969 wechselte Klein (geb. 1950) in das Atelier von Stanislav Libenský an der Prager Kunstgewerbehochschule. Zwei Jahre lang war er dann freischaffend tätig, bevor er 1977 als Dozent zu seiner alten Schule zurückkehrte. Im Anschluss an seine Lehrtätigkeit in Japan (1991–1995) übernahm Klein 1997 die Position des künstlerischen Direktors bei Crystalex in Nový Bor, widmete sich aber parallel dem freien künstlerischen Schaffen: „Der Beitrag des Künstlers muss von der Industrie als Bereicherung wahrgenommen werden.“ Gespräch mit Vladimír Klein, Kamenický Šenov, 10.10.2003. 213 Rybáček verstarb 2006 am Tag der Feierlichkeiten zum 150. Jubiläum der Schule. Im April 2009 wurde ihm posthum die Silbermedaille Erster Klasse des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport der Tschechischen Republik verliehen. Diese Auszeichnung verleiht das Ministerium jährlich für besondere Leistungen im pädagogischen und wissenschaftlichen Bereich. Homepage der Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská Kamenický Šenov, URL: (Stand 13.08.2013). 214 Von 1990 bis 1991 leitete Vladimír Klein die Abteilung für Glasschnitt an der Schule, bevor er das Angebot annahm, für vier Jahre im japanischen Toyama zu unterrichten. Sein Nachfolger wurde Ladislav Oliva Senior (geb. 1933). Josef Kříž (geb. 1956) kam 1993 als Lehrer für Glasschnitt an die Schule. Die Leitung dieser Abteilung übernahm 1994 der junge Pavel Mrkus (geb. 1970) von Oliva Senior, verließ die Schule aber schon nach einem Jahr, um an der VŠUP zu unterrichten. Sein Nachfolger wurde František Pazdera (1932–1997), der kurz darauf starb. František Janak, der spätere Direktor der Schule, übernahm 1998 diese Aufgabe. Ihn ersetzte im Jahr 2000 für nur ein Jahr Pavel Homolka (geb. 1950) und diesen wiederum 2001 bis 2003 Pavel Trnka (geb. 1948). Erneut übernahm František Janák dann die Klasse, bis diese 2006 zum ersten Mal von einer Direktorin, Jitka Skuhravá (geb. 1976), geleitet wurde. Gegenwärtig leitet der ehemalige Absolvent der Schule Petr Stacho (geb. 1965) die Abteilung für Glasschnitt. Kochrda, der zuvor die Gravurabteilung geleitet hatte, übernahm 1990 die Klasse für Malerei und Ätztechnik. Sein Nachfolger wurde von 1994 bis 1996 Pavel Kopřiva (geb. 1968), welcher wiederum von Petr Menš (geb. 1943) abgelöst wurde, der noch heute im Amt ist. Die Abteilung für Gravur wies hingegen eine gewisse Kontinuität auf. Von 1990 bis zu seinem Tod 2007 wurde sie von František Novák (1942–2007) geleitet. Heute ist sie mit der Abteilung für Glasschnitt zusammengelegt und steht unter der Leitung von Petr Stacho.
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Zum neuen Direktor der Schule nach Rybáčeks Pensionierung wurde 1997 Pavel Werner ernannt, der von 1967 bis 1977 die Abteilung für Glasschnitt leitete und danach als freischaffender Glaskünstler sowie ab 1990 als Dozent an der Glasfachschule in Nový Bor tätig war. Ihm oblag wiederholt die Sicherstellung der Finanzierung der SUPŠS durch das Ministerium für Schulwesen und Kultur. Angesichts der abnehmenden Zahl von Studenten und mangelnden Interesses seitens der inzwischen privatisierten Betriebe war die Existenz der Glasfachschule ernsthaft bedroht. Werner: „Ich sah die Notwendigkeit, ein ähnliches System der Bildungsförderung bei uns einzuführen, wie es in Deutschland oder der Schweiz üblich ist. Dort rekrutieren Unternehmen Studenten, die dann auf deren Kosten die Fachschulen besuchen. Unsere Unternehmen haben ihre eigenen Probleme wirtschaftlicher Natur, um die Belegschaft zu halten. Aber nicht nur das. Wir sind mehr daran interessiert, den Kunststudent zu sehen und ihn in eine Lage zu versetzen, seine ästhetischen Ansichten in einem breiteren Spektrum von Disziplinen anzuwenden. Ästhetische Bildung und Wissen bringt er dann mit für die Arbeit in der Industrie aber auch im Design, der Architektur etc. Es ist ein Versuch, Studenten für den Einsatz in der Industrie, aber auch für Kunsthochschulen, darunter Universitäten, zu erziehen.“ 215
Im November 2005 organisierte Werner zu diesem neuen Ansatz eine Konferenz mit Vertretern der Industrie, verschiedener Forschungsinstitute und Kunstschulen. Teil seines Vorstoßes war die Beantragung einer Aufnahme der nordböhmischen Glasfachschulen in den kulturellen Kalender der UNESCO, um so Fördermittel zu generieren und die Schule international bekannter zu machen. 2006 wurde der Antrag angenommen. Aus Verantwortung gegenüber diesem aussterbenden Handwerk richtete die Glasfachschule überdies ab 1996 mithilfe zahlreicher privater Sponsoren ein internationales Symposium für Glasgravur aus, an dem sich die Schüler der Gravurabteilung beteiligten. Die Schule stellt ihre Werkstätten bis heute für dieses Symposium zur Verfügung. Auch begann die SUPŠS Kamenický Šenov unter Werners Leitung mit der im Jahr 2001 von Jiří Harcuba gegründeten Dominik Bimann Scola216 für Glasgravur zu kooperieren.
Die Abteilung für Leuchtenkonstruktion und -gestaltung, welche von 1959 bis 1986 von Stanislav Kučera geleitet wurde, übernahm Jaroslav Půlkrábek (1958–1999), der bis zu seinem Tod in diesem Amt verblieb. Die Abteilung wurde 1994 umbenannt in Abteilung für Leuchtengestaltung. Půlkrábeks Nachfolgerin wurde im Jahr 2000 Martina Klimošová (geb. 1973). Gegenwärtig leitet Ladislav Průcha (geb. 1979) die Abteilung. Biografische Angaben zumeist: UPM-Archiv; Langhamer/Hlaveš 2006. 215 Übersetzung des Interviews Marie Kohoutová mit Pavel Werner im Fórum S, Ausgabe 26/2005 der Glassrevue. URL: < http://www.glassrevue.com/news.asp@nid=4386.html> (Stand 14.08.2013). 216 Ab 2006 kam es zu einem regelmäßigen Schüleraustausch im Rahmen der Bimann Scola mit ihrer Partnerschule in Rheinbach. „Die ‚Dominik Biemann Schule‘ ist ein Projekt, das seit vielen Jahren die Verbindung der europäischen Glasinteressierten, besonders der Glasfachschulen, herstellt. Sie wurde im Gedenken an den international bekannten tschechischen Glasgraveur Dominik Biemann (1800–1857), von Jiří Harcuba [1928–2013] gegründet.“ Homepage der Berufsfachschule Rheinbach, URL: (Stand 14.08.2013).
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2006 wurde Pavel Werner von seinem ehemaligen Schüler František Janák217 als Direktor abgelöst. Unter Janáks Aufsicht kooperierte die Schule mit den Unternehmen Preciosa-Lustry, wie schon seit den 1960er Jahren, mit der 1993 privatisierten Glashütte Gebrüder Jílek218, dem Glasstudio Peter Rath in Kamenický Šenov, mit Moser in Karlový Vary und anderen Hütten. Sie beteiligte sich nach wie vor an der Ausrichtung des International Symposiums of Engraved Glass, an nationalen und internationalen Ausstellung und dem Austauschprogramm mit Studenten der Glasfachschule im deutschen Rheinbach. Janák initiierte Klassenfahrten seiner Schüler nach Wien sowie in verschiedene Museen mit historischen Glassammlungen und beteiligte die Schule an LEONARDO, dem europäischen Ausbildungsprogramm. Die Fachschule trotzte während Janáks Amtszeit etlichen Schwierigkeiten, die von außen auf sie einwirkten. Die Schließung des Großbetriebs Crystalex im benachbarten Nový Bor 2008 führte zu einer Arbeitslosenquote von über 20 Prozent in der Region.219 Eine Ausbildung zum Glasmacher bot somit keine berufliche Perspektive und die Bewerbungen für das neue Schuljahr blieben aus. Janák reagierte, indem er offensiv ausländische Studenten anwarb, die bereit waren, dafür zu bezahlen. Die SUPŠS war zwar nach 1989 grundsätzlich für Studierende aus dem Ausland geöffnet, zunächst allerdings nur für Einzelkurse und Praktika. Die Aufnahme als Vollzeitstudenten für ein volles Schuljahr wurde nun 2009 unter Janáks Leitung ermöglicht, wobei aktuell eine Studiengebühr von 5.800 EUR beziehungsweise 8.300 USD für die Abteilungen Glasschnitt, Gravur, Malerei, Schmelzen zu entrichten ist und 7.000 EUR beziehungsweise 10.100 USD für Formgeschmolzenes Glas und Leuchtengestaltung.220 Als 2009 die Glasfachschule in Kamenický Šenov kurzerhand aufgelöst werden sollte, wehrte sich Janák mit einem Appell an die internationale Glaskunstszene. Die Reaktion war beachtlich und verhinderte die bereits beschlossene Schließung. Im ameri217 Janák (geb. 1951) besuchte nach seiner Lehre in Glasschnitt an der Berufsschule in Světla nad Sázavou selber von 1967 bis 1971 die Glasfachschule in Kamenický Šenov. Danach arbeitete er in verschiedenen Betrieben als Meisterglasschneider und besuchte das Libenský-Atelier an der VŠUP von 1975 bis 1981, bevor er als freischaffender Künstler tätig war. Von 1985 bis 1988 arbeitete Janák als Gestalter bei ÚBOK und dann, von 1995 bis 1997, wie vor ihm bereits Pavel Werner, als Dozent in Toyama, Japan. Nach einer Interimslehrzeit an der SUPŠS Kamenický Šenov unterrichtete er von 2000 bis 2001 in Rochester, N.Y. und war dann erneut als freischaffender Künstler tätig. Seit 2003 leitete Janák die Abteilung für Glasschnitt an seiner Fachschule. Gespräch mit František Janák, Kamenický Šenov, 09.10.2003; Langhamer/Hlaveš 2006, S. 161. 218 Nach der Privatisierung wurde die Glashütte rekonstruiert. Der neue Betreiber CKV s.r.o. (GmbH) setzt die Tradition der manuellen Produktion fort. 219 Eisch-Angus, Katharina: Das Glas im Blick nach vorn. Bericht aus der nordböhmischen Glasregion Nový Bor und Kamenický Šenov, URL: (Stand 16.08.2013). 220 Die Unterkunft wird separat mit 8 EUR bzw. 12 USD pro Tag im Wohnheim der Schule abgerechnet. Die Preise für einzelne Klassen und kürzere Studienzeiten veröffentlich die Schule auf ihrer Homepage im Internet. Homepage der Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská in Kamenický Šenov, URL: (Stand 13.08.2013). 2014 übernahm Pavel Kopřiva die Leitung der Schule.
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kanischen Bundesstaat Wisconsin wurde die NGO International Glass Alliance gegründet, in deren Namen eine Online-Petition in Umlauf gebracht wurde: „This petition speaks on behalf of the global glass community who wish to present to you our collective sentiment regarding the vital position the Secondary Glassmaking School in Kamenický Šenov possesses to the global cultural heritage of all peoples of the world. Czech glass is renowned throughout the world for its exceptional quality, craftsmanship, and artistic excellence. As the oldest school of glassmaking in the world, the Secondary School of Glassmaking in Kamenický Šenov represents a crucial and on-going chapter in the history of mankind’s engagement with glass. It is an invaluable cultural and artistic asset not only to the Czech Republic, but also to the global cultural heritage. This school’s long-standing traditions in teaching have produced many of the most prominent glass artists in the 19th and 20th centuries. Its contribution to the advancement of glass arts has influenced world trends in glass for centuries. […] As artists, professors, curators, museum and university staff, scholars, gallery owners, and collectors, we are all benefactors of the school. As such, we are all responsible for its well-being and must work to protect and preserve its legacy. Let us join together in this endeavor! […] There are creative solutions for the challenges facing the school. We look forward to working with you on this vital matter.“221
4.2.2 Glasfachschule Novy´ Bor Die Glasfachschule in Haida (auch Bor, ab 1948 Nový Bor) wurde 1870 auf Initiative lokaler Glashersteller gegründet. Der Lehrplan umfasste Entwurfszeichnung, Glasmalerei und Modellieren und wurde von dem seit 1907 bis 1929 amtierenden Direktor Heinrich Strehblow222 um Glasschliff erweitert. Strehblow eröffnete 1910 eine Schulglashütte (školní hutě, „Fachšůlka“) sowie eine Versuchs- und Experimentalanstalt. Hier erfolgte die praktische und technologische Ausbildung der Schüler unter optimalen Bedingungen. Die in der Schulhütte entwickelten Muster dienten der Industrie als Prototypen. Die Errichtung eines selbstständigen Staates, also das Entstehen der Ersten Tschechoslowakischen Republik 1918, brachte die Verstaatlichung der Schule mit sich. Die Schulhütte wurde der Stadt Haida überschrieben, welche diese an die Firma Krawany & Co. verpachtete. Immerhin einen der acht installierten Häfen für die Schmelze durfte die Schule weiterhin kostenfrei nutzten. Als „Staatsfachschule für Glasindustrie in Haida“ unterstand die Anstalt zunächst dem Industrieministerium, später dem Ministerium für Bildung und Kultur. Sie erweiterte ihr Curriculum um Klassen für Gra221 Brabender, Amy: Save the Kamenický Senov School of Glassmaking. The Petition, 10.12.2009, URL: (Stand 26.08.2013). 222 Strehblow war ebenfalls verantwortlich für die ministeriale Autorisierung der Schule als Prüfanstalt am 26.06.1913. 1920 publizierte er den Band „Der Schmuck des Glases“. Vgl. Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 78; Hais. In: Sklář a keramik, 10–12/2010, S. 206.
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vur, Glasschnitt und Hüttenformung. 1926 wurden die beiden Glasfachschulen von Haida und Steinschönau (Kamenický Šenov) gekoppelt. Diese Verbindung endete aber schon nach zwei Jahren wieder und die beiden Schulen agierten wieder getrennt. Zu den einflussreichen Glasdozenten der Zwischenkriegszeit zählten Oswald Dittrich, Alexander Pfohl und Hermann Zeh. Angesichts der Weltwirtschaftskrise bot die Schule ab 1932 arbeitslosen Glasmachern einen Kurs in modernem Gestalten an. Neuer Direktor wurde Josef Böhnisch, der 1934 die Ausbildung in Fenstermalerei und Verglasung einführte, ein Schulmuseum eröffnete und neben der Ausbildung in deutscher Sprache zusätzlich den Unterricht auf Tschechisch, zunächst in der Handelsabteilung, an der Schule anbot.223 Jaroslav V. Holeček trat als erster tschechischer Professor in das Kollegium ein. Er unterrichtete Malerei und Glasätzen und war sehr am Einsatz von Glas im Architekturbereich interessiert. In den Schulwerkstätten realisierte er eine Anzahl großformatiger bemalter Bleiglasfenster.224 Auf seine Initiative hin wurde der tschechischsprachige Unterricht auf die kunstgewerbliche Abteilung ausgeweitet und 1935 kam der Glastechnologe Jaromír Špaček als zweiter tschechischer Pädagoge an die Schule. Der Direktorenposten wurde aber bis Ende 1945 stets von Deutschen übernommen. 1937 übernahm Alfred Dorn225 diese Position von Böhnischs Nachfolger Karl Kraus. Die Glasfachschule in Haida erzielte Erfolge bei den Weltausstellungen in Brüssel 1935 und Paris 1937 und führte unter Dorn den Unterricht mit der damals hochmodernen „Flex-Teufel“-Gravurmaschine ein.226 Infolge der Besetzung durch die deutsche Armee nach dem Münchner Abkommen im Herbst 1938 wurden tschechische Lehrer und viele Schüler der Schule verwiesen.227 Die beiden Institutionen in Haida und Steinschönau waren zwar zwei Jahre zuvor erneut fusioniert worden, doch nun agierten sie getrennt voneinander. Die Staatsfachschule präsentierte sich 1940 zu ihrem 70. Gründungsjubiläum mit einer Ausstellung, die Gauleiter Konrad Henlein eröffnete.228 Dorn wechselte als Direktor ins benachbarte Steinschönau bis zu seinem Militäreinsatz 1941, wobei er gleichzeitig die Leitung der 223 Dušánek/Franz/Zatloukal 1995, o. S. Anfang 1939 stellte Karl Kraus, kaufmännischer Leiter der Schule, fest: „Das Aufzwingen der den Deutschen wesensfremden tschechischen Kunstrichtung, [machte] jede gedeihliche Entwicklung der Fachschule und die Zielstrebigkeit ihrer Leitung geradezu unmöglich.“ Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 79. 224 Langhamer 2000, o. S. 225 Zu diesem Zeitpunkt hatte man die Haidaer Anstalt mit der in Steinschönau erneut zusammengelegt. Dorn leitete nach seiner Ausweisung die Glasfachschule in Rheinbach. 226 Siehe Abbildung in Langhamer 2002, o. S. 227 Dušánek/Franz/Zatloukal 1995, o. S.; Kanowski 2010a, S. 27. Entsprechend der nationalsozialistischen Germanisierungsideologie wurde die Einrichtung „ihrer früheren Bestimmung, ein Brennpunkt der deutschen Glasindustrie zu sein, wieder zurückgegeben“ (Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 79). Im Schuljahr 1938/39 waren an der Glasfachschule Haida 80 tschechische und 60 deutsche Schüler immatrikuliert. 228 Jindrová, Ilona: VOŠS a SŠ Nový Bor historie sklářské školy, Teil 3, Onlineausgabe der Novoborský Měsíčník, November 2010, S. 12/13, URL: < http://www.novy-bor.cz/customers/novy-bor/ftp/ File/proMedia/listopad%202010web.pdf> (Stand 26.08.2013).
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Einrichtung in Haida behielt.229 Während des Zweiten Weltkriegs sank die Zahl der Studierenden auf ein Minimum, denn viele ältere Schüler und auch Lehrer wurden an die Front berufen. Die Werkstätten der Schule stellten Waffenkomponenten für die Rüstungsindustrie her.230 Man verkürzte die Ausbildung auf zwei Jahre und stellte den Unterrichtsbetrieb 1944 schließlich ganz ein. Die Schule diente nun als Lazarett. Wie schon in Steinschönau übernahmen auch in Haida junge Studenten aus dem Atelier Professor Holečeks, welche zum Teil zuvor selber Schüler an der Glasfachschule gewesen waren, zügig nach Ende des Krieges die Initiative für eine Wiederbelebung der Kunstglasgestaltung als neue Ausbilder an der Glasfachschule (Střední odborná škola sklářská − SOŠS). Karel Hrodek leitete die Gravurwerkstatt mit Vlastimil Pospíchal als Fachlehrer, Stanislav Libenský unterwies Kunstgeschichte, Malerei und Glasätztechnik für Vitragen mit Otokar Novák als Lehrer, Miloslav Babický den Glasschnitt und Josef M. Hospodka lehrte Zeichnen und Glasblasen. Libenský: „Es war eine sehr frohe Zeit voller Pionierarbeit und intensiver Tätigkeit. Es gab in dieser Branche eine Reihe von Menschen, die auf ihre Weiterbildung gewartet hatten, und so im gleichem Alter waren wie wir, ihre Lehrer, oder manchmal sogar älter waren als wir.“231
Der nur vierundzwanzigjährige Hospodka war wohl einer der jüngsten Professoren in der ganzen Republik. Hospodka: „Als wir das erste Mal am Bahnhof von Nový Bor ausstiegen, wurde auf den umliegenden Hügeln noch geschossen. Wir kamen mit leeren Händen, waren jedoch von größter Lust erfüllt, mit Glas als dem uns vom Schicksal beschiedenen Werkstoff zu arbeiten.“232
Unter der Direktorenschaft des ehemaligen Dozenten Jaromír Špaček eröffnete der Unterrichtsbetrieb am 3. September 1945 mit einem Fest. Das Interesse an der Schule war beachtlich, es kamen Schüler aus Böhmen und Mähren, aber auch der Slowakei nach Nový Bor.233 Der Typ der Schule musste in Beziehung zu den nahen Glasschulen in Kamenický Šenov und Železný Brod genau umrissen werden. Neben der dreijährigen 229 Zum kommissarischen Stellvertreter wurde Oswald Dittrich bestellt Kraus/Dorn. In: GB 3/1939, S. 80). Langhamer nennt fälschlicherweise Karl Kraus als Interimsdirektor (Langhamer 2002, o. S.), der allerdings bereits 1936/37 in dieser Position war. Vgl. Hartmann C. 2004, S. 57; Kanowski 2010a, S. 27. 230 Homepage der Vyšší odborná škola sklářská a Střední škola in Nový Bor, URL: < http://www.glassschool. cz/cs/61-O-skole/99-historie.html> (Stand 27.08.2013). 231 Interview mit Stanislav Libenský in: Drdácká. In: GR 3/1981, S. 23. 232 Interview mit Josef Michal Hospodka in: Stehlík. In: GR 7/1966, S. 193. 233 Für sie wurde später ein Internat in der Kalinově ulice erbaut. Jindrová, Ilona: VOŠS a SŠ Nový Bor historie sklářské školy, Teil 3, Onlineausgabe der Novoborský Měsíčník, November 2010, S. 12/13, URL: (Stand 26.08.2013).
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Ausbildung in Gravur, Glasblasen und allgemeinbildenden Gegenständen wie Naturzeichnen oder Fachzeichnen veranlasste Špaček demnach 1946 eine Spezialisierung der Schule in Nový Bor auf Glastechnologie, mit den Fachbereichen hüttentechnologische, analytische und physikalische Chemie.234 1950 wurde diese Abteilung allerdings nach Chřibská transferiert und von Špaček begleitet. Gravurleiter Karel Hrodek übernahm seinen Posten als Schuldirektor. In Chřibská entstand somit neben der Berufsschule eine hüttenchemische Glasfachschule mit einer vierjährigen glastechnologischen Ausbildung, einer zweijährigen Gewerbeschule für Laboranten sowie einer einjährigen Meisterschule. Bereits nach zwei Jahren zogen diese damals fortschrittlichen Bildungsstätten wieder in das Gebäude der Glasfachschule von Nový Bor um und Špaček übernahm erneut von Hrodek den Posten des Schulleiters. Nicht alle Schüler der ersten Jahrgänge brachten bei Eintritt die erforderliche Matura mit, denn die zügige Ausbildung neuer Kader hatte absolute Priorität. Nach einem Eignungstest wurden 42 Schülerinnen und Schüler aufgenommen.235 Harcuba: „Na, das war die Fachschule, ich wurde aufgenommen, obgleich ich nur die Grundschule besucht hatte. Und ich musste dann erst noch abends die Bürgerschule absolvieren, nebenbei, und auch wieder Tschechisch lernen. Ich hatte das wieder vergessen zu einem gewissen Grad. Und dann nach der Fachschule wurde ich gleich in den zweiten Jahrgang aufgenommen, weil ich ein ausgelernter Graveur war, und dabei der Jüngste auch. Als das zu Ende war, bekamen noch einige von uns ein Ehrenjahr, wir konnten dort an der Schule bleiben und uns mit den Hauptfächern befassen, in den Werkstätten zeichnen und diese Sachen. Aber wir haben’s nicht ganz ausgenützt und drei von uns sind nach Olmütz an die Pädagogische Fakultät gegangen im Sommersemester ’48, wo wir als außerordentliche Studenten nur das studierten, was wir wollten, mit der Aussicht, dass wir die Reifeprüfung nebenbei ablegen müssen. Und das alles, diese Fächer, dann eigentlich nachholen. Aber dazu kam es wieder nicht, weil ich dann in den Ferien ’48 nach Haida auf Besuch kam und Professor Hrodek, mein Leiter in der Fachschule, mich überredet hat, in das Atelier, das damals entstand, als Graveur einzutreten, mit der Aussicht, dass er mich vorbereiten kann für die Aufnahmeprüfung in Prag. Und das ist alles so geschehen und ich bin dann ab ’49 nach Prag gekommen und in Prag geblieben.“236
In diesen ersten Nachkriegsjahren realisierten die Schüler in Nový Bor keine eigenen, sondern vor allem Professorenentwürfe.237 Auf diese Weise perfektionierten sie ihre handwerklichen Fähigkeiten. Zwischen 1946 und 1948 entwarf Stanislav Libenský eine 234 Růžička, In GR 6/1965, S. 162; GR 10/1971, S. 294. 235 Langhamer 2005a, S. 39. 236 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 237 Beispielsweise Bohumil Čabla, Václav Cigler, Vladimír Kopecký, Oldřich Lípa, Vratislav Šotola, Vilém Veselý und Karel Wünsch. Sowohl Kopecký als auch Šotola wechselten nach zwei Jahren an der Schule in Kamenický Šenov an die SOŠS in Nový Bor. Beide spezialisierten sich in den Abteilungen für Glasmalerei und Ätztechnik.
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Serie von kaltnadelradierten und emailbemalten Schalen und Vasen, die von seinen Studenten oder Werkstattleitern ausgeführt wurde. Es handelte sich um klare, dünnwandig in eine einfache Form geblasene Körper, die dann mittels linearem Ätzen und dem Auftragen transparenter Emails dekoriert wurden. Der Unterricht sollte die Beherrschung der Zeichen- und Malkenntnisse fördern, aber auch Libenskýs Idee der „Malerei im Raum“ verkörpern.238 Neben zahlreichen anderen figurativen Darstellungen finden sich unter diesen auch religiöse Sujets239 (Abb. 20). Hospodka entwarf ebenfalls religiöse Vorlagen für Vasen in Gravur und Tiefschnitt, die in Hrodeks Gravurabteilung realisiert wurden. Die Schule wurde als „kosmopolitisch, idealistisch und formalistisch“ kritisiert, was sich unter anderem an der Serie Libenskýs zeige.240 Vorgeschoben nahm man diese Arbeiten 1952 zum Anlass, die Schule in Nový Bor zu schließen, wobei wohl die Priorisierung der Ausbildung für eine Tätigkeit in der Schwerindustrie entscheidender war. Die letzten Examina wurden aber noch im Juni 1953 abgenommen.241 Auf Veranlassung des Generalorgans der Glasindustrie, der Generaldirektion Tschechoslowakischer Glaswerke242 wurde im Gegenzug eine einjährige Meisterschule für Glasmacher gegründet, für die im Grunde gar kein Bedarf bestand.243 Die Abteilung für Hüttenglas hingegen blieb geöffnet und arbeitete weiter im chemisch-technologischen Bereich: Ein Entschluss, der den Ansprüchen der Schwerindustrie entgegenkam und wohl aus diesem Grund gewährt wurde. 1954 erhielt die Schule offiziell den Titel einer Industriefachschule für Glas (SPŠS). Die Dozenten der künstlerischen Abteilungen wurden „befördert“, indem ihnen leitende Posten an anderen Instituten angeboten wurden. Josef M. Hospodka übernahm den Posten des Direktors an der Berufsschule für Glasmacher in Chřibská. Karel Hrodek wurde Direktor der Glasfachschule in Železný Brod. Über den weiteren Werdegang von Otokar Novák und Miloslav Babický ist nichts bekannt, aber Libenský verließ als letzter Lehrer die Schule und wechselte 1953 als Leiter der Abteilung für Glasmalerei und Ätztechnik an die Schule in Železný Brod, wo er im Folgejahr die Direktorenstelle von Hrodek übernahm.244 Die Kunstgewerbefachschule für Glas in Nový Bor blieb bis 1988 vor allem eine chemisch-technologische Bildungsanstalt. Eine Ausnahme stellt die 1964 auf Anregung von Mitarbeitern der Nationalunternehmen – vermutlich eigentlich 238 Klasová 2002, o. S. 239 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 272. 240 Übersetzung: Langhamer 2000, o. S. Die Vasen „David und Goliath“, „Das Wunder von Kanaan“ und „Das Letzte Abendmahl“ nach Hospodkas Entwurf entstanden zwischen 1945 und 1951, abgebildet in: Langhamer 2002, o. S. 241 Langhamer 2005a, S. 40. In dem kurzen Zeitraum von acht Jahren absolvierten 144 Schüler eine Ausbildung an dem Institut. Jindrová, Ilona: VOŠS a SŠ Nový Bor historie sklářské školy, Teil 3, Onlineausgabe der Novoborský Měsíčník, November 2010, S. 12/13, URL: (Stand 26.08.2013). 242 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 68. 243 Langhamer 2005a, S. 36. 244 Siehe Kapitel 4.2.3, S. 188.
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auf Initiative Direktor Špačeks – eingerichtete Abteilung für Hüttenglasformung dar, deren erster Künstlerpädagoge Oldřich Lipský wurde. Dieses umfasste ein dreijähriges Studium für gelernte oder zumindest teilweise gelernte Glasbläser, die auch gestalterische Begabung erkennen ließen.245 Im Anschluss an das Studium der Hüttenformung, welches mit dem Unterricht in Designgeschichte, Zeichnen und Modellierung kombiniert war, kehrten sie in der Regel zurück in ihren „Mutterbetrieb“.246 Špaček räumte 1969 den Direktorenposten, als er zum Vorsitzenden des Nationalausschusses in Nový Bor berufen wurde.247 Sein Nachfolger wurde Čeněk Mikeš, zuvor an der Fachschule in Teplice tätig. Mikeš: „Während das Unterrichtssystem, der Lehrplan der Schule, nun gleich bleibt, erfährt das Schulgebäude, um allen Anforderungen zu entsprechen, einen großzügigen Umbau und eine durchgreifende Rekonstruktion. Aussehen, Umfang und Ausstattung der Schule bilden jetzt den Gegenstand großer Anstrengungen, denn die Ansprüche der Industrie in Bezug auf die fachliche Vorbereitung der mittleren technischen Kader steigen.“248
1972 löste ihn Lipský ab, der das Amt für zehn Jahre bekleidete. 1982 übernahm Mikeš dann erneut den Schulleiterposten. Die Fachschule von Nový Bor bildete über diesen gesamten Zeitraum eine große Anzahl von Glastechnikern und Technologen für die Industrie aus249, weniger Anwärter für die VŠUP in Prag. Entsprechend ihrer für die künstlerische Entwicklung des tschechischen Glases eher unbedeutende Rolle wurde über die Fachschule nur selten in Zeitschriften wie der Glasrevue, Tvář oder umění a řemeslo berichtet. Auf Beschluss des MŠAK setzte sie ab 1988 wieder einen kreativen Schwerpunkt mit Einrichtung zweier Abteilungen für Schleifen und Glasmalen. Diese leiteten der Bildhauer Miroslav Čermák und zum ersten Mal eine weibliche Dozentin, die Malerin Zdenka Štipaková. Im Zuge der Samtenen Revolution wurde der Direktorenposten 1990 mit Pavel Zatloukal neu besetzt. Unter seiner Leitung erhielt die Schule Räumlichkeiten in historischen Gebäuden in der Palacký ulice und am Palacký náměstí, wo neue Klassenzimmer, eine Schulhalle und eine Schulgalerie mit Verkaufsstelle eingerichtet wurden.250 Die Leitung einer neuen Abteilung für Glasschnitt übernahm Pavel Werner. 1996 erhielt 245 „Dieses Fach studieren gegenwärtig 34 Schüler und nach der Reifeprüfung steht den Begabtesten der Weg auf die Hochschulen der künstlerischen Richtungen offen.“ GR 10/1971, S. 294. 246 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 9. 247 Langhamer 2005a, S. 41. Špaček verließ seinen Direktorenposten wohl nicht aus „politischen Gründen“. Im Gegenteil, 1971 wurde zu Ehren seines 60. Geburtstages eine Ausstellung in Jablonec nad Nisou veranstaltet und auch die Glasrevue schrieb in der Phase der Normalisierung über seine Leistungen als Experimentierer und Glastechnologe, zum Beispiel GR 7/1971. 248 Interview mit Čeněk Mikeš in: GR 10/1971, S. 297. 249 Langhamer/Vondruška 1991, S. 133. Von 1945 bis 1980 absolvierten „rund 1000“ Schüler die Fachschule. Drdácká. In: GR 11/1981, S. 9. 250 Langhamer 2000, o. S.
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die Fachschule den Status einer Höheren Glasfachschule (Vyšší odborná škola sklářská – VOŠS), an der sich Absolventen der Mittelschulen weiterbilden lassen konnten. Seit 2004 existierte die Schule in einem Nebeneinander mehrerer Institutionen, die sich mit der Ausbildung von Glasmachern und Gestaltern beschäftigen. Diese kombinierte Lehrstätte nennt sich bis heute Höhere, Mittlere und Lehrlingsglasfachschule, Technisches Gymnasium und Gymnasium Nový Bor (VOŠS a SPŠS s SOUS, OU a U. SOUS Nový Bor). Direktorin wurde Ilona Jindrová. Die Schule bot den Unterricht mehrerer klassischer und moderner Glastechniken an, Malerei, Gravur, Schleifen, Kunstverglasung, Sandstrahl, Schmelzglas oder auch Formschmelzen, sowohl in vier- als auch dreijährigen Kursen. Wie in Kamenický Šenov konnten ausländische Studierende gegen Zahlung einer Gebühr Seminare in den verschiedenen Fachrichtungen belegen.251 Jindrová versuchte den Anteil ausländischer Studierender an der Schule weiter zu erhöhen, indem der Unterricht sukzessive in englischer Sprache angeboten wurde. Auch setzte sie sich erfolgreich seit 2010 dafür ein, dass Auszubildenden der Schule Stipendien zur Verfügung standen. Jindrová: „Dieses [Stipendien-]Programm, das von der Region Liberec gesponsert wird, ist ein klarer Beweis dafür, dass für Lehrstellen der Handwerksindustrien im Bereich Glas nicht nur die Schule Verantwortung für die Förderung Interessierter trägt, sondern auch die Arbeitgeber. Nach mehreren Jahren der wirtschaftlichen Rezession in der Glasindustrie, halten die Arbeitgeber wieder Ausschau nach qualifizierten Handwerkern. Aus meiner Erfahrung kann ich bestätigen, dass die meisten Unternehmen jetzt hektisch nach einem guten Glasschneider oder Bläser suchen. In dem Beruf sehe ich eine Chance für junge Menschen, die nicht studieren, sondern etwas mit ihren eigenen Händen schaffen wollen.“252
Die Erweiterung des Curriculums brachte auch die Vergrößerung des Kollegiums mit sich.253 1996 beging sie ihr einhundertvierzigjähriges Bestehen mit einem Symposium zur Glasgravur, einer Ausstellung und einem Gala-Dinner mit Tanzveranstaltung in Nový Bor, zu dem auch die ehemaligen Absolventen eingeladen worden waren. Das Gravursymposium wurde als Triennale bis 2008 zu einem festen Bestandteil der Schulaktivität.254 Auch die Tradition der Beteiligung an den Internationalen Glassymposien 251 Die Informationen zu Kosten für diese Kurse und Workshops, die von der Höheren Glasfachschule angeboten werden, finden sich auf der Homepage der Vyšší odborná škola sklářská a Střední škola in Nový Bor, URL: (Stand 27.08.2013). 252 Jindrová, Ilona: Finanční injekce pro řemeslné sklářské obory, 05.11.2012, URL: (Stand 27.08.2013). 253 Milan Handl, Pavel Homolka, Stanislav Honzík Junior, Antonie Jankovcová und Karolína Kopřivová, Zdeněk Kunc und Bohumil Tománek kamen in den 1990er und 2000er Jahren als neue Dozenten an die Bildungsstätte. Honzík Junior (geb. 1953) unterrichtete ab 2006 an einer privaten Kunst- und Designschule in Plzeň-Litice. Nový/Havclíčková 2007, o. S. 254 Das zweite Gravursymposium folgte 1999, dann 2002 und 2005. 2008 fand es zum fünften Mal statt. Ein sechstes Symposium konnte nicht finanziert werden.
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(IGS) setzte die Schule nach 1989 fort, ab 2009 als Mitveranstalter.255 Sie bot den Symposiumsteilnehmern unter anderem ihre Räumlichkeiten und besten Handwerker an (Abb. 21). Während des X. Internationalen Glassymposiums wurden in der Aula der Schule Vorträge gehalten und Exponate der Teilnehmer präsentiert. Im Oktober 2012 fand das XI. IGS statt. 2014 feierte die Schule ihr zweihundertfünfzigjähriges Bestehen, am Gründungsdatum der Piaristenschule orientiert.256
4.2.3 Glasfachschule Železny´ Brod Die Schule in Železný Brod wurde als dritte ihrer Art 1920 eröffnet, aber sie war die erste Glasfachschule, an der in tschechischer Sprache unterrichtet wurde.257 1925 wurde der Architekt und Pädagoge Alois Metelák258 Direktor, nachdem er ein Malereistudium an der UMPRUM beendet hatte. Metelák führte eine Art Studium Generale für die angehenden Glasmacher ein, denn der praktische Unterricht in den diversen Glastechniken umfasste auch Finanzbuchhaltung, Geographie und Fremdsprachen. Er forderte als einer der ersten Kunstgewerbedozenten, neben dem ästhetischen Erscheinungsbild des fertigen Glases vor allem auf dessen Funktionalität zu achten. Schon allein wegen ihres neuartigen Lehrplans und der Unterrichtssprache Tschechisch unterschied sich die Schule im Erscheinungsbild von den älteren Fachschulen in Steinschönau und Haida. Da sie in einem Neubau von 1925 untergebracht und die Lehrräume modern ausgestattet waren, ließ sich der Unterricht in optimaler Umgebung umsetzen. Noch 1970 war diese Lehranstalt die bestausgerüstete im Land.259 Der Aufbau der Fachschule in Železný Brod war dem der UMPRUM in Prag ähnlich, wo offene Ateliers und kreatives Arbeiten selbstverständlicher Teil des Curriculums waren.260 Die Schule setzte sich in der Zusammensetzung ihres Kollegiums von den anderen Glasfachschulen ab, denn hier waren ausschließlich Tschechen als künstlerische Leiter beschäftigt: Jaroslav Brychta, Josef Jirouš, Zdeněk Juna, Jaroslav Pipek, Ladis255 Das IGS wurde 1982 von Crystalex ins Leben gerufen und fand im Drei-Jahres-Rhythmus bis 2006 in Nový Bor statt. Als Crystalex 2009 Konkurs anmeldete, organisierten Mitglieder der Stadtverwaltung, lokale Betriebe mit Schwerpunkt auf die Kunstglasproduktion wie Ajeto, Egermann und die Glashütte Slavia gemeinsam mit der Schule in Nový Bor sehr kurzfristig und improvisiert das X. International Glass Symposium im Juni des Jahres. Der neue Eigentümer von Crystalex übernahm dann erneut die Organisation zum XI. Symposium 2012. Anders als in der Vergangenheit wurden die Exponate später nicht mehr im Schloss von Liberec, sondern im Prager Kunstgewerbemuseum präsentiert. Siehe auch Kapitel 5.1.4, S. 266. 256 Die IGS werden ausführlich besprochen in: Langhamer/Vondruška 1991, S. 182–191; Petrová 2001, S. 143–147. 257 In sozialistischer Zeit wurde diese Glasfachschule stets mit besonderem Blick auf diesen Umstand betrachtet. Siehe Kapitel 5.2. 258 Zu Metelák (1897–1980) siehe Kapitel 2.5, Anm. 84, S. 45. 259 Šotola. In: GR 4/1970, S. 97. 260 Palata 2001b, o. S.
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lav Přenosil und Oldřich Žák.261 Sie entwickelten gemeinsam einen „Nationalen Stil“ mit „typisch tschechischem Charakter“, der sich nach Gründung der Ersten Republik vor allem in der Architektur und im Kunstgewerbe durchsetzte und als deutlich „moderner“ galt als jener der beiden anderen Institutionen in Haida und Steinschönau.262 Bei der Pariser „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ 1925 gewannen ihre Exponate nicht nur wie die der Fachschule in Steinschönau eine Goldmedaille, sondern den Grand Prix sowie sechs weitere Auszeichnungen. Metelák erwies sich als geschickter Förderer der Reputation seiner Schule, so präsentierte er die Kollektion noch vor dem Versand der Ausstellungsstücke in Železný Brod.263 Seit Mitte der 1920er und den späten 1930er Jahren verpasste die Lehranstalt keine größere Schau mit zeitgenössischem Glas und erhielt hochdotierte Preise auf den Weltausstellungen in Brüssel 1935 und Paris 1937 und den Triennalen in Mailand 1936 und 1939. Da es in Železný Brod keine eigene Glasmachertradition gab, war die Schule auf die Zusammenarbeit mit den Glaswerken in Harrachsdorf und Polaun angewiesen und orderte Rohlinge bei Hütten im ganzen Land.264 Die Stadt lag in dem Teil der Tschechoslowakei, der mit dem Münchner Abkommen im Herbst 1938 nicht zum „Reichsgau Sudetenland“ geschlagen wurde. Erst im am 15. März 1939 wurde er als „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ besetzt.265 Wie in den beiden anderen Glasfachschulen setzte die deutsche Verwaltung nun auch hier Schüler der Einrichtung in der Kriegsproduktion ein und suspendierte tschechische Lehrkräfte. Ladislav Přenosil, der mit seinen Gravurentwürfen maßgeblich an der Entstehung des berühmten „Železný-Brod-Stils“ mitgewirkt hatte266, wurde am 30. Juni 1941 auf Entscheidung des Bildungsministeriums als ehemaliger russischer Legionär nach zwanzig Jahren Lehrtätigkeit in den Ruhestand zwangsversetzt.267 Božetěch Medek268 übernahm seinen Posten und führte die 261 Siehe Kapitel 2.5, S. 46. Auch die Dozenten für die Fachbereiche Chemie und Technologie, Milan Veselý, sowie Wirtschaft und Fremdsprachen, Rudolf Janíček, waren Tschechen. Einige Werkstattlehrer hingegen waren deutsch, wie Viktor F. Kirchner, der nach seiner Anstellung in der Glashütte Riedel ab 1937 „Metallformen für gestauchtes Glas“ unterrichtete und dann 1946 die Schule verlassen musste. Siehe S. 185. 262 Palata 2001c, o. S. Eine Ausstellung der Nationalgalerie im Veletržní palac beschäftigte sich von März bis Juni 2013 mit diesem repräsentativen Stil der Ersten Tschechoslowakischen Republik. 263 Langhamer. In: GR 11/1975a, S. 2. 264 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 211. 265 Das Protektorat wurde am Folgetag proklamiert. 1940 wurde die Schule dann umbenannt in Fachschule für Glasindustrie und Handel in Eisenbrod. 266 Adlerová 1981, S. 44. 267 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 64, 183. Auch der Hausmeister Hofrichter wurde entlassen. 268 Medek (1909–2005) absolvierte 1929 seine Ausbildung unter Přenosil an der Glasfachschule in Železný Brod. Danach studierte er an der UMPRUM unter Josef Drahoňovský und arbeitete ab 1934 für die Glashütte Rückl als Graveur. Nach zwei Jahren beim Militär eröffnete er seine eigene Werkstatt in Železný Brod und begann 1938 als Gravurlehrer unter Přenosil an der Fachschule zu unterrichten. Nachdem die Schule 1944 geschlossen war, arbeitete Medek bis Kriegsende für Rudolf Hloušek. Nach Kriegsende arbeitete er erneut als Professor an der
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Gravur unverfänglicher poetischer Motive und allegorischer Sujets, wie die vier Jahreszeiten, Mutterschaft, Kinderspiele, Volkslieder und Stadt- oder Landschaftsansichten in den Lehrplan ein. Auch Zdeněk Juna269, Leiter der Abteilung Glasmalerei und Ätztechnik, verließ die Schule 1939270, um die Direktorenstelle an der Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau anzutreten. Seine Position übernahm Miloslav Janků271, der sich mit der abstrahierenden Darstellung von Tierfiguren und volkstümlichen Motiven beschäftigte. Die für die tschechische Glaskunst nach 1945 einflussreichen Gestalter Stanislav Libenský, Pavel Hlava, Miloslav Klinger, Adolf Matura, Miroslav Plátek, Felix Průša Junior und Vladimír Žahour studierten zwischen 1938 und 1942 in Železný Brod, bevor die meisten von ihnen an die UMPRUM in Prag wechselten.272 Nur Klinger arbeitete ab 1941 zunächst als Gestalter für die Firma J. Kleinert in Železný Brod, wo er auch von 1937 bis 1938 eine Lehre gemacht hatte, und Žahour für die Raffinerie Bouček in Malá Skála. Nach Kriegsende kamen auch diese beiden in das Atelier von Štipl an die Kunstgewerbeschule. Žahour: „Ich bin nicht nach Brod gegangen, ich wurde dort geboren. Es war kein fester Plan, dass ich auf die Glasschule gehen würde, doch dann kam eine unklare Situation – der Beginn des Protektorats. Obwohl ich nie daran gedacht hatte, an der Glasschule zu studieren, entschied ich mich schließlich, dass in dieser Situation die Schule eine gute Lösung sein würde und dass ich noch immer nach all den Jahren, die das Studium dort dauert, beschließen könnte, was zu tun ist. Ich bin sicher, dass viele meiner damaligen Klassenkameraden ähnlich dachten. Nach meinem Abschluss im Jahr 1943 entschied über meine Zukunft aber das Arbeitsamt. Ich musste in die Raffinerie von Herrn Bouček bei Malá Skála gehen. So wurde ich ein Schneider. Herr Bouček war selber ein ehemaliger Absolvent der Schule und verfolgte mit Verstand einen neuen Begriff des Glasschnitts. Ich war schließlich froh, dass ich dort war. Neben der Arbeit im Schneideraum, an Feiertagen und während des Schuljahres, arbeiteten hier auch viele Hörer der Angewandten Kunst [zum Beispiel Václav Hanuš], die ich getroffen habe, und so habe ich schließlich beschlossen, es auch zu versuchen. Unmittelbar nach dem Krieg meldete ich mich aus eigenem Antrieb für die Prüfung an, um in das Studio von Professor Karel Štipl zu kommen und ich wurde angenommen.“273 Fachschule und von 1966 bis zu seiner Pensionierung 1970 fungierte er als ihr Direktor. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 269 Siehe Kapitel 2.5, Anm. 92, S. 46. 270 Šotola. In: GR 4/1970, S. 98. 271 Janků (1916–1994), selber von 1931 bis 1934 Schüler in Železný Brod, hatte zuvor das Atelier von František Kysela an der UMPRUM absolviert. Adlerová 1973a, S. 42. Siehe auch Anm. 306, S. 188. 272 Průša folgte 1938, Libenský im Jahr darauf, Professor Jaroslav Holeček an die UMPRUM. Matura und Plátek wechselten 1940, Hlava 1942 in das Atelier von Professor Štipl nach Prag. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 273 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Vladimír Žahour in Ausgabe 27/2003 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 04.09.2013).
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Die weitestgehend unpolitische Haltung des Lehrkörpers führte dazu, dass der Unterrichtsbetrieb parallel zu der Erzeugung bestimmter „kriegswichtiger“ Produkte weitergeführt werden konnte. Die Dozenten konzentrierten sich stattdessen auf die Entwicklung eines schuleigenen Stils. 1941 hielt Alois Metelák fest: „Es geht uns in erster Linie um das Herausarbeiten eines eigenständigen Arbeitsstils in Železný Brod. Wir wollen uns bemühen, dass wir das Glas aus Železný Brod nicht nur dem Namen nach produzieren, sondern auch im geistigen Sinne – dass sich in diesem Glas die ganze Region widerspiegelt, das Leben ihrer Menschen, ihrer Tiere, ihrer Blumen und Vögel, sowohl in den Figuren also auch auf den Vasen und Schalen, die von hier aus in die Welt gehen sollen. Wir wollen zum Ausdruck bringen, dass dieses Glas die regionale Kultur verkörpert […]. Die hiesigen Erzeugnisse sollen auf der ganzen Welt gefragt sein wegen ihrer ganz persönlichen Eigenart, ihres individuellen Geschmacks und ihrer vollendeten Verarbeitung, wie man sie auf der ganzen Welt kein zweites Mal findet.“274
Ab 1942 war das „Heben der rechten Hand“ zur Begrüßung bei allen offiziellen und inoffiziellen Anlässen für die Mitarbeiter verpflichtend. Werkstattlehrer Karel Syrovátka schrieb später über Metelák, dass er die Mitarbeiter nie gezwungen habe, „auf die deutsche Art zu salutieren, wie es an anderen Schulen üblich war“ und dass an der Schule insgesamt eine starke antideutsche Stimmung geherrscht habe.275 Als Jaroslav Brychta, da er nach den Nürnberger Gesetzen mit einer „Halbjüdin“ verheiratet war276, und Werkstattlehrer Viktor F. Kirchner, als ehemaliger russischer Legionär, 1942 aus dem Schuldienst entlassen werden sollten, setzte sich der Direktor für sie ein, so dass beide weiter unterrichten konnten.277 Überhaupt stellte sich Metelák während der gesamten Kriegszeit vor sein Kollegium. Da Schlifflehrer Pipek 1943 häufig krank war, stellte er zu dessen Unterstützung Břetislav Novák Senior278 als Hilfslehrer ein. 1944 musste aber gegen Meteláks Protest auch der Dozent für Glasmalerei, Janků, die Schule verlassen, vielleicht wegen seines expressionistischen Stils.279 Die Schule schloss kurz darauf und wurde von deutschen Armeeeinheiten, unter anderem der Luftschutz-Lehrkompagnie, besetzt.
274 Langhamer 2005a, S. 43/44. Langhamer zitiert Metelák fälschlicherweise für den Zeitraum nach 1945. Meteláks Feststellung wurde aber schon am 8. August 1941 in der Wochenzeitung Týden horských okresů veröffentlicht. 275 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 64/65. 276 Šetlík 1994, S. 25. 277 Der Direktor setzte sich erfolgreich auch dafür ein, dass Schüler, die zwangsdeportiert werden sollten, an der Schule bleiben konnten. Langhamer/Hlaveš 2010, S. 65, 184. 278 Novák Senior (1913–1982) hatte von 1933 bis 1936 eine Ausbildung an der Schule gemacht und war dann als Glasschleifer für die Firma M. Bachtík in Jesen bei Železný Brod tätig gewesen. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 279 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 65.
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Fast zeitgleich mit den beiden anderen Glasfachschulen in Nordböhmen eröffnete das Institut in Železný Brod erneut am 5. September 1945. Die Schüler, deren Ausbildung im letzten Kriegsjahr unterbrochen worden war, kehrten zurück und nahmen zusammen mit etwa 50 neuen Studenten den Unterricht wieder auf.280 Den Unterricht führten die gleichen Pädagogen weiter, die bis zur Schließung der Einrichtung im Vorjahr dort angestellt waren. Eine staatliche Kommission hatte festgestellt, dass keiner von ihnen „politisch unzuverlässig“ gewesen sei.281 Immerhin war diese Einrichtung stets als eine rein tschechische Lehranstalt – gegenüber denen in Haida und Steinschönau – wahrgenommen worden. Die Schule besaß nun wieder sechs Glasveredelungsabteilungen: Hüttengearbeitetes und hüttengeformtes Glas wurde von Jaroslav Brychta unterrichtet, Božetěch Medek stand der Gravurabteilung vor, Jaroslav Pipek lehrte Glasschliff und Oldřich Žák war künstlerischer Leiter der Abteilung für Bijouterie und Mosaik. Alois Metelák blieb Direktor und künstlerischer Leiter der Abteilung Glasschnitt.282 Janků nahm erneut die Leitung der Werkstätten für Glasmalerei und Ätztechnik auf und auch Ladislav Přenosil konnte wieder als Dozent an der Schule arbeiten, nachdem er kurz nach Kriegsende 1945 rehabilitiert wurde. Přenosil lehrte aber bis 1958 nur noch Modellierung, technische Zeichnung und Russisch und nicht mehr in seiner alten Position als Gravurlehrer.283 1946 verließ erzwungenermaßen Viktor F. Kirchner als einziger Dozent die Schule und siedelte nach Deutschland über. Seinen Posten als Werkstattleiter für die Abteilung Formgravur übernahm Josef Frendlovský284 und zwei weitere Werkstattlehrer, Ladislav Ouhrabka und Petr Patřičný, ergänzten das Kollegium für die nächsten 30 Jahre. Der unter Kollegen unbeliebte Josef Jirouš verließ auf deren Antrag ebenfalls das Institut und übernahm Verwaltungsaufgaben an einer medizinischen Einrichtung in Prag.285 Metelák konnte im Folgejahr, 1947, noch einmal zwei
280 Langhamer 2005a, S. 43. 281 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 184. 282 Langhamer 2005a, S. 43. 283 Homepage der Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská in Železný Brod, URL: (Stand 09.07.2013). 284 Frendlovský (1915–2005) studierte an der Schmuckfachschule in Turnau, die er 1933 absolvierte. Dann ging er bis 1939 an die UMPRUM in Prag. Während der Kriegsjahre wirkte er als externer Lehrer für Formgestaltung, Treibarbeit und Ziselierung von Metall an der Schmuckfachschule Turnau. Von 1945 lehrte Frendlovský für ein Jahr als Professor an der Staatsfachschule für Kunstindustrie in Jablonec nad Nisou. Seit 1946 setzte er seine pädagogische Tätigkeit an der SOŠS in Železný Brod fort. Seine Abteilung konzentrierte sich in den 1960er Jahren auf das Modellieren von Pressglasformen. Langhamer. In: GR 11/1975b, S. 9. 285 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 69. Jirouš (geb. 1891, Sterbedatum unbekannt) hatte beispielsweise in der Vergangenheit die Versuche seines Kollegen Brychta mit formgeschmolzenen Glaskröseln vor Schülern lächerlich gemacht. Auch unterstellte man ihm, dass er bei Eintritt in die Schule als einer ihrer drei ersten Professoren 1920 seinen Lebenslauf gefälscht habe. Langhamer, Antonín: Jak přišlo sklo do Železného Brodu, URL: (Stand 30.08.2013).
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neue Dozenten anstellen: Jan Černý286 und Miloslav Klinger287. Černý unterrichtete für die nächsten 22 Jahre gemeinsam mit Přenosil Zeichnen und Modellieren sowie in dem der Schule angeschlossenen Betrieb die Modellierung von Glasbijouterie und anderen Glasobjekten. Klinger übernahm, mit Břetislav Novák Senior an seiner Seite, die Abteilung Glasschliff. Später wirkte er als künstlerischer Leiter für Glasfiguren, schließlich für Glasschmuck.288 Von einem grundsätzlichen Austausch des Lehrerkollegiums nach Kriegsende konnte man demnach, anders als in den beiden anderen nordböhmischen Glasfachschulen, nicht sprechen. Schon am 28. Oktober 1945 präsentierte sich die Schule mit einer Ausstellung anlässlich ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens.289 Die Sonderrolle der Schule lag vor allem in ihrem „tschechoslowakischen Charakter“ begründet. Die beiden anderen Lehranstalten in Kamenický Šenov und Nový Bor wurden nach dem Weltkrieg zu ernsthaften Konkurrenten für die Schule in Železný Brod, wie auch die beiden Glasateliers der VŠUP, die künstlerischen Zentren in den Betrieben und auch das ÚLUV und ÚUŘ.290 Auf Vermittlung der Dozenten unterhielten die Schüler und Studenten aller Einrichtungen außerschulische Kontakte mit der experimentellen Werkstatt der Bor Studios, später Umělecké sklo, wo sie ihre eigenen Entwürfe realisieren konnten. Die generelle Aufbruchsstimmung im künstlerischen Glasschaffen, wie sie auch der Blok českeho skla291 verfolgte, konzentrierte sich nicht mehr 286 Černý (1907–1978) studierte von 1924 bis 1927 an der Staatlichen Berufsschule für Holzschnitzerei in Chrudim. Zwischen 1927 und 1934 war er Gastprofessor für Holzbildhauerei an verschiedene Kunstschulen und studierte an der UMRPUM. Nach seinem Studium arbeitete Černý vor allem als Lehrer, 1946 wirkte er für kurze Zeit an der Kunstfachschule in Jablonec nad Nisou, bevor er 1947 an die Schule in Železný Brod wechselte. Zuerst war er dort Leiter der Abteilung Glasschnitt, von 1954 bis 1961 unterrichtete er die neue Abteilung für Schmelzglasplastik, bis 1968 zusammen mit der Bijouterieabteilung. Im gleichen Jahr verließ Černý die Schule und arbeitete in den folgenden Jahren als Gestalter von Schmelzglasplastiken für Skloexport Liberec und die Künstlerkooperative Maják (Leuchtturm) in Jablonec nad Nisou. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Mánková. In: GR 6/1970, S. 173/174. Für Klinger siehe Kapitel 5.1.4, S. 260, und Kapitel 5.2.2, S. 281. 287 Klinger (1922–1999) hatte eine Glasmacherlehre bei der Firma Josef Kleinert in Železný Brod gemacht, bevor er von 1938 bis 1942 die dortige Glasfachschule besuchte. Danach studierte Klinger bei Holeček an der UMPRUM und ab 1945 bei Štipl an der VŠUP. 1948, nach seinem Abschluss, arbeitete er als Gestalter für Železnobrodské sklo und den dortigen künstlerischen Werkstätten. Parallel unterrichtete er Hüttenglasformung an der Fachschule in Železný Brod, wo er für zwei Jahre (1963–1965) den Direktorenposten bekleidete. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 382. 288 Langhamer 2005a, S. 44. 289 Hier zeigte sich, dass „der Gedanke der ideellen Einstellung der Schule in Železný Brod auf das Schaffen von neuem böhmischem Glas, das sie in den zurückliegenden 25 Jahren charakterisiert[e]“, dazu führte, dass „die Veränderungen in ihrer Tätigkeit, die sich nach dem Jahr 1945 vollzogen, […] deshalb nicht so einschneidend [sind] wie an den anderen Schulen“. Šotola. In: GR 4/1970, S. 100. 290 Für beide Institutionen siehe Kapitel 5.2.4. 291 Siehe Kapitel 4.2.1, S. 162 f., und Kapitel 5.1.4, S. 254.
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auf Železný Brod allein. Die kommunistische Übernahme der Regierungsgewalt im Februar 1948 brachte für alle Schulen eine Verschiebung der Lehrpläne mit Schwerpunkt auf die industrielle Produktion von Gebrauchsglasartikeln mit sich. Der Name wurde in Staatliche Glasfachschule (Státní vyšší odborná škola sklářská) geändert.292 Auch einige personelle Veränderungen erfolgten im Rahmen der sogenannten „revolutionären Transformation“293, einer Aktion der KSČ, an der Glasfachschule in Železný Brod.294 Das Kollegium wurde „politisch gestärkt“ durch die Ankunft von Jaroslav Korda, der die Abteilung für Glasmalerei übernahm und energisch den sozialistischen Realismus vertrat.295 In den 1970er Jahren der Normalisierung kommentierte Antonín Langhamer diese einschneidenden Maßnahmen in Retrospektive euphemistisch: „Die Stelle der älteren nahmen nun junge, zu Hoffnungen berechtigende Künstler ein. Das Professorenkollegium war nicht mehr ein so einheitliches Kollektiv, das mit einem einheitlichen künstlerischen Programm vor die Öffentlichkeit trat, und auf Ausstellungen sowie in Wettbewerben setzten sich die Professoren nun eher als ausgeprägte Persönlichkeiten mit eigenem schöpferischem Herangehen durch.“296
Direktor Alois Metelák musste Ende 1948 aus „politischen Gründen“ sein Amt niederlegen297 und auch der Professor für Glasschliff, Jaroslav Pipek, verließ die Schule, allerdings aus gesundheitlichen Gründen.298 Neuer Direktor wurde der seit 25 Jahren dort als Dozent tätige Jaroslav Brychta, demnach kein ganz „junger Künstler“ mehr. Brychta selbst war nie unpolitisch.299 Die sicherlich jüngeren – wenn auch nicht mehr jugendlichen – Professoren Jan Černý, Josef Frendlovský und Miloslav Klinger waren schon 1946 und 1947 an die Schule gekommen. Die wesentlichsten Personalveränderungen waren also bereits vor 1948 vollzogen worden und zwar unter Metelák, der dann gehen
292 Seit Kriegsende erfuhr die Schule nicht weniger als neun Namensänderungen. Langhamer/Hlaveš 2010, S. 181. 293 Novákova/Strnad/Padrta 2000, S. 81. 294 Otto Bureš wurde 1948 als Werkstattlehrer angestellt, 1949 kamen Josef Durych, der seinen Direktorenposten der Fachschule in Jablonec nad Nisou verlassen musste, als Lehrer für Malerei und Ziselieren, Eliška Kolínska als Dozentin für Tschechisch, Vlastimil Kousal als Instrukteur und Jaroslav Kozlovský als Werkstattlehrer für Gravur nach Železný Brod. 295 Langhamer 2005a, S. 45. Korda war von 1970 bis 1975 Vorsitzender des Ortsausschusses der KSČ. Langhamer/Hlaveš 2010, S. 186. 296 Langhamer. In: GR 11/1975a, S. 6. 297 Langhamer 2005a, S. 126. Metelák war wohlhabend. Er bewohnte eine 1931 von ihm selbst entworfene Villa in Liberec (Reichenberg). Er arbeitete nach seiner Entlassung bis zu seiner Pensionierung als Professor an der Fachschule in Turnov. 1970 würdigte man ihn dann aber mit dem Titel „Verdienter Künstler“. Langhamer. In: GR 3/1981, S. 26. 298 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 68. 299 Brychta wurden später die Titel „Verdienter Künstler“, „Verdienter Lehrer“ und der „Orden der Arbeit“ (Řád práce) verliehen. Stehlík. In: Av 4/1972, S. 86/87.
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musste. Die nach seiner Entlassung hinzugekommenen Dozenten übernahmen für die künstlerische Ausbildung der Schüler eher wenig einflussreiche Positionen. Die Schule wurde zur vierjährigen Mittelschule erhoben, einer Fachschule mit der Matura als Abschlussprüfung.300 Teil dieser neuen Einrichtung war eine Berufsschule für Bläser technischen Glases.301 Einhergehend mit der Umorientierung auf den Einsatz in der automatischen Pressglaserzeugung leitere Frendlovský eine Abteilung für die Gravur von Metallformen. Diese Neuausrichtung lag in der gewünschten Konzentration auf die industrielle Produktion begründet. Diese war mit dem Gesetz 95/1948 Sb. festgelegt worden und forderte ein neues pädagogisches Ziel im Hinblick auf den „Aufbau des Sozialismus“.302 Das ÚLUV ordnete für alle Schüler einen praxisbezogenen Lehrgang an, welchen sie in ausgesuchten glasproduzierenden Betrieben wie den Lobmeyr-Studios, Borské atelierý und dem ebenfalls 1948 neu entstandenen Železnobrodské sklo absolvierten.303 Auch belegten sie im zweiten und dritten Studienjahr ein Ferienpraktikum in dem von ihnen gewählten Schulfach bei einem assoziierten Betrieb, um sich zusätzliches Fachwissen anzueignen. Die Glastechnologieschüler absolvierten überdies ein zweiwöchiges Betriebspraktikum in einem Unternehmen unter direkter „Einschaltung in den Produktionsprozess“.304 1952 eröffnete Umělecké sklo auf Initiative Brychtas ein technisches und künstlerisches Entwicklungszentrum in den Fachschulgebäuden von Železný Brod. Als die Glasfachschule von Kamenický Šenov 1951 geschlossen wurde, wechselten deren Dozenten Alois Hásek, Josef Khýn und René Roubíček sowie ihr Direktor Ladislav Havlas als Gestalter an das schuleigene Entwicklungszentrum oder zum Atelier Železnobrodské sklo. Für kurze Zeit war Havlas ebenfalls als Lehrer in der Entwurfsabteilung der Glasfachschule in Železný Brod tätig.305 Als im Folgejahr auch die künstlerischen Abteilungen der Fachschule in Nový Bor geschlossen wurden, übernahm der dortige Professor für Gravur, Karel Hrodek, den Posten des Direktors in Železný Brod. Der abgesetzte Schulleiter, Jaroslav Brychta, blieb als Lehrer für Glasfiguren und hüttengeformtes Glas noch bis 1960 an dem Institut. 1953 verließ auch Stanislav Libenský als letzter Dozent der Fachschule Nový Bor und ersetzte Miloslav Janků306 als Leiter der Abteilung für Glasmalerei und Ätztechnik. Roubíček: „Diese Schule blieb bestehen, als die beiden anderen Glasfachschulen am Ende des Schuljahres geschlossen wurden, weil sie eben die tschechischste von allen dreien war und
300 Vojta. In: GR 11/1971, S. 327. 301 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 11. 302 Kurfiřtová 2010, S. 47. 303 Siehe Kapitel 4.1, S. 147. 304 Langhamer. In: GR 11/1975b, S. 9. 305 Siehe Kapitel 4.2.1, S. 160 f., 165. 306 Janků (1916–1994) verließ die Schule bereits 1951. Ab 1955 arbeitete er als fest angestellter Künstler bei Železnobrodské sklo. Adlerová 1973a, S. 42. Siehe auch Anm. 271, S. 183.
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schon in der Ersten Republik gegründet wurde. Die Wirtschaft legte ihren Schwerpunkt auf die Schwerindustrie, die Schule gehörte jedoch zur Leichtindustrie.“307
Das Jahr 1954 brachte erneut eine Reihe von Veränderung für die nun letzte Fachschule für künstlerische Glasgestaltung im Land. In Železný Brod wurde eine zweite Fachschule gegründet und zwar für Glastechnologie. Diese Schule sollte Betriebstechniker für die Erzeugung von Glasbijouterie und von technischem Glas ausbilden.308 Überdies ersetze man in diesem Jahr den erst 1952 berufenen Karel Hrodek durch Stanislav Libenský als Direktor.309 Roubíček: „[Auch] mir wurde die Stelle des Direktors angeboten, aber die Hütte war bereits so eigenständig, dass ich es abgelehnt habe. In den beiden anderen Schulen wurden viel mehr neue Sachen gemacht. Železný Brod war generell sehr konservativ mit Ausnahme dieser Abteilung [hüttengeformtes und geschmolzenes Glas] von Brychta.“310
Libenský setzte während seiner neunjährigen Amtszeit viele neue Impulse an der Schule als Pädagoge und Organisator, aber vor allem als Künstler. In seiner bisherigen kreativen Arbeit hatte er sich vor allem mit der Gestaltung von Hohlglas und Bleiglasfenstern beschäftigt. Nun wandte er sich dem – im damaligen Jargon – „monumentalen Schaffen“ von Glasskulpturen zu und entwickelte in Zusammenarbeit mit der Tochter Brychtas, Jaroslava Brychtová (damals noch verheiratete Zahradníková)311, die Technik der Formschmelze für Glasobjekte in den Werkstätten von Železnobrodské sklo, wo Brychtová seit 1950 als leitende Gestalterin angestellt war (Abb. 22). Durch die Arbeit an den sogenannten „inneren Plastiken“, an denen er gemeinsam mit Brychtová arbeitete, schuf er eine beispiellose Stilrichtung der Glaskunst. In diesen Plastiken experimentierte das Künstlerduo in den nächsten Jahren mit der Gestaltung des Glasinneren hinter glatten, manchmal auch bearbeiteten Oberflächen (Abb. 23). Libenský: „In der Schule herrschte damals eine sehr intensive Arbeitsatmosphäre, alle bemühten sich, neue Anregungen in ihre Arbeit hineinzutragen. [...] Anfangs war es jedoch für mich 307 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 308 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 11. 309 Hrodek arbeitete danach als Schulinspekteur. Hlaveš 2005, S. 379. 310 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 311 Brychtová wurde 1924 als Tochter von Jaroslav Brychta und dessen Frau Anna in Železný Brod geboren. Brychta und seine Tochter experimentierten gemeinsam in den 1940er Jahren mit dem Schmelzen von pâte de verre im Schulofen für kleine Wandreliefs oder Broschen und mit dem Schmelzen von Glaskröseln in Gipsformen. Auch Jaroslavas Mutter, geborene Pekárková, hatte einen künstlerischen Hintergrund: Sie hatte eine Werkstatt für handgewebte Textilien eröffnet. Diese Werkstatt übertrug sie in den frühen 1950er Jahren an ihre Tochter, die hier ein kleines Zentrum für architektonische Glasgusselemente einrichtete. (Frantz 1994, S. 71, 181) Brychtová und Libenský heirateten 1963.
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nicht ganz einfach. Auch wenn ich mich der pädagogischen Tätigkeit widmete, wollte ich weiterhin als Glasbildner tätig sein, und zwar nicht nur, was die eigene schöpferische Arbeit betraf, sondern auch die Denkweise wollte ich mir erhalten. Wir bemühten uns um aktuellere Beziehungen zwischen Lehrern und Hörern und modernisierten den gesamten pädagogischen Ausbildungsprozeß.“312
Diese neuen Methoden der Glasverarbeitung und praxisnahen Ausbildung, insbesondere bei Železnobrodské sklo, prägten den Stil der Fachschule und Libenskýs pädagogische Arbeit der folgenden Jahrzehnte. Als die Experimente Libenskýs und Bychtovás, aber auch anderer wie Brychta, Černý, Hásek und Havlas, mit der Schmelzglastechnik in den Werkstätten von Železnobrodské sklo zunächst bestehende technologische Probleme erfolgreich lösen konnten, wurde 1954 eine neue Abteilung für Schmelzglasplastik eingeführt.313 Deren Leitung übernahm Jan Černý. Ein anderer neuer Dozent an der Schule war Jan Novotný314, der von 1957 bis 1992 in wechselnden Positionen dort lehrte. Bei Železnobrodské sklo entstand 1955 mit Regierungsbeschluss 1629/1955 Sb. ein „Glasentwicklungszentrum“, das sich auf die künstlerische Gestaltung neuer Musterkollektionen konzentrieren sollte.315 Die programmatische Zusammenarbeit mit Künstlern sollte neben der Anhebung der Verkaufszahlen auch das „sozialistische Erscheinungsbild“ und eine „nationale Prägung“ der für die industrielle Produktion vorgesehenen Entwürfe begünstigen.316 Ein Großteil der dort Beschäftigten hatte eine Ausbildung an einer der drei Glasfachschulen absolviert. Schlüssig scheint die offizielle Darstellung, nach der die meisten Absolventen der Schule zielbewusst als künstlerisch tätige Glasmacher in derartigen Betrieben arbeiten wollten, doch einige bekannten schon zu Beginn ihrer Studien, dass sie eine weiterführende Ausbildung an der Kunstgewerbehochschule in Prag anstrebten.317 Während der 1940er, 1950er und 1960er Jahre besuchten viele namhafte tschechische Glaskünstler die Schule in Železný Brod.318 Seit
312 Interview mit Stanislav Libenský in: Drdácká. In: GR 3/1981, S. 24. 313 Langhamer. In: GR 8/1978, S. 2. 314 Novotný (1929–2005) hatte von 1946 bis 1949 eine Lehre zum Glasmaler in der Glashütte Rapotín gemacht. Von 1949 bis 1952 studierte er an der SOŠS in Kamenický Šenov Glasmalerei und Ätztechnik. Danach gelang ihm 1952 die Aufnahme in Kaplickýs Studio an der VŠUP in Prag, von wo aus er direkt in die Lehrposition an der Schule in Železný Brod wechselte. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 391. 315 Langhamer 2005b, S. 412. 316 Siehe Kapitel 3.2, S. 108, und Kapitel 5.1.1. 317 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 11. 318 Beispielhaft seien Bohumil Elíaš, Pavel Ježek, Jan Gabhrel, Pavel Pánek, Karel Vaňura und František Vízner genannt. Allein in Božetěch Medeks Gravurabteilung studierten die später in einflussreichen Organisationen wie ÚBOK beschäftigten, als Betriebsgestalter tätigen und bei internationalen Ausstellungen sehr erfolgreichen Antonín Drobník, Pavel Hlava, Antonie Jankovcová, Dagmar Kudrová, Adolf Matura, Luboš Metelák, Eva Švestková und viele mehr.
Die drei Glasfachschulen | 191
Kriegsende hatte die Schule bis zum Jahr 1971 insgesamt 2.250 Absolventen ausgebildet.319 Als Stanislav Libenský 1963 der vakante Posten von Professor Josef Kaplický an der VŠUP angeboten wurde, gab er sein Amt als Fachschulleiter auf. Neuer Direktor wurde Miloslav Klinger. Von 1966 bis 1970 leitete dann Božetěch Medek, von 1970 bis 1975 Josef Frendlovský und von 1975 bis 1983 Miroslav Plátek das Institut, alle drei bis zu ihrer Pensionierung. Plátek war 1969 als Abteilungsleiter für Gravur an die Schule gekommen. Die Schulleiter rekrutierten sich demnach fortwährend aus den Reihen der dort langjährig beschäftigten Dozenten, welche wiederum meist aus ehemaligen Absolventen bestanden320, denn strukturelle Änderungen waren nicht gewünscht. Anfang der 1970er Jahre stellte J. M. Vojta in der Glasrevue fest: „Der gegenwärtige Lehrplan und die Organisierung der Ausbildung der Schüler entsprechen den Bedürfnissen der Glasindustrie. Für die kommenden Jahre wird demnach nicht mit wesentlichen Veränderungen oder einer Erweiterung der Abteilungen bzw. Fächer an der Schule gerechnet. Im Rahmen der bestehenden Lehrpläne wird allerdings ständig eine Überprüfung und Vertiefung des Unterrichtsvorganges angestrebt. Die Schule ist vorbereitet, auf Teilanforderungen der Glasindustrie prompt zu reagieren und das Studienprogramm in jedem Abschnitt entsprechend zu ergänzen.“321
Die Schule in Železný Brod erfüllte offensichtlich alle an sie gestellten Erwartungen. Während der restaurativen Phase der Normalisierung näherte sich der Unterricht immer mehr der Praxis an und die Zusammenarbeit mit der Industrie führte zu konkreten Entwicklungsaufgaben. In den Maturaprüfungen mussten die Schüler beispielsweise Prototypen für die industrielle Produktion entwerfen, und die besten Entwürfe im Unterricht Fachzeichnen wurden sogar von dem Nationalunternehmen Crystalex realisiert.322 Immer wieder kamen ergänzend neue Dozenten an die Schule, so dass im Gegensatz zu den beiden anderen Glasfachschulen in Železný Brod auch mehrere Frauen, teils in leitender Funktion, zum Kollegium gehörten323. Wesentlichen Einfluss auf das künst319 Vojta. In: GR 11/1971, S. 327. Allein 1960 waren 238 Schüler an der Lehrstätte immatrikuliert. Hetteš. In: GR 7–8/1960, S. 9. 320 Neben dem erwähnten Jan Novotný war auch der seit 1961 als Dozent für Glasschnitt und als stellvertretender Direktor beschäftigte Vladimír Linka (1912–1976) ehemaliger Schüler der Einrichtung. Miroslav Plátek (1922–1987), der ab 1969 als Professor für Glasgravur wirkte, hatte ebenfalls von 1937 bis 1940 in Železný Brod studiert und dann an der UMPRUM unter Štipl. 321 Vojta. In: GR 11/1971, S. 328. 322 Langhamer. In: GR 11/1975b, S. 9. 323 1977 Jan Sehnal als Professor für Kunstgeschichte und Modellieren von Pressglasformen, 1982 Zdeňka Roztočilová in der gleichen Abteilung, gleichzeitig mit Pavel Ježek, vorher Gestalter bei Karlovarské sklo, in der Abteilung für hüttengeformtes Glas und als stellvertretender Direktor der Schule, 1984 Ivana Houserová, als Leiterin der Abteilung Glasgravur und Markéta Šílená als Abteilungsleiterin Metallgravur, und in den nächsten drei Folgejahren jeweils noch einmal zwei weibliche Dozenten, Zdeňka Laštovičková und Ivana Doležalová 1985, Jiřina Zahradníková
192 | Ausbildungsstätten für Glasgestaltung
lerische Profil der Schule in diesen Jahren übten aber vor allem die älteren männlichen Abteilungsleiter aus.324 1983 löste Josef Adamička, Professor für Sozialkunde und Hüttentechnologie, Miroslav Plátek als Direktor ab. Er war der erste Schulleiter ohne dezidiert künstlerischen Hintergrund, obgleich auch er immerhin von 1955 bis 1959 eine Ausbildung an dieser Lehrinstitution absolviert hatte und mit gestalterischen Grundkenntnissen vertraut war.325 Während der 1980er Jahre nahm die Schule, wie auch schon zuvor, an zahlreichen internationalen Ausstellungen mit Exponaten teil, die nicht nur von Mitgliedern des Lehrkörpers, sondern auch von den Schülern stammten. Diese Schauen wurden von Skloexport organisiert und betreut.326 Generell sei das Arbeitsklima unter Adamička aber eher unangenehm gewesen und von bürokratischen Hürden erschwert worden.327 Mit der politischen Wende 1989 kam es auch in Železný Brod zu zahlreichen grundsätzlichen Veränderungen in der personellen Aufstellung, baulichen Weiterentwicklung sowie der organisatorischen Gestaltung des Curriculums. Pavel Ježek wurde 1990 zum neuen Direktor der Schule ernannt und blieb es für die nächsten neun Jahre. Während seiner Amtszeit erhielt das Institut, wie auch die Fachschule in Kamenický Šenov, neue Werkstätten im Dachgeschoss, einen zusätzlichen Seitenflügel für die Abteilung Chemische Technologie und neue Gerätschaften für den angeschlossenen Produktionsbetrieb.328 Die Schule war jetzt in der Lage, Exkursionen und Studienreisen ins Ausland – nach Deutschland, Frankreich und Italien – über die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Universitäten und führenden Glaskünstlern anzubieten.329 Ježek brachte sofort eine Reihe neuer Dozenten an die Schule, von denen alle ihre Fachschulausbildung in Železný Brod und dann ein Studium an der VŠUP absolviert hatten. Einerseits handelte sich dabei um bewährte Pädagogen der älteren Generation wie Ivo Burian330, der beund Libuše Hlubučková 1986, Renata Oppeltová und Halka Hejnová 1987. Langhamer/Hlaveš 2010, S. 187. 324 Ježek, Oliva Senior, Jan Novotný und Miroslav Plátek. 325 Ebenda, S. 187, 197. 326 Unter anderem beteiligte sich die Schule 1976 an einer Glasausstellung in Hannover, 1978 in Kairo und Havanna, 1979 in Köln, Mantua und Chicago, 1979 in Los Angeles, 1981 in München und Dortmund, 1984 in Athen, Berlin und Plovdiv in Bulgarien, 1986 in Kopenhagen sowie erneut in Dortmund und 1988 in Moskau, Kent, Plovdiv, Rom und anderen Städten. Kurfiřtová 2010, S. 53. 327 Vgl. Interview Hana Hille mit Zdeňka Laštovičková am 08.11.2011 in der Zeitschrift Naše Jablonecko, URL: (Stand 02.09.2013). 328 Šlapeta 1997, S. 40, und Langhamer/Hlaveš 2010, S. 212. Zu Ježek siehe Kapitel 4.4.1, Anm. 496, S. 221. 329 Kurfiřtová 2010, S. 53. 330 Burian (geb. 1939), selbst Absolvent der Fachschule von 1959, hatte von 1959 bis 1965 unter Kaplický und Libenský an der VŠUP in Prag studiert. Von 1966 bis 1972 arbeitete Burian bereits als Lehrer für Glasschmuck in Železný Brod, bevor er durch Josef Typelt (Lebensdaten unbekannt) abgelöst worden war.
Abb. 30 Jiří Harcuba, Teller, 1960, Farbloses Glas, gegossen, beschliffen und graviert, H. 5 cm, D. 39,6 cm, VŠUP Aspirantenarbeit, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 843
Abb. 31 Aufnahme aus dem Atelier Prof. Libenskýs, Zeichnen nach einem Modell, abgebildet in GR 4/1966, S.102
Abb. 32 Dana Vachtová, Vase, 1960, VŠUP Studentenarbeit, H. 22,5 cm, D. 14,3 cm, Farbloses Glas, modelgeblasen. Abstrakter Dekor in Malerei mit Schwarzlot und transparenten sowie opaken Schmelzfarben, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 469
Abb. 33 Jaroslava Brychtová, Skulptur „Mutterschaft“, 1950–1952, Gelbliches Glas, form geschmolzen, überschliffen und poliert, H. 17cm, B. 6,7 cm, T. 7,1 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 289
Abb. 34 Pavel Hlava, Vasen, 1967, Borské sklo, Überfangglas in Drahtform geblasen, H. 50 cm – 120 cm, Exponate der Ausstellung „Současné české sklo“, Mánes Ausstellungshalle, Prag 1970, Foto: UPM-Archiv
Abb. 35 Václav Cigler, Plastik aus Bleiglas, 1970, von Cigler selbst aus einem Bleiglasblock geschliffen, H. 20 cm, D. 28 cm, Fotograf: Jan Svoboda, © Hana Svobodová
Abb. 36 Inserat für zwei modelgeblaseneVasen aus den Glashütten in Nový Bor und Česka Lípa, in GR 1/1946, S. 32
Abb. 37 Vittorio Zecchin, Henkelvase, um 1921, Venini & C., H. 39,5 cm, D. 20,5 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 2607
Abb. 38 Vittorio Zecchin, Vase, um 1921, Venini & C., H. 31 cm, D. 23,8 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 2579
Abb. 39 Karel Wünsch, Glasrelief aus handgeformtem blauem Glas, 1967, Speise saal Kombinat Crystalex, Nový Bor, 1000 cm x 410 cm x 15 cm, Foto: Michal Polma, © Crystalex
Abb. 40 Studio Venini, Wandbeleuchtung aus der „Patchwork“-Serie, 1968, Venini & C., © Franco Deboni
Abb. 41 Antonín Drobnik, reliefgeschliffene Vase, 1952, Železnobrodské sklo, H. 22,6 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. 1765
Abb. 42 Adolf Matura, Vase „Christianisierung Mährens“, 1946/1947, Examensarbeit Atelier Prof. Štipl, Farbloses Glas, modelgeblasen, geschliffen und graviert, H. 21 cm, UPM-Archiv, Inv. Nr. 89028, Foto: The Steinberg FoundationArchiv, Fotograf: Jindřich Brok
Abb. 43/44 Jaroslava Brychtová (damals Zahrádníková), „Fischer“, 1949/1950, Železnobrodské sklo, formgeschmolzene und geschliffene Glaspaneele, H. 39 cm, B. 30 cm, © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. 291/1–2
Abb. 45 Vladimír Linka, Detail „Frieden“ der reliefartig gravierten Vase „Dank der Sowjetarmee“, 1975, H. 18 cm, UPM Prag, Inv. Nr. 81978, abgebildet bei Langhamer. In: GR 6/1977, Abb. 1, S. 5, Fotograf: Jindřich Brok
Abb. 46 Jan Černý, Glasplastik, Topazfarbenes Compositionsglas, formgeschmolzen und geschliffen, 1970, Künstlerkooperative Maják, Jablonec nad Nisou, H. 16cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 2705
Abb. 47 Antonín Drobnik, zweiteilige geschliffene Plastik „Slowakischer Nationalaufstand“, H. 23 cm, abgebildet bei Langhamer. In: GR 9/1980, S. 15, © OOA–S, 2015
Abb. 48 Dana Vachtová, Trinkglasservice, 1962, VŠUP Studentenarbeit für ÚBOK, gefertigt 1966 unter Modellnr. Ú–1201/CH, zum Verkaufspreis von 2.650 CZK, Farbloses Glas, modelgeblasen, massiver Schaft und Tellerfuß, H. 24.5 cm, D. 11.5 cm (Karaffe), H. 16.4 cm, 14.1 cm, 12.3 cm, 11.2 cm (Gläser), Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 1316/1–5
Abb. 49 Adolf Matura und Pavel Hlava bemustern einen Prototypen (ÚBOK Nr. 56717) für das Institut für Wohn- und Bekleidungskultur, Foto: The Steinberg Foundation-Archiv
Abb. 50 Ludvika Smrčková, Vase, 1948, Sklárny Inwald Poděbrady für Krásná jízba, Farbloses Glas, modelgeblasen, polierter Keilschliffdekor, H. 11,8 cm, D. 14 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 860
Abb. 51 Abbildungen in einem Aufsatz über das Glasmacherkollektiv in Škrdlovice, in: Kaval. In: GR 11/1971, S. 338, © OOA–S, 2015
Abb. 52 a Jaroslav Horejc, „Land und Leute“, 1937, Josef Riedel, Polaun (Polubný), H. 140 cm, L. 545 cm, Installation im Veletržní palác und Detail, Fotograf: Gabriel Urbánek © Uměleckoprůmyslové museum v Praze
Abb. 52 b Jaroslav Horejc, „Land und Leute“, 1937, Josef Riedel, Polaun (Polubný), H. 140 cm, L. 545 cm, Installation im Veletržní palác und Detail, Fotograf: Gabriel Urbánek © Uměleckoprůmyslové museum v Praze
Abb. 53 Jaroslav Antonín Junek, Säule mit halbrunden Ätzglasreliefs, 1946, von Betrieben in Nový Bor und Česká Lípa angefertigt. Abgebildet in Sklo a keramika 3/1946, S. 49
Abb. 54 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, „Ernte“, Reliefwand für das Kulturhaus in Poruba, 1959, Formgegossene farbige Glassteine, in Zement gesetzt, Železnobrodské sklo, H. 260 cm, abgebildet bei Fanderlik. In: GR 1/1961, S. 10, © OOA–S, 2015
Abb. 55 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Glasstelen „Blume und Astronaut“, 1962/63, Haus der Kinder, Prag, formgeschmolzene Glaselemente mit Metallhalterung, Železnobrodské sklo, H. 270 cm, ab gebildet in Klásová 2002, Nr. 37, S. 53, Fotograf: Tibor Honty
Die drei Glasfachschulen | 193
reits in Vergangenheit dem Lehrkörper angehört hatte. Der Großteil hingegen gehörte zur „dritten“ Generation von Glaskünstlern: Renata Oppeltová331 für Glasfiguren, Rony Plesl332 für die Abteilung hüttengeformtes Glas, Břetislav Novák Junior333, der Sohn des ehemaligen Professors gleichen Namens, als Dozent für strukturiertes und geschliffenes Glas, Alexander Chládek334 für Glasblasen und Lenka Dušková für den neu eingeführten Englischunterricht. Auch Wirtschaftswissenschaften nahm Ježek als Unterrichtsfach mit auf. Die neuen Pädagogen knüpften viele Kontakte und begründeten einen engen Kontakt mit der Glasfachschule in Zwiesel.335 Das Unterrichtsklima wurde weniger hierarchisch organisiert und sei generell „sehr gut“ gewesen336. Die Vermittlung der traditionellen Techniken wurde nun unter Einbeziehung von frei gewählten Themen angeleitet und mit Konzentration auf ein technisches Fachgebiet.337 Nach Ježeks Tod im Jahr 2000 übernahm Zdeňka Laštovičková338, die seit 1985 die Abteilung für Glasschmuck führte, den Direktorenposten in Železný Brod.339 Mit ihrer unkonventionellen Art bestärkte sie ihre Kollegen340 darin, den Schülern die Suche nach einer eigenen künstlerischen Handschrift zu ermöglichen. Das Kopieren von vorgegebenen Mustern zum Erlernen der Technik wurde prinzipiell abgeschafft. Stattdessen vermittelten sie handwerkliches Können über das freie Experimentieren in den diversen 331 Oppeltová (geb. 1960) hatte von 1987 bis 1988 die Abteilung für Glasfiguren geleitet. Sie kehrte 1992 an die Schule in ihre alte Position zurück und blieb bis 1996 Abteilungsleiterin für diesen Bereich. 332 Plesl (geb. 1965) hatte Anfang der 1980er Jahre die Fachschule besucht, bevor er von 1984 bis 1990 die Ateliers von Jozef Soukup, Vratislav Karel Novák und Jiří Harcuba an der VŠUP absolvierte. 1992 kam Plesl als Dozent an seine alte Schule nach Železný Brod, wo er bis 1999 wirkte. Plesl arbeitete langjährig mit Ajeto, Moser, Preciosa, Lasvit, BOMMA, aber auch mit Barovier & Toso in Murano zusammen. 2002 eröffnete er sein eigenes Studio. Seit 2008 leitete er das Atelier für Glasgestaltung an der VŠUP. Außer der Arbeit als Künstlerprofessor widmete er sich erfolgreich auch dem Glasdesign. Seine Entwürfe wurden mit Preisen „Qualitätsdesign“ (Design Centrum, 1999), „Das beste Design“ (Messe SIBO 2000) und „Designer des Jahres“ (Czech Grand Design, 2012) ausgezeichnet. 333 Novák Junior (geb. 1952) war von 1967 bis 1971 Schüler in Železný Brod. Danach studierte er bis 1978 unter Libenský an der VŠUP. 1991 trat er ins Kollegium seiner Alma Mater ein, wo er bis heute tätig ist. Petrová 2001, S. 248. 334 Chládek eröffnete 1999 gemeinsam mit seiner Frau seine eigene Galerie für Glasbijouterie: AleAle. 335 Kurfiřtová 2010, S. 54. 336 Interview Hana Hille mit Zdeňka Laštovičková am 08.11.2011 in der Zeitschrift Naše Jablonecko, URL: (Stand 02.09.2013). 337 Langhamer/Hlaveš 2010, S. 213; Urbancová/Stará. In: GR 7/1990, S. 23. 338 Laštovičková (geb. 1955) hatte 1974 selbst diese Fachschule absolviert und wechselte dann zunächst in das Atelier von Professor Jozef Soukup an die VŠUP. 339 Sie ist auch heute noch in dieser Position tätig. 340 Aufgrund der neuen politischen Verhältnisse fluktuierte die Zusammensetzung des Lehrkörpers immer wieder, weil sich nun wechselnde berufliche Möglichkeiten erschlossen. Einige neue Lehrer ergänzten das Kollegium unter Laštovičková, so Jan Hásek, Martin Hlubuček, Tomáš Plesl, Jiří Kučera, Anna Polanská oder Ivana Houserová.
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Glastechniken.341 Von 1990 bis 2010 besuchten über 50 ausländische Studenten die Lehreinrichtung.342 Laštovičková rief zahlreiche Veranstaltungen wie Sommer-Workshops, ein Vintage Glas-Symposium, einen „Glasflohmarkt“, ein Veranstaltungsprogramm für Kinder oder eine Schauhütte in den Schulräumen ins Leben. Da sich die beruflichen Perspektiven für Glasmacher in der Tschechischen Republik in den Jahren davor dramatisch verschlechtert hatten, beantragte sie im Mai 2013 gemeinsam mit den Leitern der beiden anderen Glasfachschulen und Vertretern des Bezirks Liberec eine gesicherte Finanzierung der drei Bildungseinrichtungen. Diese solle nicht nur als Subvention für den Schutz dieses „nationalen Kulturgutes“ tschechischer Handwerkstradition betrachtet werden, sondern auch unter Beteiligung der produzierenden Betriebe in Form von Ausbildungsstipendien späterer Mitarbeiter erfolgen.343
4.3 Die Kunstgewerbehochschule in Prag Gleichzeitig mit der Gründung des Kunstgewerbemuseums 1885 wurde in Prag eine Kunstgewerbeschule (Uměleckoprůmyslová škola – UMPRUM oder UPŠ) als einzige staatliche Kunstschule Böhmens errichtet.344 Die Leitung der Schule übernahm Josef Drahoňovský, der seit 1911 das Atelier für Glyptik führte. Als zwei Absolventen der Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau (Turnov) in sein Atelier aufgenommen wurden, konnte er sie überzeugen, sich der Gravur von Edelsteinen zuzuwenden. Damit war der Impuls gegeben, ab 1920 zusätzlich Glasschnitt zu unterrichten. Drahoňovský war demnach der erste Professor, der sich mit der Ausbildung von Glaskünstlern an der Kunstgewerbeschule beschäftigte.345 Auch František Kysela, Professor für Malerei, nahm die Gestaltung von Glas in seinen Lehrplan mit auf und beschäftigte sich in seiner eigenen künstlerischen Arbeit mit der Gestaltung von Bleiglasfenstern.346 Der Besuch des Zeichenunterrichts – einschließlich Proportionslehre – in den Grafikabteilungen Vratislav Hugo Brunners und Jaroslav Bendas war für alle Studen341 Einige Studenten wandten sich nach ihrem Abschluss anderen Medien für ihre künstlerische Arbeit zu und setzen die an der Fachschule erlernten vielseitigen Ansätze außerhalb des Bereichs Glas ein. Wie in der Vergangenheit wurden aber viele von ihnen Glaskünstler, von denen ein hoher Anteil im Anschluss die VŠUP besuchte, arbeiteten als Glasmacher, Technologen oder Manager in Betrieben, wieder andere in Handelsorganisationen, als Lehrer oder Grafikdesigner. „Every one of them eventually finds his or her niche in life.“ Langhamer/Hlaveš 2010, S. 213, 215. 342 Ebenda, S. 215. 343 bk (Kürzel), Jaká je budoucnost českého sklářství? Školy ani firmy nevědí, 24.05.2013, URL: (Stand 02.09.2013). 344 Diesen Status verlor sie, als 1896 die Prager Akademie der bildenden Künste verstaatlicht wurde. Viele ihrer Dozenten verließen das Lehrinstitut zugunsten des neuen Konkurrenten. 345 Langhamer 2003, S. 134; Kapitel 2.4, S. 42. 346 1921 gewann Kysela den Wettbewerb für ein neues Fenster in der St.-Vitus-Kathedrale. Siehe Kapitel 5.3, S. 308.
Die Kunstgewerbehochschule in Prag | 195
ten obligatorisch.347 Zuvor hatten sich begabte Absolventen der Fachschulen in Turnau, Haida und Steinschönau für ein Kunststudium in Wien entschieden.348 Nun gingen sie, wie auch die Schüler aus Železný Brod, stattdessen nach Prag, wo unter Drahoňovskýs Leitung 1926 eine Allgemeine und Spezialisierte Schule für das Modellieren und Gravieren von Stein und Glas entstand.349 Wie dargestellt, arbeitete die Lehranstalt bereits seit 1919 extern mit einigen Glashütten zusammen.350 In diesem praxisorientierten Ausbildungsmodell realisierten die Studenten ihre gezeichneten Entwürfe zum Teil eigenständig, zum Teil mithilfe ausgebildeter Glasmacher als Prototypen. Die Umsetzbarkeit der Entwürfe in echte Glasmodelle spielte dabei eine wichtige didaktische Rolle. Aber auch die Dozenten, wie Kysela und Benda, schufen ab 1922 Entwürfe, zum Beispiel für die Glasfachschule in Steinschönau. Alle Fakultätsmitglieder der Kunstgewerbeschule legten großen Wert auf eine Kombination von ästhetischen und funktionalen Aspekten in den handwerklich sorgfältig auszuführenden Gebrauchsglasentwürfen ihrer Studenten. Diesen Anspruch erfüllte Karel Štipl351, der ab 1920 als Lehrer und ab 1923 als Professor für Bildhauerei an der UMPRUM unterrichtete. 1938 übernahm er die Leitung des Ateliers für angewandte Bildhauerei mit dem Schwerpunkt Glas- und Steinschneidekunst.352 Štipl holte sich zu seiner Unterstützung zwei Fachlehrer in sein Atelier, Bohumil Vele353 für Gravurtechnik 347 Langhamer 2003, S. 123. 348 Dort hatten auch ihre Dozenten studiert. Jindra. In: GR 9–10/1961, S. 281. 349 Langhamer 2005a, S. 47. 350 Siehe Kapitel 2.5. 351 Karel Štipl (1889–1972) studierte Plastik bis 1920 an der Kunstgewerbeschule bei Drahoňovský, Klouček und Plečnik. Danach wurde er selbst Dozent für Bildhauerei an der Schule, bevor er 1938 das Institut Drahoňovskýs übernahm. Von 1941 bis 1942 fungierte er als Direktor der UMPRUM und wurde dann als Freimaurer im Konzentrationslager Theresienstadt interniert. Siehe Kapitel 2.6, S. 57 f.; Vybíral 1995, S. 536. 352 Als Josef Drahoňovský krank wurde, betraute er Štipl mit der Leitung dieses Ateliers für angewandte Bildhauerei mit dem Schwerpunkt Glas- und Steinschneidekunst. Nach dessen Tod 1938 ernannte ihn der Direktor ganz offiziell zu Drahoňovskýs Nachfolger. Pohribný. In: GR 5/1964, S. 132. 353 Vele (1899–1966) wurde als Sohn einer Bauernfamilie in Železný Brod geboren und besuchte ab 1913 die Berufsschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau, wo er die Gravur von Edelsteinen erlernte. Nach dem Kriegseinsatz führte er seine Studien unter Karel Tuček weiter. 1919 wechselte er an die UMPRUM in das Atelier von Drahoňovský. Nach Studienabschluss unterrichtete Vele für einige Monate an der Glasfachschule in Železný Brod, musste aber gehen, als Ladislav Přenosil als Dozent für Glasgravur angestellt wurde. Danach arbeitete er in seiner eigenen Werkstatt. Ab 1928 wurden ihm von Drahoňovský einige Entwürfe zur Gravur angeboten. Mit 34 Jahren entschied sich Vele, erneut an der UMPRUM zu studieren und besuchte das Atelier von Karel Štipl. Abends und an den Wochenenden führte er weiterhin Entwürfe für Drahoňovský aus. Ab 1935 lehrte Vele an einer Fortbildungsschule in Prag, bis Štipl ihn 1939 als Fachlehrer für seine Abteilung an der UMPRUM engagierte. Dort unterrichtete er diejenigen Studenten in der Gravurtechnik, die nicht bei Holeček studierten, also zum Beispiel Vladimír Linka, Karel Hrodek, Emanuel Mařík und Antonín Vodháněl. Vgl. Langhamer. In: sklář a keramik 12/2004, S. 357.
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und Ladislav Havlas für Kristallgravur. Zu seinen Studenten während der Kriegsjahre gehörten Pavel Hlava und Adolf Matura, die späteren Chefdesigner von ÚBOK, Miloslav Klinger und Miroslav Plátek, beide später als Dozenten und Direktoren an der Glasfachschule in Železný Brod tätig, sowie František Zemek, der nach 1945 erfolgreich als Gebrauchsglasgestalter für diverse Betriebe und künstlerische Zentren arbeitete. Ein weiterer Dozent für die Gestaltung von Glas an der UMPRUM wurde 1939 Jaroslav V. Holeček, der ehemalige Dozent an der Glasfachschule in Haida.354 Die Glasfachschulen in Haida und Steinschönau wurden zu diesem Zeitpunkt von tschechischen Studenten mit gestalterischen Ambitionen im Glasbereich verschmäht, weshalb die Prager Bildungseinrichtung gesteigertes Interesse ihrerseits hervorrief. So folgten Holeček einige seiner ehemaligen Fachschüler.355 Sein Atelier für technisches Gestalten und kreatives Glasschaffen beschäftigte sich mit Monumentalmalerei in Kombination mit Glas, eine Fachrichtung, die derzeit absolut neuartig war.356 Die UMPRUM hielt während des Zweiten Weltkrieges den akademischen Kunstbetrieb aufrecht. Wie dargestellt, wählten viele Kunststudenten die Einrichtung als alternativen Ausbildungsort, um ihre Studien fortzusetzen, nachdem 1939 neben der städtischen Kunstakademie auch alle anderen Kunsthochschulen von den deutschen Besatzern geschlossen worden waren357. Eher zufällig zum Medium Glas kam so neben den Kunststudentinnen Jitka Forejtová, Věra Lišková, Miluše Roubíčkova, Adriena Šimotová, Maria Stahlíková auch René Roubíček.358 1944 wurde die UMPRUM ebenfalls geschlossen. Zeitgleich mit den Glasfachschulen eröffnete die Kunstgewerbeschule im September 1945 erneut. Die Vorkriegsdozenten konnten den Unterricht problemlos wiederaufnehmen und wurden dabei von mit einem verjüngten Kollegium unterstützt.359 Die zwei Abteilungen für Glasgestaltung übernahmen der gerade aus Theresienstadt befreite Vorkriegsdozent Karel Štipl und der Maler und Bildhauer Josef Kaplický.360 Beide hatten 354 Siehe Kapitel 2.6, S. 57. 355 Siehe Kapitel 4.2, S. 156, und Kapitel 4.2.2, S. 176. 356 Interview mit René Roubíček und Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. 357 Siehe Kapitel 2.6, S. 56. 358 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 251 f. 359 Bestehend aus Jan Bauch, Adolf Benš, Emil Filla, Antonín Kybal, František Muzika, Karel Svolinský, und Josef Wagner. Pachmanová 2005a, S. 63, 67; Langhamer 2005a, S. 48; Bartlová 2012, S. 309. 360 Kaplický (1899–1962) besuchte die Ateliers von Emanuel Ditě und Vratislav Hugo Brunner an der UMPRUM von 1917 bis 1921, bevor er für zwei Jahre bei Max Švabinský an der Akademie der bildenden Künste in Prag Malerei studierte. Ab 1924 arbeitete er als Assistent von Brunner und beschäftigte sich mit Buchillustration, Grafik und der Gestaltung von Postern. In den 1930er und 1940er Jahren veröffentlichte er regelmäßig Essays in den Zeitschriften Literární rozhledy sowie Život, deren Redaktionsmitglied er war. Zu seinen Auftragsarbeiten zählten Bleiglasfenster und bemalte Glasfenster, wie für die Wenzelskirche im Prager Stadtteil Vršovice, die Lobby des Verwaltungsgebäudes der Staatsbahn in Hrádec Kralové und das Privathaus der Familie Rašín (Bauherr war Jaromír, Sohn des Finanzministers Alois Rašín) in Liběchov. 1940 schuf Kaplický ein monumentales Marmorrelief für die Eingangshalle der Zemská Banka in Prag. Er war mit der
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schon in der Vergangenheit eine Trennung zwischen freier bildender und angewandter Kunst negiert und verfolgten reformerische Impulse der Zwischenkriegsmoderne weiterhin. Als Architekt und Bildhauer hatte Štipl sich seit den späten 1920er Jahren mit Staatsaufträgen für Nationaldenkmäler und Repräsentationsbauten einen Namen gemacht. Kaplický war im Grunde ein „Universalkünstler“, der sich auch für angewandte Grafik, Mosaik, Innenarchitektur und Kunsttheorie interessierte. Seine Abteilung beschäftigte sich zunächst vor allem mit angewandter Malerei. Kaplický ersetzte Holeček, welcher der Kollaboration mit den Deutschen beschuldigt und dann unehrenhaft entlassen wurde.361 Auch zwei Werkstattlehrer kamen an das Prager Institut und unterstützten die beiden Professoren bei der Instruktion diverser Glastechniken. Neben dem bereits während des Krieges in Štipls Atelier als Fachlehrer tätigen Bohumil Vele für Glasschliff war dies Felix Průša Senior als Fachlehrer für Glasschnitt. Průša Senior hatte von 1936 bis 1938 schon als Werkstattlehrer an der Glasfachschule in Železný Brod gearbeitet.362 Zu den Studenten der ersten Monate mit Interesse an der künstlerischen Arbeit mit Glas gehörten diejenigen, die schon während des Krieges erste Kontakte mit dem Material gesammelt hatten.363 Hinzu kam Jaroslava Brychtová, die gemeinsam mit ihrem Vater Jaroslav Brychtá in Železný Brod bereits mit Glasschmelze experimentiert hatte. Zu Professor Kaplický wechselten die meisten Studentinnen von Holeček364, aber auch andere, die sich allerdings dann im Laufe ihres Studiums und nach dessen Abschluss auf andere Genres spezialisierten.365 Roubíčková: „Ich bin nach der Klasse [Ausbildung] bei Holeček auf der Schule geblieben, die dann Hochschule wurde. Ich besuchte das Atelier von Professor Kaplický, der vor allem Bildhauer war.“366 Grafikerin und Designerin Jiřina Kaplická (1901–1984) verheiratet. Sein Sohn Jan (1937–2009) emigrierte 1968 nach England, wo er das Architekturbüro Future Systems in London gründete. Biografische Angaben: UPM-Archiv, Langhamer 2003, Anm. 4, S. 160/161; Pachmanová 2005b. 361 Langhamer 2003, S. 150/151. In den drei folgenden Jahren arbeitete Holeček in der Landwirtschaft, erhielt aber eine kleine Pension aus seiner Zeit als Professor an der UMPRUM. 1948 wurde er in die Generaldirektion der tschechoslowakischen Glaswerke berufen. Dann wurde er Leiter der Entwurfsabteilung und später ein Referent bei Skloexport in der Entwurfsabteilung. Seine eigene Arbeit mit Glas endete vor 1950. 1955 lebte Holeček in Brno und malte neben seiner Anstellung in der Bekleidungs- und Wohnungswirtschaft Stadtansichten und Porträts. Langhamer 2002, Anm. 16, o. S.; Müller, Josef: Kdo byl Jaroslav Václav Holeček z Čisté, URL: (Stand 09.08.2013). 362 Hartmann 2004, S. 264. 363 In Professor Štipls Atelier nahmen Antonín Drobník, Václav Hanuš, Pavel Hlava, Miloslav Klinger, Adolf Matura, Miroslav Plátek, und František Zemek den Unterricht wieder auf. 364 Zum Beispiel Miluše Roubíčková, Věra Lišková, oder Maria Stáhlíková. Siehe Kapitel 4.4.2. 365 Květoslav Bubeník, František Chmelař, Jitka Forejtová, Karel Kramule, Adriena Šimotová, Vladimír Škranc und andere beschäftigten sich später mit Malerei, Grafik, Bildhauerei oder Designthemen. 366 Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. Roubíčková (geb. 1922) hatte zuvor, von 1941 bis 1943, die Prager Schule für Angewandte Künste besucht.
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Die Kunstgewerbeschule in Prag erhielt im März 1946 mit dem Gesetz 53/1946 Sb. der provisorischen Nationalversammlung den Status einer Hochschule und wurde zur Kunstgewerbehochschule (Vysoká škola umělecko průmyslová v Praze – VŠUP).367 Mit dieser administrativen Aufwertung rückte die VŠUP in eine Kategorie mit den Kunstakademien herkömmlicher Prägung. Deren gleichberechtigter Stellenwert im Rahmen der akademischen Ausbildung stand in direktem Zusammenhang mit dem parteipolitisch gewünschten Vergangenheitsbruch hinsichtlich der bis dahin gültigen Ausbildungsgesetze sowie einer ideologisierten Kulturpolitik, welche der Pflege von „Volkskünsten“ eine exponierte Stellung einräumte.368 Ihre strukturelle Organisation erfuhr verschiedene Veränderungen, die sich vor allem in der Aufteilung in selbstständige Lehrstühle zusammenfassen lassen, die nun ostentativ den Terminus „angewandt“ anstelle von „dekorativ“ trugen: 1. 2. 3. 4. 5.
angewandte Baukunst; angewandte Malerei, angewandte Grafik, für den Zeichen- und Puppenfilm; angewandte Bildhauerkunst, Formgestaltung von Maschinen und Werkzeugen; Geschichte der gestaltenden Kunst; industrielle Formgebung.
Diese fünf Lehrstühle untergliederten sich in Spezialabteilungen. Zu dem Lehrstuhl für industrielle Formgebung gehörten vier Spezialateliers. Neben einem Atelier für Keramik und Porzellan369, einem gesonderten Textilatelier und einem Atelier für Kleidung und Mode war dies das Atelier für Glasgestaltung von Karel Štipl, während das Atelier von Josef Kaplický dem Lehrstuhl angewandte Malerei angegliedert war.370 In diesen frühen Nachkriegsjahren konzentrierte sich Kaplický in seiner Lehre auf Monumentalmalerei und Mosaik und beschäftigte sich nur nebenher mit der Anwendung von Malerei auf Glaskörper, vor allem Glasscheiben, oder auch deren Dekoration durch Ätze. Gebrauchsglas war keineswegs Teil des Lehrplans. So zog sein Unterricht auch Absol367 1971 erklärte der damalige Direktor der Hochschule, Jan Kavan, anlässlich ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens in einem Interview: „[Es] wurde eigentlich de jure ein Zustand bestätigt, der de facto bestand.“ Im Übrigen hatte sich der Lehrkörper schon im Jahr 1919 um eine Reform der Schule bemüht und einen Antrag betreffend ihrer Organisation mit der Bezeichnung Hochschule für dekorative Künste eingebracht (Maršiková, GR 9/1971, S. 257). Das Schulministerium verweigerte der Einrichtung auch 1946 diese von den Dekanen noch immer favorisierte Bezeichnung. Die demonstrative Aufnahme des Begriffs „Kunstgewerbe“ im Titel sollte die Lehranstalt klar auf eine funktionsorientierte Gestaltung festlegen. Pečinková 2005, S. 61. 368 Siehe Kapitel 5.2.4, S. 293 f. 369 Diesen Lehrstuhl übernahm Professor Otto Eckert (1910–1995), der von 1960 bis 1966 auch Rektor der Hochschule war. Seit 1956 war er Mitglied der Académie internationale de la Céramique (seit 1967 deren Vizepräsident) und von 1972 bis 1987 Vorstandsmitglied des SČVU. Er war Mitglied zahlreicher Ausstellungskommissionen, die mit der Auswahl von Glasexponaten betraut waren. Vgl. Kapitel 6.2.1. 370 Hofmeisterová. In: GR 1/1971, S. 27/28.
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venten der Staatliche Grafikschule (Státní grafická škola – SGŠ), wie František Burant371, Jitka Forejtová372, Milana Mikulová und Adriena Šimotová373 an. Sein Atelier wurde erst 1948 dem Lehrstuhl für industrielle Formgebung angegliedert374, als im Zuge der Umstellung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse der industriellen Produktion auch in das Curriculum der VŠUP politisch eingegriffen wurde.375 Die Unterrichtsinhalte sollten von nun an auf die Ausbildung von Künstlern für den Bereich der Industriegestaltung zugeschnitten werden.376 Štipl nahm diese Vorgabe widerspruchslos auf, zumal er ohnehin die praktische Ausbildung direkt in Glasbetrieben parallel zu seinem theoretischen Unterricht fortwährend verfolgt hatte. Er war der Ansicht, dass der Einblick in ein reelles Arbeitsumfeld nicht nur förderlich für das Formverständnis und Stilempfinden seiner Studenten, sondern auch einen „charakterbildenden“ Effekt hätte, denn während dieser Praktikumszeit sei ein Glasmacher ihr Vorgesetzter, dem man sich unterzuordnen habe.377 Harcuba: „Štipl hat immer zu uns gesagt: ‚Das Einzige, was Euch nie enttäuschen wird, ist Eure Arbeit!‘“378
Letztlich war Štipl ein sehr konservativer Professor, der unbeirrt die Tradition der Innovation vorzog, die Geometrie gegenüber organischen Formen bevorzugte. Er erfüllte 371 Burant (1924–2001) absolvierte von 1945 bis 1947 die SGŠ in Prag und dann von 1947 bis 1952 das Atelier von Kaplický an der VŠUP. Bis 1960 arbeitete er zunächst als Assistent Kaplickýs und danach bis 1990 durchgängig als Dozent an dem Prager Lehrinstitut. Petrová 2001, S. 241. 372 Forejtová (1923–1996) besuchte von 1942 bis 1943 die Grafická škola in Prag. Nach dem Krieg studierte sie an der VŠUP für ein Jahr das Grafikatelier von Professor Antonín Strnadel und wechselte dann in die Klasse von Karel Štipl (1946–1950). Sie lieferte nach ihrem Studium Entwürfe für die Nationalunternehmen Umelěcké sklo, Karlovarské sklo und Borské sklo sowie die ÚVS, bevor sie sich in den 1960er Jahren der künstlerischen Arbeit mit Keramik und Porzellan zuwandte. Während der 1970er Jahre experimentierte sie mit Flachglas und schuf einige Auftragsarbeiten für den öffentlichen Raum. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 373 Šimotová (1926–2014) hatte in den Kriegsjahren an einer privaten Zeichenschule und der Grafická škola in Prag studiert. Nun wechselte sie ins Atelier von Professor Kaplický, unter dem sie von 1950 bis 1953 als Aspirantin wirkte. 1953 heiratete sie den Maler Jiří John, arbeitete jedoch weiterhin als Glasgestalterin. Šimotová schuf ein Glasfenster für die EXPO 58, das sich heute im Prager Kunstgewerbemuseum befindet. Ende der 1960er Jahre wandte sie sich erfolgreich der Malerei zu und wurde Teil der inoffiziellen Kulturszene. In den 1990er Jahren lehrte Šimotová Kunst in Salzburg. 2007 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der VŠUP. 374 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 19. 375 Die beiden einflussreichen Dozenten der Glasfachschule René Roubíček, Stanislav Libenský und wenig später Václav Cigler und Vladimír Kopecký kamen in dieser Zeit als Studenten ins Kaplickýs Atelier. An die VŠUP wurden in der Zeit vom 25. Februar 1948 bis zum 31. Dezember 1949 insgesamt 15 neue Professoren berufen. Vgl. Kostlán 2001, Tabelle Nr. 8, S. 654. 376 Raban. In: GR 8/1962, S. 2/3. 377 Pohribný. In: GR 5/1964, S. 133. 378 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002.
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demnach genau die Erwartungen, die an ihn gestellt wurden und tatsächlich begannen die meisten seiner Absolventen nach ihrem Studium als Betriebsgestalter zu arbeiten. Ab 1950 arbeitete der „politisch zuverlässige“ Jozef Soukup379 als Assistent in Štipls Abteilung. Für Kaplickýs Pädagogik nahm sich der offizielle Eingriff in die Ausrichtung seines Ateliers anfänglich eher schwierig aus.380 Es gelang ihm aber bald, die nun verordnete Konzentration auf Industriedesign als experimentelle Werkstatt für künstlerische Arbeit in einer abstrahierenden Bildsprache umzustellen. Der Professor unterrichtete die Gestaltung von Gebrauchsgläsern einfach in der gleichen Weise wie zuvor Entwürfe für Fenster oder Vitraillen. Žertová: „Der Wechsel 1950 war hart, denn Kaplický musste kurz zuvor sein etabliertes Atelier aufgeben. [… ] Seine Ideen wurden zerstört, er war kein Fachmann für Glas, sondern eigentlich Maler. Ab 1950 musste er schwerpunktmäßig Glasklassen unterrichten. Und obwohl ich mich eigentlich für das Atelier für Monumentalmalerei beworben hatte, landete ich so zufällig beim Glas. Kaplický hat ein gutes Programm für uns Studenten vorbereitet auf der Basis von Renaissanceglas. Das war eine große innere Umstellung für Kaplický, aber auch für mich, die ja eigentlich Malerei studieren wollte!“381
Seine kompromisslose Haltung gegenüber „formalistischen“ Kunstströmungen und deren unkritischer Nachahmung hatte 1935 dazu geführt, dass er aus der Künstlervereinigung Mánes ausgeschlossen wurde, nachdem er öffentlich Kritik an Emil Filla geübt hatte. Diese Haltung und sein Ansatz, zwischen bildender Kunst und angewandter Kunst sei kein Unterschied zu machen – denn diese seien absolut gleichwertig382 – prädestinierten Kaplický nun geradezu für die Kulturprogrammatik des sozialistischen Staates. Weil er in seiner Lehre reformerische Bemühungen der Zwischenkriegszeit weiterverfolgte, mussten diese lediglich mit einem neuen Etikett versehen werden. Im 379 Soukup (1919–2004) hatte von 1933 bis 1937 an der Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnau und danach bis 1941 an der UMPRUM unter Kysela und Štipl Malerei, technische Bildhauerei sowie Stein- und Glasschnitt studiert. Er entwarf graviertes Glas für Kunstateliers in Železný Brod. Nach dem Krieg ging er nach Paris, wo er mit einer Unterbrechung bis 1950 an der École des Beaux Arts bei Félicien Favrat studierte (Biografische Angaben: UPM-Archiv). Aufgrund des Angebots, als Assistent seines ehemaligen Professors in Prag zu arbeiten, kehrte Soukup nach Prag zurück. Seit Anfang der 1950er Jahre war er Funktionär des SČSVU und des ČFVU. Als Štipl in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre schwer erkrankte, führte Soukup desen Atelier (Langhamer. In: GR 11/1978, S. 2; Langhamer 2005a, S. 53). „Jozef Soukup […] wollte den Staat repräsentieren, jedoch nichts mit dem Westen zu tun haben.“ Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. Vgl. Kapitel 6.2.2, S. 408. 380 Der Unterricht sollte auf die Erziehung zum Entwerfen von geblasenem Glas, auf das Ätzen und Malen sowohl auf großflächige Glastafeln als auch auf Gebrauchs- und Dekorationsgläser umgestellt werden. Raban 1963, S. 15. 381 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003. 382 Raban. In: GR 8/1962, S. 3.
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konkreten Ergebnis ließ Kaplický seine Studenten Vorzeichnungen auf Papier ausarbeiten, die dann mit einer selbstangefertigten Schablone aus Pappe abgedeckt wurden, welche die Form des zu gestaltenden Gegenstandes vorgeben sollte. So enthüllten sie einen endgültigen Entwurf. Auch aus diversen Materialien zusammengestellte Collagen entstanden in diesem Kontext. Die Zeichnungen, Gouachen und Collagen waren ohne Passepartout-Schablone betrachtet bisweilen nichts anderes als abstrakte Kunst. In Kombination mit der übergelegten Gebrauchsglasform aber entstand eine beispiellose Verbindung von zwei- und dreidimensionaler Kunst (Abb. 24, Abb. 25).383 Wünsch: „Die Kunst wurde als ideologische Propaganda für das Regime benutzt. Wir hatten Glück, dass Glas hierfür ungeeignet war. Für Glas konnten wir abstrakte Zeichnungen machen, denn für das Regime war das Glas keine Kunst. Die Zeichnungen waren eigenständig, wie ein jedes Werk der bildenden Künste, doch die Entwürfe wurden in Glas umgesetzt. Es war nicht möglich, die Zeichnungen als bildende Kunst auszustellen, doch konnten sie als Glas ausgestellt werden. Es ist wunderbar, dass man in jedem Regime Möglichkeiten für die schöpferische Tätigkeit finden kann.“384
Die Mehrzahl der Entwurfszeichnungen und Collagen bezog sich jedoch direkt auf eine von Kaplický vorgegebene Form, welche dann als unkonventionelle Projektionsfläche für Grafiken und Malereien genutzt wurde. Der Gefäßform wurde auf diese Weise die Funktion eines dreidimensionalen, zumeist transparenten, Bildträgers erteilt (Abb. 26, Abb. 27). Wie auch die Dozenten an der Glasfachschule in Kamenický Šenov setzte Kaplický identische Glasvasen als Vorgabe für diverse technische Aufgabenstellung ein, ein Verfahren, das schon in den 1910er Jahren Usus an den nordböhmischen Fachschulen und an der Wiener Werkstätte gewesen war. Die Ergebnisse sollten formell als Prototypen Anregung für die industrielle Produktion liefern, erwiesen sich jedoch wegen ihrer aufwendigen Herstellungsverfahren zumeist von vornherein als ungeeignet (Abb. 28, Abb. 29). Der zusätzliche Zeichenunterricht bei Professor Jan Bauch, mit dem Kaplický seit seiner Jugend befreundet war385, oder bei Professor František Tichý war für alle Studenten der Glasateliers obligatorisch. Harcuba: „Der Unterricht ist immer in einem großen Hörsaal gewesen. Bauch wollte uns zu starken Zeichnern machen mit einer schnellen Hand. Es gab meist ein Modell abzuzeichnen. Eine echte Frau aus Fleisch und Knochen. Er war ein denkwürdiger Lehrer und konnte sich so gut ausdrücken, sprühte vor kreativer Energie. Aber er hatte auch so eine Art, dass man selber ganz leise wurde.“386
383 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 273. 384 Interview mit Karel Wünsch in: Oldknow 2005, S. 59. 385 Gespräch mit Vladimír Kopecký am 24.03.2009. In: Holbová 2009, S. 53. 386 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002.
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Professor Tichý musste aber schon 1951 die Schule wieder verlassen und auch Bauch stand in der Kritik, konnte allerdings noch bis 1959 weiter unterrichten. Beide lehnten nicht nur die Doktrin des sozialistischen Realismus kompromisslos ab, sondern waren hinsichtlich ihrer Biographien und stilistischen Orientierung an modernen Kunsttendenzen untragbar.387 Russisch und marxistische Theorie wurden bindende Bestandteile des Studiums.388 Offiziell wurde ab 1948 eine Grundausbildung in einer der Glasfachschulen als Voraussetzung für die spätere Eignung als Industriedesigner gesehen. Wie in den vorangegangenen Kapiteln ausgeführt, wechselten viele interessierte Glasfachschüler nach ihrem Abschluss auf die VŠUP.389 Die zu vergebenden Plätze waren hart umkämpft. Allein für das Studienjahr 1952/53 gab es 320 Bewerber390, von denen offensichtlich die Fachschüler die besten Qualifikationen mitbrachten. Es gab aber auch Ausnahmen. Jiřina Žertová hatte zuvor eine Zeichenschule besucht und wollte zusammen mit ihrer Kommilitonin Zdenka Strobachová die Klasse von Professor Kaplický besuchen. Obwohl beide zuvor keine der Glasfachschulen besucht hatten, nahm Kaplický sie 1950 auf. Žertová: „Der Professor hat meine Mappe gesehen und zu mir gesagt: ‚Meine Dame, es ist unmöglich für Sie, in mein Atelier für monumentale Malerei, Mosaiken und Vitraillen zu kommen. Ich brauche Studenten mit Erfahrung in Glas, auch für die Industrie. Alle meine Studenten müssen aus Fachschulen kommen.‘ Wir waren beide sehr traurig, also haben wir uns bei einem anderen Professor mit Atelier für Grafik beworben. Strobachová hat in der Schule auf das Ergebnis gewartet, als Kaplický zufällig vorbeikam: ‚Wollen Sie beide immer noch zu mir kommen?‘ ‚Jaja!‘ Als ich dazukam, erfuhr ich, dass es doch klappt.“391
In jedem Fall bedeutete die Gleichwertigkeit, mit der Kaplický die verschiedenen Kunstgenres betrachtete, einen Vorteil für seine Studenten. Glaskunst war für ihn der Malerei, Bildhauerei, Grafik und Architektur ebenbürtig. Für viele seiner Studenten ebnete er so den Weg zum künstlerischen Umgang mit der Materie. 387 Tichý (1896–1961) lebte von 1929 bis 1935 in Frankreich. Bauch (1898–1995) verehrte Georges Braque und war stark von den Surrealisten beeinflusst. Das Bleiglasfenster „Das Leben des Menschen“ Bauchs für die Glasausstellung in Moskau 1959 hatte zwar ein gegenständliches Sujet, es wurde allerdings in keiner der tschechoslowakischen Zeitschriften und Publikationen zu der Ausstellung abgebildet. Scheinbar widersprach es zu deutlich den kulturpolitischen Richtlinien. Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003; Pachmanová 2005a, S. 67. 388 Pachmanová 2005b, S. 113. 389 Zum Studienjahr 1951/52 kamen die Glasfachschüler Václav Cigler, Ladislav Oliva Senior sowie František Tejml in sein Atelier und im folgenden Jahr Lubomír Blecha, Vladimír Jelínek, Jan Novotný und Rudolf Volráb. 390 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Vladimír Jelínek, Teil 1, Ausgabe 16/2007 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.08.2013). Schon im Schuljahr 1950/51 kamen 9.750 Abiturienten auf etwa 5.000 Studienplätze. Connelly 1999, S. 255. 391 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003.
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Vachtová: „Kaplický stellte Gebrauchsglas und das Material an sich überhaupt allen bildenden Künsten gleich. Er hatte einen extrem hohen Anspruch an seine Studenten. Dabei ging es ihm nicht um Perfektion, sondern um die Schönheit des Imperfekten. Als Ausgangspunkt sah er stets den menschlichen Körper, die Aktzeichnung. Selbst Gebrauchsglas, also Trinkgläser, Karaffen, Vasen, Schalen und Aschenbecher, stellte er den bildenden Künsten gleich. Das Studium bei Kaplický war wahrscheinlich der wichtigste Faktor für den Sprung zur Kunst.“392
Der Professor legte größten Wert auf eine allseitige Konzeption von Glasgegenständen und baute auf den sorgfältig durchdachten Entwurf. Sein Anspruch an Originalität, Funktionalität und Ausführung war auf Perfektion angelegt. Jelínek: „Kaplický hat einmal in einem Artikel geschrieben: ‚Wenn man ein Porträt macht, muss es wie eine Fuge von Bach sein.‘“393
Die Klasse von Kaplický befasste sich mit dem Einsatz diverser Dekorationstechniken in Kombination mit dem eigenständigen Entwerfen der äußeren Form eines Glaskörpers. Die Studenten sollten dabei gleich an die Ausführbarkeit in der industriellen Fertigung denken und diese erproben, in vielerlei Hinsicht der Arbeitsweise des „künstlerischen Laboratoriums“ bei Walter Gropius im Dessauer Bauhaus in den 1920er oder bei Wilhelm Wagenfeld in der VLG Weißwasser in den 1930er Jahren entsprechend. Regelmäßig bemusterten Mitarbeiter des Instituts Textilgestaltung (Textilní tvorba)394 die so entstandenen Entwürfe, später auch diejenigen der Nachfolgeorganisation ÚBOK. Jelínek: „Bei dem Unternehmen Textilní tvorba saß Professorin [Ludvika] Smrčková, die machte die Kommissionierung für etwas, das realisiert werden konnte. Sie hat meine Entwürfe dann durch Textilní tvorba als Muster in der Glashütte in Dobronín anfertigen lassen. Es war mein erster Kontakt mit der Realität in der Fabrik. […] Wir trugen die Entwürfe Textilní tvorba zu, weil es die einzige Einnahmequelle war. Die Kunstkommission traf sich dort, hat immer entschieden und gab uns 240 Kronen, was damals viel Geld war. So kamen wir zu ein bisschen Taschengeld. Den Lehrer hat das nicht weiter gestört.“395 Harcuba: „Die Betriebe, die wollten das gar nicht. Es wurde von dem Staat eben geregelt. Es wurden die Weisen zusammengesetzt und die sollten bestimmen, wie kann man der tschechischen Industrie helfen, nicht? Da entstand so ein Programm und es wurden Ausgaben ausgeschrieben, jeden Monat neue Aufgaben, alle die Absolventen der Schule oder auch Studenten, 392 Interview mit Dana Vachtová, Prag, 26.06.2003. 393 Interview mit Vladimír Jelínek, Prag, 16.12.2002. 394 Diese Einrichtung wird im Folgenden unter ihrem etablierten tschechischen Namen zitiert. Zu den Aufgaben und Leitlinien des Instituts siehe Kapitel 5.2.3. 395 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Vladimír Jelínek, Teil 2, Ausgabe 17/2007 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 20.09.2013).
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die kamen zusammen und dann sagte man, ‚Da ist eine Aufgabe für Trinkgläser, wer möchte diese Aufgabe lösen?‘ Da haben sich einige gemeldet, nicht? Dann kam wieder – da ist eine Aufgabe für die Gravur, figürliche Gravur und andere Gravur – wer möchte das machen? Da habe ich mich gemeldet. Oder vielleicht andere, Jelínek hat da auch mitgemacht. […] Ich hab jeden Monat viele Zeichnungen vorgelegt. Von denen wurden einige honoriert für einen Preis, der lächerlich klingt. Das waren 240 Kronen für einen Entwurf, aber es war doch interessant. Es war also ein Wettbewerb, es war eine Auslese. Man war ausgezeichnet schon dadurch, dass man dafür angenommen, dass man dafür akzeptiert wurde. Es war eigentlich eine Fortsetzung des Studiums, noch mehr gezielt auf einen bestimmten Bereich.“396
Obgleich er selbst nie Gebrauchsgläser entwarf, führte Kaplický seine Studenten konsequent mit höchstem Anspruch an ihre malerischen und zeichnerischen Fähigkeiten an diese Aufgabe397 und ermöglichte ihnen gleichzeitig, dass die Designs tatsächlich von professionellen Glasmachern umgesetzt wurden. Unterstützung erhielt Kaplický dabei seit 1950 von seinem Assistenten František Burant. Diese einzigartige Pädagogik versetzte die Studenten in die Lage, nicht nur theoretisch ein Verständnis für die Möglichkeiten zu gewinnen, die das Material ihnen für eine industrielle Fertigung bot. Aus der Studienzeit vieler Künstler existiert nur wenig Dokumentationsmaterial. Žertová: „Er gab uns eine Aufgabe, zum Beispiel, macht einen Pokal für irgendetwas. Die Form war dabei besonders wichtig. Warum haben wir uns für dieses Innen und dieses Außen entschieden? Das Stück muss Geist haben! Damals ermöglichte er uns die Zusammenarbeit mit Fabriken. Wir waren zwar wenig dort, haben aber Entwurfszeichnungen angefertigt, dorthin geschickt, eine Holzform wurde gemacht und das fertige Stück zurückgeschickt. Wenige haben somit noch die Dokumente [Entwürfe] aus der Schulzeit. Alle Unterlagen blieben in der Schule und ich weiß nicht, was damit geschah.“398
Unter der liberalen Leitung des damaligen Direktors der VŠUP, Adolf Hoffmeister399, konzipierte Kaplický für seine Schüler ein Ausbildungsprogramm basierend auf dem 396 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 397 Oldknow 2005, S. 66. 398 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. 399 Hoffmeister (1902–1973) war in der Vorkriegszeit eine einflussreiche Figur der Prager Kunstund Intellektuellenszene und war Mitbegründer der Genossenschaft Devětsil. Als überzeugter Linksintellektueller begrüßte er im Februar 1948 den kommunistischen Putsch und wurde Botschafter seines Landes in Paris. „Und der [Außenminister Vladimír] Clementis kam auf die Idee, im Jahr ’48 bekommt kein Tscheche ein Übereinkommen von der französischen Regierung, aber die Franzosen können den Adolf Hoffmeister nicht ablehnen, weil der mit dem Staatspräsidenten bekannt ist und mit [Pablo] Picasso und mit [Louis] Aragon und mit [André] Breton, also hat man ihn zum Botschafter gemacht. […] Als Clementis verhaftet wurde, kam Hoffmeister auch auf die Liste derer, die hingerichtet werden sollten. […] Und ich weiß von meinem Staatssicherheitsreferenten, dass Hoffmeister auf der Liste war, die hingerichtet werden sollten. Er wurde abberufen, kam nach Prag. Seine Frau war in Paris, hatte kein Geld, also musste sie davon leben, dass sie Bilder verkaufte, welche er von sei-
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Studium von Renaissanceglas und anderer Epochen außereuropäischer Kunst.400 Sie sollten sich zunächst mit dem historischen Formverständnis und Verzierungsarten vertraut machen, davon ausgehend eine moderne und persönliche Handschrift entwickeln. Es ging ihm dabei nicht um ein Fortführen traditioneller Vorstellungen, sondern vor allem um eine Neuformulierung des ästhetischen und funktionalen Erscheinungsbildes eines Glases. Er hatte beträchtlichen Anteil an der Heranbildung einer neuen Glaskünstlergeneration.401 Immerhin stammten 63 von den 116 Trinkservices, die um 1959 produziert wurden, von Studenten Kaplickýs.402 Kaplický blieb den meisten von ihnen als charismatischer und motivierender Pädagoge in Erinnerung, der sie in ihrer Eigenständigkeit prägte und unterstützte. Roubíčková: „Professor Kaplickýs Philosophie war sehr wichtig, jedes Wort von ihm war ein Juwel. Er ließ seinen Studenten viele Freiheiten.“403
nen Freunden bekommen hatte. Und […] glücklicherweise hat sie eine Fehlgeburt gehabt und lag im Spital. Und jetzt kamen Picasso, Aragon und andere, sie zu besuchen. Und unter anderen war auch ein gewisser Medwedjew, welcher mit Adolf befreundet war. Aber er war zufälligerweise Botschafter der Sowjetunion. Und damals regierte noch Stalin. Prag hat erfahren, der sowjetische Botschafter geht zu Lilli Hoffmeister ins Spital. Sofort wurde er von dieser Liste gestrichen. Sofort wurde er ernannt zum Professor der Kunstgewerbehochschule.“ (Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003) Ab 1951 war Hoffmeister Professor an der VŠUP, wo er das Institut für Animations- und Puppenfilme leitete. Von 1954 bis 1956 fungierte er als Direktor der Hochschule. Längere Zeit war Hoffmeister in den 1960er Jahren Vorsitzender der Kunstkommission für Briefmarken. Von 1964 bis 1967 führte er den SČSVU als Präsident, war Vorsitzender des Prager PEN Zentrums und überwachte die Arbeit des Art Centrums. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings verließ er für zwei Jahre seine Heimat und hielt eine Vortragsreihe im französischen Vincennes und in Schweden, kehrte jedoch 1970 wieder nach Prag zurück, wo er als „Salonbolschewist“ angefeindet wurde und zurückgezogen lebte. Srp et al. 2004, S. 17, 347–362. 400 „Er wies uns auf Anregungen der alten Kulturen hin: sumerische Keilschrift, ägyptische Hieroglyphen auf Artefakte der antiken griechischen und etruskischen und auch die Kultur des präkolumbianischen Amerika. […] Er brachte uns Bücher mit über sumerische Töpferwaren, die Kykladen-Kultur der minoischen Vasen, Bücher über Kunst Polynesiens, der australischen Maori und auch über die Kunst des afrikanischen Kontinents.“ Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ladislav Oliva, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 10.09.2013). 401 Zu seinen Studenten zählten neben den erwähnten Jiřina Žertová (1950–1955), Vladimír Jelínek (1952–1958), Dana Vachtová (1956–1962) und Zdenka Strobachová (1950–1956) auch František Burant (1947–1952), Bohumil Eliáš (1957–1962), Václav Cigler (1951–1957), Vladimír Kopecký (1949–1956), dann weitere drei Jahre als sein Aspirant, Stanislav Libenský (1949– 1950), Oldřich Lípa (1950–1955), Ladislav Oliva (1951–1957), Jan Novotný (1952–1957), Miluše Roubíčková (1945–1949), René Roubíček (1949–1950), Karel Rybáček (1950–1955), Vratislav Šotola (1949–1954) und Karel Wünsch (1953–1959), um nur die bekanntesten zu nennen. Siehe auch Petrová 2001, S. 40. 402 Hofmeisterová. In: GR 3–4/1960, S. 6. 403 Interview mit Miluše Roubičková, Prag, 02.02.2004. Siehe auch Kapitel 5.1.4, S. 273.
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Kaplický lud seine Hörer auch zu sich in seine Wohnung ein oder zum Essen in ein Restaurant.404 Sie unterstützten 1957 erfolgreich Kaplickýs Ansuchen, seine Professorentätigkeit verlängern zu dürfen, obgleich er in den Ruhestand gehen sollte.405 Gerade für manche von den Fachschulen an die Kunstgewerbehochschule gewechselten Studenten bedeutete Kaplickýs Einstellung aber auch ein kaum zu bewältigender Anspruch, der mitunter einschüchternd wirkte, vor allem, wenn sie – wie Ladislav Oliva Senior oder Vladimír Jelínek – aus einfachen Verhältnissen stammten. Kaplický gelang es aber, auch solche Schüler für sich und seine Pädagogik einzunehmen. Oliva: „Wie kann ich meine damaligen Gefühle benennen? Ich fühlte mich wie ein Schuljunge, der in seiner Einfachheit und der Simplizität seines Intellekts diese Schule wie eine Kirche wahrnahm und den Professor als Apotheose eines künstlerischen Idols. Seine Ansichten über meine Arbeitsweise waren schmerzlicher weise gerechtfertigt kritisch. Der Poet Cigler und andere setzten für mich unerreichbare Maßstäbe. Der Professor bemerkte meine Sorge. Nun, ich litt sehr. Im ersten Jahr zeichneten wir ein Porträt. Für mich ein Versagen nach dem anderen. ‚Ja, in Ordnung Herr Oliva, respektable Leistung, aber besser wird es, wenn Sie ein neues Papier nehmen.‘ Seine Kritik war gerechtfertigt. Aber ich konnte sie nicht umsetzen und die Rückschläge trafen mich sehr. […] Im dritten Jahr hatte ich begriffen, dass es bei der künstlerischen Arbeit nicht nur um die Bewältigung der Techniken geht, sondern um die emotionale Erfahrung des Schaffensprozesses und einen Wechsel der intellektuellen Wahrnehmung. […] Ich verließ die Schule noch während des zweiten Halbjahres. Ohne Erklärung und Verabschiedung. Ich nahm eine Arbeit bei Chudeřice sklárný auf […] Zu Hause gab es zu jener Zeit große Probleme. Mein Vater war krank, seine Mutter kümmerte sich um meine vierjährige Schwester, die andere war Lehrling im Textilbereich und meine beiden Brüder gerade volljährig geworden. Ich konnte sie nicht um Unterstützung für mein Studium bitten. […] Als der Professor merkte, dass ich nicht mehr ins Studio kam, vermutete er schwerwiegende Gründe und lud mich durch Kommilitonen ein, zurückzukommen. Ich kehrte zurück. Wir sprachen in gegenseitigem Respekt offen über unsere Barrieren. Er lernte mich kennen und sagte, er wüsste nicht, dass ihm etwas [an mir] fehle. Im Gegenzug empfand ich ihn nicht nur als strengen Mann, der eine übergeordnete Kategorie des Verstandes besitzt, sondern als Lehrer, der sich für uns verantwortlich fühlt. Der uns auf ein Niveau bringen will, das uns ermöglichen soll, eigenständig zu arbeiten und auf eigenen Füßen zu stehen. […] Ich wusste nicht, in welches Umfeld ich zurückkehrte, aber die Kommilitonen empfingen mich ohne 404 „Dort war ein alter Schrank, ein Arbeitstisch mit Lampe und Stuhl, ein Metallbett, sonst nichts.“ Übersetzung des Gesprächs mit Vladimír Kopecký, Kamenický Šenov, 09.09.2005; siehe auch die Beschreibung eines gemeinsamen Restaurantbesuchs: Interview mit Vladimír Kopecký am 24.03.2009. In: Holbová 2009, S. 54. 405 „Es sah schlecht aus, aber Kaplickýs Studenten und Graduierte schrieben einen Antrag in seinem Sinne, dass er unverzichtbar sei für die tschechische Kunst und dass sein Weggang eine Schande wäre. Wir sandten es an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und dann kam die Bestätigung. Ich weiss nicht wie, aber es hat geklappt.“ Übersetzung eines Interviews mit Vladimír Kopecký vom 24.03.2009. In: Holbová 2009, S. 53.
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Vorwürfe. Ich wusste, dass ich mich in eine Phase der Suche begeben und meine Unfähigkeit durchbrechen musste, was nicht zu lange dauern durfte, um nicht hinter den anderen zurückzubleiben. Auch wollte ich den Professor nicht enttäuschen und gab mir Mühe. […] Es war eine Erleichterung als er sagte ‚Herr Oliva, jetzt hat es bei Ihnen geklingelt.‘ Danach war es für mich viel einfacher.“406 Jelínek: „Bis zum heutigen Tag träume ich von seiner ständigen Kritik, es ist wie ein Albtraum, weil er hatte eine raffinierte Art und Weise und es war schwer zu verstehen, was er meinte. Jeder von uns hatte einen Stand auf der Werkbank aufgebaut und er ging von einem zum anderen und wollte wissen, wer was gemacht hat. Er kam und sagte zum Beispiel: ‚Nun mal ehrlich, heute komme ich nicht in den Genuss, etwas Interessantes zu sehen.‘ Ich habe mich so geschämt und bis heute scheint es mir, dass ich seine Schritte hinter mir höre, und ich fürchte, dass er noch einmal sagt: ‚Heute sind wir nicht sehr weit fortgeschritten.‘ Die schlimmste Beleidigung, die ich von ihm hörte, war, als er mir in Gegenwart eines Zeugen sagte: ‚Nun, ein Mann Ihres Talents ist ein massiver Blindgänger.‘ […] Im Nachhinein sehe ich, dass die Akademie wertvoll war, nicht nur wegen des Professors, sondern auch das Zusammensein mit Studenten der älteren Altersgruppen. Das war die Schule: Im Studio waren jüngere und ältere zusammen, einschließlich Menschen, die sich auf die Abschlussprüfungen vorbereiten. Und ich war mit ihnen konfrontiert.“407
Fachschüler, die nach ihrem Abschluss in die Abteilung von Professor Štipl wechselten, fühlten sich in dessen praxisnaher Pädagogik hingegen von Anfang an „gut aufgehoben“.408 Die beiden Spezialabteilungen für Glas an der VŠUP traten in einen „gesunden Wettstreit“, welcher beispielsweise bei den Vorbereitungen zur Brüsseler Weltausstellung 1958 offenkundig wurde.409 Während Kaplickýs Studenten sich mit internationalen Tendenzen der bildenden Kunst, aber auch der außereuropäischen vorklassischen Kulturen410 auseinandersetzten und diese auf innovative Weise mit dem Material kombinierten, absolvierten die Studenten von Karel Štipl prinzipiell eine eher klassische Bildhauerausbildung mit Spezialisierung auf Glas und dies zunehmend auch in der eher abstrakten Bildsprache der Vorkriegsmoderne (Abb. 30). In der Kombination beider Lehransätze und den Exponatbeiträgen anderer Dozenten entstand der berühmte Brüsseler Stil (Bruselský styl), der zum dominierenden Element des tschechoslowakischen Kunstgewerbes bis in die 1970er Jahre wurde und einen Abschluss der Ära eines kom406 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ladislav Oliva, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 10.09.2013). 407 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Vladimír Jelínek, Teil 1, Ausgabe 16/2007 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.08.2013). 408 Interview mit Milan Metelák in: Digrin. In: GR 9–10/1961, S. 287. 409 Pohribný. In: GR 5/1964, S. 136. 410 Poche et al. In: Tvář 6/1957, S. 174/175; Drdácká. In: GR 11/1981, S. 19.
