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German Pages 396 Year 2011
J. R. Müller Die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren
Die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren Praxis Beratung Gestaltung
von
Jürgen R. Müller Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Mainz und Frankfurt a.M.
2012
Zitierempfehlung:
J. R. Müller, Selbstanzeige, Rz.
...
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Verlag Dr. Otto Schrnidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-16563-5 ©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
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Vorwort
Dieses Praxisbuch richtet sich an die Angehörigen steuerberatender Berufe, insb. an Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, steuerberatende Anwälte und Strafverteidiger und soll diesen Berufsgruppen einen Ratgeber für die tägliche Praxis an die Hand geben, in dem die Probleme bei der Anfertigung einer Selbstanzeige und Berichtigungserklärung umfassend dargestellt werden. Mit der stetig ansteigenden Anzahl an Steuerstrafverfahren gewinnt der Beratungsbedarf der Steuerpflichtigen in Bezug auf eine Selbstanzeige erheblich an Bedeutung. Auslöser hierfür ist die Intensivierung des Gesetzesvollzugs. Die Finanzbehörden werden sowohl personell als auch technisch verstärkt. Der Gesetzgeber setzt Instrumente in Gang, die der Verfolgung von Wirtschafts- und Steuerkriminalität dienen. Einzelne Instrumente wurden zwar wieder zurückgenommen, wie z.B. der Verbrechenstatbestand der „Schweren Steuerhinterziehung“. Aber im Rahmen der sog. Liechtenstein-Affäre hat der Gesetzgeber mit dem Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29.7.2009 und im Rahmen der Credit Suisse-Affäre mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.2011 gegen die Steuersünder aufgerüstet. Auch die Rechtsprechung trägt dazu bei, dass Steuerhinterziehung nicht länger als Kavaliersdelikt betrachtet werden kann. Insoweit sei auf das Urteil des BGH vom 2.12.2008 und den Beschluss des BGH vom 20.5.2010 verwiesen. Das in Folge der Bankdaten-Affäre am 21.9.2011 unterzeichnete Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz löst zahlreiche seit Jahrzehnten zwischen beiden Staaten bestehende offene Fragen zur Besteuerung von Kapitalerträgen deutscher Anleger in der Schweiz, indem unversteuerte Vermögenswerte der Vergangenheit auf der Grundlage des Abkommens nachbesteuert werden, soweit der deutsche Steuerpflichtige dieser Lösung zustimmt. Erklärt der deutsche Steuerpflichtige, dass er weder eine pauschale noch eine individuelle Nachversteuerung seiner unversteuerten Anlagen in der Schweiz wünscht, muss er seine Konten und Depots in der Schweiz schließen. Die Schweiz wird hierüber zusammengefasste Daten zur Verfügung stellen, so dass eine mögliche Steuerhinterziehung aufgedeckt wird. Liest man § 371 AO, entsteht angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts der Eindruck, dass es sich bei der Selbstanzeige um ein Institut handelt, bei dem auf einfache Weise Straffreiheit erlangt werden kann. Ein Blick auf die einschlägigen Kommentierungen zeigt, dass jede Voraussetzung des § 371 AO in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist. Zur Vermeidung haftungsrechtlicher Risiken sollte der steuerliche Berater sehr genau über die Rechtslage informiert sein, denn die Beratung über die Selbstanzeigemöglichkeit gehört grundsätzlich zu seinen wesentlichen Aufgaben.
V
Vorwort
Wegen der Rechtsnatur der Selbstanzeige im Falle der Steuerhinterziehung nach § 370 AO als persönlicher Strafaufhebungsgrund ist die Beratung für den Steuerpflichtigen von großer Bedeutung. Steuerrechtliche und strafrechtliche Aspekte fließen in die Selbstanzeigeberatung mit ein. Die Beratung ist deshalb außerordentlich diffizil und stellt für alle steuerlichen Berater eine große Herausforderung dar. Praktische Beispiele zu einzelnen Problemkreisen veranschaulichen die theoretischen Ausführungen. Sie sollen den Benutzer in die Lage versetzen, in der eigenen Praxis eine umfassende Selbstanzeigeberatung durchzuführen. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Anfertigung von Selbstanzeigen gewidmet. Das Manuskript wurde im Wesentlichen im Oktober 2011 abgeschlossen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum nach diesem Stichtag konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Anregungen, Hinweise und Kritik aus Theorie und Praxis werden gerne entgegengenommen. Besonderer Dank gebührt Herrn Rechtsanwalt Christian Fischer, tätig in meiner Kanzlei, als auch meiner Lektorin, Frau Tina Mehle-Kassebohm, die mir mit Rat und Tat jederzeit zur Seite standen. Mainz, im Oktober 2011
VI
Jürgen R. Müller
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXI
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIX
1. Kapitel: Überblick über die Berichtigungstatbestände . . . . . . . . . . .
1
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen A. Erforschungspflicht der Steuerfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
B. Anlässe zur Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
I. Tatverdacht in Folge einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
II. Entdeckungsrisiko durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29.7.2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 10
III. Datenzugriff der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tatverdacht bei Dritten in Folge von Kontrollmitteilungen . . .
13
V. Internationale Kontrollmitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
VI. Mitteilungen durch das Veranlagungsfinanzamt . . . . . . . . . . .
15
VII. Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern über ausländische Firmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Banken als Informationsquellen der Finanzverwaltung . . . . . .
15
IX. Steuerabkommen Deutschland – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . .
21
X. Einleitung des Steuerstrafverfahrens in Folge einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
XI. Mitteilungspflicht von Gerichten und Behörden . . . . . . . . . . . XII. Mitteilungspflicht von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
XIII. Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörden bei Banken . .
36
XIV. Chiffre-Anzeigen als Anlass für Fahndungsmaßnahmen . . . . . XV. Anzeigen durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38
XVI. Aufdeckung von Steuerhinterziehung in Folge von Bankdaten-CDs sowie in Erpressungsfällen . . . . . . . . . . . . . . .
40
15
26
VII
Inhaltsübersicht Seite
XVII. Kontrollen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz . . .
42
XVIII. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige A. Beratungspflicht des steuerlichen Beraters . . . . . . . . . . . . . .
43
B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
I. Anlass für eine Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
II. Umgehung der Selbstanzeige durch Umgestaltung der Anlageform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Straffreiheit nur für Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . .
46 46
IV. Form der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
V. Inhalt der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
VI. Beschaffung von Unterlagen, insb. in Fällen der gestuften Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zu berichtigender Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 49
VIII. Adressat der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
IX. Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
X. Nachzahlung der verkürzten Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
XI. Kein Schutz vor Ermittlungen der Finanzbehörde . . . . . . . . .
51
XII. Vermeidung einer Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Schweigerecht des betroffenen Steuerpflichtigen . . . . . . . . .
51 52
C. Folgen einer Steuerhinterziehung – Strafmaß . . . . . . . . . . . .
52
D. Nebenfolgen einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Selbstanzeige ist keine Strafverteidigung . . . . . . . . . . . . . . .
53 53
F. Abzugsfähigkeit der Beratungskosten und Honorarfragen . . .
53
I. Steuerliche Abzugsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
II. Übernahme der Kosten durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
III. Höhe des Vergütungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO A. Systematik und Regelungsgehalt der Berichtigungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtfertigung und Zweck der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . VIII
59 60
Inhaltsübersicht Seite
I. Ausnahme oder Fremdkörper im System des Strafrechts . . . . . .
60
II. Gründe und Zweck der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
C. Rechtsnatur der Selbstanzeige – Persönlicher Strafaufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
D. Anwendungsbereich der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafbefreiende Wirkung für Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . .
65 65
II. Keine strafbefreiende Wirkung für sonstige Straftaten . . . . . . . .
67
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
I. Überblick über die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 bis 3 AO . II. Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 69
III. Fristgerechte Nachzahlung der hinterzogenen Steuer . . . . . . . .
122
IV. Ausschluss der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
V. Folgen der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
XI. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO A. Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung . . . . . . .
295
I. Entstehungsgeschichte der Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296
II. Zweck der Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung . .
296
III. Rechtsnatur der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297
IV. Anwendungsbereich der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297
B. Anforderungen an die Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . .
298
I. Voraussetzungen der Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . II. Positive Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige . . . . .
298 298
III. Negative Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
IV. Bußgeldfreiheit im Falle der Berichtigung nach § 153 AO . . . . .
303 303
V. Folgen der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Inhaltsübersicht
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO Seite
A. Sinn und Zweck der Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . .
305
B. Rechtsentwicklung der Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306 306
I. Berichtigungspflichtige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306
II. Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
III. Unrichtige oder unvollständige Steuererklärung . . . . . . . . . . . IV. Verkürzung von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318 320
V. Nachträgliche Erkenntnis des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . .
321
VI. Erkenntnis vor Ablauf der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . .
323
VII. Unverzügliche Anzeige und erforderliche Richtigstellung . . . .
324
VIII. Folgen der Berichtigungsanzeige sowie Folgen der Verletzung der Berichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
IX. Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG . . .
329
X. Folgen der Erbschaftsteuererklärung nach § 31 ErbStG . . . . . .
330
D. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
330 331
II. Begriff der Steuervergünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
III. Voraussetzung der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332
IV. Folgen der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
E. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
X
A. Allgemeines zur strafbefreienden Fremdanzeige . . . . . . . . . . .
335
I. Systematik des § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsgehalt der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336 336
III. Zweck der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
337
IV. Rechtsnatur der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abgrenzung der Fremdanzeige von der Selbstanzeige . . . . . . . .
337 338
B. Voraussetzungen der strafbefreienden Fremdanzeige . . . . . . . .
338
I. Berichtigungspflicht gem. § 153 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
338
II. Anzeige i.S.v. § 371 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
III. Ausschluss der strafbefreienden Fremdanzeige . . . . . . . . . . . .
342
Inhaltsübersicht Seite
IV. Nachzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342
C. Wirkung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342
I. Restriktive Auslegung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343
II. Erweiternde Auslegung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
III. Gestaltungsmöglichkeiten durch die Fremdanzeige . . . . . . . . . .
347
D. Analoge Anwendung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Fortfall der Anzeige- und Berichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . .
348 348
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
XI
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXI
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIX
1. Kapitel: Überblick über die Berichtigungstatbestände . . . . . . . . . . .
1
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen A. Erforschungspflicht der Steuerfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
B. Anlässe zur Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
I. Tatverdacht in Folge einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
II. Entdeckungsrisiko durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29.7.2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterte Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten . . . . . . .
8
a) Ausprägung Nr. 1: § 90 Abs. 2 S. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . .
8
b) Ausprägung Nr. 2: § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 33 Abs. 1 Nr. 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
3. Ausweitung der Aufbewahrungspflichten und der Außenprüfungsbefugnisse bei hohen Überschusseinkünften . . . . . .
9
a) Erleichterte Außenprüfung bei hohen Überschusseinkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
b) Erweiterte Aufbewahrungspflicht bei hohen Überschusseinkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
III. Datenzugriff der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Elektronische Verprobungsmethoden – ELO, IDEA, EOSS, ZIVED und XPider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 11
a) ELO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
b) IDEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
c) EOSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) ZIVED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 12
e) XPider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 XIII
Inhaltsverzeichnis Seite
2. Statistische Verprobungsverfahren (Chi-Quadrat-Test, Benford’s Law) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Chi-Quadrat-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
b) Benford’s Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
IV. Tatverdacht bei Dritten in Folge von Kontrollmitteilungen . . . V. Internationale Kontrollmitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 14
VI. Mitteilungen durch das Veranlagungsfinanzamt . . . . . . . . . . .
15
VII. Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern über ausländische Firmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
VIII. Banken als Informationsquellen der Finanzverwaltung . . . . . .
13
1. Automatisierter Abruf von Kontoinformationen . . . . . . . . .
15 16
a) Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
b) Inhalt des Datenabrufsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
c) Organisation des Zugriffs und Vorgehen der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2. Gefährdungsanalyse zur Verhinderung betrügerischer Handlungen – Konten-Screening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontenabrufverfahren für steuerliche Zwecke . . . . . . . . . .
18
17
4. Kontenabrufverfahren für nichtsteuerliche Zwecke . . . . . .
19
5. Informationspflicht nach der EU-Zinsrichtlinie . . . . . . . . . a) Automatisierter Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . .
19 19
b) Sonderregelungen für Luxemburg und Österreich . . . . . .
20
IX. Steuerabkommen Deutschland – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . .
21
1. Ziel des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2. Das Abkommen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
3. Nachbesteuerung in der Vergangenheit unversteuerter Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
4. Künftige Besteuerung von Kapitalerträgen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
5. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
X. Einleitung des Steuerstrafverfahrens in Folge einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Mitteilungspflicht von Gerichten und Behörden . . . . . . . . . . .
25 26
1. Mitteilungspflicht in Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
2. Anzeigepflicht in Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
3. Mitteilungspflicht von Rundfunkanstalten über Honorarzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitteilungspflicht in Erbfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
XIV
28
Inhaltsverzeichnis Seite
5. Erwerb von Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
6. Barmittel- und Bargeldkontrolle mit Drittländern und innerhalb der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
a) Überwachung des Barmittelverkehrs an den Außengrenzen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
b) Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs innerhalb der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ermittlungen gegen Bankmitarbeiter wegen Beihilfe . . . .
32 33
8. Aufdeckung in Folge der Mitteilungspflicht nach dem GeldwäscheG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
9. Mitteilungspflicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
XII. Mitteilungspflicht von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . .
36
XIII. Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörden bei Banken . XIV. Chiffre-Anzeigen als Anlass für Fahndungsmaßnahmen . . . .
36 37
XV. Anzeigen durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
1. Anonyme Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2. Rachemaßnahmen gekündigter Mitarbeiter sowie in Scheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streitigkeiten zwischen den Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 39
XVI. Aufdeckung von Steuerhinterziehung in Folge von Bankdaten-CDs sowie in Erpressungsfällen . . . . . . . . . . . . . .
40
1. Erpressung durch indiskrete Mitarbeiter von Kreditinstituten und Treuhändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
2. Kauf von Bankdaten-CDs durch den Staat . . . . . . . . . . . .
40
XVII. Kontrollen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz . . .
42
XVIII. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige A. Beratungspflicht des steuerlichen Beraters . . . . . . . . . . . . . .
43
B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
I. Anlass für eine Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umgehung der Selbstanzeige durch Umgestaltung der Anlageform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 46
III. Straffreiheit nur für Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . .
46
IV. Form der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 XV
Inhaltsverzeichnis Seite
V. Inhalt der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
VI. Beschaffung von Unterlagen, insb. in Fällen der gestuften Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
VII. Zu berichtigender Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
VIII. Adressat der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49 50
X. Nachzahlung der verkürzten Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
XI. Kein Schutz vor Ermittlungen der Finanzbehörde . . . . . . . . . .
51
XII. Vermeidung einer Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
XIII. Schweigerecht des betroffenen Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . .
52
C. Folgen einer Steuerhinterziehung – Strafmaß . . . . . . . . . . . . . D. Nebenfolgen einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52 53
E. Selbstanzeige ist keine Strafverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
F. Abzugsfähigkeit der Beratungskosten und Honorarfragen . . . . I. Steuerliche Abzugsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54
II. Übernahme der Kosten durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
III. Höhe des Vergütungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
1. Vergütung des Rechtanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
2. Vergütung des Steuerberaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Für die Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 56
b) Für das Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO A. Systematik und Regelungsgehalt der Berichtigungstatbestände
59
B. Rechtfertigung und Zweck der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . .
60
I. Ausnahme oder Fremdkörper im System des Strafrechts . . . . . II. Gründe und Zweck der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60 61
1. Steuerpolitische Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
2. Kriminalpolitische Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
3. Strafprozessuale Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
4. Doppelfunktionale Zielsetzung nach BGH . . . . . . . . . . . . .
63
C. Rechtsnatur der Selbstanzeige – Persönlicher Strafaufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
D. Anwendungsbereich der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
I. Strafbefreiende Wirkung für Steuerhinterziehung . . . . . . . . . .
65
XVI
Inhaltsverzeichnis Seite
II. Keine strafbefreiende Wirkung für sonstige Straftaten . . . . . . . . .
67
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
I. Überblick über die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 bis 3 AO . .
68
II. Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69
2. Anforderungen an eine Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
3. Form der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
a) Schriftlich oder mündlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
b) Abgabe einer Jahressteuererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
4. Inhalt der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notwendiger Inhalt und Maßstab der Bestimmung des Umfangs der Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
b) Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen . . . . . . . . . . . . . . .
79
aa) Ursprüngliche Rechtsansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
bb) Rechtsansicht nach dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
(1) Auslegung nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO . .
80
74
(2) Auslegung nach Sinn und Zweck des § 371 AO . . . . .
81
(3) Fristgerechte Nachzahlung als Argumentation . . . . . .
82
(4) Beispiel einer unwirksamen Teilselbstanzeige nach BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
(5) Beispiele zum Beschluss des BGH . . . . . . . . . . . . . . . .
82
(6) Kritik an dem Beschluss des BGH . . . . . . . . . . . . . . . .
83
cc) Rechtslage nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
85
(1) Überblick über die Änderungen der Selbstanzeige . . . . (2) Begründung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes . . .
85 86
(a) Problem und Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
(b) Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 88
(3) Abschaffung der Teilselbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . .
88
(a) Änderung von Absatz 1 des § 371 AO . . . . . . . . . . . . .
88
(aa) Unwirksamkeit der Teilselbstanzeige . . . . . . . . . . . . .
88
(bb) Kritik/Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
(b) Ursprünglich geplante Änderung von Absatz 2 des § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
XVII
Inhaltsverzeichnis Seite
(c) Art. 97 § 24 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Wiederholung einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
dd) Dolose Teilberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
ee) Erneute Unrichtigkeiten in der Selbstanzeige . . . . . . . . . c) Einzelfragen zum Inhalt einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . .
97 97
aa) Motive des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
bb) Anzeige der Quelle der verschwiegenen Einkünfte . . . . .
98
cc) Angaben über die steuerlichen Verhältnisse Dritter . . . .
98
93
dd) Schätzung auf Grund mangelhafter Buchführung . . . . . .
99
ee) Gestufte Selbstanzeige in Eiltfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Schätzung bei der Berichtigung von Kapitaleinkünften . .
101 105
gg) Zum Inhalt einer Selbstanzeige betreffend Stiftungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106
(1) Merkmale der unselbständigen Treuhandstiftung und der selbständigen Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
(2) Unselbständige Treuhandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
(a) Ertragsteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
(b) Schenkungsteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
(3) Selbständige Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
(a) Ertragsteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vermögensübertragungen an die Stiftung . . . . . . . . . . . .
108
(bb) Besteuerung der laufenden Einkünfte der Stiftung . . . . .
109
(aaa) Auf der Ebene der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bbb) Auf der Ebene des Stifters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109 109
(cc) Besteuerung von Auskehrungen aus der Stiftung . . . . . .
109
(b) Erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung . . . . .
110
(aa) Vermögensübertragungen an die Stiftung . . . . . . . . . . . .
110
(bb) Die Besteuerung der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
(cc) Auskehrungen von Vermögen aus der Stiftung . . . . . . . . (dd) Die Auflösung der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 110
hh) Verschulden am Unvermögen der Richtigstellung der Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
ii) Nachholung unterlassener Angaben in einem anderen Veranlagungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
jj) Pflichtwidrige Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
XVIII
108
Inhaltsverzeichnis Seite
5. Zeitlicher Umfang der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
a) Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
b) Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung durch Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
c) Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116 116
6. Person des Anzeigenerstatters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Täter oder Teilnehmer als Anzeigenerstatter . . . . . . . . . .
116
b) Vertretung bei Erstattung einer Selbstanzeige . . . . . . . . . .
117
aa) Vertreter ohne Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offene Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 119
cc) Verdeckte Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
c) Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
7. Adressat der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120
8. Widerruf der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
III. Fristgerechte Nachzahlung der hinterzogenen Steuer . . . . . . . . . 1. Nachzahlung als Voraussetzung zur Erlangung von Straffreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122 123
2. Nachzahlungspflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
a) Nachzahlung eigener Steuerschulden . . . . . . . . . . . . . . . .
124
b) Nachzahlung fremder Steuerschulden . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil . . . . . . . . . . . .
125
bb) Angeeigneter Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
3. Nachzuzahlender Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachzahlung der „hinterzogenen Steuern“ . . . . . . . . . . . .
129 129
124
b) Höhe des nachzuzahlenden Betrages . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
4. Nachzahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
132
a) Zweck und Rechtsnatur der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . .
132
b) Erfordernis der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
c) Bemessungsgrundsätze zur Bestimmung der Nachzahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135
d) Die zuständige Stelle zur Bestimmung der Nachzahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
e) Wirksamwerden der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkung des Fristablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141 141
6. Rechtsbehelfe und Rechtsweg im Zusammenhang mit der Nachzahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 XIX
Inhaltsverzeichnis Seite
a) Rechtsbehelf gegen die Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . .
143
b) Rechtsbehelf gegen die Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
7. Die Zahlung der verkürzten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
a) Zahlung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
b) Zahlungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
c) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterlassen der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
e) Auswirkung der Insolvenzanfechtung auf die Strafbarkeit
147
f) Wirkung einer Teilzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
aa) Straffreiheit in Höhe der nachentrichteten Steuer . . . . bb) Geänderte Rechtsauffassung des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
cc) Überblick über die Änderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
148
dd) Anrechnung auf die lästigste Steuerschuld . . . . . . . . .
148 149
IV. Ausschluss der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
1. Aufbau, Wirkung und Grundgedanke der Regelung . . . . . . . .
150
a) Aufbau der Ausschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
b) Wirkung der Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
c) Grundgedanke zu den Ausschlussgründen . . . . . . . . . . . . 2. Sperrwirkung durch Bekanntgabe der Prüfungsanordnung . . .
152
a) Einführung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz . . .
152
b) Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152 153
d) Prüfungsanordnung nach § 196 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
aa) Zweck der Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
bb) Form und Begründung der Prüfungsanordnung . . . . . .
154
XX
151
cc) Inhalt der Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
(1) Prüfungssubjekt und Inhaltsadressat . . . . . . . . . . . . . . (a) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156 157
(b) Personenmehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157
(c) Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sachlicher und zeitlicher Prüfungsumfang . . . . . . . . .
158 158
(3) Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
158
dd) Folge einer fehlerhaften oder fehlenden Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
158
Inhaltsverzeichnis Seite
(1) Nichtige Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
158
(2) Rechtswidrige Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160
e) Bekanntgabe der Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
aa) Bekanntgabe nach § 197 Abs. 1 S. 1 und 3 AO . . . . . . . . . .
161
bb) Bekanntgabe nach § 122 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
(1) Inhalt des § 122 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begriff der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161 162
(a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162
(b) Abgabe der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162 163
(3) Form der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
(4) Bekanntgabeadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
(a) Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
(b) Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Fehler bei der Bekanntgabe, Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . .
166 168
cc) Zeitpunkt der Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte nach § 122 Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
f) Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
aa) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung – Adressat der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
(1) Sperrwirkung beim Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
(a) Allgemeine Ausführungen zum Begriff . . . . . . . . . . . . . . .
171
(b) Einzelfälle der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung . . . . .
172
(aa) Sperrwirkung bei Betrieb, Betriebsinhaber und gesetzlichen Vertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
(bb) Prüfung bei einem Steuerpflichtigen mit mehreren Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
(cc) Sperrwirkung für tatbeteiligte Betriebsangehörige . . . . . . .
173
(dd) Keine Sperrwirkung für ausgeschiedene und externe Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
(ee) Sperrwirkung bei Prüfung einer Gesellschaft für die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
(2) Bekanntgabe gegenüber dem „Vertreter“ . . . . . . . . . . . . . .
175
bb) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . .
175
(1) Reichweite der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
(2) Sperrwirkung bei rechtswidriger Prüfungsmaßnahme . . . . (a) Beschluss des BGH vom 16.6.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176 176 XXI
Inhaltsverzeichnis Seite
(b) Beschluss des BayObLG vom 23.1.1985 . . . . . . . . . . . . .
177
(c) Kontroverse Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . .
178
cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . .
179
g) Selbstanzeige nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung . . .
180
aa) Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
bb) Wirksame Selbstanzeige im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
cc) Verunglückte Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
h) Wiederaufleben der Berichtigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . .
181
3. Sperrwirkung durch Bekanntgabe der Einleitung des Strafoder Bußgeldverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182
a) Einleitung des Straf- und Bußgeldverfahrens . . . . . . . . . . . . .
183
aa) Einleitung des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
(1) Zuständigkeit für die Einleitung des Strafverfahrens . . .
184
(2) Einleitende Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
bb) Einleitung des Bußgeldverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens . . . . . . . . .
188
aa) Amtliche Mitteilung über die Einleitung des Steuerstrafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
bb) Form der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens
189
(1) Bekanntgabe mittels Postzustellungsurkunde . . . . . . . . (2) Öffentliche Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
(3) Eindeutige Amtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190
(a) Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen . . . . . . (b) Beschlagnahme von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190 191
187
189
(c) Vorläufige Festnahme und verantwortliche Vernehmung
191
(d) Überprüfung einer Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
cc) Anforderungen an den Inhalt der Mitteilung . . . . . . . . . .
192
c) Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
aa) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung – Adressat der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
(1) Einleitung gegenüber dem „Täter“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
(a) Allgemeine Ausführungen zum Begriff . . . . . . . . . . . . . .
193
(b) Einzelfälle der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194
(aa) Durchsuchungsbeschluss nach § 102 StPO – hinreichend konkrete Tatbeschreibung erforderlich . . . . . . . . .
194
XXII
Inhaltsverzeichnis Seite
(bb) Durchsuchungsbeschluss gegen unbestimmten Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Keine Sperrwirkung gegenüber Betriebsangehörigen . . . .
195
(dd) Keine Sperrwirkung gegenüber externen Mitarbeitern . .
195
(ee) Sperrwirkung bei Ermittlungen im Bankenbereich . . . . . (2) Bekanntgabe gegenüber dem „Vertreter“ . . . . . . . . . . . .
196 196
bb) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . .
197
194
cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . .
201
d) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit . . . . . . . . . . . .
201
4. Sperrwirkung durch Erscheinen eines Amtsträgers zur Prüfung oder Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
a) Amtsträger der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
b) Erscheinen des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
c) Ort des Erscheinens des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209
aa) Prüfung in den Geschäfts- und Wohnräumen . . . . . . . . .
209
bb) Prüfung an Amtsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweck des Erscheinens – Zur Prüfung bzw. zur Ermittlung .
211
aa) Prüfungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
bb) Gegenstand der Prüfung des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . (1) Steuerliche Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
213 213
(2) Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
e) Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
aa) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . .
218
(1) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung bei einer steuerlichen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Sperrwirkung bei Täter und Teilnehmer . . . . . . . . . . . . .
218 218
(b) Sperrwirkung bei Betrieb, Betriebsinhaber und gesetzlichen Vertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
(c) Prüfung bei einem Steuerpflichtigen mit mehreren Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
(d) Sperrwirkung für tatbeteiligte Betriebsangehörige . . . . .
219
(e) Keine Sperrwirkung für ausgeschiedene und externe Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
(f) Sperrwirkung bei Prüfung einer Gesellschaft für die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220
(2) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung bei einer Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit .
220
210
XXIII
Inhaltsverzeichnis Seite
bb) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . .
221
(1) bei der steuerlichen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221
(2) bei Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221
f) Selbstanzeige nach Erscheinen eines Amtsträgers . . . . . . . . .
cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . .
221 222
aa) Wirksame Selbstanzeige im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222
bb) Verunglückte Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222
g) Wiederaufleben der Berichtigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . 5. Sperrwirkung durch Entdeckung der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222 222
a) Die Entdeckung der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224
aa) Konkretisierung des Tatverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224
bb) Erfordernis der eigenen Wahrnehmung durch den Entdecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226
cc) Erfassung der Tat in ihrer steuerstrafrechtlichen Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Tatentdeckung infolge rechtswidriger Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227 228
ee) Einzelfälle zur Tatentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228
(1) Entdeckung bei unterlassener Steuererklärung . . . . . . . .
228
(2) Entdeckung bei Kontrollmitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entdeckung bei Bankermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
(4) Entdeckung auf Grund einer angekauften Bankdaten-CD
231
(a) Tatentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
(b) Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Tatentdeckung bei den Mitarbeitern der Geldinstitute und bei Steuerberatern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Entdeckung bei Grenzkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
233 237 238
b) Gegenstand der Entdeckung: „eine Steuerstraftat“ . . . . . . . .
239
aa) Begriff der Steuerstraftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239 240
c) Identifizierung des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240
d) Person des Entdeckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
aa) Entdeckung durch Amtsträger sonstiger Behörden . . . . .
241 243
bb) Entdeckung durch Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIV
Inhaltsverzeichnis Seite
e) „Kenntnis“ um die Tatentdeckung bzw. „Rechnen müssen“ mit der Tatentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kenntnis von der Tatentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . .
245
bb) Rechnen-Müssen mit der Tatentdeckung . . . . . . . . . . .
245
(1) Bestimmung des Begriffs „Rechnen müssen“ . . . . . . . . (2) Widerlegbare Beweisregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 247
f) Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
244
aa) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . .
247
bb) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . .
248
cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . .
248
g) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit . . . . . . . . . . 6. Sperrwirkung bei Steuerverkürzung ab 50 000 Euro je Tat . . .
249 250
a) Einführung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz . . .
250
b) Überblick über die Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überschreiten des Betrages von 50 000 Euro je Tat . . . .
252 252
bb) Materielle Tat als Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
c) Absehen von Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
bb) Eigenständige Selbstanzeige des Teilnehmers . . . . . . . cc) Rechtsnatur und Rechtscharakter . . . . . . . . . . . . . . . .
254 255
dd) Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
V. Folgen der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
1. Einleitung eines Steuerstrafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
a) Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach erfolgter Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrenseinstellung bzw. Freispruch . . . . . . . . . . . . . . . .
256 260
c) Nichtahndung der Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . .
260
d) Ahndungsrückgriff auf subsidiäre Steuerordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261 261
aa) Rückgriff auf § 379 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rückgriff auf § 380 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262
2. Folgen im Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262
a) Verlängerung der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand der Festsetzungsverjährung . . . . . . . . . . . .
262 262
bb) Dauer der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
cc) Wahrung der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
dd) Beginn der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263 XXV
Inhaltsverzeichnis Seite
ee) Ablaufhemmung bei Ermittlung der Steuerfahndung . . . . .
264
ff) Ablaufhemmung bei Erstattung einer Anzeige . . . . . . . . . .
265
b) Verzinsung von Steuernachforderungen – Vollverzinsung . . . .
266
aa) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
bb) Beginn des Zinslaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
(1) Beginn des Zinslaufs bei Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beginn des Zinslaufs bei Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . .
267 268
(3) Beginn des Zinslaufs bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268
(4) Besonderheit in Erstattungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268
cc) Ende des Zinslaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Höhe und Berechnung der Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268 270
ee) Bemessungsgrundlage für den Zinsanspruch . . . . . . . . . . .
271
(1) Erstmalige Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
(2) Unterschiedsbetrag bei Nachforderungszinsen (Grundsatz der Sollverzinsung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterschiedsbetrag in Erstattungsfällen (Ist-Verzinsung) . .
272
271
(4) Berücksichtigung freiwilliger Zahlungen . . . . . . . . . . . . . .
272
ff) Festsetzung der Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
gg) Verhältnis der Steuerzinsen nach § 233a AO zu anderen steuerlichen Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhältnis zum Verspätungszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
(2) Verhältnis zu Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
(3) Verhältnis zu Säumniszuschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verhältnis zu Prozesszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274 276
274
(5) Verhältnis zu Stundungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
(6) Verhältnis zu Aussetzungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
hh) Rechtsbehelf gegen den Zinsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . .
277
c) Festsetzung von Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
aa) Aufbau, Gegenstand und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278 278
cc) Verzinsung hinterzogener Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
dd) Schuldner der Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zinslauf bei den Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . .
280 281
(1) Beginn des Zinslaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281
(2) Ende des Zinslaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281
XXVI
Inhaltsverzeichnis Seite
ff) Nichterhebung von Zinsen bei verwirkten Säumniszuschlägen, Stundung oder Aussetzung der Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281
gg) Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Ende des Zinslaufs . . . . . . . . . . . . .
282
hh) Höhe der Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . .
282
ii) Festsetzung der Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . jj) Verjährung der Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . .
282 282
kk) Anrechnung von Zinsen nach § 233a AO . . . . . . . . . .
282
ll) Beispiel für eine Zinsberechnung für Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283
d) Haftung des Vertretenen und des Steuerhinterziehers . . . . aa) Haftung des Vertretenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284 284
bb) Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284
(1) Gegenstand der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284
(2) Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei . . . . . . . . . . (3) Haftung von Täter und Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . .
285 285
(4) Feststellung der Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
(5) Umfang der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
3. Außerstrafrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
a) Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
aa) Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
bb) Mitteilung der Selbstanzeige an Dienstvorgesetzte . .
287
b) Rechts- und steuerberatende Berufe – Mitteilung an die Kammern über Berufspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . c) Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288 290
d) Bankvorstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
e) Gewerbeuntersagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
f) Sonstige gewerberechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . .
291
g) Passwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291 292
1. Verhältnis zum Rücktritt vom Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
2. Verhältnis zur Berichtigung nach § 153 AO . . . . . . . . . . . . . .
292
3. Verhältnis zur Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . .
293
XXVII
Inhaltsverzeichnis Seite
4. Verhältnis zum Subventionsbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
5. Verhältnis zu § 4 Abs. 2 EStG und Art. 65 ZK . . . . . . . . . . . .
293
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO A. Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung . . . . . . .
295
I. Entstehungsgeschichte der Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296
II. Zweck der Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung . . .
296
III. Rechtsnatur der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendungsbereich der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297 297
B. Anforderungen an die Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . .
298
I. Voraussetzungen der Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . .
298
II. Positive Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige . . . . .
298
1. Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
a) Anforderungen an eine „Berichtigung“ . . . . . . . . . . . . . . . b) Form der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
c) Inhalt der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
d) Person des Anzeigeerstatters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fristgerechte Nachzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302 302
III. Negative Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
IV. Bußgeldfreiheit im Falle der Berichtigung nach § 153 AO . . . . .
303
V. Folgen der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303
1. Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfolgungsverjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304
3. Verlängerung der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304
4. Festsetzung von Hinterziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . .
304
299
303
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO A. Sinn und Zweck der Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . .
305
B. Rechtsentwicklung der Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . .
306
C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306
I. Berichtigungspflichtige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306
1. Steuerpflichtiger i.S.d. Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . a) Steuerpflichtige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
307
XXVIII
307
Inhaltsverzeichnis Seite
b) Nicht Steuerpflichtige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308
2. Berichtigungspflichtige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
a) Gesamtrechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
aa) Berichtigungspflicht der Gesamtrechtsnachfolger . .
309
bb) Anzeige- und Berichtigungspflicht im Erbfall . . . . . .
310
b) Gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313
c) Keine Berichtigungspflicht für rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter und Hilfspersonen, insb. Steuerberater . . . . . . 314 II. Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung 317 III. Unrichtige oder unvollständige Steuererklärung . . . . . . . . . . . 318 IV. Verkürzung von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
1. Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
2. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
V. Nachträgliche Erkenntnis des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . .
321
VI. Erkenntnis vor Ablauf der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . VII. Unverzügliche Anzeige und erforderliche Richtigstellung . . . .
324
VIII. Folgen der Berichtigungsanzeige sowie Folgen der Verletzung der Berichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
1. Steuerliche Folgen einer Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
a) Zahlung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Verspätungszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
327
c) Zwangsmittelverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
327
2. Straf- und bußgeldrechtliche Folgen einer Berichtigung . . . IX. Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG . . .
328 329
323
326
X. Folgen der Erbschaftsteuererklärung nach § 31 ErbStG . . . . . .
330
D. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
330
I. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
II. Begriff der Steuervergünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
III. Voraussetzung der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgen der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332 333
E. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
XXIX
Inhaltsverzeichnis
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO Seite
A. Allgemeines zur strafbefreienden Fremdanzeige . . . . . . . . . . .
335
I. Systematik des § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
II. Regelungsgehalt der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
III. Zweck der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
337
IV. Rechtsnatur der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abgrenzung der Fremdanzeige von der Selbstanzeige . . . . . . . .
337 338
B. Voraussetzungen der strafbefreienden Fremdanzeige . . . . . . . .
338
I. Berichtigungspflicht gem. § 153 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anzeigepflichtiger Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
338 338
2. Sonstige Voraussetzungen der Anzeige nach § 153 AO . . . .
339
II. Anzeige i.S.v. § 371 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
1. Rechtzeitige Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
2. Ordnungsgemäße Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
III. Ausschluss der strafbefreienden Fremdanzeige . . . . . . . . . . . .
342
IV. Nachzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342
C. Wirkung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Restriktive Auslegung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . .
342 343
1. Auslegung nach dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 31.1.1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343
2. Auslegung nach Schauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
II. Erweiternde Auslegung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegung nach Samson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346 346
2. Auslegung nach Joecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
III. Gestaltungsmöglichkeiten durch die Fremdanzeige . . . . . . . . .
347
341
D. Analoge Anwendung der Fremdanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
E. Fortfall der Anzeige- und Berichtigungspflicht . . . . . . . . . . . .
348
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
XXX
Abkürzungsverzeichnis
a.A. aaO ABl. abl. Abs. AbwG AEAO a.F. AFG AG AktG Alt. amtl. ÄndG Anm. AnwBl. AO AO-StB AOStrafÄndG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt ablehnend Absatz Abwassergesetz Anwendungserlass zur Abgabenordnung alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft/Amtsgericht Aktiengesetz Alternative amtlich Änderungsgesetz Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Der AO-Steuerberater Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze v. 10.8.1967 (BGBl. I, 877) 2. AOStrafÄndG Zweites Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze v. 12.8.1968 (BGBl. I, 953) Art. Artikel AStBV Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) AStG Außensteuergesetz AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage ausf. ausführlich BaFin BÄO BayObLG BayOblGSt. BB BBG Bd. BDG Begr. BergPG Beschl.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesärzteordnung Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Bundesdisziplinargesetz Begründung Bergmannsprämiengesetz Beschluss XXXI
Abkürzungsverzeichnis
BFH BFHE BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BMF BpO BR BRAK BRAO BR-Drucks. BRRG BStBl. BT BT-Drucks. Buchst. BuStra BVerfG BVerfGE bzgl. BZRG BZSt. bzw.
Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlicher nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Finanzen Betriebsprüfungsordnung Bundesrat Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Drucksachen des Deutschen Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessteuerblatt (Teil I-III) Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestages Buchstabe Bußgeld- und Strafsachenstelle Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich Bundeszentralregistergesetz Bundeszentralamt für Steuern (ehemals BfF) beziehungsweise
ca. CpD-Konto
circa Conto-pro-Diverse
DB DBA d.h. Diss. DRiG DRiZ Drucks. DStR
Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen das heißt Dissertation Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsches Steuerrecht oder Deutsche Steuer-Rundschau Deutscher Steuerberaterverband e.V. Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe A und B Durchführungsverordnung
DSTV DStZ/A und B DVO EAO EFG XXXII
Entwurf einer Abgabenordnung 1974 (BT-Drucks. VI/1982) Entscheidungen der Finanzgerichte
Abkürzungsverzeichnis
EFTA EG EGAHiG
EGAO EGGVG EigZulG EinfG EinfGRealStG ELO EOSS ErbStDV ErbStG EStDV EStG EU EWG
Europäische Freihandelszone Einführungsgesetz oder Europäische Gemeinschaften Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchsteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien (EG-Amtshilfe-Gesetz) Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Eigenheimzulagengesetz Einführungsgesetz, s. auch EG Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen Elektronischer Leitz Ordner Evolutionär orientierte Steuersoftware Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f. FG FGO FinMin./FM Fn FR FVG
folgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzminister/ium Fußnote Finanz-Rundschau Gesetz über die Finanzverwaltung
GastG GBl. GbR gem. GenG GewO GewStG GG
Gaststättengesetz Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.5.1949 (BGBl. 1949 I 1) gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau grundsätzlich Grunderwerbsteuergesetz Grundsteuergesetz Gesetz-und Verordnungsblatt
ggf. GmbH GmbHG GmbHR grds. GrEStG GrStG GVBl.
XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
GVG GWG
Gerichtsverfassungsgesetz Geldwäschegesetz
Hess. HGB HHSp. h.M. HöfeG HZA
Hessen Handelsgesetzbuch Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) herrschende Meinung Höfegesetz Hauptzollamt
i.d.R. i.Erg. i.H.v. INF insb. InsO i.R. i.S. IStR i.V.m.
in der Regel im Ergebnis in Höhe von Die Information über Steuer und Wirtschaft insbesondere Insolvenzordnung im Rahmen im Sinne Internationales Steuerrecht in Verbindung mit
JZ
Juristenzeitung
KG KGaA KiStG KiStRG
Kammergericht oder Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchensteuergesetz Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, andere Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften (Kirchensteuerrahmengesetz) Kölner Steuerdialog, hrsg. vom Arbeitskreis für Steuerrecht kritisch Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung Gesetz über das Kreditwesen
KÖSDI krit. KStG KStR KVStDV KWG LG LIFO LK
Landgericht Last In – First Out Leipziger Kommentar (Strafgesetzbuch), Großkommentar
MDR m.E. MinöStDV
Monatsschrift für Deutsches Recht mit Einschränkung Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung
XXXIV
Abkürzungsverzeichnis
MiStra MOG
mwN
Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4.11.1950 (Gesetz v. 7.8.1952, BGBl. II 685) mit weiteren Nachweisen
Nds. Nds. FG NdsGVBL NdsVBl n.F. NJW Nr. NStZ NStZ-RR NWB
Niedersachsen Niedersächsisches Finanzgericht Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Niedersächsisches Verwaltungsblatt neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ Rechtsprechungsreport Strafrecht Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht
OECD OFD OHG OLAF OLG OR-Geschäft OVG OWI OWiG
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Oberfinanzdirektion Offene Handelsgesellschaft Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung Oberlandesgericht Ohne Rechnung-Geschäft Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeit Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PassG PBefG Pkw PStR
Gesetz über das Passwesen Personenbeförderungsgesetz Personenkraftwagen Praxis Steuerstrafrecht
RA RAO RegE RennwettLottG RFH RG RGBl. RGSt. RiStBV Rn RReg. Rspr.
Rechtsanwalt Reichsabgabenordnung Regierungsentwurf Rennwett- und Lotteriegesetz Reichsfinanzhof Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Richtlinien für das Straf-und Bußgeldverfahren Randnummer(n) Reichsregierung Rechtsprechung
MRK
XXXV
Abkürzungsverzeichnis
RStBl. RVG
Reichssteuerblatt Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
S. s. SchwarzArbG SGB SK
sog. StA StB StBerG Stbg StBGebVO StBp. SteuerHBekV SteuerStud Steufa StGB Stpfl. StPO str. StraBEG StRK StrK st.Rspr. StuF StuW StV/StrafVert. StVBG
Seite siehe Schwarzarbeitsgesetz Sozialgesetzbuch Rudolphi/Horn/Samson, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1, Allgemeiner Teil; Bd. 2, Besonderer Teil (Loseblatt) Rudolphi/Frisch/Rogall/Schlüchter/Wolter, Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz (Loseblatt) so genannt(e) Staatsanwaltschaft Der Steuerberater Steuerberatungsgesetz Die Steuerberatung Steuerberatergebührenverordnung Die steuerliche Betriebsprüfung Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung Steuer und Studium Steuerfahndung Strafgesetzbuch Steuerpflichtiger Strafprozessordnung streitig Strafbefreiungserklärungsgesetz Steuerrechtsprechung in Karteiform Strafkammer ständige Rechtsprechung Steuern und Finanzen Steuer und Wirtschaft Der Strafverteidiger Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz
TabStG TKG TÜ Tz.
Tabaksteuergesetz Telekommunikationsgesetz Telefonüberwachung Textziffer
ua. U-Haft umstr. UmwG UmwStG UR
unter anderem Untersuchungshaft umstritten Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau
SK-StPO
XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
Urt. USt UStDV UStG usw. UWG
Urteil Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz und so weiter Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
v. V&S VermBG vgl. v.H. V&S VV RVG VwZG
vom/von Vermögen und Steuern Vermögensbildungsgesetz vergleiche von Hundert Vermögen und Steuern Vergütungsverzeichnis (Anhang zum RVG) Verwaltungszustellungsgesetz
WaffG WiGBl.
Waffengesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht weitere Nachweise Wohnungsbau-Prämiengesetz Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferordnung
wistra wN WoPG WpHG WPO z.B. ZfZ ZG zit. ZIVED ZK ZKF ZollG ZollVG ZPO zust. zutr.
zum Beispiel Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern s. ZollG zitiert Zentrale Informationsvermittlung aus externen Datenbanken Zollkodex Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zollgesetz Zollverwaltungsgesetz Zivilprozessordnung zustimmend zutreffend
XXXVII
Literaturverzeichnis
Weiterführende oder speziellere Literatur ist jeweils eingangs derjenigen Unterabschnitte aufgeführt, in welchen sie zitiert wird. Abramowski, Die strafbefreiende Selbstanzeige – eine verfassungswidrige Privilegierung? Frankfurt/Main 1991 Bilsdorfer/Weyand, Die Informationsquellen und -wege der Finanzverwaltung, 8. Aufl., Berlin 2009 von Briel/Ehlscheid, Steuerstrafrecht, 2. Aufl., Bonn 2001 (zitiert: von Briel/Ehlscheid) Ehlers/Lohmeyer, Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht einschließlich Verfahrensrecht, 5. Aufl., Stuttgart 1982 Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., München 2009 (zitiert: Bearbeiter in Franzen/Gast/Joecks) Götzenberger, Steueramnestie und neue Zinsbesteuerung, Herne/Berlin 2004 Gußen, Praxiswissen Steuerstrafrecht, Münster 2009 Hild/Hild, Im Fadenkreuz der Steuerfahnder, 3. Aufl., Freiburg i. Br., Berlin, München 2008 Hoffmann, Die Ausschlußtatbestände der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, Berlin, 1998 Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, Köln (zitiert: Bearbeiter in HHSp.) Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts: Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Berlin 1996 Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., München 2009 Kohlmann, Steuerstrafrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln (zitiert: Bearbeiter in Kohlmann) Kühn/von Wedelstädt, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 19. Aufl., Stuttgart 2008 Lammerding, Abgabenordnung und FGO, 15. Aufl., Achim 2005 Lammerding/Hackenbroch, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., Achim 2004 Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., Köln 2006 Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., München 2009 Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 3. Aufl., Heidelberg 2005 Randt, Der Steuerfahndungsfall, München 2004 XXXIX
Literaturverzeichnis
Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Kommentar, Loseblatt, München Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, Loseblatt, Freiburg (zitiert: Bearbeiter in Schwarz) Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, 2. Aufl., Bonn/Berlin 2004 Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, Bielefeld 2004 Streck/Spatscheck, Die Steuerfahndung, 4. Aufl., Köln 2006 Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, Köln (zitiert: Bearbeiter in Tipke/Kruse) Volk, Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, München 2006 Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl., München 2007 Wannemacher, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., Bonn/Berlin 2004 Wenzler, Die Selbstanzeige, Wiesbaden 2010 Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, Diss., München 1987 Zimmermann, Nachzahlung bei Selbstanzeige, Diss., Greifswald 2001
XL
1. Kapitel: Überblick über die Berichtigungstatbestände Berichtigungstatbestände hat der Gesetzgeber in den folgenden Bestimmungen geregelt:
1
– Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1–3 AO in den Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 AO, – Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO in den Fällen der leichtfertigen Verkürzung nach § 378 Abs. 1 AO, – Fremd- bzw. Drittanzeige nach § 371 Abs. 4 AO, – Berichtigungserklärung nach § 153 AO. Die Berichtigungstatbestände unterscheiden sich in ihren Rechtsfolgen. Führen die Berichtigungstatbestände der §§ 371 Abs. 1 bis 3, 378 Abs. 3 und 371 Abs. 4 AO zur Straf- bzw. Bußgeldbefreiung, ergänzt die Berichtigungspflicht nach § 153 AO eine steuerliche Pflicht, die für den Fall, dass man ihr nicht nachkommt, zu einer Steuerhinterziehung führen kann.
2
Die Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1–3 AO ermöglicht dem Täter oder Teilnehmer an einer vollendeten oder versuchten Steuerhinterziehung in den Fällen des § 370 AO Straffreiheit zu erlangen. Die steuerliche Selbstanzeige stellt damit im deutschen Strafrecht ein einmaliges Instrument zur Erlangung von Straffreiheit dar. Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige im Fall der vollendeten oder versuchten Steuerhinterziehung hängt von der nachträglichen Berichtigung bzw. Ergänzung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben bzw. von der Nachholung unterlassener Angaben (§ 371 Abs. 1 AO) und im Fall der vollendeten Steuerhinterziehung von der fristgemäßen Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer ab (§ 371 Abs. 3 AO). Nach § 371 Abs. 2 AO ist die Straffreiheit ausgeschlossen, wenn vor der Berichtigung dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist, wenn ihnen die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist, wenn bei dem Anzeigenerstatter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist, wenn die Tat bereits entdeckt ist und der Anzeigenerstatter dies wusste oder damit rechnen musste oder wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50 000 Euro je Tat übersteigt. In den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat gem. § 398a AO abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und einen Geldbetrag in Höhe von fünf Prozent der hinterzogenen Steuern zu Gunsten der Staatskasse zahlt.
3
1
1. Kapitel: Überblick über die Berichtigungstatbestände
4
Entsprechend § 371 AO bei der Steuerhinterziehung ist auch für die leichtfertige Verkürzung gemäß § 378 Abs. 3 AO die Möglichkeit einer Selbstanzeige vorgesehen, mit der Täter oder Teilnehmer die Verhängung einer Geldbuße abwenden können, sofern sie eine Berichtigungserklärung vor der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens abgeben und die verkürzten Steuern fristgerecht nachzahlen.
5
§ 371 Abs. 4 AO normiert die strafrechtliche Wirkung einer Anzeige nach § 153 AO zugunsten Dritter, die ihre steuerrechtlichen Erklärungspflichten verletzt haben. Wird die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt.
6
Von der Selbstanzeige zu unterscheiden ist die Nacherklärung gem. § 153 AO. Während § 371 AO eine vorsätzliche Steuerverkürzung voraussetzt, trifft die Nacherklärungspflicht denjenigen, der nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist (vgl. § 169 AO) feststellt, dass ohne eine Steuerhinterziehung frühere Erklärungen unbewusst falsch waren. § 153 Abs. 1 AO ergänzt die §§ 149, 150 AO, wonach die Verpflichtung besteht, die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 S. 1 AO). Führt die Selbstanzeige nach § 371 AO durch die Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer bei einer vollendeten oder versuchten Steuerhinterziehung nach § 370 AO zur Straffreiheit, normiert § 153 AO in seinen drei Absätzen drei unterschiedliche Erklärungspflichten. Abs. 1 verpflichtet den Steuerpflichtigen und die übrigen dort Genannten bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) zur Anzeige und Berichtigung von Erklärungsfehlern, wenn sie nach Abgabe der Steuererklärung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennen. Abs. 2 regelt die Anzeigepflicht für die Fälle, in denen nachträglich Tatsachenveränderungen bei Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder sonstigen Steuervergünstigungen eintreten. Abs. 3 betrifft den Spezialfall der zweckwidrigen Verwendung von Waren, für die eine Verbrauchsteuervergünstigung gewährt worden ist.
2
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen Literatur: Bilsdorfer/Weyand, Die Informationsquellen und -wege der Finanzverwaltung, 8. Aufl., Berlin 2009; Müller, Wodurch wird ein Einschreiten der Steuerfahndung ausgelöst?, Stbg 2003, 469; Müller, Beratungshinweise vor Erstattung einer Selbstanzeige, StBp 2002, 356; Randt, Der Steuerfahndungsfall, München 2004, S. 4–6, 44–53, 163–210.
A. Erforschungspflicht der Steuerfahndung Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung sind in § 208 AO geregelt. Die Steuerfahndung besitzt nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers1 sowohl eine steuerstrafrechtliche (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) als auch eine steuerrechtliche Aufgabe (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. 3 AO). Die wesentliche Aufgabe der Steuerfahndung besteht in der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). Die Befugnisse der Steuerfahndung ergeben sich aus §§ 404, 410 Nr. 9 AO und §§ 385 Abs. 1, 410 Abs. 1 AO i.V.m. § 163 Abs. 1 StPO, §§ 46, 53 OWiG.
7
Û
8
Hinweis: Da im Steuerstrafverfahren das Legalitätsprinzip gilt (§§ 385 Abs. 1 AO, §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO), ist die Finanzbehörde zur Einleitung eines Strafverfahrens verpflichtet, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat besteht. Da sich Ermittlungshandlungen der Finanzbehörden häufig ankündigen, können mit einer gründlichen Analyse des jeweiligen Einzelfalles unliebsame Fahndungsmaßnahmen vermieden werden. Aufgabe des steuerlichen Beraters ist es, die Anlässe für Fahndungsmaßnahmen zu kennen.
B. Anlässe zur Selbstanzeige Der Steuerpflichtige wird regelmäßig von der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige erst bei drohender Tatentdeckung Gebrauch machen. Auch wenn die Steuerfahndungsmaßnahmen den Steuerpflichtigen überraschen, so gibt es bei genauer Betrachtung sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für den Berater einen erkennbaren Anlass. Um auf die Fahndungsmaßnahmen der Steuerfahndungsdienststellen optimal vorbereitet zu sein, ist es erforderlich, die Anlässe für Fahndungsmaßnahmen zu kennen. Die Prüfung der Notwendigkeit einer Selbstanzeige erscheint in folgenden Fallkonstellationen besonders dringlich:
1 BT-Drucks. V/1812, S. 21.
3
9
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
I. Tatverdacht in Folge einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen 10
Häufig nimmt die Steuerfahndung die Ermittlungstätigkeit auf, wenn sie von dem Betriebsprüfer im Rahmen einer Betriebsprüfung bei dem Steuerpflichtigen von dem Verdacht einer Steuerhinterziehung Kenntnis erlangt. Der Betriebsprüfer ist gem. § 10 Abs. 1 S. 1 BpO verpflichtet, die zuständige Buß- und Strafsachenstelle zu unterrichten, wenn sich während einer Außenprüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat (§ 369 AO) bzw. eine einer Steuerstraftat gleichgestellten Straftat (vgl. Nr. 19 AStBV) ergeben. Ein Tatverdacht beim Betriebsprüfer kann insbesondere aufgrund folgender Feststellungen begründet sein: – Differenzen beim Rohgewinnaufschlag zu Werten der Richtsatzsammlung und zu den Vorjahren und zu Vergleichsbetrieben, – nicht gebuchte Betriebseinnahmen, – nicht gebuchte Betriebsausgaben wie Wareneinkäufe, Kosten, Löhne, wenn damit zusammenhängende Betriebseinnahmen nicht erklärt werden, – nicht bilanzierte Forderungen, – nicht vorlegbare Registrierkassenstreifen oder Bankbelege, – nicht erklärbare Geldverwendungen, – Vermögenszuwächse, die vom Steuerpflichtigen beispielsweise mit Spielbankgewinnen, Darlehen von Verwandten oder ausländischen Personen (Geschäftspartnern oder Privatpersonen) erklärt werden, – fingierte oder gefälschte Ausgabenbelege bzw. Eingangsrechnungen und Eigenbelege über in Wirklichkeit nicht oder nicht in der angegebenen Höhe oder nicht für den angegebenen Zweck entstandene Betriebsausgaben, – zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichende ungebundene Privatentnahmen, wenn der Steuerpflichtige ein nur geringes Einkommen in der Steuererklärung anführt, dennoch privat ein Luxusauto, wie z.B. einen Ferrari oder Lamborghini fährt, – zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuerabzüge, – lohnsteuerlich nichterfasste Arbeitskräfte, – Verstoß gegen die lohnsteuerlichen Pauschalierungsvorschriften bei geringfügig Beschäftigten, – Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, – Vor- und Rückdatierung von Verträgen, – schwere Mängel in der Kassenführung, – Vereinnahmung von betrieblichen Schecks auf Privatkonten, – Verstoß gegen die Kontenwahrheit nach § 154 Abs. 1 AO. 4
B. Anlässe zur Selbstanzeige Beispiel: Ein Unternehmer hat im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung dargelegt, dass er den von ihm angeschafften Ferrari ausschließlich betrieblich nutze. Bei der Begehung der Geschäftsräume des Unternehmers im Rahmen der Außenprüfung fällt dem Betriebsprüfer ein Foto in der Größe eines Posters auf, das den Unternehmer mit seinem Ferrari in den Alpen in Österreich zeigt. Der Unternehmer pflegt jedoch keine Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen in Österreich. Der Ferrari wurde offensichtlich privat genutzt. Der Betriebsprüfer ist gem. § 10 Abs. 1 S. 1 BpO verpflichtet, die zuständige Buß- und Strafsachenstelle zu unterrichten. Diese ist zur Einleitung des Steuerstrafverfahrens verpflichtet.
11
Beispiel: Der Inhaber eines Fotogeschäftes kann den Lebensunterhalt nicht durch Betreiben seines Geschäftes bestreiten. Aus diesem Grund erfasst er die Einnahmen aus der Anfertigung von Passbildern nicht vollständig, jedoch die Ausgaben. Bei der Betriebsprüfung erkennt der Betriebsprüfer, dass die Ausgaben für Fotomaterialien zur Anfertigung von Passbildern die Einnahmen dieses Geschäftsbereiches übersteigen. Auf Nachfrage können die Betriebsmaterialien nicht im Lager vorgezeigt werden. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle leitet nach Unterrichtung durch den Betriebsprüfer ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung ein.
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Beispiel: Die Steuerpflichtige kauft regelmäßig zur Dekoration der Verkaufsräume Blumenschmuck. Die auf dem Rechnungsbeleg angeführten Beträge ändert sie nachträglich selbst ab und reicht den Beleg ihrem Steuerberater zur Erfassung als Betriebsausgabe. Die Steuerpflichtige macht sich sowohl wegen Steuerhinterziehung als auch wegen Urkundenfälschung strafbar.
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Hinweis: Oftmals sind die Fälschungen dilettantisch. Soweit der Steuerberater die Urkundenfälschung erkennt, muss er zur Vermeidung einer Beihilfestrafbarkeit die Verbuchung ablehnen.
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Besonderheiten, die in bestimmten Branchen auffallen und dann die gesamte Branche in Verruf bringen, veranlassen die Finanzbehörden dazu, diese Branche schwerpunktmäßig zu überprüfen1 (z.B. Schrotthandel, Gaststättengewerbe2, Verlustzuweisungsgesellschaften3, in- und ausländische Spediteure, ausländische IT-Experten, Tankstellenbetreiber4, Spielautomatenaufsteller, Baubranche5, Dentallabors, Diskotheken6 etc.).
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Hinweis: Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO hat die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung sowie nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO das Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung den Verlust der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige zur Folge. Die sachliche Reichweite der Sperrwirkung für die Selbstanzeige wird durch den Inhalt der dem Betroffenen bekannt zu gebenden Prüfungsanordnung festgelegt. Die Sperre wirkt aus Gründen der Rechtssicherheit nur für die nach der Anordnung zu prüfenden Steuerarten.
1 2 3 4 5 6
Burkhard, V&S Heft 3/1999, 30. PStR 2000, 14. Bilsdorfer/Weyand, Der Steuerberater in der Betriebsprüfung, S. 22. PStR 2001, 58. PStR 2000, 40. Burkhard, DStZ 2001, 697; Ott, PStR 2001, 204.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
Für die zeitliche Reichweite der Sperrwirkung wurde ebenfalls vertreten, dass die in der Prüfungsanordnung angeführten Prüfungszeiträume die Reichweite der Sperrwirkung bestimmen.1 Mit dem Ausschluss der Teilselbstanzeige für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.20112 muss heute für die zeitliche Reichweite der Sperrwirkung vertreten werden, dass die Selbstanzeige mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung bzw. mit dem Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung für den strafrechtlich nicht verjährten Zeitraum im Ganzen für die in der Prüfungsanordnung angeführten zu prüfenden Steuerarten bzw. Sachverhalte gesperrt ist (sog. Infektionstheorie).3 Somit ist noch während der Betriebsprüfung eine strafbefreiende Selbstanzeige bezüglich strafrechtlich relevanter Vorgänge für die nicht von der Prüfungsanordnung erfassten Steuerarten möglich.4 Weiterhin ist zu beachten, dass für die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung auf § 122 AO abgestellt wird und für durch die Post übermittelte Prüfungsanordnungen die sog. Dreitagesfiktion greift. Erhält der Täter oder sein Vertreter die durch die Post übermittelte Prüfungsanordnung am Tag nach der Aufgabe zur Post, verbleiben ihm noch zwei Tage für die Erstattung der Selbstanzeige. Sobald eine Prüfungsanordnung ergeht, muss der steuerliche Berater mit dem Steuerpflichtigen die Betriebsprüfung vorbereiten und die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige erörtern. 17
Hat die Außenprüfung beim Steuerpflichtigen zu erheblichen Beanstandungen des Prüfers geführt, besteht die Gefahr, dass der Prüfungszeitraum unter den Voraussetzungen des § 194 Abs. 1 S. 2 AO i.V.m. § 4 BpO erweitert wird. Gemäß § 194 Abs. 1 S. 2 AO kann die Außenprüfung einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen. Steuerstraftaten in dem erweiterten Prüfungszeitraum sind sodann entdeckungsgefährdet.
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Hinweis: Es empfiehlt sich, die Tätigkeit des Betriebsprüfers zu überwachen, damit der Steuerpflichtige zumindest einen Überblick über dessen Informationsstand besitzt. Zurückgegebene Unterlagen sollten auf ihre Vollständigkeit hin überprüft werden. Unbeaufsichtigte Kopien sollten nicht zugelassen werden. Das Personal sollte angewiesen werden, nur im Beisein des Steuerpflichtigen oder dessen steuerlichen Beraters Fragen des Prüfers zu beantworten. Der Kreis der Personen, die mit dem Prüfer in Kontakt kommen, sollte klein gehalten werden.
1 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188. 2 BGBl. 2011 I 676. 3 So auch FM NRW im Schreiben v. 5.5.2011 – S 0702 – 8 – V A 1; a.A. Adick, PStR 2011, 199. 4 Rund, AO-StB 2003, 207, 208.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
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Hinweis: Vorsicht ist geboten, wenn ein Betriebsprüfer die Betriebsprüfung unterbricht. Dann liegt der Verdacht nahe, dass der Betriebsprüfer von einer Steuerhinterziehung ausgeht und die Buß- und Strafsachenstelle hierüber informiert. Die Angabe der Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen, Urlaub oder Kur als Gründe für die Unterbrechung sind in der Regel Ausreden, denn der Prüfungsbeginn wird regelmäßig so gewählt, dass derartige Unterbrechungen nicht nötig sind.1
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II. Entdeckungsrisiko durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29.7.2009 1. Einleitung Die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung wurde durch das am 31.7.2009 verkündete Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29.7.2009) deutlich erschwert. Die Regelungen beziehen sich vor allem auf sog. Steueroasen, also Länder, die die Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht anerkennen.
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Durch das Gesetz wurden die deutschen Finanzbehörden mit zusätzlichen Vollmachten ausgestattet. Bürger, die Geschäftsbeziehungen im Ausland unterhalten, sind verpflichtet, mit den deutschen Finanzbehörden zu kooperieren und ihnen umfassend Auskunft zu erteilen. Geschieht das nicht, werden Sanktionen fällig. Diese bestehen in Nachteilen bei der vollständigen oder teilweisen Versagung der steuerlichen Abziehbarkeit von Betriebsausgaben und Werbungskosten, bei der Entlastung von der Kapitalertragsteuer und anderen Abzugssteuern oder bei der steuerlichen Behandlung von Dividenden.
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Zudem weitete das Gesetz den Kreis der Steuerpflichtigen, bei denen ohne besondere Voraussetzungen eine Außenprüfung zulässig ist, aus. War dies bislang bei den Steuerpflichtigen der Fall, die Gewinneinkünfte erzielen, so wird der Kreis auf diejenigen ausgeweitet, die Überschusseinkünfte in Höhe von 500 000 Euro und mehr im Jahr erzielen. Die Aufbewahrungspflicht von Unterlagen über solche Einkünfte wurde auf sechs Jahre verlängert.
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Das Gesetz ist am Tag nach der Verkündung, also mit Beginn des 1.8.2009 in Kraft getreten. Das Bundeskabinett hat am 5.8.2009 die Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) veröffentlicht und dem Bundesrat zugeleitet, welcher am 18.9.2009 zugestimmt hat.
23
Die Verordnung führt jedoch die nicht kooperierenden Staaten, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, nicht an. Deren Benennung
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1 PStR 1998, 90.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
muss durch das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder sowie im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in einem im Bundessteuerblatt bekannt zu gebenden Schreiben veröffentlicht werden. 25
Das Bundesministerium der Finanzen hat in seinem Erlass vom 5.1.2010 klargestellt, dass zum 1.1.2010 keine Staaten oder Gebiete existieren, die die Anwendung der durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz eingeführten besonderen Mitwirkungspflichten auslösen. Die zusätzlichen Mitwirkungs-, Nachweis- oder Aufklärungspflichten finden derzeit keine Anwendung.1 2. Erweiterte Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten
26
Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz hat die Mitwirkung von Steuerpflichtigen im Rahmen von steuerlichen Auslandssachverhalten verschärft, und zwar in zwei verschiedenen Ausprägungen. a) Ausprägung Nr. 1: § 90 Abs. 2 S. 3 AO
27
§ 90 Abs. 2 S. 3 AO erweitert die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Sinne einer strafbewehrten Offenbarungspflicht, wenn der Steuerpflichtige möglicherweise Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten im Ausland unterhält und es sich dabei um einen Staat handelt, der keine effektive Amtshilfe für die inländischen Steuerbehörden leistet.
28
Zwingend für die Offenbarung ist die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben an Eides statt, also die Abgabe einer gem. § 156 StGB strafbewehrten Wissenserklärung.
29
§ 90 Abs. 2 S. 3 AO stellt am Ende klar, dass die Versicherung an Eides statt nicht nach § 328 AO erzwungen werden kann. Der Steuerpflichtige hat dann aber steuerliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Die steuerlichen Nachteile ergeben sich aus den neuen Bestimmungen über die Ausweitung von Aufbewahrungspflichten (§ 147a S. 6 AO) und die Erleichterung der Außenprüfung (§ 193 Abs. 2 Nr. 3 AO) sowie dem neuen § 162 Abs. 2 S. 3 AO, der für den Fall unterbliebener besonderer Mitwirkung des Steuerpflichtigen eine widerlegbare Vermutung ausspricht, dass steuerpflichtige Kapitaleinkünfte im Ausland vorhanden oder höher als die erklärten Einkünfte sind.
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Eine Sanktion aus der Verletzung dieser besonderen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten ergibt sich durch den neuen Satz 3 in § 162 Abs. 2 AO. Die Vorschrift des § 162 AO ist die Grundlage für die Finanzbehörde zur Schätzung im Steuerfestsetzungs- und -feststellungsverfahren. § 162 1 IV B 2 – S 1315/08/10001-09, BStBl. 2010 I 19.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
Abs. 2 S. 3 AO statuiert eine Vermutung, dass der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte nicht oder nicht vollständig erklärt hat. b) Ausprägung Nr. 2: § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 33 Abs. 1 Nr. 2 KStG Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz hat § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie § 33 Abs. 1 Nr. 2 KStG ergänzt um die Ausweitung der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen, welche auf die Versagung des Abzuges von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sowie von Steuerabzügen und Steuerbefreiungen abzielen, sofern für die inländischen Finanzbehörden die Verhältnisse im Ausland nicht erkennbar sind.
31
3. Ausweitung der Aufbewahrungspflichten und der Außenprüfungsbefugnisse bei hohen Überschusseinkünften Die AO sieht als besonderes Verfahren zur Sachaufklärung die Außenprüfung (sog. Betriebsprüfung, §§ 193 bis 207 AO) vor. Bei Steuerpflichtigen, die Gewinneinkünfte erzielen (Gewerbetreibende, Freiberufler, Land- und Forstwirte) sowie bei Steuerentrichtungspflichtigen bedarf es mit Blick auf diese Einkünfte keiner besonderen Voraussetzungen, um eine solche Prüfung zu betreiben. Die Behörde hat diesbezüglich lediglich ihr Entschließungsermessen (§ 5 AO) fehlerfrei auszuüben. Dasselbe gilt für Steuerentrichtungspflichtige nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO.
32
Bei anderen Steuerpflichtigen ist die Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO lediglich unter der Voraussetzung zulässig, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Verhältnisse der Nachprüfung bedürfen und die Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig ist.
33
a) Erleichterte Außenprüfung bei hohen Überschusseinkünften Nach der Neuregelung des § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung auch ohne weitere Voraussetzung bei Steuerpflichtigen i.S.d. § 147a AO zulässig. Hier wird an eine weitere durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz eingefügte Norm angeknüpft.
34
Steuerpflichtige i.S.d. § 147a AO sind diejenigen, bei denen die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG (Überschusseinkünfte) mehr als 500 000 Euro im Kalenderjahr beträgt. Auffällig ist, dass bei zusammenveranlagten Ehegatten nicht wie sonst üblich eine Verdoppelung des Betrages erfolgt, sondern die Grenze gem. § 147a S. 2 AO für jeden Ehegatten gesondert zu beachten ist. Überschreiten nur die Einkünfte eines Ehegatten die Betragsgrenze, so trifft in Konsequenz der getrennten Betrachtung die Verpflichtung zur Aufbewahrung solcher Unterlagen, die für beide Ehegatten besteuerungsbedeutsam sind, nur den einen Ehegatten.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
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Zudem ist zu beachten, dass auf die Summe der Überschusseinkünfte abgestellt wird. Bei Überschreiten des Grenzbetrages unterfallen somit alle vom Betroffenen verwirklichten Überschusseinkunftsarten den erweiterten Pflichten nach § 147a AO und den Befugnissen nach § 193 Abs. 1 AO. b) Erweiterte Aufbewahrungspflicht bei hohen Überschusseinkünften
37
Die Bestimmung des § 147a AO begründet die Pflicht zur Aufbewahrung steuerlich relevanter Aufzeichnungen und Unterlagen für die Dauer von sechs Jahren. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 S. 2 AO gilt nicht (§ 147a S. 5 i.V.m. § 147 Abs. 3 S. 3 AO).
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Für Unterlagen über Sachverhalte außerhalb dieses Bereichs (z.B. Werbungskosten bei Nichtgewinneinkünften, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) bestand bislang keine entsprechende gesetzliche Verpflichtung. Die Verpflichtungen aus § 147 AO betreffen nur solche Unterlagen und Belege, die Bestandteile einer Buchführungs- oder Aufzeichnungspflicht sind.
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Entspricht der Steuerpflichtige bezüglich der Überschusseinkünfte der im Steuererklärungsformular vorgesehenen Beleganforderung (§ 97 AO), ist er im Hinblick auf seine erfüllte Beweislast grundsätzlich nicht verpflichtet, die Belege nach ihrer Rückgabe durch das Finanzamt weiterhin bereitzuhalten.
III. Datenzugriff der Finanzverwaltung 40
Seit dem 1.1.2002 gelten für die Betriebsprüfung verschärfte Zugriffsmöglichkeiten durch die Finanzverwaltung.1 In die §§ 146, 147 AO wurde die Befugnis aufgenommen, bei allen stattfindenden Betriebs-, sowie Umsatzsteuer- und Lohnsteuer-Außenprüfungen auf die steuerrelevanten elektronischen Daten der Unternehmen zuzugreifen. Die Finanzverwaltung führt Betriebsprüfungen mit Notebook und eigener Prüfsoftware durch. Auf Grund der Datenprogramme für die Betriebsprüfung (z.B. IDEA) und für die Ermittlungsbehörden (z.B. ZIVED und XPider), aber auch auf Grund der Anwendung mathematisch-statistischer Methoden (Chi-Quadrat-Test, Benford’s Law) werden neue Überprüfungsmethoden zur Verfügung gestellt.
1 Vgl. Müller, Intensivere Prüfungen durch die Finanzverwaltung mittels neuer Software und statistischer Verprobungsverfahren, StB 2006, 142.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
1. Elektronische Verprobungsmethoden – ELO, IDEA, EOSS, ZIVED und XPider Mit Hilfe elektronischer Verprobungsmethoden werden die vorgefundenen elektronischen Aufzeichnungen der Steuerpflichtigen einer Plausibilitätsprüfung unterzogen, um Auffälligkeiten zu erkennen.
41
a) ELO Bei dem Programm „Elektronischer Leitz Ordner“ (ELO-Office) handelt es sich um eine Software zur Archivierung und Verwaltung von Dokumenten in Firmennetzwerken und auf dem Einzel-PC. ELO übernimmt die vertrauten Elemente, Ordner, Aktenschrank und Register in die PCWelt. Auch die Finanzverwaltung hat das Programm für sich gewonnen. Mit ELO werden zeitnah große Datenmengen erfasst und ausgewertet, um die digitalisierten Aufzeichnungen der Steuerpflichtigen auf Zufälligkeiten hin zu überprüfen. Hat der Steuerpflichtige die Aufzeichnungen nicht elektronisch aufgezeichnet, können sie mit einer entsprechenden Software zunächst erfasst werden, bevor eine Auswertung mit ELO erfolgt.
42
b) IDEA Die Idee des Programms IDEA ist die Übernahme der Unternehmensdaten durch einen Datenimport. Die Software ist in der Lage, alle gängigen Softwaresysteme zu erkennen und zu importieren.
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Hinweis: Der Datenbestand kann über spezielle Analysefunktionen ausgewertet werden. Auf diese Weise kann offen gelegt werden, ob alle laufenden Rechnungsnummern erfasst sind, an welche Personen Beträge in welcher Höhe geflossen sind usw. Die Größe des Datensatzes ist unerheblich.
c) EOSS Das Bundesland Bayern gründete mit EOSS ein eigenes Projekt mit dem Ziel, die eigene seit den 1970er Jahren verwandte Steuersoftware weiterzuentwickeln. EOSS löst das Fiscus-Projekt ab. EOSS steht für Evolutionär orientierte Steuersoftware und bezeichnet die aktuell gebräuchlichste Verwaltungssoftware der Steuerverwaltung in Deutschland. Sie findet seit dem 1.6.2010 in zwölf, ab Ende 2011 in fünfzehn von sechzehn Bundesländern Anwendung. EOSS stellt eine wichtige und entscheidende Entwicklung auf dem Weg zu einer einheitlichen Softwarelösung der bundesdeutschen Finanzverwaltung dar.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
d) ZIVED 46
Die Zentrale Informationsvermittlung aus externen Datenbanken (ZIVED)1 ist ein bundesweit einmaliges Dienstleistungsangebot des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen für die öffentliche Verwaltung. Auf der Basis individueller Fragestellungen recherchiert ZIVED weltweit in kommerziellen und in frei verfügbaren Datenbanken und übermittelt die Recherche-Ergebnisse an die auftraggebende Behörde. Das Quellenspektrum reicht von Wirtschafts- und Finanzdatenbanken über Pressearchive bis hin zu Rechtsinformationssystemen und medizinischen, naturwissenschaftlichen oder technischen Datenbanken.
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Die ZIVED-Rechercheure selektieren aus dem weltweit wachsenden und häufig unübersichtlichen Datenangebot die für die Kunden relevanten Informationen und bereiten diese individuell auf. ZIVED unterstützt bei Ermittlungsvorgängen und allgemeinen Recherchen. Das weltweite Angebot an mittlerweile mehr als 10 000 professionellen Datenbanken wird permanent analysiert und auf Verwendbarkeit für die öffentliche Verwaltung geprüft. Neben den bereits bestehenden Nutzungsverträgen mit zahlreichen Datenbankanbietern werden entsprechend den Kundenwünschen immer wieder neue Verträge mit weiteren Anbietern abgeschlossen.
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ZIVED unterstützt Ministerien, Staatsanwaltschaften und Finanz- und Zollverwaltungen auch bei steuerlichen Ermittlungsvorgängen. Erklärt ein Unternehmen dem Finanzamt nur inländische Umsätze, liefert ZIVED den Finanzämtern Hintergrundinformationen über das Unternehmen, dessen Gesellschaftsbeteiligungen oder Briefkastenfirmen im Inund Ausland. e) XPider
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Hintergrund für die digitale Aufrüstung der Steuerbehörden ist u.a. der boomende Online-Handel. Auch professionelle Händler verkaufen über Auktionsseiten wie eBay und nicht immer werden die Umsätze und Gewinne ordnungsgemäß versteuert. Das Bundeszentralamt für Steuern spürt mit einer Suchmaschine namens XPider, das von der Deutsche Börse Systems AG im Auftrag des Bundeszentralamts für Steuern entwickelt wurde, Steuersünder im florierenden Online-Handel auf. Der Web-Crawler ist in der Lage, Verkaufsplattformen jedweder Art zu durchforsten, Querverbindungen zwischen An- und Verkäufen herzustellen und das Ganze am Ende abzugleichen – etwa mit dem Handelsregister sowie internen Datenbanken des Bundeszentralamtes.
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Doch mit dem Einsatz von XPider geraten nicht nur Gewerbetreibende unter Verdacht, auch Privatanbieter, die emsig Waren im großen Stil an1 Vgl. www.it.nrw.de.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
bieten, müssen sich die Frage stellen, ob sie ihre Erlöse versteuern müssen. 2. Statistische Verprobungsverfahren (Chi-Quadrat-Test, Benford’s Law) Die Finanzverwaltung wendet auch mathematisch-statistische Methoden an, um z.B. die Buchführung eines Unternehmens in Bezug auf Plausibilität und Wahrheit zu überprüfen.
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a) Chi-Quadrat-Test Statistische Hypothesen sind Vermutungen über die Verteilung von Grundgesamtheiten und deren Parametern. Bei der Prüfung solcher Hypothesen untersucht man, ob bestimmte Ergebnisse mit ihnen in Einklang stehen oder ihnen widersprechen. Der Chi-Quadrat-Test geht davon aus, dass die Endziffern 0 bis 9 gleich häufig auftreten und macht sich das Phänomen zu eigen, dass jeder Mensch unterbewusst Lieblingszahlen hat und diese bei frei erfundenen Zahlen (z.B. bei nachgetragenen Tageseinnahmen) häufiger verwendet als andere. Dieser Test kommt zur Anwendung, wenn geprüft werden soll, ob eine Verteilung als normal anzusehen ist. Anhand des Chi-Quadrat-Tests lässt sich z.B. erkennen, inwiefern ein Steuerpflichtiger Tageseinnahmen im Kassenbuch nachgetragen und Umsätze fingiert hat. Der Chi-Quadrat-Test geht davon aus, dass ein Unternehmer, der seine Kasse manipuliert, unbewusst seine Lieblingszahlen häufiger eingibt.
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b) Benford’s Law Die IDEA-Programmdokumentation 2002 führt zu Benford’s Law wie folgt aus: Benford’s Law legt fest, dass Ziffern und Ziffernfolgen in einer Datenmenge einem bestimmten Muster entsprechen. Benford’s Gesetz liefert eine Methode der Datenanalyse, die mögliche Fehler, potenziell betrügerische oder falsche Werte identifiziert.
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Der Physiker Frank Benford fand heraus, dass die 1 an erster Stelle jeder Zahl in 30,6 % der Fälle und im Gegensatz dazu die 9 als erste Ziffer nur in 4,5 % der Fälle vorkam. Die Ziffer 1 kommt nach Benfords Feststellungen häufiger vor als die Ziffer 2, diese wiederum häufiger als die Ziffer 3, und so weiter. Auf diese Weise lässt sich ermitteln, ob ein Unternehmer durch Scheinrechnungen zusätzliche Betriebsausgaben geschaffen hat.
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IV. Tatverdacht bei Dritten in Folge von Kontrollmitteilungen Anlass für ein Einschreiten der Steuerfahndung bieten häufig auch Hinweise, die bei Betriebsprüfungen von Dritten bekannt geworden sind. Gem. § 9 BpO ist der Betriebsprüfer verpflichtet, Feststellungen, die nach § 194 Abs. 3 AO für die Besteuerung anderer Steuerpflichtiger ausgewer13
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
tet werden können, der zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen. Kontrollmaterial über Auslandsbeziehungen ist auch dem Bundeszentralamt für Steuern (bis 31.12.2005 Bundesamt für Finanzen) zur Auswertung zu übersenden. Steht das Kontrollmaterial im Widerspruch zu den Steuererklärungen, leitet die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren ein. 56
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Hinweis: Finden bei einem Geschäftspartner eine Außenprüfung oder wegen Steuerdelikten eine Steuerfahndungsprüfung oder wegen anderer als Steuerdelikte, insb. Betrugsdelikten (§§ 263 ff. StGB), Schmiergeldzahlung, Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), Konkursstraftaten (§§ 283 ff. StGB), Illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer (§ 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III), polizeiliche oder staatsanwaltliche Ermittlungen statt, können Querverbindungen zu anderen Steuerpflichtigen aufgedeckt werden. Stellt ein Betroffener fest, dass eine solche Querverbindung aufgefunden wurde, sollte aus Gründen der Fairness überlegt werden, den Dritten zu informieren, um diesem im Falle der Steuerhinterziehung die Möglichkeit der Selbstanzeige zur Erlangung der Straffreiheit zu eröffnen.
V. Internationale Kontrollmitteilungen 57
Die Finanzbehörden gehen immer mehr dazu über, sich im internationalen Bereich nicht nur anlässlich von Betriebsprüfungen von Kreditinstituten, sondern auch anlässlich von Außenprüfungen bei Geschäftsbetrieben Kontrollmitteilungen zuzuleiten.1 Rechtsgrundlage bilden § 2 EG-Amtshilfe-Gesetz (EGAHiG) und zwischenstaatliche Abkommen. § 194 Abs. 3 AO, wonach ein Außenprüfer berechtigt ist, Kontrollmitteilungen zu fertigen über Feststellungen, die für die Besteuerung anderer Steuerpflichtiger ausgewertet werden können, bezieht sich unmittelbar nur auf solche Feststellungen, die für die Besteuerung eines Dritten nach Bundesrecht (oder dem Recht der Europäischen Gemeinschaften) von Bedeutung sind. Die Zulässigkeit einer Auskunftserteilung deutscher Finanzbehörden an die Steuerverwaltung eines EU-Mitgliedstaates ergibt sich aus § 2 EGAHiG. Über den Anwendungsbereich des EGAHiG hinaus ist die Übermittlung von Kontrollmitteilungen in das Ausland insoweit zulässig, als sich dies aus zwischenstaatlichen Abkommen ergibt. Nach § 9 S. 2 BpO ist Kontrollmaterial über Auslandsbeziehungen auch dem Bundeszentralamt für Steuern zur Auswertung zu übersenden. Die Abkommen beruhen regelmäßig auf Gegenseitigkeit, weshalb auch die ausländischen Finanzbehörden berechtigt sind, Kontrollmitteilungen an die deutsche Finanzbehörde zu übermitteln. Diese werden wie solche nach § 194 Abs. 3 AO ausgewertet.
1 Seer in Tipke/Kruse, § 194 Rz. 36.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
VI. Mitteilungen durch das Veranlagungsfinanzamt Eine Informationsquelle bildet die Veranlagungsstelle der Finanzbehörde. Studiert diese die Steuererklärungen und stolpert über Ungereimtheiten, so kann die Veranlagungsstelle den Steuerpflichtigen zur Auskunft nach § 93 Abs. 1 AO auffordern. Ist ein Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung gegeben, wendet sich die Veranlagungsstelle unmittelbar an die Bußgeld- und Strafsachenstelle. Anlass zu einer solchen Nachfrage bildet die Überprüfung der Zinseinkünfte.
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Beispiel: Erklärt der Steuerpflichtige über Jahre hinweg hohe Einkünfte aus Kapitalvermögen, im Folgejahr aber überhaupt keine Zinseinkünfte mehr, fragt die Finanzbehörde zumindest beim Steuerpflichtigen nach.
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Beispiel: Regelmäßig überprüft die Veranlagungsstelle die Angaben der Steuerpflichtigen in den Steuererklärungen über die Entfernung von Wohnort zur Arbeitsstelle.
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VII. Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern über ausländische Firmen Auf Anforderung der Finanzbehörden erstellt der Auslandswirtschaftsdienst des Bundeszentralamts für Steuern über ausländische Firmen eine Stellungnahme. Ein besonderes Augenmerk auf den Sachverhalt wirft der Prüfer bei vermuteten Domizilgeschäften, ausländischen Scheinwohnsitzen, Gründung von Basisgesellschaften in Niedrigsteuerländern oder Darlehensgewährung aus dem Ausland. Die Steuerfahndung wird zur Aufklärung solcher Sachverhalte herangezogen, da es in der Regel um hohe Steuerbeträge geht, die gleichzeitig eine strafrechtliche Brisanz bergen.1
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VIII. Banken als Informationsquellen der Finanzverwaltung Das Entdeckungsrisiko ist mit dem Steueramnestiegesetz2 gestiegen. Zusammen mit dem am 31.12.2003 in Kraft getretenen Strafbefreiungserklärungsgesetz hat der Gesetzgeber die Überprüfungsmöglichkeiten der Finanzbehörde erweitert, um die Steuerhinterziehung in Zukunft besser überwachen und verhindern zu können. In die Abgabenordnung wurden in § 93 die Absätze 7 und 8 sowie § 93b eingefügt.
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Das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit ist in die EU-Zinsrichtlinie 2003/48/EG vom 3.6.20033 eingebettet, die auch international eine verbesserte Durchsetzung der Steuergesetze ermöglicht. Zuvor schon hat
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1 PStR 1998, 90. 2 BGBl. 2003 I 2928. 3 ABl. L 157 v. 26.6.2003, S. 38 ff.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
der Gesetzgeber über das 4. Finanzmarkt-Förderungsgesetz1 den Kreditinstituten mit § 24c KWG neue Pflichten auferlegt und mit dem neu gefassten § 25a KWG von den Kreditinstituten die Schaffung adäquater interner Sicherungssysteme gegen Geldwäsche und den Finanzbetrug gefordert.2 1. Automatisierter Abruf von Kontoinformationen a) Bedeutung der Vorschrift 64
Die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne erfolgt derart unzureichend, dass ein strukturelles Erhebungsdefizit besteht, was die Verfassungsmäßigkeit des Steuertatbestandes in Frage stellt.3 Die umfassende Überprüfung von Kundeninformationen i.R. einer Außenprüfung bei einer Bank verstoßen gegen § 194 Abs. 3 bzw. § 30a Abs. 3 AO. Allgemeine Auskunftsersuchen der Steuerfahndung gestützt auf § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO stellen eine unzulässige Rasterfahndung dar.4 Auf Grund der Neuregelung ist es den Finanzbehörden nunmehr möglich, effizient innerhalb kürzester Zeit zu erfahren, ob eine bestimmte Person bei einem Kreditinstitut ein Konto bzw. Depot unterhält. Die Neuregelung dient damit nicht nur der Bekämpfung des Terrorismus und der Geldwäsche. b) Inhalt des Datenabrufsystems
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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erhält durch das aufgrund des 4. Finanzmarkt-Förderungsgesetzes geschaffene Datenabrufsystem die Möglichkeit, auf einen Blick feststellen zu können, zu welchen Kreditinstituten eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen Kontenbeziehungen unterhält. Mit § 24c Abs. 1 KWG sollten die Voraussetzungen für eine wirksame Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus geschaffen werden.5 Nach § 24c Abs. 1 KWG hat ein Kreditinstitut eine laufend zu aktualisierende Datei mit folgenden Inhalten zu führen: – Nummer eines Kontos oder Depots, das bereits nach geltendem Recht der Verpflichtung zur Legitimationsprüfung gem. § 154 Abs. 2 S. 1 AO unterliegt, – Tag der Errichtung und ggf. der Auflösung des Kontos oder Depots, – Name, bei natürlichen Personen auch Geburtstag des Inhabers und gegebenenfalls eines Verfügungsberechtigten,
1 BGBl. 2002 I 2010, 2045 ff. 2 Zu den Einzelheiten vgl. Randt, Der Steuerfahndungsfall, S. 186 ff. 3 BVerfG, Urt. v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BStBl. 2004 I 591; BFH, Beschl. v. 16.7.2002 – IX R 62/99, DB 2002, 2354. 4 Vgl. Müller, PStR 2003, 196. 5 BT-Drucks. 14/8017, S. 2, 68.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
– Name und Anschrift eines ggf. vom Kontoinhaber abweichenden wirtschaftlich Berechtigten. Das Kreditinstitut hat dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsichtsbehörde jederzeit die Daten automatisiert abrufen kann. Es hat insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass durch technische und organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass ihm Abrufe nicht zur Kenntnis gelangen. Daneben kann die Aufsichtsbehörde aufgrund der Informationen aus dem Datenabrufsystem bei den kontoführenden Kreditinstituten die einzelnen Umsätze betreffende Nachfragen stellen, § 44 Abs. 1 KWG. Die Bundesanstalt darf gemäß § 24c Abs. 2 KWG einzelne Daten aus der Datei abrufen, soweit dies zur Erfüllung ihrer aufsichtsrechtlichen Aufgaben nach dem Kreditwesen- oder dem Geldwäschegesetz erforderlich ist. Sie darf darüber hinaus gemäß § 24c Abs. 3 KWG auf Ersuchen auch Auskunft aus der Datei u.a. den für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie im Übrigen für die Verfolgung und Ahndung von Straftaten zuständigen Behörden oder Gerichten erteilen, soweit dies für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Die Auskünfte sind uneingeschränkt auch in Steuerstrafverfahren möglich.
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c) Organisation des Zugriffs und Vorgehen der Finanzbehörde Die Finanzbehörden als sog. mittelbare Bedarfsträger richten ihre Anfrage an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die dann die entsprechenden Daten aus der Zentrale abfragt und der Finanzbehörde mitteilt. Technisch ist dabei sichergestellt, dass das Rechenzentrum und damit die Kreditinstitute und deren Kunden keine Kenntnis von der Abfrage erhalten.
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Ergeben sich im laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren aus einem Abgleich mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Kapitalerträgen Ungereimtheiten, kann die Finanzbehörde bei dem Bundeszentralamt für Steuern um Übermittlung der Daten ersuchen. Die Finanzbehörde gleicht sodann die vom Bundeszentralamt für Steuern übermittelten Daten mit den Angaben des Steuerpflichtigen ab. Ergeben sich Differenzen, schreibt die Finanzbehörde die Kreditinstitute an. Auf Grund des Anfangsverdachts greift § 30a AO nicht ein.
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2. Gefährdungsanalyse zur Verhinderung betrügerischer Handlungen – Konten-Screening Aufgrund des durch das 4. Finanzmarkt-Förderungsgesetz erweiterten § 25c KWG wurden Kreditinstitute zur Schaffung angemessener, geschäfts- und kundenbezogener interner Sicherungssysteme gegen Geldwäsche und den Finanzbetrug verpflichtet, um Geschäftsbeziehungen nach Risikogruppen und Auffälligkeit überprüfen zu können, die erfahrungsgemäß eine Nähe zur Geldwäsche aufweisen. Dieses Vorgehen wird „Konten-Screening“ genannt und geht weit über anlassbezogene Überprü17
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
fungsmaßnahmen hinaus. Es verpflichtet gemäß der Gesetzesbegründung zu einer permanenten und umfassenden „Rasterung“ aller Kundendaten allein aufgrund von Abweichungen vom bisherigen Normalverhalten.1 Das Konten-Screening führt nicht automatisch zur Verdachtsanzeige; die Ergebnisse dienen als Grundlage für weitere institutsinterne Erkundigungen, die dann in einer Geldwäscheverdachtsanzeige enden können. 3. Kontenabrufverfahren für steuerliche Zwecke 70
Die Einführung von Abs. 7 in § 93 AO erlaubt es den Finanzbehörden seit dem 1.4.2005 im Einzelfall, über das Bundeszentralamt für Steuern auf Daten zuzugreifen, die Kreditinstitute bereits heute für Zwecke der Kapitalmarktaufsicht und der Bekämpfung der Geldwäsche und anderer Delikte nach § 24c KWG vorhalten.2 Dies sind insbesondere die o.a. Kontostammdaten.
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Neu ist dabei insbesondere die Möglichkeit einer bundesweiten automatisierten Abfrage dieser Daten. Die Finanzbehörde soll allerdings über das Bundeszentralamt für Steuern nur dann einzelne Daten aus den nach § 93b Abs. 1 AO zu führenden Dateien bei den Banken abrufen können, wenn dies zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist und ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat oder von vornherein keinen Erfolg verspricht. Ermittlungen ohne konkreten Anlass sollen somit ausgeschlossen werden. Die neue Abfragemöglichkeit soll auch für die Steuerfahndung bestehen, mit der Einschränkung des § 30a Abs. 5 AO. Der Betroffene muss grundsätzlich zuerst befragt werden. Nur wenn die Finanzbehörde Anlass für weitergehende Ermittlungen sieht und das Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen erfolglos war oder keinen Erfolg verspricht, kann sie einzelfallbezogen feststellen lassen, bei welchem Kreditinstitut ein Steuerpflichtiger ein Konto oder ein Depot hat.3
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Seit 1.1.2009 ist ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO durch die Finanzbehörden oder in den Fällen des § 1 Abs. 2 AO durch die Gemeinden nur zulässig, soweit der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung Abgeltungsteuer/tarifliche Einkommensteuer) beantragt oder die Kapitalerträge in den Fällen des § 2 Abs. 5b S. 2 EStG
Hinweis: Die Steuerfahndungsstellen erfahren auf diesem Wege, bei welchem Kreditinstitut ein bestimmter Steuerpflichtiger ein Konto oder ein Depot hat, wenn deren Kenntnis im Einzelfall steuerlich von Bedeutung ist.
1 Paul, PStR 2003, 155 ff. 2 Das BVerfG hat in seinem Beschl. v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04 u. 1 BvR 603/05 –, BStBl. 2007 II 896 die Verfassungsmäßigkeit des Kontenabrufverfahrens bestätigt. 3 Zu den Einzelheiten vgl. Müller, StBp 2004, 287; BMF-Schreiben v. 10.3.2005 – IV A 4 – S 0062 – 1/05, BStBl. 2005 I 423.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
(z.B. im Kindergeldrecht) einzubeziehen sind und der Abruf in diesen Fällen zur Festsetzung der Einkommensteuer erforderlich ist oder er erforderlich ist zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 EStG in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder der Steuerpflichtige zustimmt. Die neue gesetzliche Regelung beschränkt im Zuge der Einführung einer Abgeltungsteuer auf private Zinsen und private Veräußerungsgewinne die Befugnisse der Finanzbehörden zur Durchführung von Kontenabrufen für steuerliche Zwecke auf die Fälle, in denen auch nach Einführung der Abgeltungsteuer noch die Erforderlichkeit besteht, Konten und Depots eines Steuerpflichtigen zu ermitteln, um eine gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Steuern gewährleisten zu können. 4. Kontenabrufverfahren für nichtsteuerliche Zwecke Seit dem 1.4.2005 dürfen die für die Verwaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz zuständigen Behörden über § 93 Abs. 8 AO das Bundeszentralamt für Steuern um einen Datenabruf bitten.
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Auf Grund der Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2007 hat der Gesetz- 75 geber durch Art. 6 Nr. 2 des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.20071 § 93 Abs. 8 AO a.F. durch insgesamt drei Absätze (§ 93 Abs. 8–10 AO n.F.) ersetzt. § 93 Abs. 8 AO n.F. benennt die Gesetze und damit die Behörden, die zum Kontenabruf berechtigt sind, sowie die Abrufvoraussetzungen und trifft Zweckbestimmungen. So können Kontenabrufe zum Beispiel im Rahmen der Überprüfung der Berechtigung zum Bezug von Arbeitslosengeld II erfolgen. § 93 Abs. 9 AO n.F. bestimmt, dass der Betroffene grundsätzlich auf die Möglichkeit des Kontenabrufs vorab hinzuweisen und über dessen Durchführung zu benachrichtigen ist, nennt aber auch Ausnahmen von dieser Hinweis- und Benachrichtigungspflicht. § 93 Abs. 10 AO n.F. legt schließlich fest, dass ein Abrufersuchen und dessen Ergebnis vom Ersuchenden zu dokumentieren sind. 5. Informationspflicht nach der EU-Zinsrichtlinie a) Automatisierter Informationsaustausch Die vorgenannten Maßnahmen werden durch die EU-Zinsrichtlinie2 flankiert.3 Gegenstand der Richtlinie ist ein automatischer Informationsaustausch in den Mitgliedsstaaten der EU durch flächendeckende Kontroll1 BGBl. 2007 I 1912 ff. 2 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. L 157/38 v. 26.6.2003. 3 Die Umsetzung in nationales Recht erfolgte am 26.1.2004 als sog. „Zinsinformationsverordnung“.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
mitteilungen über Zinseinnahmen, durch die die Einkünfte aus Kapitalerträgen von Nicht-Gebietsansässigen direkt von den Banken an die Finanzbehörden der anderen EU-Länder mitgeteilt werden. Die Steuerbehörde im Wohnsitzstaat des Anlegers erlangt auf diesem Weg Kenntnis von der steuerpflichtigen Leistung im EU-Ausland und ist damit in der Lage, die empfangenen Kapitalerträge der Einkommensteuer zu unterwerfen. Liegen meldepflichtige Zinszahlungen vor, erteilt die Zahlstelle der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates ihrer Niederlassung folgende Auskünfte: – Identität und Wohnsitz des nach Art. 3 EU-Zinsrichtlinie festgestellten wirtschaftlichen Eigentümers, – Name und Anschrift der Zahlstelle, – Kontonummer des wirtschaftlichen Eigentümers oder, in Ermangelung einer solchen, Kennzeichen der Forderung, aus der die Zinsen herrühren. 77
Art. 8 Abs. 2 EU-Zinsrichtlinie normiert Mindestauskünfte zur Zinszahlung, die die Zahlstellen erteilen müssen. Dies sind: – bei auf einem Konto gutgeschriebenen Zinszahlungen den Betrag der gezahlten bzw. gutgeschriebenen Zinsen (Art. 8 Abs. 2 Buchst. a EUZinsrichtlinie), – bei aufgelaufenen oder kapitalisierten Zinsen entweder den Betrag der Zinsen oder der dort bezeichneten Erträge oder den vollen Betrag des Erlöses aus der Abtretung, der Rückzahlung oder der Einlösung (Art. 8 Abs. 2 Buchst. b EU-Zinsrichtlinie).
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Hinweis: Geben Steuerpflichtige ihre ausländischen Zinseinnahmen nicht in der Steuererklärung an, führt der Abgleich der Angaben in der Steuererklärung mit den Daten der ausländischen Zahlstelle zur Entdeckung der Steuerhinterziehung.
b) Sonderregelungen für Luxemburg und Österreich 79
Ausgenommen von dem Informationsaustausch sind die Länder Luxemburg und Österreich. Diese Länder erheben während eines zeitlich nicht befristeten Übergangzeitraumes eine Quellensteuer auf Zinsen, die von der EU-Zinsrichtlinie erfasst werden. Der Quellensteuersatz beträgt seit 1.7.2011 35 %.
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Persönliche Daten der Anleger werden in diesem Falle grundsätzlich nicht übermittelt. Diese Länder übermitteln während eines Übergangszeitraums keine Informationen; sie nehmen an dem automatischen Informationsaustausch nicht teil. Diese Länder sind aber berechtigt, Informationen nach Art. 8 und 9 EU-Zinsrichtlinie von anderen Mitgliedstaaten zu empfangen (Art. 10 Abs. 1 S. 2 EU-Zinsrichtlinie). Allerdings müssen sie Informationen übermitteln, soweit dies für das Verfahren gem. Art. 13 20
B. Anlässe zur Selbstanzeige
Abs. 1 Buchst. a EU-Zinsrichtlinie erforderlich ist (Art. 10 Abs. 1 S. 1 EUZinsrichtlinie). Bevorzugt ein Anleger lieber das Meldeverfahren, so kann er seine Zahlstelle hierzu ermächtigen. Art. 13 Abs. 2 EU-Zinsrichtlinie sieht vor, dass die zuständigen Wohnsitzfinanzämter auf Antrag des Kontoinhabers eine Bescheinigung ausstellen, welche für höchstens drei Jahre gültig ist und die Zahlstelle von der Pflicht des Abzugs der Quellensteuer freistellt. Luxemburg und Österreich gehen erst dann zum automatischen Informationsaustausch über, wenn die EU mit der Schweiz, Andorra, San Marino, Monaco und Liechtenstein ein Abkommen über den automatischen Informationsaustausch abschließt.1
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Hinweis: Belgien hatte ursprünglich ebenfalls den Sonderweg wie Lu- 82 xemburg und Österreich eingeschlagen. Jedoch wurde in Belgien beschlossen, die oben erwähnte Übergangsfrist vorzeitig zu beenden und auf das System des Informationsaustauschs überzugehen. Das bedeutet, dass das auszahlende Kreditinstitut ab 1.1.2010 keine EUQuellensteuer mehr einbehalten, sondern die Informationen über solche Zinszahlungen auf dem Weg über den belgischen Staat den Behörden des Wohnsitzstaats dieser Kunden melden muss.
IX. Steuerabkommen Deutschland – Schweiz Am 10.8.2011 haben deutsche und schweizer Unterhändler die im Oktober 2010 vereinbarten bilateralen Verhandlungen über offene Steuerfragen abgeschlossen und ein Steuerabkommen paraphiert. Das Abkommen wurde am 21.9.2011 von Bundesfinanzminister Dr. Schäuble und der Schweizer Finanzministerin Dr. Widmer-Schlumpf in Berlin unterzeichnet. In der Schweiz untersteht das Abkommen voraussichtlich dem fakultativen Referendum. Das Abkommen soll Anfang 2013 in Kraft treten. Die Vereinbarung bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates.
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1. Ziel des Abkommens Das Abkommen verfolgt das Ziel, die Beziehungen im finanzwirtschaftlichen Bereich zu festigen und die Zusammenarbeit im steuerlichen Bereich zu stärken. Dabei wird einerseits der Schutz der Privatsphäre von Bankkunden respektiert und andererseits die Durchsetzung berechtigter Steueransprüche gewährleistet. Im Vordergrund steht die Zielsetzung der deutschen Regierung nach einer effektiven Besteuerung von Vermögenswerten deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit.
1 Zu den Einzelheiten vgl. Müller, AO-StB 2005, 330; Korts/Korts, Steueranwaltsmagazin 2005, 114.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
2. Das Abkommen im Überblick 85
Das zwischen Deutschland und Schweiz geschlossene Abkommen sieht die nachfolgend angeführten Punkte vor:
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1) Personen mit Wohnsitz in Deutschland können ihre bestehenden Bankbeziehungen in der Schweiz nachbesteuern, indem sie entweder eine einmalige Steuerzahlung auf der Grundlage des Abkommens leisten oder ihre Konten im Wege der Selbstanzeige offenlegen.
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2) Zukünftig anfallende Erträge und Gewinne aus Kapitalvermögen deutscher Bankkunden in der Schweiz unterliegen einer Abgeltungsteuer nach den Regelungen des Abkommens, deren Erlös die Schweiz an die deutschen Behörden überweist.
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3) Um zu verhindern, dass in der Zukunft neues unversteuertes Geld in der Schweiz angelegt wird, wurde vereinbart, dass die deutschen Behörden im Sinne eines Sicherungsmechanismus Auskunftsgesuche stellen können, die den Namen des Kunden, jedoch nicht zwingend den Namen der Bank enthalten müssen. Die Gesuche sind zahlenmäßig beschränkt und bedürfen eines plausiblen Anlasses. Die Anzahl wird für eine 2-Jahresfrist innerhalb einer Bandbreite von 750 bis 999 Gesuchen liegen; anschließend findet eine Anpassung aufgrund der Ergebnisse statt. Sogenannte „Fishing Expeditions“ sind ausgeschlossen.
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4) Das Abkommen sieht eine Verbesserung des gegenseitigen Marktzutritts für Finanzdienstleister durch administrative Erleichterungen vor. Die Durchführung des Freistellungsverfahrens für schweizerische Banken in Deutschland wird vereinfacht und die Pflicht zur Anbahnung von Kundenbeziehungen über ein Institut vor Ort aufgehoben.
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5) Die Problematik des Kaufs steuerrechtlicher Daten wurde ebenfalls gelöst. Deutschland kauft keine weiteren entwendeten Bankdaten an. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Abkommen erst im Jahre 2013 in Kraft treten wird. Es darf vermutet werden, dass für die Übergangszeit keine gesonderte Regelung getroffen wurde, so dass der Ankauf bis 2013 grundsätzlich möglich ist. Die Schweiz verpflichtet sich im Gegenzug auf die strafrechtliche Verfolgung von Personen wegen Beteiligung am illegalen Erwerb von Bankdaten zu verzichten. Deutschland sieht von der strafrechtlichen Verfolgung von Bankmitarbeitern wegen der Teilnahme an Steuerdelikten ab, die vor Unterzeichnung des Steuerabkommens begangen wurden, sofern entsprechende Sachverhalte nicht schon vor Unterzeichnung des Abkommens bekannt waren und die Beteiligten dies wussten oder klar damit rechnen mussten.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
3. Nachbesteuerung in der Vergangenheit unversteuerter Vermögenswerte a) Zur Nachbesteuerung bestehender Bankbeziehungen in der Schweiz soll Personen mit Wohnsitz in Deutschland einmalig die Möglichkeit gewährt werden, anonym eine pauschal bemessene Steuer zu entrichten. Als Bemessungsgrundlage ist grundsätzlich das Kapital zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Stichtag vorgesehen, das zu diesem Zeitpunkt auf schweizerischen Konten und Depots vorhanden war. Die Höhe dieser Steuerbelastung liegt zwischen 19 % und 34 % des Vermögensbestandes und wird festgelegt aufgrund der Dauer der Kundenbeziehung sowie des Anfangs- und Endbetrages des Kapitalbestandes. Die Steuerbelastung wird mit dem Umstand begründet, dass deutsche Steueransprüche bereits zum Teil verjährt sein dürften. Offene Steuerforderungen gelten als im Zeitpunkt ihres Entstehens als erloschen, außer die Vermögenswerte rühren aus Verbrechen her oder die zuständige deutsche Behörde hatte vor Unterzeichnung des Abkommens Anhaltspunkte für nicht versteuerte Vermögenswerte.
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Anstelle einer solchen Zahlung haben die Betroffenen die Möglichkeit, ihre Bankbeziehung in der Schweiz gegenüber den deutschen Behörden offenzulegen, d.h. wer eine pauschale Nachbesteuerung nicht wünscht, kann seine Zustimmung erteilen, dass die für die individuelle Besteuerung erforderlichen Daten an die zuständigen deutschen Finanzbehörden übermittelt werden.
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Hinweis: Unter diesen Umständen sollte ein steuerlicher Berater mit der Erstattung einer Selbstanzeige beauftragt werden, um Straffreiheit zu erlangen.
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Erklärt der Steuerpflichtige, dass er weder eine pauschale noch eine individuelle Nachversteuerung seiner unversteuerten Anlagen in der Schweiz wünscht, muss er seine Konten und Depots in der Schweiz schließen. Die Schweiz wird hierüber zusammengefasste Daten zur Verfügung stellen.
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Die Betroffenen werden innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Abkommens von ihrem schweizerischen Kreditinstitut über den Inhalt des Abkommens und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten informiert.
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Die Nachbesteuerung wird in der Schweiz durchgeführt. Um einerseits ein Mindestaufkommen bei der Vergangenheitsnachbesteuerung zu sichern und anderseits den Willen zur Umsetzung des Abkommens zu bekunden, haben sich die Schweizer Banken zu einer Garantieleistung in Höhe von CHF 2 Mrd. verpflichtet. Das von den Banken vorgestreckte Geld wird anschließend mit eingehenden Steuerzahlungen verrechnet und den Banken zurückerstattet.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
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b) Die Schweiz verpflichtet sich mit dem am 10.8.2011 paraphierten Abkommen, statistische Angaben über Kapitalbewegungen ins Ausland zu machen.
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Hinweis: Das Abkommen sieht für die Nachbesteuerung eine Steuerbelastung von 19 % bis 34 % auf das Kapital vor, das deutsche Steuerrecht dagegen besteuert den Zuwachs abzüglich Bankgebühren. Insoweit kann eine Selbstanzeige in vielen Fällen von Vorteil sein. Dabei geht die Anonymität verloren.
Hinweis: Die statistischen Angaben können dem deutschen Fiskus den Kapitalfluss in andere Steueroasen offenlegen. Es ist zu erwarten, dass Deutschland in der Zukunft auf mit der Schweiz vergleichbare Abkommen drängt, so dass der Steuerpflichtige mit dem Transfer des Kapitals in andere Steueroasenländer keine dauerhafte Lösung erzielt.
4. Künftige Besteuerung von Kapitalerträgen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz 100
Künftige Kapitalerträge und -gewinne sollen unmittelbar über eine Abgeltungsteuer erfasst werden. Der einheitliche Steuersatz wurde auf 26,375 % festgelegt. Dies entspricht dem in Deutschland geltenden Abgeltungsteuersatz in Höhe von 25 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag. Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer, nach deren Bezahlung grundsätzlich die Steuerpflicht gegenüber dem Wohnsitzstaat erfüllt ist. Auf Antrag des Steuerpflichtigen führen die schweizerischen Zahlstellen zusätzlich auch einen Betrag für die Kirchensteuer ab. Ob ein Steuerpflichtiger einen solchen Antrag stellen wird, mag bezweifelt werden.
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Das Abkommen vom 26.10.2004 zwischen der Schweiz und der EG über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind, bleibt unberührt.
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Es besteht daneben die Möglichkeit, dass der deutsche Steuerpflichtige von der Möglichkeit der Meldung seiner Erträge an die deutschen Finanzbehörden durch die schweizerische Zahlstelle Gebrauch macht. 5. Verfassungsrechtliche Bedenken
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Das zwischen Deutschland und Schweiz geschlossene Abkommen unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Amnestie, wie sie das Abkommen vorsieht, darf nicht zum Regelfall werden, sondern muss eine Ausnahme bleiben, die eine besondere Behandlung rechtfertigt. In der Vergangenheit wurden die erschwerten Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufdeckung von Steuerhinterziehung als Rechtfertigungsgrund angeführt. Mit dem Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommens mit der 24
B. Anlässe zur Selbstanzeige
Schweiz ist ein umfassender Informationsaustausch sichergestellt. Dieser steht einer weiteren Ausnahme entgegen.
X. Einleitung des Steuerstrafverfahrens in Folge einer Selbstanzeige Nach Nr. 132 Abs. 1 AStBV sind der Bußgeld- und Strafsachenstelle Selbstanzeigen i.S.v. § 371 AO und § 378 Abs. 3 AO zuzuleiten. Regelmäßig leiten die Finanzbehörden nach Eingang einer Selbstanzeige ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, allein um deren Wirksamkeit zu überprüfen.1 Im Hinblick auf Nr. 11 Abs. 1 S. 2 AStBV ist die routinemäßige Einleitung des Steuerstrafverfahrens insb. bei sog. zweistufigen Selbstanzeigen rechtswidrig. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle prüft, ob die Angaben für eine wirksame Selbstanzeige ausreichen und ob dem Täter ggf. Gelegenheit zu geben ist, die Angaben zu vervollständigen (Nr. 11 Abs. 2 S. 1 AStBV). Nur wenn der Sachverhalt weiter aufklärungsbedürftig ist, hat die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Ermittlungen aufzunehmen (Nr. 11 Abs. 2 S. 2 AStBV).
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Hinweis: Zieht ein Tatteilnehmer (Mittäter, mittelbarer Täter, Gehilfe oder Anstifter) eine Selbstanzeige in Betracht, hat diese ausschließlich strafbefreiende Wirkung für den Anzeigenerstatter, nicht aber für die anderen Tatbeteiligten. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO steht der Selbstanzeige des weiteren Tatbeteiligten entgegen, da die Tat als entdeckt gilt. Auch wegen der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO empfiehlt es sich, vorher eine Abstimmung zwischen den Tatbeteiligten vorzunehmen.2
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Beispiel: Die Ehefrau stellt ihrem Ehemann den von ihrem Vater schenkungsweise erhaltenen Porsche Carrera zum Zwecke des Betriebsausgabenabzugs zur Verfügung. Im Scheidungsverfahren begehrt der Ehemann den Porsche für sich; zur Begründung führt er an, dass er die Kosten als Betriebsausgaben geltend gemacht habe, mithin ihm das Auto auch gehöre. Nach anwaltlicher Beratung gibt die Ehefrau gegenüber der zuständigen Finanzbehörde eine Selbstanzeige ab, ohne zuvor ihren Ehemann zu informieren. In Folge der Selbstanzeige leitet die Finanzbehörde das Steuerstrafverfahren gegen die Ehefrau wegen Beihilfe ein, um die Wirksamkeit zu prüfen. Sobald die Finanzbehörde die Wirksamkeit festgestellt hat, stellt sie das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
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Zugleich leitet die Finanzbehörde ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen den Ehemann ein. Die Selbstanzeige der Ehefrau führt nicht zur Strafbefreiung beim Ehemann. Dem Ehemann ist eine strafbefreiende Selbstanzeige auf Grund des Ausschlusstatbestandes des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO verwehrt. Führt die Ehefrau in der Selbstanzeige an, dass diese Erklärung auch für und gegen den Ehemann gilt, kommt dem Ehemann die strafbefreiende Wirkung zugute. 1 Nr. 11 Abs. 1 AStBV; Hild/Hild, S. 20; zur Problematik bei einer sog. StufenSelbstanzeige vgl. Burkhard, PStR 2001, 46. 2 Bilsdorfer, wistra 1984, 93.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
XI. Mitteilungspflicht von Gerichten und Behörden 107
Hinweise auf Steuerhinterziehung erhalten die Finanzbehörden auf Grund gesetzlicher Verpflichtung von den verschiedensten Dienststellen. § 116 Abs. 1 AO verpflichtet Gerichte und Behörden, die Finanzbehörden über Tatsachen zu informieren, die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen, sofern die Tatsachen dienstlich in Erfahrung gebracht worden sind. Private Kenntnisse von Amtsträgern um eine Steuerhinterziehung lösen keine Anzeigepflicht aus. Die Kenntnis von Steuerordnungswidrigkeiten löst ebenfalls keine Anzeigepflicht aus.
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Hinweis: Die praktische Bedeutung von § 116 AO ist gering, da ressortfremde Behörden oftmals nicht mit dem Tatbestand der Steuerstraftaten vertraut sind1 und den meisten Behörden und Gerichten die Vorschrift nicht bekannt ist.2
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Hinweis: Kreditinstitute sowie Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts und berufsständische Selbstverwaltungskörperschaften sind weder amtshilfepflichtig noch anzeigepflichtig.3
1. Mitteilungspflicht in Zivilverfahren 110
Von Bedeutung ist die Mitteilungspflicht insb. in Scheidungsverfahren, in welchen über die Höhe des Einkommens des Unterhaltsverpflichteten gestritten wird, aber auch in Zivilverfahren, in denen über die Höhe von Rückzahlungsansprüchen von zum Teil gegenüber den Notaren nicht erklärten Kaufpreisen eines Wohngrundstückes oder über die Höhe von Schadensersatz von durch Schwarzarbeit ausgeführten Werkleistungen gestritten wird.
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Hinweis: In Scheidungsverfahren wird von der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch gemacht, wenn sich der unterhaltspflichtige Ehepartner gegen die Höhe des Unterhaltsanspruchs wehrt. Auf diese Weise wird versucht, den unterhaltspflichtigen Ehepartner unter Druck zu setzen. Oftmals wird vor Abgabe einer Selbstanzeige von dem unterhaltsberechtigen Ehepartner offen, auch im Beisein der Scheidungsanwälte, die Möglichkeit der Selbstanzeige angesprochen.
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Hinweis: Soweit dem Notar ein niedrigerer Kaufpreis als der tatsächliche Kaufpreis eines Grundstücks erklärt wird, um Grunderwerbsteuer zu hinterziehen, erfüllt dies zugleich den Tatbestand des Betruges zum Nachteil des Notars und des Grundbuchamtes. Deren Gebührenansprüche richten sich nach dem tatsächlichen Kaufpreis.
1 Brandis in Tipke/Kruse, § 116 AO Rz. 1. 2 Söhn in HHSp. § 116 AO Rz. 17; Brandis in Tipke/Kruse, § 116 AO Rz. 1. 3 Begr. zu § 123 EAO 1974, BT-Drucks. VI. 1982, S. 139.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
2. Anzeigepflicht in Strafverfahren Auch in Strafverfahren wie z.B. in Fällen von Schmiergeldzahlungen, Betrugsverfahren und Insolvenzdelikten kommt es zur Aufdeckung von Steuerhinterziehungsdelikten.
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Beispiel: Wegen der Anzeigepflicht nach § 116 AO sind die Polizeibehörden verpflichtet, bei Anzeigen von Einbruchdiebstahl durch den Betroffenen oder durch die Versicherungsgesellschaft Mitteilungen an die Finanzbehörden zu tätigen, wenn sich der Verdacht einer Steuerstraftat aufdrängt. Solche Verdachtsmomente treten auf, wenn in Folge der Ermittlungen der Polizeibehörde der aufwendige Lebensstil (z.B. die in der Anzeige als gestohlen gemeldeten Gemälde bedeutender Künstler) nicht zu den Einkommensverhältnissen des Bestohlenen passt. Hier greift der Grundsatz ein, dass die Menschen mitteilungsbedürftig sind und sich oftmals selbst verraten.
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Beispiel: Vom Betriebsgelände einer metallverarbeitenden Firma werden über einen längeren Zeitraum Metallabfälle gestohlen. Die Polizeibehörde ermittelt auf Grund einer Strafanzeige wegen Diebstahls. Im Rahmen einer Vernehmung gestehen die Verdächtigen die Straftat ein und legen dar, dass sie die Metallabfälle an einen Schrotthändler gegen Entgelt veräußert haben. Bei der Vernehmung führen sie aus, dass der Schrotthändler gewusst hat, dass die Metallabfälle gestohlen waren. Gegen den Schrotthändler wird wegen Hehlerei ermittelt. Der anwaltlich nicht beratene Schrotthändler händigt bei der Durchsuchung des Betriebsgeländes freiwillig die Abrechnungsunterlagen mit all seinen Lieferanten aus. Dabei stellt die Polizeibehörde fest, dass ein großer Prozentsatz der Lieferanten sich nicht ermitteln lässt. Wegen § 160 AO teilt die Polizeibehörde ihre Erkenntnisse der Finanzbehörde mit. Diese leitet das Steuerstrafverfahren ein.1
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3. Mitteilungspflicht von Rundfunkanstalten über Honorarzahlungen Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind bei Honorarzahlungen für Leistungen freier Mitarbeiter und Behörden bei Erteilung gewerberechtlicher Erlaubnisse zu Kontrollmitteilungen an die Finanzbehörden verpflichtet.2 Im Beratungsgespräch sollte der steuerliche Berater den Mandanten hierauf hinweisen. Steht der Inhalt der Steuerakte im Widerspruch zu den Kontrollmitteilungen, gibt also beispielsweise der Steuerpflichtige das Honorar des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders in der Einkommensteuererklärung nicht an oder widersprechen sich die Angaben des Steuerpflichtigen in den verschiedenen Veranlagungszeiträumen, muss mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gerechnet werden. Die Häufung von Kontrollmitteilungen kann ebenfalls Fahndungsmaßnahmen auslösen.3
1 Zur Strafbarkeit bei der fehlenden Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern vgl. StBp 2010, 82. 2 Vgl. Mitteilungsverordnung v. 25.3.2002, BStBl. 2002 I 477, geändert durch BMFSchreiben v. 25.3.2004, BStBl. 2004 I 418. 3 Streck/Spatscheck, Die Steuerfahndung, Rz. 156.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
4. Mitteilungspflicht in Erbfällen 117
Todesfälle bergen für die Erben ein großes Verantwortungs- aber auch Risikopotential.
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Nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist der Erbe verpflichtet, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Kenntnis von dem Anfall den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Die Anzeigepflicht entfällt gem. § 30 Abs. 3 ErbStG, wenn das Erbschaftsteuerfinanzamt auf andere Weise als durch die Anzeige des Erwerbers in die Lage versetzt worden ist, zu prüfen, ob beim Steuerpflichtigen ein erbschaftsteuerbarer Vorgang vorliegt.
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Darüber hinaus ist gem. § 31 Abs. 1 ErbStG jeder an einem Erbfall Beteiligte auf Verlangen der Finanzbehörde verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben;1 die Frist zur Abgabe der Erklärung muss mindestens einen Monat betragen. Die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung gilt zugleich als Anzeige gem. § 30 Abs. 1 ErbStG.
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Erfährt der Erbe bei der Erbauseinandersetzung, dass der Erblasser Steuern hinterzogen hatte, ist der Erbe auch zur Berichtigung der Steuererklärungen des Erblassers nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 AO verpflichtet, soweit keine Strafbarkeit des Erben in Form der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) bzw. Beihilfe (§ 27 StGB) zur Steuerhinterziehung des Erblassers gegeben ist. Erfüllt der Erbe die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung aus § 153 AO nicht, kann dies den Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllen.2
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Eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO ist auch dann gegeben, wenn der Erbe nach Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung weitere Nachlassgegenstände auffindet.3
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Hinweis: Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO birgt ein großes Risiko für den Erben, denn neben der Erbschaftsteuer ist er auch zur Nachentrichtung der vom Erblasser hinterzogenen Steuern und der Hinterziehungszinsen verpflichtet. Hinzu kommen die Kosten für die steuerliche Beratung und für die Nachforderung von Unterlagen u.a. bei Banken und Versicherungen. Die Belastung kann damit für den Erben derart hoch sein, dass dem Erben nicht ohne wei-
1 BFH, Urt. v. 5.5.1999 – II R 96/97, BFH/NV 1999, 1341. 2 BGH, Urt. v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 376; FG Berlin, Urt. v. 27.1.1999 – 2 K 2138/97 – EFG 1999, 680; so auch das Merkblatt des BMF zur Anwendung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung v. 3.2.2004; dem kritischen Hinweis von Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 410 für den Fall, dass die unrichtige Steuererklärung des Erblassers bereits zu der Steuerverkürzung geführt hat, ist zuzustimmen. 3 BFH, Urt. v. 30.1.2002 – II R 52/99, BFH/NV 2002, 917; a.A. FG Düsseldorf, Urt. v. 26.3.1999 – 18 K 2662/95 AO, EFG 1999, 1239; nicht eindeutig FG Bad.-Württ., Urt. v. 20.9.1999 – 9 K 216/99, EFG 2000, 1021.
28
B. Anlässe zur Selbstanzeige
teres zur Annahme der Erbschaft geraten werden kann. Dem Erben müssen die Folgen klar dargelegt werden. Der Erbe kann allerdings die Erbschaft nur innerhalb von sechs Wochen ausschlagen (vgl. § 1944 Abs. 1 BGB). Dies ist in solchen Fällen fatal, in denen der Erbe nach Ablauf der Ausschlagungsfrist feststellt, dass der Erblasser nicht nur seine Kapitaleinkünfte nicht erklärt hat, sondern auch niemals zuvor eine Steuererklärung abgegeben hat. Da es im Erbfall zahlreiche Mitteilungspflichten Dritter gegenüber den Finanzbehörden gibt1, aus denen sich Hinweise auf nicht versteuertes Kapital und nicht versteuerte Erträge ergeben, ist die Kenntnis des Erben um diese Mitteilungspflichten sowohl in steuerlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht von Bedeutung. Der steuerliche Berater muss seinen Mandanten auf diese hinweisen.
123
Nach § 33 ErbStG sind Kreditinstitute einschließlich Postbanken und Bausparkassen sowie andere gewerbsmäßige Vermögensverwalter, z.B. Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare und Wirtschaftsprüfer, die zwar kein Gewerbe betreiben, aber doch i.S.v. § 33 Abs. 1 ErbStG geschäftsmäßig handeln, zur Anzeige von Vermögenswerten an das Erbschaftsteuer-Finanzamt verpflichtet. Aus diesen Mitteilungen können sich Hinweise auf nicht versteuertes Kapital und nicht versteuerte Erträge ergeben. Das Erbschaftsteuer-Finanzamt wiederum hat dem für die Besteuerung des Erblassers nach dem Einkommen und Vermögen zuständigen Finanzamt den ermittelten Nachlass mitzuteilen, wenn der Reinwert mehr als 250 000 Euro oder das zum Nachlass gehörende Kapitalvermögen mehr als 50 000 Euro beträgt. Außerdem hat das Erbschaftsteuer-Finanzamt dem für die Besteuerung des Erwerbers nach dem Einkommen und dem Vermögen zuständige Finanzamt den Erwerb mitzuteilen, wenn dessen erbschaftsteuerlicher Bruttowert mehr als 250 000 Euro oder das zum Nachlass gehörende Kapitalvermögen mehr als 50 000 Euro beträgt.2
124
Û
Hinweis: Innerhalb der Finanzverwaltung herrscht ein reger Informationsaustausch. Das Erbschaftsteuer-Finanzamt informiert die Finanzämter, denen die Einkommensbesteuerung des Erblassers und des Erwerbers obliegt. Die Finanzämter wiederum informieren das Erbschaftsteuer-Finanzamt über alle Sachverhalte, die erbschaft- oder schenkungsteuer „verdächtig“ sind.
125
Nach § 34 ErbStG müssen in Erbfällen Gerichte, Notare und sonstige Urkundspersonen der Erbschaftsteuerstelle in einer Vielzahl von Fällen Abschriften von folgenden Schriftstücken übermitteln: eröffnete Testamente, Erbscheine, Testamentsvollstreckerzeugnisse, Vereinbarungen der Gütergemeinschaft usw. (§ 7 ErBStDV). Bei Schenkungen und Zweck-
126
1 Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 403. 2 Vgl. Gleichlautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Kontrollmitteilungen für die Steuerakten des Erblassers und des Erwerbers v. 18.6.2003 (LMF, 18.6.2003 – S 3900/3, BStBl. 2003 I 665).
29
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
zuwendungen unter Lebenden haben Gerichte, Notare und sonstige Urkundspersonen dem Erbschaftsteuer-Finanzamt eine Abschrift der Schenkungsurkunde zu übermitteln (§ 8 ErbStDV). Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erfolgt, wenn die Herkunft des Vermögens beim Erblasser nicht dargelegt werden kann. 127
Û
Hinweis: Das für die Besteuerung des Erwerbers nach dem Einkommen und Vermögen zuständige Finanzamt hat in den Folgejahren die Möglichkeit einer Verprobung der Steuererklärung des Erben, denn das Erbschaftsteuer-Finanzamt hat dem Finanzamt des Erwerbers den Erwerb mitzuteilen, wenn dessen erbschaftsteuerlicher Bruttowert mehr als 250 000 Euro oder das zum Nachlass gehörende Kapitalvermögen mehr als 50 000 Euro beträgt.1
5. Erwerb von Grundstücken 128
Die Finanzbehörden werden von Notaren gem. § 18 GrEStG über Grundstücksgeschäfte informiert.
129
Û
Hinweis: Das Finanzamt verlangt im Veranlagungsverfahren Auskunft über die Herkunft des Geldes für die Zahlung des Kaufpreises und leitet das Ermittlungsverfahren nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO ein, wenn sich die Herkunft des Geldes nicht aus den Einkommensteuererklärungen erklären lässt und der Kaufpreis in keinem Verhältnis zum erklärten Einkommen steht.
6. Barmittel- und Bargeldkontrolle mit Drittländern und innerhalb der EU 130
Der grenzüberschreitende Verkehr mit Barmitteln an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) und der Bargeldverkehr über die deutsche Grenze innerhalb der EU werden durch den Zoll überwacht. Damit sollen die Geldwäsche bekämpft und die Finanzierung terroristischer Vereinigungen verhindert werden. Nach allgemeinen Erkenntnissen werden Gewinne aus Straftaten auch im Reiseverkehr von einem Staat in einen anderen verbracht (z.B. im Reisegepäck), um sie mit legalen Geldern zu vermengen, dadurch ihre Herkunft zu verschleiern und sie endgültig dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Weiterhin sollen Personen, die in Kontakt mit terroristischen Vereinigungen stehen, identifiziert und das von ihnen mitgeführte Geld sichergestellt werden, um so die grenzüberschreitende Finanzierung des Terrorismus zu erschweren.
131
Steuerpflichtige, die die Außengrenzen der Europäischen Union überschreiten, müssen seit 15.6.2007 sogenannte Barmittel ab einem Gesamt1 Vgl. Gleichlautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Kontrollmitteilungen für die Steuerakten des Erblassers und des Erwerbers, BStBl. 2001 I 665.
30
B. Anlässe zur Selbstanzeige
wert von 10 000 Euro schriftlich anmelden. Es kommt zu Kontrollen über die Anmeldepflicht. Auch mit Kontrollen des sogenannten Bargeldverkehrs im innergemeinschaftlichen Reiseverkehr, also wenn der Steuerpflichtige von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat reist, muss der Steuerpflichtige rechnen.
132
Die Zollbeamten haben im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung die Pflicht und die Befugnis, die Einhaltung der Anmelde- und Anzeigepflicht zu überprüfen. Das bedeutet, dass die Beförderungsmittel und das Gepäck überprüft werden können. Wenn eine begründete Vermutung vorliegt, dass Barmittel oder Bargeld unter der Kleidung mit sich geführt werden, dürfen die Zollbediensteten den Steuerpflichtigen auch körperlich durchsuchen.