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promisslosen sozialistischen Realismus bildete.411 Zwar waren weder Kaplický noch Štipl selbst Glaskünstler, aber ihre gegensätzlichen Lehrmethoden förderten die Vielschichtigkeit der modernen tschechischen Glaskunst.412 „Ihrer grundlegenden Profession nach sind die tschechoslowakischen Glasgestalter entweder Maler oder Bildhauer; in diesen Berufen werden sie an der Hochschule ausgebildet, und von diesen beiden grundlegenden Orientierungen gehen sie später bei der Transposition ihrer Vorstellungen in den gläsernen Werkstoff aus. Wo es sich um Bildhauer handelt, erscheint deren Beitrag im Bereich des plastischen Ausdrucks in Glas selbstverständlich. Interessant und bemerkenswert ist jedoch, inwieweit Maler auf dem Gebiet des kammermässigen, aber auch monumentalen plastischen Schaffens die Richtung des tschechoslowakischen Glasschaffens beeinflusst haben.“413
Organisiert war der Unterricht in den Abteilungen altersübergreifend, so dass die Jüngeren von den Älteren lernen und diese ihre Begabung vertiefen konnten, indem sie die Jüngeren berieten. Harcuba: „Das war wie in der Renaissance. Das war eine Werkstatt, so wie bei Peruggio oder Ghirlandaio, die das in Florenz hatten. Alle die Lehrlinge zusammen mit den älteren Gesellen.“414
Das Studium an der VŠUP dauerte in der Regel sechs Jahre, von denen das letzte Jahr einer Diplomarbeit gewidmet wurde.415 Gewöhnlich war ein Gebrauchsglasservice zu entwerfen, das potentiell für die Serienproduktion geeignet wäre. Als zweite Prüfungsaufgabe sollten einige Glasobjekte für die Kleinserienhanderzeugung oder unikale Kammerplastiken erstellt werden. Als dritten Prüfungsteil musste jeder Student eine monumentale Glasarbeit als Architekturelement anfertigen.416 Nach erfolgreicher Prüfung wurde 411 Pachmanová 2005a, S. 71. Auch die Professoren Benš, Svolinský, Wagner und Bauch schufen Ausstellungsstücke für die EXPO 58. Siehe Kapitel 6.2.1, S. 369 f. 412 Langhamer/Vondruška 1991, S. 133; Wasmuth 2010, S. 483. 413 Bohmannová. In: GR 3/1971, S. 75. 414 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 415 Hetteš. In: GR 7–8/1960, S. 8. Das Gesetz 46/1956 Sb. von 1956 hatte die Studiendauer auf sechs Jahre angehoben, zuvor war das Studium in fünf Jahren zu absolvieren. Neben dem Medizinstudium war dies – wie auch an den anderen Kunsthochschulen – die längste Studienzeit an einer tschechoslowakischen Hochschule. Jeník 1980, S. 98. 416 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 22. Besonders ausgelobte Diplomarbeiten wurden dem Prager Kunstgewerbemuseum zu Archivierungszwecken als Schenkung übergeben. Im UPM-Archiv fanden sich unter anderem Diplomarbeiten von Stanislav Libenský (Teeservice, Inv. Nr. 63.383-95), Adolf Matura (gravierte Vase, Inv. Nr. 89028), Pavel Ježek (gravierte Vase von Kindern mit Spielzeugflugzeugen, Inv. Nr. 62474) Karel Vaňura (Glasskulptur, kreisförmiger Metallrahmen mit geätztem Flachglas, D. 160 cm, ohne erkennbare Inventarnummer).
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den Absolventen der Titel „Akademischer Bildhauer“ (akad. soch.) verliehen.417 Als Akademiker erhielten sie das Privileg, ein eigenes Studio zu eröffnen und freischaffend tätig zu sein.418 Auch am Ende jedes Semesters realisierten die Studenten eigenständig eine von ihren Professoren gestellte Aufgabe, deren Lösung von einer Kommission bewertet wurde. Diese Kommission bestand aus den Professoren der Glasateliers, aber auch aus den Fachassistenten, Dozenten anderer Abteilungen und dem Hochschulrektor.419 Die Studenten beider Ateliers fertigten ihre Semesterabschlussarbeiten in Kooperation mit der Glasfachschule Kamenický Šenov an.420 1952 wurde Karel Štipls Atelier umbenannt in „Abteilung für Glyptik und technische Bildhauerei“. In den Folgejahren konzentrierte sich sein Unterricht vornehmlich auf die Tradition der Glyptik (Schneidekunst) und auf Glasschnitt sowie zunehmend auf die Gestaltung und Dekoration von Pressglas. Aus seiner Abteilung gingen zahlreiche erfolgreiche Pressglasgestalter wie Jiří Brabec421, Miloš Filip422, Adolf Matura, Ladislav Oliva Senior, František Vízner und Rudolf Jurnikl hervor. In den späten 1960er und über die 1970er Jahren hatte die Einführung neuer Entwürfe für Pressglas in den glasproduzierenden Nationalunternehmen Vorrang, weil dieses vergleichsweise kostengünstig in großen Mengen herstellbar war.423 Jurnikl: „Dies war eine entscheidende Ausbildung. Professor Štipl war meiner Meinung nach ein ausgezeichneter Lehrer. Viele von uns haben von ihm gelernt, worauf es beim Industriedesign ankommt. […] Ich hätte sonst mehr modelliert und die Bildhauerei vorgezogen. Aber ich glaube, es war gut, dass ich auf die Gestaltung traf, weil ich zu dem Zeitpunkt als Bildhauer im Wettbewerb mit vielen anderen wunderbaren Bildhauern stand. Es war kein Zufall, denn so konnte man damit tatsächlich seinen Lebensunterhalt verdienen.“424
417 Kudela 1990, S. 81, 105, zur vorsätzlich hoch gehaltenen Anzahl der Absolventen gegenüber dem tatsächlichen institutionellen Stellenbedarf. 418 Petrová 2007, S. 15. 419 Hofmeisterová. In: GR 2/1965, S. 61. 420 In den ersten Nachkriegsjahren beteiligten sich auch ortsansässige Manufakturen an der Ausführung dieser Entwürfe. Stanislav Libenskýs Diplomarbeit, ein Teeservice (UPM-Archiv, Inv. Nr. 63.383-95), wurde beispielsweise von der Vetter-Werkstatt umgesetzt. UPM-Archiv, Karteikarte. Zur Vetter-Manufaktur vgl. Kapitel 2.6, S. 52. 421 Brabec (1933–2005) besuchte von 1948 bis 1952 die Fachschule in Turnov und studierte von 1953 bis 1959 bei Štipl. Ab 1965 arbeitete er als Gestalter für Sklo Union, Rosice. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 422 Filip (1926–1966) hatte von 1947 bis 1950 die Glasfachschule in Kamenický Šenov besucht. Ab 1958 war er als Gestalter für ÚBOK tätig. Nach Filips Tod übernahm Vladimír Jelínek seine dortige Position. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 423 Siehe Kapitel 3.3.1, S. 121–123, und Kapitel 6.2.2, S. 410. 424 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Rudolf Jurnikl, Ausgabe 20/2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 10.09.2013).
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Als Štipl 1960 in den Ruhestand ging, übernahm Václav Plátek425 seinen Posten als Abteilungsleiter. Plátek hatte von 1954 bis 1957 als Aspirant für Štipl gearbeitet, wie auch Rudolf Jurnikl und Jiří Harcuba. Neben seiner Lehrtätigkeit beschäftigte sich Plátek parallel mit eigenständigen Entwürfen für die Serienproduktion bei Jablonecké sklárný in Dolní Polubný.426 Nach dem Tod Kaplickýs wurden ihre beiden Abteilungen für Glasgestaltung an der VŠUP 1963 zu einem Atelier zusammengefasst, dessen Leitung seinem ehemaligen Studenten Stanislav Libenský im Anschluss an eine „Konkursausschreibung“ übertragen wurde.427 Libenský, der zuvor als Professor für Glasmalerei und Ätztechnik in Nový Bor und als Direktor der Fachschule in Železný Brod gewirkt hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits selbst ein profilierter Glasbildner. Seine oftmals monumentalen Glasskulpturen aus formgeschmolzenem Glas, die er gemeinsam mit seiner Frau Jaroslava Brychtová entwickelte, bildeten einen neuartigen Typus der Glaskunst und viele seiner später erfolgreich als Glasgestalter und Künstler tätigen Studenten experimentierten unter seiner Ägide mit dieser Technik.428 Die Formschmelze, welche viele von ihnen gerne auch nach ihrem Abschluss weiterverfolgt hätten, war jedoch nur in den Železnobrodské sklo-Studios zu realisieren, so dass Libenský und Brychtová im Grunde bis 1989 ein Monopol auf diese Art, Glasskulpturen herzustellen, besaßen.429 In Libenskýs Atelier wurde dessen ungeachtet auch die breite Skala der Glasgestaltung unterrichtet und seine Studenten experimentierten mit prismatischer Glasplastik und kinetischen Raumkompositionen. Neben Industrieentwurf und künstlerischer Glasskulptur forderte er seine Schüler immer wieder zu Entwürfen für einen architektonischen Rahmen auf. Als langjähriger Pädagoge gelang es ihm, ihnen nicht nur die grundlegenden Kenntnisse der Komposition einer Glasform und Grundsätze des Dekors zu vermitteln, sondern gleichzeitig ihre Lust zu wecken, das Material als allen anderen Genres der bildenden Kunst ebenbürtig zu behandeln. Dabei glückte es Libenský, den richtigen Ton zu treffen, der bei den zuständigen Funktionären keinerlei Einwände verursachen konnte. 425 Plátek (1917–1994) war der Bruder von Miroslav Plátek (1922–1987), dem Professor und Direktor der Glasfachschule in Železný Brod. Václav Plátek absolvierte die SOŠS in Železný Brod von 1932 bis 1935 und im Anschluss ein Studium an der UMPRUM. Von 1940 bis 1948 arbeitete er als Maler und Illustrator, dann als Stipendiat des Kunstgewerbemuseums und Gestalter für die Unternehmen Lobmeyr, Borské sklo und Železnobrodské sklo. Von 1951 bis 1954 war Plátek für die ÚVS und ab 1957 für die Jablonecké-Glaswerke tätig. Biografische Angaben: UPM-Archiv; Hlaveš 2005, S. 393. 426 Pešatová. In: GR 6/1961, S. 176, 179. 427 Langhamer 2005a, S. 54. Auch andere Abteilungen wurden verschmolzen. Pachmanová 2005a, S. 77. 428 Ilja Bílek, Jan Exnar, Stanislava Grebeničková, Milan Handl, Stanislav Honzík Junior, František Janák, Pavel Ježek, Marian Karel, Vladimír Klein, Zdeněk Lhotský, Ivan und Jan Mareš, Jaroslav Matouš, Antonín Oth, František Pazdera, Oldřich Plíva, Jaroslav Róna, Ivo Rozsypal, Jaromír Rybák, Gizela Šaboková, Jiří Šuhájek, Eva Švestaková, Dalíbor Tíchy, Kapka Toušková, Pavel Trnka, Aleš Vašíček, Marian Volráb, Ivan Waulin, Pavel Werner, Ján Zoričák u. a. 429 „Nach 1989 konnten die anderen es endlich selbst schmelzen.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004.
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Libenský: „Den Unterricht im Atelier für künstlerische Glasarbeiten baute ich auf dem Prinzip des Kennenlernens der Realität der Natur auf, wobei die Hörer professionell für Zeichnung, Gemälde und Plastik kultiviert werden müssen [Abb. 31]. Das Studium der Natur, des Menschen, der Figur, die Beziehungen zwischen den Figuren und die Fähigkeit, sich mit allen künstlerischen Mitteln auszudrücken, d. h. zeichnerisch, malerisch aber auch plastisch, ist für die Arbeit mit dem Glas unerlässlich. Es ist nämlich ein Material, das alle diese Möglichkeiten hervorheben hilft. Das Material Glas müssen wir allgemeiner auffassen, nicht nur aus enger praktizistischer Sicht. Wenn der Student dieses Niveau erreicht, beherrscht er die technologischen Phänomene unserer Zeit und ist somit in der Lage, sich mit Glas professionell zu befassen. […] Ich möchte noch bemerken, daß ich ständig darum bemüht bin, die Ausbildung an unserem Lehrstuhl mit der Produktionssphäre zu verbinden. Die Abschlussarbeiten an der Schule tragen keinen akademischen Charakter, sondern entstehen in enger Verbindung mit der Praxis. […] Je vertrauter man mit Glas umgeht, umso moderner und fähiger wird es, die gegenwärtigen kunstbildnerischen Ideen zu übermitteln.“430
Der neben Libenský sicherlich ebenso einflussreiche Impulsgeber für die moderne tschechische Glaskunstbewegung, René Roubíček, lehrte indessen von 1966 bis 1968 an der Akademie der bildenden Künste in Prag. Deren Direktor Jiří Kotalík431 interessierte sich auch für Glas und organisierte bereits 1964 die Beteiligung von Glaskünstlern an der Biennale in São Paulo. Kotalík wollte gemeinsam mit Roubíček eine Abteilung für Glaskunst an der AVU ins Leben rufen.432 Roubíček: „Kotalík war nicht nur Direktor der Akademie, sondern auch von der Nationalgalerie. Da musste er sich für eine Sache entscheiden, beides ging nicht mehr. Er wählte die Nationalgalerie. Das war das Ende von meiner Lehrtätigkeit, denn die anderen Künstler dort waren so konsequent, Glas [als Medium im bildhauerischen Kunstschaffen] nicht zulassen zu wollen. Schade, weil wieder ein Experiment beendet wurde.“433
1965 kam es zu einer neuen Schwerpunktsetzung, die sich organisatorisch und strukturell in der Übertragung der Glasateliers in den Lehrstuhl für industrielle Formgebung äußerte. Stanislav Libenský holte sich Karel Vaňura434, den er während seiner Lehrtätigkeit an der Glasfachschule in Železný Brod als Schüler zu schätzen gelernt und der 430 Interview mit Stanislav Libenský in: Drdácká. In: GR 3/1981, S. 24/25. 431 Der Kunsthistoriker Kotalík (1920–1996) war von 1950 bis 1954 Dozent an der Kunstakademie in Bratislava. Von 1960 bis 1967 leitete er die Prager Akademie der bildenden Künste, bevor er 1967 Direktor der Nationalgalerie wurde. Kotalík blieb in dieser Funktion bis zu seiner Pensionierung 1990. Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 488. Siehe auch Kapitel 6.1.1, S. 347. 432 Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 196. 433 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 434 Vaňura (geb. 1937) besuchte von 1952 bis 1957 die SOŠS in Železný Brod, bevor er bis 1963 ein Studium unter Kaplický an der VŠUP absolvierte. Vaňura war eng mit Vladimír Kopecký befreundet. Gespräch mit Vladimír Kopecký, Kamenický Šenov, 09.09.2005.
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gerade sein Studium an der VŠUP abgeschlossen hatte, als Lehrer für Glasmalerei und Ätztechnik in sein Atelier. 1969 machte er ihn zu seinem Assistenten, sie bildeten ein „vollkommenes Leitungstandem“ und Vaňura blieb in dieser Funktion bis 1987.435 Wie auch Kaplickýs Assistent František Burant arbeitete Štipls Assistent Jozef Soukup ab 1963 unter Libenský weiter als Dozent an der Kunstgewerbehochschule. Soukup leitete über mehrere Jahre ein „Spezialatelier für das Formen von Gebrauchsglasgegenständen“, also schwerpunktmäßig für Pressglas, gemeinsam mit Bohumil Hanák. 1977 wurde Soukup mit der Leitung der neu gegründeten „Spezialabteilung für Glas im Bauwesen, Schmuck und Glyptik“ betreut und im Folgejahr zum Professor ernannt.436 Er suchte unter den bereits immatrikulierten Studenten besonders begabte Graveure und Schleifer für seine Abteilung aus, denn er sollte die „Tradition der tschechischen Glyptikschule“ aufrechterhalten, deren Grundstein Josef Drahoňovský gelegt und Karel Štipl fortgesetzt hatte.437 Hinzu kamen Hörer, die bereits in irgendeiner Form Erfahrung oder sogar eine handwerkliche Ausbildung – besonders in der Disziplin Bijouterie – gemacht hatten, wie Zdeňka Laštovičková, die später in Železný Brod als Dozentin für Schmuckgestaltung und ab 2000 als dortige Direktorin tätig war.438 Soukups Abteilung war relativ klein, pro Jahrgang nicht mehr als zwei Schüler. Diese beschäftigten sich ausschließlich mit den „kalten Glastechniken“, also der Gravur, dem Schnitt, dem Schliff und dem Sandstrahlen von Glasblöcken oder auch Vitraillen, die wie ein Relief aufgefasst wurden. Neben Soukup wirkten unter Libenskýs Leitung noch vier andere Dozenten, die schon zu Kaplickýs und Štipls Zeiten an der VŠUP unterrichtet hatten: František Burant unterrichtete geätztes Glas und Glasformen, Miroslav Hrstka439 Glasschliff, Jiří Harcuba Gravur und der nach Kaplickýs Tod kurzfristig als Abteilungsleiter tätige Václav Plátek Glasform, Pressglas sowie farbiges Überfangglas.440 Sie alle blieben an dem Lehrinstitut bis zu ihrer Pensionierung tätig, Soukup bis 1985, Burant, der 1982 selbst zum Professor ernannt wurde441, bis 1990, Hrstka bis zu seinem Tod 1983 und Plátek bis 1977 im Amt. Nur Harcuba musste 1971 die Kunstgewerbehochschule verlassen, da er wegen einer politisch kritischen Medaille entlassen wurde.442 Die 1970er und 1980er Jahre waren demnach von einer dauerhaften Kontinuität innerhalb des Kollegiums bestimmt. 435 Petrová. In: GR 6/1988, S. 24; Petrová 2001, S. 77; Langhamer 2005a, S. 55. 436 GR 6/1979, S. 28. 437 Drdácká. In: GR 11/1981, S. 20; Langhamer. In: GR 5/1990, S. 18. 438 Siehe Kapitel 4.2.3, S. 193. 439 Hrstka (1932–1983) absolvierte von 1948 bis 1951 die SOŠS in Kamenický Šenov und besuchte anschließend bis 1958 das Atelier von Professor Štipl an der VŠUP. Von 1967 bis 1969 lieferte Hrstka einige mattgeschliffene Entwürfe für Vasen für die muranesische Manufaktur Venini & C. (Miros und Sommersi). 440 Hofmeisterová. In: GR 2/1965, S. 61. 441 Langhamer 2005a, S. 54. 442 Siehe auch Kapitel 4.1, S. 151, Kapitel 5.1.1, Anm. 22, und Kapitel 5.1.4, S. 261 f. In anderen Abteilungen der VŠUP allerdings kam es zu umfangreicheren Personalwechseln. 1970 mussten Adolf Hoffmeister, Antonín Kybal, František Muzika, Pavel Smetana und Jiří Trnka ihre Lehrposition aufgeben. Pachmanová 2005a, S. 83.
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Während Libenskýs Zeit als Abteilungsleiter des Glasateliers an der VŠUP durchliefen über 80 Studenten die Ausbildung.443 Vielen von ihnen eröffnete der Professor mit seiner wachsenden Bekanntheit auch Ausstellungsmöglichkeiten im „nichtsozialistischen“ Ausland. 1987 wurde der fünfundsechzigjährige Libenský genötigt, seinen Posten zu verlassen. Er selbst stilisierte nach der politischen Wende die erzwungene Amtsabtretung zum Ausdruck für die von ihm ausgehende Gefahr für die politischen Instanzen und kultivierte auf diese Weise seine Rolle als nonkonformistischer Künstler.444 Allerdings bleibt zu bemerken, dass Libenský ohnehin das Alter erreicht hatte, in dem er ordnungsgemäß emeritiert worden wäre. Als Abteilungsleiter an der VŠUP ersetzte ihn Jaroslav Svoboda.445 Die Studenten zollten ihm als Exponenten der KSČ wenig Respekt, zumal er ohne Auswahlverfahren in die Position gelangt war und mit der liberaleren kulturpolitischen Stimmung seit Einzug der Perestroika-Reformen nichts anfangen konnte. Im Gegenteil, Svoboda kam mit dem Auftrag nach Prag, die Studenten noch enger auf die Zusammenarbeit mit der Industrie vorzubereiten.446 Im Anschluss an ein Interview mit Svoboda, veröffentlicht in der Onlinezeitschrift glassrevue.com von 2006, kritisierten mehrere seiner ehemaligen Studenten dessen Darstellung, wie er zu dieser pädagogischen Führungsposition gekommen sei, zumal er zuvor keinerlei Erfahrungen als Dozent hatte. Svoboda schilderte diesen Vorgang so, dass er zunächst ab 1986 auf eigene Anfrage hin für ein Jahr gemeinsam mit Libenský gearbeitet habe und dass ihm dann, „beinahe unter Zwang“, die Leitung des Lehrstuhls aufgedrängt wurde.447 Der Student Michal Machat hingegen, der den Wechsel in seinem vierten Studienjahr miterlebte, widersprach 2008 im selben Forum: „Das war zu viel. Was den komplexen Charakter dieses Mannes betrifft, und wie er zu seiner ehemaligen Position gekommen ist, vor allem, wie er es heute darstellt. Damals gewann er den Status einer Person, die mit absoluter Sicherheit wie ein Fallschirmspringer der Kommunistischen Partei in die Akademie der Künste gekommen ist, es war klar, dass dies die Absicht der Partei war. […] Ich habe das Interview mehrfach sorgfältig gelesen und ernsthaft darüber nachgedacht. Er [Svoboda] gibt an, dass er zusammen mit Professor Libenský für ein Jahr an der Schule arbeitete, bevor Herr Svoboda 1986 zum Professor ernannt wurde und 1987 anfing. Uns Studierenden ist nicht aufgefallen, dass er zusammen mit Libenský da war. 443 Langhamer/Vondruška 1991, S. 134. 444 Vgl. Darstellung in: Šetlík 1994, S. 30; Frantz 1994, S. 50; Palata 2001c, o. S. 445 Svoboda (geb. 1938) absolvierte die SOŠS in Železný Brod. Von 1966 bis 1970 studierte er Geschichte an der Karlsuniversität in Prag. Danach war er als Schleifer für ÚUR tätig, zuletzt als Leiter der Schliffwerkstatt. Im Herbst 1969 wurde er zum Direktor der Glashütte in Škrdlovice ernannt, wo er bis 1987 arbeitete (Petrová 2001, S. 166, 252). Bei den Wahlen 1986 erhielt Svoboda einen Sitz im Parlament, den er 1990 verlor. Er gründete seine eigene Glashütte Sklářská huť AGS Jaroslav Svoboda in Žďár nad Sázavou. 446 Langhamer 2005a, S. 57. 447 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Jaroslav Svoboda, Teil 1, Ausgabe 18/2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 13.09.2013).
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Ob dies eine Vereinbarung zwischen ihnen war, weiß ich nicht, aber tatsächlich hat uns erst nur Libenský unterrichtet und danach nur Svoboda. Zu Beginn des Sommersemesters 1987 hat uns Professor Libenský eines Tages einen Herrn Svoboda vorgestellt, der mit uns arbeiten würde. Keiner von uns maß dieser Sache Bedeutung bei, weil am nächsten Tag wieder Professor Libenský da war und klassische Form unterrichtete. Das ging so bis zum Ende des Schuljahres. Ich persönlich habe, und ich denke andere auch, in meinen aufgehobenen Zeugnissen nur die Unterschrift von Herrn Libenský verzeichnet, von sonst niemandem. Bis dahin – zu Beginn des Wintersemesters 1987 – kamen schwerwiegende Änderungen. Herr Svoboda trat mit einem neuen Assistenten auf, ein Absolvent der Akademie der Bildenden Künste, und dies war von entscheidender Bedeutung: ohne Libenský! Die Behauptung, dass Herr Svoboda das ganze Jahr mit Libenský gearbeitet habe, habe ich erst aus dem Interview in Glassrevue erfahren ... Und heute nennt Herr Svoboda diesen Vorgang einen natürlichen Übergang? Derjenige, der als inkompetenter politischer Funktionär den erfolgreichen, gefeierten Pädagogen und Künstler abgeschoben hat?“448
Nach 1989 wurden die Abteilungen der Kunstgewerbehochschule reorganisiert und in einem Konkurs etwa drei Viertel der Dozenten entlassen, auch Svoboda.449 Der rehabilitierte Jiří Harcuba übernahm nach fast 20 Jahren 1990 erneut eine Professur, den Lehrstuhl für Metall, Schmuck und Glyptik. 1991 wählte ihn der akademische Rat der VŠUP zum Rektor.450 Bis zu seinem 65. Lebensjahr, 1993, strukturierte Harcuba die Hochschule um und legte dabei großen Wert darauf, dass die Tradition der Gleichbehandlung von angewandter und bildender Kunst fortgeführt wurde, wobei das Etikett „Kunstgewerbe“ aufgegeben wurde.451 Harcuba: „Ich hatte ja am Royal College in London Lord [David] Queensberry erlebt und fand den dort praktizierten Klassenunterschied in der Kunst ganz schrecklich.“452
Seine weit gefächerten Interessen und guten Fremdsprachenkenntnisse halfen Harcuba, viele internationale Kontakte zu knüpfen. Als neuer Leiter des Glasateliers wurde Vladimír Kopecký gewählt. Er erhielt bei einer Umfrage unter Studenten die meisten Stimmen und wurde im März 1990 als regulärer Professor eingestellt.453 Von 1958 bis 1961 hatte Kopecký drei Jahre lang Aspirant bei Professor Josef Kaplický gearbeitet. Ansonsten brachte er eigentlich keinerlei pädagogische Erfahrung mit. Als Kopecký die Abteilung übernahm, gelang es ihm, wie zuvor schon Kaplický und später Libenský, eine natürliche Autorität zu gewinnen. Schnell wurde jedoch ersichtlich, dass sich seine 448 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Michal Machat, Ausgabe 2/2008 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 13.09.2013). 449 Merker 2003, S. 16. 450 Stará. In: GR 12/1993, S. 9. Den Lehrstuhl gibt es heute nicht mehr. 451 Pachmanová 2005a, S. 89. 452 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 453 Libenský/Nakama 1990, o. S.
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Auffassung von Kunst und deren didaktischer Vermittlung signifikant von jenen seiner Vorgänger unterschieden.454 Dem Selbstverständnis nach war Kopecký wohl mehr Maler, der Glas nur als Element in seinen Mixed-Media-Werken einsetzte. Er selbst gab an, das Material Glas beinahe genauso stark zu hassen wie er sich zu ihm hingezogen fühle.455 Der Pflichtbereich Gebrauchsglasgestaltung wurde unter Kopeckýs Einfluss zugunsten der interdisziplinären Studioglasarbeit aufgegeben. Er gehörte nie einer Gruppe oder Künstlerorganisation an, machte aber bei den avantgardistischen Ausstellungen „Prostor I“, „Prostor II“ und „Prostor III“ mit.456 Er galt stets als Individualist, in dessen Atelier ein „produktives Chaos“ herrschte.457 Gemeinsam mit seinem Assistenten Marian Volráb458 und später Daniel Hanzlík459 verzichtete Kopecký bewusst auf jede Form von Akademizismus. Adlerova: „Also diese breite Glasgeneration, die gibt’s nicht mehr. Obzwar Kopecký ein sehr guter Pädagoge ist und das mit Interesse macht.“460
Kopeckýs Vertrag lief zum Herbst 2005 aus, er blieb allerdings zunächst noch ein weiteres Jahr auf Wunsch seiner Studenten an der Akademie und verließ den Lehrstuhl dann erst 2009. Zum neuen Leiter der Glasabteilung wurde 2008 Rony Plesl ernannt, der gemeinsam mit seinen Assistenten Pavel Karous und Klára Horáčková den liberalen Geist Kopeckýs fortsetzte und dem Grundsatz folgte: „The studio should preserve its charisma and pride, without separatist and pseudo-artistic tendencies that could result in an overly academic and eclectic approach.“461 Unter den Nachfolgern Harcubas als 454 Vgl. Chalupecký 1994, S. 99; Hlaveš/Matoušek 2003, S. 6, 8. 455 Erben/Frantz/Matoušek 1999, S. 25. Die Schule Kopeckýs wurde mit einer Antihaltung gegenüber dem Material charakterisiert, indem sie es „hässlich“ mache und „entmythologisiere“, so Kopecký selbst. Schack zu Wittenau 2005, S. 13. 456 Siehe Kapitel 6.2.1, Anm. 407, S. 400. Kopecký hatte kein Archiv über sein Œuvre geführt und wusste rückblickend wenig über den Verbleib seiner Arbeiten zu berichten. Gespräch mit Vladimír Kopecký, Kamenický Šenov, 09.09.2005. 457 Digrin: „Dort kann man kaum auf die Erde treten!“ Digrinová: „Da gibt´s keinen Platz! Und Glas überall.“ Interview mit Ivo Digrin und Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003. Vgl. Abbildung in Švachula 2001, o. S. 458 Volráb (geb. 1961), ein Neffe Rudolf Volrábs, besuchte von 1978 bis 1982 die Glasfachschule in Kamenický Šenov, bevor er bis 1988 unter Libenský an der VŠUP studierte. Seit 1990 arbeitete er als Kopeckýs Assistent, nahm an zahlreichen Ausstellungen teil und realisierte verschiedene Aufträge für die Architektur. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 459 Hanzlík (geb. 1970) besuchte von 1984 bis 1988 die Glasfachschule in Železný Brod und im Anschluss das Atelier von Kopecký an der VŠUP. Er arbeitete ab 1995 als dessen Assistent. Petrová 2001, S. 243. 460 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 461 Homepage der Vysoká škola umělecko průmyslová v Praze, URL: (Stand 04.08.2013).
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Hochschulrektor462 erhielt die VŠUP ein neues Gesicht. Es wurden diverse neue Lehrstühle eingerichtet463, die Schule wurde Mitglied bei der internationalen Vereinigung von Designhochschulen CUMULUS sowie dem EU-Austauschprogamm Erasmus, nahm an zahlreichen übernationalen Projekten teil, veröffentlichte eigene Publikationen und organisierte Ausstellungen unterschiedlichster Ausrichtung.464 Außerdem wurde ein Masters-Programm in englischer Unterrichtssprache eingeführt, um ausländischen Studenten den Zugang zur Hochschule zu erleichtern. Schon während der 1960er Jahre hatten Gaststudenten aus dem Ausland, insbesondere marxistisch orientierten Entwicklungsländern, wie Rabea Faraií aus dem Irak und Amin Mohammed Amin aus Ägypten, an der Prager Hochschule studiert.465 Letzterer beschäftigte sich mit der Dekoration von Hohlglaskörpern durch Schriftzeichen. Aber auch Kapka Toušková und Latchezar Boyadjiev aus Bulgarien, Karin Korn466 aus der DDR, Vello Soa467 aus Estland sowie Jeronim Tišljar468 aus Jugoslawien besuchten im Rahmen der „Zusammenarbeit der Hochschulen sozialistischer Länder“469 das Atelier Libenskýs. In den 1980er Jahren bemühten sich Charlie Porriot aus den USA, Angela
462 Josef Hlaváček, Zdeněk Ziegler, Jiří Pelcl, Boris Jirků, Pavel Liška und gegenwärtig Jindřich Smetana. 463 Beispielsweise wurde innerhalb des neuen Lehrstuhls für Produktdesign, der anfangs von Borek Šípek und Bedřich Hanák geführt wurde, auch die Formgestaltung von Gebrauchsgläsern unterrichtet. 464 „AAAD [Academy of Arts, Architecture and Design] consists of twenty four studios which are grouped within five departments: architecture, design, fine art, applied arts and graphics. The sixth department provides lectures on art history and aesthetics.“ Homepage der Vysoká škola umělecko průmyslová v Praze, URL: (Stand 04.08.2013). 465 Hofmeisterová. In: GR 2/1965, S. 62. 466 Korn (1948-1999) studierte 1973/74 bei Libenský und zwei weitere Jahre im Fernstudium, während sie bereits für die VEB Vereinigte Beleuchtungsglaswerke Dresden arbeitete. Sie hatte zuvor, von 1968 bis 1973, an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein, bei Ilse Decho und Hans Merz studiert. Grassimuseum 1991, S. 5. 467 Soa (1955–1992) aus Estland hatte von 1971 bis 1981 bei Libenský studiert. Nach seiner Rückkehr unterrichtete Soa selbst als Dozent in der von Maks Roosma (1909–1971) gegründeten Glasabteilung an der Kunstakademie in Tallinn. Die estnische Schule der Glasgestaltung legte großen Wert auf eine Perfektionierung der handwerklichen Geschicklichkeit unter Konzentration auf die Funktionalität der Objekte, weniger auf das Dekorative. Wie alle anderen Künstler auch hatten estnische Glasgestalter formell dem Diktat des sozialistischen Realismus zu folgen. Gerade die Gravur mit ihrer Fähigkeit, kleinste Details realistisch wiederzugeben, eignete sich für diesen Zweck. Die so entstandenen Arbeiten waren in ihrer künstlerischen und technischen Qualität herausragend, konnten jedoch – eine Parallele zur Situation in der Tschechoslowakei – keinen Impuls für die Serienproduktion geben. Saare 2000, S. 176, 178. 468 Tišljar (geb. 1963) wählte bewusst Prag als Ausbildungsstätte, denn obgleich es in seinem Heimatland eine Tradition der industriellen Glasherstellung gab, existierte kein komplexes Ausbildungsprogramm. Petrová 2007, S. 118. 469 Jeník 1980, S. 99.
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Thwaites470 aus Großbritannien und Durk Valkema471 aus den Niederlanden erfolgreich um einen Studienplatz an der VŠUP. Heute studieren jährlich allein 75 Austauschstudenten in den verschiedenen Abteilungen der Prager Hochschule zusätzlich zu den internationalen Studenten, die auf kostenpflichtiger Basis Kurse belegen.472 Umgekehrt absolvieren konstant mehr als 10 Prozent der tschechischen Studenten ein Auslandsstudium während ihrer Zeit an der VŠUP.473 Ehemalige Absolventen und Dozenten der VŠUP nutzten nach 1989 auch die Möglichkeit, im Ausland zu unterrichten.474 Jiří Harcuba galt hinsichtlich seiner zahlreichen Lehrgänge im Ausland bald als „Apostel der Gravur“.475
4.4 Ausbildungsförderung und Bildungschancen für Glasgestalter Die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für schulische und berufliche Bildungschancen in der ehemaligen Tschechoslowakei sind grundsätzlich als günstig zu bewerten. In der täglichen Praxis wurde diese verfassungsmäßig garantierte Chancengleichheit jedoch nicht konsequent durchgesetzt. Wie bereits dargestellt, orientierte sich der tschechoslowakische Staat in seinen zahlreichen Schulreformen ausschließlich an der Erfüllung planwirtschaftlich festgelegter Ziele und bevorzugte konsequent Schüler, Aus-
470 Thwaites (geb. 1960) bewarb sich aus eigenem Antrieb für Libenskýs Atelier. Ihr wurde seitens der Universität allerdings mitgeteilt, dass neben dem erfolgreichen Bestehen der Aufnahmeprüfung auch die Beherrschung der tschechischen Sprache essentielle Voraussetzung für ein dortiges Studium sei. Eigentlich traf diese Regelung nur auf Vollzeitstudenten mit der Intention, einen akademischen Abschluss zu erreichen, zu und war für Hörer aus Bulgarien, Jugoslawien, Polen oder Russland aufgrund der ähnlichen Sprachstukturen relativ einfach zu bewältigen. Da Thwaites sich aber für einen kurzzeitigen Aufenthalt an der VŠUP beworben hatte, traf diese Satzung eigentlich gar nicht auf sie zu. Vermutlich handelte es sich um eine Maßnahme, die steigende Anzahl westlicher Studenten in Prag zu begrenzen. Thwaites gelang es jedoch, innerhalb eines Jahres Tschechisch fließend zu beherrschen und konnte nun nicht mehr abgewiesen werden, da sie die Aufnahmeprüfung ja bereits bestanden hatte. Petrová 2007, S. 80. 471 Valkema (geb. 1951) konnte von 1975 bis 1976 und erneut 1984 mit einem Stipendium an der Prager Lehranstalt studieren. Er ist der Sohn von Sybren Valkema. 472 Die Kosten pro Semester belaufen sich derzeit auf 95.000 CZK, also etwa 3.700 EUR. Homepage der Vysoká škola umělecko průmyslová v Praze, URL: (Stand 04.08.2013). 473 Pachmanová 2005a, S. 89. 474 So unterrichtete zunächst Vladimír Klein und dann František Janák im japanischen Toyama. Diese beiden und Harcuba, Václav Hubert, Vladimír Kopecký und auch Stanislav Libenský übernahmen wiederholt Lehraufträge an der Summer Glass School in Pilchuck, dem Studio in Corning, der Sommerakademie im Bild-Werk Frauenau, am Institut foor Kunst en Ambacht Mechelen oder der University of Sunderland. 475 Langhamer 2006, S. 95.
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zubildende und Studenten aus Arbeiter- und Bauernfamilien.476 Auch wegen der staatlich gelenkten Bildungsstrukturen nahm die Qualität der schulischen und beruflichen Ausbildung immer mehr ab.477 Für die Ausbildung zum Glasgestalter hingegen traf diese Einschätzung nur eingeschränkt zu. Die dargelegten Grundkriterien in diesem Ausbildungszweig begünstigten ein in seiner Komplexität weltweit einzigartiges Ausbildungsmodell. Dieses profitierte substantiell durch die Integration von Hochschülern aus bildungsfernen Familien in die Glasateliers der VŠUP, für die der zuvorige Besuch einer Glasfachschule keine Hemmschwelle bedeutete. Die Lehrzeit der Glaskünstler umfasste zunächst die vierjährige Ausbildung an einer Fachschule, an welcher neben Modellzeichnen, Stilgeschichte, Glashüttentechnologie und produktionstechnischen Voraussetzungen die allseitige Beherrschung der unterschiedlichen Glastechniken in theoretischer Lehre und praktischer Unterweisung vermittelt wurde. In der Regel folgte im Anschluss die schrittweise Spezialisierung an der sechsjährigen Kunstgewerbehochschule in den Ateliers für Glasgestaltung und dies erneut in engem Kontakt mit den Hütten. Mitglieder der tschechischen Glaskunstszene durchliefen demnach eine zehnjährige Studienzeit, wobei viele von ihnen zuvor noch eine dreijährige Lehre absolviert hatten478 und manche ihr Studium um eine dreijährige Aspirantur ergänzten.479 Es bildete sich ein belastbares Netzwerk, das mitunter effektiv bildungspolitische Richtlinien aushebelte und staatliche sowie betriebliche Förderprogramme für sich zu nutzen wusste.
4.4.1 Staatliche und betriebliche Förderprogramme für Studenten der Kunstgewerbehochschule Studenten der Prager Kunstgewerbehochschule konnten schon vor dem Zweiten Weltkrieg staatliche Fördermittel beantragen. Auf Initiative des Museumsdirektors Karel Herain vergab das Prager Kunstgewerbemuseum seit Mitte der 1930er Jahre Stipendien an Studenten der VŠUP, die auch in den ersten Nachkriegsjahren zweckgebunden für einen Praktikumsaufenthalt in Glasmanufakturen weiterhin bewilligt wurden.480 Die erste Stipendiatin in den Lobmeyr-Werkstätten, die damals noch von Stefan Rath geleitet wurden, war Věra Lišková, dann folgten Jitka Forejtová, Václav Hanuš, Václav Plátek,
476 Siehe Kapitel 4.1. 477 Die Bevölkerung der ehemaligen Tschechoslowakei hatte traditionell schon immer ein hohes Bildungsniveau aufgewiesen. Kosta 1997, S. 17. 478 Eine Glasmacherlehre vor dem Besuch einer Fachschule schlossen zum Beispiel Bohumil Čabla, Bohumil Eliáš, Jiří Harcuba, Stanislav Honzík Junior, František Janák, Jan Mareš, Gizela Šaboková und František Vízner ab, um die bekanntesten zu nennen. 479 Die Voraussetzung für eine Aspirantur war neben dem Hochschulabschluss eine mehrjährige Praxiserfahrung. Hübnerová 1958, S. 114. Siehe Kapitel 4.3 und 5.1.4, S. 258 f. 480 Pešatová 1968, S. 45; Petrová 2001, S. 33; Holá/Zadražilová. In: Muzeum 1/2013, S. 59.
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Jaromíra Lipská-Straková und František Zemek.481 Staatliche Fördermaßnahmen für den Ausbildungsbereich wurden unmittelbar nach dem „Februarputsch“ aufgestockt und sukzessive ausgebaut. Bereits 1948 erhielten 35 Studenten der VŠUP eine bezahlte Praktikumsstelle in einem der staatlichten Glasbetriebe.482 Im Rahmen der Schulreform von 1953 betrug das Budget des Ministeriums für Schulwesen für das Referat „Wissenschaft und Künste“ 23 Milliarden CZK, fünf Milliarden mehr als im Vorjahr und vier Mal mehr als 1947. Von 1949 bis 1952 wurden hunderte Millionen CZK pro Jahr für Reparaturen und Adaptionen von Gebäuden aufgewendet und weitere 357 Schulgebäude errichtet.483 Das Studium an den Hochschulen war ebenso unentgeltlich wie in den übrigen Stufen der Schulbildung. Zur Verpflegung standen Mensen bereit, die staatlich subventioniert waren. Diese Mensen verköstigten schon Ende der fünfziger Jahre 76 Prozent der Hörer.484 Mehr als die Hälfte der Studenten war in Internaten oder Wohnheimen mit bis zu 7.000 Betten untergebracht.485 Anfang der sechziger Jahre lebten etwa 50.000 Studenten in Wohnheimen. In Prag und Bratislava errichtete man sogar richtige „Studentenstädte“, mit eigenen kulturellen und sozialen Einrichtungen. Die Miete für ein Wohnheimzimmer lag 1965 zwischen 15 und 60 CZK im Monat, 1980 zwischen 25 und 50 CZK, je nach Unterbringung in Vier-, Drei- oder Zweibettzimmern. Eine Mahlzeit in der Mensa kostete 2,60 CZK.486 Studenten, die nicht genügend Geldmittel für ein Studium an der VŠUP besaßen, konnten sich für ein mehrjähriges Stipendium bewerben. Dessen Höhe war nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt und wurde teils auch als Barprämie für ausgezeichnete Leistungen vergeben.487 Dieses „Sozialstipendium“ belief sich monatlich auf 150 bis 450 Kronen und wurde zu Studienjahrsbeginn durch eine einmalige Lehrmittelzuwendung in Höhe von 90 bis 140 Kronen ergänzt. Weiterhin erhöhte sich das Sozialstipendium für Studenten mit Kindern, Studenten, die älter als 26 Jahre alt waren und Studentinnen, deren Ehemänner den Wehrdienst ableisteten.488 Ab dem zweiten Studienjahr erhielt jeder Vollzeitstudent ein „Leistungsstipendium“, insofern er einen 481 Zemek (1913-1960), der im Anschluß an seine 10-jährige Berufstätigkeit als Glasschneider bei den Dobronín Glaswerken und dem Besuch der Fachschule in Železný Brod von 1940 bis 1942 an der UMPRUM immatrikuliert war, arbeitete bereits 1941 als Stipendiat des Kunstgewerbemuseums bei der Firma Rückl in Nižbor. Im Folgejahr hatte er noch ein Stipendienpraktikum in den Glaswerken Českomoravské sklárný absolviert Langhamer. In: GR 5/1978, S. 23. 482 Mergl 2005, Anm. 11, S. 85. 483 Das jährliche Gesamtbudget für das allgemeinbildende Schulwesen und Fachschulwesen betrug 1953 20 Milliarden CZK. Ministerium für Schulwesen und Aufklärung 1953, S. 10. 484 Hübnerová 1958, S. 128. 485 Vodinský 1963, S. 63. 486 Vodinsky 1965, S. 78, 96. Jeník 1980, S. 76. Die erschwinglichen und deshalb begehrten Wohnheimplätze waren vornehmlich für Studenten technischer Studiengänge oder mit Stipendium gedacht – es erfolgte somit wiederum eine Vorauswahl von administrativer Seite. 487 Als Barprämie wurde zum Beispiel die Summe von 100 CZK monatlich für „ausgezeichneten Fortgang“ ausgezahlt. Vodinský 1963, S. 62. 488 Jeník 1980, S. 74/75.
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Notendurchschnitt bis zu 2,0 erreichte.489 Im Rahmen der Schulreform 1953 wurden die Fördermittel für Fach- und Hochschulstipendien um das Neunfache erhöht.490 Die Bedingungen zur Erteilung des Stipendiums waren „vorzügliches Betragen“ und Zensuren in allen Fächern durchschnittlich nicht schlechter als 2,5.491 Dieser verhältnismäßig einfach zu erreichende Notendurchschnitt deutet darauf hin, dass letztendlich vor allem nach ideologischen Gesichtspunkten entschieden wurde, wer ein Stipendium erhielt und wer nicht. Die für diese Forschungsarbeit interwiewten Studenten der beiden Glasateliers an der VŠUP erhielten nach eigenen Angaben keines. Spekulativ ist jedoch denkbar, dass sie dies allein schon deshalb nicht wahrheitsgemäß zugaben, um nicht potentiell als willige Nutznießer des politischen Regimes wahrgenommen zu werden. Eine weitere staatliche Fördermaßnahme war die Kostenübernahme der Aspirantengehälter, also ein indirektes dreijähriges Graduiertenstipendium, das mehr als ein Dutzend Glaskunststudenten erhielten, die sich so auf ihre eigene Lehrtätigkeit vorbereiten sollten.492 Auch konnten sich Hörer aller Abteilungen der VŠUP für ein Stipendium eines künstlerisch orientierten Betriebes (závodní stipendium) bewerben, welches allerdings an die Verpflichtung gekoppelt wurde, nach dem Abschluss für fünf Jahre dort zu arbeiten. Da sich seit Ende der 1950er Jahre immer mehr Studenten der Fachschulen und Glasateliers an der Kunstgewerbehochschule für die handwerkliche Arbeit mit Glas und immer weniger für die Karriere eines Gebrauchsglasgestalters interessierten493, sollte dieses Stipendienprogramm geeignete Studenten langfristig in industrielle Produktionsbetriebe einbinden, um die Qualität ihrer Sortimente und damit die Absetzbarkeit der Produkte zu gewährleisten. Die Stipendiaten erhielten 800 bis 1.000 CZK monatlich sowie einen einmaligen Zuschuss über 400 CZK jährlich für Lehrbücher, „kulturelle Bedürfnisse“ und eine generelle Fahrgeldrückerstattung.494 1963 umfasste der Staatshaushaltsplan allein für Stipendien 150 Millionen Kronen.495
489 Das „Leistungsstipendium“ betrug zwischen 150 und 350 CZK monatlich, abhängig vom Leistungsdurchschnitt. Ebenda, S. 74. 490 Für die Sozialfürsorge der Schüler, also für Erholungszwecke, Verpflegung und Stipendien wurden 1953 insgesamt zwei Milliarden CZK bereitgestellt. Ministerium für Schulwesen und Aufklärung 1953, S. 10; Vodinský 1963, S. 5. 491 Hübnerová 1958, S. 85. 492 Harcuba: „Und ich hab halt drei Jahre mich damit befassen können, ich wurde bezahlt. Ich hatte ein Gehalt und das ist kein Studium mehr, da ist man schon mehr als Lehrer, Aspirant für eine pädagogische Tätigkeit.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 493 Hetteš. In: GR 9/1974, S. 2. 494 Verheiratete Studenten, deren Ehepartner nicht berufstätig sein konnte, erhielten zusätzlich einen monatlichen Zuschlag über 500 CZK sowie einen Zuschuss für jedes Kind in Höhe von 100 CZK. Jeník 1980, S. 75. 495 Vodinský 1963, S. 62.
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Pavel Ježek studierte von 1961 bis 1967 als Stipendiat von Železnobrodské sklo an der Kunstgewerbehochschule in Prag.496 Jiří Šuhájek ging 1964 als Stipendiat von Karlovarské sklo (Moser) an die VŠUP, Antonín Oth 1961 als Stipendiat von Borské sklo.497 Oth: „Ich hatte auch ein Betriebsstipendium, das mit einer Verpflichtung verbunden war, mich für fünf Jahre an die Bor Glashütte zu binden. Ich dachte, warum nicht, gut, ich möchte nach [Nový] Bor zurückzukehren.“498
Oth blieb nach Ende seines Studiums an der VŠUP 1966 jedoch nicht lange in Nový Bor. Ihm wurde von Václav Cigler499 das Angebot gemacht, als sein Assistent an den neuen Lehrstuhl für Glas in der Architektur nach Bratislava zu kommen. Da diese Anstellung als „gleichwertig“ galt, wurde seine Verpflichtung mit Borské sklo bereits 1967 aufgelöst.500 Auch Ivo Rozsypal erhielt 1966 ein Stipendium von Borské sklo, später Crystalex, wo er dann ab 1973 als Gestalter tätig war. Rozsypal: „An die VŠUP kam ich mit 25 Jahren [1966], und weil ich nicht die Eltern finanziell belasten wollte, habe ich versucht, ein Stipendium zu bekommen, das ich schließlich trotz Schwierigkeiten mit Skloexport erhielt. Bald danach wurde es von Crystalex übernommen. Es lief nach dem Modell von Jiří Šuhájek, der das Stipendium von Moser in Karlovy Vary viel einfacher bekam501. Das war damals für einige Kandidaten der angewandten Künste ein gangbarer Weg, denn die Ausbildung war gut. Aber ich war verpflichtet, nach Abschluss des Studiums mindestens fünf Jahre in einer Fabrik als Designer zu arbeiten. Es war gut, dass ich es tat. In den folgenden zehn Jahren habe ich in den Werken einen Überblick über viele 496 Ježek (1938–1999) hatte zuvor seine Fachschulausbildung in Železný Brod unter den Professoren Jaroslav Brychta, Miloslav Klinger und Ladislav Ouhrabka gemacht. Nach Abschluss der Schule arbeitete dann für kurze Zeit in dem an die Schule angeschlossenen Betrieb, der ihm das Stipendium bewilligte. Nach seinem Examen an der Hochschule ging er zurück zu Železnobrodské sklo, bevor er 1968 als Dozent an seine alte Fachschule berufen wurde. Biografische Angaben: UPMArchiv. 497 Šuhájek (geb. 1943) ging 1971 nach Karlovy Vary, Oth (geb. 1933) begann 1966, in Nový Bor zu arbeiten. Dort hatte er bereits ab 1947 eine Lehre bei Borské sklo als Glasmacher gemacht. 498 Übersetzung des Interviews Dominik Hrodek mit Antonín Oth, Ausgabe 9/2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 20.09.2013). 499 Cigler (geb. 1929) besuchte von 1948 bis 1953 die SOŠS in Nový Bor, bevor er an die VŠUP ins Atelier von Kaplický wechselte. Nach seinem Abschluss 1957 arbeitete er als freischaffender Künstler. 1965 übernahm er die Leitung der Abteilung Glas in der der Architektur an der Kunstakademie in Bratislava, wo er bis 1979 die slowakische Schule der Glasgestaltung prägte. Danach widmete sich Cigler dem freien künstlerischen Schaffen und wurde zu einem der prominentesten Vertreter der tschechischen Glaskunst. 500 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 163. 501 Šuhájek hatte bereits direkt nach seiner Ausbildung als Glasmaler unter Bohumil Čabla an der SOŠS in Kamenický Šenov von 1961 bis 1962 in der Zeichenabteilung von Karlovarské sklo gearbeitet. Ab 1964 studierte er bei Libenský an der VŠUP. Hetteš. In: GR 9/1974, S. 2.
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Technologien und generell alles Wichtige erhalten und das war eine andere äußerst wichtige Schule. Es gab mir viel. Ich habe Glasmalerei, mundgeblasenes Glas aller Art, geschnitten oder geformt, in verschiedenen Kombinationen gemacht. Darüber hinaus ging ich ja schon an die VŠUP aus der Fabrik. Nach der Armee hatte ich für drei Jahre in der berühmten Glasmalereiproduktion von Borské sklo gearbeitet.“502
Jiří Šuhájek bezeichnete sein Betriebsstipendium ebenfalls als einen Glücksfall, denn er konnte für seine Semesterarbeiten bereits privilegiert die Produktionsanlagen von Karlovarské sklo und die Hilfe der dort beschäftigten Glasmacher nutzen. Šuhájek: „Dabei hatte ich Glück, einmal, weil ich bei Prof. Libenský studieren konnte, und zum anderen, weil man meine Schularbeiten mit großer Bereitwilligkeit in meinem Mutterunternehmen, Karlovarské sklo, realisierte.“503
Nach welchen konkreten Kriterien diese Stipendien vergeben wurden, lässt sich rückblickend nicht eindeutig ermitteln. Bemerkenswert ist hingegen, dass alle vier Studenten aus Arbeiterfamilien stammten, eine Fachschulausbildung mitbrachten und schon vor ihrer Hochschulstudienzeit in den betreffenden Sponsor-Betrieben als Glasmacher gearbeitet hatten. Ihre akademische Leistung und künstlerischer Befähigung schienen demnach nicht allein ausschlaggebend gewesen zu sein. Rozsypal: „Einige Zeitgenossen blickten auf mich ein wenig verächtlich.“504
Eine weitere betriebliche Fördermaßnahme waren Auslandsstipendien, die im Rahmen bilateraler Kulturabkommen den Studenten der VŠUP ermöglichten, ein zeitlich befristetes Studium an einer ausländischen Hochschule zu absolvieren. Erneut war es Jiří Šuhájek, der ein solches Stipendium, finanziert von Karlovarské sklo, erhielt. Er besuchte von 1968 bis 1971 das Atelier von Lord David Queensberry am Londoner Royal College of Art und die Venini & C. Manufaktur in Murano, Venedig.505 In London ging Šuhájek auch in das Experimentalstudio von Geoffrey Clarke und wurde ein Schüler von Samuel J. Herman, dem Initiator der Studioglasbewegung in England.506 Um ein solches Auslandsstipendium zu bekommen, wählten manche Glaskünstler in Eigeninitiative den direkten Appell an die zuständigen Auslandsvertreter in Prag mit Bitte um Unterstützung. Während der 1960er Jahre bewarb sich, nach Auskunft des Art Centrum-Geschäftsfüh502 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ivo Rozsypal, Ausgabe 8/2008 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 18.09.2013). 503 Interview mit Jiří Šuhájek. In: Hetteš. In: GR 9/1974, S. 3. 504 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Ivo Rozsypal, Ausgabe 21/2004 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 26.09.2013). 505 Mergl/Pánková 1997, S. 243. 506 Interview mit Jiří Šuhájek. In: Hetteš. In: GR 9/1974, S. 3/4. Siehe auch Kapitel 1.1, S. 17 und, Kapitel 4.2.1, S. 422.
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rers Ivo Digrin, Jan Kotík507 um ein Stipendium in Paris, das ihm allerdings trotz großer Bemühungen seiner Frau nicht gewährt wurde.508 Kotík konnte dann aber 1969 mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Westberlin reisen, wo er fortan lebte. Auch Stipendien anderer ausländischer Institutionen wurden tschechischen Glaskünstlern bewilligt, so ermöglichte die UNESCO Vilém Veselý 1985 durch ein Stipendium für ein Jahr, an der Hochschule für die bildenden Künste in Westberlin zu studieren.509 Stanislava Grebeničková gewann 1978 ein Stipendium der Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam bei Professor Sybren Valkema.510 Ein anderes staatliches Förderprogramm wurde von dem 1946 gegründeten Ausschuss für die Pflege künstlerischen Nachwuchses (Výbor pro péči mladých umělců) verwaltet. Als ihm zwei Jahre später das ÚLUV511 angegliedert wurde, übernahm er dessen Verwaltung. Das Programm ermöglichte Studenten und Absolventen der Kunsthochschulen, einschließlich der VŠUP, aber auch Fachschülern und Fachschulabsolventen, praxisbezogene Lehrgänge direkt in ausgesuchten Glaswerken, wie Borské atelierý, Železnobrodské sklo oder Sklárny Inwald. Diese außerschulischen Lehrgänge wurden aus Studienbeihilfen finanziert, deren Kosten von einer speziellen Abteilung für Entwicklung vom Ministerium für Leichtindustrie übernommen wurden512. Im ersten Jahr erhielten bereits 291 Studenten Stipendien für ein solches Betriebspraktikum, davon 44 Glasmacher. 1949 waren es schon mehr als 600 Stipendiaten.513 Ab 1959 übernahm das Institut
507 In der stalinistisch geprägten Nachkriegszeit wandte sich Jan Kotík (1916–2002) dem Industriedesign, der Glaskunst und der Buchbinderei zu. Kotík war von 1947 bis 1953 Leiter des ÚLUV. Aufgrund von Kontakten zu einer Gruppe von Surrealisten um Karel Teige wurde Kotík nach 1952 von der Geheimpolizei verhört. Danach blieben ihm leitende Positionen verstellt. Er gab jedoch weiterhin – von 1948 bis 1963 – das oppositionelle Magazin Tvář heraus, dessen Kunstkonzept stets als Gegenpart zum sozialistischen Realismus verstanden sein wollte. Der Entwicklung der Glaskunst gab Kotík entscheidende Impulse, so mit seinem monumentalen Exponat für den Pavillon der EXPO 58, das den Werkstoff in den Bereich der Skulptur transferierte (Abb. 77). Harcuba: „Aber, er [Kotík] war auch ein eigenständiger Denker. Und man wollte eben seine Art und Weise von dem Malen nicht annehmen. Drum schlüpfte er mehr in das Glas, hat wunderbare Entwürfe gemacht. Dadurch wurde das Glas erhoben, auf eine höhere Ebene. Das war ein großer Verdienst von diesen Leuten wie Kotík.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 508 Digrin: „Einmal hat sie [Ruth Kotíková] mit dem Kulturrat, der französischen Botschaft gesprochen und gebeten, ob nicht ihr Mann ein Stipendium nach Frankreich bekommen könnte. Er hat gesagt, ‚Ja, ich werde nach Paris schreiben und ich werde das empfehlen.‘ Also, wenn da Punkt gewesen wäre, dann wäre es in Ordnung gewesen. Aber sie hat ihm gesagt: ‚Könnte ich bitte eine Kopie Ihres Briefes an den Kulturminister bekommen?‘ Der ist beinahe umgefallen, aber er hat ihr die Kopie geschickt!“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 509 Langhamer 1985, o. S. 510 Petrová 2001, S. 243. 511 Siehe Kapitel 4.1, S. 147, und Kapitel 5.2.4. 512 Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. 513 Raban 1963, S. 14.
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für Wohn- und Bekleidungskultur (ÚBOK)514 die Organisation der Betriebspraktika und schaltete sich verstärkt in die Aufgabenstellung für die Aspiranten an der VŠUP ein.
4.4.2 Chancengleichheit in einer traditionell männlichen Domäne? – Zur Position weiblicher Glasgestalter In der sozialistischen Tschechoslowakei ergab sich aus der Verpflichtung aller Bürger zur Berufstätigkeit die dauerhafte Verpflichtung, Frauen nicht nur in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sondern durch berufliche Bildungschancen zu fördern.515 Obgleich das verfassungsrechtlich festgesetzte Prinzip der Gleichstellung beider Geschlechter in der Praxis nicht immer in allen Bereichen durchgesetzt wurde, wurde doch bei der Ausbildung zum Glasgestalter eine tatsächliche Chancengleichheit verwirklicht. Sowohl an der Prager Kunstgewerbehochschule als auch an den drei nordböhmischen Glasfachschulen, Bildungsstätten für eine Berufsausbildung, die traditionell Männern vorbehalten war, konnten nach dem Zweiten Weltkrieg Frauen das Handwerk der künstlerischen Glasbearbeitung erlernen. Tschechinnen waren maßgeblich an der Formulierung der zeitgenössischen Glasskulptur der 1960er Jahre beteiligt, die europäischen Künstlern den Zugang zur freien Glasgestaltung ermöglichte.516 Der Beitrag weiblicher Künstlerinnen zur Entstehung der Sparte Glaskunst stellt keine Dichotomie dar zu dem der Männer und wurde nicht als „Frauenkunst“ wahrgenommen. In ihrem historischen Abriss der Frauenbewegung in der Tschechoslowakei wies Marta Pelinka-Marková darauf hin, dass das Selbstbild der tschechischen Frauen stets ein ganz anderes als jenes der westeuropäischen Emanzipation war, denn das „spezifisch Weibliche“ spielte gegenüber ihren allgemeinen Menschenrechten eine untergeordnete Rolle.517 Schon vor 1945 beschäftigten sich Frauen in der Tschechoslowakei, wenn auch meist freiberuflich, mit der Gestaltung von Glas. Sie hatten an der UMPRUM im Atelier von Professor František Kysela oder Josef Drahoňovský erste Erfahrungen mit dem Material gemacht und lieferten Entwürfe für die bekannten Manufakturen Lötz und Rückl, die Künstlergenossenschaft Ařtel und die Krásná jizba-Werkstätten.518 Neben Zdenka Braunerová, Marie Kirschner, Marie Waltl, Hana Dostálová, Jiřina Pastrnková519 zählte 514 Siehe Kapitel 5.2.3, S. 288. 515 Linnhoff/Sauer 1976, S. 181. 516 Ricke 2000, S. 13. 517 Pelinka-Marková 2000, S. 113. 518 Für die Krásná jizba siehe Kapitel 2.4. 519 Zu Braunerová und Kirschner siehe Kapitel 2.4, Anm. 54 und 57 auf S. 39 f. Jiřina Pastrnková (1908–1987) absolvierte die Mittelschule des Tschechoslowakischen Manufakturverbandes in Prag, von 1927 bis 1930 die Glasfachschule in Železný Brod und von 1937 bis 1940 die UMRPUM im Atelier von Professor Kysela. Bereits 1935 eröffnete sie gemeinsam mit ihrem Mann ihr eigenes Glasatelier in Železný Brod, in dem die beiden vor allem Einzelstücke mit Repräsentationscharakter entwarfen. Nach dem Krieg war sie Betriebsgestalterin beim Nationalunternehmen
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Ludvika Smrčková520 zu den einflussreichen Glaskünstlerinnen ihrer Generation. Smrčková beschäftigte sich bereits seit 1923 mit dem Entwerfen von Gebrauchsglas. Nach 25 Jahren als Glaskünstlerin in Teilzeit – mit wichtigen Erfolgen bei Ausstellungen wie der Brüsseler Weltausstellung 1935 und Paris 1937 und kontinuierlicher Zusammenarbeit mit den Rückl-Glaswerken – begann sie 1948, im Rahmen der neuen politisch gewollten Förderung von Gestaltungszentren in den Betrieben als fest angestellte Entwerferin für Sklarný Inwald und später ÚBOK zu arbeiten.521 Smrčková erhielt 1963 die Auszeichnung „Verdiente Künstlerin“, 1978 den Titel „Nationalkünstlerin“ und wurde 1984 mit dem Antonín-Zápotocký-Preis geehrt.522 Glasgestalterinnen der 1920er Jahrgänge nahmen wesentlichen Einfluss auf die Gebrauchsglasentwürfe der Nachkriegszeit. Erika Hellerová war schon während des Zweiten Weltkriegs als Gestalterin bei der Glashütte von Elias Palme und ab 1945 für die Lobmeyr-Studios in Kamenický Šenov tätig.523 In Jaroslav Holečeks Atelier waren acht der insgesamt 17 Schüler weiblich.524 Dieser hohe Frauenanteil ist weder vor noch nachher anzutreffen und hing vermutlich mit der Schließung der Kunstakademien durch die deutschen Besetzer zusammen. Studentinnen der Bildhauerei und Malerei wechselten in Holečeks Klasse, um ihre Studien fortzuführen. Tatsächlich beschäftigten sich die meisten von ihnen auch nach Kriegsende weiterhin mit dem Material Glas.525 Nach 1945 war der Anteil der weiblichen Studenten an der VŠUP von Anfang an recht hoch. Dies lag zum Teil daran, dass Holečeks Studentinnen nicht als Dozenten an die nordböhmischen Glasfachschulen berufen wurden, sondern ausschließlich ihre männlichen Kommilitonen. So führten sowohl Milena Bartová-Korousová, Alena Loosová als auch Miluše Roubíčková ihre Studien bei Professor Josef Kaplický an der Hochschule fort.526 Železnobrodské sklo. Von 1950 bis 1959 arbeitete Pastrnková für den ÚBOK-Vorgänger Textilní tvorba in Prag. Während der 1960er Jahre beschäftigte sie sich mit der Gestaltung von Keramik, Textil und Schmuck und nahm an zahlreichen Ausstellungen teil. 520 Siehe Kapitel 2.4, Anm. 74, und Kapitel 3.2, Anm. 235. 521 Adlerová. In: GR 2/1978, S. 6. 522 Siehe Kapitel 5.2.2, S. 279. 523 Zu Hellerová siehe Kapitel 3.1.2, Anm. 81, S. 76. 524 Neben Miluše Roubíčková (damals noch Kytková) studierten dort auch Věra Lišková, Maria Stáhlíková, Irena Altmanová, Alena Loosová (später Bělčíková), Jarmila Součková, Milena Korousová (später Bártova) und Zdenka Skřípková-Brzokoupilová. 525 Nur Altmanová verließ 1948 ihre Heimat und studierte an der Academie André Lhote in Paris, bevor sie nach Amerika auswanderte, wo sie als freischaffende Künstlerin wirken sollte. Auch Skřípková-Brzokoupilová arbeitete später nicht mehr mit Glas, sondern gestaltete Spielzeug und war als Zeichnerin und Malerin, auch für den Trickfilmbereich, tätig. 526 In dieses Atelier stießen zudem Adriena Šimotová sowie Kateřina Cigánová, Jitka Forejtová, Děvana Mírová, Milana Mikulová und Marie Pohlreichová-Rychlíková, von denen sich einige dann aber auf Illustration, Bildhauerei und die Arbeit mit Keramik unter Professor Eckert umorientierten. Bemerkenswert ist, dass die genannten Gestalterinnen ausnahmslos aus anderen Kunstschulen, wie der SGŠ, an die VŠUP kamen und nicht von einer der drei nordböhmischen Glasfachschulen wie viele ihrer männlichen Kommilitonen.
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Roubíčková: „Im Atelier von Kaplický, ganz am Anfang, im ersten Jahr, waren wir noch viele Mädchen [mit Interesse an Glasgestaltung], von denen Kaplický dann aber drei oder vier [Lišková, Loosová, Bartová-Korousová, Stáhlíková] wegschickte. Außer mir blieb noch Adriena Šimotová.“527
Věra Lišková und Maria Stáhlíková studierten bei Štipl weiter, wie auch Jaroslava Brychtová, die aus Železný Brod nach Prag kam.528 Zu den sechs Stipendiaten, die das Kunstgewerbemuseum an Studenten der VŠUP von 1945 bis 1950 in den Werkstätten bei J. & L. Lobmeyrs Neffe, Stefan Rath vergab, gehörten drei Frauen.529 1951 schrieben sich Zdenka Strobachová und Jiřina Žertová (damals noch Rejholcová) zeitgleich für das Atelier von Professor Kaplický ein, 1953 kamen Marta Kerhartová-Peřínková530, Dana Vachtová 1956 und Eliška Rožatová 1960 hinzu (Abb. 32). Vachtová: „Frauen hatten die gleichen Möglichkeiten wie Männer. In allen Berufen! Das war einer der wenigen Vorteile der sozialistischen Regierung meiner Meinung nach. Eine Frau muss sich selbst verwirklichen können.“531
Als Stanislav Libenský 1962 Professor an der VŠUP wurde, traten viele Studentinnen in sein Atelier ein.532 Im Gegensatz zur ersten Nachkriegsgeneration von Hochschulstudentinnen hatten die meisten von ihnen zuvor an einer der drei Glasfachschulen studiert. An diesen Schulen wurde schwerpunktmäßig eine technologische Ausbildung in einer traditionell von Männern dominierten Berufssparte angeboten. So war der dortige Frauenanteil im Vergleich zur Kunstgewerbehochschule besonders vor 1948 noch niedrig.533 Die Klasse von 20 Glasfachschülern in Kamenický Šenov, welche 1949 ihr Studium begannen, besuchten immerhin vier Mädchen. Im ersten Jahrgang nach Wiedereröffnung 527 Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. 528 Siehe Kapitel 4.3, S. 197. 529 Die Erste war Věra Lišková, dann folgten Jitka Forejtová, Jaromíra Lipská-Straková und die drei männlichen Stipendiaten Václav Hanuš, Václav Plátek sowie František Zemek. 530 Kerhartová-Peřínková (geb. 1935) besuchte das Atelier von Kaplický von 1953 bis 1959 und wandte sich dann der freischaffenden Arbeit zu. In den 1970er Jahren unterrichtete sie an einer Oberschule in Poděbradý und arbeitete danach fest angestellt am Forschungsinstitut für Pädagogik (Výzkumny ústav pedagogický, in Prag) Gespräch mit Marta Kerhartová-Peřínková, Prag, 26.06.2003. Rožatová (geb. 1940) kam 1960 von der Glasfachschule in Železný Brod an die VŠUP, wo sie nach Kaplickýs Tod bis 1966 bei Libenský studierte. 531 Interview mit Dana Vachtová, Prag, 26.06.2003. 532 Zu ihnen zählten Blanka Adensamová, Stanislava Grebeníčková, Antonie Jankovcová, Jiřina Jechová, Jaroslava Švarcová, Maria Tomšová, Kapka Toušková und Jaroslava Votrubová, um nur die bekannteren zu nennen. Vgl. Palata 2001c. 533 In Kamenický Šenov waren in der ersten Nachkriegsklasse gar keine und in der zweiten nur vier Schülerinnen unter den insgesamt 36 Absolventen. Im dritten Jahrgang waren ebenfalls nur zwei Mädchen unter den 19 Absolventen, im vierten dann drei unter insgesamt 20. Vgl. Auflistung der Absolventen in Langhamer/Hlaveš 2006, S. 168.
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der Schule 1957 waren bereits zwölf weibliche Schülerinnen unter den 27 Schülern. Der erste und zweite Nachkriegsjahrgang an der Fachschule in Železný Brod war immerhin zu einem Drittel weiblich. Im Jahrgang 1952 bis 1956 waren mit 19 weiblichen von insgesamt 29 Schülern mehr als die Hälfte Mädchen.534 Die Schule in Nový Bor hingegen sei „aufgrund der Laborversuche für Mädchen interessant gewesen“, da der auf Glastechnologie ausgerichtete Lehrplan eine zukünftige Arbeitsstelle im Forschungsbereich ermöglichte.535 Die Politik der KSČ förderte demnach gezielt die Aufnahme von Frauen in traditionelle Männerberufe. 1971 besuchten 124 Mädchen die Fachschule in Železný Brod, damit war knapp über 50 Prozent der Schülerschaft weiblich.536 Weibliche Beschäftigte in Glasmacherbetrieben arbeiteten in der Vergangenheit vornehmlich in der Dekorationsabteilung, vor allem der Emailmalerei. Seit Anfang der 1950er Jahre studierten Fachschülerinnen alle Veredelungstechniken. Der Frauenanteil in technischen Berufen, so dem Glasmacherhandwerk, war zwar auch zu dieser Zeit nach wie vor gering, aber immerhin sehr viel höher als in den westlichen Industrieländern.537 Eine Lehre zum Glasmacher belegten auch 1967 noch weitaus mehr Männer als Frauen. Von 4.114 Lehrlingen waren 1.676 weiblich.538 Anders als ihre männlichen Kommilitonen verfolgten nur einige wenige dieser Fachschülerinnen im Anschluss an ihr Examen ein Studium an der Kunstgewerbehochschule, obgleich 1975 immerhin 40 Prozent der Hörer an den Hochschulen der Tschechoslowakei weiblich waren.539 Viele der Studentinnen aus dem Atelier von Professor Stanislav Libenský nahmen nach ihrem Abschluss eine feste Designertätigkeit in einem Glasbetrieb auf. Die Anstellung als Betriebsgestalter bedeutete von Anfang an eine berufliche Perspektive für Frauen, nicht nur für Absolventinnen der Glasateliers an der VŠUP, sondern auch für jene, die „nur“ die Glasfachschulen besucht hatten. Die meisten von ihnen gründeten neben ihrer Berufstätigkeit Familien. Wie in allen sozialistischen Ländern leistete der Staat umfangreiche Unterstützung dabei, Beruf und Familie für arbeitende Mütter stukturell zu vereinbaren.540 Hausarbeit und Kindererziehung übernahm in der 534 Vgl. Auflistung der Absolventen in Langhamer/Hlaveš 2010, S. 196. 535 GR 10/1971, S. 294. 536 „Das Interesse ist von Seiten der Mädchen demnach beträchtlich, aber erst für die letzen Jahre bezeichnend. Wenn man die Einreihung der älteren Absolventen betrachtet, findet man nur männliche Namen.“ Vojta. In: GR 11/1971, S. 327. 537 Linnhoff/Sauer 1976, S. 188. 538 Urban 1972, S. 132. 539 Vojta. In: GR 8/1975, S. 2. Eine Ausnahme stellen, allerdings erst ab Mitte der 1960er Jahre und zunehmend in den 1970er und 1980er Jahren, Blanka Adensamová, Markéta Burianová, Stanislava Grebeničková, Ivana Houserová, Antonie Jankovcová, Jiřina Jechová, Ivana Mašitová, Eliška Rožatová, Jitka Růžičková, Gizela Šabóková, Marketa Šílená, Jaroslava Švarcová und Eva Švestková dar. Erst nach 1989 erhöhte sich der Anteil der Fachschulabsolventinnen an der VŠUP. In den frühen 1990er Jahren nahmen Martina Klimošová, Alena Matějková, Anna Polanská, Lada Semecká, Dagmar Šubrtová und Jana Voldřichová ein Hochschulstudium in den Glasateliers auf. 540 Die staatliche Fürsorge begann schon lange vor der Geburt des Kindes. Junge Eheleute erhielten materielle Unterstützung bei der Gründung einer Familie, durch günstigen Wohnraum und
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Praxis aber überwiegend weiterhin die Frau, während die „Doppelrollenerwartung“ an den Mann nicht verbreitet war. Jelínek: „Während Roubíček mit uns [Studenten] den ganzen Sommer verbrachte, war Frau Roubíčková die meiste Zeit in Prag mit den Kindern. Er hatte bereits zwei Mädchen.“541
Damit wurde auch die Möglichkeit der gleichberechtigten Berufstätigkeit eingeschränkt. Kudrová: „Ich dachte, es wäre Zeit, dass ich auch Mutter wurde. Ich blieb zu Hause für sieben Jahre und habe mich vollständig den Kindern gewidmet.“542
Die Experimentalhütte in Škrdlovice arbeitete seit ihrer Anfangszeit mit Glasgestalterinnen zusammen. Eine der ersten war Milena Velíšková, die dort seit 1946 als Formgestalterin und von 1950 bis 1960 Jahre als Leiterin des Entwurfsbüros der Hütte wirkte.543 Erika Hellerová arbeitete ab 1949 für 30 Jahre als Betriebsgestalterin für Borské sklo in Nový Bor, wo auch weibliche Technologen angestellt waren.544 Danach ließen Maria Stáhlíková, Zdenka Strobachová, Miloslava Svobodová545 und Jiřina Žertová546 regelmäßig ihre Entwürfe in Škrdlovice fertigen.
Darlehen. Diese Darlehen für junge Eheleute zeigten, dass die Familienpolitik einen Kernpunkt der Sozialpolitik bildete (Heumos 1999, S. 126). Kinder im Alter von drei Monaten bis drei Jahre wurden in Krippen versorgt. Die Krippen waren gewöhnlich von 6 bis 18 Uhr geöffnet, so dass erwerbstätige Mütter ihre Kinder je nach Arbeitszeit ganztägig abgeben konnten. Auch diese Einrichtungen wurden komplett vom Staat finanziert. Waren Kinder berufstätiger Mütter bereits im Schulalter, besuchten sie für die Zeit außerhalb des Unterrichts Jugendhorte. Linnhoff/Sauer, 1976, S. 67; Hübnerová 1958, S. 53. 541 Übersetzung des Interviews Vladimír Jelínek mit Milan Hlaveš, Ausgabe 16/2007 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 28.10.2013). 542 Übersetzung des Interviews Dagmar Kudrová mit Milan Hlaveš vom Oktober 2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 28.10.2013). Zu Kudrová siehe Kapitel 4.1, S. 145 f. 543 Danach war sie für zwei Jahre bei Lustry in Kamenický Šenov. Für Lustry war von 1980 bis 1990 auch Jana Švandrlíková tätig. Siehe auch Kapitel 3.1.1, S. 70. 544 Jaroslava Drvotová (geb. 1951) arbeitete nach ihrer Ausbildung an der Glasfachschule in Kamenický Šenov von 1971 bis 1973 bei Borské sklo, bevor sie Vorarbeiterin bei Lustry in Kamenický Šenov wurde. Ab 1983 war Drvotová als Betriebsgestalterin für Egermann in Nový Bor tätig. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 160. 545 Svobodová (Svobodová-Wyckmans) (1936–2005) kam 1955 von der Fachschule für Steinschnitt und Schmuckherstellung in Turnov ins Atelier von Stanislav Libenský an der VŠUP. Danach arbeitete sie einige Jahre als Gestalterin für Glasbetriebe und wanderte 1966 nach Belgien aus. Petrová 2007, S. 104. 546 Žertová lieferte erste Entwürfe 1958 und arbeitete bis in die 1980er Jahre hinein eng mit der Hütte zusammen.
Ausbildungsförderung und Bildungschancen | 229
Žertová: „In den sechziger Jahren habe ich für Škrdlovice gearbeitet. Die Arbeit auf der Hütte wurde von Emanuel Beránek überwacht, das war ein feiner Mensch, einfach und ohne Bildung, aber weise und ein absoluter Glasspezialist. Der hat meine Entwürfe ernst genommen. Auch mit seinem Sohn, Jan, habe ich viel gemacht. Das war ein guter Arbeiter.“ 547
Bei fast allen Nationalunternehmen waren Betriebsgestalterinnen fest angestellt: Dagmar Kudrová arbeitete von 1958 bis 1961 für den slowakischen Glasbetrieb Spojene sklárný in Lednické Rovne und von 1973 durchgängig bis 1990 für Bohemia in Poděbrady. Von 1972 bis 1976 war Jaroslava Švarcová548 für Bohemia tätig. Seit 1964 wurden von der mährischen Glashütte in den Betrieben in Květná und Vrbno neben dem Formgestalter Jiří Vosmík549 überwiegend Designerinnen fest angestellt: Božena Glončaková, die dort bis 2004 tätig war, Marie Glückhaufová, die bis 1967 blieb, ferner für lange Jahre Květoslava Daňková und Věra Libenská, die ab 1973 auch für Borské sklo, später Crystalex, entwarf. Jana Matoušková war ab 1965 Betriebsgestalterin in dem Nationalunternehmen, Eva Švestaková ab 1970 sowie Antonie Jankovcová von 1971 bis 1979. Matoušková übernahm sogar von 1965 bis 1980 den Posten der Chefgestalterin bei Moravské sklárný. Für die Firma OBAS, die der Rudolfova huť in Dubí nad Teplice angeschlossen war, arbeitete die Frau von František Vízner, Laděna Víznerová, von 1961 bis 1967 als Gestalterin. Marcela Rasochová begann 1978, Eva Ranšová550 und Marie Glückhaufová ab 1973 fest angestellt bei Crystalex, wie auch Marta Macelová551, die bis 2001 ununterbrochen in dieser Anstellung blieb.552 Bei den Betrieben mit künstlerischem Schwerpunkt waren weibliche Gestalter ebenfalls keine Seltenheit. Für Železnobrodské sklo arbeiteten neben Jaroslava Brychtová, die sogar Leiterin der bedeutenden Abteilung Glas in der Architektur (Sklo v architektuře) war, noch Jiřina Pastrnková und später Eliška Rožatová als Designerinnen. In dem Forschungsinstitut für Gebrauchsglaserzeugung (Výzkumný 547 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003. 548 Švarcová (geb. 1952) machte von 1966 bis 1967 zunächst eine Glasschleiferlehre in der Berufsschule in Světla nad Sázavou, bevor sie von 1968 bis 1972 die Fachschule in Železný Brod absolvierte. Danach arbeitete sie bis 1976 in der Josefodol-Hütte der Sklo Bohemia-Werke in Světla nad Sázavou. Von 1976 bis 1982 studierte Švarcová unter Libenský an der VŠUP und kehrte dann als Betriebsgestalterin zurück zu Sklo Bohemia. Ab 1991 unterrichtete sie an einer Grundschule in Ledeč nad Sázavou und ab 2001 in Prag. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 165. 549 Vosmík (geb. 1946) absolvierte die SOŠS in Kamenický Šenov 1965 und wechselte dann direkt in den mährischen Betrieb. 1991 wurde er leitender Gestalter beim Glass Atelier Morava in Vizovice. 550 Ranšová wurde 1978 zur Direktorin des Glasmuseums in Nový Bor ernannt. 551 Macelová (geb. 1952) arbeitete sofort nach ihrem Studium an der Glasfachschule in Kamenický Šenov 1973 als Betriebsgestalterin bei Borské sklo, das ein Jahr später dem Nationalunternehmen Crystalex eingegliedert wurde. 552 Weitere fest angestellte Gestalterinnen waren hier Marcela Rasochová ab 1968, Lenka Jarošová ab 1976, Jana Hatašová ab 1977, Hana Lakomá ab 1992, die ab 1989 ebenfalls für Moravské sklárný entwarf, und Karolina Kopřiková ab 1994. Langhamer/Hlaveš 2006, S. 160/161.
230 | Ausbildungsstätten für Glasgestaltung
ustav užitkového skla) in Nový Bor waren Antonie Jankovcová und Dagmar Kudrová angestellt. Die Gestalterinnen würden sich die folgende Begründung für ihren Einsatz in den Entwurfsabteilungen der Herstellerbetriebe vermutlich als chauvinistisch verbitten: „Die Erfahrungen aus der ganzen Welt zeigen, daß Frauen in der Sphäre des Gebrauchsund vor allem des dekorativen Glases über die Mehrheit der Einkäufe entscheiden, diese Erzeugnisse in der Praxis verwenden und sich an ihrer zerbrechlichen Schönheit erfreuen. Man kann sich also nicht wundern, daß die Frauen in vielen Fällen auch an der eigentlichen Entstehung der Erzeugnisse, die ihnen im Endstadium so viel Freude bei ihrer Verwendung bringen, Anteil haben. In einigen tschechischen Glashütten wirken in den Designerabteilungen nur Vertreter des schwachen Geschlechts, die – laut Meinung der Leitung – besser als Männer befähigt seien, ‚sich in die Bedürfnisse der Kunden-Abnehmer einzufühlen‘.“553
Aber auch als externe Designerinnen arbeiteten zahlreiche Glaskünstlerinnen für Staatsbetriebe. Věra Lišková lieferte ab 1950 zahlreiche Designs für Karlovarské sklo, Moser und ab 1952 für die Zentralstelle für die Entwicklung der Glas- und Keramikindustrie (ÚVS) in Prag.554 Miluše Roubíčková entwarf ab 1954 für Borské sklo und später für deren Nachfolger Crystalex in Nový Bor. Auch Jiřina Žertová fertigte als externe Gestalterin Gebrauchsglasentwürfe für die Glashütte in Chřibská, dann auch für Škrdlovice und später für Borské sklo (Crystalex) an. Žertová: „1955 ging ich nach Chřibská, mit denen ich bis 1963 zusammenarbeitete, dann auch 1958 nach Škrdlovice. In jeder Fabrik gab es ja andere Leute und als die Möglichkeiten in Škrdlovice schlechter wurden – dort kam es zum Konflikt mit [Jaroslav] Svoboda – ging ich 1972 für drei Jahre zu Crystalex nach Nový Bor.“555
Frauen arbeiteten in allen Abteilungen von Skloexport und Art Centrum, wenn auch nicht in leitenden Funktionen.556 Genauso blieben weibliche Dozenten an den Glasund Kunstschulen eine Seltenheit. Mit deutlichem zeitlichem Abstand wurden nach Jaromíra Lipská-Straková, die in den 1960er Jahren bereits an der Berufsschule für Glasmacher in Nový Bor unterrichtete, Dozentinnen erst in den 1980er an der SUPŠS in
553 Frídl. In: GR 10/1994, S. 22. 554 Hlaveš 2005, S. 388. 555 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003. 556 Mitarbeiterinnen bei Art Centrum waren beispielsweise Ackermanová, Becková, Bockstefelová, Červniková, Digrinová (damals Hrubcová), Kolečková, Karpašová, Kkorolusová, Lenertová, Lubomírská, Marková, Pokorná, Schneiderová, Schreiberová, Slívová, Svítková, Tauerová, Zátková, Zelenková u. v. a. Matějček 2003, S. 3.
Ausbildungsförderung und Bildungschancen | 231
Železný Brod und an den beiden anderen Glasfachschulen in den 1990er Jahren in den künstlerischen Abteilungen eingestellt.557 Am Prager Kunstgewerbemuseum hingegen war ein großer Anteil der für die Glassammlung verantwortlichen Kuratoren weiblich. Neben Emanuel Poche, der 1959 an die Akademie der bildenden Künste wechselte und Karel Hetteš, der 1976 verstarb, arbeiteten dort seit den 1960er Jahren fast ausschließlich Frauen: Dagmar Hejdová als Direktorin, zuständig für Altes Glas, Olga Drahotová, Barockglas und Glasgravur, Jarmila Brožová, Glas des 19. Jahrhunderts, und Alena Adlerová für das Moderne Glas, welches 1985 von Sylva Petrová übernommen wurde.558 Auch die Assistentenstellen wurden immer durch Frauen besetzt. Wasmuth: „Aber Sie hatten immer eine Hilfe? Sie hatten immer einen Assistenten?“ Adlerová: „Ja, das war bei uns immer eine Assistentin. Manchmal haben wir sogar zwei gehabt. Weil wir waren in der Abteilung eigentlich fünf Fachkräfte für diese Karten [Karteikarten] und was man geliehen hat und ob es wieder zurückgekommen ist [Leihverkehr], das waren Dasha Tučná, Milena Lamerová, Alena Vondrová. Wir waren fünf Frauen in einem großen Saal, alle haben aufgeschaut, wenn jemand hereinkam. Es gab einen Winkel für Kaffee und Gespräche. Lamerová hat dann die Trennwände eingeführt. Aber es war immer eine gute Atmosphäre, muss ich sagen.“ 559
Das kollegiale Verhältnis und die enge Verwobenheit der tschechischen Szene von Glasschaffenden, -historikern und -theoretikern bildete ein belastbares Netzwerk aus Männern und Frauen, das zuweilen effektiv kulturpolitische Leitlinien aushebelte und sich dem Zugriff staatlicher Zensur erfolgreich entziehen konnte. Die Gruppe der involvierten Akteure blieb gleichsam unter sich. Unter dem Deckmantel der auf Expertise gestützten Objektivität gelangten wiederholt Persönlichkeiten in einflussreiche Positionen, die keinesfalls per se regimekonform waren. Die soziale Dynamik des exklusiven Expertentums unter sozialistischen Kontroll- und Kritikmechanismen blockierte mitunter Sanktionsmaßnahmen wie Hochschulzugang-, Reise- und Ausstellungsverbot.
557 Die einzige Ausnahme bildete ab 1988 Zdenka Štipáková in Nový Bor. 558 Heute sind drei der vier Kuratoren der Abteilung Glas, Keramik und Porzellan männlich. 559 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003.
5 GLASKUNST IM GEFÜGE DER KULTURPOLITIK
Mit Übernahme der Staatsgewalt durch die kommunistische Partei 1948 begann eine Periode übermächtigen Einflusses der Sowjetunion und ihrer Herrschaftsstrukturen auf den Kulturbetrieb der Tschechoslowakei. Zum kulturpolitischen Konzept des sozialistischen Landes gehörte es von nun an, jeden mit den bildenden Künsten verbundenen gesellschaftlichen Komplex ideologisch zu steuern. Das Kulturleben war insgesamt auf diese Zielvorstellung ausgerichtet und – gleich der Wirtschaft und anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – einem Plan unterworfen, den alle staatlichen Institutionen des Kulturbetriebs zentralistisch durchsetzten. Ein Widerspruch, der das Entstehen Freier Kunst1 eigentlich per se ausschloss. Der Staat übertrug ab 1950 allen Kunstgattungen einen formellen Bildungsauftrag, welcher sich in der visuellen Sprache des sozialistischen Realismus zu äußern hatte. Kunst sollte übereinstimmend mit der marxistisch-leninistischen Weltanschauung Gefühle vermitteln und aufklären. Abstrakte Tendenzen standen in offenem Bruch zu dieser Doktrin und wurden deshalb politisch interpretiert.2 Dessen ungeachtet boten sich innerhalb der staatlichen Einrichtungen für Glaskünstler vielfältig Möglichkeiten, ihre künstlerischen Ambitionen zu verfolgen und umzusetzen. Denn der künstlerischen Gestaltung von Glas wurde die Fähigkeit zur Darstellung politisch nicht gewollter Inhalte abgesprochen. Harcuba: „In dem Bereich der Freien Kunst, da gab’s andere Regeln als im Glas. Glas, das sei ja keine Kunst […], das sei nur etwas Dekoratives.“3
Das einengende Handlungsfeld eröffnete Glaskünstlern aus diesem Grunde Chancen, das Übergewicht der institutionalisierten Politik zu relativieren und manchmal sogar zu unterlaufen. So schufen manche, und dies in staatlichem Anstellungsverhältnis, abstrakte Werke, die sich beispielsweise mit der Interaktion von Glasinnerem und Oberfläche gestalterisch auseinandersetzten (Abb. 33). Mit Beginn des Tauwetters, in der gesamten zweiten Hälfte der 1950er Jahre, realisierten Glaskünstler anspruchsvolle Glasarbeiten für die ersten Nachkriegsausstellungen mit internationalem Rahmen, deren expressives Potential das Durchbrechen der gängigen offiziellen Empfehlungen des sozialistischen Realismus klar ersichtlich machte.4 Die kulturpolitischen Richtlinien für bildende 1 Hiermit ist Freie Kunst im Sinne der „l‘art pour l’art“ gemeint. 2 Die Hinwendung zur Abstraktion, ab Mitte der 1950er Jahre, war für Künstler damit gleichbedeutend mit einer demonstrativen Abkehr vom Realismus. Chvatík 1988, S. 140; Chalupecký 1994, S. 23 f.; Orišková 2008, S. 25. 3 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 4 „In den fünfziger Jahren lässt sich jedoch im böhmischen Glas eine rasante Entwicklung beobachten, die innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne sämtliche grundlegenden Tendenzen der Gegenwartskunst überprüft und in schöpferischer Weise meistert. Glas kommt unmittelbar an den
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Künstler schienen im Glasbereich bedeutungslos gewesen zu sein. Während der 1960er Jahre verfolgten tschechische Glasgestalter im Rahmen der administrativ eingeräumten Möglichkeit eigenwillig ihren individuellen kreativen Weg. Offiziell war mit dem Material Glas zwar noch immer die Vorstellung von einem Gebrauchsgegenstand verbunden, doch Werke abstrakter Prägung, die sich vom Diktat der Zweckmäßigkeit gelöst hatten, wurden geduldet. Beinahe explosionsartig wandten sich in den 1970er Jahren viele dieser Künstler dem Schaffen von skulpturalen Bildwerken aus Glas zu. Diese Arbeiten waren in ihrem künstlerischen und handwerklich perfektionistischen Anspruch unvergleichbar und nahezu konkurrenzlos in der internationalen Glaskunstbewegung. Weder die leitenden Kulturfunktionäre noch die überraschte Weltöffentlichkeit hatten diese Entwicklung in Zeiten der Normalisierung kommen sehen. Umso erstaunlicher ist, dass der in kulturpolitischen Fragen restriktive Staat das große Potential dieser Glasarbeiten erkannte. Er begriff sie zum einen als devisenbringendes Exportprodukt und zum anderen als werbewirksames Aushängeschild. Die Künstler ließ man nicht nur gewähren, sondern der Staat unternahm konkrete Schritte dahin, diese im besten Sinne freie Kunst zu fördern.5
5.1 Kulturpolitische Richtlinien „Kultur“ diente schon immer als Instrument und Medium der Politik, der Innenpolitik wie auch der auswärtigen Beziehungen. In seinem Selbstverständnis bestand die Rolle des sozialistischen Staates in der Einrichtung und Finanzierung der personellen, materiellen, technischen und legislativen Voraussetzungen eines Systems kultureller und erzieherischer Einrichtungen. Die Kulturpolitik der Tschechoslowakei basierte auf dem Grundprinzip einer vordergründigen Betonung der „Demokratisierung der Kultur“, welche die Grundlage aller kulturpolitischen Entscheidungen und Veränderungen war.6 Umgesetzt wurde diese Kulturpolitik durch den Aufbau von Institutionen, die es der gesamten Bevölkerung und nicht nur einer bürgerlichen Elite ermöglichen sollten, Zugang zu historischen und zeitgenössischen kulturellen Werten zu bekommen. Charakteristisch für diese Politik der „Demokratisierung der Kultur“ war die Kontrolle über das kulturelle Angebot und damit gleichlaufend über dessen Inhalte, um den Kulturinteressierten und -konsumenten ein ideologisch einwandfreies Kunst- und Kul-
Übergang, an die Grenzlinie zwischen Malerei und Plastik; es verschmilzt in manchen Fällen mit diesen Kunstgebieten, die es ihrerseits verschiedentlich sogar neu formulieren.“ Šindelář. In: GR 6/1970, S. 166. 5 „Es wird vorausgesetzt, dass die künftige manuelle Erzeugung auf hochwertiges Kunstglas ausgerichtet werden sollte, das in einer beschränkten Zahl autorisierter Stücke nach den Entwürfen bekannter Gestalter zu erzeugen wäre.“ Langhamer. In: AV 5/1974, S. 193. 6 Dewetter/Šimek 1986, S. 29.
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turprogramm vorzugeben.7 Zu diesem Programm gehörte natürlich die staatlich überwachte Gestaltung von Gebrauchs- und Dekorationsglas, die ebenfalls dieses universelle sozialistische Verständnis in ihrer Eignung und äußerem Erscheinungsbild widerzuspiegeln hatte. Wie in allen Ländern des Ostblocks wurde auch ihr eine ideologische Funktion zugewiesen. „Die Gestaltung von Industrieerzeugnissen interpretiert nicht und vermittelt nicht Gefühle und Erkenntnisse, wie es das Ziel der Kunst ist. Sie verändert die Umwelt. Sie ist Teil des Prozesses der materiellen Produktion.“8
Da es sich hierbei um eher vage Vorgaben – weil einerseits ohne historische Vorbilder und andererseits ikonographisch nur schwer definierbar – handelte, setzte der Staat an diversen Stellen in der Hierarchie kontrollierende „Organe“ ein, die über die Ausführung der Entwürfe wachten, eine Auswahl für Ausstellungen trafen und Ausschreibungen entschieden.9 Wichtig ist dabei grundsätzlich die Erkenntnis, dass die Künstler in die engmaschige Organisation des gesellschaftlichen Lebens eingebunden waren, welche nicht nur die staatlichen Institutionen der Lehre und Ausstellungsmöglichkeiten betraf, sondern ebenfalls die Mitgliedschaft im 1956 gegründeten Tschechischen Fonds der Bildenden Künste (Český fond výtvarných umění – ČFVU) voraussetzte.10 Mitglied im ČFVU waren ausnahmslos alle Glaskünstler, die in dieser Arbeit besprochen werden. Der Fonds regelte unter anderem ihre Entlohnung bei erfolgreichen Kunstverkäufen. Außerdem war er für die Sozialversicherung seiner Mitglieder zuständig und um günstige Bedingungen für ihre kreative Arbeit zu verhandeln, also zur „Entwicklung neuer Literatur und Kunst im Dienste des Aufbaus des Sozialismus und des kulturellen Wachstum des Volkes“ beizutragen.11 Eine Mitgliedschaft im Verband Tschechoslowakischer Bildender Künstler (Svaz československých výtvarných umělců – SČSVU) war für Glaskünstler dagegen nicht zwingend nötig, zumal ihre Arbeiten dem Kunstgewerbe 7 Als Monopoleigentümer aller Kultur- und Informationsmittel konnte der Staat alle Ausstellungen und Veröffentlichungen unterbinden, die nach seiner Auslegung nicht im „öffentlichen Interesse“ waren, ohne dafür exakte Gründe angeben zu müssen. Bárta 2008, S. 70/71. 8 Bartsch. In: FuZ 2/1967, S. 8. 9 Auf diese Organe wird in Kapitel 4.2 und 6 näher eingegangen. 10 Siehe Kapitel 4.2.1. Auch Kunsttheoretiker, die sich intensiv mit Glaskunst auseinandersetzten, gehörten dem ČFVU an: Andrea Bohmannová (geb. 1934), Jaromíra Maršíková, (geb. 1938), Sylva Petrová (geb. 1952) und auch Dušan Šindelář (geb. 1927). Die Fotografen Jindřich Brok (1912–1996), George (Jiří) Erml (1945–2008), Lumír Rott (geb. 1928) und Gabriel Urbánek (geb. 1948), die sich über viele Jahre auf das komplexe Fotografieren von Glaskunst spezialisiert hatten (siehe Galia 2010), waren ebenfalls Mitglied im ČFVU. Urbánék arbeitet noch heute für das Kunstgewerbemuseum. 11 Vgl. Verordnung 128/1954: „k rozvoji nového písemnictví a umění, sloužících výstavbě socialismu a kulturnímu povznesení lidu“. Seine Finanzierung errechnete sich aus 3 Prozent der Gewinne aus Verkäufen von Kunstwerken sowie den staatlicherseits festgelegten Einkommen aus Urheberrechtsbezügen. Dewetter/Šimek 1986, S. 35.
Kulturpolitische Richtlinien | 235
zugeordnet wurden.12 Arbeiten von Glasgestaltern wurden jedoch in Ausstellungen, die der Verband organisierte, gezeigt. Da ein Großteil der Akteure als künstlerische Gestalter in Betrieben, als Sachverständige oder als Dozenten in festem Arbeitsverhältnis standen, waren sie – anders als viele bildende Künstler – finanziell nicht auf die Verbandsmitgliedschaft angewiesen, nahmen demnach eine privilegierte Stellung ein. Weiterhin muss grundsätzlich festgehalten werden, dass in der sozialistischen Tschechoslowakei kaum privat gesammelt wurde. Es existierte kein lukrativer Markt für Luxusgüter ganz gleich welcher Art, einschließlich künstlerischer Glasarbeiten. Andererseits waren Kunstwerke aus Glas allgegenwärtig im öffentlichen Raum, insbesondere als Architekturelement. Die meisten Glaskünstler machten sich schon in ihrer Ausbildung mit dieser Aufgabenstellung vertraut und besaßen selbst Ambitionen in dieser Richtung. Die offizielle Auftragskunst, Aufträge staatlicher Betriebe wie auch die zentraladministrative Vermittlung von Kunstwerken in das westliche Ausland, waren von wesentlicher Bedeutung für die berufliche Existenz der Glaskünstler. Um überhaupt freischaffend tätig zu sein, musste man sich lediglich beim Fonds registrieren lassen.13 An staatlich ausgeschriebenen Wettbewerben für architekturbezogene Glasentwürfe sowie für Exponate im Rahmen von Auslandspräsentationen nahmen sie zahlreich teil. Aber auch für die Gebrauchsglasproduktion wurden laufend offizielle Wettbewerbe ausgeschrieben. Harcuba: „Ich nehme an allen teil, seit ’64 habe ich keine anonyme Wettbewerbe ausgelassen. Das sind meine Studentenjahre. Ich mache immer das, was jeder Student machen muss. Ich nehme mir eine Arbeit vor, dann kommt eine Jury, die bewertet das. Und das mache ich. Und das ist eine Selbsterziehung. […] Viele können das nicht aushalten, […] sich immer bewerten zu lassen […] Der Erfolg ist die Ausnahme. Und der Misserfolg ist die Regel, wie bei allem. Sagen wir, eins von 20. Wenn er [der Entwurf] gut ankommt, dann ist es schon ... weil es gibt da hunderte von Wettbewerben. Ich hab’ tausende Modelle schon dafür gemacht.“14
Für den Bereich der Glaskunst muss im Gegensatz zu den viel strenger observierten bildenden Künsten indes festgehalten werden, dass die Juryentscheidungen nicht willkürlich nach politischen Gesichtspunkten getroffen wurden. Sie beruhten auf Kriterien, die Künstler- und Kunsthistorikerkommissionen festlegten, welche sich aus einer überschaubaren Gruppe von Akteuren rekrutierten.15 Natürlich waren deren Urteile letztendlich auch nur subjektiv und wurden seitens der Wettbewerbsteilnehmer kritisch betrachtet, vor allem, wenn sie sich selbst benachteiligt sahen.16 Dessen ungeachtet gelang 12 13 14 15
Siehe Kapitel 5.1.2, S. 244 f. Petrová 2007, S. 14. Siehe auch Kapitel 4.3. und 6.3.2. Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. Siehe Kapitel 3.2, S. 104, 110. Nach dem politischen Umbruch 1989 saßen in ähnlichen Wettbewerbskommissionen auch Vertreter privatwirtschaftlicher Unternehmen, die als Sponsoren auftraten. Nun entschieden plötzlich Laien über die Preisverleihung, was tschechischen Glaskünstlern als „Normalisierung der 90er Jahre“ erschien. Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 16 Vgl. Kapitel 6.2.1, S. 396.
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es einer Vielzahl von Glaskünstlern im Rahmen dieser Wettbewerbe, ihre Werke vergleichsweise unbeeinflusst von den omnipräsenten Lenkungsmechanismen der sozialistischen Kritik- und Kontrollkultur ausstellen zu können.
5.1.1 Stellenwert der Glaskunst im sozialistischen Kulturbetrieb Bei einer systematischen Analyse der tschechischen Glaskunst können der zeitgenössische politische Kontext und seine wechselnden kulturpolitischen Impulse nicht unberücksichtigt bleiben, da die offiziellen Richtlinien entscheidend für die Möglichkeiten der Kunstglasproduktion waren. Hiermit sind nicht nur die gestalterischen Entwürfe für die Industrie gemeint, sondern auch alle Atelierarbeiten, welche von den Künstlern als Unikate geschaffen wurden, sowie die Glasarbeiten für die Architektur. Die Künstler waren bei der Realisierung ihrer Entwürfe zwangsläufig auf die Fachkräfte in den Herstellungsbetrieben, Glasöfen und technische Geräte wie auch auf die Verfügbarkeit durch Zuteilung von Rohlingen angewiesen. Wohl nichts hatte die böhmischen Länder in der Vergangenheit in der Welt „so berühmt gemacht wie das Glas und sie waren deshalb bestrebt, an diese Tradition unter den neuen Bedingungen anzuknüpfen“.17 In der sozialistischen Tschechoslowakei richtete sich der Stellenwert der Glaskunst im Kulturbetrieb von Anfang an nach der Verpflichtung, welche sich aus der traditionsbedingten manuellen Erzeugung hochwertiger Gläser ergab. Anders als in anderen traditionsreichen Erzeugerländern wie Italien, England, Frankreich, Dänemark, Schweden oder Finnland konzentrierten sich die tschechoslowakischen Betriebe neben dem Ausbau der automatisierten maschinellen Fertigung stets auf die handwerkliche Herstellung von Glasprodukten. Maschinell erzeugte Gläser wurden oftmals von Hand überarbeitet und verfeinert, zumal diese zusätzlichen Arbeitsschritte im planwirtschaftlichen System finanzierbar blieben. „Während die maschinelle Produktion eine große Menge von Erzeugnissen genau wiederholbarer Formen hervorzubringen vermag als charakteristisches Merkmal dieser Produktion, kann die manuelle Erzeugung im gestalterischen Herangehen die technischen Möglichkeiten der manuellen Arbeit nutzen, kann charakteristische Techniken und Technologien anwenden, die individuelle Handschrift des Handwerkers, seine Kunstfertigkeit sowie auch kleine Ungenauigkeiten zur freien Reproduktion des entworfenen Gegenstandes in einer mittelgroßen und kleinen Serie verwerten. Die maschinelle Produktion befriedigt vor allem den Massenbedarf mit einem ansprechenden Gegenstand, der für die grösste Verbraucherschicht erschwinglich ist, wohingegen die manuelle Produktion den Markt um edle Erzeugnisse individueller Beschaffenheit mit hohem ästhetischen Wirkungsgrad bereichert. Eine maschinelle Hilfseinrichtung lässt sich bei der ma-
17 Langhamer. In: GR 11/1975a, S. 2.
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nuellen Erzeugung nur in jenen Fällen mit Erfolg einsetzen, wenn sie zur Verbesserung der manuellen Erzeugung dient und ihr Wesen nicht beeinträchtigt.“18
Auf diese Weise konnten die tschechoslowakischen Hersteller eine hohe Qualität ihrer Waren sicherstellen und das Sortiment um ungewöhnliche Dekore erweitern und verfeinern.19 Es war ein wesentlicher Vorteil gegenüber den anderen europäischen Zentren, dass die tschechischen Künstler aufgrund ihrer vorzüglichen Ausbildung auf eine kaum zu überblickende Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten zugreifen konnten. Der Staat hatte demnach diverse Beweggründe, zunächst die Wiederaufnahme und sukzessive die künstlerische Entwicklung der Glasfertigung zu unterstützen. Bereits wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erkannten die für den Außenhandel zuständigen Institutionen, dass die ästhetische Qualität von Glaskonsumgütern aufgewertet werden musste.20 Das Ministerium für Industrie und Handel bemühte sich mithilfe der Handelskammer und dem Prager Kunstgewerbemuseum darum, mehr junge Künstler als Entwerfer für die Glasindustrie zu gewinnen.21 Das Interesse der politischen Führung an künstlerischen Entwürfen ging einher mit der Erkenntnis, dass anspruchsvolle Designs in vielerlei Hinsicht das Prestige der sozialistischen Tschechoslowakei wie auch seiner Handelskontakte fördern könnten. Das gängige Bild des zurückgebliebenen und spartanischen Ostblocklandes konnte konterkariert werden mit experimentellen, schwungvollen und auch farbenfrohen Phantasiegebilden, deren künstlerischer Anspruch auf höchstem handwerklichem Niveau lag. Der staatlich finanzierte Ausbau der Glasfachschulen und Lehrlingsbetriebe, der Kunstgewerbehochschule sowie der Kunstglasproduktion in den Werken ermöglichte den Künstlern nach 1955 zunehmend optimale Bedingungen für die Realisierung ihrer Entwürfe.22 Damit eröffnete sich eine weltweit einzigartige Situation der fruchtbaren Kooperation von Ausbildungsstätten, Industriebetrieben, Ausstellungswesen und Gestaltern. Der sozialistische Staat sanktionierte eine Nische für künstlerische Tätigkeit, die nicht nur sein Image im Ausland aufwerten sollte, sondern einherging mit dem eigenen kulturpolitischen Selbstverständnis. „Es ist der Weg einer Industrie, der der Sache des Friedens dient, wie kaum eine andere, die den Menschen gesunde Arbeitsplätze geben will, helle Wohnungen mit schönen und 18 Maršiková. In: GR 8/1971, S. 226. 19 Adlerová. In: GR 10/1975, S. 2. 20 Vgl. Inserat „Should Utility Products be ugly? The Answer is – No!“; geschaltet von Glassexport für die Harrachov-Glaswerke in Nový Svět. In: GR 1/1949, o. S. 21 Hetteš. In: GR 4/1949, S. 9. 22 „Das ideenmäßige und humanistische Programm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei beeinflusst durch seine Wirkung auf die Veränderungen in den Gesellschaftsbeziehungen den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft und ist demnach mitbestimmend auch für die Sendung der beiden Institutionen [Kunstgewerbehochschule und Kunstgewerbemuseum Prag].“ Vojta, In GR 9/1971, S. 264.
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nützlichen Gegenständen darin, einer Industrie, die nicht rüstet sondern schützt, die nicht tötet, sondern heilen hilft, die dient und zugleich erhebt. […] Vielleicht werden einmal internationale Friedenspreise an ganze Industriezweige verliehen, so wie sie heute große Persönlichkeiten erhalten. Sollte es einmal dazu kommen, wird die Glasindustrie einer der ersten Bewerber um diesen Preis sein.“23
Der Kunsttheoretiker Jindřich Chalupecký begründete das gesteigerte Interesse des Staates am Kulturgeschehen mit der folgenden prinzipiellen Gegensätzlichkeit: „Die Situation der Kunst ist im sozialistischen Staate eine andere als in einem kapitalistischen. Im kapitalistischen Staate ist sie zwangsläufig der Kommerzialisierung ausgesetzt. Sie ist Ware und Gegenstand von Finanzspekulationen und zudem Mittel des gesellschaftlichen Prestiges. Das regt den Künstler wohl einerseits wirksam zur Arbeit an, aber andererseits setzt es sein Werk gefährlichen Deformationen aus. Die sozialistische Ordnung bemüht sich dagegen, auf eine andere und nachdrücklichere Art das Kunstwerk ins gesellschaftliche Geschehen einzureihen. Sie spricht ihr große Bedeutung zu und bemüht sich daher um die Regulierung der künstlerischen Entwicklung. Der Förderung künstlerischer Tendenzen, die für die Gesellschaft von Nutzen sind, entspricht logischerweise eine Kritik an den Gebieten der Kunst, die für die Gesellschaft ohne Nutzen oder sogar schädlich erscheinen.“24
Neben dieser ideologisch aufgeladenen Bestimmung wurde das Glaskunstschaffen wegen seiner Nähe zum Industriedesign allerdings vor allem mit planwirtschaftlichen Kriterien bemessen.25 Insofern ist die gestalterische Leistung der Glaskünstler umso bemerkenswerter, da sie ihre Arbeitsleistungen nicht schlichtweg dem Plan unterwarfen, sondern in seinem Rahmen die unterschiedlichen Möglichkeiten der künstlerischen Entfaltung ausreizten und umsetzten. Neben ihrem Anspruch, freie Kunst zu schaffen, lieferten viele von ihnen Entwürfe für Trinkgläser, Garnituren, Vasen und funktionelle Gebrauchsgläser für die Industrie.26 Diese beiden Tätigkeitsfelder sind nicht streng zu trennen, denn während das eine die Möglichkeit bot, experimentell zu arbeiten, bot das andere eine regelmäßige Einkommensquelle in Form der Anstellung als Formgestalter, und gleichzeitig die Herausforderung, einen Entwurf für ein reproduzierbares, ästhetisch ansprechendes Gebrauchsobjekt zu schaffen. In diesem Kontext zu berücksichtigen ist die offensichtliche Tatsache, dass Objekte aus Glas – mit Ausnahme rein bildhaue23 Hájek. In: GR 1–2/1959, S. 3. 24 Chalupecký 1966, o. S. 25 Dies ist wörtlich gemeint: „Hierbei wird insbesondere die genaue Kenntnis der produktionstechnischen Problematik verwertet, und zu guten Ergebnissen tragen in hohem Mass auch theoretische Studien auf dem Gebiet der Ästhetik, Recherchen und technisch-ökonomische Analysen, eine Analyse der kommerziellen Tendenzen sowie Prognosen der Entwicklung und andere für das gegebene Problem wichtige Vorbedingungen bei.“ Panc. In: GR 6/1974, S. 5. 26 Vgl. Übersicht bei Hetteš. In: GR 3–4/1960, S. 2–5.
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risch aufgefasster Skulpturen – neben ihrem künstlerischen auch immer noch vordergründig einen funktionalen Zweck erfüllten. Die emaillierten, gravierten, geschliffenen, frei geformten oder in Form gegossenen Gefäße konnten ja potentiell wirklich als Vasen, Schalen, Teller oder Aschenbecher benutzt werden, wenn man denn wollte.27 Aber Chalupecký meinte mehr als das: Glaskunst war offensichtlich kein „nutzloses Gebiet“ in gesellschaftlicher Hinsicht. Denn zur Visualisierung des sozialistischen Nationalstolzes mutete das Material als perfektes Vehikel an: Glas wurde in kollektiver Arbeit hergestellt28, die Rohstoffe fanden sich im Inland, die historische Tradition wurde als eine eigenständig tschechische Entwicklung dargestellt, deren Kontinuität und Neuerfindung in den Händen der zeitgenössischen Gestalter und Glasmacher lag. Glaskunst wurde als „tschechoslowakischste“ Formensprache im gesamten heimischen Kulturschaffen propagiert29: „When you mention the name of certain nations [...] you remember some typical product or activity which for centuries has made them famous to such an extent that they have entered history as definitive conceptions [...]. The Czech people [...] excelled centuries ago as successful producers and exporters of glass [...] and [...] have become the leading glassmaking power in the world.“30
Der offizielle Sprachgebrauch betonte grundsätzlich die Wiedergeburt einer angeblich rein tschechischen Tradition der Glasproduktion und Fachausbildung in Böhmen. Dabei gliederte sich der eben kommunistisch gewordene Staat nicht nur die deutschböhmische Vergangenheit ein, sondern ignorierte gleichlaufend im Rückblick die Vertreibung deutscher Glasgestalter. Diese Argumentationskette erschien gerade wegen ihrer vermeintlichen Logik überzeugend, grenzte jedoch an Geschichtsfälschung. Die offizielle Darstellung berief sich auf eine Tradition, die ebenfalls eine deutsche und nicht nur eigene in nationaler Hinsicht war.31 Wann immer sie jedoch auf diese Tatsache zu 27 „We could say that their vases often cease to be vases, their dishes are no longer mere dishes, but have become independent artistic objects. […] the pictures accompanying this article are not, therefore, published as examples of vases, but rather as examples of artistic objects of glass which reveal not only the immense variability of possibilities, but also the special properties of that material – glass – which is today often more suitable for materialization of an artist’s ideas than the painter’s medieval brush and palette.“ Roubíček. In: GR 5/1961, S. 143/144. 28 „Collectiveness is the alpha and omega of this line of Czechoslovak creative art and especially of glassmaking: beginning from collective production experience and ending in the satisfaction of the widest circles of the population.“ Pohribný. In: GR 5/1964, S. 134. 29 Wasmuth 2010, S. 484. 30 Vodička. In: GR 7/1956, o. S. Siehe auch: GR 2–3/1954a, S. 3. 31 Wasmuth 2005, S. 87. Künstlerische Einflüsse wurden – wenn überhaupt – als italienisch oder französisch ausgemacht. Insgesamt stellte die Kunsthistoriografie in Übereinstimmung mit parteipolitischen Leitsätzen den tschechischen Charakter der bildenden Künste als ethnische wie linguistische Einheit heraus und klammerte – in vorgeblich wissenschaftlicher Objektivität – abweichende Fakten aus. Mit wenigen Ausnahmen etablierte sich gerade unter tschechischen Kunst-
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sprechen kam, geschah dies in relativierender und oftmals diffamierender Weise: Sortimente aus deutscher Produktion bezeichnete beispielsweise Kaplický als „Lawine der Geschmacklosigkeit“.32 Im Widerspruch hierzu wurde aber zugleich wiederholt darauf hingewiesen, dass die Dozenten der Glasfachschule im bayerischen Zwiesel, Bruno Mauder und Stephan Erdös, eigentlich aus Böhmen stammten, wobei dies nicht einmal zutraf.33 Der Bereitwilligkeit, durch den Rückgriff auf eine verfärbte Geschichtsdarstellung eine Neuinterpretation der Gegenwart zu schaffen, lag das Streben um die Selbstbehauptung der tschechoslowakischen Nation zugrunde, um gleichlaufend die Kontinuität der Nationalgeschichte zu suggerieren.34 Die Erhaltung kultureller Traditionen und der Wunsch nach wirtschaftlicher Prosperität wurden als Beitrag für den materiellen und gesellschaftlichen Fortschritt interpretiert.35 Je nach Anlass zog das Regime die reiche Tradition der Glasherstellung im Land als Legitimationsargument heran. Der ästhetische Bruch im modernen Glasschaffen mit Beginn der sozialistischen Republik wurde als ikonographischer Wandel anerkannt und propagandistisch als „lebendige Tradition und fruchtbare Gegenwart“ gefeiert.36 In Bezug auf das handwerkliche Geschick sei die Glasindustrie „einer der interessantesten und charakteristischsten Industriezweige der Tschechoslowakei. Die Grundlage ihres hohen Niveaus sind vor allem die in der Tradition wurzelnden reichen Produktionserfahrungen“.37 Die Überlegenheit der Entwürfe
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wissenschaftlern diese zweckorientierte Ausrichtung der Geschichtsschreibung und beeinträchtigte, so Milena Bartlová, die Disziplin bis ins 21. Jahrhundert. Bartlová 2012, S. 307, 310; vgl. auch Marek M. 2006, S. 81/82, und Anm. 26, S. 85. „Die deutsche Mentalität hat für das Glas ihr Gutes und ihr Schlechtes. Als positiv zu nennen sind ein Gefühl für Präzision und Qualität, eine unternehmerische und auf Gewinnstreben ausgerichtete Grundhaltung und die handwerklichen Fähigkeiten. Das Negative zeigte sich vor allem in einer Lawine der Geschmacklosigkeit, die oftmals Stücke hervorragender technischer Qualität erdrückte und noch lächerlicher ist als der schlechte Geschmack der romanischen Stämme. Wir glauben noch immer an die deutschen Designer, die nach wie vor Teil unserer Glasindustrie sind, und wir glauben an den schlechten deutschen Geschmack, der kommerziell der am meisten Erfolg versprechende zu sein scheint.“ (Übersetzung: Kaplický. In: Tvar 3/1950, S. 14/15) Kaplický bezieht sich in dem abschließenden Hinweis auf die weiterlaufende Herstellung historischer Muster. Vgl. bsp. Hetteš. In: GR 9/1956, o. S.; auch Friedrich Prinz weist auf den positiven Beitrag „deutsch-böhmischer“ Emigranten für das deutsche Fachschulwesen hin (Prinz 1993, S. 20). Mauder (1877–1948) war gebürtiger Münchner, Erdös (1906–1956) stammte aus dem mährischen Znaim (Znojmo). Dieser politisch motivierte Mechanismus zur nationalen Identitätsbildung hatte bereits die Kunsthistoriografie vor dem Ersten Weltkrieg und insbesondere die der Ersten Republik dominiert (vgl. Marek M. 2006). Die fortgesetzte und mutwillige Geschichtsverfärbung führte zu einer anhaltenden Fehlinterpretation künstlerischer Tendenzen aus der Tschechoslowakei, auch nach 1989. Vgl. Piotrowski 2009, S. 18. Hoensch 1997, S. 457; Wasmuth 2010, S. 484. Vgl. GR 2/1976, S. 13. Matura. In: GR 2/1961, S. 48.
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einheimischer Künstler gegenüber den traditionellen Mustern der Vorkriegszeit stand in dieser identitätsbildenden Argumentation außer Frage. „Ein kultivierter Arbeiter unseres Büros für Glasexport stellte ganz plausibel fest: ‚Die Länder, in die wir unser Glas exportieren, können alles produzieren, was sie benötigen. Sie werden unser Glas nur dann kaufen, wenn sich in ihm unsere spezifisch tschechische Seele erhalten hat.‘ Unser Glas muss sich diese tschechische Seele erhalten, nicht allein aus kommerziellen Gründen, sondern um das Wohlbefinden unserer Nation zu bewahren.“38
Ein wichtiger Faktor im Gefüge der sozialistischen Ideologie war die Förderung einer durchweg kollektiven Produktion. Für die Herstellung von Glas ist die Zusammenarbeit einer großen Anzahl von Fachkräften erforderlich, die den Entwurf des Gestalters umsetzen.39 Es liegt also an der Beschaffenheit des Produktionsprozesses, dass er aus ideologischer Sicht geeignet war, als herausragendes Beispiel kollektiver Planwirtschaft propagiert zu werden. Im Einklang mit dem erwähnten Grundprinzip der „Demokratisierung der Kultur“ war die Erschwinglichkeit der fertigen künstlerischen Entwürfe ein weiteres Ziel der Gebrauchsglaserzeugung im Sozialismus. Dank günstiger Lohnkosten für die manuelle Überarbeitung der mechanischen Produktion, welche eine Verbilligung der hochwertigen Produkte zur Folge hatte40, konnten sich – jedenfalls theoretisch41 – auch einfache Leute hochwertige Glaswaren leisten. Die berühmten böhmischen Trinkglasserien, das „Glas der Könige“, traditionell ein absolutes Luxusprodukt manueller Glasherstellung, sollten für jeden Bürger erschwinglich werden.42 „Im Gegensatz zum Konsumdenken im Kapitalismus sehen wir den Sinn unseres Strebens nach einer zweckmäßigen und formschönen Gestaltung aller Dinge, die uns täglich umgeben und die wir täglich benutzen darin, unser gesamtes Leben kulturvoller
38 Kaplický. In: Tvar 3/1950, S. 15. 39 „Die Realisierung der theoretischen Erkenntnisse durch gestalterische Praxis ist nur auf Grund planmäßigen Zusammenwirkens der an der Produktionsentwicklung Beteiligten möglich. Eines der hervorragenden Merkmale der Tätigkeit des Gestalters ist daher die Kollektivität.“ Bartsch. In: FuZ 2/1967, S. 11. 40 Digrin. In: GR 2/1961, S. 53/54; Langhamer. In: GR 11/1975c, S. 16. 41 „[…] wie bei uns: in Zeitschriften werden die schönen Dinge gezeigt, aber in den Läden sind sie nicht zu finden.“ Übersetzung des Interviews Karel Wünsch mit Milan Hlaveš vom 23.08.2008 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 12.04.2013). 42 In der Praxis konnte dieser Anspruch meist nicht realisiert werden. Die vielen innovativen Designs waren in erster Linie für den Export bestimmt und erreichten selten die Regale einheimischer Geschäfte. „Beautiful Glassware, however, has long since ceased to be the priviledged possession of kings only.“ (GR 2–4/1952b, S. 29) Pressglas, das „Glas der Armen“, wurde diesem Luxusprodukt demonstrativ gegenübergestellt. Adlerová. In: FuZ 1/1974.
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zu gestalten, das psychische Wohlbefinden des Menschen, seine Lebensfreude und seine Fähigkeiten zu seiner allseitigen Selbstverwirklichung zu steigern.“43
Gleichzeitig wurde die Einbindung der Autoren in bestehende Betriebsstrukturen als wesentlicher Beitrag zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und der Verbesserung des „Lebensmilieus“ eingestuft. Sie sollte zur Prägung eines planmäßig durchgestalteten Produktionssortiments und dem Erreichen des internationalen Wettbewerbsstandards beitragen.44 „Die sozialistische Gesellschaft ist daran interessiert, daß ihre Mitglieder in einer solchen Umwelt leben, in welcher sie positive Emotionen erhalten, die sie gesund erhält, die Gemeinschaftsbeziehungen fördert und sie anregt, schöpferische Leistungen zu vollbringen. Deshalb erwächst immer mehr die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Schönheit im Arbeits- und Wohnbereich sowie in allen anderen Lebensbereichen als Ausdruck und Bedingung kulturvoller sozialistischer Lebensweise herauszubilden.“45
Der offiziellen Darstellung zum Trotz waren die Glasprodukte für den heimischen Markt jedoch im direkten Vergleich zu Exportwaren häufig von mangelhafter Qualität, wie sich Václav Hanuš, der als fest angestellter Entwerfer bei Jablonecké sklárny arbeitete, erinnerte: Hanuš: „Mit Exportware hatte ich keine Probleme. Probleme gab es mit dem inländischen Markt, mit dem Absatz, aber auch mit der Qualität.“46
Die Aufgabe des Glaskünstlers im Bereich des Gebrauchsglasdesigns sollte neben der Beachtung aller funktionaler Aspekte des Produktes und der Übertragbarkeit in die industrielle Fabrikation vor allem in der Einführung ästhetischer Eigenschaften liegen. Diese sollte zwar künstlerisch anspruchsvoll, aber keinesfalls „abgehoben“ sein oder den Anspruch eines eigenständigen Kunstwerks haben. „Thus the assumed importance of aestheticism standing aloof above life and the imaginary service of abstract beauty will be foreign to us. Creative art in all its spheres is intended to give shape to the substance and activities of our life. […] The social function of design in industrial glassmaking lies in the fact that it helps, practically and on a mass 43 Siehe Geleitwort im Katalog, Adlerová 1972b, o. S. 44 Damus 1991, S. 57. Ronald Stennett-Willson formulierte 1958 die Notwendigkeit des künstlerischen Gestalters für die Produktionsbetriebe folgendermaßen: „Good designs as distinct from good workmanship rarely come from workers in the glass industry, therefore to produce good designs someone has to be brought in who has the ability to see the possibilities of the material.“ Stennett-Willson 1958, S. 17; Wasmuth 2010, S. 485. 45 Kelm. In: FuZ 2/1970, S. 2. 46 Havlíčková/Nový 2007, o. S. Siehe auch Kapitel 3.1.4, S. 95, und Kapitel 5.1.4, S. 266.
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scale, to surmount with the aid of very simple objects the gulf of hundreds of years which has formed between a thing, work, and man. At the same time this branch calls for a new type of glass designer. It is characterized by mastering the technological, productional, economical, operationally functional, material, constructional, as well as social prerequisites […] The industrial designer must have, of course, a highly developed sense of plastic art, not, however, emphasized, in its own right, since he does not create a plastic work of art, but shapes plastically a serviceable article. Nor does he create a unique specimen: he bears in mind the mass production to which he conditions the shape. Any claims to an emphasized artistic work in its own right, separated from productional and operational factors, might lead him to a wrong path.“47
Für die Wirtschaftseliten waren Innovationen jeglicher Art zuallererst existenzbedrohend, da ihnen schnell Degradierung oder gar Sabotageverdacht drohte, wenn ein neuer Entwurf scheiterte. Die Verkrustung des planwirtschaftlichen Systems hemmte den avisierten progressiven Wandel auf Herstellerebene, so dass die Ambitionen zur Qualitätsförderung der Sortimente nicht systematisch umgesetzt werden konnten.48 Im Ergebnis wurden deswegen nur wenige moderne Künstlerentwürfe in die Produktion aufgenommen. Angeblich gingen weniger als 1 Prozent der preisgekrönten Exponate bei Auslandsausstellungen auch tatsächlich in Produktion.49 Allerdings formierte sich im Rahmen der staatlichen Förderungsmaßnahmen eine regelrechte Szene von Glasschaffenden, die sich Nischen suchte. Vratislav Šotola beispielsweise verließ 1962 die Glaswerke Borské sklo in Nový Bor, wo er als angestellter Designer tätig gewesen war, um zum Institut für Wohnund Bekleidungskultur (ÚBOK) zu wechseln.50 Zwei Jahre nach ihm verließ auch Ladislav Oliva Senior frustriert Borské sklo und begann stattdessen bei den experimentelleren Sklárny Bohemia-Glaswerken in Poděbrady zu entwerfen. Zuletzt verließ auch 1965 der Chefdesigner René Roubíček das Unternehmen in Nový Bor: „Wir gingen freiwillig, es war nicht genug Arbeit, weil die Fabriken keine Entwürfe realisieren konnten oder wollten.“51 Er schuf in den Folgejahren sehr erfolgreich Glaswerke für Ausstellungsarchitekturen und den öffentlichen Raum.52 In der Rückkopplung hatte die Glaskunst also ihre Dynamik und Intensität der Kongruenz staatlicher sowie künstlerischer Interessen zu verdanken, aus der sich in vielfacher Hinsicht kreative wie auch produktionstechnische Spielräume ergaben.53
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Šindelář. In: GR 7/1961, S. 204. Siehe Kapitel 3.1.4, S. 92–95. Petrová 2007, S. 11; vgl. Lamarová 1985, S. 7; siehe auch Kapitel 3.1.4, S. 92. Siehe Kapitel 3.2, S. 107. Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Siehe Kapitel 5.3, Kapitel 6.2.1 und 6.3.2. Vgl. die Aussage von Jiří Harcuba, Kapitel 1.2, Anm. 24, S. 20, und Kapitel 3.1.4, S. 90.
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5.1.2 Glaskunst und bildende Kunst Formal bestanden für das Genre Glaskunst die gleichen offiziellen Empfehlungen wie für die bildenden Künste, also Malerei, Bildhauerei, Grafik, aber auch für Filmschaffende, Theatermenschen, Literaten oder Musiker. Jegliche Art von nicht systemkonformer Kultur sollte damit ausgeklammert werden. In dieser „Logik“ existierte eine Reihe von Richtlinien, mittels derer eine qualitative Einschätzung von Kunst geleistet werden konnte und die in ihrer idealen Umsetzung als Garant für ideologische und intellektuelle Uniformität dienten. Diese Richtlinien finden sich jedoch nicht in schriftlicher Form. Man kann sie anhand von sprachlich sehr vage formulierten allgemeinen Aussagen herausfiltern, die sich zahlreich in zeitgenössischer Fachliteratur finden und die als Summe von Einzelbeispielen ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Aus der stalinistischen Ära kamen in diesen Publikationen bei allen künstlerischen Genres am häufigsten Sujets vor, die dem sozialistischen Realismus zuzurechnen sind. Aber in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre konnte im Bereich der bildenden Kunst allmählich mehr gewagt werden. „Wenn [...] festgestellt wurde, dass sich die meisten tschechoslowakischen Künstler dem Realismus zugewendet haben, so bedeutet das nicht, dass das Experimentieren beim künstlerischen Gestalten im Sinne der modernen Kunst gänzlich verschwunden wäre.“54
Bildende Künstler mussten jedoch weitaus vorsichtiger vorgehen als jene Künstler, deren Arbeiten dem Kunstgewerbe zugeordnet wurden. Der Maler Jan Kotík beispielsweise, der ebenfalls als Glaskünstler arbeitete, soll im April 1957 in der Galerie der Tschechoslowakischen Schriftsteller (Galeri Československý spisovatel) einige seiner surrealistischen und abstrakten Bilder ausgestellt haben. Als man ihn aufforderte, den Bildern einen Namen zu geben, damit ihre Bedeutung leichter zu interpretieren sei, bezeichnete er eine seiner Arbeiten als „Karel der Ältere aus Žerotín“, in Anlehnung an den Führer der tschechischen Protestanten Anfang des 17. Jahrhunderts. Daraufhin verschwanden seine Bilder und die Ausstellung wurde geschlossen. Angeblich konnten aber bereits zwei Jahre später, also 1959, abstrakte oder surrealistische Bilder ohne Erläuterung der Künstler in allen inländischen Galerien ausgestellt werden.55 Die kulturpolitischen Vorgaben hatten sich seit dem politischen Tauwetter ab 1956 also merklich liberalisiert. In diesen Jahren war die Kulturszene der Tschechoslowakei – wie auch die anderer Ostblockländer – alles andere als uniform.56 Während sich die bildenden Künste bis dahin und besonders in den 1970er Jahren in ein weit verzweigtes Netz von institutionellen Kontrollorganen, unausgewogenen Ausbildungschancen, Lehrinhalten und Arbeitsplatzstrukturen sowie eingeschränkten Ausstellungs- und Verkaufsoptionen eingebunden sahen, stellten die angewandten 54 Lamač 1958, S. 15. 55 Liehm 1988, S. 111. 56 Vgl. Gesamtdarstellung: Piotrowski 2009; vgl. auch Piotrowski 1999 und Piotrowski 2006.
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Künste eine Nische für künstlerische Entfaltung dar, zumal Glas als Exportprodukt als wichtiger Devisenbringer fungierte.57 Adlerová: „Wissen Sie, weil dort keine Ideen ausgesprochen wurden. In der Malerei musste der Arbeiter und die Wichtigkeit der politischen Überzeugung mehr gezeigt werden als im Glas. Es war wirklich ein Gebiet, wo man sehr frei war.“ 58
Rückblickend ist es schwierig, die einzelnen Motive der Behörden für diese paradoxe Auffassung und – aus Sicht der Glasschaffenden willkommene – Begriffsbestimmung zu dechiffrieren. Die offiziellen Stellen gingen davon aus, dass sich in Genres, die dem Kunstgewerbe zugerechnet wurden, wenig Spielraum für ungewollte kreative Abstraktion oder politisch brisante Äußerungen bot.59 Adler: „Die sagten: Angewandte Kunst, was ist das schon? Die hilft uns ideologisch nicht weiter.“ 60
In den meisten Fällen wurden Glasskulpturen und Installationen nicht von offizieller Seite angegriffen. Die Zensur hatte für diese neuen künstlerischen Arbeiten auch keinerlei Vergleich in der restlichen Welt. Glas als kreatives Ausdrucksmittel wurde schlichtweg unterschätzt. Harcuba: „Ja, im Grunde im Glas sagte man, das ist ja harmlos, das hat ja keine politische Aussage, keine Ideologie, das ist ja nur Glas, nur Dekoration.“ 61
Viele der Künstler, die sich nach dem Krieg dem Arbeitsmaterial Glas zuwandten, waren zwar ihrem Selbstverständnis nach „Freie“ Künstler. Nach außen traten sie jedoch bewusst nicht offen als solche auf, da sie mit Restriktionen hätten rechnen müssen.
57 58 59 60
Wasmuth 2010, S. 481/482. Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. Wasmuth 2010, S. 481. Interview mit Petr Adler, Prag, 07.10.2003. Adler (geb. 1930) studierte von 1949 bis 1953 am Institut für Theater- und Musikwissenschaft an der Masaryk-Universität in Brno. Zunächst war er am Staatstheater in Brno als Regisseur tätig, bevor er 1956 begann, als Regisseur für den Tschechischen Rundfunk (Český rozhlas) zu arbeiten. 1961 wechselte er gemeinsam mit seiner Ehefrau, Alena Adlerová, als leitender Rundfunkregisseur nach Prag. Adler blieb die nächsten 40 Jahre in dieser Position und prägte langfristig das kulturelle Programm des Senders. Als Dramaturg und Interpret beschäftigte er sich intensiv mit zeitgenössischer Literatur, auch aus dem westlichen Ausland. Noch 2013 beteiligte sich der Regisseur an einem Agatha-Christie-Hörspiel für den Tschechischen Rundfunk. 61 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.6.2003.
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Adler: „Wenn es jemandem gelungen ist, das gilt hauptsächlich für Bildhauer, sein Werk für ein Werk der angewandten Kunst auszugeben, dann ist vieles realisiert worden, was als Werk Freier Kunst nicht gelungen wäre.“ 62
Im Grunde war ihre Herangehensweise bei der Erforschung abstrakter Glasformen eine Maskerade, denn es gelang, diese als Gebrauchsglasobjekte oder Dekorationsartikel auszugeben. Vermutlich waren die offiziellen Stellen nicht blind für diese im Grunde erwünschte Entwicklung mit Blick auf deren Attraktivität für westliche Beobachter und hielten sich vorsätzlich zurück mit einem rigideren Eingriff in diese Vorspiegelung, die sie damit inoffiziell autorisierten. Pokorný: „So we had a long-running discussion. Is it art or is it craft? Maybe it did help the civil artists to survive, not being cut by political pressure because the glass was good to represent the Czech … it was difficult to incorporate the ideology or the sort of revenge into the glass. So it made ... I mean the technology and the fact they did was glass, made their lives less political than the painters …“ Pokorna: „Also the basic reason maybe was that glass as a material was accepted to the University of Applied Art. This was accepted by politicians because they needed to have influence on the industry. So they planned to educate designers for glass factories. But Roubíček, Libenský, Vízner, Cigler – they started to think in a very different way. And suddenly they started to be artists, free-minded artists and designers for factories, so what to do with the new branch of art? They had to allow them to present their works, because glass is a very big marketing means for our economy. It was necessary to promote it for industry, to get money. So glass, even though it was art, was some part of it. And this is the reason why they were allowed to exhibit.“ 63
5.1.3 Autorenschaffen – Individualisierung der Entwürfe Im Einklang mit der allgemeinen Systematisierung und Kategorisierung, die in allen Lebensbereichen der sozialistischen Gesellschaft zu beobachten waren, verlangte auch die Autorenschaft bei künstlerisch geschaffenen Glasobjekten eine ordentliche Definition. Grundsätzlich differenzierte man zwischen drei Gruppen von Gestaltern. Zu der ersten Gruppe zählten Künstler, die zwar die technologischen und theoretischen Voraussetzungen der Glaserzeugung kannten, ihre Entwürfe selbstständig zeichneten, diese jedoch an eine Glashütte zur Realisierung übergaben. Zur zweiten Gruppe gehörten Gestalter, die ebenfalls selbstständig entwarfen und dabei eng mit einem oder mehreren Glasmachern zusammenarbeiteten. Oftmals führte diese enge Zusammenarbeit zu einer Weiterentwicklung des ursprünglichen Designs, da sich Glasautoren und Glasmacher gegenseitig 62 Interview mit Petr Adler, Prag, 07.10.2003. 63 Interview mit Jitka Pokorná und ihrem Mann, Prag, 30.06.2003.
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bei der Herstellung beeinflussten und inspirierten.64 Einer dritten Gruppe von Gestaltern schließlich gehörten jene Glasautoren an, die ihre Entwürfe ohne jegliche Hilfe eigenständig ausführten, da sie neben den erforderlichen Fachkenntnissen ebenfalls über die notwendigen handwerklichen Fertigkeiten verfügten. Eine Wertung innerhalb dieser Kategorien fand nicht statt. Würde man davon ausgehen, dass die vollständige Eigenregie bei der Realisierung von Glasobjekten als besonderes Kriterium hervorzuheben sei, so wurde auch diese Annahme relativiert: „Handwerkliche Geschicklichkeit kann sich nämlich für den Autor in eine unüberschreitbare Grenze der Ausdrucksmöglichkeiten verwandeln und seine Stagnation bewirken. Ein andernmal kann ein Zuviel an handwerklicher Virtuosität zu einer Überschätzung des Anteils an dem zu schaffenden Werk verleiten, so dass ein Gegenstand des Selbstzwecks, ein rein formaler Gegenstand mit einer Menge gestalterisch nicht bewältigter, wenn auch technisch höchst bemerkenswerter Details entsteht.“65
Während sich die seit 1962 auf Anregung von Harvey K. Littleton in den USA initiierte Studioglasbewegung genau dadurch auszeichnet, dass der Künstler seine Arbeiten eigenständig ausführt, wird die tschechische Glaskunst durch die vielseitigen Techniken bestimmt, welche sich aus den Arbeitsmöglichkeiten in den zahlreichen Glashütten und der Rückbesinnung auf die handwerkliche Manufakturtradition ergeben. Lebendig hielten diese die universelle Ausbildung an der Prager Kunstgewerbehochschule und den drei nordböhmischen Glasfachschulen. Das hohe Maß an Perfektion in der Ausführung konnte durch die langjährige umfangreiche Ausbildung der Glasmacher aber auch der Künstler selbst, welche meist vor dem Studium die Fachschule besucht hatten, gewährleistet werden. Gerade die großformatigen Arbeiten für den öffentlichen Raum setzten sie in diesem fruchtbaren Arbeitsklima um, denn der gesamte Fertigungsprozess war in künstlerischer Hinsicht auf solche Kommissionen ausgerichtet. Immerhin hatten viele Glasmacher in den Betrieben die gleiche methodische Schulung durchlaufen wie die Glasautoren, deren Entwürfe sie umzusetzen hatten. Šuhájek: „Dadurch, dass ich über Erfahrungen in der Glasmacherarbeit verfüge, kann ich Prototypen herstellen, an die der reproduzierende Glasmacher nicht so streng gebunden ist wie an einen nur gezeichneten Entwurf, die ihm vielmehr eine Freiheit lassen, die Möglichkeit eigener Manipulation. Und das erscheint mir sehr wichtig, weil es auch den Glasmachern in der Produktion die Möglichkeit bietet, in schöpferischer Weise zu arbeiten.“66
64 „Auf diese Weise entstandene Werke darf der Gestalter dann mit aller Verantwortlichkeit als seine Realisierung ansehen, auch wenn er sie nicht mit eigenen Händen geformt hat.“ Langhamer. In: GR 6/1968, S. 206. 65 Ebenda. 66 Interview mit Jiří Šuhájek. In: Hetteš. In: GR 9/1974, S. 5.
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Bei der traditionellen Handerzeugung gab es eigentlich keine absolute Wiederholbarkeit des Entwurfs, da immer das Moment der individuellen Abweichung hinzukam.67 Selbst die Serienerzeugung war nichts anderes als eine Reihe wiederholter individueller Leistungen im Kollektiv. Svoboda: „Dies ist die Grundlage, wenn beide erkennen, dass das Ergebnis sowohl vom Künstler als auch dem Glasmacher abhängt.“68
Beispielhaft sind die Vasen von Pavel Hlava, der Jaromír Špačeks Methode des Einschmelzens von Silber anwandte, das sich unregelmäßig verteilte, während das Glas in eine Drahtform geblasen wurde, wobei jeweils verschiedenartige Ausbuchtungen entstanden (Abb. 34).69 Generell können nicht die industriell gefertigten Glasprodukte als „Kunstwerke“ bezeichnet werden, als solche müssen aber – entgegen tradierter Auffassung70 – die unikalen Prototypen gesehen werden, die in enger Zusammenarbeit zwischen Entwerfer und Facharbeiter entstanden. Kennzeichnend für den offiziellen Sprachjargon in zeitgenössischen Kulturpublikationen ist die Tatsache, dass konstant von „den Künstlern“ im Allgemeinen gesprochen wurde. Es wurde keinesfalls unterschieden zwischen den mannigfachen Arbeitstechniken, Kunst- und Stilrichtungen, den Handschriften individueller Persönlichkeiten. In den späten 1940er und während der gesamten 1950er Jahre wurden Künstler, die mit Glas arbeiteten, überhaupt nur selten namentlich erwähnt. Eigentlich klammerte man jegliche Eigenständigkeit per se durch interne Sprachregelung aus und entmündigte „die Künstler“ somit systematisch. Grundsätzlich wurden künstlerisch gestaltete Arbeiten stets unter Nennung der Glashütte, die
67 Sie hebt sich allein schon aufgrund der feinen Ungleichheiten der manuellen Herstellung von industriell hergestellten Serienerzeugnissen des Designs ab. In diesem Bewusstsein wurde auch die Glaskunst geschaffen, „... weil auf dem Gebiet der so genannten angewandten Kunst gewöhnlich keine Unwiederholbarkeit erzielt wird, die nicht ein Werk des Zufalls ist, sondern ein Niederschlag der augenblicklichen Reaktion des Autors auf das Verhalten des Werkstoffes.“ (Šotola. In: GR 4/1965, S. 97) „Ein Kulturland wie die DDR kann nicht im Namen der vielen Freunde der Glaskunst darauf verzichten, sich allein mit dem künstlerischen Unikat zu begnügen. Wir benötigen die manuell gefertigte Kleinserie, die der entwerfende Künstler autorisiert. […] Es scheint endlich zu gelingen, was in der ČSSR seit langem praktiziert wird, nämlich die Glasmanufaktur als eine legitime Produktionsform des Sozialismus im Interesse der Erfüllung umfangreicher kultureller Bedürfnisse der Wohnkultur weiterzuführen.“ Meier 1983, o. S. 68 Übersetzung des Interviews Jaroslav Svoboda mit Milan Hlaveš vom 27.08.2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 15.04.2013). 69 Maršíková, GR 1/1967, S. 28. Zu Jaromír Špaček siehe auch im folgenden Kapitel, S. 252. 70 „Ein Kunstwerk ist niemals durch zwei Personen möglich, da die Sensibilität des Ausdrucks niemals vom Künstler zum Handwerker übertragbar ist. Es ist daher verständlich, dass es gerade auf dem Gebiet des Glases aus dem letzten Jahrhundert so wenig Kunstwerke gibt, da kaum ein Künstler zugleich die handwerklichen Fähigkeiten zur Ausführung seiner Werke besaß.“ GiH, 7/1958, S. 232; siehe auch Bartsch. In: FuZ 2/1967.