133
a) Überwachung des Barmittelverkehrs an den Außengrenzen der EU Am 12.7.2005 hat das Europäische Parlament eine Verordnung zur Einführung eines EU-weiten Konzepts zur Kontrolle von Bargeldbewegungen in die EU und aus der EU angenommen.1 Reisende, die aus der Europäischen Union in ein Drittland ausreisen oder aus einem Drittland in die Europäische Union einreisen, sind seit dem 15.6.2007 verpflichtet, mitgeführte Barmittel im Wert von 10 000 Euro oder mehr anzumelden. Anmeldepflichtige Barmittel sind
134
– Bargeld, – Schecks, – Reiseschecks, – Zahlungsanweisungen, – Wechsel, – Solawechsel, – Aktien, – Schuldverschreibungen und – fällige Zinsscheine, soweit die Summe des Wertes aller mitgeführten Barmittel den Schwellenwert von 10 000 Euro erreicht oder überschreitet.
135
Sind für die Ermittlung des Gesamtwertes der Barmittel ausländische Währungen in Euro umzurechnen, ist der Geldkurs (Ankauf vom Bankkunden) am Tag der Ein-/Ausreise zugrunde zu legen.
136
In der Bundesrepublik Deutschland sind die Barmittel bei der Ein- oder Ausreise schriftlich bei der für den Grenzübertritt zuständigen deutschen
137
1 Vgl. IP/05/702 v. 9.6.2005.
31
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
Zollstelle anzumelden. Wird der Pflicht, mitgeführte Barmittel schriftlich anzumelden, nicht nachgekommen oder werden unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht, so wird eine Ordnungswidrigkeit begangen. Der Verstoß gegen die Anmeldepflicht wird mit einer Geldbuße geahndet. b) Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs innerhalb der EU 138
Daneben bleiben die Bargeldkontrollen nach § 12a ZollVG bestehen. Zur Sicherung der Erhebung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie der Bekämpfung der Geldwäsche nach § 261 StGB unterstellt § 12a Abs. 1 ZollVG die Ausfuhr und Durchfuhr in das, aus dem und durch das Zollgebiet der EU sowie das sonstige Verbringen von Bargeld oder gleichgestellten Zahlungsmitteln über die Binnengrenzen Deutschlands der zollamtlichen Überwachung. Kontrollen werden sowohl im Reiseverkehr als auch im gewerblichen Warenverkehr durchgeführt. Personen haben Bargeld oder gleichgestellte Zahlungsmittel im Wert von 10 000 Euro oder mehr auf Verlangen der Zollbediensteten nach Art, Zahl und Wert anzuzeigen sowie die Herkunft, den wirtschaftlich Berechtigten und den Verwendungszweck darzulegen.
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140
Auch bei der grenzüberschreitenden Bargeldkontrolle muss mit Kontrollmitteilungen von Postsendungen gerechnet werden (§ 12a ZollVG i.V.m. § 10 Abs. 4 ZollVG). § 10 Abs. 5 ZollVG schränkt das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses nach Art. 10 GG insoweit ein.
141
Beispiel: Bei Kontrollen im Großraum Trier entdeckten die Zollbeamten bei der Überprüfung eines Kleinwagens im Fußraum hinter den Vordersitzen eine Plastiktüte mit insgesamt 800 000 Euro Bargeld. Das 77 und 73 Jahre alte Ehepaar hatte die Frage der Beamten nach mitgeführten Barmitteln zunächst verneint. Nach dem Fund gaben die beiden, die aus Luxemburg eingereist waren, sofort zu, das Geld unmittelbar von einer dortigen Bank geholt zu haben.
Hinweis: Wurde der Steuerpflichtige bei der zollamtlichen Überwachung beim Grenzübertritt des Bargeldverkehrs mit Bargeld oder gleichgestellten Zahlungsmitteln oder mit Bankunterlagen angetroffen, muss der Steuerpflichtige mit einer Kontrollmitteilung rechnen, auch wenn der Barmittelbetrag den Wert von 10 000 Euro nicht überschreitet. Die Erkenntnisse, die die Zollverwaltung bei der Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs gewinnt, darf sie nämlich nicht nur den für Geldwäsche zuständigen Straf- und Verwaltungsbehörden übermitteln, sondern auch zur Durchführung eines Besteuerungsverfahrens oder eines Steuerstrafverfahrens der Finanzverwaltung mitteilen.1
1 Zu den Einzelheiten vgl. Müller/Burkhard, Stbg 2002, 137; die bislang in §§ 12a ff. FVG enthaltenen Vorschriften wurden durch Art. 7 des Gesetzes zur Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze v. 14.12.2001 (BGBl. 2001 I 3714, 3718) inhaltsgleich in das ZollVG übernommen.
32
B. Anlässe zur Selbstanzeige Wegen Nichtanmeldens von mitgeführtem Bargeld leiteten die Zollbeamten daraufhin ein Bußgeldverfahren gegen das Ehepaar ein. Wegen dieser Ordnungswidrigkeit wurde ein Bußgeld in Höhe von 200 000 Euro erlassen. Die für die Einkommensbesteuerung zuständige Finanzbehörde wurde über den Fund informiert. Diese leitete das Ermittlungsverfahren ein. Neben den 800 000 Euro entdeckten die Zöllner in dem Fahrzeug auch noch mehrere Schmierseifenkanister, die mit insgesamt 60 Litern Benzin gefüllt waren. Die Beamten forderten für die unzulässige Mehrmenge von 40 Litern per Steuerbescheid noch 20,08 Euro Energiesteuer an.
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Hinweis: Grundsätzlich ist im Anschluss an eine Bargeldkontrolle eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich, sofern der Steuerpflichtige bei der Kontrolle über die Herkunft des Geldes schweigt. Die Erklärung des Ehepaars im vorgenannten Beispielsfall, das Bargeld bei einer Bank in Luxemburg abgeholt zu haben, führt zur Sperrwirkung der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO.
142
Û
Hinweis: Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29.7.2009 hat die Aufgaben und Befugnisse des Zolls bei der Überwachung grenzüberschreitender Barmittel erweitert.
143
Nach § 1 Abs. 3a ZollVG i.V.m. Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 besteht eine Meldepflicht für Bargeld und gleichgestellte Zahlungsmittel (z.B. Schecks, Wechsel) im Wert von 10 000 Euro oder mehr, die in das, aus dem oder durch das Gemeinschaftsgebiet verbracht werden. Bislang war der Zoll befugt, personenbezogene Daten an die Staatsanwaltschaften nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben weiterzugeben gem. § 12a Abs. 5 S. 1 ZollVG. Indem nun auch die Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten sowie der Sozialleistungsbetrug in den Kreis der Aufgaben der Zollverwaltung nach § 1 Abs. 3a S. 3 ZollVG hinzukommen, besteht nun die Gefahr, dass der Fund nicht deklarierter Barmittel steuerstrafrechtliche Ermittlungen mit sich bringt. Zudem eröffnet § 12a Abs. 5 S. 2 ZollVG auch die Verarbeitung nicht personenbezogener, also sachverhaltsbezogener Daten. 7. Ermittlungen gegen Bankmitarbeiter wegen Beihilfe Von besonderer Bedeutung sind nach wie vor Bankendurchsuchungen in Folge der Kapitaltransfers in Niedrigsteuerländer, insb. nach Luxemburg, Liechtenstein und die Schweiz, aber auch wegen des Verdachts der Beihilfe von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung von Kunden.
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145
Hinweis: Im Juli 2010 haben deutsche Steuerfahnder im Auftrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung bundesweit 13 Filialen und Repräsentanzen der Bank Credit Suisse durchsucht. Grundlage der Durchsuchungen war die im Frühjahr 2010 von Nordrhein-Westfalen gekaufte BankdatenCD, die Daten von Kunden der Credit Suisse enthält, die der Beihilfe 33
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
zur Steuerhinterziehung verdächtigt werden. Bei einer solchen Durchsuchungsmaßnahme werden nicht nur Unterlagen gegen die Mitarbeiter der Credit Suisse beschlagnahmt, sondern auch Unterlagen von Bankkunden. Schließlich stützt sich der Vorwurf gegen die Mitarbeiter der Credit Suisse auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch bisher nicht bekannte deutsche Bankkunden, die ihre Kapitaleinkünfte aus der Schweiz nicht versteuert haben, entdeckt werden. 146
Û
147
Auch wenn die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute (z.B. Sparkassen, Schuldenverwaltungen, die Bundesbank und Landeszentralbanken) nicht zur Amtshilfe verpflichtet sind (§ 111 Abs. 3 AO), besteht gem. § 105 Abs. 1 AO eine Auskunftspflicht nach §§ 93 ff. AO gegenüber den Finanzbehörden. Gem. § 54 StPO müssen Bedienstete der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Strafverfahren von der Verschwiegenheitspflicht entbunden werden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO haben Bankangestellte mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis nicht.2 Die Bank ist allerdings nicht gehindert, Kunden über durchgeführte Durchsuchungs- oder Beschlagnahmemaßnahmen zu informieren.3
Hinweis: Ein Bankgeheimnis gegenüber den Finanzbehörden existiert nicht.1 Auch § 30a AO begründet kein Bankgeheimnis gegenüber Finanzbehörden. § 30a Abs. 3 AO schützt erst recht nicht vor Kontrollmitteilungen bei CpD-Konten, die zur Verschleierung oder Verdeckung von steuerrelevanten Sachverhalten missbraucht werden können.
8. Aufdeckung in Folge der Mitteilungspflicht nach dem GeldwäscheG 148
Nach § 11 Abs. 1 GwG4 sind Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, Versicherungsvermittler, Investmentaktiengesellschaften, Dienstleister für Gesellschaften und Treuhandvermögen oder Treuhänder, Immobilienmakler, Spielbanken5 und Personen, die gewerblich mit Gütern handeln6, verpflichtet, Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass eine Finanztransaktion einer Geldwäsche nach § 261 StGB dient, den zuständigen Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen.
149
Auch Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare sowie Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte werden
1 2 3 4 5 6
Tipke in Tipke/Kruse, § 30a Rz. 25. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 53 Rz. 3. Streck/Spatschek, Die Steuerfahndung, 4. Aufl., Rz. 633. BGBl. 1993 I 1770. Vgl. Heerspink, AO-StB 2002, 392. Zu den Verpflichteten nach § 11 GwG vgl. § 2 GwG.
34
B. Anlässe zur Selbstanzeige
zur Kooperation im Kampf gegen die Geldwäsche verpflichtet.1 Verpflichtete im Sinne des GwG sind, soweit sie in Ausübung ihres Geschäfts oder Berufs handeln, Rechtsanwälte, Kammerrechtsbeistände und registrierte Personen im Sinne des § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, Patentanwälte sowie Notare, wenn sie für ihren Mandanten an der Planung oder Durchführung von folgenden Geschäften mitwirken: – Kauf und Verkauf von Immobilien oder Gewerbebetrieben, – Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten, – Eröffnung oder Verwaltung von Bank-, Spar- oder Wertpapierkonten, – Beschaffung der zur Gründung, zum Betrieb oder zur Verwaltung von Gesellschaften erforderlichen Mittel, – Gründung, Betrieb oder Verwaltung von Treuhandgesellschaften, Gesellschaften oder ähnlichen Strukturen, – oder wenn sie im Namen und auf Rechnung des Mandanten Finanzoder Immobilientransaktionen durchführen. Mitteilungsverpflichtet sind auch Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte.
150
Die genannten Personen haben unabhängig von der Höhe der Transaktion bei Feststellung von Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass eine Tat nach § 261 des Strafgesetzbuches oder eine Terrorismusfinanzierung begangen oder versucht wurde oder wird, diese unverzüglich an die für sie zuständige Bundesberufskammer anzuzeigen. Die Kammer kann zur Anzeige Stellung nehmen. Sie hat die Anzeige mit ihrer Stellungnahme unverzüglich an die zuständige Strafverfolgungsbehörde und in Kopie dem Bundeskriminalamt – Zentralstelle für Verdachtsanzeigen – weiterzuleiten. Dies gilt entsprechend für Notare, die nicht Mitglied einer Notarkammer sind, mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Berufskammer die für die Berufsaufsicht zuständige oberste Landesbehörde tritt.
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9. Mitteilungspflicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel und die dieses Amt 152 unterstützenden Behörden sind nach § 8 Abs. 2 S. 1 WpHG nicht befugt, den Finanzbehörden die im Rahmen der Insiderbekämpfung von den Banken erlangten Kundendaten mitzuteilen. § 116 AO ist nicht anwendbar. Nach § 8 Abs. 2 S. 2 WpHG besteht eine Ausnahme, soweit die Finanzbehörde die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie einer damit zusammenhängenden Besteuerung benötigt, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht.
1 Zu den Pflichten nach dem Geldwäschegesetz und zu den Verschärfungen vgl. Sommer, AnwBl. 2005, 50.
35
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
XII. Mitteilungspflicht von Kreditinstituten 153
Nach § 45d EStG müssen Kreditinstitute dem Bundeszentralamt für Steuern die Höhe des ihnen vorliegenden Freistellungsauftrages und dessen konkrete Ausschöpfung melden. Bei „runden“ Freistellungsbeträgen lässt die Information oftmals den Verdacht aufkeimen, dass der Kunde noch weitere, bislang nicht versteuerte Kapitalerträge bei dem Kreditinstitut erzielt hat. Die aufgrund der erweiterten Meldepflicht gemeldeten Daten betreffend Kapitaleinkünfte ab 1999 dürfen nicht nur für die Prüfung der rechtmäßigen Inanspruchnahme des Sparerfreibetrages und des Pauschbetrages für Werbungskosten verwendet werden, sondern allgemein zur Durchführung eines Besteuerungs- oder Steuerstrafverfahrens. Den Finanzämtern, als Unterorganisation des Bundeszentralamtes für Steuern, stehen diese Informationen bereits aus begründetem Anlass zur Verfügung. Darüber hinaus gibt § 45d Abs. 2 EStG auch den Sozialversicherungsträgern über § 31 AO hinaus ein Zugriffsrecht auf diese Daten des Bundeszentralamtes für Steuern.
XIII. Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörden bei Banken 154
Bei der Ermittlung des Sachverhalts nach § 88 AO haben die Finanzbehörden gem. § 30a Abs. 1 AO auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besondere Rücksicht zu nehmen. Die Finanzbehörden können nicht von den Kreditinstituten zum Zweck der allgemeinen Überwachung die einmalige oder periodische Mitteilung von Konten bestimmter Art oder bestimmter Höhe verlangen. Der Gesetzgeber hat in § 30a Abs. 3 AO ausdrücklich normiert, dass die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen. Die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben. Trotz dieses „Kontrollmitteilungsverbots“ in § 30a Abs. 3 AO werden aus Anlass von Steuerfahndungsprüfungen gerade in den Bankprüfungsverfahren immer wieder Ermittlungen vorgenommen. Die Finanzbehörden versuchen regelmäßig mittels Sammelauskunftsersuchen bei den Banken an interessantes Informationsmaterial heranzukommen.
155
Nach einer Entscheidung des BFH1 muss zwischen einer Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse dritter Personen ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, solche Feststellungen zu treffen. Fehlt es an einer solchen konkreten Prüfungstätigkeit, die den Anlass für die Feststellung der Verhältnisse Dritter bieten muss, handelt der Prüfer außerhalb der ihm durch den Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse. Der BFH führt in seinem Ur1 Urt. v. 4.11.2003 – VII R 28/01, BStBl. 2004 II 1032.
36
B. Anlässe zur Selbstanzeige
teil aus, dass diese Grundsätze auch für ein Mitwirkungsverlangen gelten, das darauf gerichtet ist, unabhängig von einer konkreten Prüfungstätigkeit ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse Dritter festzustellen. Ein derartiges Mitwirkungsverlangen ist rechtswidrig. Zur Argumentation wird angeführt, dass nach § 194 Abs. 1 S. 1 AO die Außenprüfung grundsätzlich der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen dient. Gemäß § 194 Abs. 3 Alt. 1 AO ist die Auswertung von anlässlich einer Außenprüfung festgestellten Verhältnissen Dritter insoweit zulässig, als die Kenntnis dieser Feststellungen für deren Besteuerung von Bedeutung ist. Das Wort „anlässlich“ verlangt mehr als einen bloß zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter. Zwischen Außenprüfung und Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse dritter Personen muss auch ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, der den Prüfer veranlasst, solche Feststellungen zu treffen. Dies muss kein besonderer Anlass sein, etwa ein solcher, der zwingend den Verdacht einer Steuerverkürzung des Dritten erweckt. Es genügt vielmehr, dass die vom Prüfer einzusehenden Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen zu geben vermögen, die bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können. Fehlt es an dieser konkreten Prüfungstätigkeit, die nach § 194 Abs. 3 AO den Anlass für die Feststellung der Verhältnisse Dritter bieten muss, handelt der Prüfer außerhalb der ihm durch den Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse. Eine solche unmittelbar und ausschließlich auf die steuerlichen Verhältnisse Dritter gerichtete Prüfungshandlung wird von § 194 Abs. 3 AO nicht gedeckt und ist daher rechtswidrig.
156
XIV. Chiffre-Anzeigen als Anlass für Fahndungsmaßnahmen Chiffre-Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften bieten Anknüpfungspunkte für nichtversteuerte Tätigkeiten und Anlass für Fahndungsmaßnahmen.1
157
Û
158
Hinweis: Die Steuerfahndung wertet den Anzeigenteil der Tageszeitung regelmäßig aus2 und interessiert sich insbesondere für Inserate von inländischen und ausländischen Luxuswohnungen, Privatflugzeugen, Yachten und Luxuslimousinen.3 Auch der Anzeigenteil von Spezialzeitschriften wird ausgewertet.4
1 BFH, Urt. v. 29.10.1986 – VII R 82/85, BStBl. 1988 II 359. 2 PStR 1998, 90. 3 BFH, Urt. v. 17.3.1992 – VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Rüsken in Klein, § 208 Rz. 43. 4 Burkhard, V&S, Heft 3/1999, 30, 32.
37
2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
159
Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bietet keinen Schutz für Inserenten. Zur Feststellung der Auftraggeber von Chiffreanzeigen sind Auskunftsersuchen an die Presse sowohl im Besteuerungsverfahren als auch im Straf- und Bußgeldverfahren zulässig. Das Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter der Presse nach § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO und § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO erstreckt sich nur auf den redaktionellen Teil von Druckwerken, nicht auf Anzeigen.1
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Hinweis: § 7 SchwarzArbG verpflichtet insb. denjenigen, der eine anonyme Werbemaßnahme als Chiffreanzeige in einem Print-Medium veröffentlicht, bei Anhaltspunkten für Schwarzarbeit dem Zoll Namen und Anschrift des mit der Chiffre-Anzeige Werbenden unentgeltlich mitzuteilen. Ziel ist es, auf diese Weise in einem frühen Stadium der Vorbereitung von Schwarzarbeit diese zu vereiteln.
XV. Anzeigen durch Dritte 161
Auch Informationen durch Dritte (Anzeigen unter Namensnennungen oder anonyme Anzeigen) geben Anlass für Fahndungsmaßnahmen. 1. Anonyme Anzeigen
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Die Steuerfahndung schreitet nicht nur bei Anzeigen unter Namensnennung ein, sondern auch auf Grund anonymer Anzeigen. In diesen Fällen müssen die Anzeigen konkrete Informationen enthalten, die den Verdacht einer Steuerhinterziehung begründen. Pauschale Behauptungen führen nicht zum Einschreiten der Steuerfahndung.2 Oftmals wird unter dem Deckmantel einer Anzeige die Steuerfahndung zur Durchsetzung zivilrechtlicher Streitigkeiten eingeschaltet. 2. Rachemaßnahmen gekündigter Mitarbeiter sowie in Scheidungsverfahren
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Drohen Rachemaßnahmen von dritter Seite, so wenn ein Geschäftspartner geprellt wurde oder sich eine Auseinandersetzung mit einem Geschäftspartner ausweitet, das Arbeitsverhältnis eines gekündigten Mitarbeiters ohne gütliche Einigung beendet wird, Nachbarn sich streiten oder die Ehe des Mandanten streitig geschieden wird, kann es zu einer Anzeige unter Namensnennung oder zu einer anonymen Anzeige kommen. Der Anzeigende, der sich häufig wegen Mittäterschaft oder Beihilfe strafbar gemacht hat, lässt sich von der Anzeige nicht abhalten, da ihn grundsätzlich die strafbefreiende Selbstanzeige schützt. Besondere Gefahr droht im Rahmen von Unterhaltsprozessen, wenn über das Einkommen gestritten wird. 1 BFH, Urt. v. 29.10.1986 – VII R 82/85, BStBl. 1988 II 359; Nr. 148 AStBV; Bilsdorfer/Weyand, Keine Angst vor dem Finanzamt, Rz. 294, 300. 2 Matthes in Kohlmann, § 397 Rz. 10.1.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige Beispiel: Bei der Finanzbehörde ging in Form eines staatsanwaltlichen Ermittlungsberichtes eine Anzeige über das Geschäftsgebaren eines kommerziellen Verkäufers bei Ebay ein. Der vermeintliche Bericht enthielt u.a. Angaben über betrügerisches Verhalten wegen Nichterfüllung der Lieferpflichten, aber auch detaillierte Angaben über den Umfang der Geschäftstätigkeit. Eine Überprüfung bei der Veranlagungsstelle hat ergeben, dass der Steuerpflichtige keine Umsatzsteuervoranmeldungen und auch keine Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben hat. Die Anzeige stammte mutmaßlich von einem Konkurrenten.
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Beispiel: Auf der Geburtstagsfeier prahlt der beamtete Steuerpflichtige nach umfangreichen Genuss von Alkohol mit der Hinterziehung von Steuern auf Einnahmen aus einer selbständigen Nebentätigkeit als Versicherungsmakler. Sein Nachbar reicht im Namen des beamteten Steuerpflichtigen mit dessen Unterschrift eine Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt ein. In der Selbstanzeige gibt der Nachbar höhere monatliche Einnahmen an, als vom Steuerpflichtigen im Alkoholrausch genannt. Die Ermittlungen nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens zur Überprüfung der Selbstanzeige haben ergeben, dass Briefkopf und Unterschrift von einer Einladung des Steuerpflichtigen zu der Geburtstagsfeier stammen. Der Anzeigenerstatter hat sich wegen Urkundenfälschung und falscher Verdächtigung strafbar gemacht.
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Die Selbstanzeige führt beim Steuerpflichtigen nicht zur Straffreiheit. Es handelt sich nicht um eine Erklärung des Steuerpflichtigen. Gegen den Steuerpflichtigen wurde zudem ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren eröffnet.
3. Streitigkeiten zwischen den Erben Hat ein übergangener Erbe Kenntnis von Schwarzgeldvermögen des Erblassers im Ausland und korrigieren die Erben die Einkommensteuererklärungen des Erblassers nicht durch eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO, nutzt der übergangene Erbe dies möglicherweise zu Erpressungsversuchen gegenüber den Miterben.
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Hinweis: Der Strafbarkeit der durch die Erpressungsversuche angetragenen Steuerhinterziehung kann man sich u.a. durch eine eigene Selbstanzeige erwehren. Zugleich ist der Weg für eine Strafanzeige und einen Strafantrag (§ 158 StPO) wegen versuchter Erpressung (§§ 253 Abs. 1 u. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB) gegen den übergangenen Erben eröffnet.
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Die steuerlichen Folgen in diesem Fall müssen hingenommen werden. Andererseits können Miterben, die Kenntnis von Schwarzvermögen im Ausland haben und steuerehrlich bleiben wollen, eine Meldung nach § 30 ErbStG abgeben. Damit wird das Vermögen des Nachlasses gegenüber dem Erbschaftsteuer-Finanzamt offen gelegt.1
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1 Zur Mitteilungspflicht des Erbschaftsteuer-Finanzamts an das zuständige Finanzamt vgl. Rz. 117, 124, 125 sowie den gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Kontrollmitteilungen für die Steuerakten des Erblassers und des Erwerbers v. 18.6.2003 (LMF, 18.6.2003 – S 3900/3, BStBl. 2003 I 665).
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
XVI. Aufdeckung von Steuerhinterziehung in Folge von Bankdaten-CDs sowie in Erpressungsfällen 1. Erpressung durch indiskrete Mitarbeiter von Kreditinstituten und Treuhändern 169
Bereits in der Vergangenheit haben indiskrete Bankmitarbeiter über illegale Transaktionen der Kunden die Staatsanwaltschaft oder die Finanzbehörden informiert. Die Ermittlungsbehörden sind gem. §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO zur Einleitung eines Strafverfahrens verpflichtet, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat besteht; mithin muss mit Fahndungsmaßnahmen gerechnet werden.
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Ein solcher Fall ist die Erpressung der Commerzbank International S.A. Luxemburg (sog. CISAL-Fall). Die Bank wurde mit der Drohung erpresst, Bankdaten von Kunden an die Finanzverwaltung und die Staatsanwaltschaft zu übergeben, wenn man nicht einen bestimmten Betrag zahlen wolle. Die Unterlagen gelangten in die Hand der Staatsanwaltschaft, die sie an die Steuerfahndung weiterreichte. Die Weitergabe der Daten an die Steuerfahndungsstelle wurde mit § 116 Abs. 1 AO für vereinbar erklärt. Die Verwertung wurde als zulässig anerkannt.1
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Ein weiterer Fall ist die Erpressung des Treuhänders Prof. Dr. Dr. Batliner aus Liechtenstein. Bei der Staatsanwaltschaft Bochum ging im Kalenderjahr 2000 anonym eine CD mit Daten über Stiftungen prominenter Kunden des bekanntesten Liechtensteiner Treuhänders ein. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Treuhänders hatte die Kundendaten Anfang der neunziger Jahre gestohlen. 2. Kauf von Bankdaten-CDs durch den Staat
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Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen bilden die vom deutschen Staat gekauften CDs mit Bankdaten mutmaßlicher Steuerhinterzieher, die ihr Vermögen in der Schweiz angelegt haben. Die Datenträger enthalten Angaben zur Person, wie Namen, Adresse, Geburtsdatum sowie Angaben über die Kontoverbindung, wie Kontonummer, Datum der Eröffnung des Kontos und Kontostände. Die Angaben zu den Kontoständen sind wenig präzise.
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Die Steuerstraftat derjenigen Personen, die auf der Daten-CD aufgeführt sind, ist aufgedeckt. Die Ermittlungsbehörden haben die Wohn- und Geschäftsräume dieser Personen durchsucht und beweisrelevante Unterlagen beschlagnahmt. Die Betroffenen müssen am Ende des Verfahrens mit einer erheblichen Geldstrafe, in schweren Fällen der Steuerhinterziehung mit Haftstrafe rechnen.
1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.1995 – 3 VAs 25 u. 26/95, der Beschluss wurde interessanterweise nicht veröffentlicht; Klos, wistra 1996, 176.
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B. Anlässe zur Selbstanzeige
Straffreiheit erlangt nur derjenige, der rechtzeitig eine wirksame Selbstanzeige abgegeben hat. Die Frage, ob die Steuerstraftat nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entdeckt ist, ist umstritten.1
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Die Ermittlungsbehörden haben jedoch nicht nur die Steuerpflichtigen 175 ins Visier genommen, sondern auch die steuerlichen Berater, Vermögensverwalter und Mitarbeiter der Geldinstitute. Denn nach deutschem Recht macht sich nicht nur der eigentliche Steuerhinterzieher strafbar, sondern auch jener Dritte, der den Steuerpflichtigen zur Hinterziehung angestiftet oder ihn dabei unterstützt hat. Das Risiko der Aufdeckung der Strafbarkeit wegen Anstiftung, Beihilfe oder Mittäterschaft ist real. In den Fällen der Durchsuchung der Wohnund Geschäftsräume der Steuerpflichtigen werden diese gezielt nach dem positiven Wissen der Steuerberater um das Vermögen im Ausland gefragt. Gerade in dieser Situation ist das Risiko der Tataufdeckung für den Steuerberater groß, wissen die Steuerpflichtigen regelmäßig nicht, wie sie sich richtig verhalten sollen.2 Auch in den Fällen der zahlreichen Selbstanzeigen werden die Steuerpflichtigen mittels eines Fragebogens gefragt, welche Beweggründe sie hatten, das Vermögen in der Schweiz anzulegen und wer sie wie beraten hat. Die Beantwortung der von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf an die Kunden der Credit Suisse versandte Fragebogen ist freiwillig, soweit ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht.3
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Inwieweit die Selbstanzeige der Steuerpflichtigen auch zur Straffreiheit des Steuerberaters und/oder der Mitarbeiter der Geldinstitute führt, hängt vom Inhalt der Berichtigungserklärung ab. Grundsätzlich erlangt durch eine Selbstanzeige Straffreiheit nur derjenige, in dessen Namen sie abgegeben wird. Offenbart sich lediglich der Steuerpflichtige, bleibt die Strafbarkeit Dritter bestehen.
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Fälle, in denen der deutsche Staat CDs mit Bankdaten mutmaßlicher Steuerhinterzieher gekauft hat, sind die der LGT Bank in Liechtenstein im Jahre 2008 und der Credit Suisse in der Schweiz im Jahre 2009. Deutschland ist jedoch nicht der einzige Staat, der Bankdaten von Steuerpflichtigen mit Vermögen in der Schweiz erhalten hat; auch Frankreich und den USA wurden Bankdaten angeboten. Das Risiko, dass andere indiskrete Bankmitarbeiter verschiedenen Staaten solche Bankdaten zum Kauf anbieten, ist groß, handelt es sich bei den bekannt gewordenen Zahlungen um erhebliche Geldsummen.
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1 Zur Sperrwirkung der Selbstanzeige vgl. Rz. 962 ff. 2 Empfohlen sei das „Handbuch Durchsuchung und Beschlagnahme“ von Tido Park. 3 Alvermann/Olgemöller, Stbg 2010, 456.
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2. Kapitel: Auslöser für strafrechtliche Ermittlungen
XVII. Kontrollen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz 179
Mit §§ 16–19 SchwarzArbG wird die rechtliche Grundlage für eine zentrale Datenbank (Programmunterstützung Finanzkontrolle Schwarzarbeit; ProFiS) auf Bundesebene geschaffen, die den Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei der OFD Köln bei seiner Aufgabenerfüllung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz unterstützen soll. Sie löst die bisherige Datenbank BillBAO ab. Soweit sich tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäftigung ergeben, sind die in § 16 Abs. 2 Nr. 1–4 SchwarzArbG abschließend aufgeführten Daten zu speichern. Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 4 SchwarzArbG wird auf Ersuchen den Finanzbehörden im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens Auskunft aus der zentralen Datenbank erteilt. Die Finanzbehörden erhalten die Auskunft, da die Schwarzarbeit regelmäßig in unmittelbarem Sachzusammenhang mit Steuerhinterziehung steht und die Finanzbehörden auf die Daten zur Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Festsetzungs- und Erhebungsverfahren angewiesen sind.1
XVIII. Schlussbetrachtung 180
Die Aufzählung der Anlässe für eine Selbstanzeige und für die Erforschungspflicht der Steuerfahndung ist nicht abschließend. Der Einzelfall ist zu betrachten. Aufgabe des steuerlichen Beraters ist es, den Steuerpflichtigen für die Anzeichen zu sensibilisieren, damit die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO der Wirksamkeit einer Selbstanzeige nicht entgegensteht.
1 Zu den Einzelheiten vgl. Fehn, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, Handkommentar.
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3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige Literatur: App, Checkliste zur Erstattung einer Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung, DB 1996, 1009; Hofmann, Mandantenberatung bei der steuerlichen Selbstanzeige, DStR 1998, 399; Rainer, Beratungshinweise zur Selbstanzeige vor und während der Betriebsprüfung oder Steuerfahndung, DStR 1992, 901.
A. Beratungspflicht des steuerlichen Beraters Der steuerliche Berater ist wegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StBerG von sich aus zur Beratung verpflichtet, wenn ihm sein Mandant von einer Steuerhinterziehung berichtet oder der steuerliche Berater einen Eingriff der Steuerfahndung vermutet. Die Beratung muss sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte umfassen.
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Û
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Hinweis: Ein Steuerberater, der eine Steuerhinterziehung seines Mandanten entdeckt, ist mit Rücksicht auf die Mandantentreue sowie seine strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht (§ 203 StGB) gehalten, sich auf eine Empfehlung gegenüber dem Mandanten zu beschränken, dass dieser eine Selbstanzeige erstattet. Eine Pflicht zur Selbstanzeige besteht jedoch nicht. Für die Selbstanzeige benötigt der steuerliche Berater einen ausdrücklichen Auftrag.1 Lehnt der Mandant die Selbstanzeige ab, ist der Berater nicht verpflichtet, ihn zur Selbstanzeige zu drängen. Allein die berufliche Position des Steuerberaters macht ihn nicht zum Garanten i.S.d. § 13 StGB.2 Der Rat zur Selbstanzeige ist kein Parteiverrat, das Abraten erfüllt nicht den Tatbestand der Strafvereitelung gem. § 258 StGB.3 Der Berater ist auch nicht verpflichtet, den Mandanten beim Finanzamt anzuzeigen, wenn dieser seinem Rat nicht folgt.4 Er darf dies wegen seiner Verschwiegenheitspflicht sogar nicht. Einer Anzeige steht § 203 StGB entgegen.5 Wenn der Mandant der Empfehlung des Steuerberaters nicht folgt, sollte der Berater im eigenen Interesse die Niederlegung des Mandats in Erwägung ziehen. Verstößt der steuerliche Berater nach der Selbstanzeigeberatung gegen die steuerlichen Pflichten, um steuerliche Vergehen des Mandanten in der Vergangenheit zu vertuschen, läuft
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Bilsdorfer, wistra 1984, 93, 94. BGH, Beschl. v. 20.12.1995 – 5 StR 412/95, wistra 1996, 184. BGH, Urt. v. 20.5.1952 – 1 StR 748/51, BGHSt 2, 375, 377. OLG Bremen, Beschl. v. 26.4.1985 – Ws 111/84, 116/84, StV 1985, 284 f. Schauf in Kohlmann, § 378 Rz. 119; LG Hannover, Urt. v. 9.1.1984 – 44 StL 16/83, StB 1985, 101, dort auch zur Frage der Mandatsniederlegung; Praxishinweise für derartige Risikosituationen geben Göggerle/Neufang, INF 1991, 21 ff.
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3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
der Steuerberater Gefahr, sich als Mittäter oder Gehilfe strafbar zu machen.1 Ist der Steuerberater jedoch selbst an der Steuerhinterziehung beteiligt, so ist der Steuerberater nicht gehindert, bei Weigerung seines Mandanten eine Selbstanzeige für seine Person vorzunehmen.2 Es ist dem steuerlichen Berater nicht zumutbar, die Interessen seines uneinsichtigen Mandanten vorzuziehen und sich der Gefahr der eigenen Bestrafung auszusetzen. Der Steuerberater ist verpflichtet, zuvor dem Mandanten über die beabsichtigte Selbstanzeige zu informieren, um diesem Gelegenheit zur Erstattung einer Selbstanzeige zu geben. Aus dem Vertragsverhältnis zum Mandanten ergibt sich auch die Pflicht, den uneinsichtigen Mandanten über die erstattete Selbstanzeige zu informieren. Die Pflicht besteht nach Mandatsbeendigung fort.3
B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige 183
Eine Selbstanzeige muss sorgfältig geplant werden, denn eine missglückte Selbstanzeige hat weitreichende Folgen, sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für den steuerlichen Berater.
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Nach § 371 Abs. 1 AO in der Fassung bis zum 28.4.2011 hatte die Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung, soweit sie reichte. Dies war auf den Wortlaut der ursprünglichen Fassung von § 371 Abs. 1 AO zurückzuführen, in welchem angeführt war, dass derjenige, der in den Fällen des § 370 AO unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, „insoweit“ straffrei wird. Der BGH hat im Beschluss vom 20.5.20104 zur Auslegung des in § 371 Abs. 1 AO angeführten Begriffs „insoweit“ in Abkehr zur bis dahin gültigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeführt, dass sich das Wort „insoweit“ nicht auf den Umfang der gemachten Angaben, sondern allein auf den Umfang der Strafbefreiung beziehe. Eine Teilselbstanzeige reichte nach BGH nicht länger aus, um Strafbefreiung zu erlangen. Die Selbstanzeige musste also vollständig sein, d.h. die Steuerart, der Veranlagungszeitraum und der ursprünglich nicht erklärte Sachverhalt mussten den Finanzbehörden mitgeteilt werden, will der Steuerpflichtige straffrei werden. Der Bundestag hat mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz § 371 Abs. 1 AO neu gefasst und das Wort „insoweit“ aus dem Gesetzeswortlaut gestrichen und explizit normiert, dass derjenige, der „gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang“ die Selbstanzeige erstattet, wegen dieser 1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 86. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 86; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 46; Bilsdorfer, wistra 1984, 93, 94. 3 Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rz. 1715. 4 1 StR 577/09, NStZ 2010, 642.
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B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige
Steuerstraftat nicht bestraft wird. Demnach ist eine Teilselbstanzeige auch ohne die den Wortlaut des Gesetzes verdrehende Auslegung durch den BGH im Beschluss vom 20.5.2010 nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung möglich. Dieser Umstand führt dazu, dass die Aufgabe des Beraters an Bedeutung zunimmt.
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Hinweis: Der steuerliche Berater kann sich schadensersatzpflichtig machen1 oder selbst der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen, wenn die Beratung nicht sachgemäß erfolgt.2
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Hinweis: Wegen der Schwierigkeit der Rechtsmaterie und der zahlreichen Fußangeln, die der Wirksamkeit der Selbstanzeige im Wege stehen können, ist der Anzeigenerstatter gut beraten, wenn er zuvor seine Schritte sorgfältig abwägt und fachkundigen Rat einholt. Die Lektüre von Fachliteratur ersetzt nicht die Erfahrung eines steuerlichen Beraters.
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I. Anlass für eine Selbstanzeige Eine Selbstanzeige wird nicht ohne einen besonderen Anlass vorgenommen. Die Anlässe, die die Prüfung der Notwendigkeit einer Selbstanzeige erforderlich machen, wurden im 2. Kapitel dargelegt. Nur wenn eine Gefahrensituation gegeben ist, die die Aufdeckung der Steuerhinterziehung befürchten lässt, ist schnelles Handeln des Steuerpflichtigen und des steuerlichen Beraters gefordert.
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Andererseits kann eine Selbstanzeige auch verfrüht sein und zu nicht bedachten wirtschaftlichen Folgen bis hin zum Ruin eines Unternehmens führen.
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Hinweis: Bei der Beratung über eine Selbstanzeige sollte das Alter des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, soweit es sich um einen Fall nicht erklärter Kapitaleinkünfte im Ausland handelt. Hat der Steuerpflichtige Kinder, folgt aus dem näher rückenden Erbfall das Gebot, über die Selbstanzeige ernsthaft nachzudenken.3 Der Erblasser überträgt die Beantwortung der Frage nach einer Berichtigungserklärung auf die Kinder. Auf die beruflichen Belange der Kinder und die Berufe der Ehepartner ist besonders Rücksicht zu nehmen. Eine Erbengemeinschaft ist seit eh und je streitanfällig. Die Selbstanzeige gibt einem Erben die Möglichkeit, Druck auf einen Miterben auszuüben. Sie bietet auch die Möglichkeit, gezielt eingesetzt zu wer-
1 BGH, Urt. v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, BGHZ 23, 222; BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09, wistra 2010, 354. 2 Vgl. die Beispiele bei Streck, DStR 1996, 288, 291 f.; s. auch BGH, Urt. v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, BGHZ 23, 222 betreffend die Fehlberatung durch eine Bank; Göggerle/Neufang, INF 1991, 21, 22. 3 Streck, NJW 2010, 1326, 1327.
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3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
den, um zu erreichen, dass nur der Anzeigenerstatter selbst straffrei ausgeht und unliebsame Miterben bestraft werden. 190
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Hinweis: Bei der Raterteilung über eine Selbstanzeige ist auch zu bedenken, dass die Inhaber verschwiegener Konten in der Schweiz nicht frei über das Geld verfügen können. Jede Verfügung birgt ein Entdeckungsrisiko, insb. wenn das Geld in bar über die Grenze gebracht werden soll.1 Die Grenzen der Niedrigsteuerländer werden nicht nur nach Deutschland hin überwacht. Die anderen EU-Staaten kontrollieren den Bargeldverkehr in der gleichen Intensität. Ist die Selbstanzeige abgegeben, ist das verschwiegene Konto offenbart, so dass der Kontoinhaber über das Kapital verfügen kann. Insbesondere kann er von dem Kapital die in Deutschland nachzuentrichtende Steuer begleichen.
II. Umgehung der Selbstanzeige durch Umgestaltung der Anlageform 191
Bei der Frage nach der Strafbefreiung durch eine Selbstanzeige bemühen sich die Steuerpflichtigen regelmäßig auch um eine Beantwortung der Frage, wie die Selbstanzeige umgangen werden kann.
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Banken und Vermögensberater haben „Modelle“ entworfen, bei denen das vorhandene Vermögen dergestalt umgeschichtet wird, dass es über Jahre hinweg keine Erträge mehr abwirft oder sich in steuerfreier Wertsteigerung widerspiegelt. Die Umgestaltung der Kapitalanlagen von einer Ertragsquelle zu einem reinen Vermögensbestand ist legal.
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Allerdings führt dies nicht dazu, dass der Steuerpflichtige die Steuersünden der Vergangenheit bereinigt. Die Kreditinstitute sind zur Aufbewahrung von Bankunterlagen in der Regel für einen Zeitraum von zehn Jahren verpflichtet. Der Steuerpflichtige kann nur darauf setzen, dass Jahr für Jahr ein weiteres Jahr in die strafrechtliche und steuerliche Verjährung gelangt.
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Verstirbt er in der Zwischenzeit, überträgt er das Problem auf die Erben.
III. Straffreiheit nur für Steuerhinterziehung 195
Die Selbstanzeige führt nur zur Straffreiheit für den Fall der vollendeten oder der versuchten Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 u. 2 i.V.m. § 371 Abs. 1 AO), für den besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO i.V.m. § 371 Abs. 1 AO) und für den Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 3 S. 1 AO) sowie aufgrund der Verweisung für Analogtaten (Hinterziehung von Abwasserabgaben, § 14 1 Streck, NJW 2010, 1326, 1327.
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B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige
AbwAG; Hinterziehung von Abgaben zu Marktordnungszwecken, § 12 Abs. 1 S. 1 MOG; Erschleichen von Bergmannsprämie, § 5a Abs. 2 BergPG; Erschleichen von Wohnungsbauprämie, § 8 Abs. 2 WoPG; Erschleichen von Arbeitnehmersparzulage, § 14 Abs. 3 VermBG1).
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Hinweis: Mit der Selbstanzeige werden auch Delikte, die häufig mit 196 einer Steuerhinterziehung einhergehen, offenbart. Dies sind insb. Betrugsdelikte (§§ 263 ff. StGB), Untreue (§ 266 StGB), Strafvereitelung (§ 258 StGB), Schmiergeldzahlung, Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), Urkundsdelikte (§§ 267 ff. StGB), Konkursstraftaten (§§ 283 ff. StGB), Illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer (§ 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III) und Bildung krimineller Vereinigungen (zum Zwecke der Steuerhinterziehung, § 129 StGB). Die strafbefreiende Wirkung des § 371 Abs. 1 AO greift für diese Delikte nicht ein. Zuständig für die Ermittlungen ist in einem solchen Fall nicht das Finanzamt, sondern die Staatsanwaltschaft, § 386 Abs. 2 u. 4 AO.
Beispiel: S ist Angestellter der Firma L in Frankfurt a.M. S ist für den Vertrieb der Produkte im asiatischen Markt zuständig. Um den Vertrieb der firmeneigenen Produkte zu fördern, hat S an die Einkaufsleiter der asiatischen Unternehmen Schmiergeldzahlungen geleistet. Hierfür erhielt S von seinem Arbeitgeber zusätzlich eine Provision. Diese wurde auf das neu eingerichtete Konto bei der Z-Bank in der Schweiz eingezahlt, um die Besteuerung der Provisionen zu vermeiden. Die Zinseinnahmen dieses Kontos wurden von S ebenfalls nicht versteuert. Erstattet S eine Selbstanzeige wegen der nicht versteuerten Provisionen und der nicht erklärten Zinseinnahmen auf dem Konto in der Schweiz, wird die Ermittlungsbehörde bei der Prüfung der Selbstanzeige grundsätzlich den Anlass für die Provisionszahlungen durch den Arbeitgeber erfragen. S muss in Folge der Selbstanzeige damit rechnen, dass seine Bestechungshandlungen aufgedeckt werden. Nur wenn diese Bestechungshandlungen strafrechtlich verjährt sind, kann S zur Selbstanzeige geraten werden.
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IV. Form der Selbstanzeige Auch wenn das Gesetz für die Selbstanzeige keine besondere Form vorgeschrieben hat, empfiehlt sich aus Beweisgründen, die Selbstanzeige in Schriftform der zuständigen Finanzbehörde per Fax vorab und sodann im Original mit der Post zu übersenden. In seltenen Fällen ist eine persönliche Aushändigung der vorformulierten Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt erforderlich, so z.B. wenn berufs- und disziplinarrechtliche Fragen für den Mandanten zu klären sind und es diese zu vermeiden gilt.
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V. Inhalt der Selbstanzeige Die Finanzbehörde muss durch die Berichtigung des Steuerpflichtigen in die Lage versetzt werden, dass sie auf der Basis der Angaben ohne weitere 1 Weitere Verweisungen: Rüping in HHSp., § 371 Rz. 36.
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3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
langwierige, größere eigene Nachforschungen und unabhängig von der weiteren Mithilfebereitschaft des Steuerpflichtigen die betroffene Steuer zutreffend veranlagen kann.1 Die Berichtigung muss sich auf steuerlich erhebliche Tatsachen erstrecken und möglichst konkret und vollständig durch entsprechende Zahlenangaben und Zuordnung zu den einzelnen Veranlagungszeiträumen erfolgen.
VI. Beschaffung von Unterlagen, insb. in Fällen der gestuften Selbstanzeige 200
Soweit ein Steuerpflichtiger die Kapitaleinkünfte aus einem Bankkonto in einem Niedrigsteuerland nacherklären möchte, ihm die Höhe der Kapitaleinkünfte für die vergangenen Jahre nicht bekannt ist oder ein Steuerpflichtiger den in der Vergangenheit nicht erklärten Umsatz berichtigen möchte, ihm die Höhe des nicht erklärten Umsatzes nicht bekannt ist, z.B. weil die Geschäftspartner die Zahlungen auf sein ausländisches Konto geleistet haben, muss dem Steuerpflichtigen zur Selbstanzeige in Stufen geraten werden.2
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Der Steuerpflichtige kann die Unterlagen vor Erstattung der Selbstanzeige nicht selbst aus dem Ausland nach Deutschland verbringen. Dies ist, soweit das Konto im Ausland unter dem Namen des Steuerpflichtigen geführt wird, erst möglich, wenn die Selbstanzeige im Wege der Schätzung bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht worden ist. Wird der Steuerpflichtige an der Grenze mit den Bankunterlagen angetroffen, bevor die Selbstanzeige bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht worden ist, kann dies nach den Umständen des Einzelfalles zur Entdeckung der Tat führen und die Selbstanzeige ist gesperrt.
202
Auch wenn die Selbstanzeige im Wege der Schätzung beim zuständigen Finanzamt eingereicht worden ist, ist zu empfehlen, dass ein steuerlicher Berater die Unterlagen bei der Bank im Ausland prüft, bevor diese nach Deutschland verbracht werden. Aus den Bankunterlagen ergibt sich, woher das Kapital stammt. Wurden auf dem Konto des Steuerpflichtigen im Ausland sog. Provisionszahlungen geleistet, so führt die Vorlage der Unterlagen zur Aufdeckung von Bestechungsfällen. In solchen Fällen kann dem Steuerpflichtigen im Vorfeld zur Selbstanzeige nur geraten werden, wenn die entdeckungsgefährdete Straftat verjährt ist.
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Hat der Steuerpflichtige von seinem Konto im Ausland Überweisungen auf ein Konto eines anderen Steuerpflichtigen im Ausland getätigt, führt die Einreichung von Bankunterlagen bei der Finanzbehörde zur Aufdeckung einer möglichen Steuerhinterziehung des Überweisungsempfängers. Diesem muss ebenfalls zur Selbstanzeige geraten werden.
1 BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 376 = BStBl. 1953 I 109. 2 Vgl. Rz. 406 ff.
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B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige
Soweit die Empfehlung ausgesprochen wird, dass der steuerliche Berater 204 die für die Erstattung der Selbstanzeige erforderlichen Bankunterlagen im Ausland abholt, bevor die Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt eingereicht wird und er die Bankunterlagen in seiner Kanzlei auswertet, weil die Ansicht vertreten wird, dass die Bankunterlagen nach § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO Inhalt der beschlagnahmefreien Handakte des steuerlichen Beraters seien, muss von diesem Vorgehen abgeraten werden. Generell wird die Erfahrung gemacht, dass die Zollbediensteten beim Grenzübertritt diese Unterlagen einsehen und sogar beschlagnahmen. Für diesen Fall muss man nach Rückkehr in die Kanzlei eine Selbstanzeige im Wege der Schätzung einreichen, in der Hoffnung, dass die Selbstanzeige nicht gesperrt ist.
VII. Zu berichtigender Zeitraum Für die Bestimmung des zeitlichen Umfangs der Selbstanzeige ist einerseits auf den Sinn und Zweck der Selbstanzeige abzustellen, also auf die Straffreiheit, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige erlangt werden soll. Daher bestimmt sich der zeitliche Umfang nach dem strafrechtlichen Verjährungszeitraum. § 371 Abs. 1 AO in der Fassung nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz fordert andererseits eine Berichtigung für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang. Auch wegen des Ausschlusses von Teilselbstanzeigen muss der strafrechtlich nicht verjährte Zeitraum in jedem Einzelfall bestimmt werden. Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO tritt nach Ablauf von fünf Jahren Strafverfolgungsverjährung ein. Für die in § 370 Abs. 3 AO angeführten Fälle der Steuerhinterziehung tritt die Strafverfolgungsverjährung in Folge des Jahressteuergesetzes 2009 nach Ablauf von zehn Jahren ein.1 Bei der Bestimmung des Zeitraums ist allerdings auf den Beginn der strafrechtlichen Verjährungsfrist nach § 78a StGB abzustellen.Steuerlich gilt dagegen für hinterzogene Steueransprüche nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO eine Festsetzungsfrist von zehn Jahren.
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Hinweis: Die Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO ist für den Umfang der Selbstanzeige nicht maßgeblich. Die Selbstanzeige muss sich nur auf den strafrechtlich nicht verjährten Zeitraum erstrecken.
VIII. Adressat der Selbstanzeige Es empfiehlt sich, die Berichtigungserklärung bei der für die Verwaltung der jeweiligen Steuer zuständigen Finanzbehörde, also gegenüber der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde abzugeben. Zuständig ist die Veranlagungsstelle.
1 Jahressteuergesetz 2009, BGBl. 2008 I 2794 ff.
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3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
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Für den Fall, dass Ermittlungsmaßnahmen durch die Steuerfahndungsstelle, also Durchsuchungsmaßnahmen, zu befürchten sind, empfiehlt sich, die Selbstanzeige zur Vermeidung dieser Maßnahmen in Abschrift an die Steuerfahndungsstelle zu übersenden.
IX. Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige 209
Die Selbstanzeige führt nur zur Straffreiheit, wenn sie vor Eintritt der in § 371 Abs. 2 AO genannten Ausschlussgründe erfolgt. Eine nicht rechtzeitig erstattete Selbstanzeige ist unwirksam. Die in § 371 Abs. 2 AO normierten Ausschlussgründe sind: – Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO gegenüber dem Täter oder seinem Vertreter, § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO, – Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens, § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO, – Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO, – Entdeckung der Tat, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, – Steuerverkürzung oder nicht gerechtfertigter 50 000 Euro je Tat, § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO.
Steuervorteil
ab
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Hat sich der Steuerpflichtige zur Selbstanzeige entschlossen, ist Eile geboten, damit nicht zwischenzeitlich ein Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 AO eintritt, die Selbstanzeige z.B. durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gesperrt wird.
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Hinweis: Bestehen Zweifel, ob ein Ausschlussgrund eingetreten ist, sollte dennoch eine Selbstanzeige abgegeben werden. Eine verunglückte Selbstanzeige führt zur Strafmilderung.1
X. Nachzahlung der verkürzten Steuer 212
Die Selbstanzeige führt nur zur Strafbefreiung, wenn der Steuerpflichtige die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzte Steuer fristgerecht nachentrichtet, § 371 Abs. 3 AO. Vor Abgabe einer Selbstanzeige muss Gewissheit bestehen, dass der Steuerpflichtige die nachzuentrichtende Steuer fristgerecht bezahlen kann. Angemessen ist eine Frist von 4 Wochen bis zu 6 Monaten.2 Die Frist nach § 371 Abs. 3 AO ist nicht identisch mit der im Rahmen der Nachveranlagung gesetzten Steuerfrist.
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Hinweis: Die Nachzahlungspflicht beschränkt sich auf die hinterzogenen Steuern. Nicht erfasst werden von § 371 Abs. 3 AO steuerliche
1 OLG Köln, Urt. v. 7.6.1957 – Ss 40/57, ZfZ 1958, 87. 2 AG Saarbrücken, Urt. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, DStZ 1983, 414.
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B. Sorgfältige Planung der Selbstanzeige
Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AO. Dies sind u.a. Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zinsen (§§ 233 bis 237 AO) und Säumniszuschläge (§ 240 AO). Die Zahlung der Hinterziehungszinsen ist keine Bedingung für den Eintritt der Straffreiheit.1
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Hinweis: Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.2011 hat der Gesetzgeber § 371 Abs. 3 AO dahingehend geändert, dass der Steuerpflichtige die aus der „Tat“ zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichten muss. Straffreiheit tritt nicht länger ein, „soweit“ er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet.
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Mit dem Begriff der „Tat“ in § 371 Abs. 3 AO ist der materielle Tatbegriff gemeint, d.h. maßgeblich ist jede einzelne Steuer für jeden einzelnen Veranlagungszeitraum. § 371 Abs. 3 AO stellt anders als § 371 Abs. 1 AO auch nicht auf sämtliche unverjährte Steuern einer Steuerart ab. Mithin erlangt der Steuerpflichtige, der nicht vollständig zahlen kann, Straffreiheit für die Taten, die er vollständig gezahlt hat. Anteilige Zahlungen auf eine Tat führen für diese Tat nicht zur Straffreiheit.
XI. Kein Schutz vor Ermittlungen der Finanzbehörde Die Selbstanzeige bietet keinen Schutz vor Ermittlungen der Finanzbehörde. Regelmäßig wird auf die Selbstanzeige hin ein Steuerstrafverfahren eingeleitet2, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu überprüfen.3
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Die durch die Selbstanzeige aufgedeckte Steuerhinterziehung ist nicht verfolgbar4, solange nicht die Unwirksamkeit der Selbstanzeige feststeht, was sich erst bei der Überprüfung im Besteuerungsverfahren herausstellt.
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Hinweis: Mit der Einleitung des Steuerstrafverfahrens wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer Berichtigung der Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung genommen, d.h. erkennt der Steuerpflichtige vor Einleitung des Steuerstrafverfahrens, dass der Inhalt der Selbstanzeige unrichtig ist, kann er den dargestellten Sachverhalt berichtigen.
XII. Vermeidung einer Durchsuchung Wer Steuerfahndungsmaßnahmen, insb. Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen befürchtet, kann das Erscheinen der Steuerfahnder zu verhindern versuchen, indem er die Flucht nach vorn ergreift und auf die 1 2 3 4
OLG Hamburg, Beschl. v. 12.2.1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166, 167. Zur Rechtmäßigkeit der Einleitungsverfügung vgl. Burkhard, PStR 2001, 46. Göggerle/Neufang, INF 1991, 21, 22. Rüping in HHSp. § 371 Rz. 234.
51
218
3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
Steuerfahndung mit dem Argument zugeht, dass ihn die Situation derart belaste, dass er froh wäre, wenn er die Sache schnell hinter sich habe, und diese zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume einlädt.
XIII. Schweigerecht des betroffenen Steuerpflichtigen 219
Der Steuerpflichtige muss durch die von ihm abgegebene Selbstanzeige das Finanzamt in die Lage versetzen, dass es mit Hilfe der Selbstanzeige den Sachverhalt ohne die weitere gutwillige Mithilfe des Täters aufzuklären in der Lage ist.1 Auf Grund der Verweisung in § 208 Abs. 1 S. 3 AO auf § 200 Abs. 1 S. 1 u. 2 AO hat der Steuerpflichtige bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken, Auskünfte zu erteilen und Bücher und Unterlagen vorzulegen.
220
Û
Hinweis: Die Selbstanzeige hebt das Schweigerecht des Steuerpflichtigen jedoch nicht auf.2 Er ist nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten und gegen sich selbst auszusagen bzw. an seiner eigenen Überführung mitzuwirken.3 Die Mitwirkungspflicht des Anzeigenerstatters findet seine Grenzen in § 393 AO. Dies ergibt sich aus § 393 Abs. 1 S. 2 AO und ist Ausfluss des Grundsatzes „nemo tenetur se ipsum accusare“. Die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328 AO ist unzulässig. Der Steuerpflichtige kann auch die Aussage und Auskunft über Tatbeteiligte verweigern. Erzwingen die Fahnder vom Steuerpflichtigen weitere Informationen mit der Drohung, die Selbstanzeige nicht anzuerkennen, führt dies zu einem Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse.
C. Folgen einer Steuerhinterziehung – Strafmaß 221
Der steuerliche Berater darf bei der Selbstanzeigeberatung nicht nur die finanziellen Folgen auf Grund der Nachzahlungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO betrachten, sondern muss auch das mögliche Strafmaß4 und mögliche berufsrechtliche Konsequenzen in Betracht ziehen. Die rechtzeitige Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 und 2 AO führt bei fristgerechter Nachzahlung der Steuer gem. § 371 Abs. 3 AO zur Straffreiheit, schützt aber nicht vor disziplinar- oder standesrechtlichen Folgen. Nicht zu unterschätzen sind daneben die psychischen Folgen eines drohenden Steuerstrafverfahrens. Oftmals wird der Berater zum Psychologen.
1 BGH, Urt. v. 5.9.1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, § 371 Rz. 52. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 286. 3 BGH, Urt. v. 14.6.1960 – 1 StR 683/59, BGHSt 14, 358, 364. 4 Zum Strafmaß vgl. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71.
52
F. Abzugsfähigkeit der Beratungskosten und Honorarfragen
D. Nebenfolgen einer Selbstanzeige Eine wirksame Selbstanzeige führt zwar zur Straffreiheit, schließt aber weder die Geltendmachung von Steueransprüchen und von Haftungsansprüchen, noch von steuerlichen Nebenleistungen aus. Die Festsetzungsfrist für die verkürzten Steuern verlängert sich gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre. Die Finanzbehörden setzen regelmäßig mit den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Steuerbescheiden die Zinsen nach § 233a AO sowie Hinterziehungszinsen nach § 235 AO in Höhe von einhalb vom Hundert für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 AO) fest. Zudem haften Steuerhinterzieher und Teilnehmer für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Hinterziehungszinsen nach § 71 AO.1
222
Von zentraler Bedeutung für die Selbstanzeigeberatung sind die berufsrechtlichen Folgen, z.B. die Disziplinarmaßnahmen für Beamte, berufsrechtliche Sanktionen für Angehörige der steuer- und rechtsberatenden Berufe, Gewerbeuntersagungsverfahren für Gewerbetreibende und Berufsverfahren für Geschäftsleiter von Kreditinstituten.2
223
E. Selbstanzeige ist keine Strafverteidigung Die Selbstanzeigeberatung ist, was die Beratung und Abfassung einer Berichtigungserklärung angeht, keine „Strafverteidigung“ i.S.d. § 137 StPO. Diese erfordern keine strafrechtliche Würdigung und Stellungnahme. Im Besteuerungsverfahren darf ein Steuerberater oder Rechtsanwalt mehrere an derselben Tat Beteiligte (z.B. Ehepartner) beraten und vertreten. Das Verbot der Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO greift erst ein, wenn die Finanzbehörden in Folge der Berichtigungserklärung das Steuerstrafverfahren einleiten. Der steuerliche Berater darf nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen.3
F. Abzugsfähigkeit der Beratungskosten und Honorarfragen Literatur: Dikmen u. Wollweber, Selbstanzeige und Honorar – Die gesetzlichen Gebühren nicht nur als Notlösung, Stbg 2011, 29; Eckert, Steuerberatergebührenverordnung, 4. Aufl. München 2003; Madert/Schons, Die Vergütungsvereinbarung des Rechtsanwalts, 3. Aufl. München 2006; Meyer/Goez, Steuerberatergebührenverordnung, 6. Aufl. Berlin 2010, Ueberfeld/Keller, Honorar des Steuerberaters bei Selbstanzeige, DStR 2011, 92.
1 Zu den Voraussetzungen vgl. Rz. 1180 ff. sowie Pflaum, wistra 2010, 368. 2 Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 1189 ff. 3 von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 19.
53
224
3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
I. Steuerliche Abzugsfähigkeit 225
Da die Selbstanzeigeberatung, was die Beratung und Abfassung einer Berichtigungserklärung angeht, welche keine strafrechtliche Würdigung und Stellungnahme erfordert, der Steuerberatung zuzuordnen ist, sind die Selbstanzeigeberatungskosten als Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG bei den Gewinneinkünften abzugsfähig, soweit sie im Zusammenhang mit der Gewinnermittlung entstehen1 bzw. Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 EStG bei den Überschusseinkünften. Dagegen sind Kosten für Steuerberatung bei reinen Personensteuern wie ErbSt und KiSt nicht als Betriebsausgabe abziehbar. Im privaten Bereich waren bis 2005 Steuerberatungskosten als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG absetzbar.2 Für die Zuordnung der Steuerberatungskosten zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Kosten der Lebensführung wird auf das BMF-Schreiben vom 21.12.2007 verwiesen.
226
Weitergehende Bemühungen um die strafbefreiende Wirkung der Erklärung und der Nachzahlung sind bereits Strafverteidigung i.S.v. § 137 StPO. Zu der sich daran anschließenden Frage der Abzugsfähigkeit von Strafverteidigungskosten hat der BFH im Urteil vom 18.10.20073 die bisherige Rechtsprechung4 bestätigt, dass Strafverteidigungskosten Erwerbsaufwendungen sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst war.
227
Aufwendungen für die Strafverteidigung sind im Falle der Hinterziehung von Betriebssteuern dann nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Minderung der betrieblichen Steuerschuld darauf beruht, dass betriebliche Mittel privat vereinnahmt oder für private Zwecke verwendet und damit dem Betrieb entzogen werden.5
228
Der BFH hat in seinem Urteil weiterhin erklärt, dass auf einer Honorarvereinbarung beruhende Strafverteidigungskosten nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung führen, soweit sie nach einem Freispruch des Steuerpflichtigen nicht der Staatskasse zur Last fallen.
229
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1 2 3 4
Hinweis: Wegen der unterschiedlichen Handhabung der Abzugsfähigkeit der Steuerberatungskosten empfiehlt es sich, von vornherein die Steuerberatungs- und Strafverteidigungskosten getrennt abzurechnen.
Heinicke in Schmidt, § 4 Rz. 520. Heinicke in Schmidt, § 4 Rz. 520. VI R – 42/04, BStBl. 2008 II 223. BFH, Urt. v. 19.2.1982 – VI R 31/78, BFHE 135, 449, BStBl. 1982 II 467; BFH, Beschl. v. 30.6.2004 – VIII B 265/03, BFH/NV 2004, 1639. 5 BFH, Urt. v. 20.9.1989 – X R 43/86, BStBl. 1990 II 20.
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F. Abzugsfähigkeit der Beratungskosten und Honorarfragen
II. Übernahme der Kosten durch Dritte Ersetzt ein Arbeitgeber seinem Angestellten die ihm entstandenen Prozesskosten, weil die Tat im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit begangen wurde, fließt damit dem Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil zu, der als steuerpflichtiger Arbeitslohn angesehen wird.1
230
III. Höhe des Vergütungsanspruchs 1. Vergütung des Rechtanwalts a) Leistet ein Rechtsanwalt Hilfe in Steuersachen, so verweist § 35 RVG auf die entsprechenden Vergütungstatbestände der StBGebV (§§ 23–39 i.V.m. §§ 10, 13).2
231
b) Die Gebühren eines Rechtsanwalts, der bei einer Selbstanzeige mitwirkt, richten sich für die strafrechtliche Beratung nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Vergütung des Rechtanwaltes für eine Tätigkeit in einer Strafsache ist in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG geregelt. In Teil 5 findet sich die Vergütung des Rechtsanwaltes für eine Tätigkeit in einer Bußgeldsache, wie § 378 Abs. 3 AO.
232
Die Gebühren eines Rechtsanwalts bestimmen sich nach dem jeweiligen Verfahrensabschnitt. Der Rechtsanwalt kann seine Gebühr für die Tätigkeit innerhalb des gesetzlich bestimmten Gebührenrahmens je nach Aufwand und Bedeutung der Angelegenheit nach seinem Ermessen festlegen. Die Abrechnung der Mittelgebühr ist regelmäßig nicht zu beanstanden. Die Gebühren für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (20 Euro) sowie die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld, wenn der Rechtsanwalt außerhalb seines Amtsgerichtsbezirks tätig wird, kommen hinzu.
233
Im sog. Ermittlungsverfahren erhält der Rechtsanwalt eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 30 Euro bis 300 Euro (Mittelgebühr 165 Euro) und eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 30 Euro bis 250 Euro (Mittelgebühr 140 Euro). Eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG in Höhe von 30 Euro bis 250 Euro (Mittelgebühr 140 Euro) fällt für die Teilnahme an Vernehmungen und Haftprüfungen an. Kann das Ermittlungsverfahren durch die Mitwirkung des Rechtsanwalts ohne Hauptverhandlung endgültig eingestellt werden, so erhält er eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr.
234
1 BFH, Urt. v. 7.2.1957 – IV 547/56 U, BStBl. 1957 III 160. 2 Vgl. den Beitrag von Dikmen/Wollweber, Stbg 2011, 29.
55
3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
235
Beispiel: Grundgebühr
§§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 4100 VV RVG
Euro 300,00
Verfahrensgebühr
§§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 4104 VV RVG
Euro 250,00
Gebühr wegen endgültiger Verfahrenseinstellung
§§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 4141 VV RVG
Euro 250,00
Pauschale für Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Summe (netto) Zzgl. Umsatzsteuer Summe (brutto)
Nr. 7002 VV RVG
Euro 20,00 Euro 820,00 Euro 155,80 Euro 975,80
236
Û
237
Der Rechtsanwalt darf gem. § 9 RVG einen angemessenen Vorschuss verlangen.
Hinweis: Selbstanzeigen erfordern in der Regel einen erheblichen Zeitaufwand. Dieser Zeitaufwand wird von den Rahmengebühren nach Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG nicht abgedeckt. Die besondere Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten, die Erlangung von Straffreiheit, ist bei der Frage nach der Vergütung ebenfalls besonders zu berücksichtigen. Der Rechtsanwalt sollte daher mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen. Grundsätzlich trägt eine Vergütung nach Zeitaufwand sowohl den Belangen des Rechtsanwalts als auch des Mandanten Rechnung. Eine solche Vereinbarung bedarf gem. § 3a RVG der Schriftform.1
2. Vergütung des Steuerberaters a) Für die Selbstanzeige 238
Für einen Steuerberater gilt § 30 StBGebV, demnach für die Tätigkeit im Verfahren der Selbstanzeige (§§ 371 u. 378 Abs. 3 AO) einschließlich der Ermittlungen zur Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Angaben der Steuerberater 10 Zehntel bis 30 Zehntel einer vollen Gebühr nach Tabelle A (Anlage 1) erhält.
239
Zu beachten ist, dass § 30 StBGebV nicht die Berichtigungserklärung nach § 153 AO erfasst. Diese ist gem. § 23 S. 1 Nr. 1 StBGebV i.V.m. § 35 RVG abzurechnen.2
240
Lässt sich der Steuerpflichtige vom Steuerberater nur in Bezug auf die Erstattung einer Selbstanzeige beraten, greift nicht die Gebühr nach § 30 StBGebV, sondern nach § 21 Abs. 1 S. 3 StBGebV. Die Gebühr beträgt 19 bis 180 Euro. Erteilt der Steuerpflichtige im Anschluss an das Beratungsgespräch den Auftrag zur Erstattung einer Selbstanzeige, wird die Bera1 Vgl. Madert/Schons, S. 3. 2 Dikmen/Wollweber, Stbg 2011, 29.
56
F. Abzugsfähigkeit der Beratungskosten und Honorarfragen
tungsgebühr nach § 21 Abs. 1 S. 4 StBGebV auf die Gebühr nach § 30 StBGebV angerechnet. Bislang ist die Frage der Bestimmung des Gegenstandswerts der Selbstanzeige nicht abschließend geklärt. Nach § 10 Abs. 1 S. 3 StBGebV ist der Wert des Interesses maßgebend. Das OLG Frankfurt1, das LG Berlin2 und die herrschende Meinung in der Literatur3 stellen zur Bestimmung des Gegenstandswerts der Selbstanzeige auf die Bruttowerte der nichterklärten Einkünfte ab. Ein anderer Teil der Literatur stellt auf die sich aus der Nacherklärung resultierende Steuerlast als maßgebliche Größe zur Bemessung des Gegenstandwertes ab.4
241
Beispiel: Steuerberater S berät seinen Mandanten, den Bauunternehmer B, dahin gehend, nicht erklärte Betriebseinnahmen des Jahres 01 in Höhe von 25 000 Euro nach zu erklären. S erstellt daraufhin auftragsgemäß eine Selbstanzeige und reicht sie beim Finanzamt ein. Die auf Grund der Selbstanzeige nachgeforderte Einkommensteuer beträgt 7500 Euro, die Umsatzsteuer 4000 Euro.
242
Das Honorar des S berechnet sich gem. § 30 StBGebV in Höhe von 10/10 bis 30/10 nach Tabelle A (Beratungstabelle) in der Anlage 1 zur StBGebV. Lösung 1: Legt man als Gegenstandswert den Bruttowert der nicht erklärten Einkünfte als Wert des Interesses nach § 10 Abs. 1 S. 3 StBGebV zu Grunde, wobei die Einzelwerte in den Fällen des § 30 StBGebV nicht zusammenzurechnen sind, wie sich aus § 10 Abs. 2 StBGebV ergibt, ergibt sich folgende Gebühr: Bei einem Gegenstandswert von 25 000 Euro beträgt die Mittelgebühr (20/10-Gebühr) 1372 Euro, so dass S für die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer Gebühren in Höhe von insgesamt netto 2744 Euro abrechnen kann.
243
Lösung 2: Legt man als Gegenstandswert den steuerlichen Nachzahlungsbetrag zu Grunde, bestimmt sich die Gebühr wie folgt: Bei einem Gegenstandswert von 7500 Euro beträgt die Mittelgebühr (20/10-Gebühr) 824 Euro, bei einem Gegenstandswert von 4000 Euro beträgt sie 490 Euro, so dass S Gebühren in Höhe von netto 1314 Euro abrechnen kann.
244
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Hinweis: Grundsätzlich werden sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Selbstanzeige erfasst. Gleichwohl können Tätigkeiten der Vor- und Nachbereitung gesonderte Gebührentatbestände auslösen. Muss der Steuerberater erstmalig eine Buchführung, einen Jahresabschluss, eine Überschussrechnung oder eine Steuererklärung erstellen, können diese Tätigkeiten gesondert abgerechnet werden. Die Anforderung von Unterlagen und die Korrespondenz mit den Drittbeteiligten, wie z.B. einem Kreditinstitut, lösen regelmäßig kei-
1 Urt. v. 6.6.2003 – 24 U 41/02, OLGR Frankfurt 2004, 34. 2 Urt. v. 28.2.2003 – 19 O 440/02, zit. in Ueberfeld/Keller, DStR 2011, 94. 3 Crusen in Eckert, 4. Aufl. 2003, § 30 StBGebV Rz. 6; Dikmen/Wollweber, Stbg 2011, 29; Ueberfeld/Keller, DStR 2011, 93, 94. 4 Meyer/Goez, § 30 StBGebV Rz. 2.
57
245
3. Kapitel: Beratungserwägungen vor Erstattung einer Selbstanzeige
nen gesonderten Gebührentatbestand aus, sondern werden von § 30 StBGebV erfasst. Die Prüfung der geänderten Steuerbescheide ist eine von der Selbstanzeige abzugrenzende Tätigkeit und löst einen neuen Gebührentatbestand aus. b) Für das Strafverfahren 246
Nach § 45 StBGebV bestimmen sich die Gebühren des Steuerberaters im Strafverfahren nach Teil 4 VV RVG.
247
Streitig ist, ob die Gebühren nach § 30 StBGebV und § 45 StBGebV zugleich anfallen können. Joecks1 differenziert daher zutreffend danach, ob eine Beratung im „Verfahren einer Selbstanzeige“ erfolgte, so dass der Rechtsanwalt eine Gebühr nach Teil 4 VV RVG und ein Steuerberater eine Gebühr nach § 30 StBGebV erhält, oder ob der steuerliche Berater nur an einer „neutralen“ Berichtigungserklärung mitgewirkt hat und diese von der Finanzbehörde ohne weitere Erörterung den geänderten oder erstmaligen Steuerbescheiden zu Grunde gelegt wurde, so dass stattdessen die allgemeinen Gebührenbestimmungen über die Mitwirkung bei einer Steuererklärung gelten.
248
Beispiel: Im vorgenannten Beispiel leitet die Strafsachenstelle nach Abgabe der Selbstanzeige ein Steuerstrafverfahren gegen B ein und setzt diesem eine Zahlungsfrist (§ 371 Abs. 3 AO) von drei Wochen, die B für zu kurz bemessen hält. B beauftragt nunmehr S mit seiner Verteidigung, der einen Fristverlängerungsantrag stellt. Die Kosten der Verteidigung bemessen sich nach § 45 StBGebV i.V.m. Nr. 4100, 4104 VV RVG.
249
Der Ansatz einer Zeitgebühr anstelle der Wertgebühren für die unter § 45 StBGebV fallende Leistungen ist nach § 13 S. 1 Nr. 2 StBGebV unzulässig.
1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 248.
58
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO A. Systematik und Regelungsgehalt der Berichtigungstatbestände Bei einer systematischen Betrachtung der Gliederung des § 371 AO ist zu unterscheiden zwischen den positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige, welche in den Absätzen 1 und 3 des 371 AO umschrieben sind, und den in Abs. 2 aufgezählten negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen (sog. Sperrwirkungstatbestände bzw. Ausschlussgründe). Die in § 371 Abs. 2 AO angeführten Ausschließungsgründe sind erschöpfend. Neu und von maßgeblicher Bedeutung ist das Absehen von Verfolgung einer Steuerstraftat in den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO gem. § 398a AO. § 371 Abs. 4 AO regelt die strafbefreiende Wirkung einer Berichtigungserklärung eines Dritten im Sinne des § 153 AO zugunsten des Steuerhinterziehers. Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ist im Sonderfall der Fremdanzeige nach Abs. 4 nur ausgeschlossen, wenn dem Anzeigenerstatter zuvor die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben worden war.
250
Straffreiheit von der Steuerhinterziehung nach § 370 AO tritt nach § 371 AO in der Fassung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes1 ein,
251
1. wenn der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt (Berichtigungserklärung = Selbstanzeige, Abs. 1), 2. wenn der Steuerpflichtige die aus der Tat vorsätzlich verkürzten Steuerbeträge innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist nachentrichtet (fristgerechte Nachzahlung, Abs. 3), 3. bzw. wenn eine nach § 153 AO vorgeschriebene Berichtigung durch einen Dritten rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet wird (sog. Fremdanzeige, Abs. 4), 4. und wenn im Zeitpunkt der Berichtigung dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO noch nicht bekannt gegeben worden war (Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, Abs. 2 Nr. 1a), 5. noch dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist (Einleitung des Strafverfahrens, Abs. 2 Nr. 1b – einziger Ausschluss des Abs. 4) 6. oder wenn im Zeitpunkt der Berichtigung weder ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steu-
1 BGBl. 2011 I 676.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
erstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist (Erscheinen des Prüfers, Abs. 2 Nr. 1c), 7. noch die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies nicht wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit nicht rechnen musste (Tatentdeckung, Abs. 2 Nr. 2) 8. und wenn der Hinterziehungsbetrag je Tat nicht mehr als 50 000 Euro beträgt (Abs. 2 Nr. 3). 252
Die in § 371 AO angeführten positiven und negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen sind abschließend. Mangelnde Freiwilligkeit zur Selbstanzeige bildet keinen Ausschließungsgrund für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige. Umgekehrt ist die Freiwilligkeit der Selbstanzeige keine positive Voraussetzung der Straffreiheit. Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ist an keine subjektiven Voraussetzungen geknüpft. Die Motive der Selbstanzeige sind ohne Bedeutung.1
253
§ 378 Abs. 3 AO hat entsprechend § 371 AO für den Fall der Steuerhinterziehung für die leichtfertige Verkürzung die Möglichkeit einer Selbstanzeige vorgesehen, mit der Täter oder Teilnehmer die Verhängung einer Geldbuße abwenden können. Anders als im Fall der Steuerhinterziehung tritt die Straffreiheit nur dann nicht ein, wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist.
B. Rechtfertigung und Zweck der Selbstanzeige I. Ausnahme oder Fremdkörper im System des Strafrechts 254
Die Frage, ob die Regelung des § 371 AO im deutschen Strafrecht eine „Ausnahmestellung“ einnimmt2 oder einen „Fremdkörper“ darstellt3, ist in der Literatur umstritten.4
255
Das allgemeine Strafrecht, das gem. § 369 Abs. 2 AO für Steuerstraftaten zur Anwendung gelangt, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen, kennt keine strafbefreiende Selbstanzeige. Es gewährt Straflosigkeit nur nach § 24 StGB für den Rücktritt vom Versuch und in Ausnahmefällen durch tätige Reue.5 Beim Rücktritt und bei der 1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 52; Streck, DStR 1985, 9. 2 BayObLG, Beschl. v. 23.1.1985 – RReg. 4 St 309/94, wistra 1985, 117; Bilsdorfer, NWB Fach 13, S. 909, 910; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 11; Beermann, § 371 Rz. 2; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 1; a.A. Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 23 ff.: Die Selbstanzeige sei keine Ausnahmevorschrift im deutschen Strafrecht. Sie betreffe sachlich einen Fall des Rücktritts vom vollendeten Delikt. Damit enthalte sie eine Regelung zur Wiedergutmachung. 3 Westpfahl 1987, S. 13; a.A. Breyer, S. 23 ff. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 18; Rüping, DStR 2010, 1768. 5 Jescheck/Weigend, § 51 V.
60
B. Rechtfertigung und Zweck der Selbstanzeige
tätigen Reue ist im Gegensatz zur strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO die Straffreiheit daran gekoppelt, dass der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt, den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges oder der sich aus der Tat ergebenden Nachteile verhindert oder zu verhindern versucht. Hierin liegt der maßgebliche Unterschied. Allerdings können Wiedergutmachungshandlungen, wie sie in § 371 AO vorgesehen sind, mit § 46a StGB nicht nur strafmildernd berücksichtigt werden, sondern zum Absehen von Strafe führen, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirkt ist.
256
Dass die Selbstanzeige eine gesetzgeberische „Rechtswohltat“1 darstellt, ist auch darin begründet, dass die strafbefreiende Wirkung nach § 371 AO auch bei rechtlich vollendeter oder beendeter Tat eintritt, soweit der Täter den gesetzlichen Vorgaben in § 371 AO Genüge tut. Auch wenn im allgemeinen Strafrecht mit der Vollendung der Tat die Strafe verwirkt ist, kennt das allgemeine Strafrecht Ausnahmen. Bei vollendetem Delikt tritt Straffreiheit durch Rücktritt oder tätige Reue z.B. in den Fällen des Subventionsbetrugs (§ 264 Abs. 5 StGB) ein. Allerdings setzen die allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften anders als § 371 AO voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges oder der sich aus der Tat ergebenden Nachteile verhindert oder zu verhindern versucht. Eine weitere Ausnahme bilden die §§ 266a Abs. 6 (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) und 261 Abs. 9 StGB (Geldwäsche). § 266a Abs. 6 StGB ist dem § 371 AO nachgebildet.2
257
II. Gründe und Zweck der Selbstanzeige Die vielfach diskutierten Erklärungsansätze sind für die Auslegung der einzelnen positiven und negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen maßgeblich. Erklärungsansätze für die Gründe und den Zweck der Selbstanzeigeregelung sind vor allem in der steuerpolitischen Zielrichtung, als auch in der kriminalpolitischen Zielsetzung zu sehen.
258
1. Steuerpolitische Zielsetzung Einigkeit besteht überwiegend darin, dass der Zweck des § 371 AO in dem steuerpolitischen Zweck zu sehen ist, dem Staat diejenigen Steuerquellen zu erschließen, die ihm infolge der Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen verborgen bleiben3 und die der Staat für die Erfüllung seiner 1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 9; Kopacek, NJW 1970, 2098, 2099; BayObLG, Beschl. v. 23.1.1985 – RReg. 4 St 309/94, wistra 1985, 117. 2 Fischer, 58. Aufl., § 266a StGB Rz. 33; Wessing, Steueranwaltsmagazin 2010, 99. 3 BGH, Urt. v. 5.9.1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293 f.; Bilsdorfer, wistra 1984, 93; Teske, wistra 1988, 287, 290; so auch die Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 17/4182, S. 4; krit. Streck, DStR 1985, 9.
61
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Aufgaben benötigt.1 Durch die Gewährung der Straffreiheit hat der Gesetzgeber dem Täter einen Anreiz zur Selbstanzeige2 und zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten aus § 153 AO3 geschaffen und die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ermöglicht, um auf diese Weise das Steueraufkommen zu vermehren. Der Staat ist auf das Steueraufkommen angewiesen, um die ihm obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Die Selbstanzeige dient der staatsnotwendigen Sicherstellung des dem Gemeinwesen zustehenden Steueraufkommens.4 Durch die Selbstanzeige bleiben den Finanzbehörden aufwendige Ermittlungen erspart.5 Motive des Gesetzgebers waren die Erhöhung der Steuereinnahmen und die Hilflosigkeit der Steuerbehörden gegenüber den Tätern, da die Steuerhinterziehung häufig nicht erkannt wurde. 260
Zu diesem Erklärungsansatz gelangt man auch über die Auslegung des Wortlauts des § 371 AO. Der Gesetzgeber hat in § 371 Abs. 3 AO die Straffreiheit von der fristgerechten Nachzahlung der hinterzogenen Steuern abhängig gemacht. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber in § 371 AO auf das Merkmal der Freiwilligkeit verzichtet. 2. Kriminalpolitische Zielsetzung
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Neben der steuerpolitischen Zielsetzung spielen aber auch kriminalpolitische Aspekte eine Rolle.6 Der Gesetzgeber hat schon früh die Hilflosigkeit der Steuerbehörden gegenüber den Tätern erkannt, da die Steuerhinterziehung häufig nicht ohne Zutun des Steuerpflichtigen aufgedeckt wird.7 Das Risiko, entdeckt zu werden, ist gering8, geringer als bei anderen Straftaten. Das geringe Entdeckungsrisiko schwächt die Anreizfunktion. Die Steuerhinterziehung hinterlässt zu meist keine sichtbaren Spuren. Die Aufklärungslage ist schwierig.9 Die Kontrollmöglichkeiten des Staates sind eingeschränkt. Der Staat kann unbekannte Steuerstraftaten nur aufklären, wenn er jeden Steuerzahler ständig überprüft. Diese Kontrollen haben jedoch eine unzumutbare Freiheitsbeschränkung des Steu1 BGH, Urt. v. 11.11.1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100; Hoffmann, S. 7; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 10. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 19; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 12; BGH, Urt. v. 11.11.1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100, 101; so auch die Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 3 Rüping in HHSp., § 371 Rz. 11; Rüping, BB 2000, 2553. 4 Bringewat, NJW 1981, 1025, 1028. 5 Kummer in Wabnitz/Janovsky, 10. Kapitel Rz. 82. 6 Eingehend hierzu Frees, Die steuerrechtliche Selbstanzeige, 1991 und Hoffschmidt, Über die Rechtfertigung der strafbefreienden Selbstanzeige, 1988 S. 116 ff. 7 Vgl. die Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Becker bei den Verhandlungen der Nationalversammlung – 132. Sitzung v. 17.12.1919, Bd. 331, S. 4137; so auch die Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 8 Abramowski, S. 200. 9 Firnhaber, S. 20 ff., 36; Abramowski, S. 199; Späth Stbg 1983, 163, 165; Müller DB 1981, 1480, 1481; Lohmeyer StB 1985, 296; Blumers, wistra, 1985, 85, 87.
62
B. Rechtfertigung und Zweck der Selbstanzeige
erzahlers zur Folge. Auch wegen dieses Ermittlungsnotstandes hat der Gesetzgeber unter den Voraussetzungen des § 371 AO dem Steuerpflichtigen einen gesetzlichen Anreiz zur Selbstanzeige geschaffen.1 Mit § 371 AO hat der Gesetzgeber dem steuerunehrlichen Bürger eine so genannte „Goldene Brücke zur Straflosigkeit“ gebaut und dem Steuerhinterzieher die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit eröffnet.2
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3. Strafprozessuale Funktion Im Hinblick auf die Nachzahlungspflicht in § 371 Abs. 3 AO kommt der Selbstanzeige auch eine strafprozessuale Bedeutung zu. Fundamentale Verfahrensprinzipien wie das Beschleunigungsgebot gebieten es, dass § 371 Abs. 3 AO nicht dazu missbraucht wird, dass durch Vorspiegelung einer Nachzahlungsabsicht oder vermeintlicher vorübergehender Hinderungsgründe eine Verzögerung der Strafverfolgung oder eine Verjährung der Tat eintritt.3
263
4. Doppelfunktionale Zielsetzung nach BGH Der BGH hat im Beschluss vom 20.5.20104 dargelegt, dass die in dem Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern einer doppelten Rechtfertigung bedarf. Der BGH bestätigt in dem Beschluss vom 20.5.2010 die steuerpolitische Zielsetzung der Selbstanzeige: Ziel sei es zum einen, verborgene Steuerquellen zu erschließen, zum anderen dem Steuerhinterzieher einen Anreiz zu geben, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Dem Steuerhinterzieher soll aus fiskalischen Gründen ein Anreiz geschaffen werden, von sich aus den Finanzbehörden bisher verheimlichte Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 20.5.2010 weiterhin ausgeführt, dass allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen können, sondern die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit hinzukommen muss.
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In Bezug auf die kriminalpolitische Zielsetzung führt der BGH aus, dass der fiskalische Zweck, noch unbekannte Steuerquellen zu erschließen,
265
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 18. 2 Vgl. Stellungnahmen der Abgeordneten Ludewig und Burlage bei den Verhandlungen der Nationalversammlung – 132. Sitzung v. 17.12.1919, Bd. 331, S. 4138, 4139; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 26; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 19 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 374 und BGH, Urt. v. 13.5.1983 – 3 StR 82/83, wistra 1983, 197; Frees, S. 74. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 21, 98 unter Berufung auf BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352, 354 = wistra 1982, 193 und AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268 und Nds. FG, Urt. v. 27.8.1963 – V 30/62, DStZ 1963, 403. 4 Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, wistra 2010, 304.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
angesichts der heute bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit zunehmend an Bedeutung verloren hat, weshalb der weitere Zweck, Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, zusätzliches Gewicht erlange. 266
Diesem Denkansatz des BGH in seinem Beschluss vom 20.5.2010 kann nicht gefolgt werden. Die Finanzverwaltung ist sehr wohl heute noch auf die Mithilfe von Steuerpflichtigen angewiesen. Angesichts fortbestehender Engpässe bei den Personalressourcen gilt dies in besonderem Umfang für Auslandssachverhalte. Der Bundestag sieht dies in der Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz1 vom 28.4.20112 letztlich ebenso. In der Begründung heißt es: „Das Rechtsinstitut selbst hat sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt. Sinn und Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige ist es, den an einer Steuerhinterziehung Beteiligten einen attraktiven Anreiz zur Berichtigung vormals unzutreffender oder unvollständiger Angaben zu geben, um eine bislang verborgene und ohne die Berichtigung möglicherweise auch künftig verborgen bleibende Steuerquelle im Interesse des Fiskus und damit im Interesse der Öffentlichkeit zu erschließen. Steuerlich relevante Informationen, die gezielt und bewusst mit krimineller Energie oft über Jahrzehnte dem Fiskus verheimlicht worden sind, können ohne Mithilfe der Beteiligten nicht aufgeklärt werden – erst recht nicht, wenn es sich um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Ohne die Offenbarung der Täter hätten die Steuerbeamten auch keine Ermittlungsansätze gegenüber Helfern und Mittätern. Eine vollständige Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige nähme den Finanzbehörden daher im Ergebnis Ermittlungsmöglichkeiten und verringerte das Steueraufkommen, denn Sachverhalte würden nicht mehr offenbart und damit Steuergelder nicht mehr eingenommen. Die Täter blieben unerkannt, d.h. sie blieben straffrei und behielten hinterzogenes Vermögen.“ Der Gesetzgeber selbst geht also keineswegs davon aus, auf die „Mithilfe“ der Steuerpflichtigen in Form der Selbstanzeige heute nicht mehr angewiesen zu sein.
C. Rechtsnatur der Selbstanzeige – Persönlicher Strafaufhebungsgrund 267
Nach heute herrschender Meinung in Rechtsprechung3 und Literatur4 bildet die Selbstanzeige einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. 1 BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 2 BGBl. 2011 I 676. 3 BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74, 75; BayObLG, Urt. v. 7.10.1953 – 1 St. 41/53, NJW 1954, 244 f.; OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.1970 – 2 Ss 191/69, NJW 1970, 1385, 1386; BayObLG, Beschl. v. 3.11.1989 – RReg. 4 St 135/89, wistra 1990, 159, 162; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.5.1987 – 1 Ss 221/87, wistra 1987, 263, 264. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 32; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 25; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 24; Beermann, § 371 Rz. 3.
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D. Anwendungsbereich der Selbstanzeige
Û
Hinweis: Da es sich bei der Selbstanzeige um einen persönlichen 268 Strafaufhebungsgrund handelt, kommt die strafbefreiende Wirkung des § 371 AO grundsätzlich nur dem zugute, der die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung in seiner Person erfüllt. Die Voraussetzungen des § 371 AO müssen bei jedem Beteiligten selbstständig geprüft werden.1 Aus der Rechtsnatur des § 371 AO als Strafaufhebungsgrund folgt, dass der Steuerpflichtige freizusprechen ist, wenn in der Hauptverhandlung die Voraussetzungen des § 371 AO festgestellt werden.2 Außerdem kommt es ausschließlich auf das objektive Vorliegen der positiven bzw. negativen Voraussetzungen des § 371 AO an, so dass ein Irrtum des Anzeigenerstatters unbeachtlich ist.3 Sein Unvermögen zur fristgerechten Nachzahlung der Steuerschulden4 oder das Verschulden eines vom Täter beauftragten Vertreters sind unbeachtlich.5 Eine weitere Folge des Umstandes, dass durch § 371 AO die Frage der Strafbarkeit unmittelbar berührt wird, ist, dass bei Auslegung und Anwendung der Vorschrift das aus Art. 103 GG und § 1 StGB abzuleitende strafrechtliche Analogieverbot zu beachten ist, so dass eine erweiternde Auslegung der negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Abs. 2 zu Lasten des Täters unzulässig ist.6 Aus der Rechtsnatur des § 371 AO als Strafaufhebungsgrund folgt weiterhin, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung findet, d.h. Zweifel über das Vorliegen der in § 371 AO bezeichneten positiven und negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen wirken sich zugunsten des Täters aus.7
D. Anwendungsbereich der Selbstanzeige I. Strafbefreiende Wirkung für Steuerhinterziehung Die Selbstanzeige führt nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO zur Straffreiheit für den Fall der vollendeten Steuerhinterziehung nach § 370
1 BGH, Urt. v. 24.10.1984, – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74, 75; Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, § 371 Rz. 33; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 26. 2 OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 34; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 30. 3 BGH, Urt. v. 14.12.1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698; Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, § 371 Rz. 34; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 27. 4 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, BB 1974, 1514; Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, § 371 Rz. 34; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 27. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 34; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 27. 6 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 34; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 28; Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 ff. 7 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 34; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 29.
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269
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO. Die Wirkung der Selbstanzeige erstreckt sich auch auf die pflichtwidrig unterlassene Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern gem. § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO. Sie wirkt auch für die versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 AO) strafbefreiend.1 Im Fall des § 370 Abs. 2 AO tritt neben die Selbstanzeige die Möglichkeit des Rücktritts nach § 24 StGB.2 Die Regelung des § 371 AO findet ebenfalls auf den besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO) Anwendung. Die Wirkung der Selbstanzeige erstreckt sich auch auf die Hinterziehung ausländischer Eingangsabgaben anderer EG-Staaten und der EFTA-Staaten und der mit diesen assoziierten Staaten (§ 370 Abs. 6 AO). Die Selbstanzeige führt aufgrund der Verweisung für Analogtaten auch für diese zur Straffreiheit. Daneben entfaltet die Selbstanzeige Wirkung auf jede Form der Täterschaft (Alleintäterschaft gem. § 25 Abs. 1 1. Alt. StGB, Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB, mittelbare Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) und Teilnahme (Anstiftung gem. § 26 StGB, Beihilfe gem. § 27 StGB). 270
Wegen des eindeutigen Wortlauts des § 371 AO in der Überschrift als auch in Abs. 1 ist die Selbstanzeige nicht, auch nicht analog, anzuwenden auf die Begünstigung des Täters oder Teilnehmers an einer Steuerhinterziehung (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 257 StGB)3, die Steuerhehlerei (§ 374 AO)4, die Steuerzeichenfälschung (§§ 148, 149 StGB i.V.m. § 369 Abs. 1 Nr. 3 AO)5, den Bannbruch (§§ 372, 373 AO)6 und den gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggel (§ 373 AO).7
271
Kraft der Verweisung des § 378 Abs. 3 S. 2 AO gilt § 371 Abs. 3 und 4 AO auch für die Selbstanzeige der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 S. 1 AO.
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Die Wirkung der Selbstanzeige erstreckt sich kraft Verweisung auf Analogtaten (Hinterziehung von Abwasserabgaben, § 14 AbwG; Hinterziehung von Abgaben zu Marktordnungszwecken, § 12 Abs. 1 S. 1 MOG; Erschleichen von Bergmannsprämie, § 5a Abs. 2 BergPG; Erschleichen von Wohnungsbauprämie, § 8 Abs. 2 WoPG; Erschleichen von Arbeitnehmersparzulage, § 14 Abs. 3 VermBG; Kommunalabgaben, soweit die Kommunalabgabengesetze der Länder hierauf verweisen).8
1 2 3 4 5 6
Zur Herleitung vgl. Schauf in Kohlmann § 371 Rz. 32. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 37. Zur Begründung vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 38. von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 15. von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 15. Der Bannbruch wurde durch das 2. AOStrafÄndG v. 12.8.1968 (BGBl. 1968 I 953, 954) aus dem Anwendungsbereich der Selbstanzeige herausgenommen. 7 Der Tatbestand des Schmuggels wurde bereits bei der Novellierung des § 410 RAO durch Gesetz v. 7.12.1951 (BGBl. 1951 I 941) aus dem Kreis der selbstanzeigefähigen Delikte herausgenommen. 8 Für weitere Verweisungen vgl. Rüping in HHSp. § 371 Rz. 36 und Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 40, 41, 43.
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D. Anwendungsbereich der Selbstanzeige
Auf die Hinterziehung von Kirchensteuer ist § 371 AO mit Ausnahme des Bundeslandes Niedersachsen nicht anwendbar. § 6 Abs. 1 KiStRG vom 10.7.19861 schließt für das Bundesland Niedersachsen nur die Anwendung der §§ 385–412 AO aus, nicht aber die übrigen Straf- und Bußgeldvorschriften.2
273
II. Keine strafbefreiende Wirkung für sonstige Straftaten Es gilt zu bedenken, dass mit der Selbstanzeige Delikte, die häufig mit einer Steuerhinterziehung einhergehen, offenbart werden. Dies sind insb. Betrugsdelikte (§§ 263 ff. StGB), Untreue (§ 266 StGB), Strafvereitelung (§ 258 StGB), Schmiergeldzahlung, Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), Urkundsdelikte (§§ 267 ff. StGB), Insolvenzstraftaten (§§ 283 ff. StGB), Illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer (§ 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III), Bildung krimineller Vereinigungen (zum Zwecke der Steuerhinterziehung, § 129 StGB). Die strafbefreiende Wirkung des § 371 Abs. 1 AO greift für diese Delikte nicht ein.
274
Der BGH hat in seinem Urteil vom 11.11.19583 dargelegt, dass die Selbstanzeige nach § 371 AO ausschließlich für die bezeichneten Steuervergehen, nicht auch für andere mit ihnen in Zusammenhang stehende Straftaten, die der Steuerpflichtige durch die Selbstanzeige aufdeckt, zur Straffreiheit führt.
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Zuständig für die Ermittlungen dieser allgemeinen Straftaten ist in einem solchen Fall nicht das Finanzamt, sondern die Staatsanwaltschaft.
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Fälscht der Steuerpflichtige zur Begehung der Steuerhinterziehung eine 277 Urkunde, indem er Ausgabenbelege manipuliert, wird der Selbstanzeige mit dem Urteil des BGH vom 11.11.1958 jede strafbefreiende Wirkung für Taten abgesprochen, die zu Zwecken der Steuerhinterziehung begangen wurden. Beispiel: Der Steuerpflichtige S betreibt einen Handel mit Tupperware. Für die Präsentation bei Verkaufsevents ordert S regelmäßig Blumenbouquets. Die Quittungsbelege des Blumenhändlers fälscht S zur Begehung einer Steuerhinterziehung. Da die Entdeckung droht, entscheidet sich S für eine Selbstanzeige. Die Selbstanzeige führt nur bei der Steuerhinterziehung zur Strafbefreiung; ihr wird eine strafbefreiende Wirkung in Bezug auf die Urkundenfälschung, die zu Zwecken der Steuerhinterziehung begangen wurde, abgesprochen.
278
Die Berichtigung einer unrichtigen Lohnsteuer-Anmeldung lässt die Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 1 oder § 263 Abs. 1 StGB unberührt.
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1 NdsGVBL. 1986, 281, 283. 2 Rüping in HHSp. § 371 Rz. 38. 3 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
280
Beispiel: S leitet in der Form eines Einzelunternehmens einen Omnibusbetrieb. An den Wochenenden bietet er Fahrten zu nahegelegenen Ausflugszielen an. Die Reisegäste entrichten den Reisepreis bei Reiseantritt in bar. S erklärt diesen Umsatz nicht vollständig. Mit dem nicht erklärten Umsatz bezahlt S einen Teil der Entlohnung seiner Busfahrer schwarz. Das zuständige Hauptzollamt übersendet S eine formelle Prüfungsanordnung. S fürchtet die Entdeckung der Schwarzlohnzahlung und entscheidet sich vor Erscheinen des Prüfers für eine Selbstanzeige und meldet die Umsatzsteuer und Lohnsteuer nach. Diese Selbstanzeige führt gleichzeitig zur Tatentdeckung der Straftat nach § 266a StGB. Die Selbstanzeige entfaltet gegenüber dieser Straftat keine Strafbefreiung.
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO I. Überblick über die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 bis 3 AO Literatur: Bilsdorfer, Möglichkeit der Straffreiheit durch Selbstanzeige von Bankkunden und Bankmitarbeitern, INF 1995, 6; Brenner, Schwerpunkte der Selbstanzeige nach § 371 AO, ZfZ 1979, 140; Buse, Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige, Stbg 2010, 350; Gussen, Die rechtzeitige Selbstanzeige als Mittel zur Vermeidung des Steuerstrafverfahrens, StB 1997, 358; Hüls/Reichling, Die Selbstanzeige nach § 371 AO im Spannungsfeld zum Insolvenzrecht, wistra 2010, 327; Joecks, Aktuelle Fragen zur Selbstanzeige, Steueranwaltsmagazin 2010, 144; Marschall, Die Selbstanzeige im Umfeld steuerlicher Beratung, BB 1998, 2496 (Teil I) und 2553 (Teil II); Mösbauer, Straffreiheit trotz Steuerhinterziehung, DStZ 1985, 325; Rolletschke, § 371 Abs. 1 AO: Die Reichweite der Offenbarungspflicht, DStZ 1999, 566; Schmitz, Aktueller Leitfaden zur Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung unter Berücksichtigung neuester Rechtsprechung und Literatur, DStR 2011, 1821; Streck, Steueranwaltliche Beratung in Fällen des illegalen Datenhandels – Handwerkzeug und Probleme, NJW 2010, 1326; Wendt/Heyn, Schwerpunkte der Selbstanzeige nach § 371 AO, ZfZ 1979, 231; Wulf, Auf dem Weg zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO)?, wistra 2010, 286; Zacharias/Rinnewitz/Spahn, Zu den Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Vollständigkeit der selbstangezeigten hinterzogenen Beträge, DStZ 1988, 391.
281
Der Anzeigenerstatter muss gegenüber der Finanzbehörde unrichtige Angaben berichtigen, unvollständige Angaben ergänzen bzw. unterlassene Angaben nachholen (§ 371 Abs. 1 AO) und bei bereits eingetretener Steuerverkürzung die zu seinen Gunsten hinterzogenen bzw. verkürzten Steuern innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachentrichten (§ 371 Abs. 3 AO), um Straffreiheit zu erlangen (sog. positive Wirksamkeitsvoraussetzungen). Darüber hinaus muss die wirksame Berichtigungserklärung rechtzeitig, d.h. vor Eintritt der in § 371 Abs. 2 AO genannten Ausschlussgründe, erstattet worden sein, um eine Anwartschaft auf Straffreiheit zu begründen (sog. negative Wirksamkeitsvoraussetzungen).
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
II. Berichtigungserklärung Die Selbstanzeigehandlung besteht auch nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.20111 gem. § 371 Abs. 1 AO darin, dass
282
– unrichtige Angaben berichtigt, – unvollständige Angaben ergänzt – oder unterlassene Angaben nachgeholt werden.
Û
Hinweis: Auch wenn im Zentrum des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes die Änderung von Absatz 1 des § 371 AO steht, hat sich an den Anzeigehandlungen inhaltlich nichts geändert. Die Änderung in Absatz 1 von § 371 AO bezieht sich ausschließlich auf den Ausschluss der Teilselbstanzeige, in dem das Wort „insoweit“ in der ursprünglichen Gesetzesfassung gestrichen wurde und die Selbstanzeige sich nunmehr auf alle unverjährte Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang erstrecken muss.
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1. Gegenstand der Berichtigung § 371 AO bezieht sich in erster Linie auf die Verletzung von sich aus §§ 149 bis 153 AO ergebenden Steuererklärungspflichten, wodurch die richtige Festsetzung der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuern verhindert wurde. § 371 AO erfasst anders als die Berichtigungserklärung nach § 153 AO2 auch die Fälle, in denen der Steuerpflichtige einer Finanzbehörde gegenüber unrichtige Angaben außerhalb einer förmlichen Steuererklärung gemacht hat. Der erweiterte Anwendungsbereich des § 371 AO ist darin begründet, dass § 153 Abs. 1 S. 1 AO an die Verletzung der Steuererklärungspflicht anknüpft und im Unterabschnitt „Steuererklärungen“ angeführt ist.
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Û
285
Hinweis: Die Berichtigung unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben ist auch im Beitreibungsverfahren möglich, z.B. um eine Stundung nach § 222 AO oder einen Erlass nach § 227 AO zu erschleichen oder Vollstreckungsmaßnahmen nach den §§ 249 ff. AO zu vereiteln oder zu verzögern.3 § 371 AO deckt auch Fälle ab, in denen in einem Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren Angaben vorgetragen werden, um die Behörde oder das Gericht über die wahren Besteuerungsgrundlagen zu täuschen.4
1 BGBl. 2011 I 676. 2 Vgl. die Ausführungen unter Rz. 1264, 1298. 3 Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, 1999, 60 ff.; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 37; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 46. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 46; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 52.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
2. Anforderungen an eine Berichtigung 286
Die Berichtigung früherer Angaben des Steuerpflichtigen ist unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige. Der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO verlangt für eine Berichtigung, dass der Steuerpflichtige unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt. Hinter dem Begriff „Berichtigung“ verbergen sich mithin drei Arten der Berichtigungserklärung. Mit dieser Formulierung knüpft § 371 Abs. 1 AO an die als Gegenstand der Berichtigung geschilderten Tathandlungen der Steuerhinterziehung an. Die Berichtigung muss sich auf unrichtige oder unvollständige Angaben beziehen, die bei § 370 AO die Strafbarkeit begründet haben. Unter Berichtigung versteht man, dass unrichtige, unvollständige oder fehlende Angaben durch richtige und vollständige Angaben ersetzt werden.1
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Die Berichtigungserklärung des Steuerpflichtigen muss keine neuen Umstände enthalten, die der Finanzbehörde noch unbekannt sind oder die der Steuerpflichtige zumindest für unbekannt hält. Die von Mattern2 begründete sog. Materiallieferungstheorie, demnach der Steuerpflichtige sich nur durch Lieferung neuen Materials Straffreiheit verschaffen könne, ist auf den Wortlaut des § 410 RAO 1949 zurückzuführen, aber heute mit dem Wortlaut des § 371 AO nicht mehr vereinbar.3 Das Merkmal „berichtigen“ ist rein objektiv gefasst. Inwiefern die vom Steuerpflichtigen zusammengetragenen Informationen für die Finanzbehörde neu sind, spielt nur im Rahmen der Ausschlussgründe eine Rolle. Die Ausschlussgründe sind allerdings abschließend in § 371 Abs. 2 AO normiert. Für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist es außerhalb des § 371 Abs. 2 AO daher ohne Bedeutung, ob das Finanzamt Kenntnis der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben bereits vor Abgabe der Selbstanzeige z.B. durch Kontrollmitteilungen oder Anzeigen Dritter erlangt hat.
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Die Berichtigung muss sich auf steuerlich erhebliche Tatsachen erstrecken. Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige dem Finanzamt den steuerlich relevanten Sachverhalt offenbart, d.h. die von ihm verwirklichten Besteuerungsgrundlagen nach Art und Umfang darlegt. Der Steuerpflichtige muss nicht angeben, auf welche Steuerart sich seine Selbstanzeige bezieht. Im Falle der Hinterziehung von Umsatzsteuer reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzzahlen so genau bezeichnet, dass die Finanzbehörde auf dieser Basis ohne größere eigene Ermittlungen die betreffende Steuer zutreffend veranlagen kann.4 Die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist der Finanzbehörde überlassen. 1 Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 14; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 48. 2 DStZ/A 1950, 134, 137 und DStZ/A 1950, 353 und NJW 1951, 937, 940. 3 Zustimmend Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 48, Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 57; Firnhaber, S. 69 ff.; Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 197 ff. 4 OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.1961, 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974, 976.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
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Hinweis: Regelmäßig sind Zahlenangaben vorzunehmen. Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn die Zuordnung von Besteuerungsgrundlagen zu bestimmten Personen- oder Vermögensmassen vorzunehmen ist.
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Muster einer Selbstanzeige mit Zahlenangaben: Sehr geehrte Damen und Herren, unter Vorlage einer auf mich lautenden Vollmacht zeige ich an, dass ich die rechtlichen Interessen von Frau S vertrete. Meine Mandantin hat in den Jahren ab 2006 versehentlich ihre Zinseinnahmen bei der Société Générale Bank in Frankreich nicht erklärt. Namens und im Auftrag meiner Mandantin berichtige ich ihre Einkommensteuererklärung für die Jahre 2006 bis 2010 wie folgt: Kalenderjahr
Grund
Betrag in Euro
2006
Zinsen aus Kapitalvermögen
13 038,46
2007
Zinsen aus Kapitalvermögen
17 243,90
2008
Zinsen aus Kapitalvermögen
25 087,39
2009
Zinsen aus Kapitalvermögen
24 781,19
2010
Zinsen aus Kapitalvermögen
34 773,68
Ich bitte um Neuveranlagung und Übersendung der Steuerbescheide in meine Kanzlei.
3. Form der Selbstanzeige a) Schriftlich oder mündlich Im Gegensatz zu § 149 AO i.V.m. zahlreichen Einzelsteuergesetzen verwendet § 371 Abs. 1 AO nicht den Begriff „Steuererklärungen“, sondern den Begriff „Angaben“. § 150 Abs. 1 S. 1 AO behandelt allein Steuererklärungen. Auch § 150 Abs. 3 AO hat nur für Steuererklärungen, nicht für Selbstanzeigen Bedeutung. Die Abgabenordnung sieht mithin eine besondere Form für die Berichtigungserklärung nicht vor, insbesondere muss die Selbstanzeige nicht – wie etwa die ursprüngliche bzw. unterlassene Steuererklärung – auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck (§ 150 AO) abgegeben werden.1 Ein solcher Vordruck existiert nicht. 1 OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.1970 – 2 Ss 191/69, NJW 1970, 1385 m. Anm. Kopacek, NJW 1970, 2098 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.5.1987 – 1 Ss 221/87, wistra 1987, 263, 265; Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 166, 167; Bilsdorfer, wistra 1984, 93, 94 f.
71
291
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
292
Die Selbstanzeige kann schriftlich oder mündlich1, per Telefax, EMail, fernmündlich2 oder zu Protokoll bei der zuständigen Finanzbehörde abgegeben werden.
293
Û
Hinweis: Zur Vermeidung von Missverständnissen, insb. zum Nachweis der Rechtzeitigkeit der Abgabe der Selbstanzeige, empfiehlt es sich, die Schriftform der Selbstanzeige zu wählen. Im Interesse des Steuerpflichtigen ist insb. auf die Dokumentation der Übermittlung der Erklärung zur Finanzbehörde bzw. des Zugangs der Erklärung bei der Finanzbehörde zu achten. Grundsätzlich sollten Selbstanzeigen per Fax an die Finanzbehörde übermittelt werden. Ein Übersendungsprotokoll muss ausgedruckt werden. Dieses muss das richtige Datum und die korrekte Uhrzeit aufzeigen. Außerdem sollte zumindest die erste Seite der Selbstanzeige auf dem Übersendungsprotokoll abgedruckt sein. Der Einwurf der Erklärung am Sonnabend in den Briefkasten beim Veranlagungsfinanzamt sollte, um einem späteren Streit um die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige vorzubeugen, durch schriftliche Bestätigung anwesender Zeugen dokumentiert werden. Die Dokumentation sollte auch den Inhalt des Schreibens umfassen. Von einer mündlichen Erklärung gegenüber der Finanzbehörde ist regelmäßig abzuraten. Sollte dennoch eine mündliche Erklärung erfolgen, ist zur Vermeidung von Zweifeln auf die Protokollierung zu achten.
294
Zwar greift bei Zweifeln über die Rechtzeitigkeit der Abgabe der Selbstanzeige der Grundsatz „in dubio pro reo“ ein, jedoch nur, wenn die Einlassung des Steuerpflichtigen vom Richter nicht als Schutzbehauptung abgetan wird.
295
Schriftliche Erklärungen müssen nicht unterschrieben sein. Nach einer Entscheidung des BayOblG vom 7.10.19533 ist die Selbstanzeige selbst dann wirksam, wenn sie „aus unerfindlichen Gründen“ mit einem falschen Namen unterzeichnet worden ist, sich aber die Identität des Anzeigenerstatters aus den Begleitumständen ergibt.
296
Û
Hinweis: Das Wort „Selbstanzeige“ braucht in der Berichtigungserklärung nicht aufgeführt zu werden, ebenso wenig eine Bezugnahme auf § 371 AO.4 Die Selbstanzeige braucht keinen Hinweis auf die strafrechtliche Seite zu enthalten; eine ausdrückliche Selbstbezichti-
1 OLG Köln, Urt. v. 28.8.1979 – 1 Ss 574–575/79, DB 1980, 57, 58; OLG Hamm, Urt. v. 24.5.1961 – 3 Ss 354/61, DB 1961, 968; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.1958 – Ss 822/58, DB 1960, 458. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 21.11.1985 – 1 Ss 108/85, wistra 1986, 116, 117. 3 1 St 41/53, NJW 1954, 244, 245. 4 BGH, Urt. v. 19.3.1991 – 5 StR 516/90, wistra 1991, 223, 225 = NJW 1991, 2844, 2846; BGH, Beschl. v. 13.10.1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27, 28.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
gung ist unschädlich.1 Es ist ausreichend, wenn die Berichtigungserklärung neutral abgefasst wird. Die Selbstanzeige muss, sie sollte sogar, nicht als solche bezeichnet werden, da sie einem Geständnis gleichkommt. Von einem ausdrücklichen strafrechtlichen Geständnis ist aber abzuraten, insb. wenn nicht eindeutig ist, ob vorsätzlich oder bloß leichtfertig Steuern verkürzt wurden. Der Sachverhalt lässt sich erst klären, wenn die erste Schockreaktion abgeklungen ist und der Steuerpflichtige den Ausführungen des steuerlichen Beraters in rechtlicher Hinsicht vollumfänglich folgen kann. Es empfiehlt sich eine neutrale korrigierende Erklärung bzw. Nacherklärung der Steuern. Nach der Entscheidung des OLG Köln vom 28.8.19802 reicht es für eine Selbstanzeige aus, wenn der Steuerberater eines Unternehmens in einer Besprechung beim Finanzamt über Umsatzsteuerangelegenheiten erklärt, dass der Unternehmer noch Lohnsteuer nachträglich anzumelden und abzuführen hat und die Lohnsteuerschuld später fristgerecht geleistet wird.
297
Die Berichtigung kann auch konkludent gegenüber der Finanzbehörde abgegeben werden.3 Die Berichtigung muss nicht ausdrücklich erklärt werden; ein Berichtigungswille ist nicht erforderlich.
298
b) Abgabe einer Jahressteuererklärung Die Selbstanzeige kann auch in Form einer Steuererklärung abgegeben 299 werden.4 Dies genügt zumindest dann, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt überhaupt nicht bekannt war.5 Hatte der Steuerpflichtige bereits zuvor unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen für den betreffenden Steuerabschnitt und die betreffende Steuerart bei der Finanzbehörde eingereicht, muss in der abweichenden späteren Steuererklärung der Wille zum Ausdruck kommen, dass diese an die Stelle der ursprünglichen Steuererklärung treten soll. Ausreichend ist es, wenn der Steuerpflichtige eine neue Steuererklärung abgibt, die eine höhere Steuer ergibt. Auch die Abgabe einer Jahreserklärung ist als formwirksame Selbstanzeige anzusehen. So wirkt die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung nach § 18 Abs. 3 UStG mit korrekten Umsatzzahlen auch ohne Nachreichung der berichtigten oder ergänzten oder unterlassenen Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 18 Abs. 1 und 2 UStG strafbefreiend.6 Es emp1 BGH, Urt. v. 13.10.1992 – 5 StR 253/92, wistra 1993, 66, 68. 2 1 Ss 574–575/79, Stbg 1981, 197. 3 BGH, Urt. v. 13.10.1992, 5 StR 253/92, wistra 1993, 66, 68; OLG Köln, Urt. v. 28.8.1979 – 1 Ss 574–575/79, DB 1980, 57, 58. 4 BGH, Beschl. v. 13.10.1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27, 28. 5 OLG FFM, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974, 975 f. 6 RG, Urt. v. 14.2.1932 – VI A 553/32, RStBl. 1932, 419; OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.1970 – 2 Ss 191/69, NJW 1970, 1385; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.2.1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166, 167.
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300
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
fiehlt sich aber, eine Aufstellung mit den korrigierten Monatsangaben beizulegen. 301
Auch die Einreichung einer Einkommensteuerjahreserklärung wurde als Selbstanzeige hinsichtlich falscher Angaben zu den Einkommensteuervorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 EStG eingeordnet; nicht erforderlich ist der Hinweis, dass im Zusammenhang mit der fällig gewesenen Vorauszahlung ein ungerechtfertigter Steuervorteil erlangt wurde.1 Entgegen der Vorentscheidung des LG Stuttgarts vom 25.11.19832 besteht zwischen den Einkommensteuervorauszahlungen und der Einkommensteuerjahreserklärung ein innerer Zusammenhang. Ausreichend ist es, wenn die Finanzbehörde auf Grund der kommentarlosen Abgabe der Einkommensteuerjahreserklärung in die Lage versetzt wird, die tatsächlich geschuldete Steuer zutreffend festzusetzen.
302
An der formwirksamen Selbstanzeige durch Abgabe einer Jahressteuererklärung hat Joecks3 vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 20.6.19944 Zweifel geäußert. Der BGH hat in dieser Entscheidung die Figur der fortgesetzten Tat bei Steuerhinterziehung aufgegeben, so dass jede unrichtige Erklärung als rechtlich selbständige Handlung zu werten sei, die im Verhältnis zueinander in Tatmehrheit stehen. Aber auch Joecks merkt hierzu an, dass die Umsatzsteuer eine Jahressteuer ist und eine Aufgliederung der Umsätze nach Monaten oder Kalendervierteljahren als übertriebene Förmelei entbehrlich ist. Eine exakte Zurechnung auf die einzelnen Besteuerungsabschnitte wäre nur für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen relevant. Da die Nachentrichtung der Hinterziehungszinsen nicht Bedingung für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ist, braucht die Selbstanzeige diesbezüglich keine Angaben zu enthalten. 4. Inhalt der Selbstanzeige a) Notwendiger Inhalt und Maßstab der Bestimmung des Umfangs der Angaben
303
Der Steuerpflichtige muss die Finanzbehörde durch die Berichtigung seiner Angaben in die Lage versetzen, den Steuerpflichtigen so zur Steuer zu veranlagen, als hätte er die Steuererklärung von vornherein ordnungsgemäß abgegeben.5
304
Der Steuerpflichtige muss durch die von ihm veranlasste Selbstanzeige wesentlich dazu beitragen, dass die Finanzbehörde auf der Basis der Angaben ohne weitere langwierige, größere eigene Nachforschungen und unab1 OLG Stuttgart, Urt. v. 21.5.1987 – 1 Ss 221/87, wistra 1987, 263 m. zust. Anm. v. Bilsdorfer, wistra 1987, 265; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 64.3; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 69. 2 10 Qs 146/83, wistra 1984, 197. 3 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 69. 4 5 StR 595/93, wistra 1994, 266 ff. 5 BGH, Urt. v. 11.11.1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100, 101.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
hängig von der weiteren Mithilfebereitschaft des Steuerpflichtigen die betroffene Steuer zutreffend veranlagen kann.1 Auch wenn in der Selbstanzeige regelmäßig Zahlenangaben vorzunehmen sind, müssen diese demnach nicht sämtliche zahlenmäßigen Unterlagen derart erschöpfend enthalten, dass die Finanzbehörde die Nach- und Neuveranlagung auf der Stelle durchführen kann.2 Das Finanzamt muss durch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten Erklärungen oder Unterlagen nicht in den Stand versetzt werden, ohne jede weitere eigene Aufklärungstätigkeit die nachzufordernde Steuer festzusetzen.3 Der Wirksamkeit der Selbstanzeige steht es nicht entgegen, wenn die zahlenmäßige Berechnung der Steuer noch eine gewisse eigene Aufklärung durch das Finanzamt erfordert. Allerdings dürfen hierbei keine neuen steuerlich erheblichen Tatsachen zutage gefördert werden. Die Berichtigung muss sich auf steuerlich erhebliche Tatsachen erstrecken. Die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist der Finanzbehörde überlassen. Eine abweichende rechtliche Beurteilung des wahrheitsgemäß offenbarten Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen ist unschädlich.4
305
Muster einer Selbstanzeige mit rechtlicher Würdigung:
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Sehr geehrte Damen und Herren, unter Vorlage einer auf mich lautenden Vollmacht zeige ich an, dass ich die steuerlichen Interessen von Herrn S vertrete. Namens und im Auftrag meines Mandanten berichtige ich dessen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007. Die folgenden Einnahmen wurden nicht als Mieteinnahmen erklärt: Jahr
Zahlungen
Ehefrau des S
Sohn des S
2005
15. Januar 15. Februar 15. März … Summe
128 Euro 128 Euro 128 Euro … 1536 Euro
246 Euro 246 Euro 246 Euro … 2952 Euro
2006
… Summe
1536 Euro
2460 Euro
1 2 3 4
BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 376 = BStBl. 1953 I 109. RG, Urt. v. 9.11.1936 – 3 D 619/36, RGSt. 70, 351. BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 376. LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 73.
75
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Diesen Zahlungen, die nicht als Mieteinnahmen erklärt worden sind, liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Mein Mandant hat im Dezember 2004 auf Betreiben des Herrn W, dem Bruder von Frau S, ein Wohnobjekt in K erworben und vermietete dieses mit Vertrag vom 2.1.2005 an Herrn W. Im Mietvertrag wurde eine Kaltmiete von 257 Euro zzgl. einer Nebenkostenpauschale von 110 Euro, insgesamt 367 Euro vereinbart. Neben dem im schriftlichen Mietvertrag vom 2.1.2005 vereinbarten Mietzins zahlte Herr W für den Zeitraum vom Januar 2005 bis Dezember 2006 auf das Konto seiner Schwester S monatlich 128 Euro sowie auf das Konto seines Patenkindes für den Zeitraum vom Januar 2005 bis Oktober 2006 monatlich 246 Euro. Diese Einnahmen wurden von meinem Mandanten nicht als Mieteinnahmen erklärt. Die vorgenannten Beträge wurden ursprünglich von den Parteien als Schenkung verstanden. Auf Grund dessen habe ich Namens und im Auftrag meines Mandanten eine inhaltsgleiche Erklärung an das Erbschaftsteuerfinanzamt übermittelt. Auf Grund des seit Herbst 2005 bestehenden Streites zwischen Herrn S und Herrn W werden die o.a. Beträge, deren Zahlung Herr W zum Januar 2007 bzw. zum November 2006 eingestellt hat, als Miete beim AG K eingefordert, obwohl die Parteien diese Zahlungen in der Vergangenheit nie als Miete verstanden haben. Ziel der Klage vor dem AG K ist eine Kündigung des Mietverhältnisses zu erwirken, damit mein Mandant die Wohnung anderweitig vermieten kann. Herr W hat die Zahlungen an seine Schwester S und sein Patenkind S im Schriftsatz vom 17.1.2007 an das Gericht als Treuhandabrede gewertet, im Schriftsatz vom 23.4.2007 bezeichnet er die Zahlungen als Miete. Die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes ist derzeit unklar und muss zu einem späteren Zeitpunkt erörtert werden.
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Der Steuerpflichtige muss dem Finanzamt den steuerlich relevanten Sachverhalt offenbaren und dem Finanzamt die von ihm verwirklichten Besteuerungsgrundlagen nach Art und Umfang darlegen. Es gelten keine strengeren Maßstäbe, als sie das Finanzamt im Veranlagungsverfahren angelegt hätte, wenn sich der Steuerpflichtige von vornherein nach bestem Wissen und Gewissen bemüht hätte, seine Erklärung richtig und rechtzeitig abzugeben.
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Für die Berichtigung kommt es darauf an, welche genauen Angaben dem Steuerpflichtigen zugemutet werden können. Was dies im Einzelfall bedeutet, hängt von den Tatumständen ab. Ist der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Selbstanzeige zu einer Sachaufklärung – verschuldet oder unverschuldet – nicht in der Lage, kommt er nicht in den Genuss der
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Straffreiheit. Der Täter trägt das Risiko, im Zeitpunkt der Selbstanzeige an den erforderlichen Angaben verhindert zu sein.1 So muss der Steuerpflichtige nicht in jedem Fall angeben, auf welche Steuerart sich seine Selbstanzeige bezieht.2 Es genügt, wenn der Steuerpflichtige seinen Umsatz, den Gewinn oder die Höhe der Einnahmen und Ausgaben angibt. Im Falle der Grundstücksveräußerung reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige den Kaufpreis des Grundstücks angibt. Regelmäßig sind Zahlenangaben vorzunehmen. Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn die Zuordnung von Besteuerungsgrundlagen zu bestimmten Personen oder Vermögensmassen möglich ist.
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Im Hinblick auf § 151 AO ist es auch ausreichend, wenn der Steuerpflichtige der Finanzbehörde Bestandteile der Buchführung überlässt, aus denen der Veranlagungsbeamte nur mit erheblichem Zeitaufwand die richtigen Besteuerungsgrundlagen entwickeln kann.
310
Û
311
Hinweis: Nach den obigen Ausführungen ist eine Erklärung unzureichend und führt nicht zur Straffreiheit, – wenn der Steuerpflichtige erklärt, eine Selbstanzeige zu erstatten, ohne nähere Angaben zum Sachverhalt zu machen3, – wenn der Steuerpflichtige die verkürzten Steuern nachzahlt, ohne eine berichtigende Erklärung abzugeben4, – wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner früheren Erklärungen anerkennt, ohne diese durch die richtigen Angaben zu ersetzen5, – wenn der Steuerpflichtige eine Außenprüfung beantragt, soweit es an materiell berichtigenden Angaben fehlt6, – wenn der Steuerpflichtige lediglich das Ergebnis einer Betriebsprüfung anerkennt7 (Anmerkung: etwas anderes gilt bei der leichtfertigen Steuerverkürzung)8, – wenn der Steuerpflichtige der Finanzbehörde bereitwillig Buchführungsunterlagen zur Außenprüfung überlässt9,
1 BGH, Urt. v. 14.12.1976 –1 StR 196/76, BB 1978, 698. 2 RG, Urt. v. 28.6.1940 – 1 D 7/40, RStBl. 40, 649, 650; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974, 976. 3 Henneberg, INF 1972, 493; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, § 371 Rz. 11. 4 Dietz in Leise/Dietz/Cratz, § 371 Rz. 11. 5 RG, Urt. v. 2.3.1925 – III 959/24, RGSt. 59, 115, 118. 6 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 7 OLG Frankfurt, Urt. v. 16.1.1954 – 2 Ss 755/53, DStZ/B 1954, 58; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81, wistra 1982, 119; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.11.1960 – 1 Ss 724/60, BB 1961, 628 für den Fall der fahrlässigen Steuerverkürzung. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.11.1995 – 2 Ss 158/95, wistra 1996, 117; a.A. OLG Frankfurt, Urt. v. 17.11.1960 – 1 Ss 724/60, BB 1961, 628; vgl. Rz. 1247. 9 BGH, Urt. v. 24.10.1990 – 3 StR 16/90, wistra 1991, 107, 108.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
– wenn der Steuerpflichtige lediglich darauf hinweist, er habe Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die noch nicht erfasst seien1, – wenn der Steuerpflichtige erklärt, dass bestimmte Beträge noch nachaktiviert werden müssten2, – wenn der Steuerpflichtige eine zum Zwecke der Steuerhinterziehung gebildete Rückstellung, die ohne tatsächlich bestehende Verbindlichkeit allein zur Gewinnverlagerung in ein Folgejahr erfolgt, nicht periodengerecht auflöst3, – wenn der Steuerpflichtige Außenstände statt bei Rechnungsstellung erst im Folgejahr nachbilanziert4, – wenn der Steuerpflichtige der Finanzbehörde erklärt, dass die abgegebene Steuererklärung unzutreffend sei, – wenn der Steuerpflichtige bei Erhalt einer Prüfungsanordnung erklärt: „Vorsorglich erstatten wir im Hinblick auf alle sich aus der Betriebsprüfung ergebenden Mehrsteuern Selbstanzeige“5, – wenn der Steuerpflichtige die Finanzbehörde über die Stellung eines Konkurs- bzw. Insolvenzantrags unterrichtet.6 312
Anders als für den Steuerpflichtigen lässt sich zum Inhalt einer Selbstanzeige eines Gehilfen zur Steuerhinterziehung mit OLG Hamburg7 vertreten, dass dieser eine wirksame Selbstanzeige erstattet, wenn er dem Finanzamt lediglich mitteilt, dass bestimmte Steuererklärungen unrichtig sind, soweit der Gehilfe faktisch nicht in der Lage ist, dem Finanzamt die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen zu offenbaren. Das OLG Hamburg hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, dass nach feststehender Rechtsprechung im Regelfall eine Steuerhinterziehung durch den Steuerpflichtigen selbst zu fordern ist, dass es durch seine Selbstanzeige dem Finanzamt ermöglicht werden muss, auf ihrer Grundlage ohne langwierige große Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig zu berechnen. Solche Anforderungen können in dem vom OLG zu beurteilenden Sonderfall an den Gehilfen des Steuerpflichtigen nicht gestellt werden, soweit er von dem Steuerpflichtigen die für richtige Steuererklärungen notwendigen Unterlagen nicht erhält.