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an der Realisierung beteiligt war, vorgestellt und abgebildet.71 Der Künstler als Urheber, als Autor, blieb zwar so nicht anonym, aber seine Entwürfe repräsentierten eigentlich die kollektive Leistung von Gestalter und Glasmacher sowie den Herstellerbetrieb. Anlässlich der großen Auslandsausstellungen seit 195772 sah die zeitgenössische Presse in der Tschechoslowakei in der Würdigung der Exponate gleichzeitig auch eine Würdigung des sozialistischen Staates, in dem sie geschaffen wurden. In Übersichtstabellen listete sie die jeweils gewonnenen Preise auf. Dabei standen wieder nicht die einzelnen Künstler im Vordergrund, sondern vor allem jene Ehrungen, welche – zum Beispiel bei der EXPO 58 – für die Gesamtarchitektur und das Restaurant verliehen wurden.73 Auch bei den Abbildungen wurde einseitig ausgewählt. Hier dominierte Gebrauchsglas, während die monumentalen Glasskulpturen von Jan Kotík und René Roubíček sowie rein bildhauerisch aufgefasste Glasobjekte vergleichsweise selten abgedruckt waren. Damit korrespondierte eine zumeist implizit bleibende Würdigung der einzelnen Künstler und deren Auszeichnung durch die internationale Jury.74 Sie wurden nach dem erwähnten Muster der Leistung des Kombinats untergeordnet, waren stets im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Einbindung in das planwirtschaftliche System aufgeführt, fast nie ohne den Herstellerbetrieb zu erwähnen. Auch in der westlichen Presse traten die Autoren nicht aus ihrer Anonymität heraus, denn diese Medien besprachen die tschechoslowakische Teilnahme an der Weltausstellung in der Hochphase des Kalten Krieges auffallend kleinformatig. Die bundesdeutsche Schaulade erwähnte den Beitrag mit keinem Wort, während sich das italienische Designmagazin domus auf nur wenigen Seiten mit der Leistung der Tschechen bei der Triennale beschäftigte und ebenfalls die EXPO 58 ignorierte.75 In den Jahren nach dem Brüsseler Erfolg begann immerhin die Glasrevue, die Künstler namentlich zu nennen. Von einem wachsenden Selbstbewusstsein der Glaskünstler spricht die Tatsache, dass manche konsequent damit begannen, ihre unikalen und in kleinen Serien produzierten Werke zu signieren, wie es Bildhauer und Maler eben auch taten. Die Gestalter der serienmäßig in großen Mengen hergestellten Gebrauchsgläser jedoch blieben trotz wachsender Publizität weiterhin lediglich einem engen Kreis von Fachleuten bekannt. Diese Spaltung wurde im Einklang mit den Vorstellungen des „Sozialismus mit mensch71 Siehe Hetteš. In: Tvar 4/1950; GR 5/1952; Hetteš. In: GR 11/1955; GR 1/1961 Werbung für Bohemia Glass; u. a. 72 Siehe Kapitel 6.2.1. 73 Die EXPO 58 in Brüssel wurde ein großer Erfolg für den tschechoslowakischen Beitrag. Der Pavillon erhielt den „Goldenen Stern“ in der Gesamtwertung als bester Ausstellungspavillon unter 104 Teilnehmern. Das Restaurant Praha, in dem Trinkgläser von Ludvika Smrčková Verwendung fanden, brachte man im Anschluss an die Weltausstellung nach Prag, wo es als „Denkmal für die hervorragende Leistung der Republik“ im Letná Park wieder aufgebaut wurde. Nachdem es viele Jahre lang als beliebtes Ausflugslokal diente, kam es 1991 zu einem Brand. Nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen ist das ehemalige Restaurant heute Sitz einer Werbeagentur. 74 Vgl. Wasmuth 2005, S. 93. 75 domus, Heft 334, 1958, S. 48, 54.
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lischem Antlitz“ (socialismus s lidskou tváří) als problematisch erkannt: „Es kamen Gegenstände zur Welt, die von einer anonymen und kollektiven Vaterschaft gekennzeichnet waren.“76 Erst nachdem Anfang 1968 offiziell beschlossen wurde, dass die Namen der Autoren auf allen Entwürfen erscheinen sollten, wurden Stücke stringent signiert.77 An dieser Akzeptanz einer Personalisierung von künstlerischen Glasobjekten änderte sich auch unmittelbar nach der Niederschlagung des Prager Frühlings nichts. In den 1970er Jahren wurde dann aber wieder scharf selektiert, wessen Arbeiten überhaupt publiziert oder ausgestellt werden konnten, vor allem im Rahmen des staatlichen Kulturaustauschs. Einigen Künstlern78 wurde die Teilnahme an wichtigen Auslandsausstellungen nur dank der gezielten Nachfrage von westlichen Sammlern gestattet und dies wohl ausschließlich aus wirtschaftlichen Erwägungen. Erst in den 1980er Jahren entspannte sich dieses Prozedere merklich.79
5.1.4 Politische und politisierte Glaskunst – Zur Verflechtung von Kultur und Politik In schwierigen Zeiten, und dies gilt für den gesamten Beobachtungszeitraum, wurden Künstler, die sich mit dem Material Glas beschäftigen, zwangsläufig politisiert und politisch bewegt. Es ist jedoch nicht so, dass damit auch ihre Glaskunst als politisiert oder politisch zu bezeichnen wäre. Vielmehr bemühten sie sich, ihre künstlerischen Absichten so gut wie möglich umzusetzen, während sie sich den politischen Umständen anzupassen hatten. Wenn einige Glaskünstler heute retrospektiv behaupten, sie seien „unpolitisch“ gewesen, so waren sie jedoch in ihrem Leben durchweg den politischen Gegebenheiten ausgesetzt und mussten sich mit diesen arrangieren. Ihre Erlebnisse und Aktivitäten, die sie in Interviews nach 1989 beschrieben, zeigen manche Lücken, Widersprüche und hartnäckige Selbsttäuschung auf.80 Gerade diese Abwesenheit eines 76 Lamarová 1965, S. 9. 77 Die Gläser, welche in die Vereinigten Staaten exportiert wurden, trugen neben einer Signatur auch Echtheitszertifikate und geschützte Trademarks der Manufaktur (Langhamer 2003, S. 130, 137). Kleinserien der Hütte Škrdlovice erhielten neben dem Namen des Autors eine Ziffer zur Bezeichnung der produzierten Stückzahl, sollte diese nicht fünf überschreiten. Bei größeren Serien bis zu 100 Stücken wurde der Name um die Marke „ÚŘ“ ergänzt. Maršiková. In: GR 6/1968, S. 193, 195. 78 Hierzu gehörten Václav Cigler, Jiří Harcuba, Zdenka Strobachová, Karel Vaňura, Jiřína Žertová u. a. Siehe auch Kapitel 6.3.2, S. 437. 79 „Aber schon wieder in den 80er Jahren funktionierte das Art Centrum! Es wurde wieder kontrolliert im Lande, aber ins Ausland, da konnte man alles verkaufen! Da ging es wieder ums Geschäft.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 80 Beispielhaft sei an dieser Stelle die Aussage Roubíčeks zu den Konsequenzen seiner kritischen Glasarbeit „Wolke“ für die EXPO 70 in Osaka zitiert: „Nach dem Ausstellungseklat in Osaka durfte ich keine offiziellen Aufträge mehr bekommen.“ (Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004) Allerdings entwarf er in den unmittelbar darauf folgenden Jahren die Beleuchtungskörper für das
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stimmigen Gesamtbildes ist repräsentativ für die Antagonismen des historischen Kontextes. Nur die Kontextualisierung ihrer Aussagen und Lebensläufe vermag einen Anspruch auf die charakteristische Darstellbarkeit der Glaskunstentwicklung im sozialistischen Staat leisten. Die Maßnahmen des Regimes zur Konsolidierung des kulturpolitischen Systems ab 1948 markierten einen Wendepunkt im Alltagsleben dieser Männer und Frauen. Kunst sollte ganz allgemein ein Garant für ideologische und stilistische Uniformität sein im dogmatischen Verständnis der Ikonographie des sozialistischen Realismus. Die tschechoslowakischen Machthaber waren ständigem Druck aus Moskau ausgesetzt, auf jede „unorthodoxe“ Äußerung im Bereich der Kultur zu reagieren.81 Man darf sich die Glaskünstler aber nicht per se als von der Zensur gegängelt vorstellen. Im Gegenteil, denn seit Anfang der 1950er Jahre unterstützte das kommunistische Regime gezielt Bestrebungen, das Material in einen künstlerischen Kontext zu bringen82, zumal zu diesem Zeitpunkt noch keine bekannt gewordene Glasarbeit einen politisch kritischen Bezug aufwies, was zu Sanktionen hätte führen müssen. Glas als Medium für künstlerische Arbeit war im Grunde etwas Neues, da es in der langen Tradition in erster Linie einen dekorativen Gebrauchscharakter aufwies und nur vereinzelt Eingang in das Schaffen von bildenden Künstlern fand.83 In der Protektoratszeit wurden wochenlange Studentendemonstrationen zum Anlass genommen, neben der Akademie der bildenden Künste auch alle anderen Hochschulen am 17. November 1939 zu schließen.84 So wählten viele Studenten, die eigentlich Maler
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Hotel InterContinental in Prag und die tschechoslowakischen Vertretungen in Washington D. C., Stockholm und Brasilia. Liehm 1988, S. 107. Die Kunstgewerbeschule in Prag wurde in eine Hochschule mit zwei Glasklassen umgewandelt und in einigen Glashütten wurden künstlerische Zentren (umělecké středisko) mit Experimentalcharakter eingerichtet. Den Studenten und Lehrlingen stellte man Unterkünfte und Stipendien zur Verfügung. Siehe auch Kapitel 3.2. In der Tschechoslowakei hatten sich Jaroslav Horejc und Zdeněk Pešánek bereits in den 1920er Jahren mit künstlerisch gestalteten Glaselementen beschäftigt, diese beschränkten sich jedoch auf einen architektonischen Rahmen (siehe Kapitel 5.3, S. 308). In Skandinavien schufen bildende Künstler seit den 1930er Jahren gelegentlich Entwürfe für Gebrauchsglasobjekte, wenngleich diese in der Regel nicht von ihnen selbst, sondern von professionellen Glasmachern realisiert wurden, die für bekannte Glasmanufakturen tätig waren. Die beiden finnischen Bildhauer Sven Palmqvist und Edvin Öhrström beispielsweise waren langjährig als Entwerfer mit Orrefors verbunden. Zeitgleich zur Entwicklung in der Tschechoslowakei ließen namhafte Künstler wie Alexander Calder, Henry Moore, Le Corbusier und auch Oskar Kokoschka ihre Designs bei dem in den frühen 1950er Jahren gegründeten Centro Studio Pittori (Fucina degli Angeli) in Murano von Glasmachern ausführen. Der grundsätzliche Unterschied zu der neuen Bewegung in der Tschechoslowakei bestand nicht nur in der Tatsache, dass diese nun Objekte schuf, deren Funktionscharakter nebensächlich wurde, sondern weiterhin, dass sie technisch in der Lage war, ihre zumeist skulpturalen Entwürfe selbstständig ausführen zu können. Außerdem konzentrierten sich die tschechischen Künstler in der Regel auf diesen einen Werkstoff, gerade wegen seiner Materialeigenschaften. Siehe Kapitel 2.4.
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oder Bildhauer hatten werden wollen, die UMPRUM als alternative Ausbildungsstätte, um ihre Studien fortzusetzen. Sie fanden hier ein „Schlupfloch“ in den Ateliers für Glasgestaltung. Neben den traditionellen Techniken unterrichtete Professor Karel Štipl, dessen Schwerpunkt neben Glasschnitt auf der Gravur lag, auch angewandte Malerei und künstlerische Arbeit mit Glas. Zu seinen Studenten kamen Schüler der Glasfachschule in Nový Bor an das Prager Institut. Sie waren ihrem Dozenten Jaroslav V. Holešek gefolgt, der in Eigeninitiative einen neuen Lehrstuhl für Angewandte Malerei und künstlerische Arbeit mit Glas ins Leben gerufen hatte.85 Zwar wurde auch die UMPRUM 1944 geschlossen, doch für den Zeitraum von beinahe fünf Jahren hatte das Institut einen Schutzraum für freie künstlerische Arbeit geboten und gleichzeitig das Fundament für den gestalterischen Aufbruch des tschechischen Glases nach Kriegsende gelegt. Im September 1945 eröffnete die Kunstgewerbeschule erneut.86 Die erste Generation von Glaskünstlern, welche nach dem Zweiten Weltkrieg tätig war, hatte sich also bereits im Studium mit den elementaren Techniken der Glasveredelung vertraut gemacht. In ihrer Selbsteinschätzung waren diese jungen Künstler von einem lange unterdrückten Verlangen nach geistigen Werten und individueller Kreativität geprägt.87 Sie waren diejenigen, die – teilweise selbst noch ohne Abschluss – an den nordböhmischen Glasfachschulen die durch die Ausweisung der deutschen Dozenten vakant gewordenen Positionen übernahmen und langfristig Einfluss auf die stilistische Ausbildung der folgenden Jahrgänge von Glasgestaltern nahmen.88 Im Sommer 1945 reiste Jaromír Špaček89 als Bevollmächtigter des Ministeriums für Bildung nach Nordböhmen, um die Leitung der Fachschule in Nový Bor zu übernehmen. Er sollte mit tschechischen Lehrern den Unterricht hier und in Kamenický Šenov in vollem Umfang wiederaufnehmen. Während zunächst zu befürchten war, dass der Verlust der erfahrenen Pädagogen zu einer Stagnation in der Qualität der Ausbildung führen müsste, waren es gerade die frischen Impulse der jungen Generation von Lehrern, die einen tatsächlichen gestalterischen Neubeginn ermöglichten. In Kamenický Šenov und Nový Bor wurde der gesamte deutsche Lehrkörper gegen tschechische Professoren sukzessive ausgewechselt. Neben Alexander Pfohl verblieb nur Max Tischer bis 1951 in einer Lehrposition.90 Wie auch die Kunstgewerbeschule in Prag eröffneten die Glasfachschulen in Kamenický Šenov, 85 Mit Holeček nach Prag kamen Miloslav Babický, Miloslav Hudík, Rudolf Kalina, Jozef Khyn, Stanislav Libenský, Otokar Novák, Felix Průša Junior und Jan Štibych, von denen etliche nur wenig später als Dozenten an ihre alte Fachschule zurückkehren sollten. Petrová 2000, S. 27. 86 Obgleich sich der Verdacht nicht bestätigte, kehrte Holešek als mutmaßlicher Kollaborateur der Deutschen nicht an die UMPRUM zurück. Langhamer 2005a, S. 48; Kapitel 4.3, S. 197. 87 Interview mit den Künstlern Jiří Harcuba (1928–2013), Prag, 28.06.2003, Václav Cigler (geb. 1929), Prag, 01.07.2003, und Václav Hubert (geb. 1924), Kamenický Šenov, 11.10.2003. 88 Wasmuth 2010, S. 483. 89 Jaromír Špaček (1911–1988) widmete sich über einen Zeitraum von 40 Jahren der Erfindung neuer Verfahren des Formens und Veredelns von Glas, wie dem Einschmelzen von Metallen (Kupfer und Silber) oder dem Einschmelzen von Glasperlen an einem Glas- oder Silberfaden. GR 7/1971, S. 206; Kapitel 3.1.2, S. 82, und Kapitel 4.2.1, S. 160. 90 Zu Pfohl und Tischer siehe Kapitel 2.5, S. 47, und Kapitel 4.2, S. 155.
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Nový Bor und Želežný Brod erneut im Herbst 1945. In Kamenický Šenov wurde nun René Roubíček, 24 Jahre alt, gestalterischer Leiter der Abteilung Glasschleifen91, Alois Hásek, bereits 39 Jahre alt, Leiter der Gravierabteilung und Miloslav Hudík, vierundzwanzigjährig, Leiter der Abteilung Glasschnitt.92 Roubíček iniierte im folgenden Jahr die Družstvo absolventů školy v Kamenickém Šenově (Kooperative der Fachschüler von Kamenický Šenov), die ehrgeizig moderne Künstlerentwürfe für Gebrauchsglas an die Verkaufsläden der Družstevní práce lieferte.93 Die Kooperative wurde 1948 aufgelöst und ihre Mitglieder wurden zum Militärdienst einberufen.94 In Nový Bor dozierte Karel Hrodek, der 30 Jahre alt war, in der Gravurwerkstatt, Stanislav Libenský, vierundzwanzigjährig, unterwies Kunstgeschichte und Josef Michal Hospodka lehrte Zeichnen und Glasblasen95. Zu dieser Zeit soll Libenský gesagt haben: „Lasst uns für das bömische Glas die Welt erobern!“96 Hospodka war angeblich der jüngste Professor in der ganzen Republik mit nur 22 Jahren.97 „Wir waren Freunde, er war nicht viel älter als wir. Im Gegenteil, einige Klassenkameraden waren auch fünf Jahre älter als Michal.“98 Die umfangreiche kunsthandwerkliche Ausbildung, die alle neuen Dozenten genossen hatten, war die Grundlage für ihre Eignung als Lehrer. Die jungen 91 Roubíček: „[…] our unanticipated presence at the specialized glassmaking schools […] What was a postwar necessity turned out to be serendipity.“ Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 195. 92 Vgl. Kapitel 4.2. 93 Langhamer 2005c, S. 411. Siehe auch Kapitel 2.4 für die Družstevní práce. 94 Perová 2001, S. 35. Ab 6. Dezember 1961 erhielten Künstler, die zum Militärdienst oder für Militärübungen einberufen wurden, nach Regierungsverordnung 48/1961 Sb. einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 700 CZK, der sich je nach Ehestatus und Kinderanzahl auf bis zu 1.300 CZK erhöhte. 95 Siehe Kapitel 4.2, S. 157. 96 The New York Times, Weekend: „How Czech Glass Burst Restraints of Functionality“, 21.06.2002. 97 Harcuba: „Sie waren sehr jung, ich war 17 und Libenský war 24 und Hospodka war erst 23 oder 22 Jahre alt. Der war der Jüngste in der ganzen Republik. Die wurden gleich zu Professoren ernannt. Man würde denken, jetzt müsste das den Bach runtergehen, weil die besten Lehrer fortgingen in die Bundesrepublik ...“ Wasmuth: „Und die neuen Lehrer hatten keine Erfahrung.“ Harcuba: „Und die neuen Lehrer hatten keine Erfahrung, aber es war eben anders. Die alten Lehrer waren schon alt und die hatten ihren Höhepunkt im Art Déco, in den 20er Jahren, ja? Und davon lebten sie. Und im Kriege, was neu geschaffen wurde, war nichts Besonderes, war beeinflusst von diesem Realismus, nicht? Der Faschismus hat einen ähnlichen Realismus wie der Stalinismus, die waren sich sehr ähnlich. Dann kam diese junge Generation, die das alles ablehnte. Das war zwar immer noch zu sehen, in den Ausstellungsräumen der Schule. Aber es wurde nicht mehr als Vorbild gezeigt, höchstens, als Vorbild in der gewerkschaftlichen Hinsicht, das war ausgezeichnet für Gravuren, aber künstlerisch, gestalterisch, da kam eine ganz andere Ästhetik.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 98 Übersetzung des Interviews Oldřich Lípa mit Milan Hlaveš vom 21.05.2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.04.2013). Als Werkstattlehrer kamen die drei Absolventen Miloslav Babický für Glasschnitt, Vlastimil Pospíchál für Gravur und Otokar Novák für Malerei an ihre ehemalige Schule. Zwei von ihnen, Babický und Novák, hatten während des Krieges auch in Prag die Kunstgewerbeschule besucht. Pospíchál (geb. 1921) blieb bis zu seiner Emeritierung an der Schule als Professor.
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Männer hatten zwar zunächst selbst keine klare Vorstellung vom Umfang und Inhalt der ihnen übertragenen Aufgabe, aber brachten viel verklärten Enthusiasmus für deren Bedeutung mit, wie sich Hospodka noch Jahre später erinnerte: „Als wir im Jahr 1945 – der Zweite Weltkrieg hatte soeben geendet – zum ersten Mal auf dem Bahnhof in Nový Bor ausstiegen, hatten wir leere Hände und den Kopf voller Geheimnis und Verwirrung. Wir waren lediglich mit großer Lust ausgerüstet, mit Glas als dem uns beschiedenen Material zu arbeiten. In jenem Augenblick waren wir uns kaum bewusst, dass die müde Lokomotive mit uns eigentlich Techniker in den besten Reifejahren abgesetzt hatte und dass wir zu einem Glied im Kampf für die Einheit der Welt werden sollten, in der der Mensch zu sittlicherem Handeln gedrängt wird, wenn die persönlichen Interessen den Interessen der Gesellschaft weichen.“99
Hospodkas Unterricht war auch in den 1950er Jahren noch entsprechend ideologisch gefärbt, wie seine Studentin Dagmar Kudrová hervorhebt: „Bei mir in der Klasse waren František Vízner, […] Bohumil Eliáš und wieder andere. Ich bin mit vielen Leuten aus den unteren Klassen, die heute bekannt sind, in die Schule gegangen. Diese Schule wurde mit einem militärischen Drill geführt. Wir sangen, dass am morgigen Tag überall getanzt werden würde und dass wir die rote Flagge führen werden. Uns führte Professor Hospodka, aber ich weiß nicht, ob er wirklich so ein überzeugter Partisan gewesen war. Wir sangen ‚Chastúshka‘ und er fuhr uns zu allen Arten von Treffen. Aber wir freuten uns auf diese aus freien Stücken. Ich kann überhaupt nicht singen. […] Aber der militärische Drill ... wenn wir Lieder des Militärs sangen, während wir um fünf Uhr morgens zu den Workshops im Internat wie Soldaten marschierten. Und am Nachmittag zurück. Das wird sich die heutige Jugend wohl nicht vorstellen können. Unsere Kleidung war der Trainingsanzug. Es war nach dem Krieg, alle hatten das noch auf dem Schirm. Doch es war schön. Wir alle gewannen dort Blaukragen-Prinzipien, wir haben trainiert und waren damit Arbeiter.“100
Andere Absolventen der VŠUP zog es 1945 ebenfalls in die nordböhmische Glasmacherregion von Kamenický Šenov und Nový Bor. Sie besaßen feste Vorstellungen für die thematische Ausrichtung und Neuorganisation des Curriculums an den Glasfachschulen und wollten – wie die jungen Lehrer – die traditionelle Erscheinung der Gestaltung überwinden und modernisieren. Sie und mehrere Dozenten schlossen sich zur Gruppe Blok českého skla (Block des tschechischen Glases) zusammen.101 Der Schwerpunkt bei der Namensgebung lag auf „českého“, denn ihr Ehrgeiz lag in einer „Tschechisierung“102 des traditionellen Stils, welcher deutsch und damit unweigerlich negativ für sie besetzt 99 Interview mit Josef Michal Hospodka in: Stehlík. In: GR 5/1968, S. 144. 100 Übersetzung des Interviews Dagmar Kudrová mit Milan Hlaveš vom Oktober 2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 12.04.2013). 101 Siehe Kapitel 4.2.1, S. 162 f. 102 Langhamer 2000, o. S.
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war. Mit viel Ehrgeiz und Motivation gelang es den jungen Glasgestaltern bereits im August 1945, eine große Werkschau in Nový Bor zu organisieren. Ausgestellt wurden Werke aus ihrer Studienzeit in Prag als auch Entwürfe für die Produktion. Der Blok českého skla veröffentlichte bald sein eigenes Magazin, das von Ctirad Smolka herausgegeben wurde.103 Die Gruppe hatte außerdem die Ausschreibung eines ganzstaatlichen Glaswettbewerbs initiiert104, welcher als Vorbild für spätere Wettbewerbe diente. Auf vielfältige Weise bemühten sich diese Künstler, ihre Vorstellung einer entstaubten und zukunftsorientierten Glasgestaltung zu verbreiten. Auch wenn sie ihre Arbeiten nach der kommunistischen Übernahme der Regierungsgewalt 1948 nicht öffentlich präsentieren konnten, demonstrierte doch die vielfach beachtete Retrospektive „Zeitgenössisches Glas: Zehn Jahre Arbeit tschechoslowakischer Gestalter“ in Liberec 1955 anschaulich den von ihnen eingeschlagenen progressiven Kurs der Gestaltung.105 Nach dem Februar 1948 wurden Studenten an der Prager VŠUP, die mittlerweile Hochschulstatus erhalten hatte, bevorzugt nach ihrer Herkunft und Linientreue für das Studium angenommen. Die vordergründige Betonung einer „Demokratisierung der Kultur“106 war die Grundlage bei der Schaffung institutioneller Bedingungen auf nationaler Ebene, die es der gesamten Bevölkerung und nicht nur einer Elite ermöglichen sollten, Zugang zu parteipolitischer Bildung und kulturellen Werten zu bekommen.107 Studenten mit „bourgeoiser“ Herkunft wurden nicht zum Studium zugelassen.108 Viele der vorgestellten tschechischen Glaskünstler weisen eine in dieser Hinsicht stimmige Biographie auf, da sie selbst aus Glasmacherfamilien stammten, etwa Blanka Adensamová, Bohumil Čabla109, Jiří Harcuba, der zuvor einen Militärdienst leistete110, Ladislav Oliva Senior111, Felix Průša Junior112, Jaroslav Svoboda113, Karel Wünsch und František
103 Langhamer 2005a, S. 37. 104 Langhamer 1985, S. 40; Petrová 2001, S. 29. 105 Diese Ausstellung wurde von Karel Hetteš kuratiert, siehe Katalog Hetteš 1955. Siehe auch Kapitel 6.1.1, S. 343. 106 Dewetter/Šimek 1986, S. 29. 107 Wasmuth 2010, S. 483. 108 Ein prominentes Beispiel liefert Václav Havel, der sich um die Aufnahme in der Theaterschule bemüht hatte, jedoch aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft und einiger im Westen lebender Verwandten abgelehnt wurde (Liehm 1988, S. 114). Beispiele benachteiligter Glaskünstler finden sich in Kapitel 4.1. 109 Čabla brachte schon als kleiner Junge seinem Vater die Vesperbrote in die Karolinenhütte. Langhamer. In: GR 6/1987, S. 19. 110 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 17.12.2003. 111 Beide Eltern arbeiteten in der Spiegelglashütte Chudeřické sklárny im nordböhmischen Bílina. Interview Ladislav Oliva mit Milan Hlaveš, Ausgabe 23/2005 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 08.07.2013). 112 „Sein Vater war der Leiter von der Schleiferwerkstatt von der Schule [VŠUP] in Prag.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.16.2003. Siehe auch Kapitel 4.3, S. 197. 113 Svobodas Vater arbeitete als Glasschneider für Inwald in Podiebrad (Poděbrady).
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Zemek.114 Andere, wie Stanislav Libenský, dessen Vorfahren als Schmiede tätig waren115, wie Václav Cigler, dessen Nachname den Beruf seiner Ahnen verdeutlicht, oder Vladimír Kopecký und Jiří Šuhájek, kamen aus Arbeiterfamilien. Bohumil Elíaš stammte aus einer mährischen Bauernfamilie.116 Auch die Ausbildung von Lehrlingen für die Glasindustrie konvenierte mit der sozialistischen Ideologie, denn diese wurden zu wertvollen Genossen des „Arbeiter- und Bauernstaates“. Bereits 1948 setzte kulturpolitisch eine Zeit der Ernüchterung, bestimmt von Zensur und Repression, ein.117 Für Glaskünstler hatten diese Repressionen zunächst keine spürbaren Auswirkungen.118 Größere Problematiken ergaben sich vielmehr durch die Konzentration der wirtschaftlichen Kräfte auf die Schwerindustrie. Das traditionsreiche tschechische Glasmacherwesen war in den Jahren der sozialistischen Kulturpolitik einer grundsätzlichen Veränderung ausgesetzt und verwandelte sich bis zur Unkenntlichkeit. Schrittweise wurden veraltete Betriebe aufgelöst und mit moderner technischer Ausrüstung in gewaltige Staatsunternehmen überführt.119 Die Produktion der traditionellen Ausfuhrartikel und Kunstgläser wurde zugunsten des Bau- und Verpackungsglases sowie technischer Gläser eingeschränkt, ein Prozess, der sich über die gesamte sozialistische Zeit manifestierte. Noch in den 1920er und 1930er Jahren waren Gegenstände für den persönlichen Bedarf Schwerpunkt der Glasherstellung, in den 1980er Jahren machten sie nur noch ein Drittel aus. Neben der Produktion von technischem Glas, Bau- und Verpackungsglas, Flachglas, Glasfasern, Schmelzquarz und anderen Rohstoffen geriet die traditionelle Handfertigung von Künstlerentwürfen zwar quantitativ ins Abseits, behielt aber ihre handwerkliche Qualität. Die Produktion orientierte sich an planwirtschaftlichen Kriterien und auch künstlerisch gestaltetes Glas wurde unter diesen Maßgaben hergestellt und bemessen. Die Glasindustrie hatte sich in großem Umfang an den Vorgaben des ersten Fünfjahresplans 1949–1954 zu beteiligen und stand im Zeichen eines radikalen Umbaus. Während die Glasfachschulen in Kamenický Šenov und in Nový Bor von 1952 bis 1957 geschlossen wurden, eröffneten staatliche Forschungsinstitute in 114 Zemeks (1913–1960) Großvater war bereits Graveur, sein Vater und Onkel hatten in der Hütte als Glasmacher gearbeitet. Langhamer. In: GR 5/1978, S. 19. 115 Barten 1990, S. 12. 116 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 117 Jegliche Diskussion oder Publikation über Stalin wurde verboten, aus Angst vor einer Diskreditierung der Partei (Kaplan 1988, S. 76). Zwischen dem 25. Februar 1948 und Juli 1954 wurden geschätzte 80.000 Menschen Opfer von politischen Prozessen. 178 von ihnen wurden hingerichtet. Die Tschechoslowakei war unter den sowjetischen Satellitenstaaten das Land mit der höchsten Rate von Opfern politischer Prozesse. Nur die nach 1945 in die Partei eingetretenen Mitglieder waren nicht betroffen. Arburg 2008, S. 39. 118 Unmittelbar nach 1945 wurde die Zensur selbst im Bereich der bildenden Kunst kaum eingesetzt. Erst im Laufe der Zuspitzung des immer schärfer werdenden Machtkampfes um die Ausrichtung des reformierten Staates wurde sie als politische Waffe immer wichtiger. Bárta 2008, S. 67. 119 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 72. In der Slowakei war die Glasindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg in einem maroden Zustand. Nur neun Glashütten mit insgesamt etwa 2.000 Mitarbeitern waren betriebsfähig. Langhamer. In: GR 9/1985, S. 3, 8.
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Hradec Kralové und Dolní Polubný, die sich mit neuen Produktionstechnologien und Grundlagenforschung zu innovativen Schmelzen beschäftigen sollten.120 Nach 1948 wurde die „Sowjetisierung“ des Landes dann ebenfalls in Bereiche der Kultur getragen. Die tschechoslowakische Verfassung wurde stufenweise um Gesetze ergänzt, die alle kulturpolitischen Bereiche betrafen.121 Kultur und Kunst setzten einen neuen Schwerpunkt auf ihre gesellschaftliche Funktion. Die großen Kreise von Künstlern der Zwischenkriegszeit, vor allem aber die junge Generation, geboren zwischen 1920 und 1930, übernahm diese scheinbar logische Verbindung von Avantgarde mit revolutionärem Gedankengut und damit die utopischen Ideen des Kommunismus. Nur ein kleiner Teil von ihnen trotzte dem angeblich demokratischen Putsch im Februar 1948. Die KSČ setzte eine Anzahl radikaler Umstrukturierungen durch: Alle wichtigen Medien, wie Tageszeitungen, Film und Rundfunk, wurden nationalisiert sowie die Theater und Bildungseinrichtungen in die Kompetenz der Nationalausschüsse überführt.122 Die Kunst hatte von nun an Prinzipien zu folgen, die eng mit den Zielen der Partei verbunden waren. Ihr wurde eine Aufgabe erteilt, deren Erfüllung zu ihrer Legitimationsgrundlage und eigentlichen Existenzberechtigung wurde. Die Zensur wurde ebenso wie die Propaganda in allen Bereichen angewendet, in denen der kommunistische Staat sein ideologisches Monopol stärken wollte. Sie war ein Instrument zur massenhaften Beeinflussung der Bevölkerung und darauf ausgerichtet, die führende Rolle der KSČ zu festigen.123 Unzweifelhaft fühlten sich Glaskünstler aufgrund staatlich gelenkter Auswahlkriterien in ihrer Arbeit eingeschränkt, weil eben nur jene Entwürfe in die Produktion gingen oder als Ausstellungsexponate angenommen wurden, die von den offiziellen Kommissionen ausgewählt wurden. Harcuba: „Und dann durfte man auch, freilich, Entwürfe machen für Institutionen, […]. Das ging durch eine Jury, die bewertete, ob es eine gute Qualität hatte, und was für eine Belohnung man dafür verlangen kann. Das war alles geregelt auf eine bestimmte Art und Weise, die man nicht umgehen konnte. Das war so eine Diktatur in dem Sinn ...“124
120 Langhamer. In: GR 9/1985, S. 13. 121 „Die gesamte Kulturpolitik in der Tschechoslowakei, die Förderung der Bildung, die Erziehung und der Unterricht werden im Geiste der wissenschaftlichen Weltanschauung, des Marxismus-Leninismus, und in enger Verbindung mit dem Leben und der Arbeit des Volkes verwirklicht“ (Artikel 16 § 1). „Der Staat fördert gemeinsam mit den gesellschaftlichen Organisationen auf jede mögliche Weise die schöpferische Tätigkeit in Wissenschaft und Kunst, strebt eine zunehmend breitere und tiefere Bildung der Werktätigen und ihre aktive Mitwirkung am wissenschaftlichen und künstlerischen Schaffen an und achtet darauf, dass die Ergebnisse dieser Tätigkeit dem ganzen Volk dienen“ (Artikel 16 § 2). Dewetter/Šimek 1986, S. 29. Vgl. Boyer 2008, S. 471. 122 Grundriss 1980, S. 235. 123 Bárta 2008, S. 80. 124 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002.
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Die Künstler standen wegen dieses Auftragsvergabe- und Verkaufssystems nicht nur in absoluter finanzieller Abhängigkeit der zuständigen Autoritäten. Oftmals waren sie auch Entscheidungen ausgeliefert, deren Ursache ihnen unbekannt blieb und deren Ausgang nicht anfechtbar war. Es handelte sich um eine „verdeckte“ Zensur, denn immerhin bestanden die Mitglieder der Jurys aus Glasgestaltern und Kunstwissenschaftlern, die vor allem nach ihren persönlichen ästhetischen Kriterien urteilten, also einen professionellen Ansatz bei der Entscheidungsfindung mitbrachten. Wasmuth: „Die Jury bestand also immer aus Glasgestaltern?“ Harcuba: „Ja, immer aus Glasgestaltern und auch aus Theoretikern, und immer war jemand dabei, der den Sekretär machte. Und das wurde von Leuten dann, nach der Wende ’89, dargestellt als Diktatur, eine Beschränkung der Freiheit, weil wer nicht die Qualität mitbrachte, wer nicht die Schule hatte, der wurde nicht angenommen und das haben manche dann als kommunistische Diktatur angesehen, was aber nicht stimmte. Das stimmte nur in dem Bereich der Freien Kunst.“125
1950 begann eine Phase der Verfolgung von Gegnern in den eigenen kommunistischen Reihen. Auch wurden Studenten wegen Konflikten ihrer Familienmitglieder mit dem System drangsaliert. Jiřina Žertova, die sich 1950 immatrikuliert hatte, sollte zunächst die Schule verlassen, denn „obwohl mein Vater als Agraringenieur beim Ministerium für Kontrolle bis circa 1951 arbeitete, wurde er dann strafversetzt, weil er nicht Kommunist war, in das Staatliche Institut für Landwirtschaftliche Planung“.126 Žertová konnte ihr Studium nach kurzer Unterbrechung fortsetzen und 1955 wie geplant beenden. Sie blieb sogar noch ein Jahr an der Schule und machte eine Aspirantur bei Kaplický. Aspiranten waren wissenschaftliche Assistenten, eigentlich Doktoranten, der Professoren an der VŠUP für jeweils drei Jahre und wurden für die „Funktion eines Schulenden“ ausgebildet.127 125 Ebenda. 126 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. Inwiefern die Anstellung im Staatlichen Institut für Landwirtschaftliche Planung minderwertig war, lässt sich nicht rekonstruieren. In jedem Fall scheint sie aus einer wohlhabenden Familie zu stammen. Nach 1989 erhielten sie und ihre Schwester das enteignete Familiengut „Tuklatý“ zurück, wo Žertová heute ein zweites Studio unterhält. Besuch in Tuklatý am 27.06.2003. 127 Hübnerová 1958, S. 114. Von 1958 bis 1961 war Vladimír Kopecký drei Jahre lang Aspirant bei Professor Josef Kaplický. Vor ihm hatte schon Adriena Šimotová von 1950 bis 1953 eine Aspirantur bei ihm erhalten. Václav Hanuš (1924–2009) wirkte von 1949 bis 1951, Rudolf Jurnikl (1928–2010) ab 1953 und Václav Plátek (1917–1994) ab 1954 als Aspirant bei Professor Štipl. Auch Jiří Harcuba war Ende der 1950er Jahre Štipls Aspirant. Harcuba: „Und das war – das waren wieder diese Zufälle, das er [Štipl] zufällig jemanden brauchte, der ihm dabei half, dass ich zufällig dabei war, als diese Aspirantur ausgeschrieben wurde ...“ Wasmuth: „Wie habe ich mir so eine Aspirantur vorzustellen?“ Harcuba: „Das muss es an den Universitäten überall geben. Nach abgeschlossenem Studium bekommt man einen speziellen Studienplan, das war für drei Jahre, und mein Betreuer oder Leiter war eben Professor Štipl. Ich bin eigentlich in dem Sinne sein letzter Student gewesen, weil er schon im Ruhe-
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Das Programm für die Aspiranten wurde zum Teil durch ÚBOK vorgegeben.128 Dagmar Kudrová hingegen wollte gerne nach ihrem Schulabschluss an der VŠUP studieren. Sie wurde jedoch wegen ihrer bourgeoisen Herkunft abgewiesen und schrieb sich stattdessen an der Glasfachschule in Nový Bor ein.129 Überhaupt wurde der Zugang zum Hochschulstudium nur ausgewählten Studenten gewährt. Václav Cigler vermutete: „Studenten, die Protektion erhielten, wurden von bestimmten ausgewählten Leuten in einem Auswahlverfahren angenommen. Die Klassen waren etwa mit 30 Leuten besetzt, etwa drei Viertel von ihnen waren unter Protektion.“130
Der Tod von Stalin im März 1953 brachte keine sofortige Entspannung. Erst mit dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorwiegend Prominente und einige Lagerinsassen rehabilitiert, die während des Terrors wegen angeblicher „Spionage“ und „Hochverrats“ verfolgt worden waren.131 Nun wurde die Restaurierung einer generellen künstlerischen Vielgestaltigkeit offiziell bekräftigt, solange sich die Kulturschaffenden öffentlich in gesellschaftliche Probleme und die aktuelle Parteipolitik „einmischten“.132 Die Öffnung erster „legaler Räume“ für Kritik im Kulturbereich133 widerlegte die Planbarkeit gesellschaftlicher Prozesse, welche sich als stand war, aber er hat mich noch für diese [Aspirantur] genommen. Ihm bedeutete das gar nichts, drei Jahre bekam er Gehalt dafür. Ich machte halt das mit, was vorgeschrieben war: also Philosophie, Englisch, Russisch und die Hauptarbeit, Gravur, die gezielt war auf die Industrie. Also das Programm damals war eingebettet in das Programm von ÚBOK und meine Aspirantur war ein Bestandteil dieser ganzen Entwicklung, das waren immer wieder Wettbewerbe für neue Entwürfe. Und ich habe mich halt drei Jahre damit befassen können, ich wurde bezahlt. Ich hatte ein Gehalt, denn das ist kein Studium mehr, da ist man schon mehr ein Lehrer, Aspirant für eine pädagogische Tätigkeit.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 128 Zu ÚBOK siehe Kapitel 5.2.3. 129 „Im Jahr 1948, zu Beginn des Kommunismus, war ich in der Grundschule im letzten Jahr. Wir haben jeder ein großes Plakat über den Aufbau und den Fünfjahresplan gemacht. Der Lehrer dekorierte mit ihnen die gesamte Schule. Ich war ziemlich stolz, dass ich eine so große Karte gemalt habe. Also, alle rieten mir, dass ich nach Prag gehen sollte an die UMPRUM. Also machte ich den Test. Aber unser Großvater hatte einst eine Fabrik […] Mein Vater riet mir, zu der Glashütte zu gehen. Ich ging zu einem Zeichensaal und dann nur an die Schule in Bor.“ Übersetzung des Interviews Dagmar Kudrová mit Milan Hlaveš vom Oktober 2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 12.04.2013). 130 Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. 131 Freisprüche wurden nur sehr selten gewährt. Am „15. Jahrestag der Befreiung durch die sowjetische Armee“, am 9. Mai 1960, erlangten auch politische Häftlinge Amnestie und die Mehrzahl der damals 8.708 Häftlinge wurde befreit. Goudoever 1988, S. 92, 95. 132 Chvatík 1988, S. 141; Wasmuth 2010, S. 493. 133 Auf der Parteikonferenz am 11. Juni 1956 wies KSČ-Parteichef Antonín Novotný öffentlich auf Fehler und Mängel in der Parteiarbeit hin. Diese seien durch die Anwendung der falschen Thesen des früheren sowjetischen Staatschef Iosif Stalins zustande gekommen. Chvatík 1988, S. 127, 139; Goudoever 1988, S. 92.
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das Herz der kommunistischen Utopie darstellten. Dieses Herz litt an Rhythmusstörungen, denn je länger die Tschechoslowakei existierte, umso nichtssagender waren ihre kulturpolitischen Beschlüsse für den Glasbereich. Hatte sich die tschechoslowakische Kunstszene während der stalinistischen Ära bis 1957 noch weitestgehend an den administrativen Voraussetzungen und ideologischen Grundlagen orientiert, die von dem Bruderland vorgegeben wurden, so verursachten die Enthüllungen über die dogmatische Verhärtung und Erbarmungslosigkeit des stalinistischen Systems eine Ernüchterung unter den tschechischen Künstlern. Diese waren nach Ende der Protektoratszeit der festen Überzeugung gewesen, sie dienten einer gerechten Sache, einer neuen Gesellschaft ohne Klassenunterschiede und soziale Ungerechtigkeit. Nun traten viele von ihnen aus der KSČ aus.134 Ein Vergleich ausgewählter Glasarbeiten, die während der stalinistischen Zeit entstanden waren, mit solchen, die von denselben Künstlern nur wenige Jahre später für Auslandsausstellungen konzipiert wurden, veranschaulicht diesen Bruch in der Einstellung ikonographisch (vgl. Abb. 68, 69 und 72 mit Abb. 85, 91 und 107).135 Grundsätzlich bevorzugten sie nun den Objektcharakter bei Glasarbeiten in konsequenter Ablehnung des gebrauchsbetonten Industrieerzeugnisses der Vergangenheit. In der Phase der Normalisierung in den 1970er Jahren stellten sich – jedenfalls formal – die bildenden Künstler wieder in den Dienst der KSČ, denn in ihren Reihen sei das „ernsthafteste Hindernis für den Differenzierungsprozeß und die politische Konsolidierung“ zu suchen.136 Nachdem die kommunistische Partei zur Gleichschaltung der kritischen Öffentlichkeit ein Verbot zahlreicher Zeitschriften aussprach und die Zensur im Bereich aller Medien verschärfte, wurden in Überprüfungskommissionen (prověrkové komise) die ideologische Gesinnung von mehr als 70.000 Mitgliedern der KSČ kontrolliert.137 Zu den Parteimitgliedern, die die militärische Niederschlagung des Prager Frühlings am 21. August 1968 verurteilten, zählte Miloslav Klinger. Als Teilnehmer des 14. Parteitags der KSČ in Vysočany, das eine signifikante Rolle beim zivilen Widerstand spielte, wurde er nach 1970 politisch verfolgt. In Folge verlor Klinger zwar nicht seine Arbeit als Gestalter bei Železnobrodské sklo, ihm wurde jedoch verboten, eigene Entwürfe in Atelierarbeit umzusetzen und auszustellen. Der Künstler hielt sich jedoch keineswegs an diese Vorgaben, sondern schuf weiterhin geschnittene und gemeißelte Skulpturen aus gebrauchten, vorgefertigten Rohlingen. Diese wurden jedoch
134 Jiří Harcuba trat bereits 1950 aus Protest aus der Partei aus, nachdem die Werkstatt seines Vaters verstaatlicht worden war. (Merker 2003, S. 10) Nach 1956 verließen nach eigenen Angaben die Künstler Vratislav Šotola, René Roubíček und andere die Partei. (Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004) Eine zweite Welle der Austritte folgte der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Jan Kotík verließ 1969 die Tschechoslowakei und arbeitete bis zu seinem Tod als freier Künstler und Gastdozent in Westberlin. Pánková 1990, o. S. 135 Wasmuth 2010, S. 493. 136 Grundriss 1980, S. 335. 137 Spiritova 2010, S. 80.
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nicht mehr ausgestellt, selbst nicht im Rahmen von Gruppenausstellungen. Seit 1980 litt Klinger an Parkinson und musste seine Arbeit einstellen.138 Nach dem XV. Parteitag der KSČ im April 1976 folgte eine intensive Kampagne in sämtlichen Medien, in der sich zahlreiche Künstler und Intellektuelle vehement von der Charta 77139 distanzierten. Im Januar 1977 kamen Künstler, vor allem Schauspieler, im Prager Nationaltheater zusammen und berieten über das vorgelegte Anti-Charta-Dokument „Für neue schöpferische Taten im Namen des Sozialismus und des Friedens“.140 Glaskünstler hingegen nahmen gerade in diesen Jahren einen ganz eigenen Weg. Sehr viele von ihnen konzentrierten sich in den 1970er Jahren auf die freie Atelierarbeit, die sie bereits in den 1960er Jahren aufgenommen hatten.141 In einen tatsächlichen Konflikt mit dem Regime kamen nur wenige Glaskünstler: Ivan Waulin142, der seine bemalten Glasskulpturen noch 1977 in der Ausstellung „Umělecké sklo“ in Prag präsentieren konnte, wurde wegen seiner sozialen Herkunft – die Familie seines Vaters Alexander Waulin, ein russischer Komponist und Musikjournalist, besaß eine Glas- und Keramikmanufaktur in St. Petersburg – zunehmend unter Druck gesetzt. Ihm wurde die Teilnahme an Wettbewerben und Ausstellungen verboten und auch nahegelegt, das Land zu verlassen, ohne seine Frau und beiden Kinder. Waulins Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide und er starb 1979 an einem Herzinfarkt.143 Ein frühes Beispiel für politische Verfolgung offenbart die Reaktion auf eine kritische Arbeit Jiří Harcubas. 138 Langhamer 2003, S. 178. 139 Im Jahr zuvor hatten sich Dissidenten zusammengeschlossen, um auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen, die im Widerspruch zu der vom tschechoslowakischen Außenminister unterschriebenen Schlussakte von Helsinki standen. Hauptsächliche Verfasser und Sprecher der Erklärung waren Václav Havel, der Philosoph Jan Patočka und der ehemalige Außenminister Jiří Hájek. Anfang Januar 1977 wurde die Charta 77 mit 242 Unterschriften in zahlreichen europäischen Zeitungen veröffentlicht, allerdings nicht in der Tschechoslowakei. Vgl. Heumos 1999; Piotrowski 2009, S. 255; siehe auch Spiritová 2010, S. 28 f. Glaskünstler gehörten nicht zu den Unterzeichnern. 140 In der offiziellen Auslegung stellte diese parteipolitisch inszenierte Kampagne ein Signal für den „Normalisierungsprozess“ dar: „Diesem Dokument gaben etwa 15.000 Künstler und Kulturschaffende aus allen Bereichen des künstlerischen Schaffens ihre Unterschrift. Praktisch alle namhaften Künstler unterstützten so die Politik der Partei, verurteilten die umstürzlerischen Versuche des Klassenfeindes und verpflichteten sich, ihre ganze Kraft in den Dienst der sozialistischen Gesellschaft zu stellen.“ Šeda/Musílek 1983, S. 180. 141 Ein eigenes Atelier unterhielten neben vielen anderen René Roubíček, Věra Lišková, Jiřína Žertová. Bei Žertovás Studio handelte es sich um ein Künstleratelier aus dem 19. Jahrhundert nahe dem Wenzelsplatz. Besuch am 27.06.2003 mit Bedřich Žert. 142 Alexander Waulin (1894–1976) emigrierte um 1920 nach Böhmen (Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003). Ivan Waulin (1939–1979) absolvierte von 1954 bis 1958 die Kunstfachschule (Strední odborná škola výtvarná) in Prag, bevor er in das Atelier von Professor Kaplický aufgenommen wurde. Sein letztes Jahr an der VŠUP studierte er unter Libenský. Nach seinem Abschluss 1964 war Waulin als freischaffender Glaskünstler tätig. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Auslandsausstellungen präsentiert. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 143 Petrová 2001, S. 207.
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Für die Exiltschechen in Chicago entwarf er auf Vermittlung von Artia144 eine Medaille zum 50. Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei 1968.145 Als Reaktion auf die militärische Intervention veränderte Harcuba den fertigen Entwurf, indem er der eine Linde pflanzenden Frau Gewehre und fünf Bajonette hinzufügte. Dieses ungehörige Bild konnte nicht missverstanden werden. In Chicago wurde der Münzentwurf enthusiastisch aufgenommen und ging in Prägung, was zeitverzögert auch in Prag zur Kenntnis genommen wurde.146 Im Januar 1971 wurde Harcuba verhaftet und wegen „Verleumdung der Verbündeten“ zu einer viermonatigen Haftstrafe verurteilt. Außerdem wurde er fristlos aus seiner Lehrposition als Professor an der VŠUP entlassen und aus dem SČSVU ausgeschlossen. Im September des folgenden Jahres trat Harcuba die Haft an, zunächst in einem Gefängnis für politische Gefangene in Prag und später in der Nähe von Plzeň. Den ersten Haftmonat erinnerte er als „die schlimmste Zeit. Ich machte Arbeit in einem Raum ohne Fenster und musste Umschläge für Wertpapiere kleben. Die Natur habe ich am meisten vermisst“.147 Nach seiner Entlassung begann für Harcuba eine Zeit der freischaffenden künstlerischen Tätigkeit und er nutzte nun das 1969 gemeinsam mit einem Freund errichtete eigene Atelier in Prag. In diesem Atelier hatte er zwei Gravurmaschinen untergebracht, die er von seinem Vater bekommen hatte. So konnte er selbstständig arbeiten, ohne von Betriebswerkstätten abhängig zu sein.148
144 Siehe Kapitel 6.3, S. 422. 145 In Křížová 1996, Kat. Nr. 385, S. 118, ist eine Medaille Harcubas zum 50. Jahrestag der Staatsgründung abgebildet – da nur eine Seite mit einer Frau im Profil mit Lindenblattbekrönung dargestellt ist, bleibt offen, ob es sich um dieselbe handelt. 146 Der Emigrant Rafael Kubelik lud das Prager Philharmonieorchester anlässlich einer Tournee in der Schweiz im August 1969 in seine Villa in Kastanienbaum bei Luzern ein. Dort übergab er jedem der über 100 Ensemblemitglieder eine dieser Medaillen im Etui. (Kubelik hatte Anfang der 1950er Jahre als Musikdirektor das Chicago Symphony Orchestra geleitet.) Nach ihrer Rückkehr nach Prag zeigten sie geschlossen die Brisanz der politischen Aussage an und eine offizielle Untersuchung wurde eingeleitet. 1969 konnte Harcuba selbst über Wien (wo ihm der Kontaktmann aus Chicago, Bohuslav Blahut, das Honorar in bar auszahlte) und die Schweiz nach Italien reisen, wo er in Mailand einen Werkstattkurs leitete. Nach Mailand konnte auch seine Jan-Palach-Gedächtnismedaille im Herbst 1968 durch das Art Centrum ausgeführt werden, so dass er dort auch selbst ein Exemplar bekommen konnte. Diese wurden zwar später bei einer Hausdurchsuchung Harcubas duch einen „Gerichtsvollzieher“ beschlagnahmt, ihm aber inklusive der Gipsformen zurückerstattet. Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 147 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 148 Nach dem Tod seines Freundes kaufte Harcuba das Atelier „für gutes Geld“ dessen Witwe ab, so dass ihm das Atelier danach allein gehörte. Es handelte sich um einen Neubau mit großen Fenstern, an dessen Wänden Fotos seiner Arbeiten von Jindřich Brok angebracht waren. Viele seiner bekannten Glaswerke mit Porträtschnitten befanden sich in diesem Studioraum, aber auch Rohglasblöcke zur Weiterverarbeitung, die Harcuba bei verschiedenen Glashütten, zum Beispiel Karlovarské sklo, bestellt hatte. Aber auch unfertige Stücke, bei denen der Entwurf mit einem Edding aufgetragen wurde, waren im Werkraum zu sehen. Besuch des Ateliers in Prag 6, Navětru 14, mit Jiří Harcuba, 17.12.2002.
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Genau wie Miloslav Klinger verwehrte man Harcuba zunächst die Teilnahme an Ausstellungen im Inland und sozialistischen Ausland. Beide nahmen nicht an der großen Überblicksschau „Angewandte Kunst aus der ČSSR“ teil, die 1972/73 durch die DDR tourte. Diese Ausstellung informierte darüber, „wie sich in der ČSSR Produktionsbetriebe verschiedenster Bereiche Hand in Hand mit Künstlern und Entwerfer bemüh[t]en, die Bedürfnisse der sozialistischen Gesellschaft zu erfüllen“.149 In diese Gruppe gehörten regimekritische Künstler nicht hinein. Politische Inhalte konnten aber auch ganz subtil über Glaskunstwerke kommuniziert werden, so dass Zensurmaßnahmen nicht griffen: 1980 organisierte Helmut Ricke im Kunstmuseum Düsseldorf eine Ausstellung mit dem Titel „Licht – Form – Gestalt: Objekte aus geschliffenem Glas“, bei der ursprünglich ausschließlich Arbeiten von Václav Cigler gezeigt werden sollten, die dann allerdings als Gruppenschau konzipiert wurde.150 Diese bildeten dann immerhin noch die größte Gruppe von Exponaten: geometrische Skulpturen aus optischem Glas (Brillenglas) oder Bleiglas, deren konkave Flächen bei Durchsicht den Blick auf den Raum verzerrten, ihn regelrecht „auf den Kopf“ stellten, oder deren Lüster diese grotesk widerspiegelte und damit offensichtlich als politisches Statement begriffen werden mussten. Ricke beschrieb Ciglers erweiterte Kontextualisierung des Werkstoffes im Katalog der Ausstellung: „Das Material als Vermittler neuer Sehweisen, als Medium der Sensibilisierung für eine neue Erfahrung der Umwelt, für eine Überprüfung der vorgefundenen Realität.“151 Der Fotograf Jan Svoboda inszenierte diese Exponate bereits um 1969 in einem umfangreichen Bilderzyklus als metaphorische Modifizierer grauer Stadtlandschaften. Manche dieser Aufnahmen fanden im Düsseldorfer Begleitband Verwendung (Abb. 35).152 Der XVI. Parteitag der KSČ im April 1981 legte fest, dass die Kulturpolitik „einen zielstrebigen Kampf um das Bewusstsein der Künstler zu führen, systematisch für ihre ideologische Entwicklung zu sorgen“153 habe. Belege für eine solche gezielte Beeinflussung auf Glasschaffende lassen sich nicht finden. Überhaupt muss konstatiert werden, dass die Planbarkeit künstlerischer Prozesse während der siebziger und achtziger Jahre zu Formalien wurden. Im Allgemeinen hatten sich Glaskünstler mit den Gegebenhei149 Siehe Geleitwort von Gerhard Pommeranz-Liedtke, Direktor der Kunstsammlungen zu Weimar, im Katalog, Adlerová 1972b, o. S. 150 Interview mit Václav Cigler, Prag, 26.06.2003. 151 Ricke 1980, S. 9. 152 So auch schon im Katalog der Ausstellung „Objecten van glas en ceramiek uit tsechoslowakije“ in Rotterdam und Leiden 1970. Svoboda (1934-1990) arrangierte Ciglers Objekte auf anderen Fotografien aus dieser Serie absichtlich so, dass herausgebrochene Pflastersteine im Hintergrund zu sehen waren: Ein offener Protest gegen den Einmarsch der Truppen der Warschauer-PaktStaaten und gleichzeitig eine Hommage an deren künstlerische Erhabenheit vor dem bleiernen Alltagshintergrund. Diese Bilder konnte er nicht publizieren (Interview mit Václav Cigler, Prag, 26.06.2003). Zwei dieser Fotografien befinden sich im Archiv der Steinberg Foundation. 153 Zur wichtigsten Aufgabe gehöre ein „komplexes System der ästhetischen Erziehung der Werktätigen als untrennbarer Bestandteil ihrer kommunistischen Erziehung“. Šeda/Musílek 1983, S. 181.
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ten abgefunden und ihre eigene Arbeit in den beschriebenen Nischen weiterverfolgt.154 Offiziell wurde der gelockerte Umgang mit ideologisch nicht stimmiger Kunst als Kurzsichtigkeit beklagt: „In der Kunstkritik sind nicht selten Oberflächlichkeit und Subjektivismus statt kritischer Analyse zu finden. Es fehlt der wirkliche Kampf um die Werte und die marxistisch-leninistischen schöpferischen Prinzipien. Oft werden ideologische Mängel übergangen, und es wird nur die formale Seite des Werkes hervorgehoben.“155
1985 änderte sich mit den von Gorbačev eingeleiteten Reformen Perestroika und Glasnost die Situation zunächst nur im Produktionsbereich, ein Wandel in der Kulturpolitik vollzog sich erst ab 1987. Nun fanden in schneller Reihenfolge mehrere Ausstellungen mit Arbeiten von zuvor boykottierten Glaskünstlern statt.156 Der Systembruch im November 1989 brachte für die tschechischen Glaskünstler eine neue Alltagsrealität mit sich, die eine Klärung ihrer Einstellung gegenüber dem überkommenen Regime verlangte. Viele von ihnen behaupten heute retrospektiv, Glaskunst hätte im Sozialismus keine propagandistische Funktion erfüllt, weil sie eben nicht als Freie Kunst betrachtet wurde und deshalb – anders als die Werke bildender Künstler – auch nicht für die Darstellung politischer Themen missbraucht wurde.157 Alena Adlerová bestätigte diese Einschätzung: „Zum Glück war das Glas nicht im Zentrum des politischen Interesses. Man konnte dort relativ alles präsentieren, was es gab.“158
Ihre Behauptung muss jedoch in zwei Richtungen interpretiert werden: Zum einen entstand ein geschützter Freiraum für künstlerische Entfaltung, zum anderen profitierte das kommunistische Regime in vielerlei Hinsicht auch in Form propagandistischer Eigenwerbung von den Resultaten der Glasgestaltung. Wie diese Untersuchung zeigt, erfüllte nämlich Glaskunst sehr wohl eine Funktion im sozialistischen Kulturbetrieb: teils vordergründig, wie im Fall der zu stalinistischer Zeit bei der Firma J. & L. Lobmeyrs 154 Einen offenen Bruch mit dem zunehmenden Liberalisierungsprozess stellt jedoch die Emiritierung Stanislav Libenskýs 1987 dar, die gegen seinen Wunsch durchgesetzt wurde. Siehe Kapitel 4.3, S. 213. 155 Šeda/Musílek 1983, S. 185. 156 Bemerkenswert war die Gruppenausstellung „Kopecký plus 8“ in der mittelalterlichen Burg Kopeckýs Geburtsortes Svojanov und eine Glasplastikschau in der Parkanlage Vojanový sady in Prag. Siehe auch die Glasrevue der Jahre 1987 und 1988 für zahlreiche Veranstaltungen in alternativen Ausstellungsräumlichkeiten. Ivo Bock datiert die kulturpolitische Kurskorrektur für die bildenden Künste auf 1988. Bock 1992, S. 124. 157 Siehe Kapitel 5.1.2, S. 245. Siehe auch Aussage von Karel Wünsch und Jiřina Žertová in: Oldknow 2005, S. 59. 158 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003.
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Neffe, Stefan Rath in Kamenický Šenov entstandenen gravierten Vasen mit den Porträts von Edvard Beneš (Abb. 7) und Iosif Stalin, teils indirekt, als dekoratives Element in den tschechoslowakischen Botschaftsgebäuden und in öffentlichen Gebäuden im Inland, teils subtil, wie bei Auslandsrepräsentation im Rahmen von Ausstellungen oder als wichtiger Devisenbringer. Wie beim Tanz, der berühmten Laterna Magica, oder beim Sport konnte der Staat mit der nonverbalen Kunstform Glas in der ganzen Welt seine Leistungsfähigkeit zeigen. Besonders nach 1968 spielte diese Motivation seitens des Regimes eine große Rolle. Glas gehörte also bei weitem nicht zum typischen Werkstoff von Dissidentkünstlern, wie von manchen Kunsthistorikern vermutet wurde. Vor allem amerikanische Autoren159 nahmen an, die tschechischen Glaskünstler hätten sich durch ihren hartnäckigen Glauben an die Umsetzung individueller künstlerischer Absichten gegen staatliche Gängelung behaupten und emanzipieren können, seien also per se als Oppositionelle zu bezeichnen. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass sich die tschechischen Gestalter an der künstlerischen Entwicklung in anderen Kunstgattungen orientierten und sich – sei es auch nur zum Zweck der selbstbewussten Abgrenzung der eigenen Arbeit – Anregungen an der Glasgestaltung im Ausland suchten. Eine Inspiration waren sicherlich die Ausstellungen bedeutender italienischer, deutscher oder skandinavischer Glasdesigner in Prag.160 Ferner informierten die einschlägigen einheimischen Fachmagazine ab 1950 über die Leistungen ausländischer Manufakturen wie Daum, Lalique, Fucina degli Angeli, Venini & C. oder Iittala161 und Künstler wie Bengt Edenfalk, Erwin Eisch, Edward Hald, Harvey K. Littleton, Timo Sarpaneva, Jean Sala, Livio Seguso oder Tapio Wirkkala.162 Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatten tschechische Glaskünstler mit Interesse die Entwicklung in Schweden verfolgt. Alois Metelák, Jaroslav Brychta, Ludvika Smrčková, Jaroslav V. Holeček, und der Glastechnologe Václav Čtyroký163 besuchten 159 Frantz 1994, S. 47, 51; siehe hier auch das Zitat von Paul N. Perrot, Direktor des Corning Museums of Glass, von 1962, S. 48; Oldknow. In: Glass 2/2005, S. 42. 160 Tapio Wirkkala präsentierte seine Glasarbeiten in einer Monoausstellung 1969 in Prag. Eine große Ausstellung finnischen Glases wurde von Jiřina Medková im Kunstgewerbemuseum 1978 kuratiert (Medková 1978). In den Sommermonaten von 1985 zeigte Livio Seguso seine Glasskulpturen im Museum der Nationalen Literatur. Klivar. In: GR 2/1985. 161 Vgl. Soukup. In: Tvář 2/1950; Smrčková. In: Tvář 7/1950; Soukup. In: Tvář 1/1952; Raban. In: Tvář 7/1964; Kotík. In: Tvář 9–10/1964. 162 Vgl. Smrčková. In: Tvář 3/1949; Tvář 8/1949, S. 191/192; Soukup. In: Tvář 10/1949; Smrčková. In: Tvář 7/1950, S. 212–215; Hetteš. In: GR 1–2/1960; FuZ 1/1968; Bohmannová. In: GR 4/1968; GR 3/1969; Maršiková. In: Domov 3/1979; Vojta: In: GR 6/1979; Klivar. In: GR 2/1985. 163 Prof. Dr. Václav Čtyroký (1899–1993) war verantwortlich für die Gründung des Forschungsinstituts für die Glasindustrie in Hradec Králové, als dessen Direktor er von 1926 bis 1948 fungierte. Čtyroký vertrat die Tschechoslowakei als Jurymitglied bei den Weltausstellungen in Barcelona (1929), Brüssel (1935) und Paris (1937) und organisierte eine Reihe von Glasausstellungen im In- und Ausland (Langhamer 2003, S. 124). Neben seiner Forschungstätigkeit war er Repräsentant der ICG (International Commission on Glass). Als Čtyroký 1948 aus politischen Gründen seine Position als Direktor des Instituts verlassen musste, war „er gezwungen, zu einer Arbeit
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mehrmals schwedische Glashütten und publizierten ihre Erkenntnisse in tschechischen Zeitschriften, auf welche die spätere Generation natürlich Zugriff hatte. Jaroslav Horejc reiste nach eigenen Angaben „vielleicht zwanzigmal nach Italien“.164 Auch akquirierte das Prager Kunstgewerbemuseum in den 1930er Jahren eine kleine Sammlung geschliffener und geätzter Gläser aus Skandinavien165, während etwa zeitgleich in der Glasfachschule Železný Brod eine Gruppe geblasener Gläser aus Schweden zu Studienzwecken zusammengetragen wurde. Das Motiv „Studienzwecke“ hob damit auch die Sorge darüber auf, sich vor „westlicher Diversion“ schützen zu müssen.166 Tschechische Glaskünstler reisten zu „Studienzwecken“ in westliche Glaszentren. Jiří Šuhájek beispielsweise unternahm 1971 Studien bei Venini & C. in Murano. Karel Wünsch reiste bereits in den frühen 1960er Jahren nach mehreren Anträgen für mehrere Wochen ins neutrale Finnland, wo er Tapio Wirkkala traf und sich die Produktion bei Iittala und anderen Glashütten anschauen konnte. „Gerade bei der Reise nach Finnland war ich schockiert. Ich kannte ihre Sachen aus den Magazinen und ich dachte, dass es so sei wie bei uns: In Zeitschriften werden die schönen Dinge gezeigt, aber in den Läden seien sie nicht zu finden. Was ich in diesen Zeitschriften sah, gab es einfach in jedem Einkaufszentrum und in jedem Geschäft zu kaufen. Und wenn ich irgendwo in die Häuser kam, hatten sie die gleiche Sache auf dem Tisch.“167
Im Rahmen der Internationalen Glassymposien (IGS) in Nový Bor schließlich, die seit 1982 stattfanden, trafen Glasschaffende aus vielen Nationen auf ihre tschechischen Kollegen (vgl. Abb. 21).168 Über mehrere Tage arbeiteten die Künstler an der Fertigstellung aktueller Entwürfe mit Unterstützung einheimischer Meister der Glasmacherei.169 überzugehen, die weder gesellschaftlich noch fachlich seinem Niveau“ (GR 11/1992, S. 28) entsprach. Erst 1955 konnte er sich erneut als Technologe bei der Firma Rudný průzkum (Erzforschung) der Erforschung von Glas- und Keramikrohstoffen widmen. Hier machte er sich darum verdient, neue inländische Rohstoffquellen zu erschließen, so dass die Tschechoslowakei langfristig unabhängig von Einfuhren von Schmelzsanden aus dem Ausland bleiben konnte. 1992 wurde Čtyroký rehabilitiert und erhielt aus den Händen des damaligen Präsidenten Václav Havel die Medaille Ersten Grades für Verdienste ums Vaterland. Siehe GR 11/1992, S. 28. 164 Maršiková. In: GR 10/1971, S. 291. 165 Siehe Kapitel 6.1.1, Anm. 75, S. 340. 166 In der DDR hingegen war der Kontakt mit westlichen Kunstströmungen weitreichend aufgrund der Befürchtung untersagt, Kulturschaffende könnten im Ausland mit Ideen und künstlerischen Eindrücken in Berührung kommen, die im Widerspruch zur eigenen Kulturpolitik stünden. Lill 2001, S. 6. 167 Übersetzung des Interviews Karel Wünsch mit Milan Hlaveš vom 23.08.2008 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 02.05.2013). Vgl. auch Kapitel 3.3.2, S. 130. 168 Gleich bei der Auftaktveranstaltung nahmen Glasgestalter aus 14 Ländern teil. Stará. In: Av 8/1983, S. 127, 144. 169 Die fertigen Arbeiten wurden zunächst in Schloss Lemberk präsentiert. Vgl. Kapitel 4.2.2, Anm. 258, 259. Siehe auch: Abb. 21.
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Tschechische Künstler waren also nicht von der Entwicklung im Westen abgeschirmt oder gar isoliert. Sie hatten Zugang zu westlichen Publikationen und Fachzeitschriften, wie zum Beispiel domus, Glass posten, The Studio. An illustrated magazine of fine and applied art oder Die Schaulade. Europa-Journal für Porzellan, Keramik, Glas, Hausrat.170 Klare Bezüge auf das Schaffen westlicher Glaskünstler lassen sich in den Arbeiten der tschechischen Autoren jedoch nur begrenzt finden. Bei den Formgläsern der Hütte Emanuel Beráneks in Škrdlovice können Beziehungen zu finnischen Modellen von Timo Sarpaneva171, Tyra Lundgren172 oder Gunnel Nyman173 ausgemacht werden. Die Nationalunternehmen in Nový Bor und Česká Lípa produzierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs Modelle, die im Grunde Imitationen von Vasen Vittorio Zecchins aus den 1920er Jahren waren (Abb. 36 – Abb. 38). Die Oberflächenbehandlung der geblasenen Vasen aus dem Jahr 1963 von Václav Hanuš174, produziert von Jablonecké sklárny, erinnert stark an die „Jäkälä“-Vasen von Tapio Wirkkala von 1949 oder auch Sarpanevas bekannte „Finlandia“-Serie, die zeitgleich entstand. Die tschechische Interpretation grenzt sich jedoch durch die naturalistische Nachahmung einer Baumrindenstruktur von dem abstrakteren finnischen Dekor ab, auch wenn die Techniken nahezu identisch sind. Beim Innerglasdekor gibt es ästhetische Parallelen zwischen dem Harrtyl-Glas und der muraneser Zanfirico-Technik. Diese stellen jedoch bespielhaft die eigenständige Interpretation tschechischer Gestalter dar, denn Harrtyl bezog sich gleichzeitig auf traditionelle inländische Klöppeltechniken175 und stand damit in Einklang mit der Rückbesinnung auf nationale Traditionen. Aber umgekehrt dienten auch die Werke tschechischer Künstler als Inspiration für Glasgestalter im „nichtsozialistischen“ Ausland. So entwarf Karel Wünsch 1967 eine monumentale Wandplastik aus handgeformtem kobaltblauem Glas mit Stahlhalterung für die Kantine des Nationalunternehmens Crystalex in Nový Bor, wo es sich noch heute befindet (Abb. 39).
170 Vgl. Die Schaulade 3/1957, S. 174–177, 182; Die Schaulade 5/1957, S. 342; Gestalt im Heim 9/1957, S. 311. Der Zugang zu diesen Zeitschriften wird in Kapitel 5.2.3. behandelt. Auch westliche Glaskünstler verfolgten nach eigener Angabe die Veröffentlichungen in tschechischen Magazinen, in denen ausführlich über die inländische Szene berichtet wurde. 171 Helmut Ricke hat in einem Aufsatz Sarpanevas „Orchidee“-Vase mit Emanuel Beráneks freigeformten Vasen verglichen (siehe Ricke 2005c, S. 117). Sarpanevas „Aurinkopallo“- Objekt von 1956 (Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 650) mit den sich verbindenden Glasfäden erinnert stark an Lubomír Blechas Vase aus dem Jahr 1966 (Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 913), abgebildet in Ricke 2005a, Kat. Nr. 8, S. 140. Blechas Vasenform und -farbe sowie die Parallelstellung der Fäden weist sie allerdings eindeutig als Neuinterpretation aus. 172 Die von Milena Velíšková entworfenen Muschelschalen von 1951 sind stark an jene vielpublizierten von Lundgren für Venini & C. angelehnt, siehe Abbildung in GR 1/1951b, S. 13. 173 Auch Helmut Ricke hat auf die enge Verwandschaft von Nymans „Facett I“-Schale mit Ludvika Smrčkovás geschliffener Schale im UPM hingewiesen, siehe Ricke 2005c, S. 134. 174 Abgebildet in Pantůčková GR 10/1973, Abb. 3, S. 3. 175 Vgl. Matoušek. In: GR 10/1955, S. 6.
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Wünsch: „Für den Kantinenkomplex war ein jugoslawischer Architekt verantwortlich. Der Direktor wünschte sich für die große Wand etwas aus Glas. Er rief mich und sagte, ich solle den Architekten treffen. Das war meine erste Begegnung mit einem fremden Architekten, zuvor hatte ich nur mit einheimischen zusammengearbeitet. Das Gebäude stand noch nicht, aber er zeichnete mir einen präzise dimensionierten Raumplan. Nach 14 Tagen hatte ich zehn oder elf Vorschläge, von denen er drei auswählte. Er überließ es mir … es gab keine Provision. Also wählte ich denjenigen aus, der mir am liebsten war. […] Ich sollte einen 1:1-Karton anfertigen, 14 Meter lang, 4,20 Meter hoch, niemand wusste, wo ich eine Halle finden könnte, um ihn auszuführen. Ich erinnerte das Theater und lieh mir die Bühne für eine Woche aus. Also machte ich den Karton über eine Woche immer zwischen den Vorführungen. Er füllte die ganze Bühne. Unser alter Schmied Žaloudek realisierte ein wundervolles Design für die technische Konstruktion. 15 Kilo pro Element! Ich wollte, dass es an der Wand in der Luft zu schweben schien. [...] Bis heute ist es dort. Seit 35 Jahren und es fällt nicht herunter. Seit ’67.“176
Wünsch wurde für diese Arbeit mit dem Nordböhmischen Kulturpreis ausgezeichnet. Konzeptionell gleicht das Projekt der seriell produzierten „Patchwork“-Serie aus den Venini-Studios, die nur ein Jahr später erstmalig vorgestellt wurde (Abb. 40). Dies ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Parallelen bei der Lösung gestalterischer Problemstellungen über die Grenzen des Eisernen Vorhangs hinweg. Wie dargestellt, erhielt auch die aufkommende Studioglasbewegung der USA wichtige Impulse vom tschechischen Glasschaffen. Als Anfang der 1960er Jahre eine Konferenz von Pädagogen und Künstlern in Prag stattfand, kam deren Protagonist Harvey K. Littleton erstmalig in Kontakt mit zeitgenössischer Glaskunst aus der Tschechoslowakei.177 Die offizielle Kulturpolitik hingegen forderte wiederholt die Verwendung realistischer Ikonographie, der Einheitskunst, auch für die angewandten Künste. Zeitzeugen bestätigen diese inoffiziellen Vorgaben für das Glasschaffen.178 Nicht so sehr bei den Hüttentechniken, sondern besonders bei den kalten Techniken sind Beispiele solcher Werke zu finden. Neben bleiverglasten Fenstern wurde vor allem die Technik der Gravur, dem Schliff und der Emailbemalung am häufigsten angewendet, um die Forderung nach realistischer Darstellung zu erfüllen. Besonders anschaulich zeigen die Tiefschnitt176 Übersetzung des Interviews Karel Wünsch mit Milan Hlaveš vom 05.09.2004 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 22.04.2013). 177 Die Gruppe fuhr auch gemeinsam mit Karel Wünsch nach Nový Bor und Železný Brod. „Littleton war begeistert von den Glaswerken, die er bei seinem Besuch sah.“ (Interview mit Karel Wünsch, Prag, 26.06.2003). „And so it can be maintained that in 1962 when Harvey Littleton in the USA fired a small glass furnace and started the Studio Glass Movement, Czech glass artists had already established their own foundations for art, aiming in a congruent direction.“ Adlerová/Robinson/ Šetlík/Roubíček 1999, S. 19. 178 „Man sagte mir ‚Lieber Herr Professor, Sie verstehen meine Ideen nicht, Sie müssen von mir lernen‘.“ Interview mit Václav Cígler, Prag, 01.07.2003.
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gläser mit Ernteszenen, Waldarbeitern, Schäfern und Heizern179 von Božetečh Medek180 diesen stilistischen Reaktionismus. Lobmeyr in Kamenický Šenov führte nach 1948 eine ganze Reihe von Porträtvasen berühmter Staatsmänner im Auftrag der kommunistischen Regierung aus. Stefan Rath181 nahm als künstlerischer Leiter wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung dieser Repräsentationsgläser. Er übergab dem deutschen Graveurmeister Max Rössler182 die Porträtvasen für Juan Domingo und Evita Perón183, Iosif Stalin, Edvard Beneš (Abb. 7), Abraham Lincoln sowie Haile Selassi zur Ausführung.184 Gravierte Gläser waren schon seit Jahrhunderten das bevorzugte offizielle Geschenk für ausländische Besucher. Diese Aufträge belegen die Annahme, dass sich das kommunistische Regime bewusst auf historische Handwerkstraditionen berief, um seine Legitimität zu sichern. Die Präsentgläser veranschaulichten die Kontinuität einer nationalen Kulturpflege beispielhaft.185 Zu den Auftragsarbeiten gehörte eine Gruppe von gravierten Gläsern, die sich heute in der Sammlung des Prager Kunstgewerbemuseums befindet. Dabei handelt es sich größtenteils um Vasen, die als Präsentationsgeschenke anlässlich von Sportveranstaltungen, wichtigen Jubiläen und Jahrestagen dienten wie auch zur Ehrung von Persönlichkeiten oder Kollektivleistungen.186 Ein wiederkehrendes Motiv auf gravierten Gläsern von 179 Diese Gläser sind auf Schwarz-Weiß-Fotos im UPM-Archiv unter den Namen des Künstlers – allerdings ohne Inventarnummern – dokumentiert. 180 Zu Medek siehe Kapitel 4.2.3, Anm. 268, S. 182 f. Die gravierte Vase „Heuernte“ von Medek aus dem Jahr 1945 ist abgebildet in: Langhamer 2003, Nr. 142, S. 151. 181 Siehe Kapitel 3.1.2. 182 Rössler (1893–1955) fertigte mehr als 50 Jahre lang Glasgravuren für Lobmeyr in seiner Werkstatt zu Hause in Parchen (Prácheň) an. Baumgärtner 1981, S. 260. Siehe auch Kapitel 3.1.2, S. 77. 183 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003: „Ja, und das war schwierig … die Haare! Und der Rössler Max wusste sich bestimmt keinen Rat mehr. Die Haare, [...] das ist eine Linie neben der anderen. Er hat die Haare halt versucht und es ging nicht und da hat er alles so verschwommen gemacht und der May Josef sagte, weil die haben sich nicht sehr gemocht, die sieht halt aus, wie wenn sie gerade Shampoo in den Haaren hat, Shampoo-Kopf! Und da haben die gelacht, da war der Rössler Max ein bisschen unglücklich.“ 184 Die Vasen für Stalin, Beneš, Lincoln und Haile Selassi entstanden 1948/49 (siehe Abb. 7 und Abbildungen in: Baumgärtner 1981, S. 264, 265, 268). Die Vase mit dem Bildnis Stalins war 1948 in Auftrag gegeben worden. Rössler fertigte das Porträt, während Rupert Kolrus und August Bischoff Junior den übrigen Dekor ausführten. 185 „Today the engraving tool is essentially the same as it was in the sixteenth century. Engraved glass served a commemorative purpose as early as in the eighteenth century.“ (Pešatová 1968, S. 8, 21) „In schöpferischer Weise knüpfte es dabei an die fortschrittlichste nationale kulturelle Tradition an und gab ihr in Glas eine völlig neue, überzeugende Gestalt. Wenn der Kunsthistoriker V. V. Štech seinerzeit [in den 1940er Jahren] geschrieben hatte, dass ‚die tschechische Kunst ihrem Wesen nach romantisch ist, wie ein Märchen oder eine Reminiszenz wirkt, hymnisch oder symbolisch ist und immer wieder in die Vergangenheit zurückkehrt‘, ließ sich die Charakteristik der Mal- und Bildhauerkunst vorbehaltlos auch auf das Glas anwenden, das die besten Gestalter bzw. Graveure im Lauf dieser Jahre schufen.“ Langhamer. In: GR 11/1975c, S. 13. 186 Rupert Kolrus und Josef Švarc führten Entwürfe für Gedenkgläser aus. Nach dem Entwurf von Jaromíra Lipská-Straková gravierte Kolrus 1948 eine Vase, die anlässlich des 600. Geburtstages
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Ludvika Smrčková187, Luboš Metelák188, Božetěch Medek189, Jindřich Tockstein190, aber auch René Roubíček191, Bohumil Vele192 und anderen stellten Prager Stadtansichten dar. Zum Gedenken an das Massaker von Lidice entstand eine Serie von Vasen mit dem Motiv der Rose, von Ludvika Smrčková entworfen.193 Die Glasmanufaktur Moser, Karlovarské sklo in Karlovy Vary lieferte auf Bestellungen namhafter Persönlichkeiten Trinkglasgarnituren nach Vorkriegsdesigns ins Ausland194. Die Neuauflage historischer Entwürfe wurde nicht immer kenntlich gemacht, denn gerade diese konnten für harte Devisen ins westliche Ausland veräußert werden. Als die Glashütte Inwald 1945 verstaatlicht wurde, produzierte die zu Sklo Union gehörige Rudolfova huť in Teplice weiter mit ihren alten Pressformen.195 Vielleicht wurden solche Formen bei guten Verkaufszahlen auch erneuert.196 Die Rudolfova hut’ produzierte ab 1948 beispielsweise Vasen mit Fischen und Wasserpflanzen nach einem Modell der Inwald-Glashütte aus dem Jahr 1934 in großer Auflage. Zwar wurden anfangs die originalen Pressformen verwendet, aber die aufwendige Nachbearbeitung, welche vor 1939 üblich war, ersparte man sich. Nach 1972 wurden diese Vasen von dem Staatsunternehmen in Libochevice hergestellt und in die USA exportiert.197 Skloexport hat ab 1949 originale Musterbücher von Hoffmann, Schlevogt und Halama einfach kopiert und als aktuell dargestellt. Dabei wurden sowohl die Aufmachung der Tafeln, die Grafiken und die Nummerierung der Gläser übernommen.198 Um sie als authentisch historische Originale verkaufen zu können, wurden diese neuen Gläser auch der Karlsuniversität in Auftrag gegeben worden war. Švarc gravierte ein Jan-Amos-KomenskýPorträt nach dem Design von Milena Bártová-Korousová. Beide Gläser sind abgebildet in Langhamer 2003, Nr. 158, S. 165. 187 Vgl. Vase von 1949: Lněničková 2002, S. 150. 188 Vgl. Vase mit Deckel von 1966: Mergl/Pánková 1997, Nr. 281, S. 257. 189 Vgl. Pešatová 1968, Nr. 130. 190 Tockstein (1914–1975) entwarf eine große Anzahl von Gravurgläsern für Repräsentationszwecke, vgl. Langhamer. In: GR 11/1975d, S. 21. 191 Vgl. Vase von 1946: Ricke 2005a, Kat. Nr. 224, S. 286. 192 Vgl. Schale von 1955: Langhamer 2003, Nr. 162, S. 168. 193 Vgl. Abbildungen bei Adlerová. In: GR 2/1978. „Sie hat zu Lidice, dem Ort als Denkmal, ein Rosenmotiv gemacht, das haben wir auch graviert.“ (Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003) Über die Gedenkkultur zu Lidice siehe die Veröffentlichungen von Eva PluhařováGrigienė. 194 Die Garnitur „Adele“ von 1922/23 wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Schah Mohammed Reza Pahlavi, dem Maharadscha von Travancore, König Faruk von Ägypten, dem afghanischen König Ammanulah, den Präsidenten vom Libanon und El Salvador wie auch von dem französischen Staatspräsidenten René Coty bestellt. Mergl/Pánková 1997, S. 147. 195 Geiselberger. In: PK 1/2006, S. 346. 196 Eigentlich kann man die Unterschiede zwischen alten und neuen Pressformen desselben Designs nur erkennen, wenn man zwei Gläser nebeneinanderstellt. 197 „Denn da kannten sich die Käufer nicht so gut aus.“ Geiselberger. In: PK 3/2011, S. 287. 198 Erst um 1952 wurde begonnen, die Nummern der Gläser in ein einheitliches, zentral verwaltetes System zu übertragen und das Layout zu modernisieren. Fotografien ersetzten dabei oft Grafiken
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nicht extra gekennzeichnet. Die Aufrechterhaltung der Produktion von Vorkriegsmodellen während der gesamten sozialistischen Ära ist ein weiterer Hinweis für die These, dass die tschechoslowakische Regierung neben der Lukrativität dieser Exportprodukte auf den Fortbestand traditioneller Kulturleistungen großen Wert legte. Besonders die historischen Gläser tschechischer Künstler wurden nach 1945 neu hergestellt. Das Exbor Studio von Crystalex in Nový Bor produzierte über lange Jahre Jaroslav Horejcs „Bacchus“-Vase von 1922.199 Auch der Entwurf für eine Bechervase von Gerhard Gollwitzer vom Juni 1942 wurde von Moser in Karlovy Vary noch langjährig nach dem Zweiten Weltkrieg produziert. In kommerziellen Verkaufskatalogen der Glashütte von 1969 wurde jedoch fälschlicherweise Věra Lišková, die erst seit 1950 als Gestalterin bei Moser tätig war, als Autorin des Designs genannt.200 Das Sujet der gravierten Dekoration hätte potentiell wegen seines Entstehungsdatums in die ideologische Nähe zum NS-Regime gerückt werden können. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dieser Fehlangabe nicht um ein Versehen handelte. Die Technik der Gravur war von allen Glasveredelungstechniken diejenige, die sich am meisten für einen Rückgriff auf ein kollektives Geschichtsbewusstsein eignete.201 Gleichzeitig verkörperte sie mit ihrer Eigenschaft, figürliche Szenen realistisch abbilden zu können, in idealtypischer Weise die Anforderungen des sozialistischen Realismus. Obgleich graviertes Glas Assoziationen mit historisch von deutschen Glashütten produziertem Glas erzeugen musste, erlebte es in der sozialistischen Tschechoslowakei eine Renaissance und dies vor allem bei Dekors, die dem sozialistischen Realismus verpflichtet waren. Durch den Fortbestand der Gravur wurde eine Neuinterpretation der Gegenwart geschaffen, der die Visualisierung einer neuen Ikonographie mit ausgeprägter Selbstbehauptung der tschechoslowakischen Nation zugrunde lag und auch die Hoffnung auf wirtschaftliche Prosperität. Gelegentlich finden sich ebenfalls Beispiele im handgeschliffenen Glas, die in der Manier des sozialistischen Realismus gestaltet waren (Abb. 41). Auch diese Technik zitierte beispielhaft eine „Wiedergeburt“ tschechoslowakischer Handwerkskunst.202 Die Pflege kultureller Traditionen wurde dabei stets als Beitrag für die materielle und gesellschaftliche Entwicklung der Republik gesehen. Künstler, die Mitglied der KSČ waren, widmeten sich ab 1950 bereitwillig dem Gestalten von sozialistisch-realistischen Themen. Pavel Hlava beispielsweise führte eine Reihe von Auftragsarbeiten für gravierte Sportpokale und Porträtvasen mit kommunistischen Politikern aus, die auf Schwarz-Weiß-Photos im Prager Kunstgewerbemuseum von Gläsern. Auch nachgemachte Etiketten „Ingrid“ wurden unterschiedslos für Gläser von Halama, Hloušek und Schlevogt verwendet. Geiselberger. In: PK 1/2006, S. 344. 199 Siehe Abbildung in: Langhamer/Vondruška 1991, S. 104. 200 Es handelt sich dabei um die Bechervase „Schön Rotraut“, die eine Szene aus dem Gedicht Eduard Mörickes darstellt. Mergl/Pánková 1997, S. 174, 184. 201 Wasmuth 2006, S. 118. 202 „The motifs remniscient of classical reliefs or symbolical representations of harvest, crops, plenty, the seasons, etc. are a proof of the mature artistic sense of the craftsmen who design them.“ GR 5/1953, S. 7.
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dokumentiert sind.203 Als Parteimitglied musste der junge und idealistische Hlava, wie auch Stanislav Libenský, vermutlich keinen inneren Widerstand überwinden, um sich mit Motiven des sozialistischen Realismus ikonographisch auseinanderzusetzen, obgleich dann beide in den 1950er Jahren einen künstlerisch eigenständigen Stil verfolgten. Nach der kommunistischen Machtübernahme stellte Libenský zwei Bleiglasfenster mit den Titeln „Fünfjahresplan“ und „Genossenschaft“ für öffentliche Gebäude her, die den neu eingeschlagenen politischen Kurs linientreu illustrierten204 (Abb. 68, Abb. 69). Zuvor hatte er allerdings eine Serie von kaltnadelradierten und emailbemalten Schalen und Vasen entworfen, die von seinen Studenten oder Werkstattleitern an der Glasfachschule in Nový Bor zwischen 1946 und 1948 ausgeführt wurden. Hier experimentierte Libenský mit räumlichen Effekten, die sich aus Form und Dekor ergaben. Neben figurativen Darstellungen von Stieren, Pferden, Märchenmotiven, Clowns, Seiltänzern und Mädchen beim Wäscheaufhängen finden sich religiöse Sujets, „Die drei Marien“, „Die drei Magi“, „Prophet“, „Die Vertreibung aus dem Paradies“ und „Das Letzte Abendmahl“ (Abb. 20).205 Derartige Gläser schuf ebenfalls Josef Hospodka in Nový Bor.206 Auch Adolf Matura beschäftigte sich 1946/47 mit der Abbildung religiöser Themen, wie mit der „Christianisierung Mährens“ durch die Heiligen Kyrill und Methodus (Abb. 42).207 Obgleich es sich bei dieser Vase um Maturas Examensarbeit im Atelier Professor Karel Štipls handelt, ist erkennbar, dass sein Monogramm nachträglich herausgeschliffen wurde. Die Darstellung sakraler Themen verbat sich nach 1948 von selbst, so dass der Bruch in der Sujetwahl anschaulich den Wechsel der politischen Macht in der Tschechoslowakei zeigt. Gern gesehen waren von nun an Motive aus parteikonformen Themenbereichen. Für die Landwirtschaftsausstellung in Třebon 1954 schuf Jaroslava Brychtová um 1949 neun Paneele aus gegossenem und geschliffenem Glas, die sich figurativ mit dem Sujet „Fischer“ auseinandersetzten (Abb. 43, Abb. 44). Es galt das Prinzip der sozialistischen Einheitskunst, die durchweg als beispielgebend proklamiert wurde, weil sie „allgemein verständlich“ sei: 203 Folgende Fotos gravierter Gläser von Hlava sind im UPM-Archiv (ohne Inventarnummern) vorhanden: Fahrradrennen, Schwimmwettkampf, Siegerehrung mit Lindenblättern (Vase: UPM Archiv Inv. Nr. 4832-1/3) und Skilanglauf. Auf einem weiteren Foto findet sich die Vase mit dem Porträt von Josef Krosnář (1891–1968), Minister der tschechoslowakischen Regierung und der Nationalversammlung, welche Hlava zu dessen 60. Geburtstag geschaffen haben muss. 204 Ebenfalls abgebildet in: Wasmuth 2010, Abb. 2 u. 3, S. 495; Vgl. Kapitel 6.1. 205 Beteiligt an der Umsetzung der Entwürfe Libenskýs waren Věra Gottwaldová, Otokar Novák, Antonín Vogl und andere. Für Abbildungen der genannten Gläser siehe Ricke 2005a, Nr. 138, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 150, 151, 152, S. 221–234. 206 In der Gravurabteilung unter Karel Hrodek wurden „David und Goliath“, „Das Wunder von Kanaan“ und „Das Letzte Abendmahl“ nach Hospodkas Entwürfen 1945 umgesetzt. Siehe Entwurfszeichnungen in Langhamer 2002, o. S. Diese und Libenskýs religiöse Gläser wurden kurz darauf zum Anlass genommen, die örtliche Fachschule zu schließen. Siehe Kapitel 4.2.2, S. 178. 207 Das herausgeschliffene Monogramm ließ sich in situ mit der Lupe ausmachen.
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„Die tschechischen und slowakischen Künstler wendeten [sic] sich in dieser Periode [nach 1949] dem Realismus zu. Keineswegs jedoch im Sinne einer bloßen Beschreibung, sondern in dem Bestreben nach tiefem Durchdringen der Wirklichkeit. Sie waren bemüht, diese im Einklang mit den besten Kräften des nationalen Lebens und seiner Traditionen auszudrücken und die große Aufgabe der Kunst im gesellschaftlichen Geschehen [...] zu erneuern. Sie mussten sich deshalb mit der Frage der allgemeinen Verständlichkeit auseinandersetzen.“208
Das Prinzip der sozialistischen Einheitskunst wurde allerdings im Glasbereich nicht stringent vermittelt, nicht zuletzt, weil in den Ateliers für Glasgestaltung an der VŠUP und den Glasfachschulen Professoren unterrichteten, die der liberalen Kunstszene der Vorkriegsgesellschaft angehört hatten und gezielt künstlerische Individualität förderten.209 Im Widerspruch zu den erwähnten Arbeiten in Glas, die eine Konformität mit den Vorgaben des sozialistischen Realismus aufwiesen, stellte sich der Großteil der tschechoslowakischen Glaskunst bemerkenswert vielschichtig dar. Bereits Anfang der 1950er Jahre experimentierten die Studenten aller Glasausbildungszentren mit neuen Ausdrucksmöglichkeiten der traditionellen, aber auch diversen innovativen Techniken. Sie wurden von ihren Dozenten dazu angehalten, das Medium Glas aus dem bekannten Kontext in eine zeitgemäße Bildsprache zu transferieren. Josef Kaplický fasste das neue Studienfach „Glasgestaltung“ an der VŠUP mit dem allerhöchsten künstlerischen Anspruch auf und ermunterte zu individuellem Atelierschaffen. Die Studenten von Professor Kaplický zeichneten zunächst mit Bleistift und Tinte oder malten mit Gouache abstrakte Entwürfe für Dekore auf Papier, Karton oder andere Untergründe. Dann wurden Passepartouts mit den Umrissen von Tellern, Vasen, Schalen, Dosen oder anderen Glaskörpern über diese Designs gelegt – eine neuartige Verbindung von zwei- und dreidimensionaler Kunst entstand. Man kann behaupten, dass diese Unterrichtsmethode als geschickte Tarnung für das Unterrichten abstrakter Kunst diente. Die Zeichnungen und Gouachen waren ohne Passepartout betrachtet nichts anderes als das und standen trotzdem offiziell nie im Mittelpunkt der Beurteilung seitens Kaplický, der eigentlich akademischer Maler und Bildhauer war.210 Die Glasar208 Lamač 1958, S. 12. 209 Josef Kaplický (1899–1962) war Maler, Grafiker, Bildhauer, Illustrator und Schöpfer von Glasmosaiken und „Vitraillen“, also kein Glasexperte. Er beschäftigte sich mit dem Werkstoff ausgehend von seiner Erfahrung auf anderen Gebieten der bildenden Kunst. Die Gleichwertigkeit der verschiedenen Kunstgenres in seiner Lehre war von Vorteil für seine Studenten, denen er den Weg für einen künstlerischen Umgang mit Glas ebnete. Sein Kollege Karel Štipl (1889–1972) konzentrierte seinen Unterricht vornehmlich auf die Tradition der Glyptik (Schneidekunst) und die Gestaltung und Dekoration von Pressglas. Prinzipiell erhielten seine Studenten eine klassische Bildhauerausbildung und spezialisierten sich erst dann auf Glas. Siehe Kapitel 4.3. Für die anderen Lehrstühle siehe auch: Pachmanová 2005a, S. 63, 75. 210 Siehe Kapitel 4.3 und Oldknow 2005, S. 59. Die Rakow Research Library des Corning Museum of Glass, Corning NY, ist im Besitz einer umfangreichen Sammlung – fast 3.000 Blätter – von Designzeichnungen von über 30 Künstlern aus den Jahren 1946 bis 1968. Es handelt sich dabei
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beiten selbst wurden größtenteils bereits in ihren Entstehungsjahren verkauft. Auch das Kunstgewerbemuseum in Prag kaufte eine Reihe repräsentativer Arbeiten der Studenten an.211 In jedem Fall lässt sich konstatieren, dass seitens der Behörden keinerlei Beanstandungen dieser Arbeitsweise im Atelier Kaplickýs erfolgten. In der Zeit der Normalisierung fertigte allerdings Vladimír Linka neben seinen figurativen Gravüren zu Märchen von Božena Němcová noch die Vase „Dank der Sowjetarmee“ an und stellte sich damit mit großem zeitlichen Abstand freiwillig in die Tradition des sozialistischen Realismus212 (Abb. 45). Auch Jan Černý, der von 1947 bis 1968 Glasschnitt an der Glasfachschule in Železný Brod unterrichtete, schuf eine Reihe von patriotischen Schmelzglasplastiken für die Künstlerkooperative Maják (Leuchtturm) in Jablonec nad Nisou (Abb. 46). Ein anderer Schüler Medeks, ein Kollege Černýs, der technisch vielseitige Glaskünstler Antonín Drobník, schuf neben zahlreichen Entwürfen für Gebrauchs- und Dekorationsglas wiederholt Bildthemen, die in Einklang mit der offiziellen Propaganda waren, allerdings ohne dem sozialistischen Realismus anzuhaften. Immerhin hatte auch er nach seiner Ausbildung in Železný Brod die VŠUP in Prag absolviert und das dortige eher liberale Klima erfahren. Sein Werk „Slowakischer Nationalaufstand“ von 1980 beispielsweise ließe sich ohne Kenntnis des Titels sicherlich nicht ohne weiteres als gegenständlich deuten (Abb. 47). Vermutlich wurde gerade angesichts der Tatsache, dass sich einige Glaskünstler langfristig bereitwillig in den Dienst der KSČ stellten, der Nischenstatus dieser Kunstgattung dauerhaft gesichert. Als der lukrative Verkauf von Glaskunstwerken ab Mitte der 1960er Jahre beständig zunahm, befreite sich das Genre mehr und mehr von parteipolitisch formulierten Restriktionen.213
5.2 Staatliche Verbände und Fördereinrichtungen für Glaskünstler Das allgemeine Interesse an Kunst und Kultur wurde in der Tschechoslowakei systematisch vermittelt. Sowohl Kindergärten, Schulen, Weiterbildungsinstitute, Hochschulen als auch Printmedien, Funk- und Fernsehanstalten verfolgten und propagierten ein einheitliches Kulturprogramm. Die Homogenität der ideologisch korrekten Inhalte dieum ein Konvolut, welches sich zuvor im Besitz der Steinberg Foundation befunden hatte. Diese wiederum hatte die Zeichnungen in den 1980er Jahren auf Vermittlung des Art Centrums direkt von den Autoren erworben. Die Autorin archivierte und katalogisierte diese Zeichnungen in den Jahren 1997/98, welche sich zu dieser Zeit als Leihgabe im Kunstmuseum Düsseldorf befanden. 211 Siehe Kapitel 6.1.1, Anm. 106, S. 345. Das Museum erwarb allerdings nicht die dazugehörigen Skizzen. 212 Linka hatte bereits 1940 als Student der UMRUM eine Vase mit „Großmütterchenmotiv“ nach dem bekannten Roman von Němcová ausgeführt. Vgl. Langhamer. In: GR 6/1977, S. 5. 213 Siehe Kapitel 6.3 zum Glaskunsthandel. Drobník (1925–2007) hatte nach seiner Fachschulausbildung von 1940 bis 1943 in Haida das Atelier von Prof. Štipl an der UMPRUM besucht. 1949 machte er seinen Abschluss. Von 1951 bis 1978 arbeitete er bei Železnobrodské sklo.
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ses Programms gewährleisteten diverse staatliche Einrichtungen, die speziell zu diesem Zweck ins Leben gerufen worden waren. Schon wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde ein Gesetz zur kulturellen Erziehung erlassen, das die Konzeption der Funktion des Staates und seiner Kulturpolitik sowie die Möglichkeit ihrer Durchsetzung regelte. Eine wesentliche Veränderung folgte zu Beginn der 1950er Jahre mit der graduellen Einführung von Gesetzen, die eine weitere Demokratisierung der kulturellen Entwicklung der Gesellschaft fördern sollten. Moderne Kunst wurde damals entweder als „ideologisch“, im gewünschten Stil des sozialistischen Realismus, oder in Abgrenzung als „formalistisch“ bezeichnet.214 Zur Unterstützung der kulturpolitischen Lenkung im Bereich der Glasgestaltung schuf man administrative Voraussetzungen, die sich zunächst in der Verstaatlichung der Produktions- und Veredelungsbetriebe äußerten, dann in der Auflösung aller künstlerischen Verbände, der Institutionalisierung des Ausstellungswesens sowie der Publikationseinstellung der existierenden Fachzeitschriften. Neue Kultureinrichtungen und Verbände sowie ein neues Prämiensystem wirkten mit Einsetzen der Tauwetterperiode mitunter förderlich für Glaskunstschaffende, auch wenn ihr formaler Auftrag in der Mobilisierung künstlerischer Aktivitäten im Interesse parteipolitischer Leitmotive lag.
5.2.1 Künstlerverbände In der Tschechoslowakei existierten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Reihe von Künstlervereinigungen und Kunstclubs, die im Frühjahr 1956 aufgelöst wurden.215 Künstler aller Gattungen waren von nun an im Verband Tschechoslowakischer Bildender Künstler216 (Svaz československých výtvarných umělců – SČSVU) organisiert, deren Mitglieder kategorisch als beispielhaft und vorbildlich in ihrem Œuvre bezeichnet wurden. 214 „Zu Beginn der fünfziger Jahre wurde daher eine ‚ideologische‘ und eine ‚formalistische‘ Kunst unterschieden. Damit wurde die moderne Kunst einer schweren Prüfung unterzogen. Der ‚formalistische‘ Künstler wurde nicht verfolgt oder persönlich eingeschränkt, aber sich an einer Ausstellung zu beteiligen, wurde ihm erschwert oder gar unmöglich gemacht. Überdies wurde er dem Drucke intensiver, überzeugter Beeinflussung und einseitiger Information ausgesetzt und ökonomisch diskriminiert.“ Chalupecký 1966, o. S. Siehe Kapitel 5.1.4, Anm. 117, S. 256. 215 Das Präsidium des vorbereitenden Ausschusses des Verbandes der tschechoslowakischen Künstler unter Vorsitz von Antonín Pelc legte am 7. März 1956 eine Erklärung vor, dass alle Kunstvereine aufgelöst werden sollten, da sie „den Aufbau des Sozialismus behindern“. Als Grundlage diente ein am 3. März 1956 von Joseph Skučkem unterzeichnetes Referendum, das die Verordnung des Innenministeriums vom 20. September 1951 über die gemeinnützigen Vereine und Versammlungen aufgriff. In der Publikation der Verordnung Nr. 320, § 5, Absatz 3, steht: „Vereinigungen können aufgelöst werden, wenn ihre Existenz nicht dabei hilft, den Sozialismus aufzubauen oder ihn sogar hemmen.“ 216 Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 430. Der Verband ging 1956 aus der bereits 1947 gegründeten Vorgängerorganisation Zentralverband tschechoslowakischer Bildender Künstler (Ústřední svaz československých výtvarných umělců) hervor.
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Die beigetretenen Künstler verschworen sich offiziell dem gemeinsamen Anliegen, „die marxistisch-leninistische Kulturpolitik in den einzelnen Bereichen des künstlerischen Schaffens zu verwirklichen“217 und waren mit diesem Anliegen und in dieser vorgeblich „gewerkschaftlichen“ Zusammensetzung repräsentativ für die generelle gesellschaftliche Neuordnung des Landes. In erster Linie war die Zugehörigkeit zu diesem Verband – die zunächst auf Absolventen der AVU und der VŠUP beschränkt war – allerdings notwendig, um überhaupt ausstellen und verkaufen zu können. Die Mitglieder erhielten Sozialleistungen, wie sie auch in dem westlichen Äquivalent der Künstlersozialkassen üblich waren. Da ein Großteil der Glaskünstler als Betriebsgestalter, als Sachverständige oder als Dozenten in festem Arbeitsverhältnis standen, waren sie – anders als bildende Künstler – finanziell nicht auf die Verbandsmitgliedschaft angewiesen. Miloslav Babický, Jaroslav Brychta, Václav Cigler, Antonín Drobník, Bohumil Eliáš, Václav Hanuš, Jiří Harcuba Ladislav Havlas, Pavel Hlava, Karel Hrodek, Miloslav Klinger, Vladimír Kopecký, Jan Kotík, Stanislav Libenský, Věra Lišková, Adolf Matura, Miloslav und Václav Plátek, René Roubíček, Ludvika Smrčková und František Zemek waren allerdings Mitglieder im Verband.218 Als zentraler Geldgeber entstand 1954 der Tschechische Fonds der Bildenden Künste (Český fond výtvarných umění – ČFVU).219 Anders als im SČSVU waren ausnahmslos alle Glaskünstler, die Teil dieser Untersuchung sind, im Fonds registriert und leisteten einen Pflichtbeitrag von 2 Prozent ihres Einkommens. Er wurde ideologisch vom Zentralverband gesteuert, unterstand aber direkt dem Kulturministerium.220 Der Fonds war von Anfang an als monopolistische Organisation bei der Vermittlung von Kunstwerken und den dazugehörigen Dienstleistungen konzeptioniert und fungierte als Sammelstelle öffentlicher Finanzmittel für Einkauf und Unterstützung der bildenden Künste. Ihm oblag das Verkaufsprivileg an Privatpersonen als auch das Vorrecht, Kunstwerke an sozialistische Organisationen zu liefern.221 217 Šeda/Musílek 1983, S. 182. 218 Hetteš 1955, S. 9–15; UPM-Archiv. Matura gehörte auch zu jener Kommission, die sich 1970 um eine Kontinuität des Verbandes einsetzte, nachdem dieser im Vorjahr aufgelöst worden war. Mikeš 2013, S. 9. 219 Grundlage war das Gesetz 115/1953 Sb. zum Urheberrecht und die Regierungsverordnung 128/1954 Sb., in der seine Bestimmung wie folgt definiert wurde: „Die Mission des Fonds verleiht Schriftstellern, Musikern, Komponisten und Künstlern günstige Bedingungen für kreatives Arbeiten, trägt damit zur Entwicklung neuer Literatur und Kunst bei und dient dem Aufbau des Sozialismus und kulturellen Fortschritt der Menschen“ (Übersetzung). Das Urhebergesetz wurde mit Gesetz 35/1965 Sb. und 69/1969 Sb. redigiert und war dann bis 1993 in Kraft. 220 Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 434. Das Kulturministerium wurde auf einer gesamtstaatlichen Konferenz des KSČ im Rahmen von Dezentralisierungsmaßnahmen aufgelöst. Sein Zuständigkeitsbereich wechselte zum Schulministerium, aus dem 1956 das Ministerium für Schulwesen und Kultur (MŠAK) hervorging (Knapík 2010, S. 100/101). Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Beitrag scheinbar auf 3 Prozent angehoben, vgl. Dewetter/Šimek 1986, S. 35. 221 Mit Gründung des Art Centrums im Dezember 1964 wurde dieser Aufgabenbereich abgegeben. Siehe Kapitel 6.3.
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Die Monopolstellung des ČFVU begrenzte formal die „Möglichkeit, minderwertige Werke zu verbreiten“.222 Seine Mitglieder konnten sich aber aktiv in die Ausrichtung von Ausstellungen in inländischen Ausstellungshallen wie Mánes, Hollar, Galerie bratří Čapků, Galerie V. Špály, Galerie Vincenc Kramař, Frágnerova galerie in Prag, Galerie J. Krále in Brno, Galerie J. Trnky in Plzen und Galerie Díla in Ústí nad Labem einbringen. Diese finanzierte das Unternehmen Dílo (Werk), das dem Verband eingegliedert war. Dílo verwaltete die Ausstellungsräume des Fonds, veröffentlichte Kataloge, beschaffte Entwürfe für Projekte aller Art, wickelte diese und alle anderen kommerziellen Bestellungen ab und lieferte eigenständig an seine Kunden. Der ČFVU bestand ab 1966 aus zwei Abteilungen, neben der SČSVU auch der Architektenvereinigung Svaz architektů223, welche die veranschlagten staatlichen Fonds verteilten, eine Reihe von künstlerischen Aufträgen finanzierten und Ausstellungen organisierten. Im selben Jahr organisierte der SČVU eine große Glasausstellung in der Václav Špály Galerie, bei der neben Arbeiten von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová auch Werke von Václav Cigler, Pavel Hlava, Vladimír Jelínek, Vladimír Kopecký, Dagmar Kudrová und Břetislav Novák Senior gezeigt wurden.224 Der für ÚBOK tätige Glaskünstler Vratislav Šotola hatte diese Schau für den Verband konzipiert und auch den Katalog herausgegeben.225 Das für den Verband eingerichtete Verrechnungszentrum Steuern (Zúčtovací středisko daně) regelte die Abgabe von Einkommen aus allen Arten von künstlerischen Aktivitäten. Seinen Mitgliedern sicherte der Verband ein staatliches Einkommen, welches als Entlohnung für in Auftrag gegebene Arbeiten und in Form von Subventionen für die Realisierung größerer Projekte oder für Reisestipendien ausgezahlt wurde.226 Die Arbeiten, welche im Rahmen dieser Subventionen entstanden, wurden durch Dílo und später durch Art Centrum ausgestellt oder direkt veräußert. In jedem Jahr verlieh der ČFVU einen eigenen Preis an Künstler, den Pavel Hlava 1967 und Václav Cigler 1968 erhielt. Der Verband gab Zeitschriften heraus und besaß einen eigenen Verlag mit Druckerei, der Dílo angegliedert war. Allmählich profilierte sich eine kritische Opposition im ČFVU, das sich aus dem Korsett der administrativen Reglementierungen zu lösen begann. Im Jahr 1968 unterstützte der Fonds geschlossen den politischen Wandel Prager Frühling (Pražské jaro). 222 ČFVU 1977, o. S. 223 Geteilt mit der Regierungsverordnung 2/1966 Sb. 224 Der SČVU organisierte im Jahr 1970 sowohl eine Monoausstellung für Václav Cigler als auch für Vladimír Kopecký in der Galerie Václav Špály. Für Pavel Hlava richtete der Fonds eine Monoausstellung in der Galerie Vincenc Kramař in Prag im Dezember 1970 aus. Vladimír Jelínek erhielt eine Einzelausstellung im Januar 1984 in der Prager Galerie bratří Čapků, welche der SČVU für ihn organisiert hatte. Břetislav Novák Senior hingegen wurde 1977 allein in drei Prager ČFVUGalerien vom SČVU präsentiert: J. Fragner, Václav Špály und Plátyz. Auch die Arbeiten anderer Glaskünstler wurden in Soloausstellungen in den Räumen des SČVU gezeigt, so wie Ludvika Smrčková 1970 bei Galerie Vincenc Kramař oder Jaroslav Svoboda in gleich drei Prager Galerien im Jahr 1977. 225 Klasová 2002, S. 78. 226 Der Fonds zahlte außerdem Beiträge für die Errichtung von Ateliers. ČFVU 1977, o. S.
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Auch der SČSVU erklärte sich solidarisch mit den Protestierern und veröffentlichte hierzu eine relativ milde Erklärung, welche jedoch vorsichtig den Schwerpunkt auf Themen der visuellen Kultur legte.227 Auf parteipolitischen Druck löste sich der Verband daraufhin bei seinem IV. Kongress im Rahmen der Normalisierung 1969 selbst auf und das Ministerium für Schulwesen und Kultur gründete als Dezentralisierungsmaßnahme zwei neue streng selektive Verbände228, den Verband der tschechischen Bildenden Künstler (Svaz českých výtvarných umělců – SČVU) und den Verband der slowakischen Bildenden Künstler (Zväz slovenských výtvarných umelcov – ZSVU). Vorgeblich zur Festigung auswärtiger Beziehungen, um beispielsweise eine Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu ermöglichen, stellte das Innenministerium die Kontrolle über diese neu aufgestellten Künstlervereinigungen sicher.229 Finanziert wurden die beiden neuen Verbände durch den ČFVU und den SFVU (Slowakischen Fonds der bildenden Künste – Slovenský fond výtvarného umenia), welche den Künstlern überdies Stipendien, Sachmittel sowie Darlehen gewährten.230 Da der ČFVU alle aus dem reformierten Künstlerverband ausgeschlossenen Mitglieder in seinen Akten registrierte, konnten diese weiterhin von dessen finanziellen Mitteln profitieren231 und brauchten keine außerkünstlerische Berufstätigkeit aufnehmen. Denn so galt die in der sozialistischen Tschechoslowakei obligatorische berufliche Beschäftigung als gegeben. Die Mitgliedschaft in diesen Organisationen setzte nicht mehr eine Anstellung in der Glasindustrie voraus, sondern konnte auch von nicht fest angestellten Künstlern wahrgenommen werden. Seitens des ČFVU wurde ihnen bei Eintritt nun das Recht auf freiberufliche Atelierarbeit zugesichert. Die Zulassung beschränkte sich allerdings auf das Territorium der Tschechoslowakei. Direktaufträge aus dem westlichen Ausland durften grundsätzlich nicht angenommen werden. Obgleich es also ab 1970 möglich blieb, als freischaffender Glaskünstler zu arbeiten232, waren die Bedingungen nach wie vor schablonenhaft, denn der Verband wurde rechtlich damit betraut, über diejenigen Künstler, welche nicht ihre Mitglieder waren, zu entscheiden. Zu diesem Zweck 227 Siehe Abdruck in Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 328. 228 Nur 8 Prozent der ehemaligen Mitglieder konnten im Verband verbleiben. Alle anderen wurden aufgrund einer personellen Beurteilung der Partei ausgeschlossen. Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 459. Zum SČVU siehe Mikeš 2013. 229 Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 344. 230 Lamač 1958, S. 12; vgl. Kapitel 5.1. 231 Diese wurden zuvor über ihre Teilnahmeberechtigung für die Registrierung beim Fonds politisch überprüft. Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 459. 232 Dieses Recht nutzten auch künstlerische Handwerker, Restauratoren von Kunstwerken und Innenarchitekten. Zwar existierten im Vergleich zur DDR nicht die gleichen Produktionsschwierigkeiten für künstlerische Arbeiten hinsichtlich des Ressourcenmangels, doch Künstler wie Jiřina Žertová berichteten von einer allgegenwärtigen Notwendigkeit zur Improvisation. So habe sie Waschbretter aus Kupfer eingesetzt, um bestimmte Oberflächenstrukturen für ihre freigeblasenen Objekte bei Chřibská zu erreichen. Einige dieser Kunstwerke befinden sich noch immer in ihrem Wohnhaus in Baba. Besuch bei Jiřina Žertová in Prag, am 29.06.2003 und Gespräch mit der Künstlerin in Berlin am 16.01.2007.
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wurde ein zentraladministratives Netz aufgebaut, das die Leistungen aus künstlerischer Tätigkeit, von Dílo233 und alle Architekturleistungen registrierte. Die Kooperation mit Architekten war äußerst profitabel, da ein Gesetz die öffentlichen Bauträger dazu verpflichtete, einen bestimmten Anteil der Baukosten für die künstlerische Ausgestaltung neu zu errichtender Bauwerke aufzuwenden.234 Aufträge dieser Art waren für Glaskünstler regelmäßig verfügbar. Weil außerdem die Vergabe der höchst lukrativen Messe- und Ausstellungsaufträge monopolistisch dem ČFVU oblag, blieb die staatliche Kontrolle über vom Verband vorgeschlagene Werke gewahrt und eine Mitgliedschaft konnte damit nicht wirklich als freiwillig bezeichnet werden. Wenn man die Gehälter von fest angestellten Glasgestaltern betrachtet, wird das Interesse an staatlichen Aufträgen nachvollziehbar: Svoboda: „Aber schauen Sie sich das Verhältnis der Gehälter zueinander an: Meisterglasbläser erhielten damals 6.500 Kronen, was viel Geld war, ich als Chefgestalter der Glaswerke erhielt hingegen nur 2.800 Kronen.“235
Der ČFVU wurde 1994 in die Tschechische Kunstfondstiftung (Nadace Český fond umění) umgewandelt, die ab 2008 als Tschechische Kunststiftung (Nadace českého výtvarného umění) firmierte.236
5.2.2 Ehrentitel und staatliche Auszeichnungen Ehrentitel verlieh der Staat Künstlern, deren Arbeit als „Bereicherung der nationalen Kultur“ verstanden wurde im Rahmen des sozialistischen Wettbewerbs als Analogie zum Leistungsprinzip des Kapitalismus. Um der peinlichen Mutmaßung vorzugreifen, ohne Wettbewerb gäbe es auch keine herausragenden Leistungen, wurden diese in feststehender Logik installiert. Wo es Wettbewerbe gab, wo Künstler eine Ehrung verdienten, gab es eben per se auch außerordentliche Schöpfungen. Als höchste künstlerische Auszeichnung diente der Titel „Nationalkünstler“ (Národní umělec), welcher jedoch bildenden Künstlern vorbehalten war und nur einmalig einer Glaskünstlerin, Ludvika Smrčková, verliehen wurde.237 Seit 1953 wurde zusätzlich noch der Titel „Verdienter Künstler“ (Zasloužilý umělec) eingeführt238, den hingegen Jaroslav Brychta (1965), Pavel Hlava, Stanislav Libenský, Adolf Matura (1971), Václav Plátek, Ludvika Smrčková (1963) und 233 Siehe Kapitel 5.2.1. 234 Siehe Kapitel 5.3, Anm. 404. 235 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Jaroslav Svoboda, Teil 2 vom 27.08.2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 09.04.2013). 236 Homepage der Nadace českého výtvarného umění, URL: (Stand 18.04.2013). Zum Transformationsprozess der staatlichen Kulturförderung vgl. Bock 1992, S. 117–121. 237 Smrčková erhielt den Titel 1978. 238 Mittels der Regierungsverordnung Nr. 55/1953.
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Jozef Soukup (1979) als Anerkennung für ihr Engagement um die nationale Kultur erhielten. Auch wurde einigen Glasdozenten der Titel „Verdienter Lehrer“ (Zasloužilý učitel) zuerkannt, der einer Ehrendoktorwürde gleichkam, so Brychta, Soukup und anderen. Ehrentitel dieser Art dienten den politischen Eliten als Mobilisierungsmittel in einem System, das materielle Anreize grundsätzlich ablehnte. Wer sich in dieses Honorarsystem einfügte, war ein „hochdotierter Kulturarbeiter“ (kulturní pacovník) in scharfer Abgrenzung gegen den dissidenten „Intellektuellen“ (intelektuál), ein im Tschechischen noch heute negativ besetzer Begriff. Neben diesen offiziellen Titulaturen wurden auch staatliche Preise an Glaskünstler verliehen. Sie dienten als Anreiz für beständigen Einsatz, da es an anderen Attraktionen, wie sie in marktwirtschaftlichen Systemen gang und gäbe waren, mangelte. Es existierten unzählige solcher Auszeichnungen, die direkt von Bezirksverwaltungen239, staatlichen Institutionen240 oder auch Ministerien ins Leben gerufen worden waren. Bereits 1947, als erste Glaskünstlerin überhaupt, wurde Věra Lišková mit dem Preis des Industrieministeriums (Cena Ministerstva průmyslu) ausgezeichnet241, im Folgejahr, 1948, erhielt Miluše Roubíčková eine vergleichbare Anerkennung vom Ministerium für Konsumgüterindustrie.242 Die Glaswerke Moser in Karlovy Vary, welche bei der Brüsseler Weltausstellung 1958 mit dem Grand Prix ausgezeichnet worden waren, erhielten als Anerkennung der tschechoslowakischen Regierung im Folgejahr den Orden der Arbeit (Řád Práce) vom Ministerium der Konsumgüterindustrie.243 Der Orden der Arbeit konnte für bahnbrechende Taten bei „dem Aufbau und Sieg des Sozialismus in der Volkswirtschaft“ zuerkannt werden, insbesondere für Verdienste um den Aufbau des Staates und seiner wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung. Die meisten Staatspreise waren nichtmonetärer Natur und nur selten gewannen die Empfänger außer einer Urkunde auch einen tatsächlichen Nutzen aus ihrer Auszeichnung, der sich aus heutiger Sicht rekonstruieren ließe. Eine Ausnahme stellt der 239 Es gab den Karlovy Vary Kurpreis (Lázeňská cena), 1959 an Oldřich Lípa verliehen, den Preis des Regionalen Nationalkommittees (Krajský národní výbor cena) von Ústí nad Labem, der 1960 an Ladislav Oliva Senior, 1963 an René Roubíček, 1966 an Stanislav Honzík Senior sowie Jan Novotný und 1969 an Břetislav Novák Senior vergeben wurde für dessen Leistungen im Bereich des geschliffenen Glases bei Auslandspräsentationen, und auch den Nordböhmischen Kulturpreis (Severočeská kultura cena), mit dem Karel Wünsch im Jahr 1967 ausgezeichnet wurde. 240 Das ÚUŘ verlieh jährlich Preise an Glaskünstler, wie auch sein Nachfolger ÚBOK. Auch die Künstlerverbände SČVU und ZSVU vergaben jährlich eigene Preise. Ähnlich dem CID-Preis wurden diese Auszeichnungen im Rahmen eines Wettbewerbs vergeben. 241 Sie wurde 1960 erneut mit diesem Preis bedacht. Auch Vladimír Jelínek erhielt den Preis des Industrieministeriums im Jahr 1979, Jan Gabrhel 1980 und Jiří Šuhájek 1986. 242 Zu dieser Zeit trug sie noch ihren Mädchennamen Kytková. Sie war noch Studentin an der ÚMPRUM und wurde für den Entwurf eines Tafelglassatzes ausgezeichnet. GR 4/1961, S. 137. 243 Mergl/Pánková 1997, S. 204; Kapitel 6.2.1, Anm. 262, S. 375. Der Orden der Arbeit wurde mit Regierungsbeschluss 30/1951 Sb. vom 3. April 1951 begründet. Jaroslav Brychta erhielt ihn 1960.
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Staatspreis Klement Gottwald (Laureát Státní ceny Klementa Gottwalda) dar244, bei dem abhängig von der „Klasse“ und ob es sich um eine Einzelperson oder eine Gruppe handelte, auch eine steuerfreie Geldsumme Teil der Auszeichnung war. Als erster Glaskünstler überhaupt wurde Miloslav Klinger 1960 mit diesem Staatspreis ausgezeichnet.245 Jeweils am 9. Mai des Kalenderjahres wurde er für beachtenswerte Leistungen des Vorjahres vergeben. Klinger hatte für die Ausstellung in der Moskauer Manège 1959 eine Gruppe von sechs frei geformten Glasmacherfiguren gestaltet. Diese riefen wegen ihrer Bewegtheit und des ungewöhnlichen Formats von 50 Zentimeter Höhe besondere Aufmerksamkeit hervor.246 Da es sich bei dieser Gruppe nicht nur um eine figurative Darstellung des Glasmacherhandwerks handelte und damit exakt das Ausstellungskonzept wiedergab, auch dem Dogma des sozialistischen Realismus nicht zuwiderhandelte, traf Klingers Arbeit vermutlich exakt den Geschmack der Repräsentanten der Regierung, welche ihm daraufhin den Staatspreis Klement Gottwald verliehen.247 Bereits im Vorjahr, 1959, war Miloslav Klinger Empfänger des Staatspreises Für herausragende Arbeit (Za vynikající práci)248, den er vermutlich für seinen Beitrag zum großen Erfolg der Brüsseler EXPO 58 erhalten hatte. Im Jahr 1974 wurde Pavel Hlava und drei Jahre darauf Václav Plátek mit diesem Preis geehrt. Auch Josef M. Hospodka erhielt den Staatspreis Za vynikající práci, und zwar 1964, als er ebenfalls als „Pionier der Sozialistischen Arbeit“ (Průkopník socialistické pracé) ausgezeichnet wurde. Neben den Gestaltern wur244 Der Große Staatspreis wurde 1950 initiiert und 1955 im Gesetz 7/1955 Sb. nach Präsident Klement Gottwald benannt. Er wurde in drei Gruppen vergeben: Die erste für herausragende Leistungen in Wissenschaft, Mathematik, Medizin und Technik. In der zweiten Gruppe wurden Verbesserungen im Herstellungsprozess und neue Methoden ausgezeichnet. Die dritte Gruppe umfasste Werke der Literatur, Kunst, Theater, Musik, Film und Grafikdesign. Neben dem Titel Preisträger des Staatspreises Klement Gottwald und einem Orden erhielten die Preisträger der dritten Gruppe auch 20.000 CZK Preisgeld steuerfrei. Der Staatspreis wurde bis 1989 verliehen. Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 245 GR 9–10/1960, o. S.; 1967 erhielten Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová diese Ehrung. Langhamer. In: GR 11/1986, S. 12. 246 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 380; Hlava. In: GR 1–2/1960, S. 27. Klinger schuf außerdem eine Gruppe von Fischreihern und Pelikanen in derselben Technik für Moskau. Für eine Abbildung eines „Glasbläsers“ siehe: Palata 2005, Nr. 80, S. 106. Für eine Abbildung der Pelikane siehe: Langhamer 2003, Nr. 167, S. 172. 247 Klinger galt zu dieser Zeit als „großer Kommunist“, der jedoch nach 1970 Probleme mit dem Regime bekam und politisch verfolgt wurde als Mitglied des 14. Spezialtreffens der KSČ in Vysočany (siehe Kapitel 5.1.1, S. 260). Ein weiterer Glaskünstler, der mit dem Staatspreis Klement Gottwald ausgezeichnet wurde, war 1967 René Roubíček. Auch Glastechniker wurden mit dem Preis ausgezeichnet, so Jaroslav Staněk, der für sein Verdienst um die Automatisierung von Verpackungsglas und anderer Glaswaren geehrt wurde. GR 5/1984, S. 19. 248 Der Staatspreis Für herausragende Arbeit wurde mit dem Regierungsbeschluss 30/1951 Sb. vom 3. April 1951 gestiftet und sollte Personen verliehen werden, die einen wertvollen Beitrag für den Aufbau des Staates und seiner wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung geleistet hatten. Es handelte sich dabei um eine Medaille am Band, die an der linken Brust getragen werden konnte, sowie ein Diplom.
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den auch einzelne Glasmacher für ihre Leistung mit dem Staatspreis Für herausragende Arbeit geehrt. Josef Rozinek, der sich als ausführender Handwerker um eine künstlerische Neugestaltung der Entwürfe von Künstlern wie René Rubíček, Pavel Hlava und vielen anderen verdient gemacht hatte, erhielt den Preis 1965.249 Jeweils zu den runden Jubiläen der Befreiung der Tschechoslowakei wurden gesamtstaatliche Wettbewerbe ausgelobt, an denen sich viele Glaskünstler beteiligten. Dagmar Kudrová nahm erfolgreich beim 15. Jubiläum im Jahr 1960 teil, Vladimír Jelínek und Jan Gabrhel erhielten einen Preis beim 20. Jubiläum 1965. Oftmals fanden die eingereichten Entwürfe bei dieser Art von nationalen Wettbewerben dann als Exponate bei Auslandsausstellungen Verwendung.250 Der Rat für die Produktion bildender Künste (Rada výtvarné kultury výroby – RVKV)251 entstand als Beratungsorgan der Regierung im Dezember 1964. Unter dem Vorsitz der Ministerin der Konsumgüterindustrie Božena Machačová-Dostálová setzte sich der Rat aus Vertretern der Ministerien für Binnen- und Außenhandel, Schwer- und Maschinenbau, Bildung und Kultur von Unternehmen sowie Kunsttheoretikern wie Jindřich Chalupecký oder Zdeněk Kovář und Professoren der VŠUP zusammen. Ab 1972 wirkten auch Mitglieder des Verbandes tschechoslowakischer Architekten (Svaz československých architektů), wie Jaroslav Frágner, im RVKV beratend mit. Die Aufgabe des Rates für die Produktion bildender Künste bestand in erster Linie in der Evaluierung und Koordinierung von Produktions-, Geschäfts- und Kunstorganisationen, die sich mit Formgestaltung beschäftigten. Weiterhin sorgte er für eine Bewertung der Produktion und des Verkaufs von Produkten und schlug der Regierung oder einzelnen Ministerien Rahmenrichtlinien mit den erforderlichen Maßnahmen vor, welche „kulturelle Standards“ gewährleisten sollten.252 249 Rozinek leistete außerdem einen Beitrag zur Erprobung innovativer Hüttentechniken und entwickelte dabei neue Patente. Eine weitere staatliche Auszeichnung, die Rozinek verliehen wurde, war „Meister der kunsthandwerklichen Arbeit“ im Jahr 1970. Hlava. In: GR 3/1971, S. 92; Gelnar. In: GR 5/1984, S. 13. 250 Interview Milan Hlaveš mit Dagmar Kudrová vom Oktober 2006 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 09.04.2013). 251 Das konstituierende Treffen fand im April 1965 statt. Der Rat beschäftigte sich unter anderem damit, ausreichende Produktionskapazitäten für Künstler zu gewährleisten. Eine wichtige Errungenschaft war das Verfassen theoretischer Arbeiten zu allen Themen der Formgestaltung sowie das Studium ausländischer Erfahrungen in diesem Bereich. Der RVKV gab seine eigene Zeitschrift im Auftrag des Czechoslovak Industrial Design (CID) heraus. Die Zeitschrift erschien in tschechischer und englischer Sprache und kommentierte den Wettbewerb für die besten CID, zusammen mit Reflexionen über ihre Bedeutung. Der Rat beendete seine Tätigkeit im Jahr 1972 und wurde durch das Institut für industrielle Formgebung (Institut průmyslového designu – in deutschsprachigen Publikationen nicht als „Industriedesign“ übersetzt) abgelöst. 252 „Durch diese Tätigkeit soll bestimmt werden, welche Erzeugnisse vom Gesichtspunkt ihres gesellschaftlichen Wertes und ihrer Funktion mit ihren Eigenschaften die progressiven Tendenzen im Bereich der Industrieproduktion und des Konsums sowie der Entwicklung des Industriedesigns, der industriellen Formgebung, am besten erfüllen.“ GR 5/1971a, S. 129.
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Anlässlich des Wettbewerbs um den Titel Hervorragendes Erzeugnis ehrte der Rat seit 1966 jeweils zum 21. März herausragende Entwürfe aller Bereiche des Industriedesigns. In einer ganzjährigen Aktion nahm er eine Registrierung und Auswahl der besten tschechoslowakischen Designs vor und vergab die höchste Auszeichnung auf dem Gebiet der industriell hergestellten Erzeugnisse. Auch Glasunternehmen meldeten Produkte für diesen Wettbewerb an, die den Titel Ausgewählt für Czechoslovak Industrial Design (Vybráno pro CID) erlangen konnten. Die zur Auswahl angemeldeten Muster wurden von Fachkommissionen bewertet, deren Mitglieder „prominente Persönlichkeiten unseres öffentlichen, kulturellen und Wirtschaftslebens“253 waren. Alle in die Endrunde gelangten Produkte erhielten ein CID-Signet, mit dem die Hersteller nach marktwirtschaftlichem Vorbild warben, was in Ländern wie der DDR zu Erstaunen führte.254 In fremdsprachlichen Zeitschriften, die sich an den Handel richteten, wurden diese Serien mit dem Logo „Ausgewählt für CID“ beworben.255 Die Teilnahme an dem Wettbewerb war bis 1972 freiwillig. Der Anfang der siebziger Jahre brachte große Veränderungen nicht nur in der Wirtschaft. Zu Beginn dieses Jahrzehnts begann das Regime, die verschiedenen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens vollständig zu „säubern“, indem es neue Organisationen schuf, die zu einem wichtigen Standbein der Normalisierung wurden. Im Jahr 1972 wurde der RVKV aufgelöst und durch das Institut für industrielle Formgestaltung (Institut průmyslového designu – IPD)256 ersetzt. Von nun an waren Industriebetriebe dazu verpflichtet, sich um den Preis 253 Ebenda. Die Wettbewerbsordnung regelte Gesetz 23/1965 Sb. vom 5. März 1965. 254 FuZ 4/1974, S. 3. Mit Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR wurden dann auch in der DDR am 13. Februar 1978 „Maßnahmen zur wirksameren Stimulierung der Formgestaltung“ in Form von Förderpreisen nach tschechoslowakischem Vorbild beschlossen. Mit einheitlichem Signet wurden die Preisträger eines „Designpreises“, eines „Förderpreises“ sowie einer Auszeichnung „Gutes Design“ ausgestattet. FuZ 6/1978, S. 2/3; vgl. Dietrich 2013, S. 48. 255 Bsp. Danielis. In: CID 1970; GR 5/1971a. 256 Das IPD wurde in das damalige Bundesministerium für Technik- und Investitionsentwicklung (Ministerstva pro technický a investiční rozvoj) integriert und bekam neue Befugnisse. Als wissenschaftliche Forschungseinrichtung war das Institut zuständig für die konzeptionelle Entwicklung des Industriedesigns, und, laut Satzung, für die „sektorübergreifende Koordinierung von Beziehungen und Institutionen, die Betreuung der zunehmenden kulturellen Produktion“. Wie das Amt für industrielle Formgebung in der DDR sollte das IPD eine stärkere Betonung auf Unternehmensplanung legen, direkte Unterstützung für produzierende Unternehmen und Forschungseinrichtungen bieten. Beispielsweise erstellte das Institut für Glasproduzenten eine Analyse der wirtschaftlichen Vorteile durch konkrete Entwürfe, für die damalige Zeit eine geradezu revolutionäre Untersuchung. Das IPD übernahm auch die Veröffentlichung der Zeitschrift CID, in der tschechischen Ausgabe mit dem Untertitel „Design in Theorie und Praxis“. Die veröffentlichten Aufsätze legten den Schwerpunkt auf industrielle Designarbeit und sollten als ein Werkzeug verstanden werden, um Produktivität und Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Die meisten Artikel widmeten sich der Konstruktion von Maschinen, weniger häufig auch von Kücheneinrichtung und der Ausstattung der Arbeitsumgebung. Für das Glasdesign ist diese Zeitschrift nur bedingt ergiebig. Neben CID veröffentlichte das IPD auch nichtperiodische Publikationen auf dem Gebiet des Designs, wie zum Beispiel in einer Sonderausgabe der Revue für Industrie und Handel
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des CID zu bewerben. Die Empfänger des CID-Preises konnten sich immerhin sicher sein, dass ihr Entwurf auch in die Produktion ging. „Die besten Erzeugnisse – es sind etwa 20 jährlich – sind im Gespräch der Öffentlichkeit. Die Presse und das Fernsehen interessieren sich dafür. Das Entscheidende aber: Die Auswahl ist unseren Betrieben und Industriezweigen Veranlassung, einmal im Jahr ihr Produktionsprogramm auch unter dem Gesichtspunkt der Formgestaltung als Teil der Qualität zu überprüfen. Es kommt natürlich kein Erzeugnis in die Endrunde am CID, das nicht von unseren Kollegen vom Amt für Normung und Messwesen für gut befunden wurde. Stylingtendenzen haben also keine Chance.“257
Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit war das IPD nicht nur im Ostblock aktiv, sondern auch weltweit als Mitglied des International Council of Societies of Industrial Design.258 Über den IPD gelang es vielen Glasgestaltern, persönliche und berufliche Kontakte im internationalen Raum aufrechtzuerhalten. An den vom IPD organisierten Designausstellungen nahmen Glaskünstler aber eher selten teil. Der Schwerpunkt lag nunmehr auf reinem Industriedesign. Nach dem politischen Wandel wurde als Nachfolgeorganisation des IPD das Design Zentrum der Tschechischen Republik (Design centrum České republiky) ins Leben gerufen, das von 1991 bis Ende 2007 existierte. Diese Organisation verlieh auch an Glaskünstler Preise, so 1996 an Jiří Šuhájek, 2001 an Vladimír Klein und sowohl 1999 als auch 2002 an Rony Plesl.
5.2.3 ÚVS und ÚBOK Im Jahr 1951 wurde in Prag die Zentralstelle für die künstlerische Entwicklung des Glas- und Keramikgewerbes (Ústřední výtvarné středisko pro průmysl skla a jemné keramiky – ÚVS) ins Leben gerufen, welche die Zusammenarbeit der Künstler mit Industriebetrieben vermitteln sollte. Als Hauptsitz diente der zentrale Standort in der Strasse Na Příkopě, die den Wenzelsplatz mit dem Platz der Republik verbindet. ÚVS koordinierte unter der Administration des bereits 1949 gegründeten Unternehmens Textilschaffen (Textilní tvorba)259 (Revue průmyslu a obchodu). Hier konnte man sich nicht nur über die Aktivitäten der Designzentren in anderen europäischen Ländern (DDR, Polen, Rumänien, Ungarn) informieren, sondern auch die Rolle von Haushaltsglas in verschiedenen Bereichen der industriellen Fertigung studieren. 257 Interview mit dem Direktor des Instituts für industrielle Formgestaltung Jiří Včelák. In: FuZ 4/1974, S. 3. Siehe auch Abb. 108/109. 258 Das ICSID ist noch heute eine Non-profit-Organisation, welche die Interessen von Industriedesignern vertritt. Sie wurde 1957 gegründet. Mitte der siebziger Jahre besuchte der Präsident dieser Organisation, Henri Vienotā, die Tschechoslowakei. 259 Textilní tvorba koordinierte alle verstaatlichten Textilunternehmen, Bekleidungsproduzenten, Modehäuser und Modezeitschriften und organisierte schon bald eigene Modenschauen. Es war dem Ministerium für Leichtindustrie unterstellt. Vgl. Kapitel 4.3, S. 203.
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nicht nur die Gestaltung von Glas- und Feinkeramik, sondern in einem Schritt den gesamten Umfang der Einrichtung des Wohnunginnenraums, also auch Möbel, Leuchten, Textilien und so weiter. Die Anfänge des Instituts gestalteten sich kompliziert, denn der erste Fünfjahresplan 1949–1953 legte nach sowjetischem Modell seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung der Schwerindustrie. Das Ministerium für Leichtindustrie zeigte demnach wenig bis gar kein Interesse für die Aktivitäten der ÚVS.260 Gleich zu Beginn bemühte sich der Gestalter Václav Plátek fest angestellt in ihrem Auftrag darum, die Qualität gewöhnlicher Gebrauchsware künstlerisch aufzuwerten, später folgten mehr und mehr Glasgestalter seinem Beispiel.261 Zusätzlich wurde externen Gestaltern die Möglichkeit vermittelt, ihre Entwürfe in Glashütten zu verwirklichen. Diese Kooperation war sehr professionell strukturiert. Damit sich die Betriebe vorab über die Reproduzierbarkeit der künstlerischen Prototypen vergewissern konnten, erstellten ihre Werkstätten kleinere Serien der Originalentwürfe, bevor diese in die Produktion aufgenommen wurden.262 Die Künstler arbeiteten dabei stets eng mit den Glasmacherteams zusammen und perfektionierten die Fertigung als Kollektiv, ganz im Sinne der Parteipolitik. Als Direktor der ÚVS fungierte zu Beginn der Architekt Stanislav Trubáček, der auch 1948 den Impuls für ihre spätere Gründung gegeben hatte.263 Unter der Leitung des langjährigen Mitarbeiters der tschechoslowakischen Glasindustrie, Karel Peroutka264, wurde ab 1952 ein zielstrebiges Programm im der ÚVS unterstellten Künstlerischen Zen260 Der ÚVS mangelte es anfangs an Erfahrung im organisatorischen Bereich, so dass er Schwierigkeiten hatte, Gestalter für sein Programm zu werben. Erst mit dem Eintritt Karel Peroutkas als Geschäftsführer im Jahr 1952 besserte sich die Situation und das Programm wurde schnell ein Erfolgsmodell. Mergl 2005, S. 77. 261 1952 kam zu seiner Unterstützung Ludvika Smrčková an die ÚVS, ein Jahr später Adolf Matura, 1957 Pavel Hlava und 1958 Miloš Filip. Plátek verließ die ÚVS 1954, um als Aspirant bei Professor Štipl an die UMPRUM zu gehen. 262 Hrodek. In: GR 4/1949, S. 11. 263 Mergl 2005, S. 77. 264 Peroutka (geb. 1895, Todesdatum unbekannt) begann fünfzehnjährig bei der Glashütte Josef Inwald AG, Prag, ein Praktikum. Sukzessive absolvierte er alle Abschnitte der Produktion samt Verpackung, Einkauf und Verkauf. Parallel studierte er Handelsgeschichte und Sprachen. 1930 wurde er zum Disponenten ernannt, sechs Jahre später zum Prokuristen bei Inwald. Im Jahr 1938 verließ Peroutka auf eigenen Wunsch wegen Unstimmigkeiten mit der deutschen Leitung die Firma in Teplice. Im selben Jahr übernahm er in Prag den Posten des Direktors der kommerziellen Abteilung der Glashüttenbetriebe Českomoravské sklárny. Erst nach dem Krieg, im Juli 1945, kehrte er nach Teplice in der Funktion des Nationalverwalters der Glashütte Rudolfova hut’ zurück und wirkte seit 1946 als Oberdirektor, dem die Unternehmen der ehemaligen Firma Inwald unterstellt waren. Wie beschrieben, wurde er 1952 zum Leiter des Künstlerischen Zentrums der Glasindustrie ernannt und beeinflusste in den folgenden Jahren intensiv die Zusammenarbeit von Glasgestaltern mit der Industrie. Unter anderem regte er Professor Štipl an der UMPRUM dazu an, in seinem Curriculum verstärkt den Entwürfen für Pressglas Aufmerksamkeit zu schenken. Auch nach seinem Ruhestand 1971 wirkte Peroutka weiter als Berater für Behörden und Institution und erarbeitete Expertisen, hielt Vorträge und war Mitglied künstlerischer Kommissionen und Beiräte. GR 5/1971b, S. 145.
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trum der Glasindustrie265 erarbeitet und mit den Herstellerbetrieben sowie Abnehmerorganisationen des Binnen- und Außenhandels engere Kontakte aufgenommen. Peroutka konsultierte die Leiter der einzelnen Staatsunternehmen und koordinierte deren Wünsche mit denen von Skloexport und des Ministeriums für Leichtindustrie. Er verwendete viel Aufmerksamkeit auf die Eruierung der konkreten Anforderungen, die seitens der Betriebe an die Gestalter gesetzt wurden. Unter anderem erarbeitete er eine Richtlinie für die Auszahlung von Honoraren für angenommene Entwürfe.266 Die Einrichtung der ÚVS war in der offiziellen Darstellung ein „logisches Ergebnis der Nachkriegsbemühungen um die Wiedererlangung der traditionellen Stellung tschechischer Glasprodukte auf dem Weltmarkt“. Die Zentralstelle begann, in allen Nationalunternehmen und Betrieben künstlerische Designzentren einzurichten, die sich um die Verbesserung der Produkte des Mutterunternehmens kümmern sollten.267 Es war vorgesehen, dass die Gestalter auf diese Weise praktische Erfahrungen für die Zusammenarbeit mit der Produktion sammeln sollten. Die ÚVS vermittelte diese Gestalter zentral und erwartete propagandakonform, dass durch diese Maßnahmen auch normale Gebrauchsware hohe Qualität aufweisen werde. An die Zentralstelle angegliedert war eine Kommission, die den festen und freien Gestaltern monatliche Aufgaben zu Entwürfen vorlegte, sie bewertete und die „besten“ auswählte, welche dann in die Produktion gingen. Mitglieder der Kommission waren neben den VŠUP Professoren Kaplický, Štipl und für etwas über ein Jahr Jiří Harcuba268, Karel Hetteš sowie einige Glaskünstler und Repräsentanten der Manufakturen wie Pavel Hlava.269 Der ursprüngliche Auftrag der ÚVS war zwar die industrielle Produktion neuer Entwürfe für Gebrauchsglas, aber die künstlerischen Visionen der jungen Gestalter erweiterten bald diese Rolle. Dank der Zusammenarbeit des Instituts mit Textilní tvorba, Glasgestaltern und der Kunstgewerbehochschule in Prag entstanden in kurzer Zeit einige hundert Entwürfe.270 In den 1950er Jahren beteiligten sich an der Verbesserung der Industrieproduktion schon fast 30 Künstler aller Ausrichtungen, die eine breite Skala von Prototypen für die Glasindustrie schufen.271 Die Ausführung ihrer Entwürfe für Glasplastiken, die sich vom Diktat der Zweckmäßigkeit gelöst hatten, wurde ebenfalls auf Vermittlung der ÚVS von denselben Betrieben und Glasmachern umgesetzt, die parallel 265 Finanziert wurde das Zentrum vom Ministerium für Leichtindustrie. Peroutka. In: GR 1/1956, o. S. 266 In einer verloren gegangenen handschriftlichen Expertise, auf die Vratislav Šotola 1967 Bezug nahm, fertigte Peroutka eine Honorartabelle an. Mergl 2005, S. 77. 267 Danielis. In: CID 1970, S. 42. 268 Harcuba wirkte nach seiner Habilitation 1970 zunächst als Dozent an der UMPRUM und war Mitglied des künstlerischen Rates der Glaskommission. Auch arbeitete er in dieser Zeit als Gerichtssachverständiger für zeitgenössisches Glasschaffen. 1971 wurde Harcuba dann fristlos wegen „Unterwühlung der Staatsmacht“ aus allen diesen Positionen entlassen. Merker 2003, S. 13/14. Siehe auch Kapitel 4.3, S. 212, und Kapitel 5.1.4, S. 262. 269 Langhamer 2005c, S. 425; Drdácká. In: GR 6/1984, S. 18. 270 Štipl. In: GR 1/1957, o. S. 271 Adlerová 1973a, S. 9.
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Gebrauchsgläser produzierten. Beinahe rechtfertigend klingt folgende Ausführung der Kunsthistorikerin Zuzana Pešatová von 1961, die diesen Skulpturen den Anstrich ganz konventionell hergestellter Objekte gab: „Die Hüttenplastik entsteht in der Glashütte und erhält dort auch ihre endgültige Form. Sie benützt die Technik und Werkzeuge der Produktion, und nur in vereinzelten Fällen kommt es noch zu einer weiteren nachträglichen Verfeinerung. Es handelt sich hier um die gleiche Arbeit, die laufend in Glashütten geleistet wird. […] An der Herstellung einer Hüttenplastik nehmen wenigstens zwei, aber auch drei bis vier Leute teil.“272
Pešatová rückte also nochmalig den kollektiven Arbeitsprozess in den Mittelpunkt ihrer Darstellung. Ein wichtiges Tätigkeitsfeld der ÚVS lag in der Beurteilung tschechoslowakischer Produkte im Vergleich mit Auslandserzeugnissen. In einer gesonderten Abteilung richtete die ÚVS eine Bücherei ein, die Publikationen und Magazine über Design des 20. Jahrhunderts aus der ganzen Welt für die Glasgestalter zur Verfügung stellte.273 Roubíček: „Es war schwierig, Literatur aus dem Westen zu bekommen. Aber hier konnten wir domus und einige andere gute Magazine einsehen.“274
In Zeiten des Eisernen Vorhangs war diese Bibliothek eine hilfreiche Einrichtung, da sich die Künstler wenigstens visuell über die westliche Designentwicklung informieren konnten. In den 1960er Jahren konnten Jiří Harcuba, Pavel Hlava und Jiří Šuhájek sogar auf Vermittlung der Nachfolgeorganisation ÚBOK beziehungsweise im Rahmen des tschechoslowakisch-britischen Kulturabkommens für längere Zeit das Royal College of Art in London besuchen.275 Eine solche Freiheit wäre für Glasgestalter der DDR undenkbar gewesen.276 272 Pešatová. In: GR 1/1961, S. 8. 273 1969 umfasste das Archiv der Nachfolgeorganisation ÚBOK etwa 4.000 Titel Fachliteratur sowie 200 Zeitschriften aus dem In- und Ausland. Bohmanová. In: GR 3/1969, S. 68. 274 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 275 Harcuba verbrachte 1965/66 ein Trimester als Tutor am Royal College of Art. Viele seiner Studenten von damals nahmen sein Seminar zum Anlass, sich langfristig mit Glas zu beschäftigen und eröffneten eigenständige Studios (Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002). Nur ein Jahr später konnte Pavel Hlava als Gastdozent ans Royal College gehen. Jiří Šuhájek besuchte in den politisch angespannten Jahren 1968 bis 1970 das Londoner Institut (siehe Kapitel 4.4.1, S. 222). Bevor Šuhájek 1972 nach Prag zurückkehrte, wurden ihm Praktika und Studien in Murano, bei Venini & C., und in Amsterdam bei Prof. Sybren Valkema ermöglicht. Dort lernte er den Begründer des amerikanischen Studio Glass Movements, Harvey K. Littleton, kennen (Hetteš. In: GR 9/1974, S. 3/4). Auch Stanislava Grebeníčková (geb. 1954) besuchte 1978 als Stipendiatin das Atelier Valkemas in den Niederlanden. Petrová 2001, S. 243. 276 Weichardt 1980, S. 29.
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Gemeinsam mit dem Prager Kunstgewerbemuseum organisierte die Zentralstelle für die Entwicklung der Glas- und Keramikindustrie drei erste wichtige Überblickschauen im Inland.277 Auf Veranlassung des Kulturministeriums und des Ministeriums für Leichtindustrie initiierte die ÚVS wiederum in Kooperation mit dem VŠUP die Beteiligung tschechischer Glaskünstler an der XI. Mailänder Triennale 1957. Diese erste internationale Ausstellungbeteiligung des sozialistischen Landes nach dem Zweiten Weltkrieg erregte große Aufmerksamkeit und bedeutete in hohem Grad eine Überraschung für die Weltöffentlichkeit, für die das Glas aus böhmischen Ländern mehr oder minder nur noch eine Erinnerung aus der Vergangenheit bildete. Die Arbeit, die ÚVS damals im Zuge der Vorbereitungen der Beteiligung an Auslandsausstellungen wie der Mailänder Triennale 1957, aber auch der Weltausstellung in Brüssel 1958, leistete, wurde zur zuverlässigen Grundlage für die ganze weitere Entwicklung und alle späteren Erfolge des tschechoslowakischen Glases in heimischen und auf wichtigen internationalen Wettbewerben. Das Institut Textilschaffen und die ÚVS wurden zum 31. Dezember 1958 aufgelöst. Zum 1. Januar 1959 gingen sie in dem vom Ministerium der Gebrauchsgüterindustrie geschaffenen Institut für Wohn- und Bekleidungskultur (Ústav bytové a oděvní kultury – ÚBOK) auf, das systematisch zur Prägung eines planmäßig durchgestalteten Produktionssortiments und dem Erreichen des internationalen Wettbewerbsstandards beitragen sollte, indem es die Zusammenarbeit von Studenten und Gestaltern mit Industriebetrieben vermittelte.278 Wie auch die Vorgängerinstitute sollte ÚBOK dafür sorgen, dass nicht nur manuell hergestellte Glasprodukte, sondern auch Serienerzeugnisse und die reguläre Gebrauchsware eine hohe funktionale und ästhetische Qualität aufwiesen. Professoren der Prager Kunstgewerbehochschule wurden häufig in die gestalterische Konzeption von Industrieentwürfen eingebunden, so Karel Štipl, Josef Kaplický und Otto Eckert.279 Offensichtlich diente diese Maßnahme dazu, die Vielfalt und das zeitgemäße Erscheinungsbild der Sortimente sicherzustellen, um das Warenangebot für den Absatzmarkt im In- und Ausland interessant zu gestalten. Schon während des Studiums beschäftigten sich die Hörer der Glasateliers an der VŠUP anlässlich von ÚBOK-Ausschreibungen mit Entwürfen für die Serienproduktion (Abb. 48). Das Institut wurde formal zur Quelle der Inspiration für die Konsumgüterindustrie insgesamt stilisiert. Sein Direktor, Jan Danielis, beschrieb dessen Aufgaben in einem Interview als „das Bestreben um einen höheren kulturellen und materiellen Wert der Produkte der Gebrauchsgüte277 „500 let českého skla“ (500 Jahre tschechisches Glas) im Wallenstein Palais in Prag 1954; „Současné československé sklo“ (Zeitgenössisches tschechoslowakisches Glas) im Dům U Hybernů in Prag 1955 und „Současné sklo – deset let práce československých výtvarníků“ (Zeitgenössisches Glas – Zehn Jahre Arbeit tschechoslowakischer Gestalter) in Liberec 1955. Siehe auch Kapitel 6.1, S. 334. 278 Harcuba: „Zum Beispiel, Vladimír [Jelínek], als er da arbeitete, bekam er eine bestimmte Anzahl von Stunden – bei Moser oder in Nový Bor – und die wurden dann der Realisation dieser Entwürfe gewidmet.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 279 Panc. In: GR 6/1974, S. 3.
Abb. 56 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Fenster in der St. Wenzelskapelle, 1964–1968, formgeschmolzenes Farbglas, Železnobrodské sklo, H. 700 cm, B. 120 cm, Fotograf: George Erml, Foto © Vojta Erml
Abb. 57 Pavel Hlava, Pavel Grus, Beleuchtung Cocktail Room, Hotel InterContinental, Prag, abgebildet bei Hoffmann. In: GR 12/1974, Abb. 6, S. 25, © OOA–S, 2015
Abb. 58 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Fensterrelief „Kontakte“, 1983–87, U-Bahn-Station Národní třída, Železnobrodské sklo, H. 360 cm, L. 1200 cm abgebildet in Klásová 2002, Nr. 156, S. 145. 2008 demontiert und über Brychtová vermittelt an die Cafesjian Museum Foundation, Jerewan, © Ivo Gil, © OOA–S, 2015
Abb. 59 Václav Cigler, Glassäulen aus laminiertem und beschichtetem Glas 1983–85, U-Bahn Station Námeští Republiky, Prag, H. 320 cm, B. 60 cm, T. 15 cm, Foto: V. Wasmuth
Abb. 60 René Roubíček, Beleuchtung Café Alfa, Prag, 1965, handgeformtes Flachglas, Metallhalterung, abgebildet bei Stehlík. In: GR 10/1969, Abb. 18, S. 301, © OOA–S, 2015
Abb. 61 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, „Pfad der Meteoriten“, Ještěd Fernsehturm, 1964–63, Železnobrodské sklo, 600 cm x 1400 cm, Fotograf: George [Jiří] Erml, Foto © Vojta Erml
Abb. 62 a, b Karel Wünsch, Trinkglasgarnitur für das Restaurant im Ještěd, 1969–1973, formgeblasenes Klarglas, geätzt und vergoldet mit dem Initial „J“, Moravské sklárny Květná bei Uherský Brod, H. 7.2cm–17cm, Ankauf von Díla 1973, © Muzeum skla a bižuterie, Jablonec nad Nisou, Inv. Nr. S 5249 – S 5262
Abb. 63 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Fenster aus formgeschmolzenen Glasblöcken, 1983, installiert 1990, Altstädter Rathaus, Prag, Železnobrodské sklo, H. 820 cm, B. 730 cm, Fotograf: George Erml, Foto © Vojta Erml
Abb. 64 Pavel Hlava, Beleuchtungsskulptur Treppenhaus, Nová scéna, Prag, 1983, Egermann Exbor, Foto: V. Wasmuth
Abb. 65 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Glasfassade der Nová scéna Prag, 1982, formgeschmolzene Glasblöcke in Metallkonstruktion, Železnobrodské sklo, Maße je Block 40 cm x 50 cm, Foto: V. Wasmuth
Abb. 66 František Vízner, Glasrelief, Kulturhaus in Jamý bei Z´dár nad Sázavou, 1975, Škrdlovice sklářská huť, zusammengesetzt aus s–förmigen Profilelementen, H. 240 cm, abgebildet in: GR 6/1976, Abb. 3, S. 14, © OOA–S, 2015
Abb. 67 René Roubíček, Vase mit weiblichen Akten, Glasfachschule Kamenický Šenov, 1946, Gelbes Glas mit rubinrotem Überfang, modelgeblasenen und roh geschliffen, Moser-Rohling aus den 1920ern, Ausführung: Stanislav Honzik, H. 21 cm, D. 14,9/20 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 355
Abb. 68 Stanislav Libenský, Bleiglasfenster „Genossenschaft“, Ausführung: Zdenek Kejzar, 1953, Ateliers Vitráže in Nový Bor, abgebildet in Hetteš 1952, Abb. 22
Abb. 69 Stanislav Libenský, Bleiglasfenster „Fünfjahresplan“, Ausführung: Alois Bruder, 1949, Ateliers Vitráže in Nový Bor, abgebildet in Hetteš 1952, Abb. 23
Abb. 70 Vase, Lobmeyr, 1954, Vase mit dem Porträt Shakespreares und einem umlaufenden Fries mit Szenen aus seinen Theaterstücken, Farbloses Glas, modelgeblasen, graviert von Václav Hubert, Čestmír Cejnar, abgebildet in Hájek. In: GR 1/1956, o.S., Fotograf: Jindřich Brok
Abb. 71 Beispiele für die Entwicklung der einheimischen Glasgestaltung: links: Biedermeier, Mitte: „dekadenter Stil“ 1938, rechts: gewünschte „moderne“ Neuorientierung, abgebildet in GR 1/1950, S.15, © OOA–S, 2015
Abb. 72 Jaroslava Brychtová, Glasrelief „Wir sind für den Frieden“, 1951, Železnobrodské sklo, Ausführung Karel Černý und Karel Pešat, formgeschmolzenes Glas, abgebildet in Hetteš 1955, Abb. 13
Abb. 73 Jan Novotný, Vase, 1969, Farbloses Glas, modelgeblasen und freigeformt. Auf unregelmäßig gestupfter Grundierung mit farblosen Flachfarben, ein nahezu umlaufender, abstrakter Dekor in Malerei mit opaken und transparenten Schmelzfarben, H. 39 cm, D. 32 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 901
Abb. 74 Ausstellung zeitgenössischer Glasexponate aus der Sowjetunion, Muzeum skla a bižutérie Jablonec nad Nisou, 1971, abgebildet bei Langhamer. In: Av 4/1972a, S. 98
Abb. 75 František Novák, Teller, 1968, ausgezeichnet mit dem zweiten Platz in der Kategorie „Glasschnitt“ bei der 2. Trienále řezaného a rytého skla, Farbloses Glas mit rückwandigem Hochschnitt-Relief, Železnobrodské sklo, D. 35 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. 2712
Abb. 76 XI. Triennale di Milano 1957, Installation der tschechoslowakischen Ausstellung, František Tröster, abgebildet in Poche et al. In: Tvář 6/1957, Nr. 446, S. 165, © Zdenko Feyfar, © OOA–S, 2015
Abb. 77 Jan Kotík, Raumsolitär „Sonne – Luft – Wasser“ EXPO 58, Brüssel, H.600cm, abgebildet in Raban 1963, S. 166, Foto: Alexandr Paul
Abb. 78 René Roubíček, Installation „Glas: Masse – Form – Ausdruck“, EXPO 58 Brüssel, H. 260 cm, Foto: Alexandr Paul
Abb. 79 Jaroslav Brychta und Jan Černý, „Glasuniversum“ EXPO 58, Brüssel, im Hintergrund Roubíčeks Installation „Glas: Masse – Form – Ausdruck“, Foto: Alexandr Paul
Abb. 80 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Detail Reliefpaneel „Zoomorphe Steine“, 1957–1958, EXPO 58, Brüssel, Železnobrodské sklo, Einzelpaneel im Eisenrahmen, farbige Schmelzglassteine in Zement eingebettet, H. 52 cm, B. 97 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 264/3
Abb. 81 Karel Svolinský, Bleiglasfenster EXPO 58 Brüssel, Foto: Alexandr Paul
Abb. 82 Miluše Roubíčková, Schale, 1957, Borské sklo, Modellnr. 7050. Farbloses Bleikristallglas, model geblasen und geschliffen, H. 11,3 cm, B. 41cm, T. 40,8 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 842
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rindustrie im Einklang mit der Entwicklung des Gesellschaftsverbrauches sowie mit den gegenwärtigen Bedingungen des perspektiven Industrieaufschwungs“.280 Ähnlich unbestimmt ist die Feststellung des Kunstwissenschaftlers Dušan Šindelař in einer Festschrift zum 35. Jubiläum des Instituts: „Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Instituts liegt in der Pflege um Formulierung des sozialistischen Lebensstils und auf dem Gebiet der Wohn- und Bekleidungskultur. Das erfordert aktive und schöpferische Teilnahme an Formierung unseres Menschen wie es seinen Bedürfnissen entspricht […] ÚBOK sieht seine Aufgabe in der Erfüllung grundsätzlicher in den Partei- und Regierungsbeschlüssen verankerten Postulate und damit auch in der Pflicht, einige Deformationen zu steuern, die bei derer Interpretation und konkreter Applikation entstehen können. Die Arbeiter des ÚBOK sind überzeugt, dass die Entwicklung des spezifischen Gebietes der Bekleidungs- und Wohnkultur positiv den Menschen beeinflusst, denn sie beeinflusst auch andere, weitere Bedürfnisse, die dann wie etwas, was die Dinge und Menschen kultiviert, gefasst sind.“281
Für die Abteilung Glas bildete der zuständige Eduard Šlemín ein „Kollektiv von Glaskünstlern“ als fest angestellte Entwerfer.282 Diesem Kollektiv übertrug man im Rahmen des sozialistischen Kulturverständnisses ganz konkrete Pflichten, die der ästhetischen Erziehung der Bevölkerung dienen sollten. Inwieweit sich ein künstlerischer Vasen- oder Tafelglasentwurf als „inspirierend“ in diesem Sinne auslegen ließ, blieb offen. „Unsere Künstler sind sich dessen bewusst, dass daraus für die Erzeugung eine schwierige Aufgabe erwächst, weit schwieriger als bei der Konzeption des sogenannten Stilglases. Es geht um einen offeneren Zutritt ans Leben, es geht um eine Gestaltung, die geradezu aufs Leben reagiert und es mitgestaltet. […] Es geht ihnen also mehr um die Poetisierung des derzeitigen Standes der Dinge als um die authentische Übertragung der Prinzipien der Zivilisation und Wissenschaft in Gestalt und Funktion. Unsere drei Künstler [Pavel Hlava, Vladimír Jelínek und Adolf Matura] durchdenken konsequent die Gegenwart, die nicht ihres Zaubers und der Elemente des intensiven Guten entbehrt und entbehren kann, die Technik und Wissenschaft den Menschen bieten. Und vor allem sind sie von der Übersichtlichkeit, Sauberkeit und von einem gewissen Sportcharakter der zeitgenös-
280 Danielis. In: AdT 5/1968, S. 14. 281 Šindelář 1984, S. 86/87. 282 Die meisten Gestalter der ehemaligen Zentralstelle für die Entwicklung der Glas- und Feinkeramikindustrie wechselten zu ÚBOK über, wo eine Abteilung für plastische Gestaltung gegründet wurde. Zu Adolf Matura, Pavel Hlava und Miloš Filip (ab 1958) kamen später noch Pavel Grus (Beleuchtungskörper), 1962 Vratislav Šotola, 1966 Vladimír Jelínek (er war ab 1958 schon freier Mitarbeiter), 1979 Jiři Šuhájek und von 1985 bis 1988 František Janák als fest angestellte Gestalter zu ÚBOK. Neben der Rubrik für Glas existierten vier weitere Sektionen in der Abteilung für plastische Gestaltung, nämlich für Porzellan, Keramik, Beleuchtungskörper und Wohntextilien.
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sischen Umwelt entzückt, in der man entschieden gesünder lebt und in vieler Hinsicht reichhaltiger, als es früher einmal war.“283
Vladimír Jelinek, der von 1958 bis 1966 als freier Mitarbeiter, danach bis 1977 fest angestellt und dann erneut von 1982 bis 1997 für ÚBOK arbeitete, verstand seine Tätigkeit weniger komplex als ideologischen Auftrag, sondern vor allem stets als Möglichkeit, seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden, ästhetisch hochwertige Produkte zu entwerfen, die sich auch gut verkaufen ließen.284 Tatsächlich galt Jelínek nach eigener Aussage ab 1970 als „politisch unzuverlässig“. So erhielt er für vier Monate ein Ausreiseverbot und wurde mehrfach vorgeladen, da er Schriftverkehr mit seinem ehemaligen Mitbewohner, dem Regisseur Yitzhak Ramin hatte, der 1968 nach Österreich emigriert war.285 Es ist jedoch bemerkenswert, dass die beiden anderen fest angestellten Glasgestalter des Instituts, Pavel Hlava als auch Adolf Matura, Mitglieder in der KSČ waren und den programmatischen Auftrag des Instituts vermutlich auch nach persönlicher Überzeugung unterstützten (Abb. 49). In jener Zeit entstanden aufgrund einer Richtlinie des Ministeriums der Konsumgüterindustrie in den Herstellerbetrieben bereits gestalterische Beiräte als Beratungsorgane der Betriebsdirektoren. Auch Gestalter des Instituts für Wohn- und Bekleidungskultur waren in diesen aktiv.286 Gerade im Bereich des Glasdesigns erwarben sie schnell Kompetenz und begannen, die ursprünglichen Vorgaben über den begrenzten Rahmen auszuweiten. Einige von ihnen, wie Pavel Hlava und Vladimír Jelínek, befassten sich zunehmend parallel mit freiem Atelierschaffen oder auch architekturgebundenen Werken. Ende der 1960er Jahre bestand der Mitarbeiterstab des Instituts aus 50 Formgestaltern sowie 40 technologischen und ökonomischen Fachleuten, deren Aufgabe es war, fundierte Studien des Entwicklung der einzelnen Produktionsbranchen im Hinblick auf die Rohstoffbasis zu ermitteln und deren Durchsetzung zu organisieren. Die Sektion für Wohnkultur befasste sich neben Glas auch mit Porzellan, Keramik und Beleuchtungskörpern, mindestens sechs thematische Aufgaben behandelten die Entwicklung von Wohntextilien. Weiterhin waren 20 Redakteure, Archivare und Schulungsmitarbeiter bei ÚBOK beschäftigt. Sie hatten Studien über die Konzeption bestimmter Industriezweige zu erarbeiten und das ästhetische Niveau des Konsumgütersortiments zu ana283 Šindelář 1984, S. 9, 10. 284 Jelínek: „Also gleich nach der Zentralisation der ganzen Gesellschaft, da fing man auch gleich damit an, alles zu organisieren, nicht? Man verfolgte das Ideale. Das Ideal, dass man etwas Wertvolles macht, also im Bereich der Wohnungskultur. […] Textil, Keramik, Möbel, dass das alles einen [ästhetischen] Wert hat … nicht nur kommerziell! Aber man versuchte, das alles zu verbinden, weil wenn es nur künstlerisch war und keinen Anklang fand, keinen Käufer fand, dann war es wertlos.“ Interview mit Vladimír Jelínek, Prag, 16.12.2002. 285 Die Briefe wurden von der Staatssicherheit kontrolliert und Jelínek wurde verhört, da diese „dubios“ seien. Interview mit Vladimír Jelínek, Prag, 16.12.2002. 286 Pavel Hlava fungierte als Leiter des gestalterischen Beirats bei Crystalex, Nový Bor. Adolf Matura erfüllte diese Position bei OBAS, Teplice, bis er von Vratislav Šotola, ebenfalls Gestalter bei ÚBOK, abgelöst wurde. Langhamer 2005c, S. 425; Panc. In: GR 6/1974, S. 2.
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lysieren.287 Hierzu gab das Institut Publikationen über Musterungsrichtlinien für die einzelnen Branchen heraus. Weiterhin beschäftigte es sich mit der systematischen Analyse von in- und ausländischen Trends, die das Kaufverhalten widerspiegelten.288 Seine Verantwortung lag in der Bewertung aller eingereichten Entwürfe im Hinblick auf künstlerische Originalität, Gebrauchsfunktion und Produzierbarkeit mit der Prämisse, große Mengen in kurzer Zeit mit geringem Energieaufwand herstellen zu können. Stets wurde hervorgehoben, wie vorteilhaft die Kontrolle eines ganzen Industriesektors durch eine Zentralorganisation sei, die somit die Möglichkeit nutzen konnte, gezielt zu planen und zu lenken: ÚBOK führte in regelmäßigen Abständen Seminare durch, die den Glasdesignern Anregungen für ihre Entwürfe geben sollten und in Absprache mit den entsprechenden Beiräten in der Industrie zusammengestellt wurden.289 Im Rahmen der Seminarreihe organisierte das Institut Vorträge mit kunsthistorischen, kunsttheoretischen und produktionstechnischen Inhalten. Mitarbeiter des Außenhandelsunternehmens Skloexport informierten Glasgestalter über die Sortimente auf Auslandsmärkten und über die Anforderungen der Abnehmer. Sie dienten ebenfalls der Vorstellung internationaler Trends im Glasdesign. Zusätzlich veranstaltete ÚBOK Exkursionen zu Ausstellungen.290 Hanuš: „Und Glassexport verlangte jedes Jahr Neuheiten. Das bedeutete, dass sie mich jeweils gezwungen haben, etwas Neues zu machen. Ich hatte keine Probleme und ich bekam eine Reihe von Sachen, die ich verlangte. Es wurde problemlos erledigt, Glassexport wurde in der Zeit eindeutig bevorzugt und musste einfach bekommen, was es verlangte. Ich bereitete Zeichnungen vor, diese wurden abgestimmt und danach wurden Muster hergestellt.“291
In den Jahren seines Bestehens war es unnötig zu erklären, wofür die Abkürzung ÚBOK stand. Nicht nur Fachleute aus dem Kulturbetrieb, sondern auch viele Laien wussten aus zahlreichen Veröffentlichungen, was das Institut machte. Die Isolierung der legitimierenden Leitidee einer guten Gestaltung führte jedoch nicht zu einer Überprüfung der Wirksamkeit der genannten institutionalisierten Maßnahmen zur Verbesserung der Glasproduktion. 287 Überdies koordinierte es die Arbeit von 60 Handwerkern und Spezialisten in den Modell- und Experimentierwerkstätten. Danielis. In: AdT 5/1968, S. 15. 288 „Der bedeutende Export von Gebrauchsgütern bedingt auch die Beachtung der Märkte, wo sich diese Produkte behaupten sollen. Hier spielt oft der Kundenkreis eine Rolle, dessen Ansprüche nicht immer in jener Konzeption übereinstimmen, die sich bemüht, die schöpferischen Kräfte der Formgestalter und die Möglichkeiten unserer Produktion auszunützen.“ Ebenda, S. 14. 289 „Im ideenmäßigen und erzieherischen Bereich werden die Erkenntnisse in Form von Seminaren für Gestalter und Entwerfer verbreitet, die das Institut organisiert, und eine wesentliche, wirksame Form stellt auch die Beteiligung der Direktoren an der Arbeit der gestalterischen Beiräte dar.“ Panc. In: GR 6/1974, S. 3. 290 Šlemín. In: GR 2/1961, o. S. 291 Havlíčková/Nový 2007, o. S.
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In den 1970er Jahren konzentrierte sich die Abteilung für plastische Gestaltung unter der Leitung von Jiří Neubauer auf die Lösung von Aufgaben, die vom Industrieministerium finanziell abgesichert waren, also vor allem auf Entwürfe für Gebrauchsglas für den Export.292 In diesem Rahmen schrieb das Institut weiterhin regelmäßig Wettbewerbe aus, in denen klare Entwurfsvorgaben für beispielsweise ein Trinkglas oder eine Vase formuliert wurden, die das bestehende Sortiment der Hersteller ergänzen beziehungsweise verbessern sollten. Eine Fachjury293 wählte dann die „empfehlenswertesten“ der eingereichten Designzeichnungen oder Prototypen aus und diese sollten von der Industrie realisiert werden. Im Ergebnis wurden nur wenige moderne Künstlerentwürfe in die Produktion aufgenommen – eine Ausnahme stellt Pressglas dar. Der Starrsinn des planwirtschaftlichen Systems mit seinen oftmals unvereinbaren Direktiven verhinderte den gewollten progressiven Wandel auf Herstellerebene. Neue Entwürfe wurden eher als eine finanzielle und zeitliche Belastung für die Produktion sowie als Risiko für den Verkauf im Gegensatz zu altbewährten Artikeln aufgefasst.294 Harcuba: „Wenn ich nach Harrachov kam, da war ein Direktor [Miloš] Půlpitel, und der sagte: Jeder neue Entwurf ist Sabotage! Der sagte es aufrichtig, weil er sah die Produktion, er sah die Stunden, wie viel das kostet, wenn man einen neuen Entwurf einführen sollte, dann hat man immer viel Zeit verloren, die an die Produktion ging, nicht?“295
In den 1980er Jahren leitete Ivan Šnajdr die Abteilung für plastische Gestaltung, während ein Generationenwechsel stattfand. Viele erfahrene Künstler schieden nach und nach aus, so wie mit seinem Tod 1979 Adolf Matura und wie Pavel Hlava im Jahr 1985, um sich nun ganz dem Atelierschaffen widmen zu können. An ihre Stelle traten junge Designer mit langjähriger Erfahrung in der Praxis der Industrieproduktion, 1977 Jiři Šuhájek und von 1985 bis 1988 František Janák, die sich auf konkrete Entwurfstätigkeit zu konzentrieren hatten. Šuhájek bemerkte im Rückblick auf diese Jahre: „Am Schlimmsten ist es, wenn der Gestalter in der Produktion durch sein freies Schaffen supplimieren [sic] möchte, was die Produktion von seinen Entwürfen nicht realisieren will oder kann.“296
Das „Dokument über die Sendung und Richtungen weiterer Entwicklung der sozialistischen Architektur in der ČSR“ (Poslání a směry dalšího rozvoje socialistické archi292 Sie wurden bekannt unter dem Namen INOVER (1972) und INOGLAS (1977). Frídl. In: GR 11/1989, S. 23. Siehe auch Kapitel 4.4.1, S. 109 f. 293 Zentrale Mitglieder der Jury blieben bis zu seinem Tod 1972 Professor Karel Štipl und Karel Hetteš, der 1976 verstarb. 294 Bohmanová, GR 3/1969, S. 68; Kapitel 4.1, S. 165. 295 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 296 Doch empfand Šuhájek diese Tatsache nicht als problematisch, da er parallel für sich experimentierte und frei geformte Plastiken im Atelier realisierte. Hetteš. In: GR 9/1974, S. 4.
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tektury a urbanismu v ČSR), das am 24. November 1982 durch den Beschluss Nr. 333/1982 von der Regierung genehmigt wurde, übertrug ÚBOK neue Aufgaben für die Wohnkultur. Vor allem die Forderung, „dass die Produktion der Einrichtungsprodukte schon in den Vorbereitungsphasen mit Tendenzen des komplexen Wohnungsaufbaus und der Modernisierung des Wohnungsfonds koordiniert wird“297, ist in diesem Kontext von Interesse. Die Empfehlungen für Glaserzeugnisse sollten im Einklang mit der Wohnungsbaupolitik stehen, also in die genormte Neubauwohnung „passen“ wie die Entwürfe für Klappsofas von Ivana Čapková oder die Multifunktionstische von Karel Lapka, welche beide ebenfalls für ÚBOK tätig waren. Erneut muss festgestellt werden, dass sich Richtlinien dieser Art nicht ohne weiteres auf die Glasgestaltung anwenden ließen, so dass die Designer letztlich machen konnten, was ihrem eigenen Ästhetizismus entsprach. Wie sollte eine Schale, eine Wasserkaraffe oder eine dekorative Glasfigur speziell für die Innenarchitektur einer Normwohnung entworfen werden? Die Entwerfer hatten im Grunde genommen einen unbegrenzten Freiraum an kreativer Entfaltung. Die Arbeit von ÚBOK fand nach 1989 zunächst kein Ende. Erst 1997 wurde die Organisation aufgelöst und firmierte als LINEA ÚBOK unter der gleichen Adresse weiter. Die umfangreiche Bibliothek wurde im Jahr 2000 nach dem Verkauf des Gebäudes allerdings vom neuen Besitzer vernichtet.298
5.2.4 ÚLUV und ÚURˇ Die KSČ verfolgte die Pflege und Revitalisierung volkstümlicher Traditionen im Kunsthandwerk als wichtiges Element der Tschechisierung auch im Bereich der Glasgestaltung. Die ersten Organisationen, die sich mit der Erhaltung traditioneller Handwerkskünste und der Vermarktung von Erzeugnissen regionaler Erzeuger beschäftigten, existierten bereits in der Ersten Republik. Die Entstehung dieser Organisationen verfolgte auch wirtschaftliche Interessen. Abgesehen von Gruppen wie der Prager Hausgemeinschaft (pražská Zádruha) oder der Mährische Zentrale für Volkskunstindustrie (Moravská ústředna pro lidový průmysl) in Brno, sind insbesonders die Künstlergenossenschaft Artěl und der Svaz československého díla mit den Geschäftsstellen Krásná jizba zu nennen.299 Theoretisch begründet durch den Wunsch nach einer neu gestalteten Welt, verfolgten diese Kooperativen die künstlerische Aufwertung von Alltagsgegenständen durch Gestaltung, wie auch Wilhelm Wagenfeld zeitgleich in Jena. Artěl existierte bis 1935 und trat für eine moderne Ästhetik vor allem auf dem Gebiet der angewandten Kunst ein. Ihre Mitglieder gehörten zur Gründergeneration des Verbandes Bildender Künstler und konzentrierten sich auf das persönliche Entwerfen und den gemeinsamen Vertrieb der Produkte, die als Auftragsarbeiten unter der Marke Artěl in verschiedenen 297 Ubr/Houda 1984, S. 70. 298 Interview mit Milan Hlaveš, Prag, 30.06.2003. 299 Siehe Kapitel 2.4.
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externen Werkstätten in Kleinserien angefertigt wurden.300 Eine Vielzahl von Erfahrungen und Ideen für die Pflege der Volkskunst hatten ihren Ursprung also schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Das Zentrum für Volkskunstproduktion (Ústředí lidové a umělecké výroby – ÚLUV), war mit dem Dekret des Präsidenten im Oktober 1945 ins Leben gerufen worden, um die Organisation und die Unternehmensführung von Betrieben zu überwachen, die volkstümliche und populäre künstlerische Waren herstellten.301 Das Dekret unterstrich ideologisch die Bedeutung seiner Aufgaben mit Blick auf die Bewahrung traditioneller tschechoslowakischer Volkskunst, wobei diese keineswegs näher charakterisiert wurde. Der Minister für Industrie legte in Absprache mit den zuständigen slowakischen Ministern für Handel und Industrie Richtlinien für die Aktivität der Zentrale mit ihren Unterabteilungen und Vertriebssektionen fest. Das ÚLUV wurde offiziell mit der Pflege der traditionellen Volkskunst, wie Textilfaser-, Holzverarbeitung und natürlich Glasveredelung, betraut und stellte sich damit in die Tradition der Kunstoffensive eines „nationalen Stils“ aus der Zwischenkriegszeit.302 Es war für den Ausbau geeigneter Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit mit Künstlern und Produzenten zuständig. Der Grundgedanke dabei war der Glaube an die Pflege kulturellen Erbes im Einklang mit der modernen Gebrauchsgüterproduktion. Gerade die Glasmacherkunst besitze „in den böhmischen Ländern eine wahrhaft volkstümliche Tradition“.303 Die in Fabriken produzierten Artikel sollten um Erzeugnisse des nationalen Kunsthandwerks ergänzt werden (Abb. 50). Auch beaufsichtigte die Zentrale sämtliche Volkskunstverbände, wie den Svaz československého díla und seiner Verkaufsläden Krásná jizba. Diese wurden allerdings 1948 abgewickelt und liquidiert. Der Architekt Vladimír Bouček initiierte als erster Leiter des ÚLUV zunächst eine Umfrage, mit der landesweit der aktuelle Stand der laufenden Produktion der Volkskunstwerkstätten dokumentiert werden sollte. Bouček304 vertrat die Ansicht, dass es nicht nur um das Konservieren populärer Techniken gehe, sondern um die Notwendigkeit, diese als Grundlage für kreative Arbeit zu nutzen, um alte Fähigkeiten überhaupt erhalten zu können. Während der ersten Phase seiner Aktivitäten konzentrierte sich ÚLUV auf die Wiederherstellung der bei der Umfrage erworbenen Erkenntnisse zu Produktionstechnologien. Diese wurden in Zeitschriften wie Tvář oder später auch in Umění a řemesla veröffentlicht.
300 Die Genossenschaft stellte künstlerische Erzeugnisse aus Holz, Textilien, Keramik und Glas her und veranstaltete Vorträge sowie Ausstellungen. Lamarová 1965, S. 19. 301 Dekret 110/1945 Sb. vom 7. November 1945 bestätigte diesen Präsidentenbeschluss und regelte die Zugehörigkeit von Individuen und Unternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich. 302 Siehe Kapitel 2.4. 303 Havel. In: GR 3–4/1960, S. 16. 304 Die Stadt Uherské Hradiště verleiht seit 2005 einen Vladimír-Bouček-Preis für die Wahrung und Entwicklung von Volkskunst als Zeichen öffentlicher Würdigung handwerklicher Meister der Region.
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Nach 1948 wurde der Aufbau des Sozialismus mit der Verstaatlichung und oftmaligen Destruktion der privaten Unternehmen und kleinen Handwerksbetriebe fundamentiert. Die Eigentümer wurden enteignet, aber sie und einige ihrer Mitarbeiter konnten in den Betrieben verbleiben, sofern diese nicht ganz geschlossen wurden.305 Damit war ÚLUV die einzige öffentliche Institution, die kleinere Handwerksbetriebe und traditionelle Handwerkstechniken zu schützen versuchte.306 Für die bessere Umsetzung ihres Auftrags wurden eine Reihe von Entwicklungs- und Experimentalwerkstätten und kleine Betriebe eingerichtet, die eher manuellen als maschinellen Fertigungscharakter hatten. Teilweise befanden sich diese Ateliers direkt in den Glashütten, beispielsweise bei Moser in Karlovy Vary, Lobmeyr in Kamenický Šenov, Železnobrodské Sklo in Železný Brod und den Bor Studios in Nový Bor. Auf der Grundlage von Bestellungen aus dem Ausland sollte die Zentrale konkrete Aufgaben für Glasgestalter formulieren, welche diese umzusetzen hatten.307 1948 wurde das ÚLUV mit der Leitung des selbstständigen Kollegiums für die Pflege des Künstlernachwuchses betraut. Im Zentrum dieses Projekts sollten junge Künstler in Form eines Fachunterrichts mit praxisnahen Produktionsmethoden vertraut gemacht werden. Im ersten Jahr erhielten bereits 291 Studenten Stipendien für Betriebspraktika, davon 44 Glasmacher. 1949 waren es schon mehr als 600 Stipendiaten.308 Zum künstlerischen Leiter und Geschäftsführer von ÚLUV wurde 1950 für drei Jahre Jan Kotík309 ernannt, der sich sehr vielseitig mit Entwürfen für Textilien, Keramik, Schmuck, Ausstellungsinstallationen und Glas beschäftigte. Kotík nahm sich explizit der Revitalisierung der Produktion an und wollte nicht nur traditionelle Muster wiederholen, wie es weithin üblich war. Vor allem im Bereich des frei geformten Glases machte er sich für die Hütte Emanuel Beráneks im mährischen Škrdlovice stark.310 Dieser Betrieb sollte nach 305 Hubert: „Wir waren die ersten Abiturienten [Glasfachschule Kamenický Šenov] im Jahr ’47. Ich habe dann Graveur gemacht bei einem Privatunternehmen, der kam von Morava, von Mähren.“ Wasmuth: „Wer war das?“ Hubert: „Richard Zelinka. Der hatte eine eigene Werkstatt und ich war der einzige Graveur bei ihm gewesen. Ich war als Graveur und Zeichner eingeschrieben, aber dort blieb ich nur ein Jahr, weil mir hat es nicht gefallen, er war ein guter Graveur, aber ich wollte mehr lernen und bei ihm konnte ich nicht mehr lernen. Da habe ich meinen Professor [Alois] Hásek gefragt, ob er mir helfen kann und der hat an seinen Freund geschrieben nach Železný Brod, na und dort bekam ich eine Stelle bei einer Firma Vele, Jaroslav Vele, das war ein verstaatlichter Betrieb. Der frühere Eigentümer blieb dort als Leiter, das war ein lieber Mensch.“ Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 306 Folgende Handwerksbetriebe konnten beispielsweise von ÚLUV „gerettet“ werden: Joch, Danzinger, Kubák, Mlýnk und Bukač. 307 GR 6/1953, Foreword: o. S. 308 Raban 1963, S. 14. 309 Siehe Kapitel 4.4.1, Anm. 507, S. 223. 310 Bereits während der Protektoratszeit entstanden in Škrdlovice antikisierte Gläser mit Lufteinschlüssen, ähnlich dem Muraneser Pulegoso Glas. Beránek und die beiden Gestalterinnen Maria Stáhlíková (geb. 1922) und Milena Velíšková (geb. 1917) experimentierten auch in den ersten Nachkriegsjahren mit unkonventionellen Techniken. Das Designbüro leitete dann von 1950 bis 1960 Velíšková, die mit dem Grand Prix bei der EXPO 58 ausgezeichnet wurde. In den fünfzi-
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1948 zunächst geschlossen werden, da seine Größe und das Produktionsvolumen als zu klein und damit als nicht rentabel für die neu entstandenen Nationalunternehmen eingestuft wurde. Scheinbar gab es jedoch nachhaltige Proteste seitens Sympathisanten der Glashütte311, so dass die zuständige Behörde ihre Meinung änderte. Die Produktion von Mustern für den Konsumgütermarkt aus Škrdlovice war bis dahin unzähligen Testläufen unterworfen, die oftmals im Sande verliefen. Kotík selbst beschrieb in einem Aufsatz für die Fachzeitschrift Tvář, Časopis pro užite uměni a prumyslove vytvarnictvi, die seit 1947 von ÚLUV herausgegeben wurde, wie umständlich sich das Arbeitssystem nach einem genauen Plan zu richten hatte und wie wenig Raum für experimentelle Innovationen blieb.312 Unter der Schirmherrschaft des ÚLUV wurde die Hütte umgebaut und mit moderner Einrichtung ausgestattet. Beránek und seine Mitarbeiter arbeiteten nun eng mit anderen Glaskünstlern zusammen und bildeten Nachwuchskräfte aus.313 Die Produkte der Škrdlovice sklářská huť gewannen zunehmend auch internationale Aufmerksamkeit.314 Ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der Glashütte war die Restitution an Vlastimil Beránek, den Erben des Gründers, 1991. Selbst ein Glaskünstler315, setzte dieser die Replikation traditioneller Muster fort, ergänzte das Sortiment aber um zahlreiche neue Formen, oftmals von Jan Exnar. Die Produktion der Manufaktur Beránek baute zwar einen guten Ruf auf, verlor jedoch nach der Jahrtausendwende zunehmend an Umsatz. Anfang September 2008 stellte die Hütte den Betrieb gänzlich ein.316 In den frühen 1950er Jahren kam das ÚLUV unter die Verwaltung des Zentralrats der Genossenschaften (Ústřední rada družstev) und veränderte sich von einer separaten wirtschaftlichen Einheit des Ministeriums für Kultur zu einer Unterorganisation mit festem Budget. Ein ungewöhnliches Interesse an Produkten von ÚLUV in den Verkaufsstellen Krásná jizba und das unreflektierte Übertragen zeitgenössischer Ansichten über die Steigerung der Arbeitsproduktivität in die Sphäre der Volkskunst trugen zum Bau von großen Betrieben und der Vernachlässigung der theoretischen Grundlagen der Gründer dieser Organisation bei.317 ger Jahren überstieg die Nachfrage bereits die Produktionskapazitäten. Siehe auch Kapitel 2.6, S. 55 f., und Kapitel 3.1.1, S. 69. 311 Jackson 2000, S. 29. 312 Kotík. In: Tvář 4/1952. Jan Kotík war zu diesem Zeitpunkt der Herausgeber dieser Zeitschrift. 313 Ab 1956 entwarf beispielsweise Jiřina Žertová Vasen, Schalen und Teller für die Hütte. „Dreimal im Jahr wurde eine Auswahl davon in ihrer Anwesenheit als Prototypen angefertigt. […] Wurden die ausgewählten Designentwürfe vor der vereinbarten Zeit fertig, konnte Žertová mithilfe der Beráneks experimentieren.“ (Drdácká. In: NG 4/2012, S. 35) Auch Pavel Hlava, Stanislav Libenský, René Roubíček und seine Frau Miluše, Jaroslav Svoboda, Miloslava Svobodová (Wyckmans), Franišek Vízner u. v. a. entwarfen für Škrdlovice. 314 Digrin. In: GR 11/1955, S. 20. 315 Beránek hatte an der UMPRUM unter Stanislav Libenský studiert. 316 Zuletzt arbeiteten 25 Glasmacher für Beránek. 317 Der sozialistische „Größenwahn“ beim Aufbau riesiger Produktionskapazitäten für die Herstellung von Möbeln, Keramiken oder gewebten Stoffen hatte dazu beigetragen, dass das unwirt-
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Eine zweite Organisation, die Zentralstelle für Kunsthandwerk (Ústředí uměleckých řemesel – ÚUŘ), wurde 1957 als Fachorganisation mit Glassektion gegründet und stets direkt vom Ministerium für Schulwesen und Kultur geleitet.318 Ihre Hauptaufgabe lag in der Pflege und Erhaltung kultureller Traditionen, die als „Beitrag zur materiellen und gesellschaftlichen Entfaltung“ des Landes gesehen wurde. Als Dachverband verwaltete das Zentrum allein vier Glaswerkstätten in Prag319, darüber hinaus eine in Brno, die Familienwerkstatt der Brüder Kepka in Kostelec nad Labem und auch die Hütte in Škrdlovice wurde unter den Schirm des ÚUŘ eingebracht. Diese Werkstätten realisierten Werke für den öffentlichen Raum, für Sammlungen und repräsentative Zwecke, Unikate nach Künstlerentwürfen sowie in kleinen Serien produzierte Gegenstände der angewandten Kunst.320 Aber auch im Bereich der Restauration historischer Fenster, Mosaiken oder Architekturelemente waren die Glaswerkstätten des ÚUŘ aktiv. Die Prager Glashütte des Verbandes stellte Trennwände oder Fenster für Repräsentationsräume und öffentliche Gebäude her, beschäftigte sich aber parallel auch mit der Restaurierung solcher Vitraillen. Sie wurde von ihrem Gründer Josef Jiřička321 noch bis 1965 geleitet. Die Entwürfe für diese neuen Vitraillen übertrugen Künstler wie Jan Bauch, Karel Svolinský, Vladimír Sychra oder Vladimír Kopecký auf Kartons, die den Glasmachern der ÚUŘ-Glashütte als Vorlage dienten. In einer weiteren Prager Werkstatt, dem Atelier für Ätzglas, wurden plastische Objekte, Fontänen, Trennwände und andere Architekturkörper in multiplexen Ätztechniken ausgeführt. Das Atelier war erst 1955 von Bohuslav Šimice, einem Glasmachermeister, gegründet worden und realisierte Entwürfe von Václav Cigler, Vladimír Jelínek, Benjamin Hejlek und vielen anderen. In Prag gab es außerdem die Mosaikhütte des ÚUŘ, welche 1954 aus dem Nationalunternehmen Umělecké sklo in Nový Bor ausgesondert und dem Dachverband eingegliedert worden war. Sie führte monumentale Mosaiken aus, die teilweise aus speziellen beständigen Glasemails zusammengesetzt wurden, welche in einem eigenen Laboratorium hergestellt werden konnten. Unter anderem war die Mosaikwerkstatt verantwortlich für das 9 Meter hohe und 4 Meter breite Wandmosaik „Taufe Christi“ im Eingangsbereich der St.-Vitus-Kathedrale, welches 1950 nach Entwurf des Nationalkünstlers Max Švabinský realisiert worden war322, einen weiteren Švabinský-Entwurf für die Befreiungsschaftlich arbeitende Zentrum für Volkskunstproduktion (Ústředí lidové a umělecké výroby) Anfang der 1990er Jahre abgewickelt wurde. 318 Das Ministerium hatte die „korrekte ideologische Ausrichtung und ein hohes Niveau der Kunstproduktion“ zu überwachen als auch den leitenden Direktor zu bestimmen, so Regierungsbeschluss 56/1957 Sb. vom 31. Oktober 1957. 319 Lněničková 2002, S. 149. 320 Hartmann A. In: GR 10/1983, S. 14. 321 Jiřička hatte die Glashütte 1935 eröffnet. Nach seiner Pensionierung 1965 übernahm sein Sohn die Leitung (Langhamer 2005c, S. 426). In der Werkstatt wurden unter anderem die Fensterentwürfe Max Švabinský, Karel Svolinskýs und Jan Bauch für die EXPO 58, die Glasausstellung in Moskau 1959 sowie Čestmír Kafkas Vitrage für die EXPO 70 realisiert. Vgl. Kapitel 6.2.1. 322 Für eine Abbildung der Arbeiten der Mosaikhütte an diesem Mosaik siehe: GR 4/1950, S. 7/8. Švabinský hatte den Entwurf für das Mosaik „Taufe Christi“ bereits 1939 für die westliche Ka-
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halle des Nationaldenkmals in Vítkov oder die Mosaiken in der Empfangshalle des Altstädter Rathauses aus dem 19. Jahrhundert. Die in den Studios hergestellten Mosaiksteinchen konnten von Künstlern mit exakt der Farbgebung und Schattierung bestellt werden, die für ihren Entwurf am geeignetsten waren. Die Mosaiken nach Entwürfen von Josef Kaplický sowie František Burant und Adriana Simotová, die bei der Brüsseler EXPO 58 mit Goldmedaillen ausgezeichnet wurden, hatte ebenfalls die Hütte des ÚUŘ produziert.323 Zwischen 1954 bis zu ihrer Privatisierung 1993 fertigten die Mosaikglas-Ateliers des ÚUŘ über 430 Werke an.324 Besonders groß war der Auftrag für ein Verwaltungsgebäude in Ustí nad Labem im Jahr 1985 nach einem Entwurf von Miroslav Houda. Den vierten Prager Standort der ÚUŘ bildeten die Glasschleifwerkstätten, welche der Zentrale 1957 eingegliedert wurden. Nur drei Jahre zuvor von Evžen Jokl gegründet, führten hier nun drei bis fünf fest angestellte Glasschleifer die Designs von Věra Lišková, Maria Stáhlíková, Milena Velíšková und anderen aus. Im Jahr 1982 gehörten 60 Glashütten und Ateliers zu dieser Organisation, in denen fast 800 Kunsthandwerker und Fachleute tätig waren.325 Die Ústředí uměleckých řemesel wurde 1998 liquidiert.
5.2.5 Tschechoslowakische Fachzeitschriften zur Glasgestaltung In Zeiten des Eisernen Vorhangs bedeuteten Designmagazine und Kunstzeitschriften aus dem „nichtsozialistischen“ Ausland eine inspirierende Quelle für tschechische Glaskünstler. In der ÚVS-Bibliothek (später ÚBOK) konnten sie sich umfangreiche Informationen über die Entwicklung der internationalen Glaskunst beschaffen. Umgekehrt wurden auch ihre Arbeiten zu einer wichtigen Inspirationsquelle für Glasgestalter im Westen. Noch bevor ihre Arbeiten in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre bei Ausstellungen in Mailand, Brüssel oder Moskau gezeigt wurden, reproduzierten tschechoslowakische Fachzeitschriften moderne Glasarbeiten, wenn auch oft ohne den Gestalter zu benennen.326 pellenwand der St.-Vitus-Kathedrale angefertigt. Die Ausführung dieses Werkes wurde durch den Krieg jedoch bis zum Jahre 1950 hinausgeschoben. In den Jahren 1955 bis 1957 schuf Švabinský für die Taufkapelle noch den Entwurf und den Karton für das Mosaik „Die Verklärung Christi auf dem Berge Tabor“ als Gegenstück zur „Taufe Christi“, welches ebenfalls in der Prager Mosaikhütte umgesetzt wurde. Die Hütte realisierte ebenfalls die Entwürfe von Karel Svolinský, František Gross oder Mikuláš Medek. 323 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 369 f. 324 Langhamer 2003, S. 271; Langhamer 2005c, S. 426. 325 Hartmann A. In: GR 10/1983, S. 14. 326 Den Erfolgen bei der Expo 58 in Brüssel und bei der XII. Triennale in Mailand 1960 folgend erschienen Abbildungen tschechischer Glaskunst auch unter Nennung des Gestalters in westlichen Fachzeitschriften, wie zum Beispiel formgeblasene Vasen mit Applikationen von René Roubíček oder geätzte Dekors von Karel Wünsch in der Crafts Horizons 9–10/1964.
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Das monopolistische Außenhandelsunternehmen Skloexport gab ab 1949 eine bereits drei Jahre zuvor begründete Zeitschrift heraus, welche – zunächst in englischer (Czechoslovak Glass Review) und französischer (Verre Tchécoslovaque, später Revue du Verre), ab 1960 auch in deutscher (Tschechoslowakische Glasrevue327) und spanischer (Revista del Vidrio Checoslovaco), ab 1965 bis in italienischer (Rivista del Vetro Cecoslovacco) und ab April 1977 auch in russischer (Steklo-revju) Sprache – zehnmal jährlich und später monatlich erschien.328 Das Fachblatt richtete sich in erster Linie an den Einzelhandel, weshalb eine Ausgabe auf Tschechisch oder Slowakisch obsolet war. Neben vielen Inseraten und Abbildungen in ambitioniertem Layout enthielt die Zeitschrift kurze Aufsätze mit aktuellen Informationen über Technologien, Projekte und Persönlichkeiten aus Glasindustrie und Glasgestaltung. Die frühen Ausgaben konzentrierten sich auf die Darstellung neuer Verkaufsmuster und innovativer Veredelungs- und Verarbeitungstechniken, wie auch auf die Veröffentlichung von Verkaufsstatistiken und staatliche Außenhandelseinrichtungen. Regelmäßig nahm sich die Zeitschrift der historischen Entwicklung noch bestehender Glasbetriebe an, allerdings ohne sich nachhaltig mit deutschen Einflüssen und Beiträgen zu beschäftigen.329 Der damalige Referent bei Skloexport, Ivo Digrin330, verfasste zahlreiche Aufsätze für die Publikation: Digrin: „Alle waren schon faul, über Glas zu schreiben. Wenn sie zu mir kamen, habe ich das geschrieben. Sie haben mir keine Provision gegeben, sondern Fifty-Fifty gemacht. Und anstatt, dass ein anderer damit viel Zeit verliert und nur einen kurzen Artikel schreibt, weil er nicht schreiben kann, ist er zu mir gekommen […].“ Wasmuth: „Und dann haben Sie, wenn das für die deutsche Ausgabe der Glasrevue war, gleich auf Deutsch geschrieben, oder immer auf Tschechisch und es wurde übersetzt?“
327 Von 1960 bis 1969 lautete der volle deutsche Titel Tschechoslowakische Glasrevue. Zeitschrift für Glas und Keramik, ab 1970 wurde er geändert in Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik. Ab der Juniausgabe 1991 nannte sich die Zeitschrift dann Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik und ab 1994 bis zu ihrer Einstellung Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik. 328 Ab 1954 wurden die englischen Aufsätze jeweils im Anhang auf Deutsch übersetzt publiziert. Von 1956 bis 1959 erschien die Zeitschrift ausschließlich in Französisch, Englisch und Spanisch und dies monatlich. Die spanische und italienische Ausgabe wurde im Oktober 1969 eingestellt, kurz nach Umwandlung des Unternehmens Skloexport in eine Aktiengesellschaft. Von 1970 bis Anfang 1977 erschien die Zeitschrift dann ausschließlich auf Englisch, Französisch und Deutsch. Ab 1955 gab die Tschechoslowakische Handeskammer die Glasrevue heraus, ab 1962 dann Rapid, die staatliche Werbeagentur. Die Redakteure wechselten selten. Allerdings setzte sich mit der Herausgeberschaft von Rapid ein zeitgemäßeres Erscheinungsbild im Layout durch. Aus Gründen der Praktikabilität wird sie in der vorliegenden Arbeit einheitlich als Glasrevue zitiert, da eine Differenzierung den Textfluss regelmäßig stören würde. 329 Vgl. Kapitel 5.1.1, S. 239, und die vergleichbare Vorgehensweise in den Jahren 1918 bis 1938. In: Marek M. 2006, S. 85. 330 Siehe Kapitel 6.3, Anm. 521, S. 423.
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Digrin: „Ich habe es immer auf Tschechisch geschrieben. […] Ich hatte einmal im Monat ein Weekend, sonst habe ich die ganzen Samstage und Sonntage geschrieben und geschrieben und geschrieben […] es gab für eine Zeile zwei Kronen, also für das Wort ‚tschechoslowakisch‘ habe ich einen Teil des Autos verdient und ich hatte damals 1.800 Kronen als Referent verdient und der Generaldirektor [Růžička] hat 3.200 Kronen gehabt. Und weil ich aber, sagen wir 2.000 monatlich im Durchschnitt zusätzlich verdient hab, war er wütend, dass ich eigentlich mehr verdient habe als er, ja? Also, dann hat er mir verschiedene Schweinereien verursacht […] er hat sich gegenüber meiner Frau blöd benommen. Sie ist dann von Glassexport weggegangen.“331
Digrin schrieb fließbandmäßig für die Glasrevue, so dass die Redaktion sich entschied, diese Artikel unter Pseudonymen wie „Robert Havel“ zu veröffentlichen, um dem Eindruck einseitiger Berichterstattung vorzubeugen: „Ich habe 80 Prozent geschrieben, nicht?“332. Auch Karel Hetteš333 musste seine Aufsätze unter anderem Namen publizieren, aber laut Digrin aus „politischen Gründen“: Digrin: „Mit Hetteš hatten wir große Probleme. Als er 18 Jahre alt war, ich glaube, er war geboren 1900 oder 1899 oder 1901 [1909], und im Jahre, sagen wir 1920, war er ein ganz junger Kerl. Damals entstand die faschistische Partei [gegründet 1926] und die hatten irgendwo eine Versammlung gehabt, und er als junger Kerl war interessiert, was da passiert und war anwesend. Und irgendwie ist das bekannt geworden ... er hat in seinen ... [Akteneintrag bekommen]. Und jetzt durfte er nicht zum Direktor werden und er durfte nicht das und er durfte nicht das ... weil er mit den Faschisten zusammen war.“ Digrinová: „Und das war in Prag?“ Digrin: „Na in Prag! [Radola] Gajda war ein General, der Gründer der faschistischen Partei [Národní Obec Fašistická]. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Und er [Hetteš] war ein ganz junger Kerl, sieht eine Versammlung und geht hin und so weiter. Und irgendwie ist das herausgekommen und das tschechische Ministerium für Industrie hat ihn also abgeschafft und er durfte nirgends hinfahren und so weiter, und sogar mit den Artikeln waren Probleme. Manchmal durfte er nicht ... er hat eine Geliebte gehabt und die durfte ... ich weiß nicht, wie sie hieß, so eine blonde Dame, also ... Artikel unterzeichnet, die er geschrieben hat und so weiter.“ 334
Erst langsam richtete sich der Fokus auch auf Ausstellungen und Themen zur Ausbildung an den Fachschulen und der Kunstgewerbeschule in Prag. Die Gestalter selbst fanden bis Ende der 1950er Jahre selten Erwähnung. Dann wurde einer Vielzahl von ihnen ganze 331 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. Siehe auch Kapitel 3.3.1, S. 73. 332 Angeblich veröffentlichte Digrin unter 20 verschiedenen Pseudonymen. Interview Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003 333 Zu Hetteš siehe Kapitel 6.1.1. 334 Interview mit Ivo Digrin und Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003.
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Artikel gewidmet.335 Diese redaktionelle Neuausrichtung entsprach den wirtschaftlichen Erfolgen, die von der Industrie mit deren innovativen Entwürfen eingefahren werden konnten. Hinzu kam, dass ab dieser Zeit mehr und mehr Glaskünstler aus den spezialisierten Ausbildungszentren in die Gebrauchsglasproduktion strömten. Manche Artikel sind bewusst geschichtsverfälschend, da die Erwähnung deutschstämmiger Glaskünstler und Unternehmer der Jahre vor 1945 gewohnheitsmäßig ausgeklammert wurde. In den 1970er Jahren konzentrierte sich die Berichterstattung auf einzelne Betriebe, Herstellungstechniken oder Glasmacherkollektive (Abb. 51). Nun erschienen vornehmlich Aufsätze über Jubiläen von Glashütten, Pressglas, geschliffenes Bleikristall, inländische und osteuropäische Wettbewerbe und Triennalen, Monografien ausgewählter Künstler, Glas aus der UdSSR, Jugoslawien, Rumänien und generell über staatliche Institutionen, die sich mit Glasgestaltung beschäftigen. Inhaltlich ging man wiederholt auf die „lebendige Tradition“ des Glasmacherwesens in der Tschechoslowakei, auf Unverfängliches wie „Die Farbe im Glas“ und auf Gebrauchsglassortimente im Allgemeinen ein. Bei Ausstellungen wurden hauptsächlich Vitrinenphotos mit Exponaten in Gruppen abgebildet, um demonstrativ die Hervorhebung einzelner Künstler zu vermeiden. Außerdem berichtete die Zeitschrift mehr und mehr über Keramik.336 Die Redaktion der Glasrevue veröffentlichte in den 1980er Jahren zunehmend Aufsätze mit Rück- und Überblicken zu der Entwicklung der heimischen Glasproduktion. Diese betrafen nicht nur technisches Glas oder Gebrauchsglas, sondern auch Kunstgläser und Glasplastiken, die von mittlerweile bekannten Autoren gestaltet wurden. Pavel Hlava wurde in dieser Zeit auch Mitglied der Redaktion. Zum 40. Jubiläum erschien ein Artikel, in dem die Zeitschrift sich selbst mit viel Pathos feierte: „Sie entstand als Informationsorgan der tschechoslowakischen Glasindustrie, die sich aus der noch heißen Asche des Zweiten Weltkrieges erhoben hatte. Sie entstand, um in der Welt in Erinnerung zu bringen, dass die jahrhundertealte Tradition des tschechoslowakischen Glasschaffens nicht vernichtet werden kann, dass es hier ständig Tausende Menschen gibt, die ihr Wissen, ihre Geschicklichkeit, ihr Herz sowie ihre Hände ihrer großen Liebe – dem Glas geben wollen. Die Glasrevue fand im Lauf der Jahre nach und nach ihr eigenes Antlitz, erlebte eine ausschließlich informative, kommerziell-propagandistische Etappe, die Phase eines Katalogs von Neuheiten, sie änderte Frisur sowie Kleid, gewann Erfahrungen.“337
1998 schließlich stellte die Zeitschrift ihre Printausgabe ein, erschien von 2001 bis 2008 aber unter www.glassrevue.com online, nun auf Tschechisch. Die Inhalte konnten jedoch vereinzelt in Kurzzusammenfassung auf Englisch abgerufen werden. 335 Beispiele: Hetteš. In: GR 9–10/1960; GR 4/1961; Matoušek. In: GR 9/1962; Hofmeisterová. In: GR 1/1964; Rejl. In: GR 2/1968; Stehlík. In: GR 5/1968; Maršiková. In: GR 10/1968. 336 Der Anteil der Artikel über Keramik betrug in den Ausgaben 1972/1973 schätzungsweise 35 Prozent des Gesamtheftes. 337 GR 9/1986, S. 16.
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Fachzeitschriften in tschechischer Sprache hingegen gab es in exorbitanter Anzahl. Nicht weniger als sechs Fachblätter beschäftigten sich dauerhaft oder sogar schwerpunktmäßig mit der einheimischen Glasgestaltung. Mitunter ist deren ideologisch gefärbte und oftmals pathetisch anmutende Sprache nur mühsam ins Deutsche zu übersetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um ein relativ kleines Land mit weniger als 12 Millionen Einwohnern handelte, ist dieses Überangebot bemerkenswert und bezeugt das enorme Interesse tschechischsprachiger Leser an diesem Genre. Die Zeitschrift Sklář a keramik. Odborný časopis pro průmysl skla, keramiky a bižuterie (Glas und Keramik. Fachzeitschrift für die Glas-, Keramik- und Schmuckindustrie) erschien bereits seit 1945 in zweimonatlichem Rhythmus. Sie brachte regelmäßig Aufsätze über Innovationen bei den Gebrauchsglassortimenten heraus und veröffentlichte Informationen über Veranstaltungen im In- und Ausland. Zu den Abonnenten gehörten auch ausländische Unternehmen oder Einzelpersonen. Die Zeitschrift existiert noch heute, wobei 2011 eine grundlegende Modernisierung des Layouts eingeführt und der thematische Inhalt schon lange vorher erweitert wurde. Tvář, Časopis pro užite uměni a prumyslove vytvarnictvi (Form. Zeitschrift für angewandte Kunst und industrielle Formgebung), nicht zu verwechseln mit der Literaturzeitschrift gleichen Namens, wurde ab 1948 veröffentlicht. Sie wurde vom ÚLUV herausgegeben und ab 1950 von dem Maler und Glaskünstler Jan Kotík redaktionell geleitet. Die Zeitschrift entwickelte sich zunehmend zu einem oppositionellen Magazin, dessen Kunstkonzept stets als Gegenpart zum sozialistischen Realismus verstanden werden wollte. Sie berichtete oft über zeitgenössische Tendenzen im Ausland und gab damit wichtige Impulse nicht nur für Glaskünstler, sondern auch für Architekten, Keramiker, Textilkünstler oder Modedesigner. Im Jahr 1971 wurde die Veröffentlichung der Zeitschrift Tvář wie auch der Kunstzeitschriften Výtvarné umění (Bildende Kunst)338 und Výtvarná práce339 (Kunstwerk) gestoppt. Das Magazin Umění a řemesla. Časopis pro otázky lidové výroby a uměleckého řemesla (Kunst und Kunsthandwerk. Magazin für Fragen zur Produktion von Kunst und Kunsthandwerk) veröffentlichte ab 1957 regelmäßig Aufsätze von Kunsthistorikern, die sich mit Glas beschäftigten.340 Herausgegeben wurde es, ebenso wie Tvář, vom ÚLUV mit finanzieller Unterstützung des MŠAK. Die Zeitschrift war „Kult“ für Designliebhaber, da sie sich weigerte, ausschließlich die Interessen der Funktionäre zu bedienen und stattdessen den Fokus auf zeitgenössische Kunst legte, über die sie möglichst „objektiv“ be-
338 Die Zeitschrift erschien monatlich ab 1950 und wurde vom Ústřední svaz československých výtvarných umělců herausgegeben. Als Zentralorgan des Künstlerverbandes propagierte sie in den ersten Jahren vor allem den sozialistischen Realismus. Über Glaskunst berichtete sie nicht. Von 1990 bis 1996 wurde Výtvarné umění noch einmal neu aufgelegt. 339 Die Zeitschrift Výtvarná práce war 1952 gegründet worden und veröffentlichte gelegentlich Aufsätze über die Arbeiten von Glaskünstlern. 340 Alena Adlerová, Pavla Drdáčká, Antonín Langhamer, Jiří Šetlík u. a. Aber auch Glaskünstler nutzten diese Plattform, so František Vízner in Heft 4 der 1968er-Ausgabe.
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richtete. Von 1972 bis zu ihrer Einstellung im Jahr 2000 blieb Karel Fabel341 ihr Chefredakteur. Er brachte regelmäßig Aufsätze zu Themen in seinem Fachblatt unter, die in anderen Kunstzeitschriften während der Normalisierung nicht mehr gedruckt wurden.342 2008 konnte die Zeitschrift erneut aufgelegt werden. In der Zeitschrift Domov. Bytová kultura a technika v domácnosti (Heim. Wohnkultur und Technik im Heim) wurden Glasgestalter vorgestellt und kamen seit 1960 selbst als Autoren zu Wort, so zum Beispiel wiederholt Vratislav Šotola. Auch die Kunsthistoriker Alena Adlerová, Miroslav Klivar oder Jaromíra Maršíková schrieben oft für Domov. Das Anliegen der Zeitschrift sollte in erster Linie der Beratung eines breiten Leserkreises in „Fragen der Einrichung und der Vertiefung eines Gefühls für Wohnkultur“ dienen.343 Chefredakteur Ludvík Veselý344 legte einen hohen Anspruch an ein zeitgemäßes Layout und die Zeitschrift galt lange als en vogue. In der Phase der Normalisierung änderte sich nicht nur die redaktionelle Zusammensetzung des Magazins, sondern auch ihre Schwerpunktsetzung. Bei Glasthemen berichtete Domov in Einklang mit der parteipolitisch gewünschten Propagierung einer für die Breite der Bevölkerung erschwinglichen Formgestaltung zumeist über Pressglaserzeugnisse und serienproduzierte Dekoartikel. Ars vitraria. Sborník studií muzea skla a bižutérie v Jablonci nad Nisou345 wurde ab 1966 vom Museum für Glas und Bijouterie in Jablonec nad Nisou herausgegeben, dessen Direktor Stanislav Urban nicht nur einer der Hauptinitiatoren dieser Publikation, sondern auch Autor zahlreicher Beiträge war.346 Der Redaktion des Sammelbandes gehörten die bedeutendsten tschechischen Glashistoriker unter der Leitung von Antonín Langhamer an und auch Kuratoren der Glasmuseen veröffentlichten Beiträge in Ars vitraria.347 Ein Großteil der Aufsätze beschäftigte sich mit der Zeit vor 1900, so dass dieser rückwärtsgerichtete Blick als Zeichen politischer Einflussnahme ausgelegt werden muss. Es finden sich ebenfalls Artikel über Jugendstilglas oder Glashütten in deutscher Hand348, wenn sich diese auch mehr auf stilistische Fragen und Handelsbeziehungen als auf die Eigentümer konzentrieren. 341 Fabel (geb. 1939) hatte Typografie an der SGŠ und Kunstgeschichte an der Karlsuniversität studiert. 342 Žižková, Lenka: Na scénu se vrací časopis Umění a řemesla!, URL: (Stand 18.04.2013). 343 Lamarová 1965, S. 21. 344 Veselý (1921–1998) emigrierte, wie auch Jan Kotík, Ende der 1960er Jahre in die BR Deutschland. 345 Die Veröffentlichung Ars vitraria erschien in 23 Jahren von 1966 bis 1989 unregelmäßig in neun Nummern: Av 1/1966, Av 2/1968, Av 3/1971, Av 4/1973, Av 5/1974, Av 6/nach 1979, Av 7/um 1981, Av 8/1983, Av 9/1989. In den Ausgaben 6 bis 9 wurde das Erscheinungsjahr nicht angegeben, so dass die Jahrgänge nach Druckangaben ermittelt werden müssen. 346 Lukáš. In: Av 6/nach 1979, Úvodem (Zum Geleit), S. 6. Zu Urban siehe Kapitel 6.1.1, S. 356. 347 Alena Adlerová, Jarmila Brožová, Olga Drahotová, Karel Hetteš, Václav Lukáš, Jana Urbancová, Stanislav Urban u. v. a. 348 Vgl. Av 2/1968, Hut’ v Polubném – nové středisko výroby (Die Glasraffinerie Riedel in Polubné), S. 58–77.
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5.3 Auftragskunst – Glaskunst im öffentlichen Raum Bald nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine rege Bautätigkeit in der Tschechoslowakei ein. Besonders in den neu besiedelten Grenzregionen herrschte Wohnungsknappheit und so wurde im ersten Zweijahresplan 1946 festgelegt, dass allein in diesen Landesteilen bis 1948 125.000 Wohneinheiten gebaut werden sollten.349 Private Architekturbüros wurden im Rahmen der Nationalisierungswelle nach und nach aufgelöst. Praktisch alle Architekten mussten nun in den Projektierungsbüros des Natonalunternehmens Stavoprojekt arbeiten, die zwischen Mai 1945 und September 1948 mit Niederlassungen in 13 Städten gegründet worden waren.350 Dieser Staatsbetrieb unterstand dem Ministerium der Bauindustrie (Ministerstvo stavebního průmyslu).351 Bereits im Sommer 1949 arbeiteten 4.500 Architekten für Stavoprojekt, vier Jahre später mehr als 11.000.352 Nach dem Februarumsturz 1948 folgte die Tschechoslowakei uneingeschränkt der Politik der Sowjetunion und die historisierende stalinistische Architektur wurde ab 1950 durch eine Ausstellung in Prag sowie eine Beitragsserie von Jiří Kroha in der Fachzeitschrift Architektura ČSR propagiert.353 Höhepunkt der Schulungsaktionen mit diesem Inhalt war die Abordnung einer Delegation von Stavoprojekt-Architekten im Herbst 1951 nach Moskau, der sich Vertreter aus der DDR, aus Polen, Ungarn und anderen sozialistischen Ländern anschlossen. Eine Prager Architekturkonferenz im Juli 1953 verurteilte selbstkritisch den „Konstruktivismus“ und „Funktionalismus“ und bekannte sich klar zur Idee des sozialistischen Realismus.354 Die Durchsetzung sowjetischer Kunsteinflüsse bestimmte gleichfalls die konzeptionellen Vorgaben für Neubauten und 349 Zarecor 2011, S. 11, 14. 350 Die Organisation erhielt ihren Namen – ein Akronym aus den Worten „stavit“ (Konstruktion) und „projekt“ – erst zwei Jahre später, wie sich ihr Leiter Otokar Nový 1973 erinnerte: „For a long time [the new organization] lacked a name. In 1948 I thought up a name for it in telegraph shorthand. Eventually the organization was christianed Stavoprojekt.“ (Zarecor 2011, Anm. 15, S. 320 siehe auch S. 78. Der Name Stavoprojekt war bis Ende 1953 in Gebrauch, bis am 1. Januar 1954 die Staatlichen Design Institute (státní pojektové ústavy) eingerichtet wurden. Ab Januar 1956 war dann als neue Organisation die Zentralverwaltung für Wohnungswesen und kommunale Einrichtungen (Ústřední správa pro bytovou a občanskou výstavbu) zuständig, während die einzelnen Büros als Staatliches Design Institut weiter firmierten. Ab 1958 unterstanden diese dem Staatskomitee für Bauwesen (Státní výbor pro výstavbu), welches 1960 aufgelöst wurde. In den folgenden Jahren erhielt die zentrale Verwaltung der Architekturbüros erneut den Namen Stavoprojekt. Zarecor 2011, Anm. 19, S. 320. 351 Das Ministerium wurde im Januar 1953 umbenannt in Ministerium für Bauwesen (Ministerstvo stavebnictví), das bis Juli 1960 existierte. Zarecor 2011, Anm. 19, S. 320. 352 Zarecor 2011, S. 74. 353 In dieser Serie kritisierte er den CIAM-Kongress in Bergamo und die „kosmopolitische“ funktionalistische Architektur scharf. Šlapeta 1997, S. 17. 354 Ebenda. Im Dezember 1954 sprach sich Nikita Chruščëv in einer Rede an der Bauakademie in Moskau für eine erneute Hinwendung zum Funktionalismus aus, eine Empfehlung, der Architekten in allen Bruderländern zu folgen hatten. Ebenda, S. 18.
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wurde in der Tschechoslowakei für den Bereich der Architektur kurz als Sorela – sozialistischer Realismus355 bezeichnet. Nach 1954 wurden die symmetrischen Entwürfe der Stalinära mit ihrer strengen Achsenausrichtung fortgeführt, wenn auch auf dekorative Elemente an den Fassaden weitestgehend verzichtet wurde356. Langsam meldete sich eine neue, nach dem Krieg ausgebildete Generation von Architekten zu Wort, die nach 1920 geboren war. Neben dem Monopolinstitut Stavoprojekt entstanden spezialisierte Fachinstitute, wie Keramoprojekt357, Pragoprojekt358, Hutní projekt (Hüttenprojekt)359, Obchodní projekt360 und andere. Das bedeutete wenigstens ein bisschen Konkurrenz und den Ansatz zu einer gewissen Liberalisierung der gestalterischen Arbeit der Architekten. Die Abkehr vom Historismus führte im Wohnungsbau zur Plattenbauweise und seit Anfang der sechziger Jahre zum Bau von Siedlungen in Großblockbauweise. Diese Strategie wurde bis 1989 beibehalten. Das politische Regime befürwortete künstlerisch gestaltete Architekturelemente für Interieurs und Exterieurs öffentlicher Gebäude, denen erstens repräsentative, zweitens symbolträchtige und drittens propagandistische und damit erzieherische Aufgaben zugesprochen wurden. Damit lassen sich alle drei Funktionen ausmachen, die nach Hobsbawm als Grundlage einer diktatorischen Kulturpolitik gelten.361 Besonders bei Auftragsarbeiten und Arbeiten für den öffentlichen Raum mit klaren Themen- und Stilvorgaben traten diese Funktionen eindeutig zutage. Die Aufträge für baubezogene Kunst im öffentlichen Raum gehen zurück auf eine Verordnung vom 20. Januar 1954 „zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen des tschechischen 355 Es existieren diverse Interpretationen zur Entstehung des Begriffs: Zarecor 2011, S. 144. 356 Marek M. 2010a, S. 50; Zarecor 2011, S. 137. 357 Keramoprojekt war ein Design-Ingenieurunternehmen mit Sitz im slowakischen Trenčín. Es wurde 1951 gegründet und spezialisierte sich auf die Herstellung von handgefertigten Bauelementen aus Zement, Keramik oder Sandstein. Schrittweise erweiterte es seine Aktivitäten in anderen industriellen Bereichen wie Maschinenbau, der Glasindustrie, Lebensmittelindustrie, Tiefbau und anderen. Nach der Privatisierung 1991 firmierte es als PIO Keramoprojekt und bietet bis heute Design- und Ingenieuraktivitäten in Generalplanung. 358 Pragoprojekt ist ein Ingenieurbüro mit Schwerpunkt auf Straßenbau, U-Bahnen und Gebäude. Nach Privatisierung existiert es noch heute. 359 Hutní projekt (Hüttenprojekt) in Ostrava ist ein Design- und Ingenieurbüro mit Schwerpunkt auf Bauüberwachung im Industriesektor, welches 1951 gegründet und 1992 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Seit 2007 gibt es nur noch einen Aktionär. 360 Obchodní projekt (Handelsprojekt) mit Sitz in Jihlava wurde 1954 gegründet und gehört seit 1991 dem Architekten Jiří Vácha. Das private Unternehmen bietet die Planung und Gestaltung von Gebäuden sowie Unterstützung bei der Standortwahl an. 361 In einer Diktatur sollte Kunst den Ruhm und Triumph der Macht an sich demonstrieren, deren Dimensionen und Ambitionen allein durch die Größe und den Umfang der Planung widergespiegelt werden sollten. Weiterhin sollte Kunst als öffentliches „Drama“ inszeniert werden, da Ritual und Zeremonie essentiell für den politischen Prozess seien, nationale Monumente sollten als Ausdruck des Massenpatriotismus dienen. Die erzieherischen oder propagandistischen Aspekte der Kunst sollten neben ihrer informativen Funktion die staatliche Vorgabe obligatorisch machen und damit die Stimmen von Dissidenten verbannen. Hobsbawm 1995, S. 12.
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Volkes“.362 Der sozialistische Mensch sollte nicht nur an seinem Ausbildungs- und Arbeitsplatz von Kunst umgeben sein. Kunst sollte aus dem elitären Bereich der Museen und Privatsammlungen in den „öffentlichen Raum“ getragen werden und so neben dekorativen Aufgaben eine erzieherische Funktion erfüllen, indem sie die Bevölkerung auf der Straße, an ihrem Wohnort, konfrontierte. In staatlichem Auftrag entstanden unzählige Skulpturen und bauplastische Arbeiten, die Wohnsiedlungen sowie Regierungs- und Verwaltungsbauten beleben sollten. „Die soziale Haupttendenz der tschechoslowakischen Nachkriegsarchitektur ist das Bemühen, allen Bürgern einen grundlegenden technischen Raumstandard und ein kulturelles Niveau des Lebensmilieus zu bieten.“363
Idealerweise fand die in historischen Quellen wiederholt zitierte Formel „national in der Form, sozialistisch im Inhalt“ Anwendung.364 Landestypische Symbole, wie das oft zitierte Lindenblatt, und traditionell verankerte Techniken wie das „Sgraffito“365, welches opulent am Palais Schwarzenberg (Schwarzenberský palác) und dem Haus zur Minute (Dům U Minuty) vorhanden war, eigneten sich in diesem Kontext besonders. Die Notwendigkeit, neue Gebäude zu errichten, wurde also um den Wunsch ergänzt, deren Architektur individuell und mit einer ideologisch geeigneten Ikonographie zu gestalten. Dies führte zu einer Zusammenarbeit zwischen Architekten und anderen Gestaltern. Neben Keramikern und Bildhauern wurden nun ganz selbstverständlich auch Glaskünstler in die Ausgestaltung von architektonischen Räumen einbezogen. Ihre ersten Arbeiten waren Entwürfe für Fenster und dekorative Objekte wie Beleuchtungskörper366 für öffentliche Bauvorhaben. „When architecture takes the form of a mere soulless building, glass designers are called upon to make up, in the best of cases, for what the architectural object is lacking in itself.“367
362 Vgl. Gesetz über den Staatsplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft 2/1954 Sb. 363 Dostál/Pechar/Procházka 1967, S. 226. 364 „[Es hat sich] gezeigt, dass auch unsere Gegenwart ein Gesamtkunstwerk braucht – natürlich in einer ihr entsprechenden gestalterischen Konzeption.“ Maršiková. In: GR 1/1977, S. 6. 365 Bei dieser dekorativen Fassadengestaltung werden mehrere Lagen farbiger Putz übereinander aufgetragen und vom Handwerker durch Schneiden, Ritzen und Kratzen je nach Motiv freigelegt. 366 „Aus den Händen der bildenden Künstler gingen Entwürfe hervor, welche dank der außerordentlichen Geschicklichkeit der Glasarbeiter und der das Beleuchtungsglas veredelnden Dekorateure in hervorragender Art verwirklicht wurden.“ GR 1–2/1955, S. 24. 367 Šindelář. In: GR 7/1961, S. 204.
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Ab 1948 stellte das Nationalunternehmen Umelěcké Sklo368 in Nový Bor diese Entwürfe im Atelier Vitráže369 um. Dessen Gründung hatte Stanislav Libenský angeregt, der für kurze Zeit als Gestalter das Produktionsprogramm für Bleiglasfenster leitete.370 Neben der Technik des Bleiverglasens wurde auch das Ätzen und Sandstrahlen von Flachglas angewandt. Roubíček: „Dort war Hetteš als Berater. Die Idee war, neues Design und Kunst, also Vitragen usw., zu machen. Dort gab es die Möglichkeit, selbst etwas Neues zu machen. Dort wurde auch alles für die EXPO gemacht, bei Borské sklo.“371
Schrittweise bewilligte die Regierung die Finanzierung neuer Entwicklungszentren für künstlerische Architekturelemente. In Pelechov bei Železný Brod entstand 1950 eine experimentelle Abteilung für Glas in der Architektur (Sklo v architektuře) in der Glasfachschule, das an die Glasmanufaktur Železnobrodské sklo372 angeschlossen war. Seit ihrer Gründung bis 1984 wirkte dort durchgängig Jaroslava Brychtová als Leiterin. Hier entstanden zahlreiche geätzte Vitragen, gedrückte Glasmosaike und monumentale Schmelzglaskompositionen für Betriebe, Verwaltungsgebäude und Bauten kultureller und sozialer Institutionen.373 Brychtová: „Das Zentrum in Pelechov wurde für uns zur Realisationsgrundlage, ohne der [sic] so bedeutende Arbeiten, wie zahlreiche staatliche Bestellungen für die Architektur und tschechoslowakischen Expositionen auf bedeutenden ausländischen Ausstellungen nicht entstehen hätten können.“ 374 368 Am 1. Juli 1948 enstand dieses Unternehmen unter Eingliederung der Bor Studios (Borské ateliéry), der Firma Lobmeyr, der Mosaikwerkstätten (Česká mosaika) in Prag und den Vačkář-Glaswerkstätten (Sklenářská dílna) in Brno. Umelěcké sklo (Kunstglas) sollte sich explizit um innovative Glasdesigns bemühen und zog mit seinen Studios eine Reihe von namhaften Künstlern wie Václav Plátek, Josef M. Hospodka, Karel Hrodek und Stanislav Libenský an. Die Werkstätten arbeiteten eng mit Studenten Kaplickýs zusammen, setzten aber auch Entwürfe externer Künstler um. Langhamer 2005c, S. 417; Kapitel 3.2, S. 104 f., und Kapitel 4.1, S. 147. 369 Vitráže ist der Sammelbegriff für Bleiglasfenster, Glasmalerei und Vitragen. 370 Langhamer. In: GR 5/1991, S. 26. Die Studios wurden Anfang 1954 dem Unternehmen Borské sklo unterstellt. In den frühen 1990er Jahren wurden die Bleiglaswerkstätten privatisiert und firmierten ab 1993 unter dem Namen des wiederbelebten Traditionsbetriebs Egermann-Exbor. 371 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 372 Die Železnobrodské sklo-Glaswerke wurden 1948 als Zusammenschluss von neun nationalisierten Glasmanufakturen gebildet. 373 Das Ehepaar Libenský/Brychtová selbst ließ in Pelechov beispielsweise seine Schmelzglaskompositionen für die Fenster der St.-Wenzels-Kapelle im Veitsdom, das Foyer der Föderativen Versammlung, die Trennwand für den Flughafen in Bratislava, die Metro-Station Národní, die Prager Hotels Jalta, International und Atrium oder für die Außenwand des Altstädter Rathauses fertigen (Abb. 63). Auch die Skulptur „Pfad der Meteoriten“ für den Ještěd entstand hier 1974 (siehe Abb. 61). 374 Jaroslava Brychtová. In: GR 8–9/1991, S. 12.
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René Roubíček kam ebenfalls 1952 zum Atelier Železnobrodské sklo, verließ es aber schon nach einem Jahr wieder, da er die Schule von Železný Brod als „generell sehr konservativ mit Ausnahme dieser Abteilung von Brychta“375 empfand. Die Verwendung von künstlerisch gestaltetem Glas als Architekturelement war keine neue Erfindung der sozialistischen Ära. In der Tschechoslowakei stand sie in einer Tradition, die bereits in den 1920er Jahren ihren Ursprung hatte. Fortschrittlich orientierte Künstler beschäftigten sich gemeinsam mit gleichgesinnten Architekten mit der Gestaltung von dekorativen Glasvitraillen und Mosaiken für öffentliche Gebäude und private Bauherren. Zuerst wandten sich Maler dieser Aufgabe, und damit oftmals zeitgleich dem Material Glas, zu. Bekannte Pioniere waren Josef Kaplický, František Kysela, Alfons Mucha, Max Švabinský und Karel Svolinský. Kaplický, der von 1945 bis zu seinem Tod 1962 als Professor an der VŠUP den Aufschwung der modernen Glaskunst wesentlich mitinitiierte, reichte bereits als Student, 1921, einen Entwurf bei einem Wettbewerb für das Rosetten-Bleiglasfenster an der Frontseite der Prager St.-Vitus-Kathedrale ein.376 Kyselas Design hingegen mit Darstellungen der biblischen Schaffensgeschichte gewann die Ausschreibung und wurde von 1925 bis 1927 aus über 27.000 verschiedenfarbigen Glasscheiben umgesetzt. Die Ausschmückung der Kathedrale bot führenden Malern die Möglichkeit, Glasfenster und Glasmosaiken zu gestalten.377 1931 wurde ein bemaltes Bleiglasfenster mit Szenen aus dem Leben der Nationalheiligen Kyrill und Methodius in der nördlichen Taufkapelle im Veitsdom von Alfons Mucha installiert. Desgleichen schuf Max Švabinský zwischen 1933 und 1938 Buntglasfenster für die Kathedrale.378 Aber auch Bildhauer interessierten sich für eine Neuinterpretation von Architekturelementen durch das Material Glas. Für die „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris 1925 schufen Jaroslav Horejc und Pavel Janák eine Fontäne aus geschliffenem Kristallglas und Holz, die als zentraler Bestandteil in der Halle des tschechoslowakischen Pavillons fungierte, für dessen Treppe František Kysela eine farbige Vitrage konzipierte. Alois Metelák entwarf Mitte der 1930er Jahre einen Springbrunnen aus geschliffenem Rauchglas für die Sparkasse in Železný Brod. Zdeněk 375 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Siehe auch Kapitel 4.2.3, S. 188. 376 Raban. In: GR 8/1962, S. 230. Kaplický entwarf 1935 das Bleiglasfenster mit „St. Wenzel zu Pferde“ für die Sankt Wenzelskirche im Prager Stadtteil Vršovice, ein Gebäude von Josef Gočar. 377 Auch private Bauträger gaben künstlerisch gestaltete Glasfenster in Auftrag. So entwarf beispielsweise Josef Kaplický für das Eigenheim der Familie Rašín in Liběchov 14 bemalte Glasfenster, abgebildet in Petrová 2001, Nr. 16/17, S. 34/35. 378 Max Švabinský nahm mit verschiedenen Entwürfen an den Wettbewerben zur Ausschmückung der Burgkirche teil. Er wurde mit der Aufgabe betraut, ein Fenster für die Ludmillakapelle zu gestalten. Die Komposition „Ausgießung des Heiligen Geistes“ entstand von 1933 bis 1935. Das „Jüngste Gericht“ in der Taufkapelle hat die monumentalen Ausmaße von 17,5 Meter in der Höhe und 11,5 Meter in der Breite. Es besteht aus insgesamt sechs Teilen mit den Szenen „Die Gerechten“, „Die Verdammung“, „Tschechische Könige“, „Figuren vor dem Jüngsten Gericht“, „Die Verurteilung“ sowie „Sturz in die Hölle“ und wurde 1939 installiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Švabinský zur Ausschmückung des Doms zurück und schuf drei Bleifensterverglasungen mit der „Hl. Dreifaltigkeit“ und tschechischen Heiligen. Vgl. Anm. 322, S. 297 f.
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Pešáneks Skulpturen und der Brunnen, die er auf der Pariser Weltausstellung 1937 präsentierte, wurden mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.379 1937 gestaltete Horejc eine Glasarbeit, die sich heute im Veletržní palác befindet. Es handelt sich dabei um ein sechzehnteiliges Relief aus formgegossenen Glaselementen mit dem Titel „Land und Leute“, das zusammengesetzt in einem Metallrahmen die erste europäische Monumentalarbeit in Glas darstellte (Abb. 52 a und Abb. 52 b).380 Das Relief war ursprünglich für den Palast der Vereinten Nationen in Genf entworfen worden und sollte dann 1939 bei der Weltausstellung in New York präsentiert werden, doch es gelangte zunächst ins Depot des Prager Kunstgewerbemuseums.381 Da Stavoprojekt trotz seiner Größe keine eigene Abteilung für künstlerische Architekturelemente besaß, wurden diese Aufträge extern vergeben. Seine Architekten nahmen gemäß Gesetz 23/1965 Sb. an staatlichen Ausschreibungen für Verwaltungsgebäude, Schulen, Krankenhäuser oder Ähnlichem teil und reichten ihre Entwürfe zunächst ohne schmückende Elemente ein. Der Siegerentwurf wurde dann erneut für konkrete Aufgaben, wie dekorative Fenster, Raumtrenner oder Beleuchtungskörper ausgeschrieben und von Künstlern beantwortet. Viele Glaskünstler beteiligten sich an diesen Wettbewerben, bei denen dann der Architekt eine Auswahl traf, die erneut vorab der Zustimmung des Investors in Gestalt der Betriebe, Künstlerverbände, des Staates bedurfte. Manchmal wurde der Vorschlag eines Architekten auch abgelehnt und der Auftrag umverteilt, wie bei dem Entwurf eines Fensters im Glasmuseum in Sázava.382 Harcuba: „Da war ein Architekt, der mit dem Museum ausgemacht hat, dass er das Fenster für die macht, nicht? Aber dann hat er das der Jury vorgelegt und die Jury sagte, nein der Entwurf ist nicht gut genug. Die haben dann mich angesprochen. Es war eigentlich nicht schlimm für den Architekten, denn er bekam trotzdem etwas für seinen Entwurf. Und dann wurde halt meiner akzeptiert. Der Architekt hätte sich dann heute beklagen müssen, dass die Diktatur der Jury ihm die Arbeit genommen hat und jemanden anderen übergeben hat.“ 383 379 Diese Pionierarbeiten aus Neonröhren und semitransparentem Kunststoff nehmen Bemühungen um die Strukturierung der transparenten Masse vorweg, die sich in den Glasarbeiten tschechischer Künstler der 1950er bis 1970er Jahre finden. 380 Hergestellt wurden die einzelnen Blöcke des Reliefs von den Josef Riedel Glaswerken in Polaun (Polubný). Bereits 1933 entwarf der Architekt Hugh Lawrie ein mehrteiliges monumentales Glasrelief für das New Yorker Rockefeller Center, das von den Corning Glassworks hergestellt wurde und sich noch immer an seinem Bestimmungsort befindet. Frantz 2005, S. 35. 381 Erst mit dreißigjähriger Verspätung bekam es die Öffentlichkeit im Jahr 1969 auf der im Frühjahr in Prag veranstalteten Ausstellung „Padesát let českého užitého umění a průmyslového výtvyrnictví. Mezníky vývoje v letech 1918–1968“ (50 Jahre tschechische angewandte Kunst und industrielle Formgebung. Meilensteine in der Entwicklung in den Jahren 1918 bis 1968) zu sehen (vgl. Abb. 94; Maršiková. In: GR 10/1971, S. 293). In den 1950er Jahren griffen Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová Horejcs Idee auf und experimentierten mit derselben Gussglastechnik auf skulpturaler Ebene. 382 Das Museum war im Kloster von Sázava untergebracht und beherbergte technisches Glas. 383 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003.
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Im Anschluss an dieses komplizierte Verfahren wurden nicht wenige weitgediehende Projekte wieder verworfen oder sollten Veränderungen im Design erfahren384, die nicht immer auf die Zustimmung des Architekten oder Künstlers stießen. Auch das Fenster im Glasmuseum von Sazava entsprach nicht den ursprünglichen Entwürfen Harcubas: „Das hab ich gesehen und war überrascht. Ich war enttäuscht, weil ich ein Doppelfenster mit einer sehr starken Wand wollte. Und nach außen war es eigentlich ein engeres Glasfenster. Und ich wollte, dass man diese innere Wand schwarz anstreicht, damit das zu sehen ist. Die haben es nicht gemacht. Und dann freilich, es wäre kompliziert, das wieder herauszunehmen ... die haben das nicht beachtet ... und ich war nicht dabei.“385
Etliche Entwürfe wurden im eigentlichen Konstruktionsprozess noch zerstört, infolge von Mißverständnissen oder schlechter Statik.386 Wann immer Glasentwürfe jedoch erfolgreich als Architekturelement installiert werden konnten, empfanden dies die Künstler als Glücksfall, denn hier konnten sie mit größeren Budgets Arbeiten umsetzen, die anders als im Bereich Gebrauchsglas einen skulpturalen Grundcharakter aufweisen sollten. In vielen Fällen bemühten sich die Gestalter um eine langfristige Zusammenarbeit mit Architekten. Diese bedeutete die einzige Möglichkeit, großformatige Entwürfe zu realisieren, die kostspielig aufgrund des Materials sowie des Herstellungsprozesses waren. Außerdem wurden Auftragsarbeiten großzügig entlohnt. Wünsch: „Ich habe viel mit Architekten zusammengearbeitet, da dort mehr Geld zu verdienen war. Den Verdienst habe ich dann für die freie künstlerische Arbeit genutzt.“ 387 Harcuba: „Sie [Dana Vachtová] hat nie für die Industrie gearbeitet. Die hat sich damit Geld verdient, dass sie für die Architektur gearbeitet hat. Das war halt auch ein Glück! Das ist ja das Zweite, nicht? Das hat mit der Politik gar nichts zu tun! Man muss eine Verbindung 384 Aus diesem Grund suchte Jan Štibych nach einer Technik, die es ihm ermöglichen sollte, sich aktiv an der Realisierung der Arbeit zu beteiligen und diese nicht anderen übertragen zu müssen. Anfang der 1950er Jahre schuf Štibych eine Reihe von Fenstern aus geätztem und sandgestrahltem Glas, unter anderem für die Bahnhofshalle in Třinec, sein wohl umfangreichster Auftrag (Langhamer. In: GR 10/1976, S. 10). Im Februar 2013 verkündete Gemeindesprecher Šárka Szlaurová den beschlossenen Teilabriss des alten Bahnhofs und einen modernen Neubau. Cholewa, Marek: Přestavba nádraží na přestupní terminál: začne se letos? (Der Wiederaufbau des Umsteigebahnhofterminals: Start in diesem Jahr?), URL: (Stand 09.04.2013). 385 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 386 Petrová 2001, S. 94. In diesem Kontext nennenswert ist auch die mutwillige Zerstörung historischer Fenster in Baudenkmälern wie der Prager Burg zwecks Neuinstallation moderner Entwürfe. „Lobmeyr, als die Firma liquidiert wurde, baute der Architekt Rothmeyer gerade die Prager Burg um. Ich stand unter einem Fenster, die Leute warfen die Scherben einfach heraus – er klebte sie teilweise zusammen.“ Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. 387 Interview mit Karel Wünsch, Prag, 26.06.2003.
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haben zu einem Architekten, der Projekte macht, und der sich diesen Partner ausliest. Mir ist das ein paar Mal gelungen. Ich hab ein Fenster gemacht für ein Glasmuseum in Sazava, ein Glasmuseum, das war geätzt. Dann habe ich ein Fenster gemacht für die Invaliden in Prag. Das war graviert. Dann habe ich ein schmales Fenster gemacht in einem Krematorium.“ 388
Die Kooperation umfasste einerseits dekorative Elemente für Interieurs, wie sie traditionell im Glasbereich in Gestalt von Beleuchtungskörpern und Glasfenstern üblich waren, als auch neue innenarchitektonische Formen, die teilweise eine echte Funktion erfüllten – Trennwände, Treppengeländer, Brunnen und Mobiliar. Staatliche Aufträge brachten denjenigen Künstlern, die Kooperationsaufträge von Architekten erhielten, die Möglichkeit, freiberuflich zu arbeiten. So waren sie nicht gezwungen, außerkünstlerische Tätigkeiten aufzunehmen, denn die Teilnahme am Berufsleben war für alle Bürger verpflichtend.389 Für Glaskünstler bedeutete die staatliche Auftragskunst zwar relative Auftragssicherheit, allerdings oft um den Preis einer Anpassung an die herrschende Kunstdoktrin. Zunächst beschränkte sich die Kunst am Bau auf die Ikonographie des sozialistischen Realismus in historisierender Manier. Das Hervorheben der monumentalitären Darstellung politischer Macht bedeutete die Hinwendung zur geschichtsorientierten Inspiration mit Blick auf ihre klassizistische Formensprache.390 Beispielsweise bezogen sich die Glasmosaiken, welche als dekorative Ornamente für Neubauten in den frühen 1950er Jahren in Auftrag gegeben wurden, auf Mosaiken der Zeit Karls IV. sowie auf romanische und gotische Arbeiten.391 Max Švabinskýs erwähnter Entwurf für das Mosaik „Taufe Christi“ von 1939 vollendete die Prager Mosaikglashütte 1950 auf staatliche Anordnung für die Taufkapelle des Veitsdoms.392 Weitere Mosaiken des „Nationalkünstlers“ für die fünf Lünetten in der Loggia des Nationaltheaters in Prag fertigen die Mosaikwerkstätten zwischen 1949 und 1952. Obgleich er als unpolitisch galt, ließ sich Švabinský doch wiederholt in den Dienst der kommunistischen Partei stellen.393 388 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 389 Diese Pflicht wurde als „Recht auf Arbeit“ in Artikel 26, § 1 der Verfassung vom 9. Mai 1948 erklärt. 390 Dieses Kunstempfinden wurde in der zeitgenössischen Diskussion als historisch allen slawischen Völkern gemein und klassenübergreifend interpretiert. Es sei erst im 19. Jahrhundert durch den „formalistischen Geschmack“ des Bürgertums unterbunden worden. Vgl. Marek M. 2010a, S. 71/72. 391 „In the Czech territories we meet from early times with the use of mosaic – a proof of the knowledge there of this technique and of its great tradition. […] Modern architecture makes use of glass mosaics as an accessory ornament. […] The possibilities of utilizing glass mosaic at the present time are unlimited. Not only entire facades, the outer and interior decoration of vestibules, halls, assemly rooms and the like, but also framed pictures of smaller dimensions can be executed in mosaic.“ GR 4/1952a, S. 15. 392 Siehe Artikel über die Fertigstellung des Mosaiks in: GR 4/1950, S. 7/8. Es stellte sich in die Tradition des über dem Südtor der Kathedrale dominant platzierten Werkes „Das Jüngste Gericht“ aus dem 14. Jahrhundert, wo auch die von Švabinský bereits in den 1930er Jahren entworfenen Buntglasfenster installiert wurden. 393 So malte er nach 1948 von jedem Präsidenten ein offizielles Porträt. Švabinský wurde auch Träger des neu gestifteten Staatspreises, des Tschechoslowakischen Friedenspreises und im Jahre 1958, aus
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Im architekturgebundenen Glasbereich finden sich nur sporadisch dem sozialistischen Realismus zuzuordnende Themen. Sie sind vorwiegend bei Mosaiken zu finden. So entwarf beispielsweise der Maler Jan Kudláček ein Glasmosaik mit der Darstellung Maxim Gorkis. Auch Karel Minář lieferte eine Mosaikvorlage mit dem Titel „Partisanen aus der Slowakei“, die von dem Team um Ladislav Kašpar bei Česká mozaika in Prag ausgeführt wurde.394 Ein anderes frühes Beispiel für architekturbezogene Glaskunst im Stil des sozialistischen Realismus liefert ein Entwurf von Jaroslav Antonín Junek aus dem Jahr 1946, der eine Säule für ein ungenanntes Interieur mit dem Sujet arbeitender Handwerker und Bauern entwarf (Abb. 53).395 Künstler, die heute für ihre abstrakten Werke bekannt sind, schlossen sich bisweilen in ihrer Jugend dieser Prämisse an. Stanislav Libenský beispielsweise entwarf zwei Bleiglasfenster, die ikonographisch absolute Linientreue dokumentieren (siehe Abb. 68, Abb. 69).396 Ende der 1950er Jahre experimentierte Libenský bei Aufträgen für öffentliche Bauten gemeinsam mit Brychtová dann bereits mit der damals neuen Technologie von in Zement gefassten farbigen Schmelzglasblöcken. So entstanden die beiden Raumtrenner des Künstlerduos für das Kulturhaus in Ostrava-Poruba. Unter den Titeln „Schöpfer“ und „Ernte“ (Abb. 54) wurden sie 1959 installiert.397 Für das Dům Děti (Haus der Kinder) auf dem Gelände der Prager Burg entwarfen Libenský/Brychtová nur wenige Jahre später zwei Stelen, die gänzlich ungegenständlich waren und stilistisch einen radikalen Bruch versinnbildlichten. Um dem Anspruch der Lesbarkeit zu genügen, wurden diese als „Blume“ und „Astronaut“ bezeichnet (Abb. 55). Im Hotel International in Prag, zwischen 1951 und 1956 im Stil des Sorela von Architekt František Kadeřábek erbaut, wurde eine ikonographisch stimmige Glaskunstarbeit installiert. Jaroslava Brychtová
Anlass seines 85. Geburtstags, des Ordens der Republik. Er war der erste Nationalkünstler, welcher 1945 mit diesem Titel ausgezeichnet wurde. Drei Jahre später erhielt Švabinský die Ehrendoktorwürde der Akademie der bildenden Künste in Prag sowie ein Atelier auf Lebenszeit. 394 Kudláčeks „Gorki“ ist illustriert in: Sklo a keramika 9/1947, S. 161. Karel Minář (1901–1973) fertigte auch Entwürfe in Sgraffito-Ausführung an. Ein Detail des genannten Mosaiks ist illustriert in: Tvář 9/1952, S. 283. Für ein monumentales Mosaik mit Ernteszenen vgl. GR 6/1952, S. 18. 395 Junek (geb. 1908, Todesdatum unbekannt) war Architekt, beschäftigte sich aber in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre parallel auch mit Entwürfen für Gebrauchsglas. Schon ab 1936 hatte er Pressglasentwürfe für Pressglas und Beleuchtungsgläser als Gestalter von S. Reich & Co. (später Českomoravské sklarný) geliefert. Geiselberger/Stopfer. In: PK 4/2003, S. 98. 396 Abgebildet in Hetteš 1952, Nr. 22, 23; Wasmuth 2010, Abb. 2 und 3. 397 Bei einer offiziellen Klassifikation der Kunst im Gebäude nach ideologischen Gesichtspunkten wurden diese 1971 zunächst verhängt und später demontiert (Šťastná 2009, S. 123). Zwar konnte man aufgrund der Titel sicherlich keinerlei Beanstandung erheben, vermutlich erschien dennoch die abstrahierte Darstellung der Akteure als irreführend in stilistischer Hinsicht. Auch René Roubíček lieferte für den Trausaal in Ostrava ein monumentales Bleiglasfenster, welches von Atelier Vitráže in Nový Bor ausgeführt und 1966 installiert wurde. Es befindet sich noch heute im Gebäude. Siehe Abbildung in Langhamer 2003, Nr. 185, S. 187.
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und Vilém Dostrašil398 schufen das Kristallglasrelief „Prag“ für die Bruncvík Halle.399 Auch im Hotel Jalta am Wenzelsplatz, 1956 nach Plänen von Architekt Antonín Tenzer errichtet, wurden Auftragsarbeiten von Glaskünstlern eingebaut. Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová zeichneten verantwortlich für acht Leuchtsteine mit dem Titel „Kristallzeichen“. Während im International, dem heutigen Crowne Plaza, noch die Auftragsarbeit vorhanden ist, finden sich im Jalta keine der Glassteine noch an Ort und Stelle.400 Es gab jedoch nicht viele derartige Beispiele für baubezogene Glaskunst in figurativer Manier. Die offiziellen Empfehlungen der Kulturpolitik und die tatsächlich ausgeführten Aufträge stimmten seit Beginn der 1960er Jahre nicht nur selten überein, sondern sie kamen teilweise zu durchaus konträren Resultaten, die in manchen Fällen sogar das Machtmonopol der Partei berührten.401 Diese Arbeiten müssen als regelrecht subversiv bezeichnet werden, da sie entgegen der gewünschten Empfehlung einen rein abstrakten Charakter aufwiesen und der eigenständigen Entwicklungslinie der jeweiligen Künstler treu blieben. Mit dem Einsetzen der Reformbestrebungen Ende der 1950er Jahre, die heute als Hinwendung zu einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz bekannt sind, veränderte sich sowohl ikonographisch als auch stilistisch der Komplex der Architekturelemente aus Glas. Einen signifikanten Impuls für die Verfolgung dieser künstlerischen Richtung gab der Erfolg der tschechoslowakischen Präsentation bei der Weltausstellung EXPO 58 in Brüssel.402 Die wirklichen Verhältnisse im Land sollten nach außen durch den von František Cubr, Josef Hrubý und Zdeněk Pokorný ausgeführten Bau des im Nierenstil gehaltenen Pavillons verschleiert werden. Zu Hause wurden unterdessen Säuberungen und Prozesse wegen angeblicher Wirtschaftsdelikte inszeniert. Zahlreiche Architekten wurden zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt, ihrer Professuren enthoben oder aus dem Architektenverband ausgeschlossen.403 Der Erfolg in Brüssel zog eine grundsätzliche Neuausrichtung der Auswahlkriterien für Auftragskunst nach sich. Wegen der überaus positiven Rezeption der völlig neuen Kategorie „Glasplastiken“ im Pavillon lag es nahe, diesen Bereich konzentriert zu för398 Dostrašil (1926–2004) leitete in den 1960er Jahren die Abteilung für die Produktion von Glasfiguren an der Glasfachschule in Železný Brod. 399 Dieses aus 20 Scheiben zusammengesetzte Wandrelief mit einer Höhe von 2,20 Meter und einer Breite von 2,80 Meter war eine naturalistische Ansicht der Stadtkulisse mit der Statue Bruncvíks. Für eine Abbildung siehe Frantz 1994, Nr. 3, S. 185. 400 Im Rahmen von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen der 1990er Jahre wurden sie deinstalliert. Über ihren Verbleib konnte das Hotel keine Auskunft geben. 401 Im Folgenden und erneut in Kapitel 6.2.1, S. 392–394, wird im Zusammenhang mit dieser Hypothese beispielhaft auf die Arbeiten von Libenský/Brychtová und Roubíček für die Weltausstellung 1970 in Osaka eingegangen. 402 Über die umfangreiche Glasschau und deren Erfolg in Brüssel siehe Kapitel 6.2.1. René Roubíček erhielt in Brüssel für seine monumentale Glasskulptur den Grand Prix und präsentierte im Folgejahr in der Moskauer Manège erneut eine vergleichbare Plastik mit dem Titel „Baum der Glasindustrie“. Siehe Kapitel 6.2.1. 403 Šlapeta 1997, S. 18.
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dern. Ihre Monumentalität und innovative Bildsprache konnotierte bei Zeitgenossen ein fortschrittliches Kunstdenken, das die offiziellen Stellen um jeden Preis für sich vereinnahmen wollten. Als organischer Teil der Architektur galten Glaselemente als Ausdruck für Modernität im Sozialismus. Um dieses Anliegen umzusetzen, hob eine Regierungsverordnung vom 27. Dezember 1961 die Investitionssumme für Auftragskunst an. Für die künstlerische Ausgestaltung der Räume für Neubauten und Instandsetzungen wurde eine Summe zwischen 70 und 100 Millionen CZK per annum veranschlagt.404 Bestimmung 355/1965 Sb. vom 28. Juli 1965 bekräftigte: „Die Synthese von Kunst und Architektur ist ein Beitrag für den ideologischen Kampf, welcher absolut nicht ignoriert werden kann.“ Die Verordnung legte Grundsätze für die Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Architekten und Investoren, ferner zwischen dem Gestalter und dem SČVU fest, welcher für die Kosten aufkam. Dementsprechend nahm die Kunst am Bau einen deutlichen Aufschwung – obgleich dieser Begriff nicht verwendet wurde. Als die Architektur in den 1960er Jahren zunehmend von einer Ästhetik massiver Formen, groben Oberflächen und Betonelementen geprägt wurde, entdeckte man die konträren Materialeigenschaften des Glases als natürliche Ergänzung.405 „And in each case upon finishing his work, the architect cooperates with the painter or sculptor, mostly, however, with artists specializing in the field of applied art, particularly in ceramics, and lately, above all, in glass.“406 Formell als Bestandteil der Innenarchitektur aufgefasst, wurden die frei stehenden Vitragen und Glasplastiken zunehmend abstrakter, wurden von optischen Lichttunneln durchzogen und zeigten eingebettete Linsen.407 Im Rahmen der Rekonstruktion alter Gebäude und vor allem Neubauten boten sich für Glaskünstler nun vielfältige Aufgaben, monumentale Glaskunstwerke zu schaffen. Sigrid Barten stellte fest: „Kunst am Bau aus Glas für Verwaltungs- und Repräsentationsbauten seit der Nachkriegszeit ist in keinem Land in einer solchen Vielfalt verwirklicht worden wie gerade in der Tschechoslowakei; bedingt durch begabte Künstler, weitgehende Freiheit in der Gestaltung und eine aufstrebende Glasindustrie.“408 404 Verordnung 149/1961 Sb. 23/1965 Sb. und 355/1965 Sb. legten fest, dass ein gewisser Anteil der gesamten Bausumme je nach Gebäudefunktion für künstlerisch gestaltete Elemente reserviert werden müsse. Ein konkreter prozentualer Anteil wird allerdings nicht angegeben. Pavel Karous prägte in den vergangenen Jahren den Begriff der „Vier-Prozent-Kunst“ (čtyřprocentní umění), der sich wohl auf einen Mittelwert bezieht. Sylva Petrová nennt den Betrag von 3 Prozent (vgl. Petrová 2001, S. 93). Zuzana Bartošová gibt den Anteil mit 5 Prozent an. Bartošová 2010, S. 552. 405 Sedláková 1989, S. 53. 406 Hofmeisterová. In: GR 5/1963, S. 140. 407 Vgl. beispielsweise die Arbeiten Libenský/Brychtovás aus den Jahren 1967/68 für die EXPO in Montreal oder den Flughafen in Brno, abgebildet in: Frantz 1994, Nr. 1, 5, S. 196/197, und Nr. 1–2, S. 198/199. Siehe auch Kapitel 6.2.1. 408 Barten 1990, S. 12/13.
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Dan Klein ergänzte: „In the Czech Republik glass commissions are perhaps more common that anywhere else in the world. A glass sculpture in a public place is a symbol of civil pride.“409
Außerdem wurden umfangreiche Gelder für die Restaurierung denkmalgeschützter Gebäude bewilligt. Das zentrale Wahrzeichen von Prag, die Burg mit ihren Kirchen, Palästen, Höfen und dem Veitsdom, war auch im Sozialismus ein Nationalkulturdenkmal. Aus diesem Grund finanzierte der Staat die Rekonstruktion des Areals einschließlich der Sakralbauten.410 Eine Reihe von Glaskünstlern reichte Entwürfe für den landesweiten Wettbewerb ein, die beiden Fenster für die St. Wenzelskapelle im Dom neu zu gestalten.411 Libenský und Brychtová zitierten mit ihrem Design eine Farbskala in Anlehnung an die Wandfresken aus dem frühen 16. Jahrhundert und gewannen den renommierten Auftrag (Abb. 56). Die Fenster aus gegossenem Glas erinnern in rein gar nichts an historische Beispiele künstlerisch gestalteter Glasfenster in Sakralbauten. Im Gegenteil, die Fenster tauchen die Kapelle in ein ganz eigenes Licht, welches in seinem Farbspektrum wunderbar mit den Fresken harmoniert. Gleichzeitig modifiziert dieses Licht den gotischen Raum, ohne ihn zu dominieren. Als Werke zeitgenössischer Kunst drückte diese staatliche Auftragsarbeit eine öffentlich sichtbare Demonstration unangepassten kreativen Denkens aus.412 Obgleich die Reformbestrebungen des Prager Frühlings nur vier Monate später militärisch niedergeschlagen wurden, behielten Glaskünstler wie Libenský und Brychtová ihre künstlerisch eingeschlagene Linie in der Umsetzung architekturbezogener Glasarbeiten bei. Ebenso stringend sind die Entwürfe von Bohumil Eliáš für die Fenster der Marienkirche in Dobrš aus dem 14. Jahrhundert, welche 1971 installiert werden konnten und für die St.-Barbara-Kirche in Bílovec von 1972.413 Die aus geschichtetem Glas zusammengesetzten Vitragen setzen kontinuierlich Eliáš’ Spiel mit der skulpturalen Glasstärke fort, das sich schon in seinem Brunnenentwurf für die Weltausstellung in Montreal 1967 gezeigt hatte.414 Generell blieben aber Aufträge für Gotteshäuser eine Seltenheit. Lediglich bei Kirchenneubauten wie bei der Josefskapelle in Senetařov bei Brno wurden Künstlerfenster in modernem Design beauftragt.415 Das Zweite Vatikanische Konzil im409 Klein 2001, S. 183. 410 Žďárská 2009, S. 13, 19. Auch für die Annenkapelle im romanischen Kloster St. Georg auf dem Burggelände schufen Libenský/Brychtová 1974 neue Glasfenster. Das Kloster beherbergt heute Teile der Sammlung der NG. Abbildung in Žďárská 2009, Nr. 5, S. 48. 411 Jan Bauch, Jan Kotík, Antonín Strnadel und andere. Petrová 2001, S. 95. 412 Libenský und Brchtová wurden für ihren Entwurf mit dem Preis der Stadt Prag ausgezeichnet. Frantz 1994, S. 199. 413 Siehe Abbildungen in Klee 1994, Nr. 78–79, 82. 414 Siehe Abbildung in Petrová 2002, Nr. 102, S. 82. 415 Vgl. Maršiková. In: GR 4/1976, S. 6/7.
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plementierte zwar ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre den Einsatz zeitgenössischer Künstler für die Ausschmückung und Rekonstruktion liturgischer Räume, aber diese Aufträge wurden dessen ungeachtet seitens des Staates kontrolliert.416 Bei öffentlichen Neubauten hingegen entwickelte sich während der 1970er Jahre eine neuartige Form des Monumentalismus, der „Brutalismus“, den beispielsweise das Koospol-Gebäude an der Straße zum Flughafen oder das zu nahe am Ufer der Moldau emporragende Hotel InterContinental anschaulich machen. In beiden Gebäuden wurden Auftragsarbeiten in Glas installiert. Für die Eingangshalle von Koospol schuf Pavel Hlava die Glasskulptur „Zelle“ und Jiří Harcuba ein Modell für die Skulptur im Atrium, eine Kugel aus gläsernen sphärischen Dreiecken mit Schliff- und Gravurdekor. Hlava und Pavel Grus entwarfen die Decken- und Tischleuchten für den Cocktail Room des InterContinentals, welche heute nicht mehr auffindbar sind (Abb. 57). Von Libenský und Brychtová befanden sich noch zwei Kristallglasreliefs als Beleuchtungsstelen im Haus, aber die große Anzahl von Kronleuchtern nach Entwürfen von Rene Roubíček für Korridore und den Kongresssaal wurden teilweise ummontiert oder im Keller eingelagert.417 Nachdem die Regierung 1967 beschloss, den Bau einer U-Bahn in der Hauptstadt vorzunehmen, wurden eine Reihe von Stationen im Laufe der 1970er und 1980er Jahre mit großformatigen Glaskunstarbeiten ausgestattet. „Es ist selbstverständlich, dass in einem Land des Glases und der Glaskunst, wie es die Tschechoslowakei ist, beim Bau einer Metro sehr viel Glas verwendet wird.“418
1972 entwarf Benjamin Hejlek die reliefierte Außenwand der Station Kačerov und gemeinsam mit František Burant für Mládežnícká (heute: Pankrác) eine Glastrennwand zwischen der Eingangshalle und dem eigentlichen U-Bahnhof mit eingeschmolzenem Draht. 1977 wurde eine Glaswand von 18 Meter Länge nach einem Design von Vilém Veselý, Josef Kochrda und Pavel Werner für die östliche Lobby der Station Dejvická419 realisiert. Für die Station Karlovo Náměstí entwarf František Vízner 1981 Paneele aus Pressglas. Für Národní třída schufen Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová das monumentale Fensterrelief „Kontakte“ (Abb. 58). Václav Cigler widmete sich gleich mehrmals der Gestaltung von Glasarbeiten für die Eingangshallen von U-Bahnhöfen. 1978 entwarf er eine Skulptur und die Beleuchtung für Náměstí Míru, 1983 eine Säulengruppe aus laminiertem und beschichtetem Glas für Námeští Republiky (Abb. 59) und 1988 für die Station Křížíkova zwei monumentale Vitragen. Im Vorjahr gestaltete Karel Vaňura ein Bleiglasfenster mit einer Länge von 16 Meter für die Station Strašnická. 416 Pometlo. In: Stavba 1/2000, S. 46. 417 Diese wurden zum Großteil, wie auch die Leuchten der ÚBOK Gestalter Pavel Grus und Pavel Hlava, bei dem Hochwasser 2002 zerstört. 418 Paleček. In: GR 5/1974, S. 16. 419 Damals „Leninova“. Die Glaswand wurde vermutlich zerstört, als das benachbarte Handelszentrum umgebaut wurde. Petrová 2001, S. 100.
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Während der 1960er und 1970er Jahre entstand eine Reihe moderner Neubauten von internationalen Auslandsvertretungen der Tschechoslowakei. In diesen Botschaftsgebäuden befinden sich noch heute zahlreiche Arbeiten von Glaskünstlern. Neben Lampen von Pavel Hlava sowie freistehenden Objekten von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová finden sich Kronleuchter von René Roubíček in den Vertretungen in Berlin420, Stockholm, Paris, London, Brasilia, Tokio, Washington D.C., Sofia und Neu Delhi. In seiner Erinnerung war für Roubíček die Situation nach der Brüsseler Ausstellung grundsätzlich politisch freier. Da die Republik wieder diplomatische Kontakte mit der Westwelt aufgenommen habe, hätten auch die Auslandsvertretungen repräsentativer werden müssen. Roubíček: „Architekt Šrámek hat viele davon gebaut, zum Beispiel in London. Er bekam dafür sogar einen Architekturpreis. Šrámek hat mich gleich bei seinem ersten Botschaftsauftrag angesprochen. ‚Willst Du versuchen, mir schöne Leuchten zu machen? Es gibt sonst keine.‘“ Roubíčková: „Danach wollte kein Architekt andere Leuchten haben als die von meinem Mann. Die Erste war für Bulgarien, dann London, Washington, Brasilia, Berlin haben wir gemeinsam gemacht, Hilton Hotel Saarbrücken von Architekt Bernard Focht – mit ihm hat René in den achtziger Jahren begonnen zusammenzuarbeiten. Ich selbst war in Berlin wegen der Botschaftsbeleuchtung.“421
Jan Šrámek arbeitete während der 1960er Jahre eng mit dem Innenarchitekten Zbyněk Hřivnáč zusammen. Zukunftsweisend war ihr Entwurf für das Café Alfa in Prag von 1965, dessen Beleuchtung wiederum von René Roubíček stammte (Abb. 60). Nach 1970 erhielt René Roubíček vorübergehend ein politisch bedingtes Arbeitsverbot in der Tschechoslowakei, so dass diese Aufträge für Architekturen im Ausland eine alternative Arbeits- und Einkommensmöglichkeit für ihn wurden.422 In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre schuf er überwiegend Entwürfe für skulpturale Beleuchtungskörper aus hüttentechnisch frei geformten Glaselementen und gelegentlich auch wieder für monumentale Fenster im Inland, wie für den Trausaal des Standesamtes in Most.423 Das Architekturbüro SIAL (Sdružení inženýrů a architektů Liberce – Genossenschaft der Ingenieure und Architekten Liberec) nördlich von Liberec entstand 1969, als eine Lockerung der politischen Verhältnisse aus der Dubček-Ära von der Normalisierung gestoppt wurde. Der Architekt Karel Hubáček424 gründete diese private Vereini420 Die beiden großformatigen Kronleuchter im ersten Stockwerk entstanden in Zusammenarbeit mit seiner Frau Miluše. Auch von dem Künstlerduo Libenský/Brychtová wurde 1978 eine Auftragsarbeit, die Skulptur „Vögel“ aus vier formgeschmolzenen Glaselementen, in der Botschaft der Tschechoslowakei, Wilhelmstraße, installiert. Alle genannten Glasarbeiten befinden sich noch heute dort. 421 Interview mit René Roubíček und Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. 422 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 400, und Kapitel 6.3.2, S. 437. 423 Abgebildet in Langhamer/Vondruška 1991, S. 178. 424 Hubáček (1924–2011) war von 1951 bis 1968 für die Projektierungsfirma Stavoprojekt in Liberec tätig. 1993 verlieh ihm die ČVUT die Ehrendoktorwürde der technischen Wissenschaften. Von
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gung von Ingenieuren und Architekten in Trennung von Stavoprojekt. SIAL wurde nach der Invasion der Warschauer-Pakt-Truppen am 21. August 1968 zu einem wichtigen inoffiziellen Zentrum für architektonische Diskussionen.425 Im Folgejahr rief Hubáček gemeinsam mit Miroslav Masák eine „Kinderkrippe“ junger Absolventen der Prager Architekturschulen ins Leben, die Školka Sial. In der Erinnerung von Zeitzeugen herrschte im Architekturatelier SIAL und der dazugehörige Školka ein kreatives Klima der Experimentierfreude: „Die Architekten, die aus diesem Atelier hervorgingen, gehörten zu den sympathischsten Erscheinungen der Nachkriegszeit. Tagsüber wurde entworfen, in der Nacht wurde getrunken und in der kalten Jahreszeit frönte man dem Skisport in den nahen Bergen.“426 Das prominente Berghotel Ještěd in der Nähe von Liberec, das von einem Team bestehend aus den späteren SIAL-Architekten Zdeněk Zachař und Zdeněk Patrman um Karel Hubaček zwischen 1966 und 1973 erbaut wurde, war ein absolutes Prestigeobjekt. Es diente gleichzeitig als Fernsehturm und wurde, nachdem das alte Berghotel Anfang 1963 abgebrannt war, zu einem Symbol für die zukunftsorientierte Wissenschaft und die „Speerspitze der wissenschaftlichen und technologischen Revolution“, was sich in seinem futuristischen Interieur widerspiegelte.427 Schon vor seiner Fertigstellung bekam Hubaček für seinen Entwurf 1969 den renommierten Auguste-Perret-Preis der International Union of Architects. Neben Möbel-, Fliesen-, Metall- und Teppichdesignern erhielten auch Glasgestalter Aufträge für die Innenraumgestaltung und architekturbezogene Skulpturen. Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová bestückten 1975 den Zementkern der Konstruktion auf Sichtachse mit konkaven Gussglaselementen, die – in den Zement eingelassen – wie auf die Erde aufgeschlagene Meteoriten wirken sollten (Abb. 61) und mit deren Konzeption sie bereits 1964 begonnen hatten.428 Karel Wünsch entwarf 1973 eine Zwischenwand aus gebogenem Spiegelglas für das Restaurant, welche die Eingänge zur Küche und zu den Waschräumen verdeckte429.
1994 bis 1997 war Hubáček Leiter der Fakultät für Architektur der TU in Liberec. 1995 habilitierte er sich an der VŠUP. 425 Šlapeta 1997, S. 20. SIAL hatte in den 1960er bis 1980er Jahren 60 Mitglieder. Das politische Regime versuchte, die Aktivitäten des Büros zu stören und zwang seine Mitglieder, zu Stavoprojekt zurückzukehren. Den Architekten gelang es jedoch, durch Aufträge aus dem Ausland an ihren Entwürfen festzuhalten und sie nahmen ab 1980 erfolgreich an Architekturwettbewerben im Westen teil. Eine Reihe von Auszeichnungen belegen die Qualität der SIAL-Projekte, wie der Grand Prix Interarch bei der Biennale in Sofia (1988) für den Konzertsaal und die Kolonnade in Teplice. Seit 1991 arbeitete es privatwirtschaftlich. Das Büro zeichnete unter anderem verantwortlich für die tschechischen Pavillons bei den Weltausstellungen 1992 in Sevilla, 2005 in Aichi und 2010 in Shanghai. 426 Vránková, Karolína: Helden der falschen Zeit, URL: (Stand 29.04.2013). 427 Crowley/Pavitt 2008, S. 177. 428 Frantz 1994, S. 193. 429 Abgebildet in: Stehlík. In: GR 9/1969, Nr. 6, S. 267.
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Wünsch: „Viele meiner Arbeiten (für die Architektur) existieren heute nicht mehr. Aber der Spiegel für Ještěd, sowas habe ich zum ersten Mal für Hubacek im Naiven Theater in Liberec gemacht. Dort steht ein gekrümmter Spiegel, der die Richtung teilt, in welche die Leute laufen sollen. Dann hat Hubáček sowas in größer für Ještěd bestellt. Damals gab es in Dolní Rychnov einen alten Großvater, der als Einziger wusste, wie man so eine große Tafel biegen kann. Als er starb, ging das Wissen darum verloren.“430
Wünsch war es auch, der für das Hotel die Bettwäsche und für das Restaurant die Trinkgläser, das Speiseservice, die Tischdecken und Servietten sowie dessen innenarchitektonisches Arrangement entwarf. Laut Wünsch wurde diese „Arbeit eines ganzen Jahres innerhalb von nur drei Wochen nach Eröffnung von den Gästen gestohlen“.431 Das Nordböhmische Museum in Liberec bewahrte immerhin die Muster in seiner Sammlung (Abb. 62). Die Zwischenwand sowie die Lampen im Restaurant, der Bar und den Fluren sind heute noch an ihrem Platz. SIAL gewann unter Hubáčeks Leitung in den siebziger und achtziger Jahren internationales Renommee. Für öffentliche Bauwerke im Inland mit hohem repräsentativem Charakter wie Hotels, Flughäfen, Banken, Verwaltungszentralen, Standesämter, Schulen, Stadien, Theater und Warenhäuser nahmen Glaskünstler Aufträge an. Die 1970er Jahre boten ihnen im Rahmen der Rekonstruktion alter Gebäude und vor allem Neubauten die Möglichkeit, monumentale Glaskunstwerke zu schaffen. Ausnehmend häufig wurde das Künstlerpaar Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová von Architekten damit betraut, experimentelle Werke in Großformat zu realisieren.432 Im Standesamt des Altstädter Rathauses (Staroměstská radnice) befindet sich eine monumentale Kristallglaswand und am nördlichen Anbau der Eingangshalle wurde 1990 ein Glasfenster mit dem Motiv einer fliegenden Taube, dem universellen Friedenssymbol, nach einem Entwurf von 1983 (Abb. 63). Das nach dem Krieg stark zerstörte Gebäude wurde außerdem mit ungegenständlichen Glas430 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Karel Wünsch vom 05.09.2004 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 09.04.2013). 431 Interview mit Karel Wünsch, Sloup v Čechach, 11.10.2003. 432 Bis 1989 schufen sie mehr als 65 Entwürfe für die Architektur (siehe Auflistung in: Sedláková 1989, S. 55). Für das Foyer der Föderativen Versammlung entwarfen sie eine Kristallglaswand und eine Stele mit Metallhalterung (siehe Abbildungen in Frantz 1994, S. 126, 127 oder Hofmeisterová. In: GR 1/1974, S. 13) für das Palais Kovo zwei Kristallstelen und die Vitrage „Vogel und Blume“ (Pták a květ) für das Motokov-Gebäude in der Hauptstadt. Diese in der Hochphase der Normalisierung zwischen 1970 und 1973 entstandenen Arbeiten sind ikonografisch vollkommen abstrakt gehalten. Ebenso die Köpfe für Brunnen in den Gagarin Kollonaden in Karlovy Vary aus den Jahren 1974–1976 (siehe Abbildung in Frantz 1994, Nr. 3, S. 200). Diese Skulpturen entstanden in Zusammenarbeit mit dem Architekten Jaroslav Otruba. Ebenfalls in den Kolonnaden befinden sich zwei Reliefs und eine Trinksäulen aus Kristallglas von Libenský und Brychtová sowie die Glaskrone über der Wasserfontäne von Jan Fišar. Über den Kontakt mit dem Architektenehepaar Věra und Vladimír Machonin konnte das Künstlerehepaar weitere Brunnenaufsätze und Kronleuchter für das Hotel Thermal ebenfalls in Karlovy Vary 1974 realisieren. Gespräch mit Jan Fišar, Nový Bor, 10.10.2003.
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arbeiten von Václav Cigler, Jiří Harcuba und František Vízner ausgestattet. Die spätere Direktorin des Glasmuseums in Coburg, Clementine Schack von Wittenau, stellte in einer Publikation über Glaskunst von 1976 fest: „In den sozialistischen Ländern ist die Bindung des Künstlers an die Gesellschaft ideologisch vorgeschrieben. So ist es zu deuten, wenn tschechoslowakische Glasgestalter an Gemeinschaftsaufgaben für öffentliche Bauwerke teilnehmen. Seit dem letzten Jahrzehnt ist aber in allen Bereichen der Künste eine Bewegung zu spüren, sich von dem offiziellen Kulturprogramm loszusagen und eigenen Neigungen nachzugehen. In der Glasplastik prägt sich die individuelle Künstlerhandschrift aus, persönliche Gefühle und ästhetische Anschauungen kommen zum Ausdruck. Von der Staatsführung wird diese Entwicklung nur ungern geduldet, da sich ihrer Auffassung nach in ihr ein Zug von Verwestlichung und bürgerlicher Dekadenz ausspricht.“433
Die gute Auftragslage für Glaskunst als Architekturelement erstarkte dessen ungeachtet kontinuierlich, gerade weil seitens des Regimes Interesse daran bestand, sich nach außen hin als fortschrittlich zu präsentieren. Auch war das Interesse westlicher Beobachter an dieser Kunstform geweckt worden. In den 1970er Jahren kam es immer wieder zu Bestellungen von Glaskunstwerken für öffentliche und private Bauten aus den USA, Japan, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, der BR Deutschland und aus dem Iran.434 Von einer „ungern“ gesehenen „Duldung“ durch den Staat kann demnach nicht gesprochen werden. In den Bereich der Auftragskunst fallen neben Arbeiten für den öffentlichen Raum, wie Glasapplikationen, Lampen, Fenster und Trennwände für die Architektur, auch Unikatgläser für Auslandsausstellungen. Oftmals wurden ihre Arbeiten nun eigens für die Präsentationsarchitektur geordert und diese begann sich an ihnen zu orientieren. Roubíček: „Montreal [Weltausstellung 1967] war sehr interessant, weil man schon Erfahrung aus Brüssel und Moskau hatte. Dieselbe Gruppe von Künstlern und Architekten nahm teil. Diese Architekten wussten schon, was es von den Künstlern Neues gab, so dass sie die Räume speziell für diese Objekte zuschnitten. Für meine Säulen in São Paulo [Biennale 1965] wurde im Pavillon ein fester Platz konzipiert, ebenfalls für Libenskýs Skulpturen.“435
In den 1980er Jahren wurde die Investitionssumme für Auftragskunst auf 1 Prozent gesenkt436, was der Nachfrage seitens der Architekten für baubezogene Glaskunstwerke offenbar aber keinen Abbruch tat. Gerade bei prestigeträchtigen öffentlichen Gebäuden wie der Neuen Bühne (Nová scéna) des Prager Nationaltheaters (Národní dívadlo), dem 433 Schack von Wittenau 1976, S. 152/153. 434 Siehe Kapitel 6.3.2. Zahlreiche Beispiele finden sich im Anhang unter „Standorte der Werke tschechischer Künstler im öffentlichen Raum“. 435 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Siehe auch Kapitel 6.2.1, S. 385. 436 Petrová 2001, S. 93.
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Parlament437 oder dem Kulturpalast der Hauptstadt438 waren diese nach wie vor gefragt. 1983 wurde die Neue Bühne mit zahlreichen Glasarbeiten ausgestattet, unter anderem mit einem monumentalen Lichtobjekt von Pavel Hlava im Treppenhaus (Abb. 64).439 Die gesamte Fassade des Neubaus ummantelte das Künstlerduo Libenský/Brychtová in Zusammenarbeit mit Architekt Karel Prager mit Glasblöcken (Abb. 65), die im ursprünglichen Entwurf von hinten beleuchtet werden sollten. Die zahlreichen Auftragsarbeiten für dieses Gebäude, die sich noch gegenwärtig vor Ort befinden, bezeugen die im internationalen Vergleich einmaligen optimalen Herstellungsbedingungen für künstlerische Entwürfe besonders anschaulich. Allein die Materialkosten hätten im marktwirtschaftlichen System gegen eine Realisierung derartiger Kunst am Bau gesprochen. Darüber hinaus wurde auch das historische Gebäude des Nationaltheaters anlässlich seines hundertjährigen Bestehens mit Werken zeitgenössischer Glasgestalter bestückt.440 Das Hotel Praha in Dejvicé, das wohl größte Projekt für Kunst am Bau in der ehemaligen Tschechoslowakei – welches die Regierung vielfältig für die Unterbringung von ausländischen Delegationen nutzte –, wurde unter anderem mit einem Glasmosaik nach Entwurf Jan Fišars und Eliška Rožátovás an der Decke des Wintergartens, mit einem doppelseitigen Kristallglas-Relief von Libenský/Brychtová sowie Leuchten von Libenský und von Pavel Hlava ausgestattet. Auch in den zahlreichen Kulturhäusern außerhalb Prags installierte man Glaskunstwerke (Abb. 66). Tschechische Glaskünstler reisten 1984 zu dem Internationalen Symposium für Glas in der Architektur nach Sars-Poteries in Nordfrankreich und präsentierten ihre monumentalen Arbeiten, deren Entstehen durch die Synthese der Abstimmung von Behörden, Architekten und Gestaltern im Ausland weitestgehend unbekannt war.441
437 Die Beleuchtung im Kongresssaal stammt von František Vízner, abgebildet in Warmus 2001, V–10 bis V–14. Věra Lišková gestaltete mehrere monumentale Deckenleuchten aus dutzenden stacheliger Glaskugeln, abgebildet in Hofmeisterová. In: GR 1/1974, S. 11. Im Foyer befinden sich eine Kristallglaswand und eine Stele mit Metallhalterung von Libenský/Brchtová. 438 Im 1981 erbauten Kulturpalast wurde von Libenský/Brychtová eine Kristallglasskulptur mit dem Titel „Frau mit Taube“ sowie ein Kristalllüster von František Vízner installiert, abgebildet in Frantz 1994, Nr. 2, S. 203, und Warmus 2001, Vs–16. 439 Leuchten von Hlava, Jaroslav Štursa und Pavel Grus befinden sich im Theaterrestaurant. Im Salon des Cafés wurde eine Lichtdecke nach Entwürfen von František Vízner installiert. Langhamer/Vondruška 1991, S. 179; Klivar. In: GR 1/1984, Nr. 4–6, S. 4/5, Nr. 11, S. 7. 440 Adriena Šimotová fertigte die geätzten Fenster für die Garderobenräume im ersten und zweiten Stock, während Věra Lišková einen monumentalen „Beleuchtungsgürtel“ für die Zentralgarderobe sowie eine Leuchtskulptur im Zentrum der hufeisenförmigen Treppe entwarf (abgebildet in: Klivar. In: GR 1/1984, Nr. 7–9, S. 1, 6, 7). Der 2009 ausgeschriebene Wettbewerb „changing the face“ löste eine Debatte um die Neugestaltung der auch als „Steppdecke“ (prošívaná deka) bezeichneten Fassade aus. 441 Neben dem Künstlerduo Libenský/Brychtová fuhren auch Vladimír Kopecký, Marian Karel, Karel Vaňura und andere nach Frankreich. Die Tschechen bildeten die stärkste Teilnehmergruppe. Kalabisová. In: GR 11/1984.
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In Bratislava entstand 1965 unterstützend zu den Bemühungen auf tschechischer Seite ein Institut für Glas in der Architektur (Oddelení pro sklo v architektuře) an der Kunstakademie (Vysoká škola výtvarných umení v Bratislave). Bis 1979 stand es unter Václav Ciglers Leitung.442 Cigler: „In Bratislava gab es nur slowakische Studenten. Vor der Gründung der Schule studierten viele Slowaken in Prag, aber Tschechen durften, obwohl sie wollten, nicht in Bratislava studieren. Dort existierte eine nationalistische Atmosphäre.“443
Das neue Institut arbeitete eng mit der Studienanstalt für Architektur zusammen, so dass die Studenten beider Einrichtungen gemeinsame Projekte verwirklichen konnten. Die Studenten realisierten also schon während ihrer Studienzeit Trennwände, Vitragen oder Glasskulpturen für den öffentlichen Raum mit Unterstützung der Glaswerke in Dúbravka444, teilweise in Zusammenarbeit mit ihrem Professor, wie 1969 das Denkmal für den Slowakischen Nationalaufstand in Banská Bystrica. Cigler selbst realisierte verschiedene Auftragsarbeiten für öffentliche Gebäude in Bratislava, zum Beispiel eine Lampenskulptur aus 2246 Glühbirnen für das Nationaltheater, die Beleuchtung für die Akademia Istropolitana, den Großen Rittersaal der Burg und die Kirche St. Martin. Ciglers universelles Kunstdenken – er war stets nicht ausschließlich an der Gestaltung von Glas, sondern auch an Schmuckdesign, Buchgestaltung, Mode aus aufblasbarem Kunststoff und den verschiedenen Möglichkeiten der Rauminstallation interessiert – verwandelte das Institut in Bratislava bald in eine „Kreativwerkstatt“, ein Konzept, das es zu jener Zeit so noch nicht gab. Grundsätzlich fokussierte sich die Lehre auf zwei Bereiche, das Gestalten funktioneller Objekte und die freie künstlerische Arbeit für den Gebrauchsglas-, aber insbesondere den Architekturbereich unter der Prämisse absoluter Geometrie. Jeder Entwurf wurde als „kleines Stück Architektur“ bewertet.445 Gleichzeitig wurde Ciglers liberale Haltung und unkonventionelle Lehrmethode in den 1970er Jahren zunehmend von staatlicher Seite skeptisch beobachtet.