1 2 3 4 5
LG Hamburg, Urt. v. 18.6.1986 – (50)117/86 Ns, wistra 1988, 120, 121. BGH, Urt. v. 20.7.1965 – 1 StR 95/65, DStR 1966, 150. BGH, Urt. v. 9.7.1997 – 5 StR 234/96, StV 1997, 512. BGH, Urt. v. 18.10.1956 – 4 StR 166/56, BStBl. 1957 I 122. Felix, DStPr, § 404 Nr. 1 – StQ 1977, S. 465; Bilsdorfer, wistra 1984, 93, 96, mit der Anmerkung, dass eine solche inhaltlose Erklärung allenfalls den Prüfer besonders motivieren könne. 6 BGH, Urt. v. 13.10.1992 – 5 StR 253/92, wistra 1993, 66, 68. 7 Beschl. v. 21.11.1985 – 1 Ss 108/85, wistra 1986, 116.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
b) Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen Literatur: App, Bedeutung allgemeiner Zahlungsfristen für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige, DStR 1987, 37; Buse, Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige, Stbg 2010, 350; Heuel, Selbstanzeigeberatung nach dem BGHBeschluss vom 20.5.2010 – ein Himmelfahrtskommando?, AO-StB 2010, 246; Hunsmann, Die Novellierung der Selbstanzeige durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, NJW 2011, 1482; Joecks, Aktuelle Fragen zur Selbstanzeige, Steueranwaltsmagazin 2010, 144; Mack, Kritische Stellungnahme zu den geplanten Einschränkungen der Selbstanzeige im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, Stbg 2011, 162; Obenhaus, Die Verschärfung der Selbstanzeige, Stbg 2011, 166; Prowatke/Felten, Die „neue“ Selbstanzeige, DStR 2011, 899; Rolletschke/Roth, Selbstanzeige: Verschärfte Anforderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, Stbg 2011, 200; Schwartz, Praxisprobleme mit der zweiten Selbstanzeige: Tatentdeckung durch Abgabe einer (unwirksamen) Teilselbstanzeige, wistra 2011, 81; Schwedhelm, Die strafbefreiende Selbstanzeige vor dem Aus?, Stbg 2010, 348; Spatscheck, Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.5.2010 zu den Tatbestandsmerkmalen der Selbstanzeige – Das Ende einer Ära?, Steueranwaltsmagazin 2010, 162; Wulf, Auf dem Weg zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO)?, wistra 2010, 286.
aa) Ursprüngliche Rechtsansicht Bis zum Beschluss des BGH vom 20.5.2010 führte die Berichtigung in Fäl- 313 len, in denen der Steuerpflichtige nicht in der Lage war, seine Angaben vollständig zu korrigieren und er die steuerlich erheblichen Tatsachen nicht in vollem Umfang zutreffend berichtigen konnte, sowohl nach Auffassung der Rechtsprechung als auch nach der in der Literatur vertretenen Ansicht nur in dem mitgeteilten Umfang zur Straffreiheit (sog. Teilselbstanzeige).1 Begründet wurde die Wirksamkeit der Teilselbstanzeige mit dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO, demnach ein Täter Selbstanzeige „insoweit“ erstatten kann, als er seine Angaben zu berichtigen vermag. bb) Rechtsansicht nach dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010 Der BGH hat im Beschluss vom 20.5.2010 zur Wirksamkeit einer Selbstanzeige entschieden, dass eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit nur dann gegeben ist, wenn der Täter in der Selbstanzeige vollständige und richtige Angaben macht. Teilselbstanzeigen hält der BGH nicht länger für ausreichend, um die Strafbefreiung zu erlangen. Der BGH stellt sich mit der Entscheidung gegen seine bisherige Rechtsprechung.
314
Der BGH verweist zur Begründung seines Beschlusses vom 20.5.2010 sowohl auf den Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO als auch auf den Sinn und Zweck der Selbstanzeige.2
315
1 BGH, Urt. v. 12.8.1987 – 3 StR 10/87, BGHSt 35, 36, 37; BGH, Beschl. v. 20.7.1988 – 3 StR 583/87, wistra 1988, 356; BGH, Beschl. v. 13.10.1998 – 5 StR 392/98, wistra, 1999, 27; OLG FFM, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974; Schmitz, DStR 2001, 1821, 1826; Stahl, KÖSDI 1986, 6485, 6486; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 213. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 66.3.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(1) Auslegung nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO 316
Der BGH begründet seine Entscheidung zunächst mit dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO, wonach Straffreiheit „insoweit“ eintritt, wie die unrichtigen oder unvollständigen Angaben berichtigt oder ergänzt werden. Die Verknüpfung der Aufzählung mit einem „oder“ mache deutlich, dass der Gesetzgeber alle denkbaren Handlungsvarianten des Steuersünders erfassen wollte, die er in der Selbstanzeige anzuführen habe. Damit habe der Gesetzgeber in § 371 Abs. 1 AO deutlich gemacht, dass das Gesetz die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit wolle.
317
Der BGH führt weiterhin an, das auf die Nennung dieser Voraussetzung folgende Wort „insoweit“ beziehe sich nicht auf den Umfang der gemachten Angaben, sondern allein auf den Umfang der Strafbefreiung. Diese trete also erst dann ein, wenn die Angaben insgesamt richtig sind. Hätte der Gesetzgeber eine Strafbefreiung auch schon für nur teilweise richtige Angaben gewollt, dann hätte er das Gesetz anders formuliert. Der BGH bietet zugleich einen Formulierungsvorschlag an: „Soweit … berichtigt …“.1
318
Diese Auslegung des Gesetzeswortlauts des BGH lässt sich anhand der Gesetzesmaterialien nicht nachvollziehen. Die Formulierung der Selbstanzeige mit dem Begriff „insoweit“ findet sich erstmalig in § 374 RAO 1919 und wurde sachlich unverändert in § 410 RAO 1932 übernommen. Der Gesetzgeber hat sich zu § 1 des Gesetzes über Steuernachsicht in der Nationalversammlung beraten.2 Skeptische Anmerkungen finden sich von Abgeordneten der beiden sozialdemokratischen Oppositionsparteien.3 Diskutiert wurde, inwieweit die gesetzgeberische „Rechtswohltat“ zu einer Ungleichbehandlung von steuerehrlichen und steuerunehrlichen Bürgern führt und inwieweit dies gerechtfertigt ist. Darüber hinaus hat sich die Nationalversammlung nicht zu § 374 RAO 1919 geäußert. Eine Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien zu § 374 RAO 1919 lässt der Beschluss des BGH vom 20.5.2010 nicht erkennen, obwohl er auf den Wortlaut des Gesetzes nach Sinn und Zweck abstellt und eine solche Auslegung die Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien erfordert.
319
Offensichtlich sind auch der Finanzausschuss, der Ausschuss für innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss von der Argumentation des BGH nicht überzeugt, hat sich der Bundesrat in 1 Wulf führt hierzu in wistra 2010, 286, 290 aus, dass diese Interpretation des BGH gekünstelt wirkt und die Argumentation fadenscheinig ist. 2 Verhandlungen der Nationalversammlung – 132. Sitzung v. 17.12.1919, Bd. 331, S. 4136 ff. 3 Vgl. die Stellungnahmen der Abgeordneten Löbe und Cohn bei den Verhandlungen der Nationalversammlung – 132. Sitzung v. 17.12.1919, Bd. 331, S. 4137 und 4138 sowie die Stellungnahmen der Abgeordneten Ludewig und Burlage bei den Verhandlungen der Nationalversammlung – 132. Sitzung v. 17.12.1919, Bd. 331, S. 4138 und 4139.
80
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
der Sitzung vom 9.7.2010 deren Empfehlungen zum JStG 2010 angeschlossen und der Streichung des Wortes „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO zugestimmt, um eine Teilselbstanzeige für die Zukunft auszuschließen.1 Auch die Bundesregierung hat sich in der Begründung zum Gesetz zur besseren Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) am 8.12.2010 von dieser Auslegung des Begriffes „insoweit“ durch den BGH abgewendet. Soweit die Bundesregierung in der Entwurfsfassung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 8.12.2010 in Absatz 1 zum § 371 AO das Wort „insoweit“ gestrichen hat, um die Teilselbstanzeige abzuschaffen, dokumentiert dies, dass auch die Bundesregierung das Wort „insoweit“ im Sinne der ursprünglichen Rechtsprechung verstanden hat und die Auslegung durch den 1. Senat des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 als nicht mit dem ursprünglichen Wortlaut des Gesetzes vereinbar gesehen hat.2 Die weitergehende Formulierung in Absatz 1 zum § 371 AO „zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang“ wurde erst am 16.3.2011 in die Beschlussempfehlung aufgenommen. Nach dem Beschluss des BGH bedeutet „insoweit“, dass neben der Straffreiheit für – gänzlich verschiedene – Steuerdelikte ein Täter, der zusätzlich verfälschte Belege gebrauche oder ein Bestechungsdelikt begehe, Straffreiheit nur wegen der Steuerhinterziehung erlangen könne. Hierzu ist anzumerken, dass diese Auslegung des Wortlautes sich bereits aus dem Anwendungsbereich des § 371 AO ergibt und keine neue Erkenntnis darstellt.
320
Augenfällig ist bei der Beschlussbegründung, dass der BGH mit keinem Wort auf die bisherige einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eingeht.3
321
(2) Auslegung nach Sinn und Zweck des § 371 AO Darüber hinaus hat der BGH auch den Sinn und Zweck des § 371 AO bemüht, der darin besteht, bisher unbekannte Steuerquellen aus fiskalischen Gründen aufzudecken und der Nachversteuerung zuzuführen, sowie dem Täter die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu ermöglichen. Dabei komme dem letzteren Zweck der Selbstanzeige größere Bedeutung zu, da angesichts der heute bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit der fiskalische Zweck an Bedeutung verliere. An einer Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit fehle es aber, wenn der Täter nur eine Teilselbstanzeige abgebe.
322
Dieser Argumentation hat das Bundeskabinett in der Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in der Beschlussfassung vom 8.12.20104
323
1 2 3 4
Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 67.3. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 67.3. Joecks, Steueranwaltsmagazin 2010, 146. BT-Drucks. 17/4182, S. 4.
81
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
eine Absage erteilt. In der Begründung heißt es: „Steuerlich relevante Informationen, die gezielt und bewusst mit krimineller Energie oft über Jahrzehnte dem Fiskus verheimlicht worden sind, können ohne Mithilfe der Beteiligten nicht aufgeklärt werden – erst recht nicht, wenn es sich um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Ohne die Offenbarung der Täter hätten die Steuerbeamten auch keine Ermittlungsansätze gegenüber Helfern und Mittätern.“ Der Gesetzgeber geht davon aus, auf die Mithilfe der Steuerpflichtigen in Form der Selbstanzeige angewiesen zu sein, um das steuerpolitische Ziel zu erreichen. Dieser Begründung haben sich auch die Fraktionen der CDU/CSU und FDP im Entwurf zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 14.12.20101 angeschlossen. (3) Fristgerechte Nachzahlung als Argumentation 324
Der BGH führt in seinem Beschluss weiterhin aus, dass auch der denkbare Umstand, dass der Täter einer Steuerhinterziehung nicht in der Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb angemessener Frist vollständig nachzuzahlen (§ 371 Abs. 3 AO a.F.), für sich allein die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige nicht rechtfertigen könnte. Die Gründe, aus denen der Steuerpflichtige zur Zahlung nicht in der Lage ist, seien für § 371 Abs. 3 AO grundsätzlich bedeutungslos. (4) Beispiel einer unwirksamen Teilselbstanzeige nach BGH
325
In den Entscheidungsgründen führt der BGH ein Beispiel für eine unwirksame Teilselbstanzeige an. Eine nicht ausreichende Teilselbstanzeige ist beispielsweise gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige Einkommensteuererklärung dahin „berichtigt“, dass er von bislang gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos angibt, aber immer noch weitere Konten verschweigt, weil er insoweit keine Entdeckung durch die Finanzbehörden befürchtet (dolose Selbstanzeige). Nach Ansicht des Senats liegt in einem solchen Fall keine wirksame Selbstanzeige vor. (5) Beispiele zum Beschluss des BGH
326
Die unten angeführten Beispiele als auch die nachfolgend in der Kritik angeführten Problemstellungen verdeutlichen die Bedeutung des Beschlusses des BGH vom 20.5.2010 für die Praxis:
327
Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat dem Finanzamt sowohl Zinseinkünfte aus Österreich, Andorra und der Schweiz verschwiegen. In Folge der Medienberichterstattung über den Ankauf einer Bankdaten-CD mit Daten über das Bankhaus J. B. in der Schweiz, erstattet S eine Selbstanzeige über die Erträgnisse aus der Schweiz, über die aus Österreich und Andorra nicht.
1 BT-Drucks. 17/4182.
82
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige Die Selbstanzeige ist als Teilselbstanzeige nicht wirksam. Eine wirksame Selbstanzeige hätte es erfordert, dass S alle in einem Veranlagungszeitraum ursprünglich nicht erklärten Zinseinkünfte, also auch die Einkünfte in Österreich und Andorra, nacherklärt hätte. Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat dem Finanzamt in den Kalenderjahren 2009 und 2010 nicht nur seine Kapitaleinkünfte in Belgien, sondern auch seine Vermietungseinkünfte nicht angegeben. Nachdem die Medien berichten, dass Belgien die EU-Zinsrichtlinie zum 1.1.2010 umsetzt, erklärt S ausschließlich die Kapitaleinkünfte aus Belgien nach.
328
Eine vollständige Berichtigungserklärung erfordert bezüglich der gleichen Steuerart und desselben Besteuerungszeitraums auch die Nacherklärung der Vermietungseinkünfte. Die Selbstanzeige ist unwirksam.
(6) Kritik an dem Beschluss des BGH Die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen sind völlig unklar.
329
(1) Schwierigkeiten bereitet die Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen nach dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010 für das Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren. Insbesondere große Unternehmen korrigieren auf Grund der Komplexität ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen mehrfach. Nach dem Beschluss des BGH muss die erste Korrektur als unvollständige Selbstanzeige gewertet werden. Dieses Ergebnis entspricht nicht dem Willen des BGH. Man wird darauf abstellen müssen, ob der Unternehmer dolos oder nicht dolos gehandelt hat.
330
(2) Der BGH hat den Fall nicht erörtert, dass der Täter bei der Selbstanzeige schlicht einige vorsätzlich verkürzte Beträge vergisst. Muss man aus dem Umstand, dass der BGH die dolose Teilselbstanzeige nicht länger für wirksam erachtet, schließen, dass die undolose Teilselbstanzeige weiterhin wirksam ist?1 Soweit dem Anzeigenerstatter die Unrichtigkeit der in der Selbstanzeige enthaltenen Angaben nicht bewusst ist, kann der Steuerpflichtige den Fehler auch nach der Erstattung der Teilselbstanzeige korrigieren und z.B. vergessene Zinseinkünfte nachmelden.
331
(3) Problematisch ist nach dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010 insbesondere die Behandlung von in der Vergangenheit erstatteten Selbstanzeigen. Dem vom BGH angeführten Beispiel kommt gerade den Fällen der Selbstanzeige in Folge der geldlich erworbenen Bankdaten-CDs Bedeutung zu. Zahlreiche Steuersünder offenbarten im Kalenderjahr 2010 die bis dahin nicht versteuerten Kapitaleinkünfte auf dem Konto in der Schweiz, nachdem sie in den neunziger Jahren die nicht versteuerten Kapitaleinkünfte auf dem Konto in Luxemburg offenbart hatten. Die Selbstanzeigen aus den neunziger Jahren waren unter Anwendung der ursprünglichen Rechtsprechung wirksam.
332
1 Wulf, wistra 2010, 286, 290.
83
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
333
Mit dem Beschluss des BVerfG vom 15.1.20091 wird man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Auslegungsgrundsätze des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 nur auf die nach dem 28.5.2010 (Tag der Bekanntgabe des BGHBeschlusses vom 20.5.2010) erstatteten Selbstanzeigen anzuwenden sind. Das BVerfG hat in dem vorgenannten Beschluss dargelegt, dass die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nur dann unbedenklich ist, wenn sie sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Der BGH hat seine neuen Auslegungsgrundsätze jedoch in einem obiter dictum dargelegt. Von einer vorhersehbaren Entwicklung kann nicht gesprochen werden, denn die Auslegungsgrundsätze waren für den gegenständlichen Fall nicht relevant. Keiner musste mit den neuen Auslegungsgrundsätzen des BGH zur Teilselbstanzeige rechnen.
334
Nach dem 28.5.2010 erstattete Selbstanzeigen führen nur zur Straffreiheit, wenn diese nunmehr vollständig sind, d.h. die in der ursprünglichen Selbstanzeige angeführten Sachverhalte müssen in der nach dem 28.5.2010 erstatteten Selbstanzeige enthalten sein, soweit sie nicht strafrechtlich verjährt sind.
335
Umfasst die nach dem 28.5.2010 erstattete Selbstanzeige nicht die Angaben der älteren Selbstanzeige, wird die Ermittlungsbehörde das wegen der ursprünglichen Teilselbstanzeige nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Verfahren wieder aufnehmen, sofern noch keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.
336
Problematisch ist auch die Behandlung der zweiten, nach dem 28.5.2010 erstatteten Selbstanzeige, die die Angaben der ursprünglichen Selbstanzeige nicht enthält. Für den Fall, dass für die erste Teilselbstanzeige noch keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist, tritt in Folge der Tatentdeckung die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ein. Andernfalls wird man darauf abstellen müssen, dass die Selbstanzeigemöglichkeit nach Einstellung der ursprünglichen Teilselbstanzeige nach § 170 Abs. 2 StPO wieder auflebt.
337
Û
Hinweis: Die Kritik an der Entscheidung des BGH vom 20.5.2010 war groß. Selbst der Gesetzgeber hat in der Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz die Auslegung des BGH des Wortes „insoweit“ kritisiert.2 Nachdem der Bundestag am 17.3.2011 das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz verabschiedet hat, ist auf Grund von Art. 97 § 24 EGAO eine Auseinandersetzung mit diesem Urteil in Bezug auf die Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen nur für Ermittlungsverfahren in Folge von Selbstanzeigen erforderlich, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes von den Ermittlungsbehörden abgeschlossen wurden. Art. 97 § 24 EGAO stellt klar, dass auf die bis zum
1 2 BvR 2044/07, NJW 2009, 1469. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 67.2, 67.3.
84
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
28.4.2011 eingereichten Selbstanzeigen der Beschluss des BGH vom 20.5.2010 nicht anzuwenden ist. cc) Rechtslage nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Mit dem Ankauf von Datenträgern aus dem Ausland im Kalenderjahr 2010 war eine Flutwelle von Selbstanzeigen nach § 371 AO festzustellen. Die Selbstanzeige ist in der Folge bei Vertretern politischer Parteien in die Kritik geraten. Manche wollten die strafbefreiende Selbstanzeige ganz abschaffen1, andere zumindest die Hürden erhöhen.2 Der BGH hat mit seinem obiter dictum im Beschluss vom 20.5.2010 die Eingrenzungsüberlegungen des Gesetzgebers gestärkt.
338
Vor diesem Hintergrund war zunächst im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 vom Bundesrat (BR-Drucks. 318/1/10) ein ganzes Bündel von Einschränkungen des § 371 AO vorgeschlagen worden.3 Um einer übereilten Entscheidung vorzubeugen, hat man das Jahressteuergesetz 2010 ohne die Änderungsüberlegungen zu den §§ 371, 378 AO verabschiedet. Nunmehr hat der Bundestag am 17.3.2011 den Entwurf der Bundesregierung zur Reformierung der Selbstanzeige, welchen das Bundeskabinett am 8.12.2010 als Gesetz zur besseren Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung beschlossen hatte, mit den Maßgaben in BT-Drucks. 17/5067 verabschiedet. Das Gesetz wurde am 28.4.2011 ausgefertigt.4 Es ist am 3.5.2011 in Kraft getreten.
339
(1) Überblick über die Änderungen der Selbstanzeige Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz führt neben einer Erweiterung des Vortatenkatalogs des Straftatbestandes der Geldwäsche in § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4b StGB zu den nachfolgend angeführten Einschränkungen bei der Selbstanzeige.
340
So tritt künftig Straffreiheit durch Selbstanzeige nur noch dann ein, wenn mit der Selbstanzeige die Besteuerungsgrundlagen aller unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang, d.h. vollständig und zutreffend, nacherklärt werden. Damit werden Steuerhinterzieher, die sich bisher nur „scheibchenweise“ je nach Stand der Ermittlungen besonnen haben, künftig nicht mehr mit Straffreiheit belohnt. Die Teilselbst-
341
1 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung der SPD Fraktion vom 20.4.2010, BT-Drucks.17/1411; Günther, AO-StB 2010, 227. 2 Koalitionsantrag von CDU/CSU und FDP v. 19.5.2010 zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, BT-Drucks.17/1755; RegE eines Jahressteuergesetzes 2010, BR-Drucks. 318/10; zu den verschiedenen Änderungen vgl. wistra 2010 Heft 7, S. VI ff. 3 Vgl. Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung. 4 BGBl. 2011 I 676.
85
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
anzeige führt mithin nicht länger zur Strafbefreiung in dem erklärten Umfang. Ohne Not und ohne eigentliche Begründung1 geht der Gesetzgeber mit der Neufassung von § 371 Abs. 1 AO über die Auslegungsgrundsätze des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 hinaus. 342
Außerdem wurde in § 371 Abs. 2 AO der Zeitpunkt vorverlegt, ab dem eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist. Künftig tritt Straffreiheit nur dann ein, wenn die Selbstanzeige vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erfolgt. Das Erscheinen des Prüfers führt in den Fällen der betriebsnahen Veranlagung und der Umsatzsteuer-Nachschau zum Ausschluss der Selbstanzeige.
343
Nach § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ist die Straffreiheit ausgeschlossen, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50 000 Euro je Tat übersteigt. In den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat gem. § 398a AO abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und einen Geldbetrag in Höhe von 5 Prozent der hinterzogenen Steuern zu Gunsten der Staatskasse zahlt.
344
Nach § 371 Abs. 3 AO führt die Nachzahlung nicht mehr zur Straffreiheit, „soweit“ der Steuerpflichtige die Zahlung entrichtet; vielmehr muss der Steuerpflichtige „die aus der Tat“ hinterzogenen Steuern nachzahlen.
345
Die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO bleibt trotz des Entwurfs zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in BT-Drucks. 17/4182 unverändert.
346
Nach Art. 97 § 24 EGAO soll die bisherige Rechtslage für Selbstanzeigen, die bis zum 28.4.2011 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind, fortgelten, d.h. die geänderte Rechtsprechung des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 in Bezug auf Teilselbstanzeigen ist nicht anzuwenden. (2) Begründung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (a) Problem und Ziel
347
Die Begründung des Gesetzes2 erschöpft sich in der Feststellung, dass Deutschland als Gründungsmitglied der Financial Action Task Force On Money Laundering (FATF) seit ihrer Bildung 1989 aktiv an der Erarbeitung und Weiterentwicklung der international anerkannten Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (der sogenannten 40+9-FATF-Empfehlungen) beteiligt ist und sich stets zur nationalen Umsetzung der FATF-Empfehlungen bekannt hat. Allein aus diesem Grund ist die „rasche Beseitigung“ der von der FATF im Deutschland-Be1 Mack, Stbg 2011, 164. 2 BT-Drucks. 17/4182, S. 4.
86
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
richt vom 18.2.2010 festgestellten „Defizite im deutschen Rechtssystem bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“, die auch den Vortatenkatalog des Straftatbestandes der Geldwäsche betreffen, notwendig, „um den Wirtschaftsstandort Deutschland wirksamer vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu schützen“. In der Begründung zum Gesetz wird weiterhin angeführt, dass im Jahr 348 2010 im Steuerstrafrecht eine Flut von Selbstanzeigen festzustellen war. Diese beruhte zu einem erheblichen Teil auf dem Ermittlungsdruck, der durch den Ankauf von Datenträgern aus dem Ausland entstanden ist, die Daten enthalten, mit denen Steuerdelikte zum Nachteil des deutschen Fiskus nachgewiesen werden konnten. Dabei fiel auf, dass sich die Anzeigen häufig ausschließlich auf das durch Medienveröffentlichungen bekannt gewordene Herkunftsland der Datenträger sowie die dort genannten Geldinstitute beschränkten. Es schien daher naheliegend, dass die Selbstanzeige von Steuerhinterziehern im Rahmen einer „Hinterziehungsstrategie“ missbraucht wurde und in diesen Fällen gerade nicht dazu diente, alle Steuerhinterziehungen anzuzeigen. Die Neuregelung der Selbstanzeige soll dazu dienen, dass in Zukunft Steuerhinterzieher, die ihre Selbstanzeige nur insoweit erstatten, wie sie eine Aufdeckung fürchten, nicht mehr mit Strafbefreiung belohnt werden. Das Rechtsinstitut selbst hat sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt, um eine bislang verborgene Steuerquelle im Interesse des Fiskus und damit im Interesse der Öffentlichkeit zu erschließen. Ohne die Selbstanzeige bleiben steuerlich relevante Informationen, die gezielt und bewusst mit krimineller Energie oft über Jahrzehnte dem Fiskus verheimlicht worden sind, möglicherweise auch künftig verborgen. Eine Aufklärung ist ohne Mithilfe der Beteiligten nicht möglich – erst recht nicht, wenn es sich um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Ohne die Offenbarung der Täter hätten die Steuerbeamten auch keine Ermittlungsansätze gegenüber Helfern und Mittätern. Die Täter blieben unerkannt, d.h. sie blieben straffrei und behielten das hinterzogene Vermögen.
349
Gleichwohl darf der Staat seinen Verzicht auf den Strafanspruch nicht an zu weit gefasste Voraussetzungen knüpfen. Daher darf bloßes Taktieren und „Reue“ nach Stand der Ermittlungen nicht belohnt werden.
350
(b) Lösung Der Gesetzgeber hat selbst festgestellt, dass sich das Rechtsinstitut Selbstanzeige in der Vergangenheit grundsätzlich als erfolgreiches Instrument zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung bewährt hat. Eine vollständige Abschaffung der Selbstanzeige nähme Ermittlungsmöglichkeiten und verringere das Steueraufkommen. Daher bleibe die „Brücke in die Steuerehrlichkeit“ für diejenigen bestehen, die ihren Steuerpflichten künftig wieder voll nachkommen wollen. Die Neuregelung der Selbst87
351
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
anzeige soll dazu dienen, für die Zukunft das planvolle Vorgehen von Steuerhinterziehern nicht mehr mit Strafbefreiung zu belohnen. Mit dem Gesetz soll zum einen der Missbrauch des Instituts der strafbefreienden Selbstanzeige als Instrument einer Steuerhinterziehungsstrategie ausgeschlossen und zum anderen der Wirtschaftsstandort Deutschland wirksamer vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung geschützt werden. (c) Kritik 352
Auch wenn es nach der Selbstanzeigewelle im Jahr 2010 der allgemeinen Stimmung bei politischen Vertretern entsprechen mag, die gesetzliche Regelung der strafbefreienden Selbstanzeige einzuschränken, so ist die Einschränkung und erst recht die Abschaffung weder praktisch, noch juristisch geboten.
353
Die strafbefreiende Selbstanzeige hat in ihrer bisherigen gesetzlichen Regelung dazu geführt, dass von ihr sowohl nach dem Ankauf von Bankdaten der LGT-Bank als auch der Credit Suisse umfassend und zahlreich Gebrauch gemacht wurde. Nicht die Fälle in Folge der angekauften Bankdaten-CDs, sondern die zahlreichen Selbstanzeigen, die in Folge der angekauften Bankdaten-CDs erstattet wurden, haben dem Staatshaushalt viel Geld eingespielt.
354
Eine Abschaffung der Selbstanzeige, aber auch die Einschränkungen der Selbstanzeige führen vor dem Hintergrund aktueller Amnestieüberlegungen für Konten in der Schweiz zu Wertungswidersprüchen1, hängen die steuerlichen und die strafrechtlichen Folgen davon ab, wo Konten geführt werden bzw. wurden. Die Glaubwürdigkeit sowohl des politischen Systems als auch der Rechtsordnung nimmt Schaden, wenn Steuerpflichtige, die ihre Konten nicht in einem weiterhin amnestierten Land, wie es mit der Schweiz beabsichtigt ist, geführt haben, im Inland mit zusätzlichen Erschwernissen bei der Selbstanzeige konfrontiert werden. (3) Abschaffung der Teilselbstanzeige
355
Um sicherzustellen, dass die Teilselbstanzeige für die Zukunft nicht zur Strafbefreiung führt, hat der Gesetzgeber Absatz 1 von § 371 AO geändert. (a) Änderung von Absatz 1 des § 371 AO (aa) Unwirksamkeit der Teilselbstanzeige
356
Die maßgebliche Änderung in Absatz 1 liegt in der Formulierung „zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang“ und in der Streichung des Wortes „insoweit“.
1 So auch Mack, Stbg 2011, 164; vgl. Rz. 83 ff.
88
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige Wortlaut des Gesetzes in der Fassung Wortlaut des Gesetzes in der Fassung bis zum 2.5.2011 ab dem 3.5.2011 Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei.
Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.
Zur Begründung des Gesetzes führt der Bundestag aus, dass die Regelungen zur Selbstanzeige den aktuellen Bedürfnissen angepasst und zielgenauer ausgestaltet werden. Die Neufassung des Absatzes 1 von § 371 AO verdeutlicht, dass bei einer Selbstanzeige nur dann Straffreiheit eintritt, wenn die Besteuerungsgrundlagen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart nunmehr zutreffend nacherklärt werden. Das bedeutet, aus sämtlichen strafrechtlich bisher noch nicht verjährten Besteuerungszeiträumen müssen die unterlassenen oder unvollständigen Angaben einer Steuerart vollständig nachgeholt beziehungsweise sämtliche Unrichtigkeiten einer Steuerart vollumfänglich berichtigt werden.1 Anknüpfungspunkt ist die einzelne hinterzogene Steuer, welche durch Steuerart und Besteuerungszeitraum bestimmt wird, so dass alle strafrechtlich unverjährten Steuerhinterziehungen bezogen auf eine Steuerart betroffen sind. Eine Teilselbstanzeige führt nach dem Willen des Gesetzgebers nicht länger zur Straffreiheit.
357
Û
Hinweis: Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz erstreckt der Gesetzgeber die Pflicht zur Selbstanzeige in zeitlicher Hinsicht auf alle unverjährten Steuerstraftaten. Zugleich beschränkt er die Pflicht zur vollständigen Selbstanzeige auf eine Steuerart.
358
Û
Hinweis: Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz gewinnt die Be- 359 stimmung der Strafverfolgungsverjährung besondere Bedeutung. Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO tritt nach Ablauf von fünf Jahren Strafverfolgungsverjährung ein, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Für die in § 370 Abs. 3 AO angeführten Fälle der Steuerhinterziehung tritt die Strafverfolgungsverjährung in Folge des Jahressteuergesetzes 2009 nach Ablauf von zehn Jahren ein. Bei der Bestimmung des Zeitraums ist für den Beginn der strafrechtlichen Verjährungsfrist auf § 78a StGB abzustellen.
Beispiel: Der Steuerpflichtige S erstattet eine Selbstanzeige für Einkommensteuer 2009. Mit dieser Selbstanzeige blockiert sich S eine weitere Selbstanzeige für die gesamte strafrechtlich unverjährte Einkommensteuer. Stellt die Ermittlungsbehörde im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige von S eine weitere Ein1 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281, 284.
89
360
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO kommensteuerhinterziehung für das Jahr 2007 fest, so führt die Selbstanzeige für die Einkommensteuer 2009 als Teilselbstanzeige nicht zur Straffreiheit.
361
Nach der angeführten bisherigen Auffassung der Rechtsprechung und Literatur führte die teilweise Berichtigung von Besteuerungsgrundlagen nur in dem mitgeteilten Umfang zur Straffreiheit. Begründet wurde die Wirksamkeit der Teilselbstanzeige mit dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO, demnach ein Täter Selbstanzeige „insoweit“ erstatten kann, als er seine Angaben zu berichtigen vermag. Die Neufassung des Absatzes 1 von § 371 AO vermeidet die Formulierung „insoweit“, so dass die bisherige Argumentation zur Begründung der Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen entfällt. Außerdem hat der Gesetzgeber zusätzlich in Absatz 1 von § 371 AO die Formulierung „zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang“ eingefügt. Mithin muss auch nicht auf die widersprechende Auslegung des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 zurückgegriffen werden. (bb) Kritik/Anmerkungen
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Hauptziel des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes ist neben der Verschärfung der Sperrgründe in Absatz 2 von § 371 AO, die insb. im Kalenderjahr 2010 vorgekommene gestückelte, mehrfache Selbstanzeige zu unterbinden und nicht mehr mit Strafbefreiung zu belohnen.
363
(aaa) Mit der Abschaffung der Wirksamkeit der Teilselbstanzeige hebt der Gesetzgeber den umstrittenen Beschluss des BGH vom 20.5.2010 auf, welcher in Gestalt eines obiter dicta die Teilselbstanzeige für unwirksam erklärt hat.
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Der BGH hat die Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen in seinem Beschluss vom 20.5.2010 u.a. damit begründet, dass der fiskalische Zweck, noch unbekannte Steuerquellen zu erschließen, angesichts der heute bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit zunehmend an Bedeutung verloren hat, mithin der weitere Zweck, Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, zusätzliches Gewicht erlange. Dieser Ansatz muss in Zweifel gezogen werden. Die Finanzverwaltung ist sehr wohl weiterhin auf die Mithilfe der Steuerpflichtigen selbst angewiesen, insb. bei Auslandssachverhalten. Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber der Finanzverwaltung Ermittlungsmöglichkeiten an die Hand gegeben hat, Besteuerungsgrundlagen auch im Ausland und bei ausländischen Banken selbst zu ermitteln. Angesichts fortbestehender Engpässe bei den Personal- und Finanzressourcen stehen der Finanzverwaltung keineswegs Ermittlungsmöglichkeiten in die ganze Welt offen. Der Gesetzgeber sieht dies ebenfalls, hat er in der Begründung zum Gesetz1 wie folgt ausgeführt: „Eine vollständige Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige nähme den Finanzbehörden daher im Ergebnis Ermittlungsmöglichkeiten und verringerte das Steueraufkommen.“ Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Finanzverwaltung auf die 1 BT-Drucks. 17/4182, S. 4.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
„Mithilfe“ der Steuerpflichtigen in Form der Selbstanzeige angewiesen ist. Es gibt daher insoweit keinen vernünftigen Grund, die Teilselbstanzeige künftig auszuschließen.1 Das Bild, welches sowohl der BGH im Beschluss vom 20.5.2010 als auch der Bundestag in der Gesetzesbegründung vom Steuersünder zeichnen, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.2 Es wird der Eindruck erweckt, es gäbe ein Heer von Steuerpflichtigen mit weitverzweigten verschiedenen Kontoverbindungen und dem strikten Willen, diese Kontoverbindungen allenfalls häppchenweise – je nach Druck – bekannt zu geben. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Steuerpflichtige mit mehreren Konten bei verschiedenen Banken sind selten. Außerdem legt das Gros derjenigen, die sich zur Selbstanzeige entschieden haben, von sich aus Wert auf Vollständigkeit, um definitiv mit der Vergangenheit abschließen zu können.3
365
Die BRAK geht in der Stellungnahme vom November 2010 so weit, dass eine allenfalls minimale Zahl von „Taktierern“ die Einschnitte nicht rechtfertigt, die die Nichtanerkennung der Teilselbstanzeige mit sich bringen würde. So wäre nach dem Wortlaut des Gesetzes künftig eine Selbstanzeige über Kapitalerträge in Millionenhöhe bereits dann als unwirksame Teilselbstanzeige zu qualifizieren, wenn etwa Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – auch in geringstem Umfang – nicht nacherklärt worden wären.
366
(bbb) Der Gesetzgeber verschärft die Rechtslage jedoch über die strengen Vorgaben des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 hinaus.4 Die erhebliche Ausweitung des Vollständigkeitsgebots, wonach eine Selbstanzeige nur noch dann strafbefreiende Wirkung hat, wenn der Täter sämtliche noch verfolgbaren Steuerstraftaten einer Steuerart vollständig offenbart, geht über die Vorstellungen des BGH hinaus. Der Beschluss des BGH vom 20.5.2010 ist in diesem Punkt so zu verstehen, dass sich das Vollständigkeitsgebot nur auf die unrichtige Steuererklärung des betreffenden Jahres (d.h. die steuerstrafrechtlich relevante Tat) bezieht und nicht auf andere Steuerarten ausstrahlt. Sowohl der BGH in seinem Beschluss vom 20.5.2010 als auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 20105 sind sich einig, dass die Vollständigkeit der Selbstanzeige sich stets nur auf die einzelne Tat (im materiellen Sinne)6 beziehen muss. Die Tat, so die Beschlussempfehlung des Bundesrats, werde „bei der Steuerhinterziehung durch die Steuerart und den Besteuerungszeitraum defi-
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1 So auch die Stellungnahme der BRAK vom November 2010, BRAK-Stellungnahme-Nr. 13/2010. 2 Mack, Stbg 2011, 164. 3 So die Stellungnahme der BRAK vom November 2010, BRAK-StellungnahmeNr. 13/2010. 4 Hunsmann, NJW 2011, 1483; Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281, 282. 5 BR-Drucks. 318/10, S. 78. 6 Hunsmann, NJW 2011, 1483.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
niert“. Von diesem Ansatz wurde abgewichen. Künftig muss die Selbstanzeige „umfassend alle Hinterziehungssachverhalte, die strafrechtlich noch nicht verjährt sind, enthalten. … Strafbefreiung soll nur derjenige erwarten dürfen, der alle noch verfolgbaren Steuerhinterziehungen der Vergangenheit vollständig offenbart“. Damit geht das Gesetz ohne konkreten Anlass und auch ohne dies ausdrücklich zu begründen1, weit über das hinaus, was der BGH in seinem Beschluss vom 20.5.2010 gefordert hat. 368
Insbesondere für Unternehmen führt ein in dieser Weise verstandenes Vollständigkeitsgebot des Gesetzgebers dazu, dass strafbefreiende Selbstanzeigen mit kaum zu beherrschenden Risiken verbunden sind. Angesichts der strafrechtlichen Verfolgungsfrist von fünf Jahren, die sich in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängert, würde durch diese Vorgabe der notwendige Umfang einer Selbstanzeige erheblich zunehmen. Aufgrund der Komplexität der betrieblichen Steuern und des Erfordernisses, sämtliche steuerliche Fehler umfassend und „auf einen Schlag“ zu korrigieren, werden Selbstanzeigen im betrieblichen Bereich zukünftig risikobehaftet sein. Kleinste Fehler oder die Nichtberücksichtigung einer Steuerart können nach dem Allesoder-Nichts-Prinzip zu einem völligen Fehlschlagen der Selbstanzeige und damit zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Anzeigenden führen. Abstellen wird man darauf müssen, ob der Unternehmer bei der Selbstanzeige dolos oder nicht dolos unvollständige Angaben gemacht hat.
369
Unklar ist noch, wie in der Zukunft die Fälle behandelt werden, in denen die Angaben des nachzuzahlenden Steuerbetrages insb. in gestuften Selbstanzeigen nur geringfügig hinter der tatsächlich hinterzogenen Steuer zurückbleiben.2 Als geringfügig wurden Abweichungen von bis zu 10 %3 oder auch 6 %4 betrachtet. Bei praxisnaher Betrachtung wird man davon ausgehen müssen, dass solche Abweichungen auf einem Versehen beruhen, also ohne Vorsatz zu niedrig angegeben wurden. Unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten führen nach der Gesetzesbegründung nicht zum Ausschluss der Straffreiheit. Der Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe hat in der Sitzung am 17.3.2011 zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ausgeführt5 „Dabei – das sei hinzugefügt – bedeutet „in vollem Umfang“ natürlich nicht, dass auf Euro und Cent alles angegeben werden muss. Bagatellabweichungen sind nach wie vor möglich“.
370
Der BGH führt im Beschluss vom 25.7.20116 aus, dass eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als 5 % vom Verkürzungsbetrag i.S.d. 1 Mack, Stbg 2011, 164. 2 Hunsmann, NJW 2011, 1483; Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281, 284. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 68; Stahl, KÖSDI 1986, 6485, 6486. 4 OLG Köln, Urt. v. 28.8.1980 – 1 Ss 574/79, Stbg 1981, 197; OLG FFM, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974. 5 Kolbe, Plenarprotokoll der 96. Sitzung der 17. Wahlperiode, S. 10953. 6 1 StR 631/10, wistra 2011, 428, 429.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
§ 370 Abs. 4 AO nicht mehr geringfügig ist. Soweit der BGH in diesem Zusammenhang auf § 370 Abs. 4 AO verweist, kommt zum Ausdruck, dass nicht auf die Höhe der Abweichung bei den Besteuerungsgrundlagen abgestellt werden muss, sondern auf die Abweichung bei der festgesetzten Steuer. Weiterhin ist nach der Entscheidung des BGH „eine Bewertung vorzunehmen, ob die inhaltlichen Abweichungen vom gesetzlich vorausgesetzten Inhalt einer vollständigen Selbstanzeige noch als ‚geringfügig‘ einzustufen sind“. Dabei sind zu berücksichtigen die relativen Größen der Abweichungen im Hinblick auf den Verkürzungsumfang sowie die Umstände, die zu den Abweichungen geführt haben. Bei der Würdigung ist insb. einzubeziehen, ob die Abweichungen bewusst erfolgten oder ob z.B. bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in der Selbstanzeige trotz der vorhandenen Abweichungen noch die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit gesehen werden kann. (ccc) Die Teilselbstanzeige führt nur in dem Fall der vorsätzlichen Teilberichtigung zur Unwirksamkeit. Hat der Steuerpflichtige die Selbstanzeige nur versehentlich falsch erstattet, wird der Steuerpflichtige nur dann nicht straffrei, wenn er die Unrichtigkeit der Nacherklärung „kennen musste“, also grob fahrlässig oder leichtfertig gehandelt hat.
371
(ddd) Hervorzuheben ist, dass der Bundestag in der Begründung des Gesetzes ausführt, dass sich die Selbstanzeige nur auf die strafrechtlich noch nicht verjährten Besteuerungszeiträume beziehen muss. Das wurde in der Literatur auch immer so verstanden.
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(b) Ursprünglich geplante Änderung von Absatz 2 des § 371 AO Der Bundestag hatte im Referentenentwurf des Bundekabinetts vom 8.12.2010 vorgesehen, in Bezug auf den Ausschluss der Teilselbstanzeige § 371 Absatz 2 um eine weitere Nummer zu ergänzen. Straffreiheit sollte nach diesem Entwurf des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO – ergänzend zur Ausweitung des Vollständigkeitsgebots – dann nicht gewährt werden, wenn von den bisher verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt werden und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, z.B. weil nur genau deren Aufdeckung unmittelbar befürchtet wird. Nachdem der Gesetzgeber in BT-Drucks. 17/5067 den Absatz 1 von § 371 AO um die Formulierung „zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang“ ergänzt hat, konnte er auf die geplante Einfügung von Nr. 3 in § 371 Abs. 2 AO in Bezug auf die Teilselbstanzeige verzichten.
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(c) Art. 97 § 24 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung Zu begrüßen ist die Berücksichtigung angemessenen Vertrauensschutzes über Art. 97 § 24 EGAO. Danach führen Teilselbstanzeigen, die bis zum 28.4.2011 eingereicht wurden, in dem erklärten Umfang zur Straffreiheit. In der Anwendungsregelung wird klargestellt, dass bis zum Inkrafttreten 93
374
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
der Neuregelung die Rechtslage zur Teil-Selbstanzeige vor Ergehen des BGH-Beschlusses vom 20.5.2010 weiter anzuwenden ist. Damit wurde die strenge Interpretation des BGH im Beschluss vom 20.5.2010, wonach bereits nach geltendem Recht eine (unvollständige) Teil-Selbstanzeige insgesamt keine strafbefreiende Wirkung entfalten soll, durch eine gesetzliche Regelung für nicht anwendbar erklärt. In der Begründung1 führt der Bundestag wie folgt wörtlich aus: 375
„Die Anwendungs- und Übergangsregelung in dem vorgeschlagenen neuen Artikel 97 § 24 im Einführungsgesetz zur Abgabenordnung berücksichtigt das Vertrauen der Steuerpflichtigen, die bereits eine Teilselbstanzeige erstattet haben, in die bisherige Auslegung des Wortlauts des § 371 Absatz 1 AO a.F. („insoweit“). Insbesondere nach bis zum 20. Mai 2010 ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung – anders dann BGH, Beschluss 1 StR 577/09 vom 20. Mai 2010 – kam es für die Wirksamkeit der Selbstanzeige und die Gewährung von Straffreiheit ausschließlich auf den objektiven Umfang der nacherklärten Beträge an. Die vollständige Offenbarung aller bisher verschwiegenen Sachverhalte war nicht erforderlich. Ebenso war die Motivationslage des Steuerpflichtigen bei der Abgabe einer Selbstanzeige unerheblich. Auch derjenige, der taktierend nur die Besteuerungsgrundlagen offenbarte, deren Entdeckung er befürchtete, wurde in dem Umfang straffrei, wie der Inhalt seiner Erklärung reichte. Strafbar blieben lediglich die nicht offenbarten Tatbestände. Diese am fiskalpolitischen Zweck der Selbstanzeige ausgerichtete und allgemein in der Praxis anerkannte Verfahrensweise ging bereits auf die entsprechenden Vorschriften der Reichsabgabenordnung zurück und war ganz herrschende Ansicht in der Literatur. Damit bestand für die Steuerpflichtigen von Anfang an Rechts- und Planungssicherheit bei dem Verzicht auf das Recht, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen und an deren Aufklärung mitwirken zu müssen. Auf diese unstreitige Rechtslage durften sich die Steuerpflichtigen bei ihren Teilselbstanzeigen verlassen. Das so begründete Vertrauen in die Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Sanktionierung, insbesondere das Inaussichtstellen der Straffreiheit, ist nach dem Prinzip der Rechtssicherheit und der Verfahrensfairness schützenswert. Für bereits erstattete Selbstanzeigen, die tatsächlich (nur) Teilselbstanzeigen waren, bleibt daher der bei Abgabe der Selbstanzeige bestehende Status der Straffreiheit insoweit erhalten. Die nach dem Tag der Verkündung des vorliegenden Gesetzes erstattete (weitere) Selbstanzeige wird als erstmalige Selbstanzeige gewertet. Straffreiheit tritt ein, wenn zu diesem Zeitpunkt alle bis dahin noch nicht offenbarten steuerlich erheblichen Sachverhalte der unverjährten Vergangenheit in vollem Umfang erklärt, berichtigt oder ergänzt werden.“
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Die Fassung des § 371 AO nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz gilt für Selbstanzeigen, die ab dem 3.5.2011 erstattet wurden. Dabei wird nach der Mitteilung der OFD Niedersachsen vom 9.6.20112 eine ab dem 3.5.2011 erstattete weitere Selbstanzeige als erstmalige Selbstanzeige gewertet.
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Auf Selbstanzeigen, die im Zeitraum 29.4.2011 bis 2.5.2011 erstattet wurden, ist die ursprüngliche Fassung von § 371 AO unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung vom 20.5.2010 anwendbar.3 1 BT-Drucks. 17/4182, S. 5. 2 S 0702 – 30 – St 131. 3 Schreiben der OFD Niedersachsen v. 9.6.2011 – S 0702 – 30 – St 131; Schreiben des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen v. 5.5.2011 – S 0702 – 8 – V A 1; kritische Anm. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 676.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
(4) Wiederholung einer Selbstanzeige Nachdem der Gesetzgeber in § 371 Abs. 1 AO die Wirksamkeit einer Teilselbstanzeige ausgeschlossen hat, muss die Frage erörtert werden, ob ein Steuerpflichtiger, der eine Teilselbstanzeige abgegeben hat, bezüglich der Taten desselben Veranlagungszeitraums und derselben Steuerart eine wirksame zweite Selbstanzeige abgeben kann.
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Beispiel: Der Steuerpflichtige S verfügt sowohl über ein Konto in der Schweiz als auch über ein Konto in Luxemburg. Die ausländischen Kapitaleinkünfte hat S nicht in Deutschland versteuert.
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S erstattet am 5.5.2011 eine Selbstanzeige und versteuert die Kapitaleinkünfte der Bank in der Schweiz nach. Das zum Zwecke der Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde noch am 15.8.2011 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Am 1.9.2011 erklärt S im Rahmen einer zweiten Selbstanzeige unter Angabe der Kapitaleinkünfte bei der Bank in der Schweiz auch die Kapitaleinkünfte bei der Bank in Luxemburg nach.
Die Behandlung des Problemfalls ist umstritten. Die Problemlösung ist in der Diskussion um den Tatbegriff zu suchen.
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Das FM NRW kommt in seinem Schreiben vom 25.6.20101 zu dem Ergebnis, dass beide Selbstanzeigen unwirksam seien. Eine Begründung führt das FM nicht an.
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Mit Salditt2, welcher das Problem im Zusammenhang mit dem Beschluss des BGH am 20.5.2010 erörtert hat, tritt durch die zweite vervollständigende Selbstanzeige eine Heilung der ursprünglich unvollständigen ersten Selbstanzeige ein. Indem der Steuerpflichtige die erste unvollständige Selbstanzeige freiwillig vervollständigt, liegt eine insgesamt wirksame Selbstanzeige vor.
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Auch Schwartz3 kommt über die Auslegung des Tatbegriffes zu einer insgesamt wirksamen Selbstanzeige.
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Zu dem Problemkreis wird man Folgendes zu überlegen haben: Selbst wenn das Ermittlungsverfahren zwecks Prüfung der ersten Teilselbstanzeige nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird, weil man keine weiteren Unrichtigkeiten ermitteln konnte, steht § 170 Abs. 2 StPO einer erneuten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Bezug auf den in der ersten Selbstanzeige offenbarten Sachverhalt nicht entgegen, sofern nicht zwischenzeitlich Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verjährung wird nach § 369 Abs. 2 AO i.V.m. § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB unterbrochen. Nach § 78c Abs. 3 S. 1 StGB beginnt die Verjährung nach jeder Unterbrechung von Neuem und beträgt in den Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO wiederum 5 Jahre. Die zweite Selbstanzeige führt
384
1 S 0702 – 8 V A 1. 2 2 PStR 2010, 168. 3 PStR 2011, 150.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
zur Aufdeckung der Unvollständigkeit der Teilselbstanzeige. Mit der zweiten Selbstanzeige verliert die erste Teilselbstanzeige ihre strafbefreiende Wirkung. Der Vervollständigung der Teilselbstanzeige durch die zweite Selbstanzeige steht der Ausschlusstatbestand der Tatentdeckung entgegen, da in Folge der Teilselbstanzeige die Tat entdeckt ist. 385
Der Wirksamkeit der zweiten Selbstanzeige könnte der Ausschlussgrund der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entgegenstehen. Mit dem weiten Verständnis des BGH vom Tatbegriff nach Besteuerungszeitraum, Steuerart und Steuerpflichtigen wird man eine solche Tatentdeckung annehmen müssen, so dass beide Selbstanzeigen nicht zur Strafbefreiung führen. Stellt man bei den Bankkontenfällen mit Schwartz1 darauf ab, dass mehrere Bankkonten jeweils einen eigenständigen Lebenssachverhalt darstellen, führt die Offenlegung der Einkünfte aus einem Konto nicht zur Entdeckung der Einkünfte aus dem anderen Konto, so dass mit einer zweiten Selbstanzeige Straffreiheit erlangt werden kann. dd) Dolose Teilberichtigung
386
Berichtigt der Steuerpflichtige einen Teil seiner Angaben nur deshalb, um dadurch seine wahren Verfehlungen zu verdecken, ließ dies nach herrschender Meinung die Wirksamkeit der Selbstanzeige bezüglich der erklärten Beträge unberührt.2
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Die frühere Rechtsprechung3, derzufolge die Angaben wahrheitsgemäß sein müssen und erneute unrichtige Angaben in Täuschungs- und Verschleierungsabsicht keine wirksame Berichtigung darstellen, beruhte auf dem Wortlaut des § 395 Abs. 1 RAO und war angesichts des § 371 Abs. 1 AO überholt.
388
Soweit Rüffelmacher4 in diesem Fall die Wirksamkeit der Selbstanzeige ablehnte, da es an einem tatsächlichen Wiedergutmachungswillen fehle, war diese Ansicht abzulehnen, da es auf die Motive der Berichtigung nicht ankam und ein besonderer Berichtigungswille nicht erforderlich war.5
389
Auch die Ansichten Firnhabers6 sowie Koops und Sensburgs7 wurden dem Inhalt des § 371 AO nicht gerecht. Soweit Firnhaber die Wirksam-
1 PStR 2011, 150. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 64a. 3 RG, Urt. v. 11.5.1922 – III 142/22, RGSt. 56, 341; BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 375; BGH, Urt. v. 14.12.1976 – 1 StR 196/76, DB 1977, 1347. 4 Die strafbefreiende Wiedergutmachung im Steuerrecht, Würzburg 1957, S. 87. 5 Vgl. Rz. 395 sowie OLG Celle, Urt. v. 5.11.1970, DB 1971, 706, 707; LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 73. 6 Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, Köln 1962 S. 83 f. 7 DB 1999, 2183, 2185.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
keit im Falle der dolosen Teilberichtigung mit dem Hinweis auf die steuerpolitische Zielsetzung des § 371 AO ablehnte, verkannte er, dass es für die Selbstanzeige allein auf „die Tatsache der Offenlegung“ ankam1, die sowohl für die vollständige Berichtigungserklärung als auch für Teilberichtigungserklärungen Gültigkeit hatte. Auch eine aus dolosen Motiven erstattete Selbstanzeige trug dazu bei, der Finanzbehörde neue Steuerquellen zu erschließen. Die Bedenken Koops und Sensburgs in den Fällen, in denen die Tat be- 390 reits objektiv entdeckt war, der Täter hiervon jedoch nichts wusste, aber die Aufdeckung fürchtete, fanden im Gesetz keine Entsprechung. Das Argument von Joecks2, dass den „dolosen Plänen“ des Täters bei der Strafzumessung für den Teil Rechnung getragen werden kann, der von dem Täter bewusst nicht erklärt wurde, überzeugte dagegen.
391
Nachdem der Bundestag am 17.3.2011 zur Wirksamkeit einer Selbstanzeige beschlossen hat, dass eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit nur gegeben ist, wenn der Täter in der Selbstanzeige vollständige und richtige Angaben macht und eine Teilselbstanzeige nicht länger ausreicht, führt auch die dolose Teilberichtigung nicht länger zur Strafbefreiung.
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Damit gewinnt die Argumentation von Joecks3, dass den „dolosen Plänen“ des Täters bei der Strafzumessung für den Teil Rechnung getragen werden kann, der von dem Täter bewusst nicht erklärt wurde, wieder an Bedeutung.
393
ee) Erneute Unrichtigkeiten in der Selbstanzeige Nach dem Urteil des BGH vom 14.12.19764 entfällt die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige, wenn die Berichtigungserklärung erhebliche Lücken oder Unrichtigkeiten aufweist. Mit dem Ausschluss der Teilselbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und dem Beschluss des BGH vom 20.5.20105 wird diese Rechtsprechung bestätigt.
394
c) Einzelfragen zum Inhalt einer Selbstanzeige aa) Motive des Steuerpflichtigen Bei der Abgabe einer Selbstanzeige ist die Angabe eines Motivs nicht erforderlich.6 § 371 AO verlangt von dem Steuerpflichtigen bei der Abgabe
1 2 3 4 5 6
RG, Urt. v. 9.11.1936 – 3 D 619/36, RGSt. 70, 350, 352. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 64a. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 64a. 1 StR 196/76, DB 1977, 1347. 1 StR 577/09. OLG Celle, Urt. v. 5.11.1970 – 1 Ss 152/70, DB 1971, 707; LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 73.
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395
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
der Selbstanzeige kein Geständnis. Der Steuerpflichtige muss auch nicht erklären, dass er freiwillig handelt oder die Tat bereut.1 Auch das Bestreiten der Strafbarkeit des Verhaltens ist unschädlich.2 bb) Anzeige der Quelle der verschwiegenen Einkünfte 396
Der Steuerpflichtige muss ausschließlich die Besteuerungsgrundlagen dem Finanzamt mitteilen.
397
Û
Hinweis: Nicht erforderlich ist es, dass der Steuerpflichtige die Quelle der verschwiegenen Einkünfte angibt. So muss er bezüglich der Kapitaleinkünfte nicht die Bank, bei der er seine Anlagen tätigt, benennen.3
cc) Angaben über die steuerlichen Verhältnisse Dritter 398
Die Berichtigung des Steuerpflichtigen muss sich nur auf die eigenen unrichtigen Angaben beziehen. Weigert sich der Steuerpflichtige zusätzliche Angaben zu machen, die die steuerlichen Verhältnisse Dritter betreffen, verliert er die Anwartschaft auf Straffreiheit nicht.
399
Hat der Unternehmer an einen anderen Unternehmer die Vergütung bezahlt, ohne dass ihm eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis gestellt wird (sog. OR-Geschäft) und zeigt der Unternehmer dieses OR-Geschäft an, genügt für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige, dass der Anzeigenerstatter die in seinen eigenen Steuererklärungen nicht erfassten Besteuerungsgrundlagen nachmeldet, ohne seine Geschäftspartner namentlich anzugeben. Dies gilt allerdings nicht, soweit der Anzeigende an der Steuerstraftat des Geschäftspartners selbst als Mittäter oder Teilnehmer mitgewirkt hat.
400
Zwangsmittel zur Offenbarung des Namens des Geschäftspartners nach §§ 328 ff. AO darf die Finanzbehörde gegen den Anzeigenerstatter nicht anwenden.
401
Zu prüfen bleibt allerdings, ob sich der Anzeigenerstatter wegen einer Begünstigung nach § 257 StGB strafbar macht, wenn er nicht als Mittäter oder Teilnehmer an der Steuerhinterziehung des Geschäftspartners mitgewirkt hat und deshalb die Auskunft über den Namen des Geschäftspartners verweigert.
1 Streck, DStR 1985, 9. 2 LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 Kls 137/88, wistra 1990, 72, 73; OLG Celle, Urt. v. 5.11.1970 – 1 Ss 152/70, DB 1971, 706, 707. 3 Hofmann, DStR 1998, 399, 400; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 60a; a.A. Marschall, BB 1998, 2496, 2502 f.; Rolletschke DStZ 1999, 566 f.
98
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
dd) Schätzung auf Grund mangelhafter Buchführung Umstritten ist, ob der Steuerpflichtige, der wegen fehlender bzw. fehlerhafter Aufzeichnungen nicht in der Lage ist, genaue zahlenmäßige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen zu machen, eine wirksame Selbstanzeige i.S.v. § 371 AO abgeben kann.
402
Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 14.12.19761 und ihm zustimmend Brenner2 die Auffassung vertreten, dass eine ordnungsgemäße Anzeige nach § 371 Abs. 1 AO nur erstatten kann, wer eine ordnungsgemäße Buchführung habe, verkennen sie, dass § 370 AO nicht die fehlerhafte Buchführung sanktioniert. Die Sanktionierung erfolgt vielmehr über die §§ 283 ff. StGB und die §§ 331 ff. HGB. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum eine mangelhafte Buchführung der Finanzbehörde den Weg der Schätzung nach § 162 AO eröffnen soll, dem Steuerpflichtigen diese Möglichkeit aber verwehrt sein soll. Da bei der Abgabe der Selbstanzeige keine strengeren Maßstäbe angelegt werden, als sie das Finanzamt im Veranlagungsverfahren anlegt, und bei Abgabe von Steuererklärungen die schätzungsweise Angabe der Besteuerungsgrundlagen möglich ist, muss es dem Steuerpflichtigen auch bei der Abgabe der Selbstanzeige möglich sein, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.
403
Ist der Steuerpflichtige also nicht in der Lage, der Finanzbehörde Zahlenangaben hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen zu machen, muss er dem Finanzamt zumindest diejenigen Tatsachen mitteilen, die eine Schätzung ermöglichen. Der Unternehmer kann den Umsatz im Wege der Schätzung nach allen anerkannten Schätzungsmethoden ermitteln. Allerdings können die steuerlichen Schätzungsgrundsätze auf Grund des strafrechtlichen Charakters der Selbstanzeige nicht ohne weiteres auf die Erfordernisse der Selbstanzeige übertragen werden. Die Angaben müssen zumindest einen solchen Umfang haben, wie sie für eine strafprozessuale Schätzung und mithin für eine Verurteilung nach § 370 AO erforderlich sind. Eine Schätzung ist selbst dann noch möglich, wenn die Buchführung derart im Argen liegt, dass die Einnahmen und Ausgaben nicht rekonstruiert werden können und eine Vollschätzung erforderlich ist.3 Der Steuerpflichtige kann der Finanzbehörde auch einen eigenen Schätzungsvorschlag unterbreiten.
404
1 1 StR 196/76, BB 1978, 698. 2 ZfZ 1979, 140, 141. 3 BGH, Urt. v. 5.9.1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Muster einer Selbstanzeige – Schätzung von Einnahmen und Ausgaben: Sehr geehrte Damen und Herren, unter Vorlage auf mich lautender Vollmacht zeige ich an, dass ich die steuerlichen Interessen von Herrn Dr. S vertrete. Nach Durchsicht seiner Unterlagen hat mein Mandant festgestellt, dass in den Einkommensteuererklärungen 2008 und 2009 folgende Einnahmen nicht erklärt worden sind: I. Kalenderjahr 2008 1. Standard Implantate Mein Mandant hat im Kalenderjahr 2008 insgesamt sechs Standard Implantate der Marke A&B erworben und als Betriebsausgabe geltend gemacht. Drei der als Betriebsausgaben geltend gemachten Standard Implantate hat mein Mandant eingesetzt und die drei Rechnungen in Höhe von jeweils 1200 Euro in der Einkommensteuererklärung 2008 angeführt. Im Hinblick auf die verbleibenden drei Standard Implantate kann mein Mandant heute nicht mehr klären, ob diese durch das komplizierte Einsetzen der Implantate verlustig gegangen sind. Das verlustige Implantat wird dem Patienten aus Kulanz nicht in Rechnung gestellt. Mein Mandant erklärt sich aus Vereinfachungsgründen damit bereit, dass zwei der drei Standard Implantate nachversteuert werden. Im Jahr 2008 hat mein Mandant für den Einsatz der Standard Implantate den Patienten 1200 Euro in Rechnung gestellt, so dass für das Kalenderjahr 2008 2400 Euro nachversteuert werden müssen. 2. Standard Plus Implantate Mein Mandant hat im Kalenderjahr 2008 insgesamt 12 Standard Plus Implantate eingekauft und als Betriebsausgabe geltend gemacht. Zehn der als Betriebsausgaben geltend gemachten Standard Plus Implantate hat mein Mandant eingesetzt und die zehn Rechnungen in Höhe von jeweils 1500 Euro in der Einkommensteuererklärung 2008 angeführt. Im Hinblick auf die verbleibenden zwei Standard Plus Implantate kann mein Mandant heute nicht mehr klären, ob diese beim Einsetzen verlustig gegangen sind. Aus Vereinfachungsgründen sollte ein Standard Plus Implantat zum Rechnungspreis von 1500 Euro nachversteuert werden. II. Kalenderjahr 2009 1. Standard Implantate a) Mein Mandant hat im Kalenderjahr 2009 die Rechnung der Fa. A&B vom 20.8.2009 über 1050 Euro als Betriebsausgabe geltend gemacht. Die
100
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Rechnung weist den Erwerb von fünf Standard Implantaten der Marke A&B aus. Vier der als Betriebsausgaben geltend gemachten Standard Implantate hat mein Mandant eingesetzt und die Rechnungen in Höhe von jeweils 1300 Euro in der Einkommensteuererklärung 2009 angeführt. Die Rechnung der Fa. A&B vom 20.8.2009 weist zwar den Erwerb von 5 Standard Implantaten aus. Tatsächlich muss mein Mandant zwei Standard Implantate zusätzlich erworben haben. Die Standard Implantate haben im Jahr 2009 generell 150 Euro gekostet und nicht wie in der vorgenannten Rechnung ausgewiesen 210 Euro. Teilt man den Rechnungsbetrag in Höhe von 1050 Euro durch 150 Euro, ergibt dies eine Anzahl von 7 Standard Implantaten und nicht von 5 Standard Implantaten. Die Einnahmen aus dem Einsatz dieser zwei Standard Implantate hat mein Mandant nicht in der Einkommensteuererklärung 2009 angegeben. Mein Mandant hat im Jahr 2009 generell für den Einsatz von Standard Implantaten 1300 Euro in Rechnung gestellt, mithin hat mein Mandant für den Einsatz der zwei Standard Implantate 2600 Euro erhalten. … Ich bitte um Neuveranlagung und Übersendung der Steuerbescheide in meine Kanzlei. Korrespondenz in dieser Angelegenheit bitte ich Sie ausschließlich mit meiner Kanzlei zu führen.
ee) Gestufte Selbstanzeige in Eiltfällen Ist Eile geboten und kann der Steuerpflichtige die erforderlichen Zahlen nicht sofort liefern, bietet sich eine „Selbstanzeige in Stufen“ an1, wobei zunächst die hinterzogenen Steuern zuungunsten des Steuerpflichtigen geschätzt werden sollten, verbunden mit der Bitte einer Nachfristgewährung zur Einreichung der genauen Angaben.
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Hinweis zur Beschaffung von Unterlagen: In Fällen, bei denen ein Steuerpflichtiger die Kapitaleinkünfte aus einem Niedrigsteuerland nacherklären möchte, aber die Höhe der Kapitaleinkünfte für die vergangenen Jahre nicht kennt, weil er aus Furcht vor Entdeckung der Tat keine Unterlagen nach Deutschland verbracht hat, sondern diese bei der Bank regelmäßig kostenpflichtig deponiert hat2, muss dem Steuerpflichtigen zur Selbstanzeige in Stufen geraten werden. Dem Steuerpflichtigen kann in diesen Fällen nicht dazu geraten werden, die Unterlagen vor Erstattung der Selbstanzeige aus dem Aus-
1 Stahl, KÖSDI, 1986, 6485, 6487; Rolletschke, wistra 2002, 17. 2 Die Kosten der ausländischen Bank für die Zurückbehaltung der Bankunterlagen werden oftmals nicht als Werbunsgkosten anerkannt.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
land ins Inland selbst zu verbringen. Wird der Steuerpflichtige mit den Bankunterlagen bei einer Grenzkontrolle angetroffen, führt dies nach den Umständen des Einzelfalles zur Tatentdeckung und zur Sperre der Selbstanzeige. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Steuerpflichtige ein sog. Nummernkonto bei dem ausländischen Kreditinstitut führt oder das Konto auf den Namen des Steuerpflichtigen lautet. Der Steuerpflichtige kann die Unterlagen erst nach Deutschland verbringen, soweit das Konto im Ausland unter dem Namen des Steuerpflichtigen geführt wird, wenn die Selbstanzeige im Wege der Schätzung bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht worden ist. Dennoch ist zu empfehlen, dass ein steuerlicher Berater die Unterlagen bei der Bank im Ausland prüft, bevor diese nach Deutschland verbracht werden. Dabei geht es darum, festzustellen, ob zum Beispiel der Steuerpflichtige von dem Konto aus Überweisungen auf ein Konto eines anderen Steuerpflichtigen im Ausland getätigt hat. Die Bankunterlagen werden bei Einreichung bei der Finanzbehörde zur Aufdeckung einer möglichen Steuerhinterziehung des Überweisungsempfängers führen. Die Bankunterlagen werden auch Auskunft darüber geben, woher das Kapital stammt. Wurden auf dem Konto des Steuerpflichtigen im Ausland sog. Provisionszahlungen geleistet, so führt die Vorlage der Unterlagen zur Aufdeckung von Bestechungsfällen. In solchen Fällen kann dem Steuerpflichtigen im Vorfeld zur Selbstanzeige nur geraten werden, wenn die entdeckungsgefährdete Straftat verjährt ist. Handelt es sich bei dem Bankkonto im Ausland um ein Nummernkonto, dann können die Unterlagen vor einer Selbstanzeige von dem ausländischen Kreditinstitut zum steuerlichen Berater, nicht aber zum Kunden selbst übermittelt werden. Dennoch muss man damit rechnen, dass die Unterlagen bei Grenzübertritt vom Zoll postalisch überwacht werden. Auf § 5 Abs. 1 ZollVG sei hingewiesen. Soweit Postsendungen nicht bereits nach der Maßgabe des Zollkodex und sonstiger gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften zu gestellen sind, legt die Deutsche Post AG Sendungen der zuständigen Zollstelle zur Nachprüfung vor, bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Waren unter Verstoß gegen ein Einfuhr-, Durchfuhr- oder Ausfuhrverbot in den oder aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden. Das Brief- und Postgeheimnis nach Art. 10 GG wird für die Gestellung sowie für die Vorlegung sonstiger Sendungen eingeschränkt. Vielfach wird dazu geraten, dass der steuerliche Berater die für die Erstattung der Selbstanzeige erforderlichen Bankunterlagen im Ausland abholt, bevor die Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt eingereicht wird und er die Bankunterlagen in seiner Kanzlei auswertet. Es wird argumentiert, dass die Bankunterlagen nach § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO Inhalt der beschlagnahmefreien Handakte des steuerlichen Be102
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
raters seien. Jedoch wird auch von diesen Beratern die Erfahrung gemacht, dass die Zollbediensteten beim Grenzübertritt diese Unterlagen einsehen und sogar beschlagnahmen. Für diesen Fall müsse man dann nach Rückkehr in die Kanzlei eine Selbstanzeige im Wege der Schätzung einreichen. Von diesem Vorgehen ist im Hinblick auf die Sperrwirkungstatbestände abzuraten, birgt das Vorgehen ein großes Risiko, dass die Selbstanzeige selbst nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 AO gesperrt ist.
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Hinweis zur Höhe der Schätzung: Diese Form der Selbstanzeige ist nicht risikolos, weshalb im Zweifel die Zahlen immer zu hoch geschätzt werden sollten. Die Finanzbehörde leitet nach einer Selbstanzeige regelmäßig das Steuerstrafverfahren ein, so dass dem Steuerpflichtigen nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO die Möglichkeit der Selbstanzeige genommen wird. Die Finanzbehörde toleriert für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige eine Abweichung der für die Präzisierung ermittelten Zahlen von den geschätzten Zahlen in der ersten Erklärung von bis zu 6 %1, teilweise auch bis zu 10 %2 und der BGH 5 %.3 Hieran wird sich auch mit Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 28.4.2011 und dem damit verbundenen Ausschluss der Teilselbstanzeige nichts ändern.4
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Muster für gestufte Selbstanzeigen: Sehr geehrte Damen und Herren, Namens und im Auftrag meines Mandanten berichtige ich dessen Einkommensteuererklärung ab 2004 und bitte die Betriebsausgaben betreffend der Fahrtkosten vorläufig auf null zu setzen. Die Herabsetzung der Betriebsausgaben auf null erfolgt aus rein steuerstrafrechtlichen Gründen. Die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben werden ermittelt und im Rahmen der Präzisierung mitgeteilt. Sehr geehrte Damen und Herren, in den Jahren 2004 bis 2008 wurden versehentlich Provisionen nicht in den Steuererklärungen erfasst. Es handelt sich um die nachfolgend angeführten Beträge: 1 OLG Köln, Urt. v. 28.8.1980 – 1 Ss 574/79, Stbg 1981, 197; OLG FFM, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974. 2 Jäger in Klein, § 371 Rz. 20. 3 BGH, Beschl. v. 25.7.2011 – 1 StR 631/10, wistra 2011, 428, 429. 4 Der Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe hat in der Sitzung am 17.3.2011 zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ausgeführt (Plenarprotokoll der 96. Sitzung der 17. Wahlperiode, S. 10953) „Dabei – das sei hinzugefügt – bedeutet „in vollem Umfang“ natürlich nicht, dass auf Euro und Cent alles angegeben werden muss. Bagatellabweichungen sind nach wie vor möglich.“; Schwartz, PStR 2011, 122 mit Beispielfällen.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
2004: 10 000 Euro 2005: 15 000 Euro … Es handelt sich insgesamt um geschätzte Beträge. Die Schätzung erfolgte eher zum Nachteil als zu Gunsten meines Mandanten. Ich bitte um Einräumung einer angemessenen Frist zur Nachreichung der genauen Beträge.
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Der BGH fordert im Beschluss vom 20.5.20101, dass im Falle einer gestuften Selbstanzeige die Beträge konkret geschätzt werden, andernfalls die Selbstanzeige unwirksam ist. Diese Forderung steht nach meiner Ansicht mit der bisherigen Rechtsprechung in Einklang, wurden von der Rechtsprechung für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige eine Abweichung der für die Präzisierung ermittelten Zahlen von den geschätzten Zahlen in der ersten Erklärung von bis zu 6 %2, teilweise auch bis zu 10 %.3 Auch der Gesetzgeber wollte mit dem Ausschluss der Teilselbstanzeige Bagatellabweichungen nicht versagen.4 Allerdings muss mit dem Abstellen des Gesetzgebers auf die Tat im materiellen Sinne die Frage erörtert werden, ob man bei der Nacherklärung für die Abweichung auf eine Gesamtbetrachtung aller Jahre abstellt oder die einzelnen Taten im materiellen Sinne isoliert betrachtet.5
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Beispiel: Der Steuerpflichtige S gibt für die Jahre 2006 bis 2009 eine Selbstanzeige wegen nicht erklärter ausländischer Kapitaleinkünfte zunächst im Wege der Schätzung ab. Den Ertrag schätzt S zunächst auf 15 000 Euro je Veranlagungszeitraum. Bei der Präzisierung der Selbstanzeige durch Vorlage der Erträgnisaufstellungen der ausländischen Bank stellt sich heraus, dass die Schätzung für das Jahr 2007 um 3000 Euro zu gering war. Würde man auf eine Gesamtbetrachtung aller Veranlagungszeiträume abstellen, wäre die Selbstanzeige wirksam. Die Abweichung im Kalenderjahr 2007 beträgt zwar 20 %, was keine Geringsfügigkeit begründet. Stellt man auf den Gesamtzeitraum ab, beträgt die Differenz jedoch nur 5 %. Stellt man mit der isolierten Betrachtungsweise auf die einzelnen Taten im materiellen Sinne ab, ist die Selbstanzeige für alle Veranlagungszeiträume auf Grund der Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen nach § 371 Abs. 1 AO unwirksam.
1 1 StR 577/09, wistra 2010, 304. 2 OLG Köln, Urt. v. 28.8.1980 – 1 Ss 574/79, Stbg 1981, 197; OLG FFM, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974. 3 Jäger in Klein, § 371 Rz. 20. 4 Vgl. die Ausführungen des Bundestagsabgeordneten Manfred Kolbe in der Sitzung am 17.3.2011 zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (Plenarprotokoll der 96. Sitzung der 17. Wahlperiode, S. 10953). 5 Vgl. Schwartz, PStR 2011, 122.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Hunsmann1 will im Hinblick auf die Neuregelung des § 371 AO und der Rechtsprechung des BGH vom 20.5.2010 der gestuften Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung versagen.
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ff) Schätzung bei der Berichtigung von Kapitaleinkünften Im Rahmen der zweistufigen Selbstanzeige in Bezug auf nichterklärte Kapitaleinkünfte ist es erforderlich, dass der steuerliche Berater das Vermögen und die Kapitalerträge anhand der von den Kreditinstituten erstellten Salden- und Erträgnisaufstellungen zusammenstellt und auf ihre Plausibilität hin überprüft. Treten hierbei ungeklärte Vermögenszuwächse zutage, die trotz Rücksprache mit dem Steuerpflichtigen nicht aufgeklärt werden können, ist nach den Umständen des Einzelfalls eine Schätzung des Vermögens und der Zinseinnahmen möglich.
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Muster einer Selbstanzeige – Schätzung von Kapitaleinkünften:
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Sehr geehrte Damen und Herren, unter Vorlage auf mich lautender Vollmacht zeige ich an, dass ich die rechtlichen Interessen von Frau S vertrete. Namens und im Auftrag meiner Mandantin berichtige ich die Einkommensteuererklärung für die Jahre 2000 bis 2010. Meine Mandantin hatte in den Jahren 1996 ff. Geldanlagen in Höhe von ca. 100 000 bis 150 000 Euro über die MWB Vermögensverwaltungs-Aktiengesellschaft für den Mittelstand bei der Züricher Kantonalbank, der UBS und der Credit Suisse in der Schweiz angelegt. Das Konto bei der Züricher Kantonalbank besteht seit 1996, das Konto bei der UBS seit 2001 und das Konto bei der Credit Suisse seit 2004. Unterlagen zu den Konten und Depots wurden nicht aufbewahrt. Erträgnisaufstellungen wurden bei den Banken angefordert. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht in den Einkommensteuererklärungen enthalten sind, werden im Wege der Schätzung wie folgt ermittelt: Kalenderjahr
Grund
Betrag in Euro
2000
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2001
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2002
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2003
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
1 Hunsmann, NJW 2011, 1484.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO 2004
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2005
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2006
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2007
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2008
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2009
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
2010
Einkünfte aus Kapitalvermögen
7500
Die Schätzung erfolgte eher zum Nachteil als zu Gunsten der Mandantin. Bitte beachten Sie, dass die Zinseinnahmen in Euro ermittelt wurden. Die Berichtigungserklärung wird nach Vorlage der Erträgnisaufstellungen durch die Banken präzisiert. Ich bitte von einer Neuveranlagung abzusehen, bis mir die Erträgnisaufstellungen vorliegen. Anmerkung: Die Selbstanzeige muss den strafrechtlich unverjährten Zeitraum umfassen. Es ist nicht erforderlich, wie in dem Beispiel geschehen, den steuerlich unverjährten Zeitraum anzuführen.
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Muster der Präzisierung einer Selbstanzeige: Sehr geehrte Damen und Herren, im Nachgang zu der vorgenannten Berichtigungserklärung übersende ich Ihnen anliegend eine Aufstellung der Erträgnisse der Züricher Kantonalbank, der UBS und der Credit Suisse nebst Anlagen. Ich bitte um Neuveranlagung und Übersendung der Änderungsbescheide an meine Kanzlei.
gg) Zum Inhalt einer Selbstanzeige betreffend Stiftungsvermögen Literatur: Mutter/Schwarz, Keine Angst vor der Selbstanzeige – Nacherklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen bei Vermögensbindung in Stiftungen oder Trusts, IStR 2009, 807; Söffing, Die transparente liechtensteinische Stiftung, Steueranwaltsmagazin 2010, 177; Spatschek, Das Urteil des Finanzgerichts RheinlandPfalz zu liechtensteinischen Stiftungen – Kein Grund zur Panik für Amnestiebetroffene, Steueranwaltsmagazin 2005, 40.
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Auch nach dem Fall Zumwinkel im Jahre 2008 ist die liechtensteinische Stiftung ein vornehmliches Gestaltungsinstrument von Steuerpflichtigen. Der Grund ist in dem Gestaltungsspielraum zu sehen, den das liechtensteinische Stiftungsrecht bietet. Nutzte der Steuerpflichtige die Stif106
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
tung zum Zwecke der Steuerhinterziehung, ist bei der „Legalisierung“ von Stiftungsvermögen mittels Selbstanzeige steuerrechtlich die Unterscheidung zwischen der unselbständigen Treuhandstiftung und der selbständigen Stiftung zu beachten. Die Unterscheidung bestimmt sich nach den Statuten der Stiftung.
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Hinweis: Von der Einordnung der Stiftung als unselbständige Treuhandstiftung bzw. selbständige Stiftung hängt ab, welche Unterlagen für eine Selbstanzeige benötigt werden.
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(1) Merkmale der unselbständigen Treuhandstiftung und der selbständigen Stiftung Die unselbständige Treuhandstiftung ist gekennzeichnet durch ihre Abhängigkeit von den Weisungen des Stifters. Der Stifter einer unselbständigen Treuhandstiftung hat regelmäßig freie Widerrufsrechte sowie Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsrat, das Recht zur freien Satzungsänderung und/oder sonstige jederzeit ausübbare Rückübertragungsrechte. Der Stifter bestimmt Höhe, Zeitpunkt und Empfänger von Ausschüttungen und kann den Verwalter nach eigenem Ermessen ablösen. Die unselbständige Treuhandstiftung dient daher der Verschleierung der Vermögensverhältnisse.
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Bei der selbständigen („irrevocable“ oder „diskretionäre“) Stiftung überträgt der Stifter das Vermögen endgültig und unwiderruflich auf die Stiftung. Das Stiftungsvermögen wird anschließend vom unabhängigen Stiftungsrat/-vorstand gemäß der Stiftungssatzung verwaltet. Hier kann die Stiftung nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im Verhältnis zum Stifter tatsächlich und rechtlich frei verfügen.
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420
Hinweis: In den Fällen von Stiftungsvermögen in Liechtenstein muss meist von einer unselbständigen Treuhandstiftung ausgegangen werden, da sich der Stifter regelmäßig eine freie Verfügungsbefugnis über das Vermögen bewahrt hat.
(2) Unselbständige Treuhandstiftung (a) Ertragsteuerliche Behandlung Die unselbständige Treuhandstiftung wird als Treuhänder qualifiziert, ihr wurde das Stiftungsvermögen zivilrechtlich übertragen. Treugeber ist der Stifter. Ihm wird das wirtschaftliche Eigentum an dem Stiftungsvermögen gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO zugerechnet. Die Einkünfte der Stiftung werden mithin dem Stifter selbst zugerechnet und sind bei diesem steuerlich zu erfassen. In ertragsteuerlicher Hinsicht führt somit eine Vermögensübertragung an die Stiftung, eine Vermögensauskehrung aus der Stiftung an den Stifter sowie die Liquidation der Stiftung nicht
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421
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
zur Besteuerung. Mangels Einkommen der Stiftung findet § 15 AStG keine Anwendung. (b) Schenkungsteuerliche Behandlung 422
Kann die Stiftung nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im Verhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen, weshalb es sich um eine unselbständige Stiftung handelt, unterliegt die Übertragung von Vermögen auf eine liechtensteinische Stiftung nicht der Schenkungsteuer.1 Für die Beurteilung, ob der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das übertragene Vermögen nach § 39 Abs. 2 AO zuzurechnen ist, so der BFH in der Urteilsbegründung. Es genügt auch nicht, wenn der Empfänger nach außen rechtlich wirksam über das Zugewendete verfügen kann. Entscheidend ist vielmehr das Innenverhältnis des Empfängers zum Leistenden. Ist der Empfänger einer Leistung zivilrechtlich zur Rückgewähr des ihm zu Eigentum Überlassenen verpflichtet, ist er nicht bereichert. Ob eine Rückgewährverpflichtung besteht, richtet sich allein nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses, das der Überlassung zugrunde liegt.
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Hinweis: Für eine Selbstanzeige bei einer unselbständigen Treuhandstiftung muss der Steuerpflichtige lediglich die Erträgnisse nacherklären.
(3) Selbständige Stiftung 424
Die steuerliche Beurteilung einer selbständigen Stiftung ist sowohl in ertragsteuerlicher Hinsicht als auch in erbschaftsteuerlicher Hinsicht wesentlich diffiziler. (a) Ertragsteuerliche Behandlung
425
Bei der ertragsteuerlichen Behandlung ist zu unterscheiden zwischen der Vermögensübertragung an die Stiftung, den laufenden Einkünften der Stiftung und den Auskehrungen von Vermögen aus der Stiftung. (aa) Vermögensübertragungen an die Stiftung
426
Der Stifter kann Vermögen unentgeltlich an die Stiftung übertragen, ohne dass dieser Vorgang als steuerliche Veräußerung qualifiziert wird und die im Vermögen ruhenden stillen Reserven besteuert werden.
1 BFH, Urt. v. 28.6.2007– II R 21/05, BStBl. 2007 II 669.
108
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Nach § 6 AStG ist die Übertragung von wesentlichen Beteiligungen an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im Rahmen der Wegzugsbesteuerung einkommensteuerpflichtig. Nach dem Entstrickungstatbestand gem. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ist auch die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus deutschen Betriebsstätten einkommensteuerpflichtig. Gleiches gilt für die Übertragung von Mitunternehmerteilanteilen.1
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(bb) Besteuerung der laufenden Einkünfte der Stiftung (aaa) Auf der Ebene der Stiftung Die laufenden Einkünfte der Stiftung unterfallen einer, wenn auch geringen, Kapitalsteuer nach liechtensteinischem Recht. Eine Körperschaftsteuer fällt in Lichtenstein nicht an. Befindet sich der Ort der faktischen Geschäftsleitung in Deutschland, ist die Stiftung in Deutschland mit ihren weltweiten Einkünften unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht ist gegeben, wenn die Stiftung Einkünfte aus deutschen Quellen bezieht. Dies ist für den Fall streitig, wenn das „Einkommen“ nach § 15 AStG dem Stifter zuzurechnen ist.
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(bbb) Auf der Ebene des Stifters Die Einkünfte der Stiftung werden in Deutschland grundsätzlich beim 429 Stifter nicht besteuert, außer die Stiftung ist als Familienstiftung zu qualifizieren. Eine Familienstiftung ist nach § 15 Abs. 2 AStG gegeben, wenn der Stifter und seine Angehörigen zu mehr als die Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind. In diesem Fall erfolgt gem. § 15 Abs. 1 AStG eine Zurechnung zum Einkommen beim Stifter, sofern dieser in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Nach § 15 Abs. 6 AStG ist § 15 Abs. 1 AStG nicht anzuwenden, wenn nachgewiesen wird, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht über das Vermögen tatsächlich entzogen ist und die Stiftung ihren Sitz im EWR-Raum hat. (cc) Besteuerung von Auskehrungen aus der Stiftung Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auch Auskehrungen aus Stiftungen. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG findet keine Anwendung auf Auskehrungen aus ausländischen Stiftungen, diese sind nicht einkommensteuerpflichtig.
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Auch im Falle der Auflösung der Stiftung sind die Auskehrungen nicht einkommensteuerpflichtig. Nur „wiederkehrende“ Bezüge sind als Auskehrungen der Stiftung bei dem Begünstigten nach § 22 Nr. 1 EStG einkommensteuerpflichtig.
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1 BMF-Schreiben v. 3.3.2005 – IV B 2 – S 2241 – 14/05, BStBl. 2005 I 458.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(b) Erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung 432
Bei der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behandlung ist zu unterscheiden zwischen den Vermögensübertragungen an die Stiftung, der Besteuerung der Stiftung, den Auskehrungen von Vermögen aus der Stiftung und der Auflösung der Stiftung. (aa) Vermögensübertragungen an die Stiftung
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Als Schenkungen unter Lebenden gilt gem. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG der Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden. Als Erwerb von Todes wegen gilt gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG der Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung. Für beide Erwerbsvorgänge ist der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker zugrunde zu legen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Auf im Ausland errichtete Stiftungen ist die Steuerklasse III anzuwenden. Spätere Zustiftungen an die bereits bestehende Stiftung sind stets nach Steuerklasse III zu versteuern. Auf Familienstiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland sind die Begünstigungen für Betriebsvermögen gem. § 13a ErbStG anwendbar. (bb) Die Besteuerung der Stiftung
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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen inländische Stiftungen alle 30 Jahre einer Erbschaftsteuer. (cc) Auskehrungen von Vermögen aus der Stiftung
435
Werden nur Erträge des Stiftungsvermögens ausgekehrt und beruhen diese auf einer satzungsmäßigen Verpflichtung der Stiftung, sind die Auskehrungen schenkungsteuerfrei. Zur Argumentation wird angeführt, dass es sich nicht um eine freiwillige Leistung der Stiftung handelt.
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Wenn der Begünstigte hinreichend konkretisiert wird und eine Bereicherung des Begünstigten bei Begründung der Verpflichtung aus diesem Grund gegeben ist, kann die Einräumung dieser Verpflichtung ggf. deutsche Schenkungsteuer beim Begünstigten auslösen.
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Werden Erträge ohne satzungsmäßige Verpflichtung ausgekehrt, sind diese nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erbschaftsteuerpflichtig. Ebenso verhält es sich mit Auskehrungen aus dem Stiftungsvermögen. Teilliquidation gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9, § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG gibt es nicht. (dd) Die Auflösung der Stiftung
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Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unterliegt der Erwerb durch in Deutschland unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtige Personen bei Auflösung der Aus110
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
landsstiftung der Schenkungsteuer. Die Steuerklasse richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Anfallsberechtigten zum Stifter. Der Rückfall an den Stifter ist ein Fall der Steuerklasse III.1 hh) Verschulden am Unvermögen der Richtigstellung der Angaben Das LG Hamburg hat in seinem Urteil vom 18.6.19862 unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 14.12.19763 entschieden, dass das Unvermögen des Steuerpflichtigen zur Richtigstellung der Angaben bei der Beurteilung über die Qualität der Erklärung des Steuerpflichtigen keine Berücksichtigung findet. Ist der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Selbstanzeige zu einer Sachaufklärung – verschuldet oder unverschuldet – nicht in der Lage, erlangt der Steuerpflichtige keine Straffreiheit. Die Berichtigungserklärung ist eine sachliche Voraussetzung der Selbstanzeige. Der Steuerpflichtige trägt das Risiko, im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige an den erforderlichen Angaben verhindert zu sein.
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Hinweis: Insb. in Zollverfahren bergen die vorgenannten Entscheidungen ein enormes Risiko für den Steuerpflichtigen. Beabsichtigt ein Steuerpflichtiger vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eine Selbstanzeige wegen Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer und Zoll, da der Warenwert bei Einfuhr der Ware zu niedrig angegeben wurde, muss der Steuerpflichtige bedenken, dass neben dem Warenwert auch die Einreihung der angemeldeten Ware in einen Zolltarif die Höhe des zu zahlenden Zolls bestimmt. Daher ist in der Selbstanzeige nicht nur der Warenwert zu berichtigen, vielmehr muss der Steuerpflichtige auch darauf achten, dass die Zuordnung der angemeldeten Ware zu einer Codenummer des Zolltarifs richtig erfolgt ist. Kann der Steuerpflichtige die Einreihung nicht mehr korrigieren, da der Umfang der Geschäftstätigkeit für mehrere Jahre dies nicht ermöglicht, so verliert die Selbstanzeige nach den vorgenannten Entscheidungen in Bezug auf die Erhöhung des Zolls in Folge der unrichtigen Einreihung ihre strafbefreiende Wirkung.
ii) Nachholung unterlassener Angaben in einem anderen Veranlagungszeitraum Die stillschweigende Nachholung unterlassener Angaben in einem anderen Veranlagungszeitraum stellt nach dem Urteil des BGH vom 18.10.19564 keine wirksame Berichtigung i.S.v. § 371 Abs. 1 AO dar.
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BFH, Urt. v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. 1993 II 238. (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120, 121. 1 StR 196/76, BB 1978, 698. BGH, Urt. v. 18.10.1956 – 4 StR 166/57, BStBl. 1957 I 122.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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In der Literatur wird vereinzelt vertreten, dass die Schadenswiedergutmachung strafmildernd berücksichtigt werden soll und ggf. das Strafverfolgungsinteresse entfalle.1
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Nach Joecks2 soll im Rahmen der Strafzumessung nur der tatsächlich hinterzogene Betrag berücksichtigt werden.
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Soweit es nach Joecks3 regelmäßig an der Vorstellung des Täters fehlen soll, durch unrichtige Angaben Steuern zu verkürzen, kann dieser Erklärung nicht gefolgt werden. Die Ermittlungsbehörde muss in jedem Einzelfall die Vorstellung des Täters ermitteln, allerdings nicht die Vorstellung im Zeitpunkt der Berichtigungserklärung, sondern die Vorstellung im Zeitpunkt der Tatbegehung.4
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Für die Lösung des Problems sind die allgemeinen Grundsätze zum Inhalt einer Berichtigungserklärung heranzuziehen.5 Die Berichtigungserklärung setzt voraus, dass der Täter durch seine Erklärung dazu beitragen soll, dass die betreffende Steuer nachträglich richtig festgesetzt werden kann, ohne dass die Finanzbehörde langwierige, größere Nachforschungen anstellen muss, um den Sachverhalt vollends aufzuklären. Ist eine Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich, wozu auch gehört, dass dem Finanzamt bekannt wird, um welchen Veranlagungszeitraum es geht, liegt keine Berichtigungserklärung i.S.v. § 371 AO vor.
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Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat für das Jahr 01 in der Umsatzsteuerjahreserklärung einen um 50 000 Euro verminderten Umsatz angegeben. Diesen Umsatz erklärt S ohne weitere Erläuterung in der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 02 nach. Es liegt keine strafbefreiende Berichtigungserklärung für das Veranlagungsjahr 01 vor. Der Finanzbehörde ist nicht ersichtlich, dass die Berichtigung das Veranlagungsjahr 01 betreffen soll.
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Kritische Stellungnahme: Dieses Ergebnis ist für den Fall, dass der Umsatzsteuersatz unverändert ist, unbefriedigend. Im Rahmen der Strafzumessung ist der Umstand der Steuernachzahlung angemessen zu berücksichtigen, wobei zu bedenken ist, dass dem Staat zwar kein Steuerschaden, aber ein Zinsschaden entstanden ist.
jj) Pflichtwidrige Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern 448
Auch im Fall der Steuerhinterziehung durch das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern können die Besteuerungsgrundlagen berichtigt werden. Es bestehen insoweit keine Besonderheiten. Der Täter muss der Finanzbehörde die für eine richtige Steuerfestsetzung notwendigen Tatsachen mitteilen, damit die Finanzbehörde die Berichtigungsveranlagung durchführen kann.
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Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 54. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 72. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 72. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 64.4. So auch Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 64.4.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Für den Fall der Verkürzung von Tabaksteuern muss der Täter z.B. die Menge der Tabakwaren angeben, die er vorschriftswidrig nicht mit Steuerbanderolen versehen hat.
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5. Zeitlicher Umfang der Selbstanzeige a) Verjährungsfrist Ausgangspunkt für die Bestimmung des zeitlichen Umfangs der Selbstanzeige ist der mit der Selbstanzeige verfolgte Sinn und Zweck. Der Steuerpflichtige soll mit der Selbstanzeige Straffreiheit erlangen. Daher bestimmt sich der zeitliche Umfang nach dem strafrechtlichen Verjährungszeitraum.
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Angesichts im Jahre 2010 aufgetretener Zweifel ist es begrüßenswert, dass der Bundestag in der Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ausdrücklich festgeschrieben hat, dass sich die Selbstanzeige nur auf die strafrechtlich noch nicht verjährten Besteuerungszeiträume beziehen muss.
451
Den Regelbeispielen des § 370 Abs. 3 AO kommt daher erhöhte Bedeutung zu. Die umstrittene Vorschrift des § 370a AO wurde zum 31.12.2007 aufgehoben. An seine Stelle ist der neu geschaffene § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO getreten. Mit dieser Vorschrift liegt ein strafschärfendes Regelbeispiel vor. Durch die Herabstufung der bandenmäßigen Steuerhinterziehung zum unselbständigen Regelbeispiel ist die Selbstanzeige wieder uneingeschränkt möglich. Nach dem Prinzip der strafrechtlichen Meistbegünstigung des § 2 Abs. 3 StGB führt die Selbstanzeige auch für die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung begangenen Straftaten zur Straffreiheit. Bei der Neuregelung handelt es sich um eine Änderung zugunsten des Täters, weshalb auch für die vor dem 1.1.2008 begangenen Taten § 370a AO nicht mehr angewendet werden kann.
452
Mit der materiellen Rechtsänderung zum 1.1.2008 muss für die Dauer der Verjährungsfrist wie folgt unterschieden werden:
453
Für die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO ist für die Verjährungs- 454 frist auf die Höhe der angedrohten Strafe abzustellen. Die Steuerhinterziehung ist im Grundtatbestand mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht. Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO tritt nach Ablauf von fünf Jahren Strafverfolgungsverjährung ein.
Û
Hinweis: Für den Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO darf die Selbstanzeige auf Grund des Sinn und Zwecks der Selbstanzeige auf den strafrechtlichen Verjährungszeitraum von fünf Jahren beschränkt werden. Sie muss nicht den steuerlichen Verjährungszeitraum nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO von zehn Jahren umfassen.
113
455
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
456
In den Fällen des § 370 Abs. 3 AO beträgt die Verfolgungsverjährungsfrist zehn Jahre. Die Änderung der Verjährungsfrist ist auf den Umstand zurückzuführen, dass steuerlich für hinterzogene Steueransprüche nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO eine Festsetzungsfrist von zehn Jahren gilt und der Gesetzgeber eine Parallelität zwischen der Verfolgungsverjährung und der steuerlichen Festsetzungsverjährung herbeiführen wollte.1 Auf Grund starker Kritik hat sich die Regierungsfraktion dahingehend auf einen Kompromiss geeinigt, dass die 10-jährige Verjährungsfrist nach § 376 Abs. 1 AO in der seit 25.12.2008 gültigen Fassung2 für die in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–5 AO genannten Fällen gilt.3 Für die Dauer der Verfolgungsverjährung ist maßgebend, ob die in den Nr. 1 bis Nr. 5 beschriebenen Merkmale des § 370 Abs. 3 S. 2 AO erfüllt sind.
457
Û
Hinweis: Für die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO muss die Selbstanzeige in Folge von § 376 Abs. 1 AO den Zeitraum von zehn Jahren umfassen. Der Zeitraum ist nach strafrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen, mithin nach § 78a StGB und nicht nach § 170 AO.
b) Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung durch Handeln 458
Wann der Lauf der in § 78 StGB geregelten Verjährungsfrist beginnt, bestimmt § 78a StGB. Die strafrechtliche Verjährung beginnt gem. § 78a S. 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Abgestellt wird nicht auf den Zeitpunkt der Tatvollendung, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die auf Tatbegehung gerichtete Tätigkeit ihren endgültigen Abschluss gefunden hat. Nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen ist eine Straftat beendet, wenn nach Erfüllung aller objektiven Tatbestandsvoraussetzungen die Rechtsgutverletzung in dem vom Täter angestrebten Umfang eingetreten ist. Bei Erfolgsdelikten beginnt die Verjährung erst mit Eintritt des Erfolges.4
459
Beendet ist die Tat für den Bereich der Steuerhinterziehung durch Handeln im Zusammenhang mit Veranlagungssteuern erst dann, wenn die Steuer auf Grund der unrichtigen Erklärung zu niedrig festgesetzt und dies dem Steuerpflichtigen durch Steuerbescheid bekannt gegeben ist. Mit der Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheids ist die Steuerhinterziehung vollendet und zugleich beendet, mit der Bekanntgabe beginnt zugleich die Verjährung.5
460
Beispiel: Der Steuerpflichtige S gibt für das Jahr 2006 eine unrichtige Einkommensteuererklärung ab. Die Veranlagung erfolgte am 9.5.2007. Der Einkommensteuer1 2 3 4
Vgl. Regierungsentwurf v. 8.8.2008, BR-Drucks. 545/08 S. 133. BGBl. 2008 I 2794 ff. Zur Auslegung von § 376 AO vgl. Samson/Brüning, wistra 2010, 1. Fischer, § 78a StGB Rz. 3; BGH, Urt. v. 23.9.1971 – 4 StR 207/71, BGHSt 24, 218, 220. 5 BGH, Beschl. v. 7.2.1984 – 3 StR 413/83, wistra 1984, 142 = NStZ 1984, 414; Schauf in Kohlmann, § 376 Rz. 66; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 376 Rz. 15.
114
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige bescheid wurde noch am 9.5.2007 zur Post aufgegeben, die Zustellung des Einkommensteuerbescheids für 2006 erfolgte am 10.5.2007. Mit der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids für 2006 am 10.5.2007 ist die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO beendet, damit beginnt die Verjährung mit diesem Tag. Die Verjährung endet mit Ablauf des 9.5.2012 um 24.00 Uhr. Bei der Berechnung der Frist für den Beginn der Verjährung ist derjenige Tag, an dem die Tat beendet wurde, mitzuzählen.1 Ohne Bedeutung ist im Gegensatz zur sonstigen Fristenberechnung (z.B. § 43 Abs. 2 StPO), ob der letzte Tag auf einen Sonn- oder Feiertag fällt.2
Anders als bei den Veranlagungssteuern beginnt bei Fälligkeitssteuern in Gestalt der sog. Selbsterrechnungssteuern die Verjährung der Strafverfolgung mit dem gesetzlichen Fälligkeitstermin, wenn nicht zuvor der Steuerpflichtige unrichtige Steueranmeldungen abgegeben hat.3
461
Besonderheiten ergeben sich für die Umsatzsteuer. Die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung mit falschen Angaben führt zu einer selbständigen Steuerverkürzung. Während die Abgabe falscher monatlicher Voranmeldungen zur Verkürzung von Vorauszahlungen führt, mithin zu einer Steuerverkürzung auf Zeit, bewirkt die Abgabe der falschen Jahreserklärung die endgültige Steuerverkürzung. Die Umsatzsteuerhinterziehung ist mit dem Eingang der Jahressteuererklärung beendet.4 Der Zeitpunkt der Beendigung der Strafverfolgungsverjährung liegt später, wenn die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung oder Vergütung der Steuer führt.5 Errechnet der Steuerpflichtige einen Erstattungsbetrag, ist bis zur Zustimmung des Finanzamts eine versuchte Steuerhinterziehung gegeben, mit erteilter Zustimmung gilt die Anmeldung als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 S. 2 AO), so dass damit die Beendigung der Steuerhinterziehung vorliegt, mithin die Verjährung zu laufen beginnt.6
462
Û
463
Hinweis: Die Zustellungsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greift dabei nicht ein.7 Entscheidend ist die tatsächliche Bekanntgabe des Steuerbescheides an den Steuerpflichtigen.8 Bei Zweifeln über den Zugang des Steuerbescheides ist die für den Steuerpflichtigen unter normalen Verhältnissen günstigere Bekanntgabe am Folgetag zugrun-
1 2 3 4 5
BayOLG, Beschl. v. 22.1.1959 – 4 St 397/58, MDR 1959, 325. Fischer, § 78a StGB Rz. 6. Schauf in Kohlmann, § 376 Rz. 81, 83. BGH, Beschl. v. 1.11.1995 – 5 StR 535/95, wistra 1996, 105, 106. BGH, Urt. v. 10.12.1991 – 5 StR 536/91, wistra 1992, 93, 94; BGH, Beschl. v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 222. 6 BGH, Urt. v. 10.12.1991 – 5 StR 536/91, wistra 1992, 93, 94; BGH, Beschl. v. 3.3.1989 – 3 StR 552/89, wistra 1989, 188; Ransiek in Kohlmann, § 370 Rz. 457, 1361. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 2.8.201 – 2 Ws 156/01, DStRE 2002, 1095, 1096; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 376 Rz. 19; a.A. Schmitz, wistra 1993, 248, 250. 8 Müller, wistra 2004, 11.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
de zu legen. Nach dem Beschluss des OLG Hamm vom 2.8.20011 findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ auch auf den Fall der Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO Anwendung. Auf den Eintritt der Rechtskraft des Steuerbescheides kommt es nicht an.2 c) Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen 464
Bei der durch Nichtabgabe einer Steuererklärung bewirkten Steuerverkürzung gilt nichts anderes als bei der durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung. Für den Verjährungsbeginn bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist der Eintritt des Taterfolges maßgeblich. Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist in dem Zeitpunkt vollendet, in dem bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung im regelmäßigen Geschäftsgang die Veranlagung beendet gewesen und ein Steuerbescheid zugestellt worden wäre. Zugleich ist die Tat aber auch beendet, denn die Beendigung der Tat ist bei der Steuerhinterziehung i.d.R. mit der Vollendung zeitgleich. Für die Beendigung der Steuerhinterziehung und damit für den Beginn der Verfolgungsverjährung ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Steuer bei rechtzeitiger Steuererklärung frühestens festgesetzt und der Steuerbescheid frühestens bekannt gegeben worden wäre.3 Richtigerweise muss deshalb auf die Erklärungsfrist des § 149 Abs. 2 AO abgestellt werden.4 Die gewöhnliche Bearbeitungszeit der Finanzbehörde ist zu bestimmen, da die Verjährungsfrist bei Veranlagungssteuern mit dem Abschluss der Veranlagungsarbeiten für die jeweilige Steuer und für das betreffende Kalenderjahr im betreffenden Finanzamtsbezirk beginnt. Die Zeit für die Bekanntgabe des Steuerbescheides ist hinzuzunehmen. 6. Person des Anzeigenerstatters Literatur: Lohmeyer, Erstattung der Selbstanzeige durch Bevollmächtigte, DStR 1964, 446; Lohmeyer, Erstattung von Selbstanzeigen zugunsten Dritter durch den Steuerberater, Stbg 1987, 348; Mösbauer, Straffreiheit trotz Steuerhinterziehung, DStZ 1985, 325; Pfaff, Selbstanzeige des Gehilfen, StBp, 1987, 86; Spitaler, Selbstanzeige und Mandantentreue, StB 1962, 65.
a) Täter oder Teilnehmer als Anzeigenerstatter 465
Jeder, der den Steuerschaden (mit-)verursacht hat, kann Selbstanzeige erstatten. Die Selbstanzeige kann mithin sowohl vom Täter (Allein- oder Mittäter oder mittelbarer Täter) als auch vom Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfen) abgegeben werden. Für die Selbstanzeige ist es ohne Bedeutung, 1 2 3 4
OLG Hamm, Beschl. v. 2.8.2001 – 2 Ws 156/01, DStRE 2002, 1095, 1096. BGH, Beschl. v. 2.7.1986 – 3 StR 87/86, wistra 1986, 257. A.A. BGH, Beschluss v. 7.11.2001 – 5 StR 395/01, wistra 2002, 64, 66. Schmitz, wistra 1993, 248, 251 ff. führt aus, dass der Ablauf der Frist nach § 149 Abs. 2 AO nicht den Beginn des Versuchs markiere, sondern es für die Rechtzeitigkeit der Erklärung auf die zum 30. September verlängerte Frist ankomme.
116
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
ob der Täter oder Teilnehmer Steuerschuldner ist oder ob er wegen seiner Tatbeteiligung für die verkürzte Steuer nach § 71 AO haftet.1 Allerdings kommt nach dem Gesetzeswortlaut die strafbefreiende Wirkung des § 371 AO nur dem Täter oder Teilnehmer zugute, der die geforderten Angaben persönlich in der geforderten Weise berichtigt oder nachholt; mithin stellt die Selbstanzeige eines Täters grundsätzlich keine Selbstanzeige zugunsten des Tatbeteiligten dar.
466
Erstattet der Gehilfe Selbstanzeige, so erlangt der Täter keine Straffreiheit, wenn er nicht um die Selbstanzeige des Gehilfen weiß. Durch die Selbstanzeige des Gehilfen ist die Selbstanzeige des Täters nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gesperrt, die Tat gilt als entdeckt.
467
Û
Hinweis: Bei mehreren Tatbeteiligten ist eine Abstimmung der Vorgehensweise zwischen den Beteiligten geboten, um nicht den anderen Teilnehmern die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige abzuschneiden. Die Selbstanzeigen müssen gleichzeitig abgegeben werden und inhaltlich übereinstimmen.
468
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Hinweis: Nach der Selbstanzeigenwelle in Folge des Ankaufs einer Daten-CD durch die Finanzbehörde Wuppertal im Frühjahr 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen die Bankberater in der Schweiz wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die deutschen Staatsanwaltschaften hatten Ermittlungen gegen die Gehilfen der Schwarzgeldanleger aufgenommen. Steuerpflichtige, die in Folge des Ankaufs der Daten-CD mit Unterlagen deutscher Steuerpflichtiger mit Vermögen bei der Credit Suisse eine Selbstanzeige abgegeben hatten, wurden gezielt gefragt, wer zur Anlage des Geldes im Ausland geraten und bei der Anlage geholfen hat. Offenbarte sich lediglich der Steuerpflichtige, blieb die Strafbarkeit möglicher Dritter bestehen. Für sie gibt es keine automatische Straffreiheit. Bankberater entgingen einer Bestrafung nur, wenn sie sich ebenfalls selbst anzeigten. Die praktische Durchführung war jedoch ungleich komplizierter. Der Bankberater darf als Tatbeteiligter ebenso wie z.B. der Steuerberater eine strafbefreiende Selbstanzeige erstatten, ohne sich wegen des Verstoßes gegen strafbewehrte Verschwiegenheitspflichten strafbar zu machen. Allenfalls macht er sich schadenersatzpflichtig, gibt er isoliert eine Selbstanzeige ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen ab. Die Selbstanzeige soll generell mit der des steuerpflichtigen Kunden koordiniert werden.
469
b) Vertretung bei Erstattung einer Selbstanzeige Für eine rechtwirksame Selbstanzeige ist es nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige selbst die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von 1 BGH, Urt. v. 3.6.1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336.
117
470
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Angaben vornimmt. Eine solche enge, offenbar der Überschrift des § 410 RAO allein entnommene Auslegung, liefe den fiskalischen Interessen zuwider. Dem Sinn und Zweck des § 371 Abs. 1 AO wird dann Genüge getan, wenn von dem Täter oder Teilnehmer lediglich verlangt wird, dass er die Abgabe der Berichtigungserklärung, wie sie § 371 Abs. 1 AO voraussetzt, veranlasst.1 Die Erklärung eines Bevollmächtigten reicht mithin aus. Auch die Reichsabgabenordnung rechnete damit, dass sich die Steuerpflichtigen im Verkehr mit den Finanzbehörden eines steuerlichen Beraters bedienen. Es ist nicht ersichtlich, warum dies gerade bei der schwierigen Erstattung einer Selbstanzeige unzulässig sein soll. aa) Vertreter ohne Vertretungsmacht 471
Die Selbstanzeige kann durch einen Dritten abgegeben werden. Eine wirksame Selbstanzeige setzt voraus, dass der Täter oder Teilnehmer dem Dritten explizit eine Vollmacht bzw. einen Auftrag für die Erstattung der Selbstanzeige erteilt. Eine generelle Vollmacht zur Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten bzw. eine allgemeine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht2 reicht nicht aus. Die Vollmacht bzw. der Auftrag müssen nach Begehung der Tat und vor Anzeigenerstattung erteilt werden. Erstattet ein Vertreter ohne Vertretungsmacht oder ein Geschäftsführer ohne Auftrag eine Selbstanzeige, entfaltet diese keine strafbefreiende Wirkung.
472
Beispiel: Der Nachbar N reicht bei der zuständigen Veranlagungsstelle der Finanzbehörde ein als Selbstanzeige deklariertes Schreiben ein. Das Schreiben weist den Namen und die Anschrift sowie die Unterschrift des Steuerpflichtigen S auf. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle leitet daraufhin das Steuerstrafverfahren gegen S ein, ohne zu erkennen, dass die Erklärung nicht von S stammt. Für den Fall, dass S Steuern hinterzogen hat, entfaltet das als Selbstanzeige deklarierte Schreiben des N grundsätzlich für S keine strafbefreiende Wirkung. Es handelt sich um eine Anzeige durch einen Dritten ohne einen auf eine Selbstanzeige gerichteten Willen des S. S kann sich die Erklärung durch N zu eigen machen, solange die Finanzbehörde nicht erkennt, dass das Schreiben nicht von ihm stammt, d.h. er muss dem Finanzamt nicht offenbaren, dass die Erklärung von N stammt und eine unwirksame Selbstanzeige darstellt. Fatal ist die Situation für S, wenn der in dem Schreiben des N angeführte hinterzogene Betrag zu hoch ist. Deckt S den wahren Sachverhalt gegenüber der Finanzbehörde auf, trifft ihn nicht nur die Nachzahlungspflicht, sondern muss er die Strafe wegen Steuerhinterziehung hinnehmen. Fürchtet er z.B. berufsrechtliche Sanktionen, darf er der Finanzbehörde den Sachverhalt nicht offenbaren und muss die Mehrsteuern auf die betragsmäßigen Angaben in dem Schreiben des N nachzahlen.
473
Eine nachträgliche Genehmigung entfaltet keine Rückwirkung. Eine solche ist jedoch nicht ohne Bedeutung. Die Genehmigung wirkt ex nunc, so dass es für die Frage nach dem Vorliegen von Sperrwirkungstatbestän1 BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 374. 2 RG, Urt. 11.5.1922 – III 142/22, RGSt. 56, 385 f.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
den auf den Zeitpunkt der Genehmigung und nicht auf den Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige durch den vollmachtlosen Vertreter ankommt. bb) Offene Stellvertretung Die Anzeigeerklärung kann in offener Stellvertretung, z.B. durch den Steuerberater für seinen Mandanten, abgegeben werden. Stets ist aber eine vorherige Beauftragung des steuerlichen Beraters zur Erstattung einer Berichtigungserklärung erforderlich. Eine mündliche Vollmacht reicht aus, Schriftform ist nicht erforderlich.1 Eine generelle Vollmacht zur Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten reicht nicht aus.
474
Û
Hinweis: Da die Erstattung einer Selbstanzeige keine Maßnahme der Verteidigung in einem Strafverfahren ist, greift das Verbot der Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO nicht. Der Steuerberater kann für mehrere Verfahrensbeteiligte eine Selbstanzeige abgeben.
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Hinweis: Konflikte können entstehen, wenn der Steuerberater selbst in der Gefahr steht, als Tatbeteiligter einer Hinterziehung durch seinen Mandanten zu gelten. Der Berater sollte überlegen, ob die Selbstanzeige des Mandanten dann vorsorglich auch als seine eigene Selbstanzeige bezeichnet wird.
476
cc) Verdeckte Stellvertretung Anerkannt ist aber auch die verdeckte Stellvertretung.2 Der Beauftragte muss nach außen nicht zu erkennen geben, dass er die Berichtigungserklärung für einen Dritten abgibt. Die Person des Vertretenen muss jedoch auch im Falle der verdeckten Stellvertretung der Finanzbehörde als potentieller Nachzahlungspflichtiger bekannt werden. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall der versuchten Steuerhinterziehung, weil dann eine Fristsetzung und Nachzahlung i.S.d. § 371 Abs. 3 AO entbehrlich ist.
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Für die Beweisfrage, ob eine vorherige Beauftragung gegeben war, gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Regelmäßig ist der Auftrag des Dritten zu vermuten, soweit keine wesentlichen Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen den Gegenbeweis führen.3
478
c) Gesellschaften Der Kreis der von der Tat Begünstigten ist für den Fall der Selbstanzeige für eine Personen- oder Kapitalgesellschaft begrenzt. 1 BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74, 75. 2 BayOblG, Urt. v. 7.10.1953 – 1 St 41/53, NJW 1954, 244 f. 3 BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 377.
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479
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
480
Wird eine Selbstanzeige im Hinblick auf eine Körperschaftsteuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung erstattet, betrifft diese nur das Steuersubjekt Körperschaft und die für diese handelnden gesetzlichen Vertreter. Soll die Selbstanzeige auch für die Einkommensteuer des begünstigten Gesellschafters erfolgen, muss dieser den Anzeigenerstatter hierzu beauftragen. Ausreichend ist in Folge der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides (vgl. §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO) die Selbstanzeige beim Feststellungsfinanzamt.
481
Entsprechendes gilt im Verhältnis von Gewerbesteuermessbescheid und Gewerbesteuerbescheid. 7. Adressat der Selbstanzeige
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Adressat der Selbstanzeige ist nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO die Finanzbehörde.
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Stellt man auf die Legaldefinition des § 6 Abs. 2 AO ab, könnte man neben den Finanzämtern, den Hauptzollämtern und den Zollfahndungsämtern (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 AO), die Mittel-, Ober- und obersten Behörden (§ 6 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3, 4 AO) sowie die Familienkassen (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO) als zuständigen Adressaten ansehen. Für diese Auslegung des Wortlauts des § 371 Abs. 1 AO könnte man auf die Verpflichtung zur Weiterleitung der Selbstanzeige an die zuständige Finanzbehörde (§ 111 AO) abstellen; der Steuerpflichtige muss davon ausgehen, dass die Steuerquelle für den Fiskus als Ganzes erschlossen worden ist.
484
Diese Auslegung hat nach der Rechtsprechung keinen Bestand. So hat das FG München im Urteil vom 6.9.20061 entschieden, dass eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auch derjenige begeht, der zwar eine Berichtigungserklärung i.S.d. § 153 Abs. 1 S. 1 AO abgibt, die Berichtigungserklärung aber an ein örtlich oder sachlich unzuständiges Finanzamt adressiert ist und dieses die Erklärung nicht rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Festsetzungsfrist an das zuständige Finanzamt weiterleitet.
485
Demnach ist es erforderlich, dass die Berichtigungserklärung gegenüber der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde abgegeben wird. Die Selbstanzeige muss bei der für die Verwaltung der jeweiligen Steuer zuständigen Finanzbehörde eingereicht werden, d.h. i.d.R. bei dem Finanzamt, bei Zollhinterziehungen bei dem Hauptzollamt, bei Hinterziehung des Monopolausgleichs bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein.
1 1 K 55/06, EFG 2007, 161. Der BFH hat im Revisionsverfahren im Urt. v. 28.2.2008 – VI R 62/06, BFH/NV 2008, 1017 die Frage der Strafbarkeit nicht entschieden.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Û
Hinweis: Nach der Rechtsprechung1 muss die Berichtigungserklärung gegenüber der Steuerbehörde abgegeben werden, nicht gegenüber dem Außenprüfer.
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Bei Personengesellschaften ist hinsichtlich betrieblicher Vorgänge das Betriebsstättenfinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO) für einheitliche und gesonderte Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO zuständig.
487
Û
Hinweis: In der Konsequenz dieser Auslegung des Gesetzeswortlauts muss der Steuerpflichtige die Selbstanzeige, soweit durch dieselbe Tat mehrere Steuern hinterzogen wurden, bei jeder für die einzelnen Steuerarten zuständigen Finanzbehörde erstatten.
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Û
Hinweis: Die Selbstanzeige muss an die örtlich zuständige Finanzbehörde gerichtet werden. Ändert sich der Wohnsitz bzw. der Sitz des Steuerpflichtigen (§§ 19, 20 AO), wird die für den neuen Wohnsitz bzw. Sitz zuständige Finanzbehörde zuständig.
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Beispiel: A und B sind Gesellschafter der A+B GmbH mit Sitz in Mainz-Hechtsheim. A wohnt in Alzey, B wohnte im Tatzeitraum in Bingen, ist danach nach Hofheim verzogen. Die Selbstanzeige wegen der nicht erklärten Umsätze muss an das Betriebsstättenfinanzamt Mainz-Süd gerichtet werden, wegen der Auswirkungen auf die Einkommensteuer für A an das Finanzamt Bingen-Alzey, Außenstelle Alzey und für B an das Finanzamt Hofheim.
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Û
Hinweis: Ist zu befürchten, dass eine Steuerfahndungsprüfung unmittelbar bevorsteht, ist es ratsam, die Selbstanzeige der Strafsachenstelle oder der Steuerfahndung zuzuleiten, um Zwangsmaßnahmen (Durchsuchung, Beschlagnahme oder U-Haft) abzuwenden.
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8. Widerruf der Selbstanzeige Widerruft der Steuerpflichtige die in einer Selbstanzeige gemachten Angaben ganz oder in wesentlichen Punkten, so entfällt die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige.2
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Franzen3 beruft sich dabei auf das Urteil des RG vom 12.6.19414 und stellt auf den § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ab. Wer eine wahrheitsmäßige Berichtigungserklärung abgegeben habe, wisse, dass damit seine Tat entdeckt sei. Wer eine Berichtigungserklärung widerrufe oder einschränke, könne auf diese Weise die Tatsache der Entdeckung nicht wieder aus der Welt schaffen.
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Joecks5 dagegen erkennt in dem Widerruf einer Selbstanzeige eine erneute Steuerhinterziehung. Mit der Berichtigung der unrichtigen Angaben er-
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1 2 3 4 5
OLG Frankfurt, Urt. v. 16.1.1954 – 2 Ss 755/53, DStZ/B 1954, 58. RG, Urt. v. 12.6.1941 – 3 D 155/41, RG 75, 261. Franzen in Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl., § 371 Rz. 54. 3 D 155/41, RG 75, 261. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 95.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
fülle der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO; dieses Anwartschaftsrecht stehe zum Zeitpunkt der Abgabe der Berichtigungserklärung fest und werde nicht dadurch „verwirkt“, dass der Täter später zu einer anderen Täuschung zurückkehrt. In dieser Täuschung liege neuerliches Unrecht. 495
Schauf1 stellt dagegen auf den Wortlaut und den Zweck des § 371 Abs. 1 AO ab. Der Widerruf der Angaben einer Selbstanzeige widerspricht dem Zweck der Selbstanzeige, der Erschließung bisher verheimlichter Steuerquellen ohne langwierige eigene Nachforschungen; denn der Widerruf der Angaben des Steuerpflichtigen macht es erforderlich, dass die Finanzbehörde eigene aufwendige Ermittlungen anstellt, um den Sachverhalt zu erforschen, so dass keine Selbstanzeige i.S.v. § 371 Abs. 1 AO gegeben ist.
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Û
Hinweis: Legt der Steuerpflichtige gegen die geänderten Steuerbescheide Einspruch2 ein oder ändert er seine Rechtsausführungen3, ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Selbstanzeige.
III. Fristgerechte Nachzahlung der hinterzogenen Steuer Literatur: App, Bedeutung allgemeiner Zahlungsfristen für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige, DStR 1987, 37; Bilsdorfer, Der Nachzahlungspflichtige bei Steuerverkürzungen, BB 1981, 490; Bringewat, Der „Staatssäckel“ als Kriterium der Gesetzesauslegung?, JZ 1980, 347; Dumke, Zur Nachentrichtungspflicht für hinterzogene Steuern bei der strafbefreienden Selbstanzeige, BB 1981, 117; Franzen, Selbstanzeige und Nachzahlung fremder Steuern (§ 371 Abs. 3 AO), DStR 1983, 323; Göggerle, Inwieweit werden Steuerhinterziehungen durch Vertretungsorgane zu ihren Gunsten i.S. des § 371 Abs. 3 AO begangen?, GmbHR 1980, 173; Großmann, Überprüfung der Nachzahlungsfrist bei der Selbstanzeige einer Steuerhinterziehung, DB 1979, 1201; Henneberg, Steuerstraf-Bußgeldrecht nach der Abgabenordnung 1977, BB 1976, 1554; Hild/Hild, Keine Inanspruchnahme von GmbH-Geschäftsführern als Schuldner von Hinterziehungszinsen, wistra 1991, 331; H.L., Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO, DB 1992, 1322; H.L., Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO, DB 1986, 2210; Kohlmann, Steuerstrafrecht in der Bewährung, wistra 1982, 2; Kopacek, Die Selbstanzeige nach § 411 AO, DStR 1965, 137 ff., 164 ff.; Kratzsch, Der strafrechtliche Aspekt der Selbstanzeige (§ 395 AO), StuW 1974, 68; Mack, Nichts ist umsonst: Selbstanzeige und Nachzahlungspflicht, Stbg 2010, 258; Mattern, Steuerliche Selbstanzeige und Steuermoral, NJW 1951, 937; Meine, Die Nachzahlungspflicht des GmbH-Geschäftsführers bei der Selbstanzeige einer Steuerstraftat nach altem und neuem Recht, wistra 1983, 59; Mösbauer, Straffreiheit trotz Steuerhinterziehung, DStZ 1985, 325; Pfaff, Unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil i.S. des § 371 III AO, StBp. 1983, 115; Pfaff, Selbstanzeige nach § 371 Abs. 3 AO, Tatbeteiligter und Nachentrichtung, StBp. 1984, 67; Pfaff, Zur Selbstanzeige (§ 371 AO) des GmbH-Geschäftsführers, unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil, Haftungsbescheid, StBp. 1986, 138; Pfaff, Aktuelle Fragen aus dem Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, StBp. 1987, 132; Reiß, Anm. zu BGH, Urt. v. 4.7.1979, NJW 1980, 1291; Rolletschke, Die Nachzahlungsfrist des § 371 Abs. 3 AO, DStZ 1999, 287; Schuhmann, Zur Zulässigkeit des Finanzrechts1 In Kohlmann, § 371 Rz. 75. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 94 mwN. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 76.
122
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige wegs bei Fristsetzung nach Selbstanzeige, DStZ 1978, 48; Schuhmann, Rechtsweg bei Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO, MDR 1977, 371; m.Erw. von Hübner, MDR 1977, 726; Stumpe, Zur Fristsetzung nach § 410 Abs. 3 AO bei strafbefreiender Selbstanzeige, StBp 1964, 197; Wassmann, Zu den Voraussetzungen des § 371 Absatz 3 AO, ZfZ 1990, 40; Wrenger, Probleme der Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO, DB 1987, 2325; Zimmermann, Nachzahlung bei Selbstanzeige, Diss. Greifswald 2001.
1. Nachzahlung als Voraussetzung zur Erlangung von Straffreiheit Mit der Abgabe der Selbstanzeige erwirbt der Täter eine Anwartschaft auf Straffreiheit.1 § 371 Abs. 3 AO macht die Straffreiheit durch Selbstanzeige für den Fall, dass Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt sind, von der Nachzahlung der zu Gunsten des Beteiligten hinterzogenen Steuer innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist abhängig. Der Täter ist zur Nachzahlung der zu seinen Gunsten verkürzten Steuer verpflichtet, soweit eine Steuerverkürzung eingetreten ist bzw. Steuervorteile erlangt wurden, d.h. soweit die Steuerhinterziehung vollendet ist. Der staatliche Strafanspruch bleibt bis zur fristgerechten Nachzahlung der geschuldeten Steuer bestehen und ist auflösend bedingt durch die Nachzahlung der hinterzogenen Steuer innerhalb einer zu setzenden Frist.2 Erst die Wiedergutmachung des Erfolgsunrechts i.S.d. § 371 Abs. 3 AO macht die „Rückkehr ins Recht“ vollkommen.3 Die Fristsetzung dient dazu, den Täter zur alsbaldigen Nachzahlung anzuhalten und den Schwebezustand zwischen der Anwartschaft auf Straffreiheit und dem Eintritt oder Verlust der Straffreiheit zu beenden. Die Finanzbehörde ist daher zur Fristsetzung verpflichtet, sie hat diesbezüglich keinen Ermessensspielraum.
497
Ist die Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Berichtigungserklärung 498 nicht vollendet worden, so besteht für eine Nachzahlung von Steuern kein Grund, da der Täter keine wiedergutzumachenden Steuervorteile erlangt hat.4 Dies ist der Fall, wenn die Steuerhinterziehung nur versucht wurde oder der Täter die Selbstanzeige bereits erstattet hatte, bevor er veranlagt wurde.5 In der Nachzahlungspflicht des Absatzes 3 kommt der Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige mit der Erschließung von bislang unbekannten Steuerquellen deutlich zum Ausdruck. 1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 86; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 96; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 98. 2 BGH, Urt. v. 3.6.1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336, 341; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 3.11.1989 – RReg. 4 St 135/89, wistra 1990, 159, 162; LG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1987 – 6 KLs 243/86, wistra 1988, 36, 37; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 98. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 96; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 99. 4 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 87; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 99; Wassmann, ZfZ 1990, 40. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 97.
123
499
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
2. Nachzahlungspflichtiger 500
§ 371 Abs. 3 AO verpflichtet seit der Neuregelung zum 1.1.1977 den an der Steuerhinterziehung Beteiligten zur Nachzahlung, wenn er Steuern zu seinen Gunsten hinterzogen hat. Es stellt sich jedoch die Frage, wer von dieser Nachzahlungspflicht betroffen ist, ob neben dem Steuerschuldner für eigene Steuerschulden auch der Tatbeteiligte für fremde Steuerschulden zur Nachzahlung herangezogen werden kann. a) Nachzahlung eigener Steuerschulden
501
Unstreitig ist, dass der Steuerhinterzieher die innerhalb des eigenen Steuerschuldverhältnisses hinterzogenen Steuern nachentrichten muss, da sich die Steuerschuld für ihn durch die Tat vermindert hat.1
502
Die Nachzahlung der zu seinem eigenen Vorteil verkürzten Steuern setzt voraus, dass die Steuerschuld im Zeitpunkt der Selbstanzeige materiellrechtlich fortbesteht. Wird die Steuerschuld durch die Finanzbehörde vollständig erlassen, ist der Steuerschuldner nicht weiter zur Nachzahlung verpflichtet. Ein teilweiser Erlass mindert die Steuerschuld (§§ 47, 227 Abs. 1 AO) und beschränkt die Nachzahlungspflicht. Eine Niederschlagung des Steueranspruchs nach § 261 AO lässt dagegen die Steuerschuld unberührt, der Steuerschuldner bleibt zur Nachzahlung verpflichtet.2 b) Nachzahlung fremder Steuerschulden
503
§ 371 Abs. 3 AO verpflichtet einen an der Tat Beteiligten, derentwegen die Selbstanzeige erstattet wurde, zur Nachzahlung. Der Wortlaut des Gesetzes besagt, dass die Form der Tatbeteiligung für die Nachzahlungsverpflichtung unerheblich ist.3 Damit kommen sowohl Alleintäter oder Mittäter als auch Teilnehmer (Gehilfen oder Anstifter), die nicht selbst Steuerschuldner sind, aber den vollen finanziellen Vorteil aus ihrer Tat ziehen, als Verpflichtete in Betracht.4
504
Tatunbeteiligte, deren Anzeige keine Selbstanzeige i.S. des § 371 AO wäre, sind nicht zur Nachzahlung verpflichtet.
505
Auch wenn Täter und Teilnehmer zu den Nachzahlungsverpflichteten gehören, eröffnet die Formulierung „zu seinen Gunsten“ Raum zur Diskussion, wie der erlangte Vorteil beschaffen sein muss, um die Annahme zu rechtfertigen, der Täter oder Teilnehmer habe zu seinen Gunsten gehandelt. 1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 98; Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung Rz. 169; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 100; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 129; Wassmann ZfZ, 1990, 40 f. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 124. 3 Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 127. 4 S. Amtl. Begr. zum EAO 1974, BT Drucks. Vl/1982, 195; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 89; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 101.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Die Frage gewinnt insb. in Fällen an Bedeutung, in denen ein persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter einer OHG oder KG, ein Vorstandsmitglied einer AG, ein Geschäftsführer einer GmbH oder eines rechtsfähigen Vereins Täter oder Teilnehmer der Hinterziehung betrieblicher Steuern ist.