442 „Als ich zum ersten Mal nach Bratislava fuhr, war es wegen eines Treffens, um sich gegenseitig kennen zu lernen. Man sagte mir gleich: ‚Wir brauchen keinen Erlöser!‘ ‚Wieso? Ich bin keiner, es gab nur einen, Jesus Christus!‘ Mir wurde die Position angeboten, aber ich war nicht glücklich mit den Konditionen. Zdenka Strobachová [seine damalige Ehefrau] sagte zu mir: ‚Wir gehen weg aus Prag!‘ Man hatte mir auf Initiative der Schule eine Einladung geschrieben. Ich habe es aus finanziellen Gründen gemacht, und ich war zu der Zeit auch nicht ganz gesund.“ Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. Siehe auch Maršiková. In: GR 11/1968, S. 397–401. 443 Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. Umgekehrt konnten slowakische Studenten an der Prager VŠUP studieren, so unter Kaplický in den 1950er Jahren Lubomír Blecha und Antonín Oth und unter Libenský in den 1960er Jahren Ján Zoričák. Diese Studenten hatten allerdings zuvor eine Ausbildung an einer der drei nordböhmischen Glasfachschulen absolviert. 444 Jiří Zemánek. In: Pokorná 2003, o. S. 445 Katarína Bajcurová. In: Pokorná 2003, o. S.
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Cigler: „Man sagte zu mir: Sie haben die falsche politische Orientierung. Wie ist es möglich, dass Sie hier noch Lehrer sind?“ 446
In den 1970er Jahren stellte sich Ján Kulich, seit 1973 Konrektor der Kunstakademie in Bratislava, offen gegen Cigler.447 Etliche langfristige Projekte wurden gestoppt und in den Institutsräumen zeitweise Wasser und Strom abgestellt. Cigler: „Es gab kein Telefon, das war alles Schikane. […] Das Studio war ein Zimmer von circa 9 x 9 Meter. Ich war im Depot, als um 12:00 Uhr ein lauter Knall zu hören war. Die Plattform war heruntergefallen! Alles war zerstört, die Möbel und die Arbeiten. Ich beschwerte mich, auch, dass ich hätte die Decke auf den Kopf bekommen und sterben können. Als Antwort sagte man mir: ‚Sie haben einen dicken Kopf!‘ […] Besonders schwierig wurde es mit der der Disziplin der Protektionsleute.“448
Nachdem Cigler das Institut für Glas in der Architektur 1979 verließ, übernahm der Absolvent Askold Žáčko seine Stelle und die Einrichtung wurde umbenannt in Institut für Kunstglasgestaltung. Während der 1980er Jahre konzentrierte sich der Lehrplan zunehmend auf Glasdesign. Nach 1989 stagnierte die Gestaltung architekturbezogener Glasarbeiten auch auf tschechischer Seite. Im Vordergrund des Interesses stand nun die Sanierung und Restaurierung von Fenstern historischer Gebäude, vor allem von Kirchenbauten.449 Die Ateliers Vitráže in Nový Bor wurden privatisiert und zunächst von Crystalex, dann von dem Traditionsunternehmen Egermann-Exbor weitergeführt.450 Die Marke wechselte bis 2011 mehrmals den Besitzer und heute spielt die Herstellung von Vitragen nur noch eine geringe Rolle in der Produktion. In der Gegend um Nový Bor gründeten sich in den 1990er Jahren eine Reihe von kleinen privaten Glashütten und Malereistudios. Eines derjenigen, die auf diesem Gebiet heute wirken, ist das Atelier Jaroslav Skuhravý, dessen Sitz in Janov liegt. Es realisierte zahlreiche Fenster, die sich im Verzeichnis der UNESCO befinden, wie zum Beispiel der Dom der Hl. Barbara in Kutná Hora. In Pelechov, dem künstlerischen Zentrum von Železnobrodské sklo, freute sich Stanislav Libenský Anfang der 1990er Jahre über die sich neu eröffnenden technischen Möglichkeiten:
446 Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. 447 Katarína Bajcurová. In: Pokorná 2003, o. S. Anlässlich einer Ausstellung von Ciglers avantgardistischen Schmuckobjekten bemerkte Kulich angeblich: „Wenn ich mein Mädchen liquidieren wollte, würde ich ihr diesen Schmuck bei einem Rendezvous am Teich schenken.“ Interview mit Václav Cigler am 01.07.2003. Laut Cigler wurden in dieser Zeit Abhörwanzen auf den Schultoiletten installiert. 448 Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. 449 GR 8–9/1991, S. 13. 450 Starosta. In: GR 6/1992, S. 5. Hier findet sich auch eine Auflistung der ersten Auftragsarbeiten nach der Privatisierung.
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Libenský: „Bis jetzt waren wir in der Lage, ein maximal 120 Zentimeter großes Stück zu schmelzen, uns beschränkte nämlich die Kapazität der Schmelzöfen. Nun wird aber mein großer Wunsch in Erfüllung gehen; in Pelechov werden zwei Öfen gebaut, worin es möglich sein wird, bis 150 Zentimeter große Stücke zu schmelzen, was der [sic] optimale Modul für das Schaffen von monumentalen Werken für die Architektur ist.“451
Es kam offensichtlich nicht zu der geplanten Modernisierung der Werkstätten, denn die Arbeiten Libenskýs und Brychtovás begnügten sich auch weiterhin mit einer maximalen Größe von 120 Zentimeter. Ohnehin stellten sie diese dann wegen der steigenden Marktpreise in ihrem eigenen Studio her.452 Železnobrodské sklo wurde Ende August 2009 nach diversen Eigentümerwechseln endgültig geschlossen. In den vergangenen 25 Jahren wurde in der Tschechischen Republik viel neu gebaut, oftmals gesichtslose Bürobauten oder Shopping-Malls. Bemerkenswert ist das Gebäude des Museum Kampa direkt an der Moldau in Prag, für das in privater Initiative Glasarbeiten von Václav Cígler, Marian Karel und Dana Zámečníková in Auftrag gegeben wurden.453 Die Architektur aus sozialistischer Zeit hingegen wurde bewusst vernachlässigt. Als bekannt wurde, dass das Hotel Praha im Verlauf des Jahres 2013 von seinem neuen Besitzer, der Firma PPF, abgerissen werden sollte, um einem Neubau zu weichen, trat Jaroslava Brychtová für dessen Erhalt ein: „Gemeinsam mit meinem Ehemann Professor Stanislav Libenský habe ich Ende der siebziger Jahre eine Arbeit im Inneren des Hotels Praha realisiert. Dies ist ein abstrakter Fries mit einer Wandhöhe von 2,75 Meter. Das Relief besteht aus sechs Teilen und ist mittels der sehr teuren Technologie formgeschmolzenen Glases entstanden. […] Ich denke, es ist kurzsichtig und schlecht für die tschechische Kultur, diese Artefakte aus dem Innenraum durch die Erweiterung des ganzen Baukomplexes zu zerstören. Diese Arbeit wurde nur aufgrund der großen materiellen Unterstützung, die nun unerreichbar ist, erstellt. Prag besitzt viel tschechoslowakisches Glas in der Architektur – ein Phänomen, das in die Welt der Kunstgeschichte einging. Der Schutz ist auch heute noch aktuell, vor allem, weil in den letzten Jahren viele dieser Kunstwerke zerstört wurden.“ 454
Im Februar 2013 stellte eine Gruppe von Kunsthistorikern, Architekten und Denkmalpflegern einen Antrag auf Aufnahme des Hotels in die Liste der Kulturdenkmäler 451 Stanislav Libenský. In: GR 8–9/1991, S. 12/13. 452 Frantz 1994, S. 51. 453 Das Museum beherbergt die Glassammlung von Meda und Jan Mládek, dem ehemaligen Direktor des IWFs. Nach Jan Mládeks Tod 1989 initiierte Meda Mládková den Neubau und konnte die genannten Künstler, mit denen sie eine langjährige Freundschaft verband, für die Kommissionen gewinnen. Studioglass, Spring 2004, S. 8–15. 454 Übersetzung der Aussage Brychtovás in: Karous, Pavel: Vetřelci a volavky-Sculptors-Stanislav Libenský, Jaroslava Brychtová, URL: < http://www.vetrelciavolavky.cz/en/sochari/stanislav-libenskyjaroslava-brychtova> (Stand 15.08.2013).
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an das Ministerium für Kultur. Im Juni 2013 wurden aber alle künstlerischen Architekturelemente ausgebaut und eingelagert. PPF veröffentlichte eine Mitteilung, in der es hieß, die Glaskunstwerke seien städtischen Museen angeboten, aber abgelehnt worden. Daraufhin reagierte das Kunstgewerbemuseum im Juli mit einer Presseerklärung, in der es widersprach und gleichzeitig ankündigte, in Verhandlungen mit PPF eintreten zu wollen, um wenigstens die kleineren Objekte für seine Sammlung zu retten. Die größeren Objekte sollten ausgelagert bleiben und das Gebäude nicht abgerissen, sondern restauriert werden, so dass die Kunstwerke im Rahmen der Denkmalpflege an ihren alten Platz zurückkehren könnten.455 Im Sommer 2014 hingegen veranlasste PPF den Abriss des Hotelgebäudes, um Platz für einen geplanten Büroneubau zu schaffen. Zuvor gelangten immerhin einige der Hlava-Leuchten und Glasskulpturen in den Bestand des UPM. Unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen helfen Initiativen von außen, wie das Projekt „Sowjetmoderne“ des Architekturzentrums Wien oder „Cold War Modern. Design 1945–1970“ des Victoria and Albert Museums in London, welche die Architektur der nichtrussischen Sowjetrepubliken dokumentieren und erforschen. In der Tschechischen Republik rief 2010 der Künstler Pavel Karous456 das Projekt „Vetřelci a volavky“ ins Leben, dass sich explizit um die Dokumentation und Erhaltung von öffentlichen Kunstwerken der 1970er und 1980er Jahre bemüht. Zahlreiche Bauten aus der Nachkriegszeit wurden bereits unsensibel umgebaut oder abgerissen, wie das Haus der Wohnkultur (Dům bytové kultury)457 in Prag, das Interieur des Hotels Thermal 458 in Karlsbad, aber auch des ehemaligen Tschechischen Kulturzentrums459 in der Leipziger Straße in Berlin. Unter Denkmalschutz stehen momentan nur fünf nach 1960 in der Tschechoslowakei fertig gestellte Gebäude, davon befinden sich vier in Prag.460 Außerhalb der Hauptstadt betrifft dies nur ein Objekt: den Sendeturm mit Hotel Ještěd. 455 Siehe Matějka, Ivan: Kde najde azyl Libenský a spol? (Wo finden Libenský und andere Asyl?), URL: (Stand 15.08.2013). 456 Karous arbeitete zu dieser Zeit als Assistent von Rony Plesl an der Prager Kunstgewerbehochschule. Er ist mit Jaroslava Brychtová verwandt. 457 Im Haus der Wohnkultur befand sie eine dreiteilige Kristallglasstele von Libenský/Brychtová. 458 Im Thermal befand sich zuvor ein Brunnen mit Glaselementen und mehrere Beleuchtungskörper von dem Künstlerduo Libenský/Brychtová sowie Kronleuchter nach Entwürfen von René Roubíček. Diese befinden sich zum Teil in der Sammlung des UPM. 459 Ein farbiges Glasrelief von Libenský/Brychtová ist verschollen. Die gegossene Glaswand „Keimung“ aus dem Treppenhaus im Erdgeschoss, Eingang Jerusalemer Straße (Höhe 400 Zentimeter, Breite 180 Zentimeter) wurde nach Einlagerung im Keller schließlich beim Abtransport nach Prag 1993 zerstört. Information von Barbara Ferch, Tschechisches Zentrum, Berlin, 10.01.2003. 460 Dabei handelt es sich um das Institut für makromolekulare Chemie, das Gebäude der ehemaligen Föderalversammlung (Parlament der ČSSR mit Arbeiten von Libenský/Brychtová und Vízner, heute für Ausstellungen vom benachbarten Nationalmuseum genutzt) und das Kaufhaus Máj (heute Tesco in der Národní třída, mit der gläsernen Zwischenwand „Sonnenaufgang“ von Karel Wünsch) sowie dessen Hotel.
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„Es existieren bisher keine verbindlichen Richtlinien, wie mit der Nachkriegsarchitektur umgegangen werden soll“, so Josef Šulc vom Nationalen Amt für Denkmalschutz (Národní památkový ústav).461
461 Vránková, Karolína: Helden der falschen Zeit, URL: (Stand 23.04.2013).
6 AUSSTELLUNGSWESEN – GLASKUNST IM SPANNUNGSFELD WIRTSCHAFTLICHER UND KULTURELLER IMPULSE
Glas als landestypisches Erzeugnis bildete schon immer ein zentrales Thema in kommerziellen Leistungsschauen und repräsentativen Auslandsausstellungen der Tschechoslowakei.1 Fachgebundene Industrie- und Gewerbeausstellungen, auf denen die Hersteller mit einer Auswahl an Exponaten die künstlerische Begabung ihrer Mitarbeiter präsentierten, ermöglichten dem Publikum des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, sich über den technischen Stand von Produktionszweigen zu informieren.2 Glasmanufakturen beauftragten zu diesem Zweck professionelle Mustermacher, oftmals akademische Künstler oder auch Architekten, aufwendig dekorierte Pokale, Bade-, Freundschaftsund Andenkengläser, aber auch in kleinen Serien produzierte Trinkglassortimente und Vasen oder Schalen zu entwerfen.3 Die künstlerische Gestaltung von Ausstellungsexponaten war demnach von Anfang an Teil des Kampfes um Marktvorteile und wurde als Wettbewerbsvorteil genutzt.4 So etablierte sich die Praxis, Glasobjekte zeitgenössischer Gestalter in erster Linie in einem kommerziellen Rahmen zu zeigen, auch wenn es sich dabei nicht ausschließlich um Gebrauchsgegenstände, sondern um Unikate mit Repräsentationszweck handelte. Verkaufsausstellungen mit kunstgewerblichem Schwerpunkt waren allerdings neben ihrem handelspolitischen Aspekt traditionell eng mit den bildenden Künsten verbunden.5 Vor allem Weltausstellungen boten eine kapitale Bühne für Glasproduzenten, da diese ihre Sortimente und Musterstücke hier in einem weit gefassten kulturellen Kontext präsentieren konnten. Auch die tschechoslowakischen Glasgewerbeschulen beteiligten sich schon sehr erfolgreich an der „Exposition de L’Art Décoratif“ in Paris 1925, der Brüsseler Weltausstellung 1935 und der Pariser Weltausstellung 1937. Ein musealer Rahmen für aktuelle Glasobjekte wurde ebenfalls erst durch die Herstellerseite eröffnet. 1885 initiierte die Prager Handels- und Gewerbekammer den Bau eines Museums für Kunstgewerbe, eine Maßnahme, die damals überall in Europa durch ähnliche Privatverbände vollzogen wurde. Das Kunstgewerbemuseum in Prag (Uměleckoprůmyslové museum v Praze – UPM) entstand in direkter Nachbarschaft zur Kunstge-
1 Bereits auf der ersten Kunstgewerbeausstellung, die in Europa veranstaltet wurde, in Prag 1791, wurde böhmisches Glas ausgestellt. Bročová. In: GR 5/1967, S. 141. 2 Schack von Wittenau 1971, S. 10. 3 Siehe Kapitel 2.4, S. 41, 43. 4 Bauer 1996, S. 19. 5 Siehe Kapitel 2.4, S. 41.
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werbeschule (UMPRUM).6 Mäzene stellten nicht nur die finanziellen Mittel für den Bau derartiger Häuser zur Verfügung, sondern auch für Personalkosten, Neuankäufe sowie Publikationen und etliche ihrer Mitglieder übereigneten ihnen Privatsammlungen von Gläsern, erweiterten so die Magazine.7 Die Glasfachschulen in Haida und Steinschönau, aber auch in Železný Brod, übergaben ebenfalls einzelne Glasarbeiten an das Museum. Weitere Schenkungen kamen direkt von den Herstellern in die Sammlung, so von den Glashütten Inwald, Rückl, Lobmeyr und anderen. Sukzessive akkumulierte das Haus eine der umfangreichsten Sammlungen böhmischer Gläser.8 Die kleinen Museen in den Glasmacherorten Nordböhmens, Schlesiens und Mährens, welche in etwa zeitgleich entstanden, dienten in erster Linie zur Aufbewahrung historischer Vorlagengläser, preisgekrönter Exponate und als Kabinett für den Anschauungsunterricht. Meist waren sie nur mit kleinen Sammlungen von Gläsern ausgestattet, die in der jeweiligen Umgebung entstanden waren. Auch diese Häuser wurden ursprünglich aus Mitteln der Glasproduzenten finanziert, teils indirekt, da diese die Geldgeber der Fachschulen waren, welche – wie in Haida und Gablonz – derartige Museen ins Leben riefen.9 Während des Zweiten Weltkriegs wurden diese historischen Glassammlungen aus den Magazinen ausgelagert, die Teilnahme an Auslandsausstellungen ausgesetzt und auch innerhalb des Landes fanden keine größeren Glaspräsentationen mehr statt.10 Ende 1945 öffneten die Ausstellungsräume der Glasmuseen erneut. Deren Sammlungen wurden um enteignete Privatkollektionen, oftmals aus dem Besitz von Hütteneignern, erweitert. In vielen Fällen übergab man diese Privatsammlungen den Glasfachschulen zur Aufbewahrung, wo sie die umfangreichen Mustersammlungen von Gläsern komplementierten.11 6 Es war während der ersten fünf Jahre seines Bestehens im Rudolfinum untergebracht, während der Neubau nach Plänen des Architekten Josef Schulz entstand. Anfänglich befanden sich die Schauräume noch ausschließlich im Erdgeschoss. Erst mit dem 1906 durch eine Etatschenkung ermöglichten Ankauf der Glassammlung Adalbert (Vojtěch) von Lanna, Mitbegründer der Handels- und Gewerbekammer, wurde ebenfalls der erste Stock für Präsentationszwecke genutzt. 7 Weitere Schenkungen kamen von den Förderern J. Ritter von Neuberg, A. Potůček und Tomáš Baťa (Jiřík 1933, S. 4/5). Auch der Hoftiteltaxfonds unterstützte das Museum finanziell bei Ankäufen. 8 Als auch die Kollektion von Gläsern aus dem Besitz des gebürtigen Pragers Gustav E. Pazaurek, Direktor des Württembergischen Landesmuseums in Stuttgart, nach dessen Tod 1932 dem Museum übergeben wurde, entstand ein erster „Führer durch die Glassammlung“, herausgegeben von dem damaligen Direktor František X. Jiřík: Jiřík 1933. 9 Als direkter Mäzen trat Franz Friedrich Palme 1923 als Initiator des Glasmuseums in Steinschönau auf. Untergebracht in einem Patrizierhaus von 1769 (an der Ecke der Hauptstraße gegenüber der Kirche) veranschaulichte die dortige Dauerausstellung die Geschichte der Glasproduktion und beherbergte einen Teil der Sammlung gravierter Gläser der Firma J. & L. Lobmeyr. Siehe auch Kapitel 4.1.1. 10 Eine Ausnahme bilden die vergleichsweise intimen Jahrgangsschauen der Fachschulen in den Sommermonaten. 11 Die Glasfachschule in Kamenický Šenov beherbergte seit 1945 etwa 3.400 historische Gläser, 16 Kronleuchter und acht gravierte Glasplatten. GR 1/1950, S. 15.
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Nach Kriegsende wurden Ausstellungen künstlerisch gestalteter Gläser zunächst ausschließlich im Inland ausgerichtet. Die allererste Glasschau organisierten die Künstler selbst. Der Blok českého skla stellte bereits im August 1945 ausgewählte Studienarbeiten und Musterstücke seiner Mitglieder in Nový Bor aus12, die Elemente zeitgenössischer Kunstrichtungen mit denen der Avantgarde der Zwischenkriegszeit kombinierten. Im Sommer des folgenden Jahres beteiligte sich die Gruppe, wie auch die Fachschulen in Nový Bor und Kamenický Šenov, an der Ausstellung „Wir bauen die befreiten Gebiete auf“ in Liberec. Beide Präsentationen stellten im Grunde öffentliche Leistungsschauen dar und sollten als selbstbewusstes Manifest für einen stilistischen Neubeginn nationaler Prägung in Abgrenzung zu der von Deutschen dominierten Vergangenheit verstanden werden.13 Ebenfalls bereits 1946 fand eine Reihe von kleineren Expositionen statt, die von Mitgliedern des Lehrkörpers an den Glasfachschulen in Eigeninitiative vorbereitet worden waren. Mangels öffentlicher Schauräume richteten diese die Schulen in ihren Räumlichkeiten aus. Nach mündlicher Information des damaligen Fachschülers Václav Hubert handelte es sich bei den Exponaten der Ausstellung in Kamenický Šenov in erster Linie um graviertes Glas und Gläser in Tiefschnitt, die betont roh und abstrahiert ausgeführt waren14 (Abb. 67). Diese neuen Arbeiten tschechischer Schüler und Lehrer wurden den historischen Gläsern aus der Zeit der deutschen Schulleitung mit ihrer perfektionistischen Oberflächenbehandlung und Geometrie konfrontativ gegenübergestellt. Scheinbar traf die Ausstellung auf derart viel positives Interesse, dass sie im Sommer 1947 auch in den Räumen der Genossenschaft Družstevní práce in der Hauptstadt gezeigt wurde.15 Bei der jungen Glaskünstlergeneration weckte sie die Hoffnung darauf, dass sich nach Ende der nationalsozialistischen Okkupation nun ein freies Forum für ihre kreative Arbeit eröffnen würde. Roubíček: „Fakt ist, dass Tschechen schon 1945er Jahre eigene Ateliers haben wollten. Viele hatten sogar eine eigene kleine Hütte. Aber die politische Situation war so schlecht, dass diese Versuche scheiterten und alles anders kam. Trotzdem war die Situation mit den Schulen sehr gut und viele Möglichkeiten waren vorhanden, die die Künstler nicht eigenständig hätten umsetzen können.“ 16
12 Petrová 2001, S. 29; Kapitel 4.2.1, S. 162 f., und Kapitel 5.1.4, S. 255. 13 Langhamer/Hlaveš 2006, S. 40; Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004; zur Liberecer Ausstellung mit dem tschechischen Titel „Budujeme osvobozené kraje“ vgl. Wiedemann 2010, S. 56/57. 14 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. Die Ausstellung feierte das neunzigjährige Jubiläum der Schule und war von dem damals dort als Dozent tätigen René Roubíček in Eigenregie organisiert worden. Siehe auch Kapitel 4.2.1, S. 163. 15 Petrová 2001, S. 30; siehe auch Kapitel 2.4 für die Družstevní práce. Diese Ausstellung fügte sich programmatisch in eine Serie von Veranstaltungen in Prag 1947 ein, welche die „Tschechisierung der Grenzgebiete“ thematisierte. Wiedemann 2010, S. 57/58. 16 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Vgl. Piotrowski 2009, S. 131/132.
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Mit Übernahme der Regierungsgewalt durch die KSČ im Februar 1948 wurde das gesamte Ausstellungswesen in kurzer Zeit nationalisiert. Alle Museen des Landes, die Galerien und Präsentationsräumlichkeiten, aber auch zahlreiche Sammlungen aus privatem Besitz wurden der staatlichen Kontrolle unterstellt. Damit fiel die Ausrichtung von Glasausstellungen in den Zuständigkeitsbereich öffentlicher Institutionen, die natürlich nicht den persönlichen Interessen der Künstler, sondern einzig den kulturpolitischen Richtlinien des Regimes verpflichtet waren.17 Das sich auftuende Fenster für eine unmittelbare Mitbestimmung des Kulturlebens und die Aussicht auf eine Karriere als freier Künstler wurde so nach kurzer Zeit schon wieder geschlossen. Überhaupt konzentrierte sich der Fokus staatlicher Institutionen zunächst auf den Vertrieb von Glaswaren, der durch das Ausstellungswesen angeschoben werden sollte. Die ehemals von den Eigentümern der Glasfabriken oder privat geführten Exportfirmen organisierte Beteiligung an Gewerbeschauen, Messen und kommerziellen Auslandspräsentationen übertrug das Ministerium für Handel ab 1948 sukzessive in den Aufgabenbereich des monopolistischen Außenhandelsunternehmens Skloexport.18 Zunächst wickelte die Firma den Verkauf über Musterräume ab, wie es sie in der Vergangenheit schon direkt in den Hütten gegeben hatte. Außerdem beteiligte sich Skloexport 1949 mit einem eigenen Stand an der „50. Prager Internationalen Handelsmesse“19 im Prager Veletržní palác und an der jährlich stattfindenden Konsumgütermesse in Brno. Eine wesentliche Voraussetzung für die Kontinuität des Handelsabsatzes wurde bald die Präsentation tschechischen Glases bei internationalen „Kontraktausstellungen“. Neben käuflich erwerbbaren Gläsern industrieller Formgebung wurden in diesem Rahmen seit den beginnenden 1950er Jahren vermehrt von Hand produzierte Einzelstücke und künstlerisch gestaltete kleinere Serien zu Werbezwecken ausgestellt. Skloexport schrieb eigens zu diesem Ziel landesweit Wettbewerbe aus oder gab in Zusammenarbeit mit ÚBOK konkrete Ausschreibungen an der Kunstgewerbehochschule und den Glasfachschulen heraus. Im planwirtschaftlichen System sollten diese modernen Gestaltungsmaßnahmen unter der Ägide der staatlichen Einrichtungen ÚVS und ÚBOK zeitgemäße Musterkollektionen für die Glasindustrie liefern und so – als Exponate – den kommerziellen Absatzmarkt erweitern.20 Hinzu kam die Erkenntnis, dass anspruchsvolle Ausstellungsstücke in vielerlei Hinsicht das Prestige des Regimes bei Repräsentationsschauen im In17 Meist waren Kuratoren des Prager Kunstgewerbemuseums daran beteiligt, aber auch Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen, die mit der Pflege von Kunsthandwerk betraut waren oder Glaskünstler vertraten. 18 Siehe Kapitel 3.3.2. 19 Da es sich um eine Jubiläumsveranstaltung handelte, legten die Organisatoren besonderen Wert auf eine ansprechende Ausstellungsarchitektur und Inneninstallation. Die Glas- und Bijouterieexponate waren traditionsgemäß in der zweiten Etage des Messepalastes untergebracht. Alle großen Nationalunternehmen waren vertreten und die Umělecké sklo-Werkstätten präsentierten sich hier ebenfalls, unter anderem mit künstlerisch gestalteten Bleiglasfenstern und gravierten Überfanggläsern (GR 6/1949, S. 2–5). Heute befindet sich die Dauerausstellung moderner tschechischer Glaskunst ebenfalls im zweiten Stockwerk des Messepalastes (Veletržní palác). 20 Siehe Kapitel 5.2.3.
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land und im Kulturaustausch mit dem Ausland fördern könnten. Für die Glaskünstler eröffnete sich ein kreativer Wirkungskreis. Die wirtschaftliche und propagandistische Instrumentalisierung des Ausstellungswesens führte damit unbeabsichtigt zu einer Emanzipation des traditionellen Berufes eines Mustermachers zum impulsgebenden Gestaltungskünstler. Dieser sollte für öffentliche Präsentationen neben außergewöhnlichen Exponaten im Gebiet der industriellen Formgebung auch funktionslose Kammerobjekte und monumentale Glasskulpturen liefern. Ende der 1950er Jahre gehörten die tschechischen Glaskünstler weltweit zu den Ersten, die ein neues Konzept für die Gestaltung von Glas entdeckten und zwar als Material für Objekte ohne jede Gebrauchsfunktion. Diese dienten zunehmend als werbewirksame Exponate bei Auslandsausstellungen. Glaskunst nahm als neues Genre eine exponierte Rolle im kulturpolitischen und kulturökonomischen Austausch ein. Als repräsentative Visitenkarte und devisenbringendes Ausfuhrprodukt avancierte sie zum „Kulturdiplomaten“, welcher den Grundstein für das künstlerisch zunehmend freie Arbeiten mit Glas in dem sozialistischen Land legte.21 In den folgenden Kapiteln werden wechselseitig wirksame Impulse untersucht, die einerseits dank der institutionalisierten Ausstellungsaktivität zum Entstehen ideologisch völlig unbelasteter Glaskunst und andererseits durch Exponate von Glaskünstlern zur einer allmählichen Öffnung des Ausstellungswesens für marktwirtschaftliche Bedingungen führten. In einem ersten Schritt werden die Methoden und Absichten staatlicher Institutionen dargestellt, die für die Ausrichtung von Glaspräsentationen zuständig waren. In diesem Zusammenhang ist eine detaillierte Betrachtung der Aktanten und ihrer Handlungsspielräume sowie ihrer kulturpolitischen Leitlinien von zentraler Rolle. Die musealen Einrichtungen in der Tschechoslowakei werden dabei in Unterkapiteln gesondert betrachtet. In einem weiteren Schritt werden die Ausstellungsaktivitäten im Ausland dargestellt, um die Entwicklung der Exponate zu eigenständigen Kunstwerken nachvollziehbar zu machen. Ikonographie, Umfang und beteiligte Künstler bei internationalen Ausstellungen werden in Gegenüberstellung zum Kulturaustausch mit befreundeten Nationen in den aufeinanderfolgenden Übersichten verglichen. Danach werden die Privilegien dargestellt, welche sich aus der Teilnahme an diesen grenzüberschreitenden Präsentationen ergaben, die ihrerseits den Horizont der ausstellenden Glaskünstler in mehrfacher Hinsicht erweiterten. In einem letzten Kapitel wird die Rolle der staatlichen Künstleragentur Art Centrum für die Entwicklung eines Glaskunstmarktes behandelt, der sowohl den Interessen des Regimes als auch denen der Künstler begegnete.
21 Wasmuth 2010, S. 482.
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6.1 Akteure des Ausstellungswesens – Institutionelle Präsentationsstrategien Ab 1948 sollte das Ausstellungswesen nach sowjetischem Vorbild der Propaganda und als ein integraler Bestandteil der Kultur- und Bildungsarbeit dienen, als eine praktische und ideologische Erziehung zum Kommunismus: „Jede Schau, gleichgültig welchen Inhalts, hat hohen politischen Ausdruck, soll zu einer erhöhten Ebene des Denkens, ästhetischen Fühlens, der Aufklärung und Sensibilisierung der Massen beitragen.“22 Ausstellungen hatten einer parteipolitischen Weltanschauung zu folgen und diese mittels ihrer Exponate visuell zu formulieren. Alle Elemente der Präsentation sollten diesem Leitmotiv dienen. Mitarbeiter der staatlichen Museen wurden angehalten, ihre kuratorische Arbeit entsprechend auszurichten. So auch andere staatliche Institutionen, die mit der Pflege traditioneller tschechoslowakischer Volkskunst betraut worden waren, wie das ÚLUV (Zentrum für Volkskunstproduktion), der Verband Tschechoslowakischer Bildender Künstler (Svaz československých výtvarných umělců – SČVU) und ab 1952 die Zentrale der Kunsthandwerke (Ústředí uměleckých řemesel– ÚUŘ)23. Eindrücklich veranschaulichen dies die Repräsentationsvasen, Pokale und Fensterentwürfe im Stil des sozialistischen Realismus, welche in diesen Jahren in staatlichem Auftrag für Ausstellungszwecke entstanden. Das ÚLUV organisierte im Sommer 1950 eine Ausstellung mit Arbeiten der Glasfachschule in Železný Brod in seinen eigenen Präsentationsräumen in der Hauptstadt. Die Schau bot einen Überblick der Arbeiten von Schülern und Lehrern dieser einheimischen Vorzeigeeinrichtung seit ihrer Gründung 1920 bis in die Gegenwart.24 Ganz in Einklang mit den offiziellen Leitlinien präsentierte man die Exponate nach kunsthandwerklicher und dekorativer Qualität als typische Beispiele eines lange unterdrückten „nationalen Stils“. Auch drei Ausstellungen mit Gläsern des künstlerisch orientierten Umelěcké sklo-Atelierverbandes, welcher auf Weisung des Ministeriums für Industrie und Handel ins Leben gerufen worden war25, orientierten sich beispielhaft an der Kulturpolitik des Regimes. Die beiden ersten fanden Ende 1950 statt und wurden vom Prager UPM kuratiert.26 Bemerkenswert in dem genannten Kontext ist jedoch vor al22 Novotný. In: Tvář 6–7/1959, S. 164. 23 Siehe Kapitel 5.2.1. und 5.2.4. 24 Der hervorgehobene Status der Schule lag vor allem in seinem „tschechoslowakischen Charakter“ begründet. Siehe Kapitel 4.2.3, S. 181 f., 185. 25 Siehe auch Kapitel 3.2, S. 105. 26 Schwerpunkt der Ausstellung „Sklo a výtvarník“ im Topič Salon bildeten Einzelstücke mit repräsentativem Charakter als auch Souvenir- und Geschenkartikel aus Glas, die sich ausnahmslos durch einen erschwinglichen Preis auszeichneten. Die zweite große Schau unter Einbeziehung der Umelěcké sklo-Werkstätten wurde in den repräsentativen Räumen des barocken Velkopřevorský palác gezeigt, welcher zuvor im Besitz des Malteserordens gewesen war und nun für öffentliche Zwecke genutzt wurde. Anlass zu dieser zweiten Schau mit dem Titel „J. a L. Lobmeyra synovec Štepán Rath a jeho spolupracovníci vystavují svě práce z let 1945–1950“ (J. und L. Lobmeyr Neffe Stefan Rath und seine Mitarbeiter zeigen ihre Arbeiten aus den Jahren 1945 bis 1950) gab Stefan
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lem die dritte große Überblicksschau zwei Jahre später, mit der die Kunstgewerbemuseen in Prag und Brno gemeinsam diese Werkstätten würdigten: „Umělecké sklo. Česká sklářská tradice a výsledky činnosti národního podniku Umělecké sklo“ (Kunstglas. Die Tradition der böhmischen Glaskunst und die Ergebnisse des staatlichen Unternehmens Kunstglas).27 Ausgestellt waren ausschließlich Mosaikarbeiten mit realistischen Sujets von Künstlerkollektiven.28 Stanislav Libenský präsentierte zwei Bleiglasfenster, die in seinem Œuvre eine absolute Ausnahme darstellen, da sie eindeutig dem sozialistischen Realismus zuzuordnen sind: eine Bäuerin mit Brot und Ähren vor einem Traktor und ein Arbeiter in einer Industrielandschaft (Abb. 68, Abb. 69).29 Zusammenfassend lässt sich diese Präsentation durchweg als „linientreu“ bezeichnen. Alle Exponate waren in traditionellen Glasmachertechniken ausgeführt und viele zeigten figurative Szenen. Gemeinsam von den Kunstgewerbemuseen in Prag und Brno ausgerichtet, konzentrierte sich diese Ausstellung wie auch ihre beiden Vorläufer auf ausgesuchte Präsentationsgläser im Stil des sozialistischen Realismus, die Seite an Seite mit modernen Gebrauchsgläsern30 gezeigt wurden.31 Wie schon die Titel aller drei Veranstaltungen veranschaulichten, stand nun nicht mehr das einzelne Exponat, sondern – einhergehend mit den politischen Veränderungen – der Herstellerbetrieb respektive der Gestalter als anonyme Figur, vor allem aber das Kollektiv im Mittelpunkt des Interesses. Einige Glaskünstler konnten ihre zumeist gegenständlichen Arbeiten immerhin in den Räumen des Schriftstellerverbandes Československý spisovatel in Prag präsentieren.32 In der Gesamtheit konzentrierte sich das tschechoslowakische Ausstellungswesen während des ersten Nachkriegsjahrzehnts allerdings auf parteipolitisch konforme Gruppenausstellungen.
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Raths 75. Geburtstag. Vgl. Abbildungen in: Lišková, Věra: K výstavě lobmeyrovského skla. In: Tvář 12/1950, S. 306–310. Organisiert wurde die 1952er-Ausstellung vom künstlerischen Berater der Werkstätten, Karel Hetteš, siehe Kapitel 6.1.1. Vgl. Hetteš 1952 und Kapitel 3.2, S. 106. Das Mosaik Václav Jůneks mit dem Titel „Československý průmysl“ (Tschechoslowakische Industrie) wie auch „25. únor“ (25. Februar) von Jiří Horník wurde von dem Kollektiv Luďka Vimra ausgeführt. Das Karel-Minář-Exponat „Patižáni“ (Partisanen) realisierte die Gruppe um Ladislav Kašpar. Alle Mosaike inklusive „Křest Kristův“ (Taufe Christi) von Max Švabinský sind in Hetteš 1952, Nr. 14–21, abgebildet. Ebenfalls abgebildet in Wasmuth 2010, Abb. 2 und 3, S. 495; vgl. Kapitel 5.1.4, S. 257, 260. Ein eher konventionelles Bleiglasfenster mit dem tschechoslowakischen Staatswappen war ebenfalls von Libenský für diese Ausstellung entworfen worden. Libenský präsentierte zwei Trinkglasgarnituren aus Kristallglas (Hetteš 1952, Nr. 8/9). Auch von Stefan Rath war eine geschliffene Vase zu sehen, obwohl er bereits schon über ein Jahr nicht mehr in Kamenický Šenov lebte. Von René Roubíček wurde eine geschliffene Vase gezeigt, von Karel Hrodek eine Vase mit graviertem Porträt des Präsidenten Klement Gottwald, Josef M. Hospodka stellte eine Gruppe kleiner Überfangvasen mit Monogramm sowie dekorativen Pflanzen- und Vogelmotiven aus. Siehe Katalog Hetteš 1952. Beispielsweise stellten J. M. Hospodka, Karel Hrodek und Stanislav Libenský 1950 dort aus.
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In Übereinstimmung mit der neuen kulturpolitischen Ausrichtung kam es zu weniger Ausstellungen im Ausland, vor allem im Westen. Skloexport beteiligte sich zwar vereinzelt an kommerziellen Messen – beispielsweise 1951 in Paris –, aber die bevorzugte Verknüpfung der Außenhandelsaktivität lag innerhalb der sozialistischen Länder im RGW und teilweise auch in Entwicklungsländern.33 So blieben Produktpalette und Marketingstrategie der tschechoslowakischen Glashersteller ohne Kontakt mit der ausländischen Konkurrenz. Das Ausstellungswesen im ersten Nachkriegsjahrzehnt war hinter dem Eisernen Vorhang abgekapselt von jeglichem Wettbewerb. Dies zeigten die Methoden der Präsentation, angefangen von der Auswahl an Exponaten, der Installation bis zur Ausstellungsarchitektur. Zögernd wurden sich die Funktionäre im Ministerium für Leichtindustrie dessen bewusst, dass die Vermarktung einheimischer Erzeugnisse im Ausland und die Gewinnung westlicher Devisen dringend voranzutreiben seien.34 Es gab nicht viele Bereiche, die für den Wettbewerb auf „kapitalistischen Märkten“ geeignet waren, doch Glas gehörte dazu. Um potentiellen Geschäftspartnern aktuelle Sortimente präsentieren zu können, wurden zunächst im Inland vermehrt Glaspräsentationen organisiert. Diese fanden teils in öffentlichen Einrichtungen, teils im Rahmen von Messeauftritten statt, wie anlässlich der Konsumgütermesse in Brno. Gemeinsam mit dem Prager Kunstgewerbemuseum und der Zentralstelle für die Entwicklung der Glas- und Keramikindustrie (ÚVS) lud Skloexport 1954 ausländische Importeure zu der Ausstellung „500 let českého skla“ (500 Jahre böhmisches [aus handelspolitischer Sicht griff das Unternehmen durchaus auf diesen etablierten Begriff zurück] Glas) in die barocken Räume des Wallenstein Palais ein und richtete im Herbst 1955 eine Überblickschau mit dem Titel „Současné československé sklo“ (Zeitgenössisches tschechoslowakisches Glas) aus.35 Sie wurden als Plattform vornehmlich für exklusive Gebrauchsgläser genutzt, um die vorgebliche Kontinuität dieses „rein tschechoslowakischen Gewerbes“ sowie dessen Neuerfindung durch zeitgenössische heimische Glasgestalter zu demonstrieren. Ort der zweiten Ausstellung war das Hyberner-Haus (Dům U Hybernů), wo etwa 1.000 Exponate gezeigt werden konnten. Es handelte es sich im Grunde genommen um eine reine Verkaufspräsentation für die zahlreichen Besucher aus dem Ausland.36 Skloexport begann nun, die Beteiligung an Auslandspräsentationen mit Glaswaren behutsam zu intensivieren. In der ersten Nachkriegsausstellung in England zeigte das Unternehmen Ende 1955 Kunstgläser im London Tea Centre und dies direkt neben den Konkurrenten aus Corning, Steuben Glass.37 Zum einen war dies die Bemühung, der britischen Öffentlichkeit alle traditionellen Glasmachertechniken zu präsentieren und den Gastgebern Referenz zu erweisen. Gleichzeitig ging es darum, die Handelskontakte 33 34 35 36 37
Siehe Kapitel 3.1.4, S. 95, und Kapitel 3.3.1. Vgl. Šetlík 1994, S. 22. Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6. Vodička. In: GR 1/1956, o. S. Siehe auch Kapitel 3.1.4, S. 97.
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mit englischen Abnehmern zu erneuern und die Öffentlichkeit im Allgemeinen auf die Produktpalette der tschechischen Glasindustrie aufmerksam zu machen. Sowohl die bilateralen politischen Beziehungen beider Länder als auch der wirtschaftliche Aspekt dieser Ausstellung bestimmten die auf den Ausrichtungsort zugeschnittene Sujets der Exponate: ein Bootsrennen, wie es jährlich zwischen Oxford und Cambridge stattfindet, Vasen und Kelche mit Londoner Stadtmotiven.38 In Anlehnung an die Bayeux Tapisserie – nach einem Design von Erika Hellerová – gravierte August Helzel Junior einen Becher im Barockstil sowie kreisförmige Plaketten und griff damit ein bekanntes Moment der englischen Ikonographie mit Szenen aus dem Leben Eduard des Bekenners, die Krönung Harald II. und den Vorstoß des Heeres Wilhelm des Eroberers bei der Schlacht von Senlac auf.39 Im Weiteren gravierten die beiden Lobmeyr-Mitarbeiter Václav Hubert und Čestmír Cejnar eine Vase mit einem Porträt William Shakespeares und umlaufendem Fries mit Figuren aus dessen Theaterstücken (Abb. 70).40 Hubert: „Das war Teamarbeit, […] einmal hat einer von uns in der Nacht gearbeitet, und einer am Tag und umgekehrt und Samstag und Sonntag auch. Weil es war wenig Zeit. Das hat pressiert.“41
Diese Exponate sollten die kulturellen und historischen Verknüpfungen zwischen Großbritannien und der Tschechoslowakei bildhaft zum Ausdruck bringen.42 Sie waren ausnahmslos von fest angestellten Formgestaltern entworfen und von Mitarbeitern staatlicher Betriebe ausgeführt worden und beanspruchten damit kein gesondertes Budget. Zweifellos war die Präsentation ein wertvoller Beitrag zur Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen auf kulturellem Gebiet. Aber sie gab keinerlei Ein38 Graviert wurden diese Vasen und Kelche in Kamenický Šenov, Dobronín, Železný Brod und Karlovy Vary von Josef Švarc, Jan Lauda und anderen nach Entwürfen von Erika Hellerová, Miroslav Plátek und Jindřich Tockstein, abgebildet in Pitaš, GR 12/1955, S. 8, 10. 39 Gravierte Porträts der Schriftsteller George Bernard Shaw, Herbert George Wells, John Galsworthy und Seton Watson, ebenfalls nach Entwürfen von Erika Hellerová in Anlehnung an die Zeichnungen von Karel Čapek aus seinem Buch „Englische Blätter“, ausgeführt durch die Meister František Brabec, Jan Lauda und Alfred Oppitz (er nannte sich nach seiner Heirat Lorenc) sollten ebenfalls den Gastgebern schmeicheln (siehe auch Kapitel 3.1.4, S. 97). Von Jaroslav Horejc fand sich eine Glasvase als Hommage an Shakespeare unter den Exponaten, die vier unterschiedliche Szenen aus dem „Hamlet“ darstellte. Diese Figuren wurden nach einem Gemälde von Karel Purkyně graviert, das ein Fest der tschechischen Schauspieler zur Feier des 300. Geburtstages Shakespeares darstellt. Ausgeführt wurde diese Vase von Kurt und August Bischoff für Lobmeyr in Kamenický Šenov, abgebildet in Pitaš. In: GR 12/1955, S. 4/5. 40 Die beiden Graveure führten außerdem zwei Kelche mit Porträts von John Wycliff und seinem tschechischen Schüler Jan Hus aus. Abgebildet in: Ebenda, S. 4. 41 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 42 Aus Železný Brod wurden Gravuren mit einem Porträt des Komponisten Antonín Dvořák, Darstellungen der Oper „Schwanensee“ und dem Pferderennen Grand Steeplechase in Liverpool von Miroslav Plátek und Jindřich Tockstein nach London gesandt.
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blick in die aktuellen Bemühungen um eine Modernisierung der Glasgestaltung in der Tschechoslowakei.43 Die verantwortlichen Organisatoren von Skloexport erstellten die Exponatauswahl für die Präsentation unter eher konservativen Gesichtspunkten.44 Die Ausstellung war dessen ungeachtet ein „riesiger Erfolg“45. Sie wurde zum Treffpunkt für Kunstliebhaber, Diplomaten, Schauspieler und Geschäftsleute aus ganz England.46 Die Handelsagentur richtete bereits im Folgejahr 1956 weitere Auslandspräsentationen nach demselben Muster erneut in London sowie in Brüssel, Kairo, Casablanca, Johannesburg, Leipzig, Paris, Toronto und Utrecht aus.47 Für die wachsende Anzahl von grenzübergreifenden Ausstellungen begannen staatliche Institutionen wie ÚBOK, Skloexport oder der SČVU Ausschreibungen und Wettbewerbe für zeitgemäße Exponate zu veröffentlichen.48 Teilweise waren dies offene Ausschreibungen, andere waren auf bestimmte Künstlergruppen, wie Studenten der VŠUP oder der Glasfachschulen, beschränkt. Die Bildungseinrichtungen erhielten unter den neuen Dozenten nun auch formell den Auftrag, die von ihnen begonnene neuartige künstlerische Ausrichtung in enger Zusammenarbeit mit den nationalisierten Betrieben und genannten staatlichen Institutionen voranzubringen. Sie mussten einen „tschechoslowakischen Stil“ entwickeln49, der einen scharfen Bruch zu der „dekadenten“ Vorkriegsgestaltung darstellen50 und dieses anhand von Exponaten bei öffentlichen Präsentationen visualisieren sollte (Abb. 71).
43 Interessant ist allerdings ein Hinweis, der sich in der Glasrevue findet: Neben den Schöpfungen
etablierter Meister wie Jaroslav Horejc, Jindřich Tockstein oder Václav Plátek seien auch „moderne Designs“ der beiden Künstlerinnen Erika Hellerová und Věra Lišková ausgestellt gewesen (Pitaš. In: GR 12/1955, S. 4). Im Grunde drückt diese Feststellung aus, dass es gar keine aktuellen Ausstellungsstücke gab. Sowohl Hellerová als auch Lišková schufen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre wenig Experimentelles. Beide Künstlerinnen waren in dieser Zeit als Betriebsgestalterinnen in einem festen Anstellungsverhältnis, Hellerová bei Lobmeyr und Lišková bei Moser, wo sie in erster Linie Gebrauchsglasentwürfe fertigten. 44 Vgl. Abbildungen in: Graves. In: GR 1/1956, o. S. 45 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 46 Drei Mal berichteten der BBC und ITV in ihren Programmen von dieser Veranstaltung, bei der nicht nur das tschechische Glas, sondern auch die Präsentationsvitrinen und Tische großen Anklang fanden. In der Besprechung der News of the World schrieb die Kolumnistin Joan Gilbert am nächsten Tag, dass die Ausstellung „a graceful compliment to England“ sei und „I wonder if, in our trade shows abroad, we are likely to pay as graceful a compliment to other countries as this small but beautifully displayed exhibition has paid to England“. Der Sheffield Telegraph meinte: „The Prague craftsmen have certainly excelled themselves in Englishness for their first post-war show.“ Zitiert in: Graves. In: GR 1/1956, o. S. 47 Čamr. In: GR 7/1956, o. S. 48 Ab 1965 war auch das Art Centrum daran beteiligt. 49 „Showing the essential spiritual emancipation of the Czech nation and its contribution to world spiritual culture.“ GR 2–3/1954b, S. 18. 50 „Die allmähliche Industrialisierung der Glaserzeugung im Verlauf der sich entfaltenden Industrierevolution, ihre wachsende Abhängigkeit von den ausländischen Märkten und die Bindung an ausländische Unternehmertätigkeit hatten im Lauf der Zeit nicht allein einen künstlerischen
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Eliáš: „Wir waren auf der Suche, auf der Suche nach neuen Wegen. Wir wussten nicht, ob jemand das Gleiche tat, und selbst wenn es so war, hatten wir keine Möglichkeit, es zu erfahren.“51
In diesem Zusammenhang entstanden zahllose Unikatarbeiten, bei denen die experimentelle Suche nach innovativen Gefäßformen und Veredelungsmöglichkeiten im Vordergrund stand. Der Staat subventionierte dies nicht zuletzt wegen der Zuordnung zur „neutral“ betrachteten Disziplin des Kunsthandwerks. So bot man den beteiligten Künstlern neben einer Nische für ihr kreatives Schaffen auch eine berufliche Perspektive.52 Anders als nur wenige Jahre zuvor fanden moderne Glasexponate beginnend mit der EXPO 58 in Brüssel53 verstärkt Eingang in das staatliche Ausstellungswesen. Dieses wechselte zeitgleich mit der beginnenden Reformbewegung Prager Frühling in eine Phase der toleranten Repression.54 Nun wurde der künstlerischen Vielfalt insgesamt mehr Entfaltungsspielraum bewilligt. Die experimentellen Unikatarbeiten wurden nicht mehr nur im Rahmen des Kulturaustauschs mit anderen Ländern, bei repräsentativen Veranstaltungen und bei Verkaufsausstellungen in der ganzen Welt gezeigt. Sie wurden endlich auch in einheimischen Museen und öffentlichen Galerien präsentiert.55 Das dem SČVU unterstellte Unternehmen Dílo veranstaltete zahlreiche Monoausstellungen in seinen eigenen Galerieräumen Mánes, Hollar, Galerie bratří Čapků, Galerie V. Špály, Galerie Vincenc Kramař, Frágnerova Galerie in Prag, Galerie J. Krále in Brno, Galerie J. Trnky in Plzen und Galerie Díla in Ústí nad Labem.56 Im Zuge der regen Ausstellungsbetriebsamkeit entwickelten die zuständigen Kuratoren eine klare Haltung zur bestmöglichen Inszenierung von Glaskunstwerken57. Diese sollten optimal beleuchtet und von allen Seiten frei zu betrachten sein. Meist beauftragten sie professionelle Bühnenbildner, wie František Tröster58, Josef
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Verfall, sondern in hohem Mass auch den Verlust des eigenen Charakters herbeigeführt.“ Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 6. Oldknow 2005, S. 66. „Zu jener Zeit arbeiteten in der ČSSR schon rund hundert Künstler, die durchweg im produktivsten Alter standen.“ Adlerová 1973a, S. 10. Siehe Kapitel 6.2.1. Wasmuth 2010, S. 493. Siehe Kapitel 6.1.1. und 6.1.2. Hier fanden während des gesamten Untersuchungszeitraums Ausstellungen mit Glaskunst statt. Siehe Kapitel 5.2.1, S. 277. Vgl. Aufsatz „Wie man Glas ausstellt“ des Architekten Josef Jiřičný. In: GR 5/1966, S. 140–144. Tröster (1904–1968) hatte schon bei der Mailänder Triennale 1937 eine Goldmedaille für seine Ausstellungsarchitektur gewonnen. Während des Zweiten Weltkriegs zählten seine Gemälde zur sogenannten „Entarteten Kunst“ und Tröster musste Zwangsarbeit leisten. Nach 1945 arbeitete er als Bühnenbildner für das Vinohradské divadlo und gründete eine Abteilung für Bühnenbild an der AVU. Zu Trösters Rolle bei der XI. Triennale di Milano 1957, der EXPO 58 und der Glasausstellung in Moskau 1959 siehe Kapitel 6.2.1, S. #.
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Svoboda59 oder Vladimír Nývlt60, aber auch Architekten wie Josef Saal61, Jindřich Santar62 und in den 1980er Jahren Bohuslav Rychlink63 mit der Ausstellungsgestaltung. Nicht nur bei kleineren Schauen im Inland gingen die Organisatoren mit großem Ernst vor, besonders bei Auslandspräsentation gehörte dieser hochprofessionelle Ansatz zum dauerhaften Repertoire der Ausstellungsmacher. Für die Begleitkataloge wurden Aufsätze verfasst und Abbildungen von spezialisierten Glasfotografen wie Jindřich Brok, Jiří Erml, Lumír Rott und Gabriel Urbánek angefertigt.64 Selbst die Plakate mit Ankündigungen solcher Glasausstellungen wurden mit einem eigenen Budget geplant.65 Das Ausstellungswesen der 1960er Jahre brachte demnach nicht nur eine regelrechte Auftragsflut für alle mit der 59 Svoboda (1920–2002) hatte zunächst eine Tischlerlehre absolviert. Nach 1945 studierte er an der VŠUP, arbeitete ab 1948 als Bühnenbildner und bald darauf als Ausstattungsleiter am Prager Nationaltheater. Er übernahm ab Mitte der 1950er Jahre auch Aufträge in der DDR, später in ganz Europa und Amerika. 1970 war er an der Konzeption für den Pavillon in Osaka beteiligt. Bekannt wurde Svoboda vor allem durch seine Zusammenarbeit mit der Laterna magica, dessen künstlerische Leitung er 1973 übernahm. Biografische Angaben: UPM-Archiv. Siehe auch Kapitel 6.2.1, S. 367, 374. 60 Nývlt (1927–1995) übernahm die Inszenierung der São Paulo Biennale 1969, wo er eine Goldmedaille als bester ausländischer Architekt erhielt, und bei der Weltausstellung in Osaka 1970. Als Bühnenbildner war er lange beim E.-F.-Burian-Theater und ab 1983 beim Nationaltheater in Prag beschäftigt. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 61 Saal (1912–1982) hatte unter Karel Dvořák an der UMPRUM und unter Josef Gočár an der Akademie der bildenden Künste in Prag studiert. Er war auch als Bildhauer tätig. Biografische Angaben: UPM-Archiv. Siehe auch Kapitel 6.2.1, S. 368 f. 62 Santar (1923–2012) war Mitglied in der KSČ und hatte gute Kontakte ins Zentralbüro. Seit 1950 arbeitete er als Ausstellungsmacher für das Informationsministerium. Václav Kopecký, von 1945 bis 1953 Informations- und von 1953 bis 1954 Kulturminister, war ein enger Freund von ihm. 1961 wurde ihm der Klement-Gottwald-Staatspreis zuerkannt. Anfang der 1970er Jahre wurde Santar allerdings im Rahmen der Normalisierung aus der Partei ausgeschlossen und konnte über den Zeitraum von zehn Jahren nicht als Architekt und Ausstellungsmacher arbeiten. Ihm wurde vor allem vorgeworfen, seine Konzepte nicht ideologisch ausgerichtet zu haben (Vlnářová. In: Zápraží 11/2010, S. 5). Zu Santars Beteiligung an der EXPO 58 und der Moskauer Ausstellung 1959 siehe Kapitel 6.2.1, S. 368, 378. 63 Rychlink (1921–1988) machte sich vor allem mit seinen Ausstellungsarchitekturen für Glaskunst einen Namen. Er zeichnete unter anderem für die Glaspräsentation in Moskau 1980, die Reihe „Skleněná plastika“ in Prag und Brno 1983 und die Ausstellung „100 let českého užitného umění“ in der Emmauskloster-Ausstellungshalle des UPM 1986 verantwortlich. Adlerová: „Wir haben die Ausstellungen immer mit einem Architekten gemacht, der sehr einfühlsam war. Und mit dem haben wir uns gut verstanden. Herr Architekt [Bohuslav] Rychlink, der ist leider zu früh verstorben.“ (Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003) Rychlink gehörte – wie Adolf Matura – zu jenen Mitgliedern des SČVU, die sich 1970 für dessen Fortbestehen einsetzten. Mikeš 2013, S. 9. 64 Vgl. Galia 2010 und Kapitel 5.1, Anm. 10, S. 234. 65 Stanislav Kovář (1921–1985) entwarf seit 1956 Plakate und Ausstellungsgrafiken mit Glasthematik. Schon für die Moskauer Glasschau 1959 beteiligte er sich konzeptionell an den Plakatentwürfen und Beschilderungen. Das Museum für Glas- und Bijouterie in Jablonec nad Nisou würdigte Kovář 1964 sogar mit einer Monoausstellung. Er entwarf auch zahlreiche Logos, so für Crystalex. Langhamer. In: Av 1/1966, S. 164.
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Glaskunst verbundenen kulturellen Tätigkeitsfelder mit sich. Es lieferte auch einen ausschlaggebenden Beitrag zur Legitimation dieser neuen Schule. Nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings nahm die restaurative Reaktion des Regimes zunehmend Einfluss auch auf das Ausstellungswesen. Ab 1970 war der neue Kurs der Normalisierung in den Präsentationsspielräumen für Glaskünstler spürbar, vor allem im Inland. Während nach Ende der propagandalastigen Ausstellung „Užite umění socialistických zemí 1945–1975“ (Angewandte Kunst im sozialistischen Staat) das Kunstgewerbemuseum über zehn Jahre lang renoviert und für den Publikumsverkehr geschlossen wurde, setzten die Schauen mit Glasexponaten in anderen öffentlichen Einrichtungen einen Schwerpunkt auf industrielle Formgebung, also Konsumgut in Abgrenzung zum Unikat.66 Anders als in der liberalen Zeit des sogenannten Tauwetters konnten abstrakte Glaswerke überwiegend nur noch unter dem Deckmantel innerstaatlicher Wettbewerbe67 sowie anlässlich offizieller Jahrestage68 ausgestellt werden. „Verdiente Künstler“ hingegen, etwa Pavel Hlava, Josef M. Hospodka, Jozef Soukup oder Jaroslav Svoboda, feierte man zur Feier ihrer runden Geburtstage mit Monoausstellungen, in denen auch individuell geschaffene Einzelstücke gezeigt wurden.69 Anderen, wie Václav Cigler, Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová, Vladimír Kopecký, René Roubíček oder Jiřina Žertová, blieb dies verwehrt. Sie konzentrierten sich mit Unterstützung der Künstleragentur Art Centrum nun ohnehin auf lukrativere Ausstellungsmöglichkeiten im kapitalistischen Ausland sowie Auftragsarbeiten für die Architektur.70 Die Situation stellte sich allerdings komplexer dar, als es der Blick auf die großen Museumshäuser und die auch damals schon namhaften Protagonisten vermuten lässt. Entgegen der offiziell verschärften Zensur in allen Kulturbereichen fanden sich in den 1970er und 1980er Jahren immer wieder Möglichkeiten, moderne Glasarbeiten auszu66 Vgl. die zuletzt im UPM ausgerichtete Ausstellung zum 50. Jahrestag der KSČ 1969, Kapitel 5.3, Anm. 381, S. 309, die Ausstellungstätigkeit des Museums in Jablonec nad Nisou, Kapitel 6.1.2, S. 357, oder die Pressglasausstellung 1973 in der DDR, Kapitel 6.2.2, S. 409 f. 67 Anlässlich des im Triennale-Zyklus stattfindenden Wettbewerbs „Internationale Glas- und Porzellanausstellung“ in Jablonec nad Nisou wurden beispielsweise mit Jan Gabrhel, Pavel Hlava, Vladimír Jelínek, Pavel Ježek, Rudolf Jurnikl, Adolf Matura und Vladimír Žahour vornehmlich ÚBOK-Mitarbeiter, Formgestalter oder Dozenten der Glasfachschulen ausgezeichnet. Allerdings wurde der politisch verfolgte Miloslav Klinger 1973 mit einer Medaille geehrt und 1976 gewann der wenige Jahre zuvor noch politisch inhaftierte Jiří Harcuba den Ersten Preis bei dieser Veranstaltung (Hlaveš 2005, S. 375). Die Verleihung an nichtkonforme Künstler war vermutlich möglich, weil in der internationalen Jury auch ausländische Fachleute saßen. Die Siegerentwürfe dieser beiden Künstler wurden aber nicht in der einheimischen Fachpresse abgebildet. Maršiková. In: GR 11/1976, S. 2–6. 68 1974 wurde eine Wettbewerbsausstellung anlässlich des „30. Jahrestags der Befreiung durch die Sowjetarmee“ ausgerichtet. Bezeichnenderweise zählten zu den Preisträgern ausschließlich „verdiente Künstler“ wie Jozef Soukup. 69 1974 organisierte der SČVU eine Überblicksschau anlässlich von Hlavas 50. Geburtstag. 1978 feierte das Glasmuseum in Nový Bor Hospodkas 55. Geburtstag mit einer Ausstellung. 70 Siehe Kapitel 5.3, 6.3.1 und 6.3.2.
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stellen, auch für die genannten Künstler. Nicht zuletzt dank ihrer beständigen Mitarbeit als externe Gestalter für die Industrie und Dozenten waren sie zu einem integralen Bestandteil der Glasszene geworden.71 So konnten sie bei Gruppenausstellungen, die einen grundsätzlichen Überblick über das aktuelle Glasschaffen im Land geben sollten, nicht einfach außen vor gelassen werden.72 Einzelpräsentationen mit Arbeiten von Autoren, die als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurden, wurden weiterhin in den kleinen Ausstellungsräumen des Dílo, des ÚUŘ, der Karlsuniversität sowie der Galerie Nová síň in Prag, der Galéria Cypriána Majerníka und der Galéria Život in Bratislava oder auch in diversen Kulturhäusern, staatlichen Schlössern und Regionalmuseen der Tschechoslowakei veranstaltet und bezeugen diese Beobachtung.73
6.1.1 Das Prager Kunstgewerbemuseum Das Prager Kunstgewerbemuseum (Uměleckoprůmyslové museum v Praze – UPM) richtete nicht nur in seinen eigenen Räumen Ausstellungen tschechischer Glaskunst aus, sondern beteiligte sich auch an der Organisation von Wanderausstellungen und Präsentationen im Ausland. In diesem Kapitel werden die Bemühungen des Museums für eine Archivierung zeitgenössischer Glasarbeiten und die an der Ausstellungsaktivität beteiligten Kuratoren im Einzelnen vorgestellt. Als Direktor amtierte nach Kriegsende Karel Herain74, der bereits seit 1934 in dieser Position tätig war. Herain hatte sich seit seinem Amtsantritt um die kunsthistorische Aufwertung kunstgewerblicher Objekte bemüht. Sein Interesse für die gegenwärtige Produktion im In- und Ausland, besonders in Skandinavien, begünstigte schon vor dem Krieg die Integration tschechoslowakischer angewandter Kunst in einen europäischen Kontext.75 Die Betonung dieser Sparte seines Sammlungsbestandes transformierte das UPM in eine moderne Institution, was sich in einigen organisatorischen Veränderungen widerspiegelte. So richtete Herain eine per71 Zmeškalová 2012, S. 74 f. 72 Beispielhaft sei die 1973 von Jiřina Medková in der Mährischen Galerie in Brno kuratierte Ausstellung „Metamorphosen in Glas“ erwähnt, in der auch Kammerobjekte und Skulpturen aus Glas von kritisch betrachteten Künstlern präsentiert werden konnten. Maršiková. In: GR 1/1974, S. 4–8; Kapitel 6.1.1, Anm. 133, S. 350. 73 Auch bildende Künstler nutzten nun Ausstellungsmöglichkeiten in diesen alternativen Räumlichkeiten zum staatlichen Kulturbetrieb. Grundvoraussetzung war allerdings für sie – so auch für Glaskünstler – die Mitgliedschaft in einem der Kunstlerverbände. Vgl. Kapitel 5.2.1, S. 277, und Bock 1992, S. 94/95, 98. 74 Herain (1890–1953) arbeitete seit 1919 als Kurator am Museum. 75 Herain hatte hierzu den Begriff der Edlen Produktion (ušlechtilou výrobu) in Gegenüberstellung zur Massenproduktion erdacht. Noch im Dezember 1939 wurde im UPM eine von Direktor Herain kuratierte Ausstellung zeitgenössischen ausländischen Industriedesigns eröffnet. Sie zeigte unter anderem modernes Glas aus Schweden, Norwegen und Frankreich (Holá/Zadražilová. In: Muzeum 1/2013, S. 54, 58). Herain kaufte anlässlich dieser Schau einige Gläser von Vicke Lindstrand und Simon Gate an, welche heute im ersten Stock des Veletržní palac gezeigt werden.
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manente Ausstellung zeitgenössischer Glasarbeiten in den Museumsräumen ein und verbesserte die Öffentlichkeitsarbeit, indem er die Besucher mit dieser Dauerausstellung in einen Dialog über gutes Design verwickelte und hierzu auch Vorträge und Führungen veranstaltete.76 In den frühen Protektoratsjahren gelang es Direktor Herain, die Kontinuität dieser Vorkriegsentwicklung aufrechtzuerhalten. Er veranstaltete weiterhin Ausstellungen, beispielsweise zur tschechischen Photographie und modernen tschechoslowakischen Architektur77, bis das Museum 1943 geschlossen und seine Sammlungen ausgelagert wurden.78 Nach Ende des Krieges öffnete das UPM erneut. Im Rahmen der Nationalisierungswelle erhielt es 1946 etwa 2.500 Kunstwerke aus Privatbesitz und sukzessive weitere 15.000 Objekte.79 Herain bemühte sich bald, an wesentliche Punkte seines Vorkriegskonzeptes anzuknüpfen. Schon 1946 setzte er sich für die Teilnahme an der Biennale di Venezia im übernächsten Jahr sowie für eine neue Dauerausstellung mit heimischen Qualitätsprodukten in Zusammenarbeit mit dem Außenhandelsministerium ein.80 Der Kunsthistoriker Emanuel Poche81 kam 1933 ins Kunstgewerbemuseum. Als Kurator publizierte er eine Reihe von Fachbüchern und wissenschaftlichen Aufsätzen zu diversen Themen der angewandten Kunst. Als das UPM seine Ausstellungstätigkeit während des Krieges einschränkte, konzentrierte Poche sich auf seine publizistische Arbeit.82 1947 übertrug Herain ihm die Kuratierung der erwähnten neuen Dauerausstellung mit zeitgenössischem tschechoslowakischem Design. Ab Februar 1948 stießen Herains progressiver Kurs und seine Akquisitionen internationaler Designgegenstände schnell auf Widerstand. Poche gelang es hingegen, sich dank seiner Organisation der Dauerausstel-
76 Holá/Zadražilová. In: Muzeum 1/2013, S. 58/59. 77 Ebenda, S. 60. Zu Herains Rolle bei der Prüfung von Anträgen als jüdisch Verfolgte auf eine Exportgenehmigung ihrer Kunstsammlungen vgl. Krejčová, Helena/Vlček, Mario: Výkupné za život. Lives for Ransom, hg. vom Umeleckoprumyslové museum a Centrum pro dokumentaci majetkových prevodu kulturních statku obetí II. svetové války [Kunstgewerbemuseum und Zentrum für die Dokumentation von Eigentumsüberführungen von Kulturgütern der Opfer des Zweiten Weltkriegs beim Institut für Zeitgeschichte], Prag 2009, S. 201 f. 78 Die Magazine wurden auf dem Land, aber auch im Depot des Nationalmuseums und im Wald von Žofín untergebracht. Das Gebäude wurde dann von 700 Mitarbeitern der Flugzeugwerke Letov genutzt. Oplatková, Anna: Sběratelé a dárci, Homepage der Společnost přátel Uměleckoprůmysloveho Muzea v Praze, URL: (Stand 16.10.1913). 79 Weiss 2006, S. 54. 80 Im Rahmen des Britisch-Tschechoslowakischen Kulturabkommens organisierte er 1947 eine Ausstellung Alten und Neuen Britischen Glases sowie über englische Wohnkultur, Buchillustration und Textilien. Parallel bemühte er sich um die Übernahme einer Wanderausstellung schwedischen Designs nach Prag. Holá/Zadražilová. In: Muzeum 1/2013, S. 60. 81 Poche (1903–1987) hatte zuvor Kunstgeschichte an der Prager Karlsuniversität studiert und dann beim Nationalinstitut für Fotografie (Státního fotoměřického ústavu) gearbeitet. 82 In dieser Zeit wurden Poches Schriften zu Klöstern, Prager Portalen und tschechischen Künstlern des 19. Jahrhunderts veröffentlicht.
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lung „Industrielle Formgebung“ zu behaupten.83 Nach der Absetzung Herains wurde Poche neuer Direktor, obwohl auch er nicht Mitglied der KSČ war.84 Im folgenden Jahr wurde das Museum verstaatlicht und beendete dauerhaft seine Verbindung zum ehemaligen Träger, der Handels- und Gewerbekammer.85 Während Poches Zeit als Museumsleiter vergrößerten sich die Sammlungen vor allem aufgrund der Verstaatlichung zahlreicher Privatsammlungen beträchtlich.86 Bald stellte sich die Notwendigkeit für eine räumliche Expansion ein, um Platz für die zahlreichen „Neuerwerbungen“ zu schaffen.87 Dem Kunstgewerbemuseum wurde nicht nur das Kunstgewerbemuseum in Brno (Uměleckoprůmyslové muzeum v Brně – UPM v Brně) unterstellt. Es rief ab 1951 auch eine Reihe von Dependancen in nationalisierten Prachtbauen ins Leben, so zunächst im Schloss Lemberk für Möbel88, 1952 im Schloss Klášterec nad Ohří für Porzellan, in Dvůr Králové für Textilien und im Schloss Jemniště für Mode, deren Sammlungen schlichtweg in die des Kunstgewerbemuseums integriert wurden.89 Das UPM wurde von der Nationalen Kulturkommission (Národní kulturní komise) damit beauftragt, diese konfiszierten Sammlungen zu katalogisieren und in Übereinstimmung mit den neuen kulturpolitischen Richtlinien mit ihnen zu arbeiten. Poche organisierte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern zunächst in allen Häusern monothematische Ausstellungen zum Volkskunstschaffen, über Möbel, Gusseisen, Spielzeug, Spitzen, Porzellan bis hin zu Zinn. Alles, was Poche und seine Kollegen nicht als nationales Kulturdenkmal für die staatlichen Sammlungen auswählten, ging zurück in Privatbesitz. Ende der 1950er Jahre sah Poche sich in diesem Zusammenhang dem Verdacht einer Interessenskollision ausgesetzt und wurde kurzzeitig inhaftiert.90 Er pflegte enge freundschaftliche Beziehungen zu „bürgerlichen Kreisen“ und ihm wurde unterstellt, diese bei seiner Auswahl begünstigt zu haben.91 83 Holá/Zadražilová. In: Muzeum 1/2013, S. 60. Mehrere Aufsätze schrieben fälschlicherweise Poche und nicht Herain die Initiative für die Einrichtung der Dauerausstellung zu. Vgl. Wirth. In: Tvář 1/1956, S. 9; UPM 1973, S. 165. 84 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 85 Der Gesellschaftsverband ging nun in der Tschechoslowakischen Handelskammer auf. 86 Nur vereinzelt kaufte das Museum ab den frühen 1950er Jahren Beispiele historischer Gläser an. Drahotová. In: Av 2/1968, S. 158. Ein Abgleich mit dem UPM-Archiv bestätigte diese Angabe. 87 Aufgrund des Regierungsbeschlusses 137/1946 Sb. wurde dieser Privatbesitz als nationales Kulturgut betrachtet. Dieses Gesetz war ebenfalls Grundlage für die Verstaatlichung des Gebäudes und der Sammlungen des UPM. Weiss 2006, S. 26. 88 Später ergänzt um Schloss Duchcov mit seinen Barockinterieurs (Maršiková. In: GR 10/1969, S. 305). Schloss Lemberk diente seit den 1980er Jahren als Museum für die Arbeiten, die anlässlich des Internationalen Glassymposiums in Nový Bor entstanden. 89 UPM 1973, S. 165. 90 „Hetteš hatte Probleme mit dem Regime, da er enge Kontakte zu adligen Freunden unterhielt.“ (Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003) Vgl. Oplatková, Anna: Sběratelé a dárci, Homepage der Společnost přátel Uměleckoprůmysloveho Muzea v Praze, URL: (Stand 21.10.2013). 91 Übersetzung des Interviews Jaroslav Doleček mit Helena Königsmarková, Ausgabe 2/2004 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 17.10.2013).
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Poche stellte 1953 den Kunsttheoretiker, Publizisten und künstlerischen Berater der Umělecké sklo-Werkstätten Karel Hetteš92 als Kurator ein, der zur wohl einflussreichsten Figur in der tschechoslowakischen Glasszene der 1950er und 1960er Jahre avancierte.93 Cigler: „Hetteš war früher eine starke Figur, der Ideen realisieren konnte. [...] Alles, was in Böhmen geschah, wurde von Hetteš provoziert.“ 94
Wie geschildert, hatte Hetteš – damals noch als freier Mitarbeiter des Museums – mit der Auswahl der Exponate für die 1952er-Schau in Prag und Brno über die Umělecké sklo-Werkstätten95 den Anforderungen der zuständigen Funktionäre im Ministerium für Kultur entsprochen und so gab es keinerlei Einwände, als ihm von Poche die Position des Kurators für Modernes Glas am UPM im Folgejahr angeboten wurde.96 1955 fand im Severočeské muzeum in Liberec bereits die nächste vom UPM organisierte Glaspräsentation „Současné sklo – deset let práce československých výtvarníků“ (Gegenwartsglas – Zehn Jahre Arbeit tschechoslowakischer Gestalter) statt, die erste Ausstellung nach 1948, die sich auf aktuelle Exponate konzentrierte. Kuratiert von Hetteš, zeichnete der Maler und ehemalige ÚLUV-Leiter Jan Kotík97 für die Installation verantwortlich. Die Schau wurde vom SČVU finanziell unterstützt, denn alle beteiligten Glaskünstler
92 Hetteš (1909–1976) hatte Kunstgeschichte bereits vor dem Krieg in Paris und München studiert. Nach 1945 arbeitete er zunächst für das Zentrum für Volkskunstproduktion (Ústředí lidové umělecké výroby), bevor er als Kurator zum UPM in Prag kam. Gleichzeitig war er als Redakteur für verschiedene tschechoslowakische Fachzeitschriften und als Berater mehrerer Nationalunternehmen und Ausstellungskommissare tätig. Zeitgleich fungierte er als Vizepräsident des Verbandes tschechoslowaksicher Künstler. Anfang der 1970er Jahre arbeitete er an ungewöhnlichen Ausstellungsprojekten in Bratislava. Unter anderem handelte es sich dabei um eine Dokumentation über Glasobjekte mit persischen Einflüssen, zu deren Präsentation er mehrere Glastheoretiker einlud. Er konnte jedoch laut Václav Cigler nur tschechische und keine persischen Objekte zeigen. Das Projekt sollte als Ausstellung in Čerstvý (Rotstein) in einem Keller stattfinden. Während der Vorbereitungsphase musste Hetteš das slowakische Gebiet an jedem Abend verlassen, um am Morgen zurückzukehren. Angeblich hieß es „Tschechen, das interessiert uns nicht!“ Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003; UPM-Archiv. 93 Hetteš galt vielen Zeitgenossen rückblickend als wichtigster Impulsgeber für das Schaffen unikaler Exponate und Initiator neuer Ausstellungsmöglichkeiten. „Karel Hetteš war damals die wichtigste Person für die ganze Situation. Er war unter anderem auch Berater bei Umělecké sklo. Die Idee war, neues Design und Kunstvitragen usw. zu machen. Dort war die Möglichkeit, selbst etwas Neues zu machen, es endete jedoch stets mit den größeren Betrieben.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 94 Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. 95 Siehe Kapitel 6.1, Anm. 26, S. 333. 96 Über den Jahreswechsel 1954/55 kuratierte Hetteš die erwähnte Überblicksschau „500 let českého skla“ in den barocken Räumen des Wallenstein Palais. Siehe Kapitel 5.2.3, Anm. 277, S. 288, und Kapitel 6.1, S. 334. 97 Siehe Kapitel 5.2.4, S. 295.
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waren auch Mitglieder im Verband.98 Erneut gehörte eine der beiden Trinkglasgarnituren von Libenský zu den Exponaten, die bereits 1952 in Prag und Brno zu sehen waren, ferner Vasen und Schalen von anderen Gestaltern, hergestellt in allen Veredelungstechniken.99 Jaroslava Brychtová präsentierte eine Schmelzglasplastik mit dem Titel „Wir sind für den Frieden“ (My za mír) aus dem Jahr 1951, die von Karel Černý und Karel Pešat realisiert worden war (Abb. 72). Diejenigen Glasobjekte also, die keinen funktionalen Zweck erfüllten, waren noch dem sozialistischen Realismus verpflichtet. Auf Initiative von Hetteš veranlassten das Kulturministerium und das Ministerium für Leichtindustrie ab 1953 in Kooperation mit der ÚVS und der Kunstgewerbehochschule die Vorbereitung zur Beteiligung tschechischer Glaskünstler an der XI. Triennale di Milano 1957. Die Triennale stellte den Auftakt zu einer Reihe von Repräsentationsschauen dar, die neben einem kommerziellen Aspekt vor allem der Imageförderung des sozialistischen Staates dienen sollte. Hetteš selbst und den beteiligten Künstlern ging es aber viel mehr um die Möglichkeit, sich aus der Isolation kommend wieder im internationalen Wettbewerb positionieren zu können. Adlerová: „Vielleicht hätten diese Repräsentationen im Ausland nicht so bald angefangen, wenn Hetteš nicht im Kunstgewerbemuseum gewesen wäre. Er konnte sehr gut Verbindungen knüpfen und auch die Glaskünstler auswählen und sie inspirieren, dass sie Unikatarbeiten machen. Er hatte einen sehr guten Einfluss auf diese Entwicklung am Anfang.“100
In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre verlagerte das UPM seine Ausstellungstätigkeit komplett ins Ausland.101 Bei den wichtigen grenzübergreifenden Schauen, aber auch jenen in großen Museen und anlässlich von Messen, wurden Architekten und Designer mit der Präsentation beauftragt. Da diesen Auftritten eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung zukam, wurden staatlicherseits auch umfangreichere Mittel zur Verfügung gestellt.102 Ab 1959 wurde das Uměleckoprůmyslové museum v Praze für zehn Jahre mit
98 Hetteš 1955, S. 2, 9–15. Der SČVU hatte für solche Projekte 1953 eine eigene Ausstellungszentrale eingerichtet, in der Jiří Šetlík, der spätere Direktor des UPM, zu dieser Zeit als Hilfskraft tätig war. 99 Diese waren unter anderem von Miluše und René Roubíček, Miroslav Plátek und Jindřich Tockstein und vornehmlich mit Pflanzen- und Tiermotiven oder auch historischen Szenen, Porträts und Stadtansichten dekoriert. Auch Garnituren der Künstler Věra Lišková, Milena Bártová-Korousová, Václav Hanuš, Adolf Matura, Ludvika Smrčková und František Zemek sowie vieler anderer waren ausgestellt. Hetteš 1955, Nr. 14–45. 100 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 101 Das Museum war intensiv in die Vorbereitungen zur Mailänder Triennale 1957 und 1960, der Brüsseler Weltausstellung 1958 sowie für die Ausstellungen in New York und Moskau 1959 involviert. Ausgewählte Exponate dieser Schauen wurden dann im Anschluss an die Auslandspräsentationen im UPM und der Mánes-Ausstellungshalle in Prag gezeigt. Petrová 2001, S. 255. 102 Siehe Kapitel 6.2.1.
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der Nationalgalerie (Národní galerie) zusammengeschlossen.103 Der Aufbau der Sammlungen dieser beiden nun vereinigten Häuser verfolgte allerdings vollkommen unterschiedliche Zielsetzungen und wirkte sich damit lähmend auf den Ausstellungsbetrieb aus. Koenigsmarková: „Während sich die Nationalgalerie bei der Auswahl von Objekten auf deren künstlerischen Wert konzentrierte, spielten für uns vor allem dessen Funktionswert und Verwendungszweck im Interieur eine Rolle.“104
Nur noch wenige Glaspräsentationen konnten im Inland realisiert werden. Stattdessen konzentrierten sich die Museumsangestellten auf eine Zusammenarbeit mit diversen Kunstkommissionen, welche unter anderem für die Auswahl von Exponaten für Auslandsausstellungen verantwortlich waren. Auch verfassten sie Texte für Begleitkataloge oder Publikationen. Als sich Ende der 1950er Jahre auf politischer Ebene ein Ende der stalinistischen Sowjetisierung der Kultur durchsetzte, entstanden anlässlich von Ausstellungsausschreibungen experimentelle Glaskunstwerke, deren expressives Potential keinerlei Systemkonformität aufzeigte. Als um 1960 die Investitionssumme für Auftragskunst auf bis zu 4 Prozent angehoben wurde105, erhielten auch die Museen eine Etaterhöhung. Die Kuratoren begannen dank des gestiegenen Budgets etliche Glasarbeiten zu erwerben, die dem Zeitgeist der „wilden Sechziger“ entsprachen, also überwiegend im Dekor abstrakt und in der Form asymmetrisch gestaltet waren.106 Gerade der Rang einer Unterabteilung innerhalb der Nationalgalerie schien ihnen gewisse Autonomien bei Ankäufen zu ermöglichen. Da es für Glasautoren im Inland so gut wie keine reellen Verkaufsoptionen gab, stellten diese Museumsakquisitionen eine neue Einnahmequelle dar.107 Adlerová: „Dort hatten wir relativ genug Geld, um Glas zu kaufen und mit den Künstlern persönlich Kontakt aufzunehmen. […] Wir haben immer Einkaufskommissionen gehabt, die waren zweimal oder dreimal im Jahr. Wir haben so einen Komplex von Sachen vorbereitet. Dann wurde entschieden, von wem was gekauft wurde und was nicht. Manchmal war es 103 Zeitgleich verließ Poche das Museum, während sich seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Berater und Vorsitzender des Beirates noch bis in die sechziger Jahre hinein erstreckte. In dieser Zeit war er parallel am Institut für Theorie und Geschichte der Kunst an der Akademie der Wissenschaften beschäftigt. UPM 1973, S. 166. 104 Übersetzung des Interviews Jaroslav Doleček mit Helena Koenigsmarková, Ausgabe 2/2004 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 17.10.2013). 105 Siehe auch Kapitel 5.3, S. 314. 106 „Das waren die Sachen, die wir gekauft haben, die waren künstlerisch relativ gut. Das waren Libenský, und ich weiß nicht, wer noch. Die hat man nicht viel ausgestellt. Von den Schulen haben wir sie auch geschenkt bekommen und auch gekauft. Sie hatten auch die Notwendigkeit, Geld zu bekommen. Besonders in Nový Bor und Kamenický Šenov.“ Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 107 Petrová 2001. S. 89.
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auch politisch ... schwierig! Zum Beispiel, wenn jemand in der Partei war, hat man immer ohne weiteres etwas von ihm kaufen können. Aber Sachen von Personen, die nicht in der Partei waren, zum Beispiel von Cigler, das war immer ein großer Kampf, es zu kaufen. Aber wir haben es doch geschafft. […] Es kostete eine halbe Stunde Überzeugungsarbeit.“ 108
Nachdem Hetteš ab 1959 nicht mehr fest am UPM beschäftigt war, sondern nur noch als externer Mitarbeiter fungierte109, füllte ab 1961 Alena Adlerová110 die bestehende wissenschaftliche Lücke für diesen Sammlungsteil. In den folgenden 28 Jahren prägte sie – zunächst als Kuratorin, später als Leiterin – die Abteilung Angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts durch ihre Beschäftigung mit modernem Glas.111 Zuvor hatte sie bereits in der Zweigstelle des UPM, dem UPM v Brně, gearbeitet, wo ihr Interesse für zeitgenössisches Glas geweckt wurde.112 Adlerová: „Ich habe in Brünn studiert und war vorher am Kunstgewerbemuseum in Brünn. Und damals fanden die ersten Triennalen statt, und die haben bei uns auch eine Ausstellung gemacht, über den tschechischen Teil. Und das hat mich sehr interessiert und seitdem ... ich war damals ... Chefin? Ich musste alles machen, aber ich habe es doch ein bisschen geteilt und mich von Anfang an auf Glas spezialisiert. Obzwar Brünn war kein Zentrum, in der näheren Umgebung gab es keine Glasfabrik und auch keine Glaskünstler, trotzdem hat es mich angesprochen. Ich war in Brünn, ich denke ...“ Adler: „Na ja, wir sind aus Brünn ’61 weggegangen nach Prag.“ Adlerová: „Prag, und dort waren wir schon viele Kunsthistoriker.“ Adler: „Im Museum. Das war von Anfang an im Kunstgewerbemuseum.“ Adlerová: „[…] Als Kuratorin habe ich die zeitgenössische Abteilung, also alle Fächer von angewandter Kunst, Keramik, die habe ich geleitet. Aber ich selbst habe mich auf Glas spezialisiert.“ 113
Ursprünglich hatte Adlerová sich mit Barockskulptur befasst und wollte sich gerade auf ihre Promotion vorbereiten. Ihr Antrag wurde allerdings aus „politischen Gründen“ abgelehnt und so bemühte sie sich stattdessen, einen beruflichen Wechsel nach Prag vor108 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 109 Adlerová. In: GR 12/1976, S. 17. 110 Adlerová (1922–2011) studierte Kunstgeschichte und Klassische Archäologie an der Masaryk Universität in Brno, bevor sie an den Museen in Opava und Brno tätig war (Adlerová. In: NG 1/1988, S. 12). Das Studium der Kunstgeschichte war an den Universitäten in Prag, Brno, Olomouc sowie in Bratislava und Trnava möglich. Bartlová 2012, S. 306. 111 Am Museum existierten zwei Abteilungen, die dem Glas gewidmet waren. In den 1960er Jahren waren Hejdová und dann Alena Bryšková zuständig für die Sammlung des Alten Glases. 112 Zeitgleich mit ihrem Weggang aus Brno 1961 wurde das dortige UPM in die Verwaltung der Mährischen Galerie übertragen, unter dessen Schirm es sich noch heute als Uměleckoprůmyslové muzeum Moravské galerie v Brně befindet. 113 Interview mit Alena Adlerová und Petr Adler, Prag, 07.10.2003.
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zunehmen, wo sie ihrem eigentlichen Interessensschwerpunkt Glas besser würde nachgehen können.114 Obgleich Adlerová also als „politisch unzuverlässig“ galt, wurde sie problemlos dort angestellt. Über die personelle Zusammensetzung des Museums konnte Poche offensichtlich relativ frei entscheiden. Im Frühjahr 1968 stellte ein Komitee mit Emanuel Poche als seinem Vorsitzenden den Antrag auf die Wiedereinrichtung einer eigenständigen Kunstgewerbeinstitution.115 Unterstützt wurde der Antrag auch von dem Direktor der Nationalgalerie Jiří Kotalík.116 Im Rahmen einer Ausschreibung übertrug man dem Kurator für Moderne Kunst an der Nationalgalerie, Jiří Šetlík117, die Leitung der Museumssammlung im März 1969. Er 114 Adlerová: „Ich habe eigentlich an der Hochschule gar nicht etwas über Glas studiert und gewusst. Ich habe meine Doktorarbeit über einen Bildhauer, einen Barockbildhauer geschrieben. Und dann bin ich nach Troppau gegangen, an das Troppauer Museum [Slezské zemské muzeum, Schlesisches Landesmuseum]. Und erst dann bin ich nach Brünn gekommen. […] Aber als ich in Brünn war, haben sie zu mir gesagt, ‚Sie sollten in der Partei sein, wenn Sie diese führende Position behalten wollen.‘ […] Dann kam Poche und ich hab gesagt, ‚Wäre es nicht möglich, dass ich nach Prag gehe?‘ Poche hat gesagt, ‚Na ja, eigentlich ja‘ [lacht]. Poche war nicht in der Partei ...“ Adler: „Aber da war noch eine andere Sache. Du wolltest ja damals die sogenannte Kandidatur machen. […] Also das war die Vorstufe des Ph.D., da war noch eine Stufe dazwischen. Der so genannte Kandidat der Wissenschaften.“ Adlerová: „Ich musste Russisch lernen.“ Adler: „Aber hauptsächlich hat sie also einen Antrag gestellt, dass sie das machen will und erhielt darauf eine Bescheinigung vom Kulturministerium, oder von wem weiß ich nicht, dass es nicht im Interesse der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ist, dass sie ein Kandidat der Wissenschaften wird.“ Wasmuth: „Mit welcher Begründung?“ Adler: „Nicht im Interesse der Republik! […] Da ist sie gewissermaßen, und mit Sicherheit berechtigt, einer Panik verfallen und hat gesagt, ‚Ich muss von hier weg, sonst schmeißen die mich raus und ich werde Straßenbahnschaffnerin werden‘.“ Adlerová: „Aber damals war bei uns Poche und der war nie in der Partei und war Direktor und der hat gesagt, ‚Also kommen Sie ...‘“ Adler: „Und sie ist dann nie mehr ein Kandidat geworden, also nicht der Partei, aber Kandidat der Wissenschaften.“ Interview mit Alena Adlerová und Petr Adler, Prag, 07.10.2003. 115 Beteiligt waren die Museumsmitarbeiter Alena Adlerová, Dagmar Hejdová, Jiří Šetlík und Jiřina Vydrová. Das Komitee war auch verantwortlich für die Bearbeitung von Restitutionsanträgen. Oplatková, Anna: Sběratelé a dárci, Homepage der Společnost přátel Uměleckoprůmysloveho Muzea v Praze, URL: (Stand 18.10.2013). 116 Zu Kotalík siehe Kapitel 4.3, S. 211. 117 Šetlík (geb. 1929) hatte bis 1952 an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag Kunstgeschichte und Ästhetik studiert und promovierte im Anschluss an seinen Wehrdienst 1958 am Institut für Theorie und Geschichte der Kunst der Akademie der Wissenschaften. Ab 1955 arbeitete er parallel zu seiner Arbeit an der Dissertation als Hilfskraft in der Ausstellungsabteilung vom ÚUŘ. Ab 1958 war Šetlík für sechs Jahre Kurator an der Nationalgalerie. In dieser Funktion wurde er zum Mitglied der Auswahlkommission für die Expo 58 in Brüssel berufen. Von 1964 bis 1968 wirkte er als Chefredakteur der Zeitschrift Výtvarná práce (Gestalterische Arbeit), die vom SČVU herausgegeben wurde, und übernahm bis 1970 Lehraufträge an der AVU. Zwischenzeitlich, von September 1967 bis Februar 1968, absolvierte er ein Aufbaustudium in den USA.
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hatte unter anderem vor, die Sammlung „Industrielle Formgebung“ von der faktischen Produktion unabhängiger zu machen, die Auswahl nur als Ergänzung zur tatsächlichen Industrieerzeugung zu betrachten und sogar eher so zu strukturieren, dass die künstlerisch gestalteten Gebrauchsglasentwürfe im UPM als Inspiration für die Hersteller betrachtet werden sollten.118 Da das UPM 1969 als eine der Maßnahmen zur Normalisierung durch das Ministerium für Schulwesen und Kultur (MŠAK) aber eigens mit der Erweiterung der Abteilung für industriell hergestellte Erzeugnisse, welche in den Aufgabenbereich von Alena Adlerová fiel, beauftragt worden war, stand Šetlíks Entschluss im Widerspruch zu seinem Auftrag. Šetlík: „Es wird sich um eine Zusammenarbeit handeln und zwar sowohl mit dem Institut für Wohn- und Bekleidungskultur [ÚBOK] als auch mit CID119. […] Die Design-Abteilung im Museum wird die Industrieerzeugung der Gegenwart verfolgen, wo sie mit der gestalterischen Absicht des Künstlers in Widerspruch gerät, es sich jedoch nicht mehr um klassisches Kunsthandwerk handelt.“120
Auch durch seine Mitwirkung an der Vorbereitung für die Weltausstellung in Osaka 1970121, die in Teilen als offene Kritik an der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings konzipiert worden war, wurde Šetlík untragbar als Direktor. Digrin: „Šetlík war nur für sehr kurze Zeit Direktor, dann wurde er rausgeschmissen aus politischen Gründen!“122
Er blieb allerdings dann ab 1970, als das Museum wieder eigenständig wurde, noch als einfacher Mitarbeiter beim UPM in der Abteilung für Denkmalpflege angestellt. Nach seiner Abberufung übernahm Dagmar Hejdová123 die Direktion und blieb in dieser Position bis zu ihrer Pensionierung 1988, ohne Parteiausweis. Hejdová war Expertin für Altes Glas und Keramik, als Organisatorin geschätzt und bei ihren Kollegen sehr beŠetlík war auch in die Vorbereitungen zu den Weltausstellungen in Montreal 1967 und Osaka 1970 involviert (Maršiková. In: GR 10/1969, S. 304). Nach 1989 war Šetlík erneut Kurator an der NG, zuständig für die Skulpturensammlung, bevor er als Botschafter der Tschechischen Republik nach Washington D. C. entsandt wurde. Ab 1993 wirkte er als stellvertretender Kanzler der VŠUP und unterrichtete auch wieder, dann aber an der Fakultät für Architektur an der TU Liberec. Ševčík/Morganová/Dušková 2001, S. 493. 2012 überreichte Šetlík gemeinsam mit Jiří Harcuba den Stanislav Libenský Preis. NG 4/2013, S. 57. 118 Interview mit Jiří Šetlík. Maršiková. In: GR 10/1969, S. 305. 119 Siehe Kapitel 5.2.2, S. 211. 120 Interview mit Jiří Šetlík. Maršiková. In: GR 10/1969, S. 305. 121 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 392–394. 122 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 07.10.2003. Ausschlaggebend war wohl seine kuratorische Mitarbeit an den Vorbereitungen für die Weltausstellung in Osaka 1970. 123 Hejdová (1920–2009) publizierte zahlreiche Aufsätze und Bücher zu altem Glas.
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liebt.124 Das Prager Museum wie auch die kleineren Regionalmuseen für Glas behielten zunächst noch Entscheidungsfreiräume in ihren Aktivitäten. Trotz des einsetzenden revisionistischen Kurses in der Kulturpolitik kuratierte Alena Adlerová 1969 eine Ausstellung nordböhmischer Glaskünstler in der Prager Betlehemkapelle, „Sklo severočeských výtvarniků“, unter der Schirmherrschaft des SČVU, deren Exponate zu einem Großteil traditionelle Funktionsvorstellungen hinter sich ließen und in einigen Fällen nurmehr Bildträger für Malerei wurden (Abb. 73).125 Diese Arbeiten wurden offiziell als „verfeinertes Kunsthandwerk“ präsentiert und erhielten somit ihre Existenzberechtigung: „Hier wird Glas zu einem Werkstoff, der am neuen Ausdruck der Gegenwartskunst teil hat. […] In Gebrauchsglas wurden mehrere Entwürfe unterbreitet, die jedoch an den Erzeugungsvorgang so hohe Anforderungen stellen, dass sie die kunsthandwerkliche Tradition viel mehr unterstützen als den Industrieentwurf.“126
Während Hejdovás Amtszeit wurden in den Niederlassungen in Hradec Kralové eine permanente Ausstellung über Tapisserien und in Doudleby über Spitzen eingerichtet. Weiterhin konnte eine zusätzliche Ausstellungshalle im weitläufigen Emmauskloster (Emauzské opaství) in Prag eröffnet und das Erdgeschoss des UPM so umgestaltet werden, dass auch hier Raum für Expositionen geschaffen wurde. Um diese dringlich erforderlichen Maßnahmen zur räumlichen Erweiterung hatte sich schon Šetlík – allerdings erfolglos – bemüht.127 Alena Adlerová hingegen erweiterte wie von ihr gefordert die Sammlung industrieller Formgebung. Sie kaufte viele als Prototypen für die Massenproduktion gestaltete Arbeiten an, die im Grunde nichts anderes waren als Skulpturen und Bildwerke Freier Kunst. Anders als Šetlík gelang es ihr, diese Akquisepolitik diplomatisch zu formulieren und bis in die 1980er Jahre durchzusetzen. Adlerová: „Also, was in unserer Sammlung ist, vermittelt nicht ein Bild davon, was bei uns erzeugt wurde, sondern was man zu erzeugen in der Lage war.“128
Überhaupt kennzeichnen alle Publikationen Adlerovás eine geschickte Übernahme gängiger Sprachhülsen der restriktiven Kulturpolitik ohne Verlust des wissenschaftlichen Anspruchs aus kunstwissenschaftlicher Perspektive. Aufgrund ihrer voreilig ausgemachten Nähe zum Regime, wurde sie von tschechischen Kunsthistorikern nach der politischen Wende größtenteils ignoriert.
124 Digrinová: „Die Dr. Dagmar Hejdová, das war eine wunderbare Frau, das war wirklich eine noble Direktorin!“ Interview mit Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003. 125 Vgl. den Katalog der Ausstellung: Adlerová 1969. 126 Vojta. In: GR 10/1969, S. 312. 127 Maršiková. In: GR 10/1969, S. 305. 128 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003.
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Žertová: „Adlerová war nie in der Partei. Sie ist sehr introvertiert. Sie will von den jungen Leuten nicht immer übergangen werden.“ 129
Im Zusammenhang mit den Maßnahmen der Normalisierung unterstand das UPM ab 1970 dem direkten Zuständigkeitsbereich des MŠAK und erhielt dabei gleichzeitig seine institutionelle Selbstständigkeit zurück.130 Allerdings wurde als „opponentes Organ“ ein wissenschaftlicher Beirat unter dem Vorsitz Emanuel Poches eingesetzt131, wohl um kuratorischen Alleingängen vorzubeugen. Mitglieder im Beirat waren Karel Hetteš und Vilém Lorenc132 sowie die beiden Kunsthistoriker Jiřina Medková133 und Dušan Šindelář.134 Von 129 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. Erst in jüngerer Zeit wurde Adlerovás Rolle als Glashistorikerin gewürdigt. Im Februar 2011 wurde sie in die Hall of Fame des Czech Grand Design Prize aufgenommen. Den Preis nahm ihr Mann, Dr. Petr Adler, an ihrer Stelle entgegen, da sie zu diesem Zeitpunkt schon schwer krank war. Adlerová starb neunundachtzigjährig am 25.11.2011. 130 Maršiková. In: GR 10/1969, S. 304. 131 Poche erhielt noch im Vorjahr den Preis der Stadt Prag (Cena hlavního města Prahy) und war seit 1961 bis 1979 am Institut für Theorie und Geschichte der Kunst der Akademie der Wissenschaften (Ústavu teorie a dějin umění – ČSAV) beschäftigt. 1984 wurde er mit dem Nationalpreis ausgezeichnet. Demnach muss er durchgängig als „politisch zuverlässig“ gegolten haben. 132 Lorenc (1905–1978) begann seine akademische Laufbahn als Jurastudent, wechselte jedoch an die Fakultät für Architektur der TU in Prag (ČVUT). Nach dem Krieg leitete er bei Stavoprojekt die R–-atelierý, welche sich mit besonderen Projekten in der Stadtplanung beschäftigten. 1954 gründete er das Nationalinstitut für die Entwicklung historischer Städte und Gebäude (Státní ústav pro projektování památkových měst a objektů), dessen Leitung er auch übernahm. Lorenc veröffentlichte eine Reihe von Büchern zu Architekturthemen. Hrůza. In: Urbanismus a územni rozvoj 2/2000, S. 53. 133 Medková (geb. 1921) arbeitete nach Abschluss ihres Studiums der Kunstgeschichte 1951 an der Masaryk-Universität als Kuratorin und später als Direktorin des UPM in Brno. Ihr Interessenschwerpunkt war neben dem historischen auch zeitgenössisches Glas. Medková übernahm 1960 die Leitung des Instituts für Angewandte Kunst (Ústavu užitého umění) und wurde stellvertretende Direktorin der Mährischen Galerie (Moravská galerie), als diese 1961 das Kunstgewerbemuseum Brno (UPM v Brně) eingegliedert wurde. In dieser Funktion legte sie den Grundstein für eine neue Erwerbspolitik des Museums, eröffnete eine intensive Ausstellungstätigkeit und richtete eine neue Dauerausstellung ein. Als Kuratorin initiierte sie Großveranstaltungen im Inland, wie seit 1965 die Triennale für geschnittenes und graviertes Glas (Trienále řezaného a rytého skla) und kuratierte 1973 die bemerkenswerte Ausstellung „Metamorfózy skla“ (Metamorphosen in Glas) oder die Reihe „Skleněná plastika“ (Glasplastiken) 1983, 1987 und 1992. Medkova publizierte zahlreiche Kataloge und Aufsätze zur zeitgenössischen Glaskunst (Vgl. Maršiková. In: GR 1/1974, S.4). 2009 wurde sie mit dem Preis der Stadt Brno ausgezeichnet. 134 Šindelář (geb. 1927) studierte nach Kriegsende Philosophie und Ästhetik an der Prager Karlsuniversität. 1951 erhielt er seinen Doktortitel in Philosophie. Bis zu seiner Pensionierung 1991 lehrte Šindelář Kunstgeschichte an der VŠUP, als deren Prorektor er fungierte, sowie an der AVU. Zum ordentlichen Professor für Ästhetik und Kunsttheorie wurde er 1972 ernannt. Seit 1988 war er korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er publizierte unzählige Artikel, Kataloge sowie Fachbücher und arbeitete in den 1960er und 1970er Jahren als Chefredakteur der Zeitschrift Výtvarné umění. Šindelář war Mitglied in diversen Fachkommissionen und arbeitete
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nun an koordinierten verstärkt staatliche Institute wie ÚBOK135 und ab 1972 ein neues Organ, das Institut für industrielle Formgebung (IPD)136, die Ausstellungsaktivität des Museums. Außerhalb dieses Aufgabengebiets agierten die Mitarbeiter der Abteilung Glas des 20. Jahrhunderts angeblich weiterhin relativ unbeaufsichtigt, dank der Stellung ihres Fachgebiets zwischen Kunst und technologiegestützter Industrieproduktion. Adlerová: „Dieses Museum war damals auch so eine Insel der Zufriedenheit und der Nichtkommunisten. Das war eine so unbedeutende Institution im Auge des Zentralkomitees, dass dort sogar der Direktor nicht Parteimitglied sein musste.“ […] Wasmuth: „Sie trafen die Auswahl, ohne Vorgaben durften Sie aussuchen, welche Künstler gezeigt werden?“ Adlerová: „Eigentlich ja. Es ging immer über dieses Institut, über ÚBOK, es war so kooperativ, aber die Auswahl war relativ frei, was prima an dieser Arbeit war. Und man hat sehr bald den persönlichen Kontakt mit Künstlern gehabt, hat auch die Ateliers privat besucht und gekauft davon.“137
Anlässlich des 50. Jubiläums der KSČ im Frühjahr 1971 veranstaltete das Museum auf Weisung des MŠAK eine Schau mit etwa 300 historischen und zeitgenössischen Exponaten von Studenten und Absolventen der VŠUP, wobei in dem Ausstellungsteil mit aktuellen Glasarbeiten vor allem Entwürfe für die Konsumgüterindustrie gezeigt wurden.138 Dieser Schwerpunkt war parteipolitisch gesetzt worden. Überhaupt mischte sich die KSČ in diesen Jahren verstärkt in das Programm des Prager Kunstgewerbemuseums und der Kunstgewerbehochschule ein. „Das ideenmässige und humanistische Programm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei beeinflusst durch seine Wirkung auf die Veränderungen in den Gesellschaftsbeziehungen den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft und ist demnach mitbestimmend auch für die Sendung der beiden Institutionen [VŠUP und UPM].“139 als professioneller Berater des tschechoslowakischen Fernsehens (vgl. Šindelář 1970, Impressum). Mit dem politischen Wechsel 1989 verlor er alle Ämter. 135 Siehe Kapitel 5.2.3. 136 Dem Föderalministerium für technische Entwicklung und Investitionen unterstellt sollte das IPD verantwortlich für den „Aufbau eines einheitlichen Systems der Planung und Leitung von Formgestaltern in der Industrie“ sein und eine verbindliche Methodik entwickeln, mittels derer die „koordinierende Tätigkeit im Rahmen von Planungsorganen und Industriezweigen“ ermöglicht werden sollte. Unter der Leitung von Jiří Včelák übernahm das IPD die Organisation von Wettbewerben (CID) und Ausstellungen und die qualitative Bewertung der eingereichten Entwürfe. FuZ 4/1974, S. 3. 137 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 138 Mitglieder des Auswahlkomitees waren Jiří Šetlík und zwei Kuratorinnen des UPM sowie Dušan Šindelář, Prorektor der VŠUP. Vojta. In: GR 9/1971, S. 266. 139 Vojta. In: GR 9/1971, S. 264.
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Zu Adlerovás Aufgabenbereich in den 1970er Jahren gehörte das Inventarisieren der Neuankäufe und Schenkungen140, die Mitgliedschaft in Fachkommissionen für die Auswahl und Bewertung von Gläsern für die industrielle Produktion, aber auch für Wettbewerbe und Ausstellungsauftritte.141 Man teilte ihr eine neue Assistentin zu: Božena Černíková, die Frau des ehemaligen Ministerpräsidenten Oldřich Černík, der Anfang 1970 seines Amtes enthoben worden war.142 Adlerová: „Sie ist in das Museum gekommen. Und man hat gewusst, dass sie eigentlich eine brave Frau ist und da hat man sie irgendjemandem zugeteilt, und das war ich.“ Adler: „Aber das war eine rein administrative Kraft!“ Adlerová: „Ja, sie hat die Karteikarten geschrieben.“143
Das UPM verfügte nun im Vergleich zu den 1960er Jahren über ein „recht bescheidenes“ Budget.144 Ankäufe von zeitgenössischen Glasarbeiten aus dem Ausland waren schlichtweg unbezahlbar. Die einzigen Bestandsobjekte von ausländischen Künstlern gelangten ausnahmslos im Zusammenhang von Schenkungen oder internationalen Glassymposien in das Depot des Museums. Der enge Finanzrahmen des Hauses war auch Grund dafür, dass die Kuratoren für Ausstellungen alle Arbeitsschritte selbst ausführen mussten, den Transport, das Verfassen von Ausstellungskatalogen, deren Redaktionsarbeit, Beschaffung von Bildmaterialien, Öffentlichkeitsarbeit und schließlich häufig sogar die Installation und Präsentation. Ganz im Rahmen des restaurativen Kurses kuratierten Hejdová und Adlerová 1975 die erwähnte Ausstellung „Užite umění socialistických zemí 1945–1975“.145 Sie war die einzige Gelegenheit, zwischen 1970 und 1985 modernes tschechisches Glas im UPM zu sehen. Das Museum öffnete seine Sammlungen über die nächsten zehn Jahre nicht mehr dem Publikum, denn bis 1985 wurde das Gebäude rekonstruiert. Es feierte seine Wiedereröffnung mit einer neuen Dauerausstellung des Kunsthandwerks von der Renais-
140 Manche Schenkungen kamen aus den Schulen, andere von den Künstlern persönlich in das Museum, aber „die waren sehr sparsam“. Interview mit Alena Digrinová, Prag, 07.10.2003. 141 „Und dann war dieses ÚBOK, Institut für Wohn- und Bekleidungskultur ... und mit dem sind wir immer in die Fabriken gefahren, jede zwei Monate oder so, um die neuen Entwürfe zu beurteilen. Ob es für die Erzeugung gut ist oder nicht.“ Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 142 Černíková (geb. 1926), geb. Malchárková, war die Tochter eines Bergmanns und einer Erntehelferin. 143 Interview mit Alena Adlerová und Petr Adler, Prag, 07.10.2003. 144 Ebenda. 145 Siehe Kapitel 6.1, S. 339. Im gleichen Jahr wurde in der Wallenstein-Reitschule eine Ausstellung angewandter Kunst aus den Ländern der UdSSR gezeigt, die zu einem Großteil aus Glasexponaten bestand. Beispielsweise präsentierten Dmitri Golowko aus der Ukraine, Wladimir Murachwer aus Weißrussland sowie Viktor Schewtschenko und Wladimir Muranow aus Russland ihre Werke in Prag. Vojta. In: GR 4/1976, S. 11–13.
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sance bis zum 19. Jahrhundert. Im gleichen Jahr wurde Sylva Petrová146 als Kuratorin für das moderne Glas in Adlerovás Abteilung eingestellt. Sie beteiligte sich bereits an der Organisation einer Ausstellungsreihe mit dem deutschen Titel „Geschichte des Böhmischen Glases“ (Historie skla), die über das gesamte Jahr 1984 in vier selbstständigen Teilen zunächst Exponate vom 14. bis frühen 20. Jahrhundert im Lustschloss der Königin Anna auf dem Hradschin (Hradčany), die „Meisterwerkstätten“ in Jablonec nad Nisou, dann eine Schau zum Industriedesign unter dem Titel „Glas im Leben der sozialistischen Gesellschaft“ im Hyberner-Haus (Palác U Hybernů) in Prag, Meisterwerke aus allen Jahrhunderten im UPM und schließlich moderne Glaskunstwerke in der Wallenstein-Reitschule (Valdštejnská jízdárna) präsentierte.147 Die Reihe fand unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Kultur, des Ministeriums für Industrie, des SČVU, der Nationalgalerie, dem ÚUŘ, Crystalex Nový Bor und dem UPM statt.148 Gerade die Schau in der Wallenstein-Reitschule wurde aber kritisch betrachtet, denn die Auswahl der teilnehmenden Künstler beinhaltete unter dem Druck des SČVU zahlreiche stereotypische Exponate, die wenig repräsentativ für das zeitgenössische Glasschaffen waren.149 Als Alena Adlerová 1988 pensioniert wurde, übernahm Petrová aufgrund ihrer überragenden Expertise deren Position als Abteilungsleiterin für den Sammlungsbestand des 20. Jahrhunderts. In Folge wurde sie zur Chefkuratorin des Museums befördert mit Personalverantwortung für 38 Kuratoren sowie 77 Mitarbeitern.150 Unter Zeitgenossen hatte Petrová allerdings auch Kritiker.151 146 Petrová (geb. 1952) studierte zunächst von 1967 bis 1971 Malerei und Bühnenbild an der AVU, bevor sie 1978 in Kunstgeschichte an der Palacký-Universität in Olmouc promovierte. Über ihre berufliche Tätigkeit zwischen 1978 und 1985 ist nichts bekannt. Sie publizierte allerdings in diesem Zeitraum einige Kataloge, vornehmlich über Grafik. Nach der politischen Wende 1989 wirkte sie an der Organisation des ersten Prager Glaspreises 1991 mit. Nach ihrer Rückkehr aus Sunderland 2012 beteiligte sich Petrová kuratorisch an einigen Glasausstellungen in Prag und aktuell als Kuratorin des ZIBA Prague Glass Experience Museums. 147 Dieser zweite Teil sollte „einen knappen Entwicklungsabriss“ versuchen, der „die Funktion, Disziplin und den Ausdruck des modernen böhmischen Glases [unterstrich] sowie seine Anknüpfung an die historische Tradition, die ein festes kulturelles Hinterland dafür bildet“. Drahotová. In: Av 9/1989, S. 96; Petrová 2001, S. 257. 148 Langhamer/Vondruška 1991, S. 137. Das Art Centrum durfte sich nicht beteiligen. Schriftliche Auskunft Hubert S. Matějček, 21.03.2004. 149 Petrová 2001, S. 135. Jeder Künstler konnte bis zu fünf Werke anmelden, von denen die Jury maximal drei als potentielle Exponate ausmustern würde. Von den damals rund 160 aktiven Glaskünstlern wurden nur 90 ausgewählt, die ihre Entwürfe einreichen konnten. Drdácká. In: GR 12/1984, S. 17; Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 13.03.2004. 150 Homepage des Institute for International Research in Glass der University of Sunderland, URL: (Stand 21.10.2013). 151 Digrin: „Eine große Genossin war das! Ich habe sie sehr ungern gehabt, weil das war eine politische Persönlichkeit!“ Adlerova: [lacht] „Also, aber das war ganz gut ...“ Digrin: „Dann, als sie zu Euch kam, da hat sie sich gebessert. Auf einmal war sie eine nicht so große Genossin, und dann noch kleinere Genossin und dann gar keine Genossin.“
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1990 wurde die Kuratorin Helena Koenigsmarková152 zur neuen Direktorin des Kunstgewerbemuseums ernannt. Sie machte die umfangreichen Sammlungen des UPM zugänglich, indem sie neu konzipierte Dauerausstellungen, regelmäßige Wechselausstellungen und eine intensive Zusammenarbeit mit internationalen Museen anregte. Eine Auswahl der von Alena Adlerová angekauften Arbeiten moderner Glaskunst zeigte eine von Sylva Petrová kuratierte Dauerausstellung im ersten Stock des Museums. Diese Präsentation bemühte sich darum, eine Übersicht über die unterschiedlichen von tschechischen Glasgestaltern während der sozialistischen Jahre verfolgten stilistischen und handwerklichen Arbeitsweisen zu geben. Allerdings blieb der überwiegende Reichtum von Adlerovás Sammlertätigkeit auch nach 1989 im Magazin des Museums verborgen. 1991 kuratierte Petrová die Ausstellung „Sklářský ateliér VŠUP 1982–1990“ im UPM, die mehrere Studentenarbeiten aus dem Libenský Atelier an der VŠUP zeigte und seine pädagogische Arbeit würdigte. Als Petrová 1998 an die Universität von Sunderland berufen wurde, wechselte Milan Hlaveš153, zuvor Kurator in Liberec, als Abteilungsleiter für Glas und Keramik des 20. Jahrhunderts an das UPM. Laut Hlaveš habe sich das Ankaufsbudget des Museums nach der politischen Wende stark reduziert. Seit Anfang des neuen Jahrtausends überwogen Schenkungen bei weitem die Anzahl der Neuankäufe.154
Adlerová: „Ja, aber ich kann mich nicht beschweren. Sie war immer so direkt ...“ Digrin: „Wo war sie früher, bevor sie ins Museum kam? Da war sie in einer Institution ... kann ich mich erinnern, weil ich sie sehr ungern hatte aus politischen Gründen.“ Digrinová: „Sie war im Ministerium.“ Adlerová: „Ja, sie war im Ministerium einige Jahre, ein Jahr oder so was. Und jetzt [seit 1998] ist sie in England [Sunderland] ...“ Digrinová: „In England, unterrichtet dort schon das zweite Jahr. Aber die hat damals ganz neu begonnen im Museum. Die hat das nicht gekannt ...“ Adlerová: „Ja, aber sie hat sich relativ schnell umgesehen. Ich kann mich nicht beschweren.“ (Interview mit Ivo Digrin, Alena Digrinová und Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003) Auch Jiŕina Žertová und ihr Mann Bedŕich bestätigten im Gespräch (Berlin, 16.01.2007) Petrovás Parteimitgliedschaft. Als Tochter eines ranghohen Generals sei sie nach 1989 nicht mehr lange tragbar in ihrer Position gewesen und deshalb nach Sunderland gegangen. Allerdings betonte Žertová ebenfalls, Petrovás fachliche Fähigkeiten seien hervorragend gewesen. 152 Koenigsmarková (geb. 1947) studierte Kunstgeschichte an der Karlsuniversität, bevor sie 1971 als Kuratorin für Möbel und Metall an das UPM kam. Ihr Spezialgebiet war historisches Zinn, später auch Blechspielzeug. Koenigsmarková ist gegenwärtig noch in diesem Amt. 153 Hlaveš (geb. 1970) hatte die Glasfachschule in Železný Brod absolviert bevor er an den Philosophischen Fakultäten der Universitäten in Opava und Brno Kunstgeschichte studierte. Zunächst arbeitete er am NTM in Prag und im Museum für Glas und Bijouterie in Jablonec nad Nisou. Hlaveš veröffentlichte zahlreiche Artikel in Zeitschriften, gab Kataloge zur postsozialistischen tschechischen Glaskunst mit Schwerpunkt Studioglas heraus und wirkte als Jurymitglied bei internationalen Wettbewerben. 154 Der Situation in Deutschland vergleichbar sei auch das Gehalt im UPM zu niedrig gewesen, um gut davon leben zu können. Nicht nur Hlaveš, sondern auch seine Kuratorenkollegen verfolgten deshalb eine umfangreiche Publikationstätigkeit, auch für Auktionshäuser und kommerzielle Galerien. Interview mit Milan Hlaveš, Berlin, 10.03.2003.
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6.1.2 Glasmuseen in der Tschechoslowakei Die heimischen Glasmuseen verwalteten nicht nur reiche Bestände historischer Gläser, sondern waren auch für die systematische Archivierung zeitgenössischer Arbeiten meist mit regionalem Blickwinkel zuständig. Eine Plattform für die Präsentation von Glasarbeiten in der Tschechoslowakei stellten ebenfalls einige Regionalmuseen, wie das Südböhmische Museum (Jihočeské muzeum) in České Budějovicé155, das Ostböhmische Museum (Východočeské muzeum) in Schloss Pardubice156 oder das Nordböhmische Museum (Severočeské muzeum) in Liberec157 zur Verfügung. Auch Dauerausstellungen zur Tradition der Glasmacherkunst fanden sich in den Herstellerregionen, so in Nový Hrady158 oder in Rychnov nad Kněžnou.159 Anders als das Prager Kunstgewerbemuseum präsentierten diese Häuser ihre Sammlungen in erster Linie als Dauerausstellung und richteten nur ausnahmsweise thematische Wechselausstellungen aus. Sie beteiligten sich aber immer wieder auch an innerstaatlichen und internationalen Präsentationen. In den Zuständigkeitsbereich ihrer Kuratoren fielen neben der Organisation solcher Schauen die wissenschaftliche Bearbeitung der Sammlungen, deren Erweiterung durch Ankäufe und ganz generell die Publikation von Aufsätzen und Katalogen mit dem Inhalt Glaskunst. Im Folgenden werden die einzelnen Institutionen mit Blick auf deren Berüh-
155 Das Südböhmische Museum in České Budějovicé zeigte beispielsweise im Herbst 1965 Gläser von Jan Gabrhel. Klofáč. In: Av 2/1968b, S. 161, 175. 156 Seit 1964 präsentierte das Museum in einer Dauerausstellung Glasarbeiten, darunter auch zeitgenössische Werke. Nach 1968 verfiel aber das Schloss zusehends und dessen Räumlichkeiten wurden bald nicht mehr genutzt. Seit 1989 ist Ivo Křen (geb. 1964), der eine Ausbildung am Forschungsinstitut für Glas in Hradec Králove absolvierte, als Kurator am Museum tätig. Das Schloss eröffnete nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten 1997 wieder als Ausstellungsraum der Museumssammlung. Křen kuratierte zahlreiche Wechselausstellungen zur modernen tschechischen Glaskunst im Schloss. Die sehenswerte Sammlung umfasst heute 1.270 Inventarnummern. Homepage des Východočeské muzeums, URL: (Stand 24.10.2013). 157 Das Nordböhmische Museum in Liberec wurde als Kunstgewerbemuseum 1873 gegründet. Schon in den ersten 25 Jahren seiner Existenz akkumulierte es aus dem Bereich europäischer und orientalischer angewandter Kunst umfangreiche Sammlungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte sich das ursprüngliche Programm des Museums um heimatkundliche Themen der regionalen Naturwissenschaft, Archäologie und Geschichte. In den 1980er Jahren wurde das Gebäude saniert und schloss für das Publikum. In seiner Dauerausstellung präsentierte das Museum seit 1989 Teile seiner Glassammlung von der Antike bis zur Gegenwart. Oldřich Palata übernahm 1998 die Position des Glaskurators von Milan Hlaveš, als dieser ans UPM Prag wechselte. 158 Seit 1965 wurde hier in drei Räumen des Schlosses eine permanente Ausstellung mit Gläsern aus südböhmischer Fertigung auf Initiative des Ministeriums für Bildung und Kultur sowie des Nationalkomitees von České Budějovicé präsentiert. Klofáč. In: Av 2/1968a, S. 160. 159 Das dortige Orlické muzeum (Adlergebirgsmuseum) veranstaltete 1968 eine erste Glasausstellung mit Exponaten aus der Region. Die Ausstellung umfasste 130 Stücke aus den eigenen Beständen und andere, die aus verschiedenen Museen geliehen waren. Zrůbek. In: Av 1/1966, S. 188.
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rungspunkte mit dem aktuellen Glasschaffen der sozialistischen Jahre näher beschrieben. Die Regionalmuseen in den Glasmacherorten Jablonec nad Nisou oder Liberec, wie auch die spezialisierten Glasmuseen in Harrachov160, Kamenický Šenov und Nový Bor durchliefen nach Kriegsende allesamt eine ähnliche Entwicklung. Gegründet von ansässigen Glasherstellern wurden ihre Sammlungen zunächst verstaatlicht und in repräsentativen Räumen enteigneter Hüttenbesitzer untergebracht. Ab Anfang der 1960er Jahre erhielten diese Häuser Subventionen, um ihre Sammlungen repräsentativer auszustellen und Neuankäufe zeitgenössischer Arbeiten zu ermöglichen. In ihren Aufgabenbereich fiel zudem die Öffnung ihrer Archive für Fachleute aus der Glasindustrie, die so historische Erzeugungsverfahren für deren potentiellen Einsatz in der damaligen Produktion studieren konnten.161 Im Gesamtkontext tschechoslowakischer Kulturpolitik lockerten sich die Bestimmungen für den Kulturbereich in diesen Jahren spürbar. Das Glas- und Bijouteriemuseum (Muzeum skla a bižutérie) in Jablonec nad Nisou verfügte über eine umfangreiche Sammlung von Objekten aus regionaler Produktion.162 Als Kunstmuseum der Industrie (Muzeum pro umělecký průmysl) öffnete es 1949 unter der Leitung des Malers Viktor Vorlíček, der 1945 eine Lehrtätigkeit an der hiesigen Gewerbefachschule übernommen hatte. Vorlíček konnte den Bestand um die Sammlungen zahlreicher regionaler Heimatmuseen erweitern.163 Dessen Nachfolge trat 1953 vorübergehend Václav Sachr an, ebenfalls Dozent an der Fachschule in Jablonec nad Nisou.164 Das Museum diente von nun an bis 1961 als Zweigstelle des Nationalen Technikmuseums (Národní technické muzeum) in Prag, weshalb es eine Dauerausstellung zu historischen Maschinen und Werkzeugen zeigte, die in der Glasherstellung Verwendung fanden. Dann kam es unter die Verwaltung des Bezirksnationalkomitees in Jablonec nad Nisou und spezialisierte sich auf die Erforschung der Geschichte von Glas und Bijouterie, die sich in der neuen Bezeichnung Muzeum skla a bižutérie widerspiegelte. 1965 wurde das Museum nach einer umfangreichen Sanierung erneut mit einer Dauerausstellung zugänglich gemacht.165 Václav Sachr wechselte etwa zeitgleich als Direktor an das Glasmuseum in Nový Bor und Stanislav Urban übernahm die Leitung.166 Das 160 Das Glasmuseum in Harrachov verfügte über eine Sammlung von über 5.000 historischen Gläsern der ansässigen Glasmanufaktur. Urbancová. In: GR 6/1978, S. 14–16. 161 Das Museum in Jablonec nad Nisou stellte für derartige Studien seine „Auslesemusterkollektion“ von Halbfabrikaten zur Verfügung. Maternová. In: Av 2/1968, S. 177. 162 Es wurde 1904 in einem historischen Gebäude in der Školní ulice 9 (damals Schulstr. 9) eröffnet. 1949 wurden die Exponate aus dem zu klein gewordenen Vorgängergebäude in das Export- und Wohnhaus der nationalisierten Firma Zimmer & Schmidt verbracht, wo das Museum bis heute seinen Sitz hat. Zu seinem 100. Jubiläum, 2004, wurde das Gebäude umfangreich saniert. 163 Vorlíček blieb bis zu seinem Tod 1976 aktives Mitglied des Museumsrates. Havlíčková et al. 2004, S. 9. 164 Strnad/Nováková K./Padrta 2001, S. 182. 165 G. H. In: Av 2/1968, S. 177. 166 Urban (1923–1975) blieb in dieser Position bis zu seinem Tod. 1970 war er Generalsekretär des Internationalen Glaskongresses in Prag. Maršiková. In: GR 5/1970, S. 129.
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Glas- und Bijouteriemuseum gab ab 1966 unter der Aufsicht von Antonín Langhamer den Sammelband Ars vitraria mit wissenschaftlichen Aufsätzen hauptsächlich zu historischem Glas, aber auch zu seiner eigenen Ausstellungsaktivität heraus. 167 Urban kuratierte Monoausstellungen mit den experimentellen Arbeiten des Ehepaares Roubíček 1965, Jan Novotnýs 1966 oder Ladislav Oliva Seniors 1968 in Liberec. Mit Beginn der Normalisierung wurden auch die Regionalmuseen mit einer der offiziellen Ideologie entsprechend stringenteren Ausstellungspolitik betraut. So richtete das Museum in Jablonec nad Nisou Ende 1971 die erste Ausstellung zeitgenössischer Glasgestalter aus der Sowjetunion im Land aus (Abb. 74). Die Exponate bestanden überwiegend aus ofengeformten Gebrauchs- und Ziergläsern sowie einigen geschliffenem Gläsern und sollten, so der programmatische Ansatz, „Gelegenheit zum Austausch von künstlerischen Auffassungen und Erfahrungen“ bieten. 168 Die Präsentation von Werken aus individuellem Atelierschaffen wurde nun untersagt. Das Museum veranstaltete während der 1970er und 1980er Jahre lediglich mehrere Einzelausstellungen mit Industriedesign von Glaskünstlern, die ausnahmslos als Formgestalter oder für ÚBOK tätig waren.169 Für die Disziplin der zeitgenössischen Glasgestaltung relevant war auch die „I. Mezinárodní výstava skla a porcelánu ‚Jablonec 73‘“ (I. Internationale Glas- und Porzellanausstellung „Jablonec 73“), die zur Feier der „25. Wiederkehr des Antritts zur sozialistischen Gesellschaftsordnung“170 von ÚBOK in Jablonec ausgerichtet wurde und im Triennale-Rhythmus eine Serie von Folgeveranstaltungen einleitete.171 Anlässlich dieser Wettbewerbsausstellungen präsentierten neben tschechischen Gebrauchsglas- und Porzellangestaltern aber vor allem Industriedesigner aus anderen sozialistischen Ländern ihre Arbeiten. Deshalb hatten die Triennalen nur beschränkt einen tatsächlich „internationalen“ Radius.172 Die vierte Triennale, welche 1982 hätte stattfinden sollen, entfiel. Dafür zeigte das Museum die Schau „Československé sklo 1984“ mit 167 Langhamer (geb. 1936) besuchte von 1960 bis 1965 die Glasfachschule in Železný Brod und von 1965 bis 1970 die Fakultät für Sozialwissenschaften und Journalismus der Karlsuniversität, wo er Journalismus und Sozialwissenschaften studierte. Von 1980 bis 1990 arbeitete er als Kurator an der Regionalgalerie in Liberec (Oblastní galerie v Liberci). 1990 übernahm Langhamer für sechs Jahre die Direktion des Glas- und Bijouteriemuseums in Jablonec nad Nisou. Danach arbeitete er als Berater und publizierte zahlreiche Aufsätze in Glasmagazinen, aber auch Fachbücher sowie Monografien zu Künstlern und Glasfachschulen. Zu ars vitraria siehe Kapitel 5.2.5, S. 303. 168 Vgl. Langhamer. In: Av 4/1972a, S. 132. 169 1975 fand eine Ausstellung mit den Arbeiten von Karel Wünsch, 1986 zu Pavel Hlava statt. 1987 präsentierten Václav Hanuš und Ladislav Oliva Senior ihre Werke in Jablonec. 170 Danielis 1973, o. S. 171 Schon 1965 und 1969 hatte das Museum Arbeiten von Glas- und Porzellangestaltern, allerdings mit Schwerpunkt auf deren lokales Wirken in der Region um Jablonec gezeigt. 172 Unter den ausländischen Teilnehmern wurden vor allem sowjetische Produkte gewürdigt. Sie erhielten einen der beiden Hauptpreise und drei Medaillen. Andere Teilnehmer des sozialistischen Lagers waren die DDR, Ungarn und Polen. Bemerkenswert war die Auszeichnung der Tiroler Glashütte von Claus J. Riedel, dem Sohn Walter Riedels (siehe Kapitel 2.5, S. 50), die den anderen Ersten Preis und zwei Medaillen gewann.
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zeitgenössischen Glasarbeiten.173 Seit 1977 amtierte Lubomír Škorpík als Direktor.174 Er war auch zuständig für die Dependancen des Muzeum skla a bižutérie, so ab 1966 für das Sklářské muzeum Kamenický Šenov.175 Dieses Glasmuseum in Kamenický Šenov befand sich seit 1949 in der ehemaligen Raffinerie Conrath & Liebsch gegenüber der Kirche, bevor es 1968 im Lobmeyr-Gebäude untergebracht wurde. Die Sammlung umfasste geschliffenes und geschnittenes Kristallglas vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, eine Abteilung mit Stilkronleuchtern, die Archive von Václav Jílek und Stefan Rath, eine Kollektion von Hüttenglas der Künstler Miluše und René Roubíček sowie eine Schau der Schülerarbeiten der hiesigen Glasfachschule.176 Der ab den frühen 1980er Jahren amtierende Direktor Alfréd Rozin sichtete 1989 die Lobmeyr-Archivbestände mit dem Enkel Stefan Raths, Peter Rath, der 1994 eine Ausstellung zu Ehren seines Großvaters im Museum organisieren konnte.177 Ab 1996 erhielt das Glasmuseum wiederholt Schenkungen aus den in Kamenický Šenov stattfindenden Gravursymposien.178 Nach der Jahrtausendwende fanden hier immer wieder verschiedene Ausstellungen zu hiesigen Glaskünstlern und andere kulturelle Veranstaltungen kuratiert von Direktorin Helena Braunerová statt. Das Sklářské muzeum Nový Bor179, das 1938 geschlossen worden war und dessen Sammlung den Krieg auf diese Weise unbeschadet überstanden hatte, suchte nach Kriegsende einen neuen Standort. Es zeigte seine Sammlungen zunächst im örtlichen Rathaus. Der zuständige Nationalausschuss zog 1945 eine „würdigere Unterbringung“ in Erwägung, teilte das ursprünglich dazu ausersehene Haus oberhalb des Marktplatzes aber dem Unternehmen Kommunale Dienstleistungen zu. So gelangte die Sammlung in „unverantwortlicher Weise“ in die provisorischen Räume der ehemaligen Weinstube 173 Diese große Überblickspräsentation, welche sowohl vom Kulturministerium, dem Industrieministerium, dem SČVU und dem UPM unterstützt wurde, sollte einen „neuen Blick auf die Tradition“ des tschechischen Glases werfen. Drahotová. In: Av 9/1989, S. 96. 174 Ab 1990 übernahm Antonín Langhamer die Leitung des Museums (Havlíčková et al. 2004, S. 10). Er wurde 1997 von Jaroslava Slabá abgelöst, einer Glasfachschulabsolventin, die über die nächsten 14 Jahre als Direktorin des Hauses tätig war. Seit 2011 amtiert Milada Valečková als Museumsleiterin. Sie war zuvor in der Pardubicer Verwaltung für Kultur und Denkmalpflege und als Vertriebsreferentin bei privaten Glasunternehmen beschäftigt. Zuständig für das Ausstellungsprogramm ist Hauptkurator Petr Nový (geb. 1973). 175 Dieses Museum wurde 1923 gegründet und konzentrierte seine Akquise auf regionale Hersteller, wie Christoph Palme, aber beherbergte auch Stücke, die in der Glasfachschule entstanden. Erst 1991 wurde das Museum wieder selbstständig. 176 Lukáš. In: Av 3/1971, S. 188. Die Sammlung wurde nach 1945 zunächst in der Glasfachschule konzentriert und umfasste mehr als 3.400 Objekte (GR 1/1950, S. 14). Seit 1996 ergänzten die Arbeiten aus dem Internationalen Gravursymposium Kamenický Šenov die Museumssammlung. Es wurde anlässlich des 140-jährigen Bestehens der Fachschule ins Leben gerufen. 177 Rath 1998, S. 168/169. Zum Archiv siehe auch Kapitel 3.1.2, S. 79. 178 Braunerová 2006, S. 122. 179 Das Museum in Nový Bor wurde schon 1893 mit gestifteten Sammlungen der ortsansässigen Glasmeister und Händler, dem Fachverband der Glas- und Keramikarbeiter, gegründet.
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Hubertus.180 Der ungenügend abgesicherte Zugang ermöglichte Dieben den Zutritt und es kam zu Verlusten und Beschädigungen eines Teils der Exponate. 1952 wurde auf Beschluss des Stadtnationalausschusses das heutige Gebäude, 1804 von dem Kaufmann Johann Christofer Socher erbaut, als permanenter Sitz des Museums eingerichtet. Der Glasmaler Josef Werner wirkte als erster Leiter und organisierte die Übersiedlung in die neuen Räumlichkeiten eigeninitiativ mithilfe von Studenten der örtlichen Glasfachschule und freiwilligen Helfern.181 Schnell geriet Werner in Konflikt mit dem Museumsbeirat182. Deshalb wurde er innerhalb weniger Monate gegen den Fachlehrer Rudolf Šnýdr ausgewechselt. In den folgenden Jahren setzte dieser eine Erweiterung der Sammlung und die Organisation von Ausstellungen nicht kontinuierlich fort. 1964 wurde Václav Sachr als neuer Direktor eingesetzt. In seiner Amtszeit verlor das Museum seine organisatorische Selbstständigkeit, als es 1965 dem überregionalen Muzeum skla a bižutérie in Jablonec nad Nisou angegliedert wurde. Sachr beschäftigte sich vor allem mit der wissenschaftlichen Erforschung regionaler Hütten und konnte die Sammlung um einige zeitgenössische Arbeiten von Glaskünstlern der Region erweitern. 1968 erhielt Michal Gelnar, ein jüngerer Mitarbeiter Sachrs, die Position des Direktors. Wie schon sein Vorgänger vergrößerte Gelnar den Bestand durch zahlreiche Neuankäufe und widmete sich intensiv ihrer Publikation. Auch erstellte er ein Führungskonzept für Besucher. Die 1972 kuratierte Ausstellung über Emanuel Beránek stand ganz im Kontext der kulturpolitisch gewünschten Auseinandersetzung mit dessen Handwerkskunst, weniger dem experimentellen Profil der Hütte in Škrdlovice. Eher selten zeigte das Sklářské muzeum Nový Bor auch Werke zeitgenössischer Künstler, wenn überhaupt im Kontext mit der ansässigen Glasfachschule. 1978 übernahm die Crystalex-Betriebsgestalterin Eva Ranšová den Direktorenposten von Gelnar. Ab 1982 präsentierte das Museum dann auch die Arbeiten, welche bei den von Crystalex ausgerichteten Internationalen Glassymposien (IGS) entstanden und die zuvor im UPM Prag gezeigt wurden. Seit 1988 fungierten das Glasmuseum in Nový Bor wie auch das in Kamenický Šenov nur noch als Dependancen des Museums in Jablonec nad Nisou. Beide wurden im Juli 1991 wieder eigenständig und gingen in städtisches Eigentum über. 1994 rief das Museum in Nový Bor die Triennale Řemeslo a umění ve skle (Kunst und Handwerk in Glas) ins Leben, welche 2012 zuletzt stattfand. Die IGS-Exponate konnten zuletzt nicht mehr hier präsentiert werden. Die 1965 initiierte Trienále řezaného a rytého skla (Triennale für geschnittenes und graviertes Glas), die „jedem professionellen Glasgestalter die Möglichkeit [bot], nach eigener Wahl seine Arbeiten auszustellen“183, war ein früher Wegbereiter für diese Art der offenen Ausstellungsaktivität. Diese Veranstaltung rief die bereits vorgestellte Jiřina Medková ins Leben. Als ausgewiesene Kennerin zeitgenössischer Glaskunst war sie ab 180 Jindra/Ranšová 1993, S. 1. 181 Ebenda, S. 2. 182 Ebenda. Vgl. Kapitel 2.7, Anm. 168, S. 60. 183 Langhamer. In: Av 4/1972b, S. 102, 132.
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1960 an der Mährischen Galerie in Brno angestellt, dem zweitgrößten Kunstmuseum des Landes. Das Museum gehörte formal zum Prager UPM184, hatte jedoch unter Medkovás Ägide zahlreiche Impulse für das aktuelle Glasschaffen setzen können. Tatsächlich bot die Triennale im Inland eines der wenigen Foren, auf denen sich Glaskünstler ohne Auswahlkommission präsentieren konnten. Viele Absolventen der VŠUP beteiligten sich an den insgesamt zehn Mal ausgerichteten Triennalen und zeigten eine Reihe von Arbeiten, die zwar in der traditionellen Technik des Glasschnitts ausgeführt waren, sich aber in ihrer Ausdruckskraft vollkommen vom Gegenständlichen lösten (Abb. 75). Nach der politischen Wende eröffnete sich auch in der Hauptstadt eine neue Bühne für Glasarbeiten des 20. Jahrhunderts. 1995 wurde der Veletržní palac, der ehemalige Messepalast in Holešovice, eine Dependance der Národní galerie. In der dritten Etage entstand eine Dauerausstellung mit modernem tschechischem Glas aus der Sammlung des UPM, das zuvor aus Platzmangel nicht präsentiert werden konnte. Die erste systematisch angelegte Ausstellung zu dieser Kunstgattung, „Czech Glass, 1945–1980“185, welche das museum kunst palast, Glasmuseum Hentrich in Düsseldorf in enger Zusammenarbeit mit dem UPM Prag sowie dem Corning Museum of Glass organisiert hatte, wanderte von Düsseldorf, Corning, Tacoma und Kolding im Jahr 2007 in den Veletržní palac. Einige wenige Künstler hatten bereits 2005 die Eröffnungsschau in Deutschland besucht. Erst die Prager Station aber ermöglichte dem Großteil der noch lebenden Autoren und Akteure des damaligen Museumsbetriebs eine erste Begegnung mit Werken, welche über Art Centrum ins Ausland verkauft worden waren. Neue Privatmuseen eröffneten in der Tschechischen Republik eine Plattform für junge Glaskünstler und aktuelle Arbeiten der älteren Generation, so 2004 auf Initiative der Galerie Prager Kabinet in Schloss Bezdružice und 2009 das Art Glass Museum bei der Manufaktur Ajeto in Lindava, das nun die Präsentation der im Rahmen des IGS entstandenen Kunstwerke übernahm. 2010 initiierten Jaroslava Brychtová und ihr Sohn Jaroslav Zahradník ein Privatmuseum in Železný Brod. In einer ehemaligen Textilfabrik am Ufer der Jizera (Iser) werden dort die Arbeiten des Künstlerpaars Libenský/Brychtová aus verschiedenen Schaffensphasen ausgestellt. Im Januar 2014 machte in der ehemaligen Franzhütte in Sázava ein Centrum sklářského umení auf, das in enger Zusammenarbeit mit dem UPM Prag, der Czech Glass Association und dem Liberecer Museum für Glas und Bijouterie Ausstellungen mit moderner Glaskunst präsentiert sowie Workshops und Symposien organisiert. Der Umbau wurde mit Zuwendungen zweier privater Stiftungen als auch mit EU-Fördermitteln finanziert. Die gemeinnützige Organisation Glaspfade (Cesty skla o.p.s.) betreibt das Zentrum.186 2017 soll in dem denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Handelsbank in zentraler Lage der Hauptstadt das von einer Immobiliengesellschaft initialisierte ZIBA Prague Glass Experience Museum eröffnet werden, das neben einer Dauerausstellung his184 Siehe Kapitel 6.1.1, Anm. 112, S. 346. 185 Siehe Katalog Ricke 2005a. 186 Homepage der Stiftung Cesty skla, URL: (Stand 05.12.2013).
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torischer Gläser auch Wechselausstellungen mit zeitgenössischen Glasarbeiten präsentieren will und auch kommerzielle Zwecke verfolgt. Mitarbeiter des UPM und Sylva Petrová kuratieren die Präsentationen für den Träger, die gemeinnützige ZIBA o.p.s.