506
Vereinzelt wurde die Ansicht vertreten, dass ausschließlich ein eigener steuerlicher Vorteil die Nachentrichtungspflicht begründe.1 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Rspr.2 hat sich auch im Schrifttum durchgesetzt.3
507
aa) Unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil Nach dem Urteil des BGH vom 4.7.19794 soll es darauf ankommen, ob dem Tatbeteiligten bei wirtschaftlicher Betrachtung ein unmittelbarer Vorteil aus der Tat zugeflossen ist. Nach dieser Betrachtungsweise kann auch derjenige zur Nachzahlung verpflichtet sein, der nicht persönlicher Steuerschuldner ist. Bei dem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil muss es sich jedoch nicht notwendigerweise um einen steuerlichen Vorteil handeln5, ausreichend ist ein wirtschaftlicher Vorteil.
508
Beispiel: Die Geschäftsführerin einer KG hat zugunsten der KG falsche USt-Anmeldungen abgegeben und entsprechend ihrem Plan eigenmächtig die ersparten Beträge der von ihr verwalteten Hauptkasse der KG entnommen, um sie für eigene Zwecke zu verwenden. Steuerschuldnerin war die KG, Nutznießerin der Beträge, welche die Gesellschaft infolge der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen zu wenig entrichtete, war aber allein die Geschäftsführerin. Denn die Steuerhinterziehungen ermöglichten es ihr, der von ihr verwalteten Hauptkasse der KG weiterhin eigenmächtig erhebliche Beträge zu entnehmen, um sie für eigene Zwecke zu verwenden. Die KG hatte von der Steuerverkürzung keinerlei Nutzen; denn ihr standen die Gelder während des Hinterziehungszeitraums nicht zur Verfügung, weil die Geschäftsführerin sie, wie geplant, veruntreute. Das Merkmal „zu seinen Gunsten“ in § 371 Abs. 3 AO muss demnach auch im wirtschaftlichen Sinne verstanden werden. Die Geschäftsführerin hat einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil erlangt und ist daher zur Nachzahlung i.S.v. § 371 Abs. 3 AO verpflichtet.
509
1 Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 130; Dumke, BB 1981, 117 f.; Bringewat, JZ 1980, 347. 2 BGH, Urt. v. 19.2.1985 – 5 StR 798/84, wistra 1985, 104 mit abl. Anm. Joecks, wistra 1985, 151 f.; LG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1987 – 6 KLs 243/86, wistra 1988, 36, 37; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.1984 – 1 Ss (23) 205/84, wistra 1984, 239; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.11.1985 – 1 Ss 108/85, wistra 1986, 116, 117. 3 Eing. Kohlmann, wistra 1982, 24 ff.; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 98; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 102; Bilsdorfer, BB 1981, 490, 492 f.; Franzen, DStR 1983, 323, 325; Bender, Tz. 35, 2b; einschr. Göggerle, GmbHR 1980, 173; Reiß, NJW 1980, 1291; abl. Brenner, ZfZ 1979, 140, 142. 4 3 StR 130/79, BGHSt 29, 37. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks § 371 Rz. 99; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 89.4; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 102; Rüping in HHSp. § 371 Rz. 103, 104; Senge in Erbs/Kohlhaas, § 371 Rz. 19.
125
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
510
Beispiel: Der Geschäftsführer einer GmbH verübt im Interesse der GmbH eine Steuerhinterziehung für einen daran teilnehmenden Angestellten, damit dieser seinen Arbeitsplatz länger behält. Der Geschäftsführer der GmbH ist berufsbedingt in die Lage einer sozial abhängigen Stellung geraten, in der er die Tat aus vermeintlicher Treue gegenüber dem Arbeitgeber in dessen Interesse begangen hat. Unter den strafrechtlichen Gesichtspunkten von Unrecht und Schuld, die auch bei § 371 AO nicht gänzlich außer Betracht bleiben dürfen, ist es sachgerecht, einem solchen Tatbeteiligten die Umkehr mit der Folge der Straffreiheit leichter zu machen als demjenigen, der Steuern um des eigenen unmittelbaren Vorteils willen hinterzogen hat. Ein unmittelbarer Vorteil in diesem Sinne ist zu verneinen, weil eine im Interesse des Unternehmens verübte Steuerhinterziehung für einen daran teilnehmenden Angestellten lediglich bewirkt, dass die Tat den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Betriebs eine Zeitlang aufschiebt. § 371 Abs. 3 AO macht die Straffreiheit nicht von der fristgerechten Nachzahlung fremder Steuern abhängig.
511
In zahlreichen Fallkonstellationen hat die Rspr. anerkannt, dass den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person keine Nachzahlungspflicht trifft. Nachfolgend werden einige Fallkonstellationen dargestellt.
512
Beispiel nach BGH, Urteil vom 22.7.19871: Ein angestellter GmbH-Geschäftsführer einer beherrschenden Gesellschaft, der am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt war, keine Tantiemen oder sonstige gewinnabhängige Zahlungen erhielt, hat Eingangsabgaben einer abhängigen Gesellschaft hinterzogen, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Es ist kein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil gegeben, da die Stellung des Geschäftsführers nicht über die eines abhängigen Angestellten hinaus geht.2 Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil liegt auch nicht darin, dass durch die Abgabenhinterziehung der wirtschaftliche Zusammenbruch des Betriebes aufgeschoben und der betroffene Geschäftsführer dadurch seinen Arbeitsplatz länger behalten habe. Personen, die in sozial abhängiger Stellung aus vermeintlicher Treuepflicht zum Arbeitgeber bei einer Steuerhinterziehung mitwirken, soll die Umkehr von der Tat mit der Folge der Straffreiheit leichter gemacht werden. Aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer nach § 69 bzw. § 71 AO für die hinterzogenen Steuern haftet, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist.
513
Im Umkehrschluss zu der vorbezeichneten BGH-Entscheidung vom 22.7.19873 folgt, dass eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung am Gewinn des Unternehmens einen Vorteil i.S. des § 371 Abs. 3 AO begründet.4
514
Hinterzieht der persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft Steuern, begründet dies eine Nachzahlungspflicht des Gesellschafters, da dieser nach § 128 HGB unbeschränkt persönlich haftet.5
1 2 3 4 5
3 StR 224/87, wistra 1987, 343. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 100. 3 StR 224/87, wistra 1987, 343. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 89.8. Göggerle, GmbHR 1980, 173, 176.
126
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Entsprechendes gilt, wenn der Gesellschafter einer Einmann-GmbH deren Steuern hinterzieht.1 Auf eine Entnahme oder Gewinnausschüttung kommt es nicht an.2
515
Die Nachzahlungspflicht trifft auch den Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG, der 96 % des Stammkapitals der GmbH hält und alleiniger Kommanditist der KG ist3 sowie u.U. die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die nur eine geringe Beteiligung an der Gesellschaft haben.4
516
Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sollen rein wirtschaftliche Vorteile, die nicht stoffgleich als wirtschaftliches Äquivalent des Hinterziehungserfolges erscheinen, keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil darstellen.
517
Nicht ausreichend ist daher die Vergütung eines Steuerberaters, der sich durch die Mitwirkung an der Tat eine Verbesserung des Mandats verspricht5, denn bei § 371 Abs. 3 AO handelt es sich nicht um eine Regelung über die Abschöpfung von Vermögensvorteilen nach Begehung der Tat.6 Anders ist der Fall dann zu beurteilen, wenn der Steuerberater ohne Wissen des Mandanten handelt und sich die aus der Steuerhinterziehung erwachsene Steuererstattung auf sein eigenes Konto auszahlen lässt.
518
Die Unmittelbarkeit fehlt, wenn ein Ehegatte, der im Betrieb des anderen Ehegatten angestellt ist, zu dessen Gunsten Steuern hinterzieht.7 Das Eheverhältnis allein begründet keinen unmittelbaren Vorteil. Einen unmittelbaren Vorteil verschafft sich der angestellte Ehegatte erst, wenn er dem Betrieb die ersparte Steuer eigenmächtig entzieht.
519
Dem Vorstandsvorsitzenden einer AG erwachsen daher keine unmittelbaren Vorteile aus der Weiterleitung von Geldern an Parteien und einzelne Politiker und durch die Geltendmachung dieser Zahlungen als Betriebsausgaben im Rahmen der Besteuerung der AG.8
520
In Fällen, in denen ein anderer als der Steuerschuldner an der Steuerhinterziehung beteiligt war und als Haftungsschuldner gem. §§ 69, 71 AO für die hinterzogenen Steuern in Anspruch genommen werden kann,
521
1 BayObLG, Urt. v. 27.4.1972 – RReg. 4 St 26/72, DStZ/B 1972, 287; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 104. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 101. 3 LG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1987 – 6 KLs 243/86, wistra 1988, 36 f. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.1984 – 1 Ss (23) 205/84, wistra 1984, 239. 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 21.11.1985 – 1 Ss 108/85, wistra 1986, 116, 117; Joecks in Franzen/Gast/Joecks § 371 Rz. 99; Wrenger, DB 1987, 2325, 2327; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 41; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 133. 6 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 99. 7 Göggerle, GmbHR 1980, 173, 177; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 102; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 104; vgl. aber die Sachlage in BGHSt, 29, 37, 40 f. 8 LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 75 unter Berufung auf das Urt. des BGH v. 4.7.1979 – 3 StR 130/79, BGHSt 29, 37; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 89.7.
127
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
stellt sich die Frage, ob auch der Haftungsschuldner zu seinen Gunsten Steuern verkürzt hat. 522
Die Rspr. differenziert zwischen den durch die Hinterziehung selbst begründeten Haftungsgründen, die zu keiner Nachzahlungspflicht führen, und darüber hinausgehenden Pflichtverletzungen, die eine Haftung nach § 69 AO und mithin eine Nachzahlungspflicht begründen können.
523
Wird der Geschäftsführer allein nach § 69 AO in Haftung genommen, kann aus diesem Umstand nicht zugleich geschlossen werden, dass der Angeklagte eigene wirtschaftliche Vorteile erlangt hat.1 Die Haftung nach § 69 AO kann allenfalls ein Indiz dafür sein, dass der Täter einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. Der BGH hat in seinem Urteil vom 22.7.19872 dargelegt, dass, wenn die steuerliche Haftung gem. §§ 69, 71 AO gerade auf der Hinterziehung beruht, der Täter gegenüber dem vor der Hinterziehung bestehenden Zustand keinen Vorteil erlangt. Der BGH betonte, dass die steuerliche Haftung nach § 71 AO keinen aus der Hinterziehung erlangten Vorteil darstelle, sondern den Täter als zusätzliche Folge seiner Tat nachteilig belaste. Der BGH führte weiterhin aus, dass nichts anderes gelten könne, wenn die Steuerhinterziehung als solche gleichzeitig auch die Haftung nach § 69 AO begründe und keine weiteren Haftungsgründe gem. §§ 34, 69 AO vorlägen.
524
In seinem Urteil vom 19.2.19853 hat der BGH aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer nach § 71 AO in Haftung genommen wurde, geschlossen, dass er die Tat zu seinem Vorteil begangen habe.
525
Gegen die Entscheidung des BGH im vorgenannten Fall gibt es keine Einwände. Die die Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO auslösende Pflichtverletzung lag bereits in der schuldhaften Nichtabführung der Lohnsteuer, die als solche bloße Vorbereitungshandlung zu der durch unterlassene Lohnsteuer-Anmeldungen begangenen späteren Lohnsteuerhinterziehung mit der Haftungsfolge aus § 71 AO war. Allerdings hätten weitere Feststellungen darüber getroffen werden müssen, dass der Täter nur gehandelt hat, um einer bestehenden oder erwarteten Haftung aus § 69 AO zu entgehen, um eine Hinterziehung zu seinen Gunsten annehmen zu können.4 Jedenfalls liegt dies nicht auf der Hand.5
526
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Haftung nach §§ 69, 71 AO allein nicht zur Folge hat, dass der Haftungsschuldner die Steuerhinterziehung zu seinen Gunsten begangen hat.6 1 So auch BGH, Urt. v. 22.7.1987 – 3 StR 224/87, wistra 1987, 343, 344; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 100. 2 3 StR 224/87, wistra 1987, 343, 344. 3 5 StR 798/84, wistra 1985, 104; mit abl. Anm. Joecks, wistra 1985, 151 f. 4 Offen gelassen von BGH, Urt. v. 22.7.1987 – 3 StR 224/87, wistra 1987, 343. 5 So aber BGH, v. 19.2.1985 – 3 StR 798/84, wistra 1985, 104. 6 So auch LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 75; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 108.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Auch darin, dass gegen den Täter ein Haftungsbescheid nach § 71 AO ergehen kann und bei Nichtaufdeckung der Tat nicht ergeht, liegt kein Vorteil, denn insoweit ist die Vermögenslage im Zeitpunkt der Tat und nicht im Zeitpunkt der Aufdeckung oder dem Unentdecktbleiben maßgeblich.1
527
bb) Angeeigneter Vorteil Die Finanzverwaltung hat sich der Auslegung des BGH im Urteil vom 4.7.1979 zum Merkmal „zu seinen Gunsten“ angeschlossen. Im Schreiben des BMF vom 21.9.19812 heißt es, dass auch Vorteile, die sich der Täter angeeignet hat, genügen. Diese Sichtweise hat die Finanzverwaltung bereits in dem Beispiel der Verbrauchsteuerhinterziehung durch Diebstahl aus einem Herstellungsbetrieb in der Begr. zum EAO 19743 zum Ausdruck gebracht.
528
3. Nachzuzahlender Betrag a) Nachzahlung der „hinterzogenen Steuern“ Nach § 371 Abs. 3 AO muss der Tatbeteiligte „die … hinterzogenen Steuern“ nachentrichten. Hierbei handelt es sich um die Steuern i.S.v. § 3 Abs. 1 AO. Zu den hinterzogenen Steuern gehört auch der Solidaritätszuschlag.
529
Der Wortlaut des Gesetzes schließt dagegen steuerliche Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 4 AO aus.4 Der Tatbeteiligte ist nicht zur Nachzahlung von
530
– Verspätungszuschlägen (§ 152 AO)5, – Stundungszinsen (§ 234 AO), – Hinterziehungszinsen (§ 235 AO)6, – Säumniszuschlägen (§ 240 AO)7 und – Zwangsgeldern (§ 329 AO)8 verpflichtet.
531
1 2 3 4 5
Zutr. Westpfahl, S. 31. BStBl. 1981 I 625. BT-Drucks. VI/1982, S. 195. Mack, Stbg 2010, 259. Vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 406; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 134. 6 Die Nachentrichtung von Hinterziehungszinsen ist nicht Bedingung für den Eintritt der Straf- bzw. Bußgeldfreiheit OLG Hamburg, Beschl. v. 12.2.1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166. 7 Nahezu einhellige Ansicht, vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 406; BayObLG, Beschl. v. 1.12.1980 – RReg. 4 St 241/80, NStZ 1981, 147 f., Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 103; Dietz in Leise, § 371 Rz. 46; Jäger in Klein, § 371 Rz. 86. 8 Vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 406.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Û
Hinweis: Zur Erlangung von Straffreiheit muss der Tatbeteiligte die strafrechtlich noch nicht verjährten Steuern nachentrichten. Reicht das zur Verfügung stehende Kapital nicht, um die Steuern auch für den steuerlich nicht verjährten Zeitraum zu entrichten, muss der Tatbeteiligte eine Verwendungszweckbestimmung gegenüber dem Finanzamt abgeben und darauf achten, dass die geleistete Zahlung auf die strafrechtlich nicht verjährten Steuern gebucht wird.
b) Höhe des nachzuzahlenden Betrages 533
Aus der Formulierung des § 371 Abs. 3 AO „zu seinen Gunsten“ wird deutlich, dass sich die Nachzahlungspflicht des Tatbeteiligten auf den unmittelbaren Vorteil aus der Tat beschränkt.1
534
Die Bestimmung der Höhe des Vorteils ist zweifelhaft. Sicher scheint, dass der Betrag der hinterzogenen Steuer nicht identisch sein muss mit dem Betrag, der durch die Veranlagung in Folge der Selbstanzeige nachträglich festgesetzt worden ist.
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Û
536
Die Höhe der verkürzten Steuer bestimmt sich nicht nach dem nominellen Betrag der verkürzten Steuerbeträge im strafrechtlichen Sinne;3 entgegen Wassmann4 erfolgt daher kein Vergleich der Steuern, die aufgrund der unwahren oder unvollständigen Angaben des Täters festgesetzt worden sind, und den Steuern, die zu erheben gewesen wären.
537
Hat der Steuerpflichtige die Tat allein begangen, so bestimmt sich der hinterzogene Betrag nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise danach, in welchem Umfang der Täter von der Tat profitiert hat.5 Für die Haftung des Steuerhinterziehers nach § 71 AO hat der BFH in seinem Ur-
Hinweis: Werden bei einer Prüfung der steuerlichen Verhältnisse im Anschluss an die Selbstanzeige weitere Besteuerungsgrundlagen aufgedeckt, die der Steuerpflichtige fahrlässig nicht angegeben hatte, kann die nachträglich festgesetzte Steuer die vorsätzlich hinterzogene Steuer übersteigen. Eine Aufteilung in hinterzogene und nicht hinterzogene Beträge erscheint wie bei §§ 71, 169 Abs. 2 AO erforderlich, soweit die Festsetzungsfrist von einem, vier oder fünf Jahre für nicht hinterzogene Beträge bereits abgelaufen ist, ebenso wie bei § 235 Abs. 1 AO.2
1 Vgl. auch Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 137; Brenner, ZfZ 1979, 140, 141; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 105. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 103; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 105. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 105; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 133; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 93.1. 4 ZfZ 1990, 40, 42. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 103; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 108, 110.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
teil vom 26.8.19921 diese Betrachtungsweise anerkannt. Die in dem Urteil des BFH vom 26.8.1992 angeführte Wertung gilt auch für § 371 Abs. 3 AO.2 Haben mehrere Täter oder Teilnehmer die Tat begangen, haften diese in steuerlicher Hinsicht zwar als Gesamtschuldner nach §§ 71, 44 AO; zur Erlangung von Straffreiheit entsprechend ihrem Tatbeitrag müssen sie jedoch nur denjenigen Betrag nachentrichten, der ihrem Vorteil, den sie aus der Tat erlangt haben, entspricht.3
538
Û
Hinweis: Das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO gilt bei der Bestimmung der Höhe des Nachzahlungsbetrages nicht, so dass Steuerermäßigungsgründe bei der Nachzahlung zu berücksichtigen sind.4 Andernfalls würde der Nachentrichtungspflichtige zum Ausgleich eines fiktiven Steuerschadens gezwungen, der in dieser Höhe steuerlich nicht geltend gemacht werden könnte.
539
Beispiel: Hinterzieht der Angestellte A der B-GmbH zugunsten des Gesellschafters B ohne dessen Wissen Umsatzsteuer in Höhe von 7000 Euro, unterschlägt für sich aber nur 2000 Euro, ist A gem. § 371 Abs. 3 AO nur zur fristgemäßen Nachzahlung von 2000 Euro verpflichtet, um Straffreiheit zu erlangen.
540
Entrichtet der Tatbeteiligte nur einen Teil der zu seinen Gunsten hinter- 541 zogenen Steuern nach, erlangt er nach § 371 Abs. 3 AO in der Fassung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes Straffreiheit nur, soweit die Zahlung die Tat im materiellen Sinne deckt. In Bezug auf die übrigen Taten im materiellen Sinne bleibt der Tatbeteiligte strafbar. Dies ist auf die Wiedergutmachungsfunktion des § 371 AO zurückzuführen. Tragender Gesichtspunkt ist insoweit, dass dem Täter nicht seine Beute verbleiben darf, wenn er für sich Strafbefreiung in Anspruch nimmt.5 Zahlt dagegen ein Tatbeteiligter nicht nur die zu seinen Gunsten hinterzogene Steuer, sondern auch die zu Gunsten des weiteren Tatbeteiligten hinterzogene Steuer innerhalb der ihm gesetzten Frist, erlangt auch der weitere Tatbeteiligte Straffreiheit gem. § 371 AO, wenn er seinerseits Selbstanzeige erstattet hat und die ihm gesetzte Frist noch nicht abgelaufen ist.
542
Soweit mehrere Steuern nachzuzahlen sind und der Betrag der Nachzahlung hinter dem Gesamtbetrag zurückbleibt, bestimmt der Tatbeteiligte, der die Zahlung geleistet hat, die Reihenfolge der Tilgung (§ 225 Abs. 1
543
1 BStBl. 1993 I 8. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 105. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 104; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 93.2; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 135; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 138; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 107; Löffler, Grund und Grenzen der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige, 1992, 187 ff.; Wrenger, DB 1987, 2325, 2327. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 105; Mack, Stbg 2010, 260. 5 Löffler, S. 189.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
AO). Andernfalls bestimmt § 225 Abs. 2 AO, dass die Zahlung zunächst auf die Steuer angerechnet wird, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet. 544
§ 371 Abs. 3 AO verlangt, anders als die frühere Gesetzesfassung des § 395 Abs. 3 RAO, keine ausdrückliche Festsetzung der geschuldeten Steuer mehr. Während die früheren Fassungen im Kern lauteten: „… die verkürzten Steuern nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet“, heißt es in § 371 Abs. 3 AO: „… die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet“. Dies bedeutet, dass die Nachzahlungspflicht unabhängig von einem Steuer- oder Haftungsbescheid besteht; diese sind nicht Voraussetzung einer Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO.1 Regelmäßig liegen jedoch Steuerbescheide vor. 4. Nachzahlungsfrist
545
Nach § 371 Abs. 3 AO erlangt der Tatbeteiligte Straffreiheit, „wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet“; das Gesetz räumt dem Tatbeteiligten zur Nachzahlung der versäumten Steuerschulden eine bestimmte angemessene Frist ein. a) Zweck und Rechtsnatur der Fristsetzung
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Mit der Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO verfolgt das Gesetz zwei unterschiedliche Ziele:
547
Einerseits soll die Fristsetzung dem Tatbeteiligten die Möglichkeit geben, sich auf die Steuernachzahlung in der ihm bekannt gegebenen Höhe einzustellen und seine Steuerpflichten nachträglich zu erfüllen.2 Hierbei ist zu bedenken, dass der Steuerstraftäter zumeist über mehrere Jahre hinweg Steuern hinterzogen hat, aber nicht unbedingt länger über die hinterzogenen Beträge verfügt, und daher nicht in der Lage ist, seiner Nachzahlungspflicht sofort nach Erstattung der Selbstanzeige nachzukommen.3 Um dem Sinn und Zweck der Selbstanzeige nachzukommen, muss dem Tatbeteiligten eine angemessene Zeit belassen werden, in der er sich die erforderlichen Gelder beschafft.
1 LG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1987 – 6 KLs 243/86, wistra 1988, 36, 37; m. zust. Anm. Gramich, wistra 1988, 37; i.Erg. bereits ebenso Stegmaier in seiner abl. Anm. zum Beschluss des OLG Stuttgart v. 4.5.1984, wistra 1985, 202; a.A. offenbar OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.1984 – 1 Ss (23) 205/84, wistra 1984, 239, ohne nähere Begründung, wobei es aber letztlich auch an der Bestimmung einer Nachsetzungsfrist mangelte. 2 Zust. BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352, 354; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 107. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 97.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Andererseits soll der Tatbeteiligte durch die Fristbestimmung Gewissheit über den Eintritt oder Nichteintritt der Strafbefreiung erhalten.1 Solange die Frist des § 371 Abs. 3 AO nicht abgelaufen ist, kommt weder eine Verurteilung noch ein Freispruch in Betracht, d.h. das Steuerstrafverfahren kann nicht abgeschlossen werden.2
548
Der Umstand, dass dem Täter in jedem Fall eine Nachzahlungsfrist bewilligt werden muss, zeigt, dass diese nicht mit den allgemeinen steuerlichen Zahlungsfristen verglichen werden kann.3 Eine bereits festgesetzte Zahlungsfrist im Steuerbescheid ist nicht maßgeblich; die Festsetzung des § 371 Abs. 3 AO hat vielmehr eigenständigen Charakter.
549
Der Zweck des Gesetzes bekundet, dass die Zahlungsfrist nach § 371 Abs. 3 AO ausschließlich strafrechtliche und strafprozessuale Bedeutung hat.4 Der steuerpolitische Aspekt der Nachentrichtung alleine macht die Frist nicht zu einer steuerlichen. Die Frist gem. § 371 Abs. 3 AO ist vielmehr unabhängig von steuerlichen Zahlungsfristen.5
550
Û
551
Hinweis: Die Frist nach § 371 Abs. 3 AO ist nicht identisch mit den Monatsfristen, nach deren Ablauf Nachzahlungen aufgrund von Berichtigungsbescheiden kraft Gesetzes fällig werden (vgl. § 36 Abs. 4 EStG; § 20 Abs. 2 GewStG). Die Monatsfrist in den Berichtigungsbescheiden wird von der Veranlagungsstelle kraft Gesetzes festgesetzt, die Nachzahlungsfrist nach § 371 Abs. 3 AO wird von der Bußgeld- und Strafsachenstelle bestimmt.
b) Erfordernis der Fristsetzung Der Steuerhinterzieher hat in jedem Fall Anspruch auf Gewährung der Zahlungsfrist.
552
Die Fristsetzung erfolgt sowohl bei Veranlagungssteuern, wobei die Frist nach § 371 Abs. 3 AO nicht identisch sein muss mit den Monatsfristen, nach deren Ablauf Nachzahlungen aufgrund von Berichtigungsbescheiden kraft Gesetzes fällig werden (vgl. § 36 Abs. 4 EStG; § 20 Abs. 2
553
1 Vgl. auch AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268, 269 = DStZ 1983, 414; LG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1987 – 6 KLs 243/86, wistra 1988, 36, 37 f.; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 107. 2 BayObLG, Beschl. v. 3.11.1989 – RReg. 4 St 135/89, wistra 1990, 159, 160; Nds. FG Hannover, Urt. v. 27.8.1963 – V 30/62, DStZ/B 1963, 403. 3 Vgl. OLG Celle v. 24.2.1955, DStR 1955, 228; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 97; ausf. App, DStR 1987, 37. 4 Zust. BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352; ebenso AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268 = DStZ 1983, 414; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 110; Dietz in Leise, § 371 Rz. 58; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 149; App, DStR 1987, 37 f. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 107.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
GewStG)1 als auch bei Fälligkeitssteuern (z.B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer), für die sonst keine Zahlungsfrist gewährt wird.2 554
Eine Fristsetzung wird nicht obsolet, wenn der Steuerpflichtige in Folge von Insolvenz nicht zahlungsfähig ist.3 Der zur Zahlung verpflichtete Täter muss die Gelegenheit haben, sich den Nachzahlungsbetrag durch Beschaffung von Fremdmitteln zu besorgen. Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 2.4.19524 ausgeführt, dass § 371 AO insbesondere bezweckt, dem Steuerpflichtigen einen Anreiz zu geben, im Interesse der Erhöhung des Steueraufkommens alles daranzusetzen, den geschuldeten Steuerbetrag nachzuzahlen. Die Nachfrist muss nach dieser Entscheidung auch dann zugebilligt werden, wenn der Steuerpflichtige zur Nachzahlung voraussichtlich nicht in der Lage sein wird. Die Aufbringung des erforderlichen Geldbetrages etwa mit Hilfe Dritter liegt auch in solchen Fällen in seinem Interesse, um der drohenden Bestrafung zu entgehen.
555
Nach der Entscheidung des BGH vom 21.6.19945 wirkt die gegenüber einem Mittäter gesetzte Frist auch gegenüber anderen Mittätern. Diese Entscheidung wird von Schauf6 zu Recht abgelehnt, da § 371 Abs. 3 AO voraussetzt, dass der Täter eine „ihm“ bestimmte Frist verstreichen lässt.
556
Eine Fristsetzung ist allerdings nicht in jedem Fall Voraussetzung für den Eintritt der Straffreiheit. Sie entfällt bei freiwilliger vorzeitiger Tilgung des Anspruchs.7
557
Beispiel nach App, DStR 1987, 37: Der Steuerpflichtige S hat eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO abgegeben, jedoch weder innerhalb der in den Steuerbescheiden angeführten Fälligkeitsterminen noch auf die Mahnung hin die Steuer entrichtet. Die Zahlung erfolgte zu einem späteren Zeitpunkt. Die Aufsichtsbehörde des Finanzamts kommt bei einer internen Geschäftsprüfung zu der Erkenntnis, dass der Steuerpflichtige bereits bei Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung die Unrichtigkeit seiner Angaben gekannt haben muss, er mithin eine Steuerhinterziehung begangen habe. Da der Steuerpflichtige weder innerhalb der in den Steuerbescheiden gesetzten Fälligkeitsterminen noch innerhalb der in der Mahnung genannten Frist die Steuern nachgezahlt habe, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, habe die als Selbstanzeige zu wertende Berichtigungserklärung keine strafbefreiende Wirkung. 1 OLG Celle v. 24.2.1955, DStR 1955, 228; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 97. 2 Vgl. LG Hamburg, Urt. v. 27.9.1951 – (31) 207/51, BB 1953, 254; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Rz. 108. 3 BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352, 354 = wistra 1982, 193; BayObLG, Beschl. v. 3.11.1989 – RReg. 4 St 135/89, wistra 1990, 159, 162; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1987 – Ss 141/87 – 154, wistra 1988, 274, 276; Dietz in Leise, § 371 Rz. 56; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 109; Jäger in Klein, § 371 Rz. 91. 4 2 Ss 105/52, BB 1952, 484. 5 5 StR 105/94, ZfZ 1995, 218, zit. bei Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 83. 6 In Kohlmann, § 371 Rz. 96. 7 BayObLG, Beschl. v. 3.11.1989 – RReg. 4 StR 135/89, wistra 1990, 159, 162; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974, 977.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige Der von der Aufsichtsbehörde vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dem Steuerpflichtigen war keine Frist i.S.v. § 371 Abs. 3 AO gesetzt worden. Die vom Finanzamt gesetzte steuerliche Frist in den Steuerbescheiden ersetzt nicht die Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO. Es besteht keine Wechselbeziehung zwischen der rein steuerlichen Frist z.B. nach § 36 Abs. 4 S. 1 EStG und der nach strafrechtlichen Gesichtspunkten festzusetzenden Zahlungsfrist nach § 371 Abs. 3 AO. Soweit sich der Steuerpflichtige weiterhin mit der Entrichtung der festgesetzten Steuer in Verzug befindet, kann die Aufsichtsbehörde das Finanzamt anweisen, dem Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Zukunft eine Nachzahlungsfrist gem. § 371 Abs. 3 AO zu setzen.
c) Bemessungsgrundsätze zur Bestimmung der Nachzahlungsfrist Die Finanzbehörde muss die Bestimmung der Frist nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 5 AO vornehmen. Dabei hat die Finanzbehörde strafrechtlichen Erwägungen, abgeleitet vom Zweck der Selbstanzeige, Vorrang gegenüber wirtschaftlichen und steuerpolitischen Erwägungen zu geben.1
558
Als strafprozessuale Maßnahme unterliegt die Ermessensausübung sowohl im Hinblick auf das „Ob“ als auch auf das „Wie“ der Überprüfung durch das Strafgericht.2
559
Es gilt der Grundsatz, dass die Fristsetzung den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Steuerpflichtigen Rechnung tragen muss. Der vom Finanzamt zu bestimmende Zeitraum ist so zu wählen, dass der Täter – bei gutem Willen und Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten – in der Lage sein könnte, den benötigten Geldbetrag bereitzustellen, um die Nachzahlungspflicht zu erfüllen.3
560
Die Höhe des nachzuzahlenden Betrages darf dabei nicht außer Betracht gelassen werden.4
561
Neben der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen ist zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige die Steuerbeträge schon wesentlich früher hätte bezahlen müssen und der rechtswidrige Vorteil dem Täter nicht länger als unumgänglich notwendig verbleiben soll.5
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1 BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352, 354 = wistra 1982, 193. 2 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317, 320 gegen OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577, 1578. 3 So auch LG Koblenz, Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 110; Lohmeyer StB 1982, 297, 301. 4 Vgl. LG Koblenz, Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79. 5 Vgl. Nds. FG Hannover, Urt. v. 27.8.1963 – V 30/62, DStZ/B 1963, 403; Jäger in Klein, § 371 Rz. 90; Dietz in Leise, § 371 Rz. 55; Pfaff, StBp 1987, 133, 134 bezugnehmend auf den Beschl. des LG Koblenz v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
563
Weiterhin ist bei der Fristbestimmung die Zeitspanne zwischen Selbstanzeige und Fristsetzung, in der sich der Täter auf die zu erwartende Nachzahlung einrichten kann, zu berücksichtigen.1 Soweit Streit über den Umfang der noch zu zahlenden Steuern besteht, gilt dies nicht.2
564
Im Rahmen der Ermessensausübung muss die Finanzbehörde die aktuellen persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen ermitteln. Bei finanziell angespannten Verhältnissen ist dem Steuerpflichtigen daher für die Nachzahlung der geschuldeten Beträge Ratenzahlung, Stundung oder – auf Antrag vor Ablauf der Zahlungsfrist – Fristverlängerung zu gewähren. Dabei sind nicht geringere Anforderungen zu stellen, als dies im Rahmen einer Stundung üblich und geboten ist.3 Die bei der Gewährung einer Nachzahlungsfrist anzusetzenden Maßstäbe müssen strenger sein als bei einer nach § 222 AO zu treffenden Entscheidung bei einem ehrlichen Steuerzahler. Hierbei ist zu bedenken, dass der Steuerhinterzieher durch seine Tat rechtswidrige Vorteile erlangt hat, auf die er keinen Anspruch hatte.
565
Keinen Anspruch auf Fristverlängerung hat, wer sein unzureichendes Zahlungsvermögen bei Fristablauf dadurch herbeiführt, dass er vor Fristsetzung vorhandene Gelder anderweitig verbraucht.4
566
Û
Hinweis: Nach dem Urteil des LG Hamburg vom 27.9.19515 führt eine Selbstanzeige selbst dann zur Straffreiheit, wenn dem Steuerhinterzieher die beantragte Stundung abgelehnt wird, die Vollstreckungsstelle aber die Beitreibung der Steuerrückstande unter der Voraussetzung aussetzt, dass diese in Raten abgetragen werden. Zur Frage einer Fristverlängerung hat das OLG Düsseldorf im Urteil vom 26.3.19536 festgestellt, dass für den Fall, dass der Steuerpflichtige Abschlagszahlungen leistet, zu prüfen ist, ob die Abschlagszahlungen im Einverständnis mit der Steuerbehörde geleistet werden. Bejahendenfalls ist eine Fristverlängerung anzunehmen. Die Abschlagszahlungen sind dann noch innerhalb der dem Steuerpflichtigen nach § 371 AO bestimmten Frist geleistet worden.
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Eine Fristverlängerung kann unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze auch wiederholt gewährt werden.7 1 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1987 – Ss 141/87 – 154, wistra 1988, 274, 276; LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317; Mösbauer, DStZ 1985, 325, 330. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 110; Coring, BB 1974, 1514, 1515. 3 LG Koblenz, Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79; Joecks in Franzen/Gast/Joecks § 371 Rz. 110. 4 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317. 5 (31) 207/51, BB 1953, 254. 6 Ss 72/53 – 132, BB 1953, 1001. 7 Vgl. RG, Urt. v. 30.10.1929 – II 78/29, RGSt 63, 305, 307; BGH, Urt. v. 3.6.1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336, 338.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Die Fristsetzung darf auch nicht mit sonstigen Forderungen, etwa mit der Auflage nach pünktlicher Zahlung der laufenden Steuern, verknüpft werden.1
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Die Fristsetzung ist selbst dann erforderlich, wenn der Täter offensichtlich zahlungsunfähig ist. Hierbei muss den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Steuerpflichtigen nicht Rechnung getragen werden.2 Die Frist muss so bemessen sein, dass der Täter die Möglichkeit hat, die notwendigen Mittel zur Nachzahlung z.B. durch Kreditaufnahme zu verschaffen. Bei der Fristsetzung ist zu berücksichtigen, dass eine solche Inanspruchnahme regelmäßig zeitaufwendiger ist als eine Entrichtung aus Eigenmitteln. Gelingt die Kreditaufnahme nicht, muss sich der Täter selbst zurechnen, dass er die ihm durch § 371 Abs. 3 AO gebotene Chance auf Straffreiheit nicht zu nutzen vermag.3 Das AG Saarbrücken hält unter diesen Umständen eine Fristverlängerung bis zur Grenze von 6 Monaten und die Gewährung von Ratenzahlungen für zulässig, wenn diese nur innerhalb der angemessenen Frist erfolgen. Allerdings führt das AG Saarbrücken auch aus, dass ein Ermessensmissbrauch gegeben ist, wenn bei der Gewährung von monatlichen Ratenzahlungen darauf abgestellt wird, dass die Raten aus dem laufenden Einkommen geleistet werden. Ist der Steuerpflichtige finanziell nicht in der Lage, die Steuern rechtzeitig nachzuzahlen, entfällt die Strafbefreiung und das Strafverfahren gegen ihn wird weiter betrieben. Die verunglückte Selbstanzeige wirkt sich dabei günstig auf das Strafverfahren aus.
569
Grenzen der Fristbestimmung ergeben sich aus der strafrechtlichen und strafprozessualen Wirkung der Nachentrichtungsfrist. Daher dürfen tragende Prozessprinzipien, wie etwa der Beschleunigungsgrundsatz, nicht verletzt werden.4 Die Entscheidung über die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige wird in einem Strafverfahren gefällt. Deshalb ist bei der Fristsetzung auch zu bedenken, dass Strafen als Folgen von Steuerhinterziehungen nur dann einen Sinn ergeben, wenn sie der Begehung oder wenigstens der Aufdeckung der Tat möglichst schnell nachfolgen. Die Frist nach § 371 Abs. 3 AO darf aus diesem Grund nicht zum Missbrauch führen, indem der Täter die Nachzahlungsabsicht bzw. vorübergehende Hinderungsgründe vortäuscht, um eine Verzögerung der Strafverfolgung oder gar eine Verjährung der Tat zu erreichen.5
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1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 111. 2 AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268, 269 = DStZ 1983, 414. 3 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577; AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268 = DStZ 1983, 414. 4 Vgl. auch AG Saarbrücken Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268, DStZ 1983, 414. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 110.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Hinweis: Die Rechtsprechung zur Bestimmung der Angemessenheit der Frist ist wenig einheitlich, wie die nachfolgend angeführten Urteile zeigen: AG Saarbrücken1: Das AG Saarbrücken hält in seinem Urteil vom 21.6.1983 eine Frist bis zu „nicht länger als 6 Monate“ für angemessen. Diese starre Grenzziehung stellt auf Grund der nach § 5 AO erforderlichen Ermessensausübung2 einen Ermessensfehler dar. Erforderlich ist vielmehr eine Entscheidung im Einzelfall.3 OLG Köln4: Das OLG Köln hält die Festsetzung einer einmonatigen Frist zur Nachzahlung von über 500 000 Euro verkürzter Umsatzsteuer für angemessen, da zwischen Selbstanzeige und Fristsetzung über ein Jahr lag. OLG Düsseldorf5: Die Entscheidung des OLG Düsseldorf, welches einer Finanzbehörde zustimmte, welche vom Steuerpflichtigen eine sofortige Zahlung der verkürzten Steuern forderte, ist abzulehnen. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf hat die Steuerbehörde „… damit dem Schuldner die gesetzlich zulässige kürzeste Frist … gesetzt. Dem Erfordernis der Fristbestimmung ist damit Genüge getan. Die Steuerbehörde muss nicht um den Begriff der Fristbestimmung zu erfüllen einen Zeitraum von kürzerer oder längerer Dauer … zubilligen.“ Zur Begründung der Entscheidung des OLG Düsseldorf ist anzumerken, dass die Aufforderung zur sofortigen Zahlung gerade keine Fristsetzung beinhaltet.6 BGH7: Auch das Urteil des BGH vom 5.5.1953 verdient keine Zustimmung. Die vom Hauptzollamt gewährte Frist von 4 Tagen zur Bezahlung der Steuerschuld ist entgegen der anderslautenden Entscheidung des BGH als unangemessen zu betrachten.8 LG Koblenz9: Auch das LG Koblenz hielt in seinem Beschluss vom 13.12.1985 eine Frist von 8 Tagen zur Zahlung von Steuern in einer Größenordnung von über 600 000 DM für unangemessen. Anders als in dem zuvor angeführten Fall des BGH vom 5.5.1953 bestand kein Anlass zur Annahme einer Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen. Die Finanzbehörde habe bei ihrer Entscheidung, so das LG Koblenz, wirtschaftlichen und steuerpolitischen Erwägungen keinen
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Urt. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268 = DStZ 1983, 414. So auch Dietz in Leise, § 371 Rz. 57. Ebenfalls die Zustimmung verwehrt hat Coring, BB 1974, 1514, 1516. Beschl. v. 12.6.1987 – Ss 141/87 – 154, wistra 1988, 274, 276. Urt. v. 26.3.1953 – Ss 72/53 – 132, BB 1953, 1001. Vgl. auch Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 164; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 110; LG Wuppertal v. 6.10.1952 – 2 Ms (NS) 46/51, BB 1953, 136. 7 Urt. v. 5.5.1953 – 2 StR 346/52, NJW 1953, 952, 953. 8 Vgl. LG Koblenz, Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79, 80. 9 Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79, 80.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Raum gegeben und damit den Umfang ihrer Prüfungspflicht verkannt. Bei der Fristbestimmung sei insb. der detaillierte Zahlungsplan des Angeschuldigten außer Acht gelassen worden. Danach sollte die Steuerschuld nur etwa dreieinhalb Monate nach der vorgesehenen Frist beglichen werden. Es habe auch kein Anlass bestanden, dass die Zahlungsbereitschaft nur vorgespiegelt gewesen sei, um eine Verzögerung der Strafverfolgung oder gar die Verjährung der Tat zu erreichen. Der Angeschuldigte hatte vielmehr bereits einen Teilbetrag in Höhe von 268 089 DM gezahlt. OLG Bremen1: Das OLG Bremen führte in seinem Urteil vom 27.11.1957 aus, dass von einem Angeklagten, der in bescheidenen Einkommensverhältnissen lebt, nicht ohne weiteres erwartet werden kann, dass er 86 876,75 DM binnen 2 Wochen entrichtet. LG Stuttgart2: Dagegen führte das LG Stuttgart in seinem Urteil vom 20.1.1987 zur Fristsetzung aus, dass nachdem sich der Angeklagte spätestens seit seiner Berichtigung vom 5.12.1985 auf die zu erwartende Nachzahlung einstellen konnte, ihm mehr als zwei Monate Zeit blieben, den benötigten Geldbetrag aufzubringen und im Übrigen sich die Frist im Rahmen der knappen steuerlichen Zahlungsfristen, wie sie für das USt-Recht typisch sind (§ 18 UStG), hielt.
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Hinweis: Ist die Frist unangemessen kurz, ist sie insgesamt unwirksam.3 Es bedarf dann einer erneuten Fristsetzung, wobei der inzwischen verstrichene Zeitraum berücksichtigt werden kann.4
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Hinweis: Die Dauer der Zahlungsfrist lässt sich nicht genau prognostizieren. Eine angemessene Zahlungsfrist beträgt in der Regel 4 Wochen bis zu 6 Monate. Bevor zu einer Selbstanzeige geraten wird, sollte daher die Liquidität des Mandanten geklärt sein. Ggf. sollte man sich um einen Bankkredit oder ein privates Darlehen bemühen bzw. Ratenzahlung beantragen. Häufig wird in der Praxis aber auch gar keine Frist festgesetzt. Eine etwaige erforderliche Verlängerung ist unbedingt vor Ablauf der festgesetzten Frist bei der Strafsachenstelle zu beantragen, eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich.
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Hinweis: Soweit es bei Einleitung des Steuerstrafverfahrens nach erfolgter Selbstanzeige in der Einleitungsmitteilung heißt „Zahlen Sie die Steuern innerhalb der in den Steuerbescheiden angegebenen Frist“ handelt es sich nicht um eine Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO. Es fehlt an einer ermessensgerechten Entscheidung.
574
1 Urt. v. 27.11.1957 – Ss 88/57, ZfZ 1958, 84 ff. 2 Urt. v. 20.1.1987 – 6 KLs 243/86, wistra 1988, 36, 37. 3 LG Koblenz, Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79, 81. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 112; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 158.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
d) Die zuständige Stelle zur Bestimmung der Nachzahlungsfrist 575
Die Frage, wer für die Bestimmung der Zahlungsfrist funktional und sachlich zuständig ist, ist umstritten. Eine Regelung findet sich nicht in § 371 Abs. 3 AO. Die Beantwortung der Frage hängt von der Rechtsnatur der Fristsetzung gem. § 371 Abs. 3 AO ab.
576
Soweit die Fristsetzung als steuerrechtlich qualifiziert wird1, ist die Zuständigkeit bei der Finanzbehörde gegeben, die für die Verwaltung der Steuer zuständig ist. Die rein steuerliche Betrachtungsweise wurde jedoch nur vereinzelt vertreten.
577
Kopacek2 und Suhr/Naumann/Bilsdorfer3 erkennen die Zuständigkeit sowohl bei der für die Steuerfestsetzung als auch der für die Steuerstrafsache zuständigen Finanzbehörde. Bei unterschiedlichen Fristbestimmungen solle die für den Täter günstigere Fristsetzung gelten.
578
Trifft die Steuerstraftat mit einem Allgemeindelikt tateinheitlich zusammen, bleibt die Finanzbehörde für die Anerkennung der Selbstanzeige zuständig.4
579
Soweit man von dem strafverfahrensrechtlichen Charakter der Fristsetzung ausgeht, ergibt sich dagegen zwangsläufig, dass die für die Strafverfolgung zuständige Finanzbehörde i.S.d. § 386 Abs. 1 AO auf Grund der fachlichen Kompetenz auch für die Fristsetzung zuständig ist.5 Zuständig ist mithin regelmäßig die Bußgeld- und Strafsachenstelle, nicht aber die Steuerfahndungsstelle.6
580
Zuständig ist aber auch die Staatsanwaltschaft, soweit sie das Ermittlungsverfahren auf Grund von § 386 Abs. 4 AO führt.
581
Ist das Steuerstrafverfahren bereits bei Gericht anhängig, kann auch das Gericht eine Nachzahlungsfrist gem. § 371 Abs. 3 AO setzen.7 Hält das Strafgericht bei Überprüfung der von der Finanzbehörde (oder Staatsanwaltschaft) gesetzten Frist diese für unangemessen kurz, kann es selbst (auch während der Hauptverhandlung) die Frist verlängern oder neu festsetzen.8 1 So OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.3.1962 – Ws 207/61, DStZ/B 1962, 246; Stumpe, StBp 1964, 197; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 43. 2 Strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerdelikten, S. 82. 3 Rz. 517. 4 Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Rz. 518. 5 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317, 319 entgegen dem früheren Urt. v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268 = DStZ 1983, 414; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 115; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 103; Gramich, wistra 1988, 38; Lohmeyer DStR 1970, 558, 559. 6 von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 97. 7 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317. 8 Vgl. BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352, 354 = wistra 1982, 193; Dietz in Leise, Rz. 61.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
e) Wirksamwerden der Fristsetzung Die Fristsetzung wird erst wirksam, wenn diese dem Täter bekannt gegeben worden ist. Ohne positive Kenntnis des Täters ist die Fristsetzung unwirksam.1 Nur auf diese Weise wird dem gesetzgeberischen Ziel, dass der Steuerpflichtige sich auf die Steuernachzahlung in der ihm bekannt gegebenen Höhe einstellen kann, Genüge getan. Dabei ist es unerheblich, ob der Täter schuldhaft oder schuldlos von der Fristsetzung nichts erfährt.2
582
Eine besondere Form der Mitteilung der Finanzbehörde sieht das Gesetz 583 nicht vor. Fraglich ist, ob der Fristsetzungsbescheid dem Täter, falls dieser auf Dauer unbekannten Aufenthalts ist, analog § 40 StPO, § 15 VwZG öffentlich zugestellt werden kann. Das OLG Bremen3 hat sich dagegen ausgesprochen und hat in seiner Begründung ausgeführt, dass die öffentliche Zustellung die positive Kenntnis des Steuerhinterziehers von dem Inhalt des Fristsetzungsbescheides nicht ersetzen könne. Zweifel hegen auch Joecks4 und Schauf.5 Das Gesetz sieht eine Belehrung über die Folgen einer nicht fristgerechten Nachzahlung nicht vor.6 Eine Belehrung ist lediglich in Nr. 11 Abs. 3 S. 1 AStBV vorgesehen. Daher wird die Frist nach § 371 Abs. 3 AO auch ohne Belehrung in Lauf gesetzt.7 In der Praxis weist die Finanzbehörde, hier in der Regel die Bußgeld- und Strafsachenstelle, auf die Folgen einer nicht fristgerechten Zahlung hin, soweit sie eine Frist nach § 371 Abs. 3 AO nach Ablauf der allgemeinen steuerlichen Frist bestimmt.8
584
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Hinweis: Es ist Aufgabe des steuerlichen Beraters, den Steuerpflichtigen auf die Nachzahlungspflicht innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist als Wirksamkeitsvoraussetzung einer strafbefreienden Selbstanzeige hinzuweisen. Sinnvollerweise erfolgt diese Belehrung schriftlich gegenüber dem Mandanten.
5. Wirkung des Fristablaufs Nach § 371 Abs. 3 AO ist der Täter zur Nachzahlung der zu seinen Gunsten verkürzten Steuer verpflichtet, soweit eine Steuerverkürzung einge-
1 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 31; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Rz. 114. 2 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317. 3 Urt. v. 27.11.1957 – R – Ss 83/57, ZfZ 1958, 84, 86 f. 4 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 114. 5 In Kohlmann, § 371 Rz. 104. 6 RG, Urt. v. 27.11.1939 – 3 D 626/39, RGSt 73, 368, 369; Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, § 371 Rz. 113. 7 A.A. Lohmeyer, StB 1982, 301 und Ehlers in Ehlers/Lohmeyer, S. 42. 8 Vgl. z.B. OFD Hamburg, Verfügung v. 19.10.1959, BB 1960, 123; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 113; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 105.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
treten ist bzw. Steuervorteile erlangt wurden. Mit der Abgabe der Selbstanzeige erwirbt der Täter eine Anwartschaft auf Straffreiheit.1 587
Hat der Täter mit dem Ablauf der Zahlungsfrist seine Zahlungspflicht erfüllt, bleibt er straffrei. Andernfalls hat er mit dem Zeitpunkt des Fristablaufs die im Gesetz vorgesehene Straffreiheit verwirkt. Strafmilderung erfährt der Täter, soweit er die Fristüberschreitung nicht verschuldet hat. Soweit der Schaden ausgeglichen wurde, kann dies zu einer Verfahrenseinstellung führen (vgl. § 398 AO). Erfüllt der Täter seine Nachzahlungspflicht nur teilweise, wirkt die Zahlung nur soweit strafbefreiend, wie sie sich auf eine Tat im materiellen Sinne erstreckt2, im Übrigen wirkt sie strafmildernd. Die Tat im materiellen Sinn bestimmt sich nach Steuerart und Veranlagungszeitraum.
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Eine nachträgliche Fristverlängerung sieht dagegen das Gesetz nicht vor. Die Straffreiheit ist selbst dann verwirkt, wenn das Finanzamt dennoch eine kurze Nachfrist gewährt.
590
Eine Stundung gem. § 222 AO kann nur in Ausnahmefällen eine Fristverlängerung i.S.d. § 371 Abs. 3 AO darstellen.3 Grundsätzlich können die steuerlichen Zahlungsfristen, die vom Veranlagungsfinanzamt ausgesprochen werden, eine von der Bußgeld- und Strafsachenstelle zu gewährende Frist nach § 371 Abs. 3 AO nicht verlängern.4 Reicht die steuerliche Frist weiter als die strafrechtliche Frist, darf eine unterschiedliche steuerrechtliche und strafrechtliche Fristbemessung im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu Lasten des Täters gehen, so dass eine evtl. eingeräumte, längere steuerliche Zahlungsfrist maßgeblich ist.
591
Das Gleiche gilt, wenn der Täter einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO gestellt hat. Schauf5 ist insoweit zuzustimmen, als dass nur bei erheblichen Zweifeln i.S. des § 361 Abs. 2 AO an der Rechtmäßigkeit der Steuernachforderung – wie es auch der dem § 396 AO zugrundeliegende Rechtsgedanke der Vermeidung widersprechender Entscheidungen zeigt – ausnahmsweise eine andere Wertung gerechtfertigt ist.
Hinweis: Der Steuerpflichtige kann vor Ablauf der Frist beim zuständigen Strafverfolgungsorgan einen Antrag auf Fristverlängerung stellen. Zahlt der Steuerpflichtige innerhalb der gewährten Frist die verkürzte Steuer, erlangt er Straffreiheit.
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 86; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 96. 2 RG, Urt. v. 30.10.1929 – II 78/29, RGSt 63, 305, 307; RG, Urt. v. 27.11.1939 – 3 D 626/39, RGSt 73, 368, 370. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 119. 4 Dietz in Leise, § 371 Rz. 59; Scheurmann-Kettner in Koch/Scholtz, § 371 Rz. 38. 5 In Kohlmann, § 371 Rz. 106.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Bei Rechtsmitteln, die der Täter gegen die Festsetzung bzw. Erhebung der Steuern (z.B. gegen die Ablehnung der Stundung oder des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung) eingelegt hat, gelten die vorgenannten Grundsätze, wie bei der Stundung oder Aussetzung der Vollziehung nicht.
592
Ohne Bedeutung dabei ist es, ob der Täter die Fristversäumnis verschuldet hat.1 Das folgt aus dem objektiven Charakter der Straffreiheitsbedingung. Eine Heilung durch entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO, §§ 44 ff. StPO) kommt nicht in Betracht.2
593
6. Rechtsbehelfe und Rechtsweg im Zusammenhang mit der Nachzahlungsfrist a) Rechtsbehelf gegen die Steuerfestsetzung Soweit der Täter Einwendungen gegen die Festsetzung der verkürzten 594 Steuern erhebt, stehen ihm die Rechtsmittel des Besteuerungsverfahrens zur Verfügung (vgl. § 347 AO, § 33 FGO). Wird über den Einspruch vom Finanzamt abschlägig entschieden, ist dem Täter die Möglichkeit einer Klage vor dem Finanzgericht gegeben. Dabei gilt es zu beachten, dass derartige Rechtsbehelfe gem. § 361 Abs. 1 AO keine aufschiebende Wirkung haben, daher ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO notwendig ist. b) Rechtsbehelf gegen die Fristsetzung Umstritten ist, ob ein eigenes Rechtsmittel gegen die Fristsetzung gem. § 371 Abs. 3 AO gegeben ist und auf welchem Rechtsweg die Fristsetzung angefochten werden kann.
595
Die Problematik lässt sich aus dem Umstand ableiten, dass § 371 Abs. 3 AO kein Rechtsmittel vorsieht und § 347 Abs. 2 S. 2 AO und § 33 Abs. 2 S. 2 FGO die Anwendung der Vorschriften über das außergerichtliche und das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren auf das Straf- und Bußgeldverfahren ausdrücklich ausschließen.
596
Nach einhelliger Auffassung wird aber vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG eine Anfechtbarkeit der Fristsetzung für zulässig erachtet, soweit die Fristsetzung wegen Ermessensfehlgebrauch als nicht rechtswirksam erachtet wird.3
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1 RG, Urt. v. 27.11.1939 – 3 D 626/39, RGSt 73, 368, 369; Mattern, NJW 1951, 937, 940. 2 Vgl. auch Suhr, BB 1951, 222. 3 Vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.3.1962 – Ws 207/61, DStZ/B 1962, 246; AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268 = DStZ 1983, 414; offengelassen von BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352 = wistra 1982, 193; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 116.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Vereinzelt1 wurde die Ansicht vertreten, dass eine (entsprechende) Anwendung der steuerlichen Rechtsbehelfe nach § 347 Abs. 2 S. 2 AO und § 33 Abs. 2 S. 2 FGO für das Straf- und Bußgeldverfahren in Betracht komme. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BFH im Urteil vom 17.12.19812 wird der Finanzrechtsweg überwiegend nicht als einschlägig erachtet.3 Dies versteht sich auch aus der Rechtsnatur der Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO als strafrechtliche und strafprozessuale Maßnahme.
599
Die h.M. geht davon aus, dass gegen die Fristsetzung gem. § 371 Abs. 3 AO immer der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.4 Allerdings handelt es sich nicht um einen Justizverwaltungsakt, so dass der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG vor dem OLG nicht einschlägig ist.5 Die Beschwerde gegen die Fristsetzung hat keine aufschiebende Wirkung; diese kann durch Anordnung des Strafrichters hergestellt werden (§ 307 Abs. 2 StPO). Als strafprozessuale Maßnahme unterliegt die Ermessensausübung sowohl im Hinblick auf das „Ob“ als auch auf das „Wie“ der Überprüfung durch das Strafgericht.6 Das Gericht kann die Frist verlängern, wenn es die von der Finanzbehörde festgesetzte Frist für unangemessen kurz erachtet.
600
Umstr. ist weiterhin, ob ein Rechtsmittel gegeben ist, solange ein Strafverfahren noch nicht eröffnet ist.
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Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass die Angemessenheit der Frist nur im anschließenden Strafverfahren überprüft werden könne; die Überprüfung in der Hauptverhandlung und die Möglichkeit der gerichtlichen Festsetzung sei ausreichend.7
1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.3.1962 – Ws 207/61, DStZ/B 1962, 246 und Hübner, MDR 1977, 726. 2 IV R 94/77, BStBl. 1982 II 352 = wistra 1982, 193. 3 Dietz in Leise, Rz. 63; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 117; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 110. 4 LG Koblenz, Beschl. v. 13.12.1985 – 105 Js (Wi) 17.301/83 – 10 KLs, wistra 1986, 79; LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317; Nds. FG, Urt. v. 27.8.1963 – V 30/62 –, DStZ/B 1963, 402; wohl auch BFH, Urt. v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. 1982 352 = wistra 1982, 193; grundsätzlich auch FG München, Urt. v. 15.2.1977 – II 229/76, EFG 1977, 384; Hess. FG, Urt. v. 8.2.1973 – VI 137/71, EFG 1973, 389; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 117; Großmann, DB 1979, 1201, 1202 f.; Schumann, MDR 1977, 371, 372; Kramer, DB 1980, 853, 854; Henneberg, BB 1976, 1554, 1555; Kopacek, DStR 1965, 164, 165; Ehlers, DStR 1974, 695. 5 Großmann, DB 1979, 1201; Kramer, DB 1980, 853; sowie Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 170. 6 LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317, 320 gegen OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.1974 – 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577, 1578. 7 FG München, Urt. v. 15.2.1977 – II.229/76 AO, EFG 1977, 384 und Nds. FG Hannover, Urt. v. 27.8.1963 – V 30/62, DStZ/B 1963, 402; Schuhmann, DStZ 1978, 48, 50; Kramer, DB 1980, 853, 854.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Nach zutr. Ansicht kann der Betroffene einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung analog §§ 304 ff. StPO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG stellen, um die Angemessenheit der durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle festgesetzten Frist zu überprüfen.1 Zuständig ist das Gericht der Hauptsache, regelmäßig das Amtsgericht.2
602
7. Die Zahlung der verkürzten Steuern a) Zahlung durch Dritte Wer die Nachzahlung leistet, ist für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige unerheblich. Aus der Gesetzesformulierung „wenn er … die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern … entrichtet“ ergibt sich lediglich, dass die Nachzahlungspflicht keine höchstpersönliche Pflicht ist, demnach die Zahlung nicht durch den Täter persönlich und aus eigenen Mitteln erfolgen muss. Es genügt, wenn die Zahlung durch einen Dritten für den Täter erfolgt.3 Zur Begründung ist auf das Urteil des BGH vom 7.11.19904 zu verweisen, demnach selbst die Bezahlung einer Geldstrafe oder Geldbuße durch einen Dritten anstelle des Täters keine Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder Begünstigung (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO i.V.m. § 257 StGB) darstellt. Angesichts des fehlenden Sanktionscharakters des § 371 Abs. 3 AO gilt dies erst recht für die von einem Dritten erbrachte Nachzahlung.
603
b) Zahlungsweise § 371 Abs. 3 AO führt nicht an, wie die hinterzogene Steuer zu entrichten ist. In welcher Form die Nachzahlung geleistet wird, ist mithin für die Straffreiheit unerheblich.
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Regelmäßig wird die Nachentrichtungspflicht durch Zahlung erfüllt, sei 605 es durch Überweisung, durch Scheck oder durch Erteilung einer Einzugsermächtigung. Es gelten die allgemeinen Regeln der §§ 224 bis 225 AO. Bei Zahlung durch Scheck gilt eine wirksam geleistete Zahlung als entrichtet drei Tage nach dem Tag des Eingangs (vgl. § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO). In Betracht kommt auch eine rechtswirksame Aufrechnung nach § 226 AO mit unstreitigen Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen, soweit sich diese innerhalb der Nachentrichtungspflicht aufrechenbar gegenüber stehen.5 Die Aufrechnung kann sowohl vom Täter als auch von einem 1 Vgl. AG Saarbrücken, Beschl. v. 21.6.1983 – 9 As 86/83, wistra 1983, 268, 269; ebenso Dietz in Leise, § 371 Rz. 64. 2 Dietz in Leise, § 371 Rz. 64. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 126, 127; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 124. 4 2 StR 439/90, wistra 1991, 103. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 121; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 174.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Dritten, aber auch von der Finanzbehörde erklärt werden.1 Eine Aufrechnung mit erst zukünftig fällig werdenden Ansprüchen scheidet aus. Eine Aufrechnung gegen Rechtsmittelkosten ist nicht zulässig.2 607
Die Darbietung einer Sicherheitsleistung durch Hinterlegung einer Sachleistung (vgl. § 241 AO) führt nicht zur Befriedigung des Steuergläubigers; sie erfüllt nicht die Bedingung des § 371 Abs. 3 AO; erst die spätere Verwertung durch die Finanzbehörde bewirkt das Erlöschen der Forderung.3 Anders verhält es sich bei der Hinterlegung von Geld in Höhe der verkürzten Beträge.4
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Erlässt die Finanzbehörde einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Forderung des Steuerschuldners gegenüber Dritten, kann diese allein keine Zahlung ersetzen, da der Zahlungsanspruch des Staates dadurch nicht gesichert ist.5 Anders verhält es sich nur dann, wenn der Drittschuldner innerhalb der Nachzahlungsfrist auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hin eine Zahlung leistet.
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Eine Niederschlagung gem. § 261 AO führt ebenfalls nicht zum Erlöschen der Steuerforderung. Sie hat keine schuldtilgende Wirkung und erfüllt nicht die Bedingung des § 371 Abs. 3 AO.6
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Ein Erlass der hinterzogenen Steuer nach § 227 AO kann grundsätzlich zum Erlöschen der hinterzogenen Steuer führen. Der Erlassantrag wirkt ex nunc, d.h. der Erlassantrag muss vor Ablauf der Nachzahlungsfrist gestellt werden.7 Ein nach Ablauf der von der Finanzbehörde bestimmten Nachzahlungsfrist führt nicht zur Einhaltung der Frist nach § 371 Abs. 3 AO. Franzen8 ist insoweit zuzustimmen, dass die Frage, inwieweit ein Erlass der hinterzogenen Steuern nach § 227 AO die Bedingung des § 371 Abs. 3 AO erfüllt, von geringer praktischer Bedeutung ist, da es regelmäßig an der Erlasswürdigkeit fehlen wird. c) Zahlungsunfähigkeit
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Das Unvermögen zur rechtzeitigen Zahlung der hinterzogenen Steuer berührt nicht die Anwartschaft auf Straffreiheit. Dem Täter steht es zu, die Nachzahlung aus Fremdmitteln (z.B. Kreditaufnahme) zu bestreiten.9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
RG, Urt. v. 2.3.1925 – III 959/24, RGSt 59, 115, 124. BFH, Urt. v. 3.4.1973 – VII R 89/70, BB 1973, 827. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 112.2; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 42. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 124; a.A. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 112.2. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 112.3; Dietz in Leise, § 371 Rz. 52a. Vgl. Wassmann, ZfZ 1990, 40, 43; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 124; Dietz in Leise, § 371 Rz. 52. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 125. In Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl. § 371 Rz. 154. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 113.
146
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Im Falle der Selbstanzeige einer Steuerhinterziehung ist die Vollstreckung vor Ablauf der dem Steuerpflichtigen nach § 378 Abs. 3 AO zu setzenden Nachentrichtungsfrist unbillig i.S. des § 258 AO.1
612
d) Unterlassen der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners Wenzler2 wirft die Frage auf, ob einem Täter die Straffreiheit verwehrt werden kann, wenn er die Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer unterlässt, die Finanzbehörde es ihrerseits unterlässt, einen solventen Haftungsschuldner innerhalb der von ihr gesetzten Nachentrichtungsfrist in Anspruch zu nehmen. Hüls/Reichling3 führen hierzu aus, dass der Erlass eines Haftungsbescheides nach § 191 AO im pflichtgemäßen Ermessen der jeweiligen Finanzbehörde liegt. Es besteht keine Rechtspflicht der Finanzbehörde, die gesetzlich entstandene Haftungsschuld zu realisieren. Mithin hat der Täter keinen Anspruch darauf, dass die Finanzbehörde die Haftungsschuld geltend macht.
613
e) Auswirkung der Insolvenzanfechtung auf die Strafbarkeit Entrichtet der Steuerpflichtige innerhalb der ihm nach § 371 Abs. 3 AO bestimmten Frist die Steuer trotz Zahlungsunfähigkeit nach, ficht der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgreich die Nachentrichtung der Steuern an, ist die Anfechtung der Zahlung strafrechtlich unbeachtlich. Die Strafbarkeit lebt nicht wieder auf.4 Für die Begleichung der Steuerschuld im Wege des Lastschriftverfahrens ist zu beachten, dass die Erfüllungswirkung erst eintritt, wenn die Zahlung durch den Schuldner bzw. Insolvenzverwalter genehmigt worden ist oder die Frist zum Widerspruch gegen die Lastschrift ungenutzt verstrichen ist.
614
Anders verhält es sich bei der Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO. Die Strafverfolgung ist möglich, wenn im Rahmen der Drittanzeige nach § 371 Abs. 4 AO eine Zahlung geleistet und später angefochten und zurückgefordert wird. Für diese tritt nur ein Verfahrenshindernis ein.5
615
f) Wirkung einer Teilzahlung aa) Straffreiheit in Höhe der nachentrichteten Steuer § 371 Abs. 3 AO lautete bis zur Änderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wie folgt: „Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.“ 1 2 3 4 5
FG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.1993 – 8 V 6366/93 AE (KV), EFG 1994, 553. AO-StB 2007, 308. wistra 2010, 329. Hüls/Reichling, wistra 2010, 330. Hüls/Reichling, wistra 2010, 330.
147
616
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
617
Zahlte der Täter nach § 371 Abs. 3 AO in der Fassung bis zum 2.5.2011 lediglich einen Teil auf die hinterzogene Steuer, wirkte diese nach dem Rechtsverständnis von Rechtsprechung und Literatur1 nur soweit strafbefreiend, wie die Wirkung der Teilzahlung reichte. bb) Geänderte Rechtsauffassung des BGH im Beschluss vom 20.5.2010
618
Soweit der BGH in seinem Beschluss vom 20.5.20102 ausgeführt hat, dass auch der denkbare Umstand, dass der Täter einer Steuerhinterziehung nicht in der Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb angemessener Frist vollständig nachzuzahlen (§ 371 Abs. 3 AO a.F.), für sich allein die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige nicht rechtfertigen könnte, zeichnete sich eine restriktive Auslegung des Wortlauts des § 371 Abs. 3 AO ab. Der Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO a.F. rechtfertigt eine solche Auslegung nicht. Auch die Begründung der Neufassung des § 371 AO lässt nicht erkennen, dass nur die vollständige Zahlung der nachzuentrichtenden Steuer zur Straffreiheit führt.3 cc) Überblick über die Änderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
619
Nachdem die Selbstanzeige im Jahr 2010 nach dem Ankauf von Daten Schweizer Banken über deutsche Kunden in die Kritik geraten ist, hat der Bundestag nach zahlreichen Änderungsüberlegungen am 17.3.2011 das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz verabschiedet. Im Zuge der durch dieses Gesetz normierten Änderungen hat der Gesetzgeber nicht nur die Teilselbstanzeige ausgeschlossen und die Sperrwirkungstatbestände erweitert, sondern auch die Nachzahlungspflicht in Bezug auf Teilzahlungen geändert.
620
Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber das Wort „soweit“ aus dem Gesetzestext gestrichen und § 371 Abs. 3 AO wie folgt formuliert: „Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet“.
621
Mit der Änderung von § 371 Abs. 3 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ist Bezugspunkt für die Zahlung die Tat. Straffreiheit tritt nur insoweit ein, wie der an der Tat Beteiligte die aus der Tat hinterzogenen Steuern nachentrichtet. 1 Vgl. bereits RG, Urt. v. 30.10.1929 – II 78/29, RGSt 63, 305, 307; RG, Urt. v. 27.11.1939 – 3 D 626/39, RGSt 73, 368, 370; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 123; Dietz in Leise, § 371 Rz. 53; Scheurmann-Kettner in Koch/ Scholtz, 5. Aufl., Rz. 39; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 43; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 114. 2 1 StR 577/09, wistra 2010, 304. 3 Rolletscheke/Roth, Stbg 2011, 204.
148
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Nach der hier vertretenen Ansicht1 führen Teilzahlungen zur Straffreiheit bis zur Höhe der entrichteten Beträge, soweit die Teilzahlung die nachzuentrichtende Steuer auf eine Tat erstreckt. Im Übrigen bleibt der Täter strafbar.
622
Beispiel: Der Bauunternehmer B hat in den Jahren 2007 bis 2009 fingierte Rechnungen gegen Zahlung einer Provision vom Bauunternehmen T erworben. Die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer wurde B nach Einreichung der jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldung erstattet. Außerdem wurden die vermeintlichen Zahlungen auf die Rechnungen als Betriebsausgaben geltend gemacht und führten in Folge zur Minderung der Einkommensteuern. B erstattet für alle Sachverhalte eine Selbstanzeige. Das Finanzamt ermittelt folgende Nachzahlungsbeträge: 1) Umsatzsteuer 2007: 20 000 Euro, 2008: 30 000 Euro, 2009: 50 000 Euro 2) Einkommensteuer 2007: 40 000 Euro, 2008: 80 000 Euro, 2009: 110 000 Euro. B hat 90 000 Euro zur Entrichtung der Steuern.
623
Lösung: Das dem B zur Verfügung stehende Kapital reicht aus, um die Umsatzsteuer 2008 und 2009 in Höhe von 80 000 Euro vollständig zu zahlen. Die Zahlung führt mithin zur Straffreiheit betreffend der Umsatzsteuer 2008 und 2009. Das dem B weiterhin zur Verfügung stehende Kapital in Höhe von 10 000 Euro kann nicht so eingesetzt werden, dass es zur Straffreiheit einer weiteren Tat führt. Die Zahlung führt aber zur Schuldminderung. Hierin unterscheidet sich die Gesetzesformulierung nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von der bis dahin gültigen Formulierung. Nach der Formulierung von § 371 Abs. 3 AO a.F. hätte B Straffreiheit für die Zahlung in Höhe von 90 000 Euro erlangt. Anmerkung: In dem Beispiel ist die Zahlung auf die Umsatzsteuerzahllast sinnvoll, da die Strafe auf die Umsatzsteuer höher ist als die Strafe auf die Einkommensteuer.
dd) Anrechnung auf die lästigste Steuerschuld
Û
Hinweis: Betrifft die Nachentrichtungspflicht eines Täters oder Teilnehmers einer Steuerhinterziehung mehrere Steuerarten und reichen die innerhalb der gesetzten Nachzahlungsfrist gezahlten Beträge nicht aus, um sämtliche fälligen Steuerschulden zu tilgen und macht die Zahlung nicht deutlich, auf welche Steuerart sie sich bezieht, muss die Finanzbehörde die Nachzahlung zunächst auf diejenige Steuerschuld anrechnen, deren Verkürzung eine schwerere Strafe nach sich ziehen kann.2 Dies entspricht dem in § 366 Abs. 2 BGB i.V.m. § 225 Abs. 2 AO ausgeprägten Rechtsgedanken, dass mangels einer anderweitigen Bestimmung des Schuldners eine Zahlung zunächst auf diejenige von mehreren fälligen Schulden anzurechnen ist, die dem Schuldner am lästigsten ist.3 Der Begriff der Tat i.S.v. § 371 Abs. 3 AO bestimmt vornehmlich das Strafrisiko.
1 A.A. FM NRW, Schreiben v. 5.5.2011 – S 0702 – 8 – V A1; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 114. 2 BGH, Urt. v. 3.6.1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336, 342 ff.; Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, § 371 Rz. 123; Dietz in Leise, § 371 Rz. 48; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 115. 3 BGH, Urt. v. 3.6.1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336, 342 ff.
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624
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
IV. Ausschluss der Selbstanzeige 625
In Folge der politischen Diskussion um eine Verschärfung der Selbstanzeige hat der Bundestag am 17.3.2011 das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz1 verabschiedet. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber die Sperrgründe in § 371 Abs. 2 AO, die eine strafbefreiende Selbstanzeige ausschließen, erweitert. Das Gesetz wurde am 28.4.2011 ausgefertigt2 und trat am 3.5.2011 in Kraft. 1. Aufbau, Wirkung und Grundgedanke der Regelung a) Aufbau der Ausschlusstatbestände
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Eine Anwartschaft auf Straffreiheit wird nur dann begründet, wenn eine wirksame Berichtigungserklärung rechtzeitig, d.h. vor Eintritt eines der in § 371 Abs. 2 AO genannten Ausschlussgründe, erstattet wurde. Andernfalls ist die Selbstanzeige unwirksam, d.h. sie wirkt nicht strafbefreiend. § 371 Abs. 2 AO enthält fünf Ausschlussgründe:3 – Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO, § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO, – Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens, § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO, – Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO, – Entdeckung der Tat, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, – Steuerverkürzung ab 50 000 Euro je Tat, § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO. b) Wirkung der Ausschlussgründe
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Die Aufzählung der Ausschlussgründe in § 371 Abs. 2 AO ist abschließend; weitere Ausschlussgründe gibt es nicht. Jeder der Ausschlussgründe führt zur Sperrwirkung; die Ausschlussgründe sind daher voneinander unabhängig und gesondert zu prüfen. Der gesonderten Prüfung kommt wegen der unterschiedlichen Sperrwirkung Bedeutung zu. Das Gesetz differenziert nach – sachbezogener Sperrwirkung, § 371 Abs. 2 Nr. 1a und c AO, – tatbezogener Sperrwirkung, § 371 Abs. 2 Nr. 1b und Nr. 3 AO, – personenbezogener Sperrwirkung, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO.4 1 BT-Drucks. 17/5067 i.V.m. 17/4182. 2 BGBl. 2011 I 676. 3 Bis zum Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes waren es drei Ausschlussgründe. 4 Schauf in Kohlmann § 371 Rz. 116.
150
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Es können mehrere Ausschlussgründe nebeneinander gegeben sein. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes hindert bereits die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige.
628
Û
629
Hinweis: Die Ausschlussgründe wirken mittelbar strafbegründend. § 371 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO ziehen eine zeitliche Grenze, ab der eine Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung mehr hat. Erfolgt die Selbstanzeige verspätet, dienen die Angaben in der Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren als Grundlage für die Bildung der Strafe. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO zieht eine betragliche Grenze, ab der die Sperrwirkung eintritt.
c) Grundgedanke zu den Ausschlussgründen Die Ausschlussgründe beruhen auf der dem Institut der Selbstanzeige innewohnenden steuerpolitischen Zielsetzung (sog. Fiskalzweck), dem Fiskus bisher nicht bekannte Steuerquellen zu erschließen.1 Der rechtspolitische Zweck der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO liegt darin, die aus steuerpolitischen Gründen zur Erschließung sonst unbekannt bleibender Steuerquellen eröffnete, im Strafrecht aber nur ausnahmsweise gegebene Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige dann abzuschneiden, wenn die Entdeckung der Steuerverfehlungen ohnehin so nahe gerückt ist, dass das fiskalische Interesse an Anreizen für eine freiwillige Offenbarung wegfällt.2 Dieser Anreiz fällt regelmäßig dann weg, wenn ein Amtsträger zur Prüfung erschienen ist.
630
Die Motivation für die Selbstanzeige ist ohne Bedeutung. Die Freiwilligkeit des Handelns des Steuerhinterziehers ist auf Grund der steuerpolitischen Zielsetzung keine allgemeine positive Voraussetzung der Straffreiheit.3 Der Gesetzgeber hat in § 371 AO ohnehin auf das Merkmal der Freiwilligkeit verzichtet. Ursprünglich war das Merkmal der Freiwilligkeit in § 50 Abs. 2 ErbStG v. 3.6.19064 mit den Worten „aus freien Stücken“ angeführt.
631
Die Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO verlangen kein zusätzliches, im Gesetz nicht geregeltes Tatbestandsmerkmal wie z.B. Freiwilligkeit oder Reue, sondern sind als negative Wirksamkeitsvoraussetzung restriktiv auszulegen.5 Sie unterliegen dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG.6
632
1 Die Ausführungen in diesem Buch zum Zweck und Grund des Instituts der Selbstanzeige gelten auch für die Ausnahmetatbestände des § 371 Abs. 2 AO, vgl. Rz. 258 ff. 2 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 142/81 III, wistra 1982, 119, 120. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 16, 17; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 63. 4 RGBl. 1906, 620, 654, 671. 5 BGH, Urt. v. 13.5.1983 – 3 StR 82/83, wistra 1983, 197; BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74. 6 Rüping in HHSp. § 371 Rz. 141.
151
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
633
Für den Nachweis der einzelnen Voraussetzungen gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“.1 Bestehen Zweifel hinsichtlich des Vorliegens einer der Ausschlussgründe, so ist zugunsten des Täters davon auszugehen, dass der Ausschlussgrund nicht vorliegt.
634
Û
Hinweis: Bestehen Zweifel, ob ein Ausschlussgrund eingetreten ist, sollte gleichwohl zu einer Selbstanzeige geraten werden. Alle Ausschlusstatbestände haben eine unterschiedliche Sperrwirkung. Es gilt nicht das „Alles oder Nichts“-Prinzip. Entweder führt sie zur Strafbefreiung oder sie kann sich als sog. verunglückte Selbstanzeige strafmildernd oder günstig auf den Abschluss des Verfahrens (Einstellung des Verfahrens gem. §§ 153 StPO, 398 AO statt Strafbefehl, Strafbefehl statt Anklage) auswirken. Daneben ist an die Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB) zu denken.
2. Sperrwirkung durch Bekanntgabe der Prüfungsanordnung 635
Straffreiheit tritt nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht ein, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftat vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. a) Einführung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
636
Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz2 hat der Gesetzgeber in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO den Zeitpunkt vorverlegt, ab dem eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist. Reichte es bislang, dass sich der Steuersünder bis zum Beginn der steuerlichen Prüfung des Finanzbeamten beim Finanzamt selbst anzeigte, tritt künftig Straffreiheit nur dann ein, wenn die Selbstanzeige vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO gegenüber dem Täter oder seinem Vertreter erfolgt. Für den Ausschluss der Straffreiheit wird künftig nicht erst auf das Erscheinen eines Amtsträgers zur Prüfung abgestellt, vielmehr genügt bereits die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Mit dieser zeitlichen Vorverlegung des Ausschlussgrundes wird der gesetzliche Regelfall des persönlichen Erscheinens eines Amtsträgers, welcher zuvor in Absatz 2 Nr. 1a) normiert war, zur Ausnahme für die Fälle, in denen für die Prüfung eine Prüfungsanordnung nicht erforderlich ist. b) Entwicklungsgeschichte
637
Der Gesetzgeber hat mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz an dem Ansatz des Bundesrates im Jahressteuergesetz 2010, die Selbstanzeigesperre bei Betriebsprüfungen zu verschärfen, festgehalten. Bisher sperrte eine bevorstehende Betriebsprüfung die Selbstanzeige erst, wenn der Be1 Rüping in HHSp. § 371 Rz. 27. 2 BGBl. 2011 I 676.
152
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
triebsprüfer zur steuerlichen Prüfung erschienen war. Der Zeitpunkt war umstritten.1 Die Neuregelung normiert abweichend vom Vorschlag des Bundesrates im Jahressteuergesetz 20102, welcher die Sperre bereits eingreifen lassen wollte, sobald die Betriebsprüfungsanordnung von der Finanzverwaltung abgesendet wird, dass „erst“ die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zur Selbstanzeigesperre führt.3 Die Bundesregierung lehnte auch den Vorschlag des Bundesrates in der Stellungnahme in Anlage 3 zur BT-Drucks. 17/4802 vom 17.2.2011 ab, in welcher der Bundesrat für die Sperrwirkung auf die „Ankündigung“ einer Prüfung i.S.v. § 193 AO abstellte. Zur Begründung führte die Bundesregierung in Anlage 4 zur BT-Drucks. 17/4802 vom 17.2.2011 aus, dass die gewählte Formulierung an den feststehenden Rechtsbegriff der „Bekanntgabe“ als Wirksamkeitsvoraussetzung anknüpft.
638
c) Kritik Wenn jetzt mit der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eine Selbstanzeige nicht mehr möglich sein soll, verbaut sich der Fiskus ohne Not Selbstanzeigepotenzial, das bisher vorhanden war. Ob Betriebsprüfungen alle Sachverhalte aufdecken, die ansonsten Gegenstand einer Selbstanzeige gewesen wären, kann bezweifelt werden. Die hier getroffene Regelung steht im Widerspruch zur Begründung des Gesetzgebers in der BTDrucks. 17/4182, in welcher angeführt ist, dass sich das Rechtsinstitut der Selbstanzeige in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt hat und das Sinn und Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige ist, den an einer Steuerhinterziehung Beteiligten einen attraktiven Anreiz zur Berichtigung vormals unzutreffender und unvollständiger Angaben zu geben, um eine bislang verborgene und ohne die Berichtigung möglicherweise auch künftig verborgen bleibende Steuerquelle im Interesse des Fiskus und damit im Interesse der Öffentlichkeit zu erschließen.
639
d) Prüfungsanordnung nach § 196 AO § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO stellt für die Sperrwirkung der Selbstanzeige auf die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO ab. Gem. § 196 AO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung mit Rechtsbehelfsbelehrung.
640
aa) Zweck der Prüfungsanordnung Die Prüfungsanordnung bildet die formalisierte Grundlage für die Außenprüfung und dient dem Schutz des Steuerpflichtigen. Dem Steuerpflichti1 Vgl. die Ausführungen zu § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO unter Rz. 858 ff. 2 BR-Drucks. 318/10 v. 9.7.2010. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 119.1.
153
641
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
gen wird mit der Prüfungsanordnung aufgegeben, die Außenprüfung in dem in der Anordnung umschriebenen Umfang zu dulden. Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung soll es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, sich auf die Außenprüfung vorzubereiten, damit der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nachkommen kann. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bestimmen sich nach § 200 AO. § 200 Abs. 1 S. 2 AO führt einige Mitwirkungspflichten an, nämlich die Pflicht, Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und zur Prüfung vorzulegen, ferner die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei der Ausübung der Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO zu unterstützen. 642
Aus der Funktion der Prüfungsanordnung folgt, dass die Prüfungsanordnung zumindest bei Beginn der Außenprüfung vorliegen muss. Prüfungshandlungen ohne Prüfungsanordnung sind rechtswidrig.1
643
Û
Hinweis: Die Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG setzt keine förmliche Prüfungsanordnung voraus. Sie führt nicht zum Ausschluss der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO. Auch die betriebsnahe Veranlagung bedarf keiner schriftlichen Prüfungsanordnung und sperrt nicht die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO.
bb) Form und Begründung der Prüfungsanordnung 644
Die Prüfungsanordnung muss schriftlich ergehen. Eine mündliche Prüfungsanordnung ist unwirksam.
645
Die Prüfungsanordnung muss gem. § 121 Abs. 1 AO schriftlich begründet werden, soweit es zu ihrem Verständnis erforderlich ist.2
646
Zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO genügt nach BFH3 grundsätzlich der Hinweis auf diese Rechtsgrundlage. Zur Begründung sei darauf hingewiesen, dass bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten, gemäß § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen zulässig ist.
647
In besonderen Fällen verlangt der BFH4 eine Begründung. In Fällen, in denen ungewiss ist, ob ein Steuerpflichtiger gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 193 Abs. 1 AO erzielt, muss das Finanzamt grundsätzlich begründen, weshalb es für möglich erachtet, dass entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen die Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO vorliegen. Hiervon kann allenfalls dann abgesehen werden, wenn dem Steuerpflichtigen aus
1 2 3 4
Seer in TK, § 196 Rz. 2, Rüsken in Klein, § 196 Tz. 42. BFH, Urt. v. 16.12.1987 – I R 238/83, BStBl. 1988 II 233. BFH, Urt. v. 2.10.1991 – X R 89/89, BStBl. 1992 II 220. BFH, Beschl. v. 15.7.2005 – I B 25/05, BFH/NV 2005, 1967.
154
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
vorangegangenen Schriftsätzen oder sonstigen Umständen diese Gründe bekannt sind. Eine auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO gestützte Prüfungsanordnung muss in der Begründung erkennen lassen, warum die für die Besteuerung maßgeblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und warum eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist.1 Im Urteil vom 7.11.1985 verlangt der BFH2, dass die Begründung ergeben muss, dass die gewünschte Aufklärung durch Einzelermittlungen nicht erreicht werden kann.
648
Die zeitliche Erweiterung des Prüfungszeitraums und das Abweichen vom üblichen Prüfungszeitraum muss stets begründet werden.3 Im Beschluss vom 27.10.20034 führt der BFH aus, dass, will das Finanzamt den Prüfungszeitraum über die in § 4 Abs. 3 BpO von der Finanzverwaltung im Wege einer Selbstbindung ihres Ermessens festgelegten regelmäßig vorgesehenen Zeitgrenze hinaus verlängern, die Prüfungsanordnung so zu begründen ist, dass das Finanzgericht in die Lage versetzt wird, seiner gerichtlichen Ermessenskontrolle nach § 102 S. 1 FGO nachzukommen.
649
Die Begründung der Prüfungsanordnung kann in der Einspruchsentscheidung nachgeholt und im anschließenden Klageverfahren ergänzt werden5, denn nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO kann die notwendige Begründung auch nachträglich bis zum Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nachgeholt werden.6
650
cc) Inhalt der Prüfungsanordnung Die Prüfungsanordnung ist ein schriftlicher Verwaltungsakt i.S.v. § 118 AO und bestimmt den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung.7 Die Außenprüfung kann eine oder mehrere Steuerarten, einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen oder sich auf bestimmte Sachverhalte beschränken (§ 194 Abs. 1 S. 1 und 2 AO).
651
Bei der Bestimmung des Umfangs der Außenprüfung handelt die Finanzbehörde im pflichtgemäßen Ermessen nach § 5 AO.8
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Û
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1 2 3 4 5 6 7 8
Hinweis: Die Bestimmung des Prüfungsumfangs ist nach der Einführung der Sperrwirkung bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nur noch für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 AO in persönlicher Hin-
BFH, Urt. v. 13.3.1987 – III R 236/83, BStBl. 1987 II 664. IV R 6/85, BStBl. 1986 II 435. BFH, Urt. v. 16.11.1989 – IV R 29/89, BStBl. 1990 II 27. III B 13/03, BFH/NV 2004, 313. BFH, Beschl. v. 2.9.2005 – IV B 123/03, BFH/NV 2006, 11. BFH, Beschl. v. 27.10.2003 – III B 13/03, BFH/NV 2004, 312. BFH, Urt. v. 23.1.1985 – I R 53/81, BStBl. 1985 II 566. BFH, Urt. v. 23.1.1985 – I R 53/81, BStBl. 1985 II 566.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
sicht von Bedeutung. Nachdem der Gesetzgeber die Teilselbstanzeige für unverjährte Steuerstraftaten, welche regelmäßig fünf Jahre umfasst, ausgeschlossen hat, hat die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, welche sich regelmäßig auf drei Jahre erstreckt1, keine Bedeutung für den sachlichen und zeitlichen Umfang der Sperrwirkung. 654
Eine Prüfungsanordnung enthält hinsichtlich der zu prüfenden Steuern sowie für jeden Besteuerungszeitraum jeweils einen eigenständigen Verwaltungsakt.2 Gegen jeden Verwaltungsakt ist ein Einspruch nach § 357 AO zulässig.
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Kein Teil der Prüfungsanordnung sind die Bekanntgabe des Prüfungsbeginns und die Bekanntgabe der Namen der Prüfer. Es handelt sich jeweils um selbständige Verwaltungsakte.3
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Û
Hinweis: Die Prüfung der Prüfungsanordnung durch den steuerlichen Berater gewinnt mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz an Bedeutung. Der steuerliche Berater hat die Umstände zu prüfen, die zur Nichtigkeit der Prüfungsanordnung führen. Die Finanzbehörde stellt die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung auf Antrag fest, soweit der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse hat. Die Finanzbehörde kann die Prüfungsanordnung auch nach § 130 AO zurücknehmen.
(1) Prüfungssubjekt und Inhaltsadressat 657
§ 196 AO führt nicht an, dass die Prüfungsanordnung bestimmen muss, gegen wen sie sich richtet. Dennoch muss die Prüfungsanordnung eindeutig bestimmen, bei welchem Steuerpflichtigen die Prüfung stattfinden soll, denn nach § 119 AO muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Ein Verstoß ist nicht nach § 126 AO heilbar. Er führt zur Nichtigkeit nach § 125 AO.4
658
§ 193 AO bestimmt, bei wem die Außenprüfung zulässig ist. Der Inhaltsadressat ist mit dem Prüfungssubjekt identisch. Inhaltsadressat ist derjenige, an den sich die Prüfungsanordnung richtet und dem aufgegeben wird, die Außenprüfung in dem in der Anordnung näher beschriebenen Umfang zu dulden und bei ihr mitzuwirken.5
659
Û
Hinweis: Nur soweit der Inhaltsadressat auch der Täter i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist, sperrt die Prüfungsanordnung die Selbstanzeige.
1 § 4 Abs. 3 S. 1 BpO. 2 BFH, Urt. v. 25.1.1989 – X R 158/87, BStBl. 1989 II 483; BFH, Beschl. v. 3.3.2009 – IV S 12/08, BFH/NV 2009, 958. 3 BFH, Beschl. v. 4.2.1988 – V R 57/83, BStBl. 1988 II 413; BFH, Urt. v. 18.10.1988 – VII R 123/85, BStBl. 1989 II 76. 4 Seer in Tipke/Kruse, § 196 Rz. 20. 5 AEAO zu § 197, Nr. 2.1.
156
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Erforderlich ist, dass die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den Täter erfolgt. Von der Frage, an wen die Prüfungsanordnung zu richten ist (§ 196 AO), ist die Frage zu unterscheiden, an wen sie bekannt zu geben ist (§ 197 AO).
660
(a) Natürliche Personen Richtet sich die Außenprüfung gegen eine natürliche Person, so wird sie i.d.R. durch Vornamen und Familiennamen bezeichnet. Nur bei Verwechslungsmöglichkeiten sind weitere Angaben erforderlich.
661
Prüfungsanordnungen gegen Eheleute können in einer Verfügung zusam- 662 mengefasst werden. Zu ihrer Bekanntgabe genügt die Übersendung nur einer Ausfertigung, wenn die Eheleute durch die gemeinsame Abgabe von Einkommensteuererklärungen sich gegenseitig zur Empfangnahme im Besteuerungsverfahren ermächtigt haben.1 Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den mit Vollmacht ausgestatteten Ehepartner sperrt die Selbstanzeige für den Ehepartner, der Täter der Steuerhinterziehung ist. Eine auf § 193 Abs. 1 und 2 AO gestützte, an Eheleute, mit der Adressierung „Herr und Frau …“ gerichtete Prüfungsanordnung ist nicht wegen Unbestimmtheit nichtig, wenn sich aus dem sonstigen Inhalt dieses Verwaltungsakts mit der erforderlichen Eindeutigkeit ergibt, wer in Wirklichkeit betroffen sein soll.2 Im Erbfall ist eine Prüfungsanordnung an den Rechtsnachfolger des bisherigen Betriebsinhabers zu richten, weil der Rechtsnachfolger die Prüfung zu dulden hat.3
663
(b) Personenmehrheiten Prüfungssubjekt bei einer Personengesellschaft ist die Gesellschaft und nicht der Gesellschafter. Sollen bei einer Personengesellschaft Betriebssteuern geprüft werden, ist die Prüfungsanordnung an die Gesellschaft zu richten.4 Bei einer Prüfungsanordnung wegen gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellung und einer Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ist Inhaltsadressat die Gesellschaft und nicht der einzelne Gesellschafter.5 Bei der Adressierung einer Prüfungsanordnung wegen gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellung an eine Personenhandelsgesellschaft ist ein Hinweis auf die Vertretungsbefugnisse zur Kennzeichnung des Adressaten nicht notwendig.6 1 2 3 4 5 6
BFH, Urt. v. 5.11.1981 – IV R 179/79, BStBl. 1982 II 208. BFH, Urt. v. 31.10.1991 – X R 28/89, BFH/NV 1992, 435. BFH, Beschl. v. 14.3.2005 – IV B 84/03, BFH/NV 2005, 1477. BFH, Urt. v. 16.11.1989 – IV R 29/89, BStBl. 1990 II 272. BFH, Beschl. v. 19.2.1996 – VIII B 4/95, BFH/NV 1996, 660. BFH, Urt. v. 16.3.1993 – XI R 42/90, BFH/NV 1994, 75.
157
664
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
665
Geht das Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter über, ist eine Prüfungsanordnung, die an die erloschene Personengesellschaft adressiert ist, nicht infolge Unbestimmtheit nichtig, wenn der das Geschäft als Einzelunternehmer fortführende Gesellschafter weiterhin unter der Firma der Gesellschaft auftritt und andererseits beim Finanzamt darauf hinweist, dass das Unternehmen ab dem Zeitpunkt des Formwechsels eine „Scheingesellschaft“ darstellt.1 (c) Juristische Personen
666
Kapitalgesellschaften sind selbständige Steuersubjekte i.S.d. § 193 AO. Die Prüfungsanordnung ist an diese zu richten. Prüfungsanordnungen an nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften sind an diese unter dem Namen und in der Form zu richten, die sie sich selbst im Geschäftsverkehr beimessen.2 Bei der Prüfung von Konzernen ist die Prüfungsanordnung an die einzelnen Konzernunternehmen zu richten.3 (2) Sachlicher und zeitlicher Prüfungsumfang
667
Die Prüfungsanordnung muss auch den Umfang der Prüfungsanordnung bestimmen. Gemeint ist damit der sachliche Umfang der Außenprüfung nach § 194 Abs. 1 AO. § 194 Abs. 1 AO bestimmt den Gegenstand der Außenprüfung und grenzt den sachlichen und zeitlichen Umfang ein. Gegenstand der Außenprüfung ist die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Die Außenprüfung kann eine oder mehrere Steuerarten, einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen oder sich auf bestimmte Sachverhalte beschränken (§ 194 Abs. 1 S. 2 AO). (3) Rechtsbehelfsbelehrung
668
§ 196 AO normiert für die Prüfungsanordnung ausdrücklich, dass diese mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein muss. Nach § 356 Abs. 2 AO ist die Einlegung eines Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist. dd) Folge einer fehlerhaften oder fehlenden Prüfungsanordnung (1) Nichtige Prüfungsanordnung
669
Die Fehlerhaftigkeit einer Prüfungsanordnung wirft die Frage auf, ob diese zur Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO führt. Zu der Frage, un-
1 BFH, Urt. v. 13.10.2005 – IV R 55/04, BFH/NV 2006, 654. 2 BFH, Urt. v. 11.12.1991 – I R 66/90, BStBl. 1992 II 595. 3 Eckhoff in HHSp., § 196 Rz. 29.
158
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
ter welchen Umständen das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde, namentlich eines Prüfers zur Durchführung einer Außenprüfung, die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a.F. nicht auslöst, hat der BGH im Beschluss vom 16.6.20051 in einem obiter dictum erklärt, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a.F. nur in den Fällen nicht eintritt, in denen die dem Erscheinen des Amtsträgers zugrunde liegende Prüfungsanordnung nichtig ist. Die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung oder der Prüfungsdurchführung sollen ebenso wenig zur Sperrwirkung führen wie steuerliche oder strafrechtliche Verwertungsverbote des Prüfungsergebnisses.2
Û
Hinweis: Nach § 125 Abs. 1 AO ist die Prüfungsanordnung nach § 196 AO nichtig, soweit sie an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Es lässt sich nicht allgemein bestimmen, welche Fehler im Einzelnen die Nichtigkeit nach § 125 AO zur Folge haben. Eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles ist erforderlich. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts wird von der Rechtsprechung als Ausnahme von dem Grundsatz angesehen, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Besonders schwerwiegend ist nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt.3
670
Ein solcher schwerwiegender Mangel ist gegeben, wenn die Prüfungsanordnung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO), d.h. wenn in ihr nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, was die Finanzbehörde von wem verlangt.4 Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts. Der Inhaltsadressat ist genügend bestimmt, wenn Zweifel durch Auslegung behoben werden können. Zur Auslegung können beigefügte Unterlagen und zeitlich vorhergehende Bescheide herangezogen werden. Bei der Auslegung kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen musste; entscheidend ist vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte.5
671
Ein an ein nicht existierendes Steuersubjekt gerichteter und bekannt gegebener Verwaltungsakt erlangt keine Wirkung.6 Daran ändert sich auch
672
1 2 3 4 5 6
5 StR 118/05, wistra 2005, 381. Vgl. Rz. 750 ff.; ebenso Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 119.1. BFH, Beschl. v. 30.11.1987 – VIII B 3/87, BStBl. 1988 II 183. BFH, Urt. v. 31.10.1991 – X R 28/89, BFH/NV 1992, 435. BFH, Urt. v. 25.9.1990 – IX R 84/88, BStBl. 1991 II 12. BFH, Urt. v. 10.4.1987 – III R 202/83, BStBl. 1988 II 165.
159
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
nichts, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich in die Hände des betroffenen Steuerpflichtigen gelangt ist. 673
Für die GbR hat der BFH entschieden, dass ein Bescheid an die Gesellschaft nicht mehr wirksam zugestellt werden kann, wenn die Gesellschaft durch Übernahme des Gesellschaftsvermögens auf einen der Gesellschafter erloschen ist, und zwar auch dann nicht, wenn der Bescheid an die Gesellschaft zu Händen des nunmehrigen Alleininhabers gerichtet ist. Vereinbaren die Gesellschafter einer zweigliedrigen Personengesellschaft, dass der eine Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und der andere das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft (Aktiven und Passiven) ohne Liquidation übernimmt, tritt die Vollbeendigung der Gesellschaft mit der Übernahme des Gesellschaftsvermögens ein. Ab diesem Zeitpunkt kann der Personengesellschaft ein Umsatzsteuerbescheid nicht mehr rechtswirksam bekannt gegeben werden.1 Diese Rechtsprechung findet auch auf eine Prüfungsanordnung Anwendung.
674
Nach § 119 AO muss die Prüfungsanordnung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. die Prüfungsanordnung muss in Bezug auf den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung den Steuerpflichtigen erkennen lassen, was von ihm verlangt wird, andernfalls ist die Prüfungsanordnung nichtig.2
675
Û
Hinweis: Die Finanzbehörde ist nicht daran gehindert, eine neue Prüfungsanordnung zu erlassen, wenn es z.B. an der Bestimmtheit der Prüfungsanordnung fehlt. Die Sperrwirkung tritt dann mit Bekanntgabe der neuen Prüfungsanordnung ein.
(2) Rechtswidrige Prüfungsanordnung 676
Eine Prüfungsanordnung, die nicht nichtig ist, aber dennoch nicht im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen steht, ist nur rechtswidrig.3 Eine solche Prüfungsanordnung hindert nicht die Sperrwirkung der Prüfungsanordnung.
677
Der Erlass eines Verwaltungsakts durch eine sachlich oder funktionell unzuständige Behörde ist nicht stets als besonders schwere, d.h. unerträgliche Rechtsverletzung anzusehen. Der Erlass der Prüfungsanordnung durch eine sachlich und funktionell unzuständige Behörde führt nicht zur Nichtigkeit der Prüfungsanordnung.4
678
Nach § 119 Abs. 3 S. 2 AO muss die Prüfungsanordnung die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder
1 2 3 4
BFH, Urt. v. 18.9.1980 – V R 175/74, BStBl. 1981 II 293. Eckhoff in HHSp., § 196 Rz. 110. Eckhoff in HHSp., § 196, Rz. 92. BFH, Beschl. v. 30.11.1987 – VIII B 3/87, BStBl. 1988 II 183.
160
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
seines Beauftragten enthalten. Dieser Verstoß gegen § 119 Abs. 3 AO stellt keinen offenkundigen und besonders schwerwiegenden Fehler i.S.d. § 125 Abs. 1 AO dar.1 Die fehlende Angabe des Bekanntgabeempfängers führt nicht zur Nichtigkeit der Prüfungsanordnung. Zwar ist eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO schriftlich zu erteilen. Das Schriftformerfordernis erstreckt sich jedoch nicht auf die Bezeichnung eines vom Inhaltsadressaten verschiedenen Bekanntgabeempfängers. Die Angabe des Bekanntgabeempfängers gehört – soweit er nicht zugleich Inhaltsadressat ist – nicht zum notwendigen Inhalt der Prüfungsanordnung. Es ist zwischen der Prüfungsanordnung als Verwaltungsakt und ihrer Bekanntgabe zu unterscheiden.2
679
e) Bekanntgabe der Prüfungsanordnung aa) Bekanntgabe nach § 197 Abs. 1 S. 1 und 3 AO Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ist in § 197 AO normiert. Demnach ist die Prüfungsanordnung dem Steuerpflichtigen, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll, bekannt zu geben (§ 197 Abs. 1 S. 1 AO). Im Fall des § 194 Abs. 2 AO ist die Prüfungsanordnung auf die Gesellschafter, Mitglieder und Mitglieder von Überwachungsorgangen zu erstrecken und folglich auch diesen Personen bekannt zu geben (§ 197 Abs. 1 S. 3 AO).
680
Nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz tritt Straffreiheit nur dann ein, wenn die Selbstanzeige vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO gegenüber dem Täter oder seinem Vertreter erfolgt. Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nimmt für die Prüfungsanordnung explizit Bezug auf § 196 AO, für die Bekanntgabe jedoch verweist das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nicht auf § 197 AO. Daher kann auf § 197 AO nur insoweit Bezug genommen werden, als dies für die Auslegung des Begriffes Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erforderlich ist. § 197 AO ist gegenüber § 122 AO eine speziellere Norm, ohne dass § 197 AO für den Begriff Bekanntgabe inhaltlich etwas anderes bestimmt, als es in § 122 AO der Fall ist.
681
bb) Bekanntgabe nach § 122 AO (1) Inhalt des § 122 AO Die Prüfungsanordnung wird mit Ablauf des Tages wirksam, in dem die Prüfungsanordnung dem Adressaten, d.h. dem Täter bzw. dessen Vertreter (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a AO), bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 122 AO). 1 BFH, Urt. v. 25.6.1992 – IV R 87/90, BFH/NV 1993, 457. 2 BFH, Urt. v. 25.6.1992 – IV R 87/90, BFH/NV 1993, 457.
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682
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
683
Die Existenz und die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung treten nach § 124 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 122 Abs. 2 AO für eine Prüfungsanordnung, welche durch die Post übermittelt wird, erst nach Ablauf der Dreitagesfrist ein. § 122 Abs. 2a AO trifft eine inhaltsgleiche Bestimmung für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten, die elektronisch zugeleitet werden. (2) Begriff der Bekanntgabe (a) Ausgangspunkt
684
Der Begriff der Bekanntgabe i.S.v. § 124 Abs. 1 S. 1 AO ist identisch mit dem Begriff der Bekanntgabe in § 122 AO1 als auch in §§ 197, 371 Abs. 2 Nr. 1a AO. Soweit die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates in der Stellungnahme in Anlage 3 zur BT-Drucks. 17/4802 vom 17.2.2011 auf die „Ankündigung“ einer Prüfung i.S.v. § 193 AO abzustellen mit der Begründung ablehnte, dass die gewählte Formulierung an den feststehenden Rechtsbegriff der „Bekanntgabe“ als Wirksamkeitsvoraussetzung anknüpft, will die Bundesregierung den Begriff der Bekanntgabe in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO i.S.v. § 122 AO ausgelegt verstanden wissen.
685
Der Begriff der Bekanntgabe wird weder in § 122 AO noch in einer anderen abgaberechtlichen Vorschrift legal definiert. Die Bekanntgabe ist als verwaltungsrechtliche Willenserklärung sowie aufgrund ihrer Zweckbestimmung ein zweiaktiger Vorgang, welcher sich aus dem Erlass der Prüfungsanordnung, welche der Abgabe der Willenserklärung entspricht, sowie deren Zugang zusammensetzt.2
686
Û
Hinweis: Fehlt es am Bekanntgabewillen oder am Zugang der Prüfungsanordnung beim Täter bzw. seinem Vertreter, ist die Selbstanzeige nicht gesperrt.
(b) Abgabe der Willenserklärung 687
Der Wille der Finanzbehörde zur Bekanntgabe muss folgende Aspekte umfassen: – die Frage, ob überhaupt eine Prüfungsanordnung bekannt zu geben ist, – den Inhalt der Regelung, vorliegend die in § 196 AO normierten Voraussetzungen, – den Inhaltsadressaten nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO, – sowie Zeitpunkt und Art und Weise der Bekanntgabe.
688
Die Frage, ob eine Regelung überhaupt durch Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung getroffen werden soll, hängt davon ab, ob die Finanzbehörde einen entsprechenden Willen gebildet hat (sog. Willenstheorie). 1 BFH, Urt. v. 13.12.2000 – X R 96/98, BStBl. 2001 II 274. 2 Müller-Franken in HHSp., § 122 Rz. 39.
162
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Der Bekanntgabewille muss durch einen zuständigen, die Finanzbehörde repräsentierenden Bediensteten gebildet werden.1 Maßgebender Zeitpunkt ist der Moment, in dem sich die Finanzbehörde der Prüfungsanordnung entäußert.
689
Für den Bekanntgabewillen reicht es aus, wenn dem Täter bzw. seinem Vertreter statt der Originalausfertigung der Prüfungsanordnung eine Fotokopie übermittelt wird, soweit diese Übersendung für den Adressaten erkennbar zum Zwecke der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erfolgt.2
690
Eine Prüfungsanordnung ist nicht wirksam, wenn die Prüfungsanordnung ohne einen entsprechenden Willen der Finanzbehörde bekannt gegeben wird, auch wenn diese den Täter oder seinen Vertreter tatsächlich erreicht.3
691
An einem notwendigen Bekanntgabewillen fehlt es, wenn der Täter oder sein Vertreter zufällig vom Inhalt der Prüfungsanordnung Kenntnis erhalten, ohne in den Besitz der Prüfungsanordnung zu gelangen, z.B. bei der Gewährung von Akteneinsicht oder wenn die Prüfungsanordnung dem Täter oder seinem Vertreter zur Stellungnahme zugeleitet wird.4
692
(c) Zugang Für die Existenz und die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung ist der Zugang der Prüfungsanordnung beim Täter oder seinem Vertreter notwendig. Die Beweislast für den Zugang sowie den Zeitpunkt des Zugangs liegt bei der Behörde.5 Eine besondere Beweislastregelung treffen die §§ 122 Abs. 2 und 2a AO.
693
Unter Zugang im Sinne des § 122 AO wird nicht nur die tatsächliche Kenntnisnahme verstanden. Vielmehr ist ein Schriftstück schon dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann.6 Die Grundsätze zu § 130 Abs. 1 BGB können zur Auslegung herangezogen werden.7
694
1 BFH, Urt. v. 27.6.1986 – VI R 23/83, BStBl. 1986 II 832, 833; BFH, Urt. v. 16.3.2000 – III R 19/99, BStBl. 2000 II 520, 521; Müller-Franken in HHSp., § 122 Rz. 44. 2 BFH, Beschl. v. 31.3.1989 – VII B 98/88 –, BFH/NV 1989, 620, 622. 3 BFH, Urt. v. 27.6.1986 – VI R 23/83, BStBl. 1986 II 832, 833. 4 Müller-Franken in HHSp., § 122 Rz. 48. 5 BFH, Urt. v. 5.12.1974 – V R 111/74, BStBl. 1975 II 286, 287. 6 BFH, Urt. v. 26.6.1996 – X R 97/95, BFH/NV 1997, 90, 91. 7 BFH, Urt. v. 18.10.1988 – VII R 123/85, BStBl. 1989 II 76, 77.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
695
Als „Machtbereich“ einer Person wird regelmäßig ihre Wohnung, ihr Briefkasten oder ihr Postfach angesehen.1 Für Steuerpflichtige, die ein Unternehmen betreiben, gilt als Machtbereich die Geschäftsadresse.2
696
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes nicht voraus, dass der Empfänger den Verwaltungsakt tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Es genügt vielmehr, dass nach den allgemeinen Gepflogenheiten von ihm eine Kenntnisnahme erwartet werden kann. Das wiederum ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wurde, wofür ein Einwurf in den Briefkasten des Empfängers ausreicht.
697
Ausreichend ist die Übergabe an einen Empfangsboten. Als Empfangsboten werden Familienangehörige und Bedienstete des Adressaten angesehen. Bei Steuerpflichtigen, die einen Geschäftsbetrieb führen, reicht die Übermittlung an die Sekretärin für die Bekanntgabe aus, auch wenn diese Sekretärin zur Entgegennahme solcher Erklärungen nicht bevollmächtigt sein sollte. Denn die Sekretärin muss nach der Verkehrsanschauung als zum Empfangsboten bestellt angesehen werden. Durch die Bekanntgabe an sie ist die Prüfungsanordnung in den Machtbereich des Täters bzw. seines Vertreters gelangt; es ist die Annahme gerechtfertigt, die Sekretärin werde diese Prüfungsanordnung dem gesetzlichen Vertreter, d.h. dem Täter bzw. seinem Vertreter, so weiterleiten, dass diese Person davon Kenntnis nehmen kann.3
698
Wird die Postsendung dagegen an einem Ort niedergelegt, an dem eine Kenntnisnahme des Adressaten nicht erwartet werden kann, ist die Prüfungsanordnung nicht zugegangen.4
699
Unschädlich ist es für die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, wenn diese eine falsche Adressierung aufweist. Grundsätzlich kann eine falsch adressierte Prüfungsanordnung dem Adressaten nicht zugehen. Erreicht eine falsch adressierte Prüfungsanordnung dennoch den Adressaten, wird diese wirksam.5
700
Für die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung ist es ausreichend, wenn die Prüfungsanordnung in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich. Daher ist die Prüfungsanordnung auch dann bekannt gegeben, wenn der Adressat urlaubsbedingt von der Prüfungsanordnung keine Kenntnis nimmt oder sich im Krankenhaus befindet.6
1 2 3 4 5 6
BFH, Urt. v. 9.11.2005 – I R 111/04, BFH/NV 2006, 641. BFH, Urt. v. 5.12.1974 – V R 111/74, BStBl. 1975 II 28. BFH, Urt. v. 18.10.1988 – VII R 123/85, BStBl. 1989 II 76, 78. BFH, Urt. v. 5.12.1974 – V R 111/74, BStBl. 1975 II 286. Müller-Franken in HHSp., § 122 Rz. 59. BFH, Urt. v. 13.10.1994 – IV R 100/93, BStBl. 1995 II 484, 485.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
(3) Form der Bekanntgabe Die Form der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes richtet sich danach, in welcher Form der Verwaltungsakt erlassen werden soll. Nach § 196 AO hat die Prüfungsanordnung abweichend von § 119 Abs. 2 S. 1 AO zwingend in schriftlicher Form zu ergehen. Die telefonische Ankündigung der Prüfung im Rahmen einer Terminabstimmung führt nicht zur Sperrwirkung.1 Nach § 119 Abs. 3 AO muss die Prüfungsanordnung die erlassende Behörde erkennen lassen, andernfalls ist die Prüfungsanordnung nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nichtig. Außerdem muss die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten sein. Ein Verstoß kann nach § 127 AO unbeachtlich sein. Als Möglichkeit der Bekanntgabe kommen in Betracht: Übermittlung durch die Post, durch Telefax, im Wege der elektronischen Übermittlung (§ 87a Abs. 4 AO), Übergabe durch den Finanzbeamten selbst oder durch einen Amtsboten und förmliche Zustellung.2
701
(4) Bekanntgabeadressat Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz normiert anders als § 197 Abs. 1 S. 1 AO als Bekanntgabeadressaten den Täter oder seinen Vertreter. Gemeint ist damit der in § 197 Abs. 1 S. 1 AO normierte Steuerpflichtige, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll, soweit er der Täter ist bzw. sein Vertreter.
702
In § 122 AO wird nach dem Inhaltsadressaten und dem Bekanntgabeadressaten unterschieden; für § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist ausschließlich auf den Bekanntgabeadressaten abzustellen. Soweit für die Bekanntgabe nach § 122 AO bei Verwaltungsakten, die für mehrere Beteiligte bestimmt sind, oder mehrere Personen von denen betroffen sind, jedem Beteiligten separat eine Ausfertigung des Verwaltungsaktes bekannt gegeben werden muss, ist es für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO zwingend erforderlich, dass die Bekanntgabe auch an den Täter oder seinen Vertreter erfolgt.
703
Der Adressat der Prüfungsanordnung muss nach § 79 AO handlungsfähig sein. Erfolgt die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an eine handlungsunfähige Person, ist die Bekanntgabe unheilbar unwirksam. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Finanzbehörde dieser Umstand bekannt ist oder nicht.3 Die Selbstanzeige ist bei Bekanntgabe an eine handlungsunfähige Person nicht gesperrt.
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1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 119.1. 2 Müller-Franken in HHSp., § 122 Rz. 76. 3 Müller-Franken in HHSp., § 122, Rz. 87.
165
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(a) Täter 705
Täter i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist ausschließlich der Steuerhinterzieher nach § 370 AO. § 371 Abs. 1 AO gewährt mit dem Verweis auf § 370 AO Straffreiheit nur für die Steuerhinterziehung nach § 370 AO und nicht für die Steuerstraftaten nach § 369 AO.
706
Der Begriff des Täters ist in § 25 StGB legal definiert. Es gibt drei Ausgestaltungen der Täterschaft, den unmittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 1. Alt. StGB, das ist der Alleintäter), den mittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 2. Alt.) sowie den Mittäter (§ 25 Abs. 2 AO). Der Alleintäter begeht die tatbestandsmäßige Tat selbst, das ist z.B. einer von drei Geschäftsführern einer GmbH oder einer von einer aus vier Steuerberatern bestehenden Sozietät. Mittelbarer Täter ist, wer die Tat durch einen anderen, einem sog. Werkzeug begeht, d.h. das Werkzeug hat keine Kenntnis um die Tatbegehung, die Unkenntnis des Werkzeugs wird ausgenutzt. Mittäter begehen eine Straftat gemeinschaftlich, z.B. Eheleute oder die Geschäftsführer einer GmbH.
707
Daneben gibt es zwei Formen der Teilnahme: Anstiftung nach § 26 StGB und Beihilfe nach § 27 StGB. Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den Teilnehmer einer Steuerhinterziehung sperrt die Selbstanzeige nicht.1 (b) Vertreter
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§ 371 Abs. 2 Nr. 1a AO sperrt die Selbstanzeige auch für den Fall der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den Vertreter des Täters. Mit der in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO gewählten Formulierung greift der Gesetzgeber auf die Formulierung in § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO zurück. Nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO tritt die Sperrwirkung der Selbstanzeige des Täters auch bei Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung gegenüber dem Vertreter des Täters ein. Eine gesetzliche Definition des Begriffs „Vertreter“ hat der Gesetzgeber nicht erlassen. Zur Auslegung des Begriffes ist auf die Literatur zu § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO a.F. zurückzugreifen.
709
Die Ausdehnung des persönlichen Umfangs der Sperrwirkung in § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ist auf Art. I Nr. 1 des Gesetzes vom 7.12.19512 zurückzuführen. § 410 Abs. 1 S. 2 RAO wurde um die Worte „… oder seinem Vertreter“ erweitert. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss über die Motive, die den Gesetzgeber veranlasst haben, den fraglichen Ausschlussgrund auf den „Vertreter“ des Täters zu erweitern.3 Auf Grund der nicht angegebenen Motive und der fehlenden Definition des Begriffs „Vertreter“ ist die Reichweite der Sperrwirkung umstritten.
1 Ausführungen hierzu s. Rz. 732. 2 BGBl. 1951 I 941. 3 Vgl. insb. BT-Drucks. I/2395, I/2751.
166
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Mit Hübner1 wurde im Jahre 1968 eine noch stark einschränkende Auslegung vertreten. Der Begriff „Vertreter“ sei i.S.v. „Vertreter zur Entgegennahme von Erklärungen i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO“ zu verstehen. Vertreter i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO sollte nur sein, wer für den Täter zur Erstattung einer Selbstanzeige ermächtigt war. Nur diesem Vertreter gegenüber sollte die Einleitung eines Straf- bzw. Bußgeldverfahrens bekannt gegeben werden mit der Folge, dass die Selbstanzeige gesperrt ist. Eine derart einschränkende Auslegung würde allerdings dazu führen, dass diese Gesetzesalternative nahezu nicht zur Anwendung gelangen würde.
710
Nach Schauf2 kommt es darauf an, ob der „Vertreter“ zur Sphäre des Tä- 711 ters gehört, ob also unter gewöhnlichen Umständen damit gerechnet werden kann, dass die mündliche oder schriftliche Einleitung des Steuerstrafoder Bußgeldverfahrens durch die Mittelsperson an den Täter weitergereicht wird. Eine Vollmacht i.S.v. §§ 164 ff. BGB ist danach nicht erforderlich. Unter Fortführung dieser Ansicht muss man neben dem Ehepartner, den volljährigen Familienangehörigen auch den Lebensgefährten zum Vertreter rechnen, soweit eine häusliche Lebensgemeinschaft besteht, aber auch den leitenden Mitarbeiter im Betrieb. Allerdings darf der Begriff des Vertreters aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu weit ausgelegt werden.3 In der Literatur wird weiterhin auf die in §§ 34, 35 AO angeführten gesetzlichen Vertreter und Vermögensverwalter, sowie auf die nach §§ 80 f. AO Bevollmächtigten abgestellt4, so dass auch der Steuerberater zu dem Personenkreis gehört.5 Franzen6 und Dumke7 zählen auch Personen dazu, die im gegebenen Fall in einer engen tatsächlichen oder rechtlichen Beziehung zu dem Täter stehen und die Mitteilung der Einleitung des Straf- und Bußgeldverfahrens für ihn entgegenzunehmen vermögen und dazu bereit sind. Auch Dietz8 zählt zum Vertreter auch Personen ohne besondere Vertretungsvollmacht, die wegen ihrer engen Beziehung zum Täter Mitteilungen entgegennehmen können und dazu bereit sind, z.B. Ehegatte oder Dienstvorgesetzter bei Bundeswehrangehörigen. Damit unterscheiden sich diese Lösungsansätze nicht von der von Schauf vertretenen Sphärentheorie.
712
Vor dem Hintergrund des Gebots der Tatbestandsbestimmtheit ist der Begriff des Vertreters mit Blesinger9 und Joecks10 den §§ 34 und 35 AO zu
713
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
In HHSp., § 395 RAO 1968, Rz. 42, 44. In Kohlmann, § 371 Rz. 187. Zust. Vogelberg in Wannemacher Rz. 2246. Dietz in Leise, § 371 Rz. 33; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 100. Dietz in Leise, § 371 Rz. 33; Bilsdorfer, wistra 1984, 131 f. In Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl., § 371 Rz. 105. In Schwarz, § 371 Rz. 100. In Leise, § 371 Rz. 33. In Kühn/von Wedelstädt, § 371 Rz. 21. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 178.
167
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
entnehmen, mithin alle gesetzlichen, satzungsmäßigen und rechtsgeschäftlichen Vertreter i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. 714
Die Unterschiede der verschiedenen Diskussionsansätze sind jedoch marginal. Im Einzelfall unterliegt der Begriff des Vertreters der tatrichterlichen Beweiswürdigung.1
715
Û
Hinweis: Für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO wird vertreten, dass, wenn einem Vertreter die Einleitung des Strafverfahrens bezüglich des Vertretenen bekannt gegeben wird, für ihn die Selbstanzeige nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO gesperrt ist, auch wenn sich später herausstellt, dass die als Vertreter angesprochene Person selbst Täter ist. Anders ist dies für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO zu beurteilen. Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber dem Vertreter sperrt auch dem Vertreter die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige.
(5) Fehler bei der Bekanntgabe, Heilung 716
Nachdem der Gesetzgeber in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den Täter oder seinen Vertreter als Ausschlussgrund für die Selbstanzeige normiert hat, kommt in der Zukunft Fehlern bei der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eine besondere Bedeutung zu.
717
Zu der Frage, unter welchen Umständen das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde, namentlich eines Prüfers zur Durchführung einer Außenprüfung, die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a a.F. AO nicht auslöst, hat der BGH im Beschluss vom 16.6.20052 in einem obiter dictum erklärt, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a a.F. AO nur in den Fällen nicht eintritt, in denen die dem Erscheinen des Amtsträgers zugrunde liegende Prüfungsanordnung nichtig ist. Die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung oder der Prüfungsdurchführung sollen ebenso wenig zur Sperrwirkung führen wie steuerliche oder strafrechtliche Verwertungsverbote des Prüfungsergebnisses. Mit dieser Entscheidung des BGH ist für die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO auf die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung abzustellen. Der BGH begründet seine Rechtsansicht u.a. mit der steuerpolitischen Zielsetzung, aber auch mit der Rechtssicherheit für den Täter.
718
Fehlerhafte Bekanntgabevorgänge, die lediglich zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung führen, sperren die Selbstanzeige nicht. Sie können geheilt werden. Dies ist dem § 8 VwZG zu entnehmen. Wird die fehlerhaft adressierte Prüfungsanordnung nachweislich an den Täter oder sei1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 178; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 189; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 56a. 2 5 StR 118/05, wistra 2005, 381.
168
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
nen Vertreter weitergeleitet, wird die Prüfungsanordnung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem die Prüfungsanordnung so in den Machtbereich des Täters oder seines Vertreters gelangt, dass dieser von der Prüfungsanordnung Kenntnis nehmen kann. Sobald die Prüfungsanordnung in den Machtbereich des Täters gelangt, ist die Selbstanzeige gesperrt. Eine Prüfungsanordnung, die erst nach Abschluss der Prüfung bekannt gegeben wird, ist nichtig1 und führt nicht zur Sperrwirkung der Selbstanzeige. Die bereits abgeschlossene Prüfung basiert nicht auf einer Prüfungsanordnung. Eine Nachholung der Prüfungsanordnung sieht § 126 AO nicht vor. Die Finanzbehörde ist nicht gehindert, eine Wiederholungsprüfung anzuordnen. Die Selbstanzeige ist dann ab Bekanntgabe der Prüfungsanordnung für die Wiederholungsprüfung gesperrt.
719
cc) Zeitpunkt der Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte nach § 122 Abs. 2 AO Die Existenz und die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung treten nach § 124 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 122 Abs. 2 AO für eine Prüfungsanordnung, welche durch die Post übermittelt wird, erst nach Ablauf der 3-Tagesfrist ein. § 122 Abs. 2a AO trifft eine inhaltsgleiche Bestimmung für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten, die elektronisch zugeleitet werden.
720
Eine durch die Post bekannt gegebene Prüfungsanordnung gilt bei der Übermittlung im Inland am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, der Bescheid ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).
721
§ 122 Abs. 2 AO enthält ebenso wie § 41 Abs. 2 VwVfG für den Zugang von Verwaltungsakten eine Vereinfachungsregel. Mit dieser sollen Streitigkeiten über den genauen Zugang der Prüfungsanordnung ausgeschlossen werden. Daher kann abweichend von der Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht auf den tatsächlich früheren Zugang eines Verwaltungsaktes in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zurückgegriffen werden.2 An der Anwendbarkeit von § 122 Abs. 2 AO bestehen keine Zweifel, da die Anwendung zu Gunsten des Steuerpflichtigen erfolgt.3 Anders ist die Frage zu beurteilen, wenn mit der Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Steuerbescheids die Verjährung der Strafverfolgung bei Steuerhinterziehung bestimmt werden soll;4 die Anwendung von § 122 Abs. 2 AO gereicht dem Steuerpflichtigen zum Nachteil.
722
1 FG Rheinland Pfalz, Urt. v. 19.10.1983 – 1 K 107/83, EFG 1984, 380; FG Berlin, Urt. v. 11.9.1984 – VII 150/83, EFG 1985, 380; FG Nürnberg, Urt. v. 25.10.1988 – II (IV) 135/85, EFG 1989, 211, 212. 2 Müller-Franken in HHSp., § 122 Rz. 323. 3 Roth, PStR 2011, 202; a.A. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 119.1. 4 Müller, wistra 2004, 11.
169
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
723
Die Zugangsfiktion in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO hat nicht ausschließlich verfahrensrechtliche Bedeutung. Sie ist auch zu beachten, wenn an den Zeitpunkt der Bekanntgabe materiell-rechtliche Folgen geknüpft sind.1 Unter Hinweis auf die Stellung des § 122 AO innerhalb der Abgabenordnung beansprucht die Norm allgemeine Gültigkeit. Soll bei Anwendung einer Vorschrift, welche die „Bekanntgabe“ als Tatbestandsmerkmal enthält, § 122 AO nicht gelten, müssen besondere Gründe vorliegen.
724
Ist der Steuerbescheid nachweislich bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugegangen, was regelmäßig der Fall sein wird, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnort am Sitz des Finanzamts hat, endet die Ausschlussfrist dadurch nicht früher.2 Die gesetzliche Vermutung des § 122 Abs. 2 AO zugunsten des Empfängers ist insoweit nicht widerlegbar. Sie greift auch ein, wenn die Prüfungsanordnung dem Adressaten nachweislich vor dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugegangen ist.3
725
Bestreitet der Empfänger den Erhalt einer mit der Post übermittelten Prüfungsanordnung innerhalb der 3-Tagesfrist, muss er substantiiert Tatsachen vortragen, die schlüssig auf den späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Im Zweifel muss das Finanzamt den rechtzeitigen Zugang des Bescheids nachweisen (§ 122 Abs. 2 Halbs. 2 AO).4
726
Û
Hinweis: Die gewöhnliche Postlaufzeit eines auf die Post aufgegebenen Briefes beträgt im Inland einen Tag, so dass der Steuerpflichtige für gewöhnlich am Tag nach Aufgabe zur Post vom Steuerbescheid Kenntnis erlangt. § 122 Abs. 2 AO enthält für den Zugang von Verwaltungsakten eine Vereinfachungsregel. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein durch die Post im Inland übermittelter Verwaltungsakt grundsätzlich als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Mithin verbleiben dem Täter zwei Tage für die strafbefreiende Selbstanzeige, wenn die Prüfungsanordnung am Tag nach der Aufgabe zur Post zugeht. Geht die Prüfungsanordnung dem Bekanntgabeadressaten zwei Tage nach Aufgabe zur Post zu, verbleibt dem Täter nur noch ein Tag zur Erstattung der strafbefreienden Selbstanzeige.
727
Û
Hinweis: § 122 Abs. 2 AO legt der Finanzbehörde nicht auf, die Prüfungsanordnung durch die Post bekannt zu geben. Die Finanzbehörde kann die Prüfungsanordnung auch durch einen Boten bekannt geben. Die Vereinfachungsregel des § 122 Abs. 2 AO greift dann nicht ein. Mit der Aushändigung der Prüfungsanordnung an den Empfänger erfolgt die Bekanntgabe.
1 BFH, Beschl. v. 23.1.2008 – VII B 169/07, BFH/NV 2008, 738; BFH, Urt. v. 13.12.2000 – X R 96/98, BStBl. 2001 II 274. 2 Zur Bekanntgabefiktion bei § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO Roth, PStR 2011, 202. 3 BFH, Urt. v. 13.12.2000 – X R 96/98, BStBl. 2001 II 274. 4 BFH, Beschl. v. 13.2.2008 – XI B 218/07, BFH/NV 2008, 742.
170
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
f) Umfang der Sperrwirkung Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber dem Täter oder seinem Vertreter führt zum Verlust der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige. Die Frage nach dem Umfang der Reichweite der Wirkung der Selbstanzeige in persönlicher Hinsicht ist bereits in der Vergangenheit mit der Sperrwirkung nach der Bekanntgabe der Einleitung eines Strafoder Bußgeldverfahrens gegenüber dem Täter oder seinem Vertreter nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO umstritten gewesen. Für die Bestimmung des persönlichen Umfangs der Sperrwirkung mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird nachfolgend auf die Ausführungen in Literatur und Rechtsprechung zur Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens Bezug genommen. Um die Frage nach dem Umfang der Reichweite der Wirkung der Selbstanzeige in zeitlicher und sachlicher Hinsicht wird man mutmaßlich streiten.