6.2 Kulturdiplomatischer Dialog und Wettbewerb – propagandistische und kommerzielle Ausstellungsstrategien im Ausland Wie bereits dargestellt, war die Erzeugung, Veredelung und künstlerische Gestaltung von Glas mit einer Reihe von Faktoren verbunden, die im ideologischen Selbstverständnis des kommunistischen Regimes eine exponierte Rolle spielten und demnach auch bedeutsam für seine Außendarstellung waren.187 Neben der ihr zugrunde liegenden Kollektivität war die heimische Tradition des Handwerks und dessen Verknüpfung mit Volkskunst, also der Kunst der „einfachen Leute“ in Abgrenzung zur elitären akademischen Kunst bürgerlicher Kreise, konform mit dem Dogma einer „Demokratisierung der Kultur“ und planwirtschaftlich gesicherter Konjunktur.188 Aufgrund seiner Einbindung in das sozialistische Wertesystem stellte Glas als Exponat auf Kunst- und Gewerbeausstellungen ein Marketinginstrument dar, das eindrücklich die kulturellen Werte und wirtschaftliche Souveränität des Landes dokumentieren sollte. Glas war mit regionalen Rohstoffen herstellbar, es existierte ein umfangreiches Ausbildungssystem für Glasmacher- und Gestalter, der Handel mit Glaswaren war langjährig etablierter Bestandteil des Exportmarktes: Glas war schlichtweg verfügbar und es war „harmlos“. Außerdem trafen moderne Glaskunstwerke seitens der Weltöffentlichkeit auf eine unvoreingenommene Haltung, da sie für Zeitgenossen etwas völlig Neues und Ungesehenes darstellten. Die breite Zustimmung, welche die tschechische Glaskunst trotz sehr ernst zu nehmender Mitbewerber fand, schlug sich in der großen Zahl von Auszeichnungen bei internationalen Ausstellungen nieder und ist sicher zu nicht geringem Teil auf den Überraschungseffekt zurückzuführen, der durch den unerwarteten Auftritt eines kommunistischen Landes mit diesen originellen Exponaten ausgelöst wurde. Das Regime erkannte in Glaskunstpräsentationen ein Potential zur Imagepflege, das andere zeitgenössische Kunstgattungen nicht im gleichen Umfang mitbrachten. Adlerová: „Zwischenstaatliche Kulturbeziehungen. Man hat mich gefragt, womit wir uns im Ausland präsentieren können. Also die Malerei war sehr politisch beeindruckt [beeinflusst]. Das haben auch alle gewusst, dass das nicht das wirklich Repräsentative in Westeuropa wird. Auch die Bildhauerei. Also blieb die angewandte Kunst und von der angewandten Kunst war immer am interessantesten, immer am besten, das Glas! Es gab diese Glasfachschulen, 187 Siehe Kapitel 5.1.1, S. 237 f.; Wasmuth 2010, S. 484. 188 Die Erhaltung kultureller Traditionen wurde in diesem Kontext als Beitrag für die „materielle und gesellschaftliche Entfaltung der Republik“ gesehen. Hoensch 1997, S. 457.
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die, auch wenn sie zuerst deutsche waren, dann nach dem Kriegsende in tschechische Hände kamen. Aber diese gute Tradition ist immer noch geblieben. Also, es sind sehr viele gute Glaskünstler sehr bald herangewachsen und man hat schon in den ersten Ausstellungen bewiesen, dass das etwas ist, womit sich die Tschechoslowakische Republik im Ausland auf sehr hohem Niveau präsentieren kann.“189
Die Exposition von Glaskunstwerken nach 1945 erfüllte demnach neben einer rein handelspolitischen auch eine kulturdiplomatische Funktion und wirft rückblickend betrachtet Schlaglichter auf den jeweiligen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Zustand des sozialistischen Staates.190 Veränderten sich planwirtschaftliche Vorgaben oder bildungspolitische Entscheidungen, war dies auch an der Auslandsrepräsentation der ehemaligen Tschechoslowakei erkennbar. Die Auswahl der Exponate für den jeweiligen Ausstellungsstandort durch Kommissionen, bestehend aus Kunsthistorikern, Ausstellungsarchitekten und Funktionären, spiegelt die Art des konkreten bilateralen und auch multinationalen Dialogs der offiziellen tschechoslowakischen Außenpolitik wider und erlaubt Rückschlüsse auf die gewünschte Außenwahrnehmung des Regimes. Die zwölfjährige Periode zwischen den Erfolgen tschechischer Glaskunst bei der Brüsseler EXPO 58 und der in Osaka 1970 war von reformerischen Bemühungen bemerkenswerter kunsthistorischer Bedeutung gekennzeichnet. Im folgenden Kapitel wird der tschechoslowakische Auftritt mit Glaskunst bei den wichtigsten internationalen Ausstellungen chronologisch thematisiert. Im Rahmen dieser Untersuchung werden die unterschiedlichen Mechanismen der Ausstellungspolitik aufgeschlüsselt.
6.2.1 Glasexponate im Rampenlicht internationaler Ausstellungen Nach achtzehnjähriger Abwesenheit von der internationalen Bühne konnten sich tschechische Glasgestalter wieder an mehreren Auslandsausstellungen, eingeleitet von der XI. Triennale di Milano 1957, mit großen Übersichtspräsentationen beteiligen. Diese wichtigste europäische Messe für Angewandte Kunst und Design191 war demnach die erste Möglichkeit, sich dem direkten Vergleich mit den Glaszentren jenseits des Eisernen Vorhangs zu stellen. Da innerhalb der Tschechoslowakei kein kommerzieller Wettbewerb existierte, regte der Kurator für modernes Glas am Prager Kunstgewerbemuseum, Karel Hetteš, die Beteiligung an der Mailänder Triennale an. Er hatte erkannt, dass eine solche 189 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 190 Wasmuth 2005, S. 87. 191 An der VIII. Triennale in Mailand 1947 waren die tschechischen Glasgestalter mit ihren modernen Entwürfen nicht vertreten. Zwar beteiligte sich die Tschechoslowakei mit einem Pavillon an der Ausstellung, doch deren Hauptthema war Stadtplanung und der Wiederaufbau des im Krieg von den Deutschen zerstörten Dorfes Lidice (Kramerová/Skálová 2008b, S. 193). Die Mailänder Triennalen hatten seit ihrer Gründung 1933, wie auch die Biennalen in Monza zuvor, als Plattform für die Interaktion von Produktionsbetrieben und Gestaltern fungiert.
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Präsentation nicht nur als wirksames Wettbewerbsforum dienen und eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den parallel stattfindenden künstlerischen Entwicklungen im Ausland bedeuten könnte, sondern zugleich die Namen tschechischer Glasgestalter über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen würde.192 Roubíček: „Die erste Möglichkeit, im Westen auszustellen, war in Mailand [1957], was Karel Hetteš im Grunde ganz allein organisiert hatte.“193
Hetteš gelang es 1955, Museumsdirektor Emanuel Poche davon zu überzeugen, den zuständigen Funktionären eine Triennaleteilnahme offiziell vorzuschlagen und zwar ausschließlich mit Glas. Das Ministerium für Kultur und das Ministerium für Leichtindustrie bewilligten Poches Antrag. Sie veranlassten die Bildung einer Expertenkommission unter deren Leitung, die sich mit der Präsentationsvorbereitung befassen sollte.194 Mit Blick auf die etwa zeitgleich beschlossene Teilnahme an der ersten Weltausstellung nach Kriegsende, der Brüsseler EXPO 58, einigte man sich darauf, diese Glasschau als eine Art „Testpräsentation im kapitalistischen Umfeld“ zu veranstalten, eine Generalprobe also.195 So wurde Hetteš als Mitglied der Expertenkommission berufen, wie auch der Direktor der ÚVS Karel Peroutka.196 Als Berater konnte Poche die beiden Fachdozenten der Prager Kunstgewerbehochschule, Josef Kaplický und Karel Štipl197, ihren Kollegen 192 Wasmuth 2005, S. 88. Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003, und mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. 193 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 194 Am 20. September 1955 erhielt das UPM förmlich den Auftrag, die Vorbereitungen zur Teilnahme zu verwalten. Zmeškalová 2012, S. 21; Arnošt/Drahotová/Langhamer 1985, S. 45; Wasmuth 2005, S. 88. 195 Da über einen so langen Zeitraum keine unmittelbare Konfrontation mit dem zeitgenössischen Glasschaffen anderer Länder stattgefunden hatte, bestand zunächst eine gewisse Zurückhaltung, Glas auch bei der EXPO 58 als zentrales Exponat einzubinden (Palata 2008a, S. 118). Die von Hetteš in der ersten Hälfte der 1950er Jahre kuratierten Ausstellungen in Liberec und Prag müssen ebenfalls dazu beigetragen haben, diese Sparte des künstlerischen Designschaffens aufzuwerten, indem man ihr den seit 1940 verwaisten Platz auf der internationalen Bühne wieder einräumen wollte. 196 Siehe Kapitel 5.2.3, S. 284. 197 Entgegen der Darstellung Antonín Langhamers, diese beiden Dozenten hätten das entscheidende Wort bei der Auswahl der Exponate gehabt, war deren Mitspracherecht scheinbar begrenzt (Langhamer 2005a, S. 52). So war Štipl nicht zufrieden mit der Auswahl der Kommission: „Die Zusammenstellung der Musterarbeiten, welche aus meiner Schule für Glas und Glyptik an der Kunstgewerbehochschule an der tschechoslowakischen Exposition der XI. Triennale in Mailand teilnehmen, ist gegenüber meiner eigenen Erwartung eigentlich unvollständig. Es sind in der Mehrzahl Objekte, die die Technik des Schleifens hervorheben, eine Arbeit des höchsten Jahrgangs: Václav Horáček, Miroslav Hrstka und [Jiří] Žoužela, und für Vasen und Schüsseln bedeutend ungewöhnlich. Sie verweisen auf ein sehr gutes Niveau der Technik, die Geschicklichkeit und Fähigkeit der erwähnten Hörer, gleichen aber mit ihrem umfangreichen Format großen Objekten. Solange es sich aber um Gegenstände aus dem Bereich der Glyptik handelt, ist die Aus-
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Professor Otto Eckert198, den Kunsthistoriker Jindřich Chalupecký sowie einige Glaskünstler, wie Stanislav Libenský und René Roubíček, gewinnen.199 Die Kommission lobte einen Wettbewerb aus, an dem sich Studenten und Absolventen der beiden Spezialateliers für Glasgestaltung an der VŠUP mit Entwürfen beteiligen konnten. Harcuba: „Für die Triennale in Milano, da wurde viel intensiver gearbeitet für diese Ausstellung. Viel mehr Aufgaben ausgeschrieben. Es ging nicht mehr um die Industrie, es ging um die Repräsentation.“ 200 Žertová: „Alle wurden gefragt: Wollt ihr einen Entwurf machen? Die Künstler brachten ihre Zeichnungen und Prototypen wurden hergestellt, welche von den Fabriken in Nordböhmen aber oftmals schlecht umgesetzt wurden, nicht perfekt.“ 201 Kerhartová-Peřínková: „Ich hatte einen guten Start, weil ich mich an dem ausgehängten Wettbewerb von ÚBOK beteiligte. Einmal jeden Monat wurde sowas ausgeschrieben, später dann abgebrochen. Zur Realisierung [in der Produktion] kam es nicht, die Entwürfe waren nur für alle Arten von Ausstellungen gedacht. Zu der Zeit wollten sie Vorschläge und ich begann, ihnen welche einzusenden, wie es Vladimír Jelínek und sein Jahrgang auch machten. […] Es kam tatsächlich zur Teilnahme in Mailand, bevor ich die Schule [VŠUP] beendete. Es war ein Anfang, das war nicht zu schwierig, und darüber erhielt ich ein ganz gutes Selbstbewusstsein.“ 202
wahl unverhältnismäßig dürftig, beschränkt sich auf zwei Vasen mit Portrait. […] Den Umfang der genannten Gruppe ergänzen sachdienlich ebenfalls mehrere Muster des Bereichs Pressglas, aber die Kollektion verweist nicht auf ein klares Bild der Schule, wie sie sich in den letzten drei Jahren herausgebildet hat. Denn im Laufe dieses Zeitabschnitts war die Ausbildung gänzlich auf eine Serie verschiedener Gegenstände mit einer Bestimmung für den allgemeinen täglichen Gebrauch angelegt. […] Die Ausführung der vorliegenden Gegenstände war nur eine Substitution für die Triennale, obgleich eine ganze Reihe von Modellen vorbereitet worden waren, denn die Mühe mit der Herstellung für das Forum war kompliziert und kostspielig und namentlich der langandauernde Prozess seit dem Antrag bis zur Herstellung vereitelte, dass unsere Kollektion alle Tendenzen in diesem Arbeitsfeld ergänzen konnte.“ Übersetzung, Poche et al. In: Tvář 6/1957, S. 170–172, Abb. Nr. 462, S. 173 und Nr. 476, S. 179. Vgl. auch Kaplickýs kritische Stellungnahme, ebenda, S. 175. 198 Der Dozent in der Abteilung für Keramik und Porzellan Otto Eckert beriet, wie auch Kaplický und Štipl, Skloexport regelmäßig bei der gestalterischen Konzeption neuer Musterkollektionen. Siehe Kapitel 4.3, Anm. 369, S. 198, und Kapitel 5.2.3, S. 288. 199 Triennale di Milano 1957, o. S. Mitglieder der Auswahlkommission waren u. a.: Otto Eckert, Karel Hetteš, Karel Hrodek, Josef Kaplický, Adolf Matura, Karel Peroutka, Ludvika Smrčková, Jozef Soukup und Karel Štipl. 200 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002. 201 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003. 202 Gespräch mit Marta Kerhartová-Peřínková, Prag, 26.06.2003. Kerhartová-Peřínkovás Entwurf wurde mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.
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Obgleich auch leitende Funktionäre der Betriebe und von ÚBOK mit einbezogen wurden und die Liste der angeschriebenen Gestalter aus ihren Karteien stammte, so dass zwangsläufig eine Vorauswahl stattfand, entschieden mit dieser Expertenkommission doch überwiegend Fachleute und keine Laien über die Auswahl der Exponate.203 Das Ministerium für Konsumgüterindustrie stellte 270.000 CZK für die Vorbereitung der Ausstellung bereit. Die zusätzlichen Ausgaben übernahm das Ministerium für Schulwesen und Kultur.204 Die Kommission arrangierte daraufhin eine umfangreiche Kollektion von 149 Gebrauchsgläsern, die ausnahmslos speziell für die Triennale angefertigt und nicht aus der bestehenden Produktion ausgewählt wurde.205 Kaplický: „Weiter ist es möglich, hier einen wichtigen Tatbestand zu konstatieren, dass nämlich die ganze Triennalekollektion das Werk von bildenden Künstlern ist, welche unsere Produktion und der Handel ansonsten nur minimal einbinden. Diese Kollektion ist in der Auswahl nicht die Krönung dessen, was in den letzten drei Jahren tatsächlich erzeugt wurde, wie es korrekt gewesen wäre, sondern die ganze Kollektion wurde exklusiv nur für die gegebenen Ausstellungszwecke hergestellt, nicht der normalen Produktion entnommen.“ 206
Die Ausschreibungsteilnehmer verwandten viel Energie auf ihre Entwürfe. Sie wollten diese Gelegenheit dafür nutzen, ihre Vorstellung von modernem Glas präsentieren zu können.207 Insgesamt wurden 2.148 Vorschläge eingereicht. Zudem wählte die Kommission 32 Exponate künstlerisch gestalteter Glasobjekte beziehungsweise Architekturelemente aus Glas aus 120 gesonderten Entwürfen aus.208 Künstlerische Qualität und innovatives Design waren das ausschlaggebende Kriterium. Laut Hetteš bestand das Anliegen der Kommission darin, „der Welt unsere Vorstellung von der Entwicklung dieser 203 Wasmuth 2005, S. 88. 204 Nováková P. 2012, S. 90. 205 Dabei handelte es sich unter anderem um elegant proportionierte Karaffen, Vasen und Schalen von Stanislav Libenský, deren zeitloses Design seine Wirkung bis heute nicht verloren hat. Zdenka Strobachová und Vladimír Kopecký stellten mit Goldlüster bemaltes Hohlglas aus. Der Maler Jan Kotík präsentierte geschliffene Überfangvasen, wie auch Adolf Matura und Pavel Hlava, deren Ausführungen die ersten Beispiele einer vier- bis sechsseitig plangeschliffenen Form mit farbigem Tropfenkern darstellten. Von Matura wurden ebenfalls ofengeformte Vasen mit Hörnern aus klarem Glas ausgestellt. Siehe Abbildungen in Ricke 2005a, Kat. Nrn. 62, 120, 121, 155, 156, 135, 187, 268, 269. 206 Übersetzung Poche et al. In: Tvář 6/1957, S. 174. 207 Wünsch: „Die Triennale 1957 war unser erster Eintritt in die europäische Szene.“ Interview mit Karel Wünsch, Prag, 26.06.2003. 208 Nováková P. 2012, S. 90. Josef Kaplický entwickelte ein bemaltes farbiges Bleiglasfenster mit dem Titel Hommage an die Glasmacherkunst für den Eingangsbereich. Es wurde von Zbyněk Kejzlar und Josef Matějček im ÚUŘ in Prag gefertigt. Das monumentale Fenster stellte sechs antikisierend gekleidete Frauen mit Attributen der Glasmacher dar und wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Siehe Abbildung in: Triennale di Milano 1957, Nr. IX; Poche et al. In: Tvář 6/1957, S. 166; Hetteš 1958, S. 61; Wasmuth 2005, Fig. 62, S. 88.
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besonderen Branche zu zeigen“.209 Auch Jurymitglied Emanuel Poche rechtfertigte die Auswahl ideologisch korrekt: „Anfangs hielten sich die neuen Designer an das offensichtliche ausländische Beispiel, aber zusammen mit der Entfaltung der Persönlichkeit der hinzukommenden jungen Künstler verfeinerten sie ihre Ansichten und wuchsen heran im eigenständigen Ausdruck, wobei sie die uralten Eigenheiten im Ausdruck des tschechischen Glases belebten. Weil diese jungen bildenden Künstler die tschechoslowakische Glasindustrie mit ihren Arbeiten erheblich durchdrangen, wurde ihnen ermöglicht, einen neuen Gedanken zu realisieren und in beträchtlichem Maße die Wiedergeburt der zeitgenössischen tschechoslowakischen Glaskunst zu bewirken, welche außerdem das Verdienst der bildenden Künstler des Zentrums für künstlerisches Glas [ÚUŘ] in Prag ist.“ 210
Vereinzelt wurden auch Arbeiten ausgewählt, die einer streng realistischen Formensprache und Motivwahl verpflichtet waren. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Arbeiten von bereits vor dem Krieg tätigen Glaskünstlern wie Jaroslav Horejc, Ludvika Smrčková, Jaroslav Brychta und Karel Hrodek ferner um Entwürfe einiger Studenten aus Karel Štipls Atelier an der VŠUP, in dem vor allem auf eine perfektionierte handwerkliche Ausführung geachtet wurde.211 Den baulichen Rahmen für die Ausstellung konzipierte der Architekt František Tröster, welcher bei der Triennale 1940 bereits diese Aufgabe für das „Protektorat Böhmen und Mähren“ übernommen hatte. Er schuf mit seinen minimalistischen Hell-Dunkel-Kontrasten, samtbespannten Wänden, welche das von oben gelenkte Licht schluckten, sowie zylindrischen Stahlpodesten mit aufgefächerten Glasböden für die Exponate eine nahezu theatralische Ästhetik (Abb. 76). Dieses Bühnenbild-Konzept hat Tröster in Mailand besondere Anerkennung gebracht, auch wenn ihm von der ausländischen Konkurrenz eine unverhältnismäßige Phantasie vorgeworfen wurde.212 Der in Mailand begründete originelle Kurs der Glasgestaltung erhielt große Zustimmung seitens der Besucher.213 Die Tschechoslowakei gewann angesichts 209 Übersetzung, Poche et al. In: Tvář 6/1957, S. 179. 210 Ebenda, S. 168. 211 Professor Štipl beklagte die Unvollständigkeit der ausgewählten Arbeiten von Studenten aus seinem Atelier, so fehlten Beispiele in Pressglas. Es handelte sich, laut Štipl, bei etlichen Exponaten um Substitutionen, die anstelle von aufwendigeren Arbeiten gezeigt wurden, die aus Zeit- und Geldmangel nicht rechtzeitig realisiert werden konnten. Zwei gravierte Porträtvasen von Luboš Metelák, von denen eine sogar von der internationalen Jury mit einem Preis geehrt wurde, und ein Trinkglasservice von Josef Turek waren beispielhaft für diese eher konventionellen Exponate (Poche et al. In: Tvář 6/1957, S. 172, Abb. Nr. 473, S. 179; Hetteš. In: GR 10/1957, o. S.). Von Vorkriegskünstlern sandte man vornehmlich dekorative Exponate – wie die schweren geschliffenen Vasen und Schalen von František Zemek – nach Mailand. Diese zeichnete der Triennalepräsident mit einer besonderen Anerkennung aus. 212 Palata 2008a, S. 120. 213 Beispielhaft sei der Besuch des Direktors des Museum of Modern Art in New York erwähnt, der die Präsentation fotografierte und den Wunsch äußerte, die beteiligten Künstler persönlich kennenlernen zu dürfen. In: Hetteš, GR 10/1957, o. S.
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der Besucherevaluierung den fünften Platz unter 20 Teilnehmerländern214 und erhielt durch die Jury vier Silbermedaillen sowie fünf lobende Erwähnungen.215 Die offiziellen Vertreter der schwächeren Mitbewerber, wie Frankreich, Spanien und einige der nordischen Länder, protestierten kategorisch gegen die positive Bewertung und vorgeschlagene Anzahl der Preise für tschechische Künstler durch die Jury. Es ist anzunehmen, dass ihre Einwände einerseits politisch motiviert waren.216 Sie lagen aber auch darin begründet, dass sich der tschechoslowakische Beitrag nicht an die etablierten „Spielregeln“ gehalten hatte. Üblich war die Präsentation von Exponaten aus ganz unterschiedlichen Gebieten der angewandten Künste, denn es ging ja nicht nur um eine ästhetische Gesamtpräsentation, sondern es sollten Handelsverträge besiegelt und die ausgestellten Waren für den späteren normalen Verkauf beworben werden. In kommerzieller Absicht setzten die meisten Aussteller gezielt auf eine gemäßigte Installation.217 Der Messebeitrag der Tschechoslowakei bestand jedoch ausschließlich aus einer Glaskollektion und deren außergewöhnlicher Charakter wurde zudem in einem kostspieligen und extravaganten Rahmen präsentiert. Dieser Auftritt hat in seiner Gesamtkonzeption vornehmlich repräsentativen Zwecken gedient – obgleich die Mailänder Triennale traditionell ein kommerzielles Forum darstellte – und diese Entscheidung wurde durch den enormen Erfolg beim Publikum bestätigt.218 Diese Strategie sollte im Folgejahr auf der Weltausstellung in Brüssel sehr erfolgreich erneut umgesetzt werden und bestätigte auf diese Weise das Konzept der innovativen Gestaltungsleistung seitens der tschechischen Glaskünstler. Die EXPO 58, bei der die Künstler eine unvorbereitete Öffentlichkeit mit ihren originellen Glasarbeiten überraschen konnten, bezeichnete einen Markstein im tschechoslowakischen Ausstellungswesen. Statt mit dem erwarteten sozialistischen Realismus verblüffte der tschechoslowakische Pavillon mit origineller Architektur, erstklassigem Glas-, Porzellan- und Textildesign, modernen Industrieprodukten und nicht zuletzt mit der multimedialen Laterna Magica. Er erhielt den „Goldenen Stern“ in der Gesamtwertung als bester Ausstellungspavillon unter 104 Teilnehmern. In der Geschichte der tschechischen bildenden Kunst wurde gerade dieser Ausstellungsauftritt als Kontinuitätsbruch betrachtet219, für die Domäne des tschechischen Glases hingegen als der Beginn einer spannenden Entwicklung.
214 Hinter Schweden, den USA, Dänemark und der BR Deutschland. 215 Silbermedaillen erhielten Marta Kerhartová-Peřínková für eine geätzte Vase, Jan Novotný für seinen Fensterentwurf sowie Miluše Roubičková und Jiřina Žertová für ihre geschliffenen Likörglasgarnituren, abgebildet in: Hetteš 1958; Ricke 2005a, Kat. Nrn. 240 a + b und 342 a + b. 216 Da die Tschechoslowakei zum Ostblock gehörte, näherten sich die Vertreter der westlichen Staaten prinzipiell mit Misstrauen gegenüber deren Nachkriegskultur. 217 Palata 2008a, S. 121. 218 „Wir brauchten keine Kunden zu finden! Wir wollten uns präsentieren!“ Interview mit Ivo Digrin, damals Mitarbeiter bei Skloexport, Prag, 06.10.2003. 219 Vgl. Hošková 1994, o. S.
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In weit größerem Ausmaß als bei der Triennale stellte das im tschechoslowakischen Pavillon gezeigte Glas ein avantgardistisches Gestaltungskonzept vor, dies angesichts seiner ästhetischen Qualität als auch der Nutzung bislang unbekannter Technologien. Zu den Exponaten zählten nicht nur zahlreiche künstlerisch gestaltete Gebrauchs- und Dekorationsgläser, sondern hier wurde zum ersten Mal die völlig neue Kategorie der unikalen monumentalen Glasplastik gewürdigt. Dieser Neuaufbau war zu einem großen Teil dem systematischen Einzug junger Talente zuzuschreiben, während von den Künstlern der Vorkriegsgeneration nur noch einige wenige teilnahmen.220 Einige ausgewählte historische Gläser, die vor dem Krieg erfolgreich bei internationalen Ausstellungen gezeigt worden waren, wurden in gläsernen Zylindern präsentiert oder fanden sich lediglich als Schwarz-Weiß-Photographie, so dass der ultimative Bruch mit der Vergangenheit und die Hinwendung zu Neuem noch eindrücklicher veranschaulicht wurde.221 Dass ausschließlich junge Künstler Preise bei der Triennale gewonnen hatten, mag ein triftiges Argument für die gestiegene Einbeziehung junger Teilnehmer gewesen sein. Die Exponate für die Weltausstellung sollten alles übertreffen, was bislang überhaupt im Bereich der Glasgestaltung bekannt war. Erneut wurde eine Entwurfsausschreibung an alle glasproduzierenden Betriebe, Ausbildungsstätten und Künstler veröffentlicht.222 Die Gestaltung des tschechoslowakischen Pavillons 1958 richtete sich nach dem Slogan „Ein Tag in der Tschechoslowakei“ und orientierte sich an vermeintlich typischen 24 Stunden: Arbeit, Erholung und Kultur. Die meisten Exponate wurden in Zusammenarbeit mit den gestalterischen und technologischen Zentren in den Werkstätten der ÚUŘ erstellt, wo eine Prüfstelle „výstavky“ (Ausstellungen) die Exponate bemusterte.223 Aus dieser Vorauswahl stellte das Komitee der ÚVS und schließlich die Kommission des SČSVU unter dem Vorsitz von Alois Fišarek224 die endgültige Kollektion für die Präsentation zusammen. Auf Basis von Jindřich Santars Gesamtkonzept für die EXPO 58 entwarfen die Architekten František Cubr, Josef Hrubý und Zdeněk Pokorný den Ausstellungsbereich für das Glas. Die Wände bestanden aus Schaumglas- sowie Mosaikglaswänden und er wurde vor allem wegen seiner schlichten Konzeption gelobt.225 Der für die Glasabteilung verantwortliche Architekt Josef Saal konzipierte den Pavillon in freien Installati220 Ludivka Smrčková und František Zemek. Wasmuth 2005, S. 88. 221 Ebenda, S. 90. 222 Weitere Exponate stammten aus aktuellen Ausstellungen, beispielsweise der in Prag Anfang 1958 abgehaltenen Jubiläumsausstellung zum zehnjährigen Bestehen der Glashütte Mstivšov bei Teplice, in der vornehmlich geschliffenes Glas von František Zemek gezeigt wurde. Ein Teil dieser Arbeiten wurde für Brüssel ausgewählt. In: GR 3–4/1958, o. S. 223 Palata 2008a, S. 124. 224 Fišárek (1906–1980) war zu dieser Zeit Professor für Malerei an der AVU. Er beschäftigte sich in erster Linie mit Landschaftsmalerei, Stillleben, Porträts und figürlichen Kompositionen. In den 1970er Jahren verwirklichte Fišárek Auftragsarbeiten in monumentalem Format, so für die U-Bahn-Station Haje. Kurz vor seinem Tod 1979 wurde ihm der Titel „Nationalkünstler“ verliehen. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 225 Cubr/Hrubý/Pokorný. In: GR 7–8/1959, o. S.
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onsrhythmen, die der limitierten Anzahl von Exponaten ausreichend Raum zur Entfaltung ihrer künstlerischen und ästhetischen Qualitäten gestattete.226 Es dominierten großformatige Glasexponate, so der freistehende Solitär „Sonne – Luft – Wasser“ von Jan Kotík (Abb. 77)227 und die Installation „Glas: Masse – Form – Ausdruck“ von René Roubíček228 (Abb. 78). Beide Skulpturen müssen als richtungsweisendes Phänomen in der Entwicklung der Glaskunst bezeichnet werden. Nie zuvor wurde das Material Glas im Zusammenhang mit abstrakten Kunstwerken dieser Dimension gezeigt und in einen uneingeschränkt funktionslosen Kontext gesetzt. Die Installationen brachen ihren Rahmen regelrecht auf, die einzelnen Glaselemente ragten in den Raum. Während Roubíčeks Arbeit mit einem Grand Prix geehrt wurde, erhielt Kotíks Raumsolitär ein Ehrendiplom. Insgesamt acht Künstler wurden eingeladen, monumentale Kompositionen in Glas für diese Ausstellung anzufertigen.229 Neben den beiden progressiven Entwürfen handelte es sich dabei eher um gegenständliche Arbeiten, die aber ebenfalls rein bildhauerisch aufzufassen waren. Zahlreiche dieser Werke wurden mit Goldmedaillen ausgezeichnet. In dem von Jaroslav Brychta und dem Maler Jan Černý gestalteten kuriosen „Glasuniversum“ stellten Glasfigürchen das Leben auf den verschiedenen Planeten dar (Abb. 79).230 Brychtas Tochter Jaroslava Brychtová (damals Zahradníková) und ihr Mitarbeiter Igor Korčák schufen einen frei stehenden Messingrahmen mit eingesetztem Gitter aus formgeschmolzenem Glas, „Storchenvögel“, der mit einem Grand Prix ausgezeichnet wurde (vgl. Abb. 86).231 Einen weiteren Grand Prix erhielt sie gemeinsam mit Stanislav Libenský für eine Wand mit einzementierten zoomorphen Glassteinen mit rückseitigem Intagliorelief (Abb. 80).232 Auch ein monumentales Mosaik von 226 Palata 2008a, S. 121. 227 Kotík entwarf ein dreidimensionales Eisengerüst mit bunt bemalten Glaswänden und aufgeklebten Bleiglasscheiben, welches die gesamte Raumhöhe beanspruchte. Siehe Abbildung in: Hetteš. In: GR 8/1958, S. 14; Tvář 9–10/1958, Nr. 639, S. 277; Petrová 2001, Nr. 36, S. 50; Wasmuth 2005, Fig. 66, S. 92; Palata 2008a, S. 119. 228 Roubíčeks Installation bestand aus einer Metallkonstruktion mit montierten Glasrohlingen, Semirohlingen und fertigen Glasstücken, die angesichts der neuartigen Auffassung des Materials seine authentisch künstlerische Vision darstellte. Roubíček installierte seine Skulptur in einer großen Glasbox, in der auf mehreren Glastischchen von ihm selbst ausgewählte kleinformatige Entwürfe anderer Künstler zu sehen waren, wie die Vasen von seiner Frau Miluše oder die sandgestrahlten Teller von Ladislav Oliva Senior. Vgl. Abbildung der Teller Olivas in Ricke 2005a, Kat. Nrn. 206, 207. 229 Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 44. 230 Ladislav Ouhrabka, Lehrer an der Glasfachschule in Železný Brod, realisierte den Entwurf. Wasmuth 2005, S. 91. Er wurde mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. 231 Abgebildet in Tvář 9–10/1958, Nr. 647, S. 281; GR 1–2/1959, S. 45; Roubíček. In: GR 3–4/1959, S. 7; Santar 1961, o. S.; Pohribný. In: GR 5/1965, S. 146; Palata 2008a, S. 66. 232 Diese Arbeit wurde von eiszeitlichen Höhlenmalereien aus dem spanischen Altamira und der 1940 in Frankreich entdeckten Höhle von Lascaux bei Montignac an der Vézère mit ihren besonders schönen Tierfriesen inspiriert, die der Prager Öffentlichkeit mit einer Ausstellung in der Wallenstein-Reitschule 1949 vorgestellt wurden. Die Steine wurden von František Bielík bei
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Josef Kaplický, Leiter des Ateliers für Monumentalmalerei und Mosaik an der VŠUP, wurde in die Präsentation eingebunden233. Sein Kollege, Professor Karel Štipl, entwarf eine konservativ anmutende Glassäule, die unter Mitarbeit Jozef Soukups234 und Jiří Harcubas, den Štipl kurz darauf zu seinem Aspiranten machte, realisiert wurde.235 Die Säule bestand aus neben- und übereinander angeordneten gebogenen Glasplatten und dokumentierte in verschiedenen Szenen die Arbeitsgänge der Glasherstellung in Gravur.236 Weiterhin befand sich ein Brunnen mit Glasschalen und Glasmosaikbecken des Künstlers Adolf Benš in diesem Ausstellungsbereich237 wie auch ein monumentales Bleiglasfenster mit dem Titel „Die glückliche Familie“ im Eingangsbereich von Vladimír Sychra238. Ein anderes Fenster stellte Szenen des „Stadt- und Landlebens“ dar: eine Bäuerin mit Obstkorb, ein junges Paar, ein Jongleur, ein krähender Hahn, Vögel und blumenpflückende Kinder. Es stammte von dem etablierten Kunstprofessor Karel Svolinský (Abb. 81).239 Die genannten Arbeiten standen ausnahmslos in der Tradition des sozialistischen Realismus und liefen wenig Gefahr, inhaltlich anzuecken. Allerdings Železnobrodské sklo umgesetzt. Einige der in der Form geschmolzenen und auf der Innenseite modellierten Negativreliefs aus buntem Glas sind heute als Reproduktion ständiger Bestandteil der Abteilung „EXPO 58 Brusel“ im dritten Stock des Veletržní palác der Prager Nationalgalerie. Siehe Abbildungen in: Petrová 1989, Nr. 53, S. 80. 233 Das Mosaik erhielt eine Goldmedaille. Es bestand aus einer vertikalen Komposition, in der zwei Gruppen von drei bewegten Frauen in antikisierender Kleidung dargestellt waren, die sich jeweils um eine Glasplakette und eine Vase gruppierten. Das Thema variierte Kaplickýs Bleiglasfenster von der IX. Triennale im Vorjahr. Die Ausführung hatte Alois Kudláček bei der Mosaikhütte des ÚUŘ übernommen. Von Hand gesäumte Glassteine wurden einzeln gesetzt und mit Epoxidharz verbunden. Heute befindet sich das Mosaik im Severočeské muzeum in Liberec. Palata 2008a, S. 124. Abgebildet in: Tvář 9–10/1958, Nr. 640, S. 278; GR 1–2/1959, S. 46; Cubr/Hrubý/Pokorný. In: GR 7–8/1959, Nr. 7, o. S.; Santar 1961, o. S.; Brožová. In: GR 5/1967, Nr. 13, S. 146; Palata 2008a, S. 116/117. Zu dem Atelier siehe Kapitel 4.3. 234 Langhamer. In: GR 5/1990, S. 18. 235 Für eine Abbildung der Säule siehe Wasmuth 2010, Fig. 68, S. 93. Harcuba selbst stellte einen Teller mit einem Elch in Hochgravur (siehe Abbildung in Hetteš. In: GR 8/1958, o. S.) sowie ein poliertes Schalenobjekt aus (vgl. Abbildung der mattierten Variante in Ricke 2005a, Kat.-Nr. 48). 236 Auch dieses Exponat wurde mit einer Goldmedaille geehrt. Es lehnt sich an die Glassäule Juneks an. Siehe Abb. 53. 237 Benč leitete zu dieser Zeit die Abteilung für Architektur an der VŠUP. Mitgewirkt an dessen Konstruktion hatten sein Assistent, der Architekt Jaroslav Kadlec, und die Malerin Dana Hlobilová. Dem Brunnen wurde ein Ehrendiplom zuerkannt. Siehe Abbildung in Hetteš. In: GR 8/1958, o. S.; GR 1–2/1959, S. 45; Cubr/Hrubý/Pokorný. In: GR 7–8/1959, Nr. 8, o. S.; Wasmuth 2005, Fig. 66, S. 92; Palata 2008a, S. 66, 118. Im November 2013 zeigte das NTM den restaurierten Brunnen und die dazugehörigen Entwurfszeichnungen in einer Ausstellung zu Ehren von Dagmar Hlobilovás 85. Geburtstag. 238 Abgebildet in GR 1–2/1959, S. 45; GR 7–8/1959a, S. 3. 239 Svolinský unterrichtete von 1945 bis 1970 an der VŠUP. Realisiert wurden beide Fenster von der Glashütte des ÚUŘ in Prag unter der Aufsicht von Josef Jiřička. Vgl. Kapitel 5.2.4, Anm. 321, S. 297. Abgebildet in Hetteš, GR 8/1958, S. 1; GR 1–2/1959, S. 46; GR 7–8/1959a, S. 5; Santar 1961, o. S.; Palata 2008a, S. 119.
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verwendete Svolinský die berühmten EXPO-Farben240 für seinen Entwurf, wodurch die Bleifassung in einer gänzlich abstrakten Art aufgelockert wurde und die Darstellung surrealistisch aufgebrochen wirkte. Man referiert in diesem Zusammenhang heute auf die außergewöhnliche EXPO-Farbigkeit. Die Designelemente der EXPO 58 führten zu einer regelrechten Mode im Land und wurden in eher dekorativen Abwandlungen unter dem Schlagwort Bruselský styl zu einem dominierenden Element im tschechoslowakischen Kunstgewerbe.241 Schon zu Beginn der Vorbereitungen für die Weltausstellung, um 1955, war der sozialistische Realismus auf dem Rückzug. Hauptziel der Präsentation war es, gegenüber der Weltöffentlichkeit das vermeintlich unbeschwerte Leben der tschechoslowakischen Bevölkerung im kommunistischen Regime zu propagieren. Mit Blick auf die anderen monumentalen Werke avantgardistischer Manier hingegen sowie auf die meist gar nicht für die tatsächliche Benutzung bestimmten Vasen, Teller und Schalen der jungen Künstlergeneration bildeten diese Exponate einen markanten Gegensatz.242 Der Tschechoslowakei gelang es auf diese Weise, das Bild eines fortschrittlichen und den Freien Künsten zugewandten Staates zu präsentieren, ohne ihren Verbündeten aus dem kommunistischen Lager vor den Kopf zu stoßen. Die Weltausstellungen galten im Kalten Krieg als Ausdruck des friedlichen Wettbewerbs zwischen Nationen, die künstlerische Konfrontation als effektiver Ansatzpunkt für Kontakte zwischen Staaten mit unterschiedlichen Systemen. Da es sich bei der EXPO 58 aber auch um ein „Schaufenster der Welt“243, eine Verkaufsplattform, handelte, wurden in Brüssel neben rein künstlerisch aufgefassten Glaswerken selbstverständ240 An der Herstellung der Spezialfarben waren der Chemiker Pešek in Chřibská sowie René Roubíček beteiligt, der sie für seine Installation ebenfalls verwendete. Auch Miluše Roubičkovás Vasen und Jan Kotíks Solitär waren in den EXPO-Farben gefasst. Die Bedingungen für die Experimente waren derartig schlecht, dass mit einfachsten Werkzeugen hantiert wurde. Das flüssige Glas wurde mit einem großen Löffel über eine Eisenplatte gegossen, welche dann mit einer Grafikrollpresse mühsam per Hand bearbeitet wurde. Auch der Kühlofen musste mit einem Besenstiel geschlossen gehalten werden. Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004; Wasmuth 2005, S. 90. 241 Kirschner. In: Umění a řemesla 2/1979, S. 10/11. 242 Neben diesen monumentalen Werken präsentierte sich die tschechoslowakische Glasszene mit kleinformatigen Glasobjekten und Gebrauchsgläsern. Miloslav Klinger entwarf 45 Zentimeter hohe Tänzerinnen aus ofengeformtem Kristallglas und wurde mit einer Silbermedaille geehrt. Věra Lišková stellte sich mit einer modelgeformten und geschliffenen Fischplastik aus Rauchglas vor. Teller und Vasen mit bemalten abstrakten Motiven von František Tejml, der zeitgenössische Tendenzen der Malerei aufgriff und in einer unverwechselbaren Handschrift auf transparente Formen übertrug, wurden neben den abstrakt bemalten Hohlgläsern von Vladimír Kopecký präsentiert. Die Glasmalerei als Dekorationsmedium wurde bei diesen beiden Künstlern zum authentischen künstlerischen Anliegen. Wasmuth 2005, Fig. 69, S. 92/93; vgl. Abbildungen in Ricke 2005a, Kat. Nrn. 118, 129, 183, 272, 274, 276. 243 Marcha. In: GR 2/1958, S. 2. Für die Künstler der Tschechoslowakei bot sich hier die Möglichkeit, endlich auch für andere impulsgebend zu sein. Wasmuth 2005, S. 90.
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lich ebenfalls Gebrauchsgläser präsentiert.244 Wie die meisten künstlerischen Entwürfe für die Industrie gingen auch diese Garnituren nie in Serie. Die berühmten „Moser– Riesenschwenker“ hingegen, auch „Physiognomische Bar“ genannt, feierten in Brüssel ihre Premiere und begründeten einen langjährigen Erfolg im Sortiment der Karlsbader Hütte.245 Moser präsentierte ebenfalls Vasen mit Strukturschliff von Oldřich Lípa, die an Carlo Scarpas Battuto-Objekte für Venini & C. erinnerten.246 Nicht nur alle im Pavillon gezeigten Glasobjekte waren käuflich, auch jene im internationalen Pavillon und in den Nebenpavillons. Da den Künstlern keine Angaben über die Käufer ihrer Werke gemacht wurden, lässt sich der Verbleib der meisten Exponate heute leider nicht mehr klären.247 Der Staat erhielt die Devisen aus deren Verkauf, denn „die Exponate gehörten ja nicht den Künstlern“.248 Interessierte Käufer konnten vorab Reservierungen auf einzelne Exponate bei dem Repräsentanten von Skloexport in der Wirtschaftssektion des Generalkommissars abgeben, wo sich ebenfalls ein großer Musterraum mit Glas, Keramik und anderen Konsumgütern befand.249 Gleichzeitig lud man potentielle Handelspartner ein, die Musterräume zu Hause in Prag zu besuchen.250 Laut Ivo Digrin, seinerzeit Referent bei Skloexport, erschwerte das Regime allerdings die Kontaktaufnahme zu neuen Handelspartnern sowie die konkrete Verkaufsverhandlungen vor Ort: „Zum Beispiel auf der Weltausstellung in Brüssel, das war ein Riesenerfolg! Aber merkwürdigerweise, alle Staaten, welche dort Erfolge hatten, hatten danach ökonomische Vorteile in der 244 Maria Stáhlíková erhielt eine Goldmedaille für zwei geschnittene Glasschalen mit Liniendekor. Abgebildet in Hetteš. In: GR 8/1958, o. S. 245 Der Entwurf stammt von dem Leiter der manufaktureigenen Geschäftsstelle in Prag, František Chocholatý. Die Schwenker boten wiederholt attraktive Fotomotive anlässlich der Besuche Prominenter bei Karlovarské sklo und wurden auch in Brüssel vielfach publiziert. Siehe GR 8/1958, o. S.; Mergl/Pánková 1997, S. 196, Kat. Nr. 263, S. 232. 246 Siehe Abbildung in Mergl/Pánková 1997, S. 223. Schon 1957 arbeitete Jaroslava Brychtová in Anlehnung an die Battuto-Technik mit formgeschmolzenem Glas. Die Fotografie einer blau-grünen Vase mit zwei Henkeln, oberflächlich mit Battuto-Einschnitten dekoriert, befindet sich im UPM-Archiv. Die Vase gehört zur Sammlung des Nordböhmischen Museums in Liberec, Inv. Nr. S 2635. Für eine Abbildung siehe Ricke 2005a, Kat. Nr. 14, S. 143. 247 Wasmuth 2005, S. 102/103. Die Glasrevue berichtete lediglich, dass Roubíčeks Installation von der holländischen Firma Tomado für die Lobby ihres Verwaltungsgebäudes Tomadohuis in Dordrecht erstanden wurde. Kotíks Solitär hingegen wurde nicht verkauft, aber beim Transport zur Biennale in São Paulo im selben Jahr beschädigt. Hetteš. In: GR 9–10/1960, S. 11. 248 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Belgischen Glasgeschäfte boten zudem eine Reihe von Souvenirartikeln aus Glas, wie Vasen mit Prager Stadtansichten von Smrčková und Plátek, sowie Gläser mit graviertem Brüssel-Schriftzug von Roubíček an. 249 Freigeformte Glasfiguren von Miloslav Klinger wurden bereits im Vorverkauf erstanden (abgebildet in: Tvář 9–10/1958, Nr. 650, S. 282). Svolinskýs Bleiglasfenster wurde nach Südamerika verkauft und nicht – wie von Palata dargestellt – in Moskau präsentiert (Palata 2005, S. 105). In Moskau zeigte Svolinský ein anderes Bleiglasfenster mit dem Titel „Die vier Jahreszeiten“. Hlava. In: GR 1–2/1960, S. 23. 250 Marcha. In: GR 2/1958, S. 3.
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Welt. Die Tschechen hatten einen Riesenerfolg, bester Pavillon und so weiter, und Schluss! Es wurde überhaupt nicht ausgenutzt!“ Wasmuth: „Woran lag das?“ Digrin: „An der Blödheit der Kommunisten!“ Digrinová: „Der Regierung!“ Digrin: „Die wollten nicht, dass wir uns irgendwie mit jemandem in Zusammenhang bringen.“ 251
Verträge sollten vermutlich zentraladministrativ unter der Aufsicht von Mitarbeitern der Staatssicherheit ausgehandelt werden. Bei der Teilnahme an der EXPO ging es also offenbar in erster Linie um einen propagandaträchtigen Auftritt. Speziell zu diesem Zweck wurden auch Präsentgläser angefertigt. Kennzeichnend für diese offiziellen Geschenke war einerseits deren aufwendiger Manufakturanteil bei der Herstellung, welcher die Wertschätzung der tschechoslowakischen Regierung zum Ausdruck bringen sollte. Andererseits nutzte Skloexport die öffentlichen Übergabezeremonien als Reklame und publizierte die dort entstandenen Photos wiederholt in seinem Organ Glasrevue. Beispielhaft seien an dieser Stelle drei der zahlreichen werbewirksamen Präsentglastypen vorgestellt. Der Kommissar des Pavillons, František Adámek, überreichte Prinzessin Margaret bei ihrem Besuch des Pavillons sechs Becher mit Sternzeichendekor nach Věra Lišková. Die Gläser gefielen ihr angeblich so gut, dass sie weitere Becher käuflich erwarb, was in der Glasrevue natürlich nicht unerwähnt blieb.252 Der Entwurf stammte bereits aus dem Jahr 1947 und war von Lišková während ihres Stipendiumaufenthalts bei Stefan Rath angefertigt worden.253 1948 zeichnete das von der KSČ neu zusammengesetzte Industrieministerium diese Becher mit einem Preis aus. Sie empfahlen sich demnach von selbst als unkompromittierende Botschafter des Regimes.254 Die „Sternzeichenbecher“ zählten zu den bekanntesten Entwürfen dieser Manufaktur und wurden bis in die Gegenwart produziert, ein wahrer „Verkaufsschlager“. Bei anderer Gelegenheit erhielt der belgische König Baudouin I. aus den Händen Adámeks eine gravierte Kristallglasvase nach einem Entwurf von Pavel Hlava mit einer Allegorie der „friedlichen Zusammenarbeit der Völker“.255 Dieser Typ Präsentglas diente dazu, als Kulturdiplomat bildhaft eine außenpolitische Stellungnahme zu übermitteln. Die Überreichung einer solchen Vase an das Oberhaupt einer konstitutionellen Monarchie spiegelt die Skepsis gegenüber dieser Herrschaftsform wider, ohne taktlos zu erscheinen. Der Regierung Belgiens schenkte die tschechoslowakische Delegation hingegen eine aufwendig tiefgeschliffene Kristallschale von Roubíčková, die mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wor251 Interview mit Ivo Digrin und Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003; Wasmuth 2010, Anm. 42, S. 492. 252 Abbildung der Präsentübergabe in GR 11/1958, S. 30. Prinzessin Margaret wollte vielleicht auch einfach nur ihr Set von sechs Bechern zu den existierenden zwölf Sternzeichen komplettieren. 253 Siehe Kapitel 4.4.1, S. 218. 254 Petrová 2001, S. 33. 255 Abgebildet in Hetteš 1958, S. 59; Tvář 9–10/1958, Nr. 654, S. 283; Pešatová 1968, Nr. 107/108.
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den war (Abb. 82).256 Dieses Schalenobjekt, das die traditionelle Schlifftechnik in einen zeitgemäßen Kontext transferierte, wurde auch in den Folgejahren als Hauptgeschenk bei wichtigen Ausstellungen verwendet. Es vereinte handwerkliche Perfektion mit modernem Design und verlieh der offiziell propagierten Kulturpolitik, in der die „lebendige Tradition und fruchtbare Gegenwart257“ stets betont wurde, anschaulich Gestalt. Insgesamt gewannen tschechoslowakische Exponate bei der abschließenden Bewertung im Wettbewerb 56 Mal den Grand Prix, 47 Ehrendiplome, 35 Gold-, 18 Silberund 14 Bronzemedaillen.258 Die zeitgenössische tschechoslowakische Presse sah in der Würdigung der Exponate gleichzeitig auch eine Würdigung des sozialistischen Staates, in dem sie geschaffen wurden, und den „Goldenen Stern“ als Bestätigung seiner Ausstellungspolitik. Roubíčková: „Mein Mann bekam den höchsten Preis in der Welt, den Grand Prix, aber niemand hier hat das gewusst! In den Zeitungen fand man vielleicht eine Zeile. Man wusste, wie viele Medaillen insgesamt gewonnen wurden, aber nicht, welcher Künstler sie für welche Arbeit erhielt. In den tschechischen Zeitungen schrieb man sehr wenig darüber. Die Namen der Künstler wurden kleingehalten. Wichtig war, dass die Gesamtschau, der Pavillon einen Grand Prix erhielt, das Restaurant, Laterna Magica. Später wurde es leichter, weil die Künstler von der positiven Propaganda profitierten.“259
Tatsächlich wies beispielsweise die Parteizeitung Rudé právo mit keinem Wort auf den Erfolg einzelner Künstler260, sondern ausschließlich auf jene Ehrungen hin, welche für die Gesamtarchitektur und das Restaurant Praha verliehen wurden.261 Die Leistung des 256 Zum einen war die Schale in der Übersichtsvitrine gemeinsam mit Arbeiten anderer Künstler ausgestellt, dann erneut im Zusammenhang mit der Installation ihres Mannes René Roubíček. Als Repräsentationsgeschenk wurde diese in einem mit weißer Seide ausgeschlagenen roten Lederkasten überreicht. In Widerspruch zu den offiziellen kulturpolitischen Richtlinien hatte sich Roubíčková bei dem Entwurf dieser Schale von den gotischen Diamantgewölben des Klosters im südböhmischen Bechyně inspirieren lassen, was den Organisatoren aber vermutlich unbekannt war. Die Künstlerin selbst erfuhr nur zufällig von einem „Bekannten“ von diesem Ereignis, während sie als Autorin bei der feierlichen Übergabe ungenannt blieb. Bei der Moskauer Ausstellung im folgenden Jahr wünschte sich Chruščëv persönlich eine Schale aus dieser Serie, nachdem er die ihm zuvor angebotene Vase als „zu unmodern“ abgelehnt hatte. Interview mit Miluše Roubičková, Prag, 02.02.2004. 257 GR 2/1976, S. 13. 258 Kramerová/Skálová 2008a, S. 85. Auf die Glaskünstler entfielen davon zweimal der Grand Prix, vier Diplome, drei Gold- und zwei Silbermedaillen. Petrová 2001, S. 50. 259 Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. 260 Vgl. Rudé právo, 03.09.1958, Titelseite. 261 Das Restaurant Praha wurde im Anschluss an die Weltausstellung nach Prag gebracht, wo es als „Denkmal für die hervorragende Leistung der Republik“ im Letná Park wieder aufgebaut wurde. Bis 1992 diente es als Ausflugslokal. Nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen ist es heute Sitz einer Werbeagentur. Wasmuth 2005, S. 103.
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Kollektivs erhielt überdimensionale Anerkennung262 gegenüber jener der beteiligten Künstler und Architekten, die – wenn überhaupt – ausnahmslos im Kontext ihrer beruflichen Einbindung in das planwirtschaftliche System geehrt wurden.263 Bei den Abbildungen dominierte Gebrauchsglas; die großen Glasskulpturen von Kotík und Roubíček sowie rein bildhauerisch aufgefasste Glasobjekte wurden vergleichsweise selten abgedruckt. Prinzipiell bedeutete der gut besprochene Auftritt in Brüssel allerdings eine Bestätigung des Erfolges tschechischer Glaskünstler in Mailand und die Verifikation ihrer kühnen Idee, eine unbekannte Richtung im Glasschaffen einzuschlagen. Viele Zeitzeugen halten die EXPO 58 demnach retrospektiv für ein entscheidendes Ereignis264, denn ihre Konzeption wurde zur dauerhaften Grundlage für die Beteiligungen an einer Reihe bedeutender internationaler Glaspräsentationen. Im Jahr 1959 organisierte das Corning Museum of Glass im Bundesstaat New York unter dem Titel „Glass 1959“ und unter Mitwirkung des Art Institute of Chicago, des Metropolitan Museum of Art in New York, des Toledo Museum of Art und des Carnegie Institute in Pittsburgh eine Sonderausstellung internationalen Glases der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, deren Schwerpunkt jedoch auf dekorativem Glas und Tafelglas aller Herstellungstechniken lag. Die Ausstellung wanderte bis Ende 1960 in alle genannten Partnermuseen. Mit 23 Teilnehmerländern war dies die erste internationale Ausstellung überhaupt, welche ausschließlich Glas zeigte. Ziel der Ausstellung war es, eine Übersicht des zeitgenössischen Glasschaffens weltweit zu zeigen.265 Insgesamt wurden 1.814 Entwürfe eingereicht, von denen jedes Mitglied der fünfköpfigen Jury 100 Objekte auswählte.266 Die so zusammengestellten 282 Exponate sollten zum Vergleich einladen, wobei die Veranstaltung erst in zweiter Linie als Wettbewerb betrachtet wurde. Die Aufgabe der Jury bestand nicht in einer Bewertung der Exponate, sondern im Aufzeigen der unterschiedlichen stilistischen Bewegungen und künstlerischen Richtungen der aktuellen Glaskunst im internationalen Wirkungskreis.267 Für die tschechoslowakische Seite war diese Ausstellung eine Möglichkeit, sich der amerikanischen Öffentlichkeit vor Ort zu präsentieren. Die Auswahl der Vorschläge an die Jury wurde seitens der ÚVS sorgfältig getroffen.268 Um kein Risiko einzugehen, be262 Der Glashütte Karlovarské sklo wurde für ihre Brüsseler Leistung 1959 der Orden der Arbeit vom Ministerium für Konsumgüterindustrie verliehen. Mergl/Pánková 1997, S. 204. 263 Vgl. Kapitel 5.1.3, S. 249. Jindřich Santar erhielt stellvertretend für sein Team einen Staatspreis. Palata 2005, S. 104. 264 „Brüssel hat uns den Zugang zur Welt geöffnet!“ Interview mit Jiřina Žertova, Prag, 29.06.2003. „Die Ausstellung war dann eine Weltsensation! Eine Überraschung für die Welt!“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 265 Wasmuth 2005, S. 94. 266 Buechner/Saldern 1959, Preface. Die Jury setzte sich zusammen aus Leslie Cheek, Edgar Kaufmann, Russell Lynes, George Nakashima und Gio Ponti. 267 Ebenda, S. 32. Mit 28 Exponaten erzielte die Tschechoslowakei den vierten Rang hinter der BR Deutschland, Schweden und Italien. Arnošt/Drahotová/Langhamer 1985, S. 46; Klasová 2002, S. 47; Palata 2008b, S. 279. 268 Mergl/Pánková 1997, S. 204.
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standen die ausgesuchten Exponate der tschechischen Glaskünstler zum Großteil aus Variationen ihrer Mailänder und Brüsseler Beiträge, die sich dort ja sehr bewährt hatten. So präsentierte Ladislav Oliva Senior erneut sandgestrahlte Teller, René Roubíček eine ofengeformte Vase, Věra Lišková einen geschliffenen blaugrünen Glasfrosch in Anlehnung an einen Fisch, den sie bei der EXPO 58 gezeigt hatte, Jan Kotík seine abstrakt gravierten Vasen, Vladimír Jelínek seine Trinkglasgarnitur mit Pantogravur, František Tejml eine seiner mit einer Schlange bemalten Vasen (Abb. 83) und Oldřich Lípa Vasen mit Strukturschliff. Václav Cigler stellte seine in kleiner Serie gravierte Schalenvase aus Brüssel erneut aus, die später nicht mehr präsentiert werden konnte. Diese Vase in untypisch in Ciglers Œuvre (Abb. 84). Sie wurde noch bei der Präsentation in Moskau im selben Jahr und dann nicht mehr ausgestellt.269 In einem seltenen Fall offizieller Zensur kritisierte Ludmila Jankovcová, Ministerin für Ernährung und Lebensmittelindustrie sowie stellvertretende Ministerpräsidentin, dieses Exponat als „Beleidigung der tschechischen Frau“ und verbat sich dessen weitere Präsentation bei Ausstellungen.270 Insgesamt erhielt der tschechoslowakische Beitrag drei Anerkennungen, alle – so die offizielle Darstellung – für den Betrieb Karlovarské sklo, respektive also dessen Formgestalter Věra Lišková, František Chocholatý und Oldřich Lípa.271 Stanislav Libenskýs Glasskulptur „Kopf I“ mit eingeschlossenem Gesicht hingegen wurde nicht explizit geehrt, obgleich ihre neuartige Technologie der Formschmelze auf Begeisterung stieß (Abb. 85).272 Alle Exponate waren – ungewöhnlich für eine Museumsveranstaltung – käuflich zu erwerben. Der Anhang des Begleitkatalogs listete die Preise und Distributoren, im Falle der Tschechen den Skloexport-Partner Eugene Fleischner am Broadway.273 Der von den Organisatoren gewünschte positive Effekt der Teilnahme stellte sich sofort ein, denn er führte zu den ersten Ankäufen tschechischer Glaskunst durch das Corning Museum of Glass nach 1945274, womit deren künstlerische Qualität formal anerkannt
269 Siehe Abbildung in Ricke 2005a, Kat. Nr. 22, S. 147. 270 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Vladimír Jelínek, Ausgabe 16/2007 im Fórum S der glassrevue.com, URL: (Stand 04.11.2013). Die Vase wurde allerdings schon zuvor bei der Weltausstellung in Brüssel und der Moskauer Glaspräsentation unbeanstandet gezeigt. 271 Die Froschskulptur Liškovás wurde ausgezeichnet, die erwähnten „Moser–Riesenschwenker“ wie auch Lípas Vasen. Vgl. Abbildungen in Mergl/Pánková 1997, Kat. Nrn. 243, 245, 252, S. 223, 226. 272 Abgebildet in Buechner/Saldern 1959, Kat. Nr. 28. Die Skulptur wurde im selben Jahr auch in São Paulo und Moskau gezeigt. 273 Die Cigler-Vase (fälschlicherweise als „Cizler“ angegeben) wurde mit 300 USD, Libenskýs Skulptur mit 350 USD, die Kotík-Vase (Kat. Nr. 23) mit 500 USD veranschlagt. Das teuerste Exponat hingegen war eine mit tanzenden Ballerinen gravierte Vase von Pavel Hlava (Kat. Nr. 15), die 600 USD kosten sollte. 274 Corning kaufte die ausgestellten Vasen von Václav Cigler (Kat. Nr. 26 – siehe Abb. 84), Antonín Drobník (Kat. Nr. 42), Pavel Hlava (Kat. Nr. 16), Jan Kotík (Kat. Nr. 32), Ludvika Smrčková (Kat. Nr. 31) und František Tejml (Kat. Nr. 40) an. Siehe auch Abbildung in Ricke 2005a, Kat. Nr. 22, S. 147; Kat. Nr. 65, S. 175; Mergl/Pánková 1997, Nr. 241, S. 222.
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wurde. Direktor Thomas S. Buechner erinnerte sich an seine erste Reaktion beim Auspacken der Transportkisten: „We knew nothing about glassmaking in Czechoslovakia (in fact, we lumped the great tradition of Bohemian glassmaking with Germany’s in our permanent exhibition!). As the anticipated crates from behind a very hostile Iron Curtain arrived – and there were many – we were amazed. It was like receiving household goods from another planet. Twenty-eight pieces from Czechoslovakia were selected, as compared with thirty from Italy and thirty-five from Sweden [den damals wichtigsten Glasnationen]. All at once, there was a major new player on the contemporary scene.“ 275
Während diese erste Ausstellungsstation in Corning eine zweijährige Tour des tschechischen Glas durch Amerika einleitete, kam schon im Februar 1959 eine offizielle Anfrage aus Moskau, kurzfristig eine umfangreiche Ausstellung mit tschechischem Glas für die Sommermonate desselben Jahres in der sowjetischen Hauptstadt vorzubereiten. Es sollte die größte jemals organisierte Glasausstellung für die Tschechen werden. Die Idee für ihre Ausrichtung war allerdings nicht allein vom bilateralen Kulturaustausch zwischen den befreundeten Ländern motiviert276, sondern sie stand in direktem Zusammenhang mit der am 25. Juli desselben Jahres im Sokol’niki Park eröffneten „American National Exhibition“. Diese Ausstellung war dafür konzipiert, der sowjetischen Öffentlichkeit das Leben in den USA näherzubringen.277 Nun war von staatlicher Seite zu befürchten, dass der erwartete Vergleich zwischen dem amerikanischen Lebensstil und der russischen Realität, für die noch immer ein Mangel an Konsumgütern charakteristisch war, zugunsten der Gegenseite ausfallen würde. Eiligst wurde eine Reihe von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen in Moskau organisiert.278 Um exemplarisch die hochkarätigen kulturellen Leistungen des Ostblocks aufzuzeigen, sollte die tschechoslowakische Schau die amerikanische Präsentation überstrahlen und ein zusätzliches Gegengewicht schaffen. Das Vertrauen in das tschechoslowakische Ausstellungswesen war so stark, dass man nicht einmal inhaltliche Leitlinien vorgab und 275 Buechner 1994, S. 9; Petrová 2001, S. 54, Wasmuth 2005, S. 94. 276 Im Vorjahr wurden in drei Städten der DDR künstlerisch gestaltete Gläser aus der Tschechoslowakei in der Wanderausstellung „Modernes Glas der ČSSR“ gezeigt. Das Ministerium für Schulwesen und Kultur hatte diese Schau organisiert. In der DDR-Fachpresse wurden die Exponate rigoros verrissen: „Sie sind ein Beweis dafür dass Artistik gewordenes Handwerk zur Vergewaltigung des Materials und der Form führt.“ (Müller, E. In: FuZ 1960, S. 104) Die Präsentation ließ sich nicht in Einklang bringen mit der Prämisse des sozialistischen Realismus, die hier viel stringenter als im Nachbarland durchgesetzt wurde. Wasmuth 2010, S. 496/497. 277 Umgekehrt sollte eine National Russian Exhibition, die parallel in New York stattfand, den Amerikanern die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaft vermitteln. Anlässlich Nixons Besuch der Moskauer Ausstellung fand die berühmte „Küchendebatte“ statt. Reid 2008, S. 154/155. 278 Dazu zählten ein internationales Filmfestival, eine Spartakiade der Menschen der UdSSR und die Gesamtstaatliche Ausstellung der Erfolge der UdSSR, für die allein 70 neue Pavillons erbaut wurden. Palata 2005, Anm. 3, S. 111.
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scheinbar unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stellte.279 Lediglich der 1. August als Eröffnungstermin und die Manège280 als Veranstaltungsort wurden festgelegt.281 Die Tschechen hatten weniger als drei Monate Zeit, um die Ausstellung „Tschechoslowakisches Glas“ zu organisieren.282 Die Umsetzung dieser Anfrage übertrug das Industrieministerium erneut Jindřich Santar und sie wurde von Präsident Antonín Novotný und dem russischen Botschafter in Prag persönlich überwacht. Aufgrund des engen Zeitrahmens entschied sich Santar, die Ausstellung ausschließlich mit Glasexponaten zu bestücken.283 Anfänglich gab es Zweifel an dieser monothematischen Ausrichtung. Santar hielt dagegen, der „Reichtum der tschechoslowakischen Glasproduktion“ erlaube eine vielschichtige Ausstellung mit thematischen Schwerpunkten, die eine interessante Geschichte erzählen könne.284 Sein Konzept bot einen umfangreichen Überblick aller in der Tschechoslowakei produzierten Glaswaren und produzierenden Glasbranchen.285 Diesmal wurde der ideologisch-korrekte Schwerpunkt aber auf kollektive Leistung gelegt, denn die gesamte Präsentation fungierte als politisch gefärbter Kommentar. Roubíček: „Unsere Ausstellung sollte so groß sein, damit die Amerikaner in den Hintergrund treten. Bei der Eröffnung stand meine Skulptur im Eingangsraum. Dort stand ich gemeinsam mit dem Architekten Santar, der auch schon für Brüssel verantwortlich war. Dann kam unser 279 Die vorläufige Schätzung der Kosten für die Ausstellung belief sich auf 7.200.000 CZK. Die Kosten wurden anteilig vom Ministerium für Bildung und Kultur, vom Industrieministerium und dem Nationalkomitee übernommen. Zmeškalová 2012, Anm. 93, S. 33. 280 Die klassizistische Ausstellungshalle, eine ehemalige Offiziersreitschule, befand sich in zentraler Lage, ganz in der Nähe des Kremls. Sie brannte am Abend der russischen Präsidentschaftswahlen am 14. März 2004 nieder, konnte aber schon ein Jahr später saniert wiedereröffnet werden. Aktuell ist in der Manège eine Dauerausstellung über russisches Design aus den 1950er bis 1980er Jahren zu sehen. Wikipedia, Stichwort „Manege Moskau“, URL: (Stand 04.11.2013). 281 Palata 2005, S. 104. 282 Rückl. In: GR 1–2/1960, S. 19. 283 Ebenda. Wie schon in Brüssel betraute Santar Zdeněk Šputa mit der künstlerischen Gestaltung. Jan Danielis, damals stellvertretender Direktor von ÚBOK, stellte in der Glasrevue die kollektive Leistung heraus, die zum Gelingen der Ausstellung führte: „Dozens of artists designed hundreds of remarkable works of art and glass-makers executed their designs with great enthusiasm as they were able to show the work of their nation. […] The days and nights spent at the exhibition everybody considered as his patriotic duty.“ Danielis. In: GR 1–2/1960, S. 12. 284 „For it was not our intention to arrange a glass fair, but to install an artistic and thematic exhibition. We held to the axiom that the less there is the better, stressing quality rather than quantity, so that the visitor would not be overwhelmed and exhausted by quantity, but that his attention would be caught by special exhibits enabling him to follow easily the theme of the exhibition.“ Santar. In: GR 1–2/1960, S. 14. 285 Beinahe zwei Drittel der zahlreichen künstlerischen Arbeiten wurden schon auf der Mailänder Triennale 1957, der Weltausstellung in Brüssel und der Biennale in São Paulo gezeigt. Rückl. In: GR 1–2/1960, S. 19.
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Präsident Novotný und gab uns die Hand. Er fragte, ‚Haben Sie schon die Prawda gelesen? Dort steht, dass wir besser sind als die Amerikaner!‘ Die Russen haben nicht an der Kunst Interesse gehabt.“286
Im kommunistischen Verständnis war der Prozess des künstlerischen Entwerfens demjenigen von Ausführung und Bearbeitung absolut ebenbürtig. Entsprechend wurden die Namen der Gestalter anonymisiert und eine Dokumentation präsentiert, welche die durch das sozialistische Regime beendete Ausbeutung der Glasmacher und die Unterdrückung der tschechoslowakischen Nation in der Vergangenheit veranschaulichen sollte.287 Für die annähernd 6.000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche, deren Innenarchitektur wiederum von dem Bühnenbildner František Tröster in Abstimmung mit Josef Svoboda übernommen wurde288, wählte Santar gemeinsam mit Karel Hetteš als Berater einige Monumentalarbeiten von der EXPO 58 als zentrale Bezugspunkte aus (Abb. 86).289 Eine neue Installation von René Roubíček versahen Organisatoren mit dem anschaulichen Titel „Baum der Glasindustrie“ (Abb. 87).290 Es schien gerechtfertigt, die Präsentation dieser abstrakten Skulptur als Darstellung heimischer Produktionskünste zu titulieren, denn neben kulturinteressierten Besuchern zog die Ausstellung viele Funktionäre an291, die potentiell massive Einwände gegenüber dieser Art Exponat hätten äußern können. Aber auch andere neue großformatige Objekte wurden in die Liste der Exponate aufgenommen. Eine riesige Glaswand mit geätzten Motiven begrüßte die Besucher am Eingang der Manège, das in figurativer Manier ein fiktives Zusammentreffen der beiden Staatsoberhäupter Chruščëv und Novotný darstellte.292 Das Werk symbolisierte linien286 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 287 Santar. In: GR 1–2/1960, S. 16. 288 Tröster konzipierte beispielsweise originelle Innenwände, die aus tausenden zusammengeklebten Glasflaschen aufgebaut waren oder auch einen Triumphbogen aus Weihnachtskugeln. Svoboda war für den Ausstellungsbereich des historischen Glases verantwortlich. Hlava. In: GR 1–2/1960, S. 23. 289 Dazu zählten das Mosaik Kaplickýs, der Brunnen von Benš, das „Glasuniversum“ des Teams um Brychta und die zoomorphen Steine von Brychtová und Libenský. 290 Dieser „Baum der Glasindustrie“ hatte im Grund nichts mit dem Titel gemein. Es handelte sich eigentlich um eine Stahlkonstruktion, die mit diversen von den Borské sklo-Studios ausgeführten Glassegmenten bestückt war. Im Sommer 2002 wurden Teile dieses Moskauer Exponats im Muzeum skla a bižutérie in Jablonec gefunden. Es gab die Restaurierung der Skulptur bei Roubíček in Auftrag, musste den Auftrag allerdings bald aus finanziellen Gründen zurückziehen. Der Künstler stellte die Plastik dennoch 2004/05 fertig, da die Finanzierung nachträglich von der NG und der Stiftung Museum Kunstpalast in Düsseldorf gesichert werden konnte. Im Frühling 2005 wurde Roubíčeks Werk im Rahmen der Wanderausstellung „Czech Glass 1945–1980, Design in an Age of Adversity“ in Düsseldorf und nach zwei Stationen in Amerika auch im dänischen Kolding und schließlich in Prag präsentiert. 291 Petrová 2001, S. 55. 292 Palata 2005, S. 105.
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treu den politischen Handschlag der beiden Staaten. Svolinský stellte ein Bleiglasfenster mit den vier Jahreszeiten als Sujet aus.293 Gewagter waren die Entwürfe von Ladislav Oliva Senior, der ein Glasmosaikfenster präsentierte294 sowie von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová. Das Künstlerpaar stellte neben der in Brüssel prämierten Arbeit „Storchenvögel“ (Abb. 86) ein 4 Meter hohes monumentales Glasbild, das aus genannten Gründen ebenfalls mit dem allgemein verständlichen Titel „Feuer und Glas“ versehen wurde, und die rein bildhauerisch aufgefasste Skulptur aus der Serie „Kopf I“ (Abb. 85) aus.295 Miloslav Klinger präsentierte ofengeformte Tänzerinnen und Pelikane, die etwa einen halben Meter hoch waren.296 Zahlreiche Beispiele von historischem Glas und Gebrauchsgläsern ergänzten die Ausstellung. Wann immer es sich allerdings um künstlerisch gestaltete Gläser handelte, wurden ihnen „sicherheitshalber“ ausführliche Beschreibungen der verwandten Techniken oder Glaskomposita und damit der Anschein eines reinen Musterstücks gegeben. Santar ergänzte die Schau um interaktive Installationen. Neben einem verspiegelten Irrgarten, einer gigantischen Sanduhr, einer Schaufenster-Kontaktlinsenmanufaktur und einer scheinbar typischen Wohnung, deren Küchenglas- und Dekorationsglaselemente hinter halbdurchlässigen Spiegeln wie von Zauberhand verschwanden, gab es auch eine pantomimische Performance.297 Außerdem waren Graveure vor Ort, die ihr Handwerk zeigen sollten. Hubert: „In Moskau, dort waren auch Graveure von uns gewesen. Der [Alfred] Lorenc und [Václav] Horáček. Die haben dort die Gravur vorgeführt.“298
Wie erhofft, war die Ausstellung „Checoslovatzkoye styeklo“ ein großer Publikumserfolg. Sie erhielt viel Aufmerksamkeit in der sowjetischen Presse, welche nicht müde wurde zu betonen, sie habe die „American National Exhibition“ allein aufgrund der Anzahl ihrer Besucher in den Schatten gestellt.299 Tatsächlich hatten die Besucherzahlen der amerikanischen Präsentation mit 2.700.000 die der Tschechoslowakei mit etwa 1.500.000 weit übertroffen.300 Als Chruščëv anlässlich seines Besuchs der Ausstellung feststellte, er sei von beinahe allem Gesehenen begeistert, denn „Eure [...] Künstler sind 293 Hlava. In: GR 1–2/1960, S. 23. Das Fenster wurde in der Glashütte des ÚUŘ in Prag hergestellt. Vgl. Kapitel 5.2.4, S. 297. 294 Abgebildet in Pohribný. In: GR 5/1965, S. 148. 295 In der Sammlung der Steinberg Foundation befindet sich ein Modell für „Feuer und Glas“, Inv. Nr. SF 929, abgebildet in: Ricke 2005a, Kat. Nr. 164, S. 245. 296 Siehe Abbildung in Langhamer 2002, Nr. 167, S. 172 (fälschlich auf 1960 datiert). In der Weihnachtsausgabe der Glasrevue von 1960 bot Skloexport die Pelikane in einer Werbekampagne zum Verkauf an. GR 11–12/1960, o. S. 297 Palata 2005, S. 106. 298 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003. 299 Russische und tschechoslowakische Tageszeitungen und Radiosender berichteten vielfach. In einem Dokumentarfilm sei die lange Schlange vor dem Eingangsportal zu sehen gewesen, in der die Menschen stundenlang auf Einlass warteten. Palata 2005, S. 110; Palata 2008b, S. 281. 300 Anzahl U.S.A.: Reid 2008, S. 160; Anzahl Tschechoslowakei: Zmeškalová 2012, S. 34.
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wahre Zauberer“301, schienen die tschechoslowakischen Funktionäre trotzdem ihr Ziel erreicht zu haben: Diese überschwängliche Bemerkung manifestierte seine Autorisierung der Präsentationskonzeption und kündigte die förmliche Absegnung der zahlreichen Teilnahmen von tschechischen Glaskünstlern an internationalen Ausstellungen der folgenden Jahre an.302 Zwar wurde die Moskauer Glaspräsentation bislang in kunsthistorischen Veröffentlichungen weitestgehend ignoriert, aber da alle Exponate nach Deinstallation ins Severočeské muzeum nach Liberec gebracht wurden, wo sie 1960 erneut ausgestellt wurden und dann den Grundstock der Sammlung modernen Glases bildeten, konnten diese wiederholt publiziert werden.303 Die Entscheidung für diese Überführung hatte eine interministerielle Kommission gefällt.304 In den Jahren 1959 und 1960 liefen parallel eine Reihe kleinerer Ausstellungen tschechischen Glases in Bukarest, Belgrad, Dijon, Monte Carlo305, Rio de Janeiro, São Paulo, Bombay, New Delhi, Colombo und Kairo. Die allgemeine Stimmung des Tauwetters entkrampfte das Ausstellungswesen nun spürbar und die Akteure waren vielbeschäftigt. Auslandsauftritte wurden mit beinahe selbstverständlicher Routine geplant. Glaskünstler waren intensiv in die Organisation eingebunden. So kuratierte René Roubíček306 die drei indischen Präsentationen und die Schau in Ägypten eigenverantwortlich. Roubíček: „Ich war Kommissar für diese Wanderausstellung durch Indien und hielt mich ein Vierteljahr dort auf. Dann musste ich aufgrund der Vorbereitungen für Moskau zurückkehren und flog zurück, obzwar man gerne eine weitere Station gezeigt hätte. Etwas später war ich dann erneut Kommissar für eine Ausstellung in Kairo. Ich besuchte die Pyramiden, aber es blieb nicht genug Zeit, um auch nach Luxor zu fahren.“ 307 301 P. [Kürzel]. In: Rudé právo, 06.09.1959, S. 5; GR 11–12/1959, S. 11, siehe auch Anm. 256, S. 374. 302 Palata 2005, S. 109; Wasmuth 2010, S. 496. 303 Die bislang einzige Publikation, die sich mit der Moskauer Ausstellung befasste, war Oldřich Palatas Aufsatz „Czechoslovak Glass: A Subtle Weapon in the Superpowers’ Ideological Struggle, The Czechoslovak Glass Exhibition, Moscow, 1959“ (Palata 2005), welche bedauerlicherweise versäumte, näher auf einzelne Akteure und die zahlreichen Exponate einzugehen. Palata vermittelte immerhin einen generellen Überblick über die politische Dimension der Schau und machte so Informationen zugänglich, die vielen Sachkennern bislang unbekannt waren. 304 Zmeškalová 2012, S. 31. 305 Für diese Ausstellung schuf Roubíček die Installation „Le Compagnon“. „Sie war im Garten des Palastes ausgestellt. Ich war eingeladen, Rainier zu besuchen und im Palast zu wohnen. Ich erhielt jedoch keine Genehmigung. Viele Zeitungen haben Fotos gemacht. Der Direktor von Glassexport hat mir alle Kritiken vorgelesen und gesagt, es sei nicht so wichtig, zum Fürsten zu fahren.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 306 Roubíček hatte bereits 1946 Erfahrung als Ausstellungsorganisator gesammelt, als er die Schau anlässlich des neunzigjährigen Bestehens der Glasfachschule in Kamenický Šenov sehr erfolgreich kuratierte. Siehe Kapitel 4.2.1, S. 163, und Kapitel 5.1.4, S. 253. 307 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004.
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Anlässlich der XII. Triennale di Milano 1960 muss den Verantwortlichen klar geworden sein, dass es für einen nachhaltigen Erfolg des neuen Produktionsprogramms nicht ausreichte, nur auf Glasexponate zu setzen. So wurde anders als bei der Triennale 1957 eine ergänzende Kollektion diverser Ausstellungsstücke vorbereitet, die als eigenständiger Beitrag zum aktuellen Gebrauchsdesign verstanden werden sollte. Beim Glas dominierten, anders als 1957, Farben308, zumal diese international verstärkt in die Formgestaltung einkehrten. Den Auftritt kuratierten Miroslav Mičko, Karel Peroutka, Emanuel Poche und der Architekt Ivan Sova, während ÚBOK zum Hauptorganisator bestimmt wurde. Wie Roubíček bei den Ausstellungen in Indien und Ägypten wurde nun der Künstler Jan Kotík zum tonangebenden Mitglied der Auswahlkommission. Er erarbeitete auch die Ausstellungskonzeption.309 Seine Grundidee lag in einer Betonung des künstlerischen Wertes von „Glasprodukten in der Wohnkultur“. Kotík teilte die Exponate in drei Gruppen ein. Die erste Gruppe umfasste Objekte, die während der vergangenen drei Jahre entstanden und bereits bei anderen Ausstellungen präsentiert worden waren. Die zweite Gruppe bestand aus neuen Arbeiten, welche vom ÚUŘ eigens für diesen Zweck bemustert wurden. In einer dritten Gruppe stellte Kotík diverse Objekte des Glas-, Porzellan-, Textil- und Lampendesigns zusammen, die bei einem anonymen Wettbewerb des Ministeriums für Konsumgüterindustrie ausgewählt worden waren.310 Nach den Erfolgen der letzten Jahre waren sich die Organisatoren der öffentlichen Erwartungshaltung und kritischeren Beurteilung des Fachpublikums bewusst. Die Ausstellung wurde weit im Voraus sorgfältig vorbereitet. Unikate wurden Seite an Seite mit seriell gefertigten Gebrauchsgläsern in von Eugen Jindra gestalteten Räumen präsentiert.311 Hlaváčková: „Die Regierung wollte, dass die Leute dachten, dass diese Dinge alle produziert würden, obwohl sie nur Prototypen waren.“312
Sova hielt das Design der Ausstellungsräume schlicht.313 Anders als bei der letzten Triennale wurden die Exponate nicht in phantasievoll gestalteten Vitrinen und Schaukästen, sondern in Gruppen auf niedrigen Schaupodesten und in ihrer natürlichen Umgebung präsentiert (Abb. 88). Zu diesem Zweck entstanden wirklichkeitsnahe Interieurs, in de308 Im Begleitkatalog waren mehr als 100 der insgesamt 151 aufgelisteten Exponate aus farbigem Glas. Wasmuth 2005, Anm. 44, S. 103. 309 Andere Jurymitglieder waren Václav Pelíšek (Stellvertretender Minister für Bildung und Kultur), František Zapletal (Stellvertretender Minister für Konsumgüterindustrie), Jiří Včelák (Industrieminister), Otto Eckert (Professor an der VŠUP), Bohumil Felcman (Assistent an der AVU), Jindřich Chalupecký (ÚBOK), Miroslav Jiránek und Jan Vaněk (SČSVU), Miroslav Morávek (Direktor von ÚBOK), Jan Danielis (stellvertretender Direktor von ÚBOK), Jozef Soukup (Assistent, VŠUP) und Raoul Trojan (ÚUŘ). 310 Novákova P. 2012, S. 114. 311 Danielis. In: Tvář 12/1961, S. 13. 312 Interview in: Oldknow 2005, S. 68. 313 Nachdem Trösters Installation bei der XI. Triennale scharf kritisiert wurde, wollte man bewusst auf Einfachheit setzen. Kotík. In: GR 11–12/1960, S. 3.
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nen beispielsweise fertig gedeckte Tische aufgebaut waren.314 Die Trinkgläser, Karaffen, dekorativen Vasen und Teller waren von Vladimír Jelínek, Karel Wünsch und Kotík selbst entworfen worden. Eine Trinkglasgarnitur Adolf Maturas wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Aber auch Kammerobjekte aus Glas wurden präsentiert, so wie die Vase mit eingestochenen Seiten von Pavel Hlava.315 Von René Roubíček waren Fantasiegestalten aus geblasenem Glas unter Titeln wie „Schreitender Kohlrabi“, „Sputnik“ oder „Märchenhafte Figur“ ausgestellt, die er selbst nicht vorgesehen hatte.316 Vermutlich vergaben die Organisatoren diese bildhaften Namen, um den potentiell als zu abstrakt empfundenen Figuren eine vermeintlich lesbare Bedeutung zu geben.317 Insgesamt wurden drei Glasexponate mit Goldmedaillen ausgezeichnet, alle aus dem Konsumgüterbereich.318 Eine davon erhielt Adolf Matura für seine vielfach publizierte Flasche mit Trinkglas, das sich auf den Kopf gestellt in den Hals der Flasche einfügen ließ (Abb. 89).319 Bei der XII. Mailänder Triennale kristallisierte sich zum ersten Mal deutlich der Widerspruch zwischen der aktuellen industriellen Formgebung und künstlerisch gestalteten Unikaten heraus. Rudolf Bušta, Generaldirektor der Genossenschaft der Gebrauchsglasunternehmen in Nový Bor, stellte anlässlich einer Diskussion über die Ergebnisse der Teilnahme fest, dass diese Art exklusiver Entwürfe „ökonomisch und kommerziell uninteressant“ seien und stellte damit deren Existenzrecht in Frage.320 Die Debatte veranschaulicht die schwierige Situation der Glasgestaltung an der Wende zum neuen Jahrzehnt. Sie erhellte den Umstand, dass die Produktionsanlagen noch immer auf die traditionelle Glasherstellung ausgerichtet und nur begrenzt der Umsetzung moderner Tendenzen gewachsen waren. Gleichzeitig bewies die rasche Abfolge von Auslandspräsentationen das Existenzrecht dieser innovativen Designs. Dies erwies sich als entscheidend für die günstige Entwicklung der tschechischen Glaskunst während der 1960er Jahre: Die Schwerfälligkeit der Funktionäre in den Glasbetrieben drängte die Gestalter regelrecht dazu, ihre Kreativität auf ein anderes Aufgabenfeld zu richten, die Herstellung 314 Siehe Abbildungen der Installation: Trajan. In: Uměni a řemesla 1/1961, Nr. 2, S. 4, und Nr. 14, S. 9. 315 Abgebildet in Ricke 2005a, Kat. Nr. 66, S. 176. 316 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004; Wasmuth 2010, S. 507. Für Abbildungen siehe Hetteš. In: Tvář 4/1966, Nrn. 267–275, S. 117. 317 Im tschechoslowakischen Begleitkatalog zur Ausstellung wurden Roubíčeks Skulpturen erst gar nicht aufgeführt. 318 Eine wurde dem sandgestrahlten Teller von Ladislav Oliva Senior zuerkannt (abgebildet in Ricke 2005a, Kat. Nr. 207, S. 275) und ein weitere ging an Dagmar Kudrová, die zum ersten Mal an einer Auslandsausstellung teilnahm, für ein Trinkglasservice. Maria Stáhlíková wurde für ihre Trinkgläser von Moravské sklárný in Květná mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Abgebildet in Mičko. In: GR 2/1961, Nr. 4, S. 46 (Kudrová), und Nr. 2, S. 45 (Stáhlíková). Wasmuth 2010, S. 95. 319 Die Sets wurden ab 1966/67 tatsächlich von ÚBOK vermarktet. Vgl. Ricke 2005a, Kat. Nr. 188, S. 263. 320 Bušta. In: Tvář 12/1961, S. 5.
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von Werken abstrakter Prägung, welche sich zunehmend vom Diktat der Funktionalität lösten.321 Viele Glaskünstler wurden in diesen Jahren freischaffend tätig. Ihre Teilnahme an großen Ausstellungen weckte im Ausland zunehmend Interesse. Der New Yorker Museumsdirektor Paul Smith besuchte 1963 Prag, wo er die Möglichkeit erkunden wollte, eine Präsentation der ihm aus Mailand bekannten spitzengewirkten Bilder von Ljuba Krejčí322 und moderner tschechischer Glasarbeiten für sein Museum zu organisieren. Im Folgejahr kuratierte er eine mit Krejčí-Spitzen kombinierte Zwei-Staaten-Glasausstellung im Museum of Contemporary Crafts, in der insgesamt 101 tschechische und 84 italienische Gläser präsentiert wurden. Unter der Leitung von Karel Hetteš besichtigten die Organisatoren im Vorfeld die Entwürfe in den Räumen des gestalterischen Beirats der Genossenschaft der Gebrauchsglasunternehmen in Nový Bor, an der sich fast alle glasproduzierenden Betriebe beteiligten.323 Die Auswahl konzentrierte sich vor allem auf ofengeformtes Hüttenglas.324 „Der tschechische Stil änderte sich. Das tschechische Glas, das wir im Museum zu sehen bekommen, ist weit entfernt von dem geschliffenen Kristall und dem böhmischen Rubinglas, dem man bis zum Zweiten Weltkrieg in jedem Teil der Welt begegnete. […] Die phantastischen farbigen Gebilde von René Roubíček sind äußerst fesselnd: Eines davon – eine Vase von goldbrauner Farbe – hat an der Oberfläche Einschnitte wie Dorne und Ansätze aus blauem Glas.“325
Wie in dieser Rezension beschrieben, handelt es sich bei Roubíčeks Exponat nur oberflächlich betrachtet um eine „Vase“ (siehe Variante für eine annullierte Ausstellung in Charleroi 1965: Abb. 90). Durch die zahlreichen Applikationen transferierte der Künstler die Vasenform vielmehr in eine gläserne Skulptur und gab so richtungsweisend die auch von anderen, wie Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová mit ihren formgeschmolzenen Plastiken, verfolgte Richtung der zeitgenössischen Glaskunst in der Tschechoslowakei vor. Mittlerweile hatte Libenský das Atelier von Professor Kaplický an der VŠUP in Prag übernommen. Eine ganze Reihe junger Studenten aus dieser Abteilung nahmen an dieser Ausstellung teil. Auch von Libenský selbst wurde eine Gemeinschaftsarbeit mit Jaroslava Brychtová gezeigt, die Schmelzglasplastik „Geflügelter Kopf II“.326 Die zunehmend skulpturalen Tendenzen im Medium Glas veranlassten Jiří Kotalík in seiner Eigenschaft als Generalkommissar der tschechoslowakischen Beteiligung bei 321 Siehe Kapitel 3.1.1, S. 73, und Kapitel 5, S. 233. 322 Diese Spitzen-Arbeiten wurden bei der XII. Triennale di Milano mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Trajan. In: Umění a řemesla 1/1961, S. 5. 323 Šotola. In: GR 4/1965, S. 97. 324 Für die teilnehmenden Künstler siehe den Ausstellungskatalog des Museum of Contemporary Craft, New York 1964. 325 Šotola. In: GR 4/1965, S. 103. 326 Abgebildet in Frantz 1994, S. 98/99; Klásová 2002, S. 80/81; Ricke 2005a, Kat. Nr. 166, S. 247.
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der VIII. Biennale in São Paulo 1965 die Werke dreier Glaskünstler als repräsentativ für den Ausstellungskomplex „Plastik“ auszuwählen (Abb. 91).327 Wegbereitend stellte Kotalík gläserne Bildwerke Seite an Seite mit Exponaten von Malern, Architekten und Grafikern aus. Sein für die damalige Kunstszene unkonventionelles und regelrecht ungehöriges Ausstellungskonzept – er zeigte tschechische Glaskunst auf gleicher Augenhöhe mit Werken zeitgenössischer bildender Künstler – überzeugte nicht nur die fünfköpfige Auswahlkommission: Die Biennalejury verlieh der Vitrage „Blaue Komposition“ von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová eine Goldmedaille.328 René Roubiček entwarf organisch wirkende Säulen aus Glas mit einer Höhe von 3 bis 4 Metern, die im Inneren von bis zu 4 Meter langen Metallstützen gehalten und in Nový Bor realisiert wurden. Für diese Säulen, wie auch für die Vitragen Libenskýs und Brychtovás, wurde bereits im Vorfeld ein fester Stellplatz im Pavillon konzipiert.329 Roubiček: „Die Architekten wussten schon, was es von den Künstlern Neues gab, so dass sie die Räume speziell für diese Objekte zuschnitten. […] Die Säulen standen in einer großen Halle mit einer Glaswand, und zwar in einem flachen Wasserbett, das unter dem offenen Fenster bis nach draußen weiterging. Draußen war dann eine weitere große Skulptur in der gleichen Technik. Diese Säulen hat eine Millionärin gekauft, zu der ich während eines Besuchs in Washington, wo ich wegen der Beleuchtungskörper für die Botschaft war, Kontakt bekam [das muss um 1970 gewesen sein]. Sie schickte mir 100 Dollar und ließ mich zu sich nach Chicago kommen. Sie holte mich mit dem Auto am Flughafen ab und nahm mich mit nach Hause. Dort zeigte sie mir, dass sie ihr Haus mit einem Atrium hat bauen lassen, in dem die Säulen standen. Ein Haus um die Skulpturen herum gebaut!“ 330
Die Glasplastiken hatten sich zum bestimmenden Bestandteil der Architektur emanzipiert. Traditionell nur als Dekorationselement aufgefasst, wurden die frei stehenden Vitragen zunehmend abstrakter und erhielten sukzessive mehr Eingang in das tschechoslowakische Ausstellungswesen. In zwei weiteren Ausstellungen des Jahres 1966 in Lüttich und Westberlin wurden Skulpturen aus Glas und aktuelle Kunst aus der Tschechoslowakei erneut nebeneinander präsentiert.331 Dieses nicht nur im tschechoslowakischen 327 Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 196; Wasmuth 2005, S. 95. 328 Das Künstlerpaar stellte in diesem Rahmen auch seine „Blaue Komposition II“ und „Graue Komposition“ vor, welche im gleichen Jahr auf der Biennale in Venedig gezeigt wurden. Maršiková. In: GR 4/1966, Abb. 2, S. 125. 329 Siehe Kapitel 5.3, S. 314. 330 Interview mit René Roubiček, Prag, 02.02.2004. 331 Die belgische Ausstellung mit dem Titel „La transfiguration de l’art tchèque“ wurde von Karel Hetteš kuratiert und neben zahlreichen Malern wurden hier Glasobjekte von Václav Cigler, Jiří Harcuba, Jan Kotík, Libenský/Brychtová, Věra Lišková sowie René Roubíček und seiner Frau Miluše präsentiert (Klásová 2002, S. 72). Die Berliner Schau, anlässlich derer jeweils drei Arbeiten von Libenský/Brychtová und von René Roubíček gezeigt wurden, fand in der Akademie der bildenden Künste statt (vgl. Chalupecký 1966, Kat. Nrn. 41–43, 60–62). Jan Kotík konnte hier Kontakte für seinen Stipendiumsaufenthalt 1969 knüpfen. Siehe Kapitel 4.4.1, S. 223.
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Ausstellungswesen außergewöhnliche Kuratierungsmodell veranschaulicht beispielhaft die Anerkennung, die das neue Genre seitens der Ausstellungsmacher in der kurzen Zeitspanne weniger Jahre erhielt. Auch förderte es die Bereitwilligkeit des Regimes, die Realisierung derartig unkonventioneller Exponate zu finanzieren, im Rahmen des Kulturaustauschs imagefördernd einzusetzen sowie über Art Centrum zu vermarkten. Den Glaskünstlern standen Ressourcen für die Herstellung ihrer Arbeiten in einem breiten Angebot zur Verfügung, vor allem seitens der glasproduzierenden Nationalunternehmen und der Werkstätten des ÚUŘ.332 Während der Glassektor im Westen wegen steigender Lohnkosten und fortschreitender Mechanisierung die Manufakturen sukzessive in die Insolvenz trieb333, führte nicht zuletzt das gestiegene staatliche Interesse an von Hand ausgeführten Exponaten für Ausstellungen und die daraus resultierende wachsende Nachfrage an kleinen Serien dazu, das Fortbestehen des Handwerks in der Tschechoslowakei zu sichern.334 Der zunehmende Reformkurs und die gewonnenen Erfahrungen der vorangegangenen Auslandsauftritte offenbarten sich besonders eindrücklich bei der EXPO 67 im kanadischen Montreal. Der dortige Pavillon der Architekten Miroslav Řepa und Vladimír Pýcha bestand aus zwei eingeschossigen Kuben. Im größeren der beiden befand sich eine Abteilung mit zeitgenössischen Glasexponaten. Unter dem Slogan „Tradition“ sollte dies die „repräsentativste Ausstellung böhmischen Glases sein, die je veranstaltet wurde“.335 Man wollte der Weltöffentlichkeit die Möglichkeiten der heimischen Glasindustrie vor Augen führen. Ein Großteil der Exponate bestand aus originellen Unikaten, die in einer im Pavillon befindlichen kleinen Verkaufsstelle neben handgefertigten Schmuckstücken und signierter Druckgrafik erworben werden konnten. Digrin: „Anders als in Brüssel war es in Montreal schon ein bisschen besser [mit der Vermarktung].“ 336
František Kahuda, Minister für Schulwesen und Kultur, setzte Miroslav Galuška337 als Generalkommissar der Ausstellung ein. Dieser beauftragte ÚBOK und Art Centrum 332 Siehe Kapitel 5.2.4. 333 Ricke 2005c, S. 127. 334 Vgl. Mánková. In: GR 11/1969, S. 321. 335 Vodička. In: GR 1/1967, S. 1. 336 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 337 Galuška (1922–2007) musste während des Zweiten Weltkriegs sein Wirtschaftsstudium unterbrechen. Verletzt kehrte er aus deutscher Zwangsarbeit heim. Nach Kriegsende schrieb er für das Feuilleton der Zeitung Rudé právo und berichtete von den Nürnberger Prozessen. Im Laufe der immer stärker werdenden Stalinisierung musste er seinen Posten verlassen. Nachdem er zeitweise für das Blatt Tvorba und die Filmindustrie gearbeitet hatte, erhielt Galuška aufgrund seiner umfangreichen Sprachkenntnisse die Möglichkeit, zwischen 1952 und 1958 die Presseabteilung des Außenministeriums zu leiten. Von 1958 bis 1961 war er Botschafter in London, wurde dann aber abberufen. „Er war der jüngste Botschafter. Er war damals 32 oder so was. Und er hat sich tot blamiert, nämlich es war eine Party und dort war der englische Premierminister, ich weiß nicht, welcher
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damit, eine umfangreiche Kollektion von Kunst- und Gebrauchsglas zusammenzustellen. Weiterhin entstand ein Beratungsausschuss von Gestaltern, dessen Vorsitz Libenský übernahm, sowie ein kultureller Beratungsausschuss unter der Leitung von Adolf Hoffmeister338, bestehend aus Theoretikern und Industrievertretern, zu denen wiederum Karel Hetteš zählte. ÚBOK lobte 1965 einen vom Ministerium für Verbrauchsgüterindustrie dotierten Wettbewerb aus, um eine ausreichende Zahl repräsentativer Exponate für die Weltausstellung zusammenzustellen. Insgesamt 50 Künstler wurden aufgefordert, teilzunehmen. Weiterhin beschickten 30 Betriebsglasgestalter den Wettbewerb. Die außerordentlich rege Rückmeldung auf die Ausschreibung sprach für das enorm gestiegene Interesse an staatlichen Aufträgen. Insgesamt wurden in der ersten Runde etwa 1.000 Entwürfe eingebracht339, von denen die Jury etwa 350 auswählte.340 Neben zahlreichen künstlerisch gestalteten Gebrauchsgläsern (Abb. 92) wurde erneut eine Reihe von Monumentalarbeiten präsentiert. Eine Gruppe um Libenský und Brychtová fertigte zwei Glasskulpturen und die Kristallsäule „Großer Konus“ aus grauem Glas mit plastischer Innengestaltung von sich vervielfältigenden und einander durchdringenden kleinen Pyramiden an. Weiterhin stellten sie mit der „Blauen Konkretion“ – eine Variante der „Blauen Komposition“ aus São Paulo – und ein neues Glasrelief mit dem Titel „Sonne der Jahrhunderte“ in derselben Technik aus.341 René Roubiček stellte in Montreal erneut 15 seiner in São Paulo ge-
das damals war [Harold Macmillan]. Und der hat ihm gesagt, […] ‚Hoffentlich werden Ihre Kinder schon Bürger eines freien Staates sein‘. Und hätte er gesagt, na, hoffentlich werden Ihre Enkelkinder, weil der war schon älter, Bürger eines kommunistischen oder sozialistischen England sein, hätten beide gelacht und es wäre erledigt. Der Galuška, Idiot, hat das aber nach Prag mitgeteilt, dass ihm der englische Premierminister, das da gesagt hat. Das Außenministerium hat das als eine Staatsbeleidigung aufgefasst, die Engländer haben sich entschuldigt und Galuška war erledigt. Selbstverständlich vollkommen erledigt.“ (Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003) Ab 1963 arbeitete Galuška als Chefredakteur der Kulturzeitschrift Kulturní Tvorba und wurde als Befürworter Dubčeks von April bis Juni 1969 Kulturminister unter Oldřich Černík. Nach Dubčeks Abberufung musste auch Galuška sein Amt niederlegen. 338 Galuška und Hoffmeister hatten 1951 gemeinsam das amerikakritische Buch „Three months in New York“ veröffentlicht. Reijnen 2008, S. 122. Zu Hoffmeister siehe Kapitel 4.3, S. 204 f. 339 Dieser öffentliche (nichtanonyme) Wettbewerb „Glas von morgen“ wurde im April 1965 abgeschlossen und ausgewertet. Die Ausschreibung bezog sich auf Pressglas, edles gepresstes Bleiglas, Gebrauchsglas, Schmelzplastiken und Beleuchtungsglas. Langhamer. In: Av 2/1968, S. 177; Adlerová. In: Av 2/1968, S. 161. 340 Immerhin 700 Entwürfe wurden zuvor auch realisiert und dann zur Auswahl bereitgestellt. Šlemín. In: GR 1/1967, S. 3. 341 Abgebildet in Maršíková. In: GR 5/1967, Nr. 2/3, S. 150; Vorlová. In: GR 1/1968, Nr. 11/12, S. 6/7; Frantz 1994, S. 114/115; Petrová 2001, Nrn. 103, 104, S. 82/83; Klásová 2002, Nrn. 86–90, S. 88–90; Wasmuth 2005, Fig. 73, S. 98. Sowohl der Konus als auch die „Sonne der Jahrhunderte“ wurden an kanadische Käufer veräußert. Die „Blaue Konkretion“ hingegen wurde ins Depot des Forschungsinstituts für Glas in Hradec Králové verbracht, wo das Werk erst 1982 von Alena Adlerová wiederentdeckt wurde. Nach notwendig gewordener Restaurierung tourte die
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zeigten gläsernen Vertikalplastiken vor342, während seine Frau, Miluše Roubíčková, eine Anzahl unterschiedlicher Blumenarrangements und Gugelhupfkuchen aus Glas präsentierte, die bei Sammlern binnen kurzem sehr gefragt waren.343 Pavel Hlava und auch Vladimír Jelínek zeigten zum ersten Mal monumentale Glasskulpturen im Ausland.344 Vladimír Kopecký war in Montreal mit einem bemalten farbigen Fenster und großen bemalten Vasen vertreten345, Ladislav Oliva Senior mit einem vertikalen Schmelzglasrelief mit geometrischen Elementen346 und Karel Wünsch mit einer schmalen Vitrage aus geschichtetem Rauchglas und farbig abgestuften gläsernen Lamellen.347 Einer der jüngsten Teilnehmer war Bohumil Eliáš, der ein beinahe 5 Meter hohes kinetisches Lichtglasobjekt mit vertikal geschichteten konkaven Scheiben präsentierte, durch dessen Glasröhren Wasser strömte, in dem in Intervallen Luftblasen aufstiegen.348 Václav Cigler erhielt eine Auszeichnung für seine transparenten Plastiken aus optischem Glas, niedrige Zylinder mit geschliffenen Linsen und eckigen Prismen, die mit der Wechselbeziehung zwischen Objekt und umgebendem Raum spielten.349 Kennzeichnend für alle großformatigen Exponate war ihr unkonventioneller Umgang mit dem Material. Während Libenský und Brychtová Glas einsetzten, um ihren Arbeit durch verschiedene Ausstellungen in Prag, Zürich, Gent und Corning und wurde von dem Künstlerduo in Abgüssen für große Summen mehrfach verkauft. Petrová 2001, S. 83. 342 Siehe Abbildung in: Vorlová. In: GR 1/1968, Nr. 10, S. 6; Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 64/65, 68. 343 Diese amüsanten Glasarbeiten wurden von Josef Rozinek bei Borské sklo realisiert. „Ich hatte dort eine Glaskubusvitrine mit Blumensträußen, die wurden allesamt von einer texanischen Millionärin gekauft. Zwar hat niemand mit mir geschimpft, aber es hat auch niemand gelobt!“ Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. Siehe Abbildungen in: Maršíková. In: GR 5/1967, Nr. 9, S. 153; Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 69–77; Petrová 2001, Nrn. 96, 97, 100, S. 80/81; Ricke 2005a, Kat. Nr. 245, S. 300, Kat. Nr. 246, S. 301. 344 Wasmuth 2005, S. 99. Hlava hatte seine Arbeit gemeinsam mit dem Architekten Pavel Grus realisiert. Unregelmäßig geblasene Glaskolben in unterschiedlichen Größen aus bräunlich-blauem Glas mit eingeschmolzenem Silber wurden mittig zusammengehalten und schoben sich sternförmig nach außen. Jelíneks zylindrische Konstruktion wurde von Rohren aus technischem Glas umringt, von einer Platte aus Chromstahl verbunden und in der Vertikalachse mit Kugeln aus optischem Glas und Glasspiralen auf verschiedenen Ebenen bestückt. Die Arbeiten sind abgebildet in Maršíková. In: GR 5/1967, Nr. 1, S. 14, und Nr. 8, S. 153; Vorlová. In: GR 1/1968, Nr. 14, S. 7. 345 Siehe Abbildung des Fensters in Vorlová. In: GR 1/1968, Nr. 3, S. 4; Wasmuth 2005, Fig. 74, S. 99. Das Fenster wurde nach Ende der Weltausstellung an einen unbekannten Käufer veräußert (Petrová 2001, S. 83). Die Vase befindet sich im Besitz der Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 846. 346 Vgl. Abbildung in Wasmuth 2005, Fig. 75, S. 99 und die Entwurfsskizze in Oldknow 2005, Fig. 40, S. 62. 347 Für Oliva Seniors Arbeit siehe Vorlová. In: GR 1/1968, Nr. 5, S. 4. Von Wünsch wurden auch Teller und Vasen ausgestellt, siehe Abbildungen in Ricke 2005a, Kat. Nr. 334, 335, S. 357. 348 Abgebildet in Maršíková. In: GR 5/1967, Nr. 7, S. 153; Vorlová. In: GR 1/1968, Nr. 5, S. 4; Klee 1994, Nr. 77; Petrová 2001, Nr. 102, S. 82. Die Arbeit wurde ebenfalls in Montreal verkauft. Klee 1994, o. S. 349 Adlerová. In: Av 2/1968, S. 162.
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Skulpturen eine „vierte Dimension“, ein mit eingeschlossenem Relief gestaltetes Innenleben zu geben, arbeiteten Roubíček, Hlava, Jelínek und Eliáš mit der bis dahin unbekannten Monumentalität und der Gegenüberstellung diverser Oberflächenbehandlungen in Kontrast zur Tiefenstaffelung bei ihren Installationen. Kopeckýs Fenster verneinte geradezu die dem Material eigene Transparenz durch das Auftragen dicker Schichten Emailfarbe. Im Grunde genommen nutzte er die Fläche als Leinwand. In ähnlicher Weise setzte Oliva die Ätztechnik auf seinem Paneel ein. Ciglers Plastiken hingegen verzerrten und spiegelten die Realität durch das Aufbrechen der glatten Oberflächen, womit er eine dynamische Wechselbeziehung zwischen Betrachter und Umwelt erreichte.350 In Montreal manifestierte sich der eingeschlagene Kurs der tschechischen Glaskunst zu einem eigenständigen Genre der Kunstgeschichte, das weit mehr war als gelungenes Kunsthandwerk.351 Das Regime duldete nicht nur die Realisierung dieser nicht den restriktiven Kulturrichtlinien entsprechenden Werke mit einer inakzeptablen Tendenz zur Abstraktion und zum Surrealismus, sondern es übernahm sämtliche Kosten ihrer aufwendigen Herstellung und ehrte Künstler wie Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová bereits 1956 mit dem Laureát Státní ceny Klementa Gottwalda.352 Angesichts ihrer innovativen Bildsprache erweckten diese Exponate in der Öffentlichkeit die Illusion einer insgesamt liberalen Haltung gegenüber Kulturschaffenden in dem sozialistischen Land. Tatsächlich erfuhr die tschechoslowakische Kulturpolitik ab Mitte der 1960er Jahre eine fühlbare Entspannung. Die begonnene Planung des Berghotels Ještěd, Miloš Formans „Die Liebe einer Blondine“353, die Kollagen von Jiří Kolář, Václav Havels Theaterstück „Die Benachrichtigung“ (Vyrozumění) und die nun genehmigten Veröffentlichungen des bereits 1958 verfassten „Der Scherz“ (Žert) von Milan Kundera bezeugen diesen gelockerten Kurs. Nach dem erfolgreichen Auftritt bei der EXPO 58 sahen sich die Organisatoren wohl außerdem dazu verpflichtet, auch bei der EXPO 67 in Montreal mit eindrucksvollen Exponaten in einem hervorstechenden Rahmen aufzutrumpfen und der enorme Publikumserfolg gab ihnen recht. Die Montreal Gazette berichtete: „People are lining up at almost every hour of the day to see the fascinating and unusual exhibits at the Czech pavilion complex.“354 Das zufällige Zu-
350 Siehe auch Kapitel 5.1.4, S. 263, über die Ausstellung 1980 in Düsseldorf und Šotola. In: GR 6/1969, S. 162. 351 Viele amerikanische Studioglaskünstler sahen hier erstmals diese Innovationen und erkannten die neuen Anwendungsmöglichkeiten des Materials für ihr eigenes Schaffen. Oldknow 2005, S. 70. 352 Langhamer. In: GR 11/1986, S. 12; siehe auch Kapitel 5.2.2, S. 281. 353 Der Film „Lásky jedné plavovlásky“ erzählte von den Liebesabenteuern einer jungen Arbeiterin und dem Fehler in der sozialistischen Planung, durch den die Anzahl der Frauen in einer Kleinstadt die der Männer übertraf. 1967 erhielt er eine Oskar-Nominierung in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“. 354 Tafler, David: „Czech Pavilion proving one of the most popular“. In: The Montreal Gazette, 16.05.1967, S. 22.
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sammentreffen eines ehemaligen Mauthausen-Mithäftlings mit Staatspräsident Antonín Novotný in Montreal verursachte zusätzlich öffentlichkeitswirksame Propaganda.355 Die DDR-Presse beschäftigte sich allerdings weniger mit den Exponaten oder derartigen zwischenmenschlichen Begegnungen als mit Aspekten der Systemkonkorrenz. So evaluierte Franz Krah den Erfolg des Nachbarlandes in Neues Deutschland am 29. Juni: „Viel Interessantes gibt es auf der Weltausstellung Expo 67 in Montreal zu sehen. aber nichts, was die Ausstellungen der sozialistischen Sowjetunion und der sozialistischen Tschechoslowakei übertrifft. Insgesamt kann man befriedigt feststellen: Im fünfzigsten Jahr des Großen Oktober präsentiert sich der Sozialismus vor dem nordamerikanischen Publikum als die wahre Welt des von Ausbeutung befreiten Menschen, als die größte, zukunftbestimmende Kraft unserer Epoche.“
Wie schon die Exponate der EXPO 58 wurden die Montrealer Ausstellungsstücke in Prag erneut präsentiert.356 Die Vertikalplastiken von Roubíček dienten sogar als Druckvorlage für eine originelle Schallplatte mit einem Foxtrott-Stück von Jiří Šlitr, der bei der Weltausstellung 1967 die Show „Stars of Prague“ präsentiert hatte, und Jiří Suchý (Abb. 93). Mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei im August 1968 wurde das Ende der allgemeinen kulturpolitischen Reformen eingeleitet. Es dauerte allerdings noch weitere zwei Jahre, bevor dieser rückschrittliche Kurs den Wirkungskreis der Glaskünstler beschnitt und dies vor allem im Inland. In anderen Abteilungen des Ausstellungswesens führten die euphemistisch Normalisierung genannten restaurativen Maßnahmen des Regimes zu tiefer greifenden Einschränkungen.357 So fanden noch 355 „In Montreal sitze ich im Pavillon und da kommt ein Mann [Bohumil Valeš] und sagt, ‚Wissen Sie, ich war im Konzentrationslager ... jetzt höre ich, Ihr Präsident ist da und er heißt Novotný und ich war mit einem Novotný im Konzentrationslager und wir haben sogar auf einem Bett geschlafen!‘ […] Die öffnen ihm die Tür und der Novotný macht einen Schritt hinein und auf einmal tritt vor ihn ein Mensch! Jetzt habe ich gesehen, die geheime Polizei, tschechische und kanadische, die waren platt! […] Die haben so geschaut! Und dieser Mann fängt an zu weinen und sagt, ‚Toničku ...‘ Der Novotný hat auf ihn so geschaut, ‚Wer bist Du?‘ ‚Na, ich bin doch der ...‘ Also, die haben sich umarmt und so weiter. […] Jetzt kamen die Journalisten. Die haben sich gar nicht gekümmert, was der Präsident im Pavillon macht! Sie wollten wissen, was ist denn los? Und das hatte mehr Platz in den Zeitungen als die Konferenz des Generalkommissars. […] Und die haben zu ihm gesagt, ‚Wir haben gehört, dass der Novotný sich im Konzentrationslager so schlecht benommen hat.‘ Und er hat gesagt, ‚Was, Toniček? Er war doch mit mir. Ich war die ganzen Tage mit ihm, das ist nicht wahr, er war ein ausgezeichneter Häftling! Wirklich, hat sich sehr gut benommen!‘ Der hat ihm mehr Propaganda gemacht als die offizielle Propaganda, wissen Sie?“ Interview mit Ivo Digrin und Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003. Der Ottawa Citizen kommentierte: „Mr. Vales told reporters he was a prisoner in the Nazi concentration camp at Mauthausen, Germany, during the time Mr. Novotný was interned there.“ Fox, Cy: „Novotny under guard at Expo“. In: The Ottawa Citizen, 17.05.1967, S. 60. 356 Die Ausstellung fand im Altstädter Rathaus unter dem Titel „EXPO 1967“ statt. Langhamer/ Vondruška 1991, S. 136. 357 Wasmuth 2005, S. 99; Spiritova 2010, S. 12.
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1969 die „Internationale Handwerksmesse“ in München, die Ausstellung „Internationales Kunsthandwerk“ in Stuttgart und die Schau „50 Jahre tschechische angewandte Kunst und industrielle Formgestaltung – Meilensteine der Entwicklung in den Jahren 1918–1968“ statt, die von Prag (Abb. 94) in das Österreichische Museum für Angewandte Kunst in Wien und dann weiter nach Teheran, Wroclaw und Budapest wanderte, unter reger Beteiligung tschechischer Glasgestalter oftmals mit rein funktionsfreien Exponaten im Komplex der Konsumgüterpräsentation.358 Die XIV. Mailänder Triennale 1968 musste bereits zwei Tage nach ihrer Eröffnung am 30. Mai wieder geschlossen werden, da gegen die italienische Kulturpolitik protestierende Studenten den Palazzo dell Arte besetzt hatten.359 „Als erster kapitulierte der tschechoslowakische Kommissar Professor Karel Hetteš: Aus Solidarität mit den Revolutionären war er zum Rückzug bereit, drohte aber zugleich der italienischen Regierung mit Schadensersatzforderungen für den vergeblichen Aufwand.“360 Erst Ende Juni konnte die Ausstellung unter anderem mit einer „Blauen Komposition“ von Libenský/ Brychtová und einer Kristallskulptur von Roubíček erneut geöffnet werden. Die von Karel Hetteš geleisteten Bemühungen um die moderne tschechische Glaskunst fanden ihren letzten Höhepunkt bei einer Ausstellung in der Prager Mánes Galerie 1970. Als Generalkommissar kuratierte er diese Schau unter der Schirmherrschaft des SČVU anlässlich des Internationalen Glaskongresses (IGC).361 „Současné české sklo“ (Zeitgenössisches tschechisches Glas) galt lange als „legendär“ 362, denn diese Präsentation nahm die Entwicklung der tschechischen Glaskunst in der sich anschließenden Dekade vorweg (Abb. 95). Sie regte einen Kongressbeschluss zur Veranstaltung einer internationalen Glasausstellung im Rhythmus von zwei Jahren in der Tschechoslowakei an.363 Wegen der verschlechterten politischen Situation wurde diese Idee jedoch nicht umgesetzt. Mit der EXPO in Osaka 1970 beteiligten sich tschechische Glaskünstler vorläufig zum letzten Mal an einer Weltausstellung.364 Nach bewährtem Prinzip wurde erneut 358 Libenský und Brychtová wurden in Stuttgart mit einer Goldmedaille ausgezeichnet (Petrová 2001, S. 247). René Roubíček gewann eine Goldmedaille und den Bayerischen Nationalpreis bei der Handwerksmesse in München 1969 sowie im Folgejahr eine Silbermedaille. Bei der EXEMPLA 1970 erhielt Vladimír Jelínek die Goldmedaille für drei Vasen mit durchgeschliffener Struktur als auch den Bayerischen Nationalpreis. Siehe Abbildung in Bohmannova. In: GR 7/1970, S. 206/207. 359 Für eine detaillierte Darstellung der Vorgänge siehe Nicolin 2008. 360 Der Spiegel 24/1968, S. 122. 361 Das Begleitprogramm des Kongresses der Association Internationale pour l’Histoire du Verre (AIHV) sah eine Vortragsreihe vor. Die tschechoslowakischen Teilnehmer referierten bei dieser Veranstaltung allerdings ausschließlich zu historischem Glas (Maršiková. In: GR 5/1970, S. 130). Als Generalsekretär des IGC fungierte Stanislav Urban. Siehe Anm. 166. 362 Adlerová et al. 1981, S. 48. 363 Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 196. 364 Erst nach der Samtenen Revolution beteiligte sich die Tschechische Republik wieder an einer Weltausstellung: der in Sevilla 1992. Siehe S. 394.
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Miroslav Galuška als Generalkommissar eingesetzt und eine Expertenkommission für die Auswahl der Exponate berufen, der unter anderen Jiří Šetlík, Direktor des UPM, angehörte. Allerdings wurde die Quantität der Exponate im Vergleich zu den vorangegangenen Weltausstellungen drastisch reduziert und kennzeichnend für die politisch angespannte Situation war die eingeschränkte Teilnehmerzahl von Glaskünstlern, die in Osaka ausschließlich monumentale Entwürfe präsentierten.365 Die Losung der EXPO 70 lautete „Fortschritt und Harmonie für die Menschheit“ und wurde in Reaktion auf die Niederschlagung des Prager Frühlings von den Teilnehmern der tschechoslowakischen Seite wörtlich interpretiert. Die für die Inszenierung zuständigen Adolf Kroupa, der sich als Literaturhistoriker und Übersetzer einen Namen gemacht hatte, und der Dichter Jan Skácel teilten den Pavillon in drei thematische Bereiche: Zeit der Freude, der Angst und der Hoffnung.366 Věra Lišková stellte eine Kollektion ihrer vor der Sauerstoffflamme geblasenen Skulpturen zusammen, die mit Titeln wie „Ikebana“ als Hommage an den Ausrichtungsort gedacht waren (Abb. 96). Eine Gruppe von Künstlern einigte sich hingegen auf eine zusammenhängende Konzeption ihrer Exponate, die sich vermeintlich mit dem Thema „Wasser“ auseinandersetzte, allerdings die Aufmerksamkeit auf die gewaltsamen Geschehnisse in ihrem Heimatland lenken sollte. Während der Vorbereitungsphase, die bereits 1967 begonnen hatte367, war Alexander Dubček noch im Amt. Daher konnten alle ausgewählten Entwürfe realisiert werden. Vor dem Abtransport fand in Železný Brod eine öffentliche „Kontrollmontage“ der Exponate statt, die aber von staatlichen Zensoren nicht beanstandet wurden.368 Die Fensterfront des Pavillons sollte mit der über 20 Meter langen Vitrage aus einander überlappenden Farbglasscheiben nach einem Entwurf von Čestmír Kafka verkleidet werden.369 Dunkle Farbtöne gebrannter Erde standen für Angst, Ocker und Zinnober symbolisierten Hoffnung.370 Am Eingang der Ausstellungshalle stand die großformatige Glasskulptur „Wolke“ von René Roubiček, die den Anfang des Lebens symbolisieren sollte (Abb. 97). In Prag wurde sie hingegen als „eine bolschewistische Wolke über Europa“ gedeutet.371 Den zweiten Teil bildete der „Fluss des Lebens“ von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová. Nie zuvor wurde eine Glasplastik dieser Dimension realisiert. Insgesamt wa365 Im Eingangsbereich wurden zur Ausstellung historischer Exponate vier künstlerisch gestaltete Vitrinen in Form von Pylonen von Václav Cigler realisiert. 366 Das Konzept wurde auch als die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft gedeutet. Hofmeisterová. In: GR 9/1970, S. 257. 367 Petrová 2001, S. 84. 368 Siehe Abbildungen in Maršiková. In: GR 3/1970, Nr. 2 und 3, S. 67; Nr. 6, S. 69. 369 Kafkas farbige Glasvitrage wurde von Josef Jiřička im Prager Kunstglasatelier des ÚUŘ realisiert. Abgebildet in Maršiková. In: GR 3/1970, Nr. 8, 9, S. 69; Hofmeisterová. In: GR 9/1970, Nr. 6, S. 260. 370 Wasmuth 2005, S. 101. 371 Interview mit Réne Roubiček, Prag, 02.02.2004. Ein anderer Titel, der mitunter in der zeitgenössischen Literatur auftaucht, lautet „Wolke des Kopernikus“. Die Skulptur soll von einem japanischen Geschäftsmann für sein Wochenendhaus gekauft worden sein.
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ren an der Fertigstellung des 22 Meter langen, 4 bis 5 Meter hohen und 11 Tonnen schweren Monuments 35 Glasfachleute von Železnobrodské sklo unter Mitarbeit der Glashütten in Nový Bor und Sklo Union in Teplice beteiligt.372 Die Plastik aus etwa 200 einzelnen Schmelzglasreliefs, die an Stahlträgern aufgehängt waren, veranschaulichte das Schicksal eines Individuums, eines Volkes und der ganzen Welt mittels der Symbolik eines Flusses. Dieser wurde im Verlauf mächtiger und wurde von badenden Mädchen belebt, dem Reliefabdruck des Körpers von Brychtovás Tochter Alena und ihrer Freundin (Abb. 98).373 Auf Höhe der Mädchenkörper platzierte das Künstlerpaar die Abdrücke von Militärstiefeln, welche die poetische Abfolge der Narration jäh unterbrachen. Der bereits mächtige Strom wurde hier von einem echten Wasserlauf in einem gemauerten Becken umspült, wodurch der Eindruck des Fließens noch verstärkt wurde. Er verlangsamte sich, das Wasser gefror symbolträchtig zu Eis und die Dramaturgie des Flusslaufs, des Lebens, fand ein Ende. An dieser Stelle stand als dritter Teil eine große Glocke, die tonlos Alarm schlug. Komplementiert wurde die Installation durch die abstrahierte Metallplastik „Drohender Krieg“ des Bildhauers Vladimír Janoušek374 mit Soldatenfiguren, die sich auf sie zu bewegten (Abb. 99).375 Erst vor Ort wurde die Brisanz der politischen Aussage dieser Arbeit entdeckt. Ein speziell für diese Aufgabe eingeflogener Schleifer aus Železný Brod entfernte die Stiefelspuren rechtzeitig vor der Ausstellungseröffnung.376 Die Glasrevue des Jahrgangs 1970 berichtete mit halbjährigem Abstand zweimal über den Auftritt in Osaka, wobei die einzelnen Exponate in den beschreibenden Texten durchweg verharmlost wurden. Während die Körperreliefs im „Fluss des Lebens“ im März von Jaromíra Maršíková als „zwei tanzende Mädchen“ beschrieben wurden377, sprach Jana Hofmeisterová in der Septemberausgabe nur mehr davon, „die beiden neuzeitlichen Wassernymphen [seien] das Symbol der Jugend, Schönheit und Freude“. Zum Ausklang der Plastik heißt es hier lapidar: „Der Fluss friert ein, so wie Jahr für Jahr die tschechischen Flüsse ein372 Maršiková. In: GR 3/1970, S. 66, 69; Wasmuth 2005, S. 100. 373 Abgebildet in Maršiková. In: GR 3/1970, Nr. 5, 7, S. 68; Frantz 1994, S. 121, Nr. 3, S. 198; Petrová 2001, Nr. 110, S. 87; Pánková 2002, Nr. 106, S. 103. 374 Janoušek (1922–1986) besuchte ab 1942 für ein Jahr die Kunstgewerbeschule in Brno, bevor er an die Prager UMPRUM wechselte. Als diese 1944 geschlossen wurde, arbeitete Janoušek bis Kriegsende in einem Sägewerk. 1945 nahm er ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste im Atelier von Professor Josef Wagner auf und absolvierte von 1948 bis 1949 ein Auslandsstudium in Sofia. Nach erfolgreichem Abschluss im Jahr 1950 arbeitete er gemeinsam mit seiner Frau Věra, die ebenfalls eine erfolgreiche Bildhauerin wurde, in einem eigenen Atelier in Prag. Biografische Angaben: UPM-Archiv. 375 Siehe Abbildungen in: Maršiková. In: GR 3/1970, Nr. 10, S. 69; Hofmeisterová. In: GR 9/1970, Nr. 5, S. 259; Frantz 1994, S. 122/123, Petrová 2001, Nr. 108, S. 86. 376 Interview mit Réne Roubiček, Prag, 02.02.2004. Ebenfalls für eine verspätete Kenntnisnahme spricht die Tatsache, dass Jaroslava Brychtová die Reise nach Osaka ermöglicht wurde. Vgl. Foto von Miloslav Mynář auf dem sie neben dem „Fluss des Lebens“ abgebildet ist im UPM PragArchiv, Inv. Nr. 7221909. 377 Maršiková. In: GR 3/1970, S. 69.
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frieren. Der Fluss erstarrt, seine Bewegung und sein Leben finden ein Ende, so wie jedes Leben zu Ende geht.“378 Man muss Maršíková allerdings zugutehalten, dass es ihr mithilfe einer interpretatorischen Bildbeschreibung immerhin teilweise gelang, die tatsächliche Relevanz dieser Ausstellungsstücke zu benennen. So fügte sie ihrer Rezension der „Tänzerinnen“ hinzu, „die Dynamik ihrer Bewegung wird durch die Spuren angedeutet, die sie hinterlassen“.379 Hofmeisterová hingegen deutete die Installation „Fluss des Lebens“ schlichtweg um in ein „anschauliches Symbol der böhmischen Glasmacherei“ und sprach ausführlich über die verwendete Glasmasse und handwerkliche Oberflächenbearbeitung.380 Im Kontext der restriktiven Maßnahmen, welche das kommunistische Regime in der Heimat einführte, lässt sich diese Konformität in der Berichterstattung ablesen. Beinahe alle an der EXPO 70 beteiligten Organisatoren und Künstler sahen sich nach ihrer Rückkehr aus Osaka Konsequenzen ausgeliefert und ihre couragierte Aktion blieb ohne nennenswerten Widerhall. Generalkommissar Miroslav Galuška wurde aus der Partei ausgeschlossen und überwacht. Erst nach der Samtenen Revolution konnte er erneut eine Weltausstellung kuratieren, die EXPO 92 in Sevilla.381 Der gerade 60 Jahre alt gewordene Adolf Kroupa wurde zweckdienlich pensioniert, während Jan Skácel Schreibverbot erhielt und fortan nur im Samiszat oder im Ausland publizierte. Jiří Šetlík hingegen verlor seinen Posten als Direktor der NG und arbeitete fortan nur noch als einflussloser Museumsangestellter im Gebiet der Denkmalpflege.382 Libenský und Brychtová durchliefen ein Künstlerverbands- ferner Parteiausschlussverfahren, nachdem sie zuvor stets als „Symbolfiguren des tschechoslowakischen Fortschritts“ gefeiert worden waren.383 Nach eigener Angabe drohte man ihnen wiederholt damit, den Zugang zu den staatlichen Ateliers in Železnobrodké sklo versperren oder ein Berufsverbot aussprechen zu wollen384, doch dazu kam es nicht. Immerhin konnten weder sie noch Roubiček während der folgenden zwei Jahre in ihrer Heimat ausstellen. Auch die Ausreise zum Zürcher Symposium „Glas heute“ im Museum Bellerive 1972 wurde ihnen untersagt.385
378 Hofmeisterová. In: GR 9/1970, S. 258. 379 Maršiková. In: GR 3/1970, S. 69. 380 Hofmeisterová. In: GR 9/1970, S. 258/259. 381 Wasmuth 2005, Anm. 63, S. 103. Für die EXPO 92 schuf Vladimír Kopecký eine Monumentalinstallation aus bemalten und beleuchteten Glasplatten. Siehe Abbildungen in Erben/Frantz/ Matoušek 1999, S. 176–191. 382 Siehe Kapitel 6.1.1, Anm. 117, S. 347 f. 383 Frantz 1994, S. 47; Wasmuth 2005, S. 101; Crowley 2008, S. 225. 384 Frantz 1994, S. 45. 385 „Beide Künstler können weder an der Ausstellung noch am Symposium teilnehmen – eine Absage, die das komplexe Bild der untraditionellen Glasgestaltung, das wir anzustreben suchten, nicht zur Abrundung bringt.“ Billeter 1972, o. S.
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Roubíček: „Es gab einen Weltkongress [IGC in Prag 1970] zum Glas, an dem Libenský und ich gerne teilgenommen hätten, aber nicht durften, aufgrund der politischen Situation. Nach dem Prager Frühling durfte ich nichts mehr.“ 386
Schon ab 1972/73 beteiligten sich Roubiček, Libenský und Brychtová aber wieder an Ausstellungen in der Tschechoslowakei.387 Janoušeks Skulpturen hingegen wurden erst in den 1980er Jahren wieder gezeigt. Die vergleichsweise lockere „Abstrafung“ der an der japanischen Schau beteiligten Glaskünstler zeigt das gewachsene Interesse des Regimes an dieser Art des Kunstschaffens auf. Vermutlich waren die zunehmenden Anfragen von auswärtiger Seite impulsgebend für die rasche Wiedereinbindung der genannten Künstler in den Ausstellungsbetrieb. Da der tschechoslowakische Pavillon bei der EXPO 70 erneut als einer der drei besten unter den Beiträgen der 38 Teilnehmerländer bewertet worden war und den Preis des japanischen Instituts für Architektur erhalten hatte, konnte das Regime ein längeres Teilnahmeverbot wohl kaum ohne Gesichtsverlust nach außen kommunizieren.388 Konkrete Anfragen aus dem Ausland und die Aussicht auf harte Devisen trugen ebenfalls dazu bei, das kategorische Ausstellungsverbot zu lockern.389 1973 beteiligten sich Libenský und Brychtová, Roubíček und zahlreiche andere Glaskünstler an der Stockholmer Schau „Böhmisk glas genom tiderna“390 sowie an der bundesdeutschen Wanderausstellung „Böhmisches Glas der Gegenwart“.391 Anders als in den 1960er Jahren übernahm Art Centrum die Regie bei derartigen Auftritten in der „nichtsozialistischen Welt“. Sie setzte einen ersten „kulturdiplomatischen“ Akzent, bevor die Unterzeichnung des Prager Vertrags am 17. Dezember 1973 eine 386 Interview mit Réne Roubiček, Prag, 02.02.2004. Er wurde auch aus seiner beratenden Tätigkeit in dem Kunstausschuss des Art Centrums entlassen. 387 1972 erhielt René Roubíček gemeinsam mit seiner Frau Miluše eine Solo-Schau im Na hrádku Muzeum in Kutná Hora. Beide sowie Libenský und Brychtová beteiligten sich an der Ausstellung „Metamorfózy skla“ in Brno 1973. Maršiková. In: GR 1/1974. 388 Die Architektur von Aleš Janeček, Vladimír Palla und Viktor Rudiš konzentrierte sich auf eine horizontale Perspektive. Das an eine Pergola erinnernde Dach mit schrägem Überhang war dominierendes Element. Im eingegliederten Restaurant wurden wiederum Trinkgläser nach Künstlerentwurf verwendet, hier aus geschliffenem Bleikristall von Ladislav Oliva Senior. Wie schon in Brüssel war die Laterna Magika Teil der Präsentation (Wasmuth 2005, S. 99/100). Vladimír Nývlt, der bei der X. Biennale in São Paulo 1969 die Goldmedaille als bester ausländischer Designer gewonnen hatte, zeichnete für die innenarchitektonische Gestaltung verantwortlich. Er war damals und in den Folgejahren als Bühnenbildner des Prager E.-F.-Burian-Theaters und später auch beim Nationaltheater beschäftigt. 389 Siehe Kapitel 6.3.2, S. 437 f. 390 Siehe Katalog Adlerová/Drahotová 1973. 391 Der Titel der Ausstellung wurde von deutscher Seite als „Hinweis auf die gemeinsame Vergangenheit und Zeichen der Verständigungsbereitschaft von Seiten des sozialistischen Staates“ aufgefasst. „Doch in der Sache war der Titel für diese Ausstellung irreführend und falsch; was dort gezeigt wurde war, in Deutschland erstmals in dieser Breite, genuin tschechisches Glas.“ Ricke 2005b, S. 10.
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offizielle Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern fundierte. Den Grundstock der Wanderausstellung, die von 1973 bis 1974 in fünf Museen der BR Deutschland stattfand und die von Alena Digrinová (damals noch Hrubcová) vom Art Centrum organisiert wurde, bildeten Exponate der Mánes-Ausstellung von 1970.392 Der Vorsitz der Selektionskommission wurde dem ÚBOK-Mitarbeiter Pavel Hlava übertragen. Seine zwangsläufig subjektive Auswahl als Künstler und Funktionär beanstandeten vor allem diejenigen Gestaltern, die nicht oder nur mit wenigen Exponaten an der Ausstellung teilnehmen konnten. Sie vermuteten einen Zusammenhang zu ihrer kritischen Haltung zur Niederschlagung des Prager Frühlings.393 Roubíček: „Dann kam die Ausstellung durch Hamburg, Berlin, Frankfurt [Düsseldorf und Karlsruhe] 1973, hier durfte Hetteš schon nicht mehr mitreden. Da wurde Hlava bestimmend in der Kommission, deshalb war die Auswahl der Künstler so schlecht! Schlecht, weil das wäre die Möglichkeit gewesen, nach der russischen Invasion weiterzumachen im alten Geist!“ 394
Nicht an dieser Ausstellung beteiligt war beispielsweise Jiří Harcuba, der wegen einer regimekritischen Gedenkmedaille eine viermonatige Haftstrafe verbüßen musste.395 Auch František Tejml und Zdenka Strobachová, die sich seit Ende ihres Studiums 1957 konsequent gegen eine Tätigkeit als industrielle Formgestalter entschieden hatten, waren nicht vertreten. Während von Hlava selbst, von Věra Lišková, Jaroslav Svoboda396, Břetislav Novák Senior und Vladimír Jelínek (Abb. 100) acht oder mehr Arbeiten präsentiert wurden, waren von den Osaka-Teilnehmern Libenský und Brychtová nur zwei, von Roubíček nur drei Exponate vertreten.397 Ein kompletter Ausschluss dieser mittlerweile international bekannten Künstler war kaum denkbar. Außerdem konnte Alena Adlerová als Mitglied der Auswahlkommission Einfluss auf die Teilnehmerliste nehmen (Abb. 101). Digrinová: „Und als ich diese große Wanderausstellung vorbereitet habe, habe ich die Adlerová angerufen. ‚Können Sie mir bitte helfen dabei? Ich brauche die neuen Namen, raten 392 Hetteš. In: GR 4–5/1975, S. 9. 393 Wasmuth 2005, S. 101. „Am meisten hat man den Pavel Hlava gehasst. […] Weil er war immer in einer hohen Position und war halt immer dabei, wenn es darum ging, wer in eine wichtige Ausstellung kommt und wer nicht.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 394 Interview mit Réne Roubíček, Prag, 02.02.2004. 395 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 262. Harcuba konnte sich ebenfalls nicht an der Übersichtsausstellung 1976 in Frankfurt a. M. und der ersten Glasschau tschechischer Künstler in Spanien beteiligen, die im Frühjahr 1976 in der Galerie Arteta in Bilbao gezeigt wurde, wie auch Roubíček und Libenský. 396 Siehe Kapitel 4.3, S. 213 f. 397 Vgl. die Abbildungen im Ausstellungskatalog Adlerová 1973a.
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Sie mir, ich brauche Ratschläge, wer soll dabei sein?‘ Und die hat wirklich geholfen. Und sie war auch damals in Hamburg mit mir. Das war wirklich eine gute Sache. […] Und damals hat Dr. Adlerová gesagt, ‚Sie müssen in diese Ausstellung einen neuen Mann nehmen, oder zwei Männer, die heißen [Vladimír und Zdeněk] Kepka.‘ […] Das waren keine Künstler, eigentlich, das waren Handwerker, beide. Und dann habe ich das zum ersten Mal gesehen, wie sie arbeiten. Sie haben mit Sandstrahl gearbeitet und die haben außerhalb von Prag gewohnt [in Kostelec nad Labem] in einem Haus, das war so hässlich, so groß, so kühl.“398
Die Wanderausstellung förderte – trotz vergebener Chance, den eingeschlagenen repressiven Kurs zu durchbrechen – ein nachhaltiges Interesse der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Abgesehen von der selektiven Auswahl bezeugten die Exponate ihre künstlerische Berechtigung ohne jeglichen ideologischen Ballast. So vermittelte diese Schau einen wichtigen Impuls für die Einbindung tschechischer Künstler in die Ausstellung „Modernes Glas aus Amerika, Europa und Japan“ im Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt a. M. 1976 sowie die Ausrichtung des ersten Coburger Glaspreises 1977, der dann 1985, 2006 und 2014 erneut ausgelobt wurde. Dieser erste Wettbewerb für Studioglas in Europa entwickelte sich rasch zu einer renommierten Veranstaltung, bei der die Tschechen gleich mehrfach geehrt wurden.399 20 Jahre nach der Ausstellung „Glass 1959“ richtete das Corning Museum of Glass die Ausstellung „New Glass. A Worldwide Survey“ aus. Im Mai 1976 informierte das Museum in einer internationalen Ausschreibung Glaskünstler, Produktionsbetriebe, Fachmagazine und Kunstschulen über die Möglichkeit, Dianegative mit Entwürfen einzureichen. Anders als bei der letzten Schau sollte keine Jury gebildet werden, sondern vier unabhängige Gutachter bewerteten die anonymisierten Werke.400 Die in Amerika stark 398 Interview mit Alena Digrinová und Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. Die Familie Kepka zog 1948 nach Kostelec nad Labem, wo sie eine alte Armeebaracke in ein Wohnhaus mit angeschlossener Werkstatt umbauten. Kurz darauf wurde diese verstaatlicht. Die Brüder Kepka konnten die Werkstatt allerdings weiterbetreiben, wenn auch unter der Leitung des ÚUŘ. Als Zdeněk 1951 seinen Militärdienst abbrach, verurteilte man ihn als Deserteur zu zehn Jahren Zwangsarbeit in einer Uranmiene. Nach drei Jahren wurde er amnestiert. Die Kepka-Werkstatt führte während der 1960er und 1970er Jahre zahlreiche Entwürfe anderer Glaskünstler aus (Petrová 2007, S. 94/95). Zdeněk Kepka (geb. 1930) emigrierte 1982 in die BR Deutschland, wo er gemeinsam mit seiner Frau nach einer Zwischenstation in Rheinbach 1986 eine Manufaktur in Euskirchen gründete. Vladimír Kepka (geb. 1925) starb 1998. 399 Pavel Hlava gewann den Zweiten Preis. Bohumil Čabla, René Roubíček und Miluše Roubíčková erhielten ein Diplom, das Künstlerpaar Libenský/Brychtová ein Ehrendiplom und Břetislav Novák Junior eine Urkunde. Beim Coburger Glaspreis 1985 erhielten Jaromír Rybák den DrittenPreis, Olřich Plíva eine Urkunde für hervorragende Leistungen, Hlava und Vladimír Klein ein Ehrendiplom, Libenský/Brychtova und František Janák den Sonderpreis und René Roubíček eine Urkunde. 400 Diese waren Franca Santi Gualteri, Herausgeberin des Mailänder Designmagazins Abitare, Russell Lynes, ein New Yorker Publizist, Werner Schmalenbach, Direktor des Düsseldorfer Kunstmuseums, und Paul Smith, Direktor des Museum of Contemporary Craft in New York. Buechner 1979, S. 9.
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wachsende Studioglasbewegung und die dortige Einrichtung von Glasateliers in Dutzenden Colleges und Universitäten hatte seit der ersten Veranstaltung zu einem Umdenken in Bezug auf die Rolle von Glas als Medium der bildenden Kunst geführt. Eine schnöde Jurybemusterung kam aus diesem Verständnis heraus nicht in Frage, denn jede im Konsens gefällte Beurteilung hätte der Autorität des freien künstlerischen Schaffens widersprochen. Aus 6.000 eingeschickten Vorschlägen wurden so 273 Objekte für die eigentliche Ausstellung ausgewählt, die in fünf amerikanischen Museen präsentiert werden sollte und dann nach London, Paris und Tokio weiterwanderte. Die Teilnahme, sei es auch mit nur einem Exponat, wurde demnach bereits als Erfolg bewertet. In Anlehnung an das Auswahlverfahren stellte der Katalog die beteiligten Künstler nicht in Ländergruppen, sondern in alphabetischer Reihenfolge vor. Manche Exponate wurden von nur einem Gutachter, andere von allen vieren ausgewählt. Eine Klassifikation fand nicht statt. Bemerkenswert für die Mitwirkenden aus der Tschechoslowakei ist der im Vergleich zu früheren Ausstellungen überproportional hohe Anteil junger Gestalter. Aus der Generation der Libenský-Studenten erreichten elf Künstler die Endrunde401 und dies mit jeweils zwei Stimmen. Einige von ihnen konnten sogar bis zu vier Arbeiten einbringen. Antonín Drobník, Jiří Harcuba, Libenský/Brychtová, Ladislav Oliva Senior, Miluše Roubíčková, Vratislav Šotola und Jiřina Žertová als Vertreter der älteren Generation hingegen erhielten nur je eine Stimme. Roubíček war gar nicht dabei. Ebenfalls aus der „ersten Generation“ tschechischer Glasgestalter wurden allerdings Pavel Hlava, Vladimír Jelínek und František Vízner von allen vier Gutachtern ausgewählt, Věra Lišková immerhin von dreien und dies für beide ihrer ausgestellten Exponate. Mit 24 an der Ausstellung teilnehmenden Glaskünstlern und Manufakturen erzielte die Tschechoslowakei das zweitbeste Ergebnis hinter den Vereinigten Staaten.402 „New Glass. A Worldwide Survey“ erhielt sehr viel Aufmerksamkeit.403
401 Jan Adam, Blanka Adensamová, Jiří Jetmar, Marian Karel, Václav Machač, Břetislav Novák Junior, Oldřich Plíva, Ivo Rozsypal, Jiří Šuhájek, Dalibor Tichý, Kapka Toušková und Ján Zoričák, auch wenn dieser nun Frankreich repräsentierte. Zoričák (geb. 1944), der von 1963 bis 1969 unter Libenský studiert hatte, war bereits 1970 nach Frankreich emigriert, woher seine erste Frau Catherine stammte, die er in Prag kennengelernt hatte. Er hatte die Tschechoslowakei zuvor bei der Weltausstellung in Montreal repräsentiert. Als „Yan Zoritchak“ zählt er heute zu den bekanntesten Vertretern der tschechoslowakischen Glasgestaltung im Ausland. Seine Teilnahme als einziger Künstler, der Frankreich bei „New Glass. A Worldwide Survey“ vertrat, lenkte die Aufmerksamkeit des französischen Ministeriums für Kultur auf seine Arbeit. Zoritchaks Anwesenheit in der 1980 auch in Frankreich gezeigten Ausstellung gab Anlass zur Errichtung des ersten Museums für zeitgenössische Glaskunst des Landes, das Musée-atelier du verre in Sars-Poteries. Für seinen Beitrag zur französischen Kultur wurde Zoritchak 1987 zum Chevalier de l’Ordre des Arts et Lettres ernannt. Petrová 2007, S. 68–70. 402 86 amerikanische Studioglaskünstler und Manufakturen wurden ausgewählt. Die BR Deutschland war mit 21 Teilnehmern drittstärkster Konkurrent. Buechner 1979, S. 279–281. 403 Allein bei ihrer ersten Präsentation in Corning sahen 238.000 Besucher die Ausstellung. Petrová 2001, S. 90.