728
aa) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung – Adressat der Bekanntgabe Der persönliche Umfang der Sperrwirkung beschränkt sich auf diejenigen Personen, denen die Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist. Der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO bezeichnet als Adressaten der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung den Täter oder seinen Vertreter. Die Wirkung erfasst keine Person, die in die Bekanntgabe nicht einbezogen ist.
729
(1) Sperrwirkung beim Täter § 371 Abs. 1 AO normiert Straffreiheit nur für den Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 AO und nicht für Steuerstraftaten nach § 369 AO. Täter i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist mithin ausschließlich der Steuerhinterzieher nach § 370 AO.
730
(a) Allgemeine Ausführungen zum Begriff Eine Legaldefinition des Begriffs „Täter“ findet sich in § 25 Abs. 1 StGB. Täter ist, wer die Straftat selbst (sog. unmittelbarer Täter) oder durch einen anderen (sog. mittelbarer Täter) begeht. Auch wer die Tat gemeinschaftlich mit einem anderen begeht, wird gem. § 25 Abs. 2 StGB als Täter (sog. Mittäter) bestraft.
731
Nach bisher einhelliger Auffassung erstreckte sich die Sperrwirkung der Einleitung eines Straf- bzw. Bußgeldverfahrens auch auf den Teilnehmer (Gehilfen, Anstifter).1 Begründet wurde dies mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift.2 Dieser Auslegung steht der eindeutige Wortlaut des
732
1 Z.B. Mösbauer, DStZ 1999, 354, 357; Franzen in Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl. § 371 Rz. 104. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 177.
171
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO, aber auch der eindeutige Wortlaut des hier diskutierten § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO entgegen, so dass eine solche Auslegung ausscheidet. Grötsch1 und mit ihm auch Joecks2 vertreten zur Sperrwirkung der Einleitung eines Straf- bzw. Bußgeldverfahrens zu Recht die Ansicht, dass gerade auf Grund des klaren Wortlauts des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nur Täter i.S.d. § 25 StGB von der Sperrwirkung erfasst werden. Zur Begründung für diese Auffassung werden nachfolgende überzeugende Argumente angeführt: Die §§ 25 bis 27 StGB regeln, wer als Täter oder als Teilnehmer handelt. § 28 Abs. 2 StGB, der gem. § 369 Abs. 2 AO zur Anwendung gelangt, versteht den Begriff des Beteiligten als Oberbegriff und die Begriffe Täter und Teilnehmer als ausfüllende Begriffe. Weiterhin ist die Wortwahl des § 371 Abs. 2 und 3 AO als Argument heranzuziehen. § 371 AO verwendet in Abs. 2 Nr. 1b und Nr. 2 den Begriff des Täters, in Abs. 3 den Begriff des Beteiligten. Auch § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG spricht ausdrücklich vom Beteiligten (Täter und Teilnehmer). Joecks ist zuzustimmen, dass nur der Gesetzgeber in dieser Situation Abhilfe schaffen kann. Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit, die Wortwahl zu ändern und die Sperrwirkung auf den Teilnehmer zu erstrecken. Die Frage wurde im Zusammenhang mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz zu keinem Zeitpunkt diskutiert. Mit dem eindeutigen Wortlaut auch des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO führt die Selbstanzeige bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nur zur Sperrwirkung gegenüber dem Täter und nicht auch gegenüber dem Teilnehmer. (b) Einzelfälle der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung (aa) Sperrwirkung bei Betrieb, Betriebsinhaber und gesetzlichen Vertretern 733
Für die Frage der persönlichen Sperrwirkung ist bei der Hinterziehung betriebsbezogener Steuern zu unterscheiden zwischen dem für die Betriebssteuern steuerlich und strafrechtlich haftenden Betriebsinhaber und den Organen einer juristischen Person (z.B. Vorstand einer AG oder Geschäftsführer einer GmbH).
734
Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung schließt bei einer Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO eine strafbefreiende Selbstanzeige nur bei dem Steuerpflichtigen aus, gegen den die Prüfungsanordnung ergangen ist. Die persönliche Reichweite der Sperrwirkung bezieht sich im Falle der Außenprüfung regelmäßig auf den zu prüfenden Steuerpflichtigen, nicht auf außenstehende Dritte, d.h. der persönliche Umfang bestimmt sich nach dem in der Prüfungsanordnung genannten Adressaten (§ 196 AO).3
1 Stbg 1998, 559, 560. 2 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 177. 3 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; BayObLG, Beschl. v. 23.1.1985 – RReg. 4 St. 309/84, wistra 1985, 117, 118; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119.
172
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Demnach führt die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zur Prüfung eines Einzelunternehmens zur Sperrwirkung für den Betriebsinhaber bzgl. aller in der Prüfungsanordnung angeführten betrieblichen Steuern.
735
Entsprechendes gilt bei Kapitalgesellschaften für den Gesellschafter in Bezug auf die betrieblichen Steuern. Allerdings tritt die Sperrwirkung danach für den Gesellschafter hinsichtlich der persönlichen Steuern nicht ein, wenn die Prüfungsanordnung die Prüfung bei der GmbH anordnet.
736
(bb) Prüfung bei einem Steuerpflichtigen mit mehreren Betrieben Bei zwei rechtlich und tatsächlich getrennten Betrieben bewirkt die steuerliche Prüfung des einen Betriebes nicht, dass dem Inhaber des anderen Betriebes die Möglichkeit der Selbstanzeige für die Steuerverfehlungen in seinem Betrieb abgeschnitten wird, die durch die Nachforschungen in dem geprüften Betrieb aufgedeckt werden könnten.1
737
Hat ein Steuerpflichtiger mehrere Betriebe und besteht zwischen diesen eine wirtschaftliche Einheit (z.B. Besitz-, Betriebs- und Vertriebsgesellschaft), so löst die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung für einen dieser Betriebe die Sperrwirkung für alle Betriebe aus, es sei denn, die Prüfungsanordnung gilt ausdrücklich nur für einen Betrieb.2
738
(cc) Sperrwirkung für tatbeteiligte Betriebsangehörige Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung für ein Unternehmen führt zur Sperrwirkung der Selbstanzeige für tatbeteiligte Betriebsangehörige, soweit sie Vertreter i.S. der Norm sind (z.B. Geschäftsführer), bezogen auf die betrieblichen Steuern, soweit diese in Ausübung des Betriebes gehandelt haben.3 Durch die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird nicht die Selbstanzeige von betriebsfremden Steuerhinterziehungen einzelner Betriebsangehöriger in ihren eigenen Steuerangelegenheiten ausgeschlossen.4
1 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 2 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; Blumers/Göggerle, Rz. 442; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 146; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 82. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; zust. Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 78; anders noch Blumers/Göggerle Rz. 443, die die Ansicht vertreten, dass tatbeteiligte Betriebsangehörige noch während einer Betriebsprüfung eine strafbefreiende Erklärung abgeben können, sofern die Prüfungsanordnung lediglich den steuerpflichtigen Inhaber betrifft; Vogelberg in Wannemacher, Rz. 2213 will nicht zwischen leitenden und sonstigen Mitarbeitern differenzieren, denn es komme nicht darauf an, ob die fraglichen Mitarbeiter von der Prüfungsanordnung oder der bereits begonnenen Prüfung Kenntnis erhalten haben. 4 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119.
173
739
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
740
Eine pauschale Erstreckung der Sperrwirkung auf alle Betriebsangehörigen im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist auf Grund des Wortlauts der Norm ausgeschlossen. § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO knüpft ausdrücklich an die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber „dem Täter oder seinem Vertreter“ an, enthält also eine ausdrückliche Beschränkung der persönlichen Reichweite der Sperrwirkung. Darüber hinaus widerspricht es dem Prinzip der fiskalischen Zielsetzung und dem darauf beruhenden Grundsatz der engen Auslegung der Ausschlussgründe, die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO pauschal auf alle Betriebsangehörigen zu erstrecken. (dd) Keine Sperrwirkung für ausgeschiedene und externe Mitarbeiter
741
Die Sperrwirkung bei § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO scheidet gegenüber freien oder externen Mitarbeitern (z.B. Beratern) eines Unternehmens aus. Die Sperrwirkung kann nur hinsichtlich tatsächlich in die betriebliche Organisation eingegliederter Personen eintreten. Auch ausgeschiedene Mitarbeiter sind außenstehende Dritte. (ee) Sperrwirkung bei Prüfung einer Gesellschaft für die Gesellschafter
742
Der BGH hat im Beschluss vom 15.1.19881 entschieden, dass bei einer Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO das Erscheinen des Prüfers die Möglichkeit zur strafbefreienden Erklärung nur bei dem Steuerpflichtigen ausschließt, gegen den die Prüfungsanordnung ergangen ist.
743
Betrifft die Prüfungsanordnung bei einer Prüfung einer Personen-2 und Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) ausschließlich die Gesellschaft, können die einzelnen Gesellschafter in Bezug auf ihre persönlichen Steuern weiterhin eine strafbefreiende Erklärung abgeben und noch Straffreiheit erlangen, auch wenn die Außenprüfung nach § 194 Abs. 1 S. 3 AO die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter insoweit umfasst, als diese Verhältnisse für die zu überprüfenden Feststellungen von Bedeutung sind. Solche Prüfungen stellen gegen die Gesellschafter in Bezug auf ihre persönlichen Steuern keine Außenprüfung dar. Der Prüfer kann bei außenstehenden Dritten nicht zur Prüfung erscheinen; dies widerspräche ansonsten dem rechtspolitischen Zweck des § 371 AO. Diese Auslegung hat den Vorzug größerer Rechtssicherheit und macht das mit einer Selbstanzeige verbundene Risiko im Rahmen einer Außenprüfung kalkulierbarer. Strafverfolgungsinteressen werden nicht beeinträchtigt, da es die Finanzbehörde in der Hand hat, den Umfang der Sperrwirkung durch den Inhalt der Prüfungsanordnung zu bestimmen.
1 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 23.1.1985 – RReg. 4 St. 309/84, wistra 1985, 117, 118 und OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 2 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188.
174
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Diese Rechtsprechung des BGH lässt sich auf die Sperrwirkung der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, die der Sperrwirkung des Erscheinens des Prüfers zeitlich vorgelagert ist, übertragen.
744
(2) Bekanntgabe gegenüber dem „Vertreter“ Nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO tritt die Sperrwirkung der Selbstanzeige des Täters auch bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber dem Vertreter des Täters ein. Eine wortgleiche Regelung hat der Gesetzgeber in § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO für die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bereits seit 1951. Der Begriff des Vertreters ist umstritten.1 Die unterschiedlichen Lösungsansätze unterscheiden sich nur marginal.
745
bb) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung (1) Reichweite der Sperrwirkung Der sachliche Umfang der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO umfasst, wie vor dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes mit der Sperrwirkung des Erscheinens des Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung, nur die Steuerarten und Steuerabschnitte, die Gegenstand der Prüfung sind.2 Andere Steuerarten und Steuerabschnitte, die mit dem geprüften Sachverhalt in einem mehr oder weniger engen Zusammenhang stehen, werden von der Sperrwirkung nicht erfasst. Die Prüfungsanordnung entscheidet über die sachliche Reichweite der Sperrwirkung. Damit hat es die Finanzbehörde in der Hand, für eine klare und sachgerechte Reichweite der Sperrwirkung zu sorgen.
746
Mithin können die bei der Prüfung typischerweise entdeckungsgefährdeten und in Ausübung des geprüften Betriebes begangenen Steuerverfehlungen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nicht mehr Gegenstand der Selbstanzeige sein, wie dies vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes auch für die Sperrwirkung des Erscheinens des Prüfers verstanden wurde.3
747
Beispiel: Ordnet das Finanzamt die Prüfung der Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 des A an und gibt A die entsprechende Prüfungsanordnung bekannt, entfaltet die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung keine Sperrwirkung hinsichtlich der Einkommensteuer für diese Jahre, auch wenn die Schwarzeinkünfte des Steuerpflichtigen A sich sowohl auf die Umsatzsteuer als auch auf die Einkommensteuer auswirken.
748
1 Vgl. Ausführungen zu Rz. 708 ff. 2 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 86. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
749
Joecks1 stellt für die Begrenzung der Sperrwirkung des Erscheinens des Prüfers neben dem internen Prüfungsauftrag auch auf die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörde, in deren Auftrag der Amtsträger erscheint, ab. Diese Ansicht von Joecks lässt sich grundsätzlich auf die Sperrwirkung der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung übertragen. Ihr kann für keine der beiden angeführten Situationen gefolgt werden. Für den Steuerpflichtigen ist die Spezialisierung der Finanzbehörde auf einen bestimmten Steuerbereich nicht erkennbar. Dem Steuerpflichtigen erschließt sich daher nicht ohne Nachfrage beim steuerlichen Berater unverzüglich die gesperrte Steuerart. (2) Sperrwirkung bei rechtswidriger Prüfungsmaßnahme
750
Im Rahmen der Bestimmung des sachlichen Umfangs der Sperrwirkung stellt sich grundsätzlich die Frage, ob allein eine rechtswidrige Prüfungsanordnung die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO auslösen kann. (a) Beschluss des BGH vom 16.6.2005
751
Der BGH hat im Beschluss vom 16.6.20052 in einem obiter dictum zu der Frage, unter welchen Umständen das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde, namentlich eines Prüfers zur Durchführung einer Außenprüfung, die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a.F. auslöst, dargelegt, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a.F. nur in den Fällen nicht eintritt, in denen die dem Erscheinen des Amtsträgers zugrunde liegende Prüfungsanordnung nichtig ist. Weiterhin hat der BGH in dem Beschluss angeführt, dass die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung oder der Prüfungsdurchführung ebenso wenig zur Sperrwirkung führt wie steuerliche oder strafrechtliche Verwertungsverbote des Prüfungsergebnisses. Der BGH führt in dem Beschluss wie folgt wörtlich aus: „In den Fällen, in denen die dem Erscheinen des Amtsträgers zugrunde liegende Prüfungsanordnung nichtig ist, weil sie an besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehlern leidet (vgl. § 125 AO), wird eine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ausscheiden. Gegen eine weitergehende Einschränkung dieses Sperrgrundes könnten folgende Erwägungen sprechen: Mit der Regelung der Selbstanzeige verfolgt der Gesetzgeber vornehmlich den steuerpolitischen Zweck, dem Täter einen Anreiz zu geben, bisher verheimlichte Steuerquellen zu offenbaren. Die Straffreiheit soll daher nicht eintreten, wenn die bisher verborgene Steuerquelle durch die Finanzbehörde bemerkt wurde oder wenn sie nach dem normalen Verlauf der Dinge alsbald bemerkt würde (vgl. Joecks aaO § 371 Rz. 132). Die Situationen, in denen eine nachträgliche Straffreiheit durch eine Selbstanzeige nicht mehr erreicht werden kann, sind aus Gründen der Rechtssicherheit weitgehend objektivierend beschrieben. … Für den Steuerpflichtigen muss je1 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 149 ff. 2 5 StR 118/05, wistra 2005, 381.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
derzeit eindeutig erkennbar sein, ob eine Selbstanzeige dazu führt, dass er in bezug auf den offenbarten Sachverhalt straffrei wird. Ein Abstellen auf die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung oder der Prüfungsdurchführung oder auf die steuerliche oder strafrechtliche Verwertbarkeit des Prüfungsergebnisses würde insoweit zu erheblichen Unsicherheiten führen, da solche Mängel in vielen Fällen nicht ohne weiteres erkennbar sein werden und unter Umständen erst nach langdauernden Streitigkeiten feststehen. Anders ist dies nur dann, wenn die Prüfungsanordnung an so gravierenden Fehlern leidet, dass sich ihre Nichtigkeit aus § 125 AO ergibt.“1 In dem vom BGH zu entscheidenden Fall brauchte der Senat letztlich aber nicht zu entscheiden, unter welchen Umständen das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde, namentlich eines Prüfers zur Durchführung einer Außenprüfung, die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht auslöst. Denn der Angeklagte hatte mit der bloßen Bestätigung des Außenprüfungsergebnisses keine formwirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO abgegeben.
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(b) Beschluss des BayObLG vom 23.1.1985 Das BayObLG2 hatte den Fall zu entscheiden, dass die Prüfung über den in der Prüfungsanordnung festgelegten Umfang hinausging. Die Außenprüfung setzt eine schriftlich zu erteilende, dem Steuerpflichtigen bekannt zu gebende Prüfungsanordnung voraus, welche den Umfang der Prüfung, insbesondere die zu prüfenden Steuerarten und Besteuerungszeiträume, bestimmen muss. Nur im Umfang der Prüfungsanordnung ist die Außenprüfung, vorbehaltlich einer späteren Erweiterung der Prüfungsanordnung, zulässig. Hieraus ist zu folgern, dass die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung auch im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nur insoweit die Selbstanzeige sperrt, als die Prüfungsanordnung reicht.
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Im Ergebnis stellt das BayObLG fest, dass die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nur dann nicht eintritt, wenn keine Prüfungsanordnung ergangen und dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wurde, wenn es sich mithin um eine nichtige Prüfungsdurchführung handelt, weil die Betriebsprüfung Steuerarten betrifft, die über den in der Prüfungsanordnung festgelegten Umfang hinausgehen.3 Das BayObLG hatte mithin lediglich den Fall einer in Teilen nichtigen Betriebsprüfung zu beurteilen. Eine erfolgreiche Anfechtung der rechtswidrigen Prüfungsanordnung war in dem vom BayObLG zu beurteilenden Fall allerdings nicht erforderlich; die Selbstanzeige bezog sich auf die vom Umfang der Prüfungsanordnung nicht gedeckte Schenkungsteuer.
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1 S. Rz. 669 ff. 2 Beschl. v. 23.1.1985 – RReg. 4 St 309/84, wistra 1985, 117. 3 Schick in HHSp., § 196 Rz. 302, 304.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(c) Kontroverse Ansichten in der Literatur 755
Beschränkt der BGH in seinem Urteil vom 16.6.2005 die Möglichkeit der Selbstanzeige trotz Erscheinens eines Betriebsprüfers auf den Fall einer nach § 125 AO nichtigen Prüfungsanordnung, so werden in der Literatur verschiedene Fallkonstellationen diskutiert, in denen die Prüfungsanordnung die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a.F. entfallen soll. 1. Nach von Briel1 kann einer Selbstanzeige nachträglich strafbefreiende Wirkung zukommen, wenn die Prüfungsanordnung wegen ihrer Rechtswidrigkeit zurückgenommen oder aufgehoben wird und die Rechtswidrigkeit durchgeführter Prüfungsmaßnahmen festgestellt wird. Allerdings soll die Wirksamkeit der Selbstanzeige von einer erfolgreichen Anfechtung der rechtswidrigen Prüfungsanordnung durch den Steuerpflichtigen bzw. dessen Berater abhängig sein.2 Seine Meinung stützt von Briel auf die Entscheidung des BFH vom 9.11.1994.3 2. Nach der Auffassung von Rüping4 soll es darauf ankommen, ob die Ergebnisse der Betriebsprüfung steuerrechtlich einem Verwertungsverbot unterliegen. Zur Argumentation führt Rüping an, dass über die Einordnung nicht die Auswirkung im Steuerstrafrecht entscheide, d.h. die steuerrechtlichen Prämissen im Rahmen der Selbstanzeige nicht wegen ihrer strafrechtlichen Auswirkungen zu strafrechtlichen bzw. strafprozessualen Prämissen werden. Maßgeblich für die Beurteilung sei die vom Steuerpflichtigen zu erfüllende Pflicht; mit der Selbstanzeige werde der Steuerpflichtige seinen ursprünglichen steuerrechtlichen Verpflichtungen gerecht und erfülle den fiskalischen Zweck der Selbstanzeige, das Steueraufkommen nachträglich zu sichern. Das Steuerstrafrecht bleibe durch die Sanktionierung von Verstößen gegen steuerliche Pflichten verwaltungsakzessorisch. 3. Auch Joecks5 will nicht die formale Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung als Kriterium heranziehen. Vielmehr stellt er darauf ab, ob die Erkenntnisse der Betriebsprüfung strafrechtlich einem Verwertungsverbot unterliegen. Bei materiellen Mängeln soll die Prüfungsanordnung keine Sperrwirkung entfalten. 4. Schauf6 ist zur Frage der Sperrwirkung des Erscheinens eines Prüfers insoweit zuzustimmen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit als prägende Grundsätze im Strafrecht sowohl die formelle als auch die materielle Rechtswidrigkeit der Prüfung dazu führen muss, dass eine wirksame Selbstanzeige noch möglich sein muss. Bei § 371 AO handelt es sich um eine Strafvorschrift und nicht um ei1 In von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 156. 2 Im Ergebnis so auch Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, Rz. 320; Klos, INF 1989, 344; Wassmann ZfZ 1990, 242, 245. 3 XI R 33/93 – BFH/NV 1995, 621. 4 In HHSp., § 371 Rz. 154, 112. 5 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 162. 6 In Kohlmann, § 371 Rz. 155.5.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
ne Steuervorschrift, so dass die das Strafrecht prägenden Grundsätze heranzuziehen sind. Mit derselben Begründung ist der Rückgriff auf die im Besteuerungsverfahren geltenden Grundsätze der Verwertungsverbote als falsch zu erachten.1 Mithin ist die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO zu verneinen, auch wenn der Steuerpflichtige bzw. dessen Berater es versäumt haben, gegen die Prüfungsanordnung Einspruch einzulegen und Klage zu erheben, deren Rechtswidrigkeit allerdings im Einspruchs- bzw. Klageverfahren gegen die infolge der Feststellungen der Betriebsprüfung geänderten Steuerbescheide festgestellt wird.
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Soweit sich der BGH im Urteil vom 16.6.2005 auf den fiskalischen Zweck der Selbstanzeige beruft, ist dem BGH entgegenzuhalten, dass der fiskalische Zweck lediglich eine restriktive Auslegung der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO rechtfertigt.
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Ebenso verhält es sich bei dem das Besteuerungsverfahren begleitenden Steuerstrafverfahren. Die Frage, ob eine rechtswidrige Prüfungsanordnung die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO auslösen kann, hat der Tatrichter in eigener Zuständigkeit zu beurteilen. Für das Strafverfahren gilt ebenso wie für das Finanzgerichtsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser Grundsatz verleiht dem Strafgericht ein selbständiges Ermittlungsrecht und eine selbständige Ermittlungspflicht und zwar unabhängig davon, ob und welche Ermittlungen die Ermittlungsbehörde bereits angestellt hat. Das Strafgericht ist daher an die Feststellungen eines Finanzgerichts nicht gebunden. Das Strafgericht muss dem Steuerpflichtigen nach den Regeln des Strafverfahrens nachweisen, dass er eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat und dass die Selbstanzeige in Folge der Sperrwirkungstatbestände nicht zur Strafbefreiung führt. Insoweit besteht keine Bindungswirkung an das steuerrechtliche Verfahren. Das Strafgericht ist nicht davon entbunden, eigene Feststellungen hinsichtlich des relevanten Sachverhaltes vorzunehmen. Im Strafverfahren gilt mithin, dass die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO auch dann zu verneinen ist, wenn versäumt wurde, gegen die Prüfungsanordnung das Rechtsmittelverfahren zu betreiben, die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung bzw. der Prüfungshandlung jedoch im Strafverfahren festgestellt wird.
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cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung Für den zeitlichen Umfang der Sperrwirkung bei Erscheinen eines Prüfers wurde bisher vertreten, dass nur für die in der Prüfungsanordnung bezeichneten Besteuerungszeiträume Sperrwirkung eintritt. Da die Selbstanzeige nur für den strafrechtlich noch nicht verjährten Zeitraum, der
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 155.5.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
sich nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bzw. § 376 Abs. 1 AO bestimmt und für die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO 5 Jahre und für die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–5 AO 10 Jahre beträgt, Sinn macht, konnte bisher für die unverjährten und nicht in der Prüfungsanordnung angeführten Besteuerungszeiträume eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung erstattet werden. Eine solche Selbstanzeige stellt eine Teilselbstanzeige dar. 760
Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber in § 371 Abs. 1 AO normiert, dass nur wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die Selbstanzeige erstattet, wegen dieser Steuerstraftaten nicht bestraft wird. Mit dem Ausschluss der sog. Teilselbstanzeige, welche sich explizit auf alle unverjährten Steuerstraftaten erstreckt, führt die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung in Verbindung mit dem Ausschluss der Teilselbstanzeige zur Sperrwirkung für alle strafrechtlich nicht verjährten Besteuerungszeiträume (Infektionstheorie).1
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Zu diesem Ergebnis gelangt man auch mit dem geänderten Einleitungssatz des § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO. Demnach tritt Straffreiheit „bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten“ bei Vorliegen eines der drei angeführten Sperrgründe nicht ein.
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Hinweis: Umfasst der Prüfungszeitraum wie regelmäßig drei Jahre, so führt der Ausschluss der Teilselbstanzeige dazu, dass die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung die Selbstanzeige für die zu prüfenden Sachverhalte für den gesamten noch nicht strafrechtlich verjährten Zeitraum sperrt.
g) Selbstanzeige nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung 763
Es gibt keine Regel, die besagt, dass eine Selbstanzeige nicht mehr zu erstatten ist, nachdem die Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist. aa) Umfang der Sperrwirkung
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Auch während der Betriebsprüfung ist noch eine strafbefreiende Selbstanzeige bezüglich strafrechtlich relevanter Vorgänge, die nicht von der Prüfungsanordnung bezogen auf die zu prüfenden Steuerarten und damit von der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO als auch vom Ausschluss der Teilselbstanzeige umfasst sind, möglich. Die Selbstanzeige führt z.B. wegen einer nicht erklärten Erbschaft zur Straffreiheit.
1 So auch Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 119.3; FM NRW im Schreiben v. 5.5.2011 – S 0702 – 8 – V A 1; a.A. Adick, PStR 2011, 199.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
bb) Wirksame Selbstanzeige im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung Die Straffreiheit ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nur ausgeschlossen, wenn dem Täter oder seinem Vertreter vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde; demgegenüber wird bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO eine Selbstanzeige erst nach Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens ausgeschlossen.
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Hinweis: Ergibt die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen im laufenden Verfahren, dass dieser nicht mit Vorsatz, sondern lediglich leichtfertig gehandelt hat, erlangt der Steuerpflichtige mit der Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO Straffreiheit, auch wenn ihm zuvor die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde. Die rechtliche Einordnung nach der Schuldform als vorsätzlich oder leichtfertig kann bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nicht abschließend vorgenommen werden, da diese vom Sachverhalt abhängig ist und eine umfassende Beratung des Steuerpflichtigen voraussetzt. Hierfür ist regelmäßig nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung keine Zeit. Außerdem leiden die Steuerpflichtigen bei weit zurückreichenden Sachverhalten insb. in solchen Stress-Situationen unter Erinnerungslücken. In größeren Betrieben muss der Sachverhalt oftmals erst mit den Angestellten in der Steuer- und Buchhaltungsabteilung abgeklärt werden. Aus diesem Grund erstattet man die Selbstanzeige auch bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung.
cc) Verunglückte Selbstanzeige Eine sog. verunglückte Selbstanzeige, d.h. eine verspätete Selbstanzeige wirkt nicht mehr strafbefreiend, wohl aber strafmildernd und damit günstig auf den Abschluss des Verfahrens (Einstellung des Verfahrens gem. §§ 153 StPO, 398 AO statt Strafbefehl, Strafbefehl statt Anklage). Daneben ist an die Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB) zu denken.
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h) Wiederaufleben der Berichtigungsmöglichkeit Die Sperrwirkung endet, sobald die berichtigten Steuerbescheide aus der Prüfung abgesandt oder die Prüfungsanordnung ergebnislos zu den Akten gelegt worden ist bzw. die Mitteilung gem. § 202 Abs. 1 S. 3 AO abgesandt wird. Dies bedeutet, dass die Selbstanzeige bezüglich nicht aufgedeckter Taten mit Abschluss der Außenprüfung wieder auflebt.1 Zur Begründung ist auf den Sinn und Zweck der Ausschlussgründe zu verweisen. Die Ausschlussgründe basieren auf der Gefahr der Tatentdeckung. Nach Abschluss der Außenprüfung kann die Tat nicht mehr im Rahmen der abgeschlossenen Betriebsprüfung entdeckt werden. 1 BGH, Urt. v. 23.3.1994 – 5 StR 38/94, wistra 1994, 228; Blumers/Göggerle, Rz. 445.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Beispiel: Der Betriebsprüfer P ordnet wegen Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2007 die Betriebsprüfung bei der X-GmbH an und gibt die Prüfungsanordnung gegenüber der X-GmbH bekannt. Die Betriebsprüfung führt zu geringfügigen Beanstandungen und zu Änderungsbescheiden. Der GesellschafterGeschäftsführer G der X-GmbH gibt nach Zahlung der in den Änderungsbescheiden angeführten Steuern über seinen Steuerberater eine Selbstanzeige wegen vorsätzlich falscher Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärungen der X-GmbH für die Jahre 2003 bis 2008 ab. Die Selbstanzeige führt zur Straffreiheit. Sie ist nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO gesperrt.
3. Sperrwirkung durch Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens Literatur: Baur, Mangelnde Bestimmtheit von Durchsuchungsbeschlüssen, wistra 1983, 99; Bergmann/Eickmann, Die Ausschlussgründe der strafbefreienden Erklärung und Selbstanzeige im Vergleich, wistra 2004, 372; Bilsdorfer, Möglichkeit der Straffreiheit durch Selbstanzeige von Bankkunden und Bankmitarbeitern, INF 1995, 6; Bilsdorfer, Der Tatbegriff in § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO und die Angemessenheit der Nachzahlungsfrist in § 371 Abs. 3 AO, StBp 1989, 40; Bilsdorfer, Sperrwirkung einer Selbstanzeige bei Verfahrenseinleitung, StBp 1990, 19; Blesinger, Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens, wistra 1994, 48; Grötsch, Erlangung von Straffreiheit trotz Beteiligung an einer Steuerhinterziehung, Stbg 1998, 559; Heerspink, Selbstanzeige – Neues und Künftiges, BB 2002, 910; Hofmann, Mandantenbetreuung bei der steuerlichen Selbstanzeige, DStR 1998, 399; Kawlath, Zum Tatbegriff des § 371 Abs. 2 Nr. 1b im Lichte des Amnestiegesetzes, wistra, 1989, 218; Krekeler/Schütz, Die Durchsuchung von beziehungsweise in Unternehmen; wistra 1995, 296; Marx, Einleitung des Steuerstrafverfahrens durch hektographierte Schreiben?, wistra 1987, 207; Mösbauer, Die Bekanntgabe der Einleitung des Strafoder Bußgeldverfahrens als Sperre für die Straffreiheit nach § 371 AO, DStZ 1999, 354; Mösbauer, Die „Einleitung eines Strafverfahrens“ als Tatbestandsmerkmal für den Ausschluss der Selbstanzeige nach § 371 AO, DB 2001, 836; Pfaff, Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat an den Täter oder seinen Vertreter nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO, DStZ 1977, 445; Schuhmann, Zur Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens nach der Abgabenordnung, wistra 1992, 293; Streck/Mack, Banken und Bankkunden im Steuerfahndungsverfahren, BB 1995, 2137; Teske, Die neuere Rechtsprechung zur Selbstanzeige, wistra 1990, 139; dies.; Die Bekanntgabe der Einleitung eines Strafoder Bußgeldverfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO) durch Durchsuchungsbeschlüsse, wistra 1988, 287; Theil, Probleme beim Umgang mit der Selbstanzeige in der Praxis, BB 1983, 1274; Weyand, Nochmals – Einleitung des Steuerstrafverfahrens durch hektographierte Schreiben?, wistra 1987, 283.
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Ebenso wie der Ausschlusstatbestand des Erscheinens eines Amtsträgers zur Prüfung oder Ermittlung wurde der Ausschlussgrund der Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens mit der Neufassung des § 410 Abs. 1 S. 2 RAO durch Art. I Nr. 1 des Gesetzes vom 7.12.19511 in das Gesetz aufgenommen. Dieser Ausschlussgrund ist heute in § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO normiert.2
1 BGBl. 1951 I 941. 2 BGBl. 2011 I 676.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO tritt die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige nicht ein, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung i.S.d. § 371 Abs. 1 AO „dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist“. Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige ist nicht schon mit der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens ausgeschlossen, sondern erst mit der Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens. Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens stellt lediglich die gesetzliche Folge einer Ermittlungsmaßnahme dar und ist unabhängig von dem gem. § 397 Abs. 2 AO vorgeschriebenen Aktenvermerk und der Mitteilung an den Beschuldigten nach § 397 Abs. 3 AO.
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Auch im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO muss der Täter unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigen oder ergänzen oder unterlassene Angaben nachholen, ohne dass ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist (§ 378 Abs. 3 S. 1 AO). Der Gesetzgeber hat die Ausschlusstatbestände des § 371 Abs. 2 Nr. 1a, c, Nr. 2 und Nr. 3 AO nicht übernommen1, so dass eine Selbstanzeige wegen leichtfertiger Steuerverkürzung noch möglich ist, wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wird, ein Amtsträger zur steuerlichen Prüfung bzw. zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist, die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung bereits entdeckt war oder die verkürzte Steuer einen Betrag von 50 000 Euro je Tat übersteigt.
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Hinweis: Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO neu formuliert. War die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige mit der Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens „wegen der Tat“ ausgeschlossen, lässt der Gesetzgeber für die Sperrwirkung die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens genügen. Die Einschränkung „wegen der Tat“ ist mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz entfallen.
a) Einleitung des Straf- und Bußgeldverfahrens Die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens schließt die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige aus.
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aa) Einleitung des Strafverfahrens Wann ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist, ergibt sich aus der in § 397 Abs. 1 AO enthaltenen Legaldefinition.
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 163.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(1) Zuständigkeit für die Einleitung des Strafverfahrens 776
Das Steuerstrafverfahren ist demnach eingeleitet, sobald die Finanzbehörde, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, einer ihrer Hilfsbeamten oder der Strafrichter eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen (§ 397 Abs. 1 AO). Finanzbehörde i.S.d. Bestimmung sind gem. § 386 Abs. 1 S. 2 AO das Hauptzollamt, das Finanzamt, das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse. Die Oberfinanzdirektion ist keine Ermittlungsbehörde. Nach § 195 S. 2 AO kann die zuständige Finanzbehörde eine bei der Oberfinanzdirektion bestehende Großprüfungsstelle mit der Außenprüfung beauftragen. Damit sind die Beamten der Großprüfungsstelle auch für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zuständig. Im Innendienst sind alle mit der Sache befassten Verwaltungsangehörigen des Finanzamts, auch wenn sie nicht Vorsteher, stellvertretender Vorsteher oder Sachgebietsleiter sind, zur Einleitung des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens befugt. Im Außendienst sind der Außenprüfer und die Steuerund Zollfahnder einleitungsbefugt.1 Die Steuerämter der Gemeinden können für Kommunalabgaben nur soweit ein Steuerstrafverfahren einleiten, als die Gesetze der Länder die §§ 397, 386 AO entsprechend für anwendbar erklärt haben.2 (2) Einleitende Maßnahme
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Der Beginn strafrechtlicher Ermittlungen gegen eine oder mehrere bestimmte, bereits bekannte oder noch unbekannte Personen auf Grund eines bestimmten Sachverhalts, der den Verdacht einer Steuerstraftat hervorgerufen hat, ist gleichbedeutend mit der Einleitung des Steuerstrafverfahrens i.S.d. § 397 Abs. 1 AO.3 Die Einleitung besteht in einer konkreten, verdachtsaufklärenden Maßnahme.4 Mit dieser Maßnahme wird die Einleitung des Steuerstrafverfahrens kraft Gesetzes bewirkt.
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§ 397 Abs. 1 AO begründet keine Pflicht zur Verfolgung von Steuerstraftaten. Diese ergibt sich vielmehr aus dem Legalitätsprinzip bei zureichenden Anhaltspunkten, für die Staatsanwaltschaft aus § 152 Abs. 2 StPO, für die Polizei aus § 163 Abs. 1 StPO und für die Finanzbehörde entweder aus § 399 AO i.V.m. § 152 Abs. 2 StPO oder aus § 402 AO i.V.m. § 163 Abs. 1 StPO. Die zur Aufklärung des Verdachts ergriffenen Maßnahmen haben die Einleitung des Steuerstrafverfahrens zur Folge.
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Die das Steuerstrafverfahren einleitende Maßnahme muss unter Angabe des Zeitpunktes unverzüglich in den Akten vermerkt werden (§ 397 Abs. 2 AO). Ein Aktenvermerk allein, ohne dass eine das Steuerstrafver1 Mösbauer, DStZ 1999, 354, 356. 2 Die kommunalen Bestimmungen werden von Rüping in HHSp., § 371 Rz. 36 aufgeführt. 3 Jäger in Franzen/Gast/Joecks, § 397 Rz. 7. 4 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 169.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
fahren einleitende Maßnahme vollzogen wurde, erfüllt nicht das Kriterium der Maßnahme, denn ihm fehlt das „nach außen in Erscheinung Treten“ einer Maßnahme.1 Als Maßnahmen, die die Einleitung des Steuerstrafverfahrens begründen und dadurch die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO auslösen, kommen insb. in Betracht:
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– Durchsuchungen nach §§ 102 ff. StPO, – Beschlagnahmen nach §§ 94 ff. StPO, – vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 1 oder 2 StPO, – Verhaftung nach § 114 StPO, – verantwortliche Vernehmungen nach § 136 Abs. 1 StPO, – körperliche Untersuchung eines Verdächtigen nach § 81a StPO. Weitere Maßnahmen sind:
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– Antrag auf richterlichen Beschluss einer Durchsuchung2, – Abgabe einer Steuerstrafsache an die Staatsanwaltschaft gem. § 386 Abs. 4 S. 1 AO, falls die Einleitung des Steuerstrafverfahrens unmittelbar auf Grund des ersten Verdachts vorgenommen wird, – Anforderung einer Auskunft aus dem Zentralregister durch die Finanzbehörde nach § 41 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 BZRG, – verdeckte Ermittlungen (vgl. §§ 110a ff. StPO), – die Weisung des zuständigen Behördenleiters, in einer bestimmten Sache eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme vorzunehmen3, – förmliche Verfügung des Staatsanwalts nach Vernehmung einer Zeugin der sie betreffenden Eintragung einer Strafsache wegen Steuerhinterziehung4, – Abbruch der Außenprüfung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BpO, weil der Betriebsprüfer den Verdacht einer Steuerhinterziehung für begründet hält5, – Auswertung einer Kontrollmitteilung durch das zuständige Finanzamt durch Abgleich mit den Steuerakten mit dem Ergebnis, dass Steuern verkürzt worden sind.6
1 2 3 4 5
Mösbauer, DStZ 1999, 354, 356. BFH, Urt. v. 23.12.1980 – VII R 92/79, BStBl. 1981 349. Jäger in Franzen/Gast/Joecks, § 397 Rz. 66. BFH, Beschl. v. 13.12.1995 – X B 50/95, BFH/NV 1996, 451. Matthes in Kohlmann, § 397 Rz. 27; Jäger in Franzen/Gast/Joecks, § 397 Rz. 66; zur Begründung ist anzuführen, dass § 10 Abs. 1 S. 1 BpO für die Unterrichtung der zuständigen Strafsachenstelle zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat nach § 152 Abs. 2 StPO erfordert. 6 Vgl. die differenzierte Betrachtung bei Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 227.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Noch keine Einleitungsmaßnahmen sind dagegen: – Notveräußerung auf Grund von § 111l Abs. 1 StPO, – interne Anforderung der Akten1, – Übersendung der Akten von der Betriebsprüfungsstelle an die Strafsachenstelle zu dem Zwecke einer strafrechtlichen Prüfung bestimmter Sachverhalte ohne Abbruch der Außenprüfung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BpO2, – bloße Büroverfügungen wie z.B. Strafakte anlegen und Wv. 1 Woche3, – Erstellung einer Kontrollmitteilung nach § 194 Abs. 3 AO und der Eingang der Kontrollmitteilung beim zuständigen Finanzamt4, – Hinweis des Betriebsprüfers in der Schlussbesprechung, dass die strafrechtliche Beurteilung des Prüfungsergebnisses einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibt5, – bloße Scheinmaßnahmen zur Abwendung der Verjährung6, – Anhalten einer Person im grenznahen Raum zu Kontrollzwecken nach § 10 ZollVG, – Prüfung einer Selbstanzeige gem. Nrn. 11, 132 AStBV7, – Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO.8
783
Wird die Finanzbehörde sowohl im Besteuerungsverfahren als auch im Steuerstrafverfahren tätig (sog. doppeldeutige bzw. indifferente Maßnahmen), stellt § 397 Abs. 1 AO darauf ab, ob die Maßnahmen „erkennbar darauf abzielen, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen“. Im Falle der Ermittlungen im Rahmen des Steuerstrafverfahrens muss die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen nach § 136 StPO über seine Rechte belehren.
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 169. 2 Jäger in Franzen/Gast/Joecks, § 397 Rz. 66; a.A. Matthes in Kohlmann, § 397 Rz. 27; zur Begründung der hier vertretenen Ansicht ist anzumerken, dass die Einleitung in einer konkreten, verdachtsaufklärenden Maßnahme besteht, mithin einen Anfangsverdacht nach § 152 Abs. 2 StPO erfordert, andernfalls lediglich Vorfeldermittlungen gegeben sind, aber bei einem Anfangsverdacht nach § 10 Abs. 1 S. 1 BpO eine Unterbrechung der Prüfung erforderlich ist. 3 Jäger in Franzen/Gast/Joecks, § 397 Rz. 67; a.A. Matthes in Kohlmann, § 397 Rz. 28. 4 Vgl. die differenzierte Betrachtung bei Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 227. 5 Arendt, ZfZ 1985, 267, 268; Mösbauer, DStZ 1985, 325, 328; Mösbauer, DStZ 1999, 354, 357; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 55. 6 Vgl. Ausführungen zur Prüfungsabsicht bei § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO Rz. 885. 7 OLG Celle, Urt. v. 19.12.1963 – 1 Ss 402/63, NJW 1964, 989 f. 8 Vgl. Nr. 12 AStBV.
186
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
bb) Einleitung des Bußgeldverfahrens Führt die Ermittlungsbehörde die Ermittlungen zunächst lediglich im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, muss der Täter damit rechnen, „dass eine aus der Gefährdungshandlung etwa erwachsene Steuerhinterziehung zum Teil bereits entdeckt ist“. Der Gesetzgeber hat daher mit der Formulierung im § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO „oder eines Bußgeldverfahrens“ klargestellt, dass auch in diesem Fall die Sperrwirkung eintritt.1 Zur Begründung der Erstreckung der Sperrwirkung auf die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen leichtfertiger Steuerverkürzung hat der Gesetzgeber2 ausgeführt, dass das Bewusstsein einer teilweisen Entdeckung der Tat für den Ausschluss der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige nach dem bisherigen Recht genügt. Damit trägt der Gesetzgeber der Erfahrungstatsache Rechnung, dass sich am Anfang der Ermittlungen vielfach noch nicht absehen lässt, ob sich die Verdachtsgründe lediglich auf eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S.d. § 378 AO oder eine versuchte oder vollendete Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO beziehen.
784
Beispiel: Gegen den Steuerpflichtigen S wird ein Bußgeldverfahren wegen leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO eingeleitet. Bei seiner Vernehmung räumt S ein, die fraglichen Steuern vorsätzlich hinterzogen zu haben. Die geständige Einlassung des S bei der Vernehmung wirkt nicht strafbefreiend. Die geständige Einlassung ist in Folge des Ausschlusstatbestandes des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO verfristet.
785
Nach § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO gilt § 397 AO über die Einleitung des Strafverfahrens für das Bußgeldverfahren entsprechend. Bei Steuerordnungswidrigkeiten bestimmt sich die zuständige Verwaltungsbehörde nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG; dies ist nach § 409 S. 1 AO die nach § 387 Abs. 1 AO sachlich zuständige Finanzbehörde. Auf Grund der Verweisung in § 409 S. 2 AO auf § 387 Abs. 2 AO kommt der Finanzbehörde eine Doppelstellung zu; sie ist Ermittlungsbehörde für Steuerstrafsachen und Bußgeldbehörde.3
786
Ebenso wie bei der Einleitung des Steuerstrafverfahrens bedarf es auch bei der Einleitung des Bußgeldverfahrens einer einleitenden Maßnahme. Diese einleitende Maßnahme muss gem. § 397 Abs. 2 AO unter Angabe des Zeitpunktes unverzüglich in den Akten vermerkt werden.4
787
Aus einer rein bußgeldrechtlichen Ermittlungsmaßnahme kann nicht auf die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens geschlossen werden, da die Maßnahme zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens einen darauf abzielenden Willen des handelnden Amtsträgers voraussetzt. Der strafrechtliche Charakter der Maßnahme der Behörde muss klar erkennbar sein.5
788
1 2 3 4 5
BT-Drucks. V 1812/24. BT-Drucks. V 1812/24. Mösbauer, DStZ 1999, 354, 356. Mösbauer, DStZ 1999, 354, 356. Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 53.
187
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
789
Im Gegensatz zum Steuerstrafverfahren, für das auf Grund des Legalitätsprinzips eine Pflicht zur Verfolgung von Steuerstraftaten gilt, greift für das Bußgeldverfahren das Opportunitätsprinzip. Für die Einleitung des Bußgeldverfahrens ist dennoch ein einfacher Tatverdacht ausreichend. b) Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens
790
Erst die Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstraf- bzw. Bußgeldverfahrens löst die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO aus, nicht bereits die Einleitung des Verfahrens.
791
Der Gesetzgeber hat das Wort „eröffnet“ durch das Wort „bekannt gegeben“ mit Art. 1 Nr. 8 AO StrafÄndG ersetzt, um unzutreffende Gedankenassoziationen zwischen der Mitteilung von der Einleitung des Strafverfahrens und der Eröffnung des Hauptverfahrens i.S.d. §§ 199 ff. StPO zu unterbinden.1 aa) Amtliche Mitteilung über die Einleitung des Steuerstrafverfahrens
792
Die Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstraf- und Bußgeldverfahrens erfordert eine amtliche Mitteilung2 der Finanzverwaltung an den Täter oder seinen Vertreter, dass gegen ihn strafrechtliche bzw. bußgeldrechtliche Ermittlungen durchgeführt werden. Die Bekanntgabe der Einleitung umfasst die Mitteilung, welcher Lebenssachverhalt die Straftat oder Ordnungswidrigkeit verwirklicht hat. Sie ist eine amtliche Mitteilung, die vom Wissen und Wollen der Behörde getragen wird.3 Eine Mitteilung von privater Seite, etwa in einem Nachbarschafts- oder Stammtischgespräch, so wie eine auf einer Indiskretion beruhende Information aus der Finanzverwaltung reichen als Bekanntgabe nicht aus, da diese nicht von einem Erklärungswillen der Behörde getragen sind. Allerdings können diese Informationen dem Steuerpflichtigen die Kenntnis vermitteln, dass eine Tat entdeckt ist und die strafbefreiende Wirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ausschließen.
793
Beispiel: Die Steuerfahndung des Finanzamts Landshut hat gegen den Steuerpflichtigen S per Aktenvermerk das Strafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer auf Grund nicht erklärter Zinseinnahmen eingeleitet. Die Einleitung wurde dem S aber noch nicht mitgeteilt. S erlangt in Folge einer Indiskretion aus der Finanzverwaltung davon Kenntnis. Seine Selbstanzeige ist nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ausgeschlossen.
794
Nach § 397 Abs. 3 AO muss die Mitteilung spätestens dann erfolgen, wenn der Beschuldigte zur aktiven Mitwirkung bei der Ermittlung aufgefordert wird und Tatsachen darlegen und Unterlagen vorlegen soll, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist. Ent1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 165. 2 LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 75. 3 Mösbauer, DStZ 1999, 354, 356.
188
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
sprechendes gilt gem. § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO auch für das Bußgeldverfahren. Auch nach § 10 Abs. 1 S. 3 BpO dürfen hinsichtlich des Sachverhalts, auf den sich der Verdacht einer Steuerstraftat bezieht, die Ermittlungen (§ 194 AO) bei dem Steuerpflichtigen erst fortgesetzt werden, wenn ihm die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist. bb) Form der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens Das Gesetz bestimmt keine bestimmte Form für die Bekanntgabe der Maßnahme. Die Bekanntgabe ist an keine Form gebunden und kann schriftlich oder mündlich (auch fernmündlich), auch konkludent erfolgen. Eine konkludente Bekanntgabe setzt eine schlüssige Handlung mit eindeutig strafverfahrensrechtlichem Charakter voraus.1
795
(1) Bekanntgabe mittels Postzustellungsurkunde Allerdings muss dem Täter im Strafverfahren nachgewiesen werden, dass 796 ihm die Einleitung eines Strafverfahrens mitgeteilt worden ist, so dass mündliche, auch fernmündliche Erklärungen zwar möglich, aber in der Praxis nicht geeignet sind, um den Nachweis der Bekanntgabe zu führen. Im Einzelfall kann daher eine förmliche Zustellung gem. §§ 3 ff. VwZG in Betracht kommen. Dieser Form der Bekanntgabe kommt erhebliche Bedeutung zu, wenn der Täter die Bekanntgabe der Mitteilung bestreitet, zumal Bekanntgabefiktionen im Steuerstrafrecht nicht zur Anwendung gelangen.2 In diesem Fall unterliegt es der tatrichterlichen Beweiswürdigung, ob bzw. wann die amtliche Mitteilung bekannt gegeben wurde. Mit der Bekanntgabe mittels Postzustellungsurkunde nach § 3 VwZG kann der Nachweis des tatsächlichen Zugangs beweissicher dokumentiert werden. (2) Öffentliche Bekanntmachung Einer öffentlichen Bekanntmachung nach § 10 VwZG steht das Steuergeheimnis nach § 30 AO wohl nicht entgegen; die Durchbrechung des Steuergeheimnisses erscheint nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO gerechtfertigt, da die Bekanntmachung der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient.3 Joecks ist insoweit zuzustimmen, dass diese Form der Bekanntgabe in der Praxis untauglich ist, weil sich aus dieser Form kaum der Nachweis führen lässt, wann der Täter Kenntnis von der Einleitung des Verfahrens erhalten hat.4
1 Mösbauer, DStZ 1999, 354, 357. 2 Vgl. Müller, wistra 2004, 11. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks § 371 Rz. 167, Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 54; a.A. noch Franzen in Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl., § 371 Rz. 104; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 174.2. 4 Zustimmend Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 54.
189
797
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(3) Eindeutige Amtshandlungen 798
Die Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens kann auch durch Amtshandlungen erfolgen, für die die Strafprozessordnung eine besondere Form vorsieht, die ausreichend konkret abgefasst sind und die bereits aufgrund ihres Inhalts und ihrer Form erkennen lassen, dass gegen den, gegen den sich die Amtshandlung richtet, ein Strafverfahren anhängig ist (sog. eindeutige Amtshandlungen).1
799
Um solche eindeutige Amtshandlungen handelt es sich bei – Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen nach §§ 102 ff. StPO, nicht nach § 103 StPO, – Beschlagnahmen nach §§ 94 ff. StPO, – vorläufigen Festnahmen nach § 127 Abs. 1 oder 2 StPO, – verantwortlichen Vernehmungen nach § 136 Abs. 1 StPO, – körperlichen Untersuchungen eines Verdächtigen nach § 81a StPO. (a) Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen
800
Wegen der schwerwiegenden Folgen für den Beschuldigten muss im Falle der Durchführung einer Durchsuchung dem Täter der Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt werden.2 Der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses lässt den Täter erkennen, dass gegen ihn ein Strafverfahren anhängig ist. Erfolgt die Bekanntgabe gegenüber dem Vertreter des Beschuldigten, ist diese einer Bekanntgabe gegenüber dem Beschuldigten gleichzusetzen. Der Steuerberater ist im Normalfall nicht als Vertreter des Beschuldigten anzusehen. Erfolgt die Durchsuchung nach § 103 StPO in den Geschäftsräumen des Steuerberaters des Täters, stellt die nach § 106 Abs. 2 S. 1 StPO erforderliche Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses mithin keine Bekanntgabe einer Maßnahme der Einleitung des Steuerstrafverfahrens gegenüber dem Steuerpflichtigen i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO dar. Erforderlich ist, dass dem Beschuldigten selbst die Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben wird, um ihn über die Tat, derer er verdächtigt wird, ins Bild zu setzen.3
801
Wird die Durchsuchung bei Gefahr im Verzug durch einen Fahndungsbeamten als Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft oder durch einen sonst zur Durchsuchung erschienenen Amtsträger der Finanzbehörde angeordnet, muss der Beschuldigte zumindest mündlich, wenn er sich nicht am Ort der Durchsuchung aufhält, fernmündlich, über den Zweck der Durchsuchung unterrichtet werden. Die Maßnahme ist unter Angabe des Zeitpunkts unverzüglich in den Akten zu vermerken, § 397 Abs. 2 AO.
1 Kopacek, BB 1961, 41, 43 f. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 24.3.1987 – 2 Ss 134/86, wistra 1987, 189.
190
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
(b) Beschlagnahme von Unterlagen Auch bei einer Beschlagnahme wird dem Beschuldigten die richterliche Beschlagnahmeanordnung vorgewiesen. Diese ist oftmals in der richterlichen Durchsuchungsanordnung mit aufgeführt. Werden die in der Beschlagnahmeanordnung aufgeführten Gegenstände freiwillig herausgegeben1, lassen sich daraus keine Rückschlüsse über die Einleitung des Steuerstrafverfahrens und die Bekanntgabe der Maßnahme schließen.
802
(c) Vorläufige Festnahme und verantwortliche Vernehmung Auch bei der vorläufigen Festnahme nach § 127 StPO und der Verhaftung nach §§ 114 ff. StPO handelt es sich um objektiv erkennbare strafverfahrensrechtliche Maßnahmen zur Ermittlung einer Steuerstraftat, mithin um eindeutige Amtshandlungen durch schlüssiges Verhalten.2 Das OLG Bremen hat in seinem Urteil vom 31.1.19513 festgestellt, dass eine Festnahme nur im Rahmen eines Strafverfahrens zulässig ist und eindeutig bedeutet, dass eine strafrechtliche Untersuchung schwebt und gleichzeitig deren Mitteilung an den Betroffenen enthält. Das OLG Bremen hat aus diesem Grund der nach Einleitung der strafrechtlichen Untersuchung erstatteten Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung versagt.
803
Auch die erste Vernehmung des Beschuldigten stellt eine eindeutige Amtshandlung dar. Dies ergibt sich aus der Pflicht der Amtsträger der Steuer- oder Zollfahndung oder der Strafsachenstelle einer Finanzbehörde zur Belehrung des Täters nach § 136 Abs. 1 S. 1 StPO zu Beginn der ersten Vernehmung über die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, und über die Strafvorschriften, die in Betracht kommen. § 136 Abs. 1 S. 2 bis 4 StPO bestimmen weitere Belehrungspflichten. Eine entsprechende Belehrungspflicht gilt gem. § 10 Abs. 1 S. 3 bis 5, Abs. 2 BpO, wenn sich anlässlich einer Außenprüfung der Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit ergibt. Der Beschuldigte ist darüber zu belehren, dass seine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren gem. § 393 Abs. 1 AO nicht mehr erzwungen werden kann. Die Belehrung muss aktenkundig gemacht werden.
804
(d) Überprüfung einer Selbstanzeige Die Überprüfung einer Selbstanzeige kann nicht als Einleitung eines Strafverfahrens gedeutet werden.
805
Beispiel: Der Steuerpflichtige S betreibt in der Form eines Einzelunternehmens einen Handel mit Kraft- und Schmierstoffen. Er gibt im Jahr 2008 regelmäßig unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen ab und hinterzieht auf diese Weise Umsatzsteuer. Im Jahre 2009 gibt er für das Jahr 2008 eine Umsatzsteuerjahreserklä-
806
1 Vgl. § 94 Abs. 2 StPO. 2 Vgl. Kopacek, BB 1961, 41, 44. 3 Ss 100/50, DStZ/B 212, 213.
191
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO rung ab, in dem er alle Angaben korrigiert. Er teilt dem Finanzamt mit, dass diese Erklärung eine Selbstanzeige darstelle. Die Finanzbehörde wiederum teilt S schriftlich mit, dass es die Umsatzsteuerjahreserklärung als Selbstanzeige anerkenne und setzt ihm eine Frist zur Nachentrichtung der Umsatzsteuer. Da S die Umsatzsteuer nicht in voller Höhe nachzahlen kann, kommt es zum Strafverfahren. Die Finanzbehörde vertritt im Strafverfahren die Ansicht, dass die Überprüfung der Selbstanzeige als Einleitung des Strafverfahrens zu gelten habe. Weder die nach außen erkennbare Überprüfung einer Selbstanzeige noch die nachträgliche Festsetzung der Steuern und auch nicht die Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO sind eindeutige Amtshandlungen, die den S erkennen lassen, dass gegen ihn ein Strafverfahren anhängig ist.1
cc) Anforderungen an den Inhalt der Mitteilung 807
An den Inhalt der Bekanntgabe müssen Mindestanforderungen gestellt werden, damit für den Tatbeteiligten der Tatvorwurf und damit die Reichweite der Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO erkennbar werden. Die Mitteilung muss wegen des Umfangs in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht im Einzelnen folgende Angaben enthalten: – die Bezeichnung des Täters (persönlicher Umfang) – und die Bezeichnung des konkreten Tatvorwurfs unter Angabe – der betroffenen Steuerarten (sachlicher Umfang) – und der Besteuerungszeiträume (zeitlicher Umfang).2
808
Der Inhalt der Mitteilung muss zu erkennen geben, dass sich die Ermittlungen gegen eine bestimmte Person richten. Die dem Täter zur Last gelegte Handlungsweise muss ebenfalls Gegenstand der Mitteilung sein. So muss die Mitteilung enthalten, ob dem Täter fehlerhafte Aufzeichnungen von Betriebsausgaben, Vornahme von OR-Geschäften, Vorlage von Scheinrechnungen, unterlassene Berichtigung nach § 153 AO u.a. vorgeworfen wird. In der Mitteilung muss auch die verkürzte Steuerart aufgeführt werden. Joecks3 erachtet es nicht für erforderlich, dass der Veranlagungszeitraum in der Mitteilung angeführt werden muss. Zur Begründung führt er an, dass sich im Steuerstrafverfahren anders als im Betriebsprüfungsverfahren die Maßnahmen auf einen bestimmten Sachverhalt beziehen. Eine möglichst umfassende Angabe der Steuerabschnitte sei zum Vorteil des Beschuldigten, da dieser andernfalls dem Irrtum unterliege, das Ermittlungsverfahren werde zeitlich begrenzt, die Finanzbehörde dagegen aber die Absicht verfolge, die Hinterziehungsmethode zurückzuverfolgen. Folgt man der Ansicht von Joecks, wird dem Täter die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige in unzulässiger Weise eingeschränkt.
1 OLG Celle, Urt. v. 19.12.1963 – 1 Ss 402/63, NJW 1964, 989 f. 2 A.A. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 174. 3 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 174.
192
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Die Angabe der verletzten Strafgesetze und der Schuldform ist nicht erforderlich. Aus der Mitteilung muss weiterhin unmissverständlich hervorgehen, dass wegen des Tatverdachts gegen den Täter ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist.
809
c) Umfang der Sperrwirkung aa) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung – Adressat der Bekanntgabe Der persönliche Umfang der Sperrwirkung beschränkt sich auf diejenigen Personen, denen die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens mitgeteilt worden ist. Der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO bezeichnet ebenso wie § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO für die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung als Adressaten der Mitteilung den Täter oder seinen Vertreter. Die Wirkung erfasst keine Person, die in die Bekanntgabe nicht einbezogen ist.1
810
(1) Einleitung gegenüber dem „Täter“ (a) Allgemeine Ausführungen zum Begriff Für die Bestimmung des Begriffs „Täter“ i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO wird auf die Ausführungen zum Täterbegriff unter § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO2 verwiesen.
811
Soweit nach bisher einhelliger Auffassung die Sperrwirkung der Einleitung eines Straf- bzw. Bußgeldverfahrens auch auf den Teilnehmer (Gehilfen, Anstifter) erstreckt wurde3, dieser Auslegung aber der eindeutige Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO entgegensteht4, hatte der Gesetzgeber mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz die Möglichkeit gehabt, für Klarheit zu sorgen und durch eine geeignete Wortwahl die Sperrwirkung auf den Teilnehmer zu erstrecken. Der Umstand, dass die Frage im Zusammenhang mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz zu keinem Zeitpunkt diskutiert wurde, dokumentiert, dass der Gesetzgeber die Sperrwirkung nicht auf Teilnehmer erstrecken will.
812
Die Sperrwirkung hat keinen Einfluss auf die Selbstanzeigemöglichkeit, wenn sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, dass bei dem Tatverdächtigen eine andere Beteiligungsform gegeben ist als die in der Bekanntgabe zunächst mitgeteilte, also die in der Mitteilung der einleitenden Maßnahme als Mittäter angesprochene Person mittelbarer Täter ist.
813
Beispiel: Die Steuerfahndung ermittelt bei dem Steuerberater StB wegen mittäterschaftlicher Hinterziehung von Einkommensteuer des Steuerpflichtigen S in Folge
814
1 Teske, wistra 1988, 287, 293 f. 2 Rz. 731 ff. 3 Z.B. Mösbauer, DStZ 1999, 354, 357; Franzen in Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl. § 371 Rz. 104. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 177.
193
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO nicht gebuchter Betriebseinnahmen. Die Ermittlungen ergeben jedoch eine mittelbare Täterschaft des StB. StB kann nach Bekanntgabe des Durchsuchungsbeschlusses, der sich auf die mittäterschaftliche Begehung stützt, nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung eine Selbstanzeige bzgl. seiner mittelbaren Täterschaft erstatten.
815
Dagegen tritt die Sperrwirkung nicht ein bei Bekanntgabe gegenüber einem vermeintlich unbeteiligten Vertreter i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO, der sich als Täter schuldig gemacht hat.
816
Beispiel: Bei der Durchsuchung der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen S treffen die Steuerfahnder S nicht zu Hause an. Die Steuerfahnder händigen der Ehefrau F den Durchsuchungsbeschluss aus. Daraufhin gesteht F, gemeinsam mit ihrem Ehemann S die Steuerhinterziehung begangen zu haben. F ist „Vertreterin“ des S i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. Die Selbstanzeige der F ist nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ausgeschlossen.
(b) Einzelfälle der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens (aa) Durchsuchungsbeschluss nach § 102 StPO – hinreichend konkrete Tatbeschreibung erforderlich 817
Ist der Durchsuchungsbeschluss auf § 102 StPO gestützt, muss der Durchsuchungsbeschluss eine hinreichend konkrete Tatbeschreibung enthalten. Dazu gehört eine klare Tatbeschreibung und eine klare Umschreibung der Täterschafts-/Teilnahmeform. Die individuelle Schuld muss konkretisiert sein. Der bloße abstrakte Hinweis auf eine Tatbeteiligung genügt nicht. Nach dem Prinzip der Einzelschuld muss der Durchsuchungsbeschluss die konkrete strafrechtliche Verantwortung des einzelnen Adressaten konkretisieren. An diesen Erfordernissen fehlt es in der Praxis häufig. Eine pauschale Mitteilung der Verfahrenseinleitung kann bereits objektiv niemanden „ins Bild setzen“, also auch denjenigen nicht, dem sie unmittelbar gemacht wird. Derartige Durchsuchungsbeschlüsse vermögen daher die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nicht auszulösen.1 (bb) Durchsuchungsbeschluss gegen unbestimmten Personenkreis
818
Der Durchsuchungsbeschluss muss sich gegen einen bestimmten Personenkreis richten. Eine pauschale Bezeichnung des Personenkreises in dem Durchsuchungsbeschluss ist nur dann ausreichend, wenn hinreichend individuelle Merkmale in dem Durchsuchungsbeschluss vorhanden sind, so dass keine Unklarheiten bestehen.2 Wendet sich der Durchsuchungsbeschluss „gegen die Verantwortlichen der Firma X und andere“ ohne dass dieser Personenkreis in der Begründung näher be1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 180.2. 2 BGH, Urt. v. 12.3.1991 – 1 StR 38/91, wistra 1991, 217; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.4.1987 – 3 Ss 190/86 – OWi 296/86, wistra 1987, 228; LG Dortmund, Beschl. v. 7.11.1990 – 14 (III) K 5/88, wistra 1991, 186.
194
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
stimmt wird1 oder die Namen von Beschuldigten bis zu diesem Zeitpunkt in den Ermittlungsakten auftauchen, bewirkt eine unmittelbare Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses keine Bekanntgabe i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. Der Begriff der „Verantwortlichkeit“ ist mehrdeutig und zur Bestimmbarkeit einer Person bzw. eines Personenkreises ungeeignet. Ist von vornherein klar, dass nicht jeder Verantwortliche als Täter in Betracht kommt, dient der Durchsuchungsbeschluss dazu, den oder die noch unbekannten Täter zu ermitteln. Eine auf eine Ermittlung des noch unbekannten Täters hinauslaufende richterliche Handlung ist nicht geeignet, die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige zu sperren. Die bloße Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses an den Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens und die ergänzenden Erläuterungen des Grundes des Erscheinens der Ermittlungsbeamten stellen keine erste Vernehmung i.S.v. § 136 StPO dar, mithin keine eindeutige Amtshandlung, die den Vorstandsvorsitzenden erkennen lassen, dass gegen ihn ein Strafverfahren anhängig ist. Es handelt sich vielmehr um eine Maßnahme nach § 106 Abs. 2 StPO.2
819
(cc) Keine Sperrwirkung gegenüber Betriebsangehörigen Wie bei § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist auf Grund des Wortlauts der Norm ei- 820 ne pauschale Erstreckung der Sperrwirkung auf alle Betriebsangehörigen im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ausgeschlossen. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO knüpft ausdrücklich an die Bekanntgabe der Einleitung gegenüber „dem Täter“ an, enthält also im Gegensatz zu § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO eine ausdrückliche Beschränkung der persönlichen Reichweite der Sperrwirkung. Das Prinzip der fiskalischen Zielsetzung gebietet eine enge Auslegung der Ausschlussgründe, so dass die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nicht pauschal auf alle Betriebsangehörigen erstreckt werden kann.3 (dd) Keine Sperrwirkung gegenüber externen Mitarbeitern Wie auch bei § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO scheidet eine Sperrwirkung gegenüber externen Mitarbeitern (z.B. Beratern) eines Unternehmens aus. Die Sperrwirkung kann nur hinsichtlich tatsächlich in die betriebliche Organisation eingegliederter Personen eintreten.4
1 Vgl. Heuer, wistra 1987, 170. 2 LG Dortmund, Beschl. v. 7.11.1990 – 14 (III) K 5/88, wistra 1991, 186; vgl. dazu näher Teske, wistra 1988, 287, 292 ff. und Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 179 ff. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 181. 4 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 182.
195
821
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(ee) Sperrwirkung bei Ermittlungen im Bankenbereich 822
Durchsuchungsbeschlüsse gegen Bankenmitarbeiter wegen des Verdachts der Beihilfe zu Steuerhinterziehungen von Kunden führen nicht automatisch zur Sperrwirkung der Selbstanzeige der Kunden. Die Durchsuchung soll erst zur Auffindung der Täter führen, weshalb mit der Rechtsprechung1 davon auszugehen ist, dass die Selbstanzeige der Kunden nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO gesperrt ist.
823
Richtet sich der Durchsuchungsbeschluss gegen einen bestimmten Mitarbeiter, ist diesem die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO gesperrt; anders verhält es sich dann, wenn sich der Durchsuchungsbeschluss gegen einen unbestimmten Personenkreis richtet. Erstattet der Mitarbeiter der Bank eine Selbstanzeige, macht er sich nicht nach § 203 StGB strafbar. Der Mitarbeiter macht sich mit der Selbstanzeige auch nicht schadensersatzpflichtig gegenüber den Kunden der Bank. Dem Mitarbeiter der Bank ist es auch nicht verwehrt, die Bankkunden über seine Selbstanzeige zu informieren, damit diese selbst die Gelegenheit zur Erstattung einer Selbstanzeige wahrnehmen. Auch der Bank selbst ist es nicht verwehrt, die Gesamtheit der Kunden über Ermittlungen der Steuerfahndung zu informieren. Dieses Verhalten erfüllt grundsätzlich nicht den Tatbestand der Begünstigung (§ 257 StGB) bzw. der Strafvereitelung (§ 258 StGB).2 (2) Bekanntgabe gegenüber dem „Vertreter“
824
Nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO tritt die Sperrwirkung der Selbstanzeige des Täters auch bei Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung gegenüber dem Vertreter des Täters ein. Zur Auslegung des Begriffs „Vertreter“ wird auf die Ausführungen unter § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO verwiesen.3 Die verschiedenen Diskussionsansätze führen zu marginalen Unterschieden. Der Begriff des Vertreters unterliegt im Einzelfall der tatrichterlichen Beweiswürdigung.4
825
Beispiel: Der Ehefrau F des Steuerpflichtigen S wird die Einleitung des Steuerstrafverfahrens gegen S bekannt gegeben. S ist seinerseits auf dem Weg zum Finanzamt, um eine Selbstanzeige zu erstatten.
1 BGH, Urt. v. 12.3.1991 – 1 StR 38/91, wistra 1991, 217; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.4.1987 – 3 Ss 190/86 – OWi 296/86, wistra 1987, 228; LG Dortmund, Beschl. v. 7.11.1990 – 14 (III) K 5/88, wistra 1991, 186. 2 Vgl. zu dieser Problematik Bilsdorfer, INF 1995, 6, 11 f.; Streck/Mack, BB 1995, 2137; Streck, DStR 1996, 288, 291; Hofmann, DStR 1998, 399, 401; Krekeler/ Schütz, wistra 1995, 296; zur Durchsuchung mehrerer Betriebsstätten einer Bank vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.12.1994 – 2 BvR 894/94, NJW 1995, 2839. 3 Rz. 708 ff. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 178; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 189; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 Rz. 56a.
196
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige Der Tatrichter hat zu würdigen, ob es sich bei diesem zeitlichen Zusammentreffen um einen Zufall handelt oder ob S von seiner Ehefrau zuvor unterrichtet worden ist, mit der Folge, dass die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b und Nr. 2 AO ausgeschlossen ist. Vorliegend handelt S aus autonomen Motiven heraus, weil er ohnehin auf dem Weg zum Finanzamt war, um eine Selbstanzeige abzugeben.
Û
Hinweis: Wird einem Vertreter die Einleitung des Strafverfahrens bezüglich des Vertretenen bekannt gegeben, so ist für ihn die Selbstanzeige nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO gesperrt, auch wenn sich später herausstellt, dass die als Vertreter angesprochene Person selbst Täter ist.
826
In dem vorgenannten Beispiel könnte die Ehefrau noch eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung erstatten, auch wenn die Ermittlungen ergeben, dass sie zusammen mit ihrem Ehemann die Steuern hinterzogen hat. bb) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung Der Gesetzgeber hat mit dem vom Bundestag am 17.3.2011 verabschiedeten Schwarzgeldbekämpfungsgesetz § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO neu formuliert.
827
Gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO in der Fassung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes tritt die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige nicht ein, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung i.S.d. § 371 Abs. 1 AO „dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Strafoder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist“.
828
Zuvor trat die Sperre für die Straffreiheit nur insoweit ein, wie die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens „wegen der Tat“ bekannt gegeben worden ist. Die geänderte Formulierung in § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ändert nichts an dem sachlichen Umfang der Sperrwirkung.
829
Die sachliche Sperrwirkung beschränkt sich nach dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes auf das Straf- bzw. Bußgeldverfahren, wegen dem dem Täter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens mitgeteilt worden ist. Die Sperre in sachlicher Hinsicht ist mithin durch die Bekanntgabe bestimmt.
830
Die Rechtsprechung1 hat u.a. auf den Begriff der „Tat“ im strafprozessualen Sinne des § 264 StPO abgestellt.2 Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Selbstanzeige wegen eines Teilaktes einer Steuerhinterziehung dann nicht mehr möglich ist, wenn wegen eines anderen Teilaktes die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden ist. Das LG
831
1 LG Stuttgart, Urt. v. 16.4.1985 – 8 KLs 306/84, wistra 1985, 203. 2 Zust. Bilsdorfer in Suhr/Naumann/Bilsdorfer, 4. Aufl., § 371, Rz. 449; Bilsdorfer, wistra 1984, 131, 132; Dietz in Leise, Rz. 34 mwN; Hübner in HHSp., Stand Oktober 1977, § 371 Rz. 104; Kawlath, wistra 1989, 218, 219.
197
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Stuttgart erklärte, dass wegen eines von der Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung nicht erfassten Tatteils eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht eintreten kann. Nachdem die Steuerfahnder dem Täter mitteilten, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerhinterziehung für die Jahre 1974 bis 1981 eingeleitet worden sei, da der Verdacht bestehe, dass der Täter die Erlöse aus dem Verkauf von Altgold und Zahngold nicht als Betriebseinnahmen erklärt habe, und den Täter aufforderten, Unterlagen über ein bestimmtes Konto bei der Landesgirokasse vorzulegen, soll dem Täter die strafbefreiende Selbstanzeige bezüglich der Zahlungen von Patienten und Festgeldzinsen, die ebenfalls diesem Konto der Landesgirokasse zu entnehmen waren, verwehrt sein. Dieser Rechtsanschauung ist aus Gründen des Bestimmtheitsgrundsatzes und der spezifischen Anforderungen, die an die Bekanntgabe zu stellen sind, zu widersprechen. 832
Die Literatur1 stellt dagegen auf den materiell-rechtlichen Tatbegriff ab. Danach stellt die Hinterziehung von Steuern für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum eine selbständige Tat dar. Zur Begründung führt Schauf an, dass die Tat bei den verjährungsunterbrechenden Vorschriften im allgemeinen Strafrecht zwar strafprozessual aufgefasst werde und die Verjährung nach überwiegender Auffassung ein Strafverfolgungshindernis darstelle2, die Selbstanzeige dagegen eindeutig materiell-rechtlichen Charakter habe. Dieser materiell-rechtlich verstandene Tatbegriff ist aber, da § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nicht auf die Einleitung des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens, sondern auf deren Bekanntgabe Bezug nimmt, auf den Inhalt der Bekanntgabe und der darin genannten Steuerarten und Steuerabschnitten beschränkt und bemisst sich nicht danach, ob im materiellrechtlichen Sinne Tateinheit oder Tatmehrheit gegeben ist. Auch nach Rüping manifestiert sich die Tat im Steuerstrafrecht nach den Angaben in der Steuererklärung. Mache der Steuerpflichtige in der Erklärung zu einzelnen Besteuerungsgrundlagen keine Angaben und beschränke sich die Verfahrenseinleitung auf einen einzelnen abtrennbaren Komplex, trete auch nur insoweit die Sperre nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ein.
833
Franzen3 stellt dagegen allein auf den Inhalt der bekannt gegebenen Einleitungsverfügung ab. Die Einleitungsverfügung muss eine hinreichend konkrete Beschreibung der Tathandlung enthalten; zusätzlich könne eine Abgrenzung nach Steuerarten und Steuerabschnitten erfolgen. Diese enge Auslegung geht mit dem Bestimmtheitsgebot einher und belässt dem Selbstanzeigenden damit einen weiten Spielraum, wegen anderer Taten noch rechtzeitig Selbstanzeige zu erstatten.4 Soweit dieser Ansicht ent1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 191.2, 206; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 168, 169. 2 BGH, Beschl. v. 12.3.1968 – 5 StR 115/68, BGHSt 22, 105, 107; Jähnke in LK, StGB, 11. Aufl., § 78c StGB Rz. 5. 3 In Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl., Rz. 107. 4 Zust. auch Vogelberg in Wannemacher, Rz. 2278 und Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, § 371 Rz. 182.
198
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
gegengehalten wird, dass sie die Ausschlusswirkung letztlich von den Zufälligkeiten der Formulierung der Einleitungsverfügung abhängig mache1, und es zudem in das Belieben der Behörde gestellt sei, wieweit die Sperrwirkung gehe, was nicht i.S. von § 371 AO sein könne2, sind diese Bedenken unbegründet. Eine nicht hinreichend konkretisierte Einleitungsverfügung löst die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nicht aus. An der Verwirklichung einer einzelnen tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Tat orientiert sich auch das LG Verden.3 Das LG Verden führt in seinem Urteil an, dass eine Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nur entfalten kann, soweit sie die Zeitabschnitte betrifft, die nicht Gegenstand der Betriebsprüfung und des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sind und auch noch nicht entdeckt waren.
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Das LG Hamburg4 will den Begriff der Tat im Sinne des materiellen Strafrechts, vielleicht sogar im Sinne des Strafprozessrechts verstanden wissen und stützt sich auf den Wortlaut und den darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.5 Das LG Hamburg erkennt in verschiedenen, nicht zusammenhängenden steuerlichen Sachverhalten (z.B. Einkünfte aus Provisionen und aus Kapitalvermögen) in einer Steuererklärung eine Handlungseinheit.
835
Der BGH stellt in seinem Beschluss vom 5.4.20006 nach Aufgabe des Fortsetzungszusammenhangs für den Begriff der Tat nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO auf die einzelne Handlung ab. Die einzelne Tat bestimmt sich nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigen. Der BGH hat klargestellt, dass eine Sperrwirkung für solche Sachverhalte nicht eintrete, die zu dem Zeitpunkt, zu dem der Amtsträger zur Ermittlung erschienen ist, weder von dem Ermittlungswillen des Amtsträgers erfasst waren noch mit den bisherigen Ermittlungen in engem sachlichem Zusammenhang standen. Jäger7 vertritt in der Anmerkung zu diesem Beschluss für den vom BGH nicht zu entscheidenden Fall, ob bei Durchsuchungen durch die Steuer- und Zollfahndung auch solche Sachverhalte von der Sperrwirkung erfasst sind, die zwar nicht in der Ermittlungsabsicht liegen, aber in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, die Ansicht, dass bei solchen Sachverhalten eine Sperrwirkung eintrete.
836
Im Beschluss vom 20.5.2010 hat der BGH zum Ausschlusstatbestand des § 371 Abs. 2 Nr. 1a 2. Alt. AO a.F. ausgeführt, dass dieser Sperrgrund nicht nur solche Taten betreffe, die vom Ermittlungswillen („zur Ermittlung“) des erschienenen Amtsträgers erfasst sind. Er erstrecke sich auch
837
1 2 3 4 5 6 7
Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 104. LG Hamburg, Urt. v. 4.3.1987 – [50] 187/86 Ns, wistra 1988, 317, 319. Urt. v. 27.3.1986 – Kls 10 Js 5127/85, wistra 1986, 228. Urt. v. 4.3.1987 – [50] 187/86 Ns, wistra 1988, 317. Anm.: Die Begründung des LG Hamburg ist lesenswert. 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225. wistra 2000, 227, 228.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
auf solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen. Im Falle einer Durchsuchung wegen des Verdachts einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit kommt eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr für solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen, in Betracht. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall war die Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Veranlagungszeitraum 2000 zwar noch nicht vom Ermittlungswillen der Verfolgungsbehörden erfasst, zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahme war allerdings der die Sperrwirkung auslösende Zusammenhang zwischen der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 mit der Hinterziehung hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 gegeben. Die neuen Tatvorwürfe erstreckten sich lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischen Einkunftsquellen. Eine solche Fallgestaltung reicht stets für die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs aus. 838
Beispiel:1 Am 11.1.1996 nahmen zwei Fahndungsbeamte der Steuerfahndung auf Anordnung des Amtsgerichts an einer Durchsuchung der Kriminalpolizei wegen des Verdachts der Geldwäscherei bei S teil. S hatte im November 1990 bis September 1995 insgesamt zwei Millionen DM auf seinem Konto eingezahlt. Er hatte lediglich für das Jahr 1994 eine Einkommensteuererklärung abgegeben, in der er Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit als leitender Angestellter bei der Fa. X angegeben hatte. Die Herkunft der Gelder konnte nicht geklärt werden. Dem S wurde wiederholt mitgeteilt, dass gegen ihn kein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig sei. Es wurden auch keine Ermittlungen geführt. S wurde aufgefordert, Einkommensteuererklärungen ab 1992 einzureichen. Mit Schreiben vom 2.10.1996 teilte S dem Finanzamt mit, dass er neben seiner unselbständigen Tätigkeit ab Ende 1991 im Rahmen einer Partnerschaft auf den Balearen Boote vermittelt habe. Er habe aus dieser Tätigkeit erhebliche Einnahmen erzielt, die er in Höhe der Bareinzahlungen auf seinem Konto für die einzelnen Jahre angab. Auf Grund dieses Schreibens wurde gegen S ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Schreiben des S vom 2.10.1996 stellt zusammen mit der zwischenzeitlich erfolgten vollständigen Nachzahlung der Steuern eine wirksame Selbstanzeige dar. Die strafbefreiende Wirkung ist nicht nach § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen. Ein Steuerstrafverfahren ist gegen S erst nach Eingang des Schreibens vom 2.10.1996 eingeleitet worden (§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO). S musste zur Zeit der Selbstanzeige nicht mit der Entdeckung der Tat rechnen (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Die Selbstanzeige war auch nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO gesperrt. Die Fahndungsbeamten erschienen am 11.1.1996 nicht zur Ermittlung und Erfassung der steuerlichen Verhältnisse mit dem Ziel der Verfolgung einer richtigen und vollständigen Steuerfestsetzung bei S. Die Lösung dieses Beispiels steht im Einklang mit dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010, da der Steuerpflichtige eine weitere Einkunftsquelle offenbarte.
1 OLG Celle, Beschl. v. 27.3.2000 – 2 Ws 33/00, wistra 2000, 277.
200
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung Bis zum Ausschluss der Teilselbstanzeige richtete sich der zeitliche Umfang der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nach den in der Mitteilung aufgeführten Veranlagungszeiträumen.
839
Mit dem Ausschluss der sog. Teilselbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, welche sich explizit auf alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart erstreckt, führt die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens in Verbindung mit dem Ausschluss der Teilselbstanzeige zur Sperrwirkung für den strafrechtlich nicht verjährten Zeitraum (Infektionstheorie).1
840
Auch mit dem geänderten Einleitungssatz des § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO, welcher sich auf die „unverjährten Steuerstraftaten“ bezieht, erstreckt sich der zeitliche Umfang der Sperrwirkung auf den strafrechtlich nicht verjährten Zeitraum.
841
Für die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO beträgt der strafrechtlich noch nicht verjährte Zeitraum nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB 5 Jahre, für die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–5 AO nach § 376 Abs. 1 AO 10 Jahre.
842
d) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit Die Selbstanzeige lebt wieder auf, wenn das Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt oder abgeschlossen ist, ohne dass die Strafsachenstelle der Finanzbehörde eine schuldhafte Steuerverkürzung entdeckt hat.
843
Erfolgt der Abschluss des Steuerstraf- bzw. Steuerordnungswidrigkeitenverfahrens durch eine Erkenntnis, die den Strafklageverbrauch bewirkt (Freispruch, Verurteilung, Strafbefehl, Einstellung nach Erfüllung von Auflagen gem. § 153a StPO) stellt sich die Frage nach einer Entdeckung der verborgenen Steuerquelle nicht mehr, da die Tat ohnehin nicht mehr verfolgbar ist.
844
Nach einer Einstellung des Verfahrens nach §§ 170 Abs. 2, 153 StPO, § 398 AO erfolgt eine erneute Aufnahme der Ermittlungen nur bei Eintreten besonderer Umstände; die Berichtigungsmöglichkeit lebt mit der Einstellung des Verfahrens wieder auf.
845
Die Berichtigungsmöglichkeit lebt nicht nur erst wieder auf, wenn der Täter Kenntnis von der Einstellung des Verfahrens erlangt2, sondern bereits dann, sobald die Einstellungsverfügung zu den Akten gebracht ist3
846
1 A.A. offensichtlich Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 196. 2 So zurückhaltend noch Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 208. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 198.
201
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
bzw. die Mitteilung an den Betroffenen übermittelt wird. Die Absendung dieser Mitteilung stellt den Abschluss der Ermittlungen dar; der Zeitpunkt ist eindeutig aus den Akten bestimmbar.1 847
Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat gegenüber der Finanzbehörde die nicht erklärten Zinseinnahmen für das Jahr 2008 berichtigt. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle leitet daraufhin das Steuerstrafverfahren ein. Nach Überprüfung der Selbstanzeige durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle und nach Zahlung der nachträglich festgesetzten Einkommensteuer 2008 wird das Steuerstrafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Nunmehr stellt S fest, dass er auch die Einnahmen aus Vermietung von Wohnräumen im Jahr 2008 nicht vollständig erklärt hat. S kann nach Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO eine wirksame Selbstanzeige wegen der nichterklärten Mieteinnahmen erstatten.
4. Sperrwirkung durch Erscheinen eines Amtsträgers zur Prüfung oder Ermittlung Literatur: Bilsdorfer, Information der Geschäftspartner bei Ankündigung der Außenprüfung?, StBp 1988, 87; Bilsdorfer, Aktuelle Probleme der Selbstanzeige, wistra 1984, 131; Brenner, Erscheinen des Betriebsprüfers – Ausschluss der Selbstanzeige, StBp 1979, 1; Dörn, Betriebsprüfung – Steuerstrafverfahren – Steuerfahndung, Stbg 1993, 257; Heerspink, Selbstanzeige – Neues und Künftiges, BB 2002, 910; Joecks, Möglichkeiten der Selbstanzeige in der Außenprüfung, Stbg 1987, 284; Mösbauer, Erscheinen in Prüfungsabsicht und Beginn der Außenprüfung, StBp 1997, 57; Mösbauer, Sperre für die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung wegen Erscheinens eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, NStZ 1989, 11; Pfaff, Aktuelle Fragen aus der Praxis der Außenprüfung, StBp 1987, 185; Pfaff, StBp 1985, 230; Rund, Der Ausschluss der Selbstanzeige, AO-StB 2003, 207; Schmidt-Liebig, Wiederholungsprüfung und Selbstanzeige, StBp 1987, 245; Schneider, Prüfen Sie die Prüfungsanordnung!, Stbg 2010, 457; Teske, Die neuere Rechtsprechung zur Selbstanzeige, wistra 1990, 139; Wassmann, Der Ausschlussgrund bei der Selbstanzeige nach § 371 Absatz 2 Nr. 1a AO, ZfZ 1990, 242; Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, Diss., München 1987; Weyand, Selbstanzeige und Betriebsprüfung, StBp 1989, 106.
848
Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO ist die Straffreiheit ausgeschlossen, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist; anders bei Selbstanzeigen nach § 378 Abs. 3 AO wegen leichtfertiger Steuerverkürzung. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung ist die Selbstanzeige nur ausgeschlossen, wenn dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 378 Abs. 3 S. 1 AO).
849
Der Ausschlusstatbestand des Erscheinens eines Amtsträgers zur Prüfung oder Ermittlung wurde mit der Neufassung des § 410 RAO durch Art. I Nr. 1 des Gesetzes vom 7.12.19512 in das Gesetz aufgenommen. Die Auf1 A.A. Brauns, wistra 1987, 242, der auf den Erhalt der Mitteilung abstellt. 2 BGBl. 1951 I 941.
202
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
nahme des Ausschlussgrundes war auf Grund des rechtspolitischen Zwecks des § 371 AO erforderlich. Der Täter der Steuerhinterziehung hätte sonst die Entdeckung der Tat durch den Prüfer der Finanzbehörde abwarten, sich dessen Feststellungen zu eigen machen und sie der Finanzbehörde als Berichtigung präsentieren können, bevor ihm die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gegeben wird.1 Der Ausschlussgrund des Erscheinens des Prüfers zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit war ursprünglich in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO geregelt. Nachdem der Gesetzgeber mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.20112 in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO die Sperrwirkung der Selbstanzeige durch Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung normiert, macht er deutlich, dass dieser Sperrgrund gegenüber dem jetzt in § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO normierten Sperrgrund des Erscheinens eines Amtsträgers zur Prüfung oder Ermittlung der Regelfall sein soll.3
850
Û
851
Hinweis: § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO hat vornehmlich Bedeutung für die Umsatzsteuer-Nachschau und für die betriebsnahe Veranlagung.
a) Amtsträger der Finanzbehörde § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO stellt als faktisches Element auf das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde ab. Der Begriff „Amtsträger“ nimmt Bezug auf die Legaldefinition des § 7 AO; die Finanzbehörde ist in § 6 Abs. 2 AO bestimmt. Amtsträger der Finanzbehörde sind alle Beamten und Angestellte eines örtlichen Finanzamts, einer Oberfinanzdirektion, des Bundeszentralamts für Steuern, insb. Betriebsprüfer sowie Steuerund Zollfahndungsbeamte, soweit sie zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erscheinen, mithin Amtsträger einer Finanzbehörde i.S.v. § 6 Abs. 2 AO sind. Zu ihnen gehören aber auch die nicht den Betriebsprüfungs- oder Fahndungsstellen angehörenden Verwaltungsangehörigen der Finanzämter, sofern sie von den zuständigen Stellen eine entsprechende Prüfungsanordnung erhalten haben, also z.B. Veranlagungssachbearbeiter, Prüfer der betriebsnahen Veranlagung4, Umsatzsteuersonderprüfer5, Konzernbetriebsprüfer und Zollstreifen auf amtlichen Kontrollgängen.6
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Amtsträger anderer Verwaltungsbehörden sind keine Amtsträger i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO, also nicht der Polizeibeamte und der Staats-
853
1 2 3 4
Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.7.1950, BB 1950, 582 f. BGBl. 2011 I 676. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 120. Vgl. BFH, Urt. v. 5.4.1984 – IV R 244/83, BStBl. 1984 II 790; Bilsdorfer, wistra 1984, 131. 5 Bilsdorfer, wistra 1984, 131. 6 OLG Oldenburg, Urt. v. 16.6.1953 – Ss 90/93, NJW 1953, 1847.
203
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
anwalt in Steuerstrafverfahren nach §§ 386 Abs. 2, 404 AO, wenn also die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren selbständig durchführt, auch nicht der Polizeibeamte und der Staatsanwalt beim sog. ersten Zugriff nach § 163 StPO, des Weiteren nicht der Außenwirtschaftsprüfer der OFD-Zollabteilung.1 854
Nach der Entscheidung des LG Stuttgarts2 sollen Beamte der Steuerfahndung auch dann „Amtsträger der Finanzbehörde“ i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO sein, wenn sie in einem von der Staatsanwaltschaft geführten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren weisungsgebunden tätig werden.
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Kritische Stellungnahme: Die Entscheidung des LG Stuttgarts ist nach wie vor umstritten. Der Ansicht des LG Stuttgarts kann nicht gefolgt werden.3 Solange die Fahndungsbeamten als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft gem. § 152 GVG tätig werden, erscheint nicht ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Ermittlung einer Steuerstraftat. Vielmehr handelt es sich um eine Strafverfolgungsmaßnahme der die strafrechtlichen Ermittlungen führenden Staatsanwaltschaft.
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Soweit das LG Stuttgart darauf abstellt, dass nach dem Gesetzeszweck des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO deshalb auf das Merkmal „Amtsträger der Finanzbehörde“ abgestellt wird, weil mit dem Erscheinen eines für die Ermittlung steuerlicher Sachverhalte vertrauten Bediensteten der Finanzverwaltung signalisiert werden soll, dass die Aufdeckung einer bisher verborgenen Steuerquelle nahe gerückt ist, verkennt das Gericht, dass gerade in dem von ihm zu beurteilenden Sachverhalt dem Steuerpflichtigen sich die Aufdeckung der Tat aus dem von der Ermittlungsbehörde vorgelegten Durchsuchungsbeschluss und damit unabhängig von der Anwesenheit der weisungsgebunden tätig werdenden Finanzbeamten ergeben hat. Der Durchsuchungsbeschluss muss den aufzuklärenden Sachverhalt umschreiben. Bei der Lektüre der Umschreibung der Gründe wird dem Steuerpflichtigen bewusst, dass seine Steuerstraftat aufgefallen ist. Im Übrigen signalisiert dem Steuerpflichtigen das alleinige Auftreten der Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde, also auch ohne Fahndungsbeamten der Finanzbehörde, die Aufdeckung der Tat, sobald die Ermittlungsbeamten bei Ermittlungsmaßnahmen auch ohne Vorlage eines Durchsuchungsbeschlusses als Grund der Ermittlungen die Aufklärung einer Steuerstraftat angeben. Die Auslegung des LG Stuttgart überzeugt nicht.
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Haben die Staatsanwaltschaft bzw. die Fahndungsbeamten der Finanzbehörde bei Betreten der Wohn- bzw. Geschäftsräume zum Zwecke der Durchsuchung die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens be-
1 Brenner, MDR 1979, 801. 2 Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72 = NStZ 1990, 189. 3 Vgl. auch Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 122.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
kannt gegeben, greift der Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ein, was dann gesondert zu prüfen ist. b) Erscheinen des Amtsträgers Zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit ist der Prüfer „erschienen“, wenn er am Ort der beabsichtigten Prüfung eingetroffen ist.1 Hiervon abzugrenzen ist der Beginn der Prüfung. Diese beginnt erst mit konkreten Ermittlungen.2
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aa) Der Prüfer muss in der Absicht, eine steuerliche oder steuerstrafrechtliche Überprüfung oder Untersuchung einer Steuerordnungswidrigkeit vorzunehmen, beim Steuerpflichtigen erscheinen. Es ist ohne Belang, ob ein spezieller Verdacht besteht oder ob nur eine turnusmäßige Prüfung beabsichtigt ist.
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Erforderlich ist ein physisches Erscheinen des Prüfers am Ort der beabsichtigten Prüfung. Die bloße Vorbereitung, wie die telefonische oder schriftliche Ankündigung des Besuchs des Betriebsprüfers – auch wenn der Amtsträger den Steuerpflichtigen zu diesem Zweck persönlich aufsucht – reicht nicht aus.3
860
Û
Hinweis: Bereits in diesem frühen Stadium der Prüfung bzw. Ermittlung ist es erforderlich, dass sich der Steuerpflichtige und sein steuerlicher Berater Notizen über den Inhalt der persönlichen und telefonischen Gespräche mit dem Finanzbeamten machen. Nur so hat der Berater der Selbstanzeige die Möglichkeit, die Sperrwirkung zu prüfen.
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Auch eine Besichtigung des Betriebs oder ein Eintreffen des Betriebsprüfers außerhalb der Betriebszeiten4 oder in den Betriebsferien5 genügt nicht. Der Steuerpflichtige ist berechtigt, dem Betriebsprüfer den Zutritt zu verwehren, erscheint dieser außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, z.B. an Sonn- oder gesetzlichen Feiertagen.6 In einem solchen Fall kann der Prüfer nicht ernsthaft erwarten, dass er mit der Prüfung beginnen kann.
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Ist der Prüfer einmal erschienen, bleibt er auch dann erschienen, wenn er die Prüfung unterbricht und sich wieder entfernt, etwa weil der Steuerpflichtige die geforderten Unterlagen nicht sofort vorlegen kann oder die Buchhaltung unzumutbar ist.7
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1 Mösbauer, NStZ 1989, 11; Mösbauer, StBp 1997, 57; Arendt, ZfZ 1985, 267. 2 AEAO zu § 198 Nr. 1. 3 Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 71; Rischar, BB 1998, 1341, 1344; Mösbauer, StBp 1997, 57; Lüttger, StB 1993, 372, 376. 4 Rüping in HHSp., § 371 Rz. 144; Brenner, MDR 1979, 801; Brenner, StBp 1979, 1. 5 A.A. Brenner, StBp 1979, 1, 2. 6 Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 74. 7 Vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1994 – 5 StR 38/94, wistra 1994, 228, 229; BayObLG, Beschl. v. 17.9.1986 – RReg. 4 St 155/86, wistra 1987, 77.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
864
Beispiel: Der Prüfer P ist auf dem Parkplatz der A-GmbH vorgefahren. Er begibt sich zum Eingang des Betriebsgebäudes. Der Betriebsinhaber A kommt ihm entgegen, als er noch einige Meter von dem Eingang entfernt war. Nach der Vorstellung erklärt P, dass er mit der Prüfung beginnen wolle. Noch auf dem Parkplatz offenbart A seine Steuerhinterziehung gegenüber P. Nach dem Urteil des OLG Stuttgart vom 22.5.19891 soll es für das „Erscheinen“ ausreichend sein, wenn der Prüfer zumindest in das Blickfeld des Steuerpflichtigen getreten ist. Demnach wäre es nicht erforderlich, dass der Prüfer die Geschäftsoder Wohnräume bereits betreten hat. Das OLG Stuttgart verneinte die Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige.
865
Kritische Stellungnahme: Dem Urteil des OLG Stuttgart kann nicht gefolgt werden.2 Auf die optische Wahrnehmung des Prüfers kann nicht abgestellt werden, da es zu einer unangemessenen Vorverlagerung der Sperrwirkung kommt. Abzustellen ist vielmehr darauf, dass der Prüfer in der zurechenbaren Sphäre des Betroffenen erscheint3 und zumindest das Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen betreten4 oder die Schwelle zur Wohnungstür des Steuerpflichtigen überschritten hat.5 Die körperliche Anwesenheit am Prüfungsort ist erforderlich.6 Auch der BFH7 stellt auf die Sphäre des Steuerpflichtigen ab. Nach Jäger8 soll es m.E. nicht zu spät sein, wenn der Steuerpflichtige dem Prüfer die Berichtigungserklärung vor der Haustür übergibt. Als Argumentation führt er an, dass die Prüfung nach § 200 Abs. 2 AO „in“ den Geschäfts- oder Wohnräumen stattfinden soll. Nach Dumke9 ist auf das befriedete Besitztum abzustellen. Die Herrschaftssphäre des Steuerpflichtigen beginne an der Grenze des befriedeten Besitztums. Der Amtsträger muss sich innerhalb dieses befriedeten Besitztums bewegen, um zur Prüfung erschienen zu sein. Soweit Mösbauer10 ebenfalls darauf abstellt, dass der Prüfer in das Blickfeld des Steuerpflichtigen oder dessen Vertreter getreten sein muss, schränkt er diese Auslegung zugleich auf das Betreten der Geschäfts- oder Privaträume ein. Von daher schließt sich auch Mösbauer nicht wirklich der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 22.5.1989 an.
866
Beispiel: Der Prüfer P hat sich bei dem Steuerpflichtigen S zur Prüfung angekündigt. P nähert sich dem Wohnhaus des S, macht aber vor dem Betreten des Wohnhauses kehrt, um an Amtsstelle die erforderlichen Unterlagen für die Prüfung, die er vergessen hat, zu holen. S beobachtet P, wie dieser wieder zu seinem Auto zurückgeht. Die Selbstanzeige ist noch nicht gesperrt. S kann noch vor der Wiederkehr des P wirksam eine Selbstanzeige erstatten.
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bb) Vom Erscheinen des Prüfers ist der Beginn der Außenprüfung abzugrenzen, denn die Ausschlusswirkung tritt nicht erst mit Prüfungsbeginn ein. Trifft der zur Prüfung entschlossene Amtsträger zur vereinbarten Prüfungszeit am vereinbarten Prüfungsort weder den Steuerpflichtigen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
3 Ss 21/89, Die Justiz 1989, 328. Wassmann, ZfZ 1990, 242, 243. Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 73; Westphal, S. 54, 61. Mösbauer, NStZ 1989, 11. A.A. Brenner, StBp 1979, 1. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 138. StRK, § 371 AO R. 31 = § 371 StrbEG R. 10. In Klein, § 371 Rz. 37. In Schwarz, § 371 Rz. 73. StBp 1997, 57.
206
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
noch dessen Vertreter an und lässt eine Nachricht über den vergeblichen Prüfungsversuch zurück, tritt die Sperrwirkung ein.1 Deshalb ist die Hinterlegung der Nachricht aktenkundig zu machen. Auch die Vereinbarung eines neuen Termins zur Prüfung hindert demnach nicht die Sperrwirkung. Entschließt sich der Prüfer nach Erscheinen aus bestimmten Gründen nach pflichtgemäßen Ermessen dazu, den Zeitpunkt des Prüfungsbeginns auf einen anderen Tag zu verschieben, weil er z.B. entgegen der vorherigen Absprache den Steuerpflichtigen selbst oder dessen Steuerberater nicht angetroffen hat oder der Steuerpflichtige erkrankt ist, tritt die Ausschlusswirkung ein. Eine nach § 371 Abs. 1 AO wegen Steuerhinterziehung erstattete Selbstanzeige hat selbst für den Fall, dass der Prüfer weder den Steuerpflichtigen noch den Steuerberater zur vereinbarten Prüfungszeit am vereinbarten Prüfungsort antrifft und auch keine Nachricht über den vergeblichen Prüfungsversuch hinterlässt, keine strafbefreiende Wirkung.
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Der Gesetzgeber hat auf den Nachweis eines subjektiven Moments verzichtet. Für den Eintritt der Sperrwirkung ist es ohne Bedeutung, dass der Steuerpflichtige Kenntnis von dem Ausschlussgrund erlangt. Das Erscheinen des Prüfers muss dem Steuerpflichtigen nicht mitgeteilt worden sein. Für die Sperrwirkung reicht es aus, wenn der Amtsträger am vereinbarten Prüfungsort erschienen ist. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige oder einer seiner Bevollmächtigten von dem Erscheinen des Prüfers in den Geschäftsräumen erfahren.2 Eine Anwesenheit des Steuerpflichtigen während der Prüfung ist nicht erforderlich.
869
Û
Hinweis: Den Interessen des Steuerpflichtigen ist nicht mit dem Rat gedient, den Prüfer abzuweisen. Die Sperrwirkung tritt auch ein, wenn sich der Steuerpflichtige verleugnen lässt oder dem Prüfer die Tür nicht öffnet.3 Die Regelung des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO verlangt nicht, dass dem Steuerpflichtigen das Erscheinen des Prüfers bekannt ist. Andernfalls hätte es der Steuerpflichtige in der Hand, die steuerliche Prüfung solange hinauszuschieben, wie es ihm beliebt.
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cc) Die angeführten Grundsätze, die für den Normalfall der Betriebsprüfung entwickelt wurden, sind auch auf den Fall der Prüfungserweiterung bzw. der Anschlussprüfung anzuwenden.4
871
Anders entschied das FG Bremen im Urteil vom 6.10.2004.5 Das FG Bremen führt in seinem Urteil aus, dass im Falle der Erweiterung der Prüfungsanordnung der Amtsträger erstmals in dem Zeitpunkt zur steuerli-
872
1 OLG Oldenburg, Urt. v. 11.3.1958 – Ss 14/58, NJW 1958, 1407; Mösbauer, NStZ 1989, 11; Brenner, MDR 1979, 801; Brenner, StBp 1979, 1. 2 Maaßen, FR 1954, 293, 296. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 143; Brenner, MDR 1979, 801. 4 Müller, StBp 2005, 75. 5 2 K 152/04 (1), EFG 2005, 15.
207
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
chen Prüfung erscheine, in dem er, die Erweiterung in Schriftform bei sich führend, die Räume des Steuerpflichtigen zum Zwecke der Prüfung der dort genannten Steuerarten und Zeiträume betrete. Dass in dem vom FG Bremen zu beurteilenden Fall die Bekanntgabe der erweiterten Prüfungsanordnung und das Erscheinen der Betriebsprüferin zeitlich zusammenfielen, sei entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen nicht zu beanstanden, so das FG Bremen. Soweit in der Literatur argumentiert werde, die Ausdehnung der Prüfung gleichzeitig mit der Bekanntgabe der erweiterten Prüfungsanordnung sei „ermessensfehlerhaft“, weil der Steuerpflichtige nach Bekanntgabe der erweiterten Prüfungsanordnung ausreichend Zeit und Gelegenheit haben müsse, mit seinem Berater die Frage zu erörtern, ob er gegen die Erweiterung vorgehen solle, vermag das FG Bremen nicht zu folgen. Da es sich bei der Erweiterung der Prüfungsanordnung um einen neuen, von der ursprünglichen Prüfungsanordnung unabhängigen und selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt handelt, könne der Steuerpflichtige auch nach Erscheinen des Betriebsprüfers, nach Beginn der Betriebsprüfung und sogar noch nach Abschluss der Betriebsprüfung die Erweiterung der Prüfungsanordnung anfechten. Werde im Einspruchs- oder gegebenenfalls im Klageverfahren festgestellt, dass die Erweiterung der Prüfungsanordnung rechtswidrig war, folge hieraus nicht nur ein Verwertungsverbot für die bei der durchgeführten Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse, sondern es könne auch nicht mehr von einem Erscheinen des Amtsträgers der Finanzbehörde i.S.v. § 7 S. 1 Nr. 1a Alt. 1 StraBEG ausgegangen werden. Eine Frist i.S.d. § 197 Abs. 1 S. 1 AO musste, so das FG Bremen, nicht eingeräumt werden. Die Angemessenheit der Bekanntgabefrist hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Insbesondere im Bereich ergänzender und erweiternder Prüfungsanordnungen könne die Frist auch ganz entfallen, wenn hinsichtlich des Rechtsgrundes und des Prüfers keine Abweichung von der ersten unbeanstandeten Prüfung feststellbar sei. Daher sei es nicht zu beanstanden, dass die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und der vorgesehene Beginn der Prüfung zusammenfielen. 873
Den Argumenten des FG Bremen kann nicht gefolgt werden. Die Frage, wann ein Amtsträger der Finanzbehörde im Falle einer Erweiterung der Prüfungsanordnung bzw. im Falle des zeitlichen Zusammenfallens von Bekanntgabe der Anordnung und Beginn der Prüfung zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, wird man unter Berücksichtigung der vielfach diskutierten Erklärungsansätze über das Ziel der Selbstanzeige auszulegen haben. Soweit das FG Bremen die Vorschrift des § 197 Abs. 1 S. 1 AO, wonach die Prüfungsanordnung und der voraussichtliche Prüfungsbeginn dem Steuerpflichtigen angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung bekannt zu geben sind, wenn der Prüfungszweck dadurch nicht gefährdet wird oder der Steuerpflichtige auf die Einhaltung der Frist verzichtet, vom Finanzamt als beachtet ansieht, verstößt dies gegen das vom Gesetzgeber erklärte Ziel des Gesetzes. Gerade aber die vielfach diskutierten Erklärungsansätze, die das Ziel der Selbstanzeige bestimmen, sind für die Auslegung der einzelnen positiven und negativen Wirksamkeitsvorausset208
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
zungen der Berichtigungserklärung maßgeblich. Eine restriktive Auslegung des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO in Hinblick auf § 197 Abs. 1 S. 1 AO wird dem Ziel der strafbefreienden Erklärung nicht gerecht und widerspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Der BFH hat zur Frage des Beginns der Außenprüfung im Urteil vom 19.6.20071 klargestellt, dass die Übergabe der Prüfungsanordnung oder die Mitteilung des Prüfungstermins alleine noch kein Erscheinen zur steuerlichen Prüfung in diesem Sinne bewirkt, sondern vielmehr erforderlich ist, den Steuerpflichtigen aufzufordern, bestimmte Unterlagen u.a. für das Streitjahr vorzulegen. Auf diese Weise wird die ernsthafte Prüfungsabsicht kundgetan und darüber hinaus bereits in eine konkrete Aufforderung zur Mitwirkung umgesetzt und nicht nur eine spätere Prüfung angekündigt. Der Prüfer, der den Steuerpflichtigen zur Vorlage von Unterlagen für einen bestimmten Prüfungszeitraum auffordert (z.B. von Bankbelegen oder von Ausgangsrechnungen), ist insoweit auch zur steuerlichen Prüfung erschienen.
874
c) Ort des Erscheinens des Amtsträgers Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wo der Amtsträger zur Prüfung erscheinen muss. Die Finanzbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, wo die Prüfung stattfindet.2
875
aa) Prüfung in den Geschäfts- und Wohnräumen Ort der Prüfung sind in Folge des § 200 Abs. 2 AO und § 2 Abs. 1 BpO i.d.R. die Geschäftsräume oder die Wohnräume des Steuerpflichtigen, solange keine Verwaltungsinteressen entgegenstehen.3
876
Die Anwendbarkeit des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO ist unstreitig, wenn der Prüfer während der Dienststunden in der Wohnung des Steuerpflichtigen erscheint. Ebenso unstreitig tritt die Sperrwirkung hinsichtlich aller geschuldeter Steuern ein, wenn der Prüfer während der Betriebszeit4 im Betrieb eines Steuerpflichtigen erscheint, der Allein- oder Mitinhaber ist.
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Ist der Steuerpflichtige Inhaber mehrerer Betriebe, zwischen denen eine wirtschaftliche Einheit (Identität des Inhabers und enge organisatorische Verzahnung) besteht (z.B. bei einer Besitz-, Betriebs- oder Vertriebsgesellschaft), löst das Erscheinen des Amtsträgers in einem der Betriebe die Sperrwirkung auch hinsichtlich einer Steuerhinterziehung aus, die der Steuerpflichtige in einem anderen Betrieb begangen hat. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn sich die Prüfung auf nur einen Betrieb oder auf eine Steuerart, die nur in einem Betrieb entstehen kann, beschränkt.
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1 2 3 4
VIII R 99/04, BStBl. 2008 II 7. BFH, Beschl. v. 10.2.1987 – IV B 1/87, BStBl. 1987 II 360. BFH, Urt. v. 30.11.1988 – I B 73/88, BStBl. 1989 II 265. Zur Betriebszeit vgl. Brenner, MDR 1979, 801.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
879
Hat der Prüfer den Auftrag, einen ganzen Konzern zu prüfen, so ist für die Frage nach der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO maßgeblich, wo die Prüfungshandlungen für welche Gesellschaft vorgenommen werden und von wo aus die Anforderung von Unterlagen für die einzelnen Gesellschaften erfolgen soll.1 Werden die Steuerangelegenheiten zentral in einer Steuerabteilung bearbeitet, so erscheint der Prüfer zur steuerlichen Prüfung, sobald er die zentrale Steuerabteilung aufsucht. Andernfalls tritt die Sperrwirkung für jede Gesellschaft nur ein, wenn der Prüfer am Ort der jeweiligen Gesellschaft in Prüfungsabsicht erscheint. Es reicht nicht aus, wenn der Prüfer bei der Konzernspitze erscheint.2
880
Es kann aber auch vereinbart werden, dass die Prüfung an einem anderen Ort durchgeführt wird, z.B. im Büro des Steuerberaters3 oder des Insolvenzverwalters. Erscheint der Prüfer an diesem vereinbarten Ort, reicht dies aus, um die Sperrwirkung zu bewirken. Nach § 6 BpO ist die Vereinbarung des Prüfungsortes allerdings eingeschränkt. bb) Prüfung an Amtsstelle
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Die Prüfung kann auch an Amtsstelle erfolgen. Betritt der Steuerpflichtige das Arbeitszimmer des Prüfers, um die Geschäftsunterlagen zur steuerlichen Prüfung abzugeben, tritt die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO ein.4 Dies widerspricht nicht der Sphärentheorie, hat es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, wo er die Prüfung stattfinden lassen will. Ebenso verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige auf Grund einer Vorladung die Finanzbehörde mit den für die Prüfung erforderlichen Geschäftsunterlagen betritt.5 Voraussetzung bei einer Prüfung an Amtsstelle ist, dass der Steuerpflichtige das Arbeitszimmer des Prüfers betritt, um mit der Übergabe der Geschäftsunterlagen die Prüfung zu ermöglichen. Diese Einschränkung ist im Hinblick auf das Erfordernis des Erscheinens des Prüfers in Prüfungsabsicht geboten.
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Nach Schauf6 löst das Erscheinen des Steuerpflichtigen mit seinen Geschäftsunterlagen in der Finanzbehörde nicht die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO aus.7 Zur Begründung beruft sich Schauf auf den Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO, der wie folgt lautet: „zur steuerlichen Prüfung … erschienen“. Der Wortlaut lege eine gewisse Dynamik in der Weise nahe, dass sich die Finanzbehörde von ihrem Sitz weg zum 1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 147. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 128. 3 BFH, Beschl. v. 10.2.1987 – IV B 1/87, BStBl. 1987 II 360; BFH, Urt. v. 30.11.1988 – I B 73/88, BStBl. 1989 II 265. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 145. 5 Rischar, BB 1998, 1341, 1344; Westpfahl 1987, 57, 58; Maaßen, FR 1954, 293, 296; Terstegen S. 123; a.A. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 126 mit weiteren Fundstellen. 6 In Kohlmann, § 371 Rz. 126. 7 Ebenso Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 82.
210
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Steuerpflichtigen bewegen müsse. Eine Ausnahme macht Schauf für den Fall des § 200 Abs. 2 S. 1 AO, wenn der Steuerpflichtige keine geeigneten Geschäftsräume für eine Außenprüfung vorzuweisen hat und die Unterlagen ggf. an Amtsstelle vorzulegen hat. Leistet der Steuerpflichtige der Vorladung des Prüfers nicht Folge und übersendet die Geschäftsunterlagen mit der Post an das Finanzamt, tritt gleichwohl die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO mit Zugang der Geschäftsunterlagen beim Prüfer ein.1 Das Gesetz erfordert lediglich, dass der Prüfer „zur steuerlichen Prüfung“ erscheint.
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Vogelberg2 will die Sperrwirkung auch dann eintreten lassen, wenn der Steuerpflichtige ohne die Geschäftsunterlagen beim Finanzamt erscheint. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Ohne die Geschäftsunterlagen ist ein Entdeckungsrisiko nicht gegeben. Es fehlt auch die erforderliche Absicht des Steuerpflichtigen, mit der Übergabe der Geschäftsunterlagen die Prüfung zu ermöglichen. Betritt der Steuerpflichtige die Finanzbehörde, um eine Berichtigungserklärung abzugeben, ist die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO noch nicht eingetreten. Dabei kommst es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Geschäftsunterlagen bei Betreten des Arbeitszimmers des Prüfers bei sich führt oder diese im Auto oder in den Geschäftsräumen zurückgelassen hat. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass der Prüfer „zur steuerlichen Prüfung“ erschienen sein muss, also in Prüfungsabsicht handelt. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass der Steuerpflichtige mit dem Prüfer eine Prüfung an Amtsstelle vereinbart, weil der Steuerpflichtige dem Prüfer keinen geeigneten Raum für die Prüfung zur Verfügung stellen kann oder aber der Steuerpflichtige auf Grund einer Vorladung des Prüfers an Amtsstelle erscheint.
884
d) Zweck des Erscheinens – Zur Prüfung bzw. zur Ermittlung aa) Prüfungsabsicht Der Amtsträger muss in Prüfungsabsicht zur Prüfung bzw. zur Ermittlung erschienen sein. Das handlungsbezogene Merkmal3 ist erst erfüllt, wenn der Amtsträger mit dem ernsthaften Willen beim Steuerpflichtigen erscheint, eine Prüfung bzw. Ermittlung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO durchzuführen.4
885
Der Amtsträger muss den ernsthaften Willen zur Prüfung bzw. Ermittlung haben; bloße Scheinhandlungen reichen nicht aus.5 Mit Mösbauer ist hierfür entscheidend, wie sich das Tätigwerden der Finanzbehörde aus
886
1 So auch Hoffmann, S. 105, der es auch in Erwägung zieht, ein „Erscheinen“ mit Ablauf des Vorladungstermins zu fingieren. 2 In Wannemacher, Steuerstrafrecht, Rz. 2171. 3 Vogelberg in Wannemacher, Rz. 2172. 4 Wassmann, ZfZ 1990, 244. 5 Mösbauer, StBp 1997, 57, 58 f.
211
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
der Sicht des Betroffenen in entsprechender Anwendung der zu § 133 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze darstellt. Das Verhalten des Amtsträgers ist missbräuchlich und das Erscheinen des Prüfers daher unbeachtlich, wenn er den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO hemmen will1 oder dem Steuerpflichtigen nur die Möglichkeit der Selbstanzeige abschneiden will. Ein solches Verhalten des Amtsträgers wäre mit der Zielsetzung des § 371 AO nicht vereinbar. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Unterbrechung der Verjährung nach § 78c StGB durch scheinbare Handlungen der Gerichte entwickelt hat2, sind neben den Grundsätzen der Rechtsprechung zu § 133 BGB entsprechend anzuwenden. 887
Nicht erschienen ist der Prüfer, wenn er persönlich beim Steuerpflichtigen vorbeikommt, um die Prüfung oder den Prüfungstermin anzukündigen;3 ebenso wenig, wenn er sich mit einem schlichten Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen wendet oder mit dem Steuerpflichtigen private, dienstliche oder sonstige Fragen bespricht, die nicht in Zusammenhang mit der Prüfung stehen. Die bloße Betriebsbesichtigung führt ebenfalls nicht zur Sperrwirkung.4
888
Erscheint der Amtsträger beim Steuerpflichtigen in Prüfungsabsicht, kommt es nicht darauf an, dass der Amtsträger mit der beabsichtigten Prüfung auch beginnt. Vom Erscheinen des Prüfers ist der Beginn der Prüfung abzugrenzen. Die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO tritt auch dann ein, wenn der zur Prüfung entschlossene Amtsträger in den Geschäfts- bzw. Wohnräumen des Steuerpflichtigen niemanden antrifft, dieser ihm nicht öffnet oder sich verleugnen lässt und der Prüfer eine Nachricht über den vergeblichen Prüfungsversuch zurücklässt.5 Wird die Prüfung wegen „unzumutbarer Buchhaltung“ zunächst abgebrochen, und entschließt sich der Prüfer nach Erscheinen nach pflichtgemäßem Ermessen dazu, die Prüfung an einem anderen Tag fortzusetzen, tritt die Ausschlusswirkung ein.6
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Die Prüfungsabsicht muss dem Steuerpflichtigen allerdings nicht zur Kenntnis gelangen. Für den Eintritt der Sperrwirkung reicht es aus, dass der Amtsträger seine Prüfungsabsicht bei seinem Erscheinen erkennbar zum Ausdruck bringt.
890
Wird die Prüfung erweitert, löst sie insoweit erst dann die Sperre aus, wenn der Prüfer erstmals nach ihrer Anordnung in Prüfungsabsicht er1 Rischar, BB 1998, 1341, 1344; Brenner, StBp 1979, 1. 2 BGH, Beschl. v. 13.6.1956 – 4 StR 197/56, BGHSt 9, 198, 203; BGH, Beschl. v. 22.5.1958 – 1 StR 533/57, BGHSt 11, 335, 338; BGH, Beschl. v. 23.1.1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335; BGH, Beschl. v. 24.8.1972 – 4 StR 292/72, BGHSt 25, 6. 3 Pfaff, DStZ 1982, 361, 362. 4 Bender Tz. 35, 3a; a.A. Pfaff, DStZ 361, 362. 5 OLG Oldenburg, Urt. v. 11.3.1958 – Ss 14/58 NJW 1958, 1407. 6 BGH, Urt. v. 23.3.1994 – 5 StR 38/94, wistra 1994, 228, 229.
212
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
schienen ist. Nach dem Urteil des BFH vom 19.6.20071 ist erforderlich, den Steuerpflichtigen aufzufordern, bestimmte Unterlagen u.a. für das Streitjahr vorzulegen. Auf diese Weise wird nicht nur eine spätere Prüfung angekündigt, so der BFH, sondern eine ernsthafte Prüfungsabsicht kundgetan und darüber hinaus bereits in eine konkrete Aufforderung zur Mitwirkung umgesetzt. Der Prüfer, der den Steuerpflichtigen zur Vorlage von Unterlagen für einen bestimmten Prüfungszeitraum auffordert, ist zur steuerlichen Prüfung erschienen. bb) Gegenstand der Prüfung des Amtsträgers (1) Steuerliche Prüfung Steuerliche Prüfung i.S.d. § 371 AO ist jede rechtmäßige Maßnahme der Finanzbehörde, die der Ermittlung und Erfassung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen dient und das Ziel richtiger und vollständiger Steuerfestsetzung verfolgt.2
891
Hierzu gehören Außenprüfungen i.S.d. § 193 AO. Als Prüfungen kommen sowohl ordentliche Betriebsprüfungen, d.h. turnusmäßige Prüfungen, die sich auf verschiedene Steuerarten beziehen, als auch Sonderprüfungen, die sich auf einzelne Steuerarten, z.B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer beziehen, in Betracht.
892
Û
Hinweis: Außenprüfungen, für die eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO erforderlich ist, werden regelmäßig von dem Sperrwirkungstatbestand des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO erfasst. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO ist subsidiär. Fälle, wonach für Außenprüfungen nach § 196 AO die Sperrwirkung auf Grund des Erscheinens des Prüfers zur steuerlichen Prüfung einschlägig ist, sind nicht denkbar. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO greift auch nicht für den Fall einer nichtigen Prüfungsanordnung ein.
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Prüfungen in Steuerermittlungsverfahren (§§ 155 ff. AO), Steuerhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO), Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347 ff. AO) und Beitreibungsverfahren (§§ 249 ff. AO) gehören zu den Prüfungen nach § 371 AO.3 Prüft also ein Finanzbeamter in den Räumen des Steuerpflichtigen, ob bestimmte Angaben in Stundungs- oder Erlassanträgen (§§ 222, 227 AO) zutreffen oder ob das von einem Vollstreckungsschuldner im Verfahren nach § 284 AO abgegebene Vermögensverzeichnis oder die von einem Dritten abgegebene Drittschuldnererklärung (§ 316 AO) zutreffen, stellt dies eine Prüfung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO dar. Die betriebliche Außenprüfung des Zolls nach § 78 ZK ist ebenfalls eine Prüfung nach § 371 AO.
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1 VIII R 99/04, BStBl. 2008 II 7. 2 BayObLG, Beschl. v. 17.9.1986 – Rreg 4 St 155/86, wistra 1987, 77, 78. 3 Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 66.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
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Prüfungen, die einem anderen Zweck, als der Ermittlung und Erfassung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen dienen, genügen den Anforderungen des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO nicht. Richtsatzprüfungen, die ausschließlich der Ermittlung von Vergleichszahlen für durchschnittliche Gewinnsätze dienen und nicht zugleich die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen zum Gegenstand haben1, sowie Liquiditätsprüfungen2, die der Ermittlung der Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen dienen, stellen keine steuerliche Prüfung i.S.d. § 371 AO dar.
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Nach der oben angeführten Definition der steuerlichen Prüfung als jede rechtmäßige Maßnahme der Finanzbehörde, die der Ermittlung und Erfassung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen dient, stellt nach der Ansicht des BayObLG3 auch die Nachschau nach § 210 AO im Rahmen der Steueraufsicht eine Prüfung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO dar; ebenso die betriebsnahe Veranlagung4, die im Gegensatz zur Außenprüfung keiner besonderen Prüfungsanordnung bedarf, sowie die Prüfung von Büchern, Geschäftspapieren und sonstigen Urkunden (§ 97 AO).5
898
Û
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Allerdings ist die Einordnung sowohl der Umsatzsteuer-Nachschau als auch der betriebsnahen Veranlagung als steuerliche Prüfung umstritten.
900
Die Nachschau ist keine Außenprüfung i.S.d. §§ 193 ff. AO und entfaltet demnach keine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO, da sie anders als die Außenprüfung gegenwartsbezogen ist; abgeschlossene Sachverhalte werden nicht untersucht. Bei der Nachschau handelt es sich um Maßnahmen der steueraufsichtlichen Überwachung; Besteuerungsgrundlagen werden nicht ermittelt. Es ist zweifelhaft, ob sie damit auch der Erfassung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen dient.
Hinweis: Die Selbstanzeige ist in Fällen der Richtsatzprüfung und Liquiditätsprüfung nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO gesperrt.
Hinweis: § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO ist primär für die UmsatzsteuerNachschau und die betriebsnahe Veranlagung einschlägig.
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 136.2; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 141; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 66; Bremer, DB 1951, 989, 990; Herrmann FR 1952, 2, 3 und Maaßen FR 1954, 293, 296 differenzieren dagegen nicht. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 136.1; Bremer, DB 1951, 989, 990; Maaßen, FR 1954, 293, 296. 3 BayObLG, Beschl. v. 17.9.1986 – RReg 4 St 155/86, wistra 1987, 77, 78; zust. Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 67. 4 BayOblG, Beschl. v. 17.9.1986 – RReg. 4 St 155/86, wistra 1987, 77, 78; a.A. Vogelberg in Wannemacher Rz. 2203, 2204; zust. Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 67. 5 OLG Celle, Beschl. v. 27.3.2000 – 2 Ws 33/00, wistra 2000, 277; BayOblG, Beschl. v. 17.9.1986 – RReg. 4 St 155/86, wistra 1987, 77, 78; zust. Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 67.
214
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Nach den Gesetzesmaterialien1 ist die mit dem StVBG v. 19.12.20012 zur wirksamen Bekämpfung des Umsatzsteuer-Betrugs eingeführte Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) eine steuerliche Maßnahme, die der Außenprüfung vorgelagert ist. Demnach handelt es sich nicht um eine Prüfung i.S.d § 371 AO, so dass sie keine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO entfaltet. Eine Sperrwirkung wird aber ausgelöst, wenn die Nachschau unmittelbar in eine Außenprüfung übergeht. In sachlicher Hinsicht beschränkt sich die Sperrwirkung auf die Umsatzsteuer; Feststellungen bezüglich sonstiger Steuern lösen keine Sperrwirkung aus. In persönlicher Hinsicht beschränkt sich die Sperrwirkung auf den Gewerbetreibenden, bei dem die Nachschau stattfindet.
901
Bei der betriebsnahen Veranlagung handelt es sich nur dann um eine Außenprüfung i.S.v. § 203 AO, wenn sie aufgrund einer Prüfungsanordnung durchgeführt wird. Da die betriebsnahe Veranlagung aber nur der Ermittlung einzelner Besteuerungsgrundlagen dient, kann sie keine umfassende Sperrwirkung herbeiführen und dient ebenfalls nicht der Erfassung der steuerlichen Verhältnisse. Soweit es an einer Prüfungsanordnung fehlt, gelten für die betriebsnahe Veranlagung die Ausführungen zur Nachschau.
902
Joecks3 will für den Begriff der Prüfung auf § 171 Abs. 4 und 5 AO abstellen und andere Ermittlungshandlungen i.S.d. § 92 AO schlechthin nicht für eine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO genügen lassen, da seiner Ansicht nach die Differenzierungen zum Teil ungereimt erscheinen.
903
(2) Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c 2. Alt. AO ist die Straffreiheit ebenfalls ausgeschlossen, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Ermittlung einer Steuerstraftat (§ 369 Abs. 1 AO) oder einer Steuerordnungswidrigkeit (§ 378 Abs. 1 AO) erschienen ist.
904
Der Ausschlusstatbestand des Erscheinens eines Amtsträgers „zur steuer- 905 strafrechtlichen Prüfung“ wurde mit der Neufassung des § 410 RAO durch das zweite AOStrafÄndG4 um den Ausschluss der Selbstanzeige im Falle der Ermittlung einer Steuerordnungswidrigkeit erweitert. Der Grund für diese Erweiterung ist darin zu sehen, dass bisherige Steuerstraftaten in Steuerordnungswidrigkeiten umgewandelt wurden. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Begrifflichkeit geändert; war ursprünglich im Gesetz die „steuerstrafrechtliche Prüfung“ aufgeführt, hat der Gesetzgeber diese durch die Worte „Ermittlung einer Steuerstraftat 1 2 3 4
BT-Drucks. 14/6883 zu Art. 2, zu Nr. 2. BGBl. 2001 I 3922. In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 140. BGBl. 1968 I 953, 954.
215
906
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
oder einer Steuerordnungswidrigkeit“ ersetzt. Der durch das zweite AOStrafÄndG eingeführte Begriff „Ermittlungen“ geht in seiner Bedeutung weiter, als der ursprünglich verwandte Begriff „Prüfung“. Daher ist eine dem steuerpolitischen Zweck des § 371 AO gerecht werdende einschränkende Auslegung angebracht. 907
Die praktische Bedeutung des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO beschränkt sich auf die Fälle, in denen die Ermittlungen nicht nach §§ 397 Abs. 1 und 3 bzw. 410 Abs. 1 Nr. 6, 393 AO die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung erfordern und die Sperre nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO begründen.1 In der Vielzahl der Fälle greift daher der Ausschlusstatbestand des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ein; so bei den Ermittlungen der Steuer- und Zollfahndung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 AO, bei denen die Durchführung steuerstrafrechtlicher Ermittlungen eine vorherige Einleitung und Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens nach § 397 Abs. 1 und 3, § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO erfordert, so z.B. im Fall der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume. Die zweite Alternative des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO entfaltet nur Bedeutung in den Fällen, in denen die Ermittlungsmaßnahmen ohne Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung erfolgen können, so in Fällen der sog. Vorfeldermittlungen2, die unter den Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO zu einer Sperrwirkung führen, jedoch nur so weit der konkrete Prüfungsauftrag reicht.3 Zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erscheint ein Amtsträger demnach nur, wenn er einem konkreten Anfangsverdacht nachgeht. Liegt gegen den Steuerpflichtigen kein Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit vor, erscheint der Prüfer auch nicht zur Ermittlung. Die Ermittlungen müssen sich auf die Tat i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO beziehen, die auch Gegenstand der Selbstanzeige sein soll. Die Wirksamkeit einer Selbstanzeige wird nicht verhindert, wenn Mitarbeiter der Steuerfahndung ohne eigenen Prüfungsauftrag an einer Durchsuchung einer anderen Ermittlungsbehörde teilnehmen und keine steuerstrafrechtlichen Ermittlungen durchführen. Ist vor der Durchsuchung unbekannt, wem einzelne Geldbeträge zuzuordnen sind und ob damit Steuertatbestände und wenn ja, welche verknüpft waren, liegen damit keine Ansatzpunkte für einen Prüfungsauftrag vor, so dass nach Erscheinen der Steuer- und Zollfahndung mangels Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit die Selbstanzeige noch rechtzeitig abgegeben werden kann.