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Harcuba: „Zum Beispiel Corning, die große Ausstellung ’79, die war so wichtig, weil auf einmal haben sie das tschechoslowakische Glas entdeckt für Amerika. Und dann kam der Direktor Buechner nach Prag und schrieb wieder ein Büchlein über seinen Besuch in den verschiedenen Ateliers, ich glaube, er hat 80 Ateliers besucht. Er schrieb darüber und das brachte eben viel Aufmerksamkeit. Und mehr und mehr Länder haben sich dann interessiert. Wir haben viele Länder, die damals sehr gut waren im Glas, überholt, weil Italien blieb ein bisschen zurück und die skandinavischen Gläser blieben ein bisschen zurück und auf einmal, neben dem amerikanischen, war das tschechoslowakische Glas das wichtigste damals.“ Matějček: „Und – auch sehr wichtig in einem anderen Sinn, dass es manchmal auch mit Schulungen verbunden war, wissen Sie, unsere Künstler haben auch an den Universitäten oder den Kunstschulen zu dem Glas etwas gesagt, zum Beispiel an der Pilchuck School.“404
Museumsdirektor Thomas S. Buechner reiste gemeinsam mit zwei Kollegen in die Tschechoslowakei, um eine große Überblicksausstellung für das Jahr 1981 vorzubereiten. Gemeinsam mit zwei Art Centrum-Mitarbeitern besuchte die Gruppe de facto 23 Künstler in ihren Ateliers, um für den Ausstellungsteil „Zeitgenössisches Glas“ 46 Exponate auszuwählen.405 Die Schau mit dem Titel „Czechoslovakian Glass 1350–1980“ wurde 1981 in Corning eröffnet und bestand zu etwa einem Drittel aus diesen modernen Arbeiten (Abb. 102). Alena Adlerová, die an der Organisation beteiligt war, bemängelte allerdings die Präsentation der Exponate vor Ort. Adlerová: „Wir haben viele Ausstellungen für das Ausland gemacht. Das haben Sie wahrscheinlich schon verfolgt. In Corning waren wir ...“ Wasmuth: „Das war Ihre Aufgabe?“ Adlerová: „Ich war sogar dort. Aber Sie haben es selbst installiert, ich muss sagen schrecklich! [lacht] Es war schon fertig! Und alles war in Vitrinen, ich muss sagen, ich war ein bisschen entsetzt.“406
Adlerovás Erfahrung zeigt, dass selbst ein spezialisiertes Glasmuseum wie das Corning Museum of Glass anfänglich nicht wusste, wie die tschechischen Exponate zu installieren und fachgerecht zu präsentieren waren. Die Arbeiten aus dem sozialistischen Land unterschieden sich technologisch und ästhetisch oftmals grundsätzlich von denen der Glaskünstler aus westlichen Ländern. Sie benötigten wegen der damals ganz neuen Gestaltung ihres Innenlebens, der unkonventionellen Oberflächenbearbeitung, der Verwendung von Brillenglasrohlingen – einem überproportional kostspieligem Material, das eine besondere Lichtbrechung zuließ – oder ihres Einsatzes von experimentellen 404 Interview mit Jiří Harcuba und Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. 405 Dwight P. Lanmon, stellvertretender Direktor der Sammlungen, und William Warmus, Kurator für Glas des 20. Jahrhunderts, reisten gemeinsam mit Buechner. Bei den Art Centrum-Mitarbeitern handelte es sich um Peter Cilka und Miroslav Nogol. Vgl. Buechner. In: Adlerová et al. 1981, S. 7. 406 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003.
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Malereitechniken eine speziell auf diese Ansprüche zugeschnittene Beleuchtung und Raumplanung. Während der 1980er Jahre bestimmten nicht mehr nur die im Rahmen der wichtigen internationalen Auftritte in den 1950er bis 1970er Jahre geknüpften Kontakte die Auswahl von Exponaten, sondern die wachsende Nachfrage im Westen. Das Regime fügte sich formal marktwirtschaftlichen Konditionen und unterstützte über Art Centrum zahlreiche Ausstellungsprojekte zum modernen Glas, wenn es auch innerhalb seiner Grenzen weiterhin eine freizügige Darstellung künstlerischer Ideen zu unterbinden suchte.407 Zu den wichtigen Museumspräsentationen in diesem letzten Jahrzehnt der sozialistischen Tschechoslowakei zählten die Ausstellung „Licht – Form – Gestalt“ im Kunstmuseum Düsseldorf 1980, „Moderne tjekkoslovakisk glas“ im Kopenhagener Kunstindustrimuseet, „Czechoslovak Glass – Seven Masters“ im American Craft Museum in New York 1983, „World Glass Now ’85“ in fünf japanischen Museen, „Contemporary Glass in Architecture“ in drei englischen Museen und „Expressions en verre I“ im Musée des Arts décoratifs in Lausanne 1986/87. Der Fokus der tschechischen Glaskünstler richtete sich zunehmend auf Auftragsarbeiten aus dem westlichen Ausland und ganz allgemein auf Ausstellungsmöglichkeiten im kommerziellen Kontext, denn so hatten sie verstärkt Zugriff auf Tuzex-Gutscheine.408 Während der 1980er Jahre etablierten sich mehrere Galerien für modernes Glas, nicht nur in Amerika409 und Japan, wo tschechische Glaskunst bereits damals eine Sammlerclique ansprach, sondern auch in Europa. In Den Haag präsentierte die Galerie Rob van den Doel ab 1981 mehrere Gruppen- und Einzelausstellungen. Etwa zeitgleich initiierten in der Schweiz die Galerie Bellefontaine in Lausanne sowie die Glas-Galerie Luzern und in der BR Deutschland die Essener Glasgalerie in Essen, wenig später Galerie Gottschalk-Betz in Frankfurt a. M., Galerie Groll in Nürnberg, Glasgalerie Lorenz in Freiburg i. Br. und 1988 Glasgalerie Hafendamm in Flensburg eine ganze Serie von Verkaufsausstellungen mit tschechischen Glasarbeiten. 1983 eröffnete die Glasshouse Gallery in Nottingham sowie Dan Klein410 mit der Ausstellung „Masters of Czech Glass 407 Beispielhaft wurde das Projekt „Prostor II“ (Raum II) 1983 verhindert, indem die NG kurzfristig die Genehmigung der Räumlichkeiten untersagte. Nachdem 1982 die von dem Dramaturgen Kristián Suda (Ehemann der Glaskünstlerin Dana Vachtová) kuratierte Avantgardeschau „Prostor I“ mit Glasinstallationen im Prager Museion, einer Kirche aus dem 17. Jahrhundert, mit Konzentration auf die Interaktion der Exponate mit dem vorgegebenen Raum als eine neue Dimension im damaligen Ausstellungswesen begriffen worden war, wollte er im Folgejahr „Prostor II“ mit einem ähnlichen Ansatz im ausgebrannten Messepalast (Veletržní palác) ausrichten (Petrová 2001, S. 133/134, und Wasmuth 2005, S. 102). „Prostor III“ konnte dann allerdings 1986 in der Umgebung des Staudamms Všemina stattfinden. 408 Siehe Kapitel 3.1.4, S. 94. 409 In den USA verfolgten die Jacques Baruch Gallery in Chicago, die Forster-White Gallery in Seattle, die Habatat Galleries in Bay Harbor Islands, Florida, und die Heller Gallery in New York eine Reihe von Ausstellungsprojekten mit tschechischen Glaskünstlern. 410 Klein (1938–2009) begann bereits Mitte der 1970er Jahre, sich für modernes Glas zu interessieren. Neben seiner Karriere als Galerist arbeitete er ab 1984 eng mit Christie’s und von 1997 bis
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1945–1965“ in seiner Londoner Galerie den englischen Markt.411 Auch in Frankreich begannen sich kommerzielle Galerien mit tschechischer Glaskunst zu beschäftigen, in Strasbourg die Galerie Paskine de Gignoux, in Biot die Galerie Momiron und in Paris die Galerie d’Amon sowie Galerie Clara Scremini. Der politische Systemwechsel 1989 führte schnell zu einem Wandel im Ausstellungswesen. Im musealen Rahmen stagnierte die Auslandspräsentation der zuvor als „exotisch“ wahrgenommenen Glaskunst aus dem Land hinter dem Eisernen Vorhang recht schnell. Zwar fanden noch mehrere Ausstellungen tschechischer Künstler, wie die Einzelausstellung „S. Libenský J. Brychtová. A 40-year collaboration in glass“ im Corning Museum of Glass statt, doch bald verlagerten sich die Präsentationsmöglichkeiten mehr und mehr in den Kontext von Wettbewerben, Symposien und bestenfalls kommerziellen Galerien. Mit sukzessiver Auflösung der staatlichen Institutionen SČVU, ÚBOK, Skloexport und Art Centrum und dem personellen Wechsel in den Glasmuseen eröffneten sich allerdings zahlreiche Möglichkeiten für Privatinitiativen im Ausstellungsbereich.412
6.2.2 Kulturaustausch mit befreundeten Staaten Die kulturelle Zusammenarbeit mit marxistisch orientierten Staaten sowie mit Entwicklungs- und Schwellenländern war schon bald nach der kommunistischen Regierungsübernahme in bilateralen Abkommen festgelegt worden und umfasste konkrete Maßnahmen im Bereich des Bildungs- und Kulturaustauschs, unter anderem auch die Ausrichtung von Kunstausstellungen aller Art. Die kulturellen Beziehungen zu westlichen Ländern wurden zunächst systematisch eingeschränkt.413 Mit Ausnahme der „Kontraktausstellungen“, anlässlich derer Handelsverträge über Glaswaren abgeschlossen wurden, fanden bis Ende der 1950er Jahre keine Glaspräsentationen im Kontext des Kulturaustauschs mit dem Ausland statt. Erst der Auftritt bei der XI. Triennale di Milano 1957 und der bahnbrechende Erfolg der Brüsseler EXPO 58414 rückte Glaskunst auf einen zentralen Platz im tschechoslowakischen Ausstellungswesen. Das Genre schien
2001 mit dem Auktionshaus Philipps zusammen. Klein gehörte zu den Gründungsmitgliedern von North Lands Creative Glass in Nordschottland, das seit 1995 Workshops und Symposia für Glaskünstler anbietet. Klotz, Uta M.: „Editorial“. In: NG 3/2009, S. 9. 411 Siehe Katalog Klein 1983. 412 Stanislav Libenský gründete 1990 gemeinsam mit seinem ehemaligen Studenten Zdeněk Lhotský die Prague Glass Association, eine Art Genossenschaft, welche die Interessen der Glasmacher vertreten wollte und als Bindeglied zu ausländischen Institutionen diente. Ab 1991 vergab sie mit finanzieller Unterstützung der Heller Gallery aus New York den Prager Glaspreis, anlässlich dessen Vergabe stets eine Präsentation der Teilnehmerentwürfe ausgerichtet wurde. Bereits nach 1995 stellte die Prague Glass Association ihre Tätigkeit ein. Petrová 2001, S. 177. 413 Vgl. Knapík 2010, S. 96. 414 Siehe Kapitel 6.2.1.
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besonders geeignet, als sozialistische Kunstform wahrgenommen zu werden415 und eignete sich deshalb bestens als Medium für die interkulturelle Kooperation innerhalb der Warschauer-Pakt-Staaten und ihrer Verbündeten bei öffentlichen Veranstaltungen. Im kulturdiplomatischen Instrumentatium hatten diese Auslandspräsentationen vor allem eine politische Dimension, da der Impuls für deren Ausrichtung meist im Zusammenhang mit der Unterzeichnung bilateraler Verträge aller Art, außenpolitisch bedeutsamer Ereignisse oder von Staatsbesuchen stand. So wurde anlässlich der Feierlichkeiten zur „Woche der deutsch-tschechoslowakischen Freundschaft“ im September 1958 die Ausstellung „Modernes Glas aus der ČSR“ unter Beteiligung von 38 Gestaltern in Ostberlin ausgerichtet.416 Anders als bei der zeitgleich stattfindenden Weltausstellung in Brüssel wurden hier vornehmlich künstlerisch gestaltete Gebrauchsgläser und keine monumentalen Exponate präsentiert. Mit Blick auf die marxistische Definition von „Kunst als praktisch-geistige Aneignung der Wirklichkeit“ und die gängige Einordnung von Glasgestaltung in die Domäne industrieller Formgebung wurden Produkte der angewandten Kunst in der zeitgenössischen DDR-Fachliteratur nur als solche Gegenstände definiert, „die vom Menschen unmittelbar und direkt gehandhabt werden, deren Zweckmäßigkeit in ihnen selbst vollendet und als Vollendung anschaulich und spontan einsichtig“ sei.417 Rein bildhauerisch aufgefasste Glasarbeiten hätten den nutzorientierten Prämissen der sozialistischen Kulturpolitik, die hier viel stringenter als im Nachbarland durchgesetzt wurde, allzu deutlich widersprochen.418 Die Organisatoren der Ausstellung, das Prager UPM – dessen Direktor Emanuel Poche den Begleitkatalog verfasste sowie eine Ansprache bei der Vernissage hielt – und die Gesellschaft für Kulturelle Verbindungen mit dem Ausland, entschieden sich wohl vor diesem Hintergrund dazu, ausschließlich Gebrauchsglas zu präsentieren. Unter den Exponaten befanden sich allerdings mit abstraktem Golddekor bemalte Vasen von Zdenka Strobachová und Teller von František Tejml, die sicherlich nicht zum täglichen Einsatz im Haushalt geeignet waren (Abb. 103).419 Zum Großteil wurden die ausgewählten Ausstellungsstücke aus dem Konvolut der Exponate von der Mailänder Triennale 1957 und der EXPO 58 präsentiert420 und wiesen in gestalterischer Hinsicht ein hohes künstlerisches Niveau auf. Die offensichtlich nicht für eine Serienproduktion
415 Es wurde stets als traditionelles Kunsthandwerk propagiert, das in Kollektivherstellung unter Nutzung einheimischer Rohstoffe zu erschwinglichen Preisen erzeugt wurde. Vgl. Kapitel 5.1.1. 416 Im Begleitkatalog ist der Ausrichtungsort nicht angegeben. Die Glasrevue erwähnt „am Bahnhof Friedrichstraße in Ostberlin“, ohne näher auf den Schauplatz einzugehen (GR 12/1958, S. 29). Hierbei handelte es sich um das „Internationale Ausstellungszentrum“, so die Neue Zeit am 3. September. Die Ausstellung wurde danach auch in Magdeburg und Halle a. d. S. gezeigt. 417 Redeker. In: FuZ 1958/1959, S. 6. 418 Wasmuth 2010, S. 497; vgl. auch Zimmermann 2010, S. 81, 82, 93. 419 Vgl. Abbildungen in Poche 1958, o. S. 420 GR 12/1958, S. 29. Im Katalog sind nur zwölf Exponate (einschließlich des Covers) abgebildet, von denen alle bereits in Mailand gezeigt worden waren.
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geeigneten Exponate stießen in der DDR auf Irritation. Vor allem die kantengeschliffenen Vasen von Jan Kotík421 (Abb. 104) wurden kritisch rezensiert: „Bei allem beachtlichem Können und trotz des viel größeren Aufwandes an Arbeit haben die Vasen nicht die Kraft der Aussage, wie jene materialgerechten, vorher betrachteten Formen. Sie sind ein Beweis dafür, dass Artistik gewordenes Handwerk zur Vergewaltigung des Materials und der Form führt. Den ursprünglich freigeformten Gläsern mit beschwingten Umrissen ist durch nachträgliches Schleifen kristalliner Charakter aufgezwungen worden. Dadurch entstehende Schliffkanten machen schöne Hohlräume zu Scheinräumen, denn nur einen Hohlraum und nicht zwei birgt jeder Körper. Auch die Farbe dient hier nicht mehr mit gleicher Selbstverständlichkeit der Form. Sie ist vielmehr bis zu einem gewissen Grade selbstständig geworden.“422
Einen ersten Höhepunkt im Bereich des Glasausstellungswesens im sozialistischen Ausland setzte dann die große Präsentation „Checoslovatzkoye styeklo“ 1959 in der sowjetischen Hauptstadt. Sie war infolge einer konkreten Anfrage aus Moskau zustande gekommen und nutzte zu fast zwei Dritteln Exponate, die bereits bei der XI. Triennale in Mailand, der Brüsseler EXPO und der Glasschau in Corning 1959 zu sehen waren.423 Auch die parallel stattfindende Wanderausstellung durch drei indische Städte und Kairo, welche René Roubíček kuratierte, wurde als kulturelle Veranstaltung von „höchster gesellschaftlicher Bedeutung“ wahrgenommen.424 Anders als die Ostberliner Schau setzten diese Ausstellungen auf eine Präsentation von rein künstlerisch aufgefassten Arbeiten neben Gebrauchsgläsern, so wie auch die Konzeption bei der EXPO 58 aufgebaut war. Aufgrund der offiziellen Absegnung des damit begründeten Kurses durch 421 Die Vase wurde im Katalog nicht abgebildet, vgl. Poche 1958. 422 Müller, E. In: FuZ 1960, S. 105. Die Neue Zeit, Jg. 14, Ausg. 210, urteilte am 10.09.1958 auf S. 4 über die Exponate: „Offenbar sind sie für Repräsentationszwecke gedacht und wegen der geringen Standfestigkeit der Vasen und Schalen nicht sehr praktisch. Der Ausstellungsprospekt besagt, daß die tschechoslowakische Glasproduktion durchdrungen sei von einem neuen Geist, der sich der ruhmreichen Traditionen des böhmischen Glases bewußt sei und gleichzeitig die Bedürfnisse des neuen Menschen wahrnehme. Aber der moderne Mensch wird kaum etwas anfangen können mit den urnenähnlichen Deckelvasen, mit einer Schüssel ‚in Antlitzform‘ aus grünem Glasguß, mit Kristallvasen mit eingeschnittenen Porträts. Das harte Wort ‚Kitsch‘, das man von jedem zweiten Ausstellungsbesucher hört, scheint hier am Platze. Gediegene Form und unehrlicher Aufwand, Kunst und Kitsch, vollendetes technisches Können und virtuose Spielereien – hier sind sie dicht beieinander. Aber wir selbst haben noch zu ringen um die gute Form des industriellen Gebrauchsartikels und des kunsthandwerklichen Einzelstückes.“ 423 Rückl. In: GR 1–2/1960, S. 19. Da der Anlass für diese eindrucksvolle Schau im Zusammenhang mit der politisch motivierten Entscheidung stand, einen Gegenakzent zur zeitgleich stattfindenden „National American Exhibition“ setzen zu wollen, handelte es sich bei dieser Veranstaltung im Grunde genommen nicht um eine Ausstellung im Rahmen des Kulturaustauschs und wird deshalb an anderer Stelle besprochen. Siehe Kapitel 6.2.1, S. 377 f. 424 GR 7–8/1959b, o. S. Siehe auch Kapitel 6.2.1, S. 381.
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Nikita Chruščëv persönlich anlässlich seines Besuchs der Moskauer Präsentation425 eröffnete sich eine weitaus weniger restriktive Bemusterung der Exponate für Glasschauen während des nun beginnenden politischen Tauwetters. Der offizielle Kulturaustausch mit marxistisch orientierten Staaten und Entwicklungs- oder Schwellenländern führte ab 1960 zu einer ganzen Serie von Glasausstellungen, die in der Regel vom SČVU und dem UPM organisiert wurden.426 Entgegen der naheliegenden Annahme, die Exponate dieser Schauen müssten sich ikonografisch oder stilistisch von jenen bei internationalen Präsentationen in Zeiten des Kalten Krieges unterschieden haben, stellte das tschechoslowakische Ausstellungswesen im Glasbereich zunächst eine grenzübergreifende Einheit dar. Während der gesamten 1960er Jahre fanden sich unter den Exponaten dieser Präsentationen dieselben Arbeiten, die auch anlässlich von Ausstellungen im kapitalistischen Ausland gezeigt wurden (Abb. 105).427 Allerdings wurden die Veranstaltungen im Rahmen des Kulturaustauschs zumeist in viel kleinerem Maßstab ausgerichtet. Ein Grund dafür könnte die rasant steigende Frequenz von Auslandsauftritten gewesen sein, die dazu geführt haben mochte, dass schlichtweg ein Mangel an verfügbaren Exponaten bestand.428 Möglicherweise waren aber auch die Budgets für diese Veranstaltung weitaus bescheidener. Lediglich in seltenen Fällen erschien ein Begleitkatalog und auch in tschechoslowakischen Fachzeitschriften fanden diese Präsentationen wenig Beachtung, so dass sich deren Aufbau schwerlich rekonstruieren lässt. Bemerkenswert an den vorliegenden Katalogtexten und Rezensionen ist immerhin, dass diese inhaltlich beinahe deckungsgleich mit jenen für Ausstellungen im Westen waren. Eine Ausnahme stellen die ideologisch gefärbten Geleitworte seitens staatlicher Institutionen und hochrangiger Funktionäre dar, die ihnen vorangestellt wurden. Ein spürbarer politisch motivierter Eingriff in diese Sparte des Glasausstellungswesens machte sich erst mit Einsetzen der reaktionären 1970er Jahre bemerkbar. Das bis zur militärischen Intervention im August 1968 noch werbewirksame Aushängeschild „zeitgenössische Glaskunst“ hätte danach nicht mehr glaubwürdig die Realität im Regime konterkarieren können. Insofern war es nur konsequent, eine prosowjetische Haltung 425 Vgl. Kapitel 6.2.1, S. 380 f. 426 Umgekehrt wurden auch Ausstellungen mit Glasarbeiten aus diesen Ländern in der Tschechoslowakei ausgerichtet, meist in Museen. Siehe Kapitel 6.1.1, Anm. 145, S. 352, und Kapitel 6.1.2, S. 357. 427 Da viele der Exponate in kleinen Serien hergestellt wurden, konnte derselbe Entwurf zeitgleich in mehreren Ländern präsentiert werden. Unikate wurden „durchgereicht“, wie die TriennaleStücke von 1957, die bei der Ausstellung „Modernes Glas aus der ČSR“ erneut im Folgejahr in Ostberlin zu sehen waren. Die Montrealer Exponate und deren Varianten von René Roubíček und Miluše Roubíčková wurden 1968 anlässlich einer Monoausstellung des Künstlerpaares in der Galerie Polsko in Poznań erneut gezeigt. Vgl. Hetteš 1968. 428 Zeitgleich fand nicht nur die Weltausstellung in Brüssel, sondern auch die Schau „Bilance ’58“ im UPM und eine Gruppenausstellung im Deutschen Museum in München statt. Auch wurden bereits die „Glass 1959“-Wanderausstellung für Amerika, die VIII. Biennale in São Paulo und die im Folgenden besprochene Wanderausstellung durch Teheran, Bagdad, Kairo, Damaskus, Leningrad, Vilnius und Sydney vorbereitet.
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bei offiziellen Anlässen im kommunistischen Lager zu demonstrieren, indem „ideologisch einwandfreie“ Veranstaltungen organisiert wurden. Im Folgenden werden anhand beispielhafter Ausstellungen aus dem Kontext des Kulturaustauschs mit befreundeten Staaten die Strategien der tschechoslowakischen Ausstellungspolitik im Glaskunstbereich chronologisch vorgestellt. Im Mai 1963 richtete das Muzeum Śląskie in Wroclaw die Ausstellung „Współczesne szkło w Czechosłowacji“ (Zeitgenössisches Glas aus der Tschechoslowakei) aus. Zeitgleich fanden in Warschau die Feierlichkeiten zum „18. Jahrestag der Befreiung der Tschechoslowakei in der UdSSR und Polen“ statt.429 Die UPM-Kuratorin Alena Adlerová verfasste den Begleitkatalog430, wie sie es in den Folgejahren auch für zahlreiche Ausstellungen im Westen tat. Insgesamt wurden 220 Arbeiten von 46 Künstlern präsentiert. Zu den Exponaten zählten aber größtenteils Ausstellungsstücke der Mailänder Triennale von 1957, der EXPO 58, der amerikanischen Ausstellung „Glass 1959“ sowie der Triennale von 1960431 und mit Ausnahme innovativer Pressgläser, zum Beispiel von Miloš Filip, Rudolf Jurnikl, Jozef Soukup und František Vízner432, wenig aktuelle Arbeiten. Anders als für diese Präsentationen, die einen internationalen Kreis ansprechen sollten, wurde für die polnische Schau kein Wettbewerb ausgelobt. Im Grunde genommen handelte es sich um eine „recycelte“ Ausstellung, die der polnischen Öffentlichkeit ganz im Sinne der offiziellen Propaganda die weltweiten Erfolge des tschechoslowakischen Glases vor Augen führen sollte. Von 1968 bis 1969 tourte neben der erwähnten Präsentation „50 Jahre tschechische angewandte Kunst und industrielle Formgestaltung“, die von Prag nach Wien und dann weiter nach Teheran, Wroclaw und Budapest ging433, eine weitere Wanderausstellung mit dem Titel „Zeitgenössisches tschechoslowakisches Glas“ durch Teheran, Bagdad, Kairo, Damaskus, Leningrad, Vilnius und Sydney. Letztere sollte einen möglichst authentischen Querschnitt der aktuellen Glasgestaltung präsentieren, um möglichst alle Besuchergruppen dieser heterogenen Ausrichtungsorte anzusprechen. Die Schau beinhaltete zahlreiche abstrakte Exponate, die in krassem Widerspruch zur restriktiven Leitlinie der offiziellen Kulturpolitik standen, aber bereits bei der Weltausstellung in Montreal 1967 gezeigt worden waren.434 Eher zufällig vermittelte sie so ein positiv besetztes Bild des Staates in eben jenem Zeitraum, in welchem die täglichen Nachrichtenmeldungen von der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings in die Welt hinausgingen. 429 In Warschau wurde im Rahmen der Festlichkeiten der Film „Dáblova past“ (Teufelsfalle) von František Vláčil präsentiert. Rudé právo, 06.05.1963, S. 3. 430 Adlerová 1963. 431 Zu diesen zählten hüttengeformte Vasen von Vladimír Jelínek, Miluše Roubíčková und František Zemek, geschnittene Vasen von Jan Kotík und Teller von Ladislav Oliva Senior. Von Stanislav Libenský, Vladimír Kopecký und František Tejml waren abstrakt bemalte Vasen zu sehen. Diese stellten wohl die am weitesten von der offiziellen Kulturpolitik entfernten Exponate dar. 432 Warmus 2001, o. S. 433 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 391. 434 Ein Katalog wurde nicht produziert. Petrová 2001, S. 255.
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Mit der beginnenden Normalisierung änderte sich die offizielle Konzeption der kulturellen Zusammenarbeit mit befreundeten Ländern hin zu einer ideologisierten Themensetzung bei Ausstellungsprojekten. Auch war der Anlass für deren Ausrichtung zunehmend politisch kontextualisiert. So installierte das MŠAK anlässlich des „25. Jahrestages der Befreiung durch die Sowjetarmee“ 1970 eine Präsentation in Moskau, die einen Überblick der tschechoslowakischen Kultur, Industrie und Verbrauchsgüterproduktion aufzeigen sollte. Die Veranstaltung übertraf den Montrealer Beitrag um das Fünffache und allein für Glas standen 1.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung.435 Anders als für die zeitgleich stattfindende EXPO in Osaka hatten die Organisatoren allerdings zum Großteil „tscheskij chrustal“, also Bleikristallgläser, für Moskau ausgewählt und kein einziges Objekt aus dem Glaskunstbereich. Während sich Generalsekretär Chruščëv bei der Moskauer Glasausstellung 1959 noch ausdrücklich die asymmetrisch geschliffene Schale von Roubíčková (Abb. 82) als Präsent ausgesucht hatte, nachdem er die ihm zuvor angebotene Vase als „zu unmodern“ abgelehnt hatte436, überreichte die tschechoslowakische Delegation seinem Nachfolger Leonid Brežnev eine große Bleikristallvase (Abb. 106). Im Rahmen des offiziellen Kulturaustauschs organisierte das UPM 1970 erneut eine Ausstellung im Muzeum Śląskie in Wroclaw sowie eine Glaspräsentation in Ankara.437 Die polnische Schau fand zum „25. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerregime“ statt und zeigte einen Überblick kunstgewerblicher Arbeiten der Jahre 1918 bis 1968, bestand also nicht nur aus Glasexponaten.438 Anlass zu einer Ausstellung in der türkischen Hauptstadt mögen die seit 1969 wachsende antiamerikanische Stimmung und beständigen Proteste gegen die Stationierung amerikanischer Soldaten gewesen sein. Es ist denkbar, dass diese Ausstellung als ein demonstratives Zeichen der Sympathie mit dieser Bewegung verstanden werden sollte.439 Adlerová: „Ich habe immer diese Ausstellungen begleitet, auch nach Japan, oder sogar in die Türkei, das war ganz schlimm. Wir haben dort eine Ausstellung gemacht in einer ... Gassen-
435 GR 10/1970, S. 103/104. 436 Interview mit Miluše Roubičková, Prag, 02.02.2004; Wasmuth 2005, Anm. 36, S. 103. 437 Zu dieser Präsentation gibt es keine Sekundärliteratur. Leider existiert auch kein Katalog zu dieser Ausstellung, weshalb sich die Exponate nicht ermitteln ließen. 438 Die Ausstellung lief unter dem Titel „Zamiary i zapasy – 50 lat czeskiej sztuki stosowanej i plastyki przemyslowej – Przemiany w latach 1918–1968“ (Absichten und Gegenstände – 50 Jahre tschechische angewandte Kunst und Kunstgewerbe – Transformation in den Jahren 1918 bis 1968). Petrová 2001, S. 255. Ein Katalog wurde nicht publiziert. 439 Auch die Entsendung Alexander Dubčeks, Symbolfigur des Kommunismus mit menschlichem Antlitz, als Botschafter nach Ankara im Oktober 1969 mag nicht nur als Abschiebung in den Warteposten gedient haben. Vgl. auch die Reaktion auf die Studentenproteste bei der Mailänder Triennale 1968, Kapitel 6.2.1, S. 391.
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unterführung. Ich denke, das war für die Türken etwas ganz Unvorstellbares, was wir dort ausstellten. Es ging um Kulturaustausch.“440
Obgleich auch die von Adlerová kuratierte Ausstellung „Angewandte Kunst aus der ČSSR“ in Weimar, Ostberlin und Rostock 1972/73 sich thematisch klar als Überblicksschau der industriellen Produktion gab, fanden sich unter den Exponaten zahlreiche künstlerische Arbeiten aus dem Skulpturbereich, die aus den Sammlungen des UPM Prag und des UPM Bratislava stammten. Libenský und Brychtová präsentierten Schmelzglasplastik „Herz“441 sowie die fünfteilige „Sphäre im Kubus“ (Abb. 107)442 als – so von Adlerová im Begleitkatalog formuliert – „Probe dekorativer Kunstwerke in Glas zur Ausstattung von Innenräumen“.443 Trotz der administrativ vorgegebenen Thematik der Ausstellung gelang es Adlerová also, ein in ihren Augen annähernd repräsentatives Bild der heimischen Glasgestaltung zusammenzustellen, ohne dabei politisch anzuecken. Adler: „Das war so ein ‚Fíbl‘, wie man hier sagt. Na, und sie ist Abteilungsleiterin bis zum Schluss geblieben. […] Also das sind Tausende solcher Sachen, weil vieles war so ganz absurd, ich würde fast sagen kafkaesk. Aber das ist schon zu trivialisiert. […] Vieles ging als angewandte Kunst, was nicht als Freie Kunst gegangen wäre.“ 444
Die restriktive Kulturpolitik des Staates während der Normalisierung traf Glaskünstler tatsächlich weniger hart als Maler, Bildhauer oder Grafiker. Die allgemein gebräuchliche Zuordnung in den Komplex des Kunsthandwerks, welche ihnen noch kurz zuvor ein Ärgernis war, stellte sich nun als ein Schlupfloch im staatlichen Ausstellungswesen dar.445 Dank persönlicher Kontakte und der Solidarität einiger in zentralen Positionen 440 Adler: „Ungefähr ’69, ’70 musste das gewesen sein. Weil der Dubček war damals nicht mehr da. Der war als Parteisekretär gefeuert und wurde dann Botschafter in Ankara.“ Adlerová: „Und er war dort sehr beliebt. Die Leute haben gefragt: ‚Was denken Sie über Dubček?‘ Wenn ich etwas Schlechtes gesagt hätte, wären sie böse gewesen. Es hat einen Monat gedauert und ich wollte wieder nach Hause kommen. Und dann haben sie gesagt, ‚Der Flug kostet zu viel, Sie müssen bei uns bleiben‘. Also habe ich einen Monat in Ankara gelebt.“ Interview mit Alena Adlerová und Petr Adler, Prag, 07.10.2003. 441 Abgebildet in: Adlerová 1972b, Nr. 2. 442 Die Plastik wurde bei beiden Wanderausstellungen durch die DDR 1972/73 und die BR Deutschland 1973/74 präsentiert. 443 Adlerová 1972b, o. S. Die beiden Künstler Jiří Harcuba und Miloslav Klinger hingegen wurde die Teilnahme aus politischen Gründen verweigert. Siehe Kapitel 5.1.4, S. 260. 444 Interview mit Petr Adler, Prag, 07.10.2003. 445 Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Exponate einen gestalterischen Impuls für die Kunstglasproduktion in den jeweiligen Ausrichtungsorten gegeben haben. Im Rahmen des Bildungsaustausches lieferte auch das Atelier von Stanislav Libenský an der Prager Kunstgewerbehochschule, welches von mehreren Studenten befreundeter sozialistischer Staaten besucht wurde, kreative Anstöße für die Glasgestaltung im Ausland. Neben den beiden bulgarischen Studenten Kapka Toušková und Latchezar Boyadjiev studierten Jeronim Tišljar aus Jugoslawien, Vello Soa aus Estland und Karin Korn aus der DDR an der VŠUP. Nicht nur junge Künstler aus soziali-
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sitzender Kuratoren gelang es ihnen, freischaffend tätig zu bleiben und sich ikonografisch nicht anpassen zu müssen, selbst bei Exponataufträgen für das sozialistische Ausland. Aus der Überzeugung heraus, Sturheit, Widerstand gegen autoritäres Verhalten und Improvisationsfähigkeit seien typisch tschechische Charaktereigenschaften, verfolgten viele Glaskünstler unauffällig ihren individuellen künstlerischen Weg.446 Digrin: „Sie müssen bedenken, wir sind ein Land von Josef Schwejk und Franz Kafka. Das sind ganz unglaubliche Sachen, welche da passiert sind!“ 447
Eine Gruppe von Glaskünstlern stellte sich hingegen aus politischer Überzeugung bereitwillig in die Dienste des Kulturaustauschs mit sozialistischen Staaten und Entwicklungsländern. Matějček: „Fast jeder Künstler konnte mit Art Centrum zusammenarbeiten, jedoch die ‚Nationalkünstler‘ wollten nicht in den Westen. Jozef Soukup zum Beispiel wollte den Staat repräsentieren, jedoch nichts mit dem Westen zu tun haben. […]“ Harcuba: „Jozef Soukup sagte: ‚Ich will in den Westen nichts geben!‘ Aber es war eher so, dass niemand etwas von ihm wollte. Aber diese Einstellung gab es bei den Renommierten, weil die wollten wieder zeigen, dass sie den Staat repräsentierten und nichts mit dem Westen machen wollen.“ 448
Als Funktionär des SČSVU und des ČFVU beteiligte sich der gleichzeitig als Professor an der Kunstgewerbehochschule tätige Jozef Soukup449 an der „1. Quadriennale des Kunsthandwerks sozialistischer Länder“ in Erfurt 1974, wo er den Zweiten Preis gewann. 1974 erhielt er den Ersten Preis in dem „Wettbewerb zum 30. Jubiläum der Befreiung durch die Sowjetarmee“ (Výročí osvobození Československa Sovětskou armádou).450 Soukup erhielt dann 1976 eine Ehrung durch den Kulturminister und 1979 wurde ihm der Titel „Verdienter Künstler“ verliehen. Bei internationalen Wettbewerben hingegen, wie dem Coburger Glaspreis, gewann er nie Preise.451 Ein anderer Künstler, der den offiziellen Kulturaustausch mit seinen Glasarbeiten bereitwillig bereicherte, war Pavel Hlava. Von 1971 bis 1972 stellte er in den drei baltischen Städten Vilnius, Riga und Tallinn aus.452 Diese Wanderausstellung wurde nicht vom Kunstgewerbemuseum, sondern von stischen Staaten nutzten diese Möglichkeit. Auch Rabea Faraií aus dem Irak und Amin Mohammed Amin aus Ägypten besuchten Libenskýs Atelier. Siehe Kapitel 4.3, S. 216 f. 446 Vgl. Petrová 2001, S. 17; Turowski 2006, S. 36/37. 447 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 448 Interview mit Jiří Harcuba und Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. 449 Siehe Kapitel 4.3, S. 200. 450 Siehe Kapitel 6.1, Anm. 68, S. 339. 451 „Diese Staatskünstler wurden forciert ausgestellt, waren jedoch nicht die Besten.“ Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. 452 Hlava präsentierte seine Arbeiten auch 1977 in einer Monoausstellung bei Galerie Koszykowa in Warschau.
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der Künstleragentur Art Centrum organisiert. Der Verkauf von Glaskunst ins „nichtsozialistische“ Ausland hatte seit Ende der 1960er Jahre unter der Regie von Art Centrum rasant zugenommen und auch die internationale Fachpresse beschäftigte sich verstärkt mit dem Genre.453 Eventuell war die baltische Ausstellungsreihe eine Art „Testballon“, um die Ausweitung der Absatzmöglichkeiten in Länder des „Ostblocks“ auszuloten. Das Projekt erwies sich jedoch als unrentabel. Digrinová: „Da habe ich mehrere Ausstellungen gemacht mit Pavel Hlava in den baltischen Staaten, Litauen ... das war eine Verkaufsausstellung. Aber kein Mensch hatte Geld dort, die Sachen zu kaufen. Also, die Ausstellung kam zurück, das war kein Erfolg. Aber er hat sich das in seinem Lebenslauf geschrieben, Ausstellung dort und dort ...“454
Gleich einer demonstrativen Parallelveranstaltung zu der in der BR Deutschland stattfindenden Wanderausstellung „Böhmisches Glas der Gegenwart“455 richtete das Ministerium für Kultur gemeinsam mit ÚBOK 1973 eine Glaspräsentation in fünf Städten der Sowjetunion aus.456 In beiden Fällen übernahm Pavel Hlava den Vorsitz der Auswahlkommission. Quantitativ überragte die Anzahl der Exponate allerdings jene der bundesdeutschen Schau bei weitem. Etwa 500 Ausstellungsstücke aus dem Bereich der industriellen Serienfertigung, manuellen kunsthandwerklichen Verarbeitung – aber auch „andeutungsweise, jedoch in guter Auswahl“ des Experimentalschaffens – fanden sich in der zusammengestellten Kollektion.457 Im gleichen Jahr wurde im Leipziger Grassi Museum für Angewandte Kunst und im Gothaer Schlossmuseum die Ausstellung „Pressglas aus der ČSSR“ im Auftrag des tschechoslowakischen Ministeriums für Schulwesen und Kultur und der Ausstellungsgruppe des Ministeriums für Kultur der DDR eröffnet. Ganz in Einklang mit den ideologischen Leitlinien der Normalisierung heißt es in der Einleitung des Begleitkatalogs von Alena Adlerová: „Pressglas bildet heute den Stolz der tschechoslowakischen Glasindustrie.“458 453 Durch einen Artikel in einer amerikanischen Glaszeitschrift waren dem dänischen Glasgestalter Finn Lyngaard (1930–2011) die Arbeiten seiner tschechischen Berufsgenossen bekannt. Als ihn bei einem Pragaufenthalt anlässlich der Vorbereitungen für eine dänische Designausstellung Anfang der 1970er Jahre seine dortige Botschaft darum bat, einige tschechische Glasgestalter für die Einladungsliste zur Vernissage vorzuschlagen, nannte er diejenigen, deren Werke ihm anhand der Abbildungen am besten gefallen hatten, allen voran René Roubíček. So kam es zu einem ersten Treffen. Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček, S. 86. 454 Interview mit Alena Digrinová, Prag, 07.10.2003. 455 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 395. 456 Die Ausstellung mit dem Titel „Sovremennoe češskoe stieklo“ (Zeitgenössisches tschechisches Glas) reiste von Moskau nach Wolgograd, Jerevan, Baku und Kiew. 457 Adlerová. In: GR 10/1973, S. 8. 458 An anderer Stelle heißt es: „Anderseits weist unser Pressglas einen besonderen, seltenen Zug auf, der heute auch im Weltmaßstab als seine Eigenart empfunden wird, nämlich ungewöhnlichen Kunstsinn und Sinn für Harmonie. Ständig ist hier der Gedanke an den Menschen spürbar, an die Unpersönlichkeit der mechanischen Produktion wird ein menschlicher Maßstab angelegt.“
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Das auch als „Kristall der Armen“459 bezeichnete Pressglas eignete sich durch seine serienmäßige Reproduzierbarkeit und durch den erschwinglichen Preis besonders anschaulich dazu, die Hauptaufgabe der industriellen Formgebung zu verkörpern, welche beim XIV. Parteitag der KSČ im Mai 1971 als „die Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse des Volkes“ definiert wurde.460 Seine Präsentation im befreundeten Nachbarland erschien mit Blick auf die zeitgleich stattfindende Ausstellung manuell hergestellter Arbeiten mit Unikatwert im anderen Teil Deutschlands angemessen. Die Pressglasschau sollte gleichzeitig auf den in der DDR laut gewordenen Diskurs antworten, in dem festgestellt wurde, „dass es aufgrund der steigenden Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Konsumgütern notwendig geworden war, der industriellen Formgestaltung eine gesteigerte Aufmerksamkeit zu widmen“.461 Im tschechoslowakischen Fernsehen fanden Szenenphotos mit Pressgläsern nach Entwürfen von Adolf Matura (Abb. 108, Abb. 109) Verwendung und platzierten die aktuelle Musterkollektion von Sklo Union damit an werbekräftiger Stelle. Ján Gábel, Minister für Technik und Investitionen, stellte in der Zeitung Rudé právo bereits 1972 fest, dass es „im Zeichen der sozialistischen ökonomischen Integration der RGW-Länder [gelte], die industrielle Formgestaltung als wichtiges Element der Kooperation, der Koordinierung gemeinsamer Arbeit für die sozialistische Gesellschaft zu erkennen“.462 Damit betonte er die Eignung industriell hergestellter Glasprodukte für den Kulturaustausch und negierte indirekt den Nutzen künstlerisch gestalteter Unikatgläser in einem solchen Kontext. Die Teilnahme an Ausstellungen im sozialistischen Ausland wurde entsprechend dieser Erklärung für die Berufsgruppe der Betriebsgestalter erleichtert und gezielt gefördert.463 Synonym zur Unterbrechung der Ausstellungsmöglichkeiten zeitgenössischer Glaskunstwerke am Prager Kunstgewerbemuseum von 1970 bis 1985 beschränkte sich ihre Beteiligung an Auslandsschauen im Rahmen des Kulturaustauschs in diesem Zeitraum auf einige wenige Veranstaltungen. Künstler, die als „politisch unzuverlässig“ galten, wurden prinzipiell nicht mehr beteiligt.464 Glaskunst sollte in die Domäne des Kunst(Adlerová 1973b, o. S.) Wie in Kapitel 3.3.1, S. 122, im Interview geäußert, hielt Adlerová das tschechische Pressglas für künstlerisch äußerst wertvoll und musste demnach keinen inneren Widerstand überwinden, um diese Zeilen zu verfassen. 459 Adlerová. In: FuZ 1/1974. 460 FuZ 4/1974, S. 45. Siehe auch Kapitel 3.3.1, S. 120. 461 FuZ 1/1974, S. 3. 462 FuZ 4/1974, S. 45. 463 Beispielsweise stellten František Vízner und Karel Wünsch gemeinsam in der von Alena Adlerová in der Galerie Koszykova in Wroclaw 1978 kuratierten Ausstellung „Czeskie Szklo Artystyczne – F. Vízner, K. Wünsch“ aus. 464 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 261, und Kapitel 6.3.1, S. 431. Allerdings konnte auf Druck des finnischen Kulturministeriums und den Kuratoren des Lasimuseo (Glasmuseum) in Riihimäki 1983 eine erste Soloretrospektive in Finnland organisiert werden. Diese Möglichkeit hatte sich auch aufgrund eines kurz zuvor abgeschlossenen Kulturabkommens zwischen den beiden Ländern ergeben. Die Ausstellung konnte 1984 ebenfalls im Hiekan Tadiemuseo in Tampere gezeigt werden (Frantz 1994, S. 207). Anders als in der Tschechoslowakei liberalisierten sich die kulturpoliti-
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handwerks gerückt werden, womit ihm seine Berechtigung als den bildenden Künsten gleichwertiges Genre abgesprochen wurde. Sowohl bei der Ausstellung „Tapiserija i staklo u Čechoslovačkoj“ im Museum für Moderne Kunst in Belgrad 1978 als auch bei „Čeěski gobelen i stieklo“ in Riga 1984 konnten Glasexponate nur noch im Nebeneinander mit Textilkunst präsentiert werden. In der „kapitalistischen Welt“ hingegen fanden während dieses Zeitraums über 100 Glasausstellungen statt. Zwar beteiligten sich tschechische Glasgestalter an allen „Quadriennalen des Kunsthandwerks“ in Erfurt, dem Wettbewerbsforum der Warschauer-Pakt-Staaten, das von 1974 bis 1986 insgesamt viermal stattfand, doch die dort ausgestellten Exponate waren zum größten Teil aus anderen Ausstellungen im sozialistischen Ausland zusammengetragen worden.465 Die gezeigten abstrakten Glasskulpturen, welche sich aus dem Diktat der Funktionalität gelöst und als eigenständige Kunstwerke verstanden sein wollten, wurden als demonstrative Beispiele sozialistischer Errungenschaften und überlegener Ideologie uminterpretiert.466 Der Anteil regimetreuer Quadriennaleteilnehmer467 – die meisten von ihnen arbeiteten als Betriebsgestalter – war überproportional hoch und bestimmte Künstler, beispielsweise der während der 1960er Jahre noch fortwährend an Auslandsausstellungen beteiligte René Roubíček, wurden erst wieder bei der Quadriennale 1986 einbezogen.468 Pokorná: „Of course I do not know all the details about everyone, but it seems to me that the biggest victim of the regime was really René Roubíček. […] He was an anarchist, he didn’t respect all those … for example, Libenský was a big diplomat. He was able to listen to the people, not to agree with everything of course, but – in a diplomatic way – to meet their questions. Rene Roubíček was immediately angry and he didn’t respect them at all. And it seems to me partly it was also because he was Jewish, that kind of racist thing.“469
Die Ausstellungsmöglichkeiten im Rahmen des zwischenstaatlichen Kulturaustauschs blieben während der 1980er Jahre konstant schlecht, aber in der Ära Gorbačevs entspannte sich ab 1987 auch die tschechoslowakische Kulturpolitik.470 Klar zutage trat diese gelockerte Haltung in der Glasschau „Sovremennaja stekljannaja plastika“ (Moderne Glasplastik) im Kontext der kulturellen Zusammenarbeit in Moskau 1988. Sie
schen Richtlinien der meisten anderen osteuropäischen Länder in den 1970er Jahren, so dass eine Einbeziehung moderner Glaskunstwerke seitens der dortigen Organisatoren nicht beanstandet wurde. Vgl. Šetlík 1994, S. 29; Piotrowski 2009, S. 237, 290. 465 Für eine Auflistung derartiger Ausstellungen bis 1977 siehe Hartmann A. 1978, S. 42. 466 Kostka 1974, S. 76/77; Meier 1983, o. S.; Wasmuth 2010, S. 508. 467 Den teilnehmenden Glaskünstlern Pavel Hlava, Vladimír Klein, Ivo Roszypal und Jaroslav Svoboda wurde von Zeitzeugen eine Mitarbeit bei der Staatssicherheit nachgesagt. 468 Auch andere, wie Cigler, Strobachová, Vaňura und Žertová waren betroffen und machten im Rahmen des offiziellen Kulturaustauschprogramms erst wieder bei der IV. Quadriennale mit. 469 Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003. 470 Siehe Kapitel 5.1.4, S. 264.
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zeigte ausnahmslos abstrakte Glaskunstwerke, was noch wenige Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre.471
6.2.3 Privilegien für Ausstellungsteilnehmer – Reisen zu den Ausrichtungsorten Obgleich tschechische Glaskünstler ihre Arbeiten nach dem Erfolg bei der Brüsseler EXPO 58 in wachsendem Maße im Ausland präsentieren konnten, war doch die Reise zu den Ausrichtungsorten mit einer Reihe grundsätzlicher Hürden verbunden. Der Begriff Eiserner Vorhang beschrieb demnach im übertragenen Sinn auch die Politik einer Abgrenzung, welche Auslandsreisen zu einem komplizierten Antragsmarathon machte. Für Reisen ins „nichtsozialistische“ Ausland benötigten tschechoslowakische Staatsbürger nicht nur ein gültiges Visum, welches sie selbst oder später das Art Centrum in ihrem Namen beim Innenministerium beantragen musste, sondern auch eine schriftliche Ausreisegenehmigung, einen Auszug aus dem Strafregister, eine Devisenzusage der Staatsbank – alternativ wurde eine Einladung aus dem Ausland mit einer umfassenden Bürgschaft über die Kostenübernahme akzeptiert – und Zollpapiere. Generell bestand die Regelung, dass Ehepaare nicht gemeinsam verreisen durften. Roubíček: „Für jede Westreise musste man immer wieder Dokumente beantragen, das dauerte oft mehr als drei Monate. Das war erniedrigend, wie eine Strafe anstelle vom Einsperren! […] Wir [seine Frau und er] durften nie gleichzeitig fahren. Immer hintereinander, auch später.“ 472 Žertová: „Vor Auslandsreisen musste man Monate vorher schon Anträge stellen! Auch Kontoeinsicht sollten wir gewähren. Wenn dann der Bescheid kam, musste man zur Polizeistation gehen, Dokumente unterschreiben, in denen genau geregelt war, die Person darf weg aus dem Land für drei oder sieben oder zehn Tage. Es war schrecklich! Man musste vor 24:00 Uhr an dem letzten Datum zurück sein. Wenn nicht, dann drohte man für immer ausgesperrt zu bleiben. Viele Leute hatten vor der Grenze Angst, es gab ja manchmal Schnee! Da kriegte man Panik, nicht rechtzeitig zurückzukommen!“ 473
Das Bedürfnis, selbst den Aufbau der Präsentationen zu überwachen oder gar zu übernehmen, bei der Vernissage persönlich anwesend zu sein oder die Werke anderer Künstler im Zusammenspiel mit den eigenen zu sehen, ließ sich nicht immer verwirklichen. Gleich bei der XI. Triennale di Milano 1957 wurde den ausstellenden Künstlern die 471 Vgl. Petrová 2001, S. 19, 257. 472 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 473 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 26.06.2003. 1987 war Jiřina Žertová mit Vladimír Kopecký und Václav Cigler in Barcelona, mit Žertovás Auto. „Bei der Rückkehr war Eis auf der Straße und Nebel – am Ende haben wir Cigler verloren.“
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Reise nach Italien untersagt. Ausnahmslos erhielten nur Mitglieder der Kommission eine Erlaubnis, die Triennale zu besuchen.474 Selbst als die vier Ausgezeichneten förmlich zu der Medaillenübergabe eingeladen wurden, konnten sie nicht persönlich hinfahren, was sie als Entmündigung empfanden. Žertová: „Von der Verleihung der Silbermedaille wurde mir geschrieben. Ich wurde eingeladen. Ich war naiv und ging zu Herrn Rabas, Sohn des Malers Václav Rabas, der einen Posten im Ministerium für Leichtindustrie hatte. Er war Stellvertreter des Ministers, ein netter Mann, aber er sagte zu mir: ‚Oh, Sie sind so jung!‘ Ich hätte große Lust gehabt, durfte jedoch nicht fahren.“ 475
Doch schon im folgenden Jahr anlässlich der Weltausstellung in Brüssel 1958 wurde diese Regelung gelockert. Im Rahmen dieser Ausstellung sahen sich die Künstler schon beinahe verpflichtet, die Reise nach Belgien anzutreten, auch wenn Ehepaare zeitlich versetzt fahren mussten. Für größere Installationen konnten sie sogar Aufbauhelfer mitnehmen.476 Die Teilnehmer wurden allerdings dazu aufgefordert, sich die Konsumgütersortimente in anderen Pavillons anzusehen, damit sie einen besseren Einblick in die Produktion potentieller Konkurrenten bekämen. Viele von ihnen besuchten lieber die internationale Ausstellung „50 ans d’art moderne“, wo Bilder von Giorgio Morandi, Jean Dubuffet und Georges Braque, der CoBrA-Gruppe sowie Skulpturen von Alexander Calder und Giorgio de Chirico ausgestellt waren, oder Länderausstellungen bildender Kunst, zum Beispiel den deutschen Pavillon, in dem Werke expressionistischer Maler gezeigt wurden. Grundsätzlich interessierten sich die tschechischen Künstler als Besucher ebenso für technische Innovationen und moderne Architektur.477 Für sie bedeutete die EXPO 58 nicht nur die Aussicht, nach den langen Jahren des Fernbleibens von internationalen Ausstellungsforen endlich für andere künstlerisch Impulse geben zu können, sondern auch die Möglichkeit, in situ Anregungen für ihre eigene Arbeit zu finden. Damit eröffnete sich ihnen der Anschluss an aktuelle Bewegungen des Kunst474 Wasmuth 2005, S. 89. Als Mitglied der Kommission konnte René Roubíček nach Mailand reisen. Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 475 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 26.06.2003. Roubíčková: „Als ich meine Silbermedaille bei der Triennale bekam, durfte ich nicht dorthin fahren, sondern ein Funktionär nahm sie entgegen.“ Interview mit Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004. Kerhartová-Peřínková: „Obgleich ich die Silbermedaille bekam, wurde mir die Reise nach Mailand verwehrt. Ich musste warten, bis jemand sie mir bringt.“ Gespräch mit Marta Kerhartová-Peřínková, Prag, 26.06.2003. 476 „Bei der EXPO durften fast alle mitfahren, da war es besser, weil ein staatliches Interesse bestand. Das war Staatspropagation. In Brüssel war es sogar gestattet, Krippen auszustellen! Alle, die Exponate zeigten, mussten mitfahren. Ich habe sogar Mitarbeiter, das waren zum Teil Studenten, aus meinem Atelier in Nový Bor mitnehmen können. Sobald der Aufbau fertig war, ging es zurück. Bei der Eröffnung waren die meisten praktisch schon wieder zu Hause. Die Ausstellung war dann eine Weltsensation! Eine Überraschung für die Welt!“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 477 Interviews mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003, und Vladimír Jelínek am Prag, 16.12.2002. Siehe auch Frantz 1994, S. 40; Wasmuth 2005, S. 89/90.
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schaffens, die derzeit weltweit aufgegriffen wurden.478 Zu der großen Glasausstellung in Moskau 1959 konnten alle beteiligten Künstler in einer staatlich organisierten Reisegruppe mit dem Zug fahren. Die meisten von ihnen erinnerten sich auch mehr als 40 Jahre später noch an Details479 dieses „Abenteuers“: Harcuba: „Nicht nur, dass ich da vertreten war, aber ich war in der Gruppe, die hinfuhr mit dem Zug. Das war so abenteuerlich, dass ich das nie vergesse, das ging ja mit dem Zug riesig langsam. Wir waren immer mit dem Pyjama angezogen, man schlief ja auch dort und aß im Speisewagen. Wir kamen nach Kiew. Jemand sagte, ‚Da ist der schreckliche Bahnhof, das müssen wir sehen.‘ Der typische sozialistische Realismus [erbaut 1927 bis 1932, mit noch konstruktivistischen Bauelementen]. Und dann fragte jemand, ‚Wie lange steht der Zug?‘ ‚Ja, der steht 35 Minuten.‘ ‚Ah, dann haben wir ja Zeit.‘ Da haben wir uns den Mantel genommen, gingen uns den Bahnhof ansehen, nur ganz kurz, kamen zurück und der Zug war weg! […] Weil wir wussten gar nicht, dass der Zug Verspätung hatte und keine 20 Minuten dastand, nur 5 Minuten.“ Wasmuth: „Und Ihre Sachen? War alles im Zug?“ Harcuba: „Alles, Koffer alles war im Zug […] Und jetzt standen wir da. Dann hat man uns noch beschuldigt, dass wir so undiszipliniert waren und wir kamen dann erst am nächsten Tag ... wir mussten einfach die Nacht irgendwie […] Wir waren im Bahnhof. Zum Glück hatten wir die Speisekarten, für den Speisewagen. Und wir konnten dafür Borschtsch oder was bekommen, auf dem Bahnhof, dass wir wenigstens etwas zu essen hatten. Wir hatten ja nichts! Wir hatten kein Geld, nichts!“ Wasmuth: „Wer war denn noch dabei?“ Harcuba: „Da war noch ein Kunsthistoriker aus Budweis, den Namen ... ich kann mich jetzt nicht erinnern. Und ein Glasgestalter, der […] Felix Průša hieß. Wir waren ja noch ziemlich jung damals, da haben wir es noch nicht so tragisch genommen. Wir fuhren mit der Elektrischen zum Majdan und haben uns den angesehen, nicht? [lacht] Das war abends, spät abends. Da kam jemand zu uns, weil wir auf den ersten Blick wie Fremde aussahen und wollte unser Hemd kaufen. Wir hatten nichts ... nur das Hemd, und die wollten alles haben. Wir konnten ihnen leider nichts verkaufen. […] Na, und dann sind wir halt mit einem gewöhnlichen Zug weiter. Das dauerte dann riesig lange, der hat überall Halt gemacht an den Bahnhöfen. Das war so ein Zug, wo immer Tee im Samowar gekocht wurde. Das war so gemütlich und da saßen wir bei den einheimischen Leuten ...“ Wasmuth: „Sprachen Sie Russisch?“ Harcuba: „Ja! Ich kann’s heute noch ... Dann haben die Leute halt so geschimpft auf die Regierung [lacht]. Damals war schon Chruščëv im Amt, der war für uns ein, na ein Wunder, der etwas Neues brachte, nach Stalin! Alles hat sich geändert, aber die Leute, die sahen es
478 Wasmuth 2005, S. 90. 479 „Meiner Frau [Zdena Strobachová] wurde damals in Moskau die Kamera gestohlen.“ Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003.
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anders in Russland. […] Und so war’s interessant. Auf diese Art und Weise konnten wir noch viel mehr erfahren über Russland als mit der Reisegruppe. Das war abgesondert.“ Wasmuth: „Aber Sie sind schon noch nach Moskau gekommen, nur einen Tag verspätet?“ Harcuba: „Einen Tag verspätet. Wir verloren [verpassten] die Rundreise. […] Ja das war alles organisiert ... der Kreml und die Ausstellungen, die Museen. Und jeder hat das dann selbst gemacht.“ Wasmuth: „Und sind viele Künstler, die auch ausgestellt haben, mitgefahren?“ Harcuba: „Ja! Alle! Ne, Roubiček war nicht da480, Kaplický war nicht da. Roubíčková war da, zwei Keramiker, der eine hatte ein Fenster entworfen, das auch da ausgestellt war, [Jaroslav] Vaculík, hieß der. […] Kotík war da und ich glaube Lišková, wenn ich mich nicht irre und ... ein Kupee im Grunde. Höchstens zwei Kupees.“481
Bei Ankunft in Moskau legte ihnen der russische Künstlerverband nahe, an kulturpolitischen Diskussionen teilzunehmen.482 Nur vereinzelt folgten die Tschechen dieser Aufforderung und gingen lieber als privilegierte Besucher eines Bruderlandes ihren eigenen Interessen nach. Eine Gruppe um Jan Kotík besuchte die für Besucher eigentlich gesperrten Depots der Tretjakow-Galerie, wo abstrakte Gemälde von Kandinsky (teils auf Glas gemalt) und Malevič483 lagerten, während in den öffentlichen Museumsräumen ausschließlich Bilder im Stil des sozialistischen Realismus oder harmlose Porträts sowie Genre- und Landschaftsszenen gezeigt wurden.484 Auch trafen sich einige Tschechen mit 480 „Ich und meine Frau sind getrennt gefahren. Ich habe das Puschkin-Museum besucht, Miluše die Tretjakow-Galerie und ein Kloster, weil sie gerne ein orthodoxes Gotteshaus sehen wollte. Dieses Kloster war aber ebenfalls reine Propaganda und nur für Touristen geöffnet, damit sie denken, der Staat lässt den Mönchen ihre Freiheiten.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 481 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 482 Die Organisation eines ideologisch aufgeladenen Begleitprogramms für die tschechischen Delegationen bei derartigen Auslandsreisen hatte sich als fester Bestandteil des Kulturaustauschs mit dem Ausland bereits 1955 etabliert. Knapík 2010, S. 101. 483 Die in den frühen 1960er Jahren entstandenen Objekte aus geschliffenem Glas von Václav Cigler stehen in der Tradition der russischen Avantgarde. Malevič war gerade für die slowakischen Glaskünstler der Schule Ciglers eine wichtige Inspirationsquelle für die Hinwendung zum Neokonstruktivismus (Interview mit Václav Ciger, Prag, 01.07.2003). Anders als viele Neokonstruktivisten der Region, die beispielsweise leicht verfügbare Materialien für Collagen verwendeten, setzten diese Glaskünstler ihren für sie ebenfalls leicht verfügbaren Werkstoff nicht als dezidierte Strategie zur Zensurvermeidung ein (vgl. Beke, Láczló: „Conceptual Tendencies in Eastern European Art“. In: Camnitzer, Luis/Farver, Jane/Weiss, Rachel (Hg.): Global Conceptualism: Points of Origin. 1950s–1980s, Ausstellungskatalog, Queens Museum of Art, New York 1999, S. 41–51, hier S. 42). Wegen dessen spezifischer Ästhetik bei der Umsetzung neokonstruktivistischer Tendenzen nutzten sie ihn in einem entgegengesetzten Konzept, also nicht, um einer Zensur auszuweichen, denn dieser waren sie per se nicht ausgesetzt. 484 „Da war so ein Häuptling, vom Künstlerverband, der hat immer gesagt, ‚Ihr müsst zu der Diskussion kommen, nicht?‘ Einen Tag gab’s Diskussion mit den russischen ... da traute ich mich nicht, etwas anderes zu machen. Der Kotík überredete uns, ‚Das ist Quatsch, kommt mit, wir sehen uns das Depot in der Tretjakow-Galerie an‘, was eben niemand sehen konnte! Und ich hatte doch ein schlechtes
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russischen Untergrundkünstlern, Malern, die nicht ausstellen konnten.485 Da die Reise offiziell zu Studienzwecken dienen sollte, genoss die Reisegruppe etliche Privilegien und konnte ungestraft aus der Reihe tanzen. Kerhartová-Peřínková: „Wir gingen nach Moskau, Jelínek, Blecha, Franta Tejml, Zdenka Strobachová und jemand anderes [Cigler] war noch bei uns. Sie haben uns dort als ein paar junge Künstler hingeschickt, als Belohnung, in einer Delegation, damit wir die Ausstellung des tschechoslowakischen Glases 1959 ansehen konnten. Und ich war davon überzeugt, wie auch meine Freunde, es wäre eine gute Idee, ein Ticket zu kaufen, um nach Leningrad zu fahren. Wir waren dort ursprünglich, um die Oktoberrevolution zu feiern, und das wollten wir gern vermeiden. [...] Alles wurde streng kontrolliert, aber Franta zeigte ihnen dreist unsere Befugnis. Sie lasen es auf dem Kopf stehend, denn sie kannten die lateinischen Buchstaben nicht. [...] Also nahmen wir den Abendzug, wir haben niemandem etwas gesagt und fuhren nach Leningrad.“486 Cigler: „Und dann waren wir noch in St. Petersburg, wo wir in Puschkins Wohnung untergebracht waren.“487
Mit der Konsolidierung des politischen Tauwetters nutzten Glaskünstler verstärkt die Möglichkeit, zu den Ausrichtungsorten mit Ausstellungen ihrer Arbeiten zu reisen. Dies gelang ihnen auch deshalb, weil sie an den Aufbauarbeiten beteiligt waren und eine neue Verordnung 149/1961 Sb. des MŠAK in §7 für derartige Zwecke bezahlten Urlaub und die Erstattung von Spesen zulasten des jeweils verantwortlichen institutionellen Organisators regelte.488 Zu der Zwei-Staaten-Glasausstellung in New York 1964 und der EXPO in Montreal 1967489 konnten wegen der hohen Reisekosten allerdings nur wenige Künstler mitfahren. Als Angestellter von ÚBOK hielt Karel Wünsch Ansprachen bei Ausstellungseröffnungen im Ausland oder konnte den Antrag für sein Reiseersuchen erfolgreich als „Studienaufenthalt“ rechtfertigen. Gewissen. Und dann bin ich mit dem Průša ... zu der Diskussion gegangen und dann sahen wir, dass es wirklich nichts für uns bedeutete […]. Und dann sind wir extra mit dem Taxi zu der TretjakovGalerie gekommen, haben die anderen eingeholt und konnten das alles sehen im Keller. Alle Kandinskys, alle Malevičs, dass, was nicht ausgestellt war. […] Das war so wunderbar.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 485 Gespräch mit Václav Cigler am 01.07.2003, Jiří Harcuba am 28.06.2003 und Miluše Roubičková am 02.02.2004. 486 Übersetzung des Interviews Milan Hlaveš mit Marta Kerhartová-Peřínkováim Fórum S in Ausgabe 6/2005 der glassrevue.com, URL: (Stand 05.11.2013). 487 Interview mit Václav Cigler, Prag, 01.07.2003. 488 „Ich war auch in München bei der EXEMPLA [er erhielt dort Ende der 60er Jahre zwei Preise]. Der Grund dafür war, dass ich den Aufbau bewachen oder selbst machen musste.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 489 Siehe Kapitel 6.2.1.
Abb. 84 Václav Cigler, Vase, 1958, Borské sklo, Farbloses Glas, modelgeblasen und vom Künstler selbst graviert, H. 22 cm, The Corning Museum of Glass, Inv. Nr. 62.3.131, © Collection of The Corning Museum of Glass, Corning, New York
Abb. 83 František Tejml, Vase, 1957, Borské sklo, Farbloses Glas, modelgeblasen und lüstriert, vom Künstler mit opaken Emailfarben bemalt, H. 43 cm, abgebildet in Raban 1963, Nr. 267, S. 145, Foto: Jindřich Brok
Abb. 85 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Glasskulptur „Kopf I“, 1959, Železnobrodské sklo, Formgeschmolzenes grünes Glas, überschliffener Reliefschnitt, H. 37 cm, B. 17.2 cm, T. 10.6 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 71
Abb. 86 Ausstellung in Moskau 1959, links die Vitrage „Storchenvögel“ von Brychtová/Korčák, H. 4m circa, unbezeichnete Postkarte: UPM-Archiv
Abb. 87 René Roubíček, Installation Moskau 1959, Stahlkonstruktion mit Glassegmenten, Borské sklo, abgebildet bei Santar. In: GR 1–2/1960, S. 13, © OOA–S, 2015
Abb. 88 XII. Triennale di Milano 1957, Blick in die tschechoslowakische Präsentation, František Tröster, abgebildet bei Jiřičný. In: GR 5/1966, Abb. 6, S. 143, © OOA–S, 2015
Abb. 89 Adolf Matura, Trinkglasgarnitur, 1959, Goldmedaille XII. Triennale di Milano 1960, Farbloses und grünes Glas, modelgeblasen, Boden nach innen gewölbt, H. 28,3 cm und 6,7 cm, The Steinberg Foundation-Archiv, Foto: Jindřich Brok
Abb. 90 René Roubíček, Vase, 1963, Borské sklo, gelbes Glas mit blauem Überfang, modelgeblasen, perforierte Wandung mit Applikationen, ausgeführt von Josef Rozinek, H. 36,3 cm, D. 19 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 566
Abb. 91 Tschechoslowakische Präsentation bei der VIII. Biennale in São Paulo 1965, im Vordergrund Roubíčeks Vertikalplastiken, im Hintergrund Schmelzglasreliefs und Metallstele mit gegossenen Glaselementen von Libenský/Brychtová, Foto: UPM-Archiv
Abb. 92 Bohumil Čabla, Vasen, 1966, ausgewählt von ÚBOK für die Weltausstellung in Montreal 1967, produziert von Crystalex, Nový Bor, als Modellnrn. Ú-1361-M (links) und Ú-1503-M (rechts) für den Preis von 1.272 CZK und 1.908 CZK, H. 36,4 cm, D. 13,6 cm; H. 35 cm, D. 12,5cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 805 und SF 804
Abb. 93 rechteckige Single–Schallplatte mit dem Foxtrott–Lied „Píseň o rose“ (Lied von der Rose) von Jiří Šlitr und Jiří Suchý, Ferdinand Havlík Orchester, um 1968, The Steinberg Foundation-Archiv, Foto: V. Wasmuth
Abb. 94 Blick in die Ausstellung „50 Jahre tschechische angewandte Kunst und industrielle Formgestaltung“ in der Mánes Galerie, Prag, 1969, im Vordergrund ein geschliffenes Glasobjekt von Václav Cigler, rechts Vase von Pavel Hlava, rechts im Hintergrund das Relief „Land und Leute“ von Jaroslav Horejc, Fotokopie: UPM-Archiv
Abb. 95 Blick in die Ausstellung „Současné české sklo“, kuratiert von Karel Hetteš, Mánes Ausstellungshalle, Prag 1970, im Vordergrund Hüttenglasvasen von Pavel Hlava, Kronleuchter von René Roubíček, rechts im Hintergrund Raumtrenner aus geschichtetem Glas von Bohumil Eliáš, Foto: UPM-Archiv
Abb. 96 Věra Lišková, „Ikebana“ Vase, um 1969, Farbloses Borosilikatglas, vor der Lampe geblasen und eingestochen, H. 39,5 cm, B. 37 cm, The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 1679, Foto: V. Wasmuth
Abb. 97 René Roubiček, Skulptur „Wolke“, EXPO 70 in Osaka, Metallgerüst mit gezogenem und modelliertem Glas, H. 500 cm, B. 700 cm, im Hintergrund „Fluss des Lebens“, abgebildet bei Hofmeisterová. In: GR 9/1970, S. 262, Fotograf: Arnošt Kořínek
Abb. 98 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, Detail der Plastik „Fluss des Lebens“, EXPO 70, Osaka, Železnobrodské sklo, UPM-Archiv, Fotograf: Zdeněk Štuchlík
Abb. 99 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, „Fluss des Lebens“, im Hintergrund: Vladimír Janoušek, „Drohender Krieg“, EXPO 70 in Osaka, UPM-Archiv, Fotograf: Arnošt Kořínek
Abb. 100 Vladimír Jelínek, Vasenobjekt, 1968/69, Variante zum Exponat der Wanderausstellung 1973/1974, Karlovarské sklo, Überfangglas, über Netzstruktur freigeformt, Linsenschliff, H. 23 cm, D. 12 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 625
Abb. 101 Vladimír und Zdeněk Kepka, Skulptur, 1973, Variante zu den Exponaten der Wanderausstellung 1973/1974 und des Coburger Glaspreises 1977, Gelbliches Glas, sandgestrahlt und überschliffen, H. 53 cm, B. 25,7 cm, D. 23 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 636
Abb. 102 Dalibor Tichý, Skulptur, 1980, Farbloses Glas, formgeschmolzen, gezogen und geformt, H.19 cm, vergleichbare Exponate des Künstlers wurden bei den Ausstellungen „New Glass. A Worldwide Survey“ und „Czechoslovakian Glass 1350–1980“ präsentiert. Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 2732
Abb. 103 Zdenka Strobachová, Vase, 1956, Design für die XI. Triennale di Milano, Modell auch ausgestellt in Berlin 1958, Broské sklo, Farbloses Glas, modelgeblasen, bemalt mit grauer Schmelzfarbe und Goldemail, H. 15 cm, D. 16,5 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 421
Abb. 104 Jan Kotík, kantengeschliffene Überfangvase, 1957, Borské sklo, abgebildet in Hetteš 1958, S. 40, Foto: Jindřich Brok
Abb. 105 René Roubíček, Hüttenglasplastik, 1964–66, ausgestellt 1968 in der Galerie Polsko in Poznan, abgebildet bei Hetteš 1968, o. S. Ein ähnliches Objekt wurde 1965 beim Zweiten Festivals des böhmischen Kristalls in Cannes präsentiert. Vgl. The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 831, abgebildet in Ricke 2005a, Kat. Nr. 231, S. 292
Abb. 106 Übergabe einer geschliffenen Bleikristallvase an Leonid Brežnev, gefertigt bei Bohemia Poděbradý, Moskau 1970, abgebildet in GR 10/1970, S. 103, © OOA–S, 2015
Abb. 107 a, b Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtová, „Sphäre im Kubus“, 1970, Železnobrodské sklo, Form geschmolzene Glassegmente, 22 cm x 22,2 cm x 22,2 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 266
Abb. 108 Pressgläser „Praha“, Adolf Matura, Sklo Union, Rosice, 1970er Jahre, Szenenfoto für Česka televize, frühe 1970er Jahre, Foto: The Steinberg Foundation-Archiv, Foto: Miroslav Pospíšil, © Marie Pospíšilová
Abb. 109 Abfotografierter Fernseher, 1970er Jahre, Foto: The Steinberg Foundation-Archiv, Szenenfoto: Miroslav Pospíšil, © Marie Pospíšilová
Abb. 110 Václav Cigler, Objekt, um 1970, ausgestellt im Museum Boymans-van-Boyningen, Rotterdam, 1970, Massives Bleikristall, frei geformt und mehrfach überfangen, Unterseite glatt geschliffen, Oberseite bedampft mit irisierender Schicht, H. 14 cm, D. 36 cm, Fotograf: Horst Kolberg © The Steinberg Foundation, Inv. Nr. SF 941
Abb. 111 Kartonierter Umschlag mit Dias aktueller Arbeiten von Lubomír Blecha, Poststempel unleserlich, um 1985, The Steinberg Foundation-Archiv, Foto: V. Wasmuth
Abb. 112 Bohumíl Eliáš/Kapka Toušková, Triptychon aus geschichteten Glasplatten mit Metallhalterung, Negarestan Kulturzentrum in Teheran, 1973/1974, Železnobrodské sklo, H. 370 cm, B. 240 cm, abgebildet bei Adlerová. In: GR 7/1975, Abb. 6, S. 21, © OOA–S, 2015
Abb. 113 Stanislav Libenský/Jaroslava Brychtova, Glaskugel „Astronomischer Kalender“, 1976/1977, Železnobrodské sklo, D. 30 cm, abgebildet in Petrová 1989, Abb. LI, S. 69, Foto: Arnošt Kořínek
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Wünsch: „Weil ich Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch hatte, hielt ich Ansprachen auf Vernissagen. Man brauchte ja jemanden zum Kommunizieren. So konnte ich manchmal mitreisen, zum Beispiel nach Bremen490, Essen491, München492, Amsterdam493, Coburg494, Nürnberg495 und Stuttgart. Meine Frau durfte mich aber nicht begleiten. Ich fuhr mit zur Triennale 1960 und auch zur ‚Glas aus der Tschechoslowakei und Italien‘-Schau [1964 im American Craft Museum], die war was für Fachleute und Sammler und ich habe intensiv die Werke meiner italienischen Kollegen studieren können.“496
In Montreal besuchten mitreisende Glaskünstler die Kunstausstellung „Terre des Hommes“ (Erde der Menschlichkeit), wo unter anderem Skulpturen von Constantin Brancusi und Giorgio de Chirico ausgestellt waren. Dies erwies sich vorerst für die meisten von ihnen als letzte Gelegenheit, sich in situ mit internationalen Tendenzen der modernen Kunst auseinanderzusetzen und im persönlichen Gespräch Kontakte knüpfen zu können. Roubíček: „Ich habe gesehen, wie Littleton selbst mit Chihuly [die Protagonisten der amerikanischen Studioglasbewegung] bei meinen Säulen stand.“497
In der Phase der Normalisierung verkomplizierten sich die Reisen zu Ausstellungsorten. Es kam jedoch nicht zu einem kategorischen Verbot. Zu Präsentationen, die von Art Centrum organisiert wurden, nahm die staatliche Agentur die Künstler in der Regel mit und organisierte die Formalitäten für sie. Immerhin waren die Exponate dieser Schauen verkäuflich und erbrachten Devisen. Die Anwesenheit der ausstellenden Glasgestalter, gerade bei der Vernissage oder für Pressegespräche, wirkte sich in der Regel verkaufsfördernd aus. Überhaupt begannen Mitarbeiter des Art Centrums ab Ende der 1960er Jahre gezielt Informationen aus der Biografie und dem Privatleben der Künstler im Gespräch mit potentiellen Käufern zu erwähnen, um die präsentierten Arbeiten interessanter zu machen.498 490 Galerie Dieter Trüjen, 1980. 491 Essener Glasgalerie, 1977. 492 EXEMPLA, 1972. 493 „Es gab eine Galerie in Amsterdam, die haben Grafiken und Glas auch ausgestellt, die so genannte Rozengalerie, Wünsch hat dort ausgestellt.“ Interview mit Alena Digrinová, Prag, 07.10.2003. 494 Coburger Glaspreis, 1977. 495 Prager Galerie, 1977. 496 Interview mit Karel Wünsch, Sloup v Čechach, 11.10.2003. 497 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. Ob tschechische Glaskünstler auch die über zehn Meter hohe dreieckige Glasskulptur „Ahtojää“ Timo Sarpanevas im finnischen Pavillon sahen, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. 498 „Schauen Sie, wenn Sie das da verkaufen, ist es ein schönes Stück. Aber wenn Sie sagen, das ist Werk von Herrn so und so. Dann beginnt das eine andere Sache zu sein. Weil es nicht anonym ist. Und das habe ich wieder vom Präsidenten von Chevrolet in Montreal gelernt, auf der Weltausstellung. Der hat mir gesagt, ‚Wissen Sie, die Leute kaufen Sachen und jetzt sitzen sie beim Kaffee und unterhalten sich.
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Digrin: „Ich habe sogar [in seiner Funktion als Direktor von Art Centrum] durchgesetzt, dass sie [die Künstler] nicht nur Tuzex bekommen können, aber dass sie auch freie Devisen bekommen konnten, für ihre Ausstellungen und Vernissagen und so weiter. Und das war ein großer Vorteil, die mussten nämlich alles abrechnen, die Hotels und so weiter. Wir haben bloß eine Summe bekommen und mussten nichts verrechnen. Die haben immer bei Bekannten gewohnt und konnten sich Sachen davon kaufen. Und das war für die Künstler sehr günstig!“ Digrinová: „Das war immer schön, wenn man die frische Luft der Freiheit atmen konnte! Wenn man nur über die Grenze ist, also ...“499
Bei Gruppenausstellungen ermöglichte die Agentur aus Kostengründen allerdings nur ausgesuchten Teilnehmern die Mitfahrt. So konnte Žertová beispielsweise 1973 zwar zu der Hamburger Station der Wanderausstellung „Böhmisches Glas der Gegenwart“ reisen, allerdings 1975 nicht zur Eröffnung einer Präsentation nach Nanterre500 und 1979 nicht nach Corning, wo die Schau „Glass Now. A Worldwide Survey“ stattfand.501 Nach Hamburg wurde sie von einer Mitarbeiterin des Art Centrums begleitet. Digrinová: „Wir waren damals in Hamburg mit Jiřina Žertová zusammen. Ich bin damals geflogen, und die ist mit dem Zug gefahren. Aber die war glücklich, dass sie dort war. Herr Direktor von Saldern [von 1971 bis 1988 Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe] hat uns gesagt, ‚Gehen Sie ins Kino, es gibt einen wunderbaren Film, den müssen Sie sehen. […] ›Das große Fressen‹!‘ […] Also wir waren dort am Abend, aber nicht spät am Abend, ich weiß nicht, um sieben hat das begonnen. Und wir waren inzwischen so hungrig! Weil, die haben gefressen die ganze Zeit und wir waren beide so hungrig! Wenn wir darüber sprechen, lachen wir immer noch! Und wir wollten mit Jiřina zur Großen Freiheit ... […]“ Wasmuth: „Und sind alle Künstler [zu den Stationen der Wanderausstellung] mitgefahren oder nur manche?“ Digrinová: „Nur die Jiřina, weil, die durften nicht alle, das wäre zu viel gewesen. Erstens, die Künstler müssen schon, wenn sie ausreisen dürfen, die Papiere beantragen […] Die müssen also politisch rein sein, und zweitens man braucht das Geld, wenn man ausreist. Und wenn das ein Künstler ist, von dem man weiß, dass er kein Honorar bekommt, der kann nicht ausreisen. Also die Jiřina ist gefahren und für die nächste Ausstellung, ich weiß nicht wer. […] Also das war schön! Die Ausreise zu den alten kommunistischen Zeiten das war immer
Sie müssen den Leuten Informationen beschaffen. Nicht nur, wo der Künstler studiert hat, wo in welchen Museen und Galerien vertreten ist, nein, die Leute interessieren sich, was für einen Hund er hat, was für eine Geliebte er hat, wo er wohnt, was für eine Villa, wohin er Skifahren geht.‘ Wenn die Leute ein paar Stunden sitzen, dann unterhalten sie sich über diesen Künstler sehr breit, nicht?“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 499 Interview mit Ivo Digrin und Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003. 500 Hier fand die Gruppenausstellung „Art tchécoslovaque contemporain“ in der Halles de la Salle de Congrés statt. 501 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 397.
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eine Glückssache oder Erholung! Frische Luft und die Atmosphäre, wenn man nur über die Grenze fuhr, hat man gewusst, jetzt bin ich im Freien.“502
Wenn Gestalter in Eigeninitiative eine Auslandsreise organisieren wollten, benötigten sie unter anderem den Devisennachweis der Staatsbank. Da ihnen ihr Honorar allerdings, auch bei Verkäufen ins „nichtsozialistische“ Ausland, stets nur in Tuzex-Gutscheinen oder in Kronen ausbezahlt wurde, war die Akkumulation einer Summe in Valuta sehr schwierig.503 Žertová bemühte sich nach der „Glass Now. A Worldwide Survey“-Ausstellung 1979 darum, die Genehmigung für ein Devisenkonto zu bekommen. Manche Glaskünstler verfügten bereits über ein derartiges Konto504 und nachdem sie über ein ganzes Jahr die notwendigen Dokumente eingereicht hatte, wurde es auch ihr bewilligt. Žertová: „Karel Gott und andere haben es durchgesetzt, dass Leute, die im Ausland arbeiten oder von dort Geld bekamen, auf ein Valutakonto einzahlen konnten. Ich habe also ein Jahr lang Anträge gesammelt, dann erhielt ich endlich ein Devisenkonto. Von dieser Zeit an konnte ich fast alles Geld von verkauften Sachen auf das Konto geben. Ich war nicht arm geboren, aber war vor dieser Zeit sehr arm! Als ich jung war, dachte sie, die Welt wartet auf mich, ich hatte die Kraft, im Jetzt zu leben, da war das Geld nicht so wichtig. Blick in die Zukunft war nicht wichtig. Ich hatte damals ein schönes Leben und eher kleine Sorgen. Spätestens nach 1968 verschwand mein Idealismus. Geld macht frei! Das Prinzip der Bolschewiken war doch, wenn die Leute arm sind, können sie manipuliert werden, haben sie nur genug zum Leben, haben sie keine Gelegenheiten!“ 505
Desgleichen genügte eine förmliche Einladung aus dem Westen mit Zusicherung der Kostenübernahme bei einer Auslandsreise für die Antragsbewilligung. Stanislav Libenský506 und Jiří Harcuba erhielten in den 1980er Jahren Einladungen zu Vortragsreisen in die BR Deutschland und Amerika, die dank bereits in den 1960er Jahren geknüpfter
502 Interview mit Alena Digrinová, Prag, 06.10.2003. 503 „Da wurde ein Teller von mir versteigert für 150.000 D-Mark. Aus den 50er Jahren. […] Ich hab etwas dafür bekommen, ein paar tausend Kronen und ich war froh, weil ich damals gar kein Einkommen hatte, das war eben in den 70er Jahren.“ Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. Soweit sich ermitteln ließ, wurde niemals ein Teller von Harcuba zu diesem Preis veräußert. 504 Darüber hinaus eröffneten Glaskünstler bei ihren Reisen ins westliche Ausland in den 1980er Jahren zusätzlich Konten, auf die Käufer die Devisen direkt einzahlen konnten, also am Art Centrum vorbei. René Roubíček besaß ein solches Konto bei der Deutschen Bank. Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004 505 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 26.06.2003. 506 Libenský war schon 1976 zu der „Working with Hot Glass“-Konferenz nach London geflogen. 1982 folgte er der Einladung Dale Chihulys als „Artist in residence“, für mehrere Monate in Pilchuck zu arbeiten. Frantz 1994, S. 49.
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privater Beziehungen zu Künstlern, Museumsleuten507, Sammlern und Galeristen zustande kamen. Harcuba: „Naja, also und dann hat Tom Buechner mir gleich [1983] eine Lecture in Rochester ausgemacht, da ist dieser Michael Taylor508 gekommen. Aus Rochester, hat mich da mit dem Auto hingefahren. Das war im März, im Winter. Und da hab ich einen Vortrag gemacht. Jede Schule [das Rochester Institute of Technology hatte fünf Dependancen] hat immer etwas Geld bezahlt, dafür dass ich den Vortrag gemacht hat, da hat er wieder die Flugkarte besorgt nach Arizona. […] Ich muss noch dazu sagen, dass Karin Webster, eine Deutsche, die in Göttingen studiert hat und da den Jim Webster kennen gelernt hat, welcher auch das studiert hat. Die lebt in Seattle, und die war oft in Prag und oft in Frauenau, schon 1981. Und da hat sie mir erzählt über Amerika, und hauptsächlich hat sie gesagt: ‚Du musst hingehen einfach und dann ist es leicht.‘ […] Und dann hat noch eine Elli Sherman aus Los Angeles geschrieben, dass ich kommen soll. Und auf einmal war ich da und auf einmal gab es viele Leute, die mich dann eingeladen haben. Dann bin ich von Tuscon nach L. A. geflogen und da gab ich auch einen Vortrag [1983 am Rochester Institute of Technology]. Das war wunderschön. Für mich wenigstens, wo ich schon dachte, nie mehr kann ich so was machen. Etwas ganz Neues. Und dann bin ich nach Los Angeles. Marvin Lipofsky509 hat mich dann nach Oakland gebracht, an der Schule war ich eine Weile [1983 und 1984, California College of Arts and Crafts]. Dann ging’s nach Seattle. […] Aber immer gab es jemanden, auch bei der Rückreise war ich in New York für ein paar Tage im Experimental Center, dort hab ich den Dale Chihuly kennengelernt […] Ich bin mit Fred Hampson510, aus Detroit aus der Habitat Gallery, zuerst von Corning nach Detroit gefahren. Von dort flog ich nach Denver. […] Ich hab ihnen [der Pilchuk Glass School] halt gesagt, was sie bestellen sollen, die Maschinen, eben schon dem Gernot Merker511. […] Dann war ich ’85 zuerst als Artist in Residence, was eine ganz bedeutende Position ist, in Pilchuck. Aber das hat man mir gegeben, damit ich eben die Maschinen installiere und die anderen eben um mich kreisen konnten. Dale Chihuly sagte, ‚Sprich nicht, arbeite, wir werden Dich beobachten.‘ […] Dann bin ich seitdem jedes Jahr da gewesen ... und immer wieder auch herumgereist ... der 507 1985 lud Pilar Muňoz, Direktorin der Fundació Centre del Vidre de Barcelona, anlässlich eines Pragbesuchs 25 tschechische Glaskünstler zu der Teilnahme an dem Symposium und der Ausstellung „Vidre d’art: 25 artists czecoslovacs“ 1987 ein. Frantz 1994, S. 209. 508 Der Studioglaskünstler und Dozent Taylor leitete ab 1982 das Rochester Institute of Technology, College of Fine and Applied Arts. 509 Lipofsky war nicht nur Studioglaskünstler, sondern unterrichtete auch in Berkeley und am California College of Arts and Crafts in Oakland. Anfang der 1970er Jahre hatte er – wie Thomas S. Buechner 1963 und Dale Chihuly 1969 vor ihm – in Železný Brod das Atelier von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychotvá besucht. Frantz 1994, S. 48. 510 Ferdinand Hampson war Eigentümer der kommerziellen Habatat Gallery in Detroit. 511 Merker (geb. 1934) leitete damals einen Familienbetrieb in Kelheim, der Graveurmaschinen herstellte. Verheiratet mit der Glaskünstlerin Ursula Merker sammelte er auch Glas und schrieb einige Bücher, so einen Katalog über Harcubas Porträtgravuren für das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg: Merker 2003.
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Aufenthalt in den Staaten war immer für einen Monat oder zwei Monate. 1987 hatte man mir eine Flugkarte besorgt, die war für 60 Tage und 16 Flüge für 599 Dollar. […] Das war so einfach. Ich konnte einfach ... abends sagte ich, ‚Morgen geh ich da und da hin.‘ Also, es war ein Flug mit all den Fahrkarten. […] Und ich will nur erklären, wo überall ich war. Und als ich in Seattle war, sagte man mir, ‚Ja, Du kannst auch Hawaii besuchen, wir haben eine Freundin in Honolulu.‘ Da haben die angerufen, dass das jemand aus Prag ist, und die war auch schon einmal in Prag. Und da sagte sie, ‚Ja, der kann kommen, wir haben ein leeres Haus.‘ Da hatte ich in Honolulu ein Haus für mich selbst. [lacht] […] Und dann badete man in einer Luft, die war voll von diesen Blüten, das war also ... zauberhaft!“512
Die Möglichkeit, derartige Erfahrungen machen zu können, gehörte neben der einkommenssteuerlichen Begünstigung zu den Privilegien, die Normalbürgern im sozialistischen Regime verwehrt wurden.513 Als Tuzex-Empfänger und Besitzer von Devisenkonten hatten die Glaskünstler zudem Gelegenheit, zahlreiche ausländische Erzeugnisse zu kaufen. Verordnung 149/1961 Sb. des MŠAK regelte in § 1 die Berechtigung von Künstlern, ihre Arbeiten als persönliches Eigentum direkt zu veräußern, also ohne Kommissionierung durch staatliche Stellen. In Ausstellungsankündigungen und Katalogen fanden sich bis in die 1980er deren persönlichen Adressen, vermutlich um Kaufinteressenten aus dem Westen einen direkten Zugang zu ermöglichen. Natürlich war das Einkommen aus Privatverkäufen steuerlich anzumelden, doch es konnte im Rahmen der in der vorliegenden Untersuchung befragten Zeitzeugen kein einziger Fall ermittelt werden, der auf eine behördliche Kontrolle derartiger Transaktionen schließen ließe. Damit ist festzustellen, dass Glaskünstler die Gewinne aus eigenständig veranlassten Verkäufen ihrer Arbeiten steuerfrei einnahmen und dies in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre sogar in harter Währung. So zogen sie auch Neid auf sich. Angeblich konnte man beim Anblick eines Fiat Uno in den Straßen davon ausgehen, dass ein Künstler hinter dem Lenkrad saß.514
512 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 28.06.2003. 513 Vgl. S. 266, 287 und Ricke 2005b, S. 10. „Those people were artists like the ones living in every single country around the globe. But they were restricted by the system. They didn’t have a chance to sell their art in a normal way. Which is not fair, which wasn’t fair to them. But if nothing else, because they were artists they at least got the chance to exhibit and to even achieve the western prices. Some of them don’t want to accept this now, they are still criticising the past. And there are many reasons for it. But at the same time they have to see the opposite effect. They made up a special social level … compared to the old times, they were rich. Compared to the workers, bureaucrats, doctors … those people had no chance to sell their skill, their knowledge for the western prices!“ Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003. 514 Jiřina Žertová und Dana Zamečniková (geb. 1945, besuchte von 1969 bis 1971 das Atelier für Angewandte Architektur an der VŠUP) beispielsweise besaßen einen Fiat Uno. Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 26.06.2003.
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6.3 Art Centrum – Handel mit Glaskunst Nach dem politischen Umsturz im Februar 1948 wurde die Auswahl für den Außenhandel mit Kunstwerken der neu gegründeten Organisation Artia übertragen. Das Kerngeschäft ihrer Tätigkeit bestand allerdings im Druck und Vertrieb von Büchern, während der Export von Antiquitäten, Volkskunst und Malerei allein schon mangels der dazu nötigen Arbeitskräfte nicht von Artia bewältigt werden konnte. Auch die Galerien von Dílo, dem Tschechischen Fonds der Bildenden Künste (ČFVU) unterstellt, förderten nicht den Handel mit Kunst ins „nichtsozialistische“ Ausland, sondern konzentrierten ihre Aktivität auf die Tschechoslowakei.515 Weil der Schwerpunkt des Kulturschaffens in seiner erzieherischen Funktion gesehen wurde, vernachlässigte der sozialistische Staat den Kunsthandel ohnehin systematisch, da er den Privatbesitz vergesellschafteter Kunstwerke begünstigt hätte. Allerdings weckte der überragende Erfolg bei der EXPO 58 das Interesse westlicher Beobachter an den in Brüssel präsentierten Exponaten bildender Künstler, der Laterna Magica sowie künstlerisch gestalteter Glas-, Textil-, Porzellan und Keramikarbeiten.516 Ein Export dieser Designobjekte und Kunstwerke in Länder hinter dem Eisernen Vorhang wurde seitens des Regimes als ein ideologisch vertretbarer Weg aus der wirtschaftlich angespannten Situation begriffen. Die Anregung zu dieser Strategie hatte Anfang der 1960er Jahre Adolf Hoffmeister, Mitglied im Zentralkomitee des SČSVU, gegeben.517 515 Dílo veräußerte auch Auftragskunst an inländische Museen, so beispielsweise 1973 das Trinkglasservice von Karel Wünsch für den Ještěd an das Museum für Glas und Bijouterie in Jablonec n. N., siehe Abbildung 62 a, b. Siehe auch Kapitel 5.2.1, S. 277, und Kapitel 6.1, S. 337. 516 Glaskunst, die bis dahin monopolistisch von dem Außenhandelsunternehmen Skloexport exportiert wurde, hatte zusätzlich durch die beiden Mailänder Triennalen 1957 und 1960 sowie die amerikanische Wanderausstellung „Glass 1959“ Aufmerksamkeit auf sich gezogen. 517 Digrin: „Und er hat immer gesagt, unsere bildende Kunst ist so gut wie Musik, aber von der tschechischen Musik weiß man seit der Mannheimer Schule und seit Mozart, aber von der bildenden Kunst sagt man, das ist österreichisch, also soll man damit endlich etwas machen, ja? Und er hat also zu dem Präsidenten Novotný Kontakt bekommen. Und der hat gesagt, man soll damit etwas anfangen ... Sage ich Ihnen, Wahrheit und Dichtung. Wahrheit ist, dass der Novotný entschieden hat, der Kulturminister [František Kahuda] und der Außenhandelsminister [František Hamouz] sollen darüber sprechen, ob etwas damit gemacht werden soll, ja oder nein! Das ist Wahrheit. Dichtung ist, dass der Digrin angefangen hat zu sagen, wissen Sie, der Genosse Novotný hat entschieden, es soll eine Organisation, wie soll die heißen, Art Centrum, die soll gegründet werden! Und die soll die bildende Kunst ausführen [exportieren]. Aber wenn Du etwas dagegen hast, Genosse, sag das dem Novotný, vielleicht wird er das null und nichtig machen. Selbstverständlich niemand ist zum Novotný gegangen [lacht] und auf diese Weise ...“ Wasmuth: „Sie haben erfunden, dass Novotný das gesagt hat?“ Digrin: „Na ja, das habe ich erfunden! Eines Tages kommt es zu einer Tagung mit dem Außenhandelsminister, und jetzt sitzt dort der Hoffmeister und hier sitzt der Digrin. Sagt der Hoffmeister, ‚Was machst Du hier?‘ Ich sage, ‚Ich habe etwas da, was wir besprechen müssen, also ich habe mir ausgedacht ...‘ Und der sagt zu dem Minister, den ich jetzt übrigens vor ein paar Tagen wiedergesehen habe, Čestmír Čísař, also, ‚Genosse Minister, wir sind aus einer Familie [Hoffmeister war Digrins
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Staatspräsident Antonín Novotný ordnete auf Grundlage der Verordnung 149/1961 Sb. des MŠAK 1962 an, den Handel mit Kunst einer speziell zu diesem Zweck geschaffenen Organisation zu übertragen, die eng mit dem SČSVU und dem ČFVU zusammenarbeiten sollte.518 In den folgenden zwei Jahren verhandelte Hoffmeister mit dem Leiter der Wirtschaftsabteilung des Ministeriums für Schulwesen und Kultur, der Leiterin der dortigen Kunstabteilung und dem Leiter der Organisationsabteilung des Außenministeriums über den Aufbau eines solchen Unternehmens.519 Die Verordnung hatte die Befugnis zum Verkauf von Kunstwerken noch auf vier Gruppen beschränkt: a) die Autoren dieser Werke beziehungsweise deren Erben; b) den tschechischen und slowakischen Fonds der bildenden Künste sowie ihre Unternehmen und regionalen Gremien; c) die Nationalunternehmen, staatliche Handelsunternehmen, Konsumgenossenschaften und andere „sozialistische Organisationen“; d) die Eigentümer dieser Werke, solange sie nicht gewerbsmäßig handeln. In der Folge begründete der neue Minister für Schulwesen und Kultur, Čestmír Čísař, am 15. Dezember 1964 die staatliche Kunsthandelsorganisation und Künstleragentur Art Centrum, tschechoslowakisches Zentrum der Bildenden Künste (Art Centrum, československé středisko výtvarných umění), die von nun an in Monopolstellung Arbeiten bildender Künstler aller Genres ins Ausland vermittelte. Der Schwerpunkt sollte gemäß Gesetz 40/1965 Sb. auf zeitgenössischer Kunst liegen, wobei in Ausnahmefällen auch Meisterwerke des 19. Jahrhunderts in das Sortiment aufgenommen wurden.520 Der ČFVU hatte zuvor in Zeitungen nach Mitarbeitern gesucht. Der damals arbeitslose promovierte Jurist Ivo Digrin521, welcher zuvor bei Skloexport angestellt und ein Neffe
Onkel mütterlicherseits] und wissen nicht voneinander, dass wir da gemeinsam zu tun haben werden‘ [lacht].“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 518 Digrin 2003, S. 7. 519 Matějček 2003, S. 13. 520 Beispielsweise handelte Art Centrum auch mit Arbeiten Alfons Muchas. Digrin 2003, S. 7. 521 Digrin (1924-2013) studierte ab 1945 Rechtswissenschaften an der Karlsuniversität und schloss das Studium bereits 1948 mit der Promotion ab. Ab Mai 1949 arbeitete er in der Handelsabteilung von Skloexport (siehe Kapitel 3.3.2, S. 125). 1960 wurde ihm aus politischen Gründen gekündigt. Er arbeitete dann ab 1961 als Handelsdirektor bei Unikop, einer Unterorganisation des Zentralrats der Genossenschaften (Ústřední rady družstev), wo er allerdings ebenfalls 1962 auf Veranlassung seines Vorgesetzten Josef Nepomucký (ehemaliger Landwirtschaftsminister) wieder entlassen wurde. Danach wechselte Digrin als Geschäftsführer zu Art Centrum und blieb in dieser Funktion bis 1971, als er erneut aufgrund seiner „politischen Unzuverlässigkeit“ abgesetzt wurde. Ivo Digrin stammte aus einer Familie, die gut vernetzt war. Seine Mutter war die Schwester von Marie Prušáková (1904–2003), einer Prosaautorin, die in erster Ehe mit dem Neffen von Digrins Großmutter, dem prominenten Adolf Hoffmeister (siehe Kapitel 4.3, S. 204) verheiratet war. Ein anderer Onkel Digrins war Jan Květ (1896–1965), Professor für mittelalterliche Kunstge-
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Hoffmeisters war, bewarb sich erfolgreich522 und wurde mit der Geschäftsführung des neu gegründeten Unternehmens Art Centrum betraut.523 Es richtete seinen Sitz zum 1. Januar 1965 in der Stadtmitte ein.524 Zusätzlich hatte Art Centrum Lagerräume in Prag 10, wo die Verpackung und Zollabfertigung für Lieferungen ins Ausland durchgeführt wurden. Die meisten neuen Angestellten hatten die Handelsakademie besucht, allerdings nicht alle mit Abschluss, weshalb sie berufsbegleitend weiterstudierten.525 Neben Digrin arbeitete gleich zu Beginn der Jurist Hubert S. Matějček526, der die Leitung der Rechtsabteilung übernahm, für das Unternehmen. Anders als die Präsentationen im Rahmen des staatlichen Kulturaustauschs sollte Art Centrum kommerzielle Ausstelschichte an der Karlsuniversität. Digrin verbrachte einen Großteil seiner Kindheit im Haus von Ottla Kafka, der jüngsten Schwester Franz Kafkas. Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 522 Digrin: „Weil ich vormaliger Sozialdemokrat war und zweitens, weil mein Vater Personaldirektor der Moldavia Generali war, kam ich aus einer bourgeoisen Familie. Da wurde ich wieder rausgeschmissen und jetzt habe ich einen Posten gesucht. Und überall, wo ich hinkam, habe ich mit den Leuten gesprochen. Die haben gesagt, ‚Ja, wir wollen Dich gerne nehmen, aber mit Deinen Papieren, weißt Du, kommen wir nicht durch.‘ Auf einmal lese ich ein Inserat: Tschechoslowakischer Kulturfonds der bildenden Künste sucht einen Juristen.“ Wasmuth: „Wo haben Sie das Inserat gelesen? Wissen Sie das noch?“ Digrin: „Irgendwo in den Zeitungen.“ Wasmuth: „Und das war wann?“ Digrin: „Das war im Jahre ... ein- oder zweiundsechzig. Sucht einen Juristen. Habe ich mir gesagt, ich wollte nie als Jurist arbeiten, aber ich war arbeitslos. Papiere habe ich. Gehe hin. Und der Direktor [Morávek] war ein sehr lieber Mann. ‚Jurist, Gott, Genosse Du hast im Außenhandel gearbeitet. Bitte, Juristen, da bekommen wir so viele Juristen, wie wir wollen ...‘ – die Bezeichnung Jurist war damals eine Beleidigung, wie heute Beamter – ‚Also, weißt Du, wenn Du im Außenhandel gearbeitet hast, wir sollen eine Möglichkeit finden, wie die bildenden Künste ausgeführt [exportiert] werden können. Und wenn Du also im Außenhandel warst ... Du wirst einen Posten bekommen, wo Du nicht [als Jurist] arbeiten musst, wirst Dich nur damit befassen!‘ Und ich wusste nicht, dass diese Idee eigentlich von meinem Onkel Hoffmeister kommt.“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 523 „Aus rechtlicher Sicht hatte ich aber alle Privilegien. Ich war in dem Unternehmensregister als Leiter eingetragen. Jetzt hatte ich alle Bankvollmachten, Vorschläge unterzeichnete ich für Auslandsreisen und für alles Amtliche, was in dem betreffenden Unternehmen diskutiert wurde. Jeder sprach mich als Direktor an.“ Digrin 2003, S. 7. 524 In dem fünfstöckigen Jugendstilgebäude in der V jámě 10 in der Nähe des Wenzelsplatzes befinden sich heute eine Praxis für Augenheilkunde und einige Privatwohnungen. 525 „Die waren alle auf der Handelsakademie. Und die mussten damals weiter studieren. Das war vorgeschrieben für die Firma. Die mussten einen Hochschulabschluss haben. Die haben versucht, während der Arbeit zu studieren. Aber das ging nicht so einfach. Wenn man acht Stunden pro Tag arbeitet und noch die Hochschule machen soll, das geht nicht!“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 526 Matějček (1927–2012) war ein Sohn des Malers Stanislav Matéjček (1879–1950). Er wuchs in einem künstlerischen Umfeld auf. Nach seinem Jurastudium belegte er ein Postgraduiertenstudium an der Prager Handelsakademie über „Verfahren der nationalen Wirtschaftsplanung“ und prädestinierte sich so für die Position als Leiter der Rechtsabteilung. Vor seiner Anstellung bei Art Centrum hatte Matéjček noch Erfahrungen in einem Bekleidungsunternehmen, beim tschechoslowakischen Radio und in der Prager Stadtverwaltung gemacht. Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002.
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lungen mit verkäuflichen Kunstwerken organisieren. Da den meisten Mitarbeitern aber der kunstwissenschaftliche Hintergrund für die tatsächliche Auswahl der Exponate, das Schreiben der Katalogtexte sowie die Hängung und vorteilhafteste Präsentation fehlte, arbeiteten sie zunächst eng mit Museumsangestellten zusammen. Auch rief man einen beratenden Ausschuss und später diverse Kunstkommissionen ins Leben, denen namhafte Kunsthistoriker und Künstler angehörten.527 Zwar galt ein generelles Interesse an Kunst als eine der Grundvoraussetzungen für die dortige Tätigkeit, aber wichtiger war der Nachweis von guten Fremdsprachenkenntnissen.528 Da sie regelmäßig mit dem westlichen Ausland korrespondierten, wurde gerade für Mitarbeiter in leitenden Positionen auch die Mitgliedschaft in der KSČ vorausgesetzt. Allerdings galt diese Bestimmung nicht für deren Stellvertreter und die untergeordneten Art Centrum-Angestellten, welche den eigentlichen Hauptpart bei der Organisation von Ausstellungen übernahmen. In der Erinnerung Jitka Pokornás, die gemeinsam mit Petr Cilka unter Miroslav Nogol in der Abteilung für Überseeverkäufe beschäftigt war und hauptsächlich Glasgestalter betreute529, stellte die Agentur jeden Künstler aus, der sich gut verkaufte, unabhängig von dessen politischer Haltung. Pokorná: „I never was pushed to exhibit somebody or sell somebody when I wasn’t sure about the quality. Or once it happened to me that the General Werych called me, why I do not exhibit or why I do not offer work by one of his friends. And I said look, I am doing business and if I am not asked for this, there is no reason to push him. The quality is poor. And he said o.k. that was accepted. So, of course, in all our country there were priorities, and it was necessary to respect them, but still ... maybe I am naive ... I can say it on my behalf, there was still a lot of freedom to decide, to choose. What I can see now after twenty years of doing this is that we chose high quality and we were able to present the highest quality and even the very strong communist regime didn’t have the possibility to stop it. Because the contact with foreign countries was very frequent, and there was no possibility – of course, if they strictly say no, it hap527 Aus dem Glasbereich waren Alena Adlerová, Jan Kotík und René Roubíček von 1965 bis 1971 Mitglieder dieser Kommission. Danach saß nur noch der ÚBOK-Mitarbeiter Adolf Matura für den Glasbereich in dem Ausschuss. 1974 entstand je eine Kunstkommission für die unterschiedlichen Genres (Matějček 2003, S. 96/97). In der Kommission für angewandte Kunst, zu der auch Glas gezählt wurde, waren neben Matura dann Pavel Hlava, Jaroslav Svoboda und František Vízner Mitglieder, in der Zeit der Normalisierung also ausnahmslos Glaskünstler, die in staatlichen Institutionen oder als Betriebsgestalter angestellt waren. 528 „Die Kenntnisse der Sprache, Matějček hat mich etwas auf Englisch gefragt, bitteschön. Dann hat eine andere Kollegin mir etwas diktiert, ob ich schreiben kann, Englisch, habe ich also gewonnen. Ich wurde zu der Firma eingeladen, wann wollen Sie kommen, am 1.3.1966.“ Digrinová, damals noch Hrbcová, war „gemeinsam mit Toupalík und einer anderen Dame [Marcela Slívová?]“ zuständig für „Österreich, Deutschland, Schweiz natürlich! Was gibt’s noch, Spanien, Benelux“. Interview mit Alena Digrinová, Prag, 07.10.2003. Auch Jitka Pokorná bestätigte dieses Verfahren aus ihrem von Miroslav Nogol geführten Einstellungsgespräch im Interview, Prag, 30.06.2003. 529 Für den deutschsprachigen Raum waren Alena Hrubcová (spätere Digrinová) und Marcela Slívová zuständig.
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pened sometimes very rarely – but at the same time they had to say why and and they weren’t interested in negative promotion, so, it happened sometimes. […] People had self-censorship, so basically they knew what is acceptable and not, so they were able to find the best possible way to do their jobs with the best possible qualities.“ Wasmuth: „So your responsibilities in practical terms were: meet the artist, choose a number of objects that would go to the exhibitions, organise the transport, organise insurance …“ Pokorná: „Everything! And it was the advantage of Art Centrum that we could do all this, because it was quite a rich company. It is difficult to say that, because the money went always to the government, so it didn’t stay with the company, but, because it was a strong company with a lot of activities, so it was possible to cover a lot of expenses on behalf of the artists. So young artists, who were big talents and only just had left school wouldn’t have had this possibility to promote themselves abroad. But Art Centrum arranged the costs of transport and insurance on their behalf. If something was unsold, they would take it back, so it was a big advantage!“ 530
Für die Künstler eröffnete sich damit eine neue Perspektive für ihre berufliche Existenz, da sie vielversprechende Kontakte ins Ausland bekamen und endlich auch an den Verkäufen ihrer Arbeiten finanziell beteiligt wurden.531 Das Art Centrum überwies ihnen das vertraglich vereinbarte Honorar zu 40 Prozent in CZK und 60 Prozent in Tuzex-Gutscheinen.532 Allerdings wurden die Künstler insofern übervorteilt, als dass der festgelegte Preis für ihre Arbeiten zunächst von Kronen in Valuta und dann erneut zurück in Kronen gewechselt wurde, bevor das Honorar ausgezahlt wurde.533 Durch die Monopolstellung des Art Centrums als einziger Akteur des Kunsthandels waren die Konditionen nicht verhandelbar. Immerhin war es Glaskünstlern mit seiner Hilfe endlich möglich, durch den Verkauf ihrer Arbeiten Geld zu verdienen. Darüber hinaus konnten Künstler außerordentliche steuerliche Vorteile nutzen. So erlaubte ein Erlass des Finanzministeriums vom 25. März 1965 den sechzigprozentigen Abzug aller Materialkosten vom zu
530 Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003. 531 „Die Objekte aus Moskau gingen alle nach Liberec. Die Objekte aus Brüssel wurden größtenteils verkauft, die Devisen und den Rest bekam der Staat. Die Exponate gehörten nicht den Künstlern! Das wurde erst besser mit dem Art Centrum und der Einführung von Tuzex-Gutscheinen. Damit konnte man aber nur kaufen, was der Staat zum Verkauf zur Verfügung stellte, oder selbst im Ausland gekauft hatte. Zwei Jahre nach Montreal [1967] war dann die Möglichkeit da, etwas über Art Centrum zu verkaufen.“ Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004. 532 Diese Modalität variierte in Abhängigkeit von den zuvor vertraglich ausgehandelten Konditionen. Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002, und mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 533 „Die Preise der Autoren waren in Kronen – Art Centrum hat sie zweimal umgerechnet. Künstler bekam 1:5 niedriger in Tuzex! Aber für das jährliche Finanzamt musste ich nur 1:2 abrechnen. Somit war es am Ende des Jahres gut. Nur auf dem Papier war es gut für die Umsatzsteuer, aber nach 20 Jahren nachteilig, weil das war schlecht für die Pension.“ Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003.
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versteuernden Einkommen für Bildhauer (sochař), also auch für Glaskünstler. Viele von ihnen wandten sich der freischaffenden künstlerischen Arbeit zu.534 Art Centrum verfügte über verschiedene „Sektionen“, die sich auf die unterschiedlichen Aspekte der Ausstellungsorganisation, also die Beleuchtung, Vitrinen, Transport, Verpackung und Versicherung, die Vermarktung, Urheberrechtsfragen für Autoren, Bildrechte sowie die Publikation von Katalogen spezialisierten. Zu beinahe jeder von Art Centrum kuratierten Ausstellung wurde ein Begleitkatalog oder wenigstens ein Booklet produziert, deren Kosten zumeist von den Partnern im Ausland getragen wurden.535 Allerdings beschränkten sich die biografischen Angaben in diesen Publikationen in der Regel auf sogenannte „Medailons“ mit tabellarisch aufgeführten Ausbildungsstationen aus dem Leben der Künstler. Mit der Zeit konnten die Mitarbeiter an „fachlichen Weiterbildungskursen“ teilnehmen, die ihnen einen Überblick über die Techniken und einzelnen Fachgebiete der Gegenwartskunst vermitteln sollten.536 Das Unternehmen war während der ersten Jahre seines Bestehens dem Ministerium für Schulwesen und Kultur unterstellt. Wie im folgenden Kapitel beschrieben, gelang es Digrin und seinem stetig wachsenden Team rasch, Art Centrum zu einem wichtigen Devisenbringer zu machen. Mit wachsendem Interesse aus dem „nichtsozialistischen“ Ausland an konkreten Auftragsarbeiten und Kooperationen bei der Ausrichtung auswärtiger Anlässe schien diese Regelung zunehmend unzweckmäßig. In der Phase der Normalisierung, 1972, wurde es dann in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Außenhandel unter Andrej Barčak übertragen. Das Art Centrum war eine der wenigen staatlichen Institutionen, die nach marktwirtschaftlichen Kriterien wirtschafteten und deshalb auch Künstler, die in der Tschechoslowakei nicht mehr ausstellen konnten, dank der günstigen Absatzmöglichkeiten ihrer Arbeiten im westlichen Ausland anbieten durften. Jiří Mikeš hat in seiner Diplomarbeit nachgewiesen, dass Mitglieder des Zentralkomittees des SČVU diesen Umstand verurteilten, da diese Werke der Beurteilung durch die zuständigen staatlichen Kunstkommission entzogen und damit den „ideologischen Auftrag der Kunst“ ad absurdum führten.537 In den 25 Jahren seines Bestehens leiteten nur zwei Geschäftsführer das Unternehmen. Ivo Digrin blieb bis zu seiner Entlassung „aus politischen Gründen“ 1971 im Amt und übernahm dann den Posten des Leiters der Rechtsabteilung des Art Centrums. Der zuvor in dieser Position tätige Hubert S. Matějček übernahm die Stellung Digrins.
534 Siehe Kapitel 3.2. und 5.1. 535 „Wir haben uns auch bemüht, ‚Medailons‘, solche Booklets, kleine Kataloge, zu machen, für jede Ausstellung. Schauen Sie, für einen Künstler ist eine Ausstellung ohne Katalog eine Ausstellung, die nie existierte. Zu einer Ausstellung gehört ein Katalog, das war unsere Philosophie. Wenn Sie einen Katalog haben, dann haben Sie ein Faktotum, so war das damals.“ Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. 536 Maršiková. In: GR 10/1979, S. 3. 537 Mikeš 2013, S. 26/27.
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Žertová: „Matějček hat sich auf Digrins Rat vier oder fünf Monate außerhalb des Landes [in Venezuela und in Toronto] aufgehalten, […] Art Centrum ist aber nichts geschehen. Nur Digrin wurde abgesetzt. Als Matějček zurückkam, konnte er von Digrin übernehmen und hat ihn wieder angestellt als Stellvertreter – vertauschte Rollen!“538
Digrin ging 1984, Matějček 1988 in den Ruhestand und Ende 1990 wurde das Art Centrum in seiner bisherigen Unternehmensform aufgelöst, firmierte allerdings als privatrechtliche Kapitalgesellschaft weiter, wobei die Sparte Glaskunst dann wegfiel. In einem Vierteljahrhundert hatte die Agentur fast 1.500 tschechoslowakische Künstler in mehr als 700 Ausstellungen auf dem internationalen Kunstmarkt vertreten. Zuletzt waren 160 Mitarbeiter für das Unternehmen tätig.539 Wegen der allgemein vorherrschenden Annahme, der Markt für individuelle Glasarbeiten wachse mit dem Transformationsprozess nun rapide, eröffneten auch im Inland zahlreiche Galerien, die sich auf diese Disziplin spezialisierten und regelmäßig Ausstellungen organisierten. Jiří Böhm richtete seine Glasgalerie in der Anglická ulice ein und der erwähnte Dan Klein auf der Prager Kleinseite.540 Auch ehemalige Art Centrum-Mitarbeiter, wie Jitka Pokorná und Petr Cilka, wagten den Sprung in die Selbstständigkeit. Das Öffnen der Grenzen zum Westen ermöglichte den Glaskünstlern zwar Zugang zum internationalen Kunstmarkt und viele von ihnen wurden auch von kommerziellen Galerien unter Vertrag genommen, aber das sprunghafte Geschäft mit Kunst bot wenig Sicherheit. Bald wurde ersichtlich, dass ein Boom auf dem Kunstmarkt ausblieb.541 Pokorná war eine der wenigen, denen es dank ihrer mitgebrachten Kontakte in Übersee bis in die Gegenwart gelang, den Handel mit Glaskunst erfolgreich zu betreiben.542 Die ausländischen Sammler kauften weiterhin bei ihren etablierten 538 Interview mit Jiřina Žertová, Prag, 29.06.2003. Digrin: „Man hat mir einen Brief geschrieben, dass ich abgesetzt bin und der Matějček hat einen Brief erhalten, dass er zum Direktor ernannt wird. Und das war eine sehr komische Situation, nämlich wir hatten solche unendlichen Kontakte zu diesen hohen Tieren, ich wurde zwar rausgeschmissen, blieb aber in dem Betrieb.“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 539 Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002. 540 Die Galerie befand sich ab 1991 in einem Gewerberaum bei Jánský vršek, welcher Václav Cigler gehörte. 1997 übernahm Jitka Pokorná die Ausstellungsräumlichkeiten zusätzlich zu ihrem Stammhaus. Petrová 2001, S. 178; Interview mit Alena Digrinová, Prag, 06.20.2003. 541 Digrinová: „Nein, nein, Auktionshäuser und Galerien haben kein Interesse an dem modernen Glas. Jugendstilglas, das schon, aber modernes ... ja, es gibt eine Galerie in Prag, neben dem Nationaltheater auf dem Ufer, wie heißt der Mann ...“ Wasmuth: „Galerie Z? Oder Pyramida?“ Digrinová: „Zvonaš? Er hatte zwei Galerien, eine unter der Karlsbrücke, ich weiss aber nicht, ob die noch dort ist, dann auf der Kleinseite, welche aber auch nicht mehr existent ist und dann auf dem Quai, dort ist sie noch.“ Wasmuth: „Und die Jitka-Pokorná-Galerie?“ Adlerová: „Die hat Ausstellungen von zeitgenössischem Glas, das macht sie immer, aber sie verkauft nicht hier. Ich denke, sie verkauft in Amerika.“ Interview mit Alena Digrinová und Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003. 542 Seit 2005 befindet sich die Galerie Pokorná in der Šafaříkově ulice 3, Prag 2.
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Geschäftspartnern aus Art Centrum-Zeiten oder bei Kontaktgalerien vor Ort543 und die Gruppe zahlungskräftiger tschechischer Sammler war überschaubar. Ende der 1990er Jahre existierten viele Galerien schon nicht mehr. Zeitgenössische Studioglasarbeiten junger Designer empfand die ältere Generation oftmals als „seelenlos“.544 Žertová: „Ich gebe zu, dass ich in den 90er Jahre Glas verabscheut habe. Ausgegossen auf dem Bürgersteig neben den Hutmachern, es war eine schreckliche Zeit, als die neuen Profis, nur das Negative und ihre Wildheit, zu sehen waren. Ich fühlte mich wie ein Flüchtling in einer fremden Stadt. Unsere Schule besagte, dass die Kunst eine Mission ist. Heute, gibt es diese Ansicht nicht mehr. Heute geht es um das Geld, all die Auktionen etc. Ich kann Kunst nicht als Ware betrachten. Und die Idee, dass sich meine Sachen in diese Richtung bewegen, ist unerträglich.“ 545
Erst ab 2009 begann das Auktionshaus Sýpka, einen Boom für das Sammlersegment einzuleiten. Seit 2010 veranstaltete auch das Dorotheum Auktionen mit tschechischen Glasarbeiten der sozialistischen Jahre. So kam es eigentlich erst in der jüngeren Vergangenheit – und dies gilt nur für wenige Vertreter der tschechischen Glaskunst – zu hohen Marktwerten im fünf-, mitunter sogar sechsstelligen Bereich. Die alljährliche Verleihung des renommierten Stanislav Libenský Awards lenkt seit 2009 die Aufmerksamkeit gerade auf junge Glasgestalter, die in der Nachwendezeit sozialisiert wurden und sich dort im Wettbewerb mit Künstlerkollegen aus der ganzen Welt behaupten mussten. Als enorm erfolgreich erweist sich auch die Designmanufaktur Lasvit, die seit 2007 individuell gestaltete Beleuchtungskörper, Architekturobjekte und Installationen, so für den tschechischen Pavillon bei der Triennale 2012 in Mailand, herstellt. BOMMA in Svetla produziert seit 2012 hochwertige Editionen nach Entwürfen tschechischer Designer.
543 In diesem Kontext sei auch die Glasgalerie Hittfeld bei Hamburg erwähnt, welche schon 1988 von Eliška Stölting (geb. 1944 als Eliška Krejčíková) gegründet worden war und die ausschließlich tschechische Künstler vertrat. Stölting, die vor ihrer Heirat mit einem Deutschen selbst eine Ausbildung als Glasgestalterin an der Fachschule in Železný Brod unter Stanislav Libenský absolviert hatte, war bestens vernetzt (Gespräch mit Eliška Stölting, Berlin, 10.04.2003). In den vergangenen 25 Jahren ihres Bestehens richtete die Galerie zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen aus, teils auch in Zusammenarbeit mit der Botschaft der Tschechischen Republik und dem Kulturzentrum Czech Point in Berlin. Um 2001 eröffnete Stölting eine Zweiggalerie in Polevsko, bei Nový Bor, in einem rekonstruierten Glasmacherhaus. Seit Herbst 2013 gibt es eine Dependance im neu gebauten Hamburger Hafenviertel. Spectrum, NG 4/1913, S. 56. 544 In Anlehnung an Igor Zabel wies Piotr Piotrowski darauf hin, dass sich postkommunistische Künstler zu bereitwillig an westlichen Erwartungen orientierten. Es sei ihre Aufgabe, eine eigenständige Identität über eine Dekonstruktion bestehender Kunstbegriffe aus der Zeit des Kalten Krieges zu definieren. Piotrowski 2006, S. 51. 545 Übersetzung des Interviews Marie Kohoutová mit Jiřina Žertová, Ausgabe 16/2003 im Fórum S 16/2003 der Glassrevue, URL: < http://www.glassrevue.com/ news.asp@nid=1993.html> (Stand 19.08.2013).
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6.3.1 Ausstellungen als Devisenbringer In den ersten von der Künstleragentur Art Centrum organisierten Auslandsausstellungen 1965 wurden vornehmlich Vertreter der jüngeren Grafiker- und Malergeneration, Ota Janeček, Jaromír John, Jiří Kolář, Mikuláš Medek und andere präsentiert. Die Einnahmen nach 16 Veranstaltungen im ersten Jahr ihres Bestehens betrugen immerhin 360.000 CZK durch Verkäufe in der Prager Kramář Galerie546 und zudem, in westliche Devisen umgerechnet, 1.350.000 CZK.547 Nach 57 Ausstellungen im Folgejahr belief sich der Umsatz im sozialistischen Ausland bereits auf 1.305.000 CZK für Absätze im „Ostblock“ und 4.893.000 CZK in harten Devisen. Der Handel mit diesem bislang unerschlossenen Geschäftsfeld hatte demnach überaus zügig zu respektablen Ergebnissen geführt, da durchschnittlich bei jeder Ausstellung zwischen 20 und 25 Prozent der Exponate verkauft werden konnten.548 Die ersten Berührungspunkte zwischen Art Centrum und Glaskünstlern wurden im Verlauf der Vorbereitungen für die Teilnahme an der EXPO in Montreal 1967 geknüpft. Das Unternehmen war zwar nicht konkret an der Organisation beteiligt, trat aber als Ansprechpartner für potentielle Kunden vor Ort auf, so dass auch der Verkauf der Monumentalarbeiten aus Glas von Bohumil Eliáš und Libenský/Brychtová in seinen Aufgabenbereich fiel.549 In einem eigenen Verkaufspavillon direkt neben dem Länderpavillon der Tschechoslowakei präsentierte Art Centrum eine opulente Ausstellung von Grafiken, Glas, Keramik, Wandteppichen und Gemälden. Laut Digrin und Matějček wollten die Verantwortlichen die Gunst der Stunde nutzen und im Rahmen der Weltausstellung die für den Export unentbehrliche Vernetzung mit Galerien und Kunsthändlern in Kanada sowie den USA voranbringen. Der Radius der Geschäftskontakte wuchs in diesem Jahr rasant an und mit ihm die Umsätze, vor allem in kapitalistischen Ländern.550 546 Dort hatte Art Centrum auf Vermittlung Hoffmeisters und gemeinsam mit dem Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler eine Picasso-Ausstellung organisieren können (Matějček 2003, S. 143; Srp et al. 2004, S. 356; Fotoarchiv Ivo Digrin). Das Werk Picassos war durch dessen Verbindung zur Kommunistischen Partei Frankreichs gleichsam ideologisch legitimiert. Vgl. Piotrowski 2009, S. 148. 547 Neben zwei Londoner und zwei Pariser Ausstellungen fanden 1965 auch vier Präsentationen in der BR Deutschland, je eine in Amsterdam, Wien und Venedig sowie eine in den USA mit Spitzenkunst von Ljuba Krejčí statt. Matějček 2003, S. 143–144. 548 Ebenda, S. 113. 549 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 372 f. Matějček spricht die Arbeit von Eliáš in seinen Erinnerungen fälschlicherweise René Roubíček zu und benennt die EXPO 58-Architekten Cubr – Hrubý – Pokorný als für den Montrealer Pavillon zuständig. Interessant ist allerdings sein Hinweis, dass Art Centrum außerhalb des Areals der Weltausstellung 1967 noch zwei Grafikausstellung in der Galerie Morency und dem Centre d’Art du Mont Royal ausrichtete. Matějček 2003, S. 37, 146. 550 Über die Ausrichtung von insgesamt 91 Ausstellungen mit 122 Künstlern setzte das Unternehmen zwar nur noch 208.000 CZK im sozialistischen Wirtschaftsraum, dafür aber 6.702.000 CZK in Fremdwährung kapitalistischer Länder um. 27 der Künstler waren slowakisch. Zusätzlich verdiente Art Centrum 1967 mehr als 350.000 Tuzex. Ebenda, S. 146.
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Die gewaltsame Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 führte zwar zu Gewinneinbußen im Vergleich zum Vorjahr, doch der Umsatz übertraf noch immer bei weitem die Zahlen von 1966551. Obgleich die Präsentation zeitgenössischer Glaswerke im Inland wie auch im Ausland in Zeiten der Normalisierung immer mehr abnahm, stieg unter der Regie von Art Centrum ab Ende der 1960er Jahre der kommerzielle Handel mit Glasarbeiten stetig an, nicht zuletzt durch die Teilnahme tschechischer Glaskünstler an Kunstgewerbemessen, vor allem in der BR Deutschland.552 Die Erwirtschaftung westlicher Devisen im „neuen ökonomischen Systems“, das sich unter anderem in einem Übergewicht der Exporte in sozialistische Länder äußerte, wurde zu einem elementaren Bestandteil der tschechoslowakischen Gesamtökonomie. Der Kunsthandel erhielt mehr denn je einen ernstzunehmenden Status als Devisenbringer. Der Staat erkannte den kommerziellen Aspekt der Glaskunst, losgelöst von ihrer Bedeutung als Propagandainstrument und Werbeträger für Gebrauchsglas. Deshalb gewährte er gut absetzbaren Glaskünstlern eine freiberufliche Tätigkeit und die Teilnahme an Auslandsausstellungen unabhängig von ihrer politischen Haltung. Schon bald etablierte sich ein „Glaskunstmarkt“, den die Nachfrage und nicht die Regimekonformität bestimmte.553 Art Centrum-Mitarbeitern gelang es immer wieder, auch „politisch unzuverlässigen“ Künstlern die Teilnahme an Ausstellungen zu ermöglichen.554 Die bei der EXPO in Osaka 1970 mit ihren regimekritischen Exponaten zunächst mit einem kategorischen Ausstellungsverbot geahndeten Glaskünstler René Roubíček und das Künstlerduo Libenský/Brychtová konnten so bereits nach drei Jahren wieder im Ausland präsentiert werden.555 Auch die lukrativen 551 Nur 41.000 CZK konnten in RGW-Ländern umgesetzt werden, gegenüber 6.410.000 im Westen. Der Anteil der Tuzex-Einnahmen stieg auf über eine Million. Ebenda, S. 147. 552 Dort gewannen Pavel Hlava, Vladimír Jelínek, Libenský/Brychtová, Věra Lišková und René Roubíček wichtige Preise. Siehe Kapitel 6.2.1. Digrinová: Ich war mehrere Jahre in Frankfurt auf den beiden Messen, in München auf der Handwerksmesse war ich mehrmals auch. Wieder andere Leute, wieder andere Kunden.“ Wasmuth: „Haben Sie im Hotel gewohnt?“ Digrinová: „Im Hotel, ja. Aber das hat alles die Firma bezahlt und dazu gab es ein Tagesgeld. Das war schön! Als man jung war und trinken konnte und das waren lange Abende und lange Nächte mit den Kunden.“ Interview mit Alena Digrinová, Prag, 07.10.2003. 553 Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003; Wasmuth 2005, S. 97. 554 Digrin: „Da habe ich immer mit den Leuten vom Innenministerium die Probleme für sie gelöst. Da waren immer Frauen, die haben die Pässe gemacht und so weiter. Und ich habe gesagt, ‚Weißt Du, Genossin, ich muss es schaffen, dass der und der nach dort und dort hinkommt. Ist es besser, dass wir einen Škoda verkaufen oder zwei dieser Zeichnungen?’ ‚Selbstverständlich zwei dieser Zeichnungen!’ ‚Also bitte, wenn wir die Zeichnungen verkaufen wollen, muss er sofort hinfahren!’ Ich habe die Ausreisebewilligungen, die normalerweise drei, vier Wochen dauern, in zwei Tagen bekommen!“ Wasmuth: „Und wieso war es besser, zwei Zeichnungen zu verkaufen, als einen Škoda?“ Digrin: „Nein, ich habe das nur gesagt, weil, wenn wir einen Škoda verkaufen, bekommen wir so und so viele Mark, und wenn wir zwei Zeichnungen verkaufen, bekommen wir dieselbe Summe! Das ist doch für die Ökonomie viel besser.“ Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06.10.2003. 555 Siehe Kapitel 6.2.1, S. 395. Zu der Parallelität von „offizieller“ und „inoffizieller“ Kultur vgl. Piotrowski 2009, S. 255.
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Aufträge für den Architekturbereich556, welche die genannten Künstler in dieser Phase übernehmen konnten, waren wohl ausnahmslos dem dringenden Bedürfnis geschuldet, Devisen einzunehmen. Hervorzuheben ist dabei aber nicht nur das staatliche Interesse an den ökonomischen Vorteilen, die durch den Export von Glaskunst erwirtschaftet werden konnten, sondern auch an dem einhergehenden günstigen Propagandaeffekt, der im Ausland der Wahrnehmung einer Verhärtung der politischen Situation innerhalb des Landes entgegensteuerte.557 Von 17 Millionen CZK im Jahr 1967 erhöhte sich der Gesamtumsatz durch Kunstverkäufe ins Ausland auf beinahe 29 Millionen CZK 1970 und 48 Millionen CZK 1971.558 Parallel betreuten die Mitarbeiter weiter die Bereitstellung von Leihgaben aus Künstlerbesitz für Museumsausstellungen, ebenso den Privatverkauf an Sammler. Art Centrum war als Handelsorganisation und Künstleragentur zum festen Ansprechpartner für Anfragen aus dem Ausland geworden. Pokorná: „Because art exhibitions were dealt with just by Art Centrum, all the mails regarding information about exhibitions, competitions went to Art Centrum. Everything! Each branch of industry, publishing houses, they had everything, it was the same whether contemporary or not, all in one hand. Mainly because it was controlled by politics, this was the reason. […] So when the competition was organised and Czech artists were to be invited, sometime later this mail went also to the artists directly. But they went first to Art Centrum and asked us for cooperation and help with this, because it was very difficult to do something yourself. And it was part of the control. So this is one of the negative aspects in the role of Art Centrum, but Art Centrum was not the organiser of these rules, they were given by the government. As the only specialists, manager and such, were cooperated in this company, the artist – if he wanted to do something – anyhow had to go and ask for help and support.“ 559
Während der gesamten 1970er und 1980er Jahre florierte das Geschäft mit zeitgenössischer Kunst. Art Centrum organisierte nicht nur große Gruppenschauen, sondern für viele Glaskünstler auch Einzelausstellungen im westlichen Ausland, so für Václav Cigler in Rotterdam (Abb. 110), für Pavel Hlava in Essen, für Libenský/Brychtová in Riihimäki und für Jiří Šuhájek sowie Jiří Harcuba in Wien. Obwohl diese Präsentationen zum Teil in einem musealen Rahmen stattfanden, waren alle Exponate verkäuflich, zumindest im Anschluss an die Deinstallation.560 Die Mitarbeiter der Organisation hatten in den 25 Jahren ihres Bestehens zum Teil enge Freundschaften mit Künstlern aufgebaut. Als Privatsammler mit den beginnenden 1980er Jahren anfragten, ob sie auch an556 Siehe Kapitel 6.3.2. 557 Wasmuth 2010, S. 509; siehe auch Kapitel 6.2. 558 Matějček 2003, S. 148, 149, 151. 559 Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003. 560 Cigler präsentierte seine Arbeiten 1975 im Museum Boymans-van Beuningen, Hlava 1982 in der Essener Glasgalerie, Libenský/Brychtová 1984 im Lasimuseo und in Tampere (vgl. Kapitel 6.2.2, Anm. 464, S. 410 f.), Šuhájek 1983 und Harcuba 1985 in der Galerie Lobmeyr.
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lässlich eines Besuches im Land direkt zu den Ateliers gebracht werden könnten, um Objekte zu kaufen, war die Koordination kein Problem. Digrinová: „Das war interessant. Die Arbeit bei Art Centrum, obwohl manchmal langweilig, oder unangenehme Kollegen, aber interessant war es vor allem immer, weil man die Künstler traf. Überstunden hat man damals nicht gezählt, auch nicht bezahlt bekommen. Aber die Künstler, verschiedene, einige sind böse, einige sind lieb, einige sind Trottel, einige sind Genies ... das war immer interessant, mit vielen sind wir noch befreundet. […] Also das war die eine Seite, das waren die Künstler. Und dann waren das die Kunden. Entweder ein Privatmann oder ein Galerist oder ein Museumsdirektor ... immer waren das ganz andere Arten von Leuten. […] Da war Dr. [Alfred] Dittrich561 aus Wien. Dr. Dittrich hat mich gefragt, ob ich Cigler kenne. Ich sagte, ‚Selbstverständlich, das ist mein Freund‘, und ist damals direkt danach nach Haida gefahren zu dem Symposium, mit seiner Tochter. Der hatte eine Liste von den Künstlern, die dort arbeiten, und ich habe abgehakt, wer ist wer und ... zum Beispiel Eliáš müsste er sehen und so weiter. Also, wir haben schön zusammen gegessen. […] Der hat mir die Visitenkarte gegeben, ich habe ihm meine Visitenkarte gegeben, auf Wiedersehen, das war alles. Nach einiger Zeit kam ein Telefonanruf, ‚Gnädige Frau, kennen Sie mich noch? Ich komme jetzt nach Prag, wollen Sie mir bitte etwas helfen? Ich muss jemanden besuchen.‘ […] Der erste Besuch war, glaube ich, beim Eliáš. […] Und der war damals so drei Mal im Jahr in Prag, ich habe für ihn die Besuche ins Atelier vorbereitet mit Daten und Stunden und Telefonnummern. Und wir sind mit dem Auto gefahren und er hat etwas gesehen, ausgewählt, bezahlt, etwas getrunken, gegessen. Und wir sind weitergefahren. So war das. So ist die große Sammlung ins Leben gekommen.“562
Mit der Zeit etablierte sich ein reger Kontakt zu einzelnen Sammlern und Galeristen im Ausland. Art Centrum ließ sich von Glaskünstlern Abbildungen oder Dias mit aktuellen Arbeiten zusenden, um diese an potentielle Kaufinteressenten weiterzuleiten (Abb. 111). Die Methoden der Agentur glichen demnach zunehmend den gängigen Praktiken im „kapitalistischen“ Westen. 1986 und 1987 überstiegen die Umsätze im Kunsthandel deutlich die 100-Millionen-Kronen-Marke563 und das erfolgreiche Geschäftsmodell von Art Centrum hatte sich 561 Dittrich (1925–2013) hatte eine Karriere als Banker hinter sich und zuvor bereits Jugendstilglas gesammelt. Gespräch mit Alfred Dittrich, Nový Bor, 10.10.2003. 562 Interview mit Alena Digrinová, Prag, 07.10.2003. Die Sammlung Dittrich umfasste zuletzt über 440 Objekte von 79 Glaskünstlern und wurde in drei Teilen im Februar und im Dezember 2009 sowie im Juni 2014 als Auktion Nr. 178, Nr. 187 und Nr. 229 von dem Heilbronner Auktionshaus Dr. Fischer versteigert. Zuvor hatte er erfolglos versucht, diese en bloc an Museen oder Privatsammler zu veräußern. Der Sammlungsbestand wurde 2002 anhand des von Herrn Dr. Dittrich für die Steinberg Foundation zur Verfügung gestellten Dokumentationsmaterials eingesehen und mit den Fischer-Katalogangaben abgeglichen. 563 Der Jahresumsatz 1986 betrug nach 95 Ausstellungen insgesamt 137.047.000 CZK und im Folgejahr nach 92 Ausstellungen 122.781.999 CZK. Matějček 2003, S. 188, 192.
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als wichtiger Devisengenerator erwiesen.564 Für die Mitarbeiter stellte sich der berufliche Wechsel nach der Samtenen Revolution aufgrund ihrer im internationalen Handel gewonnenen Erfahrungen und der durch den täglichen Gebrauch perfektionierten Sprachkenntnisse als relativ unkompliziert dar.
6.3.2 Vermittlung von internationalen Aufträgen Spätestens die Teilnahme tschechischer Glaskünstler an der EXPO 67 in Montreal lenkte das Interesse westlicher Bauherren auf deren großformatige Arbeiten für einen architektonischen Rahmen. Ab Anfang der 1970er Jahre kam es zu konkreten Anfragen bei Art Centrum, ob man Auftragsarbeiten bei René Roubíček und den Künstlerduos Eliáš/ Toušková sowie Libenský/Brychtová vermitteln könne.565 Hervorzuheben ist in diesem Kontext die heute gänzlich unbekannte Gruppe von Aufträgen aus Teheran, die über Art Centrum vermittelt werden konnte. Bereits 1966 hatte Mohammad Reza Schah Pahlavi einen Perspektivplan für die Jahre 1972 bis 1992 initiiert, der auf seinen Vorstellungen zur Entwicklung der „Großen Zivilisation“ basierte.566 Der Iran bemühte sich um den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schulterschluss mit den Ländern Europas. Dies sollte sich auch in Form von Auftragskunst in öffentlichen Gebäuden und neu zu errichtenden Repräsentativbauten widerspiegeln. Im Mai 1967 hatte der Schah als erste Station seiner Europareise die Tschechoslowakei besucht, wo er mit Parteichef Antonín Novotný und Staatspräsident Antonín Zápotocký zusammentraf. Pahlavi war von seinem Besuch des tschechoslowakischen Pavillons in Montreal und der beiden Wanderausstellungen mit zeitgenössischen tschechischen Glasarbeiten in den Jahren 1968/69 in Teheran scheinbar derart begeistert, dass er den Staatspräsidenten Ludvík Svoboda 1969 um Unterstützung bei der Planung für die bevorstehenden Feierlichkeiten zum zweitausendfünfhundertjährigen Bestehen der iranischen Monarchie bat, welche dann seitens des Art Centrums betreut wurde.567 Die 564 Interview mit Hubert S. Matéjček, Prag, 17.12.2002, und Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003. 565 René Roubíček schuf 1970 für die Kölner Galerie Baukunst eine Glasskulptur für den Eingangsbereich und 1971 für den Verwaltungsbau der Firma Görling, ebenfalls in Köln, Kronleuchter, wie er sie zuvor bereits für verschiedene Botschaftsgebäude der Tschechoslowakei angefertigt hatte (siehe Kapitel 5.3, S. 317). Eliáš/Toušková übernahmen 1977 einen Auftrag für die Privatvilla von José Miguel in Mexiko City. Siehe Abbildung bei Adlerová. In: GR 7/1975, Nr. 2, S. 19. 566 Zwei Jahre später veröffentlichte Schah Pahlavi ein Buch mit seinen Visionen für die kulturelle Entwicklung seines Landes, das 1994 unter dem Titel „Toward the Great Civilisation: A Dream Revisited“ auch auf Englisch erschien. Siehe auch: Wikipedia, Stichwort „Mohammad Reza Pahlavi“, URL: (Stand 21.11.2013). 567 Homepage des Prager Symphonieorchesters, URL: (Stand 11.04.2013). In der Erinnerung des damaligen Generaldirektors Dr. Ivo Digrin und seiner Mitarbeiterin Alena Digrinová (damals Hrubcová) wurde der erste Kontakt zwischen Art Centrum und Auftraggeber jedoch anders hergestellt:
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sich anschließende intensive Zusammenarbeit für das Programm wurde für Art Centrum von Regisseur Jaroslav Frič betreut, aber bald ergaben sich auch weitere Aufträge für Glaskünstler aus der Tschechoslowakei. Bohumíl Eliáš und Kapka Toušková wurden auf Vermittlung des Art Centrums nach Teheran eingeladen, um eine Reihe von Kommissionen des Schahs auszuführen.568 1974 sicherte sich Art Centrum den Zuschlag für das Interieur des zu rekonstruierenden Marmar-Palastes (Marmorthronpalast) in Höhe von 2.850.000 USD, der als multifunktionales Kulturzentrum diente.569 Für die Zeremonienhalle sollten Eliáš und Toušková die Idee „Spiegel der Zeit“ aufgreifen, um symbolisch die Geschichte des Perserreiches zu präsentieren. Diese Arbeit setzte sich aus sechs konzentrischen Bögen zusammen,
Digrinová: „Damals brauchten wir irgendwelche optischen Geräte aus Japan. Und der Leiter des Teams sollte nach Japan fliegen. […] Und die flogen nach Tokio und unterbrachen die Reise in Teheran. Als sie in Teheran ins Hotel kamen, hat sie gesagt, vielleicht habe ich irgendwelche Schüler aus dem Außenministerium hier. Und zufälligerweise, der Botschafter, der Kulturrat, alle waren ihre Schüler. Die sind hingekommen und ...“ Wasmuth: „Wann war das?“ Digrin: „Das war im Jahre ... das kann ich finden. Da war ich noch Direktor, also war das im Jahre ’69. Und die kommen zur Botschaft und fragen, ‚Wohin fliegt Ihr?‘ ‚Wir fliegen nach Japan. Warum?‘ ‚Wir sollen dort irgendwelche Geräte kaufen. Wir arbeiten für die kanadische Regierung British Columbia und müssen etwas dort etwas kaufen [für deren Pavillon bei der EXPO in Osaka].’ ‚Können Sie nicht auch etwas bei uns machen?’ ‚Warum nicht?’ ‚Wir werden bald diese Feier haben, 2.500 Jahre Iran’ oder irgendwie so etwas. ‚Wisst Ihr was, heute ist es schon zu spät, morgen schaffen wir es nicht, übermorgen geht Ihr zu der Kaiserin.’ Und die haben gesagt‚Übermorgen werden wir schon längst in Japan sein.’ ‚Also bitte, bevor Ihr zurückfliegt, gebt uns Bescheid und wir werden das arrangieren, dass Ihr zur Kaiserin gehen könnt’.“ Wasmuth: „Auf dem Rückweg von Tokio?“ Digrinová: „Ja.“ Digrin: „Warum? Dieser Kulturrat war ein ganz großer Hengst. Und hat also einer Frau Ardjomand, welche die beste Freundin der Kaiserin war und mit ihr in Paris Architektur studiert hat, er hat ihr bewiesen, dass die Tschechen, also ... große Helden waren, ja? Und die war mit ihm sehr zufrieden. Und weil sie die beste Freundin von der Kaiserin war, war es kein Problem. Und er hat zu ihr gesagt, ‚Ich will, dass dieser Freund zur Kaiserin kann‘ und es war in 24 Stunden arrangiert. Also die kamen zurück, sind zu der Kaiserin gekommen, sie hat gesagt, ‚Wir machen diese Feierlichkeiten 2.500 Jahre Iran, könntet Ihr etwas für uns machen.‘ Und die haben gesagt, ‚Warum nicht.‘ Die sind nach Prag geflogen, und ich habe zu meinem späteren Nachfolger im Direktoramt, Matějček, ein erstklassiger Ökonom, gesagt: ‚Packt Euch zusammen und fliegt nach Teheran.‘ […] Kurz und gut, die haben also dort sofort den Kontrakt abgeschlossen und es kam zu diesen Feierlichkeiten. […] Und der Schah war sehr zufrieden. Wir brauchen noch das da und das da. Ein Museum der Familie Pahlavi und dann Museum der Kadjarenkunst, Teilnahme des Irans an Okinawa, diese Weltausstellung der Ozeane und so weiter. Das war ein Auftrag nach dem anderen. Audiovisionen, Weltausstellungen.“ Interview mit Alena Digrinová und Ivo Digrin, Prag, 07.10.2003. 568 Klee 1994, o. S. 569 Matějček 2003, S. 86. Neben der Beleuchtung, Möblierung und Kunst am Bau zählte auch die Komposition neuer Musikstücke von Zdeněk Liška zu diesem „Paket“, wie auch für die folgenden Projekte Azadi Turm und Negarestan Kulturzentrum. Heute residiert im Marmar-Palast der Wächterrat, das oberste legislative Organ der Regierung.
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die auf dem mystischen Zahlenkult des Schöpfergottes Ahura Mazda beruhten. Riesige Bronzeringe mit dekorativen Details persischer zoomorpher Gottheiten umschlossen in ihrem Zentrum eine Laserlichtbündelung.570 Für eine Wand in der neuen Galerie der Kunst der Kadscharendynastie im Negarestan Kulturzentrum schuf das Künstlerehepaar zwei großformatige Mosaiken für die Ruheräume und ein aus Glasplatten geschichtetes Triptychon, das die persische Malkunst versinnbildlichte und als symbolisches Denkmal zur Ehrung Farah Dibas als Gründerin der Galerie in Auftrag gegeben worden war (Abb. 112).571 Auch die Künstler Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová schufen 1976 für das Negarestan vier Glasskulpturen (Abb. 113).572 Der Auftrag wurde von Farah Diba persönlich vergeben und 1975 fertiggestellt.573 Jiřina Žertová entwarf für den Palast der Mutter des Schahs, Teil der Sa’adabad-Palastanlage, eine bemalte Glasarbeit in Form einer Büste.574 Jan Fišar und Eliška Rožatová (damals Fišerová) lieferten ebenfalls gleich zwei Arbeiten im Auftrag des Schah, 1976 die Marmorintarsien für die Eingangshalle des Pahlavi-Museum des 6. Bahman575 und im Folgejahr Glasmosaiken mit dem Titel „Kaspisches und Persisches Meer“ für das Denkmal von Shahyad III, dem Shayad-Turm.576 Angeblich fertigte auch René Roubíček eine Auftragsarbeit an, allerdings unter falschem Namen. Pokorná: „But what happened to Mr. Roubiček, sometimes he was asked to make something, for example for Shah Pahlavi at the time in Iran, and he wasn’t allowed to do it under his
570 Klee 1994, o. S. Die Skulptur wurde 1974 installiert. Matějček 2003, S. 154. 571 Abgebildet in Adlerová. In: GR 7/1975, Nr. 6, S. 21. 572 Eine Dublette der Skulptur „Weltall“ befindet sich in der Lisa and Dudley Anderson Collection. Für eine Abbildung der Skulptur „Doppelhelix“ Frantz 1994, S. 203. Ein Abguss der „Doppelhelix“ unter dem Titel „Erbinformationsspirale“ (im Besitz der Kunstsammlung Veste Coburg) Ricke 1980, S. 54. 573 Matějček 2003, S. 156. 574 Žertová kam 1978 in den Iran, da ihr Mann Bedřich dort als Geologe arbeitete: „Nach der Revolution mussten alle Ausländer emigrieren, ich und mein Mann und ein schwedisches Ehepaar, sowie zwei weitere tschechische Geologen durften bleiben. Am 12.01.79 fuhr der Schah ins Exil, am 06.02. kam Chomeini eingeflogen.“ Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 27.06.2003. Heute befindet sich in dem Palast das Republikgebäude. 575 Fišar reiste zur Installation der Arbeit 1976 selbst nach Teheran (Gespräch mit Jan Fišar, Nový Bor, 10.10.2003). Das Interieur dieses Gebäudes konzipierte der Architekt Stanislav Picek. Der 6. Bahman selbst war eigentlich ein audiovisueller Theaterbau, benannt nach dem 6. Bahman 1341 persischer Zeitrechnung (26. Januar 1963), als der Schah sein progressives Dekret veröffentlichte, das als Weiße Revolution bekannt wurde. Heute ist hier das Shahr-Theater untergebracht. Homepage des Architekturbüros Picek Architects s.r.o. unter „Awarded projects“ und „Interiors“, URL: (Stand 29.11.2013). 576 Das Denkmal im Zentrum von Teheran wurde 1971 zum Gedenken der 2500-Jahr-Feier des Persischen Reiches als Königsturm (Shayad-Turm) errichtet und nach der Revolution 1979 in Freiheit (Azadi) umbenannt. 1975 wurde hier von der Laterna Magica auch ein audiovisuelle Klang- und Lichtinstallation eingebaut. Vgl. Matějček 2003, S. 86.
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name. So he gets the job, he was able to create something, which is always for the artist interesting, but some other artist had to name it.“577
Insgesamt wurden für die Leistung des Art Centrums im Iran 7 Millionen USD bezahlt578. Nach dem Sturz des Schahs im Januar 1979 und im Zuge der islamischen Revolution gingen wohl viele dieser Arbeiten verloren. Es ließ sich nicht ermitteln, welche von ihnen heute noch erhalten sind.579 Seit Beginn der 1980er Jahre nahmen die Aufträge aus dem westlichen Ausland zu. Für den neuen Gebäudeteil des Corning Museum of Glass wurden Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová mit der Gestaltung dreier formgeschmolzener Plastiken in Großformat beauftragt. Das Art Centrum stellte dafür 110.000 USD in Rechnung.580 1984 schuf das Künstlerpaar die Skulptur „Kopfsäule“ für einen Privatwohnsitz in Seattle.581 Auf Vermittlung der Galeristin Ingrid Lafontaine und des Architekten Bernhard Focht entwarf René Roubíček mehrere Glaselemente und Beleuchtungskörper für bundesdeutsche Bauträger.582 Auch Václav Cigler, Jan Fišar, Jiří Harcuba, Vladimír Klein und Vladimír Kopecký übernahmen in den 1980er Jahren Kommissionen für Architekturelemente aus Glas aufgrund konkreter Anfragen aus dem Ausland.583 Die in ökonomischer Hinsicht werbewirksame und für die Öffentlichkeitswirkung vorteilhafte kulturdiplomatische Instrumentalisierung des Ausstellungswesens im sozialistischen Regime führte zu einer unbeabsichtigten Emanzipation des Mustermachers zum impulsgebenden Gestaltungskünstler, dessen Arbeiten sich für harte Devisen vermarkten ließen. Aus der mannigfaltigen Überschneidung der Interessen von Staat und Künstlern ergab sich im internationalen Vergleich eine einzigartige Förderlandschaft für Kulturschaffende im Bereich Glaskunst.
577 Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003. 578 Matějček 2003, S. 86. 579 Laut Paul Klee waren die Arbeiten von Eliáš Anfang der 1990er Jahre noch vorhanden, da sie auch nach der Revolution durch ihre allgemeine Bezugnahme auf die persische Kunst anerkannt blieben. Klee 1994, o. S. 580 Eines der Objekte zerbrach beim Transport und musste nachgeliefert werden. Die staatliche Versicherung übernahm die Kosten der Neuanfertigung und so verbuchte die Agentur diesen Auftrag als großen finanziellen Erfolg (Matějček 2003, S. 109). Angeblich wurde bei dem Künstlerpaar auch eine 18 Meter hohe Glasplastik für das Museum bestellt, die allerdings nicht realisiert wurde. Maršiková. In: GR 10/1979, S. 3; Petrova. In: NG 2/1994, S. 15. 581 Die Skulptur wurde auf Vermittlung der Forster-White Gallery für die Eingangshalle des Wohnhauses Hauberg geschaffen. Frantz 1994, S. 209. 582 So 1984 für das Städtische Theater Göttingen, 1987 für ein Altersheim und 1992 für eine Sporthalle in Saarbrücken, 1988 für die Würzburger Gnadenkirche und 1989 für das Saarländische Kulturzentrum in Paris. Petrová 2001, S. 99, und Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999, S. 209. 583 Siehe Anhang „Standorte der Glasarbeiten tschechischer Künstler im öffentlichen Raum“.
7 FAZIT
Betrachtet man Kunst im Kontext der Zeit ihrer Entstehung, so lässt sich heute rückblickend feststellen, dass die moderne Glaskunst ungleich anderen Kunstgattungen einen eigengesetzlichen Weg in der sozialistischen Tschechoslowakei beschritt. Von der Formalismusdebatte und der stilistischen wie inhaltlichen Reglementierung allenfalls am Rande erfasst, bewegte sie sich zwischen dem Status eines Gebrauchsobjekts und Dekorationsfunktionen. Dies eröffnete Gestaltern fortwährend Möglichkeiten, die Grenzen zwischen ästhetisch genutzter technischer Virtuosität, der Aktualisierung kunsthandwerklicher Traditionen, ideologiegerechter, zeitgemäßer Formgebung und nicht zuletzt ornamental verbrämter Abstraktion zu verschränken. Damit stellt das Genre ein besonderes Phänomen innerhalb des planmäßig geleiteten und reglementierten Kulturbetriebs dar. Die künstlerische Gestaltung von Glas sorgte für die Transformation des handwerklichen Produkts zum anspruchsvollen Designobjekt und Unikat, wurde aber ihrerseits durch die technischen Möglichkeiten, durch die kulturpolitischen Leitlinien und die Interessen der Glasindustrie bestimmt. Folglich ist das Entstehen dieser Kunstgattung das Ergebnis einer besonderen Prädisposition, die durch das Ineinandergreifen teils widersprüchlicher historischer Entwicklungsgänge und soziopolitischer Gegebenheiten aufkam. Diese Faktoren wurden einerseits begünstigt durch das künstlerische Wirken Einzelner – wie alle Bereiche der Freien Kunst mitbedingt durch aktuelle kulturelle Konzepte – und andererseits durch offizielle kulturpolitische Entscheidungen und Richtlinien, die trotz eng begrenzter Spielräume Lücken für kreative Entfaltung und eine rege Kunstszene im Bereich des Glases boten. Die tschechische Glaskunst entstand demnach nicht abrupt in einem Vakuum, sondern durch das kontinuierliche Ausloten dieser vom Regime tolerierten Entfaltungsmöglichkeiten unter Einbeziehung internationaler Tendenzen der Kunst. Während dieser traditionell kunsthandwerkliche Bereich in Protektoratszeiten junge Künstler noch als alternatives Tätigkeitsfeld anzog und eher als Substitut für das unmöglich gewordene Freie Kunstschaffen betrachtet wurde, setzten diese Protagonisten nach Kriegsende ihren experimentellen Kurs fort. Damit rückte der bis dahin industrielle Werkstoff eher zufällig in das Blickfeld bildender Künstler. Etliche von ihnen prägten als Lehrer an den Glasfachschulen eine neue Generation von Gestaltern, denen damit nicht nur eine Spitzenausbildung auf handwerklichem, sondern auch auf hohem künstlerischem Niveau zuteil wurde. Auch die Pädagogik Karel Štipls und insbesondere Josef Kaplickýs an der Kunstgewerbehochschule in Prag führte zu einer grundsätzlichen Überprüfung des Materials und seines Potentials. Glas wurde nun als eigenständiges Medium der bildenden Künste begriffen. Die Bedeutung dieses tiefgreifenden Umdenkens kann gar nicht überschätzt werden, denn sie stellt einen vom Regime ermöglichten signifikanten Bruch mit der Vergangenheit dar. Für alle staatlich gelenkten Bereiche, die das Phänomen Glaskunst förderten, muss das Jahr 1955 als Zäsur betrachtet werden. Obgleich noch kurz zuvor über die Schlie-
Fazit | 439
ßung diverser Glasbetriebe verhandelt wurde, flossen nun aufgrund des Regierungsbeschlusses 12/1955 vom 23. März neue Investitionen in Ausbau und Modernisierung der Nationalunternehmen. Anlass zu diesem Sinneswechsel gab nicht zuletzt die mangelhafte Qualität der bestehenden Herstellersortimente. Sie hatte zu drastischen Umsatzeinbußen geführt, weshalb sie durch Einbindung geschulter Formgestalter planmäßig aufgewertet werden sollten. Weitere Gründe für die schlechte Handelsbilanz waren straffe Planwirtschaft und handelspolitische Ostblockausrichtung. Zeitgemäße Glasarbeiten wurden als ideologisch vertretbare Option verstanden, dem grauen Image der Staatsmacht entgegenzuwirken. Auf Initiative von Karel Hetteš, einem wichtigen Wegbereiter der Glaskunst, regten staatliche Institutionen deshalb die Teilnahme an den ersten Auslandspräsentationen an und eröffneten den Glaskünstlern eine Rückkehr auf die internationale Bühne. Moderne Exponate mit außergewöhnlicher Gefäßform und neuartigem Dekor erhielten mit der Ausstellung „Gegenwartsglas“ in Liberec zehn Jahre nach Kriegsende auch im Inland endlich ein Forum. Mit Einsetzen der Reformbestrebungen wurde der kulturellen Vielfalt in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre insgesamt mehr Entfaltungsspielraum zugebilligt. Binnen kurzem wurden die Arbeiten tschechischer Glaskünstler zu einem festen Bestandteil des Ausstellungswesens aufgewertet. Dabei wurden sie vom Staat nicht nur als werbewirksames Aushängeschild eingesetzt, sondern gaben auch wichtige Impulse für das Aufkommen der internationalen Studioglasbewegung. Anders als dieser lag dem tschechischen Glas aber nicht das individuelle Experimentieren unter Einbeziehung willkürlich entstandener Effekte zugrunde, sondern das im methodischen Ausbildungswesen erworbene technologische Wissen sowie die perfektionierte technische Virtuosität bei der Umsetzung eigener Entwürfe. Um die Besonderheit dieses Schaffens zu verstehen, muss ihr im damaligen Kontext völlig neuartiger skulpturaler Charakter betont werden, der sie aus der historisch bedingten Verknüpfung mit der Konsumgüterindustrie herauslöste. Ohne jede Gebrauchsfunktion hatten die bei der Brüsseler EXPO 58 präsentierten abstrakten Glasarbeiten und Rauminstallationen mit ihren oftmals monumentalen Dimensionen keine Vorbilder in der Kunstgeschichte. Das historisch einmalige Zusammentreffen erstklassiger Ausbildung mit planwirtschaftlich geführten Werkstätten unter Abwesenheit kommerzieller Zwänge führte in Kongruenz mit den kulturpolitischen Leitsätzen und den persönlichen Interessen der Akteure zu einer Legitimation dieses neuen Genres. Da sich die zuständigen Kulturfunktionäre bei der Formulierung von Lehrinhalten, Empfehlungen bei Wettbewerbsausschreibungen und Planvorgaben zumeist leerer Worthülsen bedienten, blieben den Akteuren Freiräume zur Interpretation formeller Richtlinien. Dergestalt löste sich in den sechziger Jahren die Glaskunst vollends aus dem Raster des Kunstgewerbes und einer staatlicherseits gewünschten ideologisch aufgeladenen Ikonografie. Die Nische für freie künstlerische Betätigung nutzten die Formgestalter intensiv. Die Vielzahl der avantgardistischen und visionären Objekte ist aber kein Beleg für eine bestimmte politische Ausrichtung der Glaskunstszene als Sammelbecken systemkritischer Dissidenten, sondern vielmehr Ergebnis des freien Wirkens künstleri-
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scher Kräfte. Sicherlich waren Glaskünstler durch die Einbindung in ein unumgehbares Netz institutioneller Organe beeinträchtigt, zumal sie ihre Kunst nur mithilfe nationalisierter Rohstofflieferanten und Betriebswerkstätten realisieren konnten. Andererseits ist aufgezeigt worden, dass sie aufgrund des staatlichen Interesses an der grenzübergreifenden Instrumentalisierung ihrer Arbeiten im Ausstellungswesen einen privilegierten Status genossen. Sie positionierten sich so gut sie konnten im gegebenen System. Sie nahmen dessen Nachteile in Kauf, um die Vorteile für sich nutzen zu können. Auch in den ersten beiden Jahren nach der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings behielten Glaskünstler diesen Handlungsfreiraum. Ab Ende des Jahres 1970 waren die restaurativen Maßnahmen der Regierung aber auch in der Glasdomäne spürbar. Die Industrie konzentrierte sich zunehmend auf die maschinelle Produktion. Die Gestaltung von Pressglas erhielt dabei besonderes Gewicht. Fortschreitend wurde der Anteil manueller Überarbeitung verringert und damit die Möglichkeiten, individuelle Gebrauchsglasobjekte in die handwerkliche Produktion einzubringen. Immerhin bewirkten kontrollierende Künstlerkommissionen in bestimmten Betrieben, dass wenigstens einige dieser Serienerzeugnisse nach progressiven Entwürfen hergestellt und erfolgreich exportiert werden konnten. Neben der Sorge um wirtschaftliche Einbußen spielte gerade in der Ära der Normalisierung die Aufwertung der angeschlagenen Reputation in der westlichen Welt eine elementare Rolle für die Duldung dynamischer Prozesse im Glasbereich. Freischaffende Glaskünstler und die Studenten Stanislav Libenskýs an der VŠUP verfolgten während dieser Jahre konsequent den in den sechziger Jahren eingeschlagenen Kurs. Offensichtlich gelang durch die vordergründige Betonung des nationaltypischen Charakters sowie dank der gesellschaftlichen Relevanz repräsentativer Architekturelemente oder künstlerisch gestalteter Gläser als Konsumgut ein Umgehen der staatlichen Zensur. Ein weiteres Indiz für die Sonderstellung der Glaskunst stellt die überproportional wachsende Zahl von Staatsaufträgen in diesem Jahrzehnt dar. Neben zahlreichen Entwürfen für öffentliche Bauten lieferten tschechische Glaskünstler kontinuierlich Exponate für institutionelle Ausstellungsaktivitäten. Diese verlagerten sich während der 1970er Jahre zunehmend ins Ausland. Dagegen konnten rein bildhauerisch aufgefasste Glaskunstwerke nur noch vereinzelt in kleineren Galerieschauen oder unter dem Vorwand öffentlicher Wettbewerbe im Inland präsentiert werden. Sie erhielten kein angemessenes Forum mehr. In den Kulturaustausch mit „sozialistischen“ Ländern fanden abstrakte Exponate ebenfalls nur noch vereinzelt Aufnahme. Eine kleine Gruppe regimetreuer Künstlern wurde bevorzugt einbezogen, so dass ein repräsentativer Überblick der tatsächlichen Vielseitigkeit dieser Schule nicht gezeigt werden konnte. Die Ausstellungsaktivitäten in der „kapitalistischen Welt“ hingegen nahmen in diesem und dem folgenden Jahrzehnt rasant zu. Der Glaskunsthandel etablierte sich als beständige Devisenquelle. Unabhängig von deren politischer Haltung vermarktete die staatliche Organisation Art Centrum die Arbeiten zahlreicher Glaskünstler bei musealen und kommerziellen Veranstaltungen, solange diese sich verkaufen ließen. Damit ließ das sozialistische Land marktwirtschaftliche Kriterien und Reklamemaßnahmen innerhalb
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seines selbstgenerierten Zensur- und Kontrollsystems zu. Dieses wurde seinerseits von den Künstlern, die einem legitimen Selbsterhaltungs- und Entfaltungstrieb folgten, indirekt gestützt. Die auch von regimekritischen Glaskünstlern genutzte Option, alle gängigen Genehmigungsverfahren zu umgehen und freischaffend tätig zu sein, indem sie ihre Werke in den Rahmen repräsentativer und kommerzieller Ausstellungen im Westen verlagerten, erwies sich nach 1989 als zweischneidiges Schwert. Einerseits hatten sie so ihren eingeschlagenen künstlerischen Weg verfolgen und zahlreiche Privilegien genießen können. Auf der anderen Seite hatte es dazu geführt, dass ihre Arbeiten in der eigenen Heimat wenig bekannt waren. Die Leistungen dieser Künstlergruppe drangen nicht in das allgemeine kulturelle Bewusstsein der tschechischen Bevölkerung und wurden daher wenig diskutiert und anerkannt. Die nach der Samtenen Revolution sozialisierte neue Generation von Glaskünstlern entfernte sich rasch von den typischen Charakteristika der alten Praxis. Sie beschäftigte sich nicht mehr ausschließlich mit diesem einen Werkstoff, sondern oftmals interdisziplinär mit Fotografie, Videokunst, Malerei oder Skulptur. Akteure der älteren Generation mussten sich nun im allgegenwärtigen kommerziellen Markt mit seinem globalisierten Wettbewerb und gegen den neuen Zeitgeist in der Tschechischen Republik behaupten, der zunächst alles ablehnte oder zumindest infrage stellte, was mit dem Kunstschaffen im überkommenen Regime in Verbindung stand. Die vielseitige Glasgestaltung der sozialistischen Tschechoslowakei ist aber nicht nur ein Genre im Museum der Kunstgeschichte. Sie verdient Beachtung als ein Phänomen der freien künstlerischen Betätigung innerhalb eines restriktiven Systems, das sich auf Augenhöhe mit globalen Tendenzen der Kunst befand.
Anhang
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AVU CID ČFVU ČSAV EXPO IGS IPD KSČ MŠAK NG NTM RVKV SČSVU SČVU SFVU SGŠ SIAL SOŠS SUPŠS SPŠS ÚBOK ÚLUV UMPRUM UPM ÚUŘ ÚVS VOŠS VŠUP ZSVU
Akademie výtvarných umění v Praze – Akademie der bildenden Künste, Prag Czechoslovak Industrial Design Český fond výtvarných umění – Tschechischer Fonds der bildenden Künste Československá akademie věd – Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften Weltausstellung International Glass Symposium Institut průmyslového designu – Institut für industrielle Formgestaltung Kommunistická strana Československa – Kommunistische Partei der Tschechoslowakei Ministerstvo školství a kultury – Ministerium für Schulwesen und Kultur Národní galerie – Nationalgalerie Národní technické muzeum v Praze – Technisches Nationalmuseum Prag Rada výtvarné kultury výroby – Rat für die Produktion bildender Künste Svaz československých výtvarných umělců – Verband der tschechoslowakischen Bildenden Künstler Svaz českých výtvarných umělců – Verband der tschechischen Künstler Slovenský fond výtvarného umenia – Slowakischer Fonds der bildenden Künste Státní grafická škola (von 1945–1949) – Staatliche Grafikschule Sdružení inženýrů a architektů Liberce – Genossenschaft der Ingenieure und Architekten Liberec Střední odborná škola sklářská – Glasfachschule Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská – Kunstgewerbefachschule für Glas Střední průmyslová škola sklářská – Industriefachschule für Glas Ústav bytové a oděvní kultury – Institut für Wohn– und Bekleidungskultur Ústředí lidové a umělecké výroby – Zentrum für Volkskunstproduktion Uměleckoprůmyslové škola v Praze – Kunstgewerbeschule Prag Uměleckoprůmyslové museum v Praze – Kunstgewerbemuseum Prag Ústředí uměleckých řemesel – Zentralstelle für Kunsthandwerk Ústředí výtvarné středisko pro průmysl sklářský a keramiký – Zentralstelle für die künstlerische Entwicklung des Glas– und Keramikgewerbes Vyšší odborná škola sklářská – Höhere Glasfachschule oder Glasfachoberschule Vysoká škola uměleckoprůmyslové v Praze – Kunstgewerbehochschule Prag Zväz slovenských výtvarných umelcov – Verband der slowakischen Bildenden Künstler
446 | Anhang
ORTSNAMENKONKORDANZ1 Alšovice Aš
Alschowitz Asch
Bechyně Bechin Bělá pod Bezdězem Weisswasser Bezdružice Weseritz Bratislava Pressburg Brno Brünn Chep Eger Chlum u Třeboně Chlumetz Chřibská Kreibitz České Budějovice Česká Kamenice Česká Lípa Český Krumlov
Böhmisch Budweis Böhmisch Kamnitz Böhmisch Leipa Böhmisch Krumau
Děčín Tetschen Dolní Polubný Unterpolaun Doudleby Teindles Dvůr Králové nad Labem Königinhof an der Elbe Falknov Falkenau Gottwaldov Zlín Harrachov Harrachsdorf Havlíčkův Brod Deutsch–Brod Hillúv Mlyn oder Mlýny Hillemühl Horšovský Týn Bischofteinitz Hradec Králové Königgrätz Jablonec nad Nisou Gablonz Jablonné v Podještědí Deutsch Gabel Jáchymov St. Johannisthal Janov Johannesberg Janštýn Janstein Jemniště Jemnischt Jesenný Jesen Jihlava Iglau Josefodol Josefstadt Kr. Nachod Kamenický Šenov Steinschönau Karlovy Vary Karlsbad 1 Die Anordnung ist streng alphabetisch. Aus Gründen der Handlichkeit wird der tschechische Buchstabe „ch“ nach deutscher Alphabetsequenz gelistet.
Tschechisch-deutsche Ortsnamenkonkordanz | 447
Kerhartice Gersdorf Klášterec nad Ohří Klösterle Klášterský Mlýn Klostermühle Kostelec nad Labem Elbkosteletz Kraslice Graslitz Krásno nad Bečvou Schönstadt Krucemburk Kreuzberg Kutná Hora Kuttenberg Května Blumenbach Kytlice Kittlitz Lázně Teplice Bad Teplitz Ledeč nad Sázavou Ledetsch Lemberk Lämberg Liběchov Liboch Liberec Reichenberg Libochovice Libochowitz Litoměřice Leitmeritz Litomýsl Leitomischl Loket Elbogen Mezihoří Meshorsch Mistrovice Meistersdorf Mladá Boleslav Jungbunzlau Mstišov Tischau Mšeno nad Nisou Grünwald an der Neiße Neydek Neudek Nové Město nad Metují Neustadt an der Mettau Nový Bor Haida Okrouhlá Schaiba Oldřichov Buschullersdorf Opava Troppau Ostrava Ostrau Otovice Ottendorf Pardubice Pardubitz Pehlřimov Pilgrams Pelechov Pelechow (Ortsteil von Železný Brod) Plzeň Pilsen Poděbrady (Bad) Podiebrad Polevsko Blottendorf Polubný Polaun Poruba (Stadtteil von Ostrava) Prácheň Parchen Praha Prag
448 | Anhang Rapotín Reitendorf Roztoky Rostok Rumburk Rumburg Rychnov nad Kněžnou Reichenau an der Knieschna Sázava Langenau Sloup v Čechach Bürgstein Sokolov Falkenau Svobodín Freiheitsberg Škrdlovice Skrdlowitz, auch Skerdlowitz, nördlich von Žďár nad Sázavou Telč Teltsch Teplice Teplitz Třebiče Trebitsch Třinec Trzynietz Turnov Turnau Ústí nad Labem
Aussig
Valašské Meziříčí Walachisch Meseritsch Vejprty Weipert Vimperk Winterberg Zásada v Líšné Sassadel Zvolen Altsohl Žďár nad Sázavou Železný Brod
Saar Eisenbrod
Quellen- und Literaturverzeichnis | 449
QUELLEN– UND LITERATURVERZEICHNIS
Selbsterhobene Interviews Interview mit Petr Adler, Prag, 07.10.2003 Interview mit Alena Adlerová, Prag, 07.10.2003 Interview mit Václav Cigler, Prag, 26.06.2003 und 01.07.2003 Interview mit Ivo Digrin, Prag, 06. und 07.10.2003 Interview mit Alena Digrinová, Prag, 06. und 07.10.2003 Interview mit Jiří Harcuba, Prag, 16.12.2002, 17.12.2002 und 28.06.2003 Interview mit Milan Hlaveš, Berlin, 10.03.2003 und Prag, 30.06.2003 Interview mit Václav Hubert, Kamenický Šenov, 11.10.2003 Interview mit Vladimír Jelínek, Prag, 16.12.2002 Interview mit Hubert S. Matějček, Prag, 17.12.2002 und 13.03.2004 Interview mit Čeněk Michut, Kamenický Šenov, 09.09.2005 Interview mit Jitka Pokorná, Prag, 30.06.2003 Interview Miluše Roubíčková, Prag, 02.02.2004 Interview mit René Roubíček, Prag, 02.02.2004 Interview mit Dana Vachtová, Prag, 26.06.2003 Interview mit Karel Wünsch, Prag, 26.06.2003 und Sloup v Čechach, 11.10.2003 Interview mit Jiřína Žertová, Prag, 29.06.2003
Protokollierte Gespräche Gespräch mit Eliška Stölting, Berlin, 10.04.2003 Gespräch mit Alfred Dittrich, Nový Bor, 10.10.2003 Gespräch mit Jan Fišar, Nový Bor, 10.10.2003 Gespräch mit František Janák, Kamenický Šenov, 09.10.2003 Gespräch mit Rudolf Hais, Nový Bor, 09.10.2003 Gespräch mit Marta Kerhartová–Peřínková, Prag, 26.06.2003 Gespräch mit Vladimír Klein, Kamenický Šenov, 10.10.2003 Gespräch mit Vladimír Kopecký, Kamenický Šenov, 09.09.2005 Gespräch mit Jiřína Žertová, Berlin, 16.01.2007
450 | Anhang
Abkürzungen AdT Aufl. Av Bd. FuZ GB GiH GR
Aussenhandel der Tschechoslowakei Auflage Ars vitraria Band Form und Zweck Glastechnische Berichte Gestalt im Heim Glasrevue. Hrsg. von Skloexport, von 1946 bis 1954, danach von der Tschechoslowakischen Handelskammer und ab 1962 von Rapid; eingestellt 1998; seit September 2001 als Onlinezeitschrift glassrevue.com, eingestellt im September 2009. Siehe auch Kapitel 5.2.5, Anm. 327, S. 299. Hg. Herausgeber Hrsg. herausgegeben k. A. kein Autor k. D. kein Datum k. Hg. kein Herausgeber k. O. kein Ort k. T. kein Titel NG Neues Glas/New Glass o. S. ohne Seite, unpaginiert PBfZS Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien PK Pressglas Korrespondenz. Digitale Fachzeitschrift, als pdf auf CD oder im Internet unter www.pressglass–korrespondenz.de u. a. und andere (Ausrichtungsorte)
Sekundärliteratur und Ausstellungskataloge Adlerová 1963 Adlerová, Alena: Współczesne szkło v Czechosłowacji [Modernes Glas aus der Tschechoslowakei]. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Muzem Śtąskie [Schlesisches Museum]. Wroclaw 1963. Adlerová 1964 Adlerová, Alena: Tschechoslowakisches Glas. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Museum des Kunsthandwerks Leipzig, Grassi Museum. Leipzig, k. D. [1964]. Adlerová 1969 Adlerová, Alena: Sklo severočeských výtvarniků [Nordböhmische Glaskünstler]. Ausstellungskatalog, Betlémske náměstí. Hrsg. vom Svaz českých výtvarných umělců [Verband der tschechischen Bildenden Künstler]. Prag, 1969 Adlerová 1972a Adlerová, Alena: České lisované sklo [Tschechisches Pressglas]. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Oblastní galerie výtvarného umení v Gottwaldove [Gebietsgalerie Bildende Kunst in Gottwaldov]. Gottwaldov 1972. Adlerová 1972b Adlerová, Alena: Angewandte Kunst aus der ČSSR, Künstlerisches Schaffen, das unsere Lebensumwelt formt und bereichert. Ausstellungskatalog, Kunsthalle Weimar u. a. Hrsg. vom Ministerium für Kultur der DDR. Weimar 1972.
Quellen- und Literaturverzeichnis | 451
Adlerová 1973a Adlerová, Alena: Böhmisches Glas der Gegenwart. Ausstellungskatalog, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg u. a. Hrsg. vom Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg. Hamburg 1973. Adlerová 1973b Adlerová, Alena: Pressglas aus der ČSSR. Ausstellungskatalog, Museum des Kunsthandwerks Leipzig, Grassimuseum, und Schlossmuseum Gotha. Hrsg. von der Ausstellungsgruppe des Ministeriums für Kultur der DDR. Velten 1973. Adlerová/Drahotová 1973 Adlerová, Alena/Drahotová, Olga: Böhmisk glas genom tiderna [Böhmisches Glas aller Zeiten]. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Nationalmuseum Stockholm. Stockholm 1973. Adlerová et al. 1981 Adlerová, Alena et al.: Czechoslovakian Glass 1350–1980. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom The Corning Museum of Glass. Corning 1981. Adlerová 1983 Adlerová, Alena: České užité umění 1918–1938 [Tschechische Angewandte Kunst 1918–1938]. Prag 1983. Adlerová/Robinson/Šetlík/Roubíček 1999 Adlerová, Alena/Robinson, Michael/Šetlík, Jiří/ Roubíček, René: Miluše Roubíčková, René Roubíček: Sklo/Glass. Hrsg. von The Studio Glass Gallery. London 1999. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR 1974 k. A.: Wege zur Hochschulreife in einigen sozialistischen Ländern: UdSSR, VR Bulgarien, VR Polen, ČSSR, SR Rumänien, Ungarische VR. Hrsg. v. der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Institut für Pädagogische Theorie. Abteilung Vergleichende Pädagogik. Berlin [Ost] 1974. Alte 2003 Alte, Rüdiger: Die Außenpolitik der Tschechoslowakei und die Entwicklung der internationalen Beziehungen 1946–1947. München 2003 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Forschungsstelle für die böhmischen Länder. Bd. 96). Arburg 2008 Arburg, Adrian von: Die Tschechoslowakei von 1945 bis 1953 – Politische, demografische und wirtschaftliche Transformation. Studienarbeit. München 2008. Arnošt/Drahotová/Langhamer 1985 Arnošt, František/Drahotová, Olga/Langhamer, Antonín: Bohemian Glass, The History of Bohemian Glass and the Present at the Crystalex Branch Corporation Nový Bor. k. O. 1985. Bárta 2008 Bárta, Milan: Zur Zensur in der Tschechoslowakei 1945–1989. In: Žáček, Pavel/ Faulenbach, Bernd/Mählert, Ulrich (Hg.): Die Tschechoslowakei 1945/48 bis 1989. Studien zu kommunistischer Herrschaft und Repression. Leipzig 2008, S. 67–82. Barten 1990 Barten, Sigrid: Skulpturen aus Glas. Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová, Prag. Eine Retrospektive 1945–1990. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Museum Bellerive. Zürich 1990. Bartlová 2012 Bartlová. Milena: Art History in the Czech and Slovak Republics: Institutional Frameworks, Topics and Loyalties. In: Matthew Rampley et al. (Hg.): Art History and Visual Studies in Europe, Transnational Discourses and National Frameworks. Leiden, Boston 2012 (Brill’s Studies in Intellectual History. Bd. 212; Brill’s Studies on Art. Art History and Intellectual History. Bd. 4), S. 305–314. Bartošová 2010 Bartošová, Zuzana: Die inoffizielle Kunstszene der 1970er und 1980er Jahre in der Swakei und ihre Rezeption in Deutschland. In: Marek, Michaela u. a. (Hg.): Kultur als Vehikel und als Opponent politischer Absichten. Kulturkontakte zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre. Essen 2010 (Veröffentlichungen der Deutsch–Tschechischen und Deutsch–Slowakischen Historikerkommission. Bd. 17; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Bd. 37), S. 545–569.
452 | Anhang Bauer 1996 Bauer, Ingolf: Glas zum Gebrauch. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Bayrischen Nationalmuseum. München 1996. Baumgärtner 1981 Baumgärtner, Sabine: Porträtgläser, Das gläserne Bildnis aus drei Jahrhunderten. Hrsg. von Heinrich Heine. München 1981. Beard 1976 Beard, Geoffrey: International Modern Glass. London 1976. Belting 1994 Belting, Hans: Das Ende der Kunstgeschichte, Eine Revision nach zehn Jahren. München 1994 (Veröffentlichung der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe). Benson 2002 Benson, Timothy O.: Transformation und Austausch: Die Internationalisierung der Avantgarde(n) in Mitteleuropa. In: Benson, Timothy O./Król, Monika (Hg.): Avantgarden in Mitteleuropa 1910–1930, Transformation und Austausch, Ausstellungskatalog, Haus der Kunst München und Martin–Gropius–Bau Berlin. Leipzig 2002, S. 21–54. Billeter 1972 Billeter, Erika: Zur Ausstellung. In: Glas heute. Kunst oder Handwerk? Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Museum Bellerive. Zürich 1972. Bock 1992 Bock, Ivo: Tschechoslowakei. In: Bock, Ivo et al. (Hg.): Kultur im Umbruch. Polen – Tschechoslowakei – Rußland. Bremen 1992 (Veröffentlichungen zur Kultur und Gesellschaft im östlichen Europa. Bd. 1), S. 94–154. Bock 2008 Bock, Ivo: Politiken der Zensur in der UdSSR und der ČSSR (1960er bis 1980er Jahre): Quellenlage und Forschungsstand. In: Das andere Osteuropa von den 1960er bis zu den 1980er Jahren. Hrsg. von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Bremen 2008 (Berichte zur Forschungs– und Quellenlage. Nr. 95), S. 85–91. Bonenberger 2006 Bonenberger, Marc: Wirtschaftssanktionen zwischen Ost und West, 1947 – 1958 – Das CoCom–Embargo. Studienarbeit. Historisches Seminar der Universität Basel. München, Ravensburg 2006. Bosl 1970 Bosl, Karl (Hg.): Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder. Bd. 4: Der tschechoslowakische Staat im Zeitalter der modernen Massendemokratie und Diktatur. Hrsg. vom Collegium Carolinum. Stuttgart 1970. Boyer/Skyba 1999 Boyer, Christoph/Peter, Skyba (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen, Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR. Hrsg. vom Hannah– Arendt–Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden. Dresden 1999 (Berichte und Studien. Nr. 20). Boyer 2004 Boyer, Christoph: Sozialistische Sozialpolitik und Gesellschaftsreform in den sechziger Jahren: DDR und ČSSR im Vergleich. In: Haupt, Heinz–Gerhard/Requate, Jörg (Hg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er–Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich. Weilerswist 2004, S. 249–266. Boyer 2006 Boyer, Christoph (Hg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen, Tschechoslowakei und DDR im Vergleich. Das Europa der Diktatur. Hrsg. von Dieter Simon. Frankfurt a. M. 2006 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. Bd. 11; Veröffentlichung des Max–Planck–Instituts für Europäische Rechtsgeschichte. Bd. 210), S. IX–XLI. Boyer 2008 Boyer, Christoph: „Sorge um den Menschen. Tschechoslowakische Sozial– und Konsumpolitik im Übergang von der Reform zur Normalisierung. In: Hübner, Peter/Hübner, Christa: Sozialismus als soziale Frage: Sozialpolitik in der DDR und Polen, 1968–1976. Köln, Weimar, Wien 2008 (Zeithistorische Studien. Bd. 45), S. 471–513. Brandes 1969 Brandes, Detlef: Die Tschechen unter deutschem Protektorat: Besatzungspolitik, Kollaboration und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren bis Heydrichs Tod (1939– 1942). Teil 1. Hrsg. vom Vorstand des Collegium Carolinum. München, Wien 1969.
Quellen- und Literaturverzeichnis | 453
Brandes 1988 Brandes, Detlef: Grossbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939–1943. Die Regierungen Polens, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens im Londoner Exil vom Kriegsausbruch bis zur Konferenz von Teheran. München 1988 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Bd. 59). Brandes 2001 Brandes, Detlef: Der Weg zur Vertreibung. Pläne und Entscheidungen zum „Transfer“ der Deutschen aus der Tschechoslowakei und aus Polen. München 2001 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Bd. 98). Braunová/Werner 1998 Braunová, Helena/Werner, Pavel: Jeden strom, dvě větne – Ein Stamm, zwei Äste. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Sklářské muzeum v Kamenický Šenov [Glasmuseum Kamenický Šenov] und dem Glasmuseum Rheinbach. Děčín 1998. Bröhan 1992 Bröhan, Torsten (Hg.): Glaskunst der Moderne. Von Josef Hoffmann bis Wilhelm Wagenfeld. München 1992. Brus 1986 Brus, Wlodzimierz: Geschichte der Wirtschaftspolitik in Osteuropa. Köln 1986. Brychta/Volf 1977 Brychta, Jaroslav/Volf, Miloš B.: Živé sklo [Lebendiges Glas]. Prag 1977. Buechner/Saldern 1959 Buechner, Thomas S./Saldern, Axel von: Glass 1959. A special exhibition of international contemporary glass. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom The Corning Museum of Glass. Corning 1959. Buechner 1979 Buechner, Thomas S., et al.: New Glass. A Worldwide Survey. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom The Corning Museum of Glass. New York 1979. Buechner 1994 Buechner, Thomas S.: Libenský/Brychtová: A Remniscience. In: Frantz, Susanne K. (Hg.): Stanislav Libenský / Jaroslava Brychtová. A 40–Year Collaboration in Glass, Ausstellungskatalog. Hrsg. vom The Corning Museum of Glass. München, New York, 1994, S. 9–12. Bühl 1974 Bühl, Harald: Kultur im sozialistischen Betrieb, Zur Planung, Leitung und Gestaltung des geistig–kulturellen Lebens im Betrieb. 3. überarbeitete Aufl. Berlin [Ost] 1974. Braunerová 2006 Braunerová, Helena: Where are we coming from? Who are we? Where are we going to? New Exposition of the Glass Museum Kamenický Šenov. In: Braunová, Helena et al. (Hg): 4. Mezinárodní Sympozium Rytého Skla Kamenický Šenov 2005 [4. Internationales Symposium der Glasgravur]. Hrsg. vom Sdružení symposia rytého skla Kamenický Šenov [Verein des Glasgravursymposiums Kamenický Šenov]. Kamenický Šenov 2006, S. 121–122. Burian 1971 Burian, Peter: Der „Transfer“ und seine Konsequenzen. In: Karl Bosl (Hg.): Das Jahr 1945 in der Tschechoslowakei. München, Wien 1971 (Vorträge der wissenschaftlichen Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 26. bis 29. November 1970). Bydžovská 2002 Bydžovská, Lenka: Prag. In: Benson, Timothy O./Król, Monika (Hg.): Avantgarden in Mitteleuropa 1910–1930. Transformation und Austausch. Ausstellungskatalog. Hrsg. v. Haus der Kunst München und dem Martin–Gropius–Bau Berlin. Leipzig 2002, S. 59–64. Cappa 1991 Cappa, Guiseppe: L‘Europe de l‘art verrier des precurseurs de l‘art nouveau a l‘art actuel 1850–1990 [Das Europa der Glaskunst von den Vorläufern des Art Nouveau bis zur Kunst der Gegenwart 1850–1990]. Liège 1991. Centre for co–operation 1994 k. A.: Industry in the Czech and Slovak Republics. Hrsg. vom Centre for co–operation in the economies in transition, OECD Economic Surveys, Paris 1994. Chalupecký 1966 Chalupecký, Jindřich: Tschechoslowakische Kunst der Gegenwart. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Akademie der Künste. Berlin [West] 1966.
454 | Anhang Chalupecký 1994 Chalupecký, Jindřich: Nové umění v Čechách [Neue Kunst aus Tschechien]. Hrsg. vom Ministerstva kultury České republiky a Českého literárního fondu [Ministerium für Kultur der Tschechischen Republik und dem Tschechischen Literaturfonds]. Prag 1994. Chvatík 1988 Chvatík, Květoslav: Metamorphosen der Beziehung zwischen Ideologie und Literatur. Der XX. Parteitag der KPdSU und seine Folgen für die tschechische Literatur. In: Beyran, Dietrich/Block, Ivo: Das Tauwetter und die Folgen. Kultur und Politik in Osteuropa nach 1956. Bremen 1988 (Schriftenreihe Forschungen zu Osteuropa), S. 123–142. Connelly 1999 Connelly, John: The Captive University, The Sovietization of East German, Czech, and Polish Higher Education, 1945–1956. Chapel Hill, London 1999. Crowley 2008 Crowley, David: In the Image of Revolution. In: Crowley, David/Pavitt, Jane (Hg.): Cold War Modern. Design 1945–1970. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Victoria and Albert Museum. London 2008, S. 204–227. Crowley/Pavitt 2008 Crowley, David/Pavitt, Jane: The Hi–Tech Cold War. In: Crowley, David/ Pavitt, Jane (Hg.): Cold War Modern. Design 1945–1970. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom Victoria and Albert Museum. London 2008, S. 163–191. ČFVU 1977 k. A.: Sklo v Galerích Díla [Glas in den Galerien Dílo]. Hrsg. vom Český fond výtvarných umění [Tschechischer Fonds der bildenden Künste]. Prag 1977. Damus 1991 Damus, Martin: Malerei der DDR, Funktionen der bildenden Kunst im Realen Sozialismus. Reinbek bei Hamburg 1991. Danielis 1973 Danielis, Jan (Hg.): I. Mezinárodní výstava skla a porcelánu „Jablonec 73“ [I. Internationale Ausstellung Glas und Porzellan]. k. O. 1973, o. S. Dau/Svatosch 1985 Dau, Rudolf/Svatosch, Franz: Neueste Geschichte der Tschechoslowakei. Berlin [Ost] 1985. Deboni 2007 Deboni, Franco: Venini Glass. Catalogue 1921–2007. Bd. 2. Turin u. a. 2007. Dewetter/Šimek 1986 Dewetter, Jaroslav/Šimek, Milan: Cultural policy in Czechoslovakia. Hrsg. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization [UNESCO]. 2. Ausgabe, Paris 1986. Dietrich 2013 Dietrich, Sophia: Studioglas in der DDR. Der Glaskünstler Volkhard Precht. Weimar 2013. Digrin 2003 Digrin, Ivo: Drzí kluci a drzé holky aneb prehistorie Art Centra [Freche Jungen und freche Mädchen oder die Vorgeschichte des Art Centrum]. In: Matějček, Hubert S.: Manažerské vzpominky – S uměním do celého světa [Erinnerungen eines Managers – Mit der Kunst um die ganze Welt]. Prag 2003, S. 7–9. Dostál/Pechar/Procházka 1967 Dostál, Oldřich/Pechar, Josef/Procházka, Vítězslav: Moderní architektura v Československu [Moderne Architektur in der Tschechoslowakei]. Hrsg. vom Nakladatelství československých výtvarných umělců [Verlag der tschechoslowakischen bildenden Künstler]. Prag 1967. Drahotová 1970 Drahotová, Olga: Böhmisches Glas, Prag 1970. Dušánek/Franz/Zatloukal 1995 Dušánek, Jiří/ Franz, Josef/Zatloukal, Pavel: Střední průmyslová škola sklářská Nový Bor 1870–1995 [Industriefachschule für Glas Nový Bor 1870–1995]. Hrsg. von der Střední průmyslová škola sklářská Nový Bor [Industriefachschule für Glas Nový Bor]. Česka Lípa 1995 Eisch 2001 Eisch, Katharina: Archäologie eines Niemandlands. Deutsch–böhmische Identität und die Gedächtnistopographie des böhmischen Grenzraums. In: Klaus Roth (Hg.): Nachbarschaft.
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468 | Anhang Saldern/Buechner 1959 Saldern, Axel von/Buechner Thomas S.: Glass 1959. A special Exhibition on International Contemporary Glass. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom The Corning Museum of Glass. Corning 1959. Santar 1961 Santar, Jindřich: Světová výstava v Bruselu EXPO 58 [Die Weltausstellung in Brüssel EXPO 1958]. Ausstellungskatalog. Prag 1961. Schack von Wittenau 1971 Schack von Wittenau, Clementine: Glas zwischen Kunsthandwerk und Industrie–Design. Studien über Herstellungsverfahren und Formtypen des deutschen Jugendstilglases. Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades. Universität zu Köln. Köln 1971. Schack von Wittenau 1976 Schack von Wittenau, Clementine: Die Glaskunst. Ein Handbuch über Herstellung, Sammeln, und Gebrauch des Hohlglases. München 1976. Schack von WIttenau 2005 Schack von Wittenau, Clementine: Neues Glas und Studioglas. Ausgewählte Objekte aus dem Museum für Modernes Glas. Hrsg. von Klaus Weschenfelder. Kunstsammlungen der Veste Coburg. Regensburg 2005. Scheiffele 1994 Scheiffele, Walter: Wilhelm Wagenfeld und die moderne Glasindustrie. Eine Geschichte der deutschen Glasgestaltung von Bruno Mauder, Richard Süßmuth, Heinrich Fuchs und Wilhelm Wagenfeld bis Heinrich Löffelhardt. Stuttgart 1994. Schieder et al. 1957 Schieder, Theodor et al: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost– und Mitteleuropa, Bd.IV/1: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Berlin 1957. Schmid 1978 Schmid, Fred: Demokratisierung und Liberalisierung – Zur ökonomischen Entwicklung in der Tschechoslowakei. In: Fojtik, Jan/Hartmann, Bernd/Schmid, Fred (Hg.): Die ČSSR 1968. Lehren der Krise. Frankfurt a. M. 1978, S. 80–106. Schödl 1995 Schödl, Günter: Deutsche Geschichte im Osten Europas: Land an der Donau. Berlin 1995. Schütrumpf 1995 Schütrumpf, Jörn: Auftragspolitik in der DDR. In: Flacke, Monika (Hg.): Auftragskunst der DDR 1949–1990. München, Berlin 1995, S. 13–29. Schulze Wessel 2010 Schulze Wessel, Martin: Zukunftsentwürfe und Planungspraktiken in der Sowjetunion und der sozialistischen Tschechoslowakei: Zur Einleitung. In: Schulze Wessel, Martin/Brenner, Christiane (Hg.): Zukunftsvorstellungen und staatliche Planung im Sozialismus. Die Tschechoslowakei im ostmitteleuropäischen Kontext 1945–1989. München 2010 (Vorträge der Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 22. bis 25. November 2007. Bd. 30), S. 1–18. Sedláková 1989 Sedláková, Radomíra: Sklo v architekuře [Glas in der Architektur]. In: Petrová, Sylva (Hg.): Stanislav Libenský – Jaroslava Brychtová, tvorba z let 1945–1989 [Werke der Jahre 1945–1989]. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Narodní Galerie v Praze [Nationalgalerie Prag]. Prag 1989. Sedláková 1994 Sedláková, Radomíra: Sorela. Česká architektura padesátých let [Sozialistischer Realismus. Tschechische Architektur der fünfziger Jahre]. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Narodní Galerie v Praze. Prag 1994. Seibt 1998 Seibt, Ferdinand: Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europas. 2. Aufl. München 1998. Seibt 2002 Seibt, Ferdinand: Deutsche, Tschechen, und Sudetendeutsche. Analysen und Stellungnahmen zu Geschichte und Gegenwart aus fünf Jahrzehnten. Festschrift zu seinem 75. Geburts-
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470 | Anhang myslová a Vyšší odborná škola v Jablonci nad Nisou [Kunstgewerbefachschule und Höhere Glasfachschule Jablonec nad Nisou]. Jablonec nad Nisou 2001. Šeda/Musílek 1983 Šeda, Václav/Musílek, Ladislav: Hauptfragen der Parteipolitik gegenüber den Kunst– und Kulturschaffenden und die Entwicklung einer sozialistischen Kunst. In: Kulturpolitik sozialistischer Länder. Hrsg. vom Institut für Marxistisch–Leninistische Kultur– und Kunstwissenschaften der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED. Berlin [Ost] 1983, S. 180–206. Šetlík 1994 Šetlík, Jiří, Stanislav Libenský, Jaroslava Brychtová and Art in Twentieth–century Czechoslovakia. In: Frantz, Susanne K. (Hg.): Stanislav Libenský / Jaroslava Brychtová. A 40– Year Collaboration in Glass. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom The Corning Museum of Glass. München, New York 1994, S. 15–31. Šetlík 1995 Šetlík, Jiří: Prostor světlo sklo. Space Light Glass. Hrsg. von der Vysoká škola uměleckoprůmyslové v Praze [Kunstgewerbehochschule Prag]. Prag 1995. Šetlík/Hlaváček 1996 Šetlík, Jiří/Hlaváček, Josef: Form – Light – Glass, Contemporary Glass from the Czech Republic. Ausstellungskatalog. Hrsg. vom American Craft Museum. New York 1996. Šik 1988 Šik, Ota: Prager Frühlingserwachen. Erinnerungen. Herford 1988. Šindelář 1970 Šindelář, Dušan: Současné umělecké sklo česko/slovensku [Zeitgenössische Glaskunst tschechisch/slowakisch]. Prag [um 1970]. Šindelář 1974 Šindelář, Dušan: Estetika sklářské tvorby [Ästhetik der Glaskunst]. Hrsg. vom Státní pedagogické nakladatelství [Staatliche pädagogische Verlagsanstalt]. Prag 1974. Šindelář 1984 Šindelář, Dušan: Třicetpět let práce ÚBOK [Fünfunddreißig Jahre Arbeit von ÚBOK]. In: Pavel Hlava, Vladimír Jelínek, Adolf Matura. Tři Čeští skláři umělci. Ústav bytové a oděvní kultury Praha [Drei tschechische Glaskünstler. Institut für Wohn- und Bekleidungskultur]. Hrsg. von Skloexport. Turnov 1984, S. 3–9. Šlapeta 1997 Šlapeta, Vladimír: Baustelle: Tschechische Republik. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Akademie der Künste Berlin. Berlin 1997. Švachula 2001 Švachula, Jiří: Vladimír Kopecký, Intenzita prožitu/Intensity of experience. Ausstellungskatalog. Hrsg. von Galerie Aspekt. Brno 2001. Teichova 1988 Teichova, Alice: Wirtschaftsgeschichte der Tschechoslowakei 1918–1980. Wien 1988. Triennale di Milano 1957 k. A.: Vetro di Boemia. XIa Triennale di Milano. Sezione Cecoslovacchia [Glas aus Böhmen. XI. Triennale Mailand. Sektion Tschechoslowakei]. Ausstellungskatalog. Triennale di Milano. k. O. [1957] Tůma 1999 Tůma, Oldřich: „Normalizace“ und Repression in der Tschechoslowakei 1968–1989. In: Boyer, Christoph/Skyba, Peter (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR. Hrsg. v. Hannah–Arendt–Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden. Dresden 1999 (Berichte und Studien Nr. 20). Turowski 2006 Turowski, Andrzej: „… gleichzeitig am und unter dem Tisch…“ Die Avantgarde und Zentraleuropa. Biographien und Methoden vom Rande her gesehen. In: Bernhard, Katja/ Piotrowski, Piotr (Hg.): Grenzen überwindend. Festschrift für Adam S. Labuda zum 60. Geburtstag. Berlin 2006, S. 35–41. Ubr/Houda 1984 Ubr, Ladislav/Houda, Jaroslav: Nad dokumentem „Poslání a směry dalšího rozvoje socialistické architektury a urbanismu v ČSR” [Über das Dokument „Mission und Richtun-
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472 | Anhang Wichmann 1985 Wichmann, Hans: Industrial Design und Serienerzeugnisse. Die Neue Sammlung – Ein neuer Museumstyp des 20. Jahrhunderts. Kunst die sich nützlich macht. Hrsg. Neue Sammlung, Staatliches Museum für Angewandte Kunst München. München 1985. Wiedemann 2007 Wiedemann, Andreas: „Komm mit uns das Grenzland aufbauen!“ Ansiedlung und neue Strukturen in den ehemaligen Sudetengebieten 1945–1952. Essen 2007 (Veröffentlichungen der Deutsch–Tschechischen und Deutsch–Slowakischen Historikerkommission. Bd. 15; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Bd. 29). Wiedemann 2010 Wiedemann, Andreas: Kulturpolitik als Mittel gesellschaftlicher Integration in den Grenzgebieten der böhmischen Länder 1945–1953. In: Marek, Michaela u. a. (Hg.): Kultur als Vehikel und als Opponent politischer Absichten. Kulturkontakte zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre, Essen 2010 (Veröffentlichungen der Deutsch–Tschechischen und Deutsch–Slowakischen Historikerkommission. Bd. 17; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Bd. 37), S. 49–63. Zarecor 2011 Zarecor, Kimberly Elman: Manufacturing a socialist modernity. Housing in Czechoslovakia 1945–1960. Pittsburgh 2011. Zemánek 1993 Zemánek, Jiří: Václav Cigler. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Národní galerie v Praze [Nationalgalerie Prag]. Prag 1993. Zemánek 1998 Zemánek, Jiří (Hrsg): Zdeněk Pešánek 1896–1965. Ausstellungskatalog. Hrsg. von der Národní galerie v Praze [Nationalgalerie Prag]. Prag 1998. Ziebart 1999 Ziebart, Helmut: Bilanz einer deutsch–tschechischen Alternative. Anliegen und Ergebnisse der Beziehungen DDR–Tschechoslowakei. Eine Studie. Stuttgart 1999. Zimmermann 2010 Zimmermann, Volker: Zwischen Kooperation und Konfrontation. Kulturpolitische Beziehungen zwischen der SBZ/DDR und der Tschechoslowakei in den 1950er und 1960er Jahren. In: Marek, Michaela u. a. (Hg.): Kultur als Vehikel und als Opponent politischer Absichten. Kulturkontakte zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre. Essen 2010 (Veröffentlichungen der Deutsch–Tschechischen und Deutsch–Slowakischen Historikerkommission. Bd. 17; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Bd. 37), S. 67–94.
Unveröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten Galia 2010 Galia, Ondřej: Čeští Fotografové Skla [Tschechische Glasfotografen]. Bachelorarbeit. Kabinet teoretických studií. Fakulta Multimediálních komunikací. Univerzita Tomáše Bati ve Zlíně [Institut für theoretische Studien. Fakultät für Mulitmediale Kommunikation. Tomáš– Baťa–Universität Zlín]. Zlín 2010. Holbová 2009 Holbova, Štěpánka: Osobnost pedagoga Josefa Kaplického na Vysoké škole uměleckoprůmyslové a jeho odkaz [Die Persönlichkeit des Pädagogen Josef Kaplický an der Kunstgewerbehochschule und sein Erbe]. Bachelorarbeit. Ústav dějin křesťanského umění, Dějiny křesťanského umění. Katolická teologická fakulta. Univerzita Karlova v Praze [Geschichte der christlichen Kunst. Institut für christliche Kunst. Fakultät für Katholische Theologie. Karlsuniversität Prag]. Prag 2009. Kurfiřtová 2010 Kurfiřtová, Eva: Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská v Železném Brodě 1920–2010 [Kunstgewerbefachschule für Glas Železný Brod 1920–2010]. Bachelor Arbeit. Historické vědý. Fakulta Filosofická. Univerzita Pardubice [Geschichtswissenschaften. Philosophische Fakultät. Universität Pardubice]. Pardubice 2010
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480 | Anhang GR 6/1973 k. A.: 10 Jahre Tätigkeit des Lehrstuhl für Glaserzeugung und Keramik an der Maschinenbau– und Textilhochschule in Liberec. In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 6/1973. Jg. 28, S. 2–4. GR 2/1976 k. A.: Was Alles bedeutet Nový Bor? In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 2/1976. Jg. 31, S. 12–13. GR 10/1978 k. A.: Wenn zwei Lebensjubiläen in ein Jahr fallen. In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 10/1978. Jg. 33, S. 15. GR 6/1979 k. A.: Professor Jozef Soukup zum Jublieum [sic]. In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 6/1979. Jg. 34, S. 27–28. GR 5/1984 k. A.: Siebzigster Geburtstag von Prof. Jaroslav Staněk. In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 5/1984. Jg. 39, S. 19. GR 9/1986 k. A.: 40 Jahre Glasrevue. In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 9/1986. Jg. 41, S. 16–17. GR 8/1988 k. A.: enquête [Untersuchung], Transexim S.A., Ceyreste, Frankreich. In: Glasrevue. Tschechoslowakische Zeitschrift für Glas und Keramik 8/1988. Jg. 43, S. 30–35. GR 8–9/1991 k. A.: Železnobrodské sklo – Künstlerisches und technisches Zentrum in Pelechov. In: Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 8–9/1991. Jg. 46, S. 12–13. GR 4/1992 k. A.: Bohemia Rappresentanze – Mailand. In: Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 4/1992. Jg. 47, S. 31. GR 11/1992 k. A.: Späte Anerkennung. In: Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik, 11/1992. Jg. 47, S. 28. GR 11/1993 k. A.: 45 Jahre der Glassexport AG. In: Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 11/1993. Jg. 48, S. 4–6. GR 7/1994 k. A.: Künstler und Unternehmer. In: Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 7/1994. Jg. 49, S. 7–13. GR 8/1994a k. A.: Glashütte – Schleiferei Annín. Antonín Rückl und Söhne GmbH, Glashütte Nižbor. In: Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 8/1994. Jg. 49, S. 9–16. GR 8/1994b k. A.: Transexim. In: Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 8/1994. Jg. 49, S. 21–22. GR 11/1994 k. A.: Henry Marchant, Ltd. In: Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 11/1994. Jg. 49, S. 26. GR 12/1994 k. A.: Kavalier–Glassexport. In: Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 12/1994. Jg. 49, S. 25–26. GR 3/1995 k. A.: Jubiläum von Jaroslav Lys/Jubiläum Jiří Valenta. In: Neue Glasrevue. Zeitschrift für Glas, Porzellan und Keramik 3/1995. Jg. 50, S. 29. Graves. In: GR 1/1956 Graves, M: The exhibition of Bohemian glass in London. In: Czechoslovak Glass Review 1/1956. Jg. 11, o. S. Grisa: In: Av 5/1974 Grisa, Miroslav: Návrh skláře Josefa Čepelíka z Tatobit na reformu poměrů v jabloneckém průmyslu z r. 1937 [Der Antrag des Glasmachers Čepelík aus Tatobity betreffend eine Reform der Verhältnisse in der Jablonec Industrie von 1937]. In: Ars vitraria. Sborník studií muzea skla a bižutérie v Jablonci nad Nisou. Hrsg. vom Muzeum skla a bižuterie Jablonec nad Nisou [Glas- und Bijouteriemuseum Jablonec nad Nisou]. Bd. 5. Jablonec nad Nisou 1974, S. 98–117, 98. G.H. In: Av 2/1968 G.H. (Kürzel): Stálá muzejní expozice v Jablonci nad Nisou [Ständiges Museum in Jablonec nad Nisou]. In: Ars vitraria. Sborník studií muzea skla a bižutérie v Jablonci
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Homepages Institutionen nach Orten Homepage der KZ–Gedenkstätte Flossenbürg, URL: (Stand 09.08.2013)
498 | Anhang Homepage der Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská in Kamenický Šenov, URL: und URL: (Stand 12.08.2013) Homepage der Vyšší odborná škola sklářská a Střední škola in Nový Bor, URL: und URL: (Stand 27.08.2013) Homepage des Východočeské Muzeums in Pardubice, URL: (Stand 24.10.2013). Homepage der Vysoká škola umělecko průmyslová v Praze, URL: und URL: und URL: (Stand 04.08.2013). Homepage der Nadace českého výtvarného umění, URL: (Stand 18.04.2013). Homepage des Prager Symphonieorchesters, URL: (Stand 11.04.2013). Homepage der Berufsfachschule Rheinbach, URL: (Stand 14.08.2013). Homepage der Stiftung Cesty skla, URL: (Stand 05.12.2013). Homepage des Institute for International Research in Glass der University of Sunderland, URL: (Stand 21.10.2013). Homepage der Střední uměleckoprůmyslová škola sklářská in Železný Brod, URL: (Stand 09.07.2013).
Firmen nach Namen, alphabetisch Homepage der Firma Bohemia Cristal, URL: (Stand 21.11.2013). Homepage der Firma František Halama, URL: (Stand 13.06.2013). Homepage des Architekturbüros Picek Architects s.r.o. unter „Awarded projects“ und „Interiors“,URL: (Stand 29.11.2013). Homepage der Firma Rückl Crystal, URL: (Stand 02.07.2013). Homepage der Firma Stölzle Glasgruppe, URL: (Stand 02.07.2013).
Online Interviews Interview Hana Hille mit Zdeňka Laštovičková am 08.11.2011 in der Zeitschrift Naše Jablonecko, URL: (Stand 02.09.2013). Interview Petr Volf mit René Roubíček, URL: (Stand 09.08.2013).
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500 | Anhang
STANDORTE DER GLASARBEITEN TSCHECHISCHER KÜNSTLER IM ÖFFENTLICHEN RAUM AUS DEN JAHREN 1950–19892
ÄGYPTEN Kairo Botschaft der Tschechischen Republik: Jelínek: Kassettendecke BRASILIEN Brasilia Botschaft der Tschechischen Republik: Roubíček: Kronleuchter BULGARIEN Sofia Botschaft der Tschechischen Republik: Roubíček: Beleuchtungskörper und Kronleuchter DEUTSCHLAND Berlin Botschaft der Tschechischen Republik: Libenský (zugeschrieben, wohl Hlava): Dutzende Deckenleuchten aus formgeblasenen Glaszylindern in zwei Empfangsräumen Libenský/Brychtová: vierteilige Skulptur aus formgeschmolzenem Glas „Vögel“, auf Metallsäule montiert Roubíček/Roubíčková: zwei Kronleuchter in Besprechungsräumen Volf: Stehlampen Tschechoslowakisches Kulturzentrum (Pavillon Friedrichstr. und Leipziger Str.): Libenský/Brychtová: monumentales farbiges Glasrelief und Glaswand „Keimung“ (Blume) im Erdgeschoss Treppenhaus Hejlek: Glasobjekt aus geformtem versilbertem Glas im Büro des Direktors Braunatal (bei Kassel) Harcuba: Fenster für eine Bank
2 Die folgende Aufstellung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und nicht alle gelisteten Arbeiten befinden sich noch am Ort. Nicht für jeden Standort konnte die aktuelle Bezeichnung ermittelt werden. In diesem Fall wird der in den Quellen genannte Standortname zitiert.
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Coburg Kongresszentrum Rosengarten: Roubíček: Glaswand in der Eingangshalle und Beleuchtungskörper Libenský/Brychtová: Skulptur Göttingen Deutsches Theater: Roubíček: Deckenleuchten Foyer und Eingang Köln Galerie Baukunst: Roubíček: Eingangshalle Glasskulptur Riedelsberg: Rathaus: Roubíček: Glasobjekt im Außenbereich, Fenster und Beleuchtung Saarbrücken Kultur– und Gewerbezentrum: Roubíček: Beleuchtungskörper Altersheim: Roubíček: Lichtskulptur Schwebda (Werra–Meißner–Kreis) Schloss Wolfsbrunnen: Klein: Kronleuchter Würzburg Gnadenkirche: Roubíček: Kristallglasfenster FRANKREICH Paris Internationaler Eisenbahnverband (Union Internationale de Chemin de Fer – UIC) Verwaltungsgebäude: Libenský/Brychtová: Treppenhaus, zwölf Relieffenster Saarländisches Kulturzentrum: Roubíček: Kronleuchter, Treppenhaus Botschaft der Tschechischen Republik: Roubíček: Beleuchtungskörper GROSSBRITANNIEN London Botschaft der Tschechischen Republik: Roubíček: Kronleuchter
502 | Anhang INDIEN Neu Delhi Botschaft der Tschechischen Republik: Libenský/Brychtová: skulpturale Deckenbeleuchtung, sieben Kristallglasskulpturen, farbige Plastik „Herz/Rote Blume“ IRAN Isfahan Galerie der Kadscharenkunst: Eliáš/Toušková: Triptychon, Ehrenmal für die Iranische Kaiserin Teheran Marmor Palast, Zeremoniensaal: Eliáš/Toušková: Skulptur „Spiegel der Zeit“ (Ahura Mazda) Negarestan Kulturzentrum (heute Quran Museum): Eliáš/Toušková: Mosaik Eliáš/Toušková: Glassaal Libenský/Brychtová: Vier Kristallglasskulpturen „Doppel Helix“ („Baum des Lebens“), „Kouros“, „Weltall“ und „Funke“ Öffentliche Plätze (Azadi Turm): Fišar: Denkmal Shahyad III, Glasmosaiken “Kaspisches und Persisches Meer” Museum 6th Bahman: Jan Fišar/Eva Rožatová: Marmorintarsien für die Eingangshalle JAPAN Tokyo Botschaft der Tschechischen Republik: Hlava: Konferenzraum, Beleuchtung Libenský/Brychtová: Beleuchtungskörper Kiohi Konzerthalle: Libenský/Brychtová: Glasrelief von der Decke hängend Kameoka Galerie: Libenský/Brychtová: einfaches Glasrelief mit geschliffener Linse Toyama Rathaus: Kopecký: Großer Saal, Glaswand NIEDERLANDE Dordrecht Tomadohuis: Roubíček: Installation „Glas: Masse–Form–Ausdruck“, unvollständiges Exponat, Brüssel EXPO 1958
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Rotterdam Versicherung Nationale Nederlanden: Cigler/Frydrych: Teile der Innenausstattung und dreistrahlige Raumskulptur im Foyer Niuewegein bei Zwolle Zwollsche Allgemeene: Kopecký: vier Glaswände RUSSISCHE FÖDERATION St. Petersburg Tschechisches Konsulat: Libenský/Brychtová: Kristallglasskulptur „Blume“, blaues Relief „Taube“ SCHWEDEN Stockholm Botschaft der Tschechischen Republik: Cigler: geschliffenes Glasobjekt im Foyer Libenský/Brychtová: skulpturale Beleuchtungskörper „Stalaktiten und Stalagniten“, Glaswand mit Rippenstruktur, Stele aus Kristallglas Roubíček: Beleuchtung SCHWEIZ Bremgarten Stadttheater: Štibych: Trennwand in der Eingangshalle Genf Verwaltungsgebäude der Vereinten Nationen: Libenský/Brychtová: Glasrelief mit farbigen Tiermotiven aus dem Raumgitter der Expo 1958 in Brüssel und Glaspanel „Universum“ Tschechische Mission bei den Vereinten Nationen: Libenský/Brychtová: drei Kristallglasreliefs und Glaswand „Weltall“ Pottenschwil Kirche: Štibych: Fenster SLOWAKISCHE REPUBLIK Banská Bystrica Museum des Slowakischen Nationalaufstands (Múzeum Slovenského nárdodného povstaneha): Cigler: Beleuchtungsobjekt Kulturhaus (Dům kultury): Cigler: Beleuchtungsskulptur
504 | Anhang Bratislava Parlamentsgebäude: Cigler: Beleuchtungsobjekt Nationaltheater (Slovenské národné divadlo): Cigler: computergesteuerte Beleuchtung und polierte Metallarbeiten im Auditorium Dom St. Martin (Katedrála svätého Martina): Cigler: Monument des Slowakischen Nationalaufstands, Glassäule mit Beleuchtung Burg (Hrad): Cigler: Innenverglasung Academia Istropolitana: Cigler: Beleuchtungsobjekt Flughafen: Libenský/Brychtová: formgeschmolzene Glaswand mit optischen Linsen Krankenhaus Kramáre (Pavillon für Infektionskrankheiten): Matějková: Bleiglas–Farbfenster Gebäude des Slowakischen Frauenverbandes (Slovenský sväz žien): Gandlová: Bleiglasfenster Košice Krankenhaus: Hejlek: Wandplastik Justizgebäude: Hložník/Zelina: 32 je vierteilige Bleiglasfenster im ersten Stock Levoča Kino: Rožátová: Transparentes Mosaik Martin Slowakisches Kulturinstitut (Matica slovenská): Cigler: Glasobjekt im Foyer Námestovo Haus der Trauer: Záborský: Bleiglasfenster Štrebské Pleso Interhotel Patria: Šimice: Glastrennwand „Sonne“ im Restaurant TSCHECHISCHE REPUBLIK Bílovec St.-Barbara-Kirche Eliáš: Fenster Trauungssaal: Toušková: Vitraille aus zusammengesetztem Glas Břeclav Kulturhaus (Dům kultury): Rozsypal: dekorative Wand, erste Etage; Wand in der Halle Hauptzollamt: Vízner: Wandplastik im Treppenhaus
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Brno Maria-Himmelfahrt-Kirche: Rozsypal: Fenster in Bleiverglasung Eliáš/Toušková: Fenster Janaček-Theater: Libenský/Brychtová: Treppenhaus, farbige Fenster Flughafen: Libenský/Brychtová: strukturierte Kristallglaswand Hotels: Hotel InterContinental: Libenský/Brychtová: Kristallglasgitter „Krokodil“ für das Treppenhaus und Betonwand mit farbigem Glas Rozsypal: Glasdecke aus formgeblasenem Glas und Metall Klinger: Raumtrenner aus Metallgerüst mit ofengeformten Wasservögeln aus Glas Hotel Prag Continental: Libenský/Brychtová: Brunnen „Blume“ mit farbigem Glas und Metall Grand Hotel: Rozsypal: beleuchtete Glasobjekte in Bleiverglasung Hotel Voroněž (heute Orea Hotel Voroněž): Vízner: Glasskulptur Restaurant Muzeum: Svoboda: Leuchterskulptur Fakultätskrankenhaus, Psychiatrische Klinik in Bohunice: Vašica: bemaltes Glasfenster in der Eingangshalle České Budějovice Theater: Gabhrel: Leuchten im Foyer Cheb Bahnhof: Štibych: Fenster für die Halle Chlum u Třeboně Kulturhaus (Dům kultury): Gabhrel: sandgestrahlte Fenster und ein Glasrelief Lehrlingszentrum für Glasmacher: Gabhrel: Plastik aus geblasenem Kristallglas Chomutov Sitzungssaal Kreisausschuss der KSČ: Helekal/Štibych: geschliffene und sandgestrahlte Glaswand mit regionalen Motiven Dobrš Kirche Mariä Verkündigung: Eliáš/Toušková: Fenster aus zusammengesetztem Glas Havličkův Brod Apotheke: Exnar: Bemaltes Fenster in gotischem Gewölbe
506 | Anhang Horšovský Týn Gotische Kapelle im Schloss: Libenský/Brychtová: mehrere Fenster Jablonec n.N. Öffentliche Plätze: Plíva: große liegende Granit– und Glasskulptur „Ovoid“ Hanuš: Skulptur aus Stahl und sechs Glaselementen gegenüber der Kunstgewerbeschule (Horní náměstí) Kino: Wünsch: Vitraille mit geätzer Linearstruktur Standesamt: Libenský/Brychtová: Farbglasrelief Stadthalle: Rozsypal: sandgestrahltes Staatsemblem Zentrum für Telekommunikation: Fišar/Rožatová: Glasmosaik Jablonex Verwaltungsgebäude: Libenský/Brychtová: zwei in die Betonarchitektur integrierte farbige Glaswände „Feuer und Glas I“ und „Feuer und Glas II“ Jánské Lázne Bad Kolonnaden: Fišar: Glasplastik Jihlava Kaufhaus Globus: Vízner: zwei Glaswände aus verschiedenen Glasziegeln Jičín Hotel Sport: Drobník: Glaswand mit geätztem Motiv, Raumfenster im Café, Glasmosaik in der Halle Unternehmen Závody průmyslové automatizace (heute Microrisc): Vaňura/Karel: Bleiglasfenster Karlovy Vary Kolonnaden: Fišar: Glaskrone über der Wasserquelle Libenský/Brychtová: Jurij–Gagarin–Kolonnade, Trinksäulen und Relief I und II aus Kristallglas Hotel Thermal: Libenský/Brychtová: Brunnen und Beleuchtungskörper Roubíček: Brunnen und Kronleuchter Karviná Kulturhaus (Dům kultury): Králík: Bleiglaswand über dem Hauptportal
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Kolín Barthomoläuskirche: Jiřička: Bleiglas–Farbfenster „Der Heilige Cyrillus und Methodius“ Letovice Kirche des hl. Prokop: Svolinský: Bleiglas–Farbfenster „Das Leben der Jungfrau Maria“ Liberec Naives Theater (Naivní divadlo): Wünsch: Objekt aus geformtem versilbertem Glas im Foyer Hotels: Berghotel Ještěd: Libenský/Brychtová: Gestaltung des tragenden Betonpfeilers „Pfad der Meteoriten“ Wünsch: Zwischenwand aus gebogenem Spiegelglas im Restaurant Hotel Zlatý lev (heute Clarion Hotel): Libenský/Brychtová: Glaswand „Vogel mit Kirschen“ Procházka Litoměřice Gebäude des Städtischen Nationalausschusses: Procházka: Kronleuchter aus geformten Glasrohren im Foyer Loukov, Dolní Město St.-Margaret-Kirche: Exnar: bemalte Fenster Marianské Lázně Hotel Zur Sonne: Eliáš/Toušková: Skulptur in der Eingangshalle Most Standesamt: Roubíček: Fenster Stadthalle: Roubíček: Glaswände Stadttheater: Roubíček: Beleuchtungskörper Kunstvolksschule: Wünsch: Bleiglasfenster Sporthalle: Procházka: Leuchtobjekt aus geformten Glasrohren Hotel Murom: Houra: Mosaikglaswand „Lied von der Heimat“ Neratovice Ruderclub: Rozsypal: bemalte und sandgestrahlte Flachglasskulptur Nové Město na Moravě Klubraum des Kulturhauses (Dům kultury): Vízner: Glasrelief aus drei verschiedenen Formen und Grüntönen
508 | Anhang Nový Bor Grundschule: Rozsypal: sandgestrahltes Fenster „Jan Amos Komensky“ Grandhotel Pražák: Wünsch: Vitrage Kino: Wünsch: Buntglasfenster mit Kiefernästen als Motiv Theater: Rozsypal/Handl: Beleuchtung aus formgeblasenem Glas und Metall Borské sklo Glaswerke: Svoboda: Empfangsraum, geschliffene Deckenbeleuchtungsplastik Crystalex Glaswerke: Rozsypal: Eingang, Skulptur „Eingang“ aus bemaltem und laminiertem Flachglas, formgeblasenem Glas, Sand und Metall Wünsch: Glasrelief aus handgeformtem blauem Glas im Speisesaal Obrnice Trausaal: Klein: Beleuchtung Grundschule: Štibych: Eingang in den Gedenksaal mit geschliffenem Tafelglas Opava Kulturhaus (Dům kultury): Vízner: Beleuchtungskörper und drei Arkadenfüllungen aus farblosen Glaselementen mit Linsen Ostrava (heute Poruba) Kulturhaus (Dům kultury, Poklad): Libenský/Brychtová: zwei integrierte Glaswände mit Betonfassung „Schöpfer“ und „Ernte“ Libenský: Fenster „Kollektivarbeiterin Agrarbetrieb“ Trauungssaal: Roubíček: Fenster, Bleiverglasung Verkehrsbetrieb: Marian: Atrium, Pyramidenskulptur aus Flachglas und Metall Bezirksverwaltung Ostrava–Karvina: Hlava: Konferenzsaal, Glaswand Jiří Myron Theater: Svoboda: Beleuchtungskörper im Foyer Pardubice Standesamt: Hlína: Bleiglasfenster „Familie“ Städtische Sparkasse (Městská spořitelna): Vízner: Kristall–Lüster und sandgestrahltes Fenster Weinstube Letka: Štibych: Fenster
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Pehlřimov Theater: Vízner: Glasrelief Roubíčková: Kronleuchter, Halle Plzeň Kirche im Franziskanerkloster (Františkánský klášter): Procházka: Kronleuchter Kulturhaus (Dům kultury): Hlava: Glasskulptur „Dary Země“ (Geschenke der Erde), auch „Atomzeitalter“ genannt Libenský/Brychtová: Kubus aus optischem Glas Hotels: Hotel InterContinental: Roubíček: gläserne Wandplastik Oliva: Wandplastik mit Metallkonstruktion Dostál: Schmuckgitter Hotel Ural (heute Hotel Central) Koudelka: Bleiglasfenster im Musiksalon Bezirksparteischule: Koudelka: Bleiglasfenster “Flammen der Revolution” Poděbrady Stadthalle: Rozsypal: sandgestrahltes Staatsemblem Prag Platz vor dem Hauptbahnhof: Libenský/Brychtová: Glastürme Hradschin (Hradčany): Libenský/Brychtová: zehnteilige Kristallglasskulptur mit Metallfassung „Blumenthron“ Veitsdom (Katedrála svatého Víta, Václava a Vojtěcha): Libenský/Brychtová: Wenzelskapelle, zweiteilige Vitrage „Tavenna“ Kloster St. Georg, Kapelle (Bazilika a klášter sv. Jiří): Libenský/Brychtová: farbiges Glasrelief Martinic Palast (Martinický palác): Jelínek: Renaissancekapelle, zwei farbige, geätzte Fenster Hyberner-Haus (Dům U Hybernů): Rozsypal: Glaswand in Hüttentechnik mit Bemalung Eliáš/Toušková: Objekt „Sieg des Volkes“ oder auch „Siegreicher Februar“ Parlament/Föderative Versammlung (Federální shromáždění): Hlava: Konferenzraum, Glasskulptur „Spojeni“ (Verbindung) Libenský/Brychtová: Foyer, Kristallglaswand und Stele mit Metallhalterung Lišková: Beleuchtungskörper Vízner: Beleuchtung aus Pressglaselementen im Kongresssaal
510 | Anhang Kulturpalast (Palác kultury, heute Kongresszentrum, Kongresové centrum): Libenský/Brychtová: Kristallglasskulptur „Frau mit Taube“ Vízner: Pressglaslüster Kostka: Glastrennwand im Repräsentationssalon Procházka: Glasdecke der Nachtbar „Crystal“ Russische Botschaft: Roubíček: Kronleuchter in der Eingangshalle Karlsuniversität (Univerzita Karlova): Jelínek/Barta: Journalistische Fakultät, gravierte Glaswand Libenský/Brychtová: Fakultät für Mathematik und Physik, zweiteilige Skulptur „Kapitell“ Libenský/Brychtová: Urologische Klinik Relief „Familie“ Technische Hochschule (ČVUT, Dejvice): Studentenwohnheim: Libenský/Brychtová: Schmelzglasplastik „Buch“ Mensa: Bílková: Fenster Rektorat: Svoboda: Raumwand Metrostationen: Dejvická: Veselý/Kochrda/Werner: Vitrage in der Eingangshalle Invalidovna: Heřmanská: Vitrage „Sport“, Eingangshalle Jinonice: Vízner: Vertäfelung aus Pressglaselementen Kačerov: Hejlek: Glasaussenwand Eingangsbereich Karlovo Náměstí: Vízner: Pressglaslasvertäfelung Křížíkova: Cigler: zwei monumentale Lichtobjekte Můstek: Kostka: Schmelzglasrelief, Eingangshalle „Symbol der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder“ Náměstí Míru: Cigler: Glasskulptur und Beleuchtungsobjekt Námeští Republiky: Cigler/Frydrych: Eingangsbereich und Wandverkleidung Station, Säulengruppe laminiertes beschichtetes Glas Mládežnická (heute Pankrác): Burant/Hejlek: Trennwand zwischen Eingangshalle und Station Národní třída: Libenský/Brychtová: Eingangshalle, Fensterrelief „Kontakte“ Trnka/Benda: beleuchtete Fontänenskulptur aus Glas mit Stahlrahmen Strašnická: Vaňura: Raumglasvitrage
Standorte der Glasarbeiten tschechischer Künstler | 511
Altstädter Rathaus (Staroměstské náměstí): Libenský/Brychtová: monumentale Kristallglaswand im Trauungssaal, sowie am Anbau der Eingangshalle ein Glasfenster mit fliegender Taube Vízner: Beleuchtung Harcuba: Fenster Cigler: Glaspaneel Theater: Nationaltheater (Národní divadlo), historisches Gebäude: Šimotová: geätzte Fenster für die Garderobenräume im 1. und 2. Stock Lišková: „Beleuchtungsgürtel“ für die Zentralgarderobe, Leuchtskulptur im Treppenhaus Neue Bühne des Nationaltheaters (Nová scéna): Hlava/Štursa/Grus: Beleuchtung der Wendeltreppe zwischen erster Etage und Neuer Bühne, Lichtdecke im Restaurant Libenský/Brychtová: Gestaltung der Glasummantelung an der Fassade Vízner: Deckenbeleuchtung im Salon des Cafés Harcuba: Präsidentensalon, Trinkglasgarnitur mit Staatswappen Hejlek/Kostka: Vier Lichtkuppeln aus bedruckten Glassegmenten Ständetheater (Stavovské divadlo/Tyl–Theater): Hlava: Beleuchtung Krankenhäuser: Poli-Klinik: Jelínek: geätzte und gravierte Glaswände Řihánek: Glasemailmosaik Cubrová: Glasemailmosaik Universitätskrankenhaus Motol: Jelínek/Bárta: Glasfontäne Sladký: Glasemailmosaik „Ikarus“ Urologische Universitätsklinik: Libenský/Brychtová: Kristallrelief „Familie“ Sportstätten: Sportovní hala: Fišar/Rožatová: Glasfester Eishockey Weltmeisterschaft ´78 Strahov-Stadion: Jelínek/Barta/Lapka: Glaswand Evžen Rošický Stadion: Adamcová: Mosaikglaswand Jelínek/Bárta: Trennwand aus sandgestrahltem Glas Balnea Bäder und Heilquellen: Kopecký: Trennwand im Büro des Direktors Banken: Živnobanka: Hlava: Glaswand
512 | Anhang SBČS (Vysočany): Jelínek/Bárta: Glaswand Hejlek: Glasobjekt aus Biegemattglas, 230cm x 220cm Komerční banka: Jelínek/Bárta: Lichtplastik Cigler: Skulptur Hlava: Fenster Hotels: Hotel Atrium (heute Hilton): Hlava: zwei Glasskulpturen am Eingang der Kongresshalle Libenský/Brychtová: Kristallglas–Säule Interhotel Diplomat: Vízner: Glasplastik „Orgel“ Hotel InterContinental Hlava/Grus: Cocktail Room, Decken– und Tischleuchten Libenský/Brychtová: zwei Kristallglasreliefs als Lichtschlitze Roubíček: diverse Kronleuchter, Deckenbeleuchtung und Skulptur aus Glasröhren Jíra: bemaltes Fenster Hotel International (heute Crowne Plaza) Brychtová/Dostrašil: Kristallglasrelief „Prag“ für die Bruncvík Halle Hotel Forum (heute Corinthia): Hlava: Nachtclub, Deckenskulptur mit Lichtquellen und dekorative Glassäule Libenský/Brychtová: Brunnenskulptur Rozsypal: Fenster mit Malereien „Bier“ Hotel Jalta: Libenský/Brychtová: acht Leuchtsteine „Kristallzeichen“ Hotel Sia: Karel: zwei gegenüberstehende Glasskulpturen vor Fenstern Hotel Olympik: Kopecký: Trennwand aus geätztem Glas Hotel Penta: Holeček: Fassadenvitrage Hotel Praha: Fišar/Rožatová: Wintergarten, Glasmosaik an der Decke Libenský/Brychtová: doppelseitiges Kristallglas–Relief Hlava: diverse Glasskulpturen als Beleuchtung, Kronleuchter Hejlek: geformtes Glasfenster mit eingeschmolzenem Draht Hotel U tří pštrosů: Adam: Bleiglasfenster im Restaurant, bemalt, geätzt und geschliffen und Deckenleuchte im Foyer Hotel Vitkov: Exnar: bemalte Glaswand Warenhäuser: Družba (heute Debenhams): Hlava: Beleuchtungsskulptur Libenský/Brychtová: Glasplastik „Vogel und Blüte“
Standorte der Glasarbeiten tschechischer Künstler | 513
Máj (heute Tesco): Wünsch: gläserne Zwischenwand „Sonnenaufgang“ im Restaurant Schmuckgeschäft am Wenzelsplatz: Libenský/Brychtová: Deckengestaltung „Juwelen“ Štefánik Sternwarte: Kopecký: Fenster Koospol-Gebäude in Prag 6: Hlava: Eingangshalle, Glasskulptur „Zelle“ Harcuba: Modell für eine Skulptur im Atrium, Kugel aus gläsernen sphärischen Dreiecken mit Schliff- und Gravurdekor Čedok-Gebäude Štibych: zwei Fenster mit Pragmotiven Strojimport-Gebäude: Libenský/Brychtová: Farbige Skulptur „Strom“ Haus der Kinder (Dům Děti, Palast des Burggrafen auf dem Hradschin): Libenský/Brychtová: zwei Skulpturen „Astronaut“ und „Blume“ Vízner: Skulptur Gebäude der Internationalen und innerstaatlichen Telefon- und Telegrafenzentrale: Bauch/Bobek: Bleiglasfenster „Weltall“ Haus der Wohnkultur (Dům bytové kultury): Libenský/Brychtová: dreiteilige Kristallglasstele Verwaltungsgebäude mit Ladenzeile (Na Pankraci 26–28): Cigler: Glasskulptur im Atrium Motokow–Gebäude: Libenský/Brychtová: Glaswand „Vogel und Blume“ KOVO-Gebäude (Außenhandelsunternehmen): Libenský/Brychtová: Glaswand „Mädchen und Taube“ Procházka: Glasskulptur, Durchdringung von Glasrohren vom Interieur ins Exterieur; Kronleuchter in der Eingangshalle Hlava: Glasskulptur „Zelle“ für das Vestibül LIGNA-Gebäude (Außenhandelsunternehmen): Procházka: Deckenleuchte aus geformten Glasrohren im Foyer Tschechoslowakischer Verband der Produktionsgenossenschaften: Libenský/Brychtová: Restaurant, Glasskulptur mit Metallhalterung „Blume und Vogel“ Zentralkomitee des Verbandes sozialistischer Jugend (ÚVSSM): Vízner: Beleuchtung für Arbeitsraum und Sekretariat Ministerium für elektronische Forschung: Rozsypal: sandgestrahlte Glaswand Česká televize-Gebäude: Jelínek: geätzte Glaswand im Sitzungssaal Internationale Telegraphen und Telefonzentrale: Jelínek/Barta: Säule aus Flachglasteilen Příbram Weinstube Šachta: Wünsch: Wandrelief, Stahlkonstruktion mit blauen Glassegmenten
514 | Anhang Sázava Glasmuseum: Harcuba: geätztes Fenster mit Glasmachermotiv und Deckenleuchter im Voyer Kavalier-Glaswerke: Kopecký: Glasröhren als Wanddekoration, innen und außen Škrdlovice Hotel Škrdlovice, Salon der Gaststätte: Vízner: Wandplastik aus topasfarbigen abgerundeten Würfelelementen Teplice Kurpark: Rozsypal/Gabriel: Skulptur „Brunnen“, Stahl und Floatglass Trutnov Gebäude der Staatsbank SBČS: Rýdlo: Glasmosaikwand „Blüte“ Třebič Festsaal: Harcuba/Blahut: Glasrelief aus zwölf starkwandigen, blauen Überfangglastafeln mit stilisiertem, vertieft sandgestrahltem Motiv „Flammender Dornbusch“ Třešť Pfarrkirche St. Martin: Exnar: Fenster Třinec Bahnhof: Štibych: Monumentalfenster, Eingangshalle Ústí nad Labem Kirche Mariä Verkündigung (Kostel Zvěstování Panně Marii): Rozsypal/Gabriel: Altar Česká národní banka: Rozsypal/Gabriel: Empfangstisch „Eisberg“ Interhotel Bohemia: Kopecký: Glaswände im Café Wünsch: Empfangstisch Kindergarten: Houra: Glasemailmosaikskulptur „Märchenbaum“ Smetana Konzert- und Ausstellungssaal: Procházka: Beleuchtungskörper
Standorte der Glasarbeiten tschechischer Künstler | 515
Vimperk St. Barthomoläus Friedhofskapelle: Eliáš/Toušková: geschichtete Fenster und Dornenkrone aus Metall am westlichen Eingang Kolumbarium: Eliáš/Toušková: Holzplastik „Flamme“ und Bleiverglasung Öffentliche Plätze: Eliáš/Toušková: Befreiungsdenkmal der ČSSR, Glasrelief Dobrš (bei Vimperk): Eliáš/Toušková: gothische Kirche, fünf geschichtete Fenster mit Sandstrahlrelief Ždár na Sázavou Regionalní muzeum: Svoboda: Beleuchtungskörper im Foyer Kulturhaus in Jámy (Dům kultury): Vízner: Glasreliefs in zwei Grüntönen Zweigstelle der Staatsbank SBČS: Svoboda: Glasrelief Zeleneč Kirche: Hložník: Bleiglasfenster Zlín Haus der Kunst (Dům umění): Gajdoš: Bleiglasfenster Znojmo: Gebäude der Staatlichen Versicherungsanstalt: Vízner: Fenster und Säulenmantel in der Eingangshalle TUNESIEN Tunis Öffentlicher Platz: Fišar: Denkmal für die Helden der Nationalbewegung U.S.A. New York Verwaltung der Fluggesellschaft ČSA: Libenský/Brychtová: Kristallglas-Objekt „Wirbel“ Washington D.C. Botschaft der Tschechischen Republik: Roubíček: Kronleuchter und Beleuchtungskörper
516 | Anhang
PERSONENREGISTER3 Aalto, Alva 16 Adam, Čestmír 113 Adam, Jan 398, 512 Adamcová, Jiřina 511 Adámek, František 373 Adamička, Josef 192 Adensamová, Blanka 226, 227, 255, 298 Adler, Petr 245 246, 346, 347, 350, 352, 407 Adlerová, Alena 10, 122, 154, 215, 231, 245, 264, 302, 303, 338, 344, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 353, 354, 361–362, 387, 396, 397, 399, 405, 406, 407, 409, 410, 425, 428 Ajšmanová, Petra 10 Altmanová, Irena 225 Amin, Amin Mohammed 216, 408 Aragon, Louis 204, 205 Archipenko, Alexander 41 Arp, Jean 16 Aznavour, Charles 131 Babický, Miloslav 82, 156, 176, 178, 252, 253, 278, 14 Baker, Carroll 13 Barta, Rudolf 510, 511, 512 Barten, Sigrid 314 Bartlová, Milena 240 Bartová–Korousová, Milena 225, 226, 270, 344 Baťa, Tomáš 328 Bauch, Jan 196, 201, 202, 208, 297, 315, 513 Baudouin I. 373 Beckert, Adolf 44, 46 Behrens, Peter 42 Benda, Jaroslav 43, 48, 195, 510
Beneš, Edvard 59, 63, 77, 265, 269, 7 Benš, Adolf 196, 208, 370, 379 Beránek, Bohuslav 55, 56 Beránek, Emanuel 55, 56, 69, 229, 267, 295, 296, 359 Beránek Jan 229 Beránek, Jindřich 55, 56 Beránek, Josef 55, 56 Beránek, Rudolf 12 Beránek, Vlastimil 296 Bielík, František 369 Bílek, Ilja 153, 210 Bílková, Miroslava 510 Bischoff Junior, August 79, 269, 335 Bischoff, Kurt 97, 335 Blecha, Lubomír 146, 164, 169, 202, 267, 322, 111 Bobek, Jaroslav 513 Bock, Ivo 264 Böhm, Jiří 428 Böhnisch, Josef 175 Bouček, Vladimír 294 Boyadjiev, Latchezar 216, 407 Boyer, Christoph 94 Brabec, František 97, 106, 335 Brabec, Jiří 209 Brâncuşi, Constantin 41, 417 Brand, Åsa 17 Braque, Georges 16, 41, 202, 413 Brauner, František 40 Braunerová, Helena 358 Braunerová, Zdeňka 39, 40, 224, 1 Breton, André 204 Brežnev, Leonid 406, 106 Brok, Jindřich 234, 262, 338, 6, 10, 12, 42, 45, 70, 83, 89, 104 Brok, Vladimír 10
3 Die Anordnung ist streng alphabetisch. Aus Gründen der Handlichkeit wird der tschechische Buchstabe „ch“ nach deutscher Alphabetsequenz gelistet. Angaben zur Biografie finden sich auf den fett gedruckten Seiten, die Nummern der Abbildungen sind kursiv jeweils am Ende der Seitenzahlen dargestellt.
Personenregister | 517
Brožová, Jarmila 231, 303 Brunner, Vratislav Hugo 40, 43, 46, 48, 104, 194, 196 Brychta, Jaroslav 14, 45, 46, 181, 184, 185, 187, 188, 189, 190, 197, 221, 265, 276, 279, 280, 308, 366, 369, 379, 4, 79 Brychtová, Jaroslava 14, 18, 24, 43, 57, 101, 140, 189, 197, 210, 226, 229, 272, 277, 281, 307, 309, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 321, 324, 325, 339, 344, 360, 369, 372, 379, 380, 384, 385, 387, 388, 389, 391, 391, 392, 393, 394, 395, 396, 397, 398, 401, 407, 430, 431, 432, 434, 436, 437, 500, 501, 502, 503, 504, 505, 506, 507, 508, 509, 510, 511, 512, 513, 515, 22, 23, 33, 43/44, 54, 55, 56, 58, 61, 63, 65, 72, 80, 85, 86, 98, 99, 107, 113 Brzokoupilová–Skřípková, Zdenka 225 Bubeník, Květoslav 187 Buechner, Thomas S. 377, 399, 420 Burant, František 199, 204, 205, 212, 298, 316, 510 Bureš, Otto 187 Burian, Ivo 192 Burianová, Markéta 227 Bušta, Rudolf 71, 91, 92, 382 Buzzi, Tomaso 16 Cagli, Corrado 16 Calder, Alexander 16, 251 Cejnar, Čestmír 79, 335, 70 Chagall, Marc 16 Chalupecký, Jindřich 238, 239, 282, 364, 382 Cheek, Leslie 375 Chervenak, Mary B. 10 Chiesa, Pietro 16 Chihuly, Dale 417, 419, 420 Chilla, Leo 44 Chirico, Georgio de 417 Chládek, Alexander 193 Chmelař, František 197 Chocholatý, František 372, 376 Chomeini, Ruhollah 436
Chruščëv, Nikita Sergeevič 13, 304, 374, 379, 380, 404, 406, 414 Cigánová, Kateřina 225 Cigler, Václav 9, 14, 16, 18, 30, 89, 107, 110, 144, 145, 164, 177, 199, 202, 205, 206, 221, 246, 250, 252, 256, 259, 263, 268, 276, 277, 297, 310, 316, 320, 322, 323, 324, 339, 342, 343, 346, 363, 376, 385, 388, 389, 392, 411, 412, 414, 415, 416, 432, 433, 437, 503, 504, 510, 511, 512, 513, 35, 59, 84, 94, 110 Cilka, Petr 399, 425, 428 Cinibulková, Karin 128 Clarke, Geoffrey 222 Clementis, Vladimír 204 Colarossi, Filippo 40 Cotý, René 270 Cubr, František 313, 368, 430 Cubrová, Magdaléna 511 Cyrén, Gunnar 16 Čabla, Bohumil 107, 145, 166, 167, 177, 218, 221, 255, 397, 92 Čapek, Karel 335 Čapková, Ivana 293 Čepelík, Josef 39 Čermák, Miroslav 179 Černík, Oldřich 352, 387 Černíková, Božena 352 Černý, Jan 186, 187, 190, 274, 369, 46, 79 Černý, Karel 344, 72 Čísař, Čestmír 422 Čtyroký, Václav 265–266 Dagermark, Pia 131 Danielis, Jan 288, 378, 382 Daňková, Květoslava 229 Deboni, Franco 10, 40 Decho, Ilse 216 Dědek, Vítězslav 167, 170 Diamant, Karel 37 Diaz de Santillana, Ludovico 16 Dietrich, Sophia 17 Digrin, Ivo 10, 33, 34, 70, 71, 73, 79, 80, 89, 96, 97, 117, 125, 205, 215, 223,
518 | Anhang 299, 300, 336, 348, 353, 354, 367, 372, 373, 386, 387, 390, 408, 418, 422, 423–424, 426, 427, 428, 430, 431, 435 Digrinová (Hrubcová), Alena 10, 215, 230, 300, 349, 352, 354, 373, 390, 396, 397, 409, 417, 418, 419, 425, 428, 431, 433, 434, 435 Ditě, Emanuel 196 Dittrich, Alfred 10, 433 Dittrich, Oswald 175, 176 Dományová, Dagmar 10 Dorfles, Gillo 30 Dorn, Alfred 54, 159, 160, 175 Dostálová, Hana 224 Dostrašil, Vilém 313, 512 Drahoňovský, Josef 41, 42, 43, 45, 46, 48, 56, 76, 82, 156, 157, 160, 182, 194, 195, 224 Drahotová, Olga 231, 303 Drobník, Antonín 190, 197, 274, 276, 376, 398, 506, 41, 47 Dubček, Alexander 93, 94, 387, 392, 406, 407 Durych, Josef 187 Dvořáček, Jan 44, 158 Dvořák, Antonín 335 Dvořák, František Pavel 14 Dvořák, Karel 338
Eschler, Rudolf 41 Exnar, Jan 210, 296, 505, 507, 512, 514
Eckert, Otto 198, 225, 288, 364, 382 Edenfalk, Bengt 265 Egermann, Friedrich 62, 106 Eggar, Samantha 131 Eiff, Wilhelm von 46 Eisch, Erwin 17, 265 Eliáš, Bohumil 14, 111, 140, 145, 205, 218, 254, 276, 315, 337, 388, 389, 430, 433, 434, 435, 437, 502, 504, 505, 507, 509, 515, 24, 28, 29, 95, 112 Erdös, Stephan 240 Erml, Jiří (George) 234, 338, 56, 61, 63 Erml, Marie 10 Erml, Vojta 56, 61, 63 Ernst, Max 16
Gabhrel, Jan 190, 505 Gabriel, M. 514 Gaigher, Zdeněk 130 Gajda, Radola 300 Gajdoš, Rudolf 515 Galuška, Miroslav 386–387, 392, 394 Gandlová, Kveta 504 Gaspari, Luciano 16 Gate, Simon 340 Gebert, Jan 60 Gelnar, Michal 359 Gil, Ivo 10, 58 Glössner, Friedrich 54, 160, 161 Glončaková, Božena 229 Glückhaufová, Marie 109, 229
Fabel, Karel 303 Faraií, Rabea 216, 408 Favrat, Félicien 200 Fehr, Helmut 26 Felcman, Bohumil 382 Ferch, Barbara 325 Feyfar, Zdenko 76 Filip, Miloš 209, 285, 289, 405 Filla, Emil 196, 200 Fišar, Jan 9, 14, 26, 112, 319, 321, 436, 437, 502, 506, 511, 512, 515 Fišarek, Alois 368 Flek, Josef 79 Focht, Bernhard 317, 437 Fontana, Lucio 16 Forejtová, Jitka 78, 196, 197, 199, 218, 225, 226 Forman, Miloš 389 Frágner, Jaroslav 282 Franc, Martin 95 Franck, Kaj 16 Frantz, Susanne K. 24, 38 Frendlovský, Josef 185, 187, 188, 191 Frič, Jaroslav 435 Frydrych, Jan 503, 510 Fuga, Anzolo 16
Personenregister | 519
Gočár, Josef 338 Goldoni, Raoul 16 Gollwitzer, Gerhard 271 Golowko, Dmitri 352 Gorbačev, Michail Sergeevič 264, 411 Gott, Karel 419 Gottwald, Klement 88, 281, 333, 9 Gottwaldová, Věra 272 Gowon, Yakubu 120 Grasern, Lambert von 10 Grebeničková, Stanislava 210, 223, 226, 227, 287 Gris, Juan 41 Gropius, Walter 203 Gross, František 298 Großmann, Friedemann 52 Grünwaldová, Vlasta 169, 18 Grus, Pavel 289, 316, 321, 388, 511, 512, 57 Gualteri, Franca Santi 397 Guggenheim, Peggy 16 Guttoso, Renato 16 Hafenbrödl, Andrea von 10 Hais, Rudolf 10, 109, 141 Hájek, Jiří 261 Halama, František 65–66, 69 Halama Junior, František 66 Hald, Edward 16, 265 Hamouz, František 422 Hampson, Ferdinand 420 Hanák, Bohumil 212 Hanák Bedřich 216 Handl, Milan 180, 210, 508 Hanuš, Václav 78, 94, 95, 127, 133, 147, 183, 197, 218, 226, 242, 258, 267, 276, 291, 344, 357, 506 Hanzlík, Daniel 215 Harcuba, Jiří 10, 16, 20, 47, 48, 50, 51, 58, 62, 68, 69, 78, 79, 80, 81, 87, 92, 93, 111, 127, 144, 145, 151, 157, 158–159, 164, 165, 172, 177, 193, 199, 201, 203–204, 208, 210, 212, 214, 215, 217, 218, 220, 223, 232, 235, 243, 245, 250, 252, 253, 255, 256, 257, 258, 259, 260,
261–262, 263, 281, 286, 287, 288, 292, 309, 310, 311, 316, 320, 339, 348, 364, 370, 385, 396, 398, 399, 408, 413, 414–415, 416, 419, 420–421, 432, 437, 500, 511, 513, 514, 30 Harrach, Jan Graf 50 Hásek, Alois 42, 82, 156, 157, 161, 162, 165, 188, 190, 253, 295 Hásek, Jan 193 Hatašová, Jana 229 Havel, Václav 111, 255, 261, 266, 389 Havlas, Ladislav 42, 82, 157, 160–161, 162, 165, 188, 190, 196, 276 Heckel, Erich 41 Hejdová, Dagmar 231, 346, 347, 348, 349, 352 Hejlek, Benjamin 82, 156, 163, 297, 316, 500, 504, 510, 511, 512 Helekal, Jindřich 505 Hellerová, Erika 76, 79, 225, 228, 335, 336 Helzel, Ernst 76, 79 Helzel Junior, August 76, 335 Helzel Senior, August 76 Henlein, Konrad 175 Herain, Karel 218, 340, 341, 342 Herman, Samuel J. 17, 18, 222 Heřmanská, Eva 510 Hetteš, Karel 39, 89, 158, 231, 255, 286, 292, 300, 303, 307, 342, 343, 344, 346, 350, 362, 363, 364, 365, 379, 384, 385, 387, 391, 396, 439, 95 Hiller, Wendy 97 Hlava, Pavel 87, 107, 109, 110, 122, 139, 145, 183, 190, 196, 197, 248, 271, 272, 276, 277, 279, 281, 282, 285, 286, 287, 289, 290, 292, 296, 301, 316, 317, 321, 325, 339, 357, 365, 373, 376, 383, 388, 389, 396, 397, 398, 408, 409, 411, 425, 431, 432, 502, 508, 509, 511, 512, 513, 34, 49, 57, 64, 94, 95 Hlaváček, Josef 216 Hlaváčková, Konstantina 382 Hlaveš, Milan 10, 23, 154, 354, 355 Hlobilová, Dagmar 370
520 | Anhang Hloušek, Leopold 71, 73 Hloušek, Rudolf 66, 69, 182 Hložník, Vincent 504, 515 Hlubuček, Martin 193 Hlubučková, Libuše 192 Höglund, Erik 16 Hoffmann, Ivan 10 Hoffmeister, Adolf 204–205, 212, 387, 422, 423 Hofmann, Fritz 75 Hofmeisterová, Jana 393, 394 Holeček, Jaroslav Václav 56, 57, 58, 82, 106, 156, 160, 161, 162, 163, 170, 176, 183, 186, 195, 196, 197, 225, 252, 265, 512, 14 Homolka, Pavel 171, 180 Honty, Tibor 55 Honzík Junior, Stanislav 180, 210, 218 Honzík Senior, Stanislav 280, 67 Horáček, Václav 107, 363, 380 Horáčková, Klára 215 Horejc, Jaroslav 40, 43, 46, 76, 78, 132, 251, 266, 271, 308, 309, 335, 336, 366, 52 a, b, 94 Hortig, Eduard 60 Hospodka, Josef Michal 57, 82, 105, 106, 109, 156, 157, 162, 170, 171, 176, 178, 253, 254, 272, 281, 307, 333, 339, 14 Houra, Miroslav 507, 514 Houserová, Ivana 191, 193, 227 Hrníčko, Josef 68 Hrodek, Karel 82, 102, 103, 105, 106, 144, 156, 157, 162, 176, 177, 178, 188, 189, 195, 221, 253, 272, 276, 307, 333, 364, 366 Hrstka, Miroslav 212, 363 Hrtan, Milan 129 Hrubý, Josef 313, 368, 430 Hřivnáč, Zbyněk 317 Hubáček, Karel 317–318, 318, 319 Hubert, Václav 10, 50, 51, 52–55, 59, 61, 69, 75, 76, 77, 78, 79, 106, 132, 136, 146, 160, 161, 163, 164, 166, 167, 170, 217, 252, 269, 270, 295, 329, 335, 19, 70
Hudík, Miloslav 82, 156, 252, 253, 14 Hundertwasser, Friedensreich 16 Hus, Jan 335 Husák, Gustáv 88, 93, 94 Hussmann, Heinrich 42 Janák, František 9, 171, 173, 217, 218, 289, 292, 397 Janák, Pavel 40, 210, 308 Janeček, Aleš 395 Janeček, Ota 430 Janíček, Rudolf 182 Jankovcová, Antonie 109, 180, 190, 226, 227, 229, 230 Jankovcová, Ludmila 376 Janků, Miroslav 183, 184, 185, 188 Janoušek, Vladimír 393, 395 Jarošová, Lenka 229 Jechová, Jiřina 226, 227 Jelínek, Vladimír 9, 92, 110, 132, 146, 147, 162, 164, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 228, 277, 280, 282, 288, 289, 290, 297, 339, 364, 376, 383, 388, 389, 391, 396, 398, 405, 413, 416, 431, 500, 510, 511, 512, 100 Jetmar, Jiří 398 Ježek, Pavel 133, 190, 191, 192, 193, 208, 210, 221, 339 Jílek, Václav 358 Jindra, Eugen 382 Jindra, Karel 71 Jindrová, Ilona 180 Jíra, Josef 512 Jiránek, Miroslav 382 Jirků, Boris 216 Jirouš, Josef 181, 185 Jiřička, Josef 297, 370, 392, 507 Jiřík, František Xaver 328 Jiřinková, Ludmila 97 John, Jaromír 430 John, Jiří 199 Jokl, Evžen 298 Juna, Zdeněk 46, 105, 181, 183 Junek, Jaroslav Antonín 312, 370, 53 Jůnek, Václav 333
Personenregister | 521
Jungwirth, František 79 Jurkovič, Dušan 40 Jurnikl, Rudolf 121, 146, 169, 209, 210, 258, 339, 405 Kadeřábek, František 312 Kafka, Bohumil 45 Kafka, Čestmír 297, 392 Kafka, Franz 408, 424 Kafka, Ottla 424 Kahnweiler, Daniel–Henry 430 Kahuda, František 386, 422 Kalina, Rudolf 82, 156, 162, 252, 14 Kandinsky, Wassily 416 Kaplická, Jiřina 197 Kaplický, Jan 197 Kaplický, Josef 14, 48, 57, 101, 105, 107, 110, 111, 138, 144, 145, 146, 161, 164, 167, 169, 170, 190, 191, 192, 196–197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 210, 211, 212, 214, 221, 225, 226, 240, 241, 258, 261, 273, 274, 286, 288, 298, 307, 308, 322, 363, 364, 365, 370, 379, 384, 415, 438 Kapras, Jan 57 Karel, Marian 14, 210, 321, 324, 398, 506, 508, 512 Karous, Pavel 215, 314, 325 Kašpar, Ladislav 312, 333 Kaufmann, Edgar 375 Kavan, Jan 198 Kellnerová, Stanislava 10 Kepka, Zdeněk 18, 297, 397, 101 Kepka, Vladimír 18, 297, 397, 101 Kerhartová–Peřínková, Marta 9, 11, 111, 226, 364, 367, 413, 416 Khýn, Josef 82, 156, 160, 161, 162, 165, 166, 167, 170, 188 Kirchner, Ernst Ludwig 41 Kirchner, Viktor F. 182, 184, 185 Kirschner, Marie 39–40, 224 Klasová, Milena 24 Klee, Paul 437 Klein, Dan 315, 400–401, 428
Klein, Vladimír 9, 169, 171, 210, 217, 284, 397, 411, 437, 501, 508 Kliment, Gustav 88 Klimošová, Martina 172, 227 Klinger, Miloslav 87, 183, 186, 187, 191, 196, 197, 221, 260, 261, 263, 276, 281, 339, 371, 372, 380, 407, 505 Klivar, Miroslav 303 Klouček, Celestýn 42, 45, 56, 195 Knöspel, Eduard 60 Kochrda, Josef 168, 170, 171, 316, 510 Koenigsmarková, Helena 345, 354 Kokoschka, Oskar 16, 251 Kolář, Jiří 389, 430 Kolberg, Horst 10, 15, 16, 17, 20, 22, 23, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 33, 37, 38, 41, 46, 48, 50, 67, 73, 75, 80, 82, 85, 90, 92, 100, 101, 102, 103, 107, 110 Kolínska, Eliška 187 Kolrus, Rupert 77, 79, 97, 269 Komenský, Jan Amos (Johann Amos Komenius) 138, 270 Konrád, Ludvík 71, 73 Koňák, Karel 127 Kopecký, Václav 338 Kopecký, Vladimír 9, 16, 18, 26, 111, 144, 146, 164, 169, 177, 199, 201, 205, 206, 211, 214, 215, 217, 256, 258, 264, 276, 277, 297, 321, 339, 365, 371, 388, 389, 394, 405, 412, 437, 502, 503, 511, 512, 513, 514 Kopřiva, Pavel 10, 171, 173 Kopřivová, Karolína 180 Korčák, Igor 369, 86 Korda, Jaroslav 187 Korn, Karin 216, 407 Kořínek, Arnošt 97, 99, 113 Koslerová, Věra 15 Kostka, Stanislav 510, 511 Kotalík, Jiří 211, 347, 384, 385 Kotěra, Jan 40 Kotík, Jan 18, 157, 223, 244, 249, 260, 276, 295, 296, 302, 303, 315, 343, 365, 369, 371, 372, 375, 376, 382, 383, 385, 403, 405, 415, 425, 77, 104
522 | Anhang Kotíková, Ruth 223 Koudelka, František 509 Kousal, Vlastimil 187 Koutecký, Pavel Umschlagabbildung Kovář, Stanislav 338 Kovář, Zdeněk 282 Kozlovský, Jaroslav 187 Králík, Marek 506 Kramule, Karel 197 Krátká Víceníková, Adela 10 Kraus, Karl 175, 176 Krause, Torsten 10 Krejcar, Jaromír 40 Krejčí, Ljuba 384, 430 Krell, Katrin 10 Kröpel, (Vorname unbekannt) 52 Krosnář, Josef 272 Kroupa, Adolf 392, 394 Kříž, Josef 171 Křížová, Alena 93 Kubelik, Rafael 262 Kučera, Jiří 193 Kučera, Stanislav 166, 168, 172 Kudlová, Dagmar 107 Kudláček, Alois 370 Kudláček, Jan 312 Kulich, Ján 323 Kunc, Zdeněk 180 Kundera, Milan 389 Květ, Jan 423 Kybal, Antonín 41, 196, 212 Kysela, František 40, 43, 45, 48, 104, 105, 156, 183, 194, 195, 200, 308 Lafontaine, Ingrid 437 Lakomá, Hana 229 Lamerová, Milena 231 Landberg, Nils 16 Langhamer, Antonín 23, 24, 48, 162, 303, 357, 358 Lanmon, Dwight P. 399 Lanna, Adalbert (Vojtěch) von 328 Lapka, Karel 293, 511 Laštovičková, Zdeňka 191, 192, 193, 194, 212
Lauda, Jan 97, 335 Lauda, Josef 77, 79 Lawrie, Hugh 309 Lebeau, Chris 41–42 Le Corbusier 16, 251 Leder, Alexander 121 Leder, Charles 123 Léger, Fernand 16 Leigh, Vivian 76, 97, 8 Lejsek, Antonín 69 LeWitt, Sol 16 Lhotský, Zdeněk 210, 401 Libenská, Věra 229 Libenský, Stanislav 14, 18, 24, 43, 57, 82, 87, 101, 105, 106, 111, 144, 145, 153, 156, 157, 167, 169, 171, 173, 176, 177, 178, 183, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 199, 205, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 221, 222, 226, 227, 228, 229, 246, 252, 253, 256, 261, 264, 272, 276, 277, 279, 281, 296, 307, 309, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 333, 339, 344, 345, 354, 360, 364, 365, 369, 376, 379, 380, 384, 385, 387, 388, 389, 391, 392, 394, 396, 397, 398, 401, 407, 408, 411, 419, 420, 429, 430, 431, 432, 434, 440, 500, 501, 502, 503, 504, 505, 506, 507, 508, 509, 510, 511, 512, 513, 515, 11, 14, 20, 22, 23, 41, 54, 55, 56, 58, 61, 63, 65, 68, 69, 80, 85, 91, 98, 99, 107, 113 Licata, Riccardo 16 Lichtág, Jan 56 Lichtágová, Vlasta 56 Lincoln, Abraham 77, 269 Lindstrand, Vicke 16 Linka, Vladimír 42, 191, 196, 274, 45 Lípa, Oldřich 60, 108, 122, 145, 164, 177, 205, 267, 280, 372, 376, 410 Lipofsky, Marvin 420 Lipská–Straková, Jaromíra 14, 78, 219, 226, 230, 269 Lipský, Oldřich 14, 78, 106, 147, 164, 167, 168, 169, 179
Personenregister | 523
Liška, Pavel 216 Lišková, Věra 18, 78, 106, 108, 111, 196, 197, 218, 225, 226, 230, 261, 271, 276, 280, 298, 321, 372, 336, 344, 371, 373, 376, 385, 392, 396, 398, 415, 431, 509, 511, 96 Littleton, Harvey K. 17, 247, 265, 268, 287, 417 Lobmeyr, Ludwig 76 Lollobrigida, Gina 131 Loosová, Alena 225, 226 Loren, Sophia 131 Lorenc (Oppitz), Alfred 79, 335, 380 Lorenc, Vilém 350 Lukáš, Václav 303 Lundgren, Tyra 16, 42, 267 Lundin, Ingeborg 16 Lynes, Russell 375, 397 Lyngaard, Finn 409 Lys, Jaroslav 129 Macelová, Marta 229 Machač, Václav 398 Machačová–Dostálová, Božena 282 Machat, Michal 213–214 Machonin, Vladimír 319 Machoninová, Věra 319 Malevič, Kazimir 415, 416 Marschner, Franz 59 Martilík, Jaroslav 118 Martinuzzi, Napoleone 16 Marek, Michaela 10 Mareš, Ivan 210 Mareš, Jan 210, 218 Mařík, Emanuel 82, 157, 195 Maršíková, Jaromíra 234, 303, 393, 394 Masák, Miroslav 318 Mašek, Vítěslav 48 Mašitová, Ivana 227 Matějček, Hubert S. 10, 25, 136, 200, 353, 399, 408, 424, 425, 426, 427, 428, 430, 435 Matějček, Josef 365 Matějček, Stanislav 424 Matějková, Alena 227, 504
Matouš, Jaroslav 210 Matoušková, Jana 229 Matura, Adolf 107, 108, 110, 121, 131, 183, 190, 196, 197, 208, 209, 272, 276, 279, 285, 289, 290, 292, 338, 339, 344, 364, 365, 383, 410, 425, 13, 42, 49, 89, 108, 109 Matyk, Thomas 10 Mauder, Bruno 16, 240 May, Josef 61, 75, 76, 79, 269 May Senior, Josef 61 Medek, Božetěch 42, 182–183, 185, 190, 191, 269, 270, 274 Medek, Mikuláš 298, 430 Medková, Jiřina 265, 340, 350, 359, 360 Menš, Petr 171 Mergl, Jan 24 Merker, Gernot 420 Merz, Hans 216 Metelák, Alois 41, 45, 46, 109, 181, 182, 184, 185, 187, 265, 308 Metelák, Luboš 190, 270, 366 Metelák, Milan 207 Michut, Čeněk 10, 90, 95, 121, 163 Miguel, José 434 Mikeš, Čeněk 179 Mikeš, Jiří 427 Mikulová, Milana 199, 225 Minář, Karel 312, 333 Mirkine, Lèo 13 Mirkine, Yves 13 Mírová, Děvana 225 Mizera, Pavel 153 Mládek, Jan 324 Mládková, Meda 324 Möricke, Eduard 271 Montand, Yves 131 Moore, Henry 251 Morávek, Ladislav 64 Morávek, Miroslav 382 Moser, Leo 41 Motyčka, Michal 10 Mrkus, Pavel 171 Mucha, Alfons 308, 423 Mühlbauer, Karl 55
524 | Anhang Müller, Otto 41 Muňoz, Pilar 420 Murachwer, Wladimir 352 Muranow, Wladimir 352 Muzika, František 196, 212 Nakashima, George 375 Nehru, Jawaharlal 76 Nemcová, Magda 10 Nepomucký, Josef 423 Netolický, (Vorname unbekannt) 53, 163 Neuberg, J. Ritter von 328 Niederer, Roberto 140 Nogol, Miroslav 399, 425 Novák Junior, Břetislav 193, 397, 398 Novák Senior, Břetislav 184, 186, 277, 280, 396 Novák, Emanuel 40 Novák, František 171, 75 Novák, Josef 46, 156 Novák, Josef (Prof.) 162, 163 Novák, Otokar 82, 156, 176, 178, 252, 253, 272, 14 Novák, Vratislav Karel 193 Novotný, Antonín 70, 73, 259, 378, 379, 390, 422–423, 434 Novotný, Jan 18, 146, 164, 190, 191, 192, 202, 205, 280, 357, 367, 73 Novotný, Jiří 128 Novotný, Petr 139, 140 Nový, Otokar 304 Nový, Petr 10, 358 Nyman, Gunnel 16 Nývlt, Vladimír 338, 395 Öhrström, Edvin 16 Oldknow, Tina 10, 20 Oliva Senior, Ladislav 52, 107, 110, 144, 146, 162, 164, 171, 192, 202, 205, 206, 207, 209, 243, 255, 280, 357, 369, 379, 380, 383, 388, 389, 395, 398, 405, 509 Olivier, Laurence 97, 8 Oppeltová, Renata 192, 193 Oth, Antonín 164, 210, 232, 322
Otruba, Jaroslav 319 Ouhrabka, Ladislav 185, 221, 369 Pachmanová, Martina 23 Pahlavi, Farah Diba 436 Pahlavi, Mohammed Reza 270, 434, 436 Pakrová, Hana 10 Palata, Oldřich 24, 372, 381 Palda, Jaroslav 50 Palda, Karel 50, 5 Palla, Vladimír 396 Palme, Franz Friedrich 328 Palmqvist, Sven 16, 251 Pánek, Pavel 190 Pánková, Lenka 24 Pastrnek, Bedřich 69 Pastrnková, Jiřina 254–255, 229 Patočka, Jan 261 Patřičný, Petr 185 Paul, Alexandr 77, 78, 79, 81 Pavlik, Michael 146 Pazdera, František 164, 167, 171, 210 Pazaurek, Gustav E. 328 Pelc, Antonín 275 Pelcl, Jiří 216 Pelinka–Marková, Marta 224 Pelíšek, Václav 382 Perón, Evita 77, 269 Perón, Juan Domingo 77, 269 Perrot, Paul N. 265 Peroutka, Karel 71, 295, 286, 363, 364, 382 Pešánek, Zdeněk 42, 43, 159, 251, 309, 3 Pešat, Karel 344, 72 Pešatová, Zuzana 287 Petrová, Sylva 24, 161, 231, 234, 314, 353, 354, 361 Pfeiffer, Max Adolf 49 Pfohl, Alexander 47, 52, 80, 155, 175, 252 Pfohl, Erwin 47, 80 Piccaso, Pablo 16, 41, 96, 204, 205, 430 Picek, Stanislav 436 Pinkava, Jan 37 Pinzoni, Mario 16
Personenregister | 525
Piotrowski, Piotr 19, 429 Pipek, Jaroslav 46, 181, 184, 185, 187 Pittrof, Kurt 14, 74 Plátek, Miroslav 79, 183, 191, 192, 196, 197, 210, 335, 344, 372 Plátek, Václav 105, 106, 111, 169, 210, 212, 218, 226, 258, 276, 279, 281, 285, 307, 336, 9, 10 Plečnik, Jan 45, 56, 195 Plesl, Rony 193, 215, 284, 325 Plesl, Tomáš 193 Plíva, Oldřich 210, 397, 398, 506 Pluhařová-Grigienė, Eva 270 Poche, Emanuel 79, 231, 341, 342, 343, 345, 347, 350, 363, 366, 382, 402 Podbira, Eduard 60 Podbira, Emil 60 Pohlreichová-Rychlíková, Marie 225 Pokorná, Jitka 10, 230, 246, 411, 421, 425, 426, 428, 431, 432, 434, 436, 437 Pokorný, Zdeněk 313, 368, 430 Polanská, Anna 193, 237 Poli, Gino 16 Pollard, Donald 97 Polma, Michal 10, 39 Ponti, Gio 16, 375 Porriot, Charly 216 Pospíchal, Vlastimil 176, 253 Pospíšil, Miroslav 108, 109 Pospíšilová, Marie 10, 108, 109 Potůček, A. 328 Prager, Karel 321 Pražková, Markéta 23 Precht, Volkhard 17 Preußler, Christian Benjamin 104 Prinz, Friedrich 37, 240 Procházka, Vladimír 507, 509, 510, 513, 514 Průcha, Ladislav 172 Průša Junior, Felix 82, 145, 156, 161, 183, 252, 255, 414, 416 Průša Senior, Felix 161, 197 Prušáková, Marie 423 Přenosil, Ladislav 42, 46, 182, 185, 186, 195 Půlkrábek, Jaroslav 172
Půlpitel, Miloš 292 Purkyně, Karel 335 Pýcha, Valdimír 386 Quilezová, Ivana 10 Rabas, Václav 413 Rachmann, Albert 60 Rachmann, Bruno 60 Rachmann, Heinz 60 Rachmann, Wilhelm 60 Ramin, Yitzhak 290 Ranšová, Eva 229, 359 Rasochová, Marcela 229 Rašín, Alois 196 Rašín, Jaromír 196, 308 Rath, Peter 173, 358 Rath, Stefan 70, 75, 76, 77, 78, 79, 105, 106, 124, 163, 167, 170, 218, 226, 265, 269, 332, 333, 358, 373 Rejlová, Jana 16 Richter, Herbert Franz 62 Ricke, Helmut 10, 21, 25, 263, 267 Riedel, Claus J. 65, 357 Riedel, Josef 309 Riedel, Walter 50, 65, 357 Rössler, Max 77, 79, 97, 269, 7 Rössler, Wilhelm 159, 160 Róna, Jaroslav 210 Roosevelt, Theodore 47 Roosma, Maks 216 Rosipal, Josef 40, 2 Rosol, Martin 146 Rott, Lumír 234, 338 Roubíček, René 9, 14, 18, 57, 82, 87, 106–107, 110, 112, 139, 140, 144, 146, 156, 157, 161, 162, 163, 164, 165, 168, 188, 189, 196, 199, 205, 210, 211, 228, 243, 246, 249, 250, 253, 260, 261, 270, 276, 280, 281, 287, 296, 298, 307, 308, 312, 313, 316, 317, 320, 325, 329, 333, 339, 343, 344, 357, 358, 363, 364, 369, 371, 372, 374, 375, 376, 378, 379, 381, 382, 383, 384, 385, 387, 389, 390, 391, 392, 394, 395, 396, 397, 398, 403, 404,
526 | Anhang 409, 411, 412, 413, 415, 416, 417, 419, 425, 426, 430, 431, 434, 436–437, 500, 501, 502, 503, 507, 508, 509, 510, 512, 515, Umschlagabbildung, 14, 21, 60, 67, 78, 87, 90, 91, 95, 97, 105 Roubíčková, Miluše 9, 14, 18, 78, 106, 112, 139, 147, 196, 197, 205, 223, 225, 228, 230, 280, 296, 317, 357, 367, 371, 373, 374, 385, 388, 397, 398, 404, 406, 413, 415, 416, 500, 509, 82 Rozin, Alfréd 358 Rozinek, Josef 139, 140, 282, 388, Umschlagabbildung, 90 Rozsypal, Ivo 101, 109, 168, 210, 221–222, 398, 504, 505, 506, 507, 508, 509, 512, 513, 514 Rožatová, Eliška 14, 226, 227, 229, 321, 436, 502, 504, 506, 511, 512 Rückl, Jiří 64 Rudiš, Viktor 395 Russolo, Luigi 41 Růžička, Emil 70 Růžička, Pavel 70, 73, 300 Růžičková, Jitka 227 Rybáček, Karel 167–168, 170, 171, 205 Rybák, Jaromír 210, 397 Rychlink, Bohuslav 338 Rýdlo, Petr 514 Řepa, Miroslav 386 Řepásek, Jiří 107 Řihánek, Dalibor 511 Saal, Josef 338, 368 Sachr, Václav 356, 359 Santar, Jindřich 338, 368, 375, 378, 379, 380 Sarpaneva, Timo 16, 265, 267, 417 Scarpa, Carlo 16 Schack von Wittenau, Clementine 320 Schewtschenko, Viktor 352 Schimmel, Paul 55 Schlevogt, Henry Günter 65, 66 Schlevogt, Ingrid 65 Schmalenbach, Werner 397 Schmidt–Rottluff, Karl 41
Schmitt, Eva 10 Schödl, Günter 10 Schöttner, Jan 10 Schürer, Paul 32 Schulz, Josef 328 Schwaiger, Hanuš 48 Schwedler, Rudolf 76 Seberg, Jean 131 Seguso, Livio 265 Sekáč, Josef 60 Selassi, Haile 77, 78, 79, 106, 120, 269 Semecká, Lada 227 Severini, Gino 41 Severová, Jaroslava 169 Shakespeare, William 76, 97, 335 Sieber, Karel 10 Signoret, Simone 131 Skácel, Jan 392, 394 Skuhrava, Jitka 171 Slabá, Jaroslava 358 Slívová, Marcela 230, 425 Smetana, Bedřich 97 Smetana, Jindřich 216 Smetana, Pavel 212 Smith, Paul 384, 397 Smolka, Stirad 162, 255 Smrčková, Ludvika 41, 42, 43, 104, 107, 203, 225, 249, 265, 267, 270, 276, 277, 279, 285, 344, 364, 366, 368, 372, 376, 50 Snowdon, Prinzessin Margaret, Countess of 373 Soa, Vello 21, 407 Sommer, Carmen 59 Soukup, Jozef 193, 200, 212, 265, 280, 339, 364, 370, 382, 405, 408 Skřípková–Brzokoupilová, Zdenka 225 Skučkem, Joseph 275 Stacho, Petr 171 Stáhlíková, Maria 106, 196, 197, 225, 226, 228, 295, 298, 372, 383, 9 Stalin, Iosif 51, 77, 84, 114, 116, 205, 256, 259, 265, 269, 414 Staněk, Jaroslav 281 Stará, Marie 169
Personenregister | 527
Stennett–Willson, Ronald 242 Stölting, Eliška 10, 429 Stránská, Marcela 10 Strehblow, Heinrich 44, 46, 174 Strnadel, Antonín 199, 315 Strobachová, Zdenka 14, 18, 110, 111, 202, 205, 226, 228, 250, 322, 365, 396, 402, 411, 414, 416, 103 Sucharda, Stanislav 40, 42 Suchý, Jiří 93 Suda, Kristián 10, 400 Süßmuth, Richard 16 Sutnar, Ladislav 41, 48, 50 Svoboda, Jan 263, 35 Svoboda, Jaroslav 69, 149, 213–214, 230, 248, 255, 277, 279, 296, 339, 396, 425, 505, 508, 510, 515 Svoboda, Josef 337–338, 379 Svoboda, Ludvík 434 Svoboda, Vladimír 101 Svobodová, Hana 35 Svobodová–Wyckmans, Miloslava 228, 296 Svolinský, Karel 208, 297, 298, 308, 370, 371, 372, 380, 507, 81 Sychra, Vladimír 297, 370 Syrovátka, Karel 184 Šaboková, Gizela 210, 227 Šetlík, Jiří 302, 344, 347–348, 349, 351, 392 Šik, Ota 92 Šílená, Marketa 191, 227 Šlitr, Jiří 93 Šimice, Bohuslav 297, 504 Šimotová, Adriena 196, 197, 199, 225, 226, 258, 298, 321, 511 Šindelař, Dušan 289, 350–351 Šípek, Borek 14, 139, 216 Škorpík, Lubomír 358 Šnajdr, Ivan 292 Šnýdr, Rudolf 359 Šotola, Vratislav 89, 107, 110, 145, 164, 169, 177, 205, 243, 260, 277, 286, 289, 290, 303, 398 Špaček, Jaromír 82, 92, 160, 175, 176, 177, 179, 248, 252 Šprachta, Emil 43
Šputa, Zdeněk 378 Škranc, Vladimír 197 Šrámek, Jan 317 Štech, Václav Vilém 269 Štibych, Jan 82, 156, 162–163, 252, 310, 503, 508, 513, 514, 14 Štipaková, Zdenka 179, 231 Štipl, Karel 56, 57–58, 78, 82, 105, 110, 111, 121, 138, 146, 157, 160, 164, 167, 168, 183, 186, 191, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 207, 208, 209, 210, 212, 226, 252, 258, 273, 274, 285, 286, 288, 292, 363, 364, 366, 370, 438 Štuchlík, Zdeněk 98 Štursa, Jaroslav 321, 511 Šubrtová, Dagmar 227 Šuhájek, Jiří 18, 108, 110, 129, 154, 168, 210, 221, 222, 247, 256, 266, 280, 284, 287, 289, 292, 398, 432 Šulc, Josef 326 Švabinský, Max 196, 297, 298, 308, 311, 312, 333 Švarcová, Jaroslava 226, 227, 229 Švestaková, Eva 109, 210, 229 Taube, Alfred 52, 53 Taylor, Michael 420 Teige, Karel 223 Tejml, František 18, 110, 147, 164, 169, 202, 371, 376, 396, 402, 405, 416, 83 Tenzer, Antonín 313 Thwaites, Angela 216–217 Tichánek, Petr 154 Tichý, Dalibor 169, 210, 398, 102 Tichý, František 201, 202 Tischer, Max 155, 252 Tišljar, Jeroním 216, 407 Tobey, Mark 16 Tockstein, Jindřich 42, 69, 270, 335, 336, 344 Tom, František 69 Tománek, Bohumil 180 Tomšová, Maria 226 Toušková, Kapka 14, 210, 216, 226, 398, 407, 435, 502, 504, 505, 507, 509, 515, 112
528 | Anhang Trnka, Pavel 171, 210, 212, 510 Tröster, František 337, 366, 379, 382, 76, 88 Trojan, Raoul 382 Truman, Harry S. 47 Tuček, Karel 195 Tučná, Daria 231 Turek, Josef 366 Turowski, Andrzej 20 Typelt, Josef 192 Uhlmann, Richard 54, 55, 161 Urban, Stanislav 303, 356, 357, 391 Urbancová, Jana 303 Urbánek, Gabriel 10, 234, 338, 4, 52 a, b Urbánek, Jaromír 109 Vácha, Jiří 305 Vachtová, Dana 9, 18, 26, 111, 113, 161, 203, 205, 226, 310, 400, 32, 48 Valečkov, Milada 358 Valenta, Jiří 129 Valeš, Bohumil 390 Valkema, Durk 217 Valkema, Sybren 17, 217, 223, 287 Vančat, Pavel 10 Vaněk, Jan 382 Vaňura, Karel 144, 190, 208, 211, 212, 250, 316, 321, 411, 506, 510 Vašica, Oldřich 505 Vašíček, Aleš 210 Včelák, Jiří 284, 351, 382 Vele, Bohumil 195, 197, 270 Vele, Jaroslav 69, 295 Velíšková, Milena 70, 106, 228, 267, 295, 298, 6 Veselý, Ludvík 303 Veselý, Milan 182 Veselý, Vilém 109, 164, 177, 223, 316, 510 Vetter, František 52 Vianello, Vinicio 16 Vienotā, Henri 284 Vízner, František 52, 112, 121, 145, 164, 190, 209, 218, 229, 246, 254, 296, 302,
316, 320, 321, 325, 398, 405, 410, 425, 504, 505, 506, 507, 508, 509, 510, 511, 513, 514, 515, 12, 66 Víznerová, Laděna 229 Vlček, Tomáš 24 Vodháněl, Antonín 82, 157, 195 Vogl, Antonín 79, 139, 272 Voldřichová, Jana 227 Volf, Karel 500 Volráb, Marian 210, 215 Volráb, Rudolf 164, 169, 202, 215 Volšický, Vladimír 167 Vondrová, Alena 231 Vosmík, Jiří 229 Votava, Jan 154 Votrubová, Jaroslava 226 Vydrová, Jiřina 347 Wagenfeld, Wilhelm 48, 203, 293 Wagner, Josef 112, 196, 208, 393 Waltl, Marie 224 Warmus, William 399 Wasmuth, Felix 11 Waulin, Alexander 261 Waulin, Ivan 112, 210, 261 Weidlich, Otto 77 Wels, Rudolf 41 Werner, Ilsa 60 Werner, Josef 359 Werner, Karl 60 Werner, Martha 60 Werner, Pavel 169, 171, 172, 173, 179, 210, 316, 510 Wilhelm, (Vorname unbekannt) 77 Wirkkala, Tapio 16, 130, 265, 266, 267 Wünsch, Karel 9, 17, 23, 62, 101, 107, 110, 112, 130, 139, 145, 177, 201, 205, 241, 255, 264, 266, 267, 268, 280, 298, 310, 318, 319, 325, 357, 365, 383, 388, 410, 416, 417, 422, 506, 507, 508, 513, 514, 26, 27, 39, 62 a, b Wycliff, John 335 Zabel, Igor 429 Záborský, Landislav 504
Personenregister | 529
Zahradník, Jaroslav 360 Zahradníková, Jiřina 191 Zamečniková, Dana 14, 324, 421 Zapletal, František 382 Zatloukal, Pavel 179 Zátopek, Emil 97, 8 Zátopková, Dana 97, 8 Zecchin, Vittorio 267, 37, 38 Zeh, Hermann 47, 175 Zeise, Daniel 11 Zelinka, Richard 295 Zemek, František 108, 122, 139, 196, 197, 219, 226, 256, 276, 344, 366, 368, 405 Zemek, Stanislav 167
Ziegler, Zdeněk 216 Zoff, Heinrich 44 Zoričák, Ján 210, 322, 398 Zugmann, Gerald 2 Zumrová, Alexandra 17 Žahour, Vladimír 107, 127, 183, 339 Žák, Oldřich 46, 182, 185 Žertová, Jiřina 9, 18, 58, 87, 107, 108, 112, 122, 145, 146, 148, 200, 202, 204, 205, 226, 228, 229, 230, 250, 258, 261, 264, 278, 296, 339, 350, 354, 363, 364, 367, 375, 398, 411, 412, 413, 418, 421, 426, 428, 429, 436 Žoužela, Jiří 363
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