908
Entgegen der Ansicht von Rüping4 muss sich der Verdacht bereits auf die Hinterziehung richten, die dann tatsächlich aufgedeckt wird. Es ge1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 158. 2 OLG Celle, Beschl. v. 27.3.2000 – 2 Ws 33/00, wistra 2000, 277; Rüping, Anm. zum Beschl. des OLG Celle v. 27.3.2000, wistra 2001, 121; Braun, DStZ 2000, 715. 3 OLG Celle, Beschl. v. 27.3.2000 – 2 Ws 33/00, wistra 2000, 277; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 139; Schauf in Kohlmann § 371 Rz. 135. 4 In HHSp., § 371 Rz. 160.
216
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
nügt nicht, wenn die später aufgeklärten Verdachtsmomente den Steuerpflichtigen der Beteiligung an irgendeiner Steuerhinterziehung überführen. Der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO „zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit“ ist entsprechend dem Ziel der Selbstanzeige restriktiv auszulegen, um die von ihr ausgehende Sperrwirkung formal zu begrenzen.1 Die einschränkende Auslegung ist auch deshalb angebracht, da der durch das zweite AOStrafÄndG eingeführte Begriff „Ermittlungen“ in seiner Bedeutung weitergeht, als der ursprünglich verwandte Begriff „Prüfung“. Soweit der BGH2 unabhängig von der sachlichen Zuständigkeit der Finanzbehörde ausschließlich auf den sachlichen Zusammenhang der in Ermittlung stehenden Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit mit einer anderen Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit abstellt, geht dies zu weit. Nicht jede beliebige Zuwiderhandlung genügt, um den Ausschlusstatbestand des § 371 Abs. 2 Nr. 1c 2. Alt. AO zu begründen. Auch der BGH geht in seinem Beschluss vom 15.1.19883 zu einer restriktiven Auslegung über. Umstritten ist allerdings, nach welchen Kriterien die einschränkende Auslegung zu erfolgen hat: Schauf4 stellt zu Recht zunächst auf den Verdachtsgegenstand ab. Dem- 909 nach ist für den Umfang der Sperrwirkung der tatsächliche Sachverhalt entscheidend, zu dessen Ermittlung die Fahndungsbeamten erschienen sind und der nach Aufklärung den Verdacht bestätigt. Auf die rechtliche Einordnung nach Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit und nach der Beteiligung als Täter oder Teilnehmer kommt es nicht an.5 Der Umfang entspricht letztlich dem Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. Auch im Falle der Durchsuchung geht Schauf davon aus, dass ausschließlich der Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO zum Tragen komme, da mit der Durchsuchung konkludent die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben werde. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 5.4.20006 klargestellt, dass eine Sperrwirkung für solche Sachverhalte nicht eintrete, die zu dem Zeitpunkt, zu dem der Amtsträger zur Ermittlung erschienen ist, weder von dem Ermittlungswillen des Amtsträgers erfasst waren noch mit den bisherigen Ermittlungen in engem sachlichem Zusammenhang standen. Ähnlich hat sich der BGH im Beschluss vom 20.5.20107 geäußert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO8 verwiesen.
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, Urt. v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225. Urt. v. 19.4.1983 – 1 StR 859/92, wistra 1983, 146. 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188. In Kohlmann, § 371 Rz. 158.5. Auch Rüping in HHSp., § 371 Rz. 160. 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225. 1 StR 577/09, wistra 2010, 304. Rz. 837.
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910
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
e) Umfang der Sperrwirkung 911
Da das Gesetz zur Reichweite der Sperrwirkung nichts sagt, ist diese in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht im Einzelnen äußerst umstritten. Die Reichweite ist allerdings im Interesse der fiskalischen Zielsetzung sinnvoll zu begrenzen.1 Entscheidend kommt es wie bei dem Ausschluss der Selbstanzeige nach Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO auf den Inhalt der Prüfung an.2 aa) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung
912
§ 371 AO sagt nichts darüber aus, in Bezug auf welche Person das Erscheinen zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit die Sperrwirkung auslöst. (1) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung bei einer steuerlichen Prüfung (a) Sperrwirkung bei Täter und Teilnehmer
913
Der Umfang der persönlichen Sperrwirkung ist begrenzt auf die Personen, in deren Besteuerungsverfahren die Ermittlungen geführt werden und bei denen der Amtsträger erscheint.
914
Beispiel: Der Steuerpflichtige A ist Einkunftsmillionär und hat mit wissentlicher Mitwirkung seines Steuerberaters S falsche Einkommensteuererklärungen abgegeben. Der Betriebsprüfer P erscheint bei A zur Prüfung. S hat noch die Möglichkeit, eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben.
(b) Sperrwirkung bei Betrieb, Betriebsinhaber und gesetzlichen Vertretern 915
Bei einer Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO erstreckt sich die Sperrwirkung regelmäßig auf den zu prüfenden Steuerpflichtigen, nicht auf außenstehende Dritte, d.h. der persönliche Umfang bestimmt sich nach dem in der Prüfungsanordnung genannten Adressaten (§ 196 AO).3 Auch bei Prüfungen, für die es keiner Prüfungsanordnung nach § 196 AO bedarf, führt das Erscheinen des Betriebsprüfers zur Prüfung eines Einzelunternehmens zur Sperrwirkung für den Betriebsinhaber bzgl. aller von ihm geschuldeten Steuern, soweit der Zweck des Erscheinens sie umfasst. Entsprechendes gilt bei Kapitalgesellschaften für den Gesellschafter in Bezug auf die betrieblichen Steuern. Hier tritt die Sperrwirkung jedoch nicht für
1 BGH, Urt. v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225. 2 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; BayObLG, Beschl. 23.1.1985 – RReg. 4 St. 309/84, wistra 1985, 117, 118; OLG Düsseldorf, Urt. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 3 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; BayObLG, Beschl. 23.1.1985 – RReg. 4 St. 309/84, wistra 1985, 117, 118; OLG Düsseldorf, Urt. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119.
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v. v. v. v.
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
den Gesellschafter hinsichtlich der persönlichen Steuern ein, wenn der Prüfer zur Steuerprüfung bei der GmbH erschienen ist. (c) Prüfung bei einem Steuerpflichtigen mit mehreren Betrieben Ebenso wie bei der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO1 bewirkt bei zwei rechtlich und tatsächlich getrennten Betrieben die steuerliche Prüfung des einen Betriebes nicht, dass dem Inhaber des anderen Betriebes die Möglichkeit der Selbstanzeige für die Steuerverfehlungen in seinem Betrieb abgeschnitten wird, die durch die Nachforschungen in dem geprüften Betrieb aufgedeckt werden könnten.2 Besteht zwischen den Betrieben eine wirtschaftliche Einheit (z.B. Besitz-, Betriebs- und Vertriebsgesellschaft), so löst das Erscheinen des Prüfers in einem dieser Betriebe die Sperrwirkung für alle Betriebe aus, es sei denn, die Prüfungsanordnung gilt ausdrücklich nur für einen Betrieb.3
916
(d) Sperrwirkung für tatbeteiligte Betriebsangehörige Die Selbstanzeige ist auch für tatbeteiligte Betriebsangehörige (z.B. Geschäftsführer) bezogen auf die betrieblichen Steuern gesperrt, soweit diese in Ausübung des Betriebes gehandelt haben.4 Die Sperrwirkung tritt nach Erscheinen des Prüfers nur bei der Prüfung typischerweise entdeckungsgefährdeter und in Ausübung des geprüften Betriebes begangener Steuerverfehlungen ein, soweit der Betriebsangehörige vom Erscheinen des Prüfers im Betrieb Kenntnis erlangen konnte und sich die Gefahr der Entdeckung damit für ihn manifestiert hat. Das Erscheinen des Amtsträgers zur Prüfung sperrt nicht die Selbstanzeige von betriebsfremden Steuerhinterziehungen einzelner Betriebsangehöriger in ihren eigenen Steuerangelegenheiten.5
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(e) Keine Sperrwirkung für ausgeschiedene und externe Mitarbeiter Wendet man die Grundsätze des Beschlusses des BGH vom 15.1.19986 918 und des Urteils des OLG Düsseldorf vom 27.5.19817 an, so sind auch freie oder ausgeschiedene Mitarbeiter außenstehende Dritte, die unter gewöhnlichen Umständen vom Erscheinen des Prüfers im Betrieb keine Kenntnis erlangen konnten, da sie nicht in die betriebliche Organisation
1 Rz. 737. 2 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; Blumers/Göggerle Rz. 442; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 146; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 82. 4 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; zust. Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 78. 5 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 6 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188. 7 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
eingegliedert sind.1 Die Gefahr der Entdeckung hat sich damit für diese Mitarbeiter nicht manifestiert. Es widerspräche dem rechtspolitischen Zweck des § 371 AO, dass sich auch gegenüber diesen Mitarbeitern die Sperrwirkung entfaltet. Gegenüber außenstehenden Tätern oder Teilnehmern kommt aber die Sperre nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO in Betracht. (f) Sperrwirkung bei Prüfung einer Gesellschaft für die Gesellschafter 919
Ebenso wie bei einer Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO das Erscheinen des Prüfers die Möglichkeit zur strafbefreienden Erklärung nur bei dem Steuerpflichtigen sperrt, gegen den die Prüfungsanordnung ergangen ist2, sperrt § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO die Selbstanzeige nur bei dem Steuerpflichtigen, an den sich die Prüfung richtet.
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Die einzelnen Gesellschafter einer Personen-3 und Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) können, soweit eine Prüfungsanordnung betreffend der Gesellschaft erlassen wurde, in Bezug auf ihre persönlichen Steuern weiterhin eine strafbefreiende Erklärung abgeben und noch Straffreiheit erlangen, auch wenn die Prüfung wie bei einer Außenprüfung nach § 194 Abs. 1 S. 3 AO die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter insoweit umfasst, als diese Verhältnisse für die zu überprüfenden Feststellungen von Bedeutung sind. Solche Prüfungen stellen gegen die Gesellschafter in Bezug auf ihre persönlichen Steuern keine Prüfung dar.
921
Beispiel:4 A war in den Jahren 2005 und 2006 Geschäftsführer der A & B GmbH in Düsseldorf. Daneben betätigte er sich als Handelsvertreter der A & B GmbH und erzielte in dieser Eigenschaft im gleichen Zeitraum Umsätze in einer Gesamthöhe von 119 000 Euro. Im Jahre 2006 beantragte er als Geschäftsführer der GmbH zur Feststellung der Erstattungsfähigkeit von Vorsteuern aus Auslandsgeschäften eine Betriebsprüfung. Dem bei der GmbH erschienenen Betriebsprüfer legte er die Betriebsbücher vor. Aus diesen ergaben sich auch die Umsätze als Handelsvertreter. Daraufhin wurde bei A eine Sonderprüfung veranlasst. Lösung: In Bezug auf den persönlichen Umfang der Sperrwirkung ist festzustellen, dass das Erscheinen des Prüfers bei der A & B GmbH die Selbstanzeige des A in seiner eigenen Steuerangelegenheit nicht ausschließt.
(2) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung bei einer Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit 922
Für den Fall der Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit gilt wie für den Fall der steuerlichen Prüfung, dass sich der konkrete Tatverdacht auf einen zumindest bestimmbaren Täter richten muss. Erscheint der Amtsträger bei einer von mehreren begangenen Steu1 LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 141. 2 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 23.1.1985 – RReg. 4 St. 309/84, wistra 1985, 117, 118 und OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119. 3 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188. 4 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
erhinterziehung bei einem Beteiligten, tritt die Sperrwirkung nur gegenüber dem Beteiligten ein, bei dem der Amtsträger erschienen ist.1 Die übrigen Beteiligten können noch eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung abgeben. Beispiel: Erscheint der Prüfer P bei einer Bank, um gegen den Steuerpflichtigen A wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer wegen nicht erklärter Zinseinnahmen zu ermitteln, so sperrt diese Prüfungshandlung nicht die Wirksamkeit der Selbstanzeige der Ehegattin des Steuerpflichtigen A wegen einer von ihr begangenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen A nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO.
923
bb) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung (1) bei der steuerlichen Prüfung Der sachliche Umfang der Sperrwirkung bei einer steuerlichen Prüfung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO bestimmt sich, wie bei der Sperrwirkung bei Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO2, nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nach der zu prüfenden Steuerart und Steuerabschnitt.
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(2) bei Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit Die sachliche Sperrwirkung bei Erscheinen eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit bestimmt sich nach denselben Kriterien wie bei der Sperrwirkung der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens. Daher sei an dieser Stelle auf die Ausführungen zum sachlichen Umfang der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO verwiesen.3 Maßgeblich ist der Beschluss des BGH vom 5.4.2000.4 Der BGH stellt für den Begriff der Tat nach § 371 Abs. 2 AO auf die einzelne Handlung ab. Diese bestimmt sich nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigen. Der BGH hat in seinem Beschluss dargelegt, dass eine Sperrwirkung für solche Sachverhalte nicht eintrete, die zu dem Zeitpunkt, zu dem der Amtsträger zur Ermittlung erschienen ist, weder von dem Ermittlungswillen des Amtsträgers erfasst waren noch mit den bisherigen Ermittlungen in engem sachlichen Zusammenhang standen.
925
cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung Ebenso wie beim Ausschluss der Selbstanzeige nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung führt das Erscheinen des Prüfers in Verbindung mit dem Ausschluss der Teilselbstanzeige in Folge des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes als auch mit dem geänderten Einleitungssatz in § 371 1 BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 150; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 140. 2 Vgl. Rz. 746 ff. 3 Vgl. Rz. 827 ff. 4 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225.
221
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Abs. 2 Nr. 1 AO zur Sperrwirkung für alle strafrechtlich nicht verjährten Besteuerungszeiträume (Infektionstheorie).1 f) Selbstanzeige nach Erscheinen eines Amtsträgers 927
Die Regel, dass eine Selbstanzeige nicht mehr zu erstatten sei, wenn der Amtsträger zur Prüfung bzw. zur Ermittlung erschienen ist, hat aus verschiedenen Gründen keine Gültigkeit. aa) Wirksame Selbstanzeige im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung
928
Die Straffreiheit ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO nur ausgeschlossen, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Der Ausschlusstatbestand des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO ist über § 378 Abs. 3 AO auf die leichtfertige Steuerverkürzung nicht analog anwendbar. Nach § 378 Abs. 3 AO ist eine Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung nur nach Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens ausgeschlossen. Zumindest für den Fall des Erscheinens eines Prüfers zur steuerlichen Prüfung erlangt der Steuerpflichtige mit der Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO Straffreiheit, wenn die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen im laufenden Verfahren ergibt, dass dieser nicht mit Vorsatz, sondern lediglich leichtfertig gehandelt hat. bb) Verunglückte Selbstanzeige
929
Lässt sich die Frage, ob die Selbstanzeige bereits gesperrt ist, im Beratungsgespräch in der Kürze der verbleibenden Zeit nicht klären, ist zu bedenken, dass eine verspätete Selbstanzeige (sog. verunglückte Selbstanzeige) zwar nicht mehr strafbefreiend, wohl aber strafmildernd wirkt. g) Wiederaufleben der Berichtigungsmöglichkeit
930
Die Sperrwirkung endet mit dem Abschluss der steuerlichen Prüfung. Die Prüfung ist beendet, sobald die berichtigten Steuerbescheide aus der Prüfung abgesandt oder die Prüfung ergebnislos zu den Akten gelegt worden ist. Dies bedeutet, dass die Selbstanzeige bezüglich nicht aufgedeckter Taten mit Abschluss der Prüfung wieder auflebt.2 5. Sperrwirkung durch Entdeckung der Tat Literatur: Baur, Mangelnde Bestimmtheit von Durchsuchungsbeschlüssen, wistra 1983, 99; Baur, Zur „Tatentdeckung“ bei der Selbstanzeige, BB 1983, 498 mit Erwi1 So auch Obenhaus, Stbg 2011, 173; vgl. Rz. 760. 2 BGH, Urt. v. 23.3.1994 – 5 StR 38/94, wistra 1994, 228; Blumers/Göggerle, Rz. 445.
222
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige derung von Dietz, BB 1983, 1207; Bilsdorfer, Der Zeitpunkt der Tatentdeckung bei verspäteter Abgabe von Steueranmeldungen, BB 1982, 670; Bilsdorfer, Aktuelle Probleme der Selbstanzeige, wistra 1984, 131; Bilsdorfer, Möglichkeit der Straffreiheit durch Selbstanzeige von Bankkunden und Bankmitarbeitern, INF 1995, 6; Blumers, Zur Auslegung des § 371 AO am Beispiel „Tatentdeckung“, wistra 1985, 85; Brenner, Kein Ausschluss der Selbstanzeige, wenn der konkrete Täter noch nicht entdeckt ist, DStZ 1984, 478; Burhoff, Ausschluss der Selbstanzeige durch Tatentdeckung nur bei Kenntnis des Täters? PStR 1999, 173; Dietz, Bestrafung wegen Steuerhinterziehung bei verspäteter Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuern und Lohnsteuer?, DStR 1981, 372; Dörn, Selbstanzeige infolge Abschlußzahlung?, Stbg 1997, 339; Dörn, Behandlung von Kontrollmitteilungen in Finanzämtern und Bußgeld- und Strafsachenstellen, DStZ 1991, 747; Dörn, Wirksamkeit der Selbstanzeige trotz Vorliegens von Kontrollmaterial, DStZ 1992, 620; Dörn, Tatentdeckung (§ 371 II Nr. 2 AO) durch Kontrollmaterial, wistra 1993, 169; Dörn, Feststellung von Steuerverkürzungen durch die Außenprüfung, DStR 1995, 558; Dörn, Kein Ausschluss der Selbstanzeige durch Kontrollmaterial, Stbg 1997, 493; Dörn, Ausschluss der Selbstanzeige durch Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) nur bei Kenntnis des Täters?, wistra 1998, 175; Fehling, Ausschluss der strafbefreienden Selbstanzeige durch Medienberichte?, DStZ 2008, 821; Göggerle/Frank, Entdeckung der Tat bei der Selbstanzeige gemäß § 371 II Nr. 2 der Abgabenordnung, BB 1984, 398; Heersprink, Selbstanzeige – Neues und Künftiges, BB 2002, 910; Henneberg, Die Entdeckung der Tat im Steuerstrafrecht, BB 1984, 1679; Joecks, Aktuelle Fragen zur Selbstanzeige, Steueranwaltsmagazin 2010, 144; Klos, Die Selbstanzeige – Grundlagen und Praxisfragen des steuerstrafrechtlichen „Ablasses“, NJW 1996, 2336; Leise, Zum Begriff der Tatentdeckung bei Selbstanzeige, BB 1972, 1500; Maaßen, Negative Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige nach § 410 AO, FR 1954, 293; Mösbauer, Die Kenntnis des Täters von der Entdeckung der Tat als Sperre für die Straffreiheit nach § 371 AO, StB 1999, 393; Müller/Burkhard, Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldtransfers in Europa, Stbg 2002, 137; Pfaff, Entdeckung der Tat bei der Selbstanzeige, FR 1972, 415; Pfaff, Entdeckung der Tat durch Kontrollmitteilung?, StBp. 1986, 88; Pfaff, Entdeckung der Tat nach § 395 AO, StBp 1974, 186; Riegel/Kruse, Strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO durch Bankmitarbeiter, NStZ 1999, 325; Scheel, Die Bedeutung der Steuererklärung für den Begriff der Tat im Sinne des § 371 II AO, wistra 1989, 343; Streck, Praxis der Selbstanzeige, DStR 1985, 9; Streck/Mack, Banken und Bankkunden im Steuerfahndungsverfahren, BB 1995, 2137; Theil, Probleme beim Umgang mit der Selbstanzeige in der Praxis, BB 1983, 1274; Volk, Tat und Tatentdeckung bei fortgesetzter Steuerhinterziehung, DStR 1987, 644; Weyand, Kontenauswertungen infolge Betriebsprüfungen bei Banken, INF 1997, 554; Wulf, Ausschluss der Selbstanzeige durch Kontrollmitteilungen? Anmerkung zum BFHUrteil X R 20/07 vom 26.11.2008, Stbg 2010, 175.
Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige ist gem. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ausgeschlossen, wenn die Steuerstraftat vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
931
Der Ausschlussgrund der Entdeckung der Tat wurde mit der Neufassung des § 410 Abs. 2 RAO durch Art. I Nr. 1 des Gesetzes vom 7.12.19511 in
932
1 BGBl. 1951 I 941.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
das Gesetz aufgenommen. In der jetzigen Fassung1 der Vorschrift hat der Gesetzgeber zuerst die Entdeckung der Steuerstraftat und sodann das Wissen oder damit-rechnen-müssen des Täters angeführt, mithin unmissverständlich klargestellt, dass es für die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige auf die objektive Entdeckung der Tat, und nicht auf deren irrtümliche Annahme durch den Täter, ankommt.2 Der Täter, der irrtümlich angenommen hatte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit hätte rechnen müssen, dass die Tat bereits entdeckt war, obwohl dies nicht zutraf, verliert damit noch nicht die Möglichkeit der Selbstanzeige.3 Damit hat der Gesetzgeber die zur früheren Fassung umstrittene Frage4 nach den Auswirkungen einer irrtümlichen Annahme der Tatentdeckung i.S. der damals herrschenden Meinung geklärt. 933
Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat bei der UBS Bank in der Schweiz Geld angelegt. Auf Grund umfassender Medienberichterstattung geht S davon aus, dass die dem Finanzamt Wuppertal angebotenen Daten steuerunehrlicher Kapitalanleger von einem indiskreten Bankmitarbeiter Daten der UBS Bank beinhalten. S geht davon aus, dass seine Steuerhinterziehung bei der Überprüfung der Daten aufgedeckt wurde. Er erstattet Selbstanzeige betreffend der nichtversteuerten Kapitaleinnahmen. Tatsächlich betrafen die Daten die LGT Bank in Liechtenstein. Die Selbstanzeige ist nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gesperrt, weil S irrtümlich angenommen hatte, seine Tat sei entdeckt worden.
a) Die Entdeckung der Tat aa) Konkretisierung des Tatverdachts 934
Die Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO verlangt mehr als die Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. Einzuleiten ist das Strafverfahren immer schon dann, wenn ein Anfangsverdacht besteht, wenn also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen strafrechtlich verfolgbaren Sachverhalt vorliegen. So klar der Begriff des Anfangsverdachts in Literatur und Rechtsprechung bestimmt ist, umso umstrittener ist der Begriff der Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO.
935
Eine Ansicht lässt es genügen, wenn auf Seiten des Entdeckers weniger oder so viel an Erkenntnissen vorhanden ist, als es zur Einleitung eines Strafverfahrens erforderlich ist.5 Demnach genügt die Kenntnis von Anhaltspunkten, die den Verdacht einer Steuerhinterziehung begründen und bei pflichtgemäßem Verhalten der beteiligten Amtsträger zur Einleitung 1 Vgl. zur früheren Fassung § 354 Abs. 2 S. 2 EAO 1974, BT-Drucks. VI/1982, S. 195. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 200. 3 Bericht des Finanzausschusses BT Drucks. 7/4221, S. 44. 4 Vgl. z.B. Leise, BB 1972, 1500, 1502. 5 So u.a. OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.1970 – 2 Ss 191/69, NJW 1970, 1385, 1387; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Rz. 39, 40a; Dietz, DStR 1981, 372; Bilsdorfer, BB 1982, 670; Bilsdorfer, wistra 1984, 131, 133 f.; Bilsdorfer, DStZ 1985, 184, 188; Terstegen, Steuerstrafrecht 1956, S. 125; Kopacek, NJW 1970, 2098.
224
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
des Strafverfahrens führen, für die Entdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach dieser weiten Auslegung des Entdeckungsbegriffs stellt sich die Tatentdeckung als Vorstufe des Tatverdachts i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO dar. Diese weite Auslegung ist mit dem fiskalischen Zweck der Selbstanzeige nicht vereinbar. Die Entdeckung i.S.d. unmittelbaren Selbstwahrnehmung setzt jedoch vom Wortsinn her mehr als eine bloße Entdeckungsgefahr oder einen bloßen Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO voraus. Dies bedeutet nicht, dass die Finanzbehörde die Tat bereits in allen Einzelheiten und die Tatfolgen in vollem Umfang zu übersehen vermag. Tatentdeckung ist erst anzunehmen, wenn durch die Kenntnis zum objektiven und subjektiven Tatbestand eine solche Lage geschaffen ist, dass bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung wahrscheinlich ist.1 Damit reichen Tatverdacht, aufgenommene Ermittlungen und bevorstehende Entdeckungen nicht aus, um von einer Tatentdeckung i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO auszugehen.
936
Nach der Ansicht des BGH2 kann man von Tatentdeckung nicht erst 937 sprechen, wenn der Fall praktisch durchermittelt ist, sondern muss in Abhängigkeit von den vorhandenen Indizien prüfen, ob bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich ist. Dies bedeutet, dass auf das Ermittlungsergebnis abzustellen ist und nicht auf die Veranlassung von Ermittlungen.3 Indem der BGH auf die „Vorläufigkeit“ der Tatbewertung abstellt, wird deutlich, dass die Ermittlungsbehörden noch nicht sämtliche Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben müssen, um zu dieser Bewertung zu kommen. Es genügt die Kenntnis, dass der Steuerpflichtige durch Nichtabgabe oder durch die Abgabe einer falschen Steuererklärung Steuern verkürzt hat. Die wahren Besteuerungsgrundlagen müssen nicht bereits bekannt sein. Maßgebend für die Tatentdeckung ist nach Ansicht des BGH die einzelne unterlassene oder unrichtige Steuererklärung, so dass für jede Steuererklärung die notwendige „Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses“ gegeben sein muss. Hierzu muss der Tatrichter wegen der revisionsgerichtlichen Überprüfbarkeit im Urteil konkrete Feststellungen treffen. Andererseits erfordert die Entdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung; die Wahrscheinlichkeit 1 Grundlegend BGH, Urt. v. 13.5.1983 – 3 StR 82/83, wistra 1983, 197 m. Anm. Streck, DStR 1985, 9, 10; BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, NStZ 1985, 126; BGH, Urt. v. 27.4.1988 3 StR 55/88, wistra 1988, 308; BGH, Beschl. v. 30.3.1993 – 5 StR 77/93, wistra 1993, 227; BGH, Beschl. v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 226 m. Anm. Jäger; LG Stuttgart, Beschl. v. 21.8.1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72, 75; OLG Celle, Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 186 f.; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 113; Jäger in Klein, Rz. 60; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Rz. 39, 40a; Göggerle/ Frank, BB 1984, 398; Brenner, DStZ 1984, 478; Volk DStR 1987, 646. 2 BGH, Beschl. v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 225, 226. 3 Vgl. auch Brauns, StV 1985, 324, 326.
225
938
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
eines verurteilenden Erkenntnisses aufgrund einer vorläufigen Tatbewertung reicht aus.1 939
Im Ergebnis fordert der BGH, dass die Voraussetzungen für die Anklageerhebung nach § 170 Abs. 1 StPO bzw. für die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 203 StPO vorliegen.2
940
Beispiel nach BGH, Beschluss vom 20.5.2010: Die Ermittlungsbehörden haben am 28.4.2005 in dem gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 in der Wohnung des Angeklagten und der Kanzlei seines Steuerberaters Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht nur für die Jahre 2001 und 2002, sondern bereits für die Jahre 1999 und 2000 in seinen Einkommensteuererklärungen steuerpflichtige Einkünfte verschwiegen und hierdurch Einkommensteuer verkürzt hatte. Der BGH führt zur Tatentdeckung aus, dass diese in der Regel bereits dann anzunehmen ist, wenn nach Aufdeckung einer Steuerquelle unter Berücksichtigung vorhandener weiterer Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit nahe liegt. Stets ist die Tat entdeckt, wenn der Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde. Eines solchen Abgleichs bedurfte es vorliegend nicht, da der Angeklagte vor dem 1.1.2003 in Deutschland nicht steuerlich erfasst war. Die Steuerhinterziehung war zu dem Zeitpunkt entdeckt, als den Beamten der Steuerfahndung im Rahmen der Durchsuchung bekannt wurde, dass der Angeklagte bereits für die Zeit vor dem 1.1.2003 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war.
bb) Erfordernis der eigenen Wahrnehmung durch den Entdecker 941
Entdeckt i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist die Tat erst dann, wenn der Entdecker zumindest einen Teil des wirklichen Tatgeschehens oder der Tatfolgen unmittelbar selbst wahrgenommen hat.3 Durch das Erfordernis der unmittelbaren Selbstwahrnehmung der Tatwirklichkeit unterscheidet sich die Tatentdeckung von dem bloßen Tatverdacht, der sich z.B. auch auf Bekundungen von Zeugen vom Hörensagen stützen kann.4 Der Begriff des Entdeckens setzt allein vom Wortsinn her mehr als die bloße Verdachtsschöpfung voraus.5
942
Beispiel: Der Finanzdienstleister F hat bei der B-Bank ein separates Geschäftskonto für Schwarzeinnahmen eingerichtet. Bei einer Durchsuchung der B-Bank gegen den Mitarbeiter M wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung von Bankkunden durch Verschleierung des Kapitaltransfers stößt der Steuerfahnder S auf eine Kontokarte 1 BGH, Urt. v. 30.3.1993 – 5 StR 77/93, wistra 1993, 227. 2 Rüping in HHSp., § 371 Rz. 183; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 204. 3 BayObLG, Urt. v. 4.6.1970 – 4 St 23/70, DStR 1971, 87; OLG Hamm, Urt. v. 26.10.1962 – 1 Ss 913/62, BB 1963, 459; s. auch Pfaff, DStZ 1982, 361, 364. 4 Vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 30.8.1957 – IV 35/57, DStZ/B 1957, 518, 519; BGH, Urt. v. 13.5.1983 – 3 StR 82/83, wistra 1983, 197; Theil, BB 1983, 1274, 1278; Göggerle/Frank, BB 1984, 398; Henneberg, BB 1984, 1679. 5 BGH, Urt. v. 13.5.1983 – 3 StR 82/83, wistra 1983, 197.
226
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige des F, welche auf das Schwarzgeldkonto des F hinweist. M informiert F über den Fund durch S. Das Auffinden der Kontokarte muss als Entdeckung der Tat gewertet werden. Nachdem M den F über den Fund durch S informiert hat, war dem F die Tatsache der Entdeckung bekannt. Die Selbstanzeige ist dem F gesperrt.
cc) Erfassung der Tat in ihrer steuerstrafrechtlichen Bedeutung Eine Entdeckung der Tat i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist erst gegeben, wenn sich der Entdecker der Tat des strafrechtlichen Gehalts des von ihm wahrgenommenen Sachverhalts bewusst wird. Von einer Entdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO kann nur dann gesprochen werden, wenn die strafrechtliche Bedeutung des festgestellten Sachverhalts in ihrem wesentlichen Kern erkannt wird.1 Demnach muss der objektiv festgestellte Sachverhalt den Rückschluss auf die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung zulassen.2 Die Wahrnehmung des äußeren Tatgeschehens reicht für die Tatentdeckung nicht aus.3 Erscheint eine leichtfertige Begehung ebenfalls möglich, ist die Tat noch nicht als Straftat entdeckt. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass im Rahmen einer leichtfertigen Steuerverkürzung eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach Tatentdeckung nicht ausgeschlossen ist.
943
Beispiel nach OLG Celle:4 Der Finanzbeamte F ersieht aus den Steuerakten der U-GmbH, dass zwei fällige Umsatzsteuervoranmeldungen nicht fristgerecht abgegeben worden sind. Der Unternehmer U hat auf Grund der Größe seines Geschäftsbetriebes die Bearbeitung des Rechnungswesens und die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten auf den Buchhalter B übertragen. F mahnt die Umsatzsteuervoranmeldungen an. Nach Verstreichen der Nachfristen ergehen Schätzungsbescheide. Diesen fügte F eine Erläuterung über noch zu erlangende Straffreiheit bei.
944
Lösung: U hat seine Pflichten als Unternehmer auf B delegiert. Er musste in Folge des automatisierten Verfahrens nach § 150 Abs. 6 AO die Voranmeldungen nicht unterzeichnen. Daher kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass das Unterlassen einer Steuervoranmeldung von U vorsätzlich herbeigeführt wurde. Zur Entdeckung der Tat bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass U selbst vorsätzlich gehandelt hat. Bei der Umsatzsteuer ist der Tatbestand des § 370 AO zwar bereits dann vollendet, wenn zu den Fälligkeitsterminen Umsatzsteuervoranmeldungen vorsätzlich nicht abgegeben werden, obwohl im Anmeldungszeitraum Umsätze getätigt wurden und § 18 UStG bestimmt, dass der Unternehmer die Steuer für den Voranmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. Aber das Umsatzsteuergesetz bestimmt nicht, dass der Steuerpflichtige die Voranmeldung 1 Vgl. RG, Urt. v. 28.5.1937 – 1 D 357/37, RGSt. 71, 242, 243; OLG Celle, Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116. 2 BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, NStZ 1985, 126; OLG Celle, Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116; OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.1970 – 2 Ss 191/69, NJW 1970, 1385, 1387; BayObLG, Urt. v. 4.6.1970 – 4 St 23/70, DStR 1971, 87; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 185 ff.; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 209. 3 So aber Troeger/Meyer, S. 261; OLG Celle, Urt. v. 5.11.1970 – 1 Ss 152/70, BB 1971, 205; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Rz. 39. 4 Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116.
227
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO eigenhändig zu unterschreiben hat (vgl. dazu § 150 AO); daher ist nicht auszuschließen, dass der Unternehmer sich Erfüllungsgehilfen bedient, die die entsprechenden Arbeiten für Voranmeldungen leisten und die kraft interner Abmachung die Steueranmeldung selbst abgeben. Für die Frage der Entdeckung war es von entscheidender Bedeutung, ob F in seine Vorstellung aufgenommen hatte, dass B als für die Steuerabwicklung Verantwortlicher vorsätzlich gehandelt hatte. Denkbar ist immerhin, dass F von einer bloßen Säumigkeit des B ausging. Zu dieser Annahme gibt jedenfalls die sonst unverständliche, den Schätzungen beigefügte Erläuterung über die angeblich noch zu erlangende Straffreiheit Anlass.
dd) Tatentdeckung infolge rechtswidriger Ermittlungsmaßnahmen 945
Die Selbstanzeige ist nicht ausgeschlossen, wenn die Tat infolge rechtswidriger Ermittlungsmaßnahmen aufgedeckt wurde und die dadurch aufgedeckten Tatumstände nicht verwertet werden dürfen.1 ee) Einzelfälle zur Tatentdeckung
946
Die große Zahl einschlägiger Entscheidungen zeigt, dass die Rechtsprechung den Begriff der Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO restriktiv auslegt. (1) Entdeckung bei unterlassener Steuererklärung
947
Hat der Steuerpflichtige keine Steuererklärungen abgegeben, kann man noch nicht von einer Tatentdeckung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ausgehen.2 Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige wird nicht durch eine Tatentdeckung ausgeschlossen, weil die Finanzbehörden wegen der Listenführung regelmäßig Kenntnis von der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen nehmen.3 Die Fristversäumnis lässt noch keine Rückschlüsse auf eine Steuerschuld und auf den Vorsatz der Steuerhinterziehung zu.4 Die notwendigen Erklärungen kann der Steuerpflichtige nämlich aus verschiedenen, auch aus steuerstrafrechtlich irrelevanten Gründen unterlassen haben. Die Säumnis kann auch auf Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit beruhen.
948
Auf einen Verkürzungsvorsatz kann insb. dann nicht geschlossen werden, wenn die Pflicht zur Abgabe von USt-Voranmeldungen betriebsintern delegiert war.5 Gerade aber bei Groß- und Mittelbetrieben werden die 1 Vogelberg in Wannemacher, Rz. 2293; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 187; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 230.5. 2 S. auch OLG Celle, Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116; ebenso Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 188; Dörn, Stbg 1997, 339, 340 f.; a.A. Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Rz. 40b; Dietz, DStR 1981, 372; Bilsdorfer, BB 1982, 670; wistra 1984, 132. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 223; vgl. Herdemerten, NJW 1970, 1385 zur damaligen Verwaltungsauffassung. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 188. 5 OLG Celle, Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Pflichten des Unternehmers auf Mitarbeiter übertragen. Deshalb kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass das Unterlassen einer Steuererklärung vom Steuerpflichtigen selbst schuldhaft herbeigeführt worden ist. Auch Mahnungen und die Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln i.S.d. §§ 328 ff. AO begründen keine positive Kenntnis der Finanzbehörde von einer Steuerstraftat.1 Vielmehr handelt es sich um Maßnahmen des Besteuerungsverfahrens, deren Anwendung im Straf- und Bußgeldverfahren unstatthaft gewesen wären.2
949
Beispiel: Die Finanzbeamtin F der LSt-Stelle erkennt bei einer Überwachung des Geschäftsbetriebes der U-GmbH, dass der Unternehmer U Lohnsteueranmeldungen nicht abgegeben hat. Nach erfolgloser Mahnung droht F mit der Festsetzung von Zwangsgeld.
950
Die Selbstanzeige ist für U nicht ausgeschlossen, nachdem F ein Zwangsgeld angedroht hat. Die von der LSt-Stelle getroffenen Feststellungen bedeuten noch keine positive Kenntnis einer Steuerstraftat. Die bloße Kenntnis von der Existenz der U-GmbH bekundet keine Tatentdeckung. Es müssen weitere Umstände bekannt sein, aus denen sich erklären lässt, warum U die termingerechten Lohnsteueranmeldungen unterlassen hat.
Nicht ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige Schätzungs- und Haftungsbescheide gegen sich ergehen lässt.3 Schätzungs- und Haftungsbescheide sind Maßnahmen des Besteuerungsverfahrens, die der Durchsetzung des Steueranspruchs dienen, ohne dass aus ihnen schon hervorgeht, dass der Behörde eine Steuerverkürzung bekannt ist. Der Verdacht einer Steuerhinterziehung besteht erst dann, wenn der zuständige Beamte die Vorstellung hat, dass der Steuerpflichtige, dessen Erklärungen ausstehen, durch sein Verschweigen eine Steuerverkürzung vorsätzlich bewirken will.
951
(2) Entdeckung bei Kontrollmitteilungen Ob Kontrollmitteilungen als Mittel der Tatentdeckung eine Selbstanzeige ausschließen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Voraussetzung ist, dass die Kontrollmitteilung bei vorläufiger Bewertung die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung begründet.4 Allerdings muss sie den vom BGH im Urteil vom 13.5.19835 aufgestellten Grundsätzen genügen. Dies hängt vom Inhalt der Kontrollmitteilung und sonstigen Umständen des Einzelfalles ab.
1 LG Hanau, Urt. v. 20.2.1967 – 2 Ms 156/66, zit. bei Leise, DStR 1971, 57, 58. 2 Vgl. BayObLG, Urt. v. 24.2.1972 – RReg. 4 St 135/71, BayObLGSt. 1972, 39. 3 BayObLG, Urt. v. 4.6.1970 – 4 St 23/70, DStR 1971, 87; OLG Celle, Beschl. v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116. 4 LG Koblenz, Urt. v. 13.3.1985 – 105 Js [Wi] 16.966/83 – 4 Ls-12 Ns, wistra 1985, 204. 5 3 StR 82/83, wistra 1983, 197.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
953
Weder die Erstellung der Kontrollmitteilung noch der Eingang von Kontrollmitteilungen beim zuständigen Finanzamt führen zur Tatentdeckung.
954
Beispiel: Architekt A erfährt vom Bauunternehmer U, dass der Betriebsprüfer F im Rahmen einer Betriebsprüfung seines Geschäftsbetriebes Kontrollmitteilungen von seinen Rechnungen über Architektenhonorar gefertigt hat. A hat die Honorare in seiner Einkommensteuererklärung nur zum Teil angegeben. A reicht über seinen Steuerberater beim zuständigen Finanzamt eine Selbstanzeige ein, bevor dieses die Kontrollmitteilungen auswerten konnte. Die Steuerstraftat des A war nicht entdeckt, die Selbstanzeige mithin nicht gesperrt.
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Erst wenn der zuständige Veranlagungsbeamte durch Vergleich der Kontrollmitteilung mit den Steuerakten oder durch weitere Nachforschungen zu dem Schluss kommt, dass bestimmte Geschäftsvorfälle nicht verbucht wurden, mithin Steuern verkürzt worden sind und auch ein vorsätzliches Verhalten naheliegt, kann von einer Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ausgegangen werden.1 In diesem Zeitpunkt ist die Tat entdeckt und die Selbstanzeige gesperrt.
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Ebenso tritt die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ein, wenn der Steuerfahnder ankündigt, wegen eines konkreten Geschäfts das private Girokonto des Steuerpflichtigen überprüfen zu wollen. Damit sind auch die sonstigen OR-Geschäfte entdeckungsgefährdet.2
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Anders verhält es sich, wenn die Finanzbehörde beim Steuerpflichtigen im Rahmen eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO anfragt, ob die in der Kontrollmitteilung erwähnten ausländischen Zinseinnahmen in den entsprechenden Steuererklärungen erfasst sind. Ebenso ist der Fall zu beurteilen, wenn der Finanzbehörde aufgrund der Kontrollmitteilung die Herkunft und der Zeitraum, nicht jedoch die Höhe der Beträge oder aber die Herkunft und die Höhe, nicht aber der Zeitraum bekannt sind und das Finanzamt vom Steuerpflichtigen diesbezüglich nähere Auskunft verlangt.3 Von einer Tatentdeckung wäre nur dann auszugehen, wenn die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen gem. § 393 Abs. 1 AO darüber belehrt, dass der Tatverdacht einer Steuerstraftat bestehe und seine Mitwirkung nicht erzwungen werden könne.4 Bei einer Aufforderung zur Mitwirkung ohne eine Mitteilung über die Verfahrenseinleitung und ohne Belehrung auf das Auskunftsverweigerungsrecht darf der Steuerpflichtige davon ausgehen, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfah1 Vgl. auch Winkelbauer, wistra 1986, 100; Bilsdorfer, StBp 1988, 87, 89; Eggesiecker/Latz, Stbg 1980, 214, 215; Göggerle/Frank, BB 1984, 398, 399; Theil, BB 1983, 1274, 1278; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 188; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 114; Dörn, Stbg 1997, 493; Dörn, wistra 1993, 169, 171; Dörn, DStZ 1992, 620; Dörn, DStZ 1991, 747. 2 OLG Celle, Beschl. v. 21.12.1984 – 3 Ss 219/84, wistra 1985, 84. 3 Vgl. die Beispiele in Dörn, wistra 1993, 169, 173. 4 Vgl. Dörn, wistra 1993, 169, 173; Dörn, DStZ 1992, 620, 622; ebenso Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 114.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
ren eingeleitet ist und dass auf Seiten der Behörde kein Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung für die angefragten Sachverhalte besteht.1 Beispiel: Dem Finanzamt liegt ein auf ein ausländisches Kreditinstitut ausgestellter Scheck vor. Dieser wurde auf das Privatkonto des Lagerarbeiters L des Schrotthändlers S eingelöst. Der Finanzbeamte F bittet zunächst L, später auch S um Mitteilung, welches Rechtsgeschäft dem Scheck zu Grunde liegt. S teilt F mit, dass es sich um eine versehentlich nicht gebuchte Betriebseinnahme handelt.
958
Die Erklärung des S stellt eine wirksame Selbstanzeige dar. Die Anfrage des F stellt eine Auskunft im Besteuerungsverfahren dar. Andernfalls hätte F den S nach §§ 136, 163a StPO belehren müssen.
Û
Hinweis: Wer von einem Finanzamt unter Hinweis auf Kontrollmaterial auf mögliche Fehler in den bisherigen Steuererklärungen ohne entsprechende Belehrung hingewiesen wird, darf davon ausgehen, dass keine Tatentdeckung eingetreten ist, die Selbstanzeige mithin nicht gesperrt ist.2
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(3) Entdeckung bei Bankermittlungen Stellt ein Steuerfahnder bei der Überprüfung von bankinternen Konten fest, dass ein Bankkunde anonymisiert oder unter Namensnennung Geld ins Ausland transferiert hat, bewirkt dies noch keine Tatentdeckung i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Ausschreibung entsprechender Kontrollmitteilungen führt ebenso wenig zur Tatentdeckung. Erst wenn das zuständige Veranlagungsfinanzamt aufgrund eines Abgleichs der Kontrollmitteilung mit den persönlichen Steuerakten feststellt, dass der mitgeteilte Sachverhalt steuerlich nicht oder nicht vollständig deklariert und erfasst worden ist und auch ein vorsätzliches Verhalten naheliegt, ist von einer Tatentdeckung auszugehen.3 Für die Tatentdeckung ist es erforderlich, dass der konkrete Sachverhalt nicht erklärt worden ist. Hat der Steuerpflichtige Zinseinnahmen erklärt, lässt sich aus der Steuererklärung aber nicht erkennen, dass die in der Kontrollmitteilung aufgeführten Zinseinnahmen nicht erklärt wurden, liegt mithin keine Tatentdeckung vor.
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Û
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Hinweis: Regelmäßig fordert die Finanzbehörde in dieser Situation den Steuerpflichtigen zur Auskunftserteilung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO auf. Teilweise wird in den Anschreiben der Finanzbehörde auf diese Norm hingewiesen.
(4) Entdeckung auf Grund einer angekauften Bankdaten-CD Literatur: Fehling/Rothbächer, Ausschluss der strafbefreienden Selbstanzeige durch Medienberichte, DStZ 2008, 821; Joecks, Die Verwertung „illegal“ beschaffter Daten, Steueranwaltsmagazin 2011, 21; Randt/Schauf, Selbstanzeige und 1 Wulf, Stbg 2010, 175. 2 Wulf, Stbg 2010, 175. 3 Bilsdorfer, INF 1995, 6, 11; Streck/Mack, BB 1995, 2137, 2146; Weyand, INF 1997, 554; Riegel/Kruse, NStZ 1999, 325.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO Liechtenstein-Affäre, DStR 2008, 489; Schwedhelm/Wulf, Strafbefreiende Selbstanzeige und Tatentdeckung im Rahmen der „Liechtenstein-Ermittlungen“, StBG 2008, 294; Spernath, Strafbarkeit und zivilrechtliche Nichtigkeit des Ankaufs von Bankdaten, NStZ 2010, 307.
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Nach den vorgenannten Kriterien beantwortet sich die Frage, inwiefern in den Fällen der angekauften Bankdaten-CDs die Steuerpflichtigen mit einer Tatentdeckung rechnen mussten, eine wirksame Selbstanzeige mithin ausgeschlossen ist.
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In der Literatur wird mit guten Argumenten die Meinung vertreten, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige auch nach Bekanntwerden der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaften bzw. Finanzbehörden noch möglich ist, da die Voraussetzungen der Ausschlusstatbestände des § 371 Abs. 2 AO nicht erfüllt sind. (a) Tatentdeckung
964
Ausgehend von dem Urteil des BGH vom 13.5.19831 muss die Tat als solche in ihren wesentlichen Teilen wahrgenommen worden sein, ein bloßer Anfangsverdacht reicht nicht aus. Der BGH entschied, dass von einer Tatentdeckung erst gesprochen werden kann, sobald sich ein Anfangsverdacht soweit konkretisiert hat, dass bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Dies bedeutet, dass ein die Erhebung der öffentlichen Klage rechtfertigender Tatverdacht i.S.d. §§ 170 Abs. 1, 203 StPO vorliegen muss. Die nach dem Urteil des BGH erforderliche Prognose auf der Basis einer vorläufigen Bewertung des gesamten Ermittlungsmaterials hat nicht nur die objektiven, sondern auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 370 AO zu berücksichtigen.
965
Allein die Erlangung von Informationen über Geldvermögen im Ausland durch in Deutschland uneingeschränkt steuerpflichtige Personen stellt noch keine Tatentdeckung dar.
966
Eine Tatentdeckung ist nur bei denjenigen Steuerpflichtigen gegeben, deren Namen sich mit detaillierten Angaben zu den Geldanlagen in der Schweiz bzw. Liechtenstein auf einer Daten-CD befanden und ein Abgleich mit der persönlichen Steuerakte die Unvollständigkeit der Steuererklärungen in der Vergangenheit ergeben hat.
967
Grundsätzlich kann die Tat auch durch eine Privatperson entdeckt werden, wenn damit zu rechnen ist, dass diese Privatperson ihre Kenntnis an die zuständige Behörde weiterreicht, in den Fällen der Bankdaten-CD also von dem untreuen Bankmitarbeiter. Jedoch ist in diesen Fällen zu bedenken, dass der Bankmitarbeiter keinen Einblick in die persönlichen Steuer-
1 3 StR 82/83, wistra 1983, 197.
232
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
unterlagen hat, mithin nicht die Unvollständigkeit der Steuererklärungen in der Vergangenheit erkennen kann. Eine Tatentdeckung soll weiterhin nicht vorliegen, wenn die zugrunde liegenden Informationen unverwertbar sind, denn § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO setzt prozessual verwertbare Erkenntnisse voraus. Geht man mit dem bislang bekannten Sachverhalt davon aus, dass die eingeschalteten Ermittlungsbeamten durch den Ankauf der Daten eine Beihilfe zur Geheimnisverwertung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG begingen, so sind die erlangten Informationen unverwertbar. Soweit ein Verwertungsverbot hinsichtlich der angekauften Bankdaten angenommen wird, kann dies einen so schwerwiegenden Fehler der Ermittlungsmaßnahmen begründen, dass die Bekanntgabe des Strafverfahrens die Selbstanzeige nicht sperrt.
968
(b) Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung Der Ankauf von Bankdaten durch die Bundesregierung oder Landesregierungen zu Zwecken steuer- und strafrechtlicher Ermittlungen wirft die Frage der Verwertbarkeit so gewonnener Erkenntnisse im Strafprozess auf.
969
Die öffentliche Diskussion um die strafprozessuale Verwertbarkeit wird begleitet von Fragen nach der Strafbarkeit der illoyalen Bankmitarbeiter und der staatlichen Organe, allen voran der Mitarbeiter der Geheimdienste und der Finanzbehörden, die die Daten-CD von den illoyalen Bankmitarbeiter übernommen haben, sowie von der Frage nach der Zulässigkeit von Ermittlungen vorbei an den Bestimmungen zur Amts- und Rechtshilfe.
970
Die Frage der Beweisverwertungsverbote ist einer der umstrittensten strafprozessualen Problemkreise.1 Dies gilt sowohl für die dogmatische Verankerung und Begründung wie für den Umfang und die Reichweite von Verwertungsverboten.
971
Mit der für die Ermittlungen der Bankdaten-CD der Credit Suisse im Jahre 2010 zuständigen Staatsanwaltschaft Düsseldorf könnte darauf abgestellt werden, dass die Daten-CD dem Bundesland Nordrhein-Westfalen von einer unbekannten Privatperson eigeninitiativ gegen Zahlung eines Entgelts zum Erwerb angeboten wurde. Für die rechtswidrige bzw. strafbare Erlangung von Beweismitteln durch Privatpersonen nach der sog. Dreisphärentheorie werde ein Verwertungsverbot nur angenommen, sofern die Beweisgewinnung die absolut geschützte Intimsphäre verletzt. Die Datensammlung könne allenfalls die allgemeine persönliche Geheimnissphäre betreffen. Offenbart werde nicht die wirtschaftliche Gesamtsituation der Betroffenen, sondern lediglich ein Ausschnitt davon. Die nach der von der Rechtsprechung entwickelten Abwägungslehre er-
972
1 BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – 5 StR 190/91, NJW 1992, 1463; BVerfG, Beschl. v. 6.10.2009 – 2 BvR 2580/08.
233
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
forderliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Belange, nämlich einerseits Art und Schwere eines möglichen Rechtsverstoßes und auf der anderen Seite das Aufklärungsinteresse des Staates im Rahmen der Gewährung einer effektiven Strafrechtspflege, könne dazu führen, dass das Aufklärungsinteresse Vorrang habe und ein Beweisverwertungsverbot abgelehnt werden müsse. Der Bundesgerichtshof habe wiederholt betont, an der Verfolgung solcher Straftaten bestehe ein großes öffentliches Interesse. Außerdem könnten Belange des Gemeinwohls – eine gleichmäßige und zutreffende Besteuerung sowie kriminalpräventive Gesichtspunkte – in die Abwägung einzubeziehen sein. 973
Nach Prüfung der StA Düsseldorf bestehe kein Anfangsverdacht dafür, dass sich deutsche Amtsträger im Zusammenhang mit dem Ankauf der Daten strafbar gemacht haben könnten. Für die Frage der Verwertbarkeit soll es ohne Folgen bleiben, wenn eine andere Auffassung vertreten würde. In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidung des LG Bochum1 abgestellt. Das LG Bochum habe in seiner Entscheidung diese Frage ausdrücklich offen gelassen und die Auffassung vertreten, die – möglicherweise – von einem Amtsträger verletzte Strafnorm schütze jedenfalls nicht primär den beschuldigten Steuerpflichtigen. Das LG Bochum habe in seiner Entscheidung dargelegt, dass aus einer Straftat des Amtsträgers ein Beweisverwertungsverbot in dem zugrundeliegenden Steuerstrafverfahren nicht hergeleitet werden könne. Ein Verwertungsverbot für das Beweismittel aus der Verletzung völkerrechtlicher Normen oder Vereinbarungen folge nach der Rechtsprechung nur dann, wenn auch die Verwertung als solche völkerrechtswidrig wäre. Anhaltspunkte hierfür lägen aber weder für den in der Literatur diskutierten Verstoß gegen Art. 1 der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen Nr. 56/83 noch in Bezug auf das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 vor. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass eine sog. Fernwirkung des zuvor angesprochenen Beweisverwertungsverbotes mit der Folge, dass auch aufgrund weiterer Ermittlungen gewonnene Beweismittel nicht verwertet werden dürften, nicht gegeben wäre. Die Rechtsprechung lehne eine solche grundsätzlich ab und habe sie nur bei einem eklatanten Grundrechtsverstoß angenommen.
974
Der BGH geht bei den verschiedenen Problemkreisen einzelfallorientiert vor, wodurch insbesondere wegen der schwer zu prognostizierenden Berücksichtigung kriminalpolitischer Erwägungen klare Konturen fehlen. Beweismittel allerdings, die zielgerichtet durch auf Beweismittelgewinnung ausgerichtete Straftaten staatlicher Stellen beschafft werden, sind im Strafverfahren nicht verwertbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH. Das Verwertungsverbot wirkt auf Einlassungen der Beschuldigten fort, wenn diese wesentlich unter dem Eindruck des unverwertbaren Beweismittels erfolgen.
1 LG Bochum v. 22.4.2008 – 2 Qs 10/08, HRRS 2009 Nr. 1111.
234
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Mithin stellt sich die Frage der Strafbarkeit der Verantwortlichen auf Sei- 975 ten der Bundes- bzw. Landesregierung. In der Literatur1 wird die Ansicht vertreten, dass sich der Datenhändler durch den Abschluss bzw. die Durchführung des Kaufvertrags über die Daten wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UWG strafbar gemacht hat. Aber auch die Vertreter der Bundesregierung und der Landesregierungen haben sich strafbar gemacht, zumindest wegen Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Nach Spernath ist der Tatbestand der Hehlerei nach § 259 StGB nicht einschlägig, da die illegal erlangten Daten als solche keine beweglichen Sachen sind und die Datenträger, auf denen sie verkörpert sind, nicht aus einer rechtswidrigen Vortat i.S.d. § 259 StGB stammen. Eine Begünstigung nach § 257 StGB ist nicht gegeben. Im Gegensatz zur Hehlerei reicht für die Begünstigung nach § 257 StGB irgendeine strafbare Vortat, deren Vorteile dem Vortäter gesichert werden sollen, aus, allerdings setzt § 257 StGB die Absicht voraus, die Vorteile der Tat zu sichern. Der Kaufpreis selbst ist kein unmittelbarer Vorteil aus der Datenerlangung. Deshalb scheidet eine Begünstigung nach § 257 StGB aus. Diskutiert werden noch die Strafbarkeit wegen Ausspähen von Daten nach § 202a StGB, Geldwäsche nach § 261 StGB, Untreue nach § 266 StGB sowie der Datenmissbrauch nach §§ 43, 44 BDSG. Die Strafbarkeit lässt sich jedoch nur bei vollständiger Sachverhaltskenntnis beurteilen. Mit der Rechtsprechung des BGH sind die Daten auf den von den illoyalen Bankmitarbeitern erworbenen CDs im Strafverfahren nicht verwertbar, da sie zielgerichtet, durch auf Beweismittelgewinnung ausgerichtete Straftaten staatlicher Stellen beschafft wurden.
976
Auch Trüg und Habetha gelangen in ihrem Beitrag „Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung – insbesondere mit Blick auf die Liechtensteiner Steueraffäre“2 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Vorgehensweise der BND-Mitarbeiter die Annahme eines durch den BGH nur selten bejahten Ausnahmefalls nahelege, der dem Verwertungsverbot Fernwirkung zuspricht. Der Rechtsstaat des Grundgesetzes zwingt hier zur Annahme eines umfassenden Verwertungsverbots.
977
Die öffentlich diskutierte Frage war Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde3, welche darüber entscheiden sollte, ob die entwendeten Kundendaten der Liechtensteiner LGT Bank in einem darauf folgenden Steuerstrafverfahren verwendet werden durften. In dem Fall gehen die Beschwerdeführer gegen einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bochum vor. Der Beschluss stützte sich allein auf die umstrittene DVD mit den Daten der LGT-Kunden. Die Beschuldigten werden verdächtigt, nahezu 100 000 Euro Einkommensteuer in dem Fürstentum hinterzogen
978
1 Spernath, Strafbarkeit und zivilrechtliche Nichtigkeit des Ankaufs von Bankdaten, NStZ 2010, 307. 2 NStZ 2008, 481. 3 Beschl. v. 9.11.2010 – 2 BvR 2101/09, wistra 2011, 61.
235
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
zu haben. Auf der DVD waren die entsprechenden Widmungserklärungen und Kontoauszüge der Liechtensteiner Stiftung gespeichert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet sei. 1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführer beanstandet haben, das Gericht hätte aufklären müssen, wie die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz der Daten gelangt seien und welche Rolle der Bundesnachrichtendienst dabei gespielt habe. Die Beschwerdeführer begehren, dass die Fachgerichte hätten aufklären müssen, wie die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz der Daten gelangt seien. Mit dieser Rüge können sie im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden. 2. Das Bundesverfassungsgericht hat sodann dargelegt, dass die Verfassungsbeschwerde unbegründet sei. Die Beschwerdeführer werden nicht in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt; die Fachgerichte durften den für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht auch auf die Erkenntnisse der Daten aus Liechtenstein stützen. 979
Das Bundesverfassungsgericht hat zu der Frage, ob die aus Liechtenstein stammenden Daten für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts für eine strafprozessuale Durchsuchung zugrunde gelegt werden dürfen, ausgeführt, dass es nicht um die unmittelbare Geltung eines Beweisverwertungsverbotes gehe. Dieses betrifft grundsätzlich lediglich die unmittelbare Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln im Strafverfahren zur Feststellung der Schuldfrage. Bei der Frage, ob und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts einer Durchsuchung herangezogen werden dürfen, handelt es sich um eine Vorauswirkung von Verwertungsverboten. Die Frage gehört in den größeren Zusammenhang der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Eine Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren kommt nicht ohne weiteres in Betracht.
980
Für die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, verweist das Bundesverfassungsgericht auf die zuständigen Fachgerichte. Es besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Eine Entscheidung hat nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Bei der Abwägung sind die Art des Verbots und das Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen.
236
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Das Bundesverfassungsgericht hat weiterhin ausgeführt, dass ein Beweisverwertungsverbot bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten ist. Nur in den Fällen, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist, ist ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten anerkannt.
981
Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass die Verwendung der Daten nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft. Betroffen ist lediglich der geschäftliche Kontakt der Beschwerdeführer mit Kreditinstituten. Weiterhin sind Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte, grundsätzlich verwertbar, so dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden müssen. Im Übrigen haben die Gerichte für ihre Bewertung, ob die Daten einem für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht nicht zugrunde gelegt werden dürfen, unterstellt, dass die Amtsträger bei der Beschaffung der Daten nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt oder gegen völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen haben.
982
(5) Tatentdeckung bei den Mitarbeitern der Geldinstitute und bei Steuerberatern Getrennt von der Frage der Tatentdeckung bei den Steuerpflichtigen ist die Frage nach der Tatentdeckung bei den Mitarbeitern der Geldinstitute und den Steuerberatern zu beurteilen.
983
Die Selbstanzeige des Steuerpflichtigen führt grundsätzlich nur zur Straffreiheit desjenigen, in dessen Namen sie abgegeben wurde. Offenbart sich lediglich der Steuerpflichtige, bleibt die Strafbarkeit des Steuerberaters und der Bankberater bestehen. Inwieweit die Selbstanzeige auch zur Straffreiheit des Steuerberaters und/oder Mitarbeiters der Geldinstitute führt, hängt mithin vom Inhalt der Berichtigungserklärung ab. Sind die Mitarbeiter der Kreditinstitute und der Steuerberater nicht in der Selbstanzeige des Steuerpflichtigen mit aufgeführt, müssen diese zur Erlangung von Straffreiheit ebenfalls eine Selbstanzeige abgeben. Diese ist nur wirksam, sofern kein Ausschlusstatbestand des § 371 Abs. 2 AO eingreift. Von Bedeutung ist hier regelmäßig nur der Ausschlusstatbestand der Tatentdeckung.
984
Bei den Durchsuchungen von Steuerpflichtigen, deren Daten sich auf der Bankdaten-CD befunden haben, wurden die Steuerpflichtigen regelmäßig gefragt, ob der Steuerberater um das Vermögen bei der Credit Suisse wusste. Soweit die Frage bejaht wurde, war die Beteiligung des Steuerberaters an der Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen entdeckt. Eine strafbefreiende Selbstanzeige des Steuerberaters ist jedoch erst ausge-
985
237
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
schlossen, wenn der Steuerberater im Zeitpunkt der Selbstanzeige von der Entdeckung der Tat positive Kenntnis hatte und ihm diese nachgewiesen werden kann. Der Nachweis gelingt nur, wenn der Steuerpflichtige gegenüber der Ermittlungsbehörde erklärt, dass er den Steuerberater über die Fragestellung nach dessen positiven Wissen bei der Durchsuchung informiert hat. 986
Ebenso verhält es sich um den Ausschluss der Selbstanzeige in Folge der Tatentdeckung der Unterstützungshandlung durch die Bankberater. Die Steuerpflichtigen, deren Geldanlagen in der Schweiz in Folge der Bankdaten-CD oder einer Selbstanzeige in Folge des Ankaufs der Daten aufgedeckt wurden, werden von den Ermittlungsbehörden umfassend zu den Umständen befragt. Die Fragen der Ermittlungsbehörden erfolgen im Rahmen von Ermittlungen gegen die Bankberater der Credit Suisse und UBS. Die Fragen zielen darauf ab, die Kontaktaufnahme zu den Banken in der Schweiz, die näheren Umstände der Kontoeröffnung als auch die laufende Geschäftsbeziehung zu ermitteln. So wird gefragt, ob die Schweizer Bankinstitute eine besondere Betreuung bei der Verwaltung von nicht versteuerten Vermögen versprochen haben, wo die Kontaktaufnahme erfolgt ist, im In- oder Ausland, ob die Bankberater „zwischen den Zeilen“ angesprochen haben, dass anzulegende Vermögen nicht zu versteuern, ob die Möglichkeit angesprochen wurde, zur besseren Tarnung ein offizielles Konto für die Steuererklärung und ein zweites, parallel geführtes Konto für nicht versteuerte Erträge zu führen, ob das Bankinstitut eine steuerliche Beratung angeboten hat, ob die Bankinstitute Kurierdienste zum Transport von Vermögenswerten angeboten haben und insb., ob die Credit Suisse darauf hingewiesen hat, dass Kontodaten von Kunden abhandengekommen sind und man zur Selbstanzeige geraten habe. Hierbei wurde immer wieder die Frage nach den Namen der Bankberater gestellt. Die Frage der Sperrwirkung von deren Selbstanzeigen beurteilt sich nach den oben angeführten Kriterien. Die positive Kenntnis des Bankmitarbeiters um die Tatentdeckung muss ihm nachgewiesen werden, was nur gelingt, wenn der Steuerpflichtige diesem seine Antworten mitteilt. (6) Entdeckung bei Grenzkontrollen
987
Wird ein Steuerpflichtiger beim Grenzübertritt mit Bargeld oder zahlungsgleichen Mitteln in Höhe von mehr als 10 000 Euro angetroffen, dürfen die Zollbehörden und die Beamten des Bundesgrenzschutzes die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhobenen personenbezogenen Daten an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden und an die zuständige Oberfinanzdirektion als Bundesbehörde übermitteln, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist (§ 12a Abs. 3 S. 1 ZollVG), wenn dies also „im Interesse einer gesetzmäßigen, gleichmäßigen Besteuerung“, „zur Aufdeckung möglicherweise illegaler steuerlicher Aktivitäten“ und „zur Verhinderung einer nachhaltigen Schädigung der Volkswirtschaft“ dient. Weder die Aufdeckung des Bargeldes 238
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
noch die Fertigung der Kontrollmitteilung, auch nicht der Eingang der Kontrollmitteilung beim zuständigen Finanzamt führt zur Entdeckung der Tat i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Eine Selbstanzeige ist noch mit strafbefreiender Wirkung möglich.1 Entdeckt ist die Tat erst, wenn der zuständige Finanzbeamte beim Abgleich der Kontrollmitteilung mit den Steuerakten feststellt, dass die ausländischen Zinseinnahmen nicht erklärt wurden und eine Steuerhinterziehung in objektiver Hinsicht damit aufgedeckt wurde. Hinzukommen muss aber auch eine Tatentdeckung in subjektiver Hinsicht. Das hängt von den Tatumständen ab. Allein die Feststellung nicht versteuerter Kapitaleinkünfte nach Eingang einer Kontrollmitteilung lässt aber nicht ohne weiteres den Schluss auf eine vorsätzliche Steuerverkürzung zu.
988
Û
Hinweis: Die Tat ist entdeckt, sobald der Steuerpflichtige, welcher vom Grenzbeamten angetroffen wird, die Steuerhinterziehung gesteht. Wichtig ist in dieser Situation daher, kühlen Kopf zu bewahren und zur Herkunft des Bargeldes und der zahlungsgleichen Mittel zu schweigen. Nur dann kann eine Selbstanzeige bis zur Auswertung der Kontrollmitteilung noch wirksam abgegeben werden.
989
Beispiel: Ein Zollbeamter Z des Zollamts Bietingen kontrolliert zwei Reisende, die aus der Schweiz nach Deutschland einreisen, sowie deren Pkw. Trotz eingehender Befragung meldeten weder der Fahrer, ein Kaufmann K aus Deutschland, noch sein Sohn Barmittel über 10 000 Euro bzw. mitgebrachte Waren an. Bei der anschließenden Durchsicht des Pkws findet Z Kontoauszüge einer Schweizer Bank. Z fertigt Kopien von den Unterlagen und reicht die Kontoauszüge im Original an K zurück. K kann noch eine wirksame Selbstanzeige abgeben. Wegen der sachlich beschränkten Zuständigkeit von Z greift die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO nicht ein. Die Tat ist auch nicht entdeckt, solange das zuständige Finanzamt die Kontoauszüge nicht ausgewertet hat. Die Selbstanzeige ist in Folge der Bargeldkontrolle nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gesperrt.
990
b) Gegenstand der Entdeckung: „eine Steuerstraftat“ aa) Begriff der Steuerstraftat Der Begriff der Steuerstraftat ist wie bei der Sperrwirkung der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- und Bußgeldverfahrens nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO zu verstehen. Dabei ist weder auf den strafprozessualen Tatbegriff, noch mit Franzen2 und Vogelberg3 auf den Inhalt der Einleitungsverfügung abzustellen. Der Begriff der Tat ist bei der Sperrwirkung durch Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldver-
1 Müller/Burkhard, Stgb 2002, 137. 2 In Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl., Rz. 107. 3 In Wannemacher, Rz. 2281.
239
991
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
fahrens erläutert.1 Maßgeblich ist der materiell-rechtliche Tatbegriff, wie ihn der BGH im Beschluss vom 20.5.20102 geprägt hat.3 bb) Teilentdeckung 992
Nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO reicht es aus, wenn die Tat „zum Teil“ entdeckt war. Für diesen Fall tritt die Sperrwirkung hinsichtlich des gesamten Tatkomplexes ein.
993
Beispiel: Eine Entdeckung von nicht erklärten Kapitaleinkünften bei der Bank A führt zum Ausschluss der Selbstanzeige bisher nicht entdeckter und ebenfalls nicht erklärter Kapitaleinkünfte bei der Bank B.4
994
Das gilt aber nicht bei der Entdeckung von bloßen Vorbereitungshandlungen.
995
Beispiel: Die Finanzbehörde ordnet die Betriebsprüfung der K-GmbH für die Jahre 2006 bis 2008 an. Der Betriebsprüfer P stößt in der laufenden Prüfung auf gefälschte Rechnungsbelege aus dem Jahr 2009. Die Steuererklärung für das Jahr 2009 wurde noch nicht gefertigt. Die Fälschung der Rechnungsbelege stellt lediglich eine Vorbereitungshandlung für eine Steuerhinterziehung dar.
996
Û
Hinweis: § 371 AO gewährt Straffreiheit nur für eine schon vollendete oder wenigstens versuchte Steuerhinterziehung. Mit der Anzeige der beabsichtigten Selbstanzeige sichert sich der Anzeigende nicht vor Bestrafung in der Zukunft.
c) Identifizierung des Täters 997
In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob auch die Person des Täters bereits entdeckt sein muss. Der BGH hat diese Frage im Urteil vom 13.5.19835 verneint, da das Gesetz bereits dem Wortlaut nach auf die Tat abstelle. Dietz6 hat sich dem BGH angeschlossen. Andere setzen die Kenntnis vom Täter dann nicht voraus, wenn der Täterkreis von vornherein bestimmt werden kann, z.B. der für die Buchhaltung verantwortliche Mitarbeiter eines Unternehmens.7 Dörn8 differenziert zwischen persönlichen und betrieblichen Steuern. Im ersten Fall sei die Kenntnis vom Täter erforderlich, mithin ein Dritter, der in Wahrheit die Tat begangen habe, noch wirksam Selbstanzeige erstatten könne. Bei der 1 2 3 4 5 6 7 8
Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 831 ff. 1 StR 577/09, wistra 2010, 304. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 191.2, 206. Vgl. hierzu auch Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 206 im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs Tat bei Schwarzgeldkonten im Ausland. 3 StR 82/83, wistra 1983, 197. In Leise/Dietz/Cratz, Rz. 39. Suhr, Steuerstrafrechtkommentar 1977 S. 364. wistra 1998, 175 f.; zust. Burhoff, PStR 1999, 173.
240
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Verkürzung betrieblicher Steuern stünde einer Entdeckung der Tat nicht entgegen, dass der Täter noch nicht bekannt sei, da insoweit die Tathandlung und der Verkürzungserfolg feststehe und auch ein vorsätzliches Verhalten des (wahren) Täters nicht auszuschließen sei. Nach Joecks1 soll es ausreichen, wenn der Täterkreis durch bestimmte Merkmale bestimmbar werden kann, die ihn von anderen Personen hinreichend unterscheiden. Joecks greift auf die Rechtsprechung2 und Literatur zu § 78c StGB zurück. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine einschränkende Auslegung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO geboten. Zu fordern ist das Erkennen des konkreten Täters.3 Die Person des möglichen Täters muss also identifiziert und nicht nur an Hand konkreter Merkmale identifizierbar sein.
998
Beispiel: Die Mutter M der Steuerpflichtigen S hat Kapitalvermögen auf einem Konto in Österreich angelegt. M verwaltet das Vermögen treuhänderisch für S. Die Steuerfahndung hegt lediglich gegen M den Verdacht, die Zinseinnahmen aus dem im Ausland belegenen Kapitalvermögen nicht versteuert zu haben. S erstattet Selbstanzeige. Die Steuerhinterziehung der S war noch nicht entdeckt, die Selbstanzeige der S mithin nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gesperrt.
999
d) Person des Entdeckers § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO macht über die Person des Entdeckers keine Angaben. In Betracht kommt als Tatentdecker jedermann, der nicht selbst Täter oder Beteiligter ist, also Amtsträger einer Behörde, aber auch Privatpersonen.
1000
Als taugliche Tatentdecker kommen in erster Linie Amtsträger der Finanzbehörde in Betracht. Der Begriff der Finanzbehörde ist in § 6 Abs. 2 AO legaldefiniert. Der Amtsträger kann insbesondere der Veranlagungsstelle als auch der Steuer- oder Zollfahndung angehören.
1001
Auch Dritte, d.h. Amtsträger einer sonstigen Behörde und Privatpersonen, kommen als Tatentdecker in Betracht.
1002
aa) Entdeckung durch Amtsträger sonstiger Behörden Welcher Behörde der Amtsträger angehört, ist für die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO unerheblich. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Behörde dem Legalitätsgrundsatz nach § 152 Abs. 2 StPO unter-
1 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 191. 2 BGH, Beschl. v. 16.3.1972 – 4 StR 55/72, BGHSt 24, 323. 3 Brenner, DStZ 1984, 478, 479; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 210; Dörn, wistra 1993, 169, 170; Baur, BB 1983, 498, 500; vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.3.1993 – 5 StR 77/93, wistra 1993, 227.
241
1003
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
worfen ist oder zu den in § 116 AO1 genannten anzeigepflichtigen Stellen gehört. Dem Legalitätsgrundsatz unterworfen sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei. 1004
Zweifelhaft ist, ob man aus dem Umstand, dass etwa ein Familienrichter als anzeigepflichtige Stelle nach § 116 AO, der im Rahmen des Streites über die Höhe des Zugewinnausgleichs von Schwarzgeldern erfährt und untätig bleibt, schließen kann, die Tat sei schon entdeckt. Da die Sperrwirkung voraussetzt, dass damit zu rechnen ist, dass der Tatentdecker seine Kenntnis an die zuständige Behörde weiterleitet2, muss die Frage vorliegend negiert werden.
1005
Auch wenn der Staatsanwalt nicht zuständig ist für die Entgegennahme einer strafbefreienden Selbstanzeige, kann er Tatentdecker sein.3 Für die Frage, ob eine Verurteilung wahrscheinlich ist, kommt es nicht darauf an, wie die Kenntnis der Fakten erlangt worden ist.
1006
Auch ausländische Behörden und Institutionen können Entdecker einer Steuerhinterziehung sein. Von einer Tatentdeckung i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist nur dann auszugehen, wenn eine selbständige Übermittlung der aufgefundenen Beweismittel an die deutsche Justiz wahrscheinlich ist.4 Speziell für die Fälle internationaler Rechtshilfe ist nach Ansicht des BGH5 mit einer Weiterleitung der Kenntnis an die zuständige Behörde nicht erst zu dem Zeitpunkt zu rechnen, in dem sich die ausländischen Behörden nach der Auffindung von Beweismitteln zur Bewilligung von Rechtshilfe entschließen. Sie könne vielmehr schon mit der Auffindung der Unterlagen selbst zusammenfallen. Dies hänge jedoch von den Umständen des Falles, insbes. von der Wahrscheinlichkeit der Rechtshilfegewährung ab und sei vom Tatrichter zu prüfen.
1007
Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat in der Zeit vom 31.3.1977 bis zum 15.2.1984 falsche Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen abgegeben. Die Schweizer Polizei hat auf Grund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts K am 16.4.1984 bei der Firma C in Basel Kontoauszüge, Rechnungskopien und andere Unterlagen über die Geschäftsbeziehungen dieser Firma zum S beschlagnahmt. S erstattet am 18.4.1984 eine Selbstanzeige beim Finanzamt T, in der er die unrichtige Verbuchung privater Feingoldeinkäufe für die Jahre 1981 und 1982 einräumt. Bei der Prüfung des Ausschlussgrundes des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO kann man nicht allein auf das Auffinden der Unterlagen in Basel abstellen. Eine Tatent-
1 Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 107. 2 BGH, Urt. v. 13.5.1987 – 3 StR 37/87, wistra 1987, 293. 3 Vogelberg in Wannemacher, Rz. 2361; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 195; a.A. Streck/Olgemöller, DStR 1994, 966. 4 Jäger in Klein § 371 Rz. 66; Franzen, Anm. zum Urt. des BGH v. 13.5.1987 – 3 StR 137/87, wistra 1987, 342; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 194; Blumers/Göggerle, Rz. 454; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 219. 5 BGH, Urt. v. 12.8.1987 – 3 StR 10/87, BGHSt 35, 36, 38; BGH, Urt. v. 13.5.1987 – 3 StR 37/87, wistra 1987, 293.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige deckung ist erst gegeben, wenn bereits durch die Kenntnis von der Tat eine Lage geschaffen wird, nach der bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich ist. Vorliegend kommt es darauf an, ob damit zu rechnen ist, dass die Justizbehörden in der Schweiz die Unterlagen an die zuständige Behörde in Deutschland weiterreichen. Sollte sich die Wahrscheinlichkeit der Rechtshilfegewährung erst nach der Selbstanzeige ergeben, so ist eine Strafbefreiung möglich.
bb) Entdeckung durch Privatpersonen Auch Privatpersonen können Tatentdecker sein.1 Nach dem Urteil des BGH v. 13.5.19872 ist die Tatentdeckung durch einen Dritten nur dann relevant, wenn „bereits durch die Kenntnis der Person von der Tat eine Lage geschaffen wird, nach der bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich ist.“ Mithin kommt es entscheidend darauf an, ob damit zu rechnen ist, dass der Dritte seine Kenntnis an die zuständigen Behörden weiterreicht.3 Es muss also eine konkrete Aufdeckungsgefahr bestehen.
1008
Die Wahrscheinlichkeit fehlt, soweit der Dritte im persönlichen Lager des Steuerpflichtigen steht. Nicht zum Kreis der tauglichen Tatentdecker gehören Vertrauenspersonen sowie Bevollmächtigte.
1009
Bei Vertrauenspersonen, wie z.B. Familienangehörigen4 ist nicht damit zu rechnen, dass sie die Tat zur Verfolgung bringen. Als Entdecker i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO scheiden im Regelfall auch Tatbeteiligte5, seien es Mittäter, Anstifter oder Gehilfen, aus; diese bilden auf Grund der gemeinsamen Interessen mit dem Steuerpflichtigen eine Schicksalsgemeinschaft. Ebenso macht die Offenbarung jahrelanger Steuerverfehlungen gegenüber dem eigenen Anwalt oder Mitgesellschaftern diese nicht notwendig zu tauglichen Tatentdeckern.6
1010
1 BGH, Urt. v. 13.5.1987 – 3 StR 37/87, wistra 1987, 293, 295; BGH, Urt. v. 27.4.1988 – 3 StR 55/88, wistra 1988, 308, 309; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 193. 2 3 StR 37/87, wistra 1987, 293, 295. 3 BGH, Urt. v. 27.4.1988 – 3 StR 55/88, wistra 1988, 308; BGH, Urt. v. 13.5.1987– 3 StR 37/87, NStZ 1987, 464 = wistra 1987, 293 m. Anm. Franzen, wistra 1987, 341; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 193; Scheuermann-Kettner in Koch/Scholtz, Rz. 34/1; Franzen in Franzen/Gast/Samson, 3. Aufl., § 371 Rz. 125 bezweifelt, dass eine zufällige Aufdeckung einer Steuerhinterziehung eine Strafverfolgung in Gang setzt, da Steuerstraftaten im Allgemeinen keine gefühlsmäßige Empörung auslösen. 4 OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974, 976; BayObLG, Urt. v. 4.6.1970 – RReg. 4 St 23/70, GA 1971, 341. 5 BGH, Urt. v. 13.5.1987 – 3 StR 37/87, wistra 1987, 293; BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 3 StR 465/87, wistra 1988, 151; BGH, Urt. v. 27.4.1988 – 3 StR 55/88, wistra 1988, 308. 6 BGH, Beschl. v. 6.6.1990 – 3 StR 183/90, wistra 1990, 308.
243
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
1011
Entschließt sich die Vertrauensperson nach Wegfall der Vertrauensgrundlage zu einem späteren Zeitpunkt zur Erstattung einer Selbstanzeige, beruht die Gefahr der Verfolgung dann nicht mehr auf der Entdeckung, sondern auf persönlichen Motiven, die rechtlich irrelevant sind. Diese Sinnesänderung hat für den Täter nicht den Verlust des Selbstanzeigerechts zur Folge.1
1012
Beispiel: Der Unternehmer U stellt für die Buchhaltung und die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen zum 1.1.2009 den Buchhalter B ein. Dieser stellt fest, dass in den Jahren 2006 bis 2008 regelmäßig unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben wurden. B unterrichtet U hierüber und versichert ihm, Stillschweigen zu bewahren. Am 28.2.2010 kündigt U dem B fristlos ohne Angaben von Gründen. B ist über die Ungerechtigkeit derart verärgert, dass er dem U mitteilt, ihn beim Finanzamt wegen der Steuerhinterziehung der Jahre 2006 bis 2008 anzuzeigen. U erstattet beim Finanzamt eine Selbstanzeige. Die Tat des U ist noch nicht entdeckt, die Selbstanzeige mithin nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gesperrt. Die Entdeckung der Tat beruht nicht auf den in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO aufgeführten Tatsachen.
1013
Bevollmächtigte, die in ihrer Funktion als Steuerberater oder Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit bzw. zur Wahrnehmung der Interessen des Steuerpflichtigen (z.B. zur Abgabe einer Selbstanzeige) verpflichtet sind, zählen nicht zum Kreis der tauglichen Tatentdecker. Nichts anderes gilt für den Fall, dass ein Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern den Auftrag zur Berichtigung der unrichtigen Angaben erteilt. Ein Bevollmächtigter, so der BGH im Urteil vom 27.4.19882, scheidet als Tatentdecker aus. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Steuerpflichtige die Selbstanzeige nicht persönlich erstatten muss, sondern sie auch von Dritten, die er vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt hat, erstatten lassen kann.
1014
Insofern wird die Kenntnis Dritter von der Tat ausnahmsweise nur dann zur Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO führen, wenn aufgrund persönlicher Feindschaft, Rache oder ähnlicher Motivation mit einer Weitergabe der Informationen an die Finanzbehörde zu rechnen ist.3 e) „Kenntnis“ um die Tatentdeckung bzw. „Rechnen müssen“ mit der Tatentdeckung
1015
Die Selbstanzeige ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO nur gesperrt, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Selbstanzeige die nach objektiven Kriterien zu bestimmende Entdeckung positiv kannte oder mit ihr gerechnet hat.
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 218; Rüping in HHSp. § 371 Rz. 189; Franzen, NJW 1964, 1061, 1063. 2 3 StR 55/88, wistra 1988, 308. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 193.
244
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
aa) Kenntnis von der Tatentdeckung Der Steuerpflichtige hat positive Kenntnis, wenn er aus den ihm bekann- 1016 ten Tatsachen nachweislich den Schluss gezogen hat, dass die Behörde von der Tat die für die Entdeckung hinreichende Kenntnis hat.1 Unerheblich ist es, ob diese Kenntnis auf eigener Wahrnehmung oder auf Informationen von dritter Seite beruht.2 Es ist lediglich auf die Kenntnis abzustellen. Die irrtümliche Annahme, die Tat sei entdeckt, schließt die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige nicht aus. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, der eine objektive Tatentdeckung voraussetzt.3
1017
Dem Steuerpflichtigen muss die positive Kenntnis nachgewiesen werden. Nur ausnahmsweise wird es möglich sein, vom objektiven Tatbestand auf den subjektiven zu schließen, nämlich dann, wenn die besondere Ausgestaltung des objektiven Tatbestandes einen anderen Schluss nicht zulässt.4 Auch hier gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Zweifel, ob eine Tatentdeckung vorlag und ob der Täter diese kannte oder hätte kennen müssen, wirken sich zugunsten des Selbstanzeigenden aus.5
1018
Beispiel für eine missglückte Selbstanzeige: Nachdem der Bundesnachrichtendienst im Jahre 2006/2007 steuerlich und steuerstrafrechtlich relevante Daten auf einer CD von einem ehemaligen Angestellten einer liechtensteinischen Bank gekauft hat, erstattet ein Steuerbürger eine Selbstanzeige mit folgendem Wortlaut: „Die L…-Bank hat mir mitgeteilt, dass auf Grund einer internen Rasterung feststeht, dass ich einer der Steuerpflichtigen bin, die auf der CD sind, die der BND angekauft hat. …“ Damit hat der Steuerpflichtige zu erkennen gegeben, dass er Kenntnis um die Tatentdeckung hatte.
1019
bb) Rechnen-Müssen mit der Tatentdeckung Der Kenntnis der Tatentdeckung steht es gleich, wenn der Täter „bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste“, dass die Tat entdeckt war.
1020
(1) Bestimmung des Begriffs „Rechnen müssen“ Mit der Entdeckung rechnen müssen bedeutet, dass der Täter aus den ihm nachweislich bekannten Umständen bei verständiger Würdigung
1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 232; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 197. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 197; Dumke in Schwarz, Rz. 118. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 234; Blumers/Göggerle, Rz. 455. 4 Blumers, wistra 1985, 85, 88. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 201; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 233; Blumers, wistra 1985, 85, 88; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Rz. 40; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 118.
245
1021
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
den Schluss hätte ziehen können und bei entsprechender Bereitschaft und Wissensanspannung das Wissen hätte haben können, dass eine Behörde von seiner Steuerhinterziehung erfahren hatte.1 1022
Bei der Selbstanzeige handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, weshalb auf den individuellen Maßstab abzustellen ist und nicht auf den eines unbeteiligten Dritten. Entscheidend ist demnach, ob der Täter aufgrund seiner persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit in der konkreten Situation in der Lage war, die Tatentdeckung zu erkennen.2
1023
Der BGH hat im Urteil vom 13.5.19833 zur Ausschlusswirkung ausgeführt, dass der Steuerpflichtige von der Tatentdeckung weiß, sobald er aus den ihm bekannten Tatsachen schließt, dass ein Amtsträger von seiner Steuerhinterziehung so viel erfahren hat, dass bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung durch das Strafgericht wahrscheinlich ist. Unerheblich ist, ob die Kenntnis auf eigener Wahrnehmung oder auf Informationen von dritter Seite beruht. Seine Kenntnis muss dem Steuerpflichtigen nachgewiesen werden.
1024
Für die Fälle der Entdeckung auf Grund einer angekauften Bankdaten-CD gilt unter Berücksichtigung des Urteils des BGH vom 13.5.1983 Folgendes: Der Berichterstattung der Medien, die die Steuerpflichtigen zur Kenntnis nehmen konnten, war in den sog. Liechtenstein-Fällen weder der Name der Steuerpflichtigen noch der Name der betroffenen Stiftungen zu entnehmen. Auch in den Fällen der Schweizer Bankdaten-CDs war den Presseberichten kein gesicherter Sachverhalt zu entnehmen. So wurden keine Details zur Übergabe der CDs, zu ihrem Inhalt und zu dem Umfang der Verfahren bekannt. Ohne das Veröffentlichen dieser Details war es den Steuerpflichtigen nicht möglich, Kenntnis davon zu nehmen, ob sie auf der Bankdaten-CD benannt sind und zu dem entdeckten Personenkreis gehören.
1025
Soweit die Steuerpflichtigen auf Grund der Medienberichterstattung ihre Bank gefragt haben, erschöpften sich die Informationen darin, dass nicht bekannt sei, welche Daten entwendet wurden.
1026
Û
Hinweis: In Einzelfällen wurde den Steuerpflichtigen von der LGTBank mitgeteilt, welche Daten sich auf der Daten-CD befanden. Auf diese Kenntnis zielen auch die Fragen der Ermittlungsbehörden in den Fällen der Selbstanzeigen in Folge der im Jahre 2010 bekannt ge-
1 von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 198. 2 BayObLG, Urt. v. 24.2.1972 – RReg. 4 St 135/71, BB 1972, 524; BayObLG, Beschl. v. 1.12.1980 – 4 St 241/80, DB 1981, 777; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 199; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 121; a.A. Suhr, Rz. 477, der auf das Verständnis eines durchschnittlichen Steuerpflichtigen abstellt. 3 3 StR 82/83, wistra 1983, 197.
246
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
wordenen Bankdaten-CDs. In den Fragebögen zur Kapitalanlage in der Schweiz wurden die Steuerpflichtigen u.a. gefragt, ob sie von den Bankmitarbeitern darauf hingewiesen wurden, dass Kontodaten von Kunden abhanden gekommen sind und ob zu einer Selbstanzeige geraten wurde. (2) Widerlegbare Beweisregel Bei dem vom Gesetzgeber eingefügten Tatbestandsmerkmal „rechnen müssen“ handelt es sich um eine widerlegbare gesetzliche Beweisregel zuungunsten des Täters. Diese bedeutet für die Strafverfolgungsbehörden eine Beweiserleichterung für die Fälle, in denen der Täter die Kenntnis von der Tatentdeckung bestreitet.1 Es muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass der Täter die die Tatentdeckung kennzeichnenden Tatumstände positiv gekannt hat.
1027
Im Ergebnis bedeutet dies, dass nicht der Täter den Beweis führen muss, von der Tatentdeckung nichts gewusst zu haben. Vielmehr muss die Kenntnis des Täters von den einzelnen die Tatentdeckung begleitenden Tatumständen zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Der Nachweis der vom Täter bestrittenen Kenntnis wird dadurch ersetzt, dass der Strafrichter dem Täter einzelne bestimmte und zwingende Umstände nachzuweisen vermag.
1028
Auch hinsichtlich des Rechnen-Müssens mit der Tatentdeckung gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Bleibt zweifelhaft, ob der Täter von der Tatentdeckung Kenntnis gehabt haben konnte, wirkt sich dies zu Gunsten des Selbstanzeigenden aus.2
1029
f) Umfang der Sperrwirkung aa) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung Eine Sperre für die Straffreiheit tritt durch die Entdeckung der Tat nur hinsichtlich der Tat ein, von der der Täter weiß oder wissen muss, dass sie teilweise oder vollständig aufgedeckt ist. Der Begriff der Steuerstraftat ist ebenso wie bei § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO zu verstehen.3 Die Frage der Tatentdeckung ist entsprechend § 371 Abs. 2 Nr. 1b und c AO für jede einzelne Tat bzw. jeden Einzelkomplex nach der Steuerart und dem Besteuerungszeitraum zu beurteilen.
1 BayObLG, Urt. v. 24.2.1972 – RReg. 4 St 135/71, MDR 1972, 802; Dietz in Leise/ Dietz/Cratz, Rz. 40; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 198; Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 119; Westpfahl, S. 40; Pfaff, FR 1972, 415; Maaßen, FR 1954, 293, 295. 2 Blumers, wistra 1985, 85; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Rz. 40; Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, § 371 Rz. 201. 3 S. Rz. 831 ff.
247
1030
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
1031
Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist noch möglich, soweit der Amtsträger der Behörde bzw. der Dritte lediglich Vorbereitungshandlungen der Steuerhinterziehung aufdeckt. Diese sind strafrechtlich irrelevant; sie begründen nicht die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung wegen einer Steuerstraftat.1
1032
Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung wegen einer Steuerstraftat ist nur bei vorsätzlichem Handeln begründet. Ein fahrlässiges oder leichtfertiges Verhalten begründet lediglich die Ahndung wegen einer Steuerordnungswidrigkeit i.S.d. §§ 378 ff. AO. Stellt der Amtsträger der Behörde bzw. ein Dritter lediglich Tatumstände fest, die nur für ein fahrlässiges bzw. leichtfertiges Verhalten sprechen, sperrt dies nicht die strafbefreiende Selbstanzeige wegen einer vorsätzlichen Steuerstraftat.2
1033
Hat der Täter mehrere Steuerhinterziehungen begangen, die zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehen, wird nur die entdeckte Tat von der Sperrwirkung erfasst.3
1034
Beispiel: Der Unternehmer U hat diverse Mitarbeiter im Jahre 2007 nicht lohnversteuert. Der Betriebsprüfer stellt diesen Sachverhalt bei einer Lohnsteueraußenprüfung für das Jahr 2007 fest. U erstattet daraufhin eine Selbstanzeige wegen nicht erklärter Umsätze seines Geschäftsbetriebes im Jahr 2007. Die Selbstanzeige des U ist wirksam, auch wenn die nicht erklärten Umsätze den Zeitraum der Lohnsteuerprüfung betreffen.
1035
Soweit ein Allgemeindelikt wie z.B. ein Urkundsdelikt entdeckt wird, ist dieser Umstand nicht geeignet, eine Selbstanzeige für die Steuerhinterziehung zu sperren. bb) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung
1036
Der persönliche Umfang der Sperrwirkung erfasst diejenigen Täter oder Teilnehmer, denen nachgewiesen wird, dass sie mit der Entdeckung der Tat zumindest rechnen mussten. Die Person des Täters bzw. des Teilnehmers muss nach dem Wahrscheinlichkeitsurteil zumindest identifizierbar sein. Nur für diese Person ist damit die strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen. cc) Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung
1037
Nach der Regelung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO in der Fassung vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz war die Selbstanzeige bezüglich der entdeckten selbständigen Taten bzw. Tatkomplexe nur getrennt nach Steueroder Einkunftsart und Besteuerungszeiträumen entdeckt. Im Übrigen war eine Selbstanzeige noch möglich. 1 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 242. 2 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 243. 3 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 244.
248
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Nachdem der Gesetzgeber mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in § 371 Abs. 1 AO normiert, dass nur wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die Selbstanzeige erstattet, wegen dieser Steuerstraftaten nicht bestraft wird, mithin die sog. Teilselbstanzeige ausschließt, führt die Tatentdeckung nach der hier vertretenen Ansicht zur Sperrwirkung für alle strafrechtlich nicht verjährten Besteuerungszeiträume (Infektionstheorie).1
1038
Nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sperrt auch die Teilentdeckung eine Selbstanzeige. Ist eine Steuerverkürzung in einem Steuerjahr teilweise entdeckt worden, ist die Selbstanzeige für die Steuerart für alle nicht strafrechtlich verjährten Veranlagungszeiträume ausgeschlossen.
1039
g) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit Ergibt sich die Sperrwirkung aus einer Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, lebt die Selbstanzeigemöglichkeit wieder auf, wenn das in Folge des Tatverdachts eingeleitete Steuerstrafverfahren abgeschlossen ist, ohne dass die Ermittlungsbehörde eine schuldhafte Steuerverkürzung entdeckt hat.
1040
Ein Wiederaufleben der Berichtigungsmöglichkeit ist auch dann denkbar, 1041 wenn der hinreichende Tatverdacht entkräftet worden ist, bevor die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b oder 1c AO herbeigeführt worden ist.2 Fraglich ist jedoch, auf welchen Zeitpunkt dann abzustellen ist. Eine Beurteilung ist nur im Einzelfall möglich. Die Selbstanzeigemöglichkeit lebt auf jeden Fall dann wieder auf, wenn der Steuerpflichtige von der Ermittlungsbehörde darüber informiert wird, dass der hinreichende Tatverdacht sogleich wieder entkräftet worden ist.3 Auf die strafrechtliche Verjährung abzustellen4 erscheint wenig sinnvoll, da Sinn der Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung darstellt, mit der strafrechtlichen Verjährung aber ein Verfolgungshindernis gegeben ist. Joecks5 denkt auch an eine Analogie zu § 171 Abs. 4 S. 2, 3 AO und will die Selbstanzeigemöglichkeit wieder aufleben lassen, wenn dem Täter nicht binnen sechs Monaten nach Kenntnis von der Tatentdeckung die Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben worden ist. Dabei soll dieser Zeitraum selbstredend nicht zwingend sein. Stahl6 schließt sich dieser abgabenrechtlich hergeleiteten Lösung im Hinblick auf den fiskalischen Zweck des § 371 AO an.
1 2 3 4 5 6
A.A. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 249.1. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 195, 202. Rüping in HHSp. § 371 Rz. 199. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 209. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 209. In Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 345.
249
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
6. Sperrwirkung bei Steuerverkürzung ab 50 000 Euro je Tat a) Einführung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 1042
Nachdem die Selbstanzeige im Jahre 2010 nach einer Flut von Selbstanzeigen nach dem Ankauf von Bankdaten deutscher Kunden bei der Credit Suisse in die Kritik geraten ist, hat der Bundestag am 17.3.2011 das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz1 verabschiedet. Die Sperrgründe in § 371 Abs. 2 AO, die eine strafbefreiende Selbstanzeige ausschließen, wurden erweitert.
1043
Das vom Bundestag am 17.3.2011 verabschiedete Schwarzgeldbekämpfungsgesetz beruht auf dem Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes der Bundesregierung vom 8.12.2010. Dieser Entwurf wurde von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP am 14.12.2010 als Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht.2 Dieser Entwurf sah in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO folgende Regelung vor: „Straffreiheit tritt nicht ein, wenn die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ihrerseits unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 370 Absatz 1 Nummer 1 enthält und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.“ Diese vorgesehene Regelung beinhaltete eine überflüssige Bestätigung des bereits in § 371 Abs. 1 AO vorgesehenen Verbots der Teilselbstanzeige. Den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, warum diese in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO vorgesehene Regelung gestrichen wurde. Ein Grund mag darin zu sehen sein, dass der Gesetzgeber § 371 Abs. 1 AO gegenüber dem Entwurf vom 8.12.2010 neu gefasst hat. Im Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 8.12.2010 hatte sich der Gesetzgeber für das Verbot der Teilselbstanzeige darauf beschränkt, auf die umstrittene Formulierung „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO zu verzichten. Die Auslegung des Wortes „insoweit“ war mit dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010 heftig umstritten. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat am 16.3.20113 die Empfehlung einer Änderung der Formulierung in Absatz 1 ausgesprochen, die vom Bundestag am 17.3.2011 angenommen wurde. Das Gesetz wurde am 28.4.2011 ausgefertigt4 und findet Anwendung auf Selbstanzeigen, die nach dem 2.5.2011 bei der Finanzverwaltung eingegangen sind.
1044
Anders als die Empfehlung der Ausschüsse zum JStG 20105 und die Forderung des Bundesrates6 wurde der Zuschlag nicht auf alle Selbstanzeigen erhoben.
1 2 3 4 5 6
BT-Drucks. 17/5067 i.V.m. BT-Drucks. 17/4182. BT-Drucks. 17/4182. BT-Drucks. 17/5067. BGBl. 2011 I 676. BR-Drucks. 318/1/10. BT-Drucks. 17/4802, Anlage 3 S. 1.
250
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat, nachdem sich die Finanzpolitiker der Koalition am 25.2.20111 in einer abschließenden Beratung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz auf die Einführung eines Zuschlages für Steuerhinterzieher verständigt haben, auch auf die Empfehlung einer Neufassung von § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO verständigt. Die Einführung eines Zuschlages für Steuerhinterzieher bei Inanspruchnahme einer strafbefreienden Selbstanzeige wurde als Strafzuschlag diskutiert. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz zum Zustimmungsgesetz wird. Daher hat der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 16.3.2011 folgende Änderungen vorgeschlagen, die vom Bundestag am 17.3.2011 verabschiedet wurden:
1045
1. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO wurde wie folgt geändert: „Straffreiheit tritt nicht ein, wenn die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50 000 Euro je Tat übersteigt.“
1046
2. § 398a AO wird eingefügt: „Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen
1047
In Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 50 000 Euro übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3), wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist
1048
1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und 2. einen Geldbetrag in Höhe von fünf Prozent der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.“ Mit dem Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zur Einführung einer Zuschlagszahlung kommt er der Forderung des Bundesrates nach.2
1049
Der Bundestagsabgeordnete Kolbe führte in der Sitzung des Bundestages vom 17.3.2011 wie folgt aus:3 „Rechtstechnisch wird die Zusatzzahlung wie folgt ausgestaltet. Für eine Steuerverkürzung mit einem Hinterziehungsvolumen von über 50 000 Euro je Steuerart und Veranlagungszeitraum wird künftig nach einer Selbstanzeige allein nicht mehr die Rechtsfolge Straffreiheit eintreten. Vielmehr wird nach dem neuen § 398a Abgabenordnung, der § 153a Strafprozessordnung nachempfunden ist, nur noch dann von der Strafverfolgung absehen, wenn neben der Entrichtung von Steuern und Hinterziehungszinsen eine Zahlung in Höhe von 5 Prozent der jeweiligen verkürzten Steuern zugunsten der Staats-
1050
1 Pressemitteilung der Bundestagsfraktion CDU/CSU v. 25.2.2011: Flosbach/Kolbe: Zuschlag für Steuerhinterzieher kommt. 2 BT-Drucks. 17/4802, Anlage 3 S. 1. 3 Kolbe, Plenarprotokoll der 96. Sitzung der 17. Wahlperiode, S. 10954.
251
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
kasse erfolgt. Wir fassen also die schweren Steuerhinterzieher deutlich härter an als bisher.“ b) Überblick über die Voraussetzungen aa) Überschreiten des Betrages von 50 000 Euro je Tat 1051
Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wird erstmals eine Betragsgrenze gesetzlich geregelt, die festlegt, bis zu welchem Hinterziehungsbetrag je Tat Straffreiheit eintritt. Beträgt der Hinterziehungsbetrag je Tat höchstens 50 000 Euro, begründet § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO einen Strafausschließungsgrund. In den darüber hinaus gehenden Fällen ist die Selbstanzeige zunächst gesperrt.1
1052
Bei der Festlegung der Betragshöhe orientierte sich der Finanzausschuss an der Rechtsprechung des BGH zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung im großen Ausmaß vom 2.12.2008.2 Der Bundestagsabgeordnete Kolbe führte in der Sitzung vom 17.3.2011 wie folgt aus:3 „Wir haben deshalb gestern im Finanzausschuss vorgeschlagen, dass bei Steuerhinterziehungen über 50 000 Euro pro Tat, dass heißt pro Steuerart und Veranlagungszeitraum, eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 5 Prozent auf den Hinterziehungsbetrag erstmalig eingeführt wird. Die Betragshöhe von 50 000 Euro knüpft an die Rechtsprechung des BGH zu dem Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 1 Abgabenordnung an, wo das Merkmal des „großen Ausmaßes“ bei 50 000 Euro hinterzogener Steuer als erfüllt angesehen wird.“ Der Gesetzgeber hat hierbei übersehen, dass der BGH in seinem Urteil vom 2.12.2008 bei der Bestimmung des großen Ausmaßes zwischen tatsächlich entstandenen Steuerschäden (Grenze bei 50 000 Euro) und bloßen Gefährdungsschäden (Grenze bei 100 000 Euro) unterschieden hat.4 bb) Materielle Tat als Bezugspunkt
1053
§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO stellt auf die jeweilige Tat ab und nicht auf die unverjährten Steuerstraftaten wie § 371 Abs. 1 AO. Gemeint ist damit die Tat im materiellen Sinne5, so dass nach Steuerart und Veranlagungszeitraum zu unterscheiden ist.
1054
Die verkürzten Steuerbeträge mehrerer Jahre und Steuerarten werden nicht addiert. Steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AO bleiben bei der Berechnung unberücksichtigt.
1 2 3 4 5
Obenhaus, Stbg 2011, 166, 174. 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71. Plenarprotokoll 17/96, 10054 A. Erb/Schmitt, PStR 2011, 144. Hunsmann, NJW 2011, 1486; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 249.4.
252
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Probleme ergeben sich bei der Bestimmung der Rechtsfolge, wenn der Betrag von 50 000 Euro überschritten wird. Mit Hunsmann1 muss man den Betrag in Höhe von 50 000 Euro als „Freigrenze“ und nicht als „Freibetrag“ verstehen.2 Wird der Betrag von 50 000 Euro überschritten, unterfällt die gesamte Steuerstraftat der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO. Das Verfahren für diese Steuerstraftat richtet sich nach § 398a AO. Für die übrigen angezeigten Steuerstraftaten tritt Straffreiheit ein, wenn die Steuer innerhalb der Frist nach § 371 Abs. 3 AO entrichtet wird. Erb/ Schmitt3 dagegen vertreten die Ansicht, dass die Strafbefreiung im Ganzen zu versagen ist.
1055
Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat im Jahre 2007 Einkommensteuer in Höhe von 52 000 Euro und im Jahre 2008 in Höhe von 25 000 Euro hinterzogen.
1056
Die Selbstanzeige für Einkommensteuer 2007 ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO gesperrt, nicht so die Selbstanzeige für Einkommensteuer 2008. Für die Einkommensteuer 2007 greift § 398a AO ein. Der Ausschluss der Teilselbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO führt nach der hier vertretenen Ansicht nicht dazu, dass in Folge der Anwendung von § 398a AO auf die Einkommensteuer 2007 die Selbstanzeige für die Einkommensteuer 2008 gesperrt ist.
c) Absehen von Strafverfolgung Nach dem im Unterabschnitt „Ermittlungsverfahren“ neu eingefügten § 398a AO wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nicht nur die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet, sondern darüber hinaus einen Geldbetrag in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuer zu Gunsten der Staatskasse zahlt.
1057
aa) Allgemeines § 398a AO statuiert als Voraussetzungen zum einen die Entrichtung der hinterzogenen Steuern (Nr. 1) sowie die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuern zu Gunsten der Staatskasse (Nr. 2) innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist ohne Beteiligung des Gerichts.
1058
Für die Bestimmung der angemessenen Frist wird auf die Ausführungen zur Bestimmung der Frist bei der Nachzahlungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO verwiesen.4
1059
Bezugspunkt für das Absehen von Strafverfolgung ist die hinterzogene Steuer ohne die steuerlichen Nebenleistungen nach § 3 Abs. 4 AO. Der Zuschlag ist nur auf die einzelne Tat im materiellen Sinn zu erheben, die
1060
1 2 3 4
Hunsmann, NJW 2011, 1486. So auch Erb/Schmitt, PStR 2011, 144; Schauf in Kohlmann, § 398a Rz. 6. Erb/Schmitt, PStR 2011, 144. Vgl. Rz. 545.
253
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
die Freigrenze von 50 000 Euro überschreitet, nicht auch auf die anderen Taten. Anders als bei der Zinspflicht nach § 233a AO und § 235 AO, bei denen die Zinsen jährlich neu anfallen, ist der Zuschlag einmalig. 1061
Offeriert § 153a StPO als Auflage auch die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung, macht § 398a AO das Absehen von Strafverfolgung von einer Zahlung des Zuschlags zu Gunsten der Staatskasse abhängig.
1062
§ 398a AO räumt anders als § 153a StPO den Strafverfolgungsbehörden kein Ermessen bei der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung ein.1
1063
Û
Hinweis: Im Hinblick auf den Zuschlag in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuern gewinnt die Abgrenzung zwischen der Berichtigungserklärung nach § 153 AO und der Selbstanzeige nach § 371 AO an Bedeutung.
bb) Eigenständige Selbstanzeige des Teilnehmers 1064
§ 371 Abs. 3 AO offeriert die Straffreiheit für einen an der Tat Beteiligten, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet. Soweit der Wortlaut des § 398a AO bei mehreren Tätern die Zahlung des Zuschlags eines jeden Täters nicht ausschließt, muss zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Wortlaut einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass der Zuschlag pro Tat insgesamt nur einmal entrichtet wird. Der Wortlaut des Gesetzes besagt, dass die Form der Tatbeteiligung für die Nachzahlungsverpflichtung unerheblich ist und sowohl Alleintäter oder Mittäter als auch Teilnehmer (Gehilfen oder Anstifter), die nicht selbst Steuerschuldner sind, aber den vollen finanziellen Vorteil aus ihrer Tat ziehen, als Verpflichtete in Betracht kommen.2
1065
§ 398a AO verpflichtet nach seinem Wortlaut den Täter zur Zahlung der hinterzogenen Steuer als auch des Zuschlages. § 398a AO verhindert, dass beim Teilnehmer von der Strafverfolgung abgesehen wird. Mit Obenhaus muss man davon ausgehen, dass es sich um ein Versehen des Gesetzgebers handelt. Der Wortlaut des Gesetzes lässt jedoch eine Auslegung nicht dergestalt zu, dass § 398a AO den Teilnehmer erfasst, so dass grundsätzlich der Gesetzgeber gefordert ist, § 398a AO zu ändern. Obenhaus bietet unter Verweisung auf § 267 BGB als Lösung an, dass der selbstanzeigende Teilnehmer die Zahlung höchst vorsorglich namens des Täters leistet.3 Auch Hunsmann4 will über den Wortlaut des § 398a AO die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den Täter beschränken.
1 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281, 285. 2 S. amtl. Begr. zum EAO 1974, BT Drucks. Vl/1982, 195; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 89; von Briel/Ehlscheid, § 2 Rz. 101. 3 Stbg 2011, 175. 4 NJW 2011, 1487.
254
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
§ 398a AO verpflichtet den Täter zur Zahlung des Zuschlags nur, wenn er die Steuern zu seinen Gunsten hinterzogen hat. Hat der Täter die Steuern zugunsten eines Dritten hinterzogen, z.B. zugunsten des von ihm vertretenen Unternehmens, wird er bereits durch die Selbstanzeige frei.1
1066
cc) Rechtsnatur und Rechtscharakter Obenhaus2 wirft die Frage auf, wer die in 398a AO angeführte Frist zu 1067 setzen hat. Er geht von einer Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft aus. Er begründet diese Verfahrensherrschaft mit der Gesetzesbegründung, in der es heißt, dass § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden ist.3 Außerdem verweist er auf die Einordnung im Unterabschnitt „Ermittlungsverfahren“. Beide Argumente sind nicht schlüssig. § 398 AO normiert die Einstellung wegen Geringfügigkeit und führt explizit die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft an, obwohl § 398 AO wie § 398a AO in dem Unterabschnitt „Ermittlungsverfahren“ angeführt ist. In § 398a AO fehlt dieser Bezug. § 153a StPO ist über § 385 AO anwendbar, so dass auch die Finanzbehörde § 153a StPO anwenden darf. In § 399 Abs. 1 AO ist angeführt, dass die Finanzbehörde die Rechte und Pflichten wahrnimmt, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen, soweit sie das Ermittlungsverfahren nach § 386 Abs. 2 AO selbständig durchführt. Mithin darf die Finanzbehörde wie in § 371 Abs. 3 AO auch die in § 398a AO angeführte Frist bestimmen.4 Unklar ist auch, ob von der Strafverfolgung nach § 398a AO wie in § 153a StPO in zwei Stufen abgesehen wird, d.h. ob in der ersten Stufe eine vorläufige Einstellung des Verfahrens erfolgt und nach Zahlung der genannten Beträge in der zweiten Stufe die endgültige Einstellung des Verfahrens erfolgt. Die Praktikabilität hat sich bei § 153a StPO erwiesen und liegt daher nahe.
1068
Der Rechtscharakter von § 398a AO ist unklar. So stellt sich die Frage, ob es sich bei § 398a AO ebenso wie bei § 153a StPO um ein Verfahrenshindernis handelt5, d.h. mit der Zahlung des Zuschlags Strafklageverbrauch eintritt.6 Die Formulierung in § 398a AO spricht dafür. Die Einstellung nach § 398a AO stellt ein Verfahrenshindernis nur soweit dar, wie die Ermittlungen erfolgt sind. Erb/Schmitt7 stellen auf Gerechtigkeitserwägungen ab und sprechen sich gegen die Annahme des Strafklageverbrauchs aus.
1069
1 2 3 4 5 6 7
Erb/Schmitt, PStR 2011, 144. Stbg 2011, 174. BT-Drucks. 17/5067, S. 22. So auch FM NRW im Schreiben v. 5.5.2011 – S 0702 – 8 – V A 1. Kritisch Hunsmann, NJW 2011, 1487. Mack, Stbg 2011, 165. PStR 2011, 147. So auch FM NRW im Schreiben v. 5.5.2011 – S 0702 – 8 – V A 1.
255
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
dd) Verfassungsmäßigkeit 1070
Soweit der Gesetzgeber über den Kunstgriff der Sonderregelung des § 398a AO eine Zuschlagsregelung über Hinterziehungsbeträge über 50 000 Euro trifft, werden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.1
V. Folgen der Selbstanzeige 1071
In materiell-rechtlicher Hinsicht erwirkt der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung Straffreiheit, soweit die Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt werden. Die Selbstanzeige stellt einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar, schützt jedoch nicht vor Ermittlungen durch die Steuerfahndungsbehörde. 1. Einleitung eines Steuerstrafverfahrens a) Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach erfolgter Selbstanzeige
1072
Die Selbstanzeige bietet keinen Schutz vor Ermittlungen der Finanzbehörde. Nach Nr. 132 Abs. 1 S. 1 AStBV sind der Buß- und Strafsachenstelle Selbstanzeigen i.S.v. § 371 AO und § 378 Abs. 3 AO zuzuleiten. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle prüft, ob die Angaben für eine wirksame Selbstanzeige ausreichen und ob dem Täter ggf. Gelegenheit zu geben ist, die Angaben zu vervollständigen (Nr. 11 Abs. 2 S. 1 AStBV). Nur wenn der Sachverhalt weiter aufklärungsbedürftig ist, hat die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Ermittlungen aufzunehmen (Nr. 11 Abs. 2 S. 2 AStBV). Auf Grund dieser Umstände leiten die Finanzbehörden regelmäßig nach Eingang einer Selbstanzeige ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, allein um deren Wirksamkeit zu überprüfen.2 Nach der Entscheidung des LG Hamburg3 ist die Finanzverwaltung sogar verpflichtet, bei Eingang einer Selbstanzeige ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Begründet wird dies mit dem Legalitätsprinzip4, welches in § 152 Abs. 2 StPO normiert ist. Nach dem Legalitätsprinzip besteht im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG Verfolgungszwang gegen jeden Verdächtigen.5 Außerdem wird zur Begründung angeführt, dass nicht sicher sei, ob auch die verkürzte Steuer fristgerecht gezahlt werde, denn die Strafbarkeit entfällt erst mit Zahlung (§ 371 Abs. 3 AO).
1 Mack, Stbg 2011, 165; Rüping, DStR 2010, 1771; Beckemper/Schmitz/Wegner/ Wulf, wistra 2011, 281, 285. 2 Nr. 11 Abs. 1 S. 1 AStBV; Göggerle/Neufang, INF 1991, 21, 22; Hild/Hild, Im Fadenkreuz der Steuerfahnder, S. 20; Zur Problematik bei einer sog. Stufen-Selbstanzeige vgl. Burkhard, PStR 2001, 46. 3 LG Hamburg, Urt. 18.6.1986 – 117/86, wistra 1988, 120, 122. 4 Nr. 26 AStBV. 5 BVerfG, Beschl. v. 23.7.1982 – 2 BvR 8/82, NStZ 1982, 430.
256
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Gegen die Überprüfung der Richtigkeit der Angaben in der Selbstanzeige sind keine Einwendungen zu erheben, jedoch gegen die routinemäßige Einleitung des Steuerstrafverfahrens nach erfolgter Selbstanzeige. Die Praxis der Finanzbehörden widerspricht der steuer- als auch kriminalpolitischen Zielsetzung des Gesetzgebers.1 Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens ist dem Zweck der Erschließung derjenigen Steuerquellen, die infolge der Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen verborgen blieben, kontraproduktiv, da der Steuerpflichtige, der feststellt, dass er anfänglich zu niedrige Beträge in der Berichtigungserklärung angegeben hat, keine weitere Berichtigung vornehmen wird, da er ohnehin keine Straffreiheit mehr für die in der Berichtigungserklärung nicht erfassten Beträge erlangen kann.
1073
Mit der Einleitung des Steuerstrafverfahrens wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer Berichtigung der Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung genommen. Da die Straffreiheit nur für den in der Berichtigungserklärung mitgeteilten Umfang gewährt wird2, ist es erforderlich, dass der steuerliche Berater bei der sog. Stufen-Selbstanzeige einen Sicherheitszuschlag auf die vom Steuerpflichtigen angegeben Zahlen macht. Dies ist solange ungefährlich, wie bei der sog. Stufen-Selbstanzeige eine zeitnahe Präzisierung der im Berichtigungsschreiben gemachten Zahlen erfolgt. Andernfalls wird die Finanzbehörde die in der Berichtigungserklärung gemachten Angaben inklusive dem Sicherheitszuschlag als Bemessungsgrundlage für die Steuerbescheide nehmen.
1074
Steht die Wirksamkeit der Selbstanzeige zweifelsfrei fest und hat der Steuerpflichtige die Nachzahlung mit Abgabe der Selbstanzeige entrichtet, ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens von vornherein ausgeschlossen.
1075
Muster einer Mitteilung über die Einleitung eines Strafverfahrens:
1076
Überprüfung der Einnahmen aus Kapitalvermögen von Herrn … Ihr Schreiben vom 8.2.2010 Einleitung eines Strafverfahrens Sehr geehrter Herr Müller, mit o.a. Schreiben wurde dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen des Herrn … für die Jahre 1999 bis 2008 nicht bzw. nicht vollständig erklärt wurden. Dieses Schreiben wurde zuständigkeitshalber an die Bußgeld- und StrafsachensteIle des Finanzamtes Mainz-Süd weitergeleitet, die mit der Durchführung der erforderlichen Ermittlungen die Steuerfahndungsstelle Mainz-Süd beauftragt hat. 1 Vgl. Rz. 258. 2 BGH, Beschl. v. 13.10.1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27.
257
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
Die Überprüfung Ihrer Angaben muss verfahrensrechtlich in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Verkürzung von Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2008 erfolgen. Daher wurde gegen Herrn … am 26.2.2010 durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Mainz-Süd nach § 397 der Abgabenordnung das Strafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, dass er dem Finanzamt MainzSüd gegenüber vorsätzlich handelnd über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt hat. Er hat in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2008 die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht bzw. nicht in vollständiger Höhe angegeben. Hierdurch wurde die Einkommensteuer von 2004 bis 2008 in noch zu ermittelnder Höhe verkürzt. Vergehen strafbar nach: §§ 369 Abs. 1 Nr. 1, 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 AO §§ 2, 20, 23 EStG §§ 15, 25, 53 StGB Belehrung nach § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Strafprozessordnung (StPO) Es steht Herrn … frei, sich zur Beschleunigung des Verfahrens bereits jetzt schriftlich zur Sache und zum Schuldvorwurf zu äußern. Hierbei kann Herr … sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Vertreter der steuerberatenden Berufe beraten und vertreten lassen. Ich weise darauf hin, dass Herr … nach dem Gesetz nicht verpflichtet ist, Angaben zur Sache zu machen. Hiervon unberührt bleibt jedoch seine Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren. Allerdings sind insoweit Zwangsmittel nicht mehr zulässig. Die genaue Höhe der Einkünfte haben Sie bislang nicht oder nur geschätzt mitgeteilt. Ihr Schreiben stellt somit eine unvollständige Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abgabenordnung (AO) dar. Die gewollte Folge der Straffreiheit kann nur eintreten, wenn und soweit Sie die bisher unvollständigen bzw. unterlassenen Angaben der angezeigten Jahre vollständig ergänzen bzw. nachholen. Weitere Voraussetzung der Straffreiheit ist die Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer in angemessener Frist. Soweit eine wirksame Selbstanzeige vorliegt, wird das gegen Herrn … eingeleitete Strafverfahren eingestellt und er bleibt insoweit straffrei. Aufgrund des o.g. Schreibens sind auch die von Herrn … bisher erklärten Einnahmen aus Kapitalvermögen für die Kalenderjahre 1999 bis 2003 zu prüfen (§ 208 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 169 Abs. 2 S. 2 AO). In diesem steuerlichen Ermittlungsverfahren besteht kein Aussageverweigerungsrecht nach der StPO. Insoweit weise ich Sie auf die Mitwirkungspflichten des Herrn … nach der Abgabenordnung (AO) hin (§§ 90, 93, 208 Abs. 1 S. 2, 200 AO). Die Verletzung oder Versagung seiner Mitwirkungspflichten werden unweigerlich 258
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
dazu führen, dass ich von der Möglichkeit der Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328 AO, der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO oder der Einholung von Auskünften bei Dritten nach § 93 AO Gebrauch machen werde. Zur weiteren Prüfung in den o.g. Verfahren bitte ich um Vorlage folgender Unterlagen: A. Für sämtliche inländischen Kreditinstitute, mit denen Geschäftsbeziehungen bestehen/bestanden: Erträgnisaufstellungen (z.B. Zins- und Dividendenbescheinigungen), Depotbestände zum 31.12. eines jeden Kalenderjahres, Kontostände (z.B. Sparbücher, Festgeldanlagen, laufendes Konto) zum 31.12. eines jeden Kalenderjahres. B. Für sämtliche ausländische Bankverbindungen (z.B. Luxemburg, Schweiz): Kontoauszüge (alternativ Aufstellung der Umsätze des ausländ. Kontos), Depotauszüge zum 31.12. eines Kalenderjahres, Belege über den Zahlungsund Vermögenstransfer in das und aus dem Ausland (Überweisungsbelege, Belege über Barein- und Barauszahlungen, Belege über Wertpapiereinlieferungen, Auftrag zur Depotübertragung), Erträgnisaufstellungen. C. Sollte Herr … innerhalb der letzten zehn Jahre im Besitz von Inhaberschuldverschreibungen (sog. Tafelpapieren) gewesen sein, bitte ich um folgende Angaben: – In welchem Zeitraum hatte Herr … Tafelpapiere? – Bitte geben Sie die Höhe der Tafelpapiere und der eingelösten Zinsen und Kupons an. D. Im Rahmen der Bearbeitung der Selbstanzeige ist auch eine Überprüfung der Herkunft der angelegten Geldmittel erforderlich. Ich bitte Sie daher darzulegen und durch entsprechende Nachweise zu belegen, aus welchen Einkunftsquellen das nunmehr nachgemeldete Kapitalvermögen herrührt. Ich bitte daher, die vorbezeichneten Aufstellungen/Unterlagen der Kreditinstitute für den Zeitraum 1999 bis 2008 bis spätestens 31.3.2010 nachzureichen. Sollten Sie eine persönliche Vorsprache an Amtsstelle wünschen, bitte ich vorab telefonisch einen Termin mit dem o.a. Bearbeiter zu vereinbaren. E. Darüber hinaus bitte ich Herrn …, auch im Hinblick auf die angestrebte Straffreiheit, bis zum … unter Angabe der Steuernummer eine a Conto Zahlung in Höhe von 120 000 Euro auf die zu erwartende Steuernachzahlung zu leisten.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
b) Verfahrenseinstellung bzw. Freispruch 1077
Sobald die Voraussetzungen des § 371 AO festgestellt sind, – muss die Finanzbehörde bzw. die Staatsanwaltschaft das eingeleitete Ermittlungsverfahren nach §§ 385 AO, 170 Abs. 2 StPO einstellen, – hat das Gericht im Zwischenverfahren die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 204 StPO abzulehnen, – muss das Gericht im Hauptverfahren den Steuerpflichtigen nach § 267 Abs. 5 StPO freisprechen. c) Nichtahndung der Steuerhinterziehung
1078
Die Selbstanzeige führt, soweit die Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt sind, zur Straffreiheit, d.h. die nach § 370 AO angedrohten Strafen sowie die strafrechtlichen Nebenfolgen dürfen nicht verhängt werden. Dagegen führt eine Teilselbstanzeige nicht länger zur Straffreiheit.1 Wird die nachzuentrichtende Steuer nur teilweise gezahlt, führt die Zahlung nur in Bezug auf den entrichteten Betrag zur Straffreiheit; in Höhe des Differenzbetrages ist die in § 370 AO angeführte Strafandrohung umzusetzen.2 Eine verunglückte Selbstanzeige führt allerdings zur Strafmilderung.3 Eine geringfügige Abweichung von der Bemessungsgrundlage soll dennoch zur Straffreiheit führen.4
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Û
Hinweis: Von der strafbefreienden Wirkung des § 371 AO ausgeschlossen sind die im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung tateinheitlich (§ 52 StGB) oder tatmehrheitlich (§ 53 StGB) begangenen nichtsteuerlichen Straftaten, wie z.B. Urkundenfälschung, Untreue, Betrug. Bei einer Verurteilung wegen dieser Delikte darf die Steuerhinterziehung weder bei der Strafzumessung berücksichtigt, noch im Urteilstenor erwähnt werden.5 Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, inwiefern Verwertungsverbote eingreifen.
1080
Û
Hinweis: Die Selbstanzeige wirkt auch nicht in Bezug auf sonstige Steuerstraftaten wie z.B. Begünstigung, Bannbruch, Steuerzeichenfälschung und schwerer Schmuggel strafbefreiend.6
1 2 3 4
BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 216. OLG Köln, Urt. v. 7.6.1957 – Ss 40/57, ZfZ 1958, 87. OLG Köln, Urt. v. 28.8.1980 – 1 Ss 574/79, Stbg 1981, 197; OLG FFM, Urt. v. 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974. 5 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 211. 6 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 252.
260
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
d) Ahndungsrückgriff auf subsidiäre Steuerordnungswidrigkeiten Mit der wirksamen Selbstanzeige erlangt der Steuerpflichtige Straffreiheit. Es stellt sich jedoch die Frage, ob im Falle einer wirksamen Selbstanzeige eine zunächst zurückgetretene Steuerordnungswidrigkeit nach §§ 379 bis 382 AO wieder auflebt oder deren Ahndbarkeit für immer ausgeschlossen bleibt.1
1081
aa) Rückgriff auf § 379 AO Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, durch eine wirksame Selbstanzeige auch Bußgeldfreiheit bei der Steuergefährdung zu erlangen, mit dem 2. AO-StrafÄndG2 seit dem 12.8.1968 abgeschafft. Seitdem stellt sich die Frage der Ahndbarkeit. Teilweise wird ein Rückgriff auf § 379 AO für möglich gehalten.3 Anderseits wird eine Ahndung der Tat als Steuergefährdung nach erfolgter Selbstanzeige als ausgeschlossen betrachtet.4
1082
Die Auffassung der Finanzverwaltung ist im BMF-Schreiben vom 29.7.1981 – IV A 8– S 0711 -3/81 – wiedergegeben. Demnach soll eine Steuergefährdung grundsätzlich nicht verfolgt werden, wenn der Täter hinsichtlich einer damit zusammenhängenden Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung Straf- bzw. Bußgeldfreiheit erlangt hat. Für den Bereich der Zollverwaltung gilt gem. Nr. 5 der sog. Leitlinien für das Bußgeldverfahren 19855 im Wesentlichen das Gleiche. Von einer bußgeldrechtlichen Verfolgung der Steuerordnungswidrigkeit ist i.d.R. abzusehen.
1083
Das BVerfG hat im Beschluss vom 11.7.19976 festgestellt, dass es grund- 1084 sätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass eine Vorschrift über tätige Reue in § 379 AO fehle. Damit bleiben die Ordnungswidrigkeitentatbestände formal anwendbar. Allerdings soll es im Verfolgungsermessen (§ 47 OWiG) der Finanzbehörden gestellt bleiben, ob und bei welchem Schweregrad die Ordnungswidrigkeit geahndet bzw. nicht geahndet wird. Eine solche Ermessensentscheidung werde dann Art. 3 GG gerecht, wenn sie nicht schematisch von dem Stadium der Tat zur Zeit der Selbstanzeige abhängig gemacht werde, sondern auf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles beruhe. Im Sinne der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist es geboten, dass der Gesetzgeber eine Vorschrift über die tätige Reue in § 379 AO einfügt.
1 Zu dem Problem vgl. Bringewat, NJW 1981, 1025. 2 BGBl. 1968 I 953. 3 OLG Frankfurt, Urt. v. 8.11.1967 – 1 Ss 1134/66, NJW 1968, 263 ff.; Dörn, wistra 1995, 7 f. 4 Bornemann, DStR 1973, 691; Pfaff, DStZ 1982, 361, 365. 5 ZfZ 1987, 90. 6 2 BvR 997/92, wistra 1997, 297.
261
1085
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
bb) Rückgriff auf § 380 AO 1086
In der Literatur wird von Bringewat1 die Ansicht vertreten, dass die Anwendung des § 380 AO bei einer wirksamen Selbstanzeige ausgeschlossen sei. Zur Argumentation wird angeführt, dass die in § 380 AO normierte Gefährdung durch das rechtsgutverletzende Hinterziehungsgeschehen aufgezehrt werde, wenn in Folge einer Selbstanzeige Straf- und Bußgeldfreiheit wegen Steuerverkürzung eintrete. Abgestellt wird auf den fiskalischen Zweck des § 371 AO und auf den Charakter des § 380 AO als Gefährdungstatbestand.
1087
Das BayOblG gelangte dagegen in seinem Urteil vom 3.3.19802 zu dem Ergebnis, dass auf den subsidiären Bußgeldtatbestand der Gefährdung von Abzugsteuern zurückgegriffen werden kann, wenn die Steuerhinterziehung infolge einer wirksamen Selbstanzeige nicht geahndet werden könne. Diese Ansicht entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung.3 2. Folgen im Besteuerungsverfahren
1088
Die wirksam erstattete Selbstanzeige führt zwar zur Straffreiheit, schließt aber weder die Geltendmachung von Steueransprüchen und Haftungsansprüchen, noch von steuerlichen Nebenleistungen aus. a) Verlängerung der Festsetzungsfrist
1089
Der Anspruch des Staates aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) erlischt, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, d.h. die Finanzbehörde darf den Steuerbescheid nicht mehr ändern oder erlassen, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
1090
Die AO unterscheidet zwischen Zahlungsverjährung (§§ 228 bis 232 AO), Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO) und Feststellungsverjährung (§ 181 AO). Im Rahmen der Selbstanzeigeberatung ist die Festsetzungsverjährung von großer Bedeutung. aa) Gegenstand der Festsetzungsverjährung
1091
Gegenstand der Festsetzungsverjährung sind alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 AO. Dem Wortlaut nach betrifft § 169 AO nur Festsetzungsbescheide, durch die Steuern und Steuervergütungen festgesetzt werden. Die §§ 169 ff. AO finden aber auch Anwendung auf Bescheide, auf die die Vorschriften über die Steuerfestsetzung sinngemäß
1 NJW 1981, 1025. 2 RReg. 4 St 266/79, NJW 1981, 1055. 3 OLG Celle, Beschl. v. 31.1.1975 – 2 Ss (OWi) 343/74, MDR 1975, 598; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.11.1967 – 1 Ss 1134/66, NJW 1968, 263.
262
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Anwendung finden, wie z.B. Feststellungsbescheide (§ 181 Abs. 1 S. 1 AO), Steuermessbescheide (§ 184 Abs. 1 S. 3 AO) und Haftungsbescheide (§ 191 Abs. 3 S. 1 AO). Für steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) gelten die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung gem. § 1 Abs. 3 S. 2 AO sinngemäß, soweit dies besonders bestimmt ist. Dies ist der Fall für Zinsen (§ 239 AO). Die Festsetzungsfrist für die Zinsen beträgt gem. § 239 Abs. 1 S. 1 AO nur ein Jahr.
1092
Die Anwendbarkeit der §§ 169 ff. AO auf die Kirchensteuer richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften.
1093
bb) Dauer der Festsetzungsfrist Die regelmäßige Festsetzungsverjährung beträgt bei Zöllen und Verbrauchsteuern ein Jahr (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO), für andere Steuern als für Zölle, Verbrauchsteuern, Zollvergütungen und Verbrauchsteuervergütungen vier Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). In den Fällen der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO beträgt die Festsetzungsverjährungsfrist allgemein (d.h. auch bei Zöllen und Verbrauchsteuern) fünf Jahre und verlängert sich in den Fällen der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nach § 370 AO auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Der Anspruch auf Festsetzung von Zinsen verjährt nach einem Jahr (§ 239 Abs. 1 S. 1 AO). Die Selbstanzeige eines Steuerpflichtigen hat keinen Einfluss auf den Lauf der verlängerten Festsetzungsfrist.
1094
cc) Wahrung der Festsetzungsfrist Grundsätzlich wird ein Steuerbescheid erst mit der Bekanntgabe an den Adressaten wirksam (§§ 122, 124 Abs. 1 AO). Abweichend von diesem Grundsatz bestimmt § 169 Abs. 1 S. 3 AO, dass die Festsetzungsfrist bereits gewahrt ist, wenn der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder bei öffentlicher Zustellung der Steuerbescheid oder eine Benachrichtigung vor Ablauf der Frist nach § 15 VwZG ausgehändigt wird.
1095
dd) Beginn der Festsetzungsfrist Der Beginn der Festsetzungsfrist ist in § 170 AO geregelt. § 170 Abs. 1 AO normiert den Grundsatz des regelmäßigen Beginns der Festsetzungsfrist, § 170 Abs. 2 bis 6 AO beschreiben die Fälle der sog. Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist.
1096
Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist regelmäßig mit Ablauf des Kalenderjahres, indem die Steuer entstanden ist (§ 38 AO) oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 50 Abs. 3 AO). Nach § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, so-
1097
263
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
bald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. § 38 AO verweist auf die Einzelsteuergesetze. Beispiele sind § 36 Abs. 1 EStG, § 44 Abs. 1 Nr. 2–4 EStG (für Kapitalertragsteuer), § 30 KStG, § 18 GewStG, § 13 Abs. 1 UStG, § 9 Abs. 2 GrStG. Nach § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer regelmäßig mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. 1098
Ist eine Steuererklärung einzureichen, normiert § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO abweichend von § 170 Abs. 1 AO, dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde. Werden die Steuererklärungen nach vier Jahren oder noch später eingereicht, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, also drei Jahre nach dem Veranlagungszeitraum.
1099
Die in § 170 Abs. 5 AO getroffenen Sonderregelungen für die Erbschaftund Schenkungsteuer knüpfen an den nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO festzustellenden Beginn der Festsetzungsfrist an. Für den Fall der Erbschaft beginnt die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt, für den Fall der Schenkung beginnt die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat.
1100
Beispiel: Frau M verstirbt im Januar 1997. Erbe ist ihr Sohn S. Der Nachlass von M umfasst ausschließlich Geldvermögen auf einem Konto in Luxemburg. Eine Erbschaftsteuererklärung gibt S nicht ab. Die Zinseinnahmen in den Jahren ab 1997 wurden von S nicht versteuert, weshalb er im Jahre 2010 eine Selbstanzeige erstattet hat. Die Festsetzungsfrist für das nicht erklärte Erbschaftsvermögen beginnt am 1.1.2001 (§ 170 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AO), die Verjährung tritt am 31.12.2010 ein.
ee) Ablaufhemmung bei Ermittlung der Steuerfahndung 1101
Nach § 171 Abs. 5 AO läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, wenn die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen beginnen, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird auch gehemmt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.
1102
Ermittlungen der Bußgeld- und StrafsachensteIle des Finanzamts stellen keine Ermittlungen der mit „der Steuerfahndung betrauten Dienststellen
264
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
der Landesfinanzbehörden“ i.S. des § 171 Abs. 5 S. 1 AO dar und führen daher nicht zur Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift.1 Wurde die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts bestimmter, in der Einleitungsverfügung ausdrücklich genannter Steuerstraftaten dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, dann ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 S. 2 AO nur für diejenigen Steueransprüche gehemmt, wegen deren vermeintlicher Verletzung das Strafverfahren tatsächlich eingeleitet und die Einleitung dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wurde.2
1103
Der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der Ablaufhemmung, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wird, kann durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden.3
1104
Die Ermittlungen müssen ernsthaft aufgenommen worden sein. Scheinhandlungen vermögen nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen.
1105
Die Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn die Ermittlungen des Fahndungsdienstes unmittelbar nach ihrem Beginn länger als sechs Monate unterbrochen worden sind (§ 171 Abs. 5 S. 1 2. HS i.V.m. Abs. 4 S. 2).4
1106
ff) Ablaufhemmung bei Erstattung einer Anzeige Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzei- 1107 ge nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (§ 171 Abs. 9 AO). § 171 Abs. 9 AO gewährt der Finanzbehörde Zeit, um Berichtigungen auszuwerten. Die gewährte Frist von einem Jahr erscheint in Anbetracht der Informationen, die der Steuerpflichtige für eine Berichtigung vorlegen muss, angemessen.5
1108
Die Aufzählung der Anzeigen in § 171 Abs. 9 AO ist abschließend. Anzeigen nach §§ 137 ff. AO oder nach §§ 30, 33, 34 ErbStG scheiden aus.6
1109
Die Jahresfrist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Berichtigungserklärung bei der zuständigen Finanzbehörde eingeht.
1110
1 2 3 4 5 6
BFH, Urt. v. 8.7.2009 – VIII R 5/07, wistra 2010, 73. BFH, Urt. v. 8.7.2009 – VIII R 5/07, wistra 2010, 73. BFH, Urt. v. 8.7.2009 – VIII R 5/07, wistra 2010, 73. Ruban in HHSp., § 171 Rz. 73. Kruse in Tipke/Kruse, § 171 Rz. 84. Kruse in Tipke/Kruse, § 171 Rz. 84.
265
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
1111
Û
1112
Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO beginnt, wenn die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann, der Steuerpflichtige also Steuerart und Veranlagungszeitraum benennt und den Sachverhalt so schildert, dass der Gegenstand der Selbstanzeige erkennbar wird. Ergeht der Einkommensteuerbescheid innerhalb der Frist des § 171 Abs. 9 AO, kann das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid, soweit § 35 GewStG greift, auch nach Ablauf der Frist des § 171 Abs. 9 AO ändern (§ 171 Abs. 10 AO). Die Ablaufhemmung i.S.v. § 171 Abs. 9 AO kann jedenfalls auch aufgrund einer „Selbstanzeige“ eintreten, welche die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige (noch) nicht erfüllt.1
Hinweis: Der Fristablauf nach § 171 Abs. 9 AO schließt die Hemmung aus anderen Gründen nicht aus. Der Finanzbehörde ist es aber nicht möglich, nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist weitere Sachverhalte zu ermitteln oder eine Außenprüfung zu beginnen, um hierdurch eine weitere Ablaufhemmung zu erreichen.
b) Verzinsung von Steuernachforderungen – Vollverzinsung Literatur: Müller, Selbstanzeige – Berücksichtigung freiwilliger Steuerzahlungen bei der Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO, INF 2002, 555; Müller, Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO, SteuerStud 2003, 192.
1113
Die Verzinsung nach § 233a AO spielt im steuerstrafrechtlichen Verfahren eine ebenso gewichtige Rolle wie die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO.2 Die Finanzbehörden setzen die nachzuentrichtenden Steuern auf Grundlage der in der Selbstanzeige angeführten präzisierten Angaben neu fest und erlassen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO einen geänderten Steuerbescheid. Zugleich setzen die Finanzbehörden regelmäßig mit den geänderten Steuerbescheiden die Zinsen nach § 233a AO fest (§ 233a Abs. 4 AO). Die Zinsen werden im automatisierten Verfahren berechnet, festgesetzt und zum Soll gestellt. aa) Sachlicher Anwendungsbereich
1114
Gem. § 233 S. 1 AO erfolgt eine Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nur, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist.
1115
Die Vollverzinsung ist beschränkt auf die sog. Veranlagungssteuern, bei denen regelmäßig ein längerer Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuerschuld und dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheids liegt. Der Vollverzinsung unterliegen nach § 233a Abs. 1 S. 1 AO Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Nach
1 BFH, Urt. v. 21.4.2010 – X R 1/08, BFH/NV 2010, 1517. 2 Der BFH hat im Urt. v. 20.4.2011 – I R 80/10, die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung bestätigt.
266
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
§ 233a Abs. 6 AO gilt die Vollverzinsung auch im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs. Von der Verzinsung ausgenommen sind Steuervorauszahlungen und Steu- 1116 erabzugsbeträge (§ 233a Abs. 1 S. 2 AO; z.B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer), Steuervergütungen (z.B. Vergütung von Körperschaftsteuer nach §§ 36b bis 36e EStG, Vergütung der Vorsteuer nach §§ 59 ff. UStDV), Zuschlagsteuern zur Einkommensteuer (z.B. Solidaritätszuschlag), Zölle, Verkehr- und Verbrauchsteuern, steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 3 AO gem. § 233 S. 2 AO (Verspätungszuschläge i.S.v. § 152 AO, Zinsen i.S.v. §§ 233 bis 237 AO, Säumniszuschläge i.S.v. § 240 AO, Zwangsgelder i.S.v. § 329 AO, Kosten i.S.v. §§ 178, 337 bis 345 AO) und Haftungsschulden. bb) Beginn des Zinslaufs Gemäß § 233a Abs. 2 S. 1 AO beginnt der Zinslauf nicht mit der Entstehung des Steuer- oder Erstattungsanspruchs, sondern im Regelfall 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (Karenzfrist). Die Karenzfrist endet mit dem letzten Tag des 15. Monats der Karenzzeit. § 108 Abs. 3 AO ist nicht anwendbar. Die Karenzzeit verlängert sich nicht, wenn ihr Ende auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt.
1117
Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ist für die einzelne Steuerart unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich entstehen nach § 38 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.
1118
Einen vom Regelfall abweichenden späteren Zinslaufbeginn enthält § 233a Abs. 2a und 7 AO für die steuerlichen Auswirkungen eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) oder eines Verlustrücktrages (§ 10d EStG). Hier beginnt der Zinslauf insoweit erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
1119
(1) Beginn des Zinslaufs bei Ertragsteuern Im Falle der Ertragsteuern (Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer) entsteht die Steuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes (§§ 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG; §§ 7 Abs. 3, 48c KStG; §§ 14 Abs. 2 S. 2, 18 GewStG), d.h. mit Ablauf des 31.12. eines jeden Kalenderjahres. Der Zinslauf beginnt somit regelmäßig mit dem 1.4. des übernächsten Jahres nach der Entstehung des Steueranspruchs.
1120
Beispiel: Der Anspruch auf die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 01 entsteht am 31.12.01, der Zinslauf beginnt am 1.4.03.
1121
267
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
(2) Beginn des Zinslaufs bei Umsatzsteuer 1122
Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums (§ 13 Abs. 1 UStG). Der Zeitpunkt der Entstehung der Jahresumsatzsteuer ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Sie entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres, da sie zu diesem Zeitpunkt nach § 16 Abs. 1 und 2 UStG berechenbar ist.1 Die Verzinsung beginnt – wie bei den Ertragsteuern – am 1.4. des übernächsten Jahres. (3) Beginn des Zinslaufs bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft
1123
Eine Ausnahme normiert § 233a Abs. 2 S. 2 AO für den Fall, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die übrigen Einkunftsarten des § 2 EStG überwiegen. Die Karenzfrist beträgt 21 Monate. Sie ist im Hinblick auf das land- und forstwirtschaftliche Wirtschaftsjahr (§ 4a EStG i.V.m. § 8c EStDV; §§ 8, 49 KStG i.V.m. Abschnitt 27 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 KStR) konsequent. Der Zinslauf bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer beginnt am 1.10. des übernächsten Jahres. (4) Besonderheit in Erstattungsfällen
1124
In Erstattungsfällen beginnt der Zinslauf gem. § 233a Abs. 3 S. 3 2. HS, Abs. 5 S. 4 AO frühestens mit dem Tag der Zahlung durch den Steuerpflichtigen, nicht jedoch vor Ablauf der Karenzzeit2, d.h. der Ablauf der Karenzzeit ist für den Beginn der Verzinsung von Erstattungen nur in den Fällen von Bedeutung, in denen der Tag der Zahlung vor diesem Zeitpunkt liegt. In Erstattungsfällen kommt es vor Ablauf der Karenzfrist auch dann nicht zur Festsetzung von Erstattungszinsen, wenn der Steuerpflichtige die Zahlung zu einem früheren Zeitpunkt geleistet hat. cc) Ende des Zinslaufs
1125
Der Zinslauf endet für Steuererstattungen und Steuernachforderungen gleichermaßen mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 S. 3 AO). Die Begrenzung auf vier Jahre, wie sie in § 233a Abs. 2 S. 3 a.F. normiert war, gilt aus Gründen der Besteuerungsgerechtigkeit und zur Vereinfachung der Zinsberechnung nicht mehr.3
1126
Bei Steuerfestsetzungen durch Steuerbescheid wird die Steuerfestsetzung an dem Tag, an dem der Bescheid dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben
1 BFH, Urt. v. 9.5.1996 – V R 62/94, BStBl. 1996 II 662. 2 FG Hamburg, Urt. v. 16.9.1996 – III 186/95, EFG 1997, 453; BFH, Beschl. v. 23.6.1997 – VIII B 102/96, BFH/NV 1998, 40. 3 Loose in Tipke/Kruse, § 233a Rz. 28; BT-Drucks. 14/1514, S. 48.
268
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
wird, wirksam (§§ 124 Abs. 1 S. 1, 122 AO).1 Der Tag der Wirksamkeit der Steuerfestsetzung ist in den Zinslauf und damit in die Berechnung der Monatsfrist des § 238 Abs. 1 S. 2 AO einzubeziehen (AEAO zu § 233a Nr. 6). Gemäß § 122 Abs. 2 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, als bekannt gegeben am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post. § 108 Abs. 3 AO ist nicht anwendbar, so dass die Bekanntgabe des Steuerbescheids auch am Sonnabend, Sonntag oder Feiertag erfolgen kann. Da die Zinsen im automatisierten Verfahren regelmäßig mit den geänderten Steuerbescheiden erlassen werden (§ 233a Abs. 4 AO), bei der Festsetzung der Zinsen aber noch nicht feststeht, wann der Steuerbescheid tatsächlich dem Steuerpflichtigen zugeht, legt die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen vorab den Zeitpunkt der Aufgabe des Steuerbescheids zur Post fest und legt diesen der Zinsberechnung zugrunde.2 Geht der Bescheid dem Inhaltsadressaten tatsächlich früher zu, endet der Zinslauf entgegen dem Urteil des FG Düsseldorf3 nicht mit Ablauf des Tages, an dem der Steuerbescheid dem Betroffenen tatsächlich zugeht, sondern am dritten Tag nach Aufgabe zur Post.4 Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO ist nicht widerlegbar und greift auch dann ein, wenn der Steuerbescheid dem Adressaten nachweislich vor dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugegangen ist. Beispiel: Gibt die Finanzbehörde Steuerbescheide am 12.3.01 zur Post und gehen diese Steuerbescheide dem Steuerpflichtigen am 13.3.01 zu, endet der Zinslauf nicht bereits am 13.3.01, sondern gem. § 122 Abs. 2 AO am 15.3.01.
1127
Geht der Bescheid dem Steuerpflichtigen nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zu, ist die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO widerlegt. Der tatsächliche Zugang ist für das Ende des Zinslaufs maßgebend. Die Finanzbehörde muss bei Zweifeln über den Zugang diesen, bei Zweifeln über den Zeitpunkt den rechtzeitigen Zugang des Steuerbescheids nachweisen.5 Jedoch muss der Steuerpflichtige Umstände darlegen, aus denen auf die Möglichkeit geschlossen werden kann, dass der Steuerbescheid nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.6
1128
Bei Steueranmeldungen mit einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Finanzbehörde endet der Zinslauf am Tag des Eingangs der Steueranmeldung (§ 168 S. 1 AO; AEAO zu § 233a Nr. 5); bei zustimmungsbedürftigen Steuererklärungen mit einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen endet der Zinslauf grundsätzlich mit Ablauf des Tages, an
1129
1 2 3 4
Vgl. die Ausführungen zur Bekanntgabe nach § 122 AO unter Rz. 682 ff. Heuermann in HHSp., § 233a Rz. 43; Loose in Tipke/Kruse, § 233a Rz. 26, 27. Urt. v. 29.5.1998 – 18 K 585/96 AO, EFG 1998, 1561. BFH, Urt. v. 10.11.1966 – IV R 42/66, BStBl. 1967 III 234; BFH, Urt. v. 13.12.2000 – X R 96/98, BStBl. 2001 274. 5 Heuermann in HHSp., § 233a Rz. 45; Loose in Tipke/Kruse, § 233a Rz. 27. 6 Heuermann in HHSp., § 233a Rz. 45.
269
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
dem dem Steuerpflichtigen die Zustimmung der Finanzbehörde bekannt wird (§ 168 S. 2 AO).1 1130
Beispiel: Der Steuerpflichtige gibt seine USt-Erklärung für das Kalenderjahr 01 am 20.3.03 beim zuständigen Finanzamt ab. Der Steuerpflichtige hat in dieser Erklärung einen Erstattungsanspruch in Höhe von 20 452 Euro errechnet. Am 28.4.03 hat der zuständige Sachgebietsleiter des Finanzamts seine Zustimmung zur Steuerfestsetzung mit abschließender Zeichnung der Steuererklärung erteilt. Der Dateneingang im Rechenzentrum erfolgte am 5.5.03. Der Abrechnungsbescheid zur USt 01 vom 5.6.03 weist eine USt-Erstattung in Höhe von 20 452 Euro aus. Der Bescheid wird dem Steuerpflichtigen am 10.6.03 zugestellt. Lösung: Der Zinslauf endet am 10.6.03. An diesem Tag wurde dem Steuerpflichtigen die Zustimmung der Finanzbehörde i.S.v. § 168 S. 2 AO bekannt.
dd) Höhe und Berechnung der Zinsen 1131
Zinssatz und Zinsfestsetzung sind in §§ 238, 239 AO geregelt. Der Zinssatz beträgt gemäß § 238 Abs. 1 S. 1 AO 0,5 v.H. für jeden vollen Monat des Zinslaufs.2 Zinsen sind gemäß § 238 Abs. 1 S. 2 AO nur für volle Monate (nicht Kalendermonate) von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, zu zahlen. Angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Ein voller Zinsmonat ist erreicht, wenn der Tag, an dem der Zinslauf endet, hinsichtlich seiner Zahl dem Tag entspricht, der dem Tag vorhergeht, an dem die Frist beginnt.3 Fällt das Ende des Zinslaufs auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt für die Fälligkeit des geschuldeten Betrages gem. § 108 Abs. 3 AO anstelle dieses Tages der nächstfolgende Werktag. Für die Berechnung des Zinslaufs und bei Prüfung der Frage, ob ein voller Monat vorliegt, greift § 108 Abs. 3 AO nicht ein, so dass Sonntage, gesetzliche Feiertage und Sonnabende einzubeziehen sind. Maßgebend für das Zinsende ist § 233a Abs. 2 S. 3 AO.
1132
Die Steuerzinsen nach § 233a AO werden für jede Einzelforderung gesondert berechnet, d.h. bei der Zinsberechnung sind die einzelnen Ansprüche zu trennen, wenn Steuerart, Zeitraum oder der Tag des Beginns des Zinslaufs wegen unterschiedlicher Fälligkeit voneinander abweichen. Zu trennen sind demnach z.B. die Einkommensteuer 01 und die Umsatzsteuer 01 oder die Einkommensteuer 01 und die Einkommensteuer 02.
1133
Für ihre Berechnung wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 Abs. 2 AO). Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerun-
1 BFH, Urt. v. 9.5.1996 – V R 62/94, BStBl. 1996 II 662; FG Köln, Urt. v. 31.8.1994 – 3 K 635/93, EFG 1995, 153; FG Köln, Urt. 4.10.1994 – 1 K 1964/93, EFG 1995, 603. 2 Der BFH hat im Urt. v. 20.4.2011 – I R 80/10, die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung bestätigt. 3 BFH, Urt. v. 24.7.1996 – X R 119/92, BStBl. 1997 II 6.
270
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
det festzusetzen (§ 239 Abs. 2 S. 1 AO) und werden nur festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen (§ 239 Abs. 2 S. 2 AO). ee) Bemessungsgrundlage für den Zinsanspruch (1) Erstmalige Steuerfestsetzung Bei erstmaligen Steuerfestsetzungen richtet sich die Zinsberechnung nach § 233a Abs. 3 AO. Die Zinsberechnung beruht auf dem Prinzip der Soll-Verzinsung. Danach ist Bemessungsgrundlage für die Steuerzinsen der sog. Unterschiedsbetrag, d.h. die Differenz zwischen der festgesetzten Steuer abzüglich der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und der anzurechnenden Körperschaftsteuer und der festgesetzten Vorauszahlungen.
1134
(2) Unterschiedsbetrag bei Nachforderungszinsen (Grundsatz der Sollverzinsung) Bei Nachforderungszinsen erfolgt die Zinsberechnung gem. § 233a Abs. 3 S. 1 AO auf der Grundlage der festgesetzten, nicht der tatsächlich entrichteten Beträge (Prinzip der Sollverzinsung). Aus diesem Grund erfolgt ein Vergleich der festgesetzten Steuern mit den festgesetzten Vorauszahlungen. Ob dieses Vorauszahlungssoll tatsächlich entrichtet wurde, ist ohne Belang, denn insoweit treten die Zins- und Säumnisfolgen des bisher geltenden Rechts ein. Berücksichtigt werden dürfen nach Neufassung des § 233a Abs. 3 S. 1 AO nur die bis zum Beginn des Zinslaufs, also innerhalb der Karenzzeit festgesetzten Vorauszahlungen. Bis zur Neufassung des § 233a Abs. 3 S. 1 AO durch das Jahressteuergesetz 1997 hätten bis zum 31.12.1996 wegen des nicht eindeutigen Wortlauts auch Vorauszahlungen berücksichtigt werden müssen, die erst nach Beginn des Zinslaufs festgesetzt worden sind. Zur Vermeidung von Nachzahlungszinsen sind ggf. Anträge auf Anpassung (Erhöhung) von Vorauszahlungen, auf (Teil-) Änderungen von Steuerbescheiden zu stellen oder berichtigte Steueranmeldungen abzugeben.
1135
Beispiel: Der Einkommensteuerbescheid 01 wird am 10.1.04 zur Post gegeben und geht dem Steuerpflichtigen am 12.1.04 zu. Die Einkommensteuer wird auf 30 187 Euro festgesetzt. Die festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen betrugen 25 000 Euro. Der Unterschiedsbetrag beträgt 5187 Euro. Der Unterschiedsbetrag wird am 25.2.04 durch Banküberweisung beglichen. Die Steuerzinsen werden wie folgt berechnet:
1136
1) Die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 01 entsteht am 31.12.01 (§§ 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG), der Zinslauf beginnt am 1.4.03 (§ 233a Abs. 2 S. 1 AO). 2) Der Einkommensteuerbescheid für 01 vom 10.1.04 gilt am 13.1.04 als bekannt gegeben. Der Zinslauf endet entsprechend am 13.1.04. 3) Gem. § 238 Abs. 1 S. 2 AO sind Zinsen nur für volle Monate von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, zu zahlen, vorliegend also für 9 Monate. 4) Der Unterschiedsbetrag i.H.v. 5187 Euro wird für die Zinsberechnung gem. § 238 Abs. 2 AO auf 5150 Euro abgerundet.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO 5) Wegen der Verzinsung zu 0,5 v.H. errechnen sich Nachzahlungszinsen i.H.v. 231,75 Euro. Diese werden gem. § 239 Abs. 2 S. 1 AO auf 231 Euro abgerundet. 6) Wegen der nicht fristgerechten Zahlung fallen Säumniszuschläge nach § 240 AO an.
(3) Unterschiedsbetrag in Erstattungsfällen (Ist-Verzinsung) 1137
Ergibt sich bei der Steuerfestsetzung ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, ist dieser grundsätzlich der Zinsberechnung zugrunde zu legen. In Erstattungsfällen erfolgt die Zinsberechnung gem. § 233a Abs. 3 S. 3 AO nach dem Prinzip der Ist-Verzinsung. Die Höhe des Erstattungsbetrages ergibt sich aus der Differenz zwischen dem festgesetzten Steuerbetrag und den tatsächlich gezahlten Beträgen. Der Anspruch auf Erstattungszinsen entsteht i.S.d. § 38 AO mit Bekanntgabe des der Zinsfestsetzung zu Grunde liegenden Steuerbescheides. Der Unterschiedsbetrag wird nur bis zur Höhe der Erstattung verzinst. Der Zinslauf beginnt frühestens mit dem Tag der tatsächlichen Zahlung. Berücksichtigt werden nur die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten und geleisteten Zahlungen sowie einbehaltene Steuern. (4) Berücksichtigung freiwilliger Zahlungen
1138
Der BFH hat in einem Urteil vom 15.3.19951 entschieden, dass eine Steuerfestsetzung nicht zu einer Steuernachforderung i.S.d. § 233a Abs. 1 AO und damit nicht zu einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen führen könne, wenn das Finanzamt freiwillige Leistungen auf die Steuerschuld vor deren Festsetzung annehme und hierdurch die festgesetzte Steuerschuld insgesamt erfüllt worden sei. Damit sei der Festsetzung von Zinsen auch für die Zeit vor der freiwilligen Leistung die Grundlage entzogen. Das FG Düsseldorf hat nach Ergehen des BFH-Urteils in mehreren Aussetzungsverfahren entschieden, dass bei freiwilliger Leistung vor Festsetzung der Steuer keine ernstlichen Zweifel an der Festsetzung von Nachzahlungszinsen für den Zeitraum vom Ablauf der Karenzzeit bis zum Eingang der Leistung bestünden. Dieser Auffassung haben sich auch die AO-Referatsleiter mehrheitlich angeschlossen.2 Die Finanzverwaltung wendet das Urteil des BFH vom 15.3.1995 nicht über den entschiedenen Einzelfall an.3 Zinsen nach § 233a AO sind unabhängig davon festzusetzen, ob vor Festsetzung der Steuer freiwillige Leistungen erbracht werden. Zahlungen vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzungen führen nicht zum Ende des Zinslaufs.
1139
Nachzahlungszinsen sind jedoch gem. § 227 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige auf die sich aus der
1 I R 56/93, BStBl. 1995 II 490. 2 DStR 1996, 499. 3 BMF-Schreiben v. 24.7.1995, IV A4 – S 0460a – 27/95, BStBl. 1995 I 370.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Steuerfestsetzung ergebende Steuerzahlungsforderung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und die Finanzbehörde die Leistungen angenommen hat.1 Gem. § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Auch Nachforderungszinsen sind steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 3 AO und somit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 AO. Sie können nach § 227 AO aus Billigkeitsgründen erlassen werden.2 Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.3 Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen schafft die Verzinsung nach § 233a AO einen Ausgleich für Zinsvorteile und -nachteile, die sich für den Steuerpflichtigen daraus ergeben, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden.4 Für den Fall der freiwilligen Leistung vor Festsetzung der Steuer führt die Anwendung des § 233a AO dazu, dass der Steuerpflichtige Nachzahlungszinsen leisten muss, ohne Erstattungszinsen für die „zu früh“ geleistete Zahlung auf die Steuer zu erhalten. Der Steuerpflichtige hat keinerlei Liquiditätsvorteil genossen, sondern ein solcher Vorteil liegt im Gegenteil auf Seiten des Staates. Es gibt daher keinen Grund für eine Belastung des Steuerpflichtigen mit Zinsen. Eine solche Belastung des Steuerpflichtigen entspricht nicht dem Gesetzesplan. Die Zinsen sind gem. § 227 AO zu erlassen.
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Û
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Hinweis: Auch wenn § 227 AO keinen Antrag des Steuerschuldners voraussetzt, empfiehlt es sich für den Steuerpflichtigen, einen solchen zu stellen. Dieser Antrag ist auch nach der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung noch möglich.5
1 BFH, Urt. v. 15.10.1998 – IV R 69/97, BStBl. 1999 II 41; BFH, Urt. v. 13.11.1996 – XI R 56/96 (V), BFHE 181, 405; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.1.1996 – 2 K 1105/95, EFG 1996, 637; Nds. FG, Urt. v. 26.11.1996 – VIII 209/93, EFG 1997, 451; Nds. FG, Urt. v. 26.8.1997 – XV 468/94, EFG 1998, 83; AEAO zu § 233a Nr. 70; DStR 1996, 499; a.A. Hess. FG, Beschl. v. 9.2.1995 – 4 V 2648/94, EFG 1996, 256; Hess. FG, Urt. v. 27.3.1996 – 6 K 4660/92, EFG 1996, 1141. 2 BFH, Urt. v. 5.6.1996 – X R 235/93, BStBl. 1996 II 503. 3 BFH, Urt. v. 29.8.1991 – V R 78/86, BStBl. 1991 II 906; BFH, Urt. v. 26.11.1994 – X R 104/92, BStBl. 1995 II 297. 4 BT-Drucks. 11/2157 S. 194, BT-Drucks. 11/2529. 5 v. Groll in HHSp. § 227 AO, Rz. 191.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
ff) Festsetzung der Zinsen 1142
Die Steuerzinsen nach § 233a AO werden durch schriftlichen Zinsbescheid festgesetzt (§ 239 Abs. 1 AO). Es sind die für Steuern geltenden Vorschriften anzuwenden. Der Mindestinhalt des Zinsbescheids richtet sich nach den §§ 239 Abs. 1 S. 1, 157 Abs. 1 S. 2, 119 Abs. 1, 3 und 4 AO. Der Zinsbescheid muss die Zinsen nach Art und Betrag bezeichnen und den Schuldner angeben.1 Ein Sammelzinsbescheid ist zulässig. Hierbei handelt es sich inhaltlich um mehrere selbständige Zinsbescheide.
1143
Die Korrektur des Zinsbescheides kann nach §§ 129, 164, 172 ff. und 233a Abs. 5 AO innerhalb der 1-jährigen Festsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 AO unter Beachtung der besonderen Anlaufhemmungen erfolgen. gg) Verhältnis der Steuerzinsen nach § 233a AO zu anderen steuerlichen Nebenleistungen (1) Verhältnis zum Verspätungszuschlag
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Die Regelung des § 233a AO lässt die Möglichkeit der Verhängung eines Verspätungszuschlags (§ 152 AO) unberührt.2 Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags ist ggf. zu berücksichtigen, dass die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Zinsvorteile (§ 152 Abs. 2 S. 2 AO) bereits durch die Verzinsung nach § 233a AO teilweise ausgeglichen werden. Dies gilt jedoch nur für die Verzinsungszeiträume des § 233a Abs. 2 AO. (2) Verhältnis zu Hinterziehungszinsen
1145
Überschneidungen von Steuerzinsen nach § 233a AO und Hinterziehungszinsen nach § 235 AO3 sind möglich, da der Zinslauf nach § 235 Abs. 2 AO bereits mit Eintritt der Verkürzung bzw. mit späterer fiktiver Fälligkeit der Nachforderung und damit vor Festsetzung der Steuer beginnt. Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung werden die Steuerzinsen auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet. Soweit die Anrechnung reicht, entfällt das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 8a, § 9 Abs. 5, § 12 Nr. 3 EStG und es kommt zum Abzug der anrechenbaren Zinsen als Betriebsausgabe, Werbungskosten oder Sonderausgabe.4 (3) Verhältnis zu Säumniszuschlägen
1146
Im Regelfall sind Überschneidungen von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) und Vollverzinsungszinsen ausgeschlossen. Der Zinslauf endet mit dem
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BFH, Urt. v. 22.5.1984 – VIII R 60/79, BStBl. 1984 II 697. BFH, Urt. v. 14.6.2000 – X R 56/98, BStBl. 2001 60. Vgl. Rz. 1155 ff. AEAO zu § 233a Nr. 66.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Tag, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, Säumniszuschläge entstehen erst später, nach Ablauf des Fälligkeitstages. Dennoch kann es zu einer Kumulation kommen, wenn nämlich ein Steuerbetrag, auf den zunächst Säumniszuschläge zu entrichten waren, herabgesetzt und später durch eine zweite Änderung wieder heraufgesetzt wird. Die Herabsetzung hat auf die verwirkten Säumniszuschläge keinen Einfluss (§ 240 Abs. 1 S. 4 AO), so dass der Steuerpflichtige auch die durch die weitere Änderung entstandenen Nachforderungszinsen zu tragen hat. Diese Kumulation ist sachgerecht, da Zinspflicht und Säumniszuschlag unabhängig voneinander sind; bei Ersterer soll der Liquiditätsvorteil ausgeglichen werden und bei Letzterer steht der Sanktionszweck im Vordergrund. Beispiel: Der Einkommensteuerbescheid für 01 vom 14.7.03 wird am 15.7.03 dem Steuerpflichtigen per Post überstellt. Als Zahlungsfrist wird der 14.8.03 gesetzt. Die Steuernachforderung beträgt 20 000 Euro. Die Zahlung erfolgt am 15.10.03. Am 15.1.04 ergeht ein geänderter Einkommensteuerbescheid für 01, der zu einer Einkommensteuerminderung in Höhe von 6000 Euro führt. Ein am 18.4.04 erlassener geänderter Einkommensteuerbescheid für 01 führt zu einer Einkommensteuererhöhung in Höhe von 2000 Euro. Lösung: 1) Zinsfestsetzung auf Grund des Einkommensteuerbescheides vom 14.7.03: a) Die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 01 entsteht am 31.12.01 (§§ 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG), der Zinslauf beginnt am 1.4.03 (§ 233a Abs. 2 S. 1 AO). b) Der Einkommensteuerbescheid für 01 vom 14.7.03 gilt am 17.7.03 als bekannt gegeben. Der Zinslauf endet entsprechend am 17.7.03 (§ 233a Abs. 2 S. 3 AO). Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO greift auch dann ein, wenn der Steuerbescheid bereits am 15.7.03 dem Steuerpflichtigen zugegangen ist.1 c) Gem. § 238 Abs. 1 S. 2 AO sind Zinsen nur für volle Monate von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, zu zahlen, vorliegend also für 3 Monate. Bei einem Zinssatz in Höhe von 0,5 v.H. ergeben dies für die Steuernachforderung in Höhe von 20 000 Euro Steuerzinsen in Höhe von 300 Euro. d) Nach § 240 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 218 Abs. 1 AO entstehen Säumniszuschläge für jeden angefangenen Monat der Säumnis in Höhe von 1,0 v.H. des abgerundeten rückständigen Steuerbetrages, wenn die Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Die Fälligkeit der Einkommensteuer bestimmt sich nach § 36 Abs. 4 EStG. Da bei der Festsetzung der Steuer eine Zahlungsfrist gesetzt wurde, wird nach deren Ablauf der festgesetzte Anspruch fällig.2 Der Säumniszuschlag entsteht von dem auf den letzten Tag der Zahlungsfrist folgenden Tag an, in den Fällen des § 108 Abs. 3 AO verschiebt sich die Fälligkeit auf den nächsten Werktag, vorliegend also am 15.8.03. Auf Grund der Zahlung am 15.10.03 ist die Säumnis für drei angefangene Monate zu berechnen und beträgt 600 Euro.
1 BFH, Urt. v. 13.12.2000, DStR 2001, 395. 2 BFH, Beschl. v. 14.2.1975 – VI B 72/74, BStBl. 1975 II 452, 453.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO 2) Zinsfestsetzung auf Grund des geänderten Einkommensteuerbescheides vom 15.1.04: Die Einkommensteuerminderung auf Grund des am 15.1.04 ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheides, der zu einer Einkommensteuerminderung in Höhe von 6000 Euro geführt hat, führt zu einer Erstattung der überhöht festgesetzten Zinsen. Ausgehend von der um 6000 Euro geminderten Steuernachforderung i.H.v. 20 000 Euro betragen die Zinsen nach § 233a AO 210 Euro (1.4.03 bis 17.7.03, wegen § 239 Abs. 1 S. 1 AO nur für volle Monate; 3 Monate × 14 000 Euro = 210 Euro). Auf Grund der ursprünglich festzusetzenden Zinsen auf 300 Euro ergibt sich eine Erstattung der überhöht festgesetzten Zinsen in Höhe von 90 Euro. Die Einkommensteuer-Erstattung wird gem. § 233a Abs. 3 S. 3 AO verzinst, der Zinsbetrag beträgt 60 Euro (2 Monate × 0,5 % × 6000 Euro = 60 Euro). Die Säumniszuschläge bleiben wegen § 240 Abs. 1 S. 4 AO unberührt. 3) Zinsfestsetzung aufgrund des am 18.4.04 geänderten Einkommensteuerbescheides: Die Einkommensteuererhöhung aufgrund des am 18.4.04 geänderten Einkommensteuerbescheides führt zu einer Zinsnachforderung in Höhe von 120 Euro. Dies ergibt sich aus folgender Rechnung: 12 Monate × 0,5 % × 2000 Euro = 120 Euro (1.4.03–18.4.03, wegen § 239 Abs. 1 S. 1 AO nur volle Monate) 3 Monate × 0,5 % × 14 000 Euro = 210 Euro (1.4.03–17.7.03, wegen § 239 Abs. 1 S. 1 AO nur volle Monate) Anrechnung bereits gezahlter Zinsen: ./. 210 Euro Zinsnachforderung: 120 Euro 4) Im Ergebnis stehen für die drei angefangenen Monate ab dem 15.8.03 Säumniszuschläge und Vollverzinsung nebeneinander.
(4) Verhältnis zu Prozesszinsen 1148
Auch Prozesszinsen (§ 236 AO) sind neben Steuerzinsen nach § 233a AO denkbar. Auf Prozesszinsen für denselben Zeitraum werden ebenfalls die Steuerzinsen angerechnet (§ 236 Abs. 4 AO). Dadurch kann sich eine Verzinsung nach § 233a AO abweichend von den Fällen des § 236 Abs. 3 AO ergeben.1 (5) Verhältnis zu Stundungszinsen
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Auch auf Stundungszinsen (§ 234 AO) sind Steuerzinsen, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, anzurechnen (§ 234 Abs. 3 AO), wenn sich Überschneidungen ergeben. Diese können sich dadurch ergeben, dass die Steuerfestsetzung nach Ablauf der Stundungen zunächst zugunsten und später wieder zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert wird. § 234 Abs. 1 S. 3 AO lässt die bis dahin entstandenen Stundungszinsen 1 AEAO zu § 233a Nr. 67.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
unberührt, so dass die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, welche erst nach Festsetzung der Stundungszinsen festgesetzt werden, nach § 227 AO zu erlassen sind.1 (6) Verhältnis zu Aussetzungszinsen Überschneidungen mit Aussetzungszinsen (§ 237 AO) sind im Regelfall nicht möglich, da Zinsen nach § 233a Abs. 1 bis 3 AO nur für den Zeitraum bis zur Festsetzung der Steuer, Aussetzungszinsen jedoch frühestens ab der Fälligkeit der Steuernachforderung entstehen können. Überschneidungen können sich aber ergeben, wenn Aussetzungszinsen erhoben wurden, weil die Anfechtung einer Steuerfestsetzung erfolglos blieb und die Steuerfestsetzung nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens zunächst zugunsten und sodann zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert wird.
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Nach § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 3 AO sind Steuerzinsen nach § 233a AO, die für den denselben Zeitraum festgesetzt wurden, auf Aussetzungszinsen anzurechnen. Erfolgt die Festsetzung der Steuerzinsen nach § 233a AO erst nach Festsetzung der Aussetzungszinsen, sind die Steuerzinsen insoweit nach § 227 AO zu erlassen, als sie für denselben Zeitraum wie die bereits erhobenen Aussetzungszinsen festgesetzt wurden.2
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hh) Rechtsbehelf gegen den Zinsbescheid Ein Ermessen der Finanzbehörden zur Festsetzung der Zinsen ist nicht gegeben. Die Verzinsung ist gesetzlich vorgeschrieben.3
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Gegen den Zinsbescheid ist als Rechtsbehelf gegenüber den Finanzbehörden der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO, gegenüber der Gemeindebehörde der Widerspruch nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO gegeben.
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Bei überlanger Bearbeitungszeit der Finanzbehörden besteht ein Anspruch auf Erlass der Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen.4 Der Zinsanspruch kann auch verwirkt sein.5 Der BFH ist insoweit restriktiv.6
1154
c) Festsetzung von Hinterziehungszinsen Literatur: Müller, Die Hinterziehungszinsen, AO-StB 2003, 28.
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AEAO zu § 233a Nr. 65. AEAO zu § 233a Nr. 68. Felix, DStR 1989, 588. Specht, DB 1992, 807. FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.5.1992 – 5 K 2316/91, EFG 1992, 646. BFH, Urt. v. 8.9.1993 – I R 30/93, BStBl. 1994 II 81; FG Bremen, Urt. v. 16.2.1993 – 292 150 K 2, EFG 1993, 361; Hess. FG, Beschl. v. 16.3.1993 – 9 V 107/93, EFG 1993, 635.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
aa) Aufbau, Gegenstand und Zweck der Vorschrift 1155
Die Verzinsung hinterzogener Steuern ist in § 235 AO normiert. Der Tatbestand der Verzinsung ist in § 235 Abs. 1 S. 1 AO geregelt, der Zinsschuldner in § 235 Abs. 1 S. 2 u. 3 AO. Regelungen zum Zinslauf befinden sich in den Absätzen 2 u. 3 des § 235 AO. Das Verhältnis zur Zinsfestsetzung nach § 233a AO ist in Abs. 4 bestimmt.
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§ 235 AO bezweckt, dem Nutznießer einer Steuerhinterziehung den erlangten Zinsvorteil wieder abzuschöpfen.1 Dieser Vorteil liegt in der verspäteten Zahlung der geschuldeten Steuer. Der Steuerhinterzieher soll in Bezug auf den Zinsvorteil so gestellt werden, wie er gestanden hätte, wenn die Steuerhinterziehung nicht begangen worden wäre. § 235 Abs. 1 S. 2 AO meint ausschließlich diesen steuerlichen Vorteil, nicht den wirtschaftlichen Vorteil, der mit der Verzinsung beim Steuerschuldner abgeschöpft werden soll. Allein der Steuerschuldner kann deshalb der Zinsschuldner für hinterzogene Steuern i.S.d. § 235 Abs. 1 S. 1 und 2 AO sein. Der Gesetzeszweck des § 235 Abs. 1 S. 3 AO erschöpft sich darin, in Ergänzung des § 235 Abs. 1 S. 2 AO die Fälle zu regeln, in denen der Steuerschuldner nicht Zinsschuldner ist, weil die Steuern nicht zu seinem Vorteil hinterzogen worden sind.2
1157
Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Zinssatz sowohl für § 233a AO als auch für § 235 AO mit einhalb vom Hundert für jeden Monat festgelegt hat, dokumentiert, dass es sich bei den Zinsen nach § 235 AO nicht um einen Strafzins handelt.3 Ebenso wie die nachträgliche Erhebung der hinterzogenen Steuern dient auch die Festsetzung der Hinterziehungszinsen lediglich der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.4 bb) Sachlicher Anwendungsbereich
1158
Die Zinspflicht erstreckt sich ausschließlich auf Steuern i.S.v. § 3 Abs. 1 AO. Dazu gehören auch Steuervorauszahlungen5, Steuervergütungen und diesen gleichstehende Zulagen und Prämien wie z.B. die Investitionszulage.6 Nicht verzinst werden die steuerlichen Nebenleistungen nach § 3 Abs. 4 AO. cc) Verzinsung hinterzogener Steuern
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Nach § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind nur hinterzogene Steuern zu verzinsen. Die Zinspflicht nach dieser Vorschrift setzt folglich voraus, dass ein ent-
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BFH, Urt. v. 31.7.1996 – XI R 82/95, BStBl. 1996 II 354. BFH, Urt. v. 27.9.1991 – VI R 159/89, BStBl. 1992 II 163. Heuermann in HHSp., § 235 Rz. 8. BFH. Urt. v. 1.8.2001 – II R 48/00, BFH/NV 2002, 155. BFH, Urt. v. 15.4.1997 – VIII R 74/96, BStBl. 1997 II 600. BFH, Urt. v. 27.4.1999 – III R. 21/96, BStBl. 1999 670.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
sprechender Steueranspruch besteht und insoweit eine Steuerhinterziehung vorliegt. § 235 Abs. 1 S. 1 AO erfordert, dass der objektive und der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt sind und kein Schuldausschließungsgrund vorliegt, ein Versuch reicht nicht aus.1 Eine Bestrafung des Täters setzt § 235 Abs. 1 AO jedoch nicht voraus.2 Der Zinsanspruch nach § 235 AO entsteht sowohl bei der Erfüllung des Grundtatbestandes des § 370 AO als auch der strafschärfenden Qualifizierungstatbestände, wie bei gewerbsmäßigem, bandenmäßigem und gewaltsamem Schmuggel3, soweit als Hinterziehung begangen.
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Keine Zinspflicht entsteht bei den Steuerstraftatbeständen wie Bannbruch (§ 372 AO), Steuerhehlerei (§ 374 AO), leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO), Steuergefährdung (§ 379 AO) oder Begünstigung (§ 257 StGB).
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§ 235 AO fordert keine Bestrafung des Täters, d.h. ein Strafverfahren muss nicht durchgeführt werden. Eine Selbstanzeige hindert daher nicht die Festsetzung der Hinterziehungszinsen. Bei der Selbstanzeige handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, der der Erhebung von Hinterziehungszinsen nicht entgegensteht.4 Entsprechend ist auch eine Amnestie nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen5 nur ein Strafaufhebungsgrund, der lediglich die bereits begründete Strafbarkeit wieder beseitigt, jedoch auf den bereits entstandenen Hinterziehungszinsanspruch nicht einwirkt.6 Eine „automatische“ Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO kommt nicht in Betracht, wenn das Steuerstrafverfahren nach § 153a StPO eingestellt wurde. Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK ist in diesem Fall nicht widerlegt.7
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Über das Vorliegen der Steuerhinterziehung ist von der Finanzbehörde bzw. vom Gericht im Besteuerungsverfahren incidenter zu entscheiden; es kann sich dabei indes die Feststellungen und die Würdigung des Strafgerichts zu eigen machen.8 Das Finanzamt trägt insoweit die Feststellungslast. Obwohl auch im finanzgerichtlichen Verfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten ist, ist das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der Abga-
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BFH, Beschl. v. 27.10.2000 – VIII B 77/00, BFH/NV 2001, 226. BFH, Urt. v. 2.4.1998 – V R 60/97, BStBl. 1998 II 530. BGH, Urt. v. 28.9.1983 – 3 StR 280/83, BGHSt 32, 95. FG Düsseldorf, Urt. v. 24.5.1989 – 4 K 397/83 AO, EFG 1989, 491, 493; FG Bremen, Urt. v. 3.11.1998 – 298 215 K 2, EFG 1999, 417. Art. 17 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988 BGBl. I, 1093, 1128. FG Köln, Urt. v. 3.6.1992 – 6 K 5201/91, EFG 1993, 388. BVerfG, Beschl. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90, MDR 1991, 891. BFH, Urt. v. 12.2.1963 – VII 144/61, StRK, Reichsabgabenordnung, § 278, Rechtsspruch 12; BFH, Urt. v. 7.11.1973 – I R 92/72, BStBl. 1974 125.
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4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
benordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen. Für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 S. 1 u. 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, ist kein höherer Grad von Gewissheit notwendig als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt. dd) Schuldner der Hinterziehungszinsen 1164
Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen werden, § 235 Abs. 1 S. 2 AO. Das gilt auch dann, wenn er an der Steuerhinterziehung nicht mitgewirkt hat.1 § 235 Abs. 1 S. 2 AO stellt klar, dass Zinsschuldner bei einer Steuerhinterziehung, die z.B. durch einen Angestellten des Steuerschuldners begangen worden ist, nicht der Täter dieser Steuerhinterziehung, sondern der Steuerschuldner ist, zu dessen objektivem Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Der Schuldner der Hinterziehungszinsen ist nicht in jedem Falle der Täter, denn der Täter der Steuerhinterziehung ist mit dem Schuldner der hinterzogenen Steuer nicht notwendig identisch. Mithin kommt es auf die Beteiligung des Steuerschuldners an der Steuerhinterziehung nicht an. Der weitere Steuerschuldner kann nicht als Zinsschuldner in Anspruch genommen werden.
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§ 235 Abs. 1 S. 3 AO enthält eine besondere Regelung für die Fälle des Steuerabzugs und der Verpflichtung zur Entrichtung von Steuern zu Lasten eines Dritten. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuer zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner. Nach § 43 AO bestimmen die Steuergesetze, wer Steuerschuldner ist. Zinsschuldner ist somit der Arbeitgeber hinsichtlich der von ihm einbehaltenen und vorsätzlich nicht abgeführten Lohnsteuer (§ 38 Abs. 3, § 41a EStG) oder der Schuldner der Kapitalerträge und die die Kapitalerträge auszahlende Stelle (z.B. Kreditinstitute, § 44 Abs. 1 S. 3 EStG) hinsichtlich der Kapitalertragsteuer (§§ 44, 45a EStG).
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Nicht unter § 235 Abs. 1 S. 3 AO fallen die in §§ 34 und 35 AO genannten Personen. § 235 Abs. 1 S. 3 AO rechtfertigt somit nicht die Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft als Schuldner von Hinterziehungszinsen zu Steuern, die er zum Vorteil der Kapitalgesellschaft hinterzogen hat.2 Der Geschäftsführer einer GmbH, der zu deren Vorteil Steuerhinterziehung begeht, haftet für die Hinterziehungszinsen nach § 71 AO. Die Kapitalgesellschaft ist im Verhältnis zu ihren gesetzlichen Vertretern kein „anderer“ i.S. des § 235 Abs. 1 S. 3 2. Alt. AO. Sie ist als juristische Person nicht selbst handlungsfähig und handelt durch ihre gesetzlichen Vertreter (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 AO). Ein rechtswidrig gegen den Geschäftsführer erlassener Zinsbescheid kann auch nicht in einen 1 BFH, Urt. v. 11.5.1982 – VII R 97/81, BStBl. 1982 II 689. 2 BFH, Urt. v. 18.7.1991 – V R 72/87, BStBl. 1991 781.
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E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Haftungsbescheid umgedeutet werden, weil der Erlass eines Haftungsbescheids eine Ermessensentscheidung voraussetzt. ee) Zinslauf bei den Hinterziehungszinsen (1) Beginn des Zinslaufs Nach § 235 Abs. 2 AO beginnt der Zinslauf grds. mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils. Der Zinslauf beginnt also mit Wirksamwerden der wegen der Hinterziehung zu niedrigen Steuerfestsetzung bzw. überhöhten Festsetzung einer Steuervergütung oder des die Entstehung eines zu hohen Erstattungsanspruchs bewirkten Tatbestandes i.S.d. § 37 Abs. 2 AO. Eine Steuer ist im Augenblick der Bekanntgabe des Steuerbescheids zu niedrig festgesetzt (§§ 122, 124 Abs. 1 S. 2, 155 Abs. 1 S. 2 AO). Der Zinslauf beginnt mit dem Tag der förmlichen Zustellung. Wird der Steuerbescheid mit der Post übermittelt, so gilt der Bescheid mit dem 3. Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Damit beginnt der Zinslauf.1
1167
Wird eine Steuererklärung nicht abgegeben und unterbleibt deshalb die Steuerfestsetzung, so ist die Steuer verkürzt, wenn die Steuer nicht zu der Zeit festgesetzt wird, zu der dies sonst nach dem Gang der Veranlagungsarbeit der Fall gewesen wäre.2
1168
Wären die verkürzten Steuern ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden, so ist der spätere Zeitpunkt maßgebend. Bei Fälligkeitssteuern wird die Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Fälligkeit vollendet. Der Zinslauf beginnt im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit auch dann, wenn keine Steueranmeldung abgegeben wird.
1169
(2) Ende des Zinslaufs Nach § 235 Abs. 3 S. 1 AO endet der Zinslauf mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern, also mit Ablauf des Tages, an dem die Zahlung bei der Finanzkasse eingeht (§ 244 AO) oder mit der Wirkung einer Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB. Wurden die hinterzogenen Steuern vor Fälligkeit getilgt, endet der Zinslauf mit dem Tag der Tilgung. Die Anordnung eines dinglichen Arrests beendet den Zinslauf nicht.3
1170
ff) Nichterhebung von Zinsen bei verwirkten Säumniszuschlägen, Stundung oder Aussetzung der Vollziehung Nach § 235 Abs. 3 S. 2 AO werden keine Hinterziehungszinsen erhoben für Zeiträume, für die ein Säumniszuschlag verwirkt wurde, die Zahlung
1 Vgl. die Ausführungen zur Bekanntgabe nach § 122 AO unter Rz. 682 ff. 2 AEAO zu § 235 AO, Nr. 4.1.3. 3 BFH, Beschl. v. 27.10.2000 – V B 145/00, BFH/NV 2001, 424.
281
1171
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist. Dadurch wird eine Verdopplung der mit der Nichtzahlung verknüpften Belastung verhindert. gg) Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Ende des Zinslaufs 1172
Nach § 235 Abs. 3 S. 3 AO bleiben bis zum Ende des Zinslaufs entstandene Zinsen unberührt, wenn der Steuerbescheid nach dem Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. hh) Höhe der Hinterziehungszinsen
1173
Nach § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hinterzogene Steuern mit einem Zinssatz von einhalb vom Hundert für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 AO) zu verzinsen.1 Sie sind nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Zeiträume bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 S. 2 AO). ii) Festsetzung der Hinterziehungszinsen
1174
Nach § 239 Abs. 1 S. 1 AO werden die Zinsen durch Zinsbescheid festgesetzt. Es ergeht ein förmlicher Bescheid.
1175
Bei der Festsetzung der Zinsen hat das Finanzamt keinen Ermessensspielraum. Die Finanzbehörde hat aber ein Auswahlermessen, wenn mehrere Steuerpflichtige die Zinsen als Gesamtschuldner schulden oder wenn neben dem Zinsschuldner der Täter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung als Haftungsschuldner nach § 71 AO in Anspruch genommen werden kann.
1176
Gegen den Hinterziehungszinsbescheid kann der Zinsschuldner Einspruch einlegen, § 347 AO. jj) Verjährung der Hinterziehungszinsen
1177
Die Festsetzungsfrist für die Hinterziehungszinsen beträgt ein Jahr. Der Beginn der Festsetzungsfrist ist in § 239 Abs. 1 S. 2 AO geregelt. kk) Anrechnung von Zinsen nach § 233a AO
1178
Bei der Zinsfestsetzung sind zur Vermeidung einer Doppelverzinsung nach § 239 Abs. 4 AO die Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, anzurechnen.
1 Der BFH hat im Urt. v. 20.4.2011 – I R 80/10, die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes bestätigt.
282
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Einkommensteuer
Einkommensteuer
Einkommensteuer
Einkommensteuer
Einkommensteuer
Einkommensteuer
Einkommensteuer
Summe
1999
Zeitraum
Einkommensteuer
Steuerart
35 250
34 800
39 000
43 500
42 700
41 800
34 650
33 000
zu verzinsender Betrag (abgerundet auf den nächsten durch 50 t teilbaren Betrag, § 238 Abs. 2 AO) t
02.04.2007
24.06.2006
18.08.2005
30.09.2004
22.09.2003
13.03.2003
14.01.2002
21.10.2000
Beginn des Zinslaufs (§ 235 Abs. 2 AO)
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
Ende des Zinslaufs (Fälligkeitstag bzw. früherer Zahlungstag, § 235 Abs. 3 AO)
30
40
50
60
73
79
93
108
Zinszeitraum in vollen Monaten (§ 238 Abs. 1 AO)
ll) Beispiel für eine Zinsberechnung für Einkommensteuer
5 287,50
6 960,00
9 750,00
13 050,00
15 585,50
16 511,00
16 112,25
17 820,00
t
Zinsbetrag
01.04.2008
01.04.2007
01.04.2006
01.04.2005
01.04.2004
01.04.2003
01.04.2002
01.04.2001
Beginn des Zinslaufs der anzurechnenden Zinsen nach § 233a AO (§ 235 Abs. 4 AO)
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
28.10.2009
Ende des Zinslaufs der anzurechnenden Zinsen nach § 233a AO (§ 235 Abs. 4 AO)
18
30
42
54
66
78
90
102
Zinszeitraum der anzurechnenden Zinsen nach § 233a AO (§ 235 Abs. 4) in vollen Monaten t
3 172,00
5 220.00
8 190.00
11 745.00
14 091.00
16 302.00
15 592.00
9 933,00
2 115,00
1 740,00
1 560,00
1 305,00
1 494,00
209,00
520,00
990,00
t 16 830.00
verbleibende Zinsen
anzurechnende Zinsen nach § 233a (§ 225 Abs. 4 AO)
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
283
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
d) Haftung des Vertretenen und des Steuerhinterziehers aa) Haftung des Vertretenen 1179
Soweit die in §§ 34 und 35 AO bezeichneten Haftungsschuldner eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder daran teilnehmen, haften die Vertretenen bezüglich des Hinterziehungs- bzw. des leichtfertig verkürzten Steuerbetrags oder der dadurch ungerechtfertigter Weise erlangten Steuervorteile (§ 70 AO). Die Vorschrift hat insbesondere auf dem Gebiet des Zoll- und Verbrauchsteuerrechts Bedeutung. Eine Haftung entfällt, wenn der Vertretene aus der Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat oder denjenigen, der die Steuerhinterziehung bzw. die leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat, sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt hat (§ 70 Abs. 2 AO). bb) Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers
1180
Für den Bereich der Steuerhinterziehung ist § 71 AO die zentrale Haftungsvorschrift.1 Danach haften Steuerhinterzieher und Teilnehmer für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Hinterziehungszinsen. Während § 69 AO die vertretungs- und verfügungsberechtigten Personen umfasst, haften nach § 71 AO bei Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei alle natürlichen Personen, die mit den Steuerangelegenheiten eines Steuerpflichtigen zu tun haben. Sie haften auch dann, wenn sie nicht Angestellte des Steuerpflichtigen sind.
1181
§ 71 AO begründet wie § 69 AO eine Haftung auf Schadenersatz.2 Die Haftung soll den durch Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder Steuerhehlerei (§ 374 AO) verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen.3 § 71 AO greift nicht ein, wenn der Schaden auch ohne das pflichtwidrige Verhalten der Verantwortlichen entstanden wäre.4
1182
Obwohl die Vorschrift wie § 70 AO ihren Ursprung im Bereich der Zölle und Verbrauchsteuern hat, lässt § 71 AO jeden Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei für den angerichteten Schaden haften, soweit er nicht Steuerschuldner ist. (1) Gegenstand der Haftung
1183
Gehaftet wird für die durch die Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Außer-
1 Zu den Voraussetzungen vgl. Plaum, wistra 2010, 368 sowie Jope, Stbg 2010, 299. 2 BFH, Urt. v. 26.8.1992 – VII R 50/91, BStBl. 1993 II 8. 3 BFH, Urt. v. 13.7.1994 – I R 112/93, BStBl. 1995 II 198; BFH, Urt. v. 21.6.1994 – VII R 34/92, BStBl. 1995 II 230. 4 BFH, Urt. v. 13.7.1994 – I R 112/93, BStBl. 1995 II 198; BFH, Urt. v. 21.6.1994 – VII R 34/92, BStBl. 1995 II 230.
284
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
dem umfasst die Haftung Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Für Säumniszuschläge wird nicht gehaftet. (2) Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei Die Haftung nach § 71 AO setzt den Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder Steuerhehlerei (§ 374 AO) voraus. Objektiver und subjektiver Tatbestand müssen erfüllt sein. Die Haftung nach § 71 AO setzt voraus, das die Vortat vollendet ist. Der Versuch der Steuerhinterziehung begründet keine Haftung, weil dadurch kein Haftungsschaden eintritt. Der Tatbestand der §§ 370, 374 AO kann auch durch Unterlassung erfüllt werden, wenn für den Täter eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes genügt bedingter Vorsatz. Die Taten muss der Täter schuldhaft begangen haben. Schuldausschließungsoder Entschuldigungsgründe dürfen nicht vorliegen.
1184
(3) Haftung von Täter und Teilnehmer Die Haftung trifft nicht nur den oder die Täter (Einzeltäter und Mittäter), sondern auch die Teilnehmer, also Anstifter und Gehilfen. Die Haftung besteht nur, soweit Täter und/oder Teilnehmer keine Steuerschuldner sind. Schuldnerschaft schließt eine zusätzliche Haftung gem. § 71 AO aus.
1185
(4) Feststellung der Delikte Ob Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei gegeben ist, haben die Fi- 1186 nanzbehörden und das Finanzgericht zu entscheiden. Sie haben den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.1 Dabei haben sie das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei nicht nach den Vorschriften der StPO, sondern nach den Vorschriften der AO und FGO zu prüfen. Die Frage der Tatbestandserfüllung ist eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids. Eine strafgerichtliche Verurteilung ist weder erforderlich, noch sind Finanzbehörden oder Finanzgerichte daran gebunden. Die Finanzbehörde hat das Vorliegen einer Steuerhinterziehung ohne Bindung an eine etwaige strafgerichtliche Verurteilung eigenständig zu ermitteln.2 Höchstrichterlich nicht entschieden ist, welche Auswirkungen es für die Haftung hat, wenn die mutmaßlichen Haupttäter einer Steuerhinterziehung nicht ermittelt werden können und folglich nicht individuell fest-
1 FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.2.1990 – 5 K 1190/89, EFG 1991, 4. 2 FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.2.1990 – 5 K 1190/89, EFG 1991, 4.
285
1187
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
gestellt werden kann, ob eine Steuerhinterziehung überhaupt begangen und welche Steuer dadurch konkret hinterzogen worden ist.1 (5) Umfang der Haftung 1188
Gehaftet wird für die verkürzten Steuern, die zu Unrecht gewährten Steuervorteile und für Hinterziehungszinsen, nicht aber für Säumniszuschläge. Ebenso wie bei der Haftung nach § 69 AO gilt auch für die Haftung nach § 71 AO, dass sich die Haftungsvorschrift lediglich darauf beschränkt, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 AO und somit Steuern und steuerliche Nebenleistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 u. 3 AO zu sichern.2 Auf Grund des Anwendungsbereichs begründen Steuerhinterziehungsdelikte oder Steuerordnungswidrigkeiten, die ausländische Steuern zum Gegenstand haben (§ 370 Abs. 6, § 374 Abs. 2, § 378 Abs. 1 S. 2 AO), keine Haftung nach § 71 AO.3 3. Außerstrafrechtliche Folgen a) Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes aa) Disziplinarmaßnahmen
1189
Trotz wirksamer Selbstanzeige nach § 371 AO sind disziplinarische Maßnahmen gegen Beamte, Richter oder Soldaten zulässig;4 der Staat tritt nicht als Träger der Strafgewalt auf, sondern als Dienstherr bei der Sicherung der Erfüllung besonderer Pflichten in einem bestimmten Lebenskreis.
1190
Die Disziplinarmaßnahmen sind im Bundesdisziplinargesetz (BDG) normiert. Das BDG gilt u.a. für Beamte und für Ruhestandsbeamte für während ihres Beamtenverhältnisses begangene Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 BBG) und für Ruhestandsbeamte nach Eintritt in den Ruhestand begangene als Dienstvergehen geltende Handlungen (§ 77 Abs. 2 BBG). Beamtinnen und Beamte begehen nach § 77 Abs. 1 BBG ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen.
1191
Û
1192
Außerhalb des Dienstes ist dieses nur dann ein Dienstvergehen, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem
Hinweis: Hierzu zählen Unterstützungshandlungen von Finanzbeamten zur Steuerhinterziehung von Steuerpflichtigen.
1 BFH, Beschl. v. 16.7.2009 – VIII B 64/09, BFH/NV 2009, 1485. 2 Rüsken in Klein, Kommentar zur AO § 71 Rz. 11 unter Verweis auf § 69 Rz. 13, 14. 3 Loose in Tipke/Kruse, Vor § 69 Rz. 9. 4 Vgl. den Beitrag von Pflaum, Voraussetzungen der Durchbrechung des Steuergeheimnisses zur Durchführung von Disziplinarverfahren, wistra 2011, 55 ff.
286
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Û
Hinweis: Eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO kann mithin nicht nur bei Finanzbeamten zu disziplinarrechtlichen Folgen führen.
1193
Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten sowie früheren Beamtinnen und Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es nach § 77 Abs. 2 BBG als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen, an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, gegen die Verschwiegenheitspflicht, gegen die Anzeigepflicht oder das Verbot einer Tätigkeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses oder gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen verstoßen oder entgegen § 46 Abs. 1 oder 2 BBG oder § 57 BBG einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis schuldhaft nicht nachkommen.
1194
Û
Hinweis: Die Steuerhinterziehung nach §§ 369, 370 AO stellt mithin kein Dienstvergehen eines Ruhestandsbeamten dar.
1195
§ 5 BDG bestimmt die Disziplinarmaßnahmen. Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte sind der Verweis, die Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge, die Zurückstufung und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte sind die Kürzung des Ruhegehalts und die Aberkennung des Ruhegehalts.
1196
bb) Mitteilung der Selbstanzeige an Dienstvorgesetzte Nach erstatteter Selbstanzeige stellt sich die Frage, ob die Finanzbehörde den Dienstherrn über die Selbstanzeige und damit über die Steuerverfehlung unterrichten darf.1
1197
Nach § 125c BRRG sind Daten aus Strafverfahren (z.B. wegen Steuerhinterziehung) gegen Beamte2, insbesondere die Verfahrensabschlüsse, an den zuständigen Dienstvorgesetzten oder seinen Vertreter im Amt mitzuteilen, wenn ihre Kenntnis auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls für dienstliche Maßnahmen gegen einen Beamten erforderlich ist und soweit nicht für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. § 125c Abs. 6 S. 1 BRRG normiert für die Mitteilung der Verfahrensergebnisse (§ 125c Abs. 1–3 BRRG) eine ausdrückliche Durchbrechung des Steuergeheimnisses i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO.
1198
1 Vgl. Wessing, Steueranwaltsmagazin 2010, 99, 102 ff. 2 Für Richter findet sich eine entsprechende Regelung in § 46 DRiG.
287
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
1199
Gegen eine Übermittlung der Daten spricht der Wortlaut des § 125c BRRG. Die Angaben in der Selbstanzeige stellen keine Erkenntnisse aus einem Strafverfahren dar.
1200
Auch die BMF-Schreiben vom 10.5.20001 bzw. vom 12.3.20102 stellen keine Ermächtigungsgrundlage für eine Übermittlung der Daten dar. Das BMF-Schreiben nimmt ein zwingendes öffentliches Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO) für eine Mitteilung an den Dienstherrn „insbesondere“ bei Steuerhinterziehungen eines Beamten oder Richters an, wenn die verkürzte Steuer 5000 DM oder mehr pro Veranlagungszeitraum betrug. Auch Verkürzungen von weniger als 5000 DM sollen mitgeteilt werden („zwingendes öffentliches Interesse“), wenn eine „erhebliche kriminelle Energie aufgewendet“ wurde.
1201
Der BFH hat im Beschluss vom 15.1.2008 – VII B 149/073 zu der Problemstellung dargelegt, dass die Strafverfolgungsbehörde zur Sicherstellung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen einen Beamten dem Steuergeheimnis unterliegende, in einem Strafverfahren gegen diesen gewonnene Erkenntnisse dem Dienstvorgesetzten des Beamten im Rahmen des § 125c BRRG offenbaren dürfen, ohne eine vorweggenommene Prüfung der disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles vornehmen zu müssen; erforderlich sei lediglich, dass die übermittelten Daten für eine solche disziplinarrechtliche Prüfung des Dienstherrn des Beamten von Belang sein können. Der BFH hat weiterhin ausgeführt, dass eine Information des Dienstvorgesetzten über das Verfahren ungeachtet dessen zulässig ist, ob das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen Verfolgungsverjährung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt worden ist.4 b) Rechts- und steuerberatende Berufe – Mitteilung an die Kammern über Berufspflichtverletzungen
1202
Gem. dem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder5 haben die Finanzbehörden Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass eine in § 3 oder § 4 Nr. 1 und 2 StBerG genannte Person eine Berufspflicht verletzt hat, der zuständigen Stelle mitzuteilen. Das Steuergeheimnis stehe der Mitteilungspflicht gem. § 10 Abs. 1 StBerG nicht entgegen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO). Betroffen sind die in den §§ 3 und 4 StBerG angeführten Personen. Dies sind u.a. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Notare. Die Mit-
1 IV A 4 – S 0130-19/00, BStBl. 2000 I 494. 2 IV A 3 – S 0130/08/10006, BStBl. 2010 I 222, vgl. auch BMF-Schreiben v. 20.6.2011 – IV A 3 – S 0130/08/10006, BStBl. 2011 I 574. 3 BStBl. 2008 II 337. 4 Pflaum, wistra 2011, 55 ff. 5 V. 13.8.2002, BStBl. 2002 I 796.
288
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
teilung erfolgt an die zuständige Berufskammer. Als Information i.S.d. § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StBerG und § 68 WPO kommt beispielsweise die Steuerhinterziehung in Betracht. Daneben sind die Mitteilungen nach Nr. 23 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 und Nr. 24 Abs. 1 MiStra zu beachten. Die Stafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, die Rechtsanwaltskammer bzw. die Steuerberaterkammer über die Erhebung der öffentlichen Klage und über ergangene Urteile zu informieren.
1203
Aufgabe der Steuerberaterkammer ist nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StBerG die Erfüllung der den Mitgliedern obliegenden Pflichten nach § 57 StBerG zu überwachen und das Recht der Rüge nach § 81 StBerG zu handhaben. Diese Pflicht kommt auch den Rechtsanwaltskammern (§§ 43, 113 BRAO) und den Wirtschaftsprüferkammern (§ 43 WPO) zu.
1204
Die Folgen einer berufsrechtlichen Verfehlung sind insb. dann schwerwiegend, wenn sie im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgen und können bis zum Verlust der Zulassung führen. Eine berufsrechtliche Ahndung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn ein Steuerberater falsche Angaben in einer eigenen Steuererklärung macht.1 Auch bei Rechtsanwälten verhindert die Selbstanzeige nicht die berufsrechtliche Ahndung. Hat ein Rechtsanwalt Einnahmen aus seiner Tätigkeit nicht oder nicht vollständig erklärt, handelt es sich um eine berufsbezogene Tat i.S.v. § 113 Abs. 1 BRAO. Da die Folgen regional unterschiedlich gehandhabt werden, empfiehlt es sich, mit der zuständigen Berufskammer vorab Kontakt aufzunehmen, um den Umfang der möglichen berufsrechtlichen Folgen zu erörtern.
1205
Das LG Frankfurt a.M. hat in seinem Urteil vom 11.12.20092 zur Berufspflichtverletzung bei Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach Erstattung einer Selbstanzeige durch einen Steuerberater u.a. ausgeführt, dass ein Steuerberater gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung verstoße, wenn er zugunsten einer von ihm betreuten GmbH Beihilfe zur Steuerhinterziehung leiste und in den eigenen Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen die im Tatzusammenhang erzielten Provisionseinnahmen nicht angebe. Das LG Frankfurt a.M. hat festgestellt, dass die vom Steuerberater nach Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erstattete Selbstanzeige die Vorwerfbarkeit des Fehlverhaltens unberührt lasse. Das LG Frankfurt a.M. hatte ein zeitweiliges Berufsverbot in Erwägung gezogen, im Ergebnis aber abgelehnt. Ausgesprochen wurde ein Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 20 000 Euro.
1206
1 OLG München, Urt. v. 19.6.2008 – 2 StO -2/08, DStRE 2009, 831; Wessing, Steueranwaltsmagazin 2010, 99, 105. 2 5/35 StL 7/09, DStRE 2011, 725.
289
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
c) Ärzte 1207
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 1. Fall BÄO ist die Approbation als Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Grundsätzlich werden die Approbation und Kassenzulassung durch ein Steuerstrafverfahren nicht berührt, anders im Falle eines Abrechnungsbetruges.1 Die Steuerhinterziehung begründet grundsätzlich kein Berufsvergehen, das die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens rechtfertigt. Sie stellt keine Verletzung einer dem Arzt obliegenden Berufspflicht dar.
1208
Allerdings rechtfertigt ein schwerwiegendes, beharrliches steuerliches Fehlverhalten die Annahme, der Arzt setze sich im eigenen finanziellen Interesse in einem solchen Maße auch über die strafbewehrten, im Interesse der Allgemeinheit bestehenden Bestimmungen hinweg, dass er schon deshalb als Arzt untragbar ist.2 d) Bankvorstände
1209
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist die Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG zum Betreiben von Bankgeschäften oder zum Erbringen von Finanzdienstleistungen zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein Antragsteller oder eine der in § 1 Abs. 2 S. 1 KWG bezeichneten Personen nicht zuverlässig ist. Die Verurteilung eines Bankvorstandes wegen Steuerhinterziehung wirft stets die Frage nach der Zuverlässigkeit auf, aber auch die Einstellung eines solchen Verfahrens nach § 153a StPO. Auch hier sind keine festen Regeln zu erkennen, so dass vor Abschluss des Verfahrens die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht konsultiert werden muss.
1210
Für andere Bedienstete eines Kreditinstitutes gilt dies entsprechend, sofern sie die Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit bei dem Kreditinstitut begangen haben. e) Gewerbeuntersagung
1211
Nach § 35 GewO ist die Verwaltungsbehörde gehalten, einem Gewerbetreibenden die Gewerbeausübung zu untersagen, wenn er sich als unzuverlässig erwiesen hat und die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Gewerbebehörden sind verpflichtet, mit den Mitteln der Gewerbeuntersagung gegen solche Gewerbetreibende einzuschreiten, die ihre steuerlichen Pflichten nicht erfüllen. Die Finanzbehörden sind aufgrund eines
1 Wessing, Steueranwaltsmagazin 2010, 99, 106. 2 OVG Lüneburg, Beschl. v. 4.12.2009 – 8 LA 197/09, NdsVBl 2010, 106.
290
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
zwingenden öffentlichen Interesses an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses zur Offenbarung von steuerlichen Verhältnissen im Hinblick auf diejenigen Tatsachen befugt, aus denen sich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden i.S.d. § 35 Abs. 1 GewO ergeben kann.1
Û
Hinweis: Die Unzuverlässigkeit kann aus einer Steuerhinterziehung, aber auch aus einer Selbstanzeige abgeleitet werden. Für die Prüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden sind sowohl der Sachverhalt, der zur Einleitung des Verfahrens geführt hat, als auch das Ergebnis des Verfahrens sowie das Verhalten des Steuerpflichtigen nach dem Verfahren erheblich.2
1212
Maßgebend für die Beurteilung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit ist stets, ob der Gewerbetreibende keine Gewähr dafür bietet, dass er das Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Steuerrechtliche Sachverhalte sind nur dann gewerberechtlich von Bedeutung, wenn aus ihnen auf ein künftiges nicht ordnungsgemäßes Verhalten geschlossen werden kann.3 Andernfalls ist eine Gewerbeuntersagung nicht mehr verhältnismäßig. f) Sonstige gewerberechtliche Vorschriften Sonstige mit § 35 GewO vergleichbare Vorschriften finden sich in § 34c GewO (Makler, Anlageberater, Bauträger), § 15 Abs. 1 i.V.m. 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG, § 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 WaffG und § 25 PbefG.
1213
g) Passwesen Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sich einer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder der Anordnung oder der Vollstreckung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen ihn schweben oder nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will.4
1214
Û
1215
1 2 3 4
Hinweis: Die Finanzbehörden betreiben ein solches Verfahren bei der Passbehörde in seltenen Fällen, wenn sie gegen einen im Ausland lebenden Deutschen ermitteln.
BFH, Urt. v. 10.2.1987 – VII R 77/84, BStBl. 1987 II 545. BMF-Schreiben v. 17.12.2004 IV A 4 – S 0130 – 113/04, BStBl. 2004 I 1178. BMF-Schreiben v. 17.12.2004 IV A 4 – S 0130 – 113/04, BStBl. 2004 I 1178. Zur Frage der Passversagung wegen Steuerrückständen in Folge einer Steuerhinterziehung vgl. Bach, wistra 2010, 133.
291
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
VI. Konkurrenzen 1. Verhältnis zum Rücktritt vom Versuch 1216
§ 24 StGB und § 371 AO stehen selbständig nebeneinander. § 371 AO ist auch auf den Versuch der Steuerhinterziehung anwendbar.1
1217
Der Versuch der Steuerhinterziehung beginnt regelmäßig mit der Abgabe der Steuererklärung bei der Finanzbehörde. Bei der Verletzung von Steuererklärungspflichten kann ein bloßes Nicht-weiter-Handeln die Vollendung der Tat nicht aufhalten. Dem Rücktritt kommt daher im Falle des unbeendeten Versuchs (§ 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt. StGB), der durch bloße freiwillige Aufgabe des weiteren Handelns möglich ist, keine Bedeutung zu. Der Täter kann Straffreiheit nur durch aktives Tun erlangen, also indem er eine Berichtigungserklärung abgibt.
1218
Beim beendeten Versuch ist ein Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB von der Steuerhinterziehung für den Fall denkbar, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist und der Täter ihm vor Beginn der Prüfung oder während der laufenden Prüfung berichtigende Angaben zu einer bereits eingereichten Steuererklärung, die Gegenstand der Prüfung ist, aber noch nicht zu einem Steuerbescheid führte, macht. Der Täter muss sich freiwillig und ernsthaft bemüht haben, die Vollendung der Tat zu verhindern.2 2. Verhältnis zur Berichtigung nach § 153 AO
1219
§ 153 AO normiert in seinen drei Absätzen drei unterschiedliche Erklärungspflichten. Abs. 1 verpflichtet den Steuerpflichtigen und die übrigen dort Genannten bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) zur Anzeige und Berichtigung von Erklärungsfehlern, wenn sie nach Abgabe der Steuererklärung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennen. Abs. 2 regelt die Anzeigepflicht für die Fälle, in denen nachträglich Tatsachenveränderungen bei Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder sonstigen Steuervergünstigungen eintreten. Abs. 3 betrifft den Spezialfall der zweckwidrigen Verwendung von Waren, für die eine Verbrauchsteuervergünstigung gewährt worden ist.
1220
Wird die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung aus § 153 AO erfüllt, entfällt die Ahndung wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO; wird diese nicht erfüllt, kann dies den Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllen.3
1 BGH, Urt. v. 19.3.1991 – 5 StR 516/90, BGHSt 37, 340, 345; BGH, Urt. v. 5.5.2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136 ff., wistra 2004, 309, 310. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 234. 3 BGH, Urt. v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 376; FG Berlin, Urt. v. 27.1.1999 – 2 K 2138/97 – EFG 1999, 680.
292
E. Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
Die Nacherklärung gem. § 153 AO unterscheidet sich von der Selbstanzeige im Verschulden hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung. Während § 371 AO eine vorsätzliche Steuerverkürzung voraussetzt, trifft die Nacherklärungspflicht denjenigen, der nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) feststellt, dass ohne eine Steuerhinterziehung frühere Erklärungen unbewusst falsch waren.
1221
Die Berichtigungserklärung nach § 153 AO ist identisch mit der Selbstanzeigeerklärung i.S. der §§ 371 Abs. 1 bzw. 378 Abs. 3 AO.
1222
3. Verhältnis zur Schadenswiedergutmachung § 46a StGB eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen der Schadenswiedergutmachung die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern oder von Strafe abzusehen, sobald der Steuerpflichtige die verkürzten Steuern nachgezahlt hat. Anders als bei § 371 AO steht die Anwendung von § 46a StGB im Ermessen des Gerichts.
1223
§ 46a StGB ist über § 369 Abs. 2 AO auch im Steuerstrafrecht anwendbar.1 Bedeutung erlangt § 46a StGB im Steuerstrafrecht in Fällen missglückter Selbstanzeigen, insb. wenn die strafbefreiende Wirkung in Folge eines Ausschlussgrundes nach § 371 Abs. 2 AO entfällt oder in Fällen, in denen der Täter nicht in der Lage ist, eine korrekte Berichtigungserklärung einzureichen.
1224
4. Verhältnis zum Subventionsbetrug § 370 AO und § 264 StGB stehen unabhängig voneinander; es besteht tatbestandlich Exklusivität. Eine Überschneidung zwischen den Strafaufhebungsbestimmungen des § 371 AO und § 264 Abs. 5 StGB ist ausgeschlossen.
1225
5. Verhältnis zu § 4 Abs. 2 EStG und Art. 65 ZK Nach § 4 Abs. 2 EStG darf der Steuerpflichtige die Bilanz auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Bilanz einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann. Darüber hinaus ist eine Änderung der Bilanz nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht. Nach Einreichung der Bilanz müssen Unrichtigkeiten der Bilanz, die zu einer Steuerverkürzung führen können, nach § 153 AO berichtigt werden. Bilanzberichti-
1 Rüping, DStR 2010, 1768.
293
1226
4. Kapitel: Berichtigung bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO
gungen nach § 4 Abs. 2 EStG haben keine strafbefreiende Wirkung, sofern nicht gleichzeitig die Voraussetzungen des § 371 AO vorliegen.1 1227
Eine Berichtigung der Zollanmeldung ist unter den Voraussetzungen des Art. 65 S. 3a–c ZK ausgeschlossen. Die Korrektur unrichtiger Angaben ist vor Annahme der Zollanmeldung durch die Zollbehörden i.S.v. Art. 63, 67 ZK, Art. 203 DVO jederzeit möglich.2 Sobald eine nicht mehr wirksame Berichtigung der Zollanmeldung vorliegt, können § 371 AO und § 24 StGB eigenständige Wirkung entfalten.
1 OLG Hamburg, Urt. v. 23.12.1953 – Ss 182/53, ZfZ 1954, 313 f. zu § 76 Abs. 3 ZG 1939. 2 Henke in Witte, Art. 65 Rz. 2.
294
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO Literatur: Bilsdorfer, Aktuelle Probleme der Selbstanzeige, wistra 1984, 131; Brenner, Von der Strafbarkeit des steuerlichen Garanten (§ 153 AO), DRiZ 1981, 412; Bringewat, Gefährdung der Abzugsteuern im Vorfeld von Lohnsteuerhinterziehungen, NJW 1981, 1025; Dietz, Bestrafung wegen Steuerhinterziehung bei verspäteter Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer und Lohnsteuer?, DStR 1981, 372; Dörn, Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 3 AO), wistra 1994, 10; Dörn, Feststellung von Steuerverkürzungen durch die Außenprüfung, DStR 1995, 558; Dörn, Wirksame Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3 AO) in der Betriebsprüfung, Stbg 1998, 461; DStV, Stellungnahme: DStV für Straffreiheit der Steuergefährdung nach Selbstanzeige Stbg 1981, 12; DStV, Stellungnahme: Steuergefährdung soll bei Selbstanzeige nicht mehr mit Geldbuße geahndet werden, Stbg 1981, 233; Jestädt, „Kleine Selbstanzeige“ nach § 378 Abs. 3 AO und Anerkenntnis nach Außenprüfung, DStR 1994, 1605; Jestädt, Ist die „Kleine Selbstanzeige“ gemäß § 378 Abs. 3 AO nach einer Außenprüfung sinnvoll? BB 1998, 1394; Kretzschmar, Anm. zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 7.9.1983 – 3 Ss (13) 73/83, DStR 1985, 49; Lohmeyer, Erstattung von Selbstanzeigen zugunsten Dritter durch den Steuerberater, Stbg 1987, 348; Lohmeyer, Die Erstattung einer zur Bußgeldfreiheit führenden Anzeige nach § 378 Abs. 3 AO im Rahmen der Außenprüfung, INF 1982, 684; Lohmeyer, Die rechtliche Stellung des Steuerberaters in der Außenprüfung und im Verfahren wegen Steuerzuwiderhandlungen, DStR 1979, 584; Lohmeyer, Erstattung von Selbstanzeigen durch Bevollmächtigte, INF 1978, 11; Lohmeyer, Erstattung von Selbstanzeigen durch Bevollmächtigte, DStR 1964, 446; Müller, Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung durch Anerkennung des Betriebsprüfungsergebnisses?, DB 1981, 1480; Pfaff, Aktuelle Rechtsprobleme aus dem Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht, StBp 1983, 35; Pfaff, Problemfälle aus dem Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, StBp 1982, 90; Pfaff, Aktuelle Fragen aus der Praxis der Außenprüfung, StBp 1980, 156; Pfaff, Selbstanzeige eines Arbeitgebers nach leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 und 3 AO), DStR 1978, 137; Rackwitz, Zu den Anforderungen an die Berichtigungserklärung einer Selbstanzeige nach leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 3 AO), wistra 1997, 135; Spriegel, Zur Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung, BB 1986, 2310; Theil, Probleme beim Umgang mit der Selbstanzeige in der Praxis, BB 1983, 1274; Weinreuter, Selbstanzeige und Fremdanzeige im Steuerstrafrecht, DStZ 2000, 398; Wrenger, Probleme der Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO, DB 1987, 2325.
A. Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung § 378 Abs. 3 AO eröffnet dem Steuerpflichtigen in Anlehnung an den persönlichen Strafaufhebungsgrund des § 371 AO bei der vorsätzlichen Verkürzung von Steuern die Möglichkeit einer Bußgeldbefreiung für die leichtfertige Verkürzung von Steuern, soweit der Täter bei der Finanzbehörde eine Berichtigungserklärung vor der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens abgibt und die verkürzten Steuern nachentrichtet.
295
1228
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO
I. Entstehungsgeschichte der Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung 1229
Bis zum Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung vom 7.12.19511 hatte der Gesetzgeber keine Regelung zur Selbstanzeige im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung getroffen.
1230
Nachdem das OLG Stuttgart in der Entscheidung vom 17.7.19502 „auf Grund des Wortlauts“ des § 410 RAO eine Selbstanzeige sogar dann noch für zulässig erklärte, wenn der Täter die Feststellungen des Betriebsprüfers abgewartet und diese dem Finanzamt als „Berichtigung“ mitgeteilt hatte, wurde § 410 RAO durch das Gesetz vom 7.12.19513 bundeseinheitlich neu gefasst.4 Die negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige wurden in objektiver und subjektiver Hinsicht wesentlich verschärft. Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige wurde versagt, wenn im Zeitpunkt der Berichtigung ein Prüfer der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Prüfung erschienen ist oder dem Täter die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung bekannt gegeben worden ist oder wenn der Täter wusste oder damit rechnen musste, dass die Tat bereits entdeckt war.
1231
Diese verschärfenden Bestimmungen des § 410 AO waren für die große Zahl der fahrlässigen Steuerdelikte zu scharf und haben die Anwendung der Selbstanzeige zu sehr eingeschränkt, weshalb der Gesetzgeber § 411 AO im Jahr 1951 eingeführt hat.5
1232
Der Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 14.12.20106 sah vor, die Regelungssystematik und die Ausschlussgründe des § 371 Absatz 1 und 2 AO für die Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung zu übernehmen, indem alle Sperrwirkungstatbestände des Absatz 2 von § 371 AO entsprechend zur Anwendung gelangen sollten. Von diesem Vorhaben hat der Gesetzgeber Abstand genommen und sich auf eine sprachliche Anpassung des § 378 Abs. 3 AO beschränkt.
II. Zweck der Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung 1233
Ebenso wie mit der Selbstanzeige nach § 371 AO verfolgt der Gesetzgeber mit § 378 Abs. 3 AO den Zweck, dem Staat diejenigen Steuerquellen zu erschließen, die ihm infolge der Steuerverkürzung des Steuerpflichtigen verborgen blieben und die der Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben be-
1 2 3 4 5 6
BGBl. 1951 I 941. BB 1950, 582 f. BGBl. 1951 I 941. Vgl. auch Müller, DB 1981, 1480. Mießner, DStZ/B 1951, 544, 545. BT-Drucks. 17/4182.
296
A. Selbstanzeige im Falle leichtfertiger Steuerverkürzung
nötigt. Die Zielsetzung des Gesetzgebers wird im Zusammenhang mit § 371 AO erläutert.1
III. Rechtsnatur der Selbstanzeige Bei § 378 Abs. 3 AO handelt es sich um einen persönlichen Bußgeldaufhebungsgrund. Das BayObLG spricht auch von einem Bußgeldbefreiungsgrund2, der mit Rolletschke3 rechtsdogmatisch abzulehnen ist.
1234
IV. Anwendungsbereich der Selbstanzeige Der Anwendungsbereich des § 378 Abs. 3 AO umfasst die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO sowie die leichtfertige Verkürzung von Abgaben zu Marktordnungszwecken (§§ 12 Abs. 1, 35 MOG), von Abwasserabgaben (§ 14 AbwAG) sowie von Zulagen und Prämien (§§ 8 Abs. 2 WoPG, 14 Abs. 2 S. 15. VermBG, 5a Abs. 2 BergPG).
1235
Die bußgeldbefreiende Selbstanzeige ist bei der leichtfertigen Verkürzung von Monopoleinnahmen nicht möglich. § 128 Abs. 2 BranntwMonG verweist für das Bußgeldverfahren lediglich auf die §§ 409 bis 412 AO.4 § 128 Abs. 1 BranntwMonG, der auf die für das Strafverfahren wegen Steuerstraftaten geltenden Vorschriften der Abgabenordnung verweist, gelangt nur für Straftaten zur Anwendung, auch wenn im BranntwMonG nicht länger solche Straftaten normiert sind.
1236
Ferner soll eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige bei der Steuergefährdung nach § 379 AO, der Gefährdung von Abzugsteuern nach § 380 AO, der Verbrauchsteuergefährdung nach § 381 AO, der Gefährdung von Eingangsabgaben nach § 382 AO und dem unzulässigen Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen ausgeschlossen sein. Eine analoge Anwendung des § 378 Abs. 3 AO auf diese subsidiären Gefährdungstatbestände soll versperrt sein, auch wenn diese einen geringeren Unrechtsgehalt aufweisen. Joecks5 führt unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 11.7.19976 insoweit als Begründung aus, dass die Gefährdungstatbestände dadurch gekennzeichnet sind, dass der Steuerpflichtige seine Erklärungspflichten gegenüber dem Finanzamt noch nicht versäumt habe und die steuergefährdende Wirkung seines pflichtwidrigen Verhaltens in anderer Weise als durch eine Berichtigungserklärung wieder aus der Welt schaffen kann7 und dieses Bemühen bei der Ermessensaus-
1237
1 2 3 4
S. Rz. 258 ff. BayObLG, Urt. v. 3.3.1980 – RReg 4 St 266/79, DStR 1980, 385. StVerf, § 378 Rz. 48. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 378 Rz. 66; Schauf in Kohlmann, § 378 Rz. 128. 5 In Franzen/Gast/Joecks, § 378 Rz. 66. 6 2 BvR 997/92, wistra 1997, 297. 7 So auch Rolletschke, StVerf § 378 Rz. 52.
297
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO
übung im Rahmen des Opportunitätsprinzips nach § 47 OWiG zu berücksichtigen sei. Es bestehe mithin kein zwingendes praktisches Bedürfnis für die Anwendung der Selbstanzeigevorschriften. Außerdem habe der Gesetzgeber aus eben diesen Gründen auf eine Kodifizierung verzichtet.1 1238
Rolletschke führt weiterhin an, dass man den in dem BMF-Schreiben vom 29.7.19812 zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken, dass weniger schwerwiegende Steuergefährdungen bei Vorliegen einer Selbstanzeige nicht verfolgt werden sollten, im Sinne eines Regel-AusnahmeVerhältnisses umdeuten soll, so dass grundsätzlich eine Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG zu erfolgen hätte. Eine solche Auslegung des BMF-Schreibens lässt für den Betroffenen die erforderliche Rechtssicherheit vermissen.
1239
Mit Schauf3 ist auf die allgemeinen Regeln der Subsidiarität zu verweisen, wonach ein Strafaufhebungsgrund auch strafbefreiende Wirkung hinsichtlich des subsidiären Tatbestandes entfaltet, wenn dadurch ausschließlich die gefährliche Vorstufe der Verletzungsdelikte betroffen ist. Auch wenn die Gefährdungshandlungen nach §§ 379 bis 382 AO eine dem § 378 Abs. 3 AO entsprechende Regelung nicht vorsehen, leben die subsidiären Gefährdungstatbestände nicht wieder auf.
1240
Eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige ist bei den Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 160–163 StBerG sowie bei Aufsichtspflichtverletzungen in Betrieben und Unternehmen nach § 130 OWiG ausgeschlossen.4
B. Anforderungen an die Berichtigungserklärung I. Voraussetzungen der Berichtigungserklärung 1241
Bußgeldfreiheit tritt nach § 378 Abs. 3 AO ein, wenn der Steuerpflichtige – unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, – bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist – und er die verkürzten Steuern fristgerecht nachzahlt.
II. Positive Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige 1242
Die positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO decken sich mit denen der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 und 3 AO. 1 2 3 4
Rolletschke, StVerf § 378 Rz. 52 mit Verweisung auf BT-Drucks. V/1812, S. 27. IV A 8 – S 0711-3/81. In Kohlmann, § 378 Rz. 128. Schauf in Kohlmann, § 378 Rz. 128.
298
B. Anforderungen an die Berichtigungserklärung
1. Berichtigungserklärung a) Anforderungen an eine „Berichtigung“ An die Berichtigung nach § 378 Abs. 3 AO sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei § 371 AO. Der Täter muss unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigen oder ergänzen oder unterlassene Angaben nachholen. Wie bei § 371 AO verbergen sich hinter dem Begriff „Berichtigung“ mithin drei Arten der Berichtigungserklärung. Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 371 AO verwiesen.1
1243
b) Form der Selbstanzeige Auch hinsichtlich der Form der bußgeldbefreienden Selbstanzeige gelten die Ausführungen zu § 371 AO.2 Ebenso wie die Selbstanzeige im Falle der vorsätzlichen Steuerhinterziehung bedarf die bußgeldbefreiende Selbstanzeige des § 378 Abs. 3 AO keiner bestimmten Form; sie kann schriftlich oder mündlich erstattet werden.
1244
c) Inhalt der Selbstanzeige Grundsätzlich muss der Steuerpflichtige die Finanzbehörde durch die Berichtigung seiner Angaben in die Lage versetzen, dass diese auf der Basis der Angaben des Steuerpflichtigen ohne weitere langwierige, größere eigene Nachforschungen und unabhängig von der weiteren Mithilfebereitschaft des Steuerpflichtigen die betroffene Steuer zutreffend veranlagen kann.3
1245
Anders als die Selbstanzeige nach § 371 AO kann die bußgeldbefreiende Selbstanzeige auch noch während der Betriebsprüfung für alle Steuerarten und Prüfungszeiträume gegenüber dem Außenprüfer wirksam erstattet werden.4 Umstritten sind für diesen Fall die Anforderungen an den Inhalt der Selbstanzeige.
1246
Der BGH hat hierzu im Urteil vom 11.9.19525 ausgeführt, dass die Anerkennung des Ergebnisses der Betriebsprüfung durch den Steuerpflichtigen in der Regel zu einer erheblichen Abkürzung des weiteren Verfahrens führt, dem Staat so einen zumeist nicht unbeträchtlichen Aufwand erspart und der Steuerstraftäter hierzu aber im Allgemeinen nur geneigt sein wird, wenn er sich straffrei weiß. Der BGH betont in dem angeführten Urteil, dass die Anerkennung des Betriebsprüfungsergebnisses ganz i.S. wohlverstandener fiskalischer Interessen den positiven Effekt hat, das
1247
1 Rz. 282, 286 ff. 2 Rz. 291 ff. 3 BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 376; vgl. die Ausführungen zu § 371 AO Rz. 304 ff. 4 BayObLG, Beschl. v. 2.12.1980 – 4 St 168/80, DB 1981, 874. 5 5 StR 172/52.
299
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO
weitere Verwaltungsverfahren abzukürzen. Folglich reicht die Anerkennung des Ergebnisses einer Betriebsprüfung für die Berichtigung bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung aus. 1248
Nach einer in Literatur1 und Rechtsprechung2 vertretenen Ansicht soll es jedoch erforderlich sein, dass der Täter einen eigenen, von der Ermittlungstätigkeit der Finanzbehörde unabhängigen Beitrag leistet, um Bußgeldfreiheit zu erlangen. Das bloße Anerkennen der Feststellungen des Außenprüfers genüge nicht; der Täter müsse darüber hinaus weiteres Material zur Verfügung stellen, also neue Tatsachen erklären. Diese restriktive Auslegung gebiete der steuerpolitische Zweck der Regelung, dem Fiskus bisher unbekannte Steuerquellen zu erschließen.
1249
Das OLG Oldenburg schließt sich im Beschluss vom 18.9.19973 nicht der in der Rechtsprechung zum Teil vertretenen Auffassung an, in Fällen, in denen der Betriebsprüfer die gekürzten Steuern bereits dem Grund und der Höhe nach ermittelt hat und dem Steuerpflichtigen somit keine Möglichkeit zu einer weiteren Aufklärung bleibt, genüge dieser den Anforderungen an eine befreiende Selbstanzeige dadurch, dass er das Prüfungsergebnis anerkenne und die zurückgehaltenen Steuern nachentrichte. Das OLG führt aus, dass die Vergünstigung nach ihrem Zweck, dem Staat bisher unbekannte Steuerquellen zu erschließen, stets voraussetzt, dass der Steuerpflichtige einen eigenen, von der Ermittlungstätigkeit der Behörde unabhängigen Beitrag zur Richtigstellung der bisher unrichtigen Angaben leistet. Allein die nachträgliche Bekundung eines möglicherweise vorhanden gewesenen Mitwirkungswillens reiche nicht aus. Hierin liege, so das OLG Oldenburg, keine Schlechterstellung derjenigen Steuerpflichtigen, die dem Betriebsprüfer von vornherein sämtliche Unterlagen zur Verfügung stellen, gegenüber denjenigen, die dies zunächst nur teilweise tun, so dass der Betriebsprüfer die Steuerverkürzung lediglich dem Grunde nach erkennen kann und zur Ermittlung der Höhe der weiteren Mithilfe des Steuerpflichtigen bedarf. Auch in einem solchen Fall ist von einer befreienden Selbstanzeige nur auszugehen, wenn die Hilfe über die Erfüllung der ohnehin bestehenden Pflicht des Steuerpflichtigen hinausgeht, dem Betriebsprüfer die notwendigen Unterlagen auszuhändigen, § 200 AO.
1250
Auch das OLG Karlsruhe lässt im Beschluss vom 30.11.19954 die Vorlage sämtlicher relevanter Unterlagen in der Außenprüfung für die Berichtigung ausreichen, wenn der Prüfer den Umfang der Steuerverkürzung be1 Samson in Franzen/Gast/Samson, § 378 Rz. 58; Rüping in HHSp., § 378 Rz. 62; Rackwitz, wistra 1997, 135; Müller, DB 1981, 1480, 1485; Lohmeyer, INF 1982, 684; Coring, DStR 1963, 373, 375; Dörn, DStR 1995, 558, 559. 2 BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 375; OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.9.1997 – Ss 335/97 wistra 1998, 71; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.11.1995 – 2 Ss 158/95, wistra 1996, 117. 3 Ss 335/97, wistra 1998, 71. 4 2 Ss 158/95, wistra 1996, 117.
300
B. Anforderungen an die Berichtigungserklärung
reits ermittelt hat, bevor er den Betroffenen hiervon in Kenntnis setzt. Das OLG Karlsruhe führt in seinem Urteil aus, dass die Grundsätze für die vorsätzliche Tatbegehung nicht generell auf die Fälle der leichtfertigen Steuerverkürzung übertragen werden können. Auch das OLG Karlsruhe hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass die Gegenauffassung verkenne, dass in Fällen der leichtfertigen Steuerverkürzung der Steuerpflichtige in der Regel gutgläubig ist und von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben häufig erst durch die Prüfung der Finanzbehörde Kenntnis erlangt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Steuerpflichtige somit keinen Anlass, entsprechende aufklärende Tätigkeiten zu entfalten. Anderes kann nur dann gelten, wenn er den Fehler selbst nachträglich bemerke. Dann wird von ihm verlangt werden müssen, erhebliche Aktivitäten in obigem Sinne zu entwickeln. Dasselbe gilt, wenn nach Entdeckung der Steuerverkürzung weiterer Aufklärungsbedarf besteht, dem der Steuerpflichtige durch eigene Beiträge nachkommen kann und muss. Soweit der Betroffene dem Prüfer sämtliche relevanten Unterlagen bereits zur Verfügung gestellt und dieser den Umfang der Steuerverkürzung bereits ermittelt hat, als er den Betroffenen hiervon in Kenntnis setzt, genügt dies für eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige i.S.v. § 378 Abs. 3 AO. Der Betroffene hatte überhaupt keine Möglichkeit mehr, zusätzliche Aufklärungsbeiträge zu leisten, sondern konnte lediglich den Grund für sein früheres Verhalten erklären und das Prüfungsergebnis anerkennen. In derartigen Fällen wäre der Steuerpflichtige gegenüber demjenigen ungerechtfertigt schlechter gestellt, der etwa vorhandene Unterlagen noch nicht vollständig zur Verfügung gestellt, also weniger zur Aufklärung beigetragen hat und weitere Angaben noch nachholen kann. Die Anerkennung des Prüfungsergebnisses muss dabei nicht förmlich gegenüber der Finanzbehörde erklärt werden1, ausreichend ist eine stillschweigende Anerkennung.2
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Û
1252
Hinweis: Die Vertreter der restriktiven Auslegung des § 378 Abs. 3 AO3 führen auf diesem Weg jedoch indirekt den Sperrwirkungstatbestand der Tatentdeckung ein. Dies widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 378 Abs. 3 AO und läuft auf eine nach Art. 103 Abs. 2 GG unzulässige Analogie zuungunsten des Täters hinaus.4 Der BGH hat hierzu im Urteil vom 11.9.19525 ausgeführt, dass auf dem Gebiet des Strafrechts nicht die Möglichkeit bestehe, im Wege der Aus-
1 OLG Hamm, Urt. v. 24.5.1961 – 3 Ss 354/61, DB 1961, 968; Spriegel, BB 1986, 2310, 2312. 2 Schauf in Kohlmann, § 378 Rz. 135; Dörn, wistra 1994, 12; Dörn, DStR 1995, 558, 559. 3 BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373, 375; OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.9.1997 – Ss 335/97, wistra 1998, 71; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.11.1995 – 2 Ss 158/95, wistra 1996, 117. 4 Schauf in Kohlmann, § 378 Rz. 136. 5 5 StR 172/52.
301
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO
legung von dem klaren Gesetzeswortlaut zum Nachteil eines Angeklagten abzuweichen. d) Person des Anzeigeerstatters 1253
Die bußgeldbefreiende Selbstanzeige kann sowohl vom Täter als auch von Dritten erstattet werden. Berichtigt ein Dritter ohne ausdrückliche vorherige Bevollmächtigung Angaben für den Steuerpflichtigen mit bußgeldbefreiender Wirkung, ist allerdings eine nachträgliche Genehmigung des Steuerpflichtigen erforderlich.1 2. Fristgerechte Nachzahlung
1254
Der Täter muss die verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist nachentrichten, andernfalls verwirkt er seine Anwartschaft auf Bußgeldbefreiung (§ 378 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 371 Abs. 3 AO).2 Denjenigen, der keinen eigenen Steuervorteil aus der Tat gezogen hat, trifft keine Nachzahlungspflicht.3 Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde der Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO, auf den § 378 Abs. 3 S. 2 AO verweist, geändert, demnach der Täter die aus der Tat hinterzogenen Steuern innerhalb einer angemessenen Frist entrichten muss. Für die Wirkung einer Teilzahlung auf Grund der Neufassung von § 371 Abs. 3 AO wird auf die Kommentierung zu § 371 Abs. 3 AO verwiesen.4
III. Negative Wirksamkeitsvoraussetzung 1255
Während sich die positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO mit denen der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 und 3 AO decken, führt § 378 Abs. 3 AO als Sperrwirkungstatbestand lediglich die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens an. Der Ausschlussgrund des § 378 Abs. 3 AO deckt sich mithin mit dem des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. Eine Selbstanzeige ist auch noch nach Erscheinen eines Amtsträgers zu Prüfungs- oder Ermittlungszwecken und nach Entdeckung der Tat möglich.
1256
Der steuerpolitische Zweck der Selbstanzeige, dem Fiskus bisher verborgene Steuerquellen zu erschließen, kann allerdings nach Erscheinen eines Amtsträgers bzw. nach Entdeckung der Tat kaum noch erreicht werden. Dennoch erscheint die gegenüber § 371 AO weitergefasste Selbstanzeigemöglichkeit bei leichtfertiger Steuerverkürzung gerechtfertigt. Der Täter wird sich der leichtfertigen Verkürzung erst bewusst, wenn der Betriebs-
1 Vgl. auch Lohmann, INF 1978, 11, 13 und DStR 1964, 446 mit einer differenzierenden Betrachtung. 2 Vgl. die Ausführungen zu § 371 AO, Rz. 497 ff. 3 Dörn, wistra 1994, 11; Brenner, DRiZ 1981, 412, 415. 4 Vgl. Rz. 616 ff.
302
B. Anforderungen an die Berichtigungserklärung
prüfer mit der Außenprüfung bereits begonnen hat.1 Der Gesetzgeber war sich bei Erlass des Gesetzes zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung vom 7.12.19512 bewusst, dass mit Übernahme der Sperrwirkungstatbestände wie bei der vorsätzlichen Steuerhinterziehung eine Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung nahezu ausgeschlossen ist. Außerdem ist die Gefahr des Missbrauchs dieser großzügigen Regelung im Hinblick auf § 153 AO zu bewerten. § 153 Abs. 1 AO ergänzt die §§ 149, 150 AO, wonach die Verpflichtung besteht, die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach besten Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 S. 1 AO). Erkennt der Steuerpflichtige nach Abgabe der Steuererklärung, dass er dieser Verpflichtung nicht gerecht geworden ist, so hat er aufgrund seines vorangegangenen pflichtwidrigen Tuns die Pflicht, die Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) zu berichtigen (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). Wird die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung aus § 153 AO nicht erfüllt, kann dies den Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen i.S.v. § 371 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllen.3 Straffreiheit erlangt der Steuerpflichtige nur, indem er eine Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet. Diese wird jedoch regelmäßig ausgeschlossen sein. Mithin ist die Zeitspanne, in der der Täter eine Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO erstatten kann, kurz bemessen.
1257
IV. Bußgeldfreiheit im Falle der Berichtigung nach § 153 AO In Folge der Verweisung in § 378 Abs. 3 S. 2 AO auf § 371 Abs. 4 AO kommt die Bußgeldfreiheit auch Personen zugute, die gemäß § 153 AO zur Anzeige verpflichtet sind.
1258
V. Folgen der Selbstanzeige 1. Umfang der Sperrwirkung Eine Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO ist nicht gesperrt, soweit der Täter sowohl eine leichtfertige als auch eine vorsätzliche Steuerhinterziehung bewirkt hat und die Finanzbehörde das Steuerstrafverfahren wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung bereits bekannt gegeben hat.4 Die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung betrifft eine andere Tat.5 1 BayObLG, Beschl. v. 30.3.1978, MDR 865; BayObLG, Beschl. v. 2.12.1980 – 4 St 168/80 –, ZfZ 1981, 183; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 378 Rz. 67; Rüping in HHSp., § 378 Rz. 57; Müller, DB 1981, 1480, 1482; a.A. Firnhaber, S. 54 ff. 2 BGBl. 1951 941. 3 BGH, Urt. v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 375 ff.; FG Berlin, Urt. v. 27.1.1999 – 2 K 2138/97 – EFG 1999, 680. 4 Schauf in Kohlmann, § 378 Rz. 148. 5 Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 355.
303
1259
5. Kapitel: Berichtigung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO
2. Verfolgungsverjährung 1260
Die Verfolgungsverjährung tritt gem. § 384 AO abweichend von § 31 Abs. 2 OWiG nach fünf Jahren ein. Die Verfolgungsverjährung im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung entspricht damit der Verfolgungsverjährung im Falle der vorsätzlichen Steuerhinterziehung. Der Gesetzgeber hat insoweit ausgeführt, dass eine kürzere Verfolgungsverjährung als fünf Jahre die Wirksamkeit der Bußgeldvorschrift in einem nicht tragbaren Maße einschränken würde, da die Entdeckung einer leichtfertigen Steuerverkürzung von denselben Umständen abhängig ist wie die Entdeckung einer vorsätzlichen Steuerverkürzung.1 3. Verlängerung der Festsetzungsfrist
1261
In den Fällen der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO beträgt die steuerliche Festsetzungsverjährungsfrist zur Nacherhebung der leichtfertig verkürzten Steuern fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). 4. Festsetzung von Hinterziehungszinsen
1262
Die leichtfertige Steuerverkürzung wird vom Anwendungsbereich des § 235 AO nicht erfasst, mithin fallen keine Hinterziehungszinsen an.
1 BT-Drucks. V/1812, S. 27.
304
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO Literatur: Helmrich, Berichtigungserklärung gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO – insbesondere bei unaufklärbarem Sachverhalt, DStR 2009, 2132; Müller, Ausgewählte Fragen zur Berichtigungspflicht nach § 153 AO, DStZ 2005, 25; Müller, Die Berichtigungserklärung nach § 153 AO, SteuerStud 2005, 141; Weidemann, Zur Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wistra 2010, 5; Wulf, Praxishinweis zur Berichtigungspflicht nach § 153 AO, Stbg 2010, 295.
A. Sinn und Zweck der Berichtigungserklärung Von der Selbstanzeige zu unterscheiden ist die Nacherklärung gem. § 153 AO. Während § 371 AO eine vorsätzliche Steuerverkürzung voraussetzt, trifft die Nacherklärungspflicht denjenigen, der nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) feststellt, dass ohne eine Steuerhinterziehung frühere Erklärungen unbewusst falsch waren. Wird die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung aus § 153 AO nicht erfüllt, kann dies den Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen i.S.v. § 371 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllen.1
1263
§ 153 Abs. 1 AO ergänzt die §§ 149, 150 AO, wonach die Verpflichtung besteht, die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 S. 1 AO) und verpflichtet den Steuerpflichtigen und die übrigen dort Genannten bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) zur Anzeige und Berichtigung von Erklärungsfehlern, wenn sie nach Abgabe der Steuererklärung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennen. Die Berichtigungspflicht erstreckt sich ausschließlich auf Steuererklärungen, einschließlich der Steueranmeldungen des § 150 Abs. 1 S. 3 AO (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) sowie auf die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern, wenn die zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO sind auch die Gesamtrechtsnachfolger und die gem. §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen handelnden Personen zur Berichtigung verpflichtet. § 153 Abs. 2 AO regelt die Anzeigepflicht für die Fälle, in denen nachträglich Tatsachenveränderungen bei Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder sonstigen Steuervergünstigungen eintreten. § 153 Abs. 3 AO betrifft den Spezialfall der zweckwidrigen Verwendung von Waren, für die eine Verbrauchsteuervergünstigung gewährt worden ist.
1264
Û
1265
Hinweis: Die Berichtigungserklärung nach § 153 AO ist identisch mit der Selbstanzeigeerklärung im Sinne der §§ 371 Abs. 1 bzw. 378 Abs. 3 AO. Der Unterschied liegt ausschließlich im Verschulden hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung. Eine Selbstanzeige
1 BGH, Urt. v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 376; FG Berlin, Urt. v. 27.1.1999 – 2 K 2138/97 – EFG 1999, 680.
305
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
im Sinne der §§ 371 Abs. 1, 378 Abs. 3 AO ist nur dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich bzw. leichtfertig eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben hat, die er später berichtigt, während der Anzeigepflichtige bei § 153 AO die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit bei Abgabe der Steuererklärung (u.U. auch fahrlässig) nicht kannte, sondern diese erst nachträglich erkennt.
B. Rechtsentwicklung der Berichtigungserklärung 1266
Die Berichtigungspflicht nach § 153 AO geht im Wesentlichen auf das Gutachten des RFH vom 4.12.19331 zurück. Danach sollte ein Steuerpflichtiger, der eine Steuererklärung unvollständig oder unrichtig abgegeben hatte, verpflichtet sein, die Erklärung unverzüglich und ohne besondere Aufforderung zu ergänzen oder zu berichtigen, sobald er die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit erkennt. Diese Pflicht soll den Steuerpflichtigen auch dann treffen, wenn ihn keinerlei Verschulden an der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung trifft. Die Grundzüge des Gutachtens wurden durch § 28 Nr. 36 EinfGRealStG vom 1.12.19362 in § 165e RAO übernommen. Durch § 153 Abs. 1 S. 1 AO wurde klargestellt, dass die Berichtigungspflicht nicht nur eingreift, wenn die Gefahr einer Steuerverkürzung besteht, sondern auch dann, wenn die Steuerverkürzung bereits eingetreten ist. § 153 Abs. 1 S. 2 AO ist dem § 117 Abs. 1 und 3 RAO nachgebildet. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO knüpft an § 165e Abs. 1 RAO an, § 153 Abs. 2 AO an § 165e Abs. 3 RAO und § 153 Abs. 3 AO an § 165e Abs. 2 RAO. § 153 Abs. 3 AO lässt sich auf § 392 Abs. 2 RAO zurückführen.3
C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO 1267
Ein Steuerpflichtiger oder sonst Verpflichteter muss nachträglich, aber vor Ablauf der Verjährungsfrist, erkennen, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist (Nr. 1) oder dass eine durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist (Nr. 2).
I. Berichtigungspflichtige Personen 1268
Adressaten der Verpflichtung nach § 153 Abs. 1 AO sind der Steuerpflichtige (§ 33 AO), sein Gesamtrechtsnachfolger (§ 45 AO) und die nach §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen oder seinen Gesamtrechtsnachfol1 RStBl. 1934, 24 ff. 2 RGBl. 1936 I 961, 969 f. 3 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 370 Rz. 187.
306
C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
ger handelnden Personen. Im Falle der Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern trifft die Berichtigungspflicht den Entrichtungsschuldner. 1. Steuerpflichtiger i.S.d. Berichtigungserklärung § 153 Abs. 1 S. 1 AO verpflichtet den Steuerpflichtigen zur Abgabe der Berichtigungserklärung. Der Begriff des Steuerpflichtigen ist in § 33 AO definiert.
1269
a) Steuerpflichtige Umstritten ist, inwiefern die Berichtigungspflicht nur steuererklärungspflichtige Personen oder alle Steuerpflichtigen i.S.v. § 33 Abs. 1 AO, soweit sie selbst Erklärungen – nicht nur Steuererklärungen – abgeben oder sie durch Dritte abgeben lassen, trifft.
1270
Die Systematik des Gesetzes lässt die Auslegung des § 153 Abs. 1 S. 1 AO dahingehend zu, dass die Berichtigungspflicht sich auf steuererklärungspflichtige Personen beschränkt. Dies umfasst auch die Abgabe von Steueranmeldungen i.S. des § 150 Abs. 1 S. 3 AO. Sonstige Angaben sind nicht berichtigungspflichtig, auch wenn in § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nur allgemein von Erklärungen und nicht wie noch in § 165e RAO von Steuererklärungen die Rede ist. Dies ergibt sich u.a. aus der Systematik des Gesetzes. § 153 Abs. 1 S. 1 AO ist im Unterabschnitt „Steuererklärungen“ angeführt. Zudem ergänzt § 153 AO die Steuererklärungspflicht nach § 149 AO und die in § 150 Abs. 2 S. 1 AO besonders normierte Wahrheitspflicht, welche auch nach Abgabe der Steuererklärung fortbesteht, um eine zusätzliche Korrekturpflicht.1 Anknüpfungspunkt ist die Verletzung der Steuererklärungspflicht. Selbst in § 150 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 S. 1 AO spricht der Gesetzgeber lediglich vom Steuerpflichtigen und nicht vom Steuererklärungspflichtigen, obwohl er ausschließlich auf die Abgabe der Steuererklärung abstellt. Entgegen der von Heuermann vertretenen Ansicht2 unter Verweisung auf die Rechtsprechung3, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut es nicht zulasse, aus der Gesetzessystematik das Argument abzuleiten, die Berichtigungspflicht treffe nur steuererklärungspflichtige Personen, ist der Gesetzeswortlaut im Hinblick auf die vom Gesetzgeber getroffene Wortwahl in § 150 AO daher nicht eindeutig und somit auslegungsbedürftig. Soweit Heuermann4 anführt, dass kein sachlicher Grund bestehe, da die Berichtigungspflicht generell als Ergänzung der Erklärungs- und Wahrheitspflicht nach § 90 Abs. 1 AO gedacht sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass § 150 Abs. 2 S. 1 AO eine Wahrheitspflicht
1271
1 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 1a. 2 In HHSp., § 153 Rz. 2. 3 FG Düsseldorf, Urt. v. 24.5.1989 – 4 K 397/83 AO, EFG 1989, 491; FG Nürnberg, Urt. v. 24.3.1993 – V 168/90, EFG 1993, 698, 700. 4 In HHSp., § 153 Rz. 2.
307
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
nur für Steuererklärungspflichtige normiert. Diese speziellere Normierung geht dem § 90 Abs. 1 AO vor. § 153 AO ist daher nicht auf alle Erklärungen zu beziehen, sondern nur auf Steuererklärungen, so dass Auskünfte, die auf Anfrage der Finanzbehörde erteilt werden, nicht berichtigungspflichtig sind. § 153 AO begründet daher nur eine Berichtigungspflicht für steuererklärungspflichtige Personen. b) Nicht Steuerpflichtige 1272
§ 33 Abs. 2 AO grenzt den Begriff des Steuerpflichtigen negativ ab. Nicht berichtigungspflichtig ist, wer in fremder Steuersache Auskunft zu erteilen (§ 93 AO), Urkunden vorzulegen (§ 97 AO), ein Sachverständigengutachten zu erstatten (§ 96 AO) oder das Betreten von Grundstücken, Geschäfts- und Betriebsräumen zu gestatten hat (§ 99 AO).
1273
Û
Hinweis zur Berichtigungspflicht von Eheleuten: Um eine fremde Steuersache handelt es sich, soweit Ehegatten im Falle der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) eine gemeinsame Steuererklärung abgeben (§ 25 Abs. 3 S. 2 EStG). Beide Ehegatten müssen den Mantelbogen eigenhändig unterschreiben (§ 25 Abs. 3 S. 5 EStG). Sie versichern damit, die Angaben wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben (§ 150 Abs. 2 S. 1 AO). Mit dieser schriftlichen Versicherung wird dem Steuerpflichtigen persönlich die Verpflichtung auferlegt, Angaben in der Steuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Er soll durch seine eigenhändige Unterschrift erkennbar die Verantwortung für die tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung übernehmen. Ferner soll sichergestellt werden, dass sich der Steuerpflichtige über die Lückenlosigkeit und Richtigkeit der ggf. von einem Dritten, also insb. von seinem steuerlichen Berater vorgenommenen Eintragungen und den Umfang der im Vordruck vorgesehenen Angaben vergewissert hat. Jeder Ehegatte erklärt nur das Wissen aus der eigenen Sphäre, nicht aus der des anderen Ehegatten. Die Steuererklärung ist eine Wissenserklärung in eigener Sache. Die Steuerpflicht erstreckt sich nur auf das Einkommen desjenigen Ehegatten, der das betreffende Einkommen erzielt hat. Die Ehegatten sind nicht dazu verpflichtet, sich gegenseitig steuerlich zu kontrollieren. Dies ist Ausdruck der verfassungsrechtlich geschützten spezifischen Privatsphäre von Ehe und Familie. Einen Ehegatten trifft daher nur hinsichtlich der ihn betreffenden Angaben die Berichtigungspflicht.1 Eine Berichtigungspflicht falscher Angaben durch den mitunterzeichnenden Ehegatten kann selbst dann nicht gefordert werden, wenn er nachträglich bemerkt hat, dass der andere Ehegatte unzutreffende
1 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 8; Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 4; Heuermann in HHSp., § 153 Rz. 6; Reinisch, DStR 1965, 589.
308
C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
Angaben gemacht hat. Dies ergibt sich aus dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 101 AO.1 2. Berichtigungspflichtige Personen § 153 Abs. 1 S. 2 AO zieht den Gesamtrechtsnachfolger (§ 45 AO) des Steuerpflichtigen sowie die nach §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen oder den Gesamtrechtsnachfolger Handelnden in die Verpflichtung zur Abgabe der Berichtigungserklärung mit ein.
1274
a) Gesamtrechtsnachfolger aa) Berichtigungspflicht der Gesamtrechtsnachfolger Die Berichtigungspflicht des Gesamtrechtsnachfolgers bezieht sich auf die von seinem Rechtsvorgänger abgegebenen Erklärungen.2 Nicht erfasst ist der Fall, dass der Erbe nachträglich erkennt, dass er selbst eine unrichtige Steuererklärung abgegeben hat. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien.3 Es handelt sich um eine in seiner Person entstehende Pflicht. Eine Gesamtrechtsnachfolge setzt den kraft Gesetzes erfolgenden Übergang eines gesamten Vermögens oder Sondervermögens voraus.4 Wesentlich ist, dass der Vermögensübergang kraft Gesetzes erfolgt. Als nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO verpflichtete Gesamtrechtsnachfolger kommen in Betracht: Erben (§ 1922 Abs. 1 BGB), Nacherben (§ 2139 BGB), der Eintritt in eine Gütergemeinschaft (§ 1416 Abs. 2 BGB). Eine Gesamtrechtsnachfolge ist auch gegeben bei der Anwachsung des Anteils am Gesellschaftsvermögen bei Ausscheiden eines Gesellschafters gem. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn von mehreren Gesellschaftern bis auf einen alle ausscheiden und der allein verbleibende Gesellschafter das Unternehmen allein weiterführt5, bei der Übernahme des Geschäfts durch einen Gesellschafter gemäß § 142 HGB6, bei der Verschmelzung von Gesellschaften nach dem Aktiengesetz und der Umwandlung von Gesellschaften nach dem Umwandlungsgesetz. Der Vermögensübergang durch Gesamtrechtsnachfolge vollzieht sich beispielsweise, wenn eine GmbH gem. § 46 i.V.m. § 3 Abs. 2 und § 4 UmwG in der Weise umgewandelt wird, dass ihr Vermögen unter Ausschluss der Abwicklung auf einen ihrer Gesellschafter übertragen wird (Fall der sog. verschmelzenden Umwandlung).7 In den
1 2 3 4 5
Seer in Tipke/Kruse, § 150 Rz. 27. So auch Samson, wistra 1990, 245, 248. Vgl. die Begründung zum Entwurf der AO 1974, BT-Drucks. VI/1982, S. 129. BFH, Urt. v. 28.10.1970 – I R 72/68, BStBl. 1971 II 26, 27. BFH, Urt. v. 28.4.1965 – II 9/62, BStBl. 1965 II 422; BFH, Urt. v. 18.9.1980 – V R 175/74, BStBl. 1981 II 293; BFH, Urt. v. 16.11.1989 – IV R 29/89, BStBl. 1990 II 272; BFH, Urt. v. 9.12.1987 – II R 47/84, BFH/NV 1989, 350; BFH, Beschl. v. 21.3.1995 – I B 123/94, BFH/NV 1995, 864. 6 BFH, Urt. v. 11.8.1993 – III R 83/89, BFH/NV 1994, 263. 7 BFH, Urt. v. 14.10.1992 – I R 17/92, BStBl. 1993 II 352.
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1275
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
vorgenannten Fällen besteht eine Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 1 S. 2 AO. 1276
Û
Hinweis: An einer Gesamtrechtsnachfolge und somit an einer Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO fehlt es dagegen, wenn das Vermögen nicht übertragen (z.B. bei Ausschlagung einer Erbschaft)1 oder nicht als Ganzes oder aber durch Rechtsgeschäft übertragen wird (z.B. Erbschaftskauf, § 2371 BGB) sowie beim Vermächtnis (§ 2174 BGB).2 Auch der Hoferbe gem. § 4 HöfeO ist kein Gesamtrechtsnachfolger.3 Eine Gesamtrechtsnachfolge findet weiterhin nicht statt bei einer Ausgliederung durch Neugründung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG4 und bei der Fortführung des Handelsgeschäfts unter der Firma i.S.d. §§ 22, 25 HGB.5
bb) Anzeige- und Berichtigungspflicht im Erbfall 1277
Todesfälle bergen für die Erben ein großes Verantwortungs- aber auch Risikopotential. Neben der Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 AO bestehen weitere Anzeigepflichten, die im Folgenden wegen ihrer Tragweite dargestellt werden:
1278
Nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist der Erbe verpflichtet, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Kenntnis von dem Anfall den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Die Anzeigepflicht entfällt gem. § 30 Abs. 3 ErbStG, wenn das Erbschaftsteuerfinanzamt auf andere Weise als durch die Anzeige des Erwerbers in die Lage versetzt worden ist, zu prüfen, ob beim Steuerpflichtigen ein erbschaftsteuerbarer Vorgang vorliegt.
1279
Darüber hinaus ist gem. § 31 Abs. 1 ErbStG jeder an einem Erbfall Beteiligte auf Verlangen der Finanzbehörde verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben;6 die Frist zur Abgabe der Erklärung muss mindestens einen Monat betragen. Die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung gilt zugleich als Anzeige gem. § 30 Abs. 1 ErbStG.
1280
Erfährt der Erbe bei der Erbauseinandersetzung, dass der Erblasser Steuern hinterzogen hatte, ist der Erbe auch zur Berichtigung der Steuererklärungen des Erblassers nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 AO verpflichtet, soweit keine Strafbarkeit des Erben in Form der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) bzw. Beihilfe (§ 27 StGB) zur Steuerhinterziehung des Erblassers ge1 FG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.1961 – VI 8/60, EFG 1962, 269; FG München, Urt. v. 1.2.1968 – 143–144/65, EFG 1968, 304. 2 BFH, Urt. v. 6.3.1975 – IV R 213/71, BStBl. 1975 II 739. 3 BFH, Urt. v. 26.3.1987 – IV R 20/84, BStBl. 1987 II 561; Hinweis: § 142 HGB wurde durch das HRefG zum 1.7.1998 aufgehoben, vgl. § 131 HGB. 4 BFH, Urt. v. 7.8.2002 – I R 99/00, BFH/NV 2003, 267. 5 BFH, Urt. v. 11.4.1991 – V R 86/85, BStBl. 1991 II 729, 731. 6 BFH, Urt. v. 5.5.1999 – II R 96/97, BFH/NV 1999, 1341.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
geben ist. Erfüllt der Erbe die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung aus § 153 AO nicht, kann dies den Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen i.S.v. § 371 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllen.1 Eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO ist auch dann gegeben, wenn der Erbe nach Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung weitere Nachlassgegenstände auffindet.2
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1281
Hinweis: Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO birgt ein 1282 großes Risiko für den Erben, denn neben der Erbschaftsteuer ist er auch zur Nachentrichtung der vom Erblasser hinterzogenen Steuer und der Hinterziehungszinsen verpflichtet. Hinzu kommen die Kosten für die steuerliche Beratung und für die Nachforderung von Unterlagen u.a. bei Banken und Versicherungen. Die Belastung kann damit für den Erben derart hoch sein, dass dem Erben nicht ohne weiteres zur Annahme der Erbschaft geraten werden kann. Dem Erben müssen die Folgen klar dargelegt werden, insb. in Fällen, in denen der Erblasser das Vermögen vor seinem Ableben zum großen Teil aufgebraucht hat. Der Erbe kann allerdings die Erbschaft i.d.R. nur innerhalb von sechs Wochen ausschlagen (§ 1344 Abs. 1 BGB). Dies ist in solchen Fällen fatal, in denen der Erbe nach Ablauf der Ausschlagungsfrist feststellt, dass der Erblasser nicht nur seine Kapitaleinkünfte nicht erklärt hat, sondern auch niemals zuvor eine Steuererklärung abgegeben hat.
Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat zu seinen Lebzeiten nie in den Steuererklärungen seine ausländischen Zinseinnahmen erklärt. Seine die Steuererklärung mitunterzeichnende Ehefrau und seine Kinder erben das Vermögen von S. Bei der Erbauseinandersetzung stellen sie die Steuerverfehlungen des S fest. Sind die Erben zur Berichtigungsanzeige verpflichtet? Gem. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 AO sind die Erben verpflichtet, die falschen Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt zu korrigieren. Die Ehefrau, welche die Steuererklärung im Rahmen der Zusammenveranlagung (§ 25 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 26b EStG) eigenhändig unterschrieben hat (§ 25 Abs. 3 S. 5 EStG), trifft die Anzeigepflicht jedoch nur, soweit sie sich nicht selbst wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist nur anwendbar, soweit der Berichtigungspflichtige die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Erklärung nicht bereits bei Abgabe der Steuererklärung kannte.3 Hat sich die Ehefrau darauf be1 BGH, Urt. v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 376; FG Berlin, Urt. v. 27.1.1999 – 2 K 2138/97 – EFG 1999, 680; so auch das Merkblatt des BMF zur Anwendung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung v. 3.2.2004; dem kritischen Hinweis von Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 410 für den Fall, dass die unrichtige Steuererklärung des Erblassers bereits zu der Steuerverkürzung geführt hat, ist zuzustimmen. 2 BFH, Urt. v. 30.1.2002 – II R 52/99, BFH/NV 2002, 917; a.A. FG Düsseldorf, Urt. v. 26.3.1999 – 18 K 2662/95 AO, EFG 1999, 1239; nicht eindeutig FG Bad.-Württ., Urt. v. 20.9.1999 – 9 K 216/99, EFG 2000, 1021. 3 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504 ff.; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 14; Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 18; Krabbe in Koch/ Scholz, § 153 Rz. 5; Brenner, DRiZ 1981, 412, 413.
311
1283
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO schränkt, die gemeinsame Einkommensteuererklärung zu unterschreiben, in welcher der verstorbene Ehemann unrichtige oder unvollständige Angaben über seine Einkünfte gemacht hat, hat sie sich nicht als Mittäterin oder Teilnehmerin einer Steuerhinterziehung strafbar gemacht.1 Ein nachträgliches Erkennen der Unrichtigkeit i.S.v. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist gegeben, so dass die Ehefrau neben den Kindern zur Berichtigung verpflichtet ist. Anders verhält es sich dann, wenn der Tatbeitrag über die bloße Unterschriftsleistung hinausgeht, z.B. bei aktiver Unterstützung der Tat des verstorbenen Ehegatten.
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1285
Nach § 33 Abs. 1 ErbStG sind Kreditinstitute einschließlich Postbanken und Bausparkassen sowie andere gewerbsmäßige Vermögensverwalter, z.B. Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare und Wirtschaftsprüfer, die zwar kein Gewerbe betreiben, aber doch i.S.v. § 33 Abs. 1 ErbStG geschäftsmäßig handeln, zur Anzeige von Vermögenswerten, die dem Erblasser zustanden, an das Erbschaftsteuer-Finanzamt verpflichtet. Versicherungsunternehmen sind nach § 33 Abs. 3 ErbStG zur Anzeige verpflichtet, wenn sie eine Versicherungssumme (z.B. aus einer Lebensversicherung) an einen anderen als den Versicherungsnehmer auszahlen.
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Nach § 34 ErbStG müssen in Erbfällen Gerichte, Notare und sonstige Urkundspersonen der Erbschaftsteuerstelle in einer Vielzahl von Fällen Abschriften von folgenden Schriftstücken übermitteln: eröffnete Testamente, Erbscheine, Testamentsvollstreckerzeugnisse, Vereinbarungen der Gütergemeinschaft usw. (§ 7 ErbStDV). Bei Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden haben Gerichte, Notare und sonstige Urkundspersonen dem Erbschaftsteuer-Finanzamt eine Abschrift der Schenkungsurkunde zu übermitteln (§ 8 ErbStDV). Das ErbschaftsteuerFinanzamt hat dem für die Besteuerung des Erblassers nach dem Einkommen und Vermögen zuständigen Finanzamt den ermittelten Nachlass mitzuteilen, wenn der Reinwert mehr als 250 000 Euro oder das zum Nachlass gehörende Kapitalvermögen mehr als 50 000 Euro beträgt. Zudem hat das für die Besteuerung des Erwerbers nach dem Einkommen und Vermögen zuständige Finanzamt in den Folgejahren die Möglichkeit einer Verprobung der Steuererklärung des Erben, denn das Erbschaftsteuer-Finanzamt hat dem Finanzamt des Erwerbers den Erwerb mitzuteilen, wenn dessen erbschaftsteuerlicher Bruttowert mehr als 250 000 Euro oder
Hinweis: Da es im Erbfall zahlreiche Mitteilungspflichten Dritter gegenüber den Finanzbehörden gibt2, aus denen sich Hinweise auf nicht versteuertes Kapital und nicht versteuerte Erträge ergeben, ist die Kenntnis des Erben um diese Mitteilungspflichten sowohl in steuerlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht von Bedeutung. Hierbei handelt es sich insb. um die Mitteilungspflichten nach §§ 33, 34 ErbStG. Der steuerliche Berater muss seinen Mandanten auf diese hinweisen.
1 BFH, Urt. v. 16.4.2002 – IX R 40/00, BStBl. 2002 II 501 = DStZ 2002, 569. 2 Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 403.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
das zum Nachlass gehörende Kapitalvermögen mehr als 50 000 Euro beträgt.1 b) Gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte Nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO i.V.m. § 34 AO trifft die Berichtigungspflicht die nach §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen oder den Gesamtrechtsnachfolger handelnden Personen.
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Nach § 34 Abs. 1 AO sind dies die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen (z.B. Eltern gem. § 1629 BGB, Vormund gem. 1773 BGB, Pfleger gem. § 1915 i.V.m. § 1793 BGB) und die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen (z.B. Vorstand einer AG gem. § 78 AktG, Geschäftsführer einer GmbH gem. § 35 GmbHG2, Vorstand einer Genossenschaft gem. § 24 GenG) und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 34 Abs. 1 AO). Die genannten Personen haben gem. § 34 Abs. 1 S. 1 AO die steuerlichen Pflichten zu erfüllen.
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Soweit eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung keinen Geschäftsführer hat, trifft die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter (§ 34 Abs. 2 S. 1 AO). Im Fall des § 34 Abs. 2 S. 3 AO trifft die Pflicht nach § 153 Abs. 1 AO die Personen, denen das Vermögen nicht rechtsfähiger Vermögensmassen zusteht, soweit diese keinen Geschäftsführer haben.
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Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter gem. § 153 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 34 Abs. 3 AO (z.B. Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Liquidatoren) die Berichtigung von Erklärungen vorzunehmen, soweit ihre Verwaltung reicht.3 Der Testamentsvollstrecker muss die vom Erblasser abgegebene Erklärung berichtigen. Das Gleiche gilt für den Insolvenzverwalter hinsichtlich unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen des Gemeinschuldners. Dies umfasst auch die vom Gemeinschuldner früher abgegebenen Erklärungen4 als auch die vom Amtsvorgänger abgegebenen Erklärungen.5
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Umstritten ist, wie weit die Berichtigungspflicht reicht, ob diese mit der Amtsaufgabe erlischt6 oder fortwirkt.7 Mit der Beendigung ihres Amtes
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1 Vgl. Gleichlautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Kontrollmitteilungen für die Steuerakten des Erblassers und des Erwerbers, BStBl. 2001 I 665. 2 FG Berlin, Urt. v. 27.1.1999 – 2 K 2138/97 – EFG 1999, 680. 3 So auch schon das Gutachten des RFH v. 4.12.1933, RStBl. 1934, 24, 28 unter Verweisung auf § 104 RAO. 4 Krabbe in Koch/Scholz, § 153 Rz. 2; Teichner, NJW 1968, 688, 689. 5 Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 7; Bilsdorfer, BB 1988, 1373, 1374. 6 Heuermann in HHSp., § 153 Rz. 3; Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 7. 7 Trame in Pump, § 153 Rz. 9; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 4.
313
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
handeln die Vermögensverwalter nicht mehr i.S.v. §§ 34, 35 AO, so dass aus rechtlichen Erwägungen heraus die Berichtigungspflicht nicht fortwirken kann. Hieran ändert § 36 AO nichts.1 § 36 AO verpflichtet den Vermögensverwalter, auch nach Erlöschen der Vertretungs- und Verfügungsmacht noch Pflichten zu erfüllen, jedoch nur soweit diese vor Erlöschen der Vertretungs- und Verfügungsmacht begründet worden sind. Ein Fortwirken der Berichtigungspflicht nach Beendigung des Amtes als Vermögensverwalter ist aber auch aus praktischen Erwägungen heraus nicht denkbar. Der auf den Fehlangaben beruhende Steuerbescheid, welcher häufig erst dem Adressaten den möglichen Fehler vor Augen führt, geht dem ausgeschiedenen Vermögensverwalter nicht mehr zu. Damit fehlt es auch an einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten, so dass § 36 AO nicht eingreift. Die Berichtigungspflicht erstreckt sich gem. § 34 Abs. 3 AO nur auf die jeweilige Vertretungs-, Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, so dass nach Einstellung des Insolvenzverfahrens der Schuldner und nicht länger der Insolvenzverwalter berichtigungspflichtig ist. Ebenso trifft den Erben die Berichtigungspflicht, wenn das Amt des Testamentsvollstreckers beendet ist. 1292
Auch Verfügungsberechtigte gehören zum Kreis der berichtigungspflichtigen Personen. Verfügungsberechtigte im Sinne von § 35 AO sind Personen, die im Geschäftsverkehr im eigenen oder fremden Namen auftreten und fremde Vermögen verwalten, soweit sie die Verpflichtung eines gesetzlichen Vertreters rechtlich und tatsächlich erfüllen können. Diese Voraussetzungen sind etwa gegeben beim Generalbevollmächtigten oder beim faktischen Geschäftsführer, die neben dem gesetzlichen Vertreter als berichtigungspflichtige Personen in Betracht kommen. c) Keine Berichtigungspflicht für rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter und Hilfspersonen, insb. Steuerberater
1293
§ 153 AO begründet eine Berichtigungspflicht nur für den Steuerpflichtigen und für die gem. §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen und den Gesamtrechtsnachfolger handelnden Personen. Anders als § 378 Abs. 1 AO und auch § 371 AO erfassen §§ 153, 34, 35 AO nicht gewillkürte Vertreter und deren Hilfspersonen.
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Hinweis zur Berichtigungspflicht des Steuerberaters: Damit treffen den Steuerberater und andere Erfüllungsgehilfen des Steuerpflichtigen (z.B. Buchhalter) keine Berichtigungspflicht.2 Der BGH führt in seinem Urteil aus, dass allein die berufliche Stellung des Steuerberaters keine Garantenstellung aus § 13 Abs. 1 StGB begründet. Der Steuerberater ist gem. § 57 Abs. 1 StBerG zur Verschwiegenheit ver-
1 A.A. Heuermann in HHSp., § 153 Rz. 3. 2 BGH, Beschl. v. 20.12.1995 – 5 StR 412/95, wistra 1996, 184, 188 = NStZ 1996, 563 f. m. Anm. Achenbach, Stbg 1996, 299; vgl. die somit überholte Entscheidung des BGH, Beschl. v. 1.11.1966 – 5 StR 479/66, DStZ/B 1967, 32.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
pflichtet. Diese greift auch gegenüber den Angehörigen der Finanzverwaltung.1 Dem entspricht ein Auskunftsverweigerungsrecht des Steuerberaters nach § 102 Abs. 1 Nr. 3b AO über alle Angelegenheiten, die ihm in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sind, sowie ein Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, durch die das Vertrauensverhältnis zum Mandanten geschützt und dem Geheimnisträger jeweils ein aus einer möglichen Zwangslage erwachsender Pflichtenwiderstreit mit anderen öffentlichen Interessen an der Allgemeinheit erspart werden soll.2 Aus § 153 AO lassen sich keine Kontrollpflichten ableiten. Es wird ausdrücklich auf das Erkennen der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit abgestellt. § 153 AO liegt nicht die Vorstellung zu Grunde, dass derjenige, der an der Abgabe der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung beteiligt war, eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun innehat.3
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Hinweis: Soweit der ehemalige Steuerberater des Verstorbenen als Testamentsvollstrecker bestellt wird und dieser im Rahmen der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker vom Erblasser nicht erklärte Einnahmen aufdeckt, stellt sich für den Testamentsvollstrecker das Problem, inwieweit er in Folge der Verschwiegenheitsverpflichtung als Steuerberater nach § 57 Abs. 1 StBerG eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO abgeben darf, ohne sich zugleich nach § 203 StGB strafbar zu machen. Nach § 203 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart. Unbefugt ist die Offenbarung, wenn sie ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten erfolgt. Soweit der Erblasser den ehemaligen Steuerberater selbst als Testamentsvollstrecker bestimmt hat, wird man eine Zustimmung des Erblassers i.S. der Definition vermuten. Weiterhin wird man annehmen müssen, dass der Erblasser nicht wollte, dass der ehemalige Steuerberater in der Eigenschaft als Testamentsvollstrecker gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, so gegen § 153 AO und in der Folge gegen § 370 AO, weshalb man ebenfalls von einem konkludenten Einverständnis ausgehen muss. Gegen eine Strafbarkeit spricht, dass der ehemalige Steuerberater in der Funktion als Testamentsvollstrecker die Interessen der Erben vertritt, nicht des Erblassers. § 153 AO wird man zu den Normen zählen müssen, die eine gesetzliche Offenbarungspflicht begründen. Auch Kuhls/Meurers/Maxl vertreten die Ansicht, dass der Steuerberater der Berichtigungspflicht nach § 153 AO unterliegen kann, wenn er die Stellung eines Vertretungs- und Verfügungsberechtigten nach §§ 34, 35 AO innehat.4
1 Gehre, Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 57 Rz. 57, 71. 2 BGH, Beschl. v. 20.12.1995 – 5 StR 412/95, wistra 1996, 184, 188 = NStZ 1996, 563 f. 3 Heuermann in HHSp., § 153 AO Rz. 4. 4 Kuhls/Meurers/Maxl, § 57 StBG, Rz. 285.
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6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
1296
Die vorgenannten Grundsätze gelten in derselben Weise, wenn der Steuerberater die Erklärung selbst unterschrieben hat. Auch in diesem Fall umfasst das Mandat nicht das Recht und die Pflicht auf Grund einer Garantenstellung aus Ingerenz, eine solche Erklärung namens des Steuerpflichtigen zu berichtigen. Eine Handlungspflicht aus Garantenstellung ist dem Steuerrecht fremd.1 Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der BGH in seinem Beschluss vom 20.12.19952 explizit die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Steuerberaters, der die Steuererklärung für seinen Mandanten eigenverantwortlich erstellt und selbst unterschreibt, hat dahingestellt sein lassen.
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Û
Hinweis: Nach den Ausführungen des BGH in seinem Beschluss vom 20.12.19953 hat der Steuerberater auch nicht das Recht, gegen den Willen des Steuerpflichtigen oder am Steuerpflichtigen vorbei die Erklärung zu berichtigen, wenn ihn an dem Erklärungsfehler kein strafoder bußgeldrechtlich relevantes Verschulden trifft. Es gehört jedoch zu den Beraterpflichten des Steuerberaters, den Steuerpflichtigen zu informieren und auf die Berichtigungspflicht nach § 153 AO hinzuweisen, wenn der Steuerberater nachträglich erkennt, dass er die Erklärung unrichtig oder unvollständig vorbereitet hat. Der Steuerberater ist gut beraten, dies schriftlich zu tun, damit er den Beweis führen kann, dass er seiner Beraterpflicht nachgekommen ist. Verweigert der Berichtigungspflichtige die ihm nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO obliegende Pflichterfüllung, ist der Steuerberater nicht zur Mandatsniederlegung verpflichtet. Allerdings kann der steuerliche Berater an der Fertigung weiterer Erklärungen ohne strafrechtliche Folgen nicht mehr mitwirken, wenn sich die Fehlerhaftigkeit in der neuen Erklärung fortsetzt. Trifft den steuerlichen Berater jedoch ein Verschulden am Erklärungsmangel und hat dieser damit den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erfüllt, hindert das Mandatsverhältnis den steuerlichen Berater nicht, mit einer Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO Straffreiheit zu erlangen. Diese Selbstanzeige wirkt jedoch nicht gleichzeitig auch zu Gunsten des Vertretenen. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO steht der Selbstanzeige des Vertretenen entgegen, da die Tat als entdeckt gilt. Es empfiehlt sich, vorher eine Abstimmung zwischen den Tatbeteiligten vorzunehmen, um dem Vertretenen im Falle der Steuerhinterziehung die Möglichkeit der Selbstanzeige zur Erlangung der Straffreiheit zu eröffnen.4
1 Stöcker in Beermann, § 153 AO Rz. 8; Heuermann in HHSp., § 153 AO Rz. 4; Trame in Pump, § 153 AO Rz. 12; Dumke in Schwarz, § 153 AO Rz. 5; Seer in Tipke/Kruse, § 153 Rz. 4–4b; a.A. Ransiek in Kohlmann, § 370 Rz. 224, 279, 349; Krabbe in Koch/Scholz, § 153 AO Rz. 3; Achenbach, Stbg 1996, 299, 302; Meier, StB 1985, 329. 2 BGH, wistra 1996, 184, 188 = NStZ 1996, 563 f. 3 BGH, wistra 1996, 184, 188 = NStZ 1996, 563 f. 4 Bilsdorfer, wistra 1984, 93.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
II. Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass eine in steuererheblicher Weise unrichtige oder unvollständige Erklärung abgegeben worden ist. Die Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf Steuererklärungen.1 § 153 AO gilt auch für die Selbstberechnungserklärung von Kommunalabgaben.2
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Nicht erfasst werden Erklärungen, die Einfluss auf die Festsetzung oder Erhebung/Vollstreckung der Steuer haben, also auch nicht Anträge, die die Steuer herabsetzen, Angaben zur Festsetzung von Steuervorauszahlungen und Auskünfte des Steuerpflichtigen auf Anfrage der Finanzbehörde (§ 93 AO).3 Auf Anträge auf Stundung (§ 222 AO) und Erlass (§ 227 AO) ist § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nicht anwendbar. Keine Anzeige i.S.v. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO stellt die Abgabe einer Bestandsmeldung nach § 21 Abs. 7 MinöStDV i.d.F. der 15. Änderungsverordnung zur MinöStDV4 dar.5
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Die Abgabe einer Steuererklärung ist begrifflich Voraussetzung für die Korrekturpflicht. Hat der Steuerpflichtige die Steuererklärung noch nicht abgegeben, so besteht die Steuererklärungspflicht unverändert fort, nicht aber die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO.6 Der Wortlaut von § 153 Abs. 1 AO steht einer Anwendung der Norm für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger vorsätzlich keine Steuererklärung abgegeben hat, entgegen. Gegen eine analoge Anwendung des § 153 Abs. 1 AO auf den Fall der vorsätzlich nicht abgegebenen Steuererklärung7 spricht nicht nur der Wortlaut der Norm, sondern auch die weiterhin bestehende Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung nach § 149 AO.8 Dem vom OLG Hamburg angeführten Gleichstellungsgedanken genügt die nach wie vor bestehende Erklärungspflicht des § 149 AO.9 Auch die vom Gesetzgeber in der Begründung zum Entwurf der AO 197410 angeführte Ansicht, dass es einer besonderen Pflichtenbegründung in § 153 AO für den Fall der unterlassenen Erklärung nicht bedürfe, da der Steuerpflichtige dann seiner ursprünglichen Erklärungspflicht aus § 149 AO noch nicht nachgekom-
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. die Ausführungen unter Rz. 284, 1264. OVG Lüneburg, Urt. v. 16.1.1991 – 13 L 55/89, ZKF 1992, 59. A.A. Brenner, DRiZ 1981, 412, 413. BGBl. 1974 I 3521. BFH, Beschl. v. 19.5.1992 – VII S 12/92, BFH/NV 1993, 144. Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 7; Grunst, S. 97 Fn. 272 m.w.N.; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfes in BT-Drucks. VI/1982, S. 129. Für eine analoge Anwendung OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.1992 – 1 Ss 119/91, wistra 1993, 274 unter Verweisung auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.3.1964 – 1 Ss 335/63, BB 1966, 1379; Brenner, DRiZ 1981, 412, 413. Daude, Die strafbefreiende Drittanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO, S. 26; Schuhmann, wistra 1994, 45, 46. Daude, Die strafbefreiende Drittanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO, S. 27. BT-Drucks. VI/1982, S. 129.
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6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
men sei und diese weiter bestehe, lässt erkennen, dass es an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt. Die Nichtabgabe der Steuererklärung berechtigt die Finanzbehörde zur Schätzung nach § 162 AO. Die Schätzung durch die Finanzbehörde stellt keine Steuererklärung dar.1 Wegen der Möglichkeit einer zu niedrigen Schätzung bestimmt § 149 Abs. 1 S. 4 AO, dass die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung im Fall der Schätzung bestehen bleibt. Im Falle einer zu niedrigen Schätzung durch die Finanzbehörde kann die Nichtabgabe einer Steuererklärung eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO darstellen.2 1301
Û
Hinweis: Für den Fall, dass der Erblasser nicht nur seine Kapitaleinkünfte dem Finanzamt nicht erklärt, sondern überhaupt keine Steuererklärung abgegeben hat, besteht also die Steuererklärungspflicht nach § 149 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist unverändert fort.3
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Hinweis: Bei den Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen handelt es sich um Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.
III. Unrichtige oder unvollständige Steuererklärung 1302
Die Erklärung des Steuerpflichtigen muss in den Fällen des § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO unrichtig oder unvollständig sein.
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Ob eine Erklärung unrichtig ist, beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten.4 Unrichtig ist die Erklärung, wenn der Steuerpflichtige die Angaben bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, so darstellt, dass eine Steuerverkürzung eintreten kann.5 Tatsachen in diesem Sinne sind beispielsweise Zustände, Sachverhalte, Geschehnisse, Herrschaftsverhältnisse, Gesellschaftsverhältnisse und Rechtstatsachen (z.B. Eigentum). Unterbreitet der Steuerpflichtige der Finanzbehörde die Tatsachen, aus denen er seine rechtlichen Schlüsse zieht, vollständig, trifft ihn keine Berichtigungspflicht, wenn seine rechtliche Bewertung fehlerhaft ist.6 Der Steuerpflichtige hat Tatsachen zu liefern, die rechtliche Bewertung ist 1 Seer in Tipke/Kruse, § 162 Rz. 92, 93. 2 Ransiek in Kohlmann, § 370 Rz. 318, 817; OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.3.1964 – 1 Ss 335/63, BB 1966, 1379. 3 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 7; Grunst, S. 97 Fn 272 m.w.N.; Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 409; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfes in BT-Drucks. VI/1982, S. 129. 4 FG Düsseldorf, Urt. v. 24.5.1989 – 4 K 397/83, EFG 1989, 491, 492. 5 Heuermann, in HHSp., § 153 Rz. 8 vertritt die Ansicht, dass die inhaltliche Unrichtigkeit auch die rechtlichen Wertungen umfasst und daher auch die unrichtig erkannte rechtliche Einordnung berichtigungspflichtig sei. 6 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 12; Möller, Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO und die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung 1996, 126.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
Aufgabe der Finanzbehörde. Eine Steuererklärung kann aber nicht in Folge einer erkennbar falschen rechtlichen Meinung unrichtig oder unvollständig werden. Die Erklärungen müssen vom Steuerpflichtigen stammen. Fehler der Finanzbehörde, die diese bei der Auswertung einer richtigen Steuererklärung ohne Zutun des Steuerpflichtigen macht, begründen keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO, auch wenn diese sich zum Vorteil des Steuerpflichtigen auswirken.1 Beispiel: Der Steuerpflichtige S beabsichtigt im Jahr 03 sein Geschäft baulich zu erweitern. Zu diesem Zweck bildet er in dem Glauben, eine Rückstellung bilden zu dürfen, in 02 eine Rückstellung und stellt diese in die Jahresbilanz 02 ein. In Übereinstimmung mit der Bilanz erstellt S die Steuererklärung für 02. Den Bilanzposten „Rückstellungen für beabsichtigte Baumaßnahmen im kommenden Jahr“ hat S besonders ausgeworfen. Eine Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO ist nicht gegeben, denn S hat keine unrichtigen Tatsachen dargestellt. S hat lediglich seine Bauabsichten in eine unrichtige rechtliche Auffassung, nämlich die vermeintliche Bilanzierungsfähigkeit, gekleidet.
1304
Anders verhält es sich, wenn S nur einen Bilanzposten Rückstellungen für die geplante Baumaßnahme summarisch eingegeben hätte. In diesem Fall ist für die Finanzbehörde die unrichtige rechtliche Auffassung nicht erkennbar.
Unvollständig ist die Steuererklärung, wenn nicht alle im amtlichen Vordruck zulässigerweise geforderten Angaben gemacht werden, so dass hierdurch eine Steuerverkürzung möglich wird. Damit sind unvollständige Angaben zugleich unrichtig. Die Anführung des Tatbestandsmerkmals der „Unvollständigkeit“ in § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist daher nicht erforderlich und überflüssig.
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Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit muss im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe gegeben sein. Eine Änderung der Rechtsprechung oder der Verwaltungsvorschriften lässt eine bereits abgegebene Steuererklärung nicht unrichtig werden2, zumal diese von der Finanzbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften dürfen nicht zurückwirken.3 Auch nachträgliche Veränderungen der Besteuerungsgrundlangen mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit begründen ebenfalls keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO.4 Dies ist Ausdruck des Vertrauensschutzgedankens des § 176 AO.
1306
Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit muss steuererhebliche Angaben betreffen. Auch wenn die Bilanz kein Bestandteil der Steuererklärung ist, sondern eine der Steuererklärung beizufügende Unterlage, liegt bei Unrichtigkeit der Bilanz im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 EStG regelmäßig auch eine unrichtige Steuererklärung vor, so dass die auf der Unrichtig-
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1 2 3 4
BFH, Urt. v. 7.9.1993 – VII R 128/92, BFH/NV 1994, 672; Streck, Stbg 1989, 30. FG Berlin, Urt. v. 11.3.1998 – 6 K 6305/93, EFG 1998, 1166. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 1993, 195 ff. Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 11; Heuermann in HHSp., § 153 Rz. 9.
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6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
keit der Bilanz beruhende Unrichtigkeit der Steuererklärung berichtigt werden muss.1
IV. Verkürzung von Steuern 1308
Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Steuererklärung müssen ursächlich dafür sein, dass es zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). 1. Steuerverkürzung
1309
Nach § 370 Abs. 4 AO sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. § 153 Abs. 1 AO ist nicht auf die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile nach § 370 Abs. 4 S. 2 AO anwendbar. Dies ist nur konsequent, da Erklärungen i.S.v. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO lediglich Steuererklärungen, nicht auch steuererhebliche Erklärungen im Steuererhebungsverfahren sind.2
1310
Fraglich ist, wann die Tatbestandsvoraussetzung des § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO „dass es dadurch zu einem Verkürzungserfolg kommen kann“ erfüllt ist. Samson3 stellt für die Möglichkeit des Verkürzungserfolges auf die Regeln der Eignungsdelikte und damit auf den Inhalt der unrichtigen Steuererklärung ab. Zu prüfen ist, ob der Eintritt einer Steuerverkürzung möglich erscheint. Die Eignung ist selbst dann zu bejahen, wenn der Fehler so offensichtlich ist, dass er eigentlich nicht hätte übersehen werden können, nunmehr aber doch zu einer Steuerverkürzung durch unrichtige Steuerfestsetzung geführt hat.4 2. Kausalität
1311
Beruht die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Steuerfestsetzung auf einem Fehler der Finanzbehörde, den diese bei der Auswertung einer richtigen Steuererklärung ohne Zutun des Steuerpflichtigen macht, begründet dies keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO, auch wenn er sich zum Vorteil des Steuerpflichtigen auswirkt.5 Die Unrichtigkeit 1 Stöcker in Beermann, § 153 AO Rz. 14; Krabbe in Koch/Scholz, § 153 Rz. 4; Trame in Pump, § 153 Rz. 29; Lohmeyer, DStR 1968, 274; Rosel/Telkamp, BB 1977, 1713 ff. 2 Vgl. auch die Ausführungen unter Rz. 1271 zum Erklärungspflichtigen; eine ausführliche Darstellung der in der Literatur vertretenen Ansichten befinden sich bei Daude, Die strafbefreiende Drittanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO, S. 30 ff. 3 In wistra 1990, 245, 246. 4 So auch Boelsen, S. 36. 5 BFH, Urt. v. 7.9.1993 – VII R 128/92, BFH/NV 1994, 672; Streck. Stbg 1989, 30.
320
C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
oder Unvollständigkeit der Erklärung ist nicht ursächlich für die Steuerverkürzung geworden. Für den Fall des § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO hat der Gesetzgeber keine Kausalität dafür gefordert, dass eine durch die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist. Mittels Steuerzeichen oder Steuerstemplern werden Steuern entrichtet gem. §§ 13 Abs. 2 und 22 RennWLottG sowie §§ 8 und 10 TabStG.
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V. Nachträgliche Erkenntnis des Steuerpflichtigen Der Steuerpflichtige muss die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Erklärung nachträglich, d.h. nach Abgabe der Erklärung, erkannt haben. Weiterhin muss der Steuerpflichtige erkannt haben, dass eine durch die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung bedingte Steuerverkürzung bereits eingetreten ist oder dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). Der Zeitpunkt des nachträglichen Erkennens der Unrichtigkeit und der Zeitpunkt des Erkennens einer – möglichen – Steuerverkürzung können auseinander fallen.
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Eine Berichtigungspflicht ergibt sich auch, wenn der Entrichtungspflichtige nachträglich erkennt, dass eine durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Erkennen müssen oder erkennen können genügt nicht. Kenntnis bedeutet positive Kenntnis von der Unrichtigkeit und der Unvollständigkeit der Steuererklärung.
1314
Kannte der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Erklärung bereits bei Abgabe der Steuererklärung, ist ein nachträgliches Erkennen der Unrichtigkeit denknotwendig ausgeschlossen. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar.1 Hat der Steuerpflichtige von Vornherein bewusst und gewollt, d.h. vorsätzlich, eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben, ist er wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar. Zur Erlangung von Straffreiheit kann er aber eine Selbstanzeige nach § 371 AO erstatten; eine Verpflichtung zur Selbstanzeige besteht auf Grund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots des Selbstbelastungszwangs nicht. § 371 AO normiert lediglich das Recht, nicht aber eine Pflicht auf Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige.2
1315
1 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504 ff.; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 14; Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 18; Krabbe in Koch/ Scholz, § 153 Rz. 5; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 264; Brenner, DRiZ 1981, 412, 413; Schuhmann, wistra 1994, 45. 2 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504, 1505.
321
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
1316
Anders verhält es sich beim Gesamtrechtsnachfolger. Dieser kann durchaus auch im Nachhinein die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Steuererklärung des Steuerpflichtigen erkennen. Da dieser nicht in Folge der Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen als Mittäter oder Gehilfe zur Steuerhinterziehung strafbar ist, ist ihm die Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO noch möglich.
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Die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit kann nachträglich erkannt werden, wenn die Angaben in der Steuererklärung leichtfertig oder fahrlässig falsch angegeben wurden.1 Eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO greift ein. Droht jedoch eine Ahndung wegen leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO, entfällt die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO.2 Es besteht jedoch die Möglichkeit der Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO.
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Gegen die Differenzierung zwischen vorsätzlicher und leichtfertiger Hinterziehung wendet sich Heuermann3 mit der Begründung, § 153 AO sei keine strafrechtliche, sondern eine steuerverwaltungsrechtliche Vorschrift, die sich nach Sinn und Zweck sowohl auf vorsätzliches als auch auf fahrlässiges Handeln beziehe. Das Verbot der Selbstbezichtigung soll einheitlich im steuerstrafrechtlichen Bereich über § 393 AO geschützt werden. Hiergegen spricht nach meinem Verständnis jedoch der eindeutige Wortlaut des § 153 AO. Eine sinnvolle Differenzierung ist Aufgabe des Gesetzgebers.
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Der BGH hat sich der Argumentation von Heuermann, wonach die gesetzmäßige Besteuerung die Berichtigungspflicht erfordere, angeschlossen. Bis zum obiter dictum des BGH im Beschluss vom 17.3.20094 war umstritten, ob eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO besteht, wenn der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit seiner Erklärung im Zeitpunkt der Abgabe zwar noch nicht positiv kannte, jedoch mit der Möglichkeit rechnete und die Folgen billigend in Kauf nahm. Nach Ansicht des BGH gebieten Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift die Annahme einer steuerlichen Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Demnach macht sich nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar, wer seine bedingt vorsätzliche Steuerhinterziehung nachträglich nicht gegenüber dem Finanzamt anzeigt.
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Der Steuerpflichtige selbst, nicht aber Bevollmächtigte oder Hilfspersonen, müssen die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennen. Im Falle der Erbschaft muss der Erbe die Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung des Erblassers erkennen. 1 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504, 1505; OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.3.1964 – 1 Ss 335/63, BB 1966, 1379; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 14; Lohmeyer, DStZ/A 1978, 366, 367; Trame in Pump, § 153 Rz. 34. 2 Stöcker in Beermann, § 153 AO Rz. 19; a.A. Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 11a. 3 In HHSp., § 153 Rz. 12 f. 4 1 StR 479/08, wistra 2009, 312.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
Für die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO ist der Grund für die nachträgliche Erkenntnis ohne Bedeutung. Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO greift auch dann ein, wenn ein Dritter, z.B. ein Betriebsprüfer die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennt und diese dem Steuerpflichtigen mitteilt.1 Einen Sperrwirkungstatbestand wie § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO enthält § 153 AO nicht.
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1322
Hinweis: § 153 AO gibt dem Steuerpflichtigen nicht auf, nach Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten zu suchen. Von Nachprüfungs- bzw. Nachforschungspflichten ist der Steuerpflichtige frei. Dies gilt auch für den Gesamtrechtsnachfolger. Es gilt der Grundsatz, dass die Kenntnisrisiken und damit die Berichtigungspflichten steigen, je intensiver der Erbe sich mit der Besteuerung des Erblassers befasst.2 Allerdings gilt es wie im Fall der Selbstanzeige als steuerlicher Berater darauf zu achten, dass die nacherklärten Zinseinkünfte schlüssig sind und Sprünge erklärt werden können, andernfalls das Finanzamt Schätzungen nach § 162 AO vornimmt.
VI. Erkenntnis vor Ablauf der Festsetzungsfrist Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit muss vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkannt geworden sein. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach den §§ 169–171 AO. Gem. § 169 Abs. 1 S. 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Eine Berichtigungsanzeige würde dann leerlaufen. Mit Ablauf der Festsetzungsfrist endet die Berichtigungspflicht.3 Nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist bei Zöllen, Verbrauchsteuern, Zollvergütungen und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr, nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO bei den übrigen Steuern und Steuervergütungen vier Jahre. Die Verjährung des noch nicht festgesetzten Steueranspruchs beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen ist, fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist.
1323
Zeigt der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit vor Ablauf der Festsetzungsfrist an, so gewährt § 171 Abs. 9 AO der Finanzverwaltung eine 1-jährige Mindestfrist für die Auswertung der Nacherklärung in Form einer Ablaufhemmung.
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Die Berichtigungserklärung nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO stellt keine Anzeige i.S.v. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO dar; sie bewirkt keine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist.4
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1 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 15; a.A. Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 12; Ransiek in Kohlmann, § 370 Rz. 339. 2 Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 407. 3 Streck, DStR 1994, 1723, 1725. 4 BFH, Urt. 22.1.1997 – II B 40/96, BStBl. 1997 II 266; BFH, Beschl. v. 14.5.1991 – VII B 187/90, BFH/NV 1992, 137, 138; FG Nürnberg, Beschl. v. 6.3.1996 – IV 72/94, EFG 1996, 520.
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6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
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Beispiel: Der Steuerpflichtige S verstirbt am 13.11.2002. Seine Steuererklärungen hat S entsprechend § 149 Abs. 2 S. 1 AO spätestens im Mai des Folgejahres abgegeben. Die Festsetzung erfolgte im darauf folgenden Monat. Seine ausländischen Zinseinnahmen hat er bewusst nicht der deutschen Besteuerung unterworfen. Sein Freund F erbt das Vermögen von S. Bei der Erbauseinandersetzung im Januar 2003 stellt er die Steuerverfehlungen des S fest. Welchen Zeitraum muss er berichtigen? F ist als Erbe Gesamtrechtsnachfolger i.S.v. § 45 AO und gem. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 AO zur Anzeige und Richtigstellung der von S unrichtig abgegebenen Steuererklärungen verpflichtet. Auf Grund der Erkenntnis, dass S die Steuern nach § 370 Abs. 1 AO hinterzogen hat, ist F gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO verpflichtet, die Steuererklärungen ab 1992 zu berichtigen. Die Steuererklärung für 1992 wurde im Mai 1993 eingereicht, so dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres 1993 beginnt. Die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des Kalenderjahres 2003. Mithin war F im Januar 2003 zur Berichtigung der Steuererklärung des S ab 1992 verpflichtet.
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Hinweis: Im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung, die F ebenfalls abzugeben hat, stellen die nachzuentrichtenden Steuern keine Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 ErbStG dar, d.h. diese sind bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht von dem Erwerb abzuziehen.1
VII. Unverzügliche Anzeige und erforderliche Richtigstellung 1328
Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO umfasst die unverzüglich Anzeige der objektiven Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Steuererklärung und ihre Richtigstellung.
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Die Anzeige hat ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 BGB) alsbald nach dem Erkennen des Fehlers unverzüglich zu erfolgen. Schuldhaftes Zögern dagegen lässt die straf- und bußgeldrechtlichen Folgen eintreten.
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Die Richtigstellung kann zeitgleich mit der Anzeige oder auch später erfolgen, wenn der Anzeigepflichtige die Angaben nicht sofort machen kann, da er selbst noch weitere Ermittlungen aufzunehmen hat. Die Richtigstellung braucht nach dem Wortlaut nicht unverzüglich zu erfolgen. Hier ist dem Anzeigepflichtigen von der Finanzbehörde eine angemessene Frist zu gewähren.2
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Bei unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt durch Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung eine stillschweigende Berichtigung. Hat der Erblasser die Steuererklärung noch nicht abgegeben, so besteht die
1 BFH, Urt. v. 24.3.1999 – II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; FG Hamburg, Urt. v. 12.3.1997 – II 87/94, EFG 1997, 1121; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 10 Rz. 32 steht der Rechtsprechung des BFH und FG Hamburg skeptisch gegenüber. 2 Brenner, DRiZ 1981, 412, 413.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
Steuererklärungspflicht unverändert fort, nicht aber die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO.1 Im Unterschied zur Selbstanzeige ist eine ordnungsgemäße Berichtigungserklärung gemäß § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO auch dann möglich, wenn sich der steuerlich relevante Sachverhalt nicht mehr aufklären lässt und der Berichtigungspflichtige faktisch nicht in der Lage ist, die unzutreffenden bzw. unvollständigen Angaben der ursprünglichen Erklärung zu berichtigen bzw. zu ergänzen. Der Berichtigungspflichtige muss allerdings versuchen, den steuerlich relevanten Sachverhalt nach besten Kräften aufzuklären und die Finanzbehörde über die Einzelheiten seiner Nachforschungen und deren Ergebnisse zu informieren. Straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen drohen ihm dann nicht.2
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Der Adressat der Berichtigungserklärung ist die örtlich und sachlich zuständige Finanzbehörde, die für die Festsetzung der Steuern bzw. für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständig ist. Eventuelle Zuständigkeitsveränderungen sind zu beachten. Gibt der Berichtigungspflichtige die Anzeige gegenüber einer unzuständigen Behörde ab, treffen ihn die nachteiligen Folgen; regelmäßig fehlt es beim Berichtigungspflichtigen am subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
1333
Muster für eine Berichtigung der Einkommensteuer:
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Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit zeige ich an, dass ich die steuerlichen Interessen der Erben H und P des am 16.8.2008 verstorbenen J vertrete. Eine Vollmacht der Erben füge ich bei. Namens und im Auftrag meiner Mandanten berichtige ich die Einkommensteuererklärungen des Herrn J für den nicht verjährten Zeitraum nach § 169 Abs. 2 AO, soweit hier bekannt für die Zeit ab 1998. Meine Mandanten haben erst vor kurzem davon Kenntnis erlangt, dass Herr J neben dem in der Nachlassaufstellung angeführten Vermögen weiterhin über ein Konto bei der U-Bank in Basel (geschätzter Kapitalsaldo zum 16.8.2008: 681 000 Euro) sowie über 10 Zertifikate über zehn Anteile als effektive Stücke der DWS, WKN … (Kapitalsaldo zum 18.9.2009: 3782 Euro) sowie 2 Anteilscheine über einhundert Anteile des iii-Fonds Nr. 3, WKN … (Kapitalsaldo zum 18.9.2009: 19 352 Euro) und 7 Anteilscheine über zehn
1 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 7; Grunst, S. 97 Fn 272 m.w.N.; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfes in BT-Drucks. VI/1982, S. 129. 2 Helmrich, Berichtigungserklärung gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO – insbesondere bei unaufklärbarem Sachverhalt, DStR 2009, 2132.
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6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
Anteile des iii-Fonds Nr. 3, WKN … (Kapitalsaldo zum 18.9.2009: 8734,70 Euro) verfügte. Eine Erträgnisaufstellung für die vergangenen zehn Jahre wurde bei der U-Bank in Basel angefordert.
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Muster für eine Berichtigung der Erbschaftsteuer: Sehr geehrte Damen und Herren, Namens und im Auftrag meiner Mandanten, den Erben H und P des am 16.8.2008 verstorbenen J (Erbschein des Amtsgerichts M vom 30.8.2008 anbei), übersende ich Ihnen die Erbschaftsteuererklärung über den Nachlass des am 16.8.2008 verstorbenen J zur weiteren Veranlassung und zeige folgenden Sachverhalt an: Meine Mandanten haben erst vor kurzem davon Kenntnis erlangt, dass Herr J neben dem in der Nachlassaufstellung angeführten Vermögen weiterhin über ein Konto bei der U-Bank in Basel (geschätzter Kapitalsaldo zum 16.8.2008: 681 000 Euro) sowie über 10 Zertifikate über zehn Anteile als effektive Stücke der DWS, WKN … (Kapitalsaldo zum 18.9.2009: 3782 Euro) sowie 2 Anteilscheine über einhundert Anteile des iii-Fonds Nr. 3, WKN … (Kapitalsaldo zum 18.9.2009: 19 352 Euro) und 7 Anteilscheine über zehn Anteile des iii-Fonds Nr. 3, WKN … (Kapitalsaldo zum 18.9.2009: 8734,70 Euro) verfügte. Entsprechende Unterlagen füge ich bei. Bitte beachten Sie, dass das Vermögen bei der U-Bank in Basel zum 16.8.2008 lediglich geschätzt wurde. Eine Stichtagsbescheinigung wurde angefordert. In der Anlage übersende ich Ihnen weiterhin eine Saldenbestätigung der D-Bank vom 20.8.2008, der Sparkasse M vom 20.8.2008, der Postbank vom 21.8.2008, eine Gebührenrechnung des Steuerbüros S über die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007, die Kostenrechnung der Landesjustizkasse M, eine Anlage zur Erbschaftsteuererklärung sowie den Einkommensteuerbescheid des Erblassers 2007 des Finanzamts L vom 5.4.2008.
VIII. Folgen der Berichtigungsanzeige sowie Folgen der Verletzung der Berichtigungspflicht 1. Steuerliche Folgen einer Berichtigung a) Zahlung der Steuer 1336
Kommt der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung aus § 153 Abs. 1 AO nach, muss er die auf Grund der Berichtigungserklärung nachträglich festgesetzten Steuern nachentrichten. Im Fall der Erbschaft ist der Erbe zusätzlich zur Entrichtung der Erbschaftsteuer verpflichtet. Das Recht auf Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids ergibt sich aus § 172 326
C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
AO. Die Berichtigungserklärung nach § 153 Abs. 1 AO enthält die Zustimmung zur Änderung einer schon aufgrund der fehlerhaften Erklärung durchgeführten Steuerfestsetzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO. Die Berichtigungserklärung nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO stellt keine Anzeige i.S.v. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO dar; sie bewirkt keine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist.1 Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO besteht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist2, sie hat keinen Einfluss auf die Dauer der Festsetzungsfrist. Die Änderung der Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO). Die Festsetzungsfrist verlängert sich im Fall der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre, im Fall der leichtfertigen Steuerhinterziehung auf fünf Jahre.3 § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ist nicht zu berücksichtigen. Zeigt der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit vor Ablauf der Festsetzungsfrist an, so gewährt § 171 Abs. 9 AO der Finanzverwaltung eine 1-jährige Mindestfrist für die Auswertung der Nacherklärung in Form einer Ablaufhemmung, d.h. die Festsetzungsfrist endet nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige. b) Kein Verspätungszuschlag Ein Verspätungszuschlag gem. § 152 AO wird nicht festgesetzt. Der Verspätungszuschlag knüpft an die Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung und nicht an die Berichtigungserklärung an. Eine Ausnahme hiervon will Heuermann4 für den Fall machen, dass die Unvollständigkeit der Steuererklärung ein solches Ausmaß erreicht, dass von einer wirksamen Erklärung nicht mehr gesprochen werden kann. Diese Ausnahme ist im Hinblick auf die Grenzziehung bedenklich. Es ist nicht bestimmt, wann ein Ausmaß erreicht ist, dass die Steuererklärung nicht mehr wirksam ist. Ein Verspätungszuschlag ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Erblasser keine Steuererklärungen abgegeben hat.
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c) Zwangsmittelverbot Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO stellt eine aus dem Steuerpflichtverhältnis resultierende Pflicht dar, deren Erfüllung die Finanzverwaltung gem. § 328 AO mit Zwangsmitteln durchsetzen kann.5 Allerdings sind gem. § 393 Abs. 1 S. 2 AO im Besteuerungsverfahren Zwangsmittel zur Durchsetzung von Mitwirkungshandlungen unzulässig, durch die der Steuerpflichtige gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu 1 BFH, Urt. 22.1.1997 – II B 40/96, BStBl. 1997 II 266; BFH, Beschl. v. 14.5.1991 – VII B 187/90, BFH/NV 1992, 137, 138; FG Nürnberg, Beschl. v. 6.3.1996 – IV 72/94, EFG 1996, 520. 2 Streck, DStR 1994, 1723, 1725. 3 Streck, DStR 1994, 1723, 1725. 4 In HHSp., § 153 AO Rz. 17. 5 Heuermann in HHSp., § 153 AO Rz. 16; Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 35.
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6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
belasten.1 Wegen § 153 Abs. 1 S. 2 AO gilt § 393 Abs. 1 S. 1 AO auch für den Erben, der sich als Mittäter oder Gehilfe des Erblassers strafbar gemacht hat; diese Konstellation tritt eher in Fällen zusammen veranlagter Ehegatten auf.2 Nach § 393 Abs. 1 S. 3 AO gilt das Zwangsmittelverbot stets, soweit gegen den Berichtigungspflichtigen wegen einer solchen Tat das Strafverfahren eingeleitet worden ist. Das Zwangsmittelverbot löst die Kollision zwischen Mitwirkungspflichten des Erklärungspflichtigen im Besteuerungsverfahren, die dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung tragen sollen, und seinem verfassungsrechtlich garantierten Schweigerecht im Steuerstrafverfahren zugunsten des Schweigerechts. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Finanzbehörde auf § 393 Abs. 1 S. 2 AO hinweisen muss, wenn ihr im Zeitpunkt der Androhung oder Festsetzung der Zwangsmittel bereits bekannt ist, dass unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen vorliegen, die den Tatbestand der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllen (§ 393 Abs. 1 S. 4 AO). Das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO greift im Erbfall nicht ein, solange der Erbe sich nicht als Mittäter oder Gehilfe des Erben strafbar gemacht hat.3 1339
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Hinweis: Soweit die Finanzbehörde die Steuerhinterziehung durch den Erblasser beweisen kann, ist diese zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen auch nach dem Tod des Steuerpflichtigen, der die Tat begangen hat, berechtigt.4 Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht dem nicht entgegen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht gegeben (auch wenn der Steuerpflichtige wegen seines Todes vor Gericht nicht gehört werden kann). Anspruch auf rechtliches Gehör haben die am Verfahren jeweils Beteiligten. Die Hinterziehungszinsen sind als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig.5
2. Straf- und bußgeldrechtliche Folgen einer Berichtigung 1340
Hat der Steuerpflichtige vorsätzlich eine unrichtige Steuererklärung abgegeben und dadurch die Steuern verkürzt, d.h. kannte der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Erklärung bereits bei der Abgabe, hat er sich nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen Steuerhinterziehung durch aktives Tun strafbar gemacht. Eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO besteht nicht. Der Steuerpflichtige kann zur Erlangung von Straffreiheit eine Selbstanzeige nach § 371 AO abgeben. Eine Pflicht zur Abgabe einer Selbstanzeige normiert § 371 AO nicht, dem Unterlassen der Abgabe ei1 2 3 4
BFH, Beschl. v. 11.9.1996 – VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166. Stahl in Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rz. 404. Vgl. den Fall des nicht berichtigungspflichtigen Ehegatten Rz. 1273. BFH, Urt. v. 27.8.1991 – VIII R 84/89, BStBl. 1992 II 9; BFH, Urt. v. 1.8.2001 – II R 48/00, BFH/NV 2002, 155. 5 FinMin. NRW v. 4.11.2002, DStR 2003, 77.
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C. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO
ner Selbstanzeige kommt keine selbständige Bedeutung zu und führt nicht gesondert zur Strafbarkeit. Gibt der Steuerpflichtige jedoch in Kenntnis aller Umstände keine vollständige Berichtigungserklärung ab, stellt dies eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO dar. Der Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO macht sich auch strafbar, wer seine bedingt vorsätzliche Steuerhinterziehung nachträglich nicht gegenüber dem Finanzamt anzeigt. Eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO durch leichtfertiges Unterlassen ist begrifflich jedoch ausgeschlossen. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO verlangt Kenntnis der Voraussetzungen, mithin Vorsatz.
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Hat der Steuerpflichtige die Angaben in der Steuererklärung leichtfertig oder fahrlässig falsch angegeben, kann die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit nachträglich i.S.v. § 153 Abs. 1 AO erkannt werden.1 Eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO ist möglich. Das Unterlassen der Berichtigung stellt eine Tathandlung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.2 Droht jedoch eine Ahndung wegen leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO, entfällt die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO, da niemand verpflichtet ist, sich selbst einer Steuerordnungswidrigkeit zu bezichtigen.3 Es besteht die Möglichkeit der Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO.
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IX. Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG § 30 ErbStG enthält keine Regelung über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Anzeigeverpflichtung. Allein die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG stellt keine Steuerordnungswidrigkeit i.S.v. § 377 AO dar.4 Wird jedoch durch die unterlassene Anzeige die Erbschaftsteuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt, kann je nach subjektiver Vorstellung des Anzeigepflichtigen eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) gegeben sein.5 Da die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung zugleich als Anzeige gem. § 30 Abs. 1 ErbStG gilt, stellt sie dann auch eine Selbstanzeige i.S.v. § 371 bzw. § 378 Abs. 3 AO dar.
1 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504, 1505; OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.3.1964 – 1 Ss 335/63, BB 1966, 1379; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 14; Lohmeyer, DStZ/A 1978, 366, 367; Trame in Pump, § 153 Rz. 34. 2 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504. 3 Stöcker in Beermann, § 153 AO Rz. 19; a.A. Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 11a. 4 Moench, § 30 Rz. 10; Seipl in Wannemacher, Steuerstrafrecht, Rz. 853 ff.; Stahl in KÖSDI 2003, 13651. 5 Rolletschke in Dietz/Cratz/Rolletschke/Kemper, § 370 AO Rz. 213; Kapp/Ebeling, § 30 Rz. 17; Rolletschke, wistra 2001, 287.
329
1343
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
X. Folgen der Erbschaftsteuererklärung nach § 31 ErbStG 1344
Die Berichtigungserklärung nach § 153 AO entbindet den Erben nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, sofern das zuständige Finanzamt eine solche gem. § 31 Abs. 1 ErbStG anfordert. Den Erben trifft damit nicht nur die Pflicht, die auf Grund der Berichtigungserklärung nachträglich festgesetzten Steuern nach zu entrichten, sondern auch die Erbschaftsteuer zu zahlen.
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Neben den Hinterziehungszinsen sind auch die Steuerschulden des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig.1 Nach einer Entscheidung des BFH vom 24.3.19992 soll dies allerdings nur dann der Fall sein, wenn die Steuerschulden im Todeszeitpunkt des Erblassers eine wirtschaftliche Belastung darstellen. An einer wirtschaftlichen Belastung soll es fehlen, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden könne, dass der Gläubiger seine Forderung nicht geltend machen wird. Sei eine Steuerfestsetzung nicht ernstlich zu erwarten, da die Finanzbehörden den Erblasser, dessen Vermögen sich im Ausland befand, nicht erfasst hätten, sollen die Schulden keine wirtschaftliche Belastung darstellen.3 Die Mitteilung des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen4 vom 4.11.2002 führt diese Einschränkung allerdings nicht auf.
1347
Wird der Erbe nach § 31 Abs. 1 ErbStG durch die Finanzbehörde zur Abgabe aufgefordert, muss der Erbe die Erbschaftsteuererklärung vollständig und richtig abgeben. Andernfalls liegt eine Steuerhinterziehung vor.5
Hinweis: Da die steuerliche Belastung in manchen Fällen sehr hoch ist, kann der Erbe einen Erlassantrag nach § 227 AO stellen oder im Zwangsvollstreckungsverfahren ggf. die Beschränkung der Erbenhaftung geltend machen (§§ 45, 265 AO, § 781 ZPO).
D. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO 1348
Eine Berichtigungspflicht ist auch nach § 153 Abs. 2 AO gegeben, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung nachträglich ganz oder teilweise wegfallen.
1 FinMin. NRW v. 4.11.2002, DStR 2003, 77. 2 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; FG Hamburg, Urt. v. 12.3.1997 – II 87/94, EFG 1997, 1121. 3 BFH, Urt. v. 24.3.1999 – II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; FG Hamburg, Urt. v. 12.3.1997 – II 87/94, EFG 1997, 1121. 4 FinMin. NRW v. 4.11.2002, DStR 2003, 77. 5 Rolletschke, wistra 2001, 287, 288.
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D. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO
I. Einordnung der Vorschrift § 153 Abs. 2 AO ist auf Steuervergünstigungen zugeschnitten, deren Vo- 1349 raussetzungen nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auch für eine bestimmte Dauer erfüllt sein müssen. Voraussetzung ist, dass die Steuervergünstigung ursprünglich zu Recht gewährt worden ist. Lagen die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung von vornherein nicht vor, so ist ein Fall des § 153 Abs. 1 AO gegeben.1 Die Anzeigepflicht soll die Kontrolle der Gewährungsvoraussetzungen ermöglichen. Spezialgesetzliche Regelungen haben Vorrang. § 68 Abs. 1 EStG normiert eine besondere Anzeigepflicht für den Fall, dass sich bei den Verhältnissen, die dem Antrag auf Leistung von Kindergeld zu Grunde liegen, etwas ändert. § 39a Abs. 4 S. 4 EStG schließt die Anwendung von § 153 Abs. 2 AO für bestimmte, auf einer Lohnsteuerkarte eingetragene Freibeträge aus und schränkt die umfassende Anzeigepflicht ein. Davon unberührt bleibt die Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO. Der Arbeitnehmer ist anzeigepflichtig, wenn er versehentlich im Ermäßigungsantrag unrichtige Angaben gemacht hat.
1350
§ 153 Abs. 2 AO steht im sachlichen Zusammenhang mit § 175 Abs. 2 AO. Nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid auf Grund eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern. Hierzu zählt gem. § 175 Abs. 2 AO auch der Fall des Wegfalls der Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung, sofern das Gesetz eine steuerliche Vergünstigung davon abhängig macht, dass die Voraussetzung für die Vergünstigung eine bestimmte Zeit lang gegeben sein muss.
1351
II. Begriff der Steuervergünstigung Der Begriff der „Steuervergünstigung“ wird im Gesetz bei verschiedenen Vorschriften verwendet, so z.B. in §§ 50, 51, 59, 60, 175 Abs. 2 AO. Eine Legaldefinition der vom Gesetzgeber in § 153 Abs. 2 AO angeführten Begriffe „Steuerbefreiung“, „Steuerermäßigung“ und „sonstige Steuervergünstigung“ gibt es nicht. Der Begriff „sonstige Steuervergünstigung“ umfasst die Begriffe „Steuerbefreiung“ und „Steuerermäßigung“ und ist als Oberbegriff zu verstehen.2 § 153 Abs. 2 AO erstreckt sich z.B. auf – die Verkürzung der Anlagefrist nach § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG a.F.3, – die Errichtung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus nach § 10e EStG4, – das Baukindergeld nach § 34f EStG a.F.5, 1 2 3 4 5
BFH, Beschl. v. 14.5.1991 – VII B 187/90, BFH/NV 1992, 137, 138. Dumke in Schwarz, § 153 AO Rz. 23. BFH, Beschl. v. 13.8.1987 – VIII B 179/86, BStBl. 1987 II 782. Vgl. BFH, Urt. 20.9.1995 – X R 94/92, BFHE 178, 429 = DStR 1995, 1956. BFH, Urt. 14.3.2000 – X R 46/99, BFH/NV 2000, 922.
331
1352
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
– die Herabsetzung von ESt-Vorauszahlungen1, – Spendenabzug bei Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG2, – die steuerliche Rückwirkung der Vermögensübertragung nach § 24 Abs. 2 UmwStG3, – die Ermäßigung der Steuermesszahlen für Hausgewerbetreibende nach § 11 Abs. 3 S. 1 GewStG4, – die Förderung nach dem EigZulG5, – Bewertung der LIFO-Methode gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG6, – die steuerfreie Übertragung von Grundstücken nach § 4 Nr. 5 GrEStG7, – die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG8, – die Änderung der Verhältnisse für den Vorsteuersatz i.S.v. § 15a UStG9, – die Ermäßigung des USt-Satzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG.10 1353
Keine Steuervergünstigung sind Betriebsausgaben, Werbungskosten, bestimmte Sonderausgaben und Kinderfreibeträge.
III. Voraussetzung der Anzeigepflicht 1354
Die Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO erfordert den Wegfall der Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung „ganz oder teilweise“. Anders als bei § 153 Abs. 1 AO ist kein fehlerhaftes Verhalten des Steuerpflichtigen Voraussetzung für die Anzeigepflicht, sondern die Änderung des Lebenssachverhalts dem Grunde und der Höhe nach. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung müssen nachträglich, d.h. nach Gewährung der Steuervergünstigung, weggefallen sein. Maßgebend ist die Bekanntgabe des die Steuervergünstigung gewährenden Verwaltungsaktes (§ 124 AO). Lagen die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung von vornherein nicht vor, so ist ein Fall des § 153 Abs. 1 AO gegeben.11
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
§ 37 EStG, § 19 GewStG. BFH, Urt. v. 5.2.1992 – I R 63/91, BStBl. 1992 II 748. BFH, Urt. v. 6.3.1985 – I R 119/82, BStBl. 1985 II 541. BFH, Urt. v. 26.6.1987 – III R 223/83, BStBl. 1987 II 719. BFH, Beschl. v. 29.3.2000 – IX B 111/98, BFH/NV 2000, 1153. BFH, Urt. v. 20.6.2000 – VIII 32/98, BFH/NV 2000, 1544. BFH, Urt. v. 26.7.2000 – II R 6/99, BFH/NV 2000, 1564. BFH, Beschl. v. 31.3.2000 – V B 8, 9/99, BFH/NV 2000, 1369. FG des Saarlandes, Urt. v. 14.7.1992 – 1 K 78/92, EFG 1992, 706. Vgl. BFH, Urt. v. 30.3.2000 – V R 30/99, BFH/NV 2000, 1173. BFH, Urt. v. 14.5.1991 – VII R 187/90, BFH/NV 1992, 137, 138.
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E. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 3 AO
IV. Folgen der Pflichtverletzung Durch die Verletzung der Anzeigepflicht können nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Dies stellt bei vorsätzlichem Handeln eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO), bei leichtfertigem Handeln eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) dar.
1355
E. Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 3 AO Gem. § 153 Abs. 3 AO muss eine Verwendung von Waren, für die eine Steuervergünstigung unter einer Bedingung gewährt wurde, der Finanzbehörde angezeigt werden, wenn die Verwendung der Bedingung nicht entspricht. § 153 Abs. 3 AO knüpft damit an den früheren Sondertatbestand der sog. Zweckentfremdung gem. § 392 Abs. 2 RAO an.1
1356
§ 153 Abs. 3 AO steht im sachlichen Zusammenhang mit den bedingten 1357 Verbrauchsteuervergünstigungen nach § 50 AO. Werden die verbrauchsteuerpflichtigen Waren der dort angeführten Zweckbestimmung im Ergebnis nicht zugeführt, so wird die Steuerschuld unbedingt gem. § 50 Abs. 3 Nr. 1 AO. Durch § 153 Abs. 3 AO soll sichergestellt werden, dass die Finanzbehörde von einer Verwendung entgegen der Zweckbestimmung/Bedingung und somit von dem Unbedingtwerden Kenntnis erlangt. Wurde die Steuervergünstigung durch fehlerhafte Angaben herbeigeführt, ist ein Fall des § 153 Abs. 1 AO gegeben. Die Anzeige muss bereits vor einer Änderung der Zweckbestimmung er- 1358 stattet werden. § 153 Abs. 3 AO stellt damit eine Erweiterung der Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO dar, indem er den Zeitpunkt der Anzeigepflicht vorverlegt. Die Anzeigepflicht bleibt nach Änderung der Zweckbestimmung bestehen, falls der Anzeigepflichtige gehindert war, sie rechtzeitig abzugeben. Anzeigeverpflichteter ist jeder, der die Ware entgegen der Bedingung verwenden will, nicht nur der Steuerschuldner. Nicht jede Verletzung der Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 3 AO stellt eine strafbare Steuerhinterziehung durch Unterlassen dar.2 § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfordert, dass der Steuerpflichtige die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Die Verletzung der Anzeigepflicht aus § 153 Abs. 3 AO kann nur dann strafrechtlich relevant sein, wenn bereits die Absicht der zweckwidrigen Verwendung und nicht erst die Verwendung selbst die Steuer i.S.d. § 50 Abs. 3 AO unbedingt werden lässt. Gem. § 50 Abs. 3 Nr. 1 AO wird die bedingte Verbrauchsteuerschuld dann unbedingt, wenn die Waren entgegen der Zweckbestimmung verwendet oder ihr nicht mehr zugeführt werden können. Nicht die Absicht zweckwidriger Verwendung, sondern die Verwendung selbst ist 1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 370 Rz. 187. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, 5. Aufl., § 370 Rz. 190; Daude, Die strafbefreiende Drittanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO, S. 59.
333
1359
6. Kapitel: Berichtigungserklärung nach § 153 AO
steuerlich erheblich i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO und hat demnach Einfluss auf die Steuerschuld. Erst die durch diese Verwendung unterlassene Anzeige nach § 153 Abs. 3 AO wird strafrechtlich erheblich. Die zweckwidrige Verwendung ist aber bereits nach § 153 Abs. 2 AO anzuzeigen, so dass kein Anwendungsfall von § 153 Abs. 3 AO gegeben ist. Allerdings kann die bedingte Steuer gem. § 50 Abs. 3 Nr. 2 AO auch in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen unbedingt werden. Für den Hauptanwendungsbereich des § 153 Abs. 3 AO, die Verbrauchsteuern, findet sich eine Bestimmung regelmäßig nicht.
334
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO Literatur: Bilsdorfer, Zur Selbstanzeige durch einen Dritten, StBp 1996, 272; Boelsen, Die Regelung des § 371 Abs. 4 der Abgabenordnung 1977, 1994; Bornheim, Taktische Möglichkeit der Fremdanzeige und des Täter-Opfer-Ausgleichs, PStR 1999, 94; Brenner, Von der Strafbarkeit des steuerlichen Garanten (§ 153 AO), DRiZ 1981, 412; Daude, Die strafbefreiende Drittanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO, 2001; Füllsack, Zusammenspiel von Selbstanzeige (§ 371 Abs. 1 AO) und strafbefreiender Fremdanzeige (§ 371 Abs. 4 AO), wistra 1997, 285; Grötsch, Erlangung von Straffreiheit trotz Beteiligung an einer Steuerhinterziehung, Stbg 1998, 559; Jarke, Strafbefreiende Drittanzeige nach § 371 Abs. 4 AO bei vorsätzlich falscher Steuererklärung?, wistra 1999, 286; Kottke, Zum Verhältnis von Selbstanzeige und Steuererklärungs-Berichtigungspflicht, DStR 1996, 1350; Marschall, Die Selbstanzeige im Umfeld steuerlicher Berater (Teil I), BB 1998, 2496; (Teil II) BB 1998, 2553; Möller, Die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO und die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung, Diss. 1996; Samson, Strafbefreiende Fremdanzeige (§ 371 Abs. 4 AO) und Berichtigungspflicht (§ 153 Abs. 1 AO), wistra 1990, 245; Schuhmann, Berichtigung von Erklärungen (§ 153 AO) und Selbstanzeige, wistra 1994, 45; Stahl, Die steuerliche Rechtsstellung des Betreuers eines steuerunehrlichen Betreuten und steuerstrafrechtliche Risiken, DStR 1998, 1245; Stahl/ Carlé, Die steuerliche Rechtsstellung des Betreuers eines steuerunehrlichen Betreuten und steuerstrafrechtliche Risiken, DStR 2000, 1245; Wassmann, Die Selbstanzeige im Steuerrecht, 1991; Weinreuter, Selbstanzeige und Fremdanzeige im Steuerrecht, DStZ 2000, 398.
A. Allgemeines zur strafbefreienden Fremdanzeige § 371 Abs. 4 AO normiert die strafrechtliche Wirkung einer Anzeige nach § 153 AO zugunsten Dritter, die ihre steuerrechtlichen Erklärungspflichten verletzt haben. Wird die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt.
1360
Während die Regelung des § 371 Abs. 1–3 AO unter dem Begriff Selbstanzeige allgemein bekannt und Gegenstand zahlreicher Abhandlungen ist, ist die Regelung des § 371 Abs. 4 AO weitgehend unbekannt, obwohl die schwierige Regelung eine Fülle umstrittener Rechtsfragen aufwirft und sie nach Ansicht eines Teils der Literatur in der steuerlichen Beratung ein wichtiges Element der kontrollierten Lenkung steuerlicher und strafrechtlicher Folgen sein kann.1 Insbesondere in Fällen, in denen die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1–3 AO fehlgeschlagen ist, wird § 371 Abs. 4 AO ins Feld geführt, um Straffreiheit zu erlangen.
1361
1 Samson, wistra 1990, 245; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 230; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 203, 218 ff.; Grötsch, Stbg 1998, 559, 561.
335
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
I. Systematik des § 371 AO 1362
§ 371 Abs. 1–3 AO regeln die Selbstanzeige bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung, § 378 Abs. 3 AO die Selbstanzeige im Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung. § 371 Abs. 4 AO normiert für die vorsätzliche Steuerhinterziehung einen Sonderfall, die sog. Fremdanzeige bzw. Drittanzeige. Im Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung verweist § 378 Abs. 3 S. 2 AO auf § 371 Abs. 4 AO, so dass die sog. Fremdanzeige auch auf den Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung zur Anwendung gelangt.
II. Regelungsgehalt der Fremdanzeige 1363
§ 371 Abs. 4 AO ordnet an, dass ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen nicht oder nicht ordnungsgemäß abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt werden kann, sofern ein anderer die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Strafoder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist.
1364
§ 371 Abs. 4 AO regelt abweichend von § 371 Abs. 1–3 AO nicht die Wirkung der Selbstanzeige, sondern die Wirkung der Dritt- bzw. Fremdanzeige, die dem Anzeigepflichtigen aufgrund der drohenden Strafverfolgung des Angezeigten sonst nicht oder kaum zuzumuten wäre.1
1365
§ 371 Abs. 4 AO steht damit in einem untrennbaren Zusammenhang mit der sich aus § 153 AO ergebenden Berichtigungspflicht. Der Regelungsgehalt des § 371 Abs. 4 AO lässt sich daher nur bestimmen, wenn er im Zusammenhang mit § 153 AO gesehen wird. § 153 AO begründet in seinen drei Absätzen drei unterschiedliche Erklärungspflichten: – Abs. 1 verpflichtet den Steuerpflichtigen und die übrigen dort Genannten bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) zur Anzeige und Berichtigung von Erklärungsfehlern, wenn sie nach Abgabe der Steuererklärung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennen. – Abs. 2 regelt die Anzeigepflicht für die Fälle, in denen nachträglich Tatsachenveränderungen bei Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder sonstigen Steuervergünstigungen eintreten. – Abs. 3 betrifft den Spezialfall der zweckwidrigen Verwendung von Waren, für die eine Verbrauchsteuervergünstigung gewährt worden ist.
1366
Die Erfüllung der sich aus § 153 AO ergebenden Pflichten ist Voraussetzung einer wirksamen Fremdanzeige. Dies begründet eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Insoweit sei auf die Ausführungen im 6. Kapitel2 verwiesen.
1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 221. 2 Rz. 1263 ff.
336
A. Allgemeines zur strafbefreienden Fremdanzeige
III. Zweck der Fremdanzeige Erklärungsansätze für die Gründe und den Zweck der Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO sind vor allem darin zu sehen, dass eine nach § 153 AO zur Anzeige verpflichtete Person einen Dritten mit der Erfüllung der in § 153 AO normierten Anzeigepflichten zwangsläufig der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde und dadurch einem Interessenkonflikt ausgesetzt werden würde. Nach der Begründung zu § 354 EAO 19741 soll die Vorschrift „verhindern, dass jemand, der aufgrund des § 98 AO2 eine Erklärung nachholt oder berichtigt, dadurch Dritte der Strafverfolgung aussetzt, die die Abgabe der Erklärung unterlassen oder eine unrichtige oder unvollständige Erklärung abgegeben haben. Bliebe die strafrechtliche Verantwortung anderer Personen bestehen, so könnte dies jemanden, der nach § 98 AO verpflichtet ist, eine falsche Erklärung zu berichtigen, davon abhalten, dies zu tun. Deshalb sollen auch Dritte bei einer späteren Berichtigung strafrechtlich nicht verfolgt werden, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern vorher wegen der Tat die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben worden ist“. § 371 Abs. 4 AO bewahrt die in § 153 AO genannten anzeigepflichtigen Personen vor dem Vorwurf der Denunziation.
1367
Die Fremdanzeige verfolgt denselben fiskalischen Zweck wie die Selbstanzeige: der Anzeigepflichtige soll aus steuerpolitischen Gründen von Hemmungen befreit werden, die ihn davon abhalten könnten, durch Erstattung der in § 153 AO vorgeschriebenen Anzeige dem Staat eine bisher verborgene Steuerquelle zu erschließen.3
1368
IV. Rechtsnatur der Fremdanzeige Bei der Fremdanzeige handelt es sich um ein eigenständiges Rechtsinstitut. Sie hat mit der Selbstanzeige nach §§ 371 Abs. 1–3, 378 Abs. 3 AO nur wenig gemeinsam und wirkt daher an dieser Stelle des Gesetzes wie ein Fremdkörper.4 Die Fremdanzeige bewahrt zwar den Steuerhinterzieher ebenso vor Strafverfolgungsmaßnahmen, wie die Selbstanzeige. Anders als die Selbstanzeige nach §§ 371 Abs. 1–3, 378 Abs. 3 AO stellt die Fremdanzeige keinen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar und lässt die Strafbarkeit nicht nachträglich entfallen, sondern begründet ein Strafverfolgungshindernis5, d.h. ein Strafverfahren gegen den Dritten wegen Steuerhinterziehung ist unzulässig. Ein Strafverfahren darf nicht eingeleitet werden, ein bereits eingeleitetes Strafverfahren muss eingestellt werden, nach Eröffnung der Hauptverhandlung außerhalb des Hauptverfah-
1 2 3 4 5
BT-Drucks. VI/1982, S. 195. Anmerkung: § 98 AO i.d.F. von 1982 entspricht dem heutigen § 153 AO. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 275. Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 275. Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.1996 –1 Ws 1/96, wistra 1996, 190.
337
1369
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
rens durch Beschluss (§ 206a StPO), in der Hauptverhandlung durch Einstellungsurteil (§ 260 Abs. 3 StPO).
V. Abgrenzung der Fremdanzeige von der Selbstanzeige 1370
§ 371 Abs. 4 AO steht nur in einem äußerlichen Zusammenhang mit der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO. Die Fremdanzeige ist mit der Selbstanzeige nur durch das gemeinsame fiskalische Ziel verbunden.
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Im Übrigen sind die Unterschiede erheblich. § 371 Abs. 4 AO regelt keine materiell-rechtliche, sondern eine prozessuale Rechtsfolge;1 nicht die Strafbarkeit entfällt nachträglich, sondern es entsteht ein Strafverfolgungshindernis. Die Fremdanzeige steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den sich aus § 153 AO ergebenden Berichtigungspflichten. Auf Grund der Beschränkung des Ausschlusses der strafbefreienden Fremdanzeige auf den Fall der Bekanntgabe der Einleitung eines Strafoder Bußgeldverfahrens wegen der Tat ist die Reichweite der Fremdanzeige umstritten.
B. Voraussetzungen der strafbefreienden Fremdanzeige 1372
Für eine wirksame Fremdanzeige müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
I. Berichtigungspflicht gem. § 153 AO 1373
Die Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO fordert zunächst, dass die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet wird. § 153 AO führt in seinen drei Absätzen drei verschiedene Anzeigeund Erklärungspflichten an. Wegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 153 AO wird auf die Ausführungen im 6. Kapitel2 verwiesen. 1. Anzeigepflichtiger Personenkreis
1374
Um die Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO von der vertretungsweise für den Steuerpflichtigen abgegebenen Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO sowie von der (Straf-)Anzeige eines außenstehenden Dritten bei der Finanzbehörde betreffend die Steuerverfehlung eines anderen abzugrenzen, erfordert § 371 Abs. 4 AO, dass der Anzeigenerstatter Anzeigepflichtiger i.S.d. § 153 AO ist.
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Adressaten der Verpflichtung nach § 153 Abs. 1 AO und mithin Anzeigepflichtige sind der Steuerpflichtige (§ 153 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. § 33 AO), sein Gesamtrechtsnachfolger (§§ 153 Abs. 1 S. 2, 45 AO) und die nach 1 Samson, wistra 1990, 245. 2 Rz. 1263 ff.
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B. Voraussetzungen der strafbefreienden Fremdanzeige
§§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen oder seinen Gesamtrechtsnachfolger handelnden Personen (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO). Im Falle der Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern trifft die Berichtigungspflicht den Entrichtungsschuldner. Die §§ 153, 34, 35 AO erfassen anders als § 378 Abs. 1 AO und auch § 371 AO nicht auch gewillkürte Vertreter und deren Hilfspersonen. Der Steuerberater und andere Erfüllungsgehilfen des Steuerpflichtigen zählen daher nicht zu den Anzeigepflichtigen.1 Der Steuerberater ist ohnehin gem. § 57 Abs. 1 StBerG auch gegenüber den Angehörigen der Finanzverwaltung zur Verschwiegenheit verpflichtet.2 Die berufliche Stellung des Steuerberaters begründet zudem keine Garantenstellung aus § 13 Abs. 1 StGB.3 Anders verhält es sich auch dann nicht, wenn der Steuerberater die Erklärung selbst unterschrieben hat. Auch in diesem Fall umfasst das Mandat nicht das Recht und die Pflicht auf Grund einer Garantenstellung aus Ingerenz, eine solche Erklärung namens des Steuerpflichtigen zu berichtigen. Der Steuerberater hat auch nicht das Recht, gegen den Willen des Steuerpflichtigen oder am Steuerpflichtigen vorbei die Erklärung zu berichtigen, wenn ihn an dem Erklärungsfehler kein straf- oder bußgeldrechtlich relevantes Verschulden trifft.
1376
Trifft den steuerlichen Berater jedoch ein Verschulden am Erklärungsmangel und hat dieser damit den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erfüllt, hindert das Mandatsverhältnis den steuerlichen Berater nicht, mit einer Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO Straffreiheit zu erlangen. Diese Selbstanzeige wirkt jedoch nicht gleichzeitig auch zu Gunsten des Vertretenen. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO steht der Selbstanzeige des Vertretenen entgegen, da die Tat als entdeckt gilt.
1377
2. Sonstige Voraussetzungen der Anzeige nach § 153 AO Die Berichtigungspflicht nach § 153 AO setzt weiterhin voraus, dass der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Erklärung tatsächlich nachträglich, d.h. nach Abgabe der Erklärung, erkannt hat. Weiterhin muss der Steuerpflichtige erkannt haben, dass eine durch die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung bedingte Steuerverkürzung bereits eingetreten ist oder dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO).
1 BGH, Beschl. v. 20.12.1995 – 5 StR 412/95, wistra 1996, 184, 188 = NStZ 1996, 563 f. m. Anm. Achenbach, Stbg 1996, 299; vgl. die somit überholte Entscheidung des BGH, Beschl. v. 1.11.1966 – 5 StR 479/66, DStZ/B 1967, 32. 2 Gehre, Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 57 Rz. 57, 71. 3 BGH, Beschl. v. 20.12.1995 – 5 StR 412/95, wistra 1996, 184, 188 = NStZ 1996, 563 f. m. Anm. Achenbach, Stbg 1996, 299; vgl. die somit überholte Entscheidung des BGH, Beschl. v. 1.11.1966 – 5 StR 479/66, DStZ/B 1967, 32.
339
1378
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
1379
Eine Berichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Steuerpflichtige leichtfertig oder fahrlässig die Unrichtigkeit der Steuererklärung nicht erkennt.
1380
Hat der Steuerpflichtige bewusst eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben, erfüllt er den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Mithin ist ein nachträgliches Erkennen der Unrichtigkeit der Steuererklärung ausgeschlossen, so dass keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO besteht.1 Dem Steuerpflichtigen steht zur Erlangung von Straffreiheit lediglich die Möglichkeit einer Selbstanzeige nach § 371 AO offen. Er ist jedoch nicht zur Erstattung einer Selbstanzeige verpflichtet.2
1381
Erkennt der Steuerpflichtige nachträglich die Unrichtigkeit der gemachten Angaben und gibt er in Kenntnis aller Umstände keine vollständige Berichtigungserklärung ab, stellt dies eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.
1382
Die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit kann nachträglich erkannt werden, wenn die Angaben in der Steuererklärung leichtfertig oder fahrlässig falsch angegeben wurden.3 Eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO greift ein.
1383
Die Abgabe einer Steuererklärung ist begrifflich Voraussetzung für die Korrekturpflicht. Hat der Steuerpflichtige die Steuererklärung noch nicht abgegeben, so besteht die Steuererklärungspflicht unverändert fort, nicht aber die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO.4 § 371 Abs. 4 AO findet keine unmittelbare Anwendung auf eine Fremdanzeige, durch die die Unterlassung einer Steuererklärung eines anderen aufgedeckt wird.5 Samson6 ist zuzustimmen, dass eine analoge Anwendung des § 371 Abs. 4 AO heranzuziehen ist. Zur Begründung führt Samson aus, dass es sich um eine vom Gesetzgeber wohl unbedachte Diskongruenz des Verfolgungshindernisses für Steuerhinterziehungen durch Handeln und Unter-
1 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504 ff.; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 14; Stöcker in Beermann, § 153 Rz. 18; Krabbe in Koch/ Scholz, § 153 Rz. 5; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 264; Brenner, DRiZ 1981, 412, 413; Schuhmann, wistra 1994, 45. 2 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504, 1505. 3 OLG Hamm, Urt. v. 12.1.1959 – 2 Ss 156/58, NJW 1959, 1504, 1505; OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.3.1964 – 1 Ss 335/63, BB 1966, 1379; Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 14; Lohmeyer, DStZ/A 1978, 366, 367; Trame in Pump, § 153 Rz. 34. 4 Dumke in Schwarz, § 153 Rz. 7; Grunst, S. 97 Fn. 272 m.w.N.; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfes in BT-Drucks. VI/1982, S. 129. 5 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 276; a.A. OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.1992 – 1 Ss 119/91, wistra 1993, 274; OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.3.1964 – 1 Ss 335/63, BB 1966, 1379. 6 wistra 1990, 245, 251.
340
B. Voraussetzungen der strafbefreienden Fremdanzeige
lassen handelt, die insbesondere vor dem Hintergrund des fiskalischen Zwecks der Vorschrift nicht zu rechtfertigen ist.1
II. Anzeige i.S.v. § 371 Abs. 4 AO Nach § 371 Abs. 4 AO muss die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet werden.
1384
1. Rechtzeitige Anzeige Die Anzeige nach § 153 AO muss unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes 1385 Zögern, erfolgen.2 Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Anzeigepflichtige positiv erkannt hat, dass der ursprüngliche Steuerpflichtige keine oder unvollständige oder unrichtige Erklärungen abgegeben hat. Fahrlässiges Nichterkennen oder bloße Zweifel genügen nicht.3 Kein schuldhaftes Zögern liegt vor, wenn der Steuerpflichtige vor Abgabe der Anzeige sich beim steuerlichen Berater fachkundigen Rat einholt, ob er eine Fremdanzeige abgeben will oder ob er wegen vorsätzlichen Verhaltens eine Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1–3 AO abzugeben verpflichtet ist. Wurde die Anzeige nicht rechtzeitig erstattet, macht sich der Anzeigepflichtige der (versuchten oder vollendeten) Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar; Straffreiheit erlangt er nur bei Erstattung einer Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO. Die nicht rechtzeitig erstattete Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO kann dann als Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1–3 AO gelten.
1386
2. Ordnungsgemäße Anzeige Die Anzeige ist ordnungsgemäß abgegeben, wenn der Anzeigenerstatter sich mit der Anzeige an die Finanzbehörde wendet, die der Anzeigende für zuständig halten durfte.4 Die Anzeige bedarf keiner besonderen Form, sie kann schriftlich oder mündlich erfolgen.
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3. Inhalt der Anzeige Der Begriff „ordnungsgemäß“ lässt nicht erkennen, dass die Anzeige den Inhalt einer Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1–3 AO haben muss; ausrei1 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 231; Boelsen, Die Regelung des § 371 Abs. 4 der Abgabenordnung 1977, S. 94 ff. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.1996 – Ws 1/96 –, wistra 1996, 190; Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 278; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 225; Dietz in Leise, Rz. 77, 78. 3 FG München, Urt. v. 16.3.1961 – I 241/57, EFG 1961 354; Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, § 371 Rz. 225. 4 Enger Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 182.
341
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7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
chend ist es, wenn die Angabe der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der steuerlichen Erklärung nach dem Kenntnisstand des Anzeigenden erfolgt, durch die die Finanzbehörde in die Lage versetzt wird, nähere Nachforschungen zur Aufklärung anzustellen.1 Eine exakte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen wird nicht verlangt.2 1389
Ausreichend ist die Mitteilung, dass eine Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist oder dass eine durch Steuerzeichen oder Steuerstempler zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet wurde. Anders als § 153 AO erfordert § 371 Abs. 4 AO nicht auch eine Richtigstellung.3 Der Anzeigenerstatter muss nach § 371 Abs. 4 AO nicht das Ausmaß der verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen angeben, wozu er auf Grund mangelnder Kenntnisse auch nicht in der Lage sein wird.4
III. Ausschluss der strafbefreienden Fremdanzeige 1390
Die strafbefreiende Fremdanzeige ist ausgeschlossen, wenn vor der Anzeige des Anzeigenerstatters dem Dritten oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen seiner Tathandlung bekannt gegeben worden ist.5 Dieser Ausschlussgrund entspricht inhaltlich dem Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO. Die weiteren Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO greifen nicht ein.
IV. Nachzahlungspflicht 1391
Nach § 371 Abs. 4 S. 2 AO findet § 371 Abs. 3 AO analoge Anwendung nur für den Fall, dass der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt hat. Mithin setzt die Fremdanzeige von dem Dritten, der zum eigenen Vorteil gehandelt hat, gem. § 371 Abs. 4 S. 2 AO eine Nachzahlungspflicht i.S.v. § 371 Abs. 3 AO voraus, will der Dritte von Strafverfolgung verschont werden.
C. Wirkung der Fremdanzeige 1392
Während die Tatbestandsvoraussetzungen des § 371 Abs. 4 AO weitgehend unproblematisch sind, ist der persönliche und sachliche Umfang 1 Rüping in HHSp., § 371 Rz. 211; enger Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 186. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.1996 – Ws 1/96, wistra 1996, 190. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.1996 – Ws 1/96, wistra 1996, 190; Samson, wistra 1990, 245, 249; Zeller in Koch, 3. Aufl. 1986, § 371 Rz. 44. 4 Schauf in Kohlmann, § 371 Rz. 277, Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 224; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.1996 – Ws 1/96, wistra 1996, 190, 191; Bornheim, PStR 1999, 94. 5 Vgl. die Ausführungen zu § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO unter Rz. 790 ff.
342
C. Wirkung der Fremdanzeige
der strafbefreienden Wirkung der Fremdanzeige äußerst umstritten. Die Schwierigkeiten der Fremdanzeige liegen darin, dass der Gesetzgeber durch offene Widersprüche zwischen § 371 Abs. 4 AO und § 153 AO schwer zu lösende Auslegungsprobleme hinsichtlich der Reichweite geschaffen hat. Der Streit ist für die Praxis von großer Bedeutung. Die Problematik liegt darin, die Reichweite der im Gesetz bestimmten Auswirkung auf das Steuerstrafverfahren des Dritten zu bestimmen. Der Streit entfacht sich an der Formulierung in § 371 Abs. 4 S. 1 AO „die in § 153 bezeichneten Erklärungen“. Nach § 371 Abs. 4 S. 1 AO bewirkt die rechtzeitige und ordnungsgemäße Anzeige, dass ein Dritter, der „die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat“, strafrechtlich nicht verfolgt wird. Insoweit ist umstritten, für welche Taten das Prozesshindernis begründet werden soll, mithin wer als „Dritter“ im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Bei der Lösung der Streitfrage spielen die unterschiedlichen Interpretationen der Wendung „die in § 153 bezeichneten Erklärungen“ eine entscheidende Rolle.
1393
Beispiel:1 Der Geschäftsführer einer GmbH, G 1, hat eine unrichtige Steuererklärung für die GmbH abgegeben und dadurch eine Steuerhinterziehung durch Handeln begangen. Der Geschäftsführer G 2 erfährt nachträglich von der unrichtigen Steuererklärung, unternimmt vorsätzlich aber nichts. G 2 hat sich durch sein Verhalten der Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar gemacht. Als G 3 vom Verhalten von G 1 und G 2 erfährt, gibt G 3 eine Erklärung nach § 153 AO bei der Finanzbehörde ab. Unstreitig erstreckt sich das Prozesshindernis auf die durch Verstoß gegen die nachträgliche Anzeige- und Berichtigungspflicht des § 153 AO begangene Steuerhinterziehung durch Unterlassen; § 371 Abs. 4 AO erfasst mithin denjenigen, der zuvor seinerseits die Berichtigungspflicht nach § 153 AO verletzt hat und sich deshalb nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 AO strafbar gemacht hat, im vorgenannten Beispielsfall also G 2.2 Streitig ist, inwiefern § 371 Abs. 4 AO auch Fälle erfasst, in denen der Dritte seine ursprüngliche Erklärungspflicht verletzt und den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt hat, in dem vorgenannten Beispielsfall also G 1.
1394
I. Restriktive Auslegung der Fremdanzeige 1. Auslegung nach dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 31.1.1996 Das OLG Stuttgart vertritt in dem Beschluss vom 31.1.19963 die Ansicht, dass § 371 Abs. 4 AO nur den Dritten betrifft, der seiner in § 153 AO bezeichneten nachträglichen Anzeige- und Berichtigungspflicht nicht nachgekommen ist und sich erst damit wegen Steuerhinterziehung strafbar 1 Nach Samson, wistra 1990, 249. 2 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 228; Samson, wistra 1990, 250; Schauf in Kohlmann § 371 Rz. 283.2 u. 283.3. 3 Beschl. v. 31.1.1996 – Ws 1/96 –, wistra 1996, 190 = NStZ 1996, 559 mit Anm. Bilsdorfer StBp 1996, 272.
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7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
gemacht hat. Das Prozesshindernis erstrecke sich nicht auch auf die durch die Abgabe der unrichtigen Ursprungserklärung begangene Steuerhinterziehung des Dritten. 1396
Das OLG Stuttgart hatte über eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen eine Teilablehnung der Eröffnung der Hauptverhandlung zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft legte den Angeklagten zur Last, als Verantwortliche eines eingetragenen Vereins „L“ für die Zeiträume von April 1987 bis September 1989 in 19 Fällen bewusst und gewollt unrichtige Lohnsteueranmeldungen gegenüber dem zuständigen Finanzamt Ludwigsburg abgegeben zu haben. In den Anmeldungen seien die Lohnsteuern der Aushilfskräfte, die der Verein selber beschäftigt habe, nicht enthalten gewesen. Diese Lohnsteuern hätten die Angeklagten – in Kenntnis ihrer Pflicht, für alle beim Verein aushilfsweise beschäftigten Arbeitnehmer Lohnsteuern anzumelden und einzubehalten – verschwiegen, so dass das zuständige Finanzamt Ludwigsburg die Lohnsteuer insoweit nicht zutreffend festsetzen konnte und eine Lohnsteuerverkürzung auf Zeit von mindestens 414 645 DM entstanden sei (§§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, 53 StGB). Das Landgericht hat die Eröffnung der Hauptverhandlung bezüglich dieser Anklagepunkte deswegen abgelehnt, weil die Verfolgung der Lohnsteuerhinterziehungen gem. § 371 Abs. 4 AO ausgeschlossen sei. Die am 1. und 23. Februar 1990 gegenüber dem Finanzamt Ludwigsburg von Frau R abgegebenen Erklärungen seien auch namens der weiteren Vorstandsmitglieder des Vereins abgegeben worden; zu ihnen gehörten Dr. O. und W.S., die erstmals in der Sitzung vom 20.11.1989 auf das Problem möglicher Lohnsteuerhinterziehungen hingewiesen worden seien und deswegen gemäß §§ 153 Abs. 1, 34 AO zur Anzeige gegenüber dem Finanzamt verpflichtet gewesen seien. In der Anzeige vom 1./23.2.1990 sei also außer der Selbstanzeige auch eine – unverzüglich erstattete – Fremdanzeige enthalten, die – im Gegensatz zur Selbstanzeige – „ihre günstige prozessuale Wirkung für einen Straftäter (entfalte), der schlechthin nichts zu den Voraussetzungen des § 371 Abs. 4 AO beigetragen“ habe.
1397
Das OLG Stuttgart gab der Beschwerde der Staatsanwaltschaft hiergegen statt. Zunächst stellte das Gericht fest, dass eine für die Angeklagten abgegebene Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO mangels hinreichender Berichtigungserklärung unwirksam sei. Die Selbstanzeige genügte nicht den inhaltlichen Anforderungen, die an die Berichtigungserklärung zu stellen seien. Der Strafverfolgung der Angeklagten stehe auch nicht das Verfolgungshindernis des § 371 Abs. 4 AO entgegen. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 371 Abs. 4 AO erfüllt seien, da sich die Fremdanzeige der Frau R jedenfalls nicht zugunsten der Angeklagten auswirke. Nach Auffassung des OLG Stuttgarts wirke das Strafverfolgungshindernis des § 371 Abs. 4 AO nur zugunsten derjenigen Personen, die ihren nachträglichen Pflichten nach § 153 AO nicht nachgekommen seien.
1398
Das OLG Stuttgart hat sich damit gegen eine extensive Interpretation des § 371 Abs. 4 AO gewandt und dies damit begründet, dass die in Bezug ge344
C. Wirkung der Fremdanzeige
nommene Vorschrift des § 153 AO nur die Verpflichtung zur nachträglichen Anzeige und Richtigstellung regelt. Hätte der Gesetzgeber die Abgabe der fehlerhaften Ursprungserklärung i.S.d. §§ 149, 150 AO eines Dritten von Strafverfolgung freistellen wollen, hätte es nahe gelegen, auf diese Vorschriften zu verweisen. Die in § 153 AO statuierte Pflicht beziehe sich auf die Anzeige und Richtigstellung der unrichtigen Erklärung, die beide entsprechende Erklärungen voraussetzen, so dass mit den bezeichneten Erklärungen die Anzeige und Richtigstellung i.S.d. § 153 Abs. 1 S. 1 AO gemeint sei. Damit erkläre sich auch zwanglos das in § 371 Abs. 4 AO angesprochene Unterlassen der Abgabe der in § 153 AO bezeichneten Erklärungen, beziehe man es auf die Anzeige und/oder Richtigstellung. Das OLG Stuttgart verweist zur Begründung auch auf den systematischen 1399 Zusammenhang der Fremdanzeige in § 371 AO. Die Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO dürfe nicht nur im Zusammenspiel mit § 153 AO gesehen werden, sondern auch im Gefüge der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1–3 AO. Es laufe dem fiskalischen Interesse der Vorschrift zuwider, wenn die strengeren Anforderungen an die Selbstanzeige durch die bloße Anzeige eines Dritten ohne jegliche Gegenleistung, insbesondere Richtigstellung, des ursprünglichen Steuerhinterziehers ausgehebelt werden könne. Schließlich führt das OLG Stuttgart zur Begründung die Entscheidung des BGH vom 27.4.19881 als Beleg für seine Auffassung an. Die Erwägung des BGH, die Anzeige von Mitgesellschaftern müsse unbeschadet ihrer Verpflichtung nach § 153 AO wie eine Selbstanzeige eines hierzu vom Steuerpflichtigen Beauftragten behandelt werden, sei überflüssig, wenn sie ohne weiteres als Fremdanzeige zu einem Verfahrenshindernis für den Steuerhinterzieher führen würde.
1400
2. Auslegung nach Schauf Dieser Auslegung durch das OLG Stuttgart haben sich Schauf2 und andere Autoren3 angeschlossen. Schauf führt aus, dass nach der Konzeption des § 371 Abs. 4 AO nur Fälle erfasst seien, in denen von mehreren Anzeigepflichtigen i.S.d. § 153 AO nur einer dieser Verpflichtung durch rechtzeitige und ordnungsgemäße Anzeige nachkommt. Eine Berichtigungspflicht gem. § 153 AO bestehe bei vorangegangener bewusster Steuerhinterziehung nicht. Damit wäre der Bezug auf § 153 AO in § 371 Abs. 4 AO unverständlich.
1 3 StR 55/88, wistra 1988, 308. 2 In Kohlmann, § 371 Rz. 283.3. 3 Dumke in Schwarz, § 371 Rz. 190; Wassmann, Die Selbstanzeige im Steuerrecht, 1991, S. 112; Marschall, BB 1998, 2553, 2559.
345
1401
7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
II. Erweiternde Auslegung der Fremdanzeige 1402
Vorzug ist der in der Literatur1 weit vertretenen Ansicht zu geben, dass § 371 Abs. 4 AO auch Fälle erfasst, in denen der Dritte seine ursprüngliche Erklärungspflicht verletzt und den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt hat, in dem vorgenannten Beispielsfall also G 1. 1. Auslegung nach Samson
1403
Nach Samson2 erstreckt sich das Prozesshindernis in erster Linie auf die durch die Abgabe der unrichtigen Ursprungserklärung begangenen Steuerhinterziehung des Dritten; Begünstigter des § 371 Abs. 4 AO sei der Verursacher der fehlerhaften Ursprungserklärung. Zur Begründung führt Samson die Systematik und den Zweck der Regelungen der §§ 371 Abs. 4 und 153 AO an.
1404
Die §§ 153 Abs. 1 und 371 Abs. 4 AO unterscheiden zwischen der „Anzeige“ und der „Erklärung“. Die zweifache Bezugnahme des § 371 Abs. 4 AO auf § 153 AO – einerseits auf die „in § 153 vorgesehenen Anzeige“ und auf die „in § 153 bezeichneten Erklärungen“ andererseits – und die identische Unterscheidung zwischen Anzeige und Erklärungen lege einen einheitlichen Sprachgebrauch beider Vorschriften nahe. Der Begriff der Erklärung in § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO sei jedoch nur für die fehlerhafte Ursprungserklärung reserviert. Daraus ergäbe sich, dass § 371 Abs. 4 AO eine strafbefreiende Wirkung für den Fall erfasst, in denen der Dritte seine ursprüngliche Erklärungspflicht verletzt und den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt hat, in dem vorgenannten Beispielsfall also G 1, nicht aber gegenüber demjenigen, der zuvor seinerseits die Berichtigungspflicht nach § 153 AO verletzt hat und sich deshalb nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 AO strafbar gemacht hat, im vorgenannten Beispielsfall also G 2. Für diese Interpretation spreche auch, dass es nur schwer vorstellbar sei, wie man eine Anzeige des § 153 AO unrichtig oder unvollständig abgeben könne. Andererseits werde das Unterlassen (so aber § 371 Abs. 4 AO) einer Ursprungserklärung gerade nicht von § 153 AO erfasst, was gegen seine bisherige Auslegung des Wortlauts sprechen würde. Dieses Dilemma lässt sich nach Samson nur dadurch lösen, dass sowohl die Ursprungserklärung als auch die Anzeige als Erklärungen i.S. des § 371 Abs. 4 AO anzusehen seien. Für diese Auslegung spricht auch die Verwendung des Plurals; § 371 Abs. 4 AO spricht von den in § 153 AO bezeichneten Erklärungen.3 Nach Samson erstreckt sich das Prozesshindernis in dem Beispielsfall sowohl auf G1 als auch auf G 2. 1 U.a. auch Stahl/Carlé, DStR 2000, 1248 und Bornheim, PStR 1999, 94. 2 wistra 1990, 249. 3 OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.1996, 2 Ss 107/95, NStZ-RR 1996, 372, 373; AG Bremen, Beschl. v. 17.2.1998 – 84b Ds 860 Js 22051/97, wistra 1998, 316, 317; LG Bremen, Beschl. v. 26.6.1998 – 42 Qs 84b Ds 860 Js 22051/97, wistra 1998, 317, 318; Kottke, DStR 1996, 1350, 1352.
346
C. Wirkung der Fremdanzeige
Dieses Ergebnis rechtfertigt Samson auch mit dem rein fiskalischen Interesse der Vorschrift sowie mit dem Zweck der Vorschrift, die aus § 153 AO Verpflichteten zu Erklärungen zu motivieren, ohne dadurch betroffene Dritte der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen.
1405
2. Auslegung nach Joecks Auch nach Joecks1 erstreckt sich § 371 Abs. 4 AO nicht nur auf die durch den Verstoß gegen die nachträgliche Anzeige- und Berichtigungspflicht des § 153 AO begangene Steuerhinterziehung durch Unterlassen, sondern auch auf die durch die Abgabe der unrichtigen Ursprungserklärung begangenen Steuerhinterziehung des Dritten. Auch Joecks führt den Wortlaut des Gesetzes zur Begründung an. Die Anzeige i.S.d. §§ 371 Abs. 4, 153 AO wirke zugunsten desjenigen Dritten, dem eine Pflichtverletzung hinsichtlich der ursprünglichen „Erklärung“ i.S.d. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zur Last falle. In § 153 AO wird zwischen „Anzeige“ und „Erklärung“ unterschieden; der Begriff der „Erklärung“ wird nur für die fehlerhafte Ursprungserklärung verwendet.2 Nach Joecks wirkt die Fremdanzeige auch zugunsten desjenigen Dritten, der die Ursprungserklärung nicht vorsätzlich falsch abgegeben hat, sondern sich wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 153 Abs. 1 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO der Steuerhinterziehung strafbar gemacht habe.
1406
III. Gestaltungsmöglichkeiten durch die Fremdanzeige Aus dieser gesetzlichen Situation heraus ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten für den Steuerhinterzieher, der eine Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO wegen bereits laufender Betriebsprüfung (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a, c AO) oder wegen Teilentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) nicht mehr wirksam abgeben kann.3
1407
Ist dem Täter die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO auf Grund der 1408 Sperrwirkungstatbestände des § 371 Abs. 2 Nr. 1a, c und Abs. 2 Nr. 2 AO verschlossen, kann er einen Vertreter oder Berechtigten nach §§ 34, 35 AO4 bestellen, diesen über seine eigene vorangegangene Hinterziehung unterrichten und sich auf die Wirkung des § 371 Abs. 4 AO berufen, wenn der bestellt Vertreter rechtzeitig und ordnungsgemäß die ihm nach § 153 AO obliegende Anzeige erstattet. Soweit man diese Gestaltung unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs 1409 ausgrenzen will, ist dies mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht vereinbar. 1 In Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 228a. 2 Samson, wistra 1990, 245, 249; a.A. OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.1996 – Ws 1/96, wistra 1996, 190. 3 Bornheim, PStR 1999, 94 f.; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 230; Samson, wistra 1990, 245, 249. 4 Vgl. die Ausführungen zum Vertreter nach §§ 34, 35 AO in Kapitel 6 Rz. 1287 ff.
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7. Kapitel: Strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
Das merkwürdig anmutende Ergebnis ist nicht auf die Auslegung der Vorschrift als vielmehr auf die vom Gesetzgeber bei der Fremdanzeige enger normierten Ausschlussgründe zurückzuführen.1 1410
Boelsen2 sieht es als die Aufgabe des Gesetzgebers an, dieses Ergebnis der provozierten Fremdanzeige durch eine Neuregelung des § 153 AO zu lösen.
D. Analoge Anwendung der Fremdanzeige 1411
Nach Samson3 und Joecks4 ist § 371 Abs. 4 AO analog auch auf solche Fälle anwendbar, in denen der Steuerpflichtige vorsätzlich eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen dadurch begangen hat, dass der Steuerpflichtige überhaupt keine Erklärung abgegeben hat oder aber auch in den Fällen der vorsätzlich unterlassenen Steuererklärung, in denen der Verpflichtete nunmehr die Erklärung einreicht, der andere ihn aber nicht zu der darin liegenden strafbefreienden Selbstanzeige bevollmächtigt hat. Eine analoge Anwendung in diesen Fällen ist insb. dann anzunehmen, wenn man eine verdeckte Stellvertretung für unzulässig erachtet bzw. einer nachträglichen Genehmigung der Vorgehensweise keine rechtliche Wirkung beimisst.
E. Fortfall der Anzeige- und Berichtigungspflicht 1412
Die Pflicht zur Anzeige und Berichtigung nach § 153 AO entfällt mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 AO.
1 Samson, wistra 1990, 245, 251; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 230; Bornheim, PStR 1999, 94 f.; Rüping in HHSp., § 371 Rz. 224. 2 Boelsen, Die Regelung des § 371 Abs. 4 der Abgabenordnung 1977, S. 105 ff. 3 Samson, wistra 1990, 245, 251. 4 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 371 Rz. 231.
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Stichwortverzeichnis Abgeltungsteuer 87, 100 ff. Ablaufhemmung 1101 ff., 1107 ff. Absehen von Strafverfolgung, § 398a 1057 ff. Adressat – Bekanntgabeadressat der Prüfungsanordnung 702 ff. – der Berichtigungserklärung 1333 – der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens 810 ff. – der Selbstanzeige 207, 482 ff. – Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung 657 ff., 671, 679, 729 ff., 912 ff. Ahndungsrückgriff auf subsidiäre Steuerordnungswidrigkeiten 1081 ff. Aktenvermerk bei Verfahrenseinleitung 771, 779 Amtshilfe – Internationale Kontrollmitteilungen 57 – Kreditinstitute 147 Amtsträger – Mitteilungspflicht 107 – Sperrwirkung 746 ff., 848 ff., 852 ff. – Tatentdeckung 1003 ff. Analogieverbot 268 Anerkennen von Prüfungsergebnissen 1248 Anfangsverdacht – Anlass für Selbstanzeigen 58 – bei § 371 Abs. 2 Nr. 1c 907 – bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 934 ff., 957, 964 Angemessene Frist 558 ff. Angestellter – Nachzahlungspflicht 508 ff. – Sperrwirkung bei § 371 Abs. 2 Nr. 1a 739, 741 – Sperrwirkung bei § 371 Abs. 2 Nr. 1b 820, 821, 822 – Sperrwirkung bei § 371 Abs. 1 Nr. 1c 917, 918 Anlass zur Selbstanzeige 9 ff. Anlaufhemmung 1096, 1325 Anwartschaft auf Straffreiheit 281, 398, 497, 586, 626 Arzt, Nebenfolge einer Selbstanzeige 1206 Aufbewahrungspflicht 32 ff.
Aufklärungspflichten des Steuerpflichtigen 26 ff. Aufrechnung 606, 1170 Auskunftsverweigerungsrecht 159, 176, 957, 1273 Außenprüfung – Anlass für Ermittlungen 10 ff. – bei sog. Einkunftsmillionären 22, 34 – Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a 635 ff. – Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c 848 ff. Außerstrafrechtliche Folgen 222, 1088 ff., 1189ff Aussetzung der Vollziehung 1171 Automatischer Abruf von Bankdaten 64 ff. Bandenmäßige Steuerhinterziehung 452 Bank als Informationsquelle 62 ff., 153, 154 ff., 169 ff. Bankangestellter – Ermittlungen 469 – Sperrwirkung 822 Bankdaten-CD – Beweisverwertung 969 ff. – Ermittlungen 962 ff. – Rechnen-Müssen mit Tatentdeckung 1020 ff. – Tatentdeckung 983 ff. Bankenfälle 960 Bankgeheimnis 146 Bankmitarbeiter siehe Bankangestellter Bankunterlagen – Aufbewahrungspflicht der Bank 193 – Beschaffung zur Vorlage beim Finanzamt 201ff, 407 – Kontrollmitteilung 139 Bankvorstand, Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften 1209 Bannbruch 270, 1080, 1161 Bargeldverkehr, Kontrolle 130ff, 190 Basisgesellschaft, Bundeszentralamt für Steuern 61 Begünstigung 270, 401, 603, 823, 975, 1161 Beihilfe 707, 1206
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Stichwortverzeichnis – Anwendungsbereich der Selbstanzeige 269 – in Erbfällen 120 – Steuerberater 14 – von Bankmitarbeitern 144 ff., 469, 822 Beitreibungsverfahren, Vollstreckung 285, 612, 1299 Bekanntgabe – Prüfungsanordnung, Sperrwirkung 635 ff., 680 ff. – Verfahrenseinleitung 770 ff., 790 ff. Belehrung – Rechtsbehelfsbelehrung bei Prüfungsanordnung 668 – über fristgerechte Nachzahlung 584 – über Mitwirkung 957, 959, 1076 – über Vernehmung 804 Benford’s Law 51 ff. Berichtigungen von Zollanmeldungen 440, 1227 Berichtigungserklärung – Inhalt der Selbstanzeige 282, 1241 – nach § 153 AO 1263 ff. Berichtigungspflicht nach § 153 AO 121, 1266, 1268 ff. Berufskammer 151, 1202, 1205 Berufsverbot rechts- und steuerberatender Berufe 1206 Beschlagnahme – Handakte 204, 407 – Maßnahme der Einleitung des Strafverfahrens 780, 799, 802 Beschlagnahmeanordnung 802 Besichtigung des Betriebsgeländes und der Geschäftsräume, Sperre 858 ff. Bestechungsgeld, Aufdeckung 56, 113, 196, 197, 202, 274, 407 Betriebsbesichtigung, Sperrwirkung 887 Betriebsinhaber, persönlicher Umfang der Sperrwirkung 733 ff., 915 ff. Betriebsnahe Veranlagung 643, 851, 897, 902 Betriebsprüfer – Sperrwirkung 848 ff. – Tatverdacht einer Steuerhinterziehung 10, 55 Betrug, Aufdeckung durch Selbstanzeige 56, 69, 196, 274 Briefkastenfirma 48 Buchführung – Schätzung 402 ff. – Statistische Verprobung 51 ff.
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– zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage 310 Buchführungsunterlagen, Schätzung bei fehlenden Unterlagen 402ff. Bundeszentralamt für Steuern 49, 55, 61, 153, 776 Bußgeldverfahren, Sperrwirkung 770 ff. Chiffre-Anzeige 157 ff. Chi-Quadrat-Test 51 ff. Disziplinarverfahren 163, 1189 ff. Dolose Selbstanzeige 325, 330, 386 ff. Domizilgesellschaft, Bundeszentralamt für Steuern 61 Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz 103 Drittanzeige siehe Fremdanzeige Durchbrechung des Steuergeheimnisses 797, 1198, 1211 Durchsuchung 218, 780, 799 ff. Durchsuchungsanordnung 802 Durchsuchungsbeschluss 800, 817 ff., 822 ff., 856 Ehegatten 35, 519, 662, 1273, 1338 Einkommensteuererklärung, Bekanntgabe gegenüber Eheleuten 662 Einleitung – Bekanntgabe der Einleitung 795 ff. – des Bußgeldverfahrens 784 f. – des Steuerstrafverfahrens 8, 104 ff., 770 ff., 1072 ff. – Sperrwirkung bei der Fremdanzeige 1390 – Sperrwirkung bei leichtfertiger Steuerverkürzung 1228 ff., 1241, 1255 – Umfang der Sperrwirkung 810 ff. Einspruch – gegen den Zinsbescheid 1153 – gegen die Fristsetzung 595 – gegen die Prüfungsanordnung 654 – gegen die Steuerfestsetzung 594 – Wirksamkeit der Selbstanzeige 496 Einstellung – Abgrenzung zu § 398a 1057 ff. – bei verunglückter Selbstanzeige 767 – des Verfahrens 634, 1077 – nach Schadenswiedergutmachung 587 – Wiederaufleben der Selbstanzeige 336, 843 ff.
Stichwortverzeichnis Einziehung von Nachzahlungszinsen 1139 ELO 40 ff. EOSS 40 ff. Erbfall – Anzeige und Berichtigungspflichten 1277 ff. – Mitteilungspflichten 117 ff. – Prüfungsanordnung 663 Erforschungspflicht der Steuerfahndung 7 Erhöhte Mitwirkungspflicht – Aufklärungspflicht 27 ff. – bei der Außenprüfung 641 – Verbot von Zwangsmitteln 220, 1338 ff. Ermessen – bei Absehen von Strafverfolgung nach § 398a 1062 – bei Festsetzung von Zinsen 1152, 1166, 1175 – bei Fristsetzung zur Nachzahlung 497, 558 ff. – bei Prüfungsanordnung 32, 649, 652 Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen 288 f., 307 ff., 396 f. Ermittlungen – Erforschungspflicht 7 ff. – gegen Bankmitarbeiter 144 ff. – in Folge einer Selbstanzeige 215 ff. Ermittlungsbehörde 776 Ermittlungsverfahren – Einleitung 104 ff., 1072 ff. – Sperrwirkung 774 ff. Erscheinen eines Prüfers 717, 751 ff., 848 ff. EU-Zinsrichtlinie 76 ff. Fahrlässigkeit 1228 ff. Faktischer Geschäftsführer, Berichtigungspflicht 1292 Fälligkeitssteuern – Fristsetzung 553 – Hinterziehungszinsen 1169 – Verjährung 461 Fernwirkung des Verwertungsverbots 969 ff. Festsetzung von Hinterziehungszinsen 1155 ff. Festsetzungsfrist 205, 222, 456, 1089 ff., 1177, 1261 Feststellungsbescheid, Festsetzungsverjährung 1091 Finanzbehörde 852
Form – der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens 795 – der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung 701 – der Prüfungsanordnung 644 ff. – der Selbstanzeige 198 ff., 291 ff. Freispruch 1077 Freiwilligkeit als Motiv 252, 260, 631 f. Fremdanzeige 1360 ff. Frist, angemessene 558 ff. Fristsetzung zur Nachzahlung 545 ff. Garantenstellung des Steuerberaters 1294, 1296, 1376 Gebühren 226 ff. – des Rechtsanwalts 231 ff. – des Steuerberaters 238 ff. Gehilfe – Haftung 1185 – Nachzahlung 503, 1064 – Selbstanzeige 312, 467 Geldtransfer ins Ausland 130 ff., 190, 987 Geldwäscheverdachtsanzeige 63 ff., 130 ff., 148 ff. Gesamtrechtsnachfolger 1264, 1268, 1274 ff. Geschäftsführer – Anzeigepflicht nach § 153 1288, 1292 – Hinterziehungszinsen 1166 – Nachzahlungspflicht 506, 516, 523 ff. – Sperrwirkung 917 – Täter 706 Gesellschafter – Prüfungsanordnung 664 f. – Sperrwirkung 742 ff., 919 ff. Gewerbeuntersagung 223, 1211 ff. Grenzkontrolle 987 ff. Haftungsinanspruchnahme 222, 521 ff., 613, 1179 ff. Handakte 204, 407 Hauptzollamt – Adressat der Selbstanzeige 483, 485 – Einleitung des Strafverfahrens 776 Hinreichender Tatverdacht 979, 1041 Hinterziehungszinsen 1155 ff., 1262 Hinterziehungszinsen und Vollverzinsung 1145 Honorar siehe Gebühren
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Stichwortverzeichnis IDEA 40 ff. Identitätsfeststellung nach EU-Zinsrichtlinie 76 ff. in dubio pro reo – bei Zugangsfiktion 463 – Nachweis der positiven Kenntnis 1018, 1029 Informationspflicht nach EU-Zinsrichtlinie 76 ff. Inhalt – der Einleitung des Strafverfahrens 807 ff. – der Fremdanzeige 1388 f. – der Prüfungsanordnung 651 ff. – der Selbstanzeige 199 ff., 303 ff., 395 ff., 1245 ff. – der Selbstanzeige betreffend Stiftungsvermögen 416 ff. Insolvenz, Fristsetzung zur Nachzahlung 554, 614 f. Kapitaleinkünfte – Anzeige der Quelle der Einkunft 397 – Beschaffung von Unterlagen 200 ff., 407 – Mitteilungspflicht in Erbfällen 117 ff., 1282 ff. – Mitteilungspflicht von Banken 153 – Mitwirkungspflichten 29 – Schätzung 413 ff. Kapitalgesellschaft – Prüfungsanordnung 666, 736 – Sperrwirkung 743, 915, 920 – Stiftung 427 – Vertretung bei Erstattung einer Selbstanzeige 479 Kassenbuch, Verprobung 52 Kassenstreifen, Aufdeckung der Tat 10 Kenntnis um die Tatentdeckung 1016 ff. Kompensationsverbot 539 Konto – Automatischer Abruf 64 ff. – Beschaffung von Kontounterlagen 200 ff., 407 – EU-Zinsrichtlinie 76 ff. – Kauf von Bankdaten-CD 172 ff. Kontoinhaber 65, 190 Kontrollmitteilung 55, 57, 116, 139 f., 154, 287, 781 f., 952 ff., 960, 987 ff. Konzern, Außenprüfung 666, 879 Korruption, siehe Bestechungsgeld
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Kreditinstitut – Beschaffung von Unterlagen 407 – indiskrete Mitarbeiter 169 ff. – Mitteilungspflichten 62 ff., 148, 153, 154 ff. Kündigung von Mitarbeitern 163 Leichtfertige Steuerverkürzung – Festsetzung von Zinsen 1261, 1262 – Haftung 1179 – Selbstanzeige 928, 1228 ff. Liquiditätsprüfung 895 Luxemburg, EU-Zinsrichtlinie 79 ff. Meldepflicht – von Barmitteln im Grenzverkehr 131, 134 ff. – von Kreditinstituten 153 – von Zinseinnahmen 76 Mithilfe bei Steuerfestsetzung 304, 1245 Mittäterschaft 120, 163, 176, 269, 1280 Mitteilung – des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel 152 – durch das Veranlagungsfinanzamt 58 – Internationale Kontrollmitteilung 57 – nach dem Geldwäschegesetz 148 ff. – nach EU-Zinsrichtlinie 76 ff. – über Folgen der Selbstanzeige 1197 ff., 1202, 1284 f. – von Gericht und Behörden 107 ff. – von Kreditinstituten 153 Mitwirkung – bei der Außenprüfung 641, 874, 890 – des Steuerpflichtigen 20, 794, 957, 1338 – nach dem Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz 26 ff. – von Banken 155 Nacherklärung 6, 1221, 1263 Nachzahlung 212 ff., 221, 497 ff., 1059, 1075, 1254, 1391 Nachzahlungsfrist 545 ff. Nachzahlungspflicht 213, 221, 263, 499, 500 ff., 603, 1059, 1254, 1391 Nebenfolgen 222f, 1078, 1088 ff., 1189 ff., 1259 ff., 1336 ff. Nebenleistung 213, 222, 530, 1054, 1088, 1092, 1116, 1139, 1144f, 1158
Stichwortverzeichnis Nemo-tenetur-Prinzip 220 Nichtabgabe einer Steuererklärung 464, 937, 1300 Niederschlagung von Steuern 502, 609 Nummernkonto 407 Oberfinanzdirektion 776, 852, 987 OR-Geschäft 399, 808, 956 Ort – der faktischen Geschäftsleitung 428 – Erscheinen des Amtsträgers 858 ff., 875 ff. Passentzug 1214 f. Personengesellschaft 487, 514, 664 f., 673 Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 608 Provisionszahlung 197, 202, 407 Prüfungsanordnung, nichtige 751, 893 Prüfungsmaßnahme, rechtswidrige 750 ff. Rechnung, fingierte 10, 13, 44, 311, 399 Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen 219, 1338 Rechtsbehelf – gegen Fristsetzung zur Nachzahlung 594 ff. – gegen Prüfungsanordnung 640, 668 – gegen Zinsbescheid 1152 Rechtshilfe 66, 970, 1006 Rechtschutz siehe Rechtsbehelf Reiseverkehr, Kontrolle 130 ff. Richtsatzprüfung und Selbstanzeige 895 Reue 255 ff. Rücktritt 255, 269, 1216 ff. Säumniszuschlag 213, 530, 1116, 1146, 1171, 1188 Schadenswiedergutmachung 1223 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen 201, 402 ff., 413 ff., 951 Scheinrechnung 54, 808 Schmiergelder 56, 113, 196, 197, 202, 274, 407 Schuld 439 f. Schwarzarbeit 110, 160, 179 Schwarzgeldbekämpfungsgesetz – Absehen von Strafverfolgung 1057 ff.
– Ausschluss der Teilselbstanzeige 355 ff. – Begründung des Gesetzgebers 347 ff. – Bekanntgabe der Einleitung des Strafund Bußgeldverfahrens 770 ff. – Bekanntgabe der Prüfungsanordnung 635 ff. – Sperrwirkungstatbestände, Überblick 625 ff. – Steuerverkürzung ab 50.000 Euro 1042 ff. – Überblick 338 ff. – Übergangsregelung 374 ff. – Wirkung einer Teilzahlung 616 ff. Schweiz, Steuerabkommen mit Deutschland 83 ff. Schwere Steuerhinterziehung 452 Selbstanzeige – Adressat 207, 482 ff. – Ahndung anderer Ordnungswidrigkeiten 1081 ff – Analogieverbot 268 – angemessene Frist 558 ff. – Aufrechnung 606, 1170 – Bankenfälle 960 – Bannbruch 270, 1080, 1161 – Begünstigung 270, 401, 603, 823, 975, 1161 – Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung 770 ff., 790 ff. – Berichtigung von Zollanmeldungen 440, 1227 – Berichtigungserklärung 282, 1241 – Betriebe, mehrere 737 f., 878, 916 – Betriebsangehörige 739 f., 917 – betriebsnahe Veranlagung 643, 851, 897, 902 – des Gehilfen 465 ff. – Drittanzeige 1360 ff. – durch Beauftragte 470, 471 ff. – durch Dritte 470, 477 – durch Einreichen einer Voranmeldung 300, 330, 462 – durch Steuerberater 470 ff., 474 ff. – durch Steuererklärung 299 ff. – durch Vertreter 470 ff. – Einleitung des Verfahrens 770 ff. – Entdeckung des Täters 927 ff. – Erlass hinterzogener Steuern 285, 502 – Erscheinen eines Amtsträgers 848 ff. – Festsetzung von Hinterziehungszinsen 1155 ff., 1262
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Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Form 198 ff., 291 ff. Freispruch 844, 1077 Freiwilligkeit 252, 260, 631 f. Fristsetzung zur Nachzahlung 545 ff. Gebühren des Steuerberaters 238 ff. gegenüber Betriebsprüfern 1230, 1249 in Konzernen 666, 852, 879 Insolvenz 554, 614 f. Kapitalgesellschaft 666, 736, 915 Kenntnis von der Entdeckung 1015 ff. Kirchensteuer 273, 1093 Kommunalabgaben 272, 776, 1298 konkludente 298, 795, 909 Konkurrenzfragen 1216 ff. koordinierte 469 Kostenfragen 225 ff. Lästigkeitsprinzip 624 Materiallieferung 287 missglückte 767, 1019, 1224 nach leichtfertiger Steuerverkürzung 765, 928, 1228 ff. Nachschau 342, 643, 851, 897 ff. Nachzahlung durch Scheck 605 Nachzahlungsfrist 545 ff. Nachzahlungspflicht 213, 221, 263, 499, 500 ff., 603, 1059, 1254, 1391 Person des Anzeigeerstatters 465 ff., 1253 personenbezogene Sperrwirkung 627 Personengesellschaft 487, 514, 664 f. 673 persönlicher Umfang der Sperrwirkung 729 ff., 810 ff., 912 ff. 1036 ff. Prüfung an Amtsstelle 648, 881 ff. Rechtsmittel gegen Fristsetzung 594 ff. Rechtsnatur 267 f. rechtswidrige Prüfungsmaßnahme 750 ff. Richtsatzprüfung 895 sachbezogene Sperrwirkung 627 sachlicher Anwendungsbereich der Vollverzinsung 1114 ff. sachliche Sperrwirkung 745 ff., 827 ff., 924 ff., 1030 ff. Schadenswiedergutmachung 1223 Scheinhandlungen des Prüfers, 886, 1105 Sperrwirkung 625 ff. Steuergefährdung 1082 f., 1161
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– Steuerhehlerei 270, 1161, 1184 ff. – strafmildernde Selbstanzeige 211, 587, 1078 – strafrechtliche Nebenfolge 221, 1071 – Systematik 250 ff. – tatbezogene Sperrwirkung 627 – Tatentdeckung 931, 946 ff. – Teilselbstanzeige 313 ff. – Verfassungsmäßigkeit 1070 – Vorlage der Buchführung 38, 402 f. – Widerruf 492 ff. – Wiederaufleben der Berichtigungsmöglichkeit 768 f., 843 ff., 930, 1040 f. – Zielsetzung 258 ff. – Zuständigkeit für Fristsetzung 575 ff. Sozialversicherungsbeiträge 279 Sperrwirkung – Bekanntgabe der Einleitung des Strafund Bußgeldverfahrens 770 ff. – Bekanntgabe der Prüfungsanordnung 635 ff. – Entdeckung der Tat 927 ff. – Erscheinen eines Amtsträgers zur Prüfung oder Ermittlung 848 ff. – personenbezogene 627 – persönlicher Umfang 729 ff., 810 ff., 912 ff., 1036 ff. – sachliche 745 ff., 827 ff., 924 ff., 1030 ff. – Sperrwirkungstatbestände, Überblick 625 ff. – Steuerverkürzung ab 50.000 Euro 1042 ff. – tatbezogene 627 Stellvertretung – offene 474 ff. – verdeckte 477 ff. Steuerabkommen DeutschlandSchweiz 83 ff. Steuerberater 149 ff., 176 f., 181 ff., 706, 712, 983 ff., 1202 ff. Steuerfahndung, Erforschungspflicht 7 f. Steuerfahndungsprüfung – bei Banken 154 – beim Geschäftspartner 56 Steuergeheimnis 147, 797, 1198 ff., 1202, 1211 Steuerhinterziehung – Anwendungsbereich der Selbstanzeige 269 ff.
Stichwortverzeichnis – schwere 452 – Straffreiheit 195 ff. – Strafmaß 221 Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz v. 27.9.2009 20 Steuerordnungswidrigkeit 7, 904 ff., 925, 1081 Steuerpflichtiger i.S. d. Berichtigungserklärung, 1269 ff. Steuerstrafverfahren, Einleitung 104 ff., 792 ff., 1072 ff. Steuerverkürzung – ab 50 000 Euro 209, 628, 1042 ff. – leichtfertige 253, 271, 928, 1228 ff. Stiftung 416 ff. Strafanzeige 115, 167 Strafbefehl 634, 767, 844 Strafmaß 221 Strafvereitelung 182, 196, 274, 603, 823 Strafverfolgung, Absehen von 1057 ff. Stundung 285, 564, 590 ff., 894, 1171, 1299 Stundungszinsen 1149 Subventionsbetrug 257, 1225 Tagessatz 256 Tat 904 ff., 925, 931 ff., 991 ff., 1053 ff. Tatentdeckung 931 ff., 946 ff. Täter 269, 705 ff. Täter-Opfer-Ausgleich 634, 767 Täterschaft 269, 705 ff. Tatmehrheit 832, 1033 Tatsachen, Kenntnis von der Tatentdeckung 1016 ff. Teilnahme 269, Teilselbstanzeige 283 ff. – Auschluss nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 338 ff. – Rechtsansicht nach BGH 314 ff. – Ursprüngliche Rechtsansicht 313 Teilzahlung 616 ff. Telefonische Ankündigung der Außenprüfung 860 f. Überschusseinkünfte 32 ff. Umsatzsteuer, Zahlungsfrist 553 Umsatzsteuerjahreserklärung 300, 642 Umsatzsteuer-Nachschau 342, 643, 851, 898 ff. Umsatzsteuersonderprüfer 852 Unkenntnis über steuererhebliche Tatsachen 1359
Unrichtigkeit der Selbstanzeige 394 Untreue 196, 274, 975, 1097 Unzuverlässigkeit – Gewerbeuntersagung 1211 – von Ärzten 1207 Urkundenfälschung 13 f., 1079 Urkundenvorlage 1272 Veranlagung, betriebsnahe 342, 643, 851 f., 897 ff. Verdachtsanzeige 69, 161 ff. Verfahrenseinleitung 770 ff. Verfälschen von Belegen 10 Vergütung des Steuerberaters 238 ff. Verjährung – Beginn 458 ff. – Fälligkeitsteuer 461 – Festsetzungsverjährung 1091 ff., 1261 – Hinterziehungszinsen 1177 – Ordnungswidrigkeit 1260 – Strafverfolgungsverjährung 359 – Unterlassen 464 ff. – Verfolgungsverjährung 1260 – Zahlungsverjährung 1090 Verjährungsfrist 450 ff. Vernehmung 780 ff., 799, 803 f. Verschwiegenheitsverpflichtung des Steuerberaters 182, 1013, 1294 f., 1376 Versuch, Rücktritt vom 1216 Vertreter 471 ff., 708 ff., 733, 739, 745, 824 ff., 915, 1287 ff., 1293 ff. Verwaltungsakt – Bekanntgabe 682 ff., 720 ff. – nichtiger 669 ff. – Prüfungsanordnung 651 ff. – rechtswidriger 676 ff. Verwertungsverbot – auf Grund angekaufter Bankdaten 962 ff. – bei unzulässiger Anwendung von Zwangsmitteln 220 – von Prüfungsergebnissen 669, 717, 751 ff., 872 Verzinsung 1113 ff., 1159 ff. Vollverzinsung 1113 ff. Vorauszahlungen, Verkürzung auf Zeit 462 Vorfeldermittlungen 782, 907 Vorstandsmitglied 1209, 1288 Vortat 1184 Vorteil, geldwerter 230
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Stichwortverzeichnis Wahrnehmung berechtigter Interessen 823 Wirksamkeitsvoraussetzungen 250 ff., 281 ff., 1242 ff., 1255 ff. Wirtschaftsprüfer 124, 149 f., 1202 f., 1285 Wohnsitz 76 ff., 86 ff., 489 XPider 40 ff. Zahlung 212 f., 324, 497 ff., 1058 ff., 1138 ff., 1254, 1336, 1391 Zahlungsunfähigkeit 611 f., 895 Zahlungsweise 604 ff.
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Zeugnisverweigerungsrecht 147, 159, 1294 Zinsen 222, 1113 ff., 1155 ff. ZIVED 40 ff. Zollfahndung 483, 804, 852, 907, 1001 Zuständigkeit – für Bestimmung der Frist nach § 398a 1067 f. – für Bestimmung der Nachzahlungsfrist 575 ff. – für Einleitung des Strafverfahrens 775 Zustellungsfiktion 463, 680 ff. Zwangsmittelverbot 1